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Geſchichte Oſterreichs.

Bon

Alfons Suder.

Dritter Band.

Gotha. Friedrich Andreas Perthes. 1888.

Inhalts-Überfidht.

Viertes Buch.

Die Periode der erften Verbindung Böhmens und Ungarıs mit Öfterreid. (1437—1457.)

Eeite Erftes Kapitel. Die Erwerbung Ungarns und Böh⸗

mend durch Albrecht V. von Ofterrih . . . . 3-14 Geographifhe Motive für die Verbindung der unga- rifhen und böhmifhen Länder mit ben beutfch- öfter- reihifhen. S. 3. Anertennung der Tochter K. Sig- munds und ihres Gemahls in Ungarn; Wahl Albrechts V. zum römifhen Könige S. 4. Die Parteien in Böh⸗ men; Wahl Albrechts durch die Katholiten und die ge- mäßigten Kalirtiner, Kaſimirs von Polen dur bie Taboriten und bie rabifalen Kalirtiner; Kämpfe um Tabor; Abſchluß eines Waffenſtillſtandes. S. 5. An- griffe der Türken auf Siebenbürgen und Serbien. S.9. Auflauf gegen die Deutfhen in Ofen. S. 10. Be- Ishlüfle des ungarifchen Reichstags. S. 10. Feldzug K. Albrechts gegen bie Türken; fein Tod; fein Eharalter.

©. 12.

weites Kapitel. Die Wirren während der Minder: jährigkeit des Ladislaus Poftumus bis zur Schlacht bei Barna. (1439—1444) . . . . . . 14-43

Folgen des Todes K. Albrechts II. für die Reic- reform und die Kirche; das neue Schisma. S. 14. I

vi | | Inhalts⸗ Überſicht.

Seite

Albrechts Töchter. S. 15. Wahl Friedrichs von Steiermark zum römiſchen Könige; deſſen Charakter. S. 15. Teſtament König Albrechts II. S. 17. Beſchlüſſe der Stände Öſterreictss. ©. 18. Bläne ber Ungarn; Berufung Wladiſlaws von Polen; bie Königin - Witwe Eliſabeth; die Geburt Ladislaus des Nachgebornen; deſſen Krönung zum Könige von Un- garn; Belegung Ofens durch König Wladiflam: befien Anertennung und Krönung; Ausbruch bes Krie- ge8; K. Friedrich III ; Gistra von Brandeis; Schwanken bes Kriegsglücks; Abkommen zwiſchen Wladiflam und Elifabeth; deren Tod; Waffenftillftand zwifchen König Sriebrih III. und König Wlabiflam. S. 18. Die Parteien in Böhmen; Sorge für den Landfrieden; An- ertennung bes Labislaus Poſtumus in den Nebenländern ; Wahl H. Albrehtd von Baiern zum böhmifchen Könige; deſſen Ablehnung; Anarchie in Böhmen; Taktik König Friedrichs III. und Ulrih8 von Roſenberg. ©. 27. Eroberung Serbiens dur die Türken; Belagerung Bel- grads; Johann Hunyady; deſſen Siege über die Türken; Thätigleit des Kardinal Ceſarini; Vorbringen der Un- garn bis zum Balkan, deren Rüdzug; Friedensanträge bes Sultans; zebnjähriger Waffenftillftand; deſſen Bruch durch die Ungarn; die Schlacht bei Varna; K. Wladiſlaws Untergang. ©. 32.

Drittes Kapitel. König Friedrichs III. Verhältnis zu feinem Bruder. Die Bormundfhaft über Sig: mund von Tirol, Krieg mit den Eidgenofien . 4457

Abkommen H. Friedrichs von Steiermart mit feinem Bruder Albrebt VI ©. 4. Ihr Streit um bie Bormundfchaft über Sigmund von Tirol; Anerkennung H. Friedrichs. S. 44. Neue Verträge zwifchen Frieb- ih und Albrecht. S. 46. Das Emporfommen ber Grafen von Eilli; deren Kämpfe mit Friedrich; Albrechts VI. Biindnis mit denfelben ; Abſchluß des Friedens. ©. 48. K. Friedrichs Bündnis mit den Zürichern; Krieg mit ben Schweizern; die Armagnalen; Beendigung des Kampfes mit den Eidgenofien. ©. 49. K. Friedrich Streitig- feiten mit den Tirolern wegen Fortdauer ber Bormund- Ichaft über H. Sigmund; feine erzwungene Nachgiebig-

Inhalts⸗ Überſicht. vu

keit; Überlafiung ber weftlihen Borlande an ben Herzog Albrecht. S. 52. Die Folgen der Einigungstendenzen 8. Friedrichs. ©. 56.

Viertes Kapitel. Friedrichs III. Stellung zu Fire und Reich während der eriten Periode feiner Re⸗ gierung. 57766

Streit zwiſchen dem Papſte Eugen IV. und dem Konzil von Baſel; die kurfürſtliche Neutralität; die Haltung der übrigen Reichsſtände, der Wiener Univerſität und Herzog Albrechts VI. von Oſterreich. S. 67. Abweichende Tendenzen K. Friedrichs III.; deſſen Gewinnung durch P. Eugen IV.; Obedienzerklärung der deutſchen Fürſten; das Wiener Konkordat; Folgen des Scheiterns ber kirch⸗ lichen Reformbewegung. S. 59. K. Friedrichs dy⸗ naſtiſche Politik; Beſtätigung der öſterreichiſchen Haus⸗ privilegien. ©. 64.

Fünftes Kapitel. Friedrichs III. Streitigleiten wegen der Bormundfhaft über Ladislaus Poftumus . . 65-89

Verſchiedene Haltung ber Länder des Ladislaus Poftumus. ©. 65. VBedingungsweife Anerfennung besjelben in Ungarn nad Wladislaws Falle; vergebliche Berhandlungen mit K. Friedrich III; Wahl Hunyabys zum Gubernator; befien Einfall in Ofterreih; Abſchluß eines Waffenftillftandes. S. 66. Sturz des walachi⸗ [hen Woywoden Drakul durch Hunyady; feine Ein- miſchung in die Verbältnifie der Moldau. S. 70. Sein Krieg gegen die Türken; Niederlage auf dem Amſel⸗ felde ; Abſchluß eines Waffenftillftiandes. S. 71. Stellung Giskras von Brandeis; feine Kämpfe mit Hunyaby. ©. 73. Hunyadys Ablommen mit König Friedrich. &. 75. Steigender Einfluß Georgs von Podiebrad in Böhmen; Überfall von Prag; deſſen Wahl zum Reiche- verweier. &. 76. Traurige Lage Ofterreihs während der vormundſchaftlichen Regierung; finanzielle Not nnd Gewaltthaten der Söldnerführer und räuberifcher Adeliger. ©. 77. Unzufrievenheit ber Ofterreiher mit König Friedrich; Umtriebe Ulrich Eizingers; fein Bündnis mit Öfterreichifchen Adeligen ; Auſchluß der Prälaten und Städte; Einfegung einer proviforifhen Regierung ©. 79. K. Friedrichs Römerzug. ©. 84. Anſchluß der Oberöfter-

I*

ym Juhalts⸗ Überſicht.

Eeite reiher und der Grafen von Eilli au deſſen Gegner; Bündnis der Öflerreicher, Ungarn, der Grafen von Cilli und der Roſenberg. S. 84. Verbindung bes Kaifers mit dem Papſte; Friedrichs Mangel an Thatkraft. S.86.

Angriff feiner Feinde auf W.-Neuftadt; Auslieferung bes Ladislaus Poftumus durch den Kaiſer. S. 87.

Sechſtes Kapitel. Ofterreih, Ungarn und Böhmen unter Ladislaus Poſtumus. 1(1452—1457.) . . 89-115

Ladislaus als felbftändiger Negent behandelt. S. 89. Bergeblihe Berbandblungen mit dem Kaiſer. S. 89. Einfluß Ulrichs von Eili. S. 91. Hunyaby Haupt- mann in Ungarn; Podiebrad Gubernator von Böhmen. ©. 92. Sturz Ulrichs von Eilli dur Eizinger. S. 94. K. Ladislaus und die Böhmen; Haltung der Neben- Yänder; Einfluß Georges von Podiebrad; Verluſt von Auſchwitz. S. 95. Stellung Hunyadys in Ungarn; Unzufriebenbeit des Könige. S. 97. Verhaßtheit Ei- zingers in Ofterreih; Rücktehr Ulrichs von Cilli an ben Hof. S.99. Deſſen Verhältnis zu Hunyady. S. 100. Eindrud des Falls von Konflantinopel; Unterwerfung Serbiens dur die Zürfen; Belagerung und Rettung Belgrads; Tod Iohann Hunyadys. S. 101. König Ladislaus und Ladislaus Hunyady; Ermorbung Ulrichs von Cilli; Verhalten des Königs; Stellung des Ladislaus Hunyady; defien Hinrihtung; Aufftand feiner Freunde. ©. 107. Streit de Kaifers und des Königs Labig- laus um das Erbe des Cilliers. S. 113. Hölzler, Podiebrad und Eizinger. S. 114. Tod des Königs Ladislaus. S. 115.

Inhalts⸗ Überſicht. | x

Fünftes Buch.

Böhmen und Ungarn als Wahlreiche. Hſterreichs tieffter Verfall und Wiedererhebung. (1457 1493.)

Seite Erſtes Kapitel. Der Streit um Öſterreich. Die | Wahl und Anerkennung nationaler Herrſcher in Böhmen und Ungem . . 2. 2 2200... 119-150

Streit der Habsburger um Äſterreich; Zeitung bes Landes. S. 119. Anſprüche der Habsburger und Wilhelms von Sacfen auf Böhmen; andere Bewerber; Wahl Georgs von Podiebrad. ©. 121. Haltung der böhmischen Nebenländer. S. 124. Schivierige Lage Georgs; Forderungen der Katholiten; feine Verſprechungen. ©. 125. Unterwerfung Mährens. S.127. Krieg Georgs gegen Ofterreich ; Abſchluß des Friedens S. 127. Ausgleich mit Wilhelm von Sadfen. ©. 128. Hul- digung der Schlefier und Laufiger; die Stadt Breslau. S. 129. Anfprüche Wilhelms von Sachſen und Kafl- mirs von Polen auf Ungarn; die Anhänger und Gegner ber Hunyady; Einigung beider Teile; Vertrag Georgs von Podiebrad mit Matthias Hunyary; Wahl des Mat- thia8 zum Könige, feines Oheims Szilaͤgyi zum Guber- nator. ©. 130. Haltung Ujlakys und Gistkras. ©. 134. Charakter des 8. Matthiad. S. 135. Streit um Serbien. ©. 135. Bündnis Szilaͤgyis mit Sara und Ujlaky; Vorgehen des Königs gegen bie- felben. S. 136. Wahl 8. Friedrichs III. zum Gegen- könige; Niederlage ber Ungarn bei Körmdnd. ©. 138. Untbätigkeit des Kaiſers; deſſen Bündnis mit Georg von Böhmen. ©. 140. Georgs Streben nad ber beut- [hen Krone; Scheitern feiner Pläne ©. 142. Stel- lung Georgs zu Ungarn. ©. 144. Befefligung ber Herrſchaft des K. Matthias; deſſen Ausſöhnung mit ſeinem Oheime; Unterwerfung der Brüderrotten und Giskras. ©. 144. Friede des K. Matthias mit dem Kaiſer. S. 147.

x Imbarts-Überficht.

Seite Zweites Kapitel. Streitigkeiten des Kaiſers Friedrich mit den Oſterreichern und feinem Bruder Albrecht VI. 151—175

Ausplünderung Ofterreich8 durch Soldner⸗ und Räuber⸗ Banden. ©. 151. Hungersnot infolge von Mißwachs ‚und Berfchlechterung der Münzen. S. 152. Fehde Frouauers gegen den Kaiſer. S. 154. Klagen bes Adels gegen den Kaifer; vergeblihe Verhandlungen. ©. 154. Gemwaltthaten Fronauers. ©. 156. Beindfelige Haltung des Böhmenkönigs; Bündniſſe des Erzherzogs Albrecht gegen feinen Bruder; Angriff des⸗ felben auf Nieberöfterreih; Anfhluß der unzufriedenen Adeligen. S. 157. Bermittelung Georgs von Böh- men, Abſchluß eines Waffenſtillftandes. S. 160. Wiederausbruch der Feindjeligleiten; Bebräugung Wiens; ſchlechte Stimmung der unteren Volksklaſſen; Sturz bes faifertreuen Rated; Wolfgang Holzer. ©. 161. An- marſch des Kaifers; Haltung Holzers und der Wiener; Aufnahme des Kaifers in die Stabt. ©. 164. Em⸗ pörung der Wiener; Belagerung ber Burg; Berufung bes Erzberzogs Albrecht; Eintreten Georgs von Böhmen für den Kaiſer; vergeblicher Angriff auf Wien; Friede von Korneuburg; Beweiſe der Dankbarkeit des Kaifers gegen den Böhmenkönig. ©. 165. Wiederausbruch ber Feinpfeligkeiten. ©. 171. Gewinnung Holzers durch den Kaiſer; Verſuch der Überrumpelung Wiens; Beſtrafung Holzers und feiner Genofin. ©. 172. Abſchluß eines Waffenftillftandes. S. 174. Tod des Erzberzogs Albrecht. S. 174.

Drittes Kapitel. Der Streit Sigmunds von Tirol mit dem Bifchofe von Brixen. Krieg mit den Shwegern . . . .

Lage Tirols in der erften Zeit H. Sigmunds. &.175. Seine finanzielle Lage; die beiden Grabner. S. 176. Nikolaus von Eufa, Biſchof von Brixen; befien Auftreten gegen das Klofter Sonnenburg und ben Herzog; feine Forderungen; ber Überfall von Bruned. ©. 178. Berhängung von Bann und Interbili; Appellation des Herzogs; Gregor Heimburg in Iunshrud. ©. 181. Bebentung und fleigende Erbitterung des Streites. S. 183. Vermittelung de8 Dogen von Benebig und

175—187

Inhalts · Aberficht.

Seit des Kaiſers; Abſchluß bes Friedens. ©. 185. Ber- j Iuft des Thurgaus und anderer Gebiete in der Schweiz. ©. 186. Viertes Kapitel. Georg von Böhmen und Matthias von Ungarn . . ° . 187—237

Spannung zwifhen den Utraquiften und Katholiken ©. 187. Lavieren des Königs Georg; Drängen bes Papftes zum Gehorfam; Abjendung einer Gejandtfchaft nah Rom; Annullierung der Kompaltaten durch B. Pins II. ©. 189. Auftreten des Königs gegen den päpftlichen Nuntius; Haltung der böhmiſchen Katholiten. S. 192. Georgs Plan eines europäiſchen Fürſtenbundes; Bermit- telung bes Kaiſers. ©. 1%. Weitere Schritte bes Papfte gegen den König; Löjung der Untertbanen vom Treueide. ©. 195. Der Papft und die Breslauer; ber böhmifche Herrenbund; Hinausfhiebung bes Kampfes S. 196. Endurteil des Papftes gegen Georg. S. 199. Ausbruch des Krieges; Überlegenheit des Königs. S. 199. Haltung Kafimird von Polen, des Kaijerd und anderer Fürften. ©. 201. 8. Matthias von Ungarn; feine Berjönlichkeit,; Förderung des Humanismus, der Wiflen- {haften und Künfte wie der materiellen Intereſſen; Schaffung eines ftehenden Heeres. S. 203. Kriege mit den Türken; Eroberung der Grenzgebiete Bosniens; Einftellung der Dffenfive. S. 207. Beabfictigter Aufftand der Siebenbürger. S. 212. Krieg mit dem Woymwoden der Moldau. ©. 213. Verhältnis des K. Matthias zu Georg von Böhmen; feine Verbindung mit der tatbolifchen Liga und mit dem Kaiſer. ©. 214. An⸗ fängliche Erfolge des 8. Matthias; feine Einſchließung durch K. Georg; der Vertrag von Wilimow. &. 216. Gegenbemühungen ber päpftlihen. Partei; Wahl bes Matthias zum Könige von Böhmen. ©. 217. Wieder- ausbruch des Krieges; Georgs Erfolge; fein Tod. S. 218. Wahl des polnischen Prinzen Wladiſlaw zum Könige von Böhmen; Anträge des K. Matthias. S.221. Einfälle der Türken in die ungarifchen und öfterreichifchen Länder. ©. 222. Unzufriedenheit der Ungarn mit dem Könige; Berufung des polnifchen Prinzen Kaftmir; befien erfolglofer Einfall in Ungarn. ©. 224. Ab» ſchluß einer Wafſenruhe. S. 227. Wiederausbrud des Krieges; Stellung der Könige bei Breslau; Abſchluß

zu Inhalts⸗ Überſicht.

Seite

eines Waffenſtillftandes; der Friede von Ofen. S 228. Neue Einfälle der Türken. S. 230. Steuerbewilli⸗ gungen des ungarifchen Neichstages; Nieberlage ber Türken in der Moldau; Eroberung von Sabacz durch K. Matthias. S. 232. Erneuerung der NRaubzüge ber Türken; Kämpfe in ber Moldau und Walachei; Gleichgültigkeit des K. Matthias. S. 234.

Fünftes Kapitel. Kaiſer Grin III. und Meute von Ungem . . . . . 237- 266

Beſſere Lage Ofierreichs nach dem Tode breite v1. ©. 237. Ausbruch neuer Unruben; Einfall bes böh— mifchen Prinzen Bictorin. ©. 238. Aufftände in Trieſt. S. 239. Die Baumlircherfehde in Steiermark; Hinrichtung Baumkirchers und Greißenederd. S. 239. Berbältnis des Kaifers zu Matthias von Ungarn; Ans näherung des erfteren an ben König von Polen. ©. 242. Verbindung des K. Matthias mit unzufriedenen Ofter- reihern. S. 246. Bertrag zwilchen dem Kaifer und dem Könige. S. 247. Bruch diefeß Bertrags durch Matthias ; Bündnis des Kaifers mit Polen und Böhmen; Belehnung K. Wladiſlaws. ©. 248. Kriegserflärung des K. Matthias; Kämpfe in Ofterreih; Friede von Gmunden. ©. 251. Die Aufbringung der Kriegs- entihädigung. ©. 254. Bauernaufftand und Türken⸗ einfälle in Inneröfterreih. S. 255. Der Kaifer und das Erzbistum Salzburg; Bündnis des Erzbiſchofs mit K. Matthias; Feindfeligkeiten der lingarn gegen den Kaifer. S. 256. Einfälle der Türken in die öfter- reichiſchen und ungariſchen Länder; Niederlage derfelben auf bem „Brotfelte” ; Angriffe der Ungarn auf die tür- kiſchen Grenzländer; Abſchluß eines Waffenftillftandes. ©. 258. Eroberung bes größten Teiles von Nieder- und Inneröfterreih durch K. Matthias; befien Macht» ſtellung. ©. 261. -

Sechſtes Kapitel. Die Erwerbung der burgundiſchen Länder. Die Wahl Merimlliars J. zum dniſqhen Königee en . 266—291

Entftehung ber burgundiſchen Macht. S. 266. Pläne des Herzogs Philipp; ſeine Unterhandlungen mit

Inhalts⸗ Überſicht. xm

Eeite dem Kaiſer. S. 268. Erwerbungen Karls bes Kühnen; Berpfänbung vorberöfterreiifcher Gebiete an benfelben. S. 270. Defien Unterhandlungen mit dem Kaifer; die Zufammentunft in Trier. S. 272. Karl vor Neuß; Bewegung am Oberrhein gegen bie- bur- gundifche Herrichaft; Friede und Bündnis H. Sigmunbs von Ofterreih mit den Eidgenoſſen; Angriffe anf bie burgundiſchen Länder; Karls Einigung mit dem Kaifer; fein Tod. ©. 277. Bebrängung der Herzogin Maria durch Frankreich und deſſen Freunde; Vermählung mit dem Erzherzoge Maximilian. S. 281. Deſſen Kriege mit Frankreich; Marias Tod und deſſen Folgen; Friede von Arras. S. 282. Aufſtände der Flandrer und deren Begünſtigung durch Frankreich; Maximilians Ge- fangenſetzung und Befreiung; Kämpfe mit ben Nieder⸗ ländern. ©. 284. Bermählung Marimilians mit Anna von Bretagne; deren Nötigung zur Ehe mit Kart VIII von Frankreih; neuer Krieg; Friede von Senlis. ©. 286. Wahl Marimilians zum beutfchen Könige. S. 290.

Siebentes Kapitel. Die Wiedergewinnung Oflerreich® und die Neubefegung des ungariihen Thrones. . 291—3808

Verſuch der Wiebereroberung Öſterreichs; vergebliche Unterhandlungen; Tod des Königs Matthias von Ungarn. S. 291. Deſſen uneheliher Sohn Johann Corvinus. S. 293. AUnfprüde der Habsburger auf Ungarn; fonftige Thronkandidaten für die ungarifhe Krone. S. 2%. Der Wahlreihstag; tumultuarifhe Aus- rufung des polnifchen Prinzen Albert; die Königinmwitwe ; Niederlage des Johann Corvinus; Wahl und Krönung Wladiſlaws von Böhmen. S. 296. Einfall Alberts von Polen in Ungarn. ©. 299. Wiedereroberung Oſterreichs durch K. Marimilian; defien Einmarſch in Ungarn; Erſtürmung Stuhlweiſſenburgs; Meuterei der Landsknechte und Rückzug. S. 299. Wladiſlaws Friede mit ſeinem Bruder Albert; Wiedereinnahme der ungariſchen Beſitzungen Maximilians; der Friede von Presburg; deſſen Beſtätigung durch die ungariſchen Stände. S. 304.

IV Znbalts-Überficht.

Seite. Achtes Kapitel. Tirol und die Borlande in der lebten

Zeit des Erzherzog Signund. Tod des Raiene Friedrich IL. -. . . rn . 808—318

Sigmunds kunffinnige und ſchöngeiſtige Beftrebungen. ©. 308. Ausbeutung feiner Schwäche durch feine Günftlinge und die Herzoge von Baiern; Verſchreibungen

. an biefe. S. 309. Krieg gegen Venedig. ©. 312. Auftreten des Kaiſers und der Stände Tirol8 gegen Sigmunds Näte; Nachgiebigleit des Erzherzogs; neue Zerwürfniſſe; Sigmunds Abdankung. ©. 314. K. Friedrichs III. Tod. ©. 317.

Sechſtes Buch. ſterreichs Erhebung zur europäiſchen Großmacht.

Seite. Erſtes Kapitel. Maximilians I. Charakter und Madt-

verhältnife -. . . . . nee. 821—328

Charakterifiit Marimiltiang L; Ausdehnung feiner Länder. S. 821. Schilderung der Zeitverhältnifie; Umgeftaltung des Kriegswefens ; Vergleichung feiner Hilfg- quellen mit denen Frankreichs; nachteilige Wirkungen einzelner feiner Eigenſchaften. S. 324.

Zweites Kapitel. Die Berfuche einer deutſchen Reichs⸗ an. een en. 829835

Unfertigleit der ſtaatlichen Verhältniſſe Deutſchlands. ©. 329. Verſchiedenheit der Reformpläne K. Marimi- Hand und der Fürften; die Beſchlüſſe des Wormier Reichstags von 1495. ©. 330. Schwierigkeiten in der Durchführung ; geringe Erfolge der Reformbewegung. ©. 833.

Subalts-Überfiäht. xv

Drittes Kapitel. Marimilians I. Rivalität mit Frank⸗ rei. Kämpfe mit den Schweigen. Der baieriſche Exbfolgeiieg - . » > 2 22020. 336-868

Rivalität zwiſchen Fraukreich und 8. Marimilian als Erben der burgundifchen Länder. S. 335. Einfluß Frankreichs auf Italien; Politik des Ludovico Moro; K. Maximilians Vermählung mit Blanca von Mailand; fein Plan eines Angrifis auf die Türken; Ginfälle der- felden. ©. 335. Eroberung Neapels durch Karl VIII. son Frankreich; Abſchluß der heiligen Liga; Karls Rüd⸗ zug. ©. 340. Neue Rüftungen desſelben; Marimilians erfolglofer Zug nad Italien. &. 343. 8. Marimilian und £ndwig XII. vou Frankreich. S. 346. Urfachen und Berlauf des Schweizertriegeß ; der Friede von Bafel. ©. 347. Günftige Lage des franzöjifhen Königs trotz der Doppelbeirat zwifchen den Häufern Habsburg und Spanien; Eroberung von Mailand. ©. 354. Hal- tung des beutfchen Reichstags und des Reichsregiments; Friedensliebe ber niederländifchen Regierung; Einigung K. Marimilians mit Frantreih; Unaufrichtigleit beider Zeile; Kampf um Neapel; die Berträge von Blois und deren Bruch durch Frankreich. S. 355. Der baieriſche Erbfolgetrieg; Erwerbungen K. Marimilians; Beer⸗ bung des letzten Grafen von Görz. S. 360. Truppenbewilligung des deutſchen Reichstags; Tod bes Erzherzogs Philipp; Marimilians weitgehende Pläne; ungenügende Unterſtützung desſelben; mißglückter Römer⸗ zug; Annahme des Titels: „erwählter römiſcher Kaiſer“. S. 364.

Viertes Kapitel. Der neunjährige Krieg gegen Venedig 369410

Beginn der SFeindfeligleiten gegen die Benetianer; deren Eroberungen; Abſchluß eines Waffenftilifiandes. ©. 369. Die Liga von Cambray; Beurteilung ber Bolitit des Kaiferd. S. 372. Defien ungenügende Hilfsmittel; anfängligde Eroberungen. ©. 376. Seindfeligfeiten der Bauern gegen die Kaiferlihen; Ver⸗ luft Paduas und deſſen vergebliche Belagerung durch den Kaifer; weitere Verluſte. S. 380. Berbandlungen bed Kaifers mit Sranfreih und Spanien; [pärlide Be⸗ wiligungen des beutfchen Reiches und der Erblande.

IVI

Inhalts⸗ Überſicht.

©. 382. Haltung Ungarns. ©. 385. Marimi- tions Abhängigkeit von den Franzoſen. ©. 385. Abfall des P. Julius II. von der Liga; beflen Feind⸗ feligleiten gegen Frankreich; Scheitern feiner Abfichten. ©. 386. Der Kongreß von Mantua. ©. 389. Refultatlofe Unterbandlungen bes Kaifer8 mit Venedig; Eroberung Friauls durch die Kaiſerlichen. S. 391. Diplomatifhe Erfolge des Papſtes. ©. 393. A. Marimilians Plan, Bapft zu werden. S. 394. Die „Heilige Liga“ ; Überlegenheit der Sranzofen. ©. 395. Trennung des Kaifers von Frankreich; Verbrängung der Franzofen aus Stalin. S. 396. Bündnis bes Kaifers mit dem Papfte, Venedigs mit Frankreich. ©. 398. Niederlagen der Franzofen. S. 399. Kämpfe der Verbündeten gegen die Benetianer. S. 401. Angriffspläne gegen Frankreich; befien Einigung mit Ferdinand von Aragonien; verkehrte Politik des Kaifers und deren Folgen. S. 402. Wiedereroberung Mai- lands dur die Franzofen. S. 405. Erfolglojer Zug K. Marimilians gegen Mailand; der Vertrag von

Noyon; Waffenſtillſtand des Kaiferd mit Benedig; Er-

gebnifje des Krieges. S. 405.

Fünftes Kapitel. Böhmen und Ungarn unter Wla- diſſaw II. und deſſen Beziehungen zu Marimilian I. Berhandlungen über die deutſche Königswahl

Religidfe Zwiftigfeiten in Böhmen unter Wladislaw II; Aufftand der Utraquiften in Prag; Ausgleich zwijchen Katholiken und Utraquiften. ©. 411. Berftändigung ber Herren mit den Rittern; Streben des Adels nad Beſchränkung ber Rechte der Bauern, der Städte und bes Königs; Exrklufivität gegen Ausländer; Ergebnifie. ©. 413. Die ungarifhe Wahllapitulation von 1490; weitere Beſchränkungen ber öniglichen Gewalt. S. 416. Charakter K. Wladiflams II. ©. 418. Lage ber ungarischen Finanzen; Erbitterung bes Adels gegen bie Hofpartei; Klagen über Unterſchleife. S. 420. Ge- walttbaten der Magnaten. S. 422. Grenzfehden zwifhen Türken und Ungarn; Niederlage der Kroaten; Einfall Kinizfis in Serbien; Abſchluß eines Waffenftill- flandes. ©. 423. Bündnis des ungarifchen Könige mit Venedig und dem Papſte; neuer Krieg mit ben

Geite

411—450

Inhalts-Überficht. xvı Seite Türken; Waffenſtillſtand. S. 427. Finanznot und Verſchwendung des Königs; deſſen Mißachtung bei ben Ungarn; Reichstagsbeſchluß gegen die Erhebung eines Ausländer$ auf den Thron; Streben Johann Zapolyas nad) ber Krone. ©. 430. Rüſtungen Marimilians I. und der Böhmen; vorläufige Vertagung ber Pläne Za- polyas; Bertrag Marimilians und Wladiflaws über eine Doppelbeirat ihrer Nachkommen; Feindfeligleiten Marimiliang gegen Ungarn; Abfchluß des Friedens; Geburt de Prinzen Ludwig und neuer Ehevertrag. ©. 433. Wiederausbruch des Krieges mit den Tür- fen; Kreuzzugsprebigten; Ausbruch des Banernfrieges ; befien Greuelthaten und Unterbrüdung; Knechtung bes Bauernftandes. S. 437. Vermehrung des Anfehens Zapolyas; befien Gegner; Stellung des Kaifers Mar zu Polen und Rußland; der Kongreß zu Wien 1515; die Wiener Berträge und beren Bedeutung; Nieberlage Zapolyas in Serbien; 8. Wladiſlaws Tod. ©. 443. 8. Marimiliansg Bemühungen, feinem Enfel Karl bie Nachfolge im Reiche zu verfchaffen; fein Tod. S. 448.

Sehftes Kapitel. Marimiliang I. organifatorifche Thätigkeitt. .4604464

Einfachheit der Staatsverwaltung im früheren Mittel⸗ alter; Anderung der Verhältniſſe in der Neuzeit. ©. 451. Mufter und Ziele der Reformen 8. Mari- milians; die oberöfterreihifche und die nieberöfterreichifche Ländergruppe; Einfegung fländiger „Regimenter“ in deu⸗ felben; Trennung der Finanzen von der Berwaltung und Juſtiz; Oppofition der Stände in ben nieberäfter- reichifchen Ländern; teilweiſe Nachgiebigfeit des Kaijere. S. 452. Erridtung von Neichsbehörben, bes Hof- rate® und der Hofkammer; Fallenlaſſen derfelben. ©. 457. Der Ausjhußlandtag in Innsbrud (1518) und deſſen Beſchlüſſe; Maßregeln für bie Verteidigung Tirol. ©. 459.

Eiebentes Kapitel. 8. Marimilian I als Förderer der Wiffenfhaften und Künfe. . » 2 2.0. 464—418

Die Univerfitäten des Mittelalter; Kampf der Huma=

niften gegen bie alte Richtung; Die Anfänge des Huma⸗

nismus an der Univerfität Wien; deren Blüte und Ver—

zv | Inhalts-Überfigt.

Seite fall im 15. Jahrhundert. S. 464. Sorge 8. Mari- miliang für die Univerfität; Berufung fremder Profeſſoren; Sieg der humaniſtiſchen Richtung; Celtes; Cuſpinian; Blüte der Univerfität. ©. 468. Marimilians Sinn für Ältere deutſche Litteratur; das Amrafer Heldenbuch. ©. 412. Der „Teuerdank“ und ber „Weißkunig“. ©. 472. Begünftigung ber Gefhichtsforfhung; Mari- milians perfönlicher Verkehr mit Gelehrten. ©. 473. Förderung der Kunft; Ansgabe illuftrierter Prachtwerte; das Gebetbuch des Kaifers; Arbeiten für das Grab- bentmal besfelben. ©. 474.

Achtes Kapitel. Die Kaiferwahl von 1519 und die Erbteilung zwifhen Karl V. und Ferdinand I. . 479-494

Plan ber Übertragung der Erblande am ben Erzherzog Ferdinand, Mißtrauen Karls gegen dieſen. ©. 479. Die Wahl Karls V. zum Kaiſer. S. 481. Die Erwerbung Württemberg. S. 484. Unruben in den öfterreichifchen Erblanden. S. 485. Über- fafjung derfelben an den Erzherzog Ferdinand. ©. 489. Sinrihtung der Häupter der Ständbepartei in Nieber- öfterreih. ©. 491. Ferdinands Günſtling Sala- manca; Unzufriedenheit in Tirol. ©. 492. |

Keuntes Kapitel. Die Anfänge des Proteftantismus in den fterreichifhen Ländern und die Bauernaufe Me en. 44—513

Bauernanfflände vor der Reformation; bie Erhebung ber Bauern in Kärnten im Sabre 1478; der Bauern- trieg in Imneröfterreih im Sabre 1515. ©. 494. Lage ber beutfchen Bauern am Ende des Mittelalters und am Beginn der Neuzeit. ©. 496. Kirchliche Mißſtände in Deutſchland und Öfterreih; Schilderungen auf dem Ausichußlandtag von 1518. S. 497. Ur= fadyen des Erfolgs Luthers; Ausbreitung des Luthertums in ben öfterreichifchen Ländern. S. 500. Ausbrud) des Bauernkrieges in Deutfchland; Aufflände in Tirol, Salzburg, Oberöfterreih und Steiermarl. ©. 504. Charakter der Erhebung in Tirol, die DMeraner Artilel; der Landtag in Innsbrud; Sieg der gemäßigten Partei; Unterwerfung ber wälfchtirolifhen Banern. ©. 507. Unterbrüdung des Aufftandes im Salzburgiſchen und

Zuhalts-Überfigt. xIıx

in Gtelermarf; letztes Anifladern ber Empörung im Galzburgifhen. ©. 510. Behntes Kapitel. Böhmen und Ungarn unter 8. Lud⸗ wig IL. Des Könige Ende . . . . . 514—587

Zuflände in Böhmen unter 8. Ludwig UI. ©. 514. Letztwillige Anordnungen K. Wladiſlaws II. für Ungarn; Ignorierung derſelben; Einſetzuug einer Regentichaft; Charalter der einflußreihfien Perſönlichkeiten. ©. 515. Die Oppofitionspartei; vorlibergehender Erfolg Zapolyas ; befien Mißgriff und vollfländiger Bruch mit der Hof- part. ©. 517. Korruption der geiſtlichen und weltlichen Großen. S. 519. Wieberausbrud des Lürtentrieges; Berluft von Sabacz und Belgrad. ©. 520. Gleichgültigkeit des Abendlandes; Maß⸗ regeln Ferdinands von Oſterreich. S. 523. Fort⸗ ſchreiten des Aufloſungsprozeſſes in Ungarn; Nichtaus- führung der Reichstagebeſchlüſſe; Charakter des Königs Ludwig und feiner Gemahlin; Angriffe der Oppoſition auf die Hofpartei; ftürmifche Adelsverſammlungen in Peſt und Hatvan; Abfezung bed Palatins; fteigender Haß ber Parteien; Sieg der Hofpartei. ©. 524. Drobender Angriff de8 Sultans; Mangelbaftigleit der Berteidigungsmaßregeln; die Niederlage bei Mohäcs; des Königs Untergang. ©. 531.

Eiftes Kapitel, Die Wahl Ferbinands von Oſter⸗ veih zum Könige von Böhmen und Ungarn . . 537-568

Anfprüche Ferdinands von Ofterreich auf Böhmen; Prü- fung derſelben. S. 537. Auffafiung ber Böhmen. ©. 540. Die Kandidaten für den böhmiſchen Thron; Ferbinands Anhänger; die Werbung feiner Geſandten. ©. 541. Beanſpruchung des Rechts der Königewahl durch den Fandtag; Erklärung ber Gefandten Ferdinands. ©. 543 Werbung der baierifhen Gejandten. ©. 54. Wahl bes Erzberzogs Ferdinand, For⸗ derungen ber böhmifchen Stände; Erflärungen Ferdinand; Umtriebe der baierifhen Parteiz Ferdinands Krönung; Einigung mit den Ständen über bie Wahllapitulation. ©. 544. Anertennung Ferbinands und feiner Ge- mahlin in den böhmischen Nebenländern. ©. 548. Bedeutung der böhmiſchen Königewahl. ©. 548. Ferdinands Aufprühe auf Ungarn; Auffaljung ber.

Inhalts⸗ Überſicht.

Ungarn. ©. 549. Die Hofpartei und die Partei Zapolyas; die Berfammlung in Tolaj; Wahl und Krö- nung Zapolyas. &. 550. Thätigfeit der öſterreichiſchen Partei; die Königin Maria; der Reichstag in Pres- burg; Wahl Ferdinands. S. 553. Anerkennung Ferdinande in Kroatien, Zapolyas in Slavonien. ©. 556. Lage der beiden Gegenlönige; Zapolyas Unthätigleit, Rüftungen Ferdinands; befien Bordringen bi8 Ofen; Nieterlage Zapolyas bei Tokaj; Fall Frange- pand. ©. 557. Ferdinands allgemeine Anerlennung und Krönung. S. 561. Ausblid in die Zukunft. ©. 563.

Berihfigungen.

Seite 91,3. 2 v. u. tilge das Komma vor gewifienlos.

‚108, 7 v. un. lied beranrüdte ftatt herangerückt.

108, 11 lied den ®rafen ftatt dem Grafen.

164, ,„, 9 v. u. lies an ber Mur ftatt an M.

166, NR. 1, 3. 4 v. m. lies 294—852 ſtatt 294 362.

177, 3. 13 Lies ihm ftatt ihn.

180, 19 lie verlangte ftatt verlangt.

205, ,„ 9 lied Regiomontanus ftatt Regiomantanus. 226, , 8 v. u. lied gegen ftatt auf.

2'6, ,, 11.0. u. ließ erobert ftatt erorbert.

368, ‚. 16 lies erwerben ftatt verichaffen.

270 (Überſchrift) lies Erwerbungen flatt Eroberungen. 287, 3 13 v. u. lie Jahre ftatt Jahrr.

353, ,„ 4 v. u. lied König flatt Krieg.

355, ‚„ 1 lies hinderte ftatt hinderten.

362, ,„ 12 v. u. lied in Ausficht ftatt die Ausficht.

Eeite

Viertes Bud.

Die Yeriode der erfien Berbindung Böhmens und Ungarns mit Öfterreih. (1437—1457.)

Huber, Geſchichte Öfterreicht. II. 1

Erſtes Kapitel.

Die Erwerbung Ungarns und Böhmens durch Albreht V. von Oſterreich.

So fehr auch die drei Rändergruppen, welche gegenwärtig den öſterreichiſch⸗ ungariichen Kaiſerſtaat bilden, bie ungarijche Ziefebene, das böhmiſch⸗mähriſche Stufenland und bie Thäler und Abhänge des im Often breit auseinander laufenden Alpen- itoces, ihrem ganzen Charakter nach von einanber verjchieben find, fo erjcheinen fie doch wieder durch die Bodengeftaltung auf einander hingewiejen. Ungarn und bie dftlichen Alpenlänver werden gemeinfam durch die große Pulsader, die Donau, mit ihren wichtigften Nebenflüffen, der Drau und Sau, durchſtrömt, und e8 bat dieſelbe um jo mehr die Aufgabe, den Verkehr zwiichen dem Weften und Ojften zu vermitteln, da fie ber ein⸗ zige europätiche Strom ift, der einen weftöjtlichen Lauf hat. Böhmen und Mähren gravitieren naturgemäß gegen Süden, da e8 bier an jeder bejtimmten Grenze fehlt und Mährens bedeutenbfter Fluß, die March, der Donau zufließt, während biefe Länder fonft auf allen Seiten von Gebirgen eingefchlofjen find, die den nah Norden laufenden Flüffen, der Elbe und Ober, nur gerade einen Ausweg. geftatten.

Es find denn auch fehon in der Zeit der Römerberrichaft Noricum und Pannonien Beftandteile eines Reiches gewejen

und ift die Eroberung der Gebiete nörbli von der Donau 1*

4 Erbanfprüde der Todter 8. Sigmunds.

wenigftens angeftrebt worden. Dasjelbe war dann auch unter Rarl dem Großen und feinen Nachfolgern der Fall, und es hat Jahrhunderte gebauert, bis fich zwiichen Ofterreich und Ungarn, zwiſchen Diterreih und Böhmen-Mähren fefte Grenzen gebildet haben. Als endlich Hier die Staaten ſich fonfoliviert hatten und nad dem Ausfterben der Babenberger Öſterreich und Steiermark berrenlojes Gut fchienen, wurden von Böhmen wie von Ungarn aus, und zwar vorübergehend mit Erfolg, Verjuche gemacht, diejelben zu gewinnen. in Jahrhundert fpäter ver» folgte der geniale Rudolf IV. mit Harem Bewußtiein ven Plan, dur eine Erbverbrüberung mit den Häufern Anjou und Zuremburg eine dauernde Bereinigung Ungarns und Boͤhmens mit Öfterreich herbeizuführen.

Nah dem Tode des Kaiferd Sigmund, des legten männ- lihen Sprößlings des Haufes Luremburg, follte die Verwirk⸗ lichung dieſes Planes erfolgen, da deffen einzige Tochter mit dem Herzoge Albrecht V. von Ofterreich vermählt war. Denn nach den böhmiſchen Staatsgrundgejegen hatten in Ermanglung von männlichen Sprößlingen die weiblichen Glieder des Herricher- baujes ein Recht auf die Krone, und auch Ungarn wurde da⸗ mald als Erbreich angejehen. Sigmunds Gemahlin Maria war nicht durch Wahl, jondern als die Tochter des Königs Ludwig auf den Thron gelangt, und auch jetzt erkannten bie ungariichen Stände an, daß Sigmunds Tochter Elifabeth ihre „natürliche Herrin“ fei, „der in erjter Linie dieſes Reich ver- möge des Rechtes der Geburt gebühre“ 1). Doch fcheint Herzog Albrecht erfahren oder gefürchtet zu haben, daß feine ehrgeizige Schwiegermutter Barbara, eine geborene Gräfin von Eilli, feiner Nachfolge Schwierigkeiten in den Weg zu legen beabfichtige. Er beraubte fie daher gleich nad dem Tode des -Kailers ?), der am 9. Dezember 1437 in Znaim aus dem Leben fchied,

1) Elisabeth ... dominae nostrae naturalis..., quam principaliter hoc regnum iure geniturae concernere dignoscitur. Erflärung der Stände vom 30. Mai 1439 ap. Fejer XI, 257.

2) Nicht ſchon vor Sigmunds Tode. ©. Gefch. Ofterreihs II, 538. N. 2.

Anerkennung Albrechts von Ofterreich in Ungarn. 5

ihrer Freiheit, und nahm fie mit ſich nach Ungarn, wo Sig⸗ munds Leichnam in Großwardein beigeſetzt werden ſollte. Schon am 18. Dezember erkannten die ungariſchen Prälaten, Magnaten und Adeligen, die in großer Zahl in Presburg ſich ein⸗ gefunden hatten, Albrecht und feine Gemahlin Elijabeth ein» jtimmig al8 Herrider an. Am 1. Januar 1438 wurden beibe in Stuhlweilfenburg gekrönt. Mit Zuftimmung der ungarischen Großen ftellte num Albrecht feiner Gemahlin eine Urkunde aus, wodurch er ausprüdlich beftimmte, daß, wenn er vor ihr mit Tod abginge, fie und ihre Erben von den Ungarn ald Herren anerkannt werden follten ), Da indeflen die Ungarn die Er- fahrung gemacht batten, daß feit der Wahl Sigmunds zum römischen Könige die Intereſſen ihres Neiches ſehr oft durch die weltumfajjenden Pläne vesjelben beeinträchtigt worden waren, jo mußte Albrecht ihnen das DVerjprechen geben, daß er die beutfche Königskrone nicht ohne ihre Zuftimmung annehmen würde. Als er aber am 18. März obne alle Bemühungen von jeiner Seite durch die deutſchen Kurfürften einftimmig gewählt ward ?), weigerten fi) doch auch die Ungarn nicht, ihre Einwilligung zu geben. Von diefer Zeit an find bie Habsburger bis zum Erldichen ihres Haufes im Beſitze ver deutichen Königswürde geblieben, die bet ihrer immer mehr zunehmenden Bebeutungslofigfeit und ihrem geringen finanziellen Erträgniffe °) bald aufbörte, ein Ziel des Ehrgeizes zu fein.

Größere Schwierigkeiten fand die Anerlennung Albrechts in Böhmen *), obwohl das Erbrecht jeiner Gemahlin bier am

1) Nach Schreiben Elifabetbs ap. Kollar, Analecta II, Y1ösqg.

2) W. Altmann, Die Wahl Albrehts II. zum römiſchen Könige (Berlin, 1886), Anfangs hatte fi der Kurfürft Friedrich I. von Brandenburg aus dem Haufe Hobenzollern auf die Krone Hoffnung ge- macht.

3) Nah K. Sigmunds Schreiben an die deutſchen Reichsſtände vom 30. Januar 1412 betrugen fhon damals die Einkünfte des Königs von allen deutſchen Landen nicht über 13000 (Gold-) Gulden. Janſſen, Frankfurts NReichScorrefpondenz I, 242.

4) Balady, Geh. Böhmens LIIL,3, 289ff. Caro, Geld. Bolens IV, 166 ff.

6 Die Parteien in Böhmen.

wenigſten bejtritten werben konnte. Denn das Geſetz vom 7. April 1348 und übereinftimmend damit die goldene Bulle hatten die weiblichen Sprößlinge des Hauſes Luxemburg aus brüdlich für erbfähig erflärt, und wenn man fich darüber binwegjette, jo mußten bie wiederholt beftätigten Erbverträge zwilchen ben Quremburgern und Habsburgern in Kraft treten. Aber die Verſchiedenheit der religiös. politischen Anſchauungen, welche die Geichide Böhmens in ven letten Jahrzehnten be» jtimmt Hatte, Tonnte auch auf die Nachfolgefrage nicht ohne Einfluß bleiben. Nur die Katholiken und bie gemäßigten Ralirtiner, zu denen die meilten Herren und bie Stäbte Prag, Kuttenberg und einige andere gehörten, waren für die Ans erfennung Albrecht. Die Taboriten und die radikalen Kalix⸗ tiner, alfo vie meiſten Nitter und zahlreiche kleinere Städte, wollten feinen König, der feit Jahren der eifrigfte Gegner ber bufitiichen Keter gewejen war und auch die Zechiiche Sprache nicht verſtand. ‘Denn nicht bloß durch religiöſe Motive wurde dieje Partei bejtimmt, jondern auch durch nationale, beſonders buch ihren Haß gegen die Deutichen, gegen welche eine damals in Umlauf gejegte Dentichrift alle Antipathieen aufzuregen juchte. Es jollten daher die Böhmen (heißt e8 darin), wenn fie feinen Herrn aus ihrer Nation haben könnten, einen von einer ans dern jlavifchen oder von irgendeiner andern Nation auf ben Thron fegen; denn mit ihnen und ihren Freiheiten wird es unter jedem andern Könige beijer jtehen als unter einem bentihen. Um Erbrecht oder Verträge kümmerte fich dieſe Partei nicht, die noch auf durchaus vevolutionärem Boden itand und für Böhmen das Recht ver freien Königswahl im Anſpruch nahm.

Als am 26. Dezember 1437 der böhmiſche Landtag „zur Wahl des Königs“ in Prag zuſammentrat und Kaiſer Sig- munds Kanzler, Kaſpar Schlid, ein geborner Egerlänver, mit beredten Worten die legten Wünjche feines verjtorbenen Herrn vorbracdhte, da erflärten ſich nur die Katholiken und die ge- mäßigten Utragquiften unter Ulrih von Nojenberg und dem Oberftburggrafen Meinhard von Neuhaus für die bedingungs⸗

Doppelte Königswahl. 7

lofe Anerkennung Albrechts. Die Sechifch-hufitiiche Partei dar gegen, deren bervorragendited Haupt Heinrich Ptacek von Birkjtein war, ftellte die Forderung, daß die Wahl verſchoben und zuerft die Bunkte feitgeitellt werden follten, von deren Ge⸗ nehmigung die Wahl Albrechts abhängig gemacht werben ſollte. ALS diefes Verlangen vom Landtage abgelehnt wurbe, verließ die Minorität in großer Aufregung den Saal. Um einen vollftändigen Bruch zu verbüten, gab die öſterreichiſche Partei nad. Beide Zeile einigten ſich dahin, Albrecht nur dann als König anerkennen zu wollen, wenn er die Prager Kompaltaten und die vom Kaiſer Sigmund im Jahre 1436 gemachten Vers jprechungen beftätigte, die Rechte des Landes garantierte, alle Berpfändungen von föniglichen und kirchlichen Beſitzungen an⸗ erkannte, die Königinwitwe Barbara in Freiheit fegte, Mähren wieder an Böhmen zurüdgäbe und auch feine öfterreichifchen Länder mit dieſem Reiche vereinigte, deſſen Herr ja er wie feine Kinder fein würden. Da Albrecht diefe Bedingungen mit Ausnahme des legten Punktes annahm, jo wurde er von ber öfterreihiichen Partei Anfangs Juni 1438 in Iglau als König anerkannt und am 29. Juni in Prag feierlich gekrönt.

Die Gegenpartei hatte aber troß der am Ende des Jahres eingegangenen Verpflichtungen eine Antwort des Herzogs von Dfterreich gar nicht abgewartet, fondern ſchon im Januar be- ichloffen, die Krone Böhmens dem jungen polniichen Könige anzutragen, um eine Vereinigung beider Reiche herbeizuführen. Doc entichieden fich die böhmiſchen Gefandten, welche im März 1438 nad Krakau veiften, fchlieglich für Wladiſlaws elfjährigen Druder Rafimir, vielleicht aus dem Grunde, weil eine polniſche Konföderation im Jahre 1382 beichloffen Hatte, daß ihr König im Lande bleiben müſſe. ine Verjammlung der antiöjters reichiichen Partei in Melnik nahm den Prinzen Kafimir am 29. Mat als König an.

Der Bürgerkrieg war daher unvermeidlich |

Da die Abneigung gegen die Deutſchen auch unter ben polniſchen Adeligen immer breiteren Boden gewann, und für Polen, das mehrere ungariſche Vaſallenländer an fich gebracht

8 Kämpfe in Böhmen und Schlefien.

hatte, ein König von Ungarn, der auch Böhmen beberrichte, in der That gefährlich jchten, jo Hatte fich der polniſche Reichs⸗ tag in Form einer Konföderation für die Kandidatur Kafimirs ausgeiprochen, und es rüdten im Juni die Wohwoden von Pojen und Kralau mit mehreren Tauſend Sölonern in Böhmen ein, wo fie fich mit den Anhängern Ptadels und ven Taboriten⸗ führern Bedrich von Straänig und Peter Polak vereinigten. Aber auch Albrecht wurde nicht bloß von den Angehörigen feiner Länder, jondern auch von mehreren beutichen Reichs⸗ fürjten unterftügt. Nicht umſonſt hatte er die Deutichen auf merkſam gemacht, wie gefährlich eine Vereinigung Polens und Böhmens für das Neich fein würde, das mit Böhmen allein genug zu Ichaffen gehabt babe. Mehrere Fürften, der Kurfürft von Sadjen, der Herzog Ehriftoph von Baiern und der Sohn des Rurfürften von Brandenburg, Albrecht (Achilles), fanden fih Anfangs Auguft perfönlich mit Mannſchaft bei ihm ein. Vor feinem faft zweifach überlegenen Heere zogen fich feine Gegner in eine fejte Stellung vor Tabor und endlich nach häufigen Scharmügeln in diefe Stadt felbft zurüd. Da fie aber einer Schlacht auswichen, jo vermochte Albrecht doch Feine Enticheivung herbeizuführen. Ebenſo wenig Erfolg hatten Unter» banblungen, weil Albrecht die Forderung, daß er feine Tochter dem Prinzen Kafimir vermähle und diefem dann Böhmen ab» trete, umbebingt ablehnte. Vielleicht war es die Überzeugung von der Unmöglichkeit der Eroberung Zabors, vielleicht bie Nachricht von einer Bedrohung Schleſiens durch die Polen, was Albrecht am 15. September zur Aufhebung ver Belage rung jener Stabt bewog. In der That fiel Ende September ber polnische König ſelbſt in Begleitung feines Bruders Kafimir mit einem Heere in Schlefien ein und überſchwemmte unter furchtbaren Verwüftungen einen großen Zeil dieſes Landes. Erſt der eintretende Winter und das Herannaben des Königs Albrecht, der im November über Zittau und Görlig gegen Breslau 309, bewog die Polen zum Abzuge ).

1) H. Ermiſch, Schlefiens Verhältnis zu Polen und zu König

Einfall der Türken in Siebenbürgen. 9

Verhandlungen, die unter Vermittlung eines päpftlichen Legaten und Bevollmächtigter des Bafler Konzild im Januar 1439 in Breslau geführt wurden, hatten auch jet fein Er- gebnis, da Albrecht unerjchütterlich auf ſeinem Rechte bebarrte. Doch wurde am 10. Februar in Namslau bis zum 24. Juni ein Waffenftiliftand geichloffen, während deſſen Albrecht mit dem polnischen Könige perfönlich zuſammenkommen ſollte. ‘Der Papſt fegte dann noch eine Verlängerung besjelben bis zum 29. September durch. Auch zwilchen den in Böhmen fich feindlich gegenüberftehenden Parteien kam eine Waffenruhe zu- ftande.

Obwohl die Herrichaft Albrechts in Böhmen noch nicht vollitändig gefichert war, begab fich derfelbe doch Ende April 1439 nad) Ungarn, wo beſonders die von den Türken drohende Gefahr feine Gegenwart notwendig machte.

Im Sommer 1438 batte Murad II., geführt vom wa- lachiichen Woywoden Drakul, einen Einfall in das ſüdliche Siebenbürgen gemacht, das Land furchtbar vermwüjtet, zahlreiche Bewohner getötet, eine noch größere Zahl, angeblich bei 70.000 !), darunter alle Bewohner von Mühlenbah, in die Sklaverei weggeführtt. Nur die größern befeftigten Städte wurden von den Zürlen nicht eingenommen. Auch im folgenden Jahre wendete der Sultan feine Waffen gegen Norden. ALS der Deipot von Serbien, Georg Brankovich, der jein Mißtrauen erregt hatte, vor ihm zu ericheinen und die Feſtung Semen-

Albrecht II. 1435—1439, in „Zeitſchr. f. Geſch. Schlefiens” XII, 237 ff. Grünhagen, Geſch. Schlefiens I, 265 ff.

1) Diefe Zahl in Ann. Mellic. ad 1438. Die Frankfurter Geſandten geben in Schreiben vom 19. Oktober 1488 gar mehr als 80000 an. Janſſen, Reichscorrefpondenz I, 468. Vgl. auch Dukas, ed. Bonn., p. 206. Diugosz 1. XII, col. 708. Die fogen. inscriptio Coronensis ap. Schwandtner ], 886, erſcheint im einzelnen auch bier nicht als verläßlich Hammer und Zinteifen haben fich für dieje ganze Periode viel zu ſehr an die fpäteren türkifchen Geſchichtſchreiber, beſonders Sea⸗ bebbin, gehalten, der ſowohl in chronologifcher wie in fachlicher Beziehung viele Irrtümer enthält. Engel ift auch Bier voll von willkürlichen Be⸗ hauptungen.

10 Erhebung gegen die Deutſchen in Ofen.

dria auszuliefern ſich weigerte, belagerte er mit einem zahl⸗ reichen Heere und ſchweren Geihügen diefe Stadt. Da Ses mendria einer der wichtigiten Schlüffel zum fünlichen Ungarn war und Georg von Serbien mit feiner Gemahlin und feinem Sohne Lazar die Zuflucht zum Könige Albrecht nahm, jo war Hilfe dringend notwendig.

Allein die Ungarn waren wieder einmal in jolcher nationaler Erregung, daß fie in ihrer Abneigung gegen die ‘Deutichen bie von außen drohende Gefahr ganz überjaben.

Schon bei Albrechts eriter Anwejenheit in Ofen am 18. März 1438 hatte der Nationalitätenhbaß wahre Drgien gefeiert. ALS ber Dfener Stabtrichter, nach den Beftimmungen des Stadt» rechtes ein ‘Deutjcher, einen angejebenen Ungarn wegen eines wirklichen oder angeblichen Verbrechens Hatte ertränfen laffen, batten jeine Landsleute zu den Waffen gegriffen und, wütend durch die Gaſſen der Stadt ſtürmend, mehrere ihnen begegnende Deutjche getötet oder verwundet, und die Häufer der meift deutfchen Kaufleute geplündert. Vergebens Hatte der als In⸗ quifitor in Dfen anwejende Franziskaner Jakobus de Marchta die Raſenden zu bejänftigen gefucht; feine unverftandenen Worte waren ſpurlos verhallt. Erft dem Ban Lapislaus Gara, einem Better der Königin, jcheint dies gelungen zu fein *).

Auch jet hielten die ungarifchen Stände die Sicherjtellung ihrer Vorrechte für wichtiger als den Schug ihres Reiches gegen die Türken. Raum war Albrecht in Ofen angelommen, jo verjammelten fich dafelbjt auch die Prälaten, Magnaten und

1) Sch folge bier dem in nationaler Beziehung unbefangenen und gleichzeitigen Aeneas Sylvius, De viris illustr., in „Bibl. d. litter. Bereing in Stuttgart” 1,3, 67, unb De statu Europae ap. Freher- Struve II, 85, gegen Thwrocz IV, 25 ap. Schwandtner I, 237, ber biefe Vorfälle dadurch veranlaßt werden läßt, ba die Deutfchen einen Ungarn Namens Edtods, der gegen ihren Übermut die Rechte der Ungarn bertrat, in ein Haus Jodten, bort zutobe marterten und dann in bie Donan warfen. gl. Ebendorffer ap. Pez I, 853. Die Zeit giebt ein Schreiben des Presburger Stabtrichterd und anderer Bürger an ben Rat ihrer Stabt, bei Birk, Beiträge, in „Onellen und Forfhungen“, ©. 230, 0.1.

Beſchlüſſe des ungariſchen Reichstages. 11

Adeligen und verlangten von ihm die Genehmigung einer Reihe von Artikeln, die zwar angeblich nur die Zuſtände unter den früheren Königen beſonders Ludwig J. herſtellen ſollten, aber doch manche wichtige Neuerungen enthielten und die königliche Gewalt no mehr als früher beſchränkten ).. An die Spike wird die Beſtimmung gejegt, daß der König ven PBalatin nur nach dem Nate der Prälaten, Barone und Abeligen follte er» nennen dürfen, weil derjelbe dem Könige vonjeite der Reichs“ bewohner und ven Neichöbewohnern vonjeite des Königs Necht verichaffen und zwiſchen beiden Zeilen Richter jein kann und fol. Der König follte dauernd in Ungarn feinen Wohns fig nehmen und nicht bloß bei der Verteidigung des Reiches und bei der Anderung des Geldes ſondern auch bei der Ver heiratung jeiner Töchter nach den Rate jeiner Unterthanen fich richten. Geiſtliche wie Laien waren gleich bemüht, alle Laſten von fih abzumwälzen. Die Kirchen und Geiftlichen jollten von allen Abgaben und Leiftungen außer dem Kriegspienfte frei fein, die Edelleute, die überhaupt nur im Falle der äußerjten Not aufgeboten werden follten, nicht verpflichtet jein, außer» halb des Reiches Dienfte zu leijten, ſodaß Der König obne deren Zuftimmung ben Feind weder jenjeitd der Grenzen ans greifen, noch über die Grenze hinaus verfolgen konnte. Ob⸗ wohl dem Könige, dem in erxjter Xinie die Verteidigung des Reiches oblag, die Pflicht auferlegt wurde, feine Soldaten zu befolden, damit fie nicht den Einwohnern zur Laft fielen, jo wurde boch bejtimmt, daß mehrere der wichtigften Steuern wieder auf den Stand unter Ludwig I. berabgejegt werben joliten. Das Hauptitreben der Ungarn ging aber wie einft unter Sigmund dahin, alle Ausländer von ihrem Lande fern zu halten und einen Einfluß der Bürger, die ja auch meiſt Deutſche waren, nicht auflommen zu laſſen. Keinem Ausländer oder Bürger follte vom Könige ein politisches oder militäriiches Amt, eine kirchlihe Würde oder eine Beſitzung übertragen

1) Bollſtäudig ap. Katona XII, 882—900. Fejer XI, 243—259, aud im Corpus jur. Hungar.

12 Erfolglofer Zug gegen bie Türken.

werben und biefelbe Verpflichtung auch für die Königin, den Fürsten von Serbien und den Grafen von Eilli, die in Um garn ausgedehnte Herrichaften beſaßen, und die Prälaten und Magnaten gelten.

Dei der gefährbeten Lage bed Reiches blieb dem Könige nichts übrig, als alle diefe Forverungen zu fanktionieren, wo⸗ rauf die fremden Beamten, bejonders Deutiche, entfernt und burch neue erjettt wurden ).

Es hängt mit diefer Abneigung der Ungarn gegen bie Deutichen und die Ausländer überhaupt zufammen, daß fie das Anerbieten des Königs, die deutjchen Fürſten und andere Chriſten gegen die Türken zubilfe zu rufen, ablehnten, da fie allein ftarf genug wären und nur Ordnung und ein Haupt brauchten. ALS aber Albrecht Ende Juli gegen vie Türken aufbrach, feharten fich aus Eigennug, Kurzſichtigkeit oder Gleich" gültigfeit gegen das Wohl des Vaterlandes jo wenige Ungarn um feine Fahnen, daß er nicht wagen konnte, im Angefichte des ſtarken feindlichen Heeres die Donau zu überjegen und die Türken anzugreifen. Ohne etwas unternehmen zu können, ver- weilte der König mehrere Wochen in der Gegend von Slan⸗ famen und Titel und mußte ruhig zujehen, wie Semendria nach tapferer Verteidigung durch den älteiten Sohn des jer- biihen Fürſten in die Hände des Sultans fiel und dann fait ganz Serbien von den Türken eingenommen wurbe. Snfolge des Aufenthaltes in ben fumpfigen Niederungen ver Theiß und Donau brach unter den Ungarn bie rote Ruhr aus, und dies rief eine folche Entmutigung hervor, daß der größere Zeil der⸗ jelben, namentlih die Zuzüge aus den Komitaten, noch vor der Mitte des September nachhaufe Tief.

Die beim Könige anwefenden ungarijchen Großen ſahen jet jelbit ein, daß gegen die Zürlen die bisherigen Anjtalten nicht genügend jeien und daß man mit bloßen Redensarten gegen fie nichts auszurichten vermöge. Sie verabredeten mit

1) Schreiben des Hans Kaldenbah an einen Frankfurter Ratsherrn aus Dfen vom 21. Juni 1439, bei Janſſen, NReichScorrefpondenz I, 484.

Tod 8. Albrechts. 13

dem Könige und der Königin die Aufſtellung eines zahlreichen Söldnerheeres, mit welchem jener im nächiten Frühjahre ing Feld rücken folite, und zur Erhaltung desſelben die Einhebung einer hohen Steuer im ganzen Lande. Albrecht veriprach, auch auswärtige Fürſten, namentlich feine Vettern, um ihre Unter: ftügung anzugeben ?).

Aber bis zum Frühjahr follte jich die Lage Ungarns nur zu ſehr ändern. Die Ruhr ergriff endlich auch den König, ber unvorſichtigerweiſe feinen Durft durch häufigen Genuß von Melonen ftillte. Er wollte fich nad Wien bringen laſſen, indem er meinte, wenn er nur dieje Stadt ſehen könnte, würde er gefund werden. Aber auf dem Wege borthin in Neszmely (zwilchen Gran und Raab) wurde er am 27. Dftober 1439 in einem Alter von erft zweiundvierzig Jahren vom Tode hin. weggerafft.

Albrecht II. war eine von feinem Schwiegervater ſehr vers ſchiedene Berfönlichleit geweien, mehr ein Dann der That als der Rede, wie Aeneas Syloius ſich ausprüdt. Schon in feiner äußern Ericheinung war dies ausgeprägt. Sein Körper war groß und ftark, fein runder Kopf im allgemeinen wohl⸗ geformt, aber durch Hochgefchwollene Lippen und vorjtehende Zähne entftellt, aus feinem bunfel gefärbten Geſichte leuchteten große, furchteinflößende Augen). In Ungarn und Böhmen fonnte er ſchon deswegen nicht populär werben, weil er bie Sprache der meiften Bewohner nicht verftand. Aber wenn auch nicht die Liebe, fo gewann er durch jeine Tüchtigkeit doc) die Achtung feiner neuen Unterthanen. „Er war gut”, jagt ein

1) Url. vom 17. Sept. 1439 bei Gröf Teleki, Hunyadiak kora Magyarorszägon X, 70. Über ben Krieg von 1439 im allgemeinen und bie Eroberung Semenbriad buch Murab ſiehe Aeneas Silvius, De viris illustr., 1. c. p. 68, und Europa, 1. c., p. 85. Ebendorffer ap. Pez II, 8548q. Dlugosz, 1. X, col. 718. Dukas, p. 207 qq. Chalkokondylas ed. Bonn., p. 245 qq.

2) Aeneas Sylvius, De viris illustr., p. 68, und Europa, p. 86. Dlugoszl. c. 719.

14 Folgen des Todes K. Albrechts II.

böhmiſcher Chroniſt jener Zeit, „obſchon ein Deuticher, kühn und mitleidig“ ?).

Zweites Kapitel.

Die Wirren während der Minderjährigfeit des Ladislaus Poftumus bis zur Schlacht bei Varna. (1439 1444).

Albrechts II. (V) früher Tod war ein ungeheurer Schlag für das Reich, für die Kirche, für fein Haus und für feine Länder.

Im Reiche arbeitete man ſchon lange an ber Einführung politiicher Reformen befonders zur Herftellung des Landfriedens, und man hatte von der Wirkſamkeit Albrechts, der bie Sache gleich in die Hand genommen hatte, die beiten Doffnungen gebegt, die jet zu Grabe getragen wurden.

Der zwilchen dem Papſte Eugen IV. und dem Konzil zu Baſel, von dem man eine Reform der Tirchlichen Mißbräuche erwartete, jhon lange währende Zwift war eben bamals in offene Feinbfeligfeiten ausgebrochen. Infolge der feurigen Vor- ftellungen des Kardinal Cejarini und der andauernden DBe- mühungen des Kaiferd Sigmund hatte der Papft 1433 die Auflöfung des Konzils widerrufen und die Vortfegung des. jelben geftattet. Aber ein gebeihliches Zuſammenwirken zwifchen beiden war nie mehr möglich geweien, die Spannung zwiſchen beiden immer größer geworden. Das Konzil, auf dem nicht bloß die Biſchöfe und Prälaten, ſondern aud Doktoren und niebere Geiftliche Sig ımd Stimme erhielten, hatte die Annaten,

Palliengelver und andere Kirchliche Taxen abgejchafft, ohne für

1) Bartoss. ap. Dobner ], 204.

Seine Töchter. 15

einen Erjaß durch andere Einkünfte zu jorgen und hatte durch Wiederheritellung des freien Wahlrechts der Kapitel und andere Delrete die mit den größten Mißbräuchen verbundene Befugnis des Papſtes zur Verleihung der wictigften und einträglichiten kirchlichen Pfründen befeitigt. Dadurch gereizt hatte der Papit, Derbandlungen mit den Griechen zur Herftellung ver kirchlichen Union ald erwünjchten Vorwand benutzend, am 18. September 1437 das Konzil in Bafel für aufgelöft erklärt und ein anderes nad) Ferrara berufen. Die in Bafel verfammelten Väter hatten dann Eugen IV. am 24. Januar 1438 ſuſpendiert und endlich am 25. Juni 1439 förmlich abgefegt und am 5. November den Herzog Amadeus von Savoyen gewählt, der den Namen Felix V. annahm. Aufgabe des römischen Königs als des oberften Schirmvogtes der Kirche wäre e8 gewejen, das neue Schiema zu bejeitigen und zugleich auf die Einführung der notwendigen Reformen Binzuarbeiten.

Die Vereinigung Ungarns und Böhmens, in letzterem Lande von Anfang an durch eine ſtarke Partei belämpft, war von zu furzer Dauer gewejen, als daß fie als gefichert hätte gelten Iönnen. Auch bedurfte Ungarn eines ebenjo angefehenen wie fräftigen Königs, um ben immer vafcher und heftiger werdenden Angriffen der Türken ftanvhalten zu können. Kaum dem tüchtigften Manne wäre e8 gelungen, die ihm obliegenden Auf- gaben im vollen Umfange zu erfüllen. Albrecht II. hinterließ aber nur zwei Töchter, Anna und Elifabeth, jene fieben, dieſe ein Jahr alt, und feine Gemahlin gejegneten Leibes.

Das Haupt des Haufes Dfterreih war jegt Friedrich von der Steiermart, der ältere Sohn des Herzogs, oder wie er ſich feit 1414 genannt hatte, Erzherzogs Ernſt.

Friedrich, der von den deutichen Kurfürjten, wie es jcheint auf Betreiben feines Schwagers Friedrih von Sachſen, am 2. Februar 1440 auch zum Könige gewählt wurde, war eine von feinem Vorgänger fehr verſchiedene Perfünlichleit ). Er

1) Eingehend hanbelt über bie erfte Zeit feiner Regierung I. Chmel, Geſch. K. Friedrichs IV., 1. u.2. Bd. (bis 1452), Hamburg 1840. 1843,

16 Charakter 8. Friedrichs III.

war nicht ohne Kenntniſſe, gebildeter als die meiſten Fürften feiner Zeit, konnte nicht bloß leſen und ſchreiben, ſondern ver- ftand auch Iateiniih, wenn ibm auch ein tieferes Verſtändnis und ein warmes Intereſſe für Kunſt und Wiſſenſchaft abgingen. Seine Frömmigkeit war aufrichtig, feine Sitten muſterhaft; jede Unmäßigfeit im Eſſen und Trinken, jede zweibeutige Rede war ihm in tiefiter Seele zuwider. Zugleich war er fparfant, faft geizig, auch verftändig in Beurteilung nabeliegender Ver⸗ bältniffe. Er bätte alfo einen mujterbaften Samilienvater und braven Hauswirt abgegeben. Aber zum Regenten eines größeren Neiches paßte er nicht. Ihn intereffierten vielmehr das Sammeln und Ordnen von Edeliteinen und anderen Kleinodien, worin er Kenner war, der Gartenbau und die Kultur von Trauben, Äpfeln und Birnen als die ernften Gefchäfte der Regierung. Wohl lebte in ihm der unerfchütterliche Glaube an die fünftige Größe des Haufes Dfterreich, dem er in den auf jeinen Bauten und Kleinobien angebrachten Buchftaben a e i o u „(Austriae est imperare orbi universo“ oder „alls erdreich ift Ofterrich undbertban”) ?) einen ebenfo prägnanten wie vieljagenden Aus- drud gegeben hat. Uber um dieſes hohe Ziel zu erreichen, bat er nur wenig gethan. Er war eine phlegmatiiche, fait apatbifche Perfönlichkeit, der es an geiftigem Schwung und Energie ganz fehlte. Wenn er burch zähes Feſthalten an feinen Nechten manche Erfolge erzielte, wenigſtens vor Verluſten fich

ber überhaupt für diefe Zeit in feinen „Regeſten K. Friedrichs III.“, feinen „Materialien“ u. |. w. reichhaltigen Duellenftoff veröffentlicht bat. Eine eingehende Eharakteriftit Friedrich unter Anführung der Belege aus ben verſchiedenen Schriften des Aeneas Sylvius u. |. w. bei ©. Boigt, Enea Silvio I, 249 ff. Günftiger urteilen Bahmann, Deutfche Geſch. J, 6ff. und Ranke, Deutfche Geſch. I*, 63ff., der aber mehr bie lekte Zeit Friedrichs im Auge hat. Friedrich beißt „ber Vierte”, wenn man Friebrih „ben Schönen“ als König zählt. Aber bie zeitgendffiihen Ge- ſchichtſchreiber bezeichnen Friedrich als „III“.

1) So erklärt dieſe Buchſtaben Friedrich ſelbſt in feinem 1437 be- gonnenen, allerhand Notizen und Sentenzen enthaltenden, Memoranden⸗ buch bei Chmel I, 577f.

K. Albrechts II: Teftament. 17

bewahrte, jo lag der Grund viel mehr in glüdlichen Zufällen und an der Schwäche feiner Gegner, als in feiner eigenen Thätigfeit. Auch dieſes umerfchütterliche Beharren auf feinem Nechte hängt übrigens doch mit einer Schwäche feines Charakters zujammen, mit der Schwierigfeit, einen beſtimmten Entſchluß zu fafjen, jo daß er die bringenpften Gejchäfte oft monatelang unerledigt ließ, manchmal fo lange, daß eine Erlebigung über- haupt nicht mehr notwendig war, weil fich unterbeffen bie Berbältniffe geändert batten.

Friedrich war daher amt wenigften ver Mann, bie Stelle auszufüllen, die ihm Albrecht II. zugebacht hatte.

Albrecht hatte in feinem Teſtamente, das er am 23. Dftober 1439, vier Tage vor feinem Tode, in Neszmely gegeben hatte !), beftimmt, baß, wenn ihm ein Sohn geboren würde, deſſen Mutter Elifabeth und der ältefte Bürft des Haufes Dfterreich, alfo Friedrich von Steiermark, die VBormundichaft führen und biefen ein Rat von neun Perjonen zur Seite ſtehen follte, brei aus Ungarn, drei aus Böhmen und deſſen Nebenländern, eine aus Prag und zwei aus Vfterreich, die von den Ständen ber betreffenden Länder gewählt werden follten. Während ba- durch eine einheitliche Regierung für alle Länder Albrechts ge jchaffen wurde, follten in jedem einzelnen die Stände nad dem Rate der Königin Elifabetb und des älteften Fürften von Oſter⸗ reich bis zur Volljährigkeit feines Sohnes die Umtleute und Verweſer wählen. Seinen Wohnfit follte der junge Prinz in Presburg nehmen, da dies allen feinen Ländern nahe und wohl gelegen jet.

So intereffant aber auch dieſes Teſtament tft, indem es den erjten Verſuch darjtellt, für die verjchievenen in der Perſon Albrechts II. vereinigten Reiche eine Gejamtregierung zu organi fieren, anberjeit8 aber den Ständen außerordentlich große.

1) Mit Weglaffung bes Eingangs bei Fr. Kurz, Ofterreih unter 8. Friedrich d. Vierten I, 239. Die Gründe, welche Chmel, K. Friedrich L 426 ff. gegen die Echtheit besfelben und für eine Fälſchung durch Eizinger vorgebracht bat, find ungenügend.

Huber, Geſchichte Öfterreihe. IL. 2

18 Beſchlüſſe der öſterreichiſchen Stände.

Befugniſſe zuerkennt, To ift e8 doch thatfächlich ohne jede Be⸗ deutung geblieben.

Nur die Stände von Oſterreich, bie fich gleich nach Albrechts Tode in Perchtoldsdorf verfammelten, haben davon wenigſtens Notiz genommen und dasjelbe mit den früheren Familienver⸗ trägen der Habsburger in Einklang zu bringen gefuht. Sie erlannten den Herzog Friedrich vorläufig bis zur Nieverkunft der Königin als Verweſer und, falls das zu erwartende Kind ein Knabe wäre, als deſſen Vormund und im Namen bed« felben als Regenten in Ojterreih an. Doc follte er bie Rechte der Einwohner, bejonders der Stände, nicht verlegen, die Einnahmen und Ausgaben nad dem Rate der Stände verwalten und bie Amter nur mit Angehörigen des Landes befegen. Sein jüngerer Bruder Albrecht VI., der ebenfalls auf die Vormundſchaft Anfprüche erbob, wurde von den Ständen abgewiefen. Falls von der Königinwitwe eine Tochter geboren würde, jo jollten nach ber Anfchauung der dterreichiichen Stände alle Glieder des Haufes Habsburg, Friedrich, Albrecht und Sigmund von Tirol, Herren von Oſterreich fein *).

Während die Stände von Ljterreih zwar die Anfprüche ber Köntginwitwe auf die Vormundſchaft ignorierten, aber bie Rechte eines zu erwartenden Thronerben bereitwillig anerkannten, machten fih in Ungarn ganz andere Beitrebungen geltend.

Zwar war auch bier das Recht in Teiner Weife zweifelhaft. Die ungarifhen Stände felbit hatten wiederholt und noch nad) Sigmunds Tode und im verfloffenen Mai auf bem Reichstage in Dfen Eltfabeth und ihre Nachlommen als Erben des Thrones anerkannt, und Elifabeth nahm denn auch nad) dem Tode ihres Gemahls die Regierung ohne weiteres in ihre Hände. Aber jet meinten viele, daß bei der großen Gefahr, welche von Den Türken drohte, dem Lande weber mit einem Weibe, noch mit einem Kinde geholfen fei und dag nur ein Mann bie Zügel der Regierung zu führen und Ungarn gegen die anftürmenben

1) Die Urt. und Friedrichs Annahme ber Bedingungen der Stände (vom 1. Dezember) bei Kurz a. a. O. I, 248 ff.

Pläne der Ungarn. 19

Veinde zu verteidigen vermöge. Verſchiedene Fürften wurden von den um Neujahr in Ofen verfammelten Ständen ing Auge gefaßt, darunter der König Wlabijlam von Polen und Lazar, der jüngſte Sohn des in Ungarn lebenden Serbenfürften Georg Brankovich. Wladijlam zählte zwar auch erſt funfzehn Sabre, war alfo faum dem Senabenalter entwachlen. Aber durch die Vereinigung Polens mit Ungarn hoffte man, ben Türken eine große Macht entgegenjtellen zu können, jedenfalls wurde eine Verbindung der Türken mit den Polen bintertrieben, wie fie gerade damals Sultan Murad anftrebte, ver bereits Geſandte nah Krakau abgeſchickt hatte. Die Vertreter ber Berufung Wladiſlaws glaubten ihre Abfichten auch mit ben Anforderungen des Rechtes vereinigen zu können, indem fie bie Vermählung der Königin Elifabeth, der eigentlichen Erbin bes Reiches, mit dem polnijchen Könige vorjchlugen, der freilich um wenigftens funfzehn Jahre jünger war als fi. Das zu er⸗ wartende Kind von Albrecht follte, wenn e8 ein Knabe wäre, . Böhmen und Diterreich erhalten, einem von Wladiſlaw zu boffenden Sohne nur Ungarn zufallen.

Zange weigerte fi die Königin Elifabetd, die mit Sicher- heit auf die Geburt eines Sohnes rvechnete, dieſen Forderungen nachzugeben, obwohl auch ihr Vetter Ladislaus ara ihr dazu riet. Erſt nah langem Sträuben gab fie unter gewiſſen Dedingungen !) zur Vermählung mit dem polniichen Könige

1) willigat sich, den von Polan zu nemen. Aber doch hielt sie jn drey sach für, die man wol wais. Ob sie das halten wolten, so wolt sie den von Polan nemen. Aber sie wessat wol, daz sie der dreien artikel kainen hielten, weder der von Polan noch ungrische herren, und wolt damit ausgen aus der willigung, die sie getan het, den von Polan zu nemen, fagt Eliſabeths Vertraute, die Aja ber kleinen Brinzeifin Elifabetb, Helene Kottannerin, in ihren „Dentwärbig- feiten“, S. 16. Welches biefe drei Artikel waren, wiflen wir leider nicht, da die Inſtruktion für die nach Polen gehenden Geſandten bis jett nicht aufgefunden if, und Aeneas Sylvius, Europa ap. Freher II, 86 nnd Epist. (ed. Basil.) no. 81, Dlugosz 1. XII, col. 719sgg. und Thwrocz 1. IV, c. 28sqq. ap. Schwandtner I, 240sqgq., die für die Borgänge in Ungarn nad Albrecht II. Tode und bie folgenden

9*

20 Berufung Wladiflans von Polen.

ihre Zuftimmung, vielleicht um nicht zu einer noch verbaßteren Heirat gezwungen zu werben, vielleicht auch nur um Zeit zu gewinnen. Der Bilhof Johann von Zengg und mehrere ber- porragende weltliche Würdenträger begaben ſich nun nach der Mitte des Ianuar 1440 al8 Gefandte nach Krakau, wo König Wladiſlaw mit zahlreichen Großen verweilte.

Während in Krakau noch unterbandelt wurde, gebar Elilabeth am 22. Februar in Comorn einen Sohn, dem fie den Namen Ladislaus gab. Sie meldete dies nun gleich den Geſandten, die nach Polen gegangen waren, und wiberrief die benjelben gegebene Vollmacht, welche fie nur für den Fall ausgeftellt haben wollte, daß fie feinen Sohn erbielte. In Wladiſlaw und feinen Räten ftiegen nun in der That Bedenken auf, ob er jet, wo Ungarn einen legitimen Thronerben hatte, dem an ihn ergangenen Rufe Folge leiten ſollte. Da aber die ungariihen Geſandten erklärten, fie ſeien von Elifabeth, die übrigens auch fie als ihre gegenwärtige Königin und Herrin bezeichneten I), für alle Fälle bevollmächtigt, jo nahm ber Polenkönig die Wahl zum Könige von Ungarn an und fertigte am 8. März die Urkunden aus, welche die Bedingungen feiner Berufung auf den ungariichen Thron feſtſetzten. Wladiſlaw verſprach, die Nechte und Freiheiten ver Ungarn zu bejtätigen und aufrechtzuerhalten, mit polnischen Zruppen Ungarn gegen die Türken und andere Feinde, wie mit ungarischen Polen gegen die Tataren zu verteidigen, die Zips ohne Löſegeld wieder

Thronlämpfe unfere Hauptquellen find (Callimachi Hist. de rege Vladislao und Bonfinius, Rer. Hung. decad., die jene nur willkürlich ansgeſchmückt haben, follte man nicht mit ihnen auf gleiche Linie ftellen!) darüber aud nichts Näheres bieten. Bon neueren Darftellungen vgl. &aro IV, 2060ff. Szalay II, 18ff. Fehler-Klein II, 450ff. Gröf Teleki, Hunyadiak kora Magyarorszägon I, 157sgg. (ein mit außerordentlichem Fleiße gearbeitetes Wert, wo aber gleichzeitige und fpätere Quellen wie gleichwertige benugt find).

1) Ex consensu serenissimae principis d. Elisabeth, reginae Hungariae modernae, dominae nostrae ap. Katona XIII, 33. So auch K. Wladiſlaw in feiner Urkunde ibid. 27: principem d. Elisabeth, eiusdem regni reginam modernam.

Krönung Labislaus des Nachgebornen. 21

zurüdzugeben, vor feiner Krönung die Königin Eliſabeth zu heiraten, aber fie vor Ablauf des Trauerjahres nicht zur Vollziehung der Ehe zu nötigen und ihrem Sohne Labislaus zum Beſitze von Böhmen und Dfterreich zu verhelfen. Auch auf Ungarn follte diefem fein Erbrecht gewahrt bleiben, wenn er ſelbſt keine Kinder hinterließe ?).

Eliſabeth war entrüſtet, als ihr zwei der Geſandten, Matthäus von Thalloͤcz, Ban von Croatien, und ber Oberſt⸗ truchjeß Emerich Marczali, die Vertragsurfunden überbrachten, und ließ dieſe ins Gefängnis werfen. Sie war entichloffen, ihrem Sohne feine Rechte auf alle Reiche, die fein Vater be- jeffen Hatte, zu wahren. Ihr Vetter Ulrich von Cilli ftand ihr als erfahrener Ratgeber zur Seite. Da ſich König Friedrich, zufrieden, die Regierung in Ofterreich im feine Hände gebracht zu haben, um feinen Mündel gar nicht kümmerte, fo übertrug fie am 10. April die Vormundſchaft über ihren Sohn deſſen energijcherem Bruder Albrecht VI. Diefer Schritt, zu dem fie vielleicht der mit dem Könige Friedrich auf feindlichem Fuße ftehende Ulrich von Eilli bewogen hatte, kann inveffen als fein glücdlicher bezeichnet werden. Denn Albrecht, ein Fürft obne Land, war wohl von einem glühenden Ehrgeize durchbrungen, konnte ihr aber feine Hilfsmittel zur Verfügung ftellen und wurde auch von niemandem ald Bormund anerlannt. Um übrigens dem Königtume ihres Sohnes eine fejte NRechtöbafis zu verichaffen, ließ Elifabeth denjelben am 15. Mai in Gegen- wart der Biſchöfe von Raab und Veſzprim, des Herzogs Albrecht bon Dfterreich, Ulrichs von Cilli und einiger Magnaten burch den Erzbifhof von Gran mit ver Krone des heiligen Stephan, die ihre vertraute Dienerin Helene Kottannerin ſchon im Vebruar aus ihrem Aufbewahrungsort Viffegrad heimlich fort- genommen Hatte 2), in Stuhlweifjenburg Trönen, ſodaß alle Be⸗

1) Die Urkunden bei Katona XIII, 23 und Chmel, K. Frieb- rich II, 729.

2) Wie dies gefhah, fchilbert eingehend Helene Kottannerim in ihren „Dentwärbigfeiten”, die überhaupt für alle Vorgänge am Hofe der

22 Beſetzung Ofens durch K. Wladiſlaw.

dingungen erfüllt waren, welche die Ungarn für die Recht⸗ mäßigkeit eines Königs verlangen,

Um bdiefelbe Zeit fiel aber Ungarns Hauptftabt in bie Hände ihres Gegners. Wladiſlaw von Polen war durch Un⸗ ruhen in Litauen und durch finanzielle Schwierigkeiten länger in Polen feftgehalten worden, als e8 feinen Ratgebern Tieb war. Erſt am 22. April fam er mit einem polnischen Heere von A000 Dann nah Käsmark, wo auch feine ungarischen Anhänger fi bei ihm einfanden. Der eifrigfte von allen war Simon von Rozgon, Biſchof von Erlau, den bie Königin Elifabeth dadurch zu ihrem Todfeinde gemacht hatte, daß fie nicht ihm fondern dem Dionys Szoͤchh das Erzbistum Gran übertragen hatte. Während noch in Käsmark, wo Wladiſlaw zwölf Tage blieb, polnische Patrioten dringend rieten, ber König möge das ungarifche Unternehmen aufgeben, ftellte Rozgonyt einen leichten Erfolg in Ausfiht und verjchaffte dadurch, be- fonders vom Bilchofe Zbygniew von Krafau unterftügt, ben entgegengefegten Beftrebungen das Übergewicht. Rozgonyi zog dem Könige mit einer Truppenabteilung voraus, um bemfelben den Befig von Ofen zu fihern. Der Balatin Lorenz von Hedervaͤra ließ fi nach längerem Schwanken bewegen, dem polnifchen Könige die Thore der Burg und der Stadt Ofen zu öffnen. Am 21. Mai bielt Wladiflam in Ofen feinen Einzug. Ein Verſuch Ulrihs von Cilli, fi der Hauptitabt zu bemächtigen, kam zu ſpät. Ja Ulrich wurde bald darauf, als er fi aus dem belagerten Raab retten wollte, jelbft gefangen und erft nach längerer Zeit gegen Stellung von Geiſeln proviſoriſch in Freiheit gejekt.

Da der Erfolg Wladislaws geſichert ſchien, kamen faſt alle ungariſchen Biſchöfe und zahlreiche Große zu ihm, um ihm die Huldigung zu leiſten. Auch Niklas von Ujlak, Ban von Machow, der noch der Krönung des kleinen Ladislaus in Stuhlweiſſenburg beigewohnt und den Knaben zum Ritter geſchlagen hatte, fand

Königin Eliſabeth vom Tode K. Albrechts bis zum Aufang des Juni 1440 eine wichtige Quelle ſind.

Thätigkeit der Königinmutter Elifabeth. 23

fich bei Wladiſſaw ein. Ja fogar der Erzbilchof Dionys von Gran und Yadislaus Sara, Eliſabeths Vetter, ließen fich be- wegen, unter Zuficherung ficheren Geleites nach Ofen zu fommen. Gara wurde zur Übergabe Viſſegraͤss bewogen, aber dann trotz des Geleitäbriefes einige Tage gefangen gehalten, weil man ihm die Entfernung der Reichskrone aus diefer Feſte zur Laſt legte. Der Kardinal⸗Erzbiſchof Szechh war jchwach genug, mit den übrigen Mitgliedern des ungarifchen Neichdtages amt 29. Juni der Wahl Wladiflaws zum Könige beizujtimmten und ihm am 17. Juli in Stuhlweiffenburg die Krone aufzufegen, bie man in Ermanglung der Reichskrone dem Haupte Stephan des Heiligen entnommen batte.

So ungünftig fih aber auch die Lage der Dinge für bie Königin Elifabeth gejtaltete, jo verlor fie doch den Mut nicht. Sie rief ihre Anhänger zu den Waffen und warf fich, um eine mächtige Stüße zu erhalten, dem Könige Friedrich in die Arme. Sie erfannte ihn endlich al8 Vormund ihres Sohnes an und vertraute diefen wie Die ungariſche Königskrone feinem Schute an. Friedrich lieh ihr nun mehrmals beveutende Geldſummen '), freilich al8 vorfichtiger Geſchäftsmann nur gegen fichere Pfänder, wie fie ihm benn für 2500 Dulaten ihre eigene Krone ?), für 8000 Dulaten die Stadt Ödenburg verfegen mußte. Mit diefem Gelde warb fie namentlich böhmiſche Söldner, die leicht zu haben waren, da die Taboriten und ihre Führer, nur an den Krieg gewöhnt, mit Verleugnung ihrer früheren religiöſen und politifchen Grundſätze jegt nur noch dem Erwerbe nach jagten. Schon in Comorn hatte fih Johann Schmilausty von Saar bei Elifabeth eingefunden und hatte fie mit 700 Dann zur Krönung ihres Sohnes nah Stuhlweiffenburg begleitet. Einem andern Sölbnerführer, Johann Giskra oder Jiskra von Drandeis ®), den fie zu ihrem Feldhauptmann ernannte, ver-

1) Lichnowsky VI, Reg. Nr. 104. 118. 146. 151. 196.

2) Nicht die ungarifche Reichskrone. S. Birk, Beiträge zur Geld. der Königin Eliſabeth von Ungarn und ihre® Sohnes K. Ladislaus 1440—1457, in „Duellen und Forſch. zur vaterl. Geſch.“ (1849), S. 214 ff.

3) Bol. über ihn und andere Sölonerführer Aeneas Sylvius, De

24 Schwanken bes Kriegsglüds.

traute fie die Verteidigung der nordweſtlichen Gegenden des Reiches von der mähriichen Grenze bis Kaſchau an. Geftügt auf die teils ſlaviſche teils deutſche Bevölkerung dieſer Gebiete, beſonders auf die zahlreichen deutichen Städte, welche dem Sohne des Königs Albreht die Treue wahrten, war Gisfra mit feinem Unteranführer Zalafus von Oftrow den Anhängern des polniichen Königs im ganzen entfchteven überlegen und nahm auch mehrere Städte der Zip8 ein, jo daß die Verbindung Wladiſlaws mit Polen gefährdet wurde. Eliſabeth felbft, bie in Presburg ihren Sit auffchlug, bedrängte das dortige Schloß, das in den Händen Stephan Rozgonyis, des Bruders des Biſchofs von Erlau, war. Auch Ladislaus Gara und ber Erzbiihof Dionys von Gran traten bald nach der Krönung Wladillaws wieder zu ihr über. Des Erzbiſchofs Bruder Thomas Szechy beunruhigte von Gran aus die Gegend von Dfen und verbrannte fogar eine Vorftadt. Cara und andere Große wurden zwar, als Wladiſlaw aus Polen zahlreiche Ver⸗ ſtärkungen erhielt, von Niklas Ujlaly und Johann Hunyady bei Batalze! an der Donau nörblih von Mohacs geichlagen. Auch Thomas Szechy und der Karbinal- Erzbilchof wurden zu einem Waffenftillftande gezwungen. ‘Dagegen erlitt Wladiſlaws Feldherr Stephan Banffy von Lindda am 1. März 1441 burch den Böhmen Ian Witoweg, den Hauptmann der Cillier, bei Szamobor fünweitlich von Agram eine gänzliche Niederlage und wurde ſelbſt gefangen. König Wladiſlaw, der nun perjün- lich gegen die Eilfier in die ſüdweſtlichen Reichsgebiete 309 !), bewog bieje zwar am 19. April zum Frieden. Uber ber von ihm im Februar 1442 gemachte Verſuch, die Stadt Presburg

viris illustr. L c., p. 56—58. PBalady, Gef. Böhmens IV, 1, 508 ff. Krones, Die böhmischen Söldner im öſtlichen Oberungarı, Programm bes Gym. in Graz. 1862.

1) Er urtundet (in descensu exereituali oder campestri) am 14. März sub castello Marmankev, am 2. April iuxta vallem Zenthgywrgwelge (im Südweſten des Szalader Komitats), am 11. bei Körmönd. Cod. d. petr. IV, 326. 327; VII, 459.

Abkommen zwiſchen Wladiſlaw und Elifabeth. 25

zu erobern, mißlang und in Oberungarn behauptete Giskra bauernd das Üübergewicht 1).

So ſchwankte der Krieg ohne Enticheivung Hin und her, und das Land wurde beſonders von ven Söldnerbanden furcht- bar verwüjtet. Weder Wladiſlaw noch Elifabetb war ftark genug, die Gegner nieberzumerfen und im ganzen Reiche fich Anerkennung zu verichaffen. Ta nun Ladislaus Poftumus auch in Böhmen nicht als König anerkannt wurde und Friedrich IIL., mit feinen eigenen Angelegenheiten beichäftigt, gar nichts für feinen Mündel that, aber doch fich weigerte, dieſen feiner Mutter auszuliefern, jo ward endlich auch die Königin Elifabeth einem Abkommen mit Wlabiflaw geneigt. Der berebte und gewandte Kardinal Julian Cejarini, den der Papit Eugen IV. als feinen Legaten nach Ungarn fchidte, um den rieben in dieſem Reiche herzuftellen und dadurch die Kräfte Ungarns und Polens gegen die immer gefährlicher werdenden Türken verfüg- bar zu machen, gab fich große Mühe, einen Ausgleich zuftande zu bringen. Nach mehrmonatlichen Verhandlungen gelang es endlich, im September 1442 den Abichluß eines Waffenitill- ftandes zu bewirken und auch eine Bafis für den Frieden zu finden, mit der fich Wladiſlaw wie Elifabeth zufrieden erklärten. Zener jollte feinen Rechten auf Ungarn und. dem Königstitel entjagen, aber mit voller Gewalt die Regierung dieſes Reiches führen, bis Labislaus das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hätte, auch, wenn biejer früher oder ohne Nachlommen mit Tod abginge, als fein Erbe ihm auf vem Throne folgen. Wlabiflaw und fein Bruder Kafımir follten die beiden Töchter Eliſabeths

1) Bol. über die Kriege von 1440—1442 außer Dlugosz und Thwroczl. e., unferen Hauptquellen, auch bie „Cillier Chronik”, ber- ausgegeben von Krones R. v. Marchland, Kap. 21f., ©. 9Y6ff., und die Briefe bei Balady, Geh. von Böhmen IV, 1, 58 N. 51; 70ff., NR. 68. 69. 74; dann die Urk. 8. Wladiſlaws für Hunyaby von 1441, Oft. 8., im Cod. patr. IV, 329, durch welche die Angaben ber beiden erfigenannten bezüglich der Schlacht bei Baͤtaſzek beftätigt werben, Ur. von 1441, April 2., 1. c. VII, 459, und ben Friedensſchluß mit dem Grafen von Cilli bei Chmel, Materialien I,2, 64, und ap. Ka- tona XIII, 150.

26 Elifabeth8 Tod und deſſen Folgen.

beiraten und erjterer als Mitgift jeiner Gemahlin für 200 000 Gulden Schlefien al8 Heiratsgut erhalten. Zur Entſchädigung für die Auslagen, die Polen bisher zugunften Wladiſlaws gemacht hatte, follte es nicht bloß im Beſitze Rotrußlands und der Moldau von Ungarn nicht mehr angefochten, fondern auch die Zips ihm bleibend überlafjen werben.

Der Annahme diefer Bedingungen widerſetzten fich indefjen bie ungarifchen Großen, vielleicht weil fie die Wahl und Krönung Wladiſlaws nicht für ungültig erklären laſſen, vielleicht weil fie auf die von Polen in Befig genommenen Länder nicht dauernd verzichten wollten. Es blieb daher nichts übrig, als neue Grundlagen für den Frieden zu juchen. Wieder machte Kardinal Julian den Vermittler und brachte es endlich dahin, daß Wladislaw felbit fi) um den 25. November zu Elifabeth nach Raab begab, um mit ihr perfönlich zu unterhandeln. Der Verkehr der Königin mit ihrem jungen und liebenswürbdigen Gegner wie die Zureden des Karbinald blieben auf fie nicht obne Einfluß. Wieder kam eine Einigung zujtande, deren Be dingungen wir leider nicht Tennen. Wir haben nur die Ver fiherung Eliſabeths, daß fie die Nechte ihres Sohnes nicht verfürzen und fchädigen wolle !). Schon war in der Domkirche von Raab der Abſchluß des Friedens in ungarilcher, polnischer und deutfcher Sprache feierlich bekannt gemacht, als Elifabeth infolge einer Dyſenterie und eines Unterleibsleidend, das fie ven Arzten verbeimlicht Hatte, nach Furzer Krankheit am 19. Dezember 1442 aus dem Xeben fchieb.

Nach Elifabeth8 Tode traten wohl mehrere ihrer bisherigen Anhänger auf die Seite des Königs Wladiflaw über. Allein die hervorragendften, wie der Erzbilhof von Gran, Ladislaus

1) Schreiben der Königin Elifabeth an bie Stabt Presburg, bat. Raab, 17. Dez. 1442, in „Quellen und Forſch.“, S. 222. Dlugosz, 1. XII, col. 7698qq., unfere einzige Quelle für die Verhandlungen zwifchen Wla⸗ diſlaw und Efifabeth, giebt leiver die Friedensbedingungen nicht an. Nach col. 771 war einer ber Punkte auch jet die Vermählung Wlabiflams mit Eliſabeths Älterer Tochter, während nad Aeneas Sylvius ap. Kollar II, 116 Eliſabeth felbft den König heiraten follte.

Die Parteien in Böhmen. 27

Sara und Gisfra von Brandeis, hielten an der Idee des Erbrechtes des jungen Ladislaus feit und wendeten fih um Hilfe an deſſen Vormund, den König Friedrich. Dieſer brachte auch Raab durch Zahlımg von 3000 Dukaten an die Komman- banten in feine Hände. Aber wie er fich nie zu einem ener- giſchen Handeln aufraffen konnte, jo that er auch in Ungarn für Ladislaus nichts. Es gelang daher dem Kardinal Cefarint, befien Ziel immer ein großer Türlentrieg war, ihn im Sommer 1443 zur Anknüpfung von Verhandlungen zu bewegen, bie endlich zum Abſchluſſe eines zweijährigen Waffenſtillſtandes zwiichen Friedrich und Wlabiflam und deren Anhängern auf Grundlage des augenblidlichen Beſitzſtandes führten !.. Der größte Zeil von Ungarn war fo für das Haus Habsburg verloren.

Nicht viel beffer Tagen die Dinge in Böhmen ?).

Die beiden Hauptparteien, bie Kufitiich- nationale unter Ptacek und die öfterreichifche unter Roſenberg und Meinhard von Neubaus, ſtanden fich auch jet noch gegenüber, aber jene hatte fonverbarerweile ihren Kandidaten Kaſimir von Polen gerade jetzt fallen laffen, wo ibm burch den Tod feines Gegners Albrecht von Dfterreich der Weg zum Throne geebnet fchien. Ptacek und feine Sejinnungsgenoffen wollten jett nur über- haupt einen König, der fich verpflichtete, die Prager Kompaktaten in dem Sinne, den fie ihnen beilegten, dem Papfte und dem Konzil gegenüber zur Geltung zu bringen und die Anerkennung Rokycanas als Erzbiihof von Prag durchzufegen. Die un⸗ bejtreitbaren Rechte der Königin Elifabeth ignorierten fie voll⸗ ftändig. In diefer Beziehung nahm aber auch die dfterreichtiche

1) Beurkundet haben Friedrich III. und fein Bruder Albrecht biefen Waffenftilftand erfi am 21. Mai 1444. Chmel, Reg. Frid. III., p. ıxı. Doch ift er offenbar ſchon früher verabrebet worden, wie ja auch Giskra mit dem Biſchofe Simon von Erlau als Bertreter des Königs Wladiſlaw ihon am 1. Sept. 1443 bis 29. Sept. 1444 auf Baſis des gegenwärtigen Beſitzſtandes einen Waffenftiliftand ſchloß. Teleki X, 135. Vgl. über die Verhandlungen mit K. Friedrich Fepler- Klein II, 476ff.

2) Balady IV,1, 3ff.

28 Sorge für den Landfrieben.

Partei eine jehr zurüdhaltende Stellung ein. Nur die Schlefier blieben dem Prinzip der Legitimität treu. Beſonders die Bred- lauer wiejen die Lodungen des Könige Wladiflaw, der fie nach Albrechts Tode zum Anfchluffe an Polen bewegen wollte, ener- giſch zurüd 1). In Böhmen einigten ſich auf einem allgemeinen Landtage im Januar 1440 beide Parteien im „Friedensbriefe“ (list mirny) dahin, daß die Kompaltaten und die Verjchreibungen des Kaiſers Sigmund von allen gehalten und die Beftätigung Rokycanas angeftrebt werden follte. Zugleich wurden mehrere Streitigkeiten zwiſchen einzelnen Adeligen beigelegt und ber Grundſatz ausgeſprochen, daß alle Tehden und Feindſeligkeiten aufhören follten. Da aber für die Zeit, wo Böhmen feinen König hatte, fogar die Gewalt ber oberften Landesbeamten außer Wirkſamkeit geſetzt warb, fo blieb bie Herftellung des Landfriedens den einzelnen Kreifen überlaſſen. Es wurden denn auch im Laufe des März von den verjchievenen Kreisverfanm- lungen entjprechende Anordnungen getroffen. Jeder Kreis wählte einen Hauptmann und gab biefem einen Rat bei, mit dem er alle Streitigkeiten fchlichten und Landfriedensbrecher beitrafen jollte. Bier eifrig huſitiſche Kreife im Oſten jchloffen unter fih noch einen befonderen Bund und wählten Heinrich Ptacel zum Oberhauptmann, deſſen Macht und Einfluß dadurch noch mehr ftiegen. Die Vornahme der Königswahl wurde auf ben nächften Landtag verfchoben. Denn man batte fich nicht Bloß über einen Kandidaten nicht verftänbigen können, ſondern war nicht einmal darüber einig, wer den König zu wählen babe, ob die Böhmen allein ober auch Vertreter der Nebenländer, ob nur der Herrenftand ober auch die Nitter und Stäbte. Eine Königswahl war eben in Böhmen etwas ganz Neues, da e8 fich bei den bisherigen fogenannten Königswahlen immer nur um die Anerkennung des zum Throne Berechtigten durch den Landtag, alſo um eine Art Huldigung, gehandelt Batte.

1) H. Ermifd, Mittel- und Nicderfchlefien während ber königloſen Zeit 1440—1452. „Zeitfehr. f. Geſch. Schlefiens”, XII, Afl.

Wahl H. Albrechts von Baiern. 29

Unterdeſſen gebar bie Königin Elifabetb einen Sohn und bat nun die Böhmen, von einer Königswahl abzuftehen. Die Schlefier, Ober⸗ und Nieber-Laufiger und ein Teil ber Mährer leifteten auch ihr und ihrem Sohne die Huldigung !). Die Böhmen aber ließen fich von ihrem Vorhaben nicht abbringen. Nach langen und hitigen Streitigleiten über bie Srage, wem das Necht der Königswahl zuftehe, ernannte der Landtag amt 15. Juni 1440 zur Vornahme derjelben einen Ausihuß von 18 Herren, 14 Nittern und 14 Vertretern der Städte, denen dann noch der gewählte Erzbilchof Rokycana beigejellt wurde. Bei den Beratungen des Ausjchuffes betonte zwar Ulrich von Roſenberg die Rechte der Königin Eliſabeth und ihres Sohnes und wies auch auf die Anjprüche der übrigen Habsburger in- folge der früheren Erbverbrüderungen mit Böhmen Hin. Aber es drang auch bier die Anficht Ptaceks durch, daß man dem Lande einen König geben müſſe, welcher der Negierung gewachfen fei, und daß es für Ladislaus genüge, wenn er einft als Mann zur Regierung gelange. inter den verjchiedenen Fürjten, die als Kandidaten in Vorſchlag gebracht wurden, famen der König Wladiſlaw von Polen, für den die Zaboriten eintraten, ber bejahrte Kurfürft Sriedrih von Brandenburg und ber Herzog Albrecht von Baiern⸗München ernftlich in Betracht. Für ven Vettgenannten wurde beſonders geltend gemacht, daß er einft am Hofe König Wenzeld fi) die Kenntnis der böhmijchen Sprache und Sitten angeeignet hatte. Er wurde denn auch sach mehrtägigen Beratungen beinahe einjtimmig zum Könige gewählt; ſelbſt Ulrich von Roſenberg batte für ihn geftimmt. Dan wollte von ihm faſt dieſelben Bedingungen verlangen, die man einſt an Albrecht von Dfterreich geftellt hatte, namentlich auch die Einverleibung feines baieriſchen Anteild in das Reich Böhmen fordern.

1) Nah Elifabeth8 Schreiben, dat. 27. Auguft 1440, bei Freyberg, Sammlung Hifl. Schriften III, 67, wo eine Anzahl wichtiger Aktenftüde „Zur Geſch. der Wahl Herzogs Albreht von Baiern zum König von Böhmen” abgebrudt if. Vgl. auch Chmel, Friedrich IV., II, 26ff. 52 ff.

32 Neue Angriffe der Türken.

opponierte nie einem Beſchluſſe des Landtags zugunſten Rokycanas und entwarf fogar jelbft das Geſuch, welches die Stände im November 1446 an den Papſt richteten, um bie Beitätigung desfelben wie der Kompaktaten zu erwirfen. Aber im geheimen agitierte er dagegen, und gewiß nicht am wenigften ift e8 feinen Ratſchlägen zuzufchreiben, daß der Papſt Nikolaus V. alle religiöfen Wünſche der Böhmen ablehnte und der von ihm im Frühjahr 1448 nach Prag geichicte Kardinal Carvajal bie Utraquiften durch fein fchroffes Auftreten erbitterte. Freilich verlor Roſenberg infolge feiner rein negativen Bolitif und feiner Doppelzüngigfeit in Böhmen immer mehr an Anfehen, und e8 wuchs dagegen der Einfluß Georgs von Podiebrad, der nach Ptaceks Tode im Jahre 1444 in einem Alter von erit vierundzwanzig Jahren von den eifrigeren Utraquijten als Führer anerkannt worden war. Aber das erreichte Roſenberg wenigftens, daß bis zum Jahre 1448 feine wefentliche Änderung der Verhältniffe eintrat und daß, wenn auch das Haus Habe- burg ‚nicht in den Beſitz Böhmens gelangte, wenigitend fein anderer zum Könige gewählt warb.

Unterdeifen war in Ungarn durch den Untergang des Königs Wladiſlaw eine vollftändige Anderung der Verbältniffe ein- getreten.

Nah der Einnahme von Semendria im Sommer 1439 hatten die Türken Serbien erobert und Bosnien in noch größere Abhängigkeit gebracht. Im Frühjahr 1440 griff Murad IL Delgrad an, die einzige Stadt, die ihm den Weg nach Ungarn noch veriperrte. Zu Waſſer und zu Lande wurde die Fejtung bebrängt. Große Belagerungsmaſchinen ſchleuderten ungeheuere Steine, um die Mauern niederzuwerfen und den Sturm zu ermöglichen. Aber der Feſtungskommandant Johann von Tallovac oder Thalldcz, Prior von Vrana, ein Bruder des Bands von Kroatien, leitete Die Verteidigung mit folder Umficht, daß alle Anftrengungen der Türken vergeblih waren. Die von ben Ungarn zum erftenmale gebrauchten Kanonen, deren jede mit fünf oder zehn Kugeln geladen wurbe, riffen beveutende Lücken in die Reiben ber Belagerer. "Ein letter Verſuch des Sultans,

Herkunft Iohann Hunyabys. 83

durch Ausfüllung des Grabens mit Holz den Mauern nahe zu fommen, wurde baburch vereitelt, daß Thalldczy während der Nacht heimlich Pulver auf das Holz werfen und dann während bes folgenden Sturmes anzünden ließ, ſodaß die herandringenden Teinde elend verbrannten. Nach jechsmonatlicher Belagerung mußte der Sultan von Belgrad abziehen, vor deſſen Mauern er 17000 Mann verloren haben fol. Doc hatten die Türken auf einem gleichzeitigen Streifzuge aus Stebenbürgen wieder zahlreiche Bewohner weggeführt ?).

Im folgenden Jahre übertrug König Wladiflaw die Ver- teidigung der üblichen Neichögebiete, welche von den Türken häufig verbeerend heimgeſucht wurden, den beiden Banen Johann Hunyady und Niklas Ujlaky, die er zur Belohnung für ihren Sieg bei Bätafzet auch zu Woywoden von Siebenbürgen er- nannt hatte. Erfterer war nicht von vornehmer Herkunft, der Sohn eined Walachen Namens Woyf, ber in die ‘Dienfte des Königs Sigmund getreten, an deflen Hofe Ritter geworden war und von ihm im Jahre 1409 mit feinem Sohne Johann und anderen Verwandten bie Burg Hunyad im ſüdweſtlichen Sieben⸗ bürgen erhalten hatte. Johann, der von diefer Burg ben Namen führte, hatte fih ſchon im Dienfte Sigmunds und Albrechts II. in den Kriegen gegen die Böhmen und Türken jo hervorgethan, daß ihm noch weitere Güter geichenkt und er zum Ban von Severin oder Zewrin an der gefährdeten Süd⸗ grenze ernannt worden war ?).

1) Die Beweiſe hierfür wie für die Kämpfe ber folgenden Jahre in meiner Abhandlung: „Die Kriege zwifhen Ungarn und ben Türken 1440-1443, kitifh unterfuht”, Wien 1886. Sep.-Abbrud aus dem „Archiv f. öfterr. Geſch.“ LXVIII, 159 ff.

2) Url. 8. Eigmunds von 1409 ap. Fejer X, 8, 492, 8. Wla- biflaws von 1440 bei Teleki X, 89, und K. Labislaus’ von 1453 ibid. X, 347 qq. Die waladifhe Herlunft Hunyadys wird von gleich- zeitigen Schrififtellern, Aeneas Sylvius ap. Freher-Struve II, 86 (natione Valachus fuit, haud altis natalibus ortus), der „Eillier Ehronit“, herausgegeben von Krones, S.102 („aus dem landt Walachey pürtig und eines geringen rittermessigen geschlechts), ſelbſt Thwrocz 1.IV,

. Huber, Geſchichte Öfterreichs. II. 3

3 Hunyadys Siege Über die Türken.

Hunyady, zum Krieger geboren, kämpfte auch jett gegen die Türken mit großem Glücke. Schon im Jahre 1441 brachte er dem Anführer der türkifchen Streitkräfte in Serbien, Iſak Deg, der ihn bei der Heimkehr von einem Streifzuge angriff, unweit Belgrad eine Schlappe bei. Im folgenden Sabre brach Meſid Beg, der Anführer der türkifchen Truppen in Europa, mit denſelben in Siebenbürgen ein, das in gewohnter Weile auf das furchtbarfte verwüftet wurde, und drang bis Weißen- burg (Karlsburg) vor. Hunyady, der gerade in Siebenbürgen war, zog den Feinden mit einer in Eile geſammelten Zruppen- char entgegen, fiel aber am 18. März bei Maros⸗ſzent⸗Imre nördlich von Weißenburg in einen Hinterhalt und warb durch die weit überlegenen Dsmanen von allen Seiten eingeſchloſſen. Nur mit empfindlichen Verluften vermochte er fich zu retten. Der fiebenbürgifche Biſchof Georg Lepes, der beim Überjegen eines Baches vom Pferde ftürzte und in die Hände der Türken fiel, warb enthauptet. Neich mit Beute und Gefangenen be- laden ſetzte Mefid Beg die Verheerung Stebenbürgens fort. Aber Schon nach einigen Tagen wurde er von Hunyady, der unterdefien größere Kräfte gefammelt hatte, in der Nähe bes früheren Rampfplates angegriffen und gefchlagen und auf der Flucht mit feinem Sohne felbft getötet. Beute und Gefangene wurden den Türken wieder abgenommen. Diejer Sieg Hunyadys bewog den waladhiichen Woywoden Draful, von den Odmanen abzufallen und dem ungarifchen Könige die Huldigung zu leiften. Auch ein neues türkiſches Heer, das, angeblih 80000 Dann jtarf, unter Schehabeddin Pafcha, um die Niederlage des eriten zu rächen, noch im Sabre 1442 die Walachei furchtbar ver- wüſtete und von da in Siebenbürgen einfallen wollte, war nicht glüdlicher. Hunyady zog demfelben, ehe e8 noch die

cap. 30, p. 242 (nobili et claro Transalpinae gentis de gremio natus etc.) übereinftimmend bezeugt, follte alfo von ben Ungarn nit mehr beftritten werben. Spätere Schriftfteller nennen ihn Corvinus, wahr- fcheinlich nach feinem Wappen. Spätere Sagen und Erbichtungen über Hunyadys Herkunft befprehen Teleki I, 26fj. und W. Schmidt, Die Stammburg der Hunyade (Hermannftabt, 1865), ©. 64ff.

Thätigfeit des Karbinals Eefarini. 85

Rarpaten überjchritt, mit den von ihm gefammelten Truppen entgegen, griff e8 an und brachte ihm eine entjcheidende Nieder⸗ lage bei.

Hatte Hunyady nur mit einem Zeile der Kräfte Ungarns jo glänzende Erfolge errungen, jo konnte man das Größte, viel- leicht jogar die Vertreibung der Osmanen aus Europa, hoffen, wenn man diefen die ganze Macht beider Neiche Wladiflams entgegenjtellen Tonnte. Daher das Streben des Starbinals Sultan Cefarini, in Ungarn den Frieden herzuftellen, eine Aus- ſöhnung zwilchen Wladiſlaw und feinen Gegnern oder wenigftens eine längere Waffenruhe herbeizuführen. „Zag und Nacht vente ih an nicht anderes, als an ben Trieben dieſes Reiches und an den Krieg gegen die Türken“, ſchreibt er am 28. Juni 1443 an den. König Friedrich '). Flammende Worte richtete er an den König Wlabiflam und feine Räte wie an bie ungarifchen Stände, welche bald nad Neujahr und wieder im Juni in Ofen verjammelt waren. Die Hilfe des Papftes und der Ehriften- - heit jtellte er den Ungarn in Ausfiht. Ihn unterjtügte auf das Fräftigfte der vertriebene Georg Brankovich, der Serbien wieder zurüdgewinnen und die Blendung und Entmannung zweier feiner Söhne am Sultan rächen wollte Briefe, die aus Raguſa und von Hunyady aus Belgrad eintrafen ?), mußten die Kampfluft der Ungarn noch mehr entflammen. Der Sultan, jchrieb letterer an den Defpoten von Serbien auf Grund der Ausfagen eines Spions, jet durch die Söhne bes Fürften von Karaman in Kleinafien dreimal befiegt worben und auf einer Infel, auf die er fich geflüchtet, geftorben, fein Sohn ohne Macht, Alien bis Brufa in den Händen der Fürjten bon Karaman, die europäifchen Provinzen nur jchwach bejegt, ſodaß, wenn die Ungarn mit 30000 Reitern in Serbien ein- rüdten, die Türken alle Gebiete bis zum leere freiwillig räumen würden.

In der That wurde vom ungarifchen Reichstage der Krieg

1) Chmel, Materialien L,2, 113.

2) Abgedrudt a. a. ©. 1,2, 114 ff. 3*

86 Angriffstrieg der Ungarn.

gegen bie Türken bejchlofien. Am 22. Juli 1443 brach ber König, begleitet vom Kardinal Iulian und dem ‘Defpoten Georg, von Dfen nach dem füdlichen Ungarn auf, wo ſich ihm Hunyady mit feinen Leuten anfchloß. Das Heer fol nur 25000 Reiter und Bogenjchügen gezählt haben, war jedenfalls nicht ſehr ftark. Denn die Ungarn hatten, ba es fih um einen Angriffsfrieg handelte, nicht ihre ganzen Streitkräfte aufgeboten, fondern nur die Anwerbung von Söldnern beichloffen, zu denen noch die Banderien einzelner Magnaten, Polen, Hilfsvölker des walachi⸗ ſchen Woywoden Wlad oder Drakul und einige Kreuzfahrer kamen. Eine tiefere Bewegung hatten die Kreuzprediger nirgends hervorgebracht und auch die Bemühungen, die Unterſtützung des Königs Friedrich III. zu gewinnen, waren erfolglos geweſen. Denn diefer mußte mit Recht Bedenken hegen, zur Vermehrung der Macht und des Anſehens eines Türften beizutragen, der feinem Vetter und Mündel die ungarifche Krone entrifjen hatte.

Deffenungeachtet nahm der Feldzug anfangs den günftigften Berlauf. Langfam, aber unaufbaltfam drang der König von Belgrad wahrfcheinlich über Kragujewag nach Krufchewat vor. Da ſich nirgends ein größeres türfifches Heer zeigte und eine Kleinere feinpliche Abteilung, auf die man ftieß, leicht befiegt wurde, jo ward Hunyady vom Könige mit 12000 Reitern vorausgeſchickt, um zu rekognoszieren, ob etwa feindliche Truppen in der Nähe wären. Auf dem VBormarjche nahm der Woywode Niſſa ein, das geplündert und dann dem Teuer preidgegeben ward, und befiegte nach einander brei türkifche Heeresabteilungen, die fich wahrfcheinlich in der Nähe diefer Stabt zu vereinigen und dann ihn anzugreifen beabjichtigt hatten. Bet ihrer Ver⸗ folgung erfuhr er, daß in feiner linken Flanke ein großes feindliches Heer, dem fich auch die flüchtigen Truppenteile ans- gejchloffen Hatten, gegen das Lager des Königs ziehe. Auf diele Nachricht kehrte er um, griff die Türken troß ihrer großen Übermaht am 3. November in der Nähe von Niffa an und erfoht einen glänzenden Sieg, 2000 Teinde bevedten das Schlachtfeld, 4000, darunter ein Paſcha und mehrere Begs, wurden gefangen und mit neun erbeuteten Fahnen dem Könige

Deren Rüdzug. 87

übergeben. Diejer Sieg war auch von großer moralifcher Bes deutung, indem er das Vertrauen der chriftlichen Bewohner der Balkanhalbinſel zu den Ungarn erweckte. Zahlreiche Bulgaren, Serben, Bosnier und Albanefen fchloffen fich diefen an. Ohne daß die Türken noch irgendwo Widerſtand verjuchten, drangen die Ungarn nun in füböftlicher Richtung über Pirot nach Sofia vor, alle Ortichaften und Burgen zerjtörend, die Einwohner hinmordend. Selbſt Sofia ward dem Teuer preisgegeben.

Nun ftand der König vor den Päflen des Balkan, Hinter denen, in PBhilippopel, der Sultan ein großes Heer gefammelt hatte. Da die kürzeſte Straße nach Thracien, durch das Trajansthor, von den Türken durch Befeſtigungen und Verhaue unpaſſierbar gemacht worden war, ſo beabſichtigte Wladiſlaw dieſen Paß zu umgehen, indem er von Sofia oſtwärts bis Slatitza oder Isladi vordrang, von wo man durch das enge Thal der Topolnitza nach Tatar Bazardſchik jenſeits des Trajans⸗ thores gelangen konnte. Aber auch dieſer Paß war von den Türken befeſtigt und ſtark beſetzt worden. Die Ungarn ſuchten ihn mit Gewalt zu nehmen und kämpften den ganzen Weih⸗ nacht8abend, um fich den Durchweg zu erzwingen. Aber troß ihres Heldenmutes vermochten fie die Türken, welche bier alle Vorteile des Terrains für fich Hatten, nicht von den Höhen zu vertreiben. ‘Da zugleich der Mangel an Lebensmitteln bei den Ungarn mit jevem Tage drüdenvder ward, jo blieb nichts übrig, als den Rückzug anzutreten.

Der Anführer des türkifchen Heeres Kafım, Beglerbeg von Europa, verfolgte die Ungarn, wurde aber bei Kunowitza zwijchen Ak Palanla und Niffa durch Hunyady angegriffen und geichlagen und mit mehreren Unteranführern, darunter Mahmud Zichelebi, dem Schwager des Sultans, felbit gefangen. Deſſen⸗ ungeachtet wurde bei ver vollftändigen Erichöpfung des Heeres der Rückzug nach Ungarn fortgeſetzt. Vergebens waren bie Bemühungen des jerbilchen Deipoten, duch das Angebot einer boben Geldſumme den König zum Überwintern in Serbien und zur Fortführung des Kampfes zu bewegen, um fein Land wieder zu erobern. Nachdem die untauglichen Pferde getötet,

58 Triedensanträge des Sultans.

bie Zelte und Wagen, die aus Mangel an ZJugtieren nicht mehr fortgebracht werden konnten, verbrannt worden waren, 309 der König weiter nach Belgrad und dann nach Ofen, wo er etwa im Februar 1444 wieder eintraf.

Der Ausgang des Feldzuges Hatte zwar dem glänzenden Verlaufe in den eriten Monaten durchaus nicht entiprochen, da faft alle Eroberungen jchließlich wieder aufgegeben worben waren. Aber im chriftlichen Abendlande machte ed doch einen gewaltigen Eindrud, daß die gefürchteten Türken in zwei Schlachten und mehreren Heineren Treffen befiegt, ein großer Zeil ihres Reiches ohne Widerſtand durchzogen worden war. Bon allen Seiten kamen nad Ofen Gefandte, um dem Könige Glück zu wünſchen und ihn zur Tortfegung des Kampfes gegen die Ungläubigen aufzumuntern. Der Papft, die Venetianer und der reiche Herzog Philipp von Burgund verfpracen die Abſendung von Kriegsfchiffen an den Hellefpont, um ven Über- gang türkischer Truppen aus Aſien nah Europa zu bindern. Obwohl die Polen ihren König dringend baten, endlich auch feinem zerrütteten Erbreiche einige Aufmerkſamkeit zu fchenten, und Giskra noch immer brobend in Oberungarn ftand, fo beichloß boch der Neichötag in Dfen Ende April die Wieder» aufnahme des Krieges und die Erhebung einer Steuer zu diefem Zwede.

Da Tamen vom Sultan die günftigjten Friedensanträge. Auf Murad Tonnten die Siege, welche die Ungarn in den letten drei Jahren erfochten hatten, und die Nachricht von ben Rüſtungen der Abenbländer zur See nicht ohne Eindrud bleiben. Da in Kleinafien der Fürft von Karaman noch immer wider- itand und kurz vorher auch faft ganz Albanten unter Anführung bes Fürften von Croja, Georg Eaftriota oder Skanderbeg, ſich erhoben und einem türkiſchen Heere eine blutige Niederlage bei- gebracht hatte, jo fühlte er die Notwendigkeit, einen Zeil der Beinde zur Ruhe zu bringen, um unterbefjen die übrigen nieber- zuwerfen. Schon am Beginn dieſes Jahres, ald Wladiflaw noch auf ferbiichem Boden ftand, fcheint er dieſem Friedensanträge gemacht und die Herausgabe Serbiend wie die Fretlafjung der

Zebnjähriger Waffenſtillſtand. 39

geblendeten Söhne des Deſpoten Georg angeboten zu haben. Georg jcheint dann die Unterbandlungen weitergeführt und auch Hunyady für einen Frieden gewonnen zu haben. ‘Denn bie Bedingungen, zu welchen der Sultan fich herbeiließ, fchienen in der That günjtig. Er wollte Serbien mit allen Feſtungen von Semendria und Golubag im Norden bis Novo Brdo und Zelenigrad im Süden und den früher zu Serbien gehörigen Teil Albaniend an Georg Brankovich zurücgeben, !) und bie Dberhoheit Ungarns über die Walachei anerkennen, obwohl die Fürſten beider Länder zugleich auch dem Sultan Tribut ent richten jollten. Er wollte weiter für die Freigebung jeines Schwagers und der andern Gefangenen 100000 Dukaten zahlen und ſich verpflichten, dem Könige Wladiſlaw für jeven Krieg 25000 Dann zubilfe zu ſchicken 2). Auch den Ungarn jchienen dieſe Bedingungen vorteilhaft. Auf einem Reichstage in Sze— gedin um die Mitte des Juli ?) nahmen die geijtlichen und weltlihen Großen mit dem Könige den Antrag des Sultans an und jchloffen einen zehnjährigen Waffenftillftand, der von beiden Seiten bejchworen wurde.

Wenige Tage darauf trafen von den Admiralen der chrift- lichen Flotte Schreiben ein, welche meldeten, daß fie am Helle- ſpont angelommen ſeien und Sorge tragen würden, die Rüd-

1) Dadurch mußte auch Bosnien von den Türken völlig frei werben. Die Anerkennung der Herrfchaft Ungarns führt in ber That K. Ladislaus in Urk. von 1453 ap. Katona XII, 878 als Folge der Siege von 1443 an. Nah Urt. des Königs Stephan Thomas (Sohns bes früheren Königs Oftoja, der im Februar 1444 auf Tiwartfo II. gefolgt war) für Hunyady vom 3. Juni 1444 bei Spieß, Aufflärungen, ©. 263, bat benjelben K. Wlabiflaw in regem.... regni Bosne sollenniter instituit et confirmarvit.

2) liber die Bedingungen vgl. mit Dlugosz 1. XU, col. 788sq,, ber bierfür Hauptquelle if, Caro, Geſch. Polens IV, 339.

3) Daß dies erft am 1. Auguft gefhehen fei, ift doch nicht möglich, wenn, wie Dlugoſz berichtet, der Bruch dieſes Friedens am 4. Auguft damit begründet worden ift, daß bie Türfen die Bedingungen noch nicht erfüllt hatten, obwohl ſchon zwanzig Tage verfloflen waren. Am 11. Juli urtundet aber 8. Wladiſſlaw noch in Ofen. Chmel, Materialien I,2, 140.

4 Bruch des Waffenftillfiandes durch die Ungern.

kehr des Sultans, der ſich zur Bekämpfung des Fürften von Karaman nach Kleinafien begeben hatte, zu hindern. Es jet daber leicht, daS von Truppen entblößte Europa ganz von den Türken zu befreien, wenn der König Wladiflaw rafch mit einem Landheere nach Numelien ziehe. Auch der griechifche Kaifer Johannes fchrieb in ähnlicher Weile, warnte vor einem Frieden mit den treulojen Türken und ftellte jeine Unterftügung in Ausfiht. Der Kardinal Julian, der durch den Frieden von Szegedin das fchönjte Ziel feines Lebens, die Vernichtung der Türkenherrſchaft, zerftört ſah, feuerte den ſanguiniſchen und Hlaubenseifrigen König, auf den dieſe Briefe nicht ohne Ein- drud geblieben waren, noch mehr zur Wiederaufnahme des Krieges an. Er erllärte, Wladiflam babe gar nicht das Necht gehabt, ohne Zuſtimmung des apoſtoliſchen Stuhles und binter dem Rüden feiner Bundesgenofjen mit den Ungläubigen Frieden zu ſchließen, und löfte ihn zur Beruhigung feines Gewiſſens von dem Eibe, den er den Türken geleiftet hatte. Am 4. Auguft ſchworen ver König und feine Großen einen neuen Eid, daß fie am 1. September mit einem Heere in der Gegend von Orſova fein und dann ungefäumt nach Rumelien vordringen würden, um die Türken noch in dieſem Jahre aus Europa zu vertreiben.

Nicht am erften, fondern um den 24. September überjchritt der König unterhalb Belgrad die Donau, um durch Das türfilche Neich nach Gallipoli und Konftantinopel vorzudringen. Sein Heer war noch Heiner al8 im vorigen Jahre. Die Polen, welche die ihrem Lande jo nachteilige Bolitif Des Königs nicht billigten, batten ſich fajt ganz fern gehalten. Auch von ben ungarifhen Großen waren die meiften zuhaufe geblieben. Ein Haufe Kreuzfabrer fiel nicht ins ©ewicht. Nur 16000 Weiter hatte Wladiflaw unter feinem Kommando, bie aber nicht weniger als 2000 Wagen zus Führung des Proviants und zur Weg- bringung der Beute mit fich hatten. Georg von Serbien, zu- frieven mit der Wiedergewinnung feines Reiches, wollte deſſen Beſitz nicht Durch einen neuen Krieg mit den Türken auf das Spiel fegen. Er verjagte nicht bloß dem ungarijchen Könige jede Unterftügung, ſondern benachrichtigte auch den Sultan

Bormarfch bis ans Schwarze Meer. 4

von dem Friedensbruche desfelben und verweigerte dem Georg Caftriota, der ein Hilfsheer von 30000 Mann in Ausficht geftellt Hatte, den Durchzug durch fein Land.

Deffenungeachtet drang Wladiflaw, trauend den trügerifchen Beriprechungen und von einem böjen Verhängniſſe getrieben, raſch vorwärts. Schon am 6. Tage ftand er bei Widdin, mit befien Belagerung er fich nicht aufhielt, am 26. vor Nikopolis, deſſen Vorftabt nievergebrannt wurde. Hier ftieß der walachifche Woywode Drakul mit 4000 Reitern zu ihm, ſodaß das Heer jest 20000 Dann zählte. Bon da zog man über Schumla und Pravadi, deren Burgen erjtürmt wurden, oftwärtd nad) Barna, wo man am 9. November anlangte. Denn um ben Päſſen des Balken auszuweichen, hatte man beichloffen, das ganze Gebirge zu umgeben und längs der Küfte des Schwarzen Meeres an den Boſporus vorzudringen.

Schon am Abend des folgenden Tages ſahen die Chriften in geringer Entfernung die Lagerfeuer eines feindlichen Heeres. Murad hatte auf Die Nachricht vom Friedensbruche des ungarifchen Königs fchnell Friede mit dem Fürſten von Karaman geſchloſſen und troß der chrijtlichen Flotte, die den Helleſpont bewachte, mit feinen Truppen, 40000 Dann, den Übergang nach Europa bewerkitelligt, indem er unbemerkt von berjelben auf Kauffahrtei⸗ ſchiffen *) zwiichen Konftantinopel und dem Schwarzen Deere über den Bosporus feste. Nachdem er in Europa noch weitere Verſtärkungen an fich gezogen Batte, zog er über den Balkan gegen Nikopolis, und als er bier die Chriften nicht mehr fand, Hinter diefen ber bi8 vor Varna. So ſah ſich das chriftliche Heer in der übelſten Lage, vor fich eine weit überlegene feind- liche Armee, hinter fich das Meer. Es blieb nichts übrig, ale den Kampf mit den Türken aufzunehmen, zu fiegen over ebren- voll unterzugeben. _

Am 10. November 1444 kam es bei Varna zur Schlacht. Hunyady Hatte auf dem linken und rechten Flügel die Ungarn,

1) Es follen genuefifhe Kaufleute gewefen fein, die gegen gutes Gelb ihre Schiffe dazu bergegeben haben.

42 Die Schladht bei Barna.

auf legterem auch, das Häuflein Kreuzfahrer unter dem Kardinal Sultan aufgejtellt, in der Mitte ftanden der König mit einer auserlejenen Schar von Rittern aus Ungarn und Polen, und bie Walachen. Den rechten Flügel fommandierte der Biſchof Johann von Großwarbein, den linken Hunyady ſelbſt. Bei den Türken ftanden in der Front die Lebensreiter aus Europa und Afien, hinter ihnen als Reſerve die Ianiticharen, welche durch große eijenbejchlagene Sekichilde und außerdem durch eijerne Pfähle in ihrer Front gededt waren. Die Ge famtftärle der Türken wird, wohl übertrieben, auf wenigitens 100000 Dann angegeben. Der rechte Flügel der Ungarn warb von den Türken unvermutet von der Seite ber angegriffen und in die Flucht getrieben, wobei die Bilchöfe von Großwarbein und von Erlau (Simon Rozgonyi) den Tod fanden. Auch die Walachen wenbeten den Feinden den Rüden. Nur eine Heine Abteilung unter dem SKarbinal Yultan und dem Ban von Croatien, Franko Thallöczy, leijtete, um das Banner des heiligen Ladislaus geſchart, tapfern Widerftand. Dagegen drangen auf dem linken Flügel Hunyady und der König unauf- baltfam vorwärts. Die afiatifchen Weiter wurden geworfen, der Beglerbeg Karadſcha getötet, hierauf vom Könige auch bie Abteilung, welche das Banner des heiligen Ladislaus verteidigte, aus ihrer Bedrängnis befreit. Hunyady bat nun den König, eine Reſerveſtellung einzunehmen, während er jelbit den Kampf gegen die noch widerſtehenden Weiter Europas fortjette. Nach langem hHartnädigen Ringen ſchien fich auch bier das Glück den Ungarn zuzuneigen. Da ließ fich der König von feiner Umgebung, welche Hunyady die Ehre des Sieges nicht allein genießen laffen wollte, bewegen, zum Angriffe auf die bisher noch intakten Janitſcharen vorzugehen, hinter denen der Sultan jelbit ftand. In dichtem Kampfgewühle ward das Pferd bes Königs verwundet, dieſer ftürzte und bauchte unter den Streichen und Pfeilen der Janitſcharen jein junges Leben aus. Sein abgejchlagenes8 Haupt warb dem Sultan gebracht, der früher auch ſchon an bie Flucht gedacht Haben und fajt mit Gewalt zurüdgebalten worden fein jol. Der Tall des tapferen Könige

K. Wladiſlaws Untergang. 43

wirkte auch lähmend auf die Chriften, die fich bald zur Flucht wenbeten. Hunyady machte noch einen Verſuch, den Leichnam bes Königs in feine Gewalt zu befommen, trat aber dann ebenfalls einen eiligen Rüdzug durch die unmwirtlichen Gebiete des öftlichen Bulgarien an die Donau an.

Teils auf-der Flucht, teils bet der Einnahme des chrift- lichen Lagers fanden noch viele den Tod, darunter der Kardinal Sultan Cefarini !), der auf diefe Weife den Eidbruch jühnte, zu dem er den jungen König verleitet hatte 2). Hunyady kam glüdlich in die Walachei, wurde aber bier vom Woywoden Drakul, den er früher einmal beim Könige Wlabiflam der Un- treue bejchuldigt haben ſoll, gefangen gehalten, bis ihm vie Drobungen der Ungarn wieder die Freiheit verichafften.

Nachdem jo der gewählte König ein tragifches Ende gefunden hatte, wendeten fich endlich die Ungarn dem Erblönige zu, ohne Daß übrigens deſſen Vormund, durch andere Fragen in Anfpruch genommen, für denfelben etwas anderes als diplomatiſche Drittel ins Feld geführt hätte.

1) Bon den Türken läßt ihn Chalkokondylas, p. 337, getötet werben. Nach Dlugosz, col. 810, brachte ihn bei der Überfahrt über die Donau ein Walache, der fich feines Geldes bemächtigen wollte, ums Leben. Nah Aeneas Sylvius in verjhiebenen Briefen und Werfen ermorbete ihn ein Ungar al8 ben Verräter des Reiches.

2) Die Quellen über die Schladht bei Barna bat Zeißberg, Ana- Iekten, in „Zeitfchrift für die öfterr. Gymn.“ 1871, ©. 81ff., kritiſiert. Vgl. Caro, Geſch. Polens IV, 345, N. 1. Es haben faft nur zwei größeren Wert, Chalkokondylas, p. 323—339, ber türfifde Nach- - richten wiebergiebt, und Dlugosz 7985qq., ober vielmehr befien von ihm vielfach entftellte Vorlage, der Brief, den Andreas de PBalatio, ber felbft den Zug nah Varna mitgemacht, an ben Karbinal Lubwig ge⸗ fohrieben hat, ap. Prochaska, Litterae de clade Varnensi (Lwow 1882), zuerft benugt von Köhler, ©.M., die Schlachten bei Nifopoli und Varna (Breslau 1882). Köhler hat auch bier den Wert der ver- ſchiedenen Duellen zu wenig gewürdigt und aus benfelben mehr heraus-

gelefen, al8 barin fteht, wenn er auch manches richtig gefehen hat.

44 Abkommen H. Friedrichs von Steiermark mit feinem Bruder Albrecht.

Drittes Kapitel.

König Friedrichs ILL. Verhältnis zu feinem Bruder. Die Vormundſchaft über Sigmund von Tirol. Krieg mit den Eidgenofjen.

Seit Friedrich im Jahre 1435 felbftändig die Regierung von Imneröjterreich übernommen hatte, war er faſt immer in Streitigkeiten mit feinem Bruder Albrecht VI. verwidelt, bie nie ganz aufbhörten, jo lange dieſer lebte.

Am 13. Mai 1436 jchloffen beide Brüder unter Vermitt- lung ihres älteren Vetters Albrecht V., vorläufig auf jechs Sabre, eine Übereinfunft, die fich in den wefentlichften Punkten an die Hausorbnung von 1364 anſchloß. Beide follten ihre gegenwärtigen Befigungen wie künftige Erwerbungen ungeteilt lafien, aber Friedrich als der ältere diejelben mit aller &e- walt, jevoh im Namen beiver, regieren und alle Lehen ver» leihen. Albrecht follte, wenn er nicht bei feinem Bruder wäre, nur fo viel Gewalt haben, als diefer ihm übertragen würde, aber mit allem Notwendigen verjehen werden, ſodaß er feiner Würde gemäß „fürftlic und jchön* Ieben könne 2). Dieſe unter» georpnete Stellung ließ fich Albrecht VI. aber auf die Dauer um fo weniger gefallen, ald er von ganz anderem Charafter, ehrgeizig und thatenluftig, verjchwenderiih und gelbbebürftig war und das Herlommen für eine Zeilung der Verwaltung ſprach. |

Bald bot ſich ein Anlaß zu Streitigkeiten zwijchen beiden Brüdern, als am 24. Juni 1439 ihr Oheim Friedrich von Zirol mit Hinterlaffung eines noch nicht einmal zwölfjährigen Sohnes, Sigmund, aus dem Leben jchied.

1) Chmel, Materialien 1,2, 29. Bgl. Zeißberg im „Ardiv für öfterr. Geſch.“ LVIII, 385. Das Hausgefeg von 1364 f. in biefem Werte 11, 285f.

Friebrih wird Vormund H. Sigmunds von Tirol. 45

Die Bormundichaft über den jungen Herzog hätte nach ber Analogie früherer Fälle wohl dem Könige Albrecht II. als dem älteiten Gliede des Haufes Öfterreich gebührt, warb aber aus ſchließlich als Sache der leopoldintichen Linie angejeben, welche der Theorie nach Inneröfterreich und Tirol noch in ungeteiltem Beſitz hatte. Indeſſen machte nicht bloß Friedrich, fondern auch fein Bruder Albrecht darauf Anſpruch, und beide begaben fih perſönlich nach Tirol, um ihren Forderungen größeres Ge⸗ wicht zu verichaffen. Da aber das Recht Friedrichs als des älteren nicht zu beftreiten war, ſo erfannten die tirolifchen Stände („Adel, Stäbte und Gerichte”) nach längeren Verband» fungen am 28. Yult ihn als Vormund Sigismunds und als Negenten der von deffen Vater hinterlaſſenen Gebiete an.

Jedoch geichah dies nicht bedingungslos, wie das nach dem Tode des Erzherzogs Ernft bei der Übernahme der Regierung Inneröſterreichs durch Friedrich von Tirol der Fall geweien war. Die Räte des verftorbenen Herzogs, beſonders fein Kanzler Biſchof Georg von Briren, und die tirolijchen Adeligen waren zu partifulariftiich gefinnt, als daß fie die Vereinigung ihres Landes mit den inneröfterreichiichen Gebieten länger, als unbe- dingt notwendig war, zugegeben hätten, und zu fehr auf thren Vorteil bedacht, als Daß fie nicht gefucht Hätten, ihren Einfluß auch während der Zeit der Vormundichaft im ähnlicher Weife zu wahren, wie das die öfterreichiichen Stände im Jahre 1406 getban hatten. Ihrer Auffafjung Hatten fich auch die Stände angeichlojfen, die ebenfall8 in dem jungen Sigmund weniger einen Fürften des Haujes Habsburg als den Erben ihres lebten Landesherrn erblicdten. Diefen Anſchauungen und Betrebungen entiprachen die Bedingungen, welche die Adeligen an Friedrich ftellen wollten und auch die Stände zu den ihrigen machten. Friedrich ſollte verfprechen, für eine gute Erziehung feines Mündels zu forgen, ihn während der Vormunbichaft in ber Luft, Die er gewohnt fei, nämlich im Innthale, wohnen zu laſſen und ihm nad) Verlauf von vier Jahren feine Länder mit allen Kleinodien und dem von feinem Water binterlafienen Schate unverzüglich einzuantiworten, widrigenfalls alle Beamten ihrer

46 Neue Berträge zwifchen

Eide und Pflichten gegen ihn ledig fein und nur dem Her⸗ zoge Sigmund geborchen follten. Bei allen Verfügungen, welche bie Berfon Sigmunds beträfen, wie bei Käufen over Veräuße- rungen von Befigungen follte Friedrich an den Rat und bie Zuftimmung der Anwälte oder Negierungsräte gebunden fein, die er aus den Tirolern wählen jollte ?).

Um zu verhüten, daß etwa fein Bruder Albrecht von den ttroliihen Ständen als Vormund und Regent anerkannt würde, nahm Friedrich dieje Forderungen derjelben ohne jedes Sträuben an, vielleicht freilich mit dem Hintergedanfen, fih um die Ber- iprehungen, bie er urkundlich gemacht, wenig oder gar nicht zu fümmern. Wenigſtens trug er kein Bedenken, fchon bet jeiner Abreiſe aus Zirol den erjten Punkt verfelben zu ver- legen, indem er Sigmund nicht im Innthale ließ, fondern nach Steiermark nahm, um ihn unter jeinen eigenen Augen erziehen zu lajjen. Auch von den reichen Barvorräten, welche fich im Nachlaſſe Friedrichs des älteren vorgefunden hatten 2), ſoll er fi) manches angeeignet haben.

Wurde die Forderung Albrechts VL, an der Vormund⸗ ihaft über Sigmund und den Vorteilen derjelben teilnehmen zu dürfen, zurückgewieſen, fo jegte diefer durch DVermittelung der tiroliihen Stände doch durh, daß ihm Friedrich am 5. Auguft bezüglich ihrer väterlichen Erbichaft viel günftigere Bedingungen bewilligte, al8 ihm vor brei Jahren zugejtanden

1) Chmel, Materialien I,2, 53. Über die voransgehenden Ber- bandlungen ſ. Schweygers Chronik der Stadt Hall, berausgegeben von Schönherr, ©. 31ff. Weitläufig handeln liber diefe Verhältnifie P. Iuftinian Ladurner, Über H. Sigmunds Vormundſchaft 1439 bis 1446, im „Archiv für Geſch. Tirols” III, 23 ff. und (mit Ignorierung der wertoollen Arbeit Laburners) A. Jäger, Der Streit der Tiroler Landſchaft mit Kaifer (I) Friebri III. wegen ber Vormundſchaft über H. Sigmund von Öfterreih 1439—1446, im „Arch. f. öfter. Gefchichte” XLIX, 89ff., und deſſen „Geſch. der landſtänd. Berf. Tirols“ II, 2, 5ff.

2) Friedrich Hinterließ außer vielen Perlen und Edelſteinen, goldenen und filbernen Geräten und Schmuckſachen 46 Zentner 86 Pfund unge» münztes Silber und 14500 Dulaten und 54500 rheiniſche Gulden bar. Brandis, Tirol unter Friedrich, S. 191.

Sriedrih und H. Albredt VI. 47

worden waren. Cr follte bezüglich feines Unterhaltes nicht mehr von der Gnade feines Bruders abhängig fein, ſondern während der nächſten drei Jahre die Einfünfte der Herrichaften DBleiburg, Völkermarkt, Windifchgräg, Fürſtenfeld und halb Judenburg erhalten. Außerdem ward bejtimmt, daß er während diejer Zeit im Namen ber übrigen Glieder der leopolbinifchen Linie auch die Regierung des größten Teiles der Vorlande führen und zu den Einkünften aus venjelben noch jährlich 18000 rheiniihe Gulden von feinem Bruder erhalten Jolite.

Doch iſt diefer Vertrag nicht zur Ausführung gefommen. ALS wenige Donate darauf Albrecht V. ftarb und nun Herzog Friedrich auch noch die Regierung von Djterreih und die Vor⸗ mundſchaft über defjen nachgeborenen Sohn erhielt, erhob fein Bruder neue Forderungen. Er verlangte nicht bloß gleiche Tei⸗ fung ihrer väterlichen Erbſchaft einichließlich des Geldes und der beweglichen Habe, fondern auch der Vormundſchaft über Sigmund von Tirol und der Regierung in Ofterreih. Fried⸗ rich wies dieſes mit Hinweilung auf den Vertrag von 1436 zurüd und wollte bis zum Ablauf desjelben feinem Bruber hödhitens eine fire Summe von 8000 Pfund Pfennigen geben. Auch die von beiden ernannten Schiedsrichter konnten fich nicht einigen, famen aber am 3. März 1440 auf das Auskunfts- mittel, die Einkünfte von Inneröfterreich abjchägen zu lajjen, von welchen dann dem Herzoge Triebrich drei Fünftel, Albrecht zwei Fünftel zugewiefen werben follten. Unterdejjen verbitterte fih der Streit noch dadurch, daß die Königinwitwe Eliſabeth die Bormundfchaft über ihren Sohn Ladislaus und die Landes⸗ veriwefung in Ober- und Niederöfterreih am 10. April dem Herzoge Albreht allein übertrug. Erſt die Erhebung Wladi⸗ ſlaws von Polen auf den ungarifhen Thron und das Vorgehen der Böhmen wie die Weigerung der djterreichiichen Stände, Albrecht als NRegenten anzuerkennen, machte beiden Brüdern die Notwendigkeit Far, bem verderblichen Zwiſt endlich ein Ende zu machen. Am 23. Auguft 1440 kam daher ein Ber- trag zuftande, nach welchen, wie das jchon im März die Schiedsrichter der Herzöge in Ausficht genommen hatten, Als

48 Das Emportommen ber Cillier.

brecht zwei Fünftel der regelmäßigen Einkünfte von Inner⸗ öſterreich und zur Sicherſtellung derſelben beſtimmte Städte und Schlöſſer erhielt ?).

Zufriedengeftellt war Albrecht VI. freilich auch jet noch nicht, ja von Ehrgeiz und Abneigung gegen feinen Bruder ges trieben nahm er feinen Anſtand, fih mit den Grafen von Cilli zu verbünden, während e8 für Öfterreich eine Frage von größter Wichtigkeit war, das Emporkommen biejes immer mäch- tiger werdenden Gefchlechtes zu hindern. Nachdem Karl IV. im Sabre 1372 die im Süden der Steiermarf reich begüterten Herren von Sanned auf Bitten der Herzoge von Ufterreich zu Grafen von Cilli gemacht und ihnen ihre Befitungen als Reichslehen verliehen hatte, erhob Kaiſer Sigmund 1436 feinen Schwager Friedrich von Eilli und deſſen Sohn Ulrih in den Neichsfürftenftand und verlieh ihnen für die Grafichaft Cilli und die feit 1420 infolge eines Erbvertrags damit vereinigten Grafichaften Ortenburg und Sternberg in Kärnten alle Rechte der übrigen NReichsfüriten.

So ftanden die Eilfier mit ihren Gebieten nicht mehr unter ben Herzogen von Ofterreich, fondern benfelben gleichberechtigt gegenüber, und es war dies um fo gefährlicher, als fie jeit der Vermählung Sigmunds mit Friedrihs Schweiter auch im jünweltlichen Ungarn ausgebehnte Gebiete erworben hatten. Ver- gebens waren alle Bemühungen des Herzogs Friedrich, biejen Alt des Kaiſers rüdgängig zu machen oder troß desſelben bie Landeshoheit über die Gebiete der Eillier zu behaupten. Nicht bloß Sigmund, ſondern wie es fcheint, auch Albrecht IL. war aus verwandtichaftlichen Rückſichten dieſen gewogen. Wahrjcheinlich noh im Jahre 1439 kam es zu Yeinbfeligfeiten, wobei bie Zruppen der Eillier unter Führung des Böhmen Ian Witg-

1) Die Verträge zwiſchen H. Friedrich und Albrecht VI. bei Chmel II,2, 56. 75—80. 82. Bgl. die Attenftüde ap. Kollar, Analecta II, 834sqg., bei Birk in „Quellen und Forſchungen“, ©. 237ff. und dazu Zeißberg, Der öſterr. Erbfolgeftreit 1457—1458, im „Arch. f. öfterr. Gef.” LVIII, 42ff.

Verhältnis K. Friedrichs zu denfelben und zu feinem Bruber. 49

we mehrere Burgen eroberten und zerftörten. Erſt nachdem Elifabeth von Ungarn mit dem Könige Friedrich fich geeinigt batte, vermittelte fie auch einen Waffenftillftand zwiſchen diefem und den Grafen von Cilli. Als diefer im Frühjahr 1442 zu Ende ging und Friedrich um biefelbe Zeit aus Öfterreich zur Königsfrönung an den Rhein zog, fchloß Albrecht VI., der ichon früher den Eilliern nahe geitanden, am 13. Mai mit ihnen ein fürmliches Bündnis, das ausdrüdlich auch gegen feinen Druder gerichtet war. Im Juni machten ihre Truppen einen Einfall in Krain, wo fie aber weber Yaibach noch Rudolfswerth einzunehmen vermochten. 1). Deſſenungeachtet gewährte Friedrich nach feiner Rückkehr aus dem Reiche fowohl feinem Bruder als auch den Grafen von Cilli günftige Friedensbedingungen. Dem erjteren überließ er am 30. März 1443 für die nächſten zwei Jahre die Hälfte aller Einkünfte von ven inneröfterreichtichen Gebieten 2). Am 16. Auguft jchloß er auch mit den Grafen Friedrich und Ulrih von Cilli Frieden und ein Bündnis und erlannte ihre Erhebung in den Neichsfürftenitand ar. Ulrich wurde dann vom Könige fogar in feinen Rat aufgenommen. Dagegen ließen fich die Eillter zu einem Erbvertrage mit Oſter⸗ reich herbei, nach welchem im Talle des Ausfterbens ihres Mannesſtammes ihre in Deutjchland gelegenen Befigungen an die Habsburger, wie im umgefehrten Falle ein großer Teil der öfterreichifchen Gebiete in Krain und Iſtrien an fie ober ihre Nachkommen fallen ſollten ?).

Auf die Nachgiebigfeit Friedrichs gegen feinen Bruder und bie Grafen von Cilli mögen die Pläne, welche er bezüglich Tirols und der Vorlande verfolgte, nicht ohne Einfluß ge weien jein.

In der Zeit der vormundichaftlichen Regierung über Sig-

1) Die Eilfier Ehronit, herausgegeben von Kronesv. Marchland, Rap. 14—18, ©. 81ff. Bol. Chmel, Geh. K. Friedrichs IV., I, 280ff. und Lihnomwsty VI, Reg. Nr. 119. 203. 262. 265f.

2) Kurz, Ofterreich unter 8. Friedrich IV., I, 254.

3) Chmel, Reg. Nr. 1509-1516. Vgl. 1581—1534.

Huber, Geſchichte Öfterreichg. IL. 4

50 K. Friedrichs Bündnis mit den Zürichern.

mund von Tirol machte nämlich König Friedrich den Verſuch, mit Benutzung einer in der Eidgenoſſenſchaft ausgebrochenen Spaltung einen Zeil der Befigungen zurüdzuerobern, welche die Schweizer dem Haufe Habsburg entriffen Hatten ?).

Wegen der vom lebten Grafen von Toggenburg bei feinem finderlofen Zode im Sabre 1436 Hinterlajfenen Gebiete war zwifchen den Zürichern ımb ven eben jo eroberungsluftigen Schwyzern und Glarnern ein Streit entftanden, ber einen immer erbitterteren Charalter annahm. Da die übrigen Eid» genoſſen fich ebenfall® gegen Zürich erklärten, jo ließ fich dieſes von feiner Leidenſchaft foweit hinreißen, daß es Hilfe bei ben alten Gegnern der Eidgenofien, den Habsburgern ſuchte. Im Sommer 1442 wurde zwiſchen der Stadt Zürich und bem Könige Friedrich, dem „älteften und regierenden Türften bes Haufes ſierreich“, ein Bündnis abgeſchloſſen, wobei auch be ftimmt ward, daß jene die toggenburgiichen Beſitzungen erhalten, dafür aber die Grafichaft Kiburg an Ofterreich abtreten folite. Bauend auf die Hilfe Zürichs verlangte Friedrich von ben Schweizern die Herausgabe des Aargaus, den fie feinem Haufe weggenommten hatten. Natürlich jchlugen dieſelben die Forbes zung des Könige ab und griffen umgelehrt die Züricher wegen ihres Abfall von der Eidgenoffenfchaft an. Friedrich gewann zwar ben fchwäbifchen Adel, bejonders den St. Georgenſchild, der gerne die übermütigen Bauern gezüchtigt hätte. Aber ger rade deswegen verweigerten bie gegen ben Abel mißtrautichen Reichsſtädte jede Hilfe, indem fie erflärten, daß der Krieg nicht das Reich, fondern nur das Haus Ofterreich angehe. Da auch Friedrich jelbft einer energiichen Kraftanfivengung nicht fähig war, fo blieben die Züricher faft ohne Unterftügung und wurben bart bebrängt.

1) Bgl. hierüber wamentlich die fogen. Klingenberger Ehronit, heraus⸗ gegeben von Henne, ©. 226ff., die „Sammlung ber eibgenöffiidhen Abſchiede“ 2. Band, und die Darftellung bei DO. Henne-Am-Rhyn, Geſch. des Schweizervoltes I, 393—429, K. Dändliker, Geſchichte der Schweiz II, 101ff.,, Stälin, Wirtemb. Gef. III, 462ff., und Chmel, K. Friedrich IV., an verſchiedenen Orten bes 2. Bandes.

Die Armagnalen. 61

Da wendete ſich Friedrich im Auguft 1443 an den König. Karl VOL von Frankreich mit der Bitte, ihm die durch einen löngeren Waffenftiliftand mit England verfügbar geworbenen Söldner zu überlaffen, die man nach einem ihrer Anführer, dem Grafen von Armagnac, Armagnalen nannte. Uber nicht 5000, wie Friedrich gewünicht hatte, ſetzten fich im Jahre 1444 in Bewegung, jondern 50000, ein Corps unter Anführung des Königs felbft gegen Met und Elfaß, um, wie diefer offen er- Härte, Die Rechte Frankreichs auf die Gebiete bis zum Rheine zur Geltung zu bringen, ein zweite® von 30000 Mann unter dem Daupbin gegen den Sundgau, wo ein Teil des beutichen Adels fih ihm anſchloß, um zumächft gegen bie Schweizer zu ziehen. Eine eidgenöffiihe Schar von 1200 bi8 1500 Mann, welche fi am 26. Auguft 1444 bei St. Yalob ſüdöſtlich von Baſel mit dem größeren Teile dieſes Corps in einen tolllühnen Kampf einließ, wurde zwar fait bis auf den letzten Mann ver⸗ nichtet. Aber der Dauphin Hatte fo große Verluſte erlitten, daß er den Krieg mit den Eidgenoffen, ven er immer nur als Borwand betrachtet hatte, aufgab, mit biefen Frieden fchloß und fich nach dem Elſaß wandte, wo fich die Franzoſen die entjetlichiten Grauſamkeiten erlaubten. Statt nun die Reichs» feinde mit dem Aufgebot aller Kräfte aus Deutfchland hinaus⸗ zuwerfen, unterhandelte man mit ihnen, König Friedrich aus Schwäche, die Fürften aus Eigennuß, weil manche es nicht un- gern fahen, wenn die Stäbte durch die Franzofen gebemütigt wurden. Die Kurfürften von Trier, Köln und Sachſen fchloffen fogar ein Bündnis mit dem franzöfifchen Könige. Allein bie Bürger der Reichsftäbte im Elfaß und in Lothringen vereitelten durch tapferen Widerftand alle Angriffe und Anjchläge der Fran⸗ zojen, und endlich fielen auch bie Bauern über ihre Schinder ber. Nicht den Fürften und ber Neichöregierung jondern nur dem Volke hatte es Deutichland zu verdanken, daß es dies⸗ mal vor Verluften bewahrt blieb und bie Franzofen um Oftern 1445 abzogen:!).

1) Bgl. au Barthold, Der Armegedenkiieg, in Raumers 4%

52 Beendigung des Krieges mit ben Schweizer.

Auch in den nächſten Sahren richteten die Öfterreicher gegen bie Schweizer nicht8 aus, obwohl im Herbit 1444 Herzog Al- brecht die Verwaltung der Vorlande und die Führung des Krieges übernahm und der Markgraf Albrecht von Branden- burg⸗Ansbach, die Grafen von Württemberg, der Markgraf von Baden und mehrere Biichöfe ihm gegen die Eidgenoffen, „die Verbruder des Adels und der Ehrbarkeit“, wieberbolt Dienjte leiſtete. Am 9. Juni 1446 kam unter Vermittlung bes Kurfürften Ludwig von der Pfalz eine Waffenruße und nach mehrjährigen Verhandlungen endlich im Juli 1450 ein Friede zwilchen Zürich und den Schweizern zuftande. Jene Stabt mußte dem Bunde mit Öfterreich entfagen und wieder in bie Eidgenoſſenſchaft eintreten, und infolge deſſen Hatten auch bie Habsburger Feine Hoffnung mehr, den verlorenen Aargau an fih zu bringen. Nur die Städte Rapperſchwyl, Winterthur, Dieffenhofen und Aheinfelden, die nach der Achtung Friedrichs von Tirol reichsunmittelbar geworden waren, hatte Ofterreich infolge dieſes Krieges wieder an fich gebracht; Kiburg ver- pfändete es fchon am 8. Yebruar 1452 für 17000 rheintiche Gulden wieder an Zürich ?).

Daß Oſterreich den Eidgenoffen gegenüber gar feine Er- folge erzielte, batte feinen Grund nicht bloß in der Schwäche Friedrichs, ſondern auch in den Streitigfeiten, in bie er durch feine eigene Schuld mit ben Tirolern verwidelt worden war ?). |

Nach dem Vertrage, den Friedrich 1439 mit den Tiroler Ständen geichlofien Hatte, wäre jeine vormundſchaftliche Regie rung am 25. Juli 1443 zu Ende gewelen. Aber wie das Streben des Königs immer dahin gegangen war, die Länder⸗

biftor. Taſchenbuch 1842. Janſſen, Frankreichs Rheingelüſte, ©. 6ff. Bernoulli, Die Schlaht bei St. Jakob (Bafel, 1877). Püdert, Die kurfürſtliche Neutralität, S. 223 ff.

1) Chmel, Materialien I,2, 472f.

2) Eingebend dargeftellt von P. Juſtinian Ladurner im „Archiv für Gef. Tirols“ III, 60fl. A. Jäger im „Archiv f. öfterr. Gefchichte” XLIX, 143 ff. und Geſch. ber Tanbfländ. Berfafjung II,2, 26ff.

Der tirolifche Vormundſchaftsſtreit. 68

teilungen in Oſterreich ganz zu befeitigen und die Regierung aller habsburgiſchen Befigungen In der Perfon des Ülteften zu fonzentrieren, jo wollte er auch troß feines urkundlichen Ver⸗ ſprechens die Regierung Tirols und ber Vorlande feinem Mündel Sigmund vorenthalten. Sein einflußreicher Kammer⸗ meiſter Johann Ungnad, ein herrſchſüchtiger Steierer, ſoll ihn dazu beſonders angejtachelt haben. Der junge Herzog, der in Graz ganz in der Gewalt des Königs und ven Einwirkungen ber Räte und Höflinge desfelben ausgeſetzt war, Tieß fich im Juli 1443 bejtimmen, wegen feiner Jugend die Regierung der von feinem Vater ererbten Länder noch auf weitere jech8 Jahre jeinem Better Friedrich zu übertragen und ihm zu erfuchen, auch bie Bormundichaft jo lange fortzuführen.

Aber die Tiroler hielten dieſen Vertrag für ungültig, weil er ohne ihre Zuftimmung gefchloffen und dem jungen Zürften nur abgezwungen oder abgejchmeichelt worden war, wie man aus den Briefen jab, die Sigmund heimlich nach Tirol geichrieben und worin er jeine Vertrauten gebeten hatte, ihm zu feiner Freiheit und zu jeinen Landen zum verhelfen. Zum Geborfam gegen Friedrich fühlten fie fich um jo weniger verpflichtet, als nach beffen eigenem Neverje von 1439 nach dem Ablauf von vier Jahren alle Beamten ihrer Eide gegen ihn entbunden waren. Anfangs November 1443 verjammelte fi) daher der größere Zeil der tiroliichen Stände beſonders bie Vertreter der Städte und Gerichte eigenmächtig in Meran und beichlojjen, den Herzog Sigmund zurüdzufordern, um biefem vor allem die Freibeit und die Möglichfeit zu verfchaffen, nach feiner Überzeugung mit dem Könige eine Vereinbarung zu treffen. Wenn biefer fich weigerte, den Herzog ins Land zu jchiden, jo wollten fie von ibm feine Befehle mehr annehmen, allen Beamten, die nicht zu Sigmund hielten, den Gehorfam verweigern, die Einkünfte für ihren Herzog felbft einheben und zugleich die Landesver- teidigung organifieren, um einen etwaigen Angriff des Königs mit Gewalt abzumehren. ine proviſoriſche Regierung mit dem Kate von Meran als Mittelpunkt nahm die Verteidigung und Regierung des Landes in die Hand. Faſt alle Evelleute und

54 K. Friedrichs Beftrebungen

Städte, auch der Biſchof Georg von Brixen und der Landes⸗ hauptmann Ulrich von Matſch, welche die Hänpter der von Friedrich eingejegten Negentichaft geweien waren, fügten fich nach und nach dieſen Beſchlüſſen; letterer trat an die Spike der neuen tirolifchen Regierung. Nirgends wurde ber Lands frieden geftört; nur die Stadt Trient, deren weltliche Verwal⸗ tung vom Biſchof Alerander dem Könige Friedrich übertragen worden war, mußte durch eine längere Belagerung gezwungen werben, am 5. April 1444 dem Herzoge Sigmund die Hul- digung zu leiften.

Am Hofe des Königs war man in großer Verlegenheit. Nachgeben wollte biefer um jo weniger, als Konrad von Kreig, einst Hofmeifter Friedrichs von Tirol, ihm verficherte, daß Die Etfchländer, die er hinreichend kenne, nicht lange aushalten und beifammen bleiben würden. Anderſeits Mang die Drohung Friedrichs, er werde benen von ber Etſch noch einen Strick um den Hals Iegen, daß fie vor ihm auf die Kniee fallen müßten, in feinem Munde wie die veine Selbftironie. Die Anwendung von Waffengewalt gegen Tirol wäre damals auch einer Fräfti- geren Perfönlichfeit als Friedrich nicht anzuraten gemejen, weil einerſeits die Gefahr von den Eidgenofjen immer mehr wuchs, auderſeits der franzöfifche König, der Sigmund infolge früherer Verhandlungen mit deſſen Vater als Bräutigam feiner Tochter Radegunde betrachtete, an der Spige eines zahlreichen Heeres die Forderungen der Tiroler unterftügte Da Unterhandlungen, welche zwilchen Friedrich und einer tiroliſchen Geſandtſchaft im Auguſt 1444 in Nürnberg ftattfanden, ohne Erfolg blieben, fo wollte der König die Länder Sigmunds zur Abfindung feines ehrgeizigen Bruders Albrecht benugen. Am 31. Auguft 1444 übertrug er dieſem auf vier Sabre die Verwaltung ver öſter⸗ reichiſchen Vorlande und gleichzeitig für dieſelbe Dauer auch die Regierung Tirols, das er mit Güte ober Gewalt in feine Hände bringen follte. Doc behielt fich der König felbft bie Hälfte aller Einkünfte von diefem Lande und zur Sicherftellung berielben die Verwaltung der Städte Innsbrud und Hall, der Salz: und Sifberbergwerte im Innthal und neun nordtiroliſche

und Verträge mit den H. Sigmund. 65

Schlöffer und Amter vor. Gegen die Tiroler ſchloß Friedrich am 11. September jogar ein Bündnis mit dem Herzoge Lud⸗ wig dem Süngern von Baiern-Ingoljtadt, dem er dafür die Mißhandlung und Gefangenhaltung feines greifen Waters ver- zieh und die Würde eines Töniglichen Rates verlieh.

Indeſſen war diefer Anlauf zu einer energiichen Politik, welche diesmal am wenigiten am Plage war, boch nicht von Dauer. Wieder wurden Unterbandlungen angelnüpft, bie frei lich eben fo rejultatlo8 blieben wie alle früheren. Endlich mußte ſich Friedrich mit dem Gedanken vertraut machen, feinem Mündel zwar nicht alle Befitungen feines Vaters, aber doch Tirol zu überlafjen. Nur wollte er die Abhängigkeit, in der fi Sig- mund befand, noch möglichit für ſich ausnuten und fich für immer eine gewilje Oberherrichaft über ihn und feine Gebiete fihern. Im Tebruar 1445 mußte Sigmund ihm mehrere Herrſchaften in Oſterreich abtreten, die feinem Vater 1439 vom Könige Albrecht verpfändet worden waren, und außervem veriprechen, wenn er einft Tirol erhielte, dem Könige Friedrich, ber mit ihm „ungeteilter Erbe” dieſes Landes fei, auf Ver⸗ langen immer beizuftehen, in allen Dingen zu geborchen, ohne deſſen Zuftimmung feine wichtigere Angelegenheit zu entjcheiden und endlich die Überlaffjung der Vorlande an den Herzog Al brecht zu genehmigen.

Es dauerte übrigens noch lange, bis Sigmund wirklich in den Beſitz von Tirol kam, und nur dem energiichen Auftreten der Stände, unter denen um bieje Zeit zuerit auch bie Prä⸗ Inten genannt werden, hatte er es zu verdanken, daß Friedrich endlich nachgab. Nach den Verträgen, welche unter Vermitte- Yung der Markgrafen Jakob von Baden und Albrecht von Brandenburg und des Herzogs Heinrih von Baiern-Lanbshut Ende März und Anfangs April 1446 in Wien geichloffen wurden, follten während der nächſten ſechs Sabre die Länder der leopoldiniſchen Linie ungeteilt bleiben, aber doch eine ge ſonderte Verwaltung verjelben ftattfinden und zwar follte Fried⸗ rich Inneröfterreih, Sigmund Tirol und die Gebiete vom Arl- berg und dem ern bis zum Boden» und Wallenftädter See, Als

56 Die Folgen der Einigungstendenzen K. Friedrichs

brecht den Heft der Borlande erhalten. Doc mußte fie Sigmund noch zu bedeutenden Zahlungen an feine Bettern ver pflichten, an Friedrich (30090 Dulaten und dazu jährlich 2000 Mark Silber), weil er als der Altefte des Haufes und als römiſcher König größerer Mittel bebürfe, an Albrecht (während der nächften ſechs Jahre jährlich 20000 rheiniiche Gulden) wegen des geringeren Erträgnifjes feines Anteils und bes Krieges mit ben Eidgenoffen.

Anfangs März 1450 trat Albrecht wahrſcheinlich wegen ber Zerrüttung feiner Finanzen und der Schwierigkeit, bie ges fährbeten Befitungen in der Schweiz zu behaupten, an Sig mund gegen eine jährliche Geldſumme auf acht Sabre auch noch den Thurgau, Freiburg im Ochtland und die Gebiete im öfte lichen Schwaben ab, ſodaß er nur noch das Elſaß, den Breis⸗ gan, die Grafſchaft Hohenberg in Schwaben und einige kleinere Befitungen behielt 1). Albrecht, ver ebenfo wie feine Gemahlin Mechtild von der Pfalz einen regen Sinn für Wiffenichaft befaß, gründete dann 1457 die Univerfität Freiburg im Breis⸗ gan, durch die er feinem Namen ein umvergängliches Denkmal geihaffen hat.

So waren bie Verſuche König Friedrichs, die Einheit we⸗ nigftens unter den Ländern ber leopoldiniſchen Tinte herzuſtellen und fich die oberfte Negierungsgewalt in benfelben zu fichern, vollftändig gefcheitert, die Zeriplitterung war größer als je. Das Ziel, das er erftrebte, war gewiß ein lobenswertes, ba infolge ber teten Teilungen unter den Habsburgern ihre Macht und ihr Einfluß nach außen ſehr geſunken, der Zuſammenhang der Länder gelodert, das Streben der Stände, fich gegen jeden Einfluß vonjeiten fremder Räte abzufchließen, immer größer geworden war. Über auch die beiten Tendenzen können zum Verderben ausichlagen, wenn der Boden, in den fie gepflanzt

1) Mehrere Verträge zwifchen beiden bei Chmel, Materialien 1,2, 307 fi. Im Herbſte 1455 fcheint Sigmund dem Herzoge Albrecht einige ber 1450 abgetretenen ſchwäbiſchen Gebiete wieder zurüdgegeben zu haben. Zeißberg im „Archiv f. öſterr. Gef.“ LVIII, 61f.

für defien Stellung zu feinem Bruber und Better. 57

werben follen, nicht genügend für ihre Aufnahme vorbereitet tft. Damals war das Bewußtjein von der Notwendigfeit der Kon⸗ zentrierung aller ftaatlichen Kräfte leiver faft überall verſchwun⸗ den, nicht bloß in Öfterreich, fondern in ganz Deutfchland war bie Landesteilung ein anerkannter Grundſatz des öffentlichen Nechts, galt es al8 umbeftreitbar, daß jedes Glied eines Fürften- Baufes Anipruch auf ein gefonvertes Gebiet Babe. Nicht auf einmal, durch Gewalt oder Verlegung eingegangener Verträge, fondern nur auf natürlichem Wege, durch das Abfterben ber Nebenlinien, ließ fich die Einheit ver fürtlichen Gebiete wieder⸗ Beritellen. So Hat denn auch König Friedrich fein Ziel nicht erreicht. Die Folge feiner Beitrebungen war nicht die Ver⸗ einigung ber öſterreichiſchen Länder, ſondern die Verfeindung mit feinem Bruder und feinem Vetter, die ihm noch bittere Früchte tragen follte.

Viertes Kapitel.

Friedrichs III. Stellung zu Kirche und Reich während der erſten Periode feiner Regierung.

Die ununterbrochenen Streitigleiten, in welche Friedrich teil mit feinem Bruder, teil mit den Ländern feiner Vettern, die unter feiner Bormundichaft ftanden, verwidelt war, hätten not⸗ wendig auch auf feine Thätigfeit als Reichsoberhaupt lähmend einwirken müfjen, felbjt wenn er fonjt ver Mann geweſen wäre, mit Einficht und Kraft die Zügel der Regierung zu führen.

Für Deutichland war damals die wichtigfte Frage, welche Stellung der neue König in dem Streite zwiſchen Papft Eugen IV. und dem Konzil von Bajel einnehmen würde !).

1) Für das Folgende f. außer Chmel, Geſchichte K. Friedrichs IV.

58 Die kirchliche Neutralität Deutſchlands.

Die deutichen Kurfürften hatten vor der Wahl Albrechts IL. am 17. März 1488 beichloffen, zwiichen dem Papfte und dem Bafeler Konzil neutral zu bleiben und von feinem ber beiben Zeile Befehle oder richterliche Enticheidungen anzunehmen. Diejen Beſchluß Hatte dann auch der König Albrecht genehmigt. Da die Vermittlung Deutfchlands von beiben Parteien umd zwar noch entjchievener vom Komzil als vom Papfte abgelehnt wurbe, alfo eine Einigung in weiter Ferne ftand, jo wollte man fich wenigjtens die Ergebniffe der bisherigen Thätigleit des Konzils auf dem Gebiete der kirchlichen Reform fichern. Nach dem Vorgange Frankreichs nahm ein beuticher Reichs⸗ tag in Anweſenheit der Biſchöfe von Paſſau und Augsburg als DBertreter des Königs am 26. März; 1439 bie Dekrete des Konzil namentlich über die-vegelmäßige Wiederlehr der Konzilien, der Provinzial- und Diöceſanſynoden, über die freien kanoniſchen Wahlen zu den kirchlichen Amtern und die Bor bildung der Gewählten, über die Abſchaffung der Annaten und anberer Sporteln, die Beichränkung der Appellationen an den Papft auf gewilfe Fälle u. f. w. mit einigen Modifikationen an und verichaffte dadurch der veutichen Kirche eine geficherte und felbftändigere Stellung, Abhilfe gegen viele Mißbräuche und Schub gegen die bisherige Ausbeutung durch die italienijchen Geiftlichen und päpftlichen Günftlinge. Es kam nun aber da, zauf an, biefe Errungenichaften feftzuhalten und ihmen auch die Anerkennung des Papſtes zu verſchaffen.

Dazu hätte freilich vor allem ganz Deutichland einig fein müſſen. Aber die meijten Fürften und Neichsftäbte hatten von Anfang an fich der Neutralitätserllärung der Kurfürften nicht angeichloffen und wendeten fi) an den Papſt oder noch öfter an das Konzil, um Kirchliche Amter oder Privilegien ober eine gerichtliche Entſcheidung zu ihren Gunften zu erhalten. Selbft

(an verfchiebenen Orten des 2. Banbes), beſonders G. Boigt, Enea Silvio de’ Piccolomini als Papſt Pius IL, 1. DB. und W. Püdert, Die kurfürfilide Neutralität während des Basler Konzils. 1438—1448. Paſtor, Geſchichte der Päpfte I, 251ff., hat biefe wichtige Frage fehr kurz abgethan.

Die Haltung 8. Friedrichh. 50

die Kurfürſten traten nicht konſequent, wenigſtens nicht ent⸗ ſchieden genug, für die Neutralität ein. Auch die Univerſität Wien, welche damals ebeno ſehr durch die Zahl der Stubenten wie durch bie wilfenichaftliche Bedeutung mancher Profeſſoren bervorragte und Maͤnner wie ben Theologen und Gejchicht- fchreiber Thomas Ebendorffer non Haſelbach und den berühmten Atronomen und Mathematiker Johann von Gmunden unter ihren Lehrern hatte, blieb mit dem DBafeler Konzil und dem von ibm erhobenen Gegenpapft in Verbindung. Die theo⸗ logiſche Fakultät ſprach fih in einem, Ende 1439 auf Ver langen des Erzbiichofs von Salzburg abgegebenen, Gutachten ausbrüdlich gegen die Neutralität und zugunften des Konzils und für bie Gewalt vesjelben, ven Papft abzujegen, aus). Der Erzbiſchof hat dann dasſelbe zur Richtſchnur feiner Haltung genommen und mit feinem Klerus Felix V. als Papit am erkannt. Auch Albrecht VI. von Öfterreich Hat dieſem Bapfte gehuldigt.

Eine ganz andere Stellung nahm fein Bruder König Frie- brich ein. Die Anerkennung der beutichen Neutralität, welche bie Kurfürften nach jeiner Wahl von ihm verlangten, lehnte er ab, doch nicht etwa weil er Neigung hatte, fich zugunften des Bajeler Konzils und des von ihm erhobenen Oberhauptes der Kirche zu erflären. Davor bat er fich forgfältig gehütet, obwohl er Eugen ebenfo wenig als Bapft anerkannt hat. Sein Streben ging längere Zeit dahin, beide Parteien zur Berufung eines dritten Konzils zu bewegen, und er bat für dieſes Pro» jet endlich auch die Kurfürften geivonnen. Aber Papft und Konzil wollten gleich wenig Davon wiffen; Eugen IV. wies es fogar in fchroffer Weile zurüd. Im Deutichland zeigte fich baber wieder große Neigung, fich einfach dem Bajeler Konzil und deſſen Papſte anzufchließen. Mit Mühe verhinderte der König diefen Schritt und fegte die Fortdauer der Neutralität

1) Kint I, 163f. Aſchbach, Gefch. der Wiener Univerfität im erften Jahrhundert ihres Beſtehens, S. 274f., und über Johann von Gmunden ©. 455 ff., Über Ebendorffer ©. 493 fi.

69 Aeneas Sylvins.

durch. Da aber an die Gründung einer von Rom ungab⸗ bängigen Nattonallirche niemand dachte, jo Tonnte bie New tralität doch nur Mittel zur Wiederberftellung ver kirchlichen Einheit aber nicht Selbitzwed fein, man mußte ſich enblich ent» fcheiven. Auch für die Losjagung von Eugen IV. konnte kein vernünftiger Politiker fich ausfprechen, ba das Konzil, jeit es nicht mehr die Reform der Kirche fondern den Kampf gegen den Papft als feine Hauptaufgabe anſah, in den meiften Län dern jedes Anfehen verloren hatte. So ſchien jchließlich Doch die Anerkemung Eugens IV. der einzige Ausweg aus dem firchlichen Labyrinth zu fein und immer mehr neigte fich König Friedrich Diefem Schritte zu. Man darf es ihm auch nicht zn ſehr übelnehmen, daß er feinen Übertritt zum römiichen Papfte möglichit teuer verkaufen wollte. Auch die andern Fürſten ließen fich nicht von religiöſen Überzeugungen ſondern von Rück⸗ fichten auf ihren Vorteil leiten, wie denn überhaupt ver nad. tefte Egoismus in jener Zeit bei Hohen und Niedern, Geifi- lichen und Laien die eigentliche Triebfeder ihres Handelns bil- dete. Aber bedauerlich ift es, daß Friedrich nicht das Interefje Dentichlands, fondern nur das feiner Perſon und jeined Haufes im Auge behielt, daß er nur fich die Vorteile fichern wollte, die ihm Eugen IV. für feinen Übertritt im reichſten Maße zu bewilligen geneigt war.

Sobald der Papft erfannte, daß der König in feiner bis- berigen Haltung ſchwankend geworben fei, ſchickte er im April 1445 den Auditor der Rota, Carvajal, einen tüchtigen Suriften und malellojen Charakter, angeblich zur Herftellung des Frie⸗ dens nach Ungarn, in ber That aber an ben Hof des römijchen Königs, um diefen auf feine Seite herüberzuziehen. Den päpft- lichen Legaten unterſtützten Friedrichs Kanzler Kaſpar Schlid, den Eugen dadurch gewonnen hatte, daß er dem Bruder des⸗ felben Ende 1443 das erlevigte Bistum Freifing verlieh, und Aeneas Sylvius Piccolomint, Sprößling einer vornehmen aber perarmten fienefiichen Yamilie, der, nachdem er mit Eifer hu⸗ maniſtiſche Studien getrieben, als Schreiber eines dem Papfte feindlichen Kardinals nach Baſel ‚gelommen, dort Selretär des

Gewinnung K. Friebrihs durch P. Eugen IV. 6

Gegenpapites Felix, endlich Sekretär in ber Neichölanzlei ge worben war und babet immer nur nach Verbeſſerung feiner materiellen Lage, nach Erhafchung einträglicher kirchlicher Pfründen geitrebt Batte, ohne in den Priefterftand einzutreten. Dem Rampfe zwiihen dem Papfte und dem Konzil war der ge bildete Humaniſt innerlich gleichgültig gegenübergeftanden. „Wir Saben alle ven Glauben“, fchreibt er Ende Dezember 1443 dem Reichskanzler Schlid, „den unjere Fürften haben; wenn fie ©ötenbilder anbeteten, würden auch wir fie anbeten und nicht nur den Papſt jondern auch Chriſtum verleugnen, wenn die weltliche Gewalt dazu drängte" 2). Da er eine religidfe Überzeugung bisher nicht gehabt hatte, fo brauchte er auch keine aufzugeben, als er e8 in jeinem Intereſſe fand, endlich für Eugen IV. einzutreten. Nach langwierigen Unterbandlungen einigte fich Carvajal mit dem Könige über die Bedingungen, umter welchen dieſer Eugen IV. als Papſt anerlennen wollte. So hochgeſpannt die Forderungen auch waren, ver Papft hielt es für gut, biejelben Anfangs Februar 1446 zu genehmigen. Er geftattete dem Könige, zur. Vergrößerung jeines Anſehens und zur Belohnung treuer Diener in feinen Erblanden an Kathedral⸗ und Kollegiatlirchen hundert Benefizien zu vergeben, verlieh ihm weiter für feine Lebenszeit das Necht, bei Erledigung ber Bistümer Trient, Briren, Chur, Gurk, Zrieft und Piben ober Pedena in Iitrien dem päpftlichen Stuble geeignete Per⸗ fönlichkeiten für diefelben zu bezeichnen, was für feine Stellung zu Tirol und dem Oſten ber Schweiz wie Venedig gegenüber bon Bedeutung war, und gab enplich ihm und feinen Nache folgern die Befugnis, dem Papfte zur Bifitation der Klöfter in ihren Erblanden tauglide Männer vorzufchlagen, wodurch auch die landesherrliche Gewalt ver dfterreichiichen Fürſten be= beutenb verftärkt ward. Weiter verſprach der Papft, dem Könige die Kaiſerkrone, und zwar, wenn dieſer nicht nach Rom fommen lönnte, in Bologna, Padua oder Treviſo zu verleihen und ibm zur Beſtreitung der Koften die Erhebung eines

1) Aeneas Sylvius, Epist,, ed. Basil,, no. 54.

62 Obebienzerffärung der deutſchen Fürſten.

Zehnten von allen Pfründen an ven Mietropolitan- und Kathe- dralkirchen und den Klöftern Deutichlands zu geftatten und felbft 100000 rheiniſche Goldgulden beizuftenern, bie jebodh erft zwei Jahre nach Friedrichs Erklärung zugunften des Papſtes und nach der Herftellung des Gehorſams ber deutſchen Kirche ausgezahlt werden follten ). Später ſoll diefe Summe fogar auf 221 000 Dulaten erhöht worden fein, von denen ein Zeil durch Eugens Nachfolger gezahlt werben follte 2). Friedrich wagte freilich nicht offen für Eugen aufzutreten, ebe e8 gelungen wäre, auch die deutſchen Fürften und Prälaten auf deſſen Seite herüberzuziehen. Der Papft glaubte biefes Biel durch Strenge erreichen zu können und entſetzte die Erz bifchöfe von Köln und Trier, die in letter Zeit am entfchiedenften gegen feine Anerfenmmg aufgetreten waren, als Ketzer ımb Schismatiker ihrer Würden. So leicht ging die Sache nun freilich nicht. Die abgefetten Erzbiichöfe fanden Unterftügung bei den übrigen Kurfürjten, indem tim Kurverein zu Frankfurt am 21. März 1446 alle Diitgliever dieſes Kollegiums fich zu gegenfeitigem Beiftande verpflichteten und zugleich eine Reihe von Forderungen, namentlih Genehmigung der wichtigiten Dekrete des Bafeler Konzils, als Bedingung der Anerkennung Eugens aufftellten. Dean mußte daher Doch wieder den Weg ber Unterbanblungen einjchlagen, wobei ſich Aeneas Sylvius als Bertreter des Königs und Albrecht von Brandenburg, der Bruder des Kurfürften, um die Sache des Papftes befondere Verdienſte erwarben. Durch Halbe Zugeftändniffe, deren Wer deutung durch Einichaltung irgendeines Worbebaltes wieber aufgehoben wurde, gelang ed, den Kurverein zu fprengen unb durch Konzeifionen an die einzelnen Fürften einen nach dem andern von der Oppofition gegen Eugen abzuziehen. Schon am 7. Februar 1447 Yeifteten mit Aeneas Sylvius als Ge» fandten des Königs auch die Bevollmächtigten mehrerer deutfcher

1) Sämtlihe Bullen bei Chmel, Materialien 1,2, 188 ff.

2) Nah Schreiben Gregor Heimburgs bei G. Voigt I, 446. Bgl. aber Püdert, S. 49, N. 2.

Folgen des Scheiterns ber Ticchlihen Reformbewegung. 68

Fürften dem Papfte Gehorſam. Als dann Eugen IV. am 23. Februar ftarb und an deſſen Stelle der genchtete Karbinal Parentucelli, ein Freund der Fünfte und Wilfenfchaften, als Nikolaus V. auf ven Stuhl Petri erhoben wurde, traten bald auch die letzten beutichen Kürften zu ihm über. Aeneas Shl- vius erhielt zum Lohne für feine Berbienfte das Bistum Trieft, nachdem er fich endlich zum Eintritt in dem geiftlichen Stanb entichlofien hatte. Am 17. Februar fchloß dann König Trio drich als Vertreter Deutichlands mit dem päpftlichen Legaten Kardinal Carvajal das Wiener Konlordat, durch welches bie Reformdekrete des Bafeler Konzils, auch jene, welche der beutiche Reichstag ſchon im Jahre 1439 angenommen hatte, preis gegeben und die Nechte, welche die Päpſte in Beziehung auf bie Beiegung der kirchlichen Amter, vie Erhebung ver Ans naten u. ſ. w. geübt hatten, größtenteil8 wieder anerkannt wurden. Das Konzil mußte im Juli 1448 nach Laufanne überfiedeln, ba Friedrich den Bürgern mit der Neichdacht drohte, und Töfte fich im April 1449 auf, nachdem es auch feinerjeits Nikolaus V. zum Papite gewählt hatte.

Sp war infolge der Haltung Friedrichs das Kirchliche Schisma befeitigt, aber leider damit auch die Reformen, welche die letzten Konzilien angeftrebt, teilweile auch fchon beichloffen Batten. Da nun auch die Päpfte von fich aus nichts thaten, um durch Einführung von Verbeſſerungen und durch freiwillige Beſeitigung einiger der verbaßteften Anſprüche Die Unzufrieden⸗ beit der Völker zu mildern, im Gegenteile nicht einmal bie Schranken achteten, die fie ſelbſt aufrichten geholfen hatten, und fi) über die Beitimmungen der Konkordate hinwegſetzten, fo ariff befonders in Deutfchland, das von der Kurie am meiften ausgebeutet wurde, immer mehr die Anficht um fich, daß auf dem Wege gütlicher Bemühungen eine Befeitigung des ‘Drudes und der Mißbräuche nicht mehr zu erreichen ſei. Werben aber von einer fo peffimiitiichen Stimmung einmal auch tiefere Schichten ergriffen, fo iſt immer Gefahr, daß biejelbe fich ſchließlich gewaltſam Bahn breche und eine Revolution ber- porrufe.

64 8. Friedrichs dynaſtiſche Politik.

In politifcher Beziehung hat Friedrich als deuticher ‚König fo gut wie gar nichts gethan. Es war fchon bezeichnend, daß er nach feiner Wahl mehr als zwei Jahre verjtreichen Tieß, bis er fich entichloß, fih zum Könige frönen zu laſſen. Vom Sabre 1444 an it er dann fiebenundzwanzig Sabre, bis 1471, gar nie mehr aus Ofterreich ins Reich gelommen. Die po= Yitifche Neformbewegung, die unter Sigmund begonnen batte und befonders befjere Einrichtungen zur Sicherung des Lands friedens zum Zwede hatte, fchlief unter ihm ganz ein, obwohl es an Projeften und patriotiichen ‚Rebensarten auch in biejer Zeit nicht fehlte. Friedrich war eine zu phlegmatiiche Natur und zu ſehr Feind aller Neuerungen, als daß er tiefgreifende Reformen angeftrebt und diefe gar gegen den etiwaigen Wider⸗ ftand jener, deren Intereffen badurch gefährdet worden wären, durchzuführen gefucht hätte. Er ſah den Vorgängen in Deutſch⸗ land, den zahlreichen hHeftigen Kämpfen zwiſchen den Fürſten und den NReichsftäbten wie ziwiichen den verjchievenen Fürjten- häuſern nicht gleichgültig, aber unthätig zu und beſchränkte fich auf die Abjenbung von Gejandten und Dekreten, um bie jeber fih nur ſoweit fümmerte, als es fein Intereſſe erforberte.

Auch Friedrich verfolgte eine ausjchlieglich dynaſtiſche Politik, welche nur die Vergrößerung der Macht und der Befitungen des Haufes Habsburg zum Ziele hatte. Aus diefem Grunde bat er auch den unter Rudolf IV. gefälichten öfterreichtichen Hausprivilegien ftaatsrechtliche Gültigkeit verjchafft, über deren Urfprung man damals wohl nicht mehr unterrichtet geweſen ift. Nachdem biefelben längere Zeit verichollen gewejen waren, famen fie am Anfang des 15. Jahrhunderts wieder zum Vor⸗ ſchein. Ohne Zweifel auf Grund berfelben nahm Ernſt von der Steiermarf 1414 den Titel Erzherzog wieder an; gleich zeitig ließ Albrecht V. eine Abfchrift davon anfertigen. Am 6. Sanuar 1453 betätigte fie Friedrich III. als Kaifer, nach dem er vorher die Zuſtimmung der Kurfürften eingeholt hatte, indem er zugleich jenen Gliedern feines Haufes, die Steiermarl, Kärnten und Krain innehätten, ven Titel Erzherzog verlieh. Wegen des gejpannten Verhältniſſes, in dem er zu jeinen

Die Haltung der Länder bes Labislaus Poſtumus. 65

Vettern Sigmund von Tirol und dem Könige Ladislaus ftand, Batte er dieſen den Erzherzogstitel vorenthalten. Von dieſer Zeit an haben dieſe urjprünglich gefäljchten Privilegien un⸗ beftreitbare Gültigkeit, bilden fie einen Teil des beutichen Staatsrechtes. Die öfterreichtichen Länder wurden baburch von der NReichsgewalt und von den Pflichten gegen Deutfchlanv faft ganz befreit und zu einem felbitändigen Staate im Staate ger macht. Indeſſen ift Dies thatſächlich nicht von jo großer Bes Deutung geweſen, weil bon dieſer Zeit an der Herzog von Öfterreich zugleich immer * die deutſche Kaiſerwürde befleibet Bat, ſodaß die Hilfsmittel der habsburgiſchen Befigungen doch dem Reichsoberhaupte zugute gekommen find.

Fünftes Kapitel.

Friedrichs 11T. Streitigkeiten wegen der Vormundſchaft über Ladislaus Poftumus.

Kaum nabten fich die Streitigfeiten Friedrichs III. mit den Tirolern wegen der Vormundſchaft über den Herzog Sigmund ifrem Ende, da wurde er in ernite Zwiftigfeiten mit ben Ständen jener Länder verwidelt, auf welche fein Mündel Ladislaus Poſtumus Anfprüche Hatte. Bon Anfang an hatten ja nur die Öfterreicher die Nechte des nachgebornen Sohnes Albrechts II. und die Vormundichaft Friedrichs ohne Zögern, wenn anch nicht ohne Beringungen, anerlannt, während bie Mehrzahl der Ungarn ben Polen Wladiſlaw auf ihren Thron berief und auch die Böhmen anfangs das Necht ber freien Königswahl beanfpruchten und ſpäter Ladislaus nur dann als König anerkennen wollten, wenn er in ihr Land gebracht würde.

Huber, Geſchichte Öfterreichs. IIL. 5

66 Bebingungsweife Anerlennung des Labißlaus in Ungarı.

In Ungarn führte endlich die Kataftrophe bei Varna eine Wendung der Dinge herbei. Lange wollte man zwar an ben Zod des Königs Wladiſlaw nicht glauben. Die bunteften Ge⸗ rüchte über feine Rettung waren im Umlauf und wurbens namentlich vom Palatin Lorenz Hederväry, der wohl auf bieje Weife feine Stellung an ber Spike ber Lanbesregierung ver» längern, vielleicht auch geheimen Plänen in Beziehung auf bie Neubejeßung des Thrones Zeit zur Entwidelung verjchaffen wollte, genährt und durch gefälichte Briefe unterftügt. ALS endlich die befonnenen Leute fich über die Wahrheit doch nicht mehr täufchen konnten, beriefen die Prälaten und Barone, welche die Regierung führten, einen Reichstag nach Belt, ver in ven letzten Zagen des April 1445 zuſammentrat. Hedervaͤrh verfucchte auch jet noch jeine alten Künfte und behauptete, daß Wladiſlaw wohlbehalten in Polen fei. Aber auf die Dauer verfingen feine Intriguen doch nicht mehr. Dem Wunfche des Adels entiprechend ftellte nach mehrtägigen Beratungen Niklas Ujlaky den Antrag auf Wiederbefekung des Thrones und Ans» erfennung des Sohnes Albrecht8 II. Der Reichstag ftimmte am 7. Mai diefem Antrage bei und beichloß, wenn Wladiſlaw nicht bis zum 30. Dat zurüdfüme oder die nach Polen zu ſchickenden Gefandten nicht fichere Nachricht von feinem Leben brächten, Ladislaus al8 Herrn anzunehmen; jedoch nur unter der Bebingung, daß biefer mit der Neichsfrone ihnen vom römifchen Könige ausgeliefert würde. Vorläufig wurden einige Maßregeln zur Sicherung des Landfriedens beichloffen und zu biefem Zwede für bie verichtedenen Yandesteile fieben Haupt⸗ leute ernannt, unter denen ſich neben Johann Hunyady und Niklas Ujlaty auch Johann Giskra befand 1).

1) Teleki I, 456fl. Szalay III, 85ff. uub Tehler- Klein II, 495 ff., die aber ohne Anhaltspunkt in den Quellen au bier Huny« aby als leitende Perfönlichkeit anfehen, und aus einem fpäteren Schreiben bes Aeneas Sylvius (Ep. ed. Basil. no. 78) an ben Erzbiſchof von Gran, worin in alabemifcher Weife auch bie gegen bie Erhebung eines einbeimifchen Magnaten ober die Einführung einer Republik fprechenben Gründe erörtert werben, wohl mit Unrecht ſchließen, daß dies wirklich von

Unterhandlungen mit 8. Friedrich. 67

Die Abjenbung der Geſandtſchaft an ben König Friedrich fonnte endlich nicht mehr Länger binansgefchoben werben, weil biefer, gereizt durch räuberiſche Angriffe der Bewohner von Ging auf feine benachbarten Befigungen, um die Mitte des Juli mit einem Heere diefe Stadt angriff, fie mit mehreren benachbarten Burgen einnahm und achtzig von ben Räubern hinrichten ließ. Am 17. Auguft ?) 1445 Tamen der Karbinal erzbifchof Dionhs von Gran und der Ban Nikolaus Sara und andere Große mit einem außerordentlich zahlreichen Gefolge, am 30. September auf befondere Einladung auch Niklas Ujlaky mit 400 Pferden zu Friedrich nach Wien. Dieſer ftolge Magnat jtieg nicht eimmal vom Pferde, als ihm ber vömijche König bis zum Stadbtthor entgegenfam. Auch Giskra hatte fih eingefunden, wurde aber von ben ungarischen Magnaten mit Mißtrauen behandelt und fpäter von ihren Beratungen ausgeſchloſſen.

Friedrich weigerte ſich anfangs unbedingt, auf die Forde⸗ zungen der Ungarn einzugeben. Er erklärte die Wahl bes Ladislaus für überfläffig, da diefer Ungarn von Vater und Mutter geerbt habe, ebenfo auch die Krönung, da dieſe fchon vor⸗ genommen worben fei. Nur dann wollte er endlich eine noch- malige Krönung ohne Salbung geftatten, wenn bie Ungarn eine ausprüdliche Erklärung abgäben, daß dadurch die aus ber eriten Krönung entipringenden Rechte nicht beeinträchtigt würden,

manchen angefirebt worben fel. Hierfür wie flir bie folgenden Verhand⸗ lungen mit 8. Friedrich find außer den ſchon von Teleli, Szalay und Fehler- Klein benugten Duellen, befonber8 Aen. Sylv., Ep. no. 81, auch defien von G. Boigt im „Ardiv für öſterr. Geſch.“ XVI, 362 ff. veröffentlichten Briefe (no. 138. 141. 142. 146. 149. 150. 153—155) zur vergleihen. ©. au Knauz, Az orszagos tanäcs és orszäggyültsek törtenete (Gefchichte des Reichſsrates und ber Neichstage) 1445—1452, p. 18sgqg.

1) Nah Schreiben der ebenfalls anweſenden Presburger Abgefanbten vom 20. Auguft bei Knauz 1. c. 32, ber mit Unrecht das Datum än⸗ dern wil. Am 18. Auguft bat auch ein Frankfurter die ungarifchen Geſandten mit 300 Pferden in Wien getroffen. Janſſen, Reichscorre⸗ fpondenz I, 87.

5*

68 Abbruch der Unterhanblungen.

und wenn ibm genügende Garantieen geboten würden, Daß Ladislaus mit der Krone wieder in feine Hände geliefert werben würde. In der That war es Friedrichs Pflicht, die Rechte feines Mündels nicht dadurch zu gefährben, daß er in Ungarn die Wahl und nicht das Erbrecht als das Entſcheidende anſah. Auch deswegen wird man ibm feinen Vorwurf machen bürfen, daß er bie Erziehung besjelben felbft in den Händen behalten wollte. Denn nicht bloß war er als nächiter Verwandter und als der ältefte Habsburger der geſetzliche Vormund und als folcher vom Vater wie von ber Mutter des Prinzen ausdrück⸗ Yich anerkannt. Sondern es ſprachen dafür auch fachliche Gründe. Wie die Ungarn fo forderten auch die Böhmen, daß Labislaus in ihr Land gebracht und in ihrem Sinne erzogen werde. Die Erfüllung der Wünfche der einen hätte bie andern beleidigt, eine einjeitige Erziehung im Sinne der Ungarn würde ihn feinen andern Ländern entfrembet haben. Doch war Triedrich bereit, ben Knaben auf ungariichem Gebiete, in Presburg, zu lafien, wenn ihm die dortige Burg überliefert würbe. ‘Die Unter banblungen zerichlugen fich endlich beſonders deswegen, weil bie Ungarn dem römijchen Könige für die Rückgabe Des jungen Prinzen feine anderen Sarantieen geben wollten als Eide und beftegelte Urkunden, Friedrich aber fich damit nicht begnügte 1). Da man da8 gegenfeitige tief gewurzelte Mißtrauen nicht zu überwinden vermochte, fo reiften die ungariichen Gejandten im Oktober unverrichteter Sachen ab.

Es drängte fi nun den Ungarn die Frage auf, ob fie an dem Beichluffe vom 7. Mai fefthalten und für den unmünbigen Ladislaus eine Negentichaft einfegen, oder ob fie einen andern König wählen follten. In jevem Falle fonnten die hervor⸗ ragendften Magnaten verfuchen, ihren Ehrgeiz zu befriedigen. Der Woywode von Siebenbürgen, Niklas Ujlaky, der fchon bet der Abreife aus Wien offen auögefprochen, er wiſſe micht, ob

1) Balady IV,1, 142, nad einem Schreiben bes Kanzlers Schlid vom 8. Oftober. Die namens bed Königs Friebri den ungarifchen Ge⸗ fanbten gegebenen Antworten in autbentifcher Form bei Teleki X, 173 Bis 179,

Wahl Hunyabys zum Reichsverweſer. 69

er Labislaus zum Könige haben werde, fuchte zunächſt eine neue Königgwahl durchzuſetzen. Als er einſah, daß bei der gegen- wärtigen Stimmung des Landes an bie Ausichliegung des Ladislaus nicht zu denken ſei, verftändigte er fich) mit Hunyadyh über eine Zeilung der oberjten Gewalt. Beide machten dann heimlich dem Könige Friedrich den Antrag, für bie Nechte feines Mündels einzutreten, wenn er fich bei feinen Anhängern dafür verwendete, daß fie als Neichsregenten anerkannt und bie Verleihung ver Ämter ihnen übertragen werde. Der Pa- latin Hedervaͤry dagegen, der in Dfen wie auf feinem Eigen» tume fchaltete und nicht einmal den Reichſtag in bie Stabt ließ, fchlug zuerjt einen neuen Thronkandidaten in der Perjon bes Sohnes des Herzogs Philipp von Burgund vor, und als er damit keinen Anklang fand, fuchte er durch plumpe Lügen feine gefäßrlichiten Gegner, Hunyady und Ujlafy zu entziveien. Aber alle Intriguen fcheiterten Y. Der Reichstag, der ſich um Pfingften 1446 auf dem Felde Raͤkos bei Peſt verfammelte, bielt an dem Beichluffe, Ladislaus als König anzuerkennen, feit, wählte aber am 5. Juni bis zur Auslieferung besjelben Johann Hunyady, deſſen Popularität durch die Niederlage bei Varna nicht erfchüttert worden war, zum Gubernator ober Reichsverweſer. Nur wurden ihm in Beziehung auf bie Ge⸗ richtsbarkeit und die Finanzverwaltung wie auf die Beſetzung der Bistlimer und die Vergebung der heimfallenden Oüter ber deutende Beichränfungen auferlegt ?).

Die Ungarn machten noch einen Verſuch, vom römiichen Könige die Auslieferung ihres Königs und bie Herausgabe ber

1) Ob der König Alfons V. von Neapel, der ſchon in biefem Jahre und fortan bis 1455 in ben Beſitz der ungarifchen Krone zu kommen ſich bemühte (Klaiéueojiniéié, Geld. Bosniens, &. 393, N.2. Palady, Urkundl. Beiträge, S. 95) in Ungarn birelt Schritte dafür getban bat, it unbelannt.

2) Hierüber wie Über bie folgenden Beziehungen zum K. Friedrich ILL. haben Teleki I, 507 ff. und II, 6ff., Syalay III, 97 ff. und Feßler⸗ Klein II, 500ff. die Belege vollftändig gefammelt. Vgl. auh Chmel, Geſch. K. Friedrichs IV., II, 316ff. 563 ff. 575 ff.

70 Hunyady und K. Friedrich.

Städte zu verlangen, die er in Ungarn teils als Pfand teils mit Waffengewalt in feine Gewalt gebracht hatte. Da aud Diesmal die Unterbandlungen feinen Erfolg. hatten und Friedrich auf feinem Nechte bejtand, fo fiel Hunyady Ende November 1446 in Ofterreich ein und brannte alle offenen Ortfchaften bi8 Wiener Neuftadt und Wien nieder. Obwohl Friedrich non den Ofterreichern nicht unterftüßt wurde und baher ber Verbeerung des Landes untbätig zuſehen mußte, fo bielt er doch auch jet zäh an feinen Anfprüchen feſt. In der That warb feine Ausdauer mit Erfolg gekrönt. Hunyady zog im Dezember aus Diterreich wieder ab, und da ibm wohl über- haupt weniger an ber Auslieferung des unmünbigen Könige als an der Sicherung feiner Herrichaft lag, jo unternahm er fortan gegen Friedrich Feine feindjeligen Schritte mehr. Es kam neuerdings zu Unterbandlungen, zuerſt unter Vermittlung des päpftlichen Legaten Carvajal in Ofen, dann unter ber Friedrichs von Cilli in Radkersburg. Hier ſchloſſen die unga- riichen Gejandten am 1. Juni 1447 einen zweijährigen Waffen- jtilfftand, der die Hauptfrage, die Auslieferung des Könige Ladislaus und der ungariichen Krone, gar nicht berührte und Friedrich wie feinen Bruder Albrecht im Befige von Odenburg, Güns, Eijenftadt und aller andern Städte und Orte ließ, die fie im weftlichen Ungarn in ifren Händen hatten; nur Raab mußte Friedrich gegen Erſatz der von ihm dafür gezahlten 3000 Dukaten herausgeben.

Hunyadys Streben ging bejonders dahin, durch glüdliche .. Kämpfe gegen bie Türken fich Die Gunft der öffentlichen Meinung zu fichern, die Scharte bei Varna auszuwegen und an feinen Gegnern Race zu nehmen. Schon im Spätjommer 1446, gleich nach feiner Ernennung zum ©ubernator, griff er die Walachei an, um ben Woywoden Drakul, ber ihn vor zwei Jahren gefangen genommen batte und bann fich mit ven Türken verbunden haben follte, zu jtürzen und Dan oder Daniel, einen Sohn des früheren Woywoden Dan, an deſſen Stelle zu fegen. Da während der Schlacht die Walachen zu Dan übergingen, ergriff Drakul die Flucht, wurde aber von jenem eingeholt und

Angriffstrieg gegen bie Türken. 1

mit feinem Sohne Hingerichtet ?). Auch in die Streitigleiten zwifchen den verjchtebenen Gliedern des moldauiſchen Fürften- hauſes miſchte ſich Hunyady ein, um auch vieles Land dem ungariſchen Einfluſſe wieder zu unterwerfen 2).

Sein Hauptziel war aber immer der Kampf gegen die Türken. Durch wiederholte Geſandtſchaften ſuchte er auch den Papft und verſchiedene Fürſten des Auslandes zur Hilfeleiſtung zu bewegen, ohne aber etwas anderes als ſchöne Worte oder Vertröſtungen auf die Zukunft zu erhalten. Da wagte er allein den Angriff auf die osmanifche Macht, die in den letzten Jahren durd Kämpfe in Griechenland und mit dem albanefilchen Fürften Georg Kaftriota bejchäftigt worden war. Nachdem er in ber zweiten Hälfte des September 1448 mit einem nicht ſehr zahl⸗ reihen Heere 3), in dem fich auch walachiſche Hilfstruppen und beutiche, polnifche und böhmifche Söldner befanden, bei Kubin an der Mündung der Morawa die Donau überjegt batte, drang er längs dieſes Flufjes mitten durch Serbien raſch nad Süden und dann nach Weften vor. Wollte er fich mit Kaſtriota, dem Helden Albaniens vereinigen und dann die Türkei an- greifen? Da ftieß er auf dem „Amſelfelde“ *%), wo 1389 ber Serbenfürft Lazar und der Sultan Murad I. den Tod ge funden hatten, unvermutet auf ein türkifches Heer, das angeblich 150 000 Mann zählte und vom Sultan felbit geführt wurde. Troß der großen übermacht der Türken wagte Hunyady am

1) Chalkokondylas 1. VII, ed. Bonn., p. 338sq. Nah Thw- rocz, oc. 44 und Dlugosz XII, 34, ber den neuen Woywoden Stancul nennt, hätte Hunyaby ben Drakul enthaupten laſſen. Über bie Zet f. Katona XII, 5038qq. Die neueren ungarifchen Geſchicht⸗ ſchreiber machen daraus gegen die Duellen zwei Feldzüge, einen im Jahre 1445, ben andern 1446.

2) Caro IV, 474fl.

8) Nah Thwrocz 24000 Mann, nad Chalkokondylas bagegen Deloves za Auxo owvaugpörepos & Tterpaxısuvolovs zul äntaxs- xıllovs Inneas zur dudkas &pkpovro .. . dmpi Tas dioysilas. &p &xdorns dt audtns dvo Yoınv Avdoe new, neltaorns Te äun xal teleßoluorns.

4) Serbiſch Kossowo polje, ungarif Rigomezö.

72 Die Niederlage auf dem Amfelfelbe.

18. Oktober die Schlacht. Am erften Zage blieb der Kampf umentichteben. Am zweiten aber unterlagen bie Ungarn troß ihrer Tapferkeit: der erprüdenden Menge ber Feinde. Als end» ih die Walachen zu den Türken übergingen, warf ſich bie ungarifche Neiterei in vegellofe Flucht. Die bößmifchen und beutichen Söldner, welche, hinter ven Streitwagen und Kanonen aufgeftellt, fich nicht retten Tonnten, verteidigten fich noch am Morgen des dritten Tages gegen die Angriffe der Ianiticharen und verkauften ihr Leben auf das teuerjte. 17000 Chriften jollen auf dem Amfelfelde ven Tod gefunden haben, darunter Emerich Beljäczy, Woywode von Siebenbürgen, und fein Bruber Ladislaus, Franko Thalloͤczy, Ban von Kroatien, Stephan Baͤnffy von Lindva, der Oberjtthürhüter Emerich Marczallt, Thomas Szechy, Bruder des Erzbiichofs von Gran, und Johann Szetely, ein Verwandter Hunyadys 1). Dieſer felbit gelangte unter manchen Gefahren und Abenteuern bis in die Nähe der Donau, wurde aber dann in bie Hände des Fürſten Georg von Serbien geliefert, der fich auch diesmal, überzeugt von ber Unüberwindlichkeit der Türken, geweigert hatte, fich an Hunyady anzujchließen, und dafür von dieſem mit der Verwüſtung feines Landes beftraft worden war. Erjt nach zwei Monaten erhielt Hunyady auf die Verwendung des ungariichen Reichsrates feine Freiheit wieder, nachdem er die Rückgabe aller dem Deipoten weggenommenen Städte und Schlöffer und die Verſchonung dieſes Landes bei Tünftigen Teldzügen gegen die Türken ver«

1) Für die chronologifchen Daten und bie Richtung des Zuges ift bie verläßlichfte Duelle Hunyabys Brief vom 30. Dezember 1448 ap. Katona XII, 637 89q., mit defien Urkunden vom 8. bis 17. September aus Kovin (Kubin) ibid. p. 689—601. In eine Detailfehilderung ver Schlacht läßt ex ſich nicht ein; dagegen ift hierfür um fo meitläufiger Chalko- kondylas ed. Bonn., p. 35dsqgq., befien Angaben man im einzelnen freilich nicht Tontrollieren kann. Vgl. auch Dlugosz XII, 4680q.; Thwrocz, cap. 46sqq.; Eillier Chronik, herausgegeben von Krones, Kap. 25, ©. 107f. und Schreiben des Aeneas Sylvius an ben Bapft vom 25. November 1448 ap. Pray, Ann. Hung. III, 7Osgaq. Die neueren Gefchichtfehreiber bringen manche Angaben, bie an ben gleich“ zeitigen Quellen keine Stütze finden.

Giskra von Brandeis. 7B

ſprochen und als Geifel für die Einhaltung diefer Bedingungen feinen Sohn Ladislaus zurücgelafjen hatte ). Hunyady wollte gleich wieder den Krieg gegen bie Türken erneuern, wurde aber fogar vom Papfte ermaßnt, ſich auf die Verteibigung zu be ſchränken. Da er zugleich mit innern Feinden zu kämpfen hatte, anderſeits Murads II. Sohn und Nachfolger Muhammed IL wegen eines neuen Angriffs des Fürften von Karaman ben Frieden mit feinen chriftlichen Nachbarn zu erhalten fuchte, fo wurde im Jahre 1451 zwilchen Ungarn und den Türken ein dreijähriger Waffenſtillſtand abgeichloffen 2).

Hunyady Tonnte ſchon deswegen den Krieg mit ben Türken nicht fortiegen, weil er in Ungarn felbjt manche Gegner hatte. Diele Magnaten waren auf den Emporlömmling eiferflichtig, Giskra von Brandeis fein ausgefprochener Feind. ALS „oberfter Feldhauptmann des Königs Ladislaus“ ®) war diefer noch Immer der eigentliche Herr Oberungarns, das er durch Beſetzung ber Städte und Burgen und burch befeftigte Lager (tabor) im Zaume hielt. Die Bürger ber dortigen Städte mußten ihm unter verjchiedenen Titeln bebeutende Summen zablen, bie Bauern wurden von ihm und feinen Unterbefehlshabern, wie von andern unabhängigen Banvenführern, dem Polen Komo⸗ vowsiy, Herrn des Liptauer Komitats, und Pongracz von Szent⸗Mikloͤs, dem Beſitzer des Wanggebietes, mit Steuern und Abgaben gedrüdt. Da entichloß fih Hunyady im Sabre 1449 zum Kriege gegen den gefürchteten Bandenführer und „Huſiten“. Allein fein Schweiterfohn Thomas Szefely wurde am 5. September bei Somos unweit Kafchau geichlagen, und

1) Die Bedingungen lernen wir aus ber Bulle des Bapftes Nitolaus V. vom 12. April 1450 ap. Raynaldad a. 1450, no, 7 fennen, worin er Hunyady von der Erfüllung bderfelben dispenfiert. Die Zwiftigleiten wurden 1451 ausgeglihen durch die Verlobung der Enkelin Georgs, Tochter bes Grafen Ulrich von Eilli, mit Matthias Hunyady, jlingerem Sobne des Gubernators. Katona XIU, 778. Teleki X, 305.

2) Dukas, cap. 34, ed. Bonn., p. 233. Teleki X, 322.

8) Domini Ladislai Hungarie etc. regis capitaneus generalis nennt ex fih in Urkunden von 1450 und 1451 bei Teleki X, 256. 297.

74 Kriege Hunyadys mit Giskra.

biejer felbft, und ziwar wie berichtet wird, von Giskra getötet, fehr viele gefangen. Da brach Hunyady perfünlich gegen Giskra auf und eroberte die Burg Moldawa oder Sepfi füdweftlich von Kaſchau, deren Bejakung, Böhmen und Polen, er ein Auge ausitechen und beide Hände wie die Nafenipige abbauen ließ. Sieht man aber von der Verwüftung der burchzogenen Gegenden beſonders des Gebietes von Kremmig ab, jo errang Hunyady Feine wejentlichen Erfolge mehr. Er jchentte daher einer Gefandtichaft ber polnischen Königin Sophia, welche ven Krieg von der an Polen verpfänbeten Zips fern halten wollte, Gehör und gab feine Zuftimmung zu einem Waffenftillftande mit Giskra, der am 4. Dezember in Kremnig auf die Dauer von acht Monaten abgejchloffen wurde ’). Im folgenden Früh» jahr unterbandelten der Biſchof von Erlau und mehrere Magnaten mit Gisfra über eine längere Waffenrube, die auch in Rima⸗ jzombat verabredet und dann vom ungariichen Reichstage ger nehmigt wurde. Nach den Beitimmungen biejes Friedens, der bi8 zur Übernahme ver Regierung durch den König Ladislaus oder im Talle feines früheren Todes bis zur Wahl eines neuen Königs dauern follte, blieb Giskra nicht bloß im Beſitze Ober- ungarns, fondern es follte ihm auch von Hunyady eine große Summe Geldes gezahlt werben, deren Reſt, 10600 Dufaten, dann bie ungariichen Stände übernahmen 2). Hunyady hatte weiter Giskra feine verwitwete Schweiter zur Ehe zu geben verjprochen. Doc bot gerade dies den Anlaß zum Wieber- ausbruch bes Krieges. ALS fich nämlich das Gerlicht verbreitete, Hunyady wolle bei der Hochzeit Gisfra und die Seinigen er morben lafjen, fchlug diefer los und bejette dad St. Stephans-

1) Diugosz XI, ölsqg. Brief des Aeneas Sylvius an Ear- vojal vom 13. November 1449 im „Archiv für Bfterr. Geh.“ XVI, 3%. Bgl. Zeißberg, Poln. Geſchichtſchreibung, ©. 209 ff., der aber aus Berfehen bie Urkunde über einen von Giskra und anderen Anhängern bes K. Ladislaus am 30. November 1444 auf zwei Jahre gejchlofienen Waffenſtillſtand im „Archiv für öfterr. Gef.” XXIL, 196 bier anführt.

2) Die Urkunden bei Katona XIU, 796 40q. Teleki X, 256. gt. Teleki II, 1dlsgg. Szalay III, 129. Feßler-Klein 11,520.

Hunyadys Bertrag mit K. Friedrich. 75

Hofter unweit Loſoncz im Neograper Komitate. Hunyady griff basjelbe mit großer Macht an, erlitt aber am 7. September 1451 durch Giskra ungeachtet feiner großen lÜberzahl, wie es beißt infolge Verrates, eine gänzliche Niederlage. Als er aus Niederungarn friegsgeübte Truppen herbeisog, behauptete er zwar Giskra gegenüber das Übergewicht und nahm dieſem mehrere Burgen weg. Uber bemielben einen enticheivenven Schlag beizubringen vermochte er nicht ). Neben dem Guber- nator von walachiſcher Abjtammung behauptete ver böhmiſche Heerführer auch fortan eine ſelbſtändige Stellung.

Unter ſolchen Verhältniſſen wollte fih Hunyady wenigſtens vonſeite der ausländiſchen Mächte Ruhe ſichern und für ſeine Reichsverweſerſtelle eine möglichſt feſte Rechtsbaſis verſchaffen. Am 22. Oktober 1450 ſchloß er in Presburg mit dem Könige Sriedrich einen Vertrag, welcher zeigt, daß er nicht ver uns eigennügige Charakter war, als den ihn die offiziellen Geſchicht⸗ Ichreiber des Hauſes der Eorvinen dargeftellt haben. Er ver ſprach nämlih, den König Labislaus bis zur Vollenbung bes achtzebnten Lebensjahres, aljo bis zum Februar 1458, in Friedrichs Händen zu laffen und diefen ebenjo lange im Befitze der Städte und Burgen, die er und bie Seinen in Ungarn inne hätten, nicht zu beunrubigen oder beunrubigen zu lafien, wogegen Friedrich zugab, daß er während dieſer Zeit Guber⸗ nator in. Ungarn bleibe, ihm gegen alle, die ihn daran hindern wollten, feinen Beiſtand zufagte und gelobte, Ladislaus auch nach. Erreichung des achtzehnten Jahres nicht aus jeiner Vor⸗ mundſchaft zu entlaffen, ohne ihn früher davon verftändigt zu haben, und ihn dann bei Ladislaus mit feinem Rate und feiner Hilfe zu unterftügen 2).

Einen ganz ähnlichen Verlauf Hatten die Creigniffe tm Böhmen genommen °).

1) Dlugosz XII, 8i. Thwrocz, cap. 48. Ebendorffer ap. Pez SS. II, 863sq. Über ben Kampf bei Lofonz f. auch das Ge- dicht Michel Beheims in „Duellen und Forſchungen“, S. 46 ff.

2) Kurz, Ofterreih unter 8. Friedrich IV., I, 258.

3) BPalady, Seid. von Böhmen IV,1, 192ff., und befien „Urkund⸗

16 Einnahme Prags durch Georg von Pobiebrab.

Die Böhmen Hatten ihren König von Friedrich ebenfo wenig erhalten wie die Ungarn troß aller Bemühungen und der Drohung, einen andern zu wählen, was übrigens nicht fo leicht geweien wäre, da fie unter fich nicht einig waren und der Herzog von Baiern und König Friedrich einen ſolchen Antrag abgelehnt hatten. Während biefer Zeit vergrößerte der talent» volle, gewandte und rührige Georg von Podiebrad immer mehr jeinen Einfluß, ſodaß er endlich glaubte, durch einen Staat ſtreich die Herrichaft an fich reißen zu können.

Unter falſchen Vorwänden brachte er mit Hilfe feiner Ans bänger ein bedeutendes Heer zujammen, bemächtigte fich in ber Naht vom 2. auf den 3. September 1448 ver Stadt Prag, jtürzte das dortige Regiment, nahm den Oberftburggrafen Meinbard von Neubaus gefangen, der dann nach fünfmonat- licher Haft im Februar 1449 ftarb, und verhalf in Prag dem Hufitismus vollftändig zum Siege. Obwohl die Utraquiften fich immer auf die Kompaktaten beriefen und durch dieſe ihnen wohl der Kelch bewilligt aber nicht die Alleinherrichaft zugefichert worden war, jo wurden boch jett alle aus Prag vertrieben, welche den dorthin zurückkehrenden Rokycanag nicht al8 Erz biichof anerkannten, namentlich das Fatholiiche Domkapitel und bie deutſchen Magiſter und Stubenten, bie fich in legter Zeit wieder in größerer Zahl eingefunden hatten.

Als Georg. einmal die Hauptftadt in feiner Gewalt hatte, jtrebte er danach, auch die Negierung des ganzen Landes in feine Hände zu bringen. Lange erreichte er fein Ziel nicht, ba nicht bloß feine offenen Feinde, Ulrich von Rojenberg und ber Sohn Meinhards von Neuhaus wie deren Freunde und die ehemaligen Zaboriten, ihm feindlich entgegentraten, Jondern auch manche feiner bisherigen Anhänger ihn nicht zu mächtig werben lafjen wollten. Wiederholt verjuchte man den König Briedrih zur Herausgabe feines Mündels zu bewegen, obne freilih gegen die Zähigkeit Friedrichs etwas ausrichten zu

liche Beiträge zur Gefch. Böhmens und feiner Nachbarländer im Zeitalter Georgs von Podiebrad (1450—1471)”, in „F. R. Austr. Dipl.“ XX.

Deſſen Wahl zum Reichsverweſer. 77

können. Wie mit Hunyady fo verftändigte fich Friedrich auch mit Bobiebrad in einer Weiſe, die beiven zum Vorteile gereichte. Um endlih Ruhe zu befommen, übertrug er felbft dieſem im Ditober 1451 bis auf Widerruf die ganze Verwaltung Böhmens, wogegen Podiebrad auch nicht weiter auf ver Auslieferung bes jungen Ladislaus beftand. Am 27. April 1452 wählten dann auch die böhmischen Stände Georg zum Verweſer des König- reihe und gaben ihm einen Nat von elf Perſonen aus den Herren, Rittern und Städten an die Seite, mit benen er bie Regierung führen follte. Es gelang ihm nun bald, bie legten, die noch widerjtrebten, die Reſte der Roſenberg⸗Neuhausſchen Partei und die Taboriten, zur Anerlennung feiner Gewalt zu zwingen und nun endlich dem Lande ben lang entbehrten Frieden und die Bedingungen für die Wieberheritellung feines materiellen Wohlſtandes zu verichaffen.

- Aber gerade in der Zeit, wo Friebrich fich mit den Macht⸗ babern der beiden hervorragendſten Reiche des Ladislaus endlich geeinigt hatte, bereitete fich in Ofterreich eine Bewegung vor, bie eine Kataſtrophe berbeiführte.

Die Zeit der vormundichaftlichen Negierung König Fries drichs III. ?) gehört zu den traurigften Perioden, welche das Herzogtum OÖſterreich erlebt hat. Nicht bloß fühlte man in ber empfindlichſten Weife, daß die Fräftige Hand erlahmt fei, welche die unbotmäßigen Adeligen und die raubluftigen Grenz nachbarn im Zaume gehalten hatte; Sfterreich Fitt auch an ben Folgen der Großmachtftellung, welche Albrecht II. vorüber» gehend eingenommen hatte. Für eine würdige Ausſtattung bei der Königskrönung in Ungarn, für den Krieg um Böhmen, für bie Rüftungen gegen die Türken waren ſehr bebeutende Aus- lagen notwendig geweſen, ſodaß fein Hubmeifter ober Finanz miniſter Ulrich Eizinger für die drei Sabre vom Frühjahr 1437

1) ©. darüber Chmel, Geſch. K. Friedrichs IV., II, 30 -36. 84—89. 105—109. 115—137. 215. 252—258. 330—333. 572—598, ber fi) beſonders auf urkundliche Materialien ftütt. Vgl. Ebendorffer ap. Pez II, 858sgg.

78 Zufände Ofterreichs währen ber

bis zum Frühjahr 1440 ein Defizit von 12125 Pfund Pfennigen oder fat 14000 Dukaten berechnete !). Dabei waren nicht bloß bebentende Anleihen gemacht worden ?), jons dern e8 waren auch viele Sölonerführer noch nicht bezahlt. Diefe Rüdjtände zu deden, war für Friedrich als Vormund des Sohnes Albrechts in der That nicht leicht, da Ungarn und Böhmen, die Ladislaus nicht als König anerkannten, nichts zahlten, ja, noch die Mittel zur Belämpfung der dortigen Gegner aufgebracht werben jollten, die Stände ber übrigen habsburgiſchen Länder für Dinge, die fie nicht direkt berührten, fein Gelb bewilligten und bie Einkünfte aus Ofterreich doch nicht groß genug waren, um aus ben’ Überjchüffen die Schulden des Königs Albrecht zu zahlen. Als die Sälonerführer mit ihren Forderungen nicht befriedigt wurden, griffen fie zu den Waffen und fuchten fih durch Raub und Ausplünderung der Bürger und Bauern bezahlt zu machen. Auch Ulrich Eizinger ſchickte mit 150 andern Gläubigern im Mai 1441 dem König einen Fehdebrief. Auf Das Drängen der öfterreichiichen Stände fchoß enblich Friedrich das Geld zur Abfertigung der Söldnerführer por. Obwohl fih mande verfelben eine bedeutende Herab- minderung ihrer Forderungen gefallen laſſen mußten, fo be, liefen fich die Gelder, welche Friedrich auszahlte oder doch wenigftens zu zahlen verſprach, auf wenigftend 48000 Dufaten ?). Es war diefe Summe um fo jchwerer hereinzubringen, als ber Biterreichiiche Landtag gar feine außerorbentlihe Steuern ber willigte, weil die einzelnen Stände ſich nie über den Anſatz zu einigen vermocten und bie Adeligen verlangten, daß ibre

1) Chmel, Materialien I,2, 91. Ein Gulden wirb 1440 zu 6 Schilling 20 Pfennig (= 200 Pf.), 1441 zu 7 Schilling (= 210 Pf.) berechnet. Lichnowsty VI, Reg. Nr. 45. 276.

2) So beim Kanzler Kaſpar Schlid von 20000 Dukaten, und 12000 Dutaten unter Bürgfchaft des Grafen Johann von Schaunberg. Kollar, Analecta II, 878. Ehmel, Materialien 1,2, 178.

3) Lichnowsty VI, Nr. 45. 158. 247—250. 254—257. 263. 275 His 278. 288. 345. 350. 351. 379. 417—422. 441, 442. 471. 476 bie. 478. 575. 608.

vormundſchaftlichen Regierung K. Friebrichs. 79

Unterthanen geringer beſteuert werden ſollten als die der Prös Iaten und als die Güter der Bürger.

Leider börten die Gewaltthaten mit der Bezahlung ber Sölönerführer nicht auf. Manche verjelben fanden e8 bequem, ohne jede Anftrengung auf SKoften ber Bürger und Bauern ein angenehmes Leben zu führen. Pongraͤcz von Liptau und Szent-Miflos, der fich eines großen Teiles des Gebietes zwiſchen ber Wang und March mit den Stäbten Stalig und Holitich bemächtigt hatte und dort wie ein jelbftändiger Fürſt fchaltete, brachte auch einige Punkte in Ofterreich in feine Gewalt, baute an verichiedenen Orten feine Tabor oder befeftigten Lager und bebrüdte mit feinen Leuten, bvem Auswurfe ver kriegs⸗ und raubluftigen Bevölkerung von Böhmen, Polen, Ungarn und Deutichland, das ganze Gebiet von der Thaya bis zur Donau und von der March bis Krems und Zwettl auf das furchtbarite. Seinem Beifpiele folgten nicht bloß mährifche und böhmiſche, jondern felbft öfterreichifche Adelige, jobaß die Bauern unter bem Drude der Räuber erlagen, der Hanbelsverfehr geftört ward und faft nur gegen hohe Abgaben an die Bandenführer bewerkitelligt werben konnte. Wohl wurde manchmal eine Raubburg eingenommen, die Verteidiger aufgehängt. Aber es waren das nur Palliativmittel, fo lange man fich nicht ent» ſchloß, mit dem Aufgebote größerer Streitlräfte den Räuberftaat des Pongracz zu vernichten. Erft im Sabre 1450 kam es zu einem Feldzuge gegen venfelben. Ulrich von Cilli, den Friedrich an die Spite der Truppen geftellt hatte, nahm mehrere Schanzen in Ofterreich weg, überfchritt dann die March, nahm Skalitz ein und trieb den Pongräcz fo in die Enge, daß er fi dem Johann Hunyady in die Arme warf, welcher fi dann bafür verbürgte, daß von Ungarn aus Feine Einfälle nach Äſterreich mebr gemacht werden follten ’).

Obwohl an der langen Fortvauer diefer Bedrängniſſe bes Landes die Bfterreichiichen Stände nicht viel weniger ſchuld

1) Ehmel, Gewichte K. Friedrichs IV., II, 591ff. Bgl. auch Eifer Ehronil, S. I1f.

80 Unzufriebenbeit der Ofterreicher mit 8. Friedrich.

trugen al8 der König Friedrich, jo iſt es doch begreiflich, Daß fie in erfter Linie dieſem als dem Negenten des Landes zur Laft gelegt wırden. War ja Sriebrich in Ofterreich nie populär geweſen, ba feine Perfönlichkeit nicht Dazu angethan war, die Liebe der Unterthanen zu gewinnen, und er bie meiſten öſter⸗ reichiſchen Adeligen binter feinen fteiriichen Günftlingen, dem hochmütigen Kammermeiſter Johann Ungnad, dem Hofmeifter Sohann von Neiperg und dem Marſchall Walter Zebinger weit zurückſetzte. Auch machte e8 einen unangenehmen Eindrud, daß ber König gewöhnlich in Graz oder in Wiener Neuftabt reſidierte, Das im jener Zeit nicht als zu Lfterreich gehörig angefehen wurde. Da Friebrich fih um dieſes Land wenig zu fümmern ſchien und den Klagen über die Unficherheit, die fchlechte Münze u. ſ. w. nicht abhalf, jo ift e8 natürlich, daß man die Augen auf ben rechtmäßigen Erben des Landes warf, daß man glaubte, eine eigene Regierung würde aller Not abzubelfen vermögen. Schon Anfangs Februar 1447 Hatte ein Landtag in Korneu⸗ burg an den König bie Forderung geftellt, es jollte Ladislaus in jein Erbland und nach feinem Hauptichloffe Wien gebracht und ihm Leute nad) dem Nate der Stände an die Seite ge- geben werben, was Friedrich natürlich den Öfterreichern ebenſo abichlug wie den Ungarn und Böhmen. Bei der fteigenven Unzufriedenheit brauchte nur ein Mann von Anfehen und Ein» fluß die Leitung in die Hand zu nehmen, fo brach auch in Oſterreich eine allgemeine Bewegung gegen den Negenten aus.

Diefer Dann war Ulrich Eizinger von Eizing, ein batrifcher Adeliger, der, von Haus aus ohne Mittel, als Knabe zur Zeit ber Regentſchaft des Herzogs Ernſt nach Ofterreich gekommen, fpäter in die Dienfte Albrechts V. getreten war und bie Gunſt dieſes Herzogs in einem folchen Grade gewonnen hatte, daß biefer ihm mehrere Güter verlieh, ihn 1433 zum Hauptmann von Eggenburg und Znaim, 1437 zum Hubmeijter ernannte und enbli 1439 mit feinen Brüdern in den Freiberrnitand erhob. Dan that ihm wohl nicht Unrecht, wenn man be Bauptete, daß er die Würde eines Finanzminifterd auch zu feiner eigenen Bereicherung benutzt habe; Thatfache ift, daß er von

Ulrich Eizinger. | 81

dieſer Zeit an Gut auf Gut kaufte und 1440 in der Lage war, der Königinwitwe Eliſabeth bedeutende Summen vorzu- ftreden ). Das Zerwürfnis mit dem Könige Friedrich war Ende 1441 wieder ausgeglichen, ja Ulrich fogar in den Rat des Königs aufgenommen ?) worden. Als aber Frievrih im Auguft 1451 von feinem Bruder deſſen ungariiche Befigungen Eifenjtadt und Forchtenftein faufte, während Albrecht mit Eizinger die Verhandlungen darüber ſchon faſt zum Abfchluffe gebracht batte, zeigte fich diefer im böchiten Grabe gekränkt und lehnte auch den Antrag der beiden Fürften ab, die Entſcheidung ber Rechtsfrage den öfterreichtichen Baronen zu übertragen. Ulrich Eizinger, ein Dann von fehr beveutenden Fähigfeiten, kühn und rührig, fchlau, gewandt und mit großen Rednergaben aus- geftattet, aber auch von einem unbegrenzten Ehrgeize erfüllt, wollte jegt die Unzufriedenheit der Ofterreicher über Das Regiment Friedrichs benutzen, um fich in biefem Lande eine Stellung zu verichaffen, wie fie Hunyady in Ungarn, Podiebrad in Böhmen erworben hatte.

Es erleichterte die Ausführung feines Planes, daß Friedrich gerade um biefe Zeit einen Zug nach Italien antreten wollte, um feine Braut Eleonore von Portugal abzuholen und fich in Rom zum Kaiſer frönen zu laffen. Daß er auch feinen Mündel mit fich nehmen wollte, beuteten nun feine Feinde gegen ihn aus, indem fie fagten, daß er benfelben in dem ungewohnten italienischen Klima dem DVerberben preisgeben wolle. Auch daß er die Regenten, welche in feiner Abwefenheit Ofterreich ver- walten follten, eigenmächtig ernannte, ohne bezüglich der Perjonen

1) Viele Urkunden zur Gefchichte der Eizinger aus einem Diplomatar bat Chmel in (Schmidl's) „Oſterr. Blättern für Literatur“ u. f. w. 1847, Nr. 59. 60. 65. 66. 71, und im „Archiv f. öſterr. Geſch.“ 1848, I, Aff. und V, 21ff., mitgeteilt. Über fein Emporlommen berichtet von einem ſehr feinblihen Standpunkte aus eine Denkſchrift von c. 1454, im „NRotizenblatt” der kaiferl. Alab. 1857, ©. 231ff. und 245ff. und fur; Aeneas Sylvius, Hist. Frid. ap. Kollar II, 183sqgq., ber auch feine Abſtammung aus Baiern erwähnt.

2) Kollar, Analecta II, 1315.

Huber, Geſchichte Öfterreihs. IL. 6

B. 7 Bündnis öſterreichiſcher Adeliger gegen K. Friedrich.

den Rat der Stände einzuholen, bot neuen Grund zur Un⸗ zufriedenheit. Ulrich Eizinger lehnte den Eintritt in die Regent⸗ ſchaft ab und begann noch im Herbſte 1451 feine Umtriebe ).

Unter dem Vorwande, Befitftreitigkeiten mit den Herren von Kichtenſtein ausgleichen zu wollen, hielt er in Mailberg bei Laa eine Zufammenktunft mit mehreren Abdeligen und fuchte fie gegen Friedrich aufzureizen. Er warf ihm die Vernach⸗ läſſigung Oſterreichs, defien finanzielle Ausbeutung für fremde Zwede, die Vergeudung der herzoglichen Güter, die Zurüd- jegung der öfterreichiichen Großen gegen feine fteiriichen Günft- Yinge, einen Ungnad, Neiperg, Zebinger vor und ſetzte aus⸗ einander, daß der König die Bedingung, unter der man ihn in Oſterreich als Regenten anerfannt babe, fich bei der Regierung bes Landes an den Rat der Stände zu halten, verlegt babe, und daß daher auch fie ihrer Pflichten gegen ihn entbunven feien. Eizinger erreichte bier volljtändig feinen Zwed. Obwohl außer ibm und feinen Brübern von hervorragenderen Adeligen nur die Liechtenftein und Jörg von Kuenring in Mailberg an⸗ weiend waren, fchloffen fie doch am 14. Oftober im Namen aller Brälnten, Herren, Ritter und Knechte, die ihr Siegel an diefe Urkunde hängen würden, einen Bund, um die Auslieferung ihres Erbherrn Ladislaus durchzuſetzen, der nach Oſterreich ger bracht werben und bis zu feiner Volljährigkeit in Wien refidieren ſollte. Bald traten ihnen mehrere Adelige bei und auf einer, Ende Oktobers in Wullersporf unweit Mailberg gehaltenen Ver⸗ jammlung beichloffen fie die Abſendung einer ‘Deputation an den König, um ihn zu erjuchen, er möge, ba er jegt nach Rom

1) Über die Borgänge in Ofterreich in ben Ießten Monaten bes Jahres 1451 Hat Chmel, Geh. K. Friedrichs IV., II, 640ff. auf Grund ber Berichte des Aeneas Sylvius in feiner Hist. Frid. uud Ebendorffers, wie ber einfchlägigen Altenſtücke (befonders in „Materialien“ 1,2, 356 ff.) er- ichöpfend gehandelt. Die Form der von Aeneas Sylvius mitgeteilten Reden iſt natürlich fein Eigentum. Uber feine Darftellung wirb durch die Urkunden beflätigt. (U. G. Supan, Die vier lebten Lebensjahre des Grafen Ulrich II. von Cilli, mit bei. Berückſichtigung ber Stände Revolution in den Jahren 1451 und 1452, Wien 1868, ift wertlos.)

Anſchluß der Präfaten und Städte. 88

ziehen wolle, ihren Erbherrn nah Wien jenden, bamit nad dem Teſtamente feines Vaters Albrecht vorgegangen, aljo wohl ein VBormundichaftsrat aus den verichtebenen Ländern besjelben eingefeßt werde. ALS Friedrich diefer Forderung gegenüber auf jein Recht und auf die üblen Folgen hinwies, wenn die Wünfche nur eines Landes berüdfichtigt würden, und eine Erledigung diefer Angelegenheit nach feiner Nüdkehr von Nom in Ausficht ftelfte, da beriefen Die Gefinnungsgenofjen Eizingers eigenmächtig auf den 12. Dezember einen Landtag nad Wien. Vergebene verboten der König und die von ihm beitellten Landesverweſer ven Brälaten und Stäbten bie Teilnahme an vemfelben. Der Nat von Wien weigerte fi wohl anfangs bie Verfammlung in biefer Stadt tagen zu laffen. Aber Eizinger gewann die Bürger für fih, unter deren Drude auch der Rat fi dem Strome nicht mehr entgegenftenmte.

Hatten fih anfangs nur die Ritter und einzelne Barone an Eizinger angeichloffen, jo fanden ſich auf dem Lanbtage in Wien auch der größere Zeil der Brälaten und Vertreter ber Stäbte ein. Hier entfaltete nun Kizinger feine Demagogen- fünfte. Nachdem er durch glänzende Feſte und Gelage bie richtige Stimmung hervorgerufen hatte, haranguierte er von der Kanzel der Karmeliter „am Hof“ aus, auf der im Jahre vorher der befannte Minorit Capiftrano feine feurigen Buß. prebigten gehalten hatte, das zahlreich verfammtelte Voll. Um eine größere Wirkung zu erzielen, führte er felbft des Ladislaus zweite Schweiter Eliſabeth, die in Wien zurüdgeblieben war, in fchlechten Kleidern vor und ließ im Namen verfelben durch einen Wortführer den Ständen für ihr Ericheinen banken und die Bitte ausiprechen, fie möchten ihr und ihres Bruders Elend anſehen und bahin wirken, daß biefer in den Beſitz feiner Lande tomme. Die Wirkung war eine vollftändige. Auch bie Städte fündigten jet Friedrich den Gehorſam auf. Der. Landtag bes ſchloß die Einfeßung einer proviſoriſchen Regierung von zwölf Mitgliedern aus den verichievenen Ständen mit Ulrich von Eizinger als oberften Hauptmann an ber Spige. An Friedrich wurde ein Ultimatum erlaffen und noch einmal die Herausgabe

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84 Römerzug 8. Friedrichs.

feines Deündeld verlangt, widrigenfalls fie die Sache an deſſen Königreihe und Verwandte bringen würben.

Friedrich war bereit8S um bie Mitte des Novembers von Neuftadt nach Steiermark abgereift und jchon im Begriffe, den Römerzug anzutreten, als er von den lebten Vorgängen Nach⸗ richt erhielt. Diele feiner Räte jprachen fi dahin aus, daß er die Reife verſchieben und zuerft die Bewegung in Öfterreich im Keime unterbrüden follte. Allein Friedrich hielt mit ge- wohnter Zähigfeit an dem einmal Beichloffenen feit und meinte, er könne ohne Verlegung feiner Ehre nicht alle Vorbereitungen für den Zug nach Italien rüdgängig machen. Xieber, erflärte er, wolle er die Bormundfchaft verlieren, als fein Beginnen aufgeben. Ende des Jahres 1451 z0g er mit feinem Bruder Albrecht ımd feinem Mündel, den er nur in feiner Umgebung vor Entführungsverjuchen ficher glaubte, über die Alpen nad} Rom, wo er am 19. März 1452 vom Papſte Nilolaus V. zum Kaiſer gefrönt wurde. Es war die legte Kaiſerkrönung, die in Nom vorgenommen worben iſt. Erft nach ver Mitte des Juni fam er über Venedig und Villach nach Wiener Neu ftadt zurüd.

Eizinger und feine Gefinnungegenofjen hatten die lange Ab- weſenheit Friedrichs auf das beſte benugt. Sie hatten bie Grafen von Cilli als die nächſten Verwandten des Ladislaus und die übrigen Länder besjelben auf ihre Seite zu bringen gejucht und nicht ohne Erfolg gearbeitet.

Die Prälaten, Adeligen und Städte Niederditerreich8 hatten fich teild auf dem Landtage in Wien, teild in ber nächiten Zeit größtenteild ihnen angeichloffen. Die Zahl der Siegel, welche an bie Urkunde des Meailberger Bündnifjfes gehängt wurben, ftteg nad) und nach auf mehr als 250). Noch vor

1) Daß dies nit fehr raſch geſchah, ergiebt fih wohl daraus, daß fih unter biefen Siegen aud die ber Prälaten und Städte Oberöfter- reich8 befinden, bie erft im Januar in bie Bewegung bereingezogen worden find. Dies gilt wohl auch von ben bbhmiſchen Rojenberg, die ebenfalls unter den Sieglern find. Die vollfländige Aufzählung der Siegler bei Ehmel, Geſch. K. Friedrichs IV., II, 643, N.

Anwachſen der Bewegung gegen K. Friedrich. 85

der Mitte des Januar 1452 fagten auch die Stände von Oberditerreich mit ihrem Landeshauptmanne, dem Brafen Johann von Schaunberg, auf einem Lanbtage in Wels!) dem Könige Friedrich al8 Vormunde und Negenten den Gehorſam auf. Bon großer Wichtigkeit war ed, Daß fich auch die Grafen von Cilli der Bewegung anſchloſſen. Ulrich hatte feit feiner Ausjöhnung mit dem Könige Friedrich diefem manche ‘Dienfte geleiftet und noch im Sommer 1450 den Feldzug gegen Pongraͤcz von Sz. Millos geleitet. Aber ein gewiffer Groll war doch ohne Zweifel in ihm zurücdgeblieben, und geringfügige Kränkungen, wie etwa eine Zurüdjegung hinter anvere, mehr begänjtigte, Räte ?) mochten leicht den glimmenven Funken zu heller Flamme anfachen. Auch mußte ihm der Sturz des bis⸗ herigen Vormundes ſeines Vetter deswegen erwünſcht fein, weil er erwarten konnte, daß der zwölfjährige Knabe einer Leitung nicht entbehren können und dieſe ihm zufallen würde. Nach dem Beiſpiele Ulrichs richtete ſich auch ſein Vater Friedrich. Die Ungarn konnten das Vorgehen ver Oſterreicher nur mit Freuden begrüßen, da dieſe ja dasſelbe verlangten, was fie ſelbſt feit Jahren angeftrebt Hatten. Auch Hunyady wagte troß feines Vertrages mit Friedrich III. nicht, der allgemeinen Strömung fih offen entgegenzuftellen. Eine feftere Stellung nahm in Böhmen Georg von Bodiebrad ein, der denn auch der Abmachung mit dem Könige Friedrich treu blieb. Dagegen fanben die Ofterreicher eifrige Unterftügung bei Georgs Feinden beſonders Ulrih von Rofenberg und feinen Söhnen, und bet ver katholiſchen Partei Mährens, dem Hauptmanne und mancen Herren und den Städten dieſes Yandes wie beim Biſchofe von Olmütz 3), indem fie bofften, daß unter der Regierung des

1) Chmel, Materialien 1,2, 368. Lichnowsky VI, Reg. Nr. 1613. 1617.

2) Diefe und andere Urſachen führen die Eillier Chronik, S. 92, und Aeneas Sylvius, Hist. Frid. ap. Kollar I, 213, an.

3) Mitteilung der Verweier Oſterreichs an Sigmund von Tirol bei Chmel, Materialien 1,2, 379.

3 Bündnis ber Gegner 2. Friedrichs.

katholiſchen Ladislaus ihr Einfluß maßgebend werben, der huſitiſche Bubernator geftürzt werben mürbe.

Am 5. März 1452 verbündeten ſich in Wien alle Gegner Friedrichs, Johann Hunyady und die Stände von Ungarn, bie Dfterreicher, die Grafen Friedrich und Ulrich von Cilli und aus Böhmen Ulrich von Nofenberg und jeine Söhne, um dem Könige Friedrich den zwölflährigen Ladislaus und die ungartiche Reichskrone wie alle in ben Ländern feines Mündels bejegten Burgen und Gebiete zu entreißen und ben jungen König ben teftamentarifchen Beitimmungen feines Vaters gemäß, aber unter Ausichliegung Friedrichs, nach Presburg zu bringen ). Sie ſchickten nun eine Gefandtichaft an ven Papſt, um dieſen zur Unterjtügung ihrer Forderung zu bejtimmen. Aber Papit und König, der eine durch firchliche, der andere burch politifche Gegner bedroht, Hatten fich längſt enge aneinander angejchlofien. Gerade zur Zeit der Krönung in Rom verlieh der Papft dem Kaiſer zahlreiche neue Gnaden, teilweife auch finanzieller Natur, Am 4. April erließ er am die Öfterreicher die drohende Auf forberung, bei Strafe des Bannes, des DVerluftes aller kirch⸗ lichen Benefizien und Leben, der Ehrlofigfeit und des Interdiktes alles, was fie gegen Friedrich unternommen, vüdgängig zu machen und biefem Genugthuung zu leiften. Zugleich erlaubte er diefem, auch Geiftliche, welche fih an ber Empörung wegen ber Vormundſchaft beteiligten, gefangen zu nehmen und ihrer Güter zu berauben, ohne beswegen in ven Bann zu fallen. Ebenjo wenig wie die Bemühungen, den Bapft für fich zu ger

1) Die Urkunde dei Eh mel, Materialien I,2, 374. Die weiteren Borgänge bis zur Auslieferung des Ladislaus nach der weitläufigen Dar⸗ fiellung des Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 321sqg. 339sqq. (Hier Augenzeuge), und ben kürzeren Berichten von Ebendorffer, p. 870, in ber Eillier Chronik, S. 111, und bei Palady, Urkundl. Beiträge, S. 50, wie nah den Alten bei Kurz, Ofterreich unter Friedrich IV. I, 271ff., Chmel, Materialien I,2, 376ff., und IL, 1ff,, umd befien Reg. Frid., p. 2960qq4., Teleki X, 323sqq. und bei Lichnowsky VI, Reg. Nr. 1676 fi Bgl. die Darflellungen bei Balady IV,1, 302ff. und Voigt, Enea Silvio II, 62ff. und die Erdrterungen Chmels in den „Situngsber. ver Taiferl. Afab.” XVII, 63ff. und XXV, 163 ff.

Energielofigfeit K. Friedrichs. 5

winnen, Gatten die Verſuche der Aufftändiichen, ven mit ihnen einverftandenen Ladislaus in Nom und auf der Nüdrelfe in Florenz zu entführen, einen Erfolg.

Als der Kaifer am 20. Yuni?!) 1452 wieder in Wiener Neuftadt anlangte, war feine Sache noch immer nicht verloren, wenn er fie nicht felbft aufgab. Die öfterreichiichen Landes verwefer waren noch nicht geräftet und fuchten fich erit durch Eintreibung einer Kriegsftener die Mittel dazu zu verichaffen. Dem Gubernator von Ungarn war e8 mit ber Forderung der Auslieferung jeines Königs von Anfang an nicht Ernſt geweſen, und er hatte ſich nur wegen der Stimmung bes Landes ben Gegnern Friedrichs angefchloffen. Die Nofenberg konnten durch Georg von Podiebrad in Schach gehalten werden. Selbit von den hervorragenderen öſterreichiſchen Baronen waren manche wie die Starhemberg, Sigismund und Albrecht von Ebersdorf, Georg von Buchheim und zwei der Grafen von Schaunberg bem Saifer treu geblieben und zur Unterftügung desjelben bereit. Hätte diefer mit den ihm zur Verfügung ftehenden Truppen, 4000 Reitern und einer bedeutenden Zahl von Fußvollk, feine Gegner raſch angegriffen, jo wäre die Zeriprengung und Nieder» werfung berjelben ohne Zweifel gelungen. Aber Friedrich ließ es auch diesmal an jeder Thatkraft fehlen. Er zögerte im ger wohnter Weife und befchräntte ſich auf Abmahnungsichreiben, auf die Drobung, für jeden Pfennig, den jemand an Eizinger als Kriegsfteuer zahle, drei zu verlangen, und an bie Ver jendung ber päpftlichen Bullen. Aber weder der Erzbilchof von. Salzburg noch die Domberren von Paſſau Tießen biefelben publizieren. Cizinger und Ulrich von Cilli appellierten im Namen der Diterreicher auf Anftiften ver Wiener Theologen von dem fchlecht unterrichteten an ven befjer zu unterrichtenben: Bapit oder an ein allgemeines Konzil.

Friedrich glaubte nicht, daß feine Gegner. ein größeres Heer: gegen ihn aufbringen würden, und beabfichtigte,. fie durch. Ber fegung. der in feinen Händen befinvlichen Burgen. binzubalten,.

1) Diefen Tag giebt eine Notiz bei Palacky IV,1, 304, N. 254.

88 Auslieferung des Ladislaus Poſtumus.

bis ihre Mittel erſchöpft wären. Auch daß ſie ihm am 28. Juli mehr als 500 Fehdebriefe ſchickten und nun Ulrich von Cilli und Eizinger die Feindſeligkeiten begannen, brachte ihn noch nicht zu einer anderen Anſicht, da ſie ſich zunächſt nach dem Schloſſe Ort auf dem Marchfelde wendeten und dasſelbe be» lagerten. Als aber dieſes erſtürmt und 500 Mährer und Heinrich von Roſenberg, Ulrichs Sohn, mit bedeutenden Ber- ſtärkungen bevangefommen waren, ba wenbeten fie fich unver» mutet mit ungefähr 4000 Neitern, 12000 Fußgängern und mebreren Gejhüten gegen Wiener Neuftabt. Am 28. Auguft griffen fie die Kaiferlichen, welche die Zugänge zur Stadt zu verteidigen fuchten, mit Übermact an, drängten fie zurüd und wären mit ihnen in die Stadt eingedrungen, hätte nicht Andreas Baumkircher, ein edler Steirer von riefigem Körperbaue und ebenfo großer Kraft, mit einigen anderen fich den Feinden entgegengeworfen und fie jo lange aufgehalten, bis es gelang, das Stadtthor zu ſchließen.

Obwohl der Kaiſer nur 800 Reiter und ebenſo viele Fuß⸗ gänger bei ficb Batte und ber größte Zeil jeiner Streitkräfte unter Nüdiger von Starhemberg zur Bekämpfung feiner Feinde über die Donau geſchickt worben war, fo hätte er fich im feiten Neuftadt wohl bis zur Ankunft genügender Hilfstruppen zu balten vermoct, da 6000 Steirer und Georg von Podiebrad mit faft 17 000 Mann bereits auf dem Marſche waren. Aber der unkriegeriſche Fürft z0g Unterhandlungen vor und jchloß unter Vermittlung des Erzbiſchofs von Salzburg, der Biichöfe von Freifing umd Regensburg und jeines Schwagers, des jungen Markgrafen Karl von Baden, in übereilter Weife einen Vertrag, nach welchen er am 4. September feinen Mündel dem Grafen Urih von Cilli überlieferte. Diejer follte den jungen König bewahren, bis um Martini (11. November) auf einem Tage in Wien, zu dem außer den Vertretern von Ungarn, Böhmen, Mähren und Ofterreich auch bie genannten Vermittler, dann die Herzöge Albrecht von Diterreich und Ludwig von Baiern und Markgraf Albrecht von Brandenburg geladen werben follten, über die Anfprüche der verjchtedenen Parteien und über

Ladislaus als felbfändiger Regent behandelt. 89

die weitere Ordnung ber vormundfchaftlichen Negierung ent⸗ ſchieden worden wäre.

Sechſtes Kapitel.

Öfterreich, Ungarn und Böhmen unter Labislaus Poftumus. (1452 1457.)

m

E8 war ein großer Irrtum, wenn der Kaiſer meinte, daß er durch den Neuftäbter Vertrag feiner Sache nichts vergeben babe, da ja erſt die Verfammlung in Wien über die zwilchen ihm und den Untertbanen feines Mündels ſchwebenden Streitig- feiten eine definitive Entfcheidung fällen follte. Wie feine Geg⸗ ner die Sache auffaßten, zeigte fich nach wenigen Tagen, da Ulrich von Cilli den ihm anvertrauten jungen König dem Wunfche der Ofterreicher gemäß am 13. September nach Wien führte, wo er mit ungeheurem Jubel empfangen wurbe, und man dieſen fortan wie einen jelbftändigen Herricher Re⸗ gierungsakte ausüben ließ 1). Triedri Hatte fich felbit ver Drittel beraubt, einem Vertragsbruche vonjeite ber Öfterreicher entgegenzutreten, da er noch am Tage, wo ber Friede in Neu- ſtadt abgeſchloſſen ward, aus Sparſamkeitsrückſichten die Ent» laſſung ſeiner Söldner angeordnet hatte.

Der Tag in Wien, der von zahlreichen deutſchen Fürſten befucht wurde, beſchäftigte ſich denn auch gar nicht mehr ernſt⸗

1) Schon am 29. September verleiht Ladislaus das Munzmeiſteramt in Wien an Wolfgang Holger. Lichnowsky VI, Reg. Nr. 1706. Für die folgenden Borgänge und bie Verhandlungen in Wien und Neuflabt ift leider wieder Aeneas Sylvius, Hist. Frid,, p. 398 89q., der zwar ſehr gut unterrichtet, aber nicht unparteiiſch ift, faft bie einzige Duelle, Bol. auh Kurz, Öfterreih unter 8. Friedrich I, 127 ff. Voigt, Enea Silvio II, 73ff, und die Erörterungen von Chmel in „Situngßsber. ber Tatferl. Akad.“ XXVIII, 473ff.

Bergebliche Berkanbiungen mit dem Kaifer.

lich mit der Frage, welche Anordnungen bezüglich der Bormunb- ſchaft getroffen werden follten, und es wurde Labislaus that ſächlich als großjährig angeſehen. Die kaiſerlichen Geſandten, unter denen Aeneas Sylvius Piccolomini, jetzt Biſchof von Siena und einer der angeſehenſten Räte des Kaiſers, und Ulrich Riederer, ein gewandter Yurift, die hervorragendften waren, ver- Iangten bei den Berbanblungen, die übrigens erft nach Neujahr begannen, mit beſonderem Nachdrucke Erſatz des Schadens, ber ihrem Herrn zugefügt worden, und Beftrafung ber Schuldigen. Die Ungarn und Oſterreicher antworteten mit ber Forberung, daß der Kaiſer die ungariiche Krone und die Schlöffer und Ort- ſchaften Herausgebe, die er in ihren Ländern in Befit hatte. Wenn bie Geſandten Friedrichs Darauf hinwieſen, daß diefer bie ftreitigen Gebiete teils als Pfand oder durch Kauf, teils in gerechtem Kriege an fich gebracht Habe, und erklärten, daß dieſer fie nur nach Wiedererftattung der gezahlten Summen und nad Zaß- Iung einer Kriegsentſchädigung zurüctellen würde, fo antwor- teten die Oſterreicher mit der Gegenforderung, daß der Kaiſer bie Herrichaften, die er als Vormund in ihrem Lande ver- pfändet hatte, mit feinem eigenen Gelde wieder auslöje.

Die vermittelnden Reichsfürſten, an deren Spite Albrecht von Brandenburg ftand, brachten die Öfterreicher und Ungarn endlich zu einem Angebote, deſſen Annahme fie befürworteten, da günftigere Bedingungen nicht zu erlangen wären. Danach folte der Kaiſer alle Güter, die ihm in Ungarn und Oſter⸗ reich verpfändet worden wären, behalten, die übrigen aber wie bie ungarifche Krone zurüdgeben. Was er felbft anderen als Pfand verichrieben hätte, follte er mit eigenem Gelde auslöfen, aber von König Ladislaus zu diefem Zwecke 80000 Dulaten erhalten. Da die ®ejandten nach ihren Inſtruktionen biefe Vorſchläge nicht annehmen konnten, fo reiften die Fürften mit Aeneas Sylvius und Ulrich Riederer wie mit Ulrich Eizinger und dem Biichofe von Großwarbein als Gelandten des Ladis⸗ laus ?) nach Neuftadt, um den Kaifer zur Annahme derielben

1) Diefe beiden erwähnt Ebendorffer, p. 873.

Einfluß Ulrichs von Cilli. 9

33 beivegen. Friedrich fand das Angebot viel. zu niedrig und ließ. den Bilchof von Siena, der fih warm dafür ausſprach, feine Ungnade fühlen. Aber während einer fchlaflofen Nacht befann er fich doch eines andern und beauftragte feinen: Bruder Wbrecht, die Vertragspunkte aufzufegen. Nach bem von biefem verfaßten Entwurfe, ber nom 26. März 1453 datiert ift!), ſollte ver Kaifer in Ungarn Odenburg und das Schloß Forchten⸗ ftein als Pfand um 50000 Dulfaten behalten, Güns und Rech⸗ nit. wie die Königskrone herausgeben, für feine Forderungen an Ofterreih 30000 Dulaten und als Pfand dafür Steyer usd zwei andere Schlöffer. befommen und auch im Beſitze der &üter bleiben, bie König Albrecht: an Triebrich von Zirol ver- äußert und fpäter er am fich gebracht hatte. Aber auch dieſer Vertrag, der in der That für den Kaifer vorteilhaft genug geweſen wäre, kam nicht zur Ausführung, da Ulrich von Cilli bie Beitätigung burch ben König Ladislaus vereiteltee Noch beim Tode dieſes Könige. waren die Streitigleiten mit bem Kaiſer nicht vollſtändig beigelegt.

Obwohl Ladiglaus vom Kaiſer eine ſehr gute Erziehung erbalten hatte und auch reifen Verſtand und namentlich) eim ‚ausgeprägtes Bewußtfein von feiner Zöniglichen Würbe zeigte, io war er doch in einem Alter von faum 13 Jahren noch un« "möglich imftande, als wirklich jelbjtändiger Fürſt unter ben ichwierigften Verhältniffen die Regierung zu führen. Es war boch eigentlich nur bie Perjon des Vormunds gewechjelt worden, indem der junge König fich zunächjt ganz von jeinem Vetter Ulrich von Cilli leiten Tief. Nun ftand allerdings in Bes ziebung auf den Charakter Ulrich Hinter dem Kaiſer weit zu⸗ rüd; er war ausichweifend gleich feinem Vater, als Politiker ebenjo wie bie meiſten Großen feiner Zeit, gewiſſenlos. Aber ar war ein energiiher und verftändiger Mann ?) und auch

3) ©&o bei Chmel, Materialien II, 46. Nach anderer Hſ. ap. Pez Ik, 557, vom 28. Mär;

2) Consilio maturus und vir cordatus atque sagax nennt ihn

Aeneas Sylvius 1445 in Ep. 81 (ed. Basil.), der in feinen fpäteren,

92 Hunyady Hauptmann in Ungarn.

eifrig bedacht, die Intereffen des jungen Königs zu wahren und deifen Autorität zur Geltung zu bringen. Doch mußte er mit großer Vorficht handeln, da das Anſehen und die Macht Hunyadys und Podiebrads in Ungarn und Böhmen zu tiefe Wurzeln gejchlagen batten, als daß fie einfach Hätten befettigt werden fünnen, und jebenfall® vermeiden, fich die bisherigen Machthaber in den verjchievenen Ländern bes Königs zugleich zu Feinden zu machen.

. Anfangs ſchloß fih Ulrih an die Ungarn und Johann Hunyady ar, obwohl diejer in früheren Jahren fein entichievener Feind, geweien war. Als Hunyady um Weihnachten 1452 die Stelle eines Gubernators nieverlegte, ernannte ihn König Ladis- laus, natürlich von Ulrich dazu beftimmt, zum erblichen Grafen von Diltrig oder dem Nösnerlande und verlieh ihm eine Reihe anderer Auszeichnungen ?). Wichtiger war es, daß Hunyady tbatjächlich die Verwaltung Ungarns auch fortan behielt, indem er während der Abwejenbeit des Königs zum oberiten Haupt- mann besjelben und zum Verwejer der königlichen Einkünfte 2) ernannt wurde. Es ſoll zugleich die Verabredung getroffen worben fein, daß er dem Könige jährlich 24000 Dukaten ab- liefern, von dem Weite ver Einkünfte aber die Koſten der Ver⸗ waltung des Reichs und der Yandesverteidigung bejtreiten jollte ®). Oleichzeitig wurde Hunyadys Älterer Sohn Ladislaus zum Ban

nach 1452 gefchriebenen, Geſchichtswerken ihn wie alle Eillier nicht ſchwarz genug ſchildern kann.

1) Teleki X, 34789q.. Beurkundet wurde alles in Presburg am 30. Sannar und 1. Februar 1453 nah eingeholter Zuftimmung des ungarifchen ReichStages, aber die Verleihung der Grafſchaft Biftrig nad der erſten Urkunde jhon in Wien vollgogen. Vgl. Ebendorffer, p. 872,

2) So nennt fih Hunyady in Urkunden der folgenden Zeit. Beide Titel bei Teleki X, 379, erflerer allein ibid. 395. 403. 417. 422. 475. Vgl. ibid. II, 268, N. 4.

3) Aeneas Sylvius, Ep. 162 mit „ut ajunt“, in Hist. Frid., p. 449 als Thatſache. Daß Hunyady auch dem Grafen jährlih 12000 Dulaten verjprochen babe, bezeichnet Aeneas auch bier nur als Gerücht, das er in obigem Briefe vom 12. Yuli 1453 noch nicht erwähnt.

Podiebrad Gubernator von Böhmen. 98

von Kroatien, fein Günftling Iohann Bit, Biſchof von Grof- warbein, zum Sanzler des Königs ernannt ?).

Jetzt zeigte übrigens Johann Giskra, daß ihm die DVer- teidigung der Rechte des jungen Labislaus nicht bloß ale Vorwand für eigennütige Beſtrebungen gedient Gabe, ſondern wirklich Herzensjache geweſen ſei. Der unbefiegte Krieger gab auf Verlangen des Königs die von ihm in Oberungarn be jeßten Städte und Burgen gegen eine Summe Geldes frei. willig heraus 2), und man konnte hoffen, daß endlich biefe ſchwer heimgeſuchten Gebiete die fehnlich gemwünfchte Ruhe finden würden. Aber feine Banden wollten das lang gewöhnte Leben nicht fo bald aufgeben. Einer ver früheren Unterbefehlshaber Giskras, der Böhme Peter Affamit, fammelte die ‚Brüder“, deren Zahl unter ihm bis auf 15000 Mann ftteg, da er nicht bloß boden Solo zahlte, fondern auch mit feinen Leuten die Beute teilte, und gründete im nörblichen Ungarn einen fürmlichen Näuberftant. Den Mittelpunkt eines zweiten Brüderheeres bildete Akſamits würdiger Genoffe Talafus, der auch fchon in Iegter Zeit umabhängig von Giskra das Räuberhandwerk im großen betrieben hatte. Ladislaus Hunyady, der mit einem Heere gegen Akſamit geſchickt wurde, vermochte ihn micht zu bezwingen. Um ihn weniger gefährlich zu machen, mußte man ihn endlich in den Sold des Königs nehmen >).

Auh mit Georg von Pobiebrad fuchte fich Ulrich von Cilli zu verftändigen. Am 2. Mai 1453 beftätigte König Ladislaus denjelben nicht bloß als Gubernator von Böhmen, fondern verlängerte ihm ſogar diefe Würde auf weitere ſechs Jahre. Ale Beamten erhielten die Weifung, demſelben Gehorjam zu leiften und die Einkünfte ihm an Stelle des Königs abzu- liefern ®).

1) Teleki X, 365. 381. 383 zc. 2al. II, 277, N. 2 und 3. 2) Aeneas Sylvius, Epist. 162.

8) Aeneas Sylvius 1. c. und Europa ap. Freher II, 88. Krones, Die böhmischen Söoldner Im öſtlichen Oberungarn, ©. 9ff.

4) Balady IV, 1, 325f.

u Sturz Ulrichs von Cilli.

Hatte fo Ulrich im Namen des Königs auf die Regierung in Ungarn und Böhmen anf Lange Zeit verzichtet, fo fuchte ex fich wenigftens auf die Verwaltung in Ofterreich einen maß- gebenden Einfluß zu fichern. Dadurch mußte er aber mit Ul⸗ rich Eizinger in Konflift kommen, ver dasſelbe anftrebte und mir zu dieſem Zwecke den Aufſtand gegen ben Sailer ange⸗ ſchürt Hatte. Eizinger Hatte die Prälaten, den niederen Abel und bie Stäbte auf feiner Seite, während die Barone, viel leicht aus Abneigung gegen den fremden Emporkömmling, mehr dem Grafen von Cilli geneigt waren. Anfangs verichaffte dieſem fein Einfluß auf den König das Übergewicht. Eizinger ward im Sommer 1453 aus dem Rate vesjelben entfernt ?), ja der Cillier ſuchte deſſen Macht vollftändig zu vermichten, in⸗ dem er dem König riet, von ihm die zahlreichen Ianbesfürft- lichen Burgen zurüdzufordern, welche vemfelben nach und nad übertragen worden waren ?). Aber fchlieplih fand der Graf an Eizinger feinen Meifter. Als im September 1453 ein öfterreichticher Landtag nach Korneuburg berufen wurde, um für die bevorftehenbe Krönung des Königs in Böhmen Gelb» mittel zu bewilligen, fo forderten bie Stände auf Veranlaffung Eizingers in einer geheimen Sigung von Ladislaus Die Ent» laffung des Cilliers. Der König fagte zu und übte die Kunft der Berftellung, die er während der läſtigen Vormundichaft gelernt hatte, dem Grafen gegenüber mit folcher Meiſterſchaft, daß diefer von der ihm drohenden Gefahr feine Ahnung batte. Nach der Rückkehr nach Wien, deffen Bürgerfchaft Eizinger un⸗ bedingt ergeben war, ließ diefer während ber Nacht die Burg mit zahlreichen Soldaten befegen und fündigte am 28. Sep» tember dem Gillier im Gegenwart und im Namen des Königs fetne Entlafjung an. Der Graf, in Wien allgemein verhaft

1) Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 447. Noch am 13. Mai 1453 zeigt 8. Ladislaus auf Nat Ulrih8 von Cilli fih ihm günftig. Chmel, Materialien II, 52. Am 9. Juli ift Eizinger Zeuge des 8. Ladislaus für Cilli. F. R. Austr. Dipl. II, 40. |

2) Nah des Grafen eigner Angabe in fpäterem Schreiben an bie öfterreihifchen Stände ap. Kollar U, 1385 gg.

K. Ladislaus und die Böhmen. 5)

und vom Pöbel fogar mit. Steinwürfen eınpfangen, mußte froh jein, daß er ohne Gefährdung feines Lebens aus ber Stabt entlam !). |

Gewonnen bat freilich der König durch dieſe Anordnung am wenigiten. Er mußte jett die ganze Negierungsgewalt in Oſterreich bis zur Vollendung feines zwanzigften Jahres einem Rate von zwölf Berjonen übertragen, von denen jever ber vier Stände drei wählen folite ?).

Einen nicht größeren Einfluß erhielt Labislaus in Böhmen ?). Seiner Krönung zum Könige hatten fich dort große Schwierig- feiten entgegengeitelt. Ein Landtag, der um bie Mitte bes Oktobers 1452 kurz nach der Befreiung des Ladislaus m Prag zufammengetreten war, Hatte dieſem das Erbrecht abgeiprochen, weil er deſſen Vater nicht als rechtmäßigen König von Böhmen anſah, proflamierte ihn aber als gewählten König, wenn er die an ihn gejtellten Bedingungen betreffend die Gültigkeit der Sompaftaten und der von ben Böhmen mit dem Kaiſer Sigmund geichloffenen Verträge und die Befür⸗ wortung der Wahl Rolycanas zum Erzbiichofe annähme. Ladislaus fol den Böhmen anfangs auf ihre firchlichen Forde⸗ rungen mit jugendlichen Eifer geantwortet haben, wenn fie ihn zum Könige haben wollten, foliten fie Chriften fein und ſich zu demſelben Glauben befennen wie er. Aber nachdem Podiebrad mit Ulrich von Cilli und Eizinger in Znaim längere Zeit unterhandelt hatte, machte Ladislaus am 1. Mai 1453 doch den Böhmen die verlangten Veriprechungen. Sogar vie Ungültigleit der Negierungshandlungen feines Vaters gab er indirekt zu. Da die Böhmen Ladislaus nur auf Grund ihrer Wahl als König zulaffen wollten, fo ärgerte es fie gewaltig, daß die Mährer dieſem am 6. Juli als ihrem Herrn Die

1) Aenoas Sylvius, Hist. Frid., p. 404. 450sqq. Hist. Bohem. cap. 61. Ebendorffer, p. 873. Cillier Ehronit, ©. 112f. Bol. des Grafen Ulrih Schreiben ap. Kollar I, 1385 qq.

2) Kollar II, 1390—1404.

3) Balady IV,1, 314ff., und defien „Urkundl. Beiträge” in F. R. Austr. Dipl. XX.

% Einfluß Georgs von Podiebrad.

Huldigung Teifteten, ohne deſſen Krönung in Prag abzuwarten, die erft am 28. Dftober durch den Erzbilchof von Gran und den Bifchof von Olmüg vorgenommen wurde. Die Bürger von Breslau, welche die heftigſten Feinde der Hufiten waren und in diefer Gefinnung dur den leidenfchaftlichen Buß⸗ und Slaubensprediger Johann von Capiſtran noch mehr beftärkt iwurben, weigerten fich überhaupt, dem Könige in Prag, mitten unter Ketern zu huldigen. Erft als Ladislaus im Dezember 1454 nach Breslau fam, leifteten fie ihm die Huldigung aber ausdrüdlich als ihrem „angeborenen Erbherrn“ ').

Auch nach der Krönung des Königs blieb Die Negierung Böhmens faſt ansjchlieglich in den Händen Georgs won Podie- brad, der nicht bloß Bubernator blieb, ſondern auch königlicher Hofmeifter wurde. Es war dies eine der glücklichſten Zeiten für das Neid. Der Friede im Innern wurde bergeftellt, bie verwirrten Befigverhältniffe geregelt, die Finanzen georbnet. Auch zwiſchen den Katholiken und Utraquiften beftanden im ganzen friedliche Beziehungen. Georg felbjt war fein unduld- ſamer Fanatifer, der die Unterbrüdung ber Katholiken anftrebte, und mußte auch auf den eifrig Fatholiichen König Rückſicht nehmen. Beide Religionsparteien ſtanden fich vollkommen gleich- berechtigt gegenüber und teilten fich in die Landesämter. Auch das Tatholiiche Domkapitel hatte zur Zeit der Königsfrönung nah Prag zurückkehren dürfen. „Durch das Beſtreben des Gubernators“, bemerkt felbft fein veligiöfer Gegner Aeneas Sylvius im Jahre 1455 in einem DVortrage an den Papft, „wurbe ganz Böhmen gleihfam ein Voll. Jedem wurde fein Ritus gelaffen und eine Strafe gegen den verfügt, der den andern Zeil der Ketzerei beichulbigte. So liegen der Wolf mit dem Schafe, der Panther mit dem Jungen des Löwen rubig bei einander“ *). Vergeſſen bat fich freilich Georg auch) felbft nicht. Er erhielt von Ladislaus die Erlaubnis, das nom

1) Srünhagen und Markgraf, Lebens- und Befigurlunden Schleſiens I, 83.

2) ©. Boigt, Enen Silvio II, 167.

Stellung Hunyadys in Ungarn. 97

Könige Sigmund um verhältnismäßig geringe Summen ver pfändete Herzogtum Meünfterberg in Schleften, das Glaker Land, die Stadt und Herrſchaft Kolin und verjchtebene böhmiſche Burgen an fich zu löſen ?). Und bei aller Tüchtigkeit Georgs hat das böhmifche Reich gerade in diefer Zeit einen dauernden Berluft erlitten. Schon 1441 hatte ber Herzog Wenzel von Aufhwig dem Könige von Polen für die Zurüdgabe ber ihm entriffenen Stadt Zator die Huldigung geleiftet. Im Jahre 1453 mußte fein Bruber Johann, der unbejonnenermweile einen Einfall in das polniiche Gebiet unternommen hatte, ſich ebenfalls zur Huldigung berbeilaffen. Vier Jahre darauf Hat dann Johann das Herzogtum Aufhwig um 50000 Mark Groſchen ganz an Polen verfauft ?), ohne daß vonfeite Böhmens irgendeine Einfprache erhoben wurde, vielleicht weil Kaſimir von Polen 1454 des Königs Labislaus jüngere Schwefter Elifabeth geheiratet Hatte.

Während aber im ganzen fich die Zuftände des böhmiſchen Neiches immer mehr befferten und das Verhältnis zwifchen dem jungen Sönige und dem Verweſer Böhmens wenigftend äußerlich ein ſehr gutes war, geftaltete fich die Lage Ungarn immer unglnftiger.

Auh in Ungarn war Labisfaus nur dem Namen nad König und lagen alle militärifchen und finanziellen Befugniſſe in den Händen Johann Hunyadys. Aber vefjen Stellung war nicht fo feft wie gegenwärtig die Podiebrads. Er hatte unter den Grofen zahlreiche Feinde, Die ihm vorwarfen, daß er das Reich bebrüde und zwei ungarifche Heere wie den König Wladi—⸗ law dem Untergange preisgegeben habe ?). Schon am 13. Sep» tember 1453 fchloffen mehrere frühere Gegner und Rivalen

1) Grünhagen und Markgraf a. a. ©. 11,150. Vgl. Palady IV,1, 350f.

2) Eine Mark Groſchen „polnifher Zahl” Hatte 48 Stüde. Die ein- (Hlägigen Urkunden bei Grünhagen und Markgraf a. a. O. II, 584. Vgl. G. Biermann, Zur Geſch. der Herzogtümer Zator und Auſchwitz, in „Sitzungsber. der kaiſerl. Atademie XL, 620 fi.

3) Aeneas Sylvius, Hist. Frid. ap. Kollar II, 404 sq.

Huber, Geſchichte Öfterreih. TIL. 7

98 Unzufriedenheit bes Königs Ladislaus.

Hunyadys, der Karbinal-Erzbifchof Dionys von Gran, der Pa⸗ latin Ladislaus von Sara und der flebenbürgifche Woywode Niklas von Ujlak, dann der Biſchof Andreas von Fünffirchen und der Tönigliche Hofrichter Ladislaus von Paldcz eine Ver⸗ bindung, beren Tendenz gewiß gegen Hunyady gerichtet war, wenn auch dieſer nicht genannt und nichts anberes verfügt ward, als daß fie dem Könige Labislaus und „dem Lenker feiner Angelegenheiten” Ulrich von Cilli gegen alle Ungehor- famen und Rebellen immer beiftehen wollten I). Vielleicht war es nur ein Schachzug gegen biefe Verbinbung, wenn nach bem Sturze des Cillierd bei Gelegenheit der Königsfrönung in Prag Johann Hunyady und der ungarifche Hoffanzler, Biſchof Jo⸗ hann von Großwardein, mit den Machthabern in den übrigen Reichen, mit Georg von Podiebrad und befjen Freunden Alefch und Zdenko von Sternberg und mit Ulrich Eizinger und deſſen Brüdern auf ſechs Jahre ein Bündnis fchloffen, obwohl natürlich auch bier der Nuten des Königs vorgefchoben wurde 2).

Wenn auch der König unmittelbar nad) feiner Befreiung aus den Händen feines VBormundes fich felbft in demonftrativer Weife für einen Ungarn erklärt hatte ®), warb er doch enblich unzufrieben mit der Wendung, welche die Dinge bier nahmen. Er Hatte einem ungarijchen Neichdtage, der im Januar 1454 in feiner Abweſenheit in Ofen gehalten wurde, eine Reihe von Borichlägen gemacht, welche die Herftellung des inneren Trieben und einer georbneten Rechtspflege, die Sicherung des Landes gegen die Türken und eine befjere Verwaltung der königlichen Einkünfte, aber unter Wahrung der Rechte der Stände, bes zweckten. Es follten zur Einhebung der Steuern und Abgaben verläßliche Beamte aufgejtellt, die Bezüge ber verfchievenen Per fonen gejeglich firtert und ohne Zuftimmung bed Königs Teine weiteren Ausgaben gemacht werben. Übrigens wünfchte ber Köntg felbft, daß der Reichstag tüchtige und uneigennütige

1) F. R. Austr. Dipl. II, 30. 2) Ibid., p. 31. 3) Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 402.

Verhaßtheit Eizingers. 9

Männer wähle, die ihm zur Erledigung ungarifcher Angelegen- beiten al8 Räte zur Seite ftehen jollten, und zugleich die Er⸗ nennung eines größeren Rates in Ungarn felbft, um auf An- trag des Königs wichtigere Fragen entjcheiden zu können, ba bie Einberufung eines Reichſstages nicht immer möglich war !). Der ungariiche Reichstag ging auf diefe Vorjchläge nicht ein und beichloß zwar ganz zwedmäßige Maßregeln zur Abwehr ber Zürfen, aber auch die Verwendung der meiften Einkünfte für dieſen Zwed oder für Dinge, die dem Könige nicht not- wendig Ichienen. Er beftätigte daher nur den auf den Türken⸗ krieg bezüglichen Zeil der Neichstagsbeichlüffe 2), verfagte aber den übrigen feine Zuftimmung und beflagte fi in einem Schreiben an den Palatin Ladislaus Sara bitter, Daß die Verſammelten bie Löniglichen Einkünfte unter fich geteilt, auf feine Bebürfniffe aber ganz vergejlen haben, daß gerade von Ungarn, dem größten und vornehmiten feiner Reiche, am mwenig- ften für ihn geforgt werde und daß ihm außer dem Töniglichen Namen und einigen Einkünften von Salz faft nichtS bleibe ).

Es waren doch recht unnatürliche Zuftändel Der Befiger zweier Königskronen und eines Herzogshutes, der nicht ohne herfönlichen Ehrgeiz und Thätigkeitsdrang war, hatte in feinem jeiner Länder eine wirkliche Macht. In Böhmen und Ungarn regierte ein Magnat, in Djterreich ein ftändifcher Ausichuß, und auch die Einkünfte wurden zunächit für die Bebürfniffe der Länder oder zur Bereicherung der Machthaber verwendet, die dem König nur ablieferten, was fie ihm zu geben für gut fanden. Übrir gens waren die Unterthanen fo wenig zufrieden wie der König. Wie Podiebrad, beſonders aber Hunyady unter den Großen viele Gegner hatte, jo haften viele öfterreichiiche Barone Ulrich . Eizinger, das Haupt der ftänbiichen Regierung, und warfen ihm Eigennug, Vergeudung der Güter und Einfünfte des Her- 3098, Falſchmünzerei, Verhetzung der Stände unter einander

1) Birk, Beiträge in „Quellen und Forſch.“, S. 2451. 2) Abgebrudt ap. Katona XIII, 950-963. Die nicht beftätigten find leider unbelannt. 3) Bei Birk a. a. O., ©. 223. F. R. Austr. Dipl. II, 8. 7 *

100 Uri von Cilli und Hunyaby.

und Gewaltthaten und Übergriffe verichtevener Art vor !). Sit es ein Wunder, wenn ber junge König eine Änderung dieſes AZuftandes anftrebte, wenn er mit Sehnjucht auf die Tage zurück⸗ blickte, wo noch Ulrich von Cilli ihm geleitet und wenigftens anf das beſte für feine Bedürfniſſe gejorgt batte, und wenn er ber Verwendung ber freunde besjelben Gehör jchentte? Raum war er am 16. Februar 1455 aus Breslau nah Wien zurüdgefehrt, fo erichten der Graf wieder an feinem Hofe, wo er von ben Großen und dem wandelbaren Bolle mit Jubel empfangen wurde ?).

Wie die Wiedereinjegung des Cilliers in feine frühere Stel- fung für Eizinger das Signal war, um fih aus Wien auf feine Güter zurüdzuziehen, fo jollte auch Hunyady bald bie Wirkungen berjelben empfinden. Schon am 7. April verbanven fich deffen Gegner Ladislaus Sara und Niklas Ujlaky mit Ul« rih von Cilli zu gegenfeitigem Beiſtande in allen Angelegen- beiten, die Ungarn und ihre Rechte beträfen ®). Es unterliegt feinem Zweifel, daß dieſes Bündnis vorzüglich gegen Hunyady gerichtet war und daß der Eillier, der auch in Ungarn bie oberfte Negierungsgewalt auszuüben ftrebte, denſelben zu verbrängen und ven König gegen ihn einzunehmen fuchte, wenn auch bie weitergehenden Beichuldigungen des Grafen, daß er Hunbaby nad Wien zu Ioden und bier zu töten beabfichtigt Habe *), un⸗ begründet oder wenigſtens übertrieben fein mögen. Doch kam zunächſt noch eine Ausſöhnung zwiſchen dieſem und dem Grafen Ulrich zuftande. Ja am 1. Auguft 1455 fchlofjen beide fogar

1) ©. bie im leidenfchaftlicften Tone gehaltene Anklagefchrift gegen Eizinger aus biefer Zeit (nicht 1457) im „Notizenblatt” der kaiſerlichen Akademie 1857, ©. (231 ff. und) 245 ff. und Eizingers Verteidigung gegen andere Vorwürfe vom 22. Juli 1454, bei Birk, Beiträge a. a. O., ©. 249f., wie Aeneas Sylvius, Ep. 127 (ed. Basil., p. 657), b. d. 5. Juli 1454. j

2) Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 457. Am 15. $ebr. war Uri no in Waraspin (Chmel, Materialien II, 78), am 20. ober 22., wie es fiheint, ſchon in Ofterreih. Boigt, Enen Silvio II, 132.

3) Teleki X, 437.

4) Aeneas Sylvius, Hist. Frid,, p. 457sgg.

Eindrud des Falls von Konftantinopel. 101

ein enge® Bündnis zu gegenleitiger Unterftügung gegen alle Beinde und verabrebeten zur Befeftigung besielben eine Ver⸗ mählung ihrer Kinder, des Ladislaus Hunyady mit Ulrichg Tochter Elifabeth '). Auch mit dem Könige jühnte fih Hunyady im Frühjahre 1456 aus, nachdem die Spannung zwifchen ihnen einen folchen Grad erreicht Hatte, daß leßterer nur mit einem Löniglichen ©eleitsbriefe und in Begleitung feiner mächtigften Anhänger an den Hof zu kommen gewagt hatte ?).

Dur) die von außen drohenden Gefahren wurben bie in» neren Zwiftigfeiten für kurze Zeit zurückgedrängt.

Am 29. Mat 1453 hatte der Sultan Muhammed II. Kon» _ itantinopel nach langer Belagerung erobert und baburch bem oſtrömiſchen Kaiferreiche ein Ende gemacht. Der Eindrud, den diefe Kataſtrophe auf das chriftliche Abendland hervorbrachte, war groß, aber nicht nachhaltig. In Deutichland wurden in den Jahren 1454 und 1455 drei Reichstage, in Regensburg, Srankfurt und Wiener Neuftadt, gehalten. Es wurden auf denſelben von Aeneas Syloius al8 Vertreter des Kaiſers ſchöne Reden gehalten, von verjchievenen Fürften großiprecheriiche Ver⸗ ſprechungen gemacht, aber nichts Definitives beichloffen, da weder ver Kaiſer noch die Fürſten für einen Krieg gegen die Uns« gläubigen wirklichen Eifer hatten, am wenigiten jih dafür in Untoften ftürgen wollten. Die übrigen Zürften Europas waren nicht opferwilliger. Die Päpſte Nikolaus V. und deſſen Nach» folger, der greife aber feurige Calixt III., ließen bas Kreuz predigen und Gelder einfammeln. Aber bie Prebiger, unter denen der Minorit Johann von Gapiftran der berühmtelte war, fanden überall Gleichgültigfeit oder Eiferfucht und Wider» willen gegen den Bapft, ver unter dem Vorwande eines Kreuz. zuge8 nur Geld in feine Kammer locke; nur beim gemeinen

1) Chmel, Materialien II, 82f., erneuert am 31. März 1456. A. a. O., ©. 105.

2) Thwrocz 1. IV, c. 53, fälſchlich zu 1453. Beſchuldigungen bes K. Labisfaus gegen Hunyaby vom 21. März 1457, bei Birk in „Duellen und Forſch.“, ©. 255. Am 4. April 1456 urkundet 8. Ladislaus wieder für Hunyady. Teleki X, 49.

104 Üble Lage Ungarns.

Schloß der Sultan dieſes durch eine auf der Donau erbaute Flotille auch auf der Wafferfeite ein.

Die Mafregeln zur Abwenbung einer fo großen Gefahr waren fo kläglich als möglich. Bon außen blieb Ungarn troß aller Reichdtage und Kreuzbullen faft ohne Unterjtügung. Gapiftran brachte allerdings aus Deutſchland, Böhmen, Schlejien mid Polen wie aus Ungarn ſelbſt einige tauſend Kreuzfahrer zufammen. Aber e8 waren faft alles Leute aus ben untern Volksklaſſen, Handwerker, Bauern und Bettler, dann Studenten, Geiftliche, Mönche und Klojterbrüber, beſonders Minoriten, alle im Kampfe ungeübt, meift auch unbewaffnet, nur mit Rnitteln, Stöden und Schleudern, höchſtens mit Schwertern verfehen. Eine größere Zahl gut bewaffneter Leute aus Süpbeutfchland und Dfterreich fam erft nach Ungarn, als die Türken bereits von Belgrad abgezogen waren !). Ungarn jelbft war durch Uneinigfeit unter den Großen und bie Eiferjucht gegen Hunyady gelähmt. König Ladislaus, der, begleitet vom Grafen von Cilli und dem fchon im vorigen Jahre wieder in feinen Rat aufs genommenen Etzinger ?) im Januar nach Ungarn gelommen war, dachte noch im April weniger an die Abwehr ver Türken als an einen Feldzug gegen den Kaiſer, der ohne die verlangte Entſchädigung die ungariſchen Grenzgebiete und die Reichskrone nicht herausgeben wollte*). Anfangs Juni verließ Ladislaus unter dem Vorwande einer Jagd Ofen und begab ſich nach

1) Anonymi Chron. Austriac. ap. Senckenberg, Selecta V, 13sq. Nach dieſer gleichzeitigen Chronik, p. 12, belief fih die Zahl der Kreuz⸗ fahrer in Belgrad (Polen und Deutiche) auf 6000, ein von ben Nürn« berger Hauptleuten am 15. Eeptember nachhauſe geſchickter Bericht an K. Ladislaus, im „Anz. f. K. d. deutſchen Vorzeit“ 1863, ©. 253 ff. giebt als Gefumtzahl der Deutſchen, Polen und Ungarn in Belgrad mehr als 12000 Dann. Diefe Angaben verdienen viel mehr Glauben als andere, viel höhere Schätungen, ja geben vielleicht noch zu bobe Ziffern, va nah Dlugosz 1. XIII, col. 187 Capiftran nur cum 800 armigeris, meift Polen, nad) Belgrab fommt.

2) Lichnowsky VI, Nr. 2031. 2066 (vollſtändig Teleki X, 476. 490) und bie „Zeitung” bei Balady, Urkundl. Beiträge, ©. 9.

3) Balady, Geſch. Böhmens IV,ı1, 387—393.

Die Belagerung Belgrads. 105

Wien, um bier Truppen gegen die beranziehenden Türken zu fammeln. Hunyadys Aufrufe blieben bei ben eiferjüchtigen ungariichen Großen unbeachtet. Außer feinen eigenen ‘Dienft- leuten fand fih nur Johann von Korogh, Ban von Machow, mit geringer Mannſchaft bet ihm ein.

Die Verteidigung von Belgrad hatte Hunyady feinem Schwager Michael Szilaͤghi anvertraut ). ALS die Türken, welche Anfangs Juli die Belagerung begannen, dasſelbe immer mehr bebrängten, beichloß er, ungeachtet feiner geringen Macht, demielben Hilfe zu bringen. In Slankamen jammelte er uns gefähr 200 Fahrzeuge, belud fie mit Mannſchaft, Waffen und Lebensmitteln und griff damit am 14. Juli die türkifchen Schiffe an, bie mit Ketten an einander befeitigt waren. Gleichzeitig wurden biefe durch AO Kühne, welche mit Bewohnern von Belgrad, geſchickten Bogenjhüten, bemannt waren, von hinten gefaßt. Nach fünfjtündigem Kampfe war die türfiihe Schiffs- reihe geiprengt, drei große Galeeren verfenkt, die übrigen, deren Demannung meift tödlich verwundet war, zum Abzuge gezwungen. Der Weg nad Belgrad war geöffnet, aber die Mannfchaft, welche Hunyady und Capijtran dahin brachten, leider wenig zablreich.

Eine Woche darauf war Belgrad bereit8 aufs äußerite gebracht. Die Feftungsmauern mit den Türmen waren auf einer Seite zufammengejchoffen, die Gräben ausgefüllt, c8 war, wie Hunyady jpäter jchrieb, feine Feſtung mehr, jondern ein ebenes Feld. Am Abend des 21. Yuli ordnete baber ber Sultan den Sturm an, der die ganze Nacht und bis zum folgenden Mittag fortvauerte. Wiederholt drangen die Türken in die Stadt; fchon wehte endlich die Fahne mit dem Halb» mond auf den Mauertrümmern; ſchon ftürmten die Feinde das legte Bollwerk, die Burg; ſchon fol Hunyady felbjt an bie Räumung berielben gedacht Haben. Doch fiegte bier endlich die

1) Diefen nennt al8 capitaneus Thwrocz 1. IV, c. 55, unb König Ladislaus felbft in Url. vom 21. März 1457, in „Quellen und Forſch.“ ©. 255.

106 Johann Hunyabys Tob.

Begeifterung der durch die Zurufe Capiftrand angefeuerten Chriſten über die zahlveicheren Türken, welche teilweife im ben Gräben durch ſchwefelgetränkte, angezündete Neifigbündel elend verbrannt und endlich aus der Stadt binausgetrieben wurben. Tollkühn drangen die Kreuzfahrer troß des Verbotes Hunyadys ihnen nad. Sie gerieten zwar eine Zeit lang in Bebrängnis und verloren fehr viele Leute. Als ihnen. aber Hunyady mit den Ungarn zubilfe fam, jo bemächtigten fie fich vieler Geſchütze und griffen ſelbſt das befeitigte türfifche Lager an. Da im entſcheidenden Augenblide 6000 türkiiche Reiter, bie zur Deckung des Donauufers entjendet gewejen waren, zurüdlehrten und bie Chriſten im Rüden angegriffen, wurben bieje am Abende end- lich zurüdgetrieben. Aber in ver folgenden Nacht trat ber Sultan, der feine Artillerie und ven größten Teil der Janit⸗ icharen verloren hatte und felbft vurch einen Büchſenſchuß am Schenkel verwundet worden war, in aller Stille den Rück⸗ zug an').

Die beiven Netter Belgrads und dadurch auch Ungarns überlebten diefen Sieg nicht lange. Hunyady ftarb ſchon amt 11. Auguft mit Hinterlafjung von zwei Söhnen, Ladislaus und

1) Die Berichte über die Kämpfe um Belgrad (von denen einige ber wichtigften leider noch nicht aufgefunden find) Hat Katona im 13. Banb ziemlich vollftänbig gefammelt. Es kommen Hauptfächlih zwei Schreiben Hunyadys an den Erzbiſchof von Gran und den König Labislauß, leider nur ſehr ſummariſche Angaben enthaltend, zwei bürftige Schreiben Eapiftrans, ber erwähnte Beriht im „Anz. f. K. d. deutſchen Vorzeit“ 1863, Sp. 253, dann ber rubmrebige Bericht des Minoriten Sodann von Tagliacozzo, eines Begleiters Eapiftrans, weiter Chalkokon- dylas, p. 416sqq, Thwroczl.c., Dlugosz, 1. XIU, col. 186sgqg. und Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 460, unb Hist. Boh., c. 65, in Betradt. Vgl. auch Ebendorffer, p. 878899. Bon den wid tigften Vorgängen kaun man fih daraus ein annähernd richtiges Bild maden. Doch darf man nicht alle erzählten Einzelnheiten verwerten wollen, da die Duellen fih im Detail fehr oft wiberfprechen. Cine ver- nünftige Kritit der Quellen bat ©. Voigt, Johannes von Eapiftrano, in „Sybels Hiſt. Zeitſchr.“ X, 75ff., geliefert, der aber Chalkokondylas überfehen bat.

K. Ladislaus und Ladislaus Hunyady. 107

Matthias, an der Peſt, Capiſtran folgte ihm am 23. Oltober im Tode nach.

Unßerdeſſen waren aus Süddeutſchland auf der Donau zahlreiche gut ausgerüftete Kreuzfahrer nach Wien gelommen und nad Ofen weitergefahren, denen dann noch bei 3000 Ofterreicher folgten. Am 25. Auguft brach auch König Ladis⸗ laus in Begleitung des Herzogs Dtto von Baiern mit einer Schar von Söldnern nah Ungarn auf, wohin ihm außer mehreren böhmiſchen Herren auch Ulrich von Cilli folgte, ber am 3. September mit Georg von Podiebrad in Mähren eine Zuſammenkunft gehalten und einen Vertrag zu gegenfeitiger Unterftügung gejchloffen Hatte. Anfangs Oktober begab fich ver König nad Futak oberhalb Peterwardein, wohin ihm die Kreuz, fahrer, Deutſche und Angehörige der böhmijchen Länder, un- gefähr 6000 an der Zahl !), vorausgefahren waren, andere nachfolgten. Hierher Hatte er auch die ungarifchen Großen berufen, um mit ihnen über die Führung des Krieges gegen die Türken und andere Angelegenheiten zu beraten. Allein Ladislaus Hunyady, des Gubernators älterer Sohn, der mehrere taufend Mann um fich gefammelt Hatte ?), erſchien erft dann beim Könige, als ihm dieſer die urkundliche Verficherung ge« geben hatte, daß fein Vater ald Reichsverweier und Hauptmann die Staatseinkünfte getreu verwaltet babe und daß deswegen feine Söhne nicht zur Rechenschaft gezogen werben follten ?). Doc verſprach er dann dem Könige eivlich, Belgrad und andere der Krone gehörige Burgen, die noch von feinem Vater ber in feiner Gewalt waren, innerhalb einer bejtimmten Friſt zurück⸗ äuftellen. Auch mit Ulrich von Eilli erneuerte Ladislaus Hunyady

1) Diefe Zahl, welche Anonymi Chron. Austr. ap. Senckenberg, Sel. V, 14 angiebt, fcheint mir glaubwürdiger als die 44000, welde ein fonft gleichzeitiger Bericht bei Birk, Beiträge in „Quellen und Forſch.“, S. 251, nad Belgrad kommen läßt.

2) Berichte der Nürnberger Hauptleute vom 15. Oft. und 4. Nov., im „Anz. f. 8. d. deutſchen Vorzeit“ 1863, Sp. 286 ff.

3) Pray II, 371. gl. die Urkunde Königs Labisfaus vom 21. März 1457, in „Duellen und Forſch.“, ©. 256.

108 Ermordung Ulrichs von Eili.

den Vertrag, den vor einem Sabre fein Vater wegen feiner Vermählung mit der Xochter des Grafen gejchlojfen hatte. Auch diefer Vertrag wurde feierlich befchworen. Nachvent ber König Hierauf den Grafen Ulrich zum Hauptmann feines Heeres ernannt hatte !), fuhr dasſelbe am 8. November mit bem Könige nach Belgrad.

Ladislaus Hunyady war aus dem Lager zu Tutal dem Könige nach Belgrab vorausgegangen unter dem Vorwande, demſelben eine würbige Herberge bereiten zu wollen. Es läßt fich nicht mit Sicherheit jagen, ob er ſchon damals entſchloſſen war, dem Grafen von Eilfi, durch den er ganz in ben Hinter- grund gebrängt zu werben fürchtete, aus dem Wege zu räumen, oder ob er erft in Belgrad mit feinen Freunden den Plan hierzu gefaßt hat. Wahrfcheinlicher tft das erſtere. Wenigſtens wurde der Graf jelbft vom Erzbilchofe von Ealocja, von Reinold von Rozgon und anderen Ungarn gewarnt, ſich nicht nach Bel- grad zu begebent. Da aber jein Rat Friedrich Lamberger, den auch ex in Begleitung des Königs und anderer Herzen von Semlin nach Belgrad und ritt auf das Schloß.

Kaum hatten dieſelben mit wenigen Dienern die Zugbrüde überfchritten, jo wurde bas Thor gefchloffen und feinem Be⸗ waffneten mehr der Eintritt gejtattet; die Kreuzfahrer mußten in der Stadt lagern, während Die Burg ganz in ber Gewalt der Bartet Hunyadys war. Schon am frühen Morgen des folgenden Tages (9. November) Tieß Hunyady den Grafen unter dem Borwande einer wichtigen Beratung aus der Meffe zu fih laden. Als derſelbe nach Vollendung des Gottespienftes erichien, empfing ihn Hunyady, bei dem fich auch fein Mutters⸗ bruder Michael Szilaͤgyi, Ladislaus von Kanifa und andere feiner Anhänger befanden, mit heftigen Vorwürfen über fein feindfeliges Verhalten gegen feinen Vater und ihn ſelbſt. Da

1) Michel Beheims Gebit in „Duellen und Forſch.“, &. 57, B. 472 ff. „Cillier Chronik“, S. 121: „zu einen oberften baubtmann (andere Hſ.: Veldt⸗haubtmann) in Ungarn“.

Verhalten bes Könige. 109

der Graf fich verteidigte, griffen die Magnaten zu ben Schwertern, worauf auch der Cillter feine Waffe zog und Hunyady an der Hand und am Haupte, Szilägyi am Arme verwundete und noch andere verlegte. Geſchützt durch fein Panzerhemd leiſtete er lange Widerſtand. Endlich aber wurde er vom berbeieilenden Gefolge Hunyadys an den Füßen verwundet, zu Boden geworfen und getötet, worauf man dem Leichnam noch das Haupt ab» ſchlug. Graf Gregor von Korbavien und ein jechzehnjähriger Züngling Namens Kepler '), die auf den Lärm ihm zubilfe gekommen waren, hatten ihn nicht retten können, leterer war jelbjt an den Fingern verwundet worden. Auch das Gefolge des Eilfierd und der anderen nicht ungarifchen Begleiter des Königs wurde ihrer Waffen und ihrer ganzen Habe beraubt.

Dem Könige ftellte Hunyady vor, der Eillier babe den Kampf begonnen, ſodaß derjelbe von ihm in gerechter Notwehr getötet worden fe. Da jener wie ein Gefangener in ben Händen der Anhänger Hunyadys war, fo blieb ihm nichts übrig, als das Geſchehene gutzubeißen und zu thun, was man von ihm verlangte. Die Kreuzfahrer hätten zwar gern bie Durg geftürmt und den Tod ihres Anführers gerächt, ließen fih aber endlich im Auftrage des Könige von den Herren von Roſenberg und Sternberg beruhigen. Unter dem Vorwande, daß wegen ber vorgerlicten Jahreszeit ein Zug gegen die Türken nicht mehr möglich ſei, fchicte fie der König unter Anführung Wilhelms von Liechtenftein nachhaufe 2) und meldete zugleich

1) Er ift wohl der Sohn jenes Hanns Keppler von Selewitz, zu beijen Gunften Ulrich von Cilli 1455 urkundet Chmel, Materialien LI, 78. Bol. Lichnowsky VI, Nr. 2189. Nah PBalady, Geld. Böhmens IV, 1, 402, war er ein Böhme Namens Kaplir von Sulowig.

2) Über den Zug nad Belgrad und die Vorgänge daſelbſt Haben wir mehrere eingehende Berichte, die teils von Teilnehmern am Kreuzzuge berrüßren, teild auf Mitteilungen von folchen beruhen, wie das Gebicht Michel Beheims in „Quellen und Forſch.“, S. 57 ff., der von Birk mit anderen einfchlägigen Aktenſtücken mitgeteilte Bericht ebd., S. 251f., das Schreiben bes öſterreichiſchen Hubmeiſters Konrad Hölzer bei Palady, Urkundl. Beiträge, ©. 104. Anonymi Chron. Austr. ap. Senckenberg, Sel. V, 15sggq., und bie „Eillier Chronit“, S. 119 ff.

110 Stellung bes Ladislaus Hunyady.

feinem treuen Giskra von Brandeis, den er auch gegen bie Türken aufgerufen Hatte, baß fein Erſcheinen nicht mehr nötig ſei !).

Nah der Wegräumung des einflußreichiten Natgebers des Königs konnte fich Ladislaus Hunyaby in der That als ben eigentlichen Regenten von Ungarn anjeben, bejonvders da ihm der König notgedrungen auch die Würde eines Generallapitäng verlieh 2), die früher fein Vater befleivet hatte. Im feiner Be- gleitung begab fich der König von Belgrad nach Temesvar, wo diefem die Witwe des verftorbenen Gubernators mit ihrem jüngeren Sohne Matthias entgegenfam. Ein Meifter. der Ver⸗ ſtellungskunſt, zeigte fich der junge Fürft heiter, ja fröhlich, und forderte auch die Witwe mit ihrem Gefolge zur Ablegung ber Zrauerlleiver auf. Zugleich gab er die fchriftliche Verficherung, daß er den Mord jeines Wetters an Ladislaus Hunyady und beffen Bruder nie rächen würde, und leiftete darauf einen feterlichen Eid auf Die heilige Hoftie 3). Dadurch ficher gemacht und wohl auch auf ihre Macht und die Zahl ihrer Anhänger vertrauend, zogen bie beiden Hunhady im Dezember mit dem

Jede Einzelfiheit wird man freilich denſelben nicht glauben dürfen, wie fie auch in ſolchen nicht felten differieren, aber im ganzen verbienen fie offenbar Glauben. Aub Ebendorffer, p. 881 8q., Dlugosz, 1. XII, col. 190 und 199sqq., Eilis Feind Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 463sq., ja ſelbſt Thwrocz 1. IV, cap. 58, wiber[prechen ihnen im ganzen nicht, nur flellen die beiden lettgenannten die Ermordung des Cilliers als nicht beabfichtigte Folge eines Wortwechſels zwiſchen ihm und Humyado bar. Die neueren ungariſchen Hiftorifer haben fich auch bier im weientlichen an ben fpäteren Bonfinius, den Hofhiftoriographen der Hunyadys, gehalten, ber natürlich ben Bruder des Könige Matthias als unſchuldig Hinzuftellen fucht. 1) Kaprinai, Hung. dipl. I, 110. Katona XIII, 1128.

2) Er führt dieſen Titel in Ur. vom 30. November ap. Katona XIII, 1134

3) Thwrocz 1. IV, c. 59, teils durch Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 464 2qq., teils durch die Ausſage bes Königs ſelbſt in Urk. vom 21. März 1457, in „DOuellen unb Forſch.“, S. 257, und bei Te- leki X, 546, beflätigt.

Defien Hinrichtung. 111

Könige nach Ofen, deffen Burg fie mit ihren Leuten beſetzten, ſodaß dieſer zunächſt auch Hier vollſtändig in ihren Händen war. Ladislaus Hunyady beutete die Abhängigkeit des Königs von ihm auch jetzt noch zur Vergrößerung feines Einfluffes aus, indem er ſich von ihm zum Schatntelfter ernennen Tieß !). Dan wird nicht behaupten können, daß der König fchon damals die Abficht gehabt habe, die Hunyady zu verderben und an ihnen blutige Rache zu nehmen. Aber außer Zweifel fteht, daß der ehrgeizige und felbftbewußte Fürft entichloffen war, ſich eine unabhängigere und würdigere Stellung zu verichaffen. Schon furz nad feiner Ankunft in Ofen erklärte er den unga⸗ riichen Magnaten, daß er jeßt zu feiner Vernunft und zu feinen Sahren gelommen fei, und daß er daher nun felbft regieren wolle, und verlangte ihren Rat und ihren Beiſtand, um in den Befit feiner Einkünfte zu fommen. Man wird bie um jo begreiflicher finden, al® man den König an den notwenbigiten Dingen Mangel leiden ließ und es einmal fogar an Holz zum Kochen fehlte). Auch fanden fih in Ofen die alten Rivalen der Hunyady, der Balatin Sara, der Woywode Niklas von Ujlaf, der Hofrichter Ladislaus von Palocz, der Oberftthürbüter Paul Banfiy von Lindva, der Böhme Giskra und andere, teil- mweife mit zahlreicher Begleitung, bei ihm ein, bie ihm gegen diejelben aufhegten und ihm zuredeten, er folle ven Mord feines Oheims nicht ungeräct laffen. In der That ließ der König am 14. März 1457 mit Unterftügung der Genannten und anderer Großer feiner Neiche die beiden Hunyady, den Reichs⸗ kanzler Johann Vitéz, Biſchof von Großwardein, Ladislaus von Kaniſa, Sebaſtian von Rozgon und andere, welche an der Ermordung des Cilliers beteiligt waren oder Anſtifter geweſen

1) Er urkundet als tavernicorum regalium magister am 4. März. 1457 ap. Katona XII, 1145.

2) Aufzeichnungen bei Birk, Beiträge, in „Quellen und Forſch.“, ©. 232f. und 252f. Die Ungarn erflärten ihm nun, daß feine Einkünfte fich jährlich auf 171000 Goldgulden beliefen, ohne jene, die zu den könig⸗ lichen Schlöffern gehörten, und jene, die Giskra inne Habe, und bie etwa 50000 Gulden ausmachen.

112 Aufftand der Freunde Hunyadys.

fein jollten, gefangen ſetzen. Zwei Tage darauf wurde ber ältere Hunyady, den man beichuldigte, daß er fich gegen das Leben des Königs und feiner Räte verfchworen babe, auf Grund eines richterlichen Ausfpruches enthauptet t).

Der junge Fürſt war glüdlih, daß er jet „ein freier regierenver König“ fei und daß e8 „niemanden mehr gebe, ber ihn beberrihe”. Aber die blutige That und fat noch mehr bie ungejchidte Art der Ausführung, indem das Haupt bes Ladislaus Hunyady erjt beim vierten Streiche fiel, brachte in Ungarn den übeljten Eindrud hervor. Das Voll, das den Vater des Hingerichteten als Nationalhelden verehrte, gab feinem Unwillen jo lauten Ausdrud, daß man bei Strafe an Leben und Gut verbot, gegen dieje That fi zu äußern, und daß ber König fich längere Zeit gar nicht mehr aus der Dfener Burg hinauswagte?). Die Mutter der Hunyady, unterjtüßt von ihrem Bruder Michael Szilaͤgyi, warb mit den reichen Schäten ihres Gatten Söldner in Ungarn und feinen Nachbar⸗ ändern und begann den offenen Krieg gegen den König und jeine Anhänger. In kurzer Zeit war ganz Siebenbürgen in Sztlagyis Gewalt. Ihm gelang es auch, den berüchtigten Pongrag von Sz. Millos, Grafen von Liptau, und. deifen Brüder durch das DVeriprechen der Rückgabe der ihnen früher entzogenen Burgen im wejtlichen Ungarn auf jeine Seite zu

1) Daß nur bie Ermorbung bes Eillierd dag Motiv geweſen ift, fagt 8. Labislaus ſelbſt in Schreiben an die Rofenberg vom 15. März bei Palady, Geſch. Böhmens IV, 1, 405. Die Rechtfertigung enthält ber Schußbrief des Königs für die bei der Gefangenfeung der Hunyadys beteiligten Großen bei Birk, Beiträge a. a. O., ©. 257, und Teleki X, 546. Dieſelbe Anfhauung, teilweiſe vielleicht mit weiteren Aus—⸗ ſchmückungen, in ber „Hofmär aus Ungarn“, ebd. ©. 253f., im erwähnten Sebihte M. Beheims und im Chron. Austr. gl. au Aeneas Sylvius, Hist. Frid. 1. c.; Thwrocz, c. 59; Dlugosz, col 202; Ebendorffer, l. c., die manches Detail geben, und bie Schreiben bes Königs und Giskras an die Breslauer vom 14. und 17. März, und andere Nachrichten bei Balady, Urkundl. Beiträge, ©. 107 ff.

2) Schreiben eines Preburgerd vom 22. März bei Birk a. a. O., ©. 258.

K. Ladislaus und ber Kaifer. 118

*

bringen, ſodaß der König feinen verläßlichſten Anhänger Giskra zum Hauptmann von Dberungarn ernannte und gegen Pongräcz ſchickte ). Die Macht der Gegner warb verftärkt, als e8 den vornehmſten Gefangenen gelang, aus ihrer Haft in Ofen zu entfommen. Den König Telbit zog es aus Ungarn fort. Ende Mai begab er fih aus Dfen nach Wien, wohin er ven Matthias Hunyady als Gefangenen mit fi führte.

Auch das ohnehin gefpannte Verhältnis des Königs Ladis⸗ laus zum Kaiſer war durch den Tod Ulrichs von Cilli noch mehr getrübt worden. Diejer beanſpruchte die in Deutſchland gelegenen Gebiete desjelben, die Grafichaften Cilli, Ortenburg und Sternberg auf Grund der Verträge von 1443, Ladislaus den ganzen Nachlaß feines Wetters als nächjter Verwandter. Obwohl die Räte, Burggrafen und Pfleger des Cilliers fich zunächſt dahin einigten, mit ihren Herrichaften und Burgen ber Witwe desjelben, Katharina von Serbien, zu Dienften zu ftehen, dis diefer ein anſtändiges Wittum ausgeſetzt und über die An- ſprüche der zahlreichen Prätenventen vor einem Reichsfürſten⸗ gerichte entichieden worden wäre, jo gelang es dann doch im März 1457 dem Kaiſer, durch bebeutende Verſprechungen die meilten Burggrafen und den oberften Hauptmann Ian Wittowek zur Anerkennung feiner Herrichaft zu bewegen. Wittowet ließ fih aber bald vom Könige Ladislaus gewinnen und überfiel am 30. April unvermutet die Stabt Eilli, wo der Kaijer am Tage vorher eingetroffen war. Doch batte fich diejer aus der Stadt nad dem feiten Schloffe Ober-Eilli begeben, das Wittoweg nicht einzunehmen vermochte, fobaß vieler nach acht Tagen wieder abzog. Es kam nun zu einem hartnädigen Kriege, und erft nach dem Tode des Königs Ladislaus gelang ed dem Sailer, Wittoweg wieder auf feine Seite zu bringen und den übrigen BPrätendenten gegenüber teild durch Waffengewalt, teild durch Geld und andere Konzeifionen feine Anſprüche zur Geltung zu bringen ?).

1) Katona XIUI, 1163 699. Bgl. im allgemeinen Thwrocz 1. VI, cap. 618q., und von neueren Darftellungen Teleki II, 518 ff.

2) „Cillier Chronik“, ©. 129ff. und die von Birk im „Ardiv für

Huber, Geſchichte ſterreichs. II. 8

114 Hölzler, Pobiebrad und Eizinger.

Auf den König Ladislaus übte nach feiner Rückkehr aus Ungarn ben größten Einfluß Konrad Hölzler, ver früher mehr mals VBürgermeifter von Wien gewejen war, feit dem Dezember 1455 aber die Würde eines Hubmeijterd von ſterreich ber kleidete. Hölzler, der mit eigenen Augen gejehen hatte, eine wie unwürbige Stellung der König feit der Ermordung des Grafen von Cilli eingenommen, und der auch zum Sturze bes Ladislaus Hunyady beigetragen hatte, riet feinem Herrn, er folle jet auch die Ubermacht Podiebrads und den Einfluß Eizingers und feiner Freunde zu brechen juchen.

Der König war in der That um diefe Zeit über ben Gubernator von Böhmen wegen verichiedener Eigenmächtigfeiten desſelben aufgebracht. Doch war Podiebrad nicht ver Mann, ver feine Macht fo leicht aus den Händen gab. Er verband fih mit Ulrich Eizinger, und beide arbeiteten nun darauf bin, den Einfluß Hölzlers zu vernichten. Als der König beide nad) Wien berief, erichien Podiebrad an der Spite einer Schar von 800 Heitern und machte troß eines königlichen Geleitsbriefes mit Eizinger an der Donaubrüde Halt, indem fie fich weigerten, bie Stadt, deren Bürger dem Könige und dem Hubmeijter er» geben waren, zu betreten. Von Eizinger unterftügt und mit offener Zeindfchaft drohend jegte Podiebrad nach langen Unter- bandlungen e8 durch, daß die bevorftehende Hochzeit des Königs mit Magdolena, Tochter Karl VII. von Frankreich, nicht in Wien, fondern in Prag gefeiert werden follte, wo derjelbe ganz in feinen Hänben war. Kaum war Ladislaus am 29. Sep- tember 1457 nad Brag gefommen, jo wurde Hölzler, da ex die notwendigen Summen zur Ausrüftung einer glänzenden Geſandtſchaft nad) Frankreich nicht liefern konnte, auf Andringen feiner Feinde wegen Beleidigung des Königs feiner Stelle ent- jet und von Podiebrad in Haft gebracht. So war der Ein- fluß des Gubernators wieder gefichert und auf allen Seiten juchte fich derfelbe Freunde und Anhänger zu verichaffen.. Der

öfter. Geſch.“ X, 201ff., Nr. 141ff., und XI, 141ff., teils in Auszügen, teils vollftändig veröffentlichten Urkunden.

Tod des Königs Ladislaus. J 115

König wurde gendtigt, eine Geſandtſchaft an den Kaiſer zu ſchicken, um fich mit diefem über die Cilliſche Erbfchaft zu ver- gleichen. Auf ver Reife zu demfelben feste Ulrich Eizinger, der an der Spike der Geſandtſchaft ftand, am 31. Oktober ben DBürgermeifter, den Richter und den ganzen Stadtrat von Wien ab und ernannte dafür feine Kreaturen ?).

Wie ſich das Verhältnis zwiſchen dem ebrgelzigen Könige und dem allmächtigen Gubernator in Zukunft geftaltet haben würde, vermag niemand zu fagen, da dieſe Trage infolge des plöglichen Todes des jugendlichen Fürften keine natürliche Löſung fand. Am Abend des 20. November 1457, nachdem er ein Kind Zdenkos von Sternberg aus der Taufe gehoben, fühlte der König ftarke Kopfichmerzen. Am folgenden Tage präfibierte er zwar mehreren Gerichtöverbandlungen, aber dann ver- ſchlimmerte ſich fein Übel, vielleicht auch infolge ungefchieter ärztlicher Behandlung, und ſchon am 23. November hauchte er in einem Alter von nicht einmal achtzehn Jahren feine Seele aus.

Begreiflicherweiſe wurde auch in dieſem Falle die Vermutung laut, der König ſei vergiftet worden. Georg von Podiebrad, feine Gemahlin Johanna von Rozmital, Rokycana wurden als Thäter bezeichnet. Doc ift der König ohne Zweifel an ber Peft, einer Art von Beulentyphus, geftorben, die in Ungarn gemwütet hatte und durch die SKreuzfahrer auch nach anderen Ländern verbreitet worden war ?).

1) Über diefe letzte Regierungsperiode K. Ladislaus ſ. Bachmann, Ein Jahr bohmiſcher Geſchichte, im „Arch. f. öſterr. Geſch.“ LIV, 37 ff.

2) S. die eingehenden Unterſuchungen von Palacky, Zeugenverhör über den Tod K. Ladislaw's. Prag, 1856. Aus den „Abhandl. d. kgl. böhm. Gef. d. Wiſſ.“, V. Folge, 9. B. Vgl. dazu dem gleichzeitigen Bericht aus dem gl. baier. Reichsarchiv bei Bahmann, Urkunden und Altenftüde zur öfter. Geſch. 1440—1471, in „F. R. Austr. Dipl.“ XLII, 204,

Fünftes Bud. Böpmen nnd Yngarn als Wahlreiche. Öfter-

reichs tieffler Berfall und Wiedererhebung. (1457—1493.)

Erfles Kapitel.

Der Streit um Ofterreih. Die Wahl und An- erkennung nationaler Herricher in Böhmen und Un- garn.

Nah dem früßzeitigen Ableben Ladislaus des Nachgeborenen war dies bie wichtigfte Trage, ob bie von ihm beherrichten Län⸗ ber Ofterreich, Böhmen und Ungarn vereinigt bleiben und an einen andern Habsburger fommen, oder ob fie neuerdings ge⸗ trennt werden würden. Die NRechtöfrage bezüglich der Nach⸗ folge lag in verſchiedenen Reichen in der That micht gleich, und nur durch zielbewußtes, raſches und kräftiges Handeln bätte e8 ben Habsburgern gelingen Lönnen, ihre Anſprüche auf die Länder ihres verftorbenen Vetter zur Anerkennung zu bringen. |

Aber ſchon die cilliſche Erbfolgefrage hatte die Glieder ber leopoldinischen Linie neuerdings entzweit, indem nicht bloß ber Kaifer, fondern auch deſſen Bruder Albrecht und Herzog Sig. mund von Tirol auf die Hinterlaffenfchaft des letzten Cilliers Anſprüche erhoben hatten. Der Tod ihres Vetters Ladislaus warf nun einen neuen Zankapfel unter die uneinigen Gemüter. Denn wenn es auch außer Zweifel ftand, daß das Erzherzog. tum OÖfterreich den früheren Hausverträgen zufolge nach bem Erlöichen der albertinifchen Linie des Haufes Habsburg an bie leopolbinifche fallen mußte, fo entitand doch darüber Streit, ob

120 Der Streit um Öflerreich.

alle- Glieder oder nur eines ein Recht darauf hätte). Kaifer Friedrich beanfpruchte als Ültefter des Haufes Ofterreich für fih allein und verlangte daher von ben Ständen die Huldi- gung. Dagegen erhob aber fein Bruder Albrecht, der gerade in Wien anmwejend war, im eigenen Namen wie für jeinen Better Sigmund lebhafte Einſprache. Dieje gingen von der Anficht aus, daß Ofterreich der ganzen Linie zugefallen fei, was nach den früheren Yamilienverträgen und dem ganzen Berlauf der Geſchichte feit 1379 auch unzweifelhaft richtig war, und verlangten daher einen gleichen Anteil an dieſem Lande wie Friedrich.

Dei diefer Uneinigfeit der Fürften bejchloffen bie öfterreicht- chen Stände, welche am 21. Januar 1458 in Wien zuſammen⸗ traten, jo lange jene fich nicht unter einander geeinigt hätten, feinem Xeile zu geborchen und die Regierung des Landes jelbit in bie Hände zu nehmen. Dieſe wurde bis zu einem neuen Landtage den Grafen Bernhard von Schaumberg ımb Michael von Maidburg und den Herren Wolfgang von Wallſee und Ulrich Eizinger übertragen, von denen der lebte aber ſchon am 5. März vom Erzberzoge Albrecht gefangen gejettt wurbe.

Die Streitfrage wurde einigermaßen dadurch vereinfacht, daß am 10. Mat der Herzog Sigmund das ihm gebührende Drittel Öfterreichs feinem Vetter Albrecht abtrat und fi nur die Einkünfte von demjelben vorbehielt, wogegen dieſer ihm den Teil der Vorlande überließ, den er bisher innegehabt Hatte. Es ftanden fich aljo nur noch Friedrich und Albrecht mit ihren Unfprücen gegenüber. Aber erit am 27. Juni gelang es end« lich den Ständen, zwilchen den beiden feindlichen Brüdern einen Dergleich zu vermitteln, wonach Friedrich, vorläufig während ber nächſten drei Jahre, Nieveröfterreich, Albrecht Oberöſterreich verwalten, beide aber ein Drittel der Einkünfte an ben Herzog Sigmund abliefern follten. Selbft die Wiener Burg war in

1) Erfchöpfend Handelt darüber Zeißberg, Der öfterr. Erbfolgeftreit nah dem Tobe bed K. Labislaus Poſtumus (1457/58) im „Archiv für öfterr. Geſch.“ LVIII, 67—169.

Anſprüche der Habsburger auf Böhmen. 121

drei Zeile geteilt worden. Albrecht beanfpruchte auch einen Anteil an der Regierung der Stadt Wien, während der Kaiſer dies verweigerte. Es wurde daher beſtimmt, daß die Bürger⸗ ſchaft einftweilen allen drei Fürjten die Huldigung leiſten und, wenn dieſe ſich bis zum nächjten Landtage über die Einſetzung bes Bürgermeifters, Richters und Stadtrates nicht verftändigen Tönnten, in ihrem Namen bie Stände dieſe Ämter proviſoriſch beiegen follten. Kin feindlicher Einfall der Böhmen führte end» lich am 3. Auguft 1458 eine Einigung der beiden Brüder her- bei, indem Albrecht gegen eine Entſchädigung von 82 000 Pfund Pfennigen Nieveröfterreih mit Wien dauernd dem Kaijer Fried» rich überließ. Mit der Teilung des Hauptlandes hatte die Zer- jplitterung der öſterreichiſchen Befigungen ihren Höhepunkt er- reicht.

Während die Habsburger um Oſterreich haderten, das ihnen nie entgehen Tonnte, hatten fie Böhmen und Ungarn verloren, auf deren Gewinnung jie vor allem mit vereinten Kräften hätten binarbeiten follen.

Böhmen mit feinen Nebenländern beanfpruchten die Habs⸗ burger auf Grund der Erbverbrüberung, welche 1364 mit ben Luxenburgern gejchlofjen und dann mehrmals erneuert worden war. Doch konnte man dagegen mit echt") geltend machen,

1) Anders freilich U. Bahmann, Ein Jahr böhmiſcher Geſchiſchte, „Archiv f. öſterr. Geſch.“ LIV, 62 ff. Aber feine Annahme, daß Albrecht V. 1438 nit als Schwiegerfohn K. Sigmunds, fondern auf Grund der Erbverträge mit den Luremburgern als Köriig von Böhmen anerkannt worden und mit. ibm „das ganze habsburgiſche Haus“ nachgefolgt fel, läßt fih nicht halten, wie ſchon die von ihm ©. 64, N. 1 augeführte Bitte 8. Sigmunds zeigt. Bezüglich des Thatfächlichen dagegen jchließe ih mich für das Folgende ganz an Bachmanns gründliche Darflellung an. Vgl. über bie böhmifche Königswahl und die folgenden Creigniffe auch Palady, Geſch. Böhmens, IV. B., 2. Abtl. (1457—1471), und deſſen gleichzeitig veröffentlichte „Urktunbliche Beitr. zur Geſch. Böhmens u. f. w. im Zeitalter Georgs von Podiebrad“ (P. R. Austr. Dipl. XX), ©. Voigt, Georg von Böhmen der Huffitentönig, in „Hiftor. Zeitfehr.” V, 421ff. und deſſen „Enea Silvio” III, 428ff.,. und H. Markgraf, Über das Berhältnis des K. Georg von Böhmen zu B. Pius II. 1458-1462, im „Jahresber. d. kgl. Friedrichs-Gymn. zu Breslau“ 1867.

122 Kandidaten für die böhmiſche Königswürde.

dag die Rachlommen Karls IV. noch nicht erlofchen waren, ba Ladislaus zwei Schweitern hinterlaſſen Hatte, welche Enkelinnen des Kaiſers Sigmund waren. In ber That erhob Herzog

Wilhelm von Sacjen, der Bruder des Kurfürften Yriebrich, als Gemahl Annas, der älteren Schweiter bes Königs Ladis⸗ laus, ja fogar König Kafimir von. Polen, der Gatte ber füngeren Schweiter Eliſabeth, Anjprücde. auf bas böhmiſche Reich. Der Kaiſer fuchte daher auch noch den Geſichts punkt geltend zu machen, daß Böhmen als erlebigtes Neichölehen ihm beingefallen ſei. Aber auch Hier wirkte die Uneinigleit ver Habshurger nachteilig, indem nicht bloß Friedrich, jondern auch Albrecht und Sigmund al8 Prätendenten auftraten und . einer dem andern die böhmiſche Krone nicht gönnte. Kine. kräftige Geltendmachung feiner Anſprüche aber verjuchte feiner, weil alle zu ſehr durch den Streit um Ojterreich beichäftigt waren.

Da die Habsburger völlig unthätig blieben, fo trat Wil- beim von Sadjen, der das Prinzip der Legitimität und bes Erbrechtes vertrat, unter allen Bewerbern am meiften in ben Bordergrund. Aber feit ben Wagen der Huſitenkämpfe, wo man bem rechtmäßigen Könige den Gehorſam verweigerte, hatte bie Idee des Erbrechtes bei fehr vielen Böhmen jede Kraft eingebüßt. Hatten fie jogar Ladislaus nicht als Erb- ſondern als Wahlkönig angenommen, jo wollten fie jeßt das feit langem beanipruchte Wahlrecht endlich zur unbedingten Geltung bringen. Diefen Rechtsboden erkannte namentlich der König Karl VII. von Frankreich an, ver bie Böhmen durch die glänzenditen Ver⸗ ſprechungen zur Wahl feines Sohnes zu bewegen fuchte. Auch einige beutiche Fürften, der Kurfürft Frievrih von Branden⸗ burg und fein Bruder Albrecht, und die Herzöge Ludwig von Baiern⸗Landshut und Albrecht von Öfterreich wurden als Kan⸗ bidaten für eine Wahl genannt.

Doch fonnte keiner der fremden Fürften gegen Georg von Podiebrad auffommen, der auch nah dem Tode des Königs fein Amt als Oubernator nicht als erlojhen anſah und daher alle Mittel in den Händen hatte, um feine eigene Erhebung zu betreiben. Zugleih war Rokycana, ber Apminiftrator bes

Wahl Georg6 von Pediebrad 123

Prager Erzbistums, mit der utraquiſtiſchen Geiſtlichkeit in je ber Weiſe, felbft vom ver Kanzel aus, für Georg als einen Hufiten und Böhmen thätig. Auch der wiebere Wel mb dad Bolt: maren ihm zugetban teils wezen jeine® Glaubens zud feiner Rationalität, teils wegen der Tüchtigkeit, die er biöher als Regent an den Tag gelegt hatte. Bon den Mitgliedern bes hoben Adels waren manche, ſelbſt der Tatholiidhe Sdenko von Sternberg, Oberfiburggraf von Prag, jeit langem wit ihm befreundet, einzelne ſollen von ihm burg Geld oder Ber- fpredhungen gewonnen worven ſein. Als nun Ende Februar 145% ber böhmiſche Landtag in Prag zuſammentrat unb über die Beſetzung des Thrones beriet, obwohl er nicht ausdrücklich zu biefem Zwecke einberufen worden war, da fammmelten fich bichte Vollsmaſſen an, die unter Geidyrei die Wahl George oder wenigitens eines Böhmen forderten und gegen bie Er⸗ hebung eines Deutſchen und überhaupt eines Fremden prote- ftierten. Die Abgeorbneten von Bauyen und Görlig, die ein- zigen. aus. den böhmiſchen Nebenländern, die überhaupt an⸗ weſend waren, bielten es unter foldden Umſtänden für gut, Brag zu verlaſſen. Eine freie Wahl wäre bei diejer Stim- mung der Prager kaum möglich geweien, obwohl der Landtag die franzoͤſiſchen und ſächſiſchen Geſaudten ruhig anhörte. Die fatboliiche Partei, welche die Zuſicherung voller Gleichberechti⸗ gung für die Anhänger der Kommunion unter einer Geſtalt und bie Garantie ihrer bisherigen kirchlichen Pfründen und Be⸗ figungen verlangte, jcheint fich endlich auch gefügt zu haben, als man die Beftätigung ihrer Forderungen bei der Königs. rönung in Ausficht ftelte 1). Allen weiteren Beratungen machte dann Sdenko von Sternberg dadurch ein Enbe, daß er am 2. März nach einer kurzen Umfrage unter jeinen Freunden plößlih vor Podiebrad feine Kniee beugend ausrief: „Es lebe Georg, unfer gnädigfter König und Herr!‘, worauf mehrere

1) ©. bie Berichte an die Stabt Eger vom 28. Febr. und 12/13. März hei Bahmann, Url. und Aktenſtücke 1440-1471, in „F. R. Austr. 'Dipl.“ XLI, 212. 215, und die Artifel ibid. 237.

124 Haltung der böhmiſchen Nebenlänber.

Herren und endlich alfe Anmwefenden in benfelben Auf ein ftimmten.

Während die Wahl Georgs in Böhmen faft allgemein mit Freude begrüßt wurde, zeigten fich die Nebenländer Mähren, Schleſien umd die Lauſitz, welche vorherrichend deutſch und faft ganz katholiſch waren, feiner Anerkennung abgeneigt. Sie fühlten fich jchon dadurch beleidigt und in ihren Rechten beein» trächtigt, daß fie Georg, vielleicht gerade weil er ihre Stim⸗ mung Tannte, zur Königswahl nicht eingelaben Hatte, was bei der Wahl eines neuen Königs, die nicht Böhmen allein, ſon⸗ dern alle Länder der böhmifchen Krone anging, ſchon der Natur der Sache nach hätte geſchehen follen, und burch bie goldene Bulle Karls IV. vom 7. April 1348, welche über Die Könige» wahl handelte, ausprüclich vorgejchrieben war !). Dann batten die Bewohner der Nebenländer immer am Grundſatze ver Legitimität feitgehalten und hatten im Gegenfage zu den Böhmen Albrecht V. von Öfterreih wie deſſen Sohn Ladislaus als Erbherrn anerkannt. ine Pflicht, den von den Böhmen mit Verlegung des Legitimitätäprinzips gewählten König als Herrn anzunehmen, beftand daher für fie nicht. Auch Hätten ſich bie Nebenländer mit Hilfe des von ihnen anerkannten Füriten und feiner Freunde wohl vielleicht mit Erfolg gegen die Angriffe der Böhmen verteidigen Tönnen, wären alle einig und von dem feften Willen, ihre jelbftändige Stellung zu behaupten, erfüllt geweſen.

Aber gerade die Einigkeit und Entſchiedenheit fehlte den böhmiſchen Nebenländern. Schon über die Frage, wer als rechtmäßiger Erbe des verſtorbenen Königs zu betrachten ſei, gingen ihre Anſchauungen auseinander. Die meiſten Schleſier und Lauſitzer waren für die Anerkennung Wilhelms von Sachſen, bie Mährer neigten zu Ofterreich, deſſen Fürſten auch auf dieſes Land Spezielle Rechte geltend machen Ionnten, da e8 1423 vom

1) „ipsius regis Boemie electionem ... prelatis, ducibus, prin- cipibus, baronibus, nobilibus et communitati dieti regni et perti- nenciarum eiusdem .. . damus, concedimus et donamus. (od. Moraviae VII, 557.

Schwanken ber Mährer und Schlefier. 125

Könige Sigmund dem Herzoge Albrecht V. zu Leben gegeben, und dadurch von Böhmen getrennt worben war. Unb in jedem Lande gab e8 Männer, welche entweder mit ber. von ben Böhmen getroffenen Wahl offen ſympathiſierten oder wenigſtens nicht geneigt waren, für ihre abweichende Meinung entichieden einzutreten oder gar bafür Opfer zu bringen. Die Mehrheit des mähriichen Landtags erflärte fich ſchon in der erften Hälfte des April zur Anerlennung Georgs bereit unter der Bedingung, baß er ven Katholilen freie Religionsübung zufichere und Mähren betreffende Angelegenheiten nur mit Zuziehung mähriſcher Räte enticheive. Nur wenige katholiſche Adelige und bie beutichen Städte Brünn, Olmüg, Iglau, Zuaim, Mähriſch⸗Neuſtadt und Hradiih waren noch dagegen und unterbielten Verbindungen mit Albrecht von Öſterreich, der jet die Rechte feines Haufes zur Geltung zu bringen bemüht war. Aber auch diefe waren nur aus religiöfen Gründen gegen den neuen Böhmenkönig. Sie und der neue Bifchof von Olmütz, Protas von Boslowig, ein Verwandter Georgs, einigten fich über gewiſſe Bedingungen, unter denen fie demfelben zu huldigen geneigt waren. Nament⸗ lich wollten fie verlangen, daß er jelbft fich mit der römiſchen Kirche vereinige und den ausſchließlich katholiſchen Charakter der Städte nicht zu Ändern verfuche ). Auch die fchlefiichen Stände, fo jehr die meiften Georg abgeneigt waren, kamen über einen aufichiebenvden Beſchluß nicht Hinaus 2). Stanben ja doch zwei Böhmen an ber Spike diefes Landes, Johann von Rofenberg als bandeshauptmann und deſſen Bruder Jodok als Biſchof von Breslau! | Doch war Georgs Lage immerhin eine ſchwierige. Nicht

1) Bgl. mit Bachmann a. a. O. Zeißberg im „Arch. für öſterr. Geſch.“ LVIII, 144fi.

2) Bgl. über die Vorgänge in Schleſien bie Hist. Wratislav. des damaligen Breslauer Stadtſchreibers Peter Efchenloer, herausgeg. von Markgraf in SS. R. Siles. VII (verläßlicher als bie fpätere deutſche Bearbeitung, herausgeg. von Kuniſch, 2 Bde., 1827/28), und bie von demjelben veröffentlichte „Politiſche Correfp. ber Statt Breslau”, ibid. VIII, wie Grünhagen, Geh. Schlefiens I, 293 ff.

126 Georg und "die Katholiken.

bloß die Habsburger und die jächfiichen Herzoge, fondern auch viele andere beutiche Fürften waren gegen ihn. In Schlefien legte das mächtige Breslau offen jeine Feindichaft gegen ihn an den Tag, während bie fchlefiiche Landesverſammlung, obwohl fie an der Union mit Böhmen feithielt, wenigſtens entſchieden betonte, daß fie nur einen „chriftlihen” König annehmen wolle: Und daß er auch in Mähren. ohne weſentliche Konzeſſionen religidjer Natur die Huldigung der größeren Stäbte auf fried- lichem Wege nicht erlangen würde, Hatten bie von ihren ge- faßten Beichlüffe ſehr wahrjcheinlich gemacht. In Böhmen felbft verlangten bie katholifchen Herren vor der Krönung die Des ftätigung der religidjen Forderungen ’), die fie fchon bei der Wahl geftellt Hatten.

Schon längſt hatte ſich Georg ‚überzeugt, daß der Schwer» punkt der Situation auf religidfem Gebiete Tiege und daß es für ihn vor allem darauf ankomme, die Katholiten zu gewinnen ober wenigſtens alles zu vermeiden, was fie mit noch größerem Mißtrauen gegen ihn erfüllen könnte. Daher legte er den größten Wert darauf, wenigitens die Krone in bergebrachter Form und nicht etwa durch Rokycana zu empfangen. Da er in jeinen eigenen Ländern feinen fatholifchen Bifchof hatte, weil Prag unbejegt und der Bilhof von Olmütz noch nicht geweiht war, jo wendete er fich fchon bald nach feiner Wahl an den ihm eng verbundenen König Matthias von Ungarn mit der Ditte, ihm einen von feinen Biſchöfen zu ſchicken 2). Der in Ungarn weilende päpftliche Legat Carvajal, ber übrigens ſelbft Ion am 20. März Georg zu feiner Erhebung auf den Thron Glück gewünjcht Hatte, vermochte e8 nicht zu verhindern, daß Matthias die Biſchöfe von Waiten und Raab nach Prag fandte. Doch nahm der Kardinal diefen das Verſprechen ab, die Krönung nur dann vorzunehmen, wenn Georg jeine Irrtümer, d. b. ven Utraquismus abſchwöre. Sie wollten ſich denn auch wirklich

1) Bachmann, Url. und Attenflüde, S. 236—241.

2) Defien Antwort vom 15. März bei Palacky, Urkundl. Beiträge, ©. 188. Im allgemeinen verweiſe ich für das folgende auf Bachmann, Ein Jahr Böhm. Geſch. tm „Archiv für dfterr. Geſch.“ LIV, 124 ff.

Unterwerfung Mäbrens. » 127

nur unter ber Bedingung Dazu berbeilafien, daß derſelbe dffent- lich den verlangten Eid leifte. Georg, der hauptfächlich ben Utraquiften feine Erhebung auf den Thron verdankte, konnte dies unmöglich thun, ohne ſich mit feinen verläßlichiten Uns hängern tödlich zus verfeinden und bie fefteften Stützen feiner Herrſchaft zum Wanten zu bringen. Doch, ließ er fich endlich herbei, am 6. Mat mündlich die Ketzerei abzuichwören und vor Zeugen urkundlich und eidlich zu geloben, der römiſch⸗katholiſchen Kirche und ben Päpften treu und geborfam zu fein, ihnen nad) der Weife der übrigen chrijtlatholifchen Könige in der Einheit des orthodoren Glaubens Gehorfam und Konformität zu er- weilen und das ihm unterworfene Volt von allen Irrtümern, Selten und Ketzereien und von allen der römiſchen Kirche entgegenftehenden Artileln zur Beobachtung des orthodoren Glaubens, zum Gehorſam, zur Konformität, zur Einheit und zum Ritus und Kultus der römischen Kirche zurüdzubringen.

Es unterliegt feinem Zweifel, daß Georg mit dieſem Eibe, dem am 7. Mai die Krönung folgte, die Kompaktaten preis» gegeben bat, da ja die Konformität und die Einheit des Ritus und Kultus beſonders barin betont waren. Daher arbeitete auch fortan gerade die katholiſche Geiftlichleit eifrig für George Anerkennung in den böhmiſchen Nebenländern.

Mähren, deſſen Landesbiſchof felbft der Krönung in Prag beigewohnt hatte, fügte fi) bald, als der König Anfangs Juni mit einem Heere erihien. Nur Iglau, dem Albrecht von Oſterreich Truppen zubilfe geſchickt Hatte, hielt eine lange Be- lagerung aus und konnte erit am 15. November bezwungen werben.

Um ben Erzherzog Albrecht für die Unterftügung der wider- ipenitigen Mährer und für die Gefangennehmung des mit Podiebrad immer eng verbundenen Ulrich Eizinger. zu züchtigen, ſchickte der böhmiſche König Anfangs Iuli Truppen nach Oſter⸗ reich, welche, von den Brübern und Freunden Eizingers unter» ftügt, eine Reihe von Burgen einnahmen und das Land nörd⸗ ih von der Donau mit Feuer und Schwert verheerten. Als der Erzherzog die Böhmen zurücorängte, bot Georg noch ein

128 . Georgs Friede mit den Habsburgern.

größeres Heer auf, mit dem er im Auguſt felbft Dfterreich angriff. 2500 gut gerüftete Streitwagen und zu jevem zehn Dann hatte er unter fi. Der Erzherzog mußte einen eiligen Rückzug nach Korneuburg antreten. Wieder wurden die Gegen- ven big zur Donau furchtbar verwüftet und ausgeraubt. Nur durch den erfolgreichen Widerjtand der Städte Krems und Stein wurde der Böhmenkönig aufgehalten.

Unterbeffen war aber zwiichen dem Kaifer und feinem Bruder ein Ausgleich zuftande gefommen und Nieveröfterreih ganz an jenen überlaffen worden. ‘Der Kaiſer Tieß daher ben König auffordern, bie Feindfeligleiten gegen dieſes Land einzuftellen und jeine Vermittelung anzunehmen. Georg war dazu bereit und fam jelbft mit Friedrich an der Wiener Donaubrüde zufammen. Am 2. Dftober 1458 warb ein Ablommen getroffen, wonach alle Gefangenen, auch Ulrih Eizinger, in Freiheit gefeßt, alle Eroberungen berausgegeben werden und die Herzoge Albrecht und Sigmund Georg in feinen Ländern nicht mehr beunruhigen, aljo ihn wenigftens indirekt al8 Herrn von Böhnten und deſſen Nebenländern anerkennen follten. Auch der Kaiſer jtellte ihm bie Belehrung mit Böhmen und der Kurfürftenwürbde in Aus⸗ fiht ?).

Durch die Verftändigung mit Ofterreih und bem Kaiſer batte Georg zwar nicht den rührigſten, aber doch den hervor⸗ ragendſten feiner Gegner unſchädlich gemacht und fich den Rüden gedeckt, wenn er gegen jene, die ihm noch die Anerkennung ver» weigerten oder auf Böhmen Anſprüche erhoben, energtichere Mafregeln ergreifen wollte. Dieje waren ohnehin in ihrer Geſinnung ſchwankend. Mehrere fchlefiiche Fürften hatten fich [bon von dem im April geichloffenen Bunde ferngebalten, ob» wohl diefer eine Entichetvung hinausichob, und hatten mit Georg Verbindungen angelnüpft. Herzog Wilfelm von Sadjen weigerte fich, ven Schlefiern offen Beiſtand zu leiften, fo lange

1) Über biefen böHmifch - öfterreichifehen Krieg if außer Bachmann a. a. O. S. 149—151 und 159ff. auch Zeißberg a.a. O., ©. 157 ff., zu vergleichen.

Ausgleih mit Wilhelm von Sachfen. 129

fte ſich nicht entſchieden für ihn erllärten, während dieſe ver- Iangten, daß er zuerft ihnen feinen Schug zuſichere. Bald brachen zwiichen den Hohenzollern, den mächtigften Freunden bes ſächſiſchen Haufes, und ben Wittelöbachern Zerwürfniffe aus, die e8 jenen nicht vätlich erjcheinen Tießen, auch noch mit bem mächtigen Böhmenkönige zu brechen, ja biefen bald geradezu zum Schiedsrichter in ben beutichen Angelegenheiten machten, indem bie verfchiedenften Fürften um feine Gunft buhlten. Für fih allein aber war der ſächſiſche Herzog viel zu ſchwach, um feine Rechte dem böhmilchen Könige gegenüber zur Geltung bringen zu können. Der Markgraf Albrecht von Brandenburg» Ansbach nahm Die Vermittelung zwiichen Georg und dem Her. zoge von Sachſen in bie Hand und brachte auf einem Tage in Eger am 25. April 1459 einen Ausgleich zuftande. Wilhelm gab für fih und feine Gemahlin alle Anfprühe auf Böhmen und feine Nebenländer auf und jtellte mehrere Städte und Burgen ſüdlich vom Erzgebirge zurüd, welche noch von den Zeiten der Huſitenkriege ber in jächjifchen Händen waren. Da⸗ gegen ließ Georg eine Reihe früher böhmiicher Ortſchaften und Schlöffer jenſeits des Erzgebirges als böhmijche Leben in ben Händen der Herzoge. Für Stadt und Schloß Pirna zahlten diefe dem Könige 20000 rheiniiche Goldgulden. Zugleich wurde eine SDoppelheirat zwiichen beiden Häuſern verabredet, indem bes Kurfürsten Friedrich Sohn Albrecht mit Zdena (Sidonia), ber Tochter des böhmischen Königs, und Georgs Sohn Heinrich mit Wilhelms Tochter Katharina vermählt werben follte ?). Die Verzichtleiftung des Herzogs von Sachſen auf bie Erbaniprüce feiner Gemahlin fprengte auch den jchlejiichen Bund, der jchon längſt ins Wanken geraten war. Alle recht« lihen Bedenken gegen die Anerkennung Podiebrads waren da» mit befeitigt. Die religidien Sfrupel wurden dadurd zum Schweigen gebracht, daß Georg den Schlefiern Schreiben des

1) Über das Verhältnis K. Georgs zu den deutfchen Fürften bis zum Egerer Tage f. Palady IV, 2, 57%. Bachmann, Böhmen und feine Nachbarländer, S. 9—69.

Huber, Geſchichte Öfterreihe. III. 9

130 Huldigung der Schlefier; die Stabt Breslau.

neu gewählten Papftes Pius IL, des befannten Aeneas Syl⸗ vius, überfenvete, welche ver heilige Vater an feinen „geliebteften Sohn, den König von Böhmen“ richtete, um ihn zum großen Fürftenkongreffe zu Mantua einzuladen, wo unter dem Vor⸗ fie des Papftes ein allgemeiner Kriegszug gegen die Türken beichloffen werben follte. Es leifteten daher die Schlefier wie die Städte der Oberlaufig Ende Auguft und im September 1459 Georg als ihrem Herrn die Huldigung.

Nur die Breslauer, die durch geiftliche und weltliche Agi- tatoren in einen jo fanatiichen Haß gegen ben Fegerijchen und sechiichen Böhmenkönig bineingehegt worden waren, baß eine ruhige Würdigung der Verhältniffe ſich dort gar nicht mehr. äußern durfte, und der Herzog Balthafar von Sagan waren nicht zur Anerkennung Georgs zu bringen. Zwei päpjtliche Legaten, die im November nach Breslau famen, um mit dem Aufgebote aller Beredſamkeit die Bürger umzuftimmen, waren kaum ihres Xebens ficher. Doch gelang es ihnen endlich, einen Ausgleich zuftande zu bringen, nach welchem Abgeoronete der BDreslauer am 13. Ianuar 1460 Georg um Verzeihung für ihre bisherige Haltung baten und ihm Gehorſam gelobten, aber für die formelle Huldigung eine Friſt von drei Jahren erhiel- ten. Der Herzog Balthafar von Sagan wurde mit Waffen- gewalt aus jeinem Gebiete vertrieben und das Herzogtum feinem Bruder Johann übergeben. *)

Auch der Kaijer, der längere Zeit mit der Erteilung ber Regalien gezögert hatte, änderte feine Haltung, als die Vor- gänge in Ungarn ihm die Unterftügung des mächtigen Böh⸗ menkönigs wünjchenswert erfcheinen ließen.

In Ungarn hatten die Ereigniffe einen ganz ähnlichen Ver- lauf genommen wie in Böhmen.

Auch auf dieſes Neich erhoben die Schwäger des verftors benen Königs, Wilhelm von Sachſen und Kafimir von Bolen, Anfprühe im Namen ihrer Gemablinnen und zwar eriterer

1) Balady

IV, 2, 106ff. Bachmann a. a. O., ©. 33ff. 7 , 111ff. 141ff. non

Die Parteien in Ungarn. 131

nicht ohne Grund. Wohl gab es in Ungarn fein Geſetz, welches das Erbrecht der weiblichen Glieder des regierenden Haufes ausprüdlich anerkannt hätte. Aber auch die Anjous waren wegen tbrer nur durch weibliche Glieder vermittelten Berwandtichaft mit den Arpaden auf ben ungariichen Thron gelangt, und die Ungarn batten ja wiederholt veriprochen, bie Nachkommen der Königin Elifabeth, der Tochter Sigmunds, als berechtigte Erben anzuerkennen.

E8 fand fih aber in Ungarn niemand, der für einen diejer Prätenventen eingetreten wäre. Die ftärkfte Partei war bie der Hunyady, an deren Spite die energiihe Wittwe des Gubernators, deren Bruder Michael Szilayyi und Johann Bits, Biihof von Großwarbein, des Gubernators früherer Sefretär, ftanden. Dieſe arbeiteten auf jede Weiſe für bie Erhebung des jungen Matthias Hunyady, der ald Gefangener nach Prag gebracht worden war. Doc waren viele der ber: porragenditen Magnaten, bejonders jene, welche die Hinrichtung bes Yadislaus Hunyady veranlagt hatten, gegen die Wahl feines Bruders, von dem fie fürchten mußten, daß er für ihre ba- malige Haltung an ihnen Rache nehmen würde. inzelne, wie der Palatin Ladislaus von ara, der mit dem Könige Ladislaus verwandt war, und Niklas von Uilak, der an Iriege- . riihem Ruhme wie an Macht Hinter Hunyady nicht weit zu- rüdftand, konnten auf die Krone mit demfelben Rechte Anfpruch erheben wie der junge Matthias, den nur die Verdienſte feines Vaters empfablen. Auch der Kaiſer Friedrich hatte feine An- bänger, darunter wohl auch den Böhmen Giskra, der unmög- lih für einen der Hunyady fein konnte, gegen die er feit acht- zehn Jahren fat ununterbrochen gefämpft Hatte.

Doch waren die Gegner der Hunyady von vornherein nicht einig und verfolgten verjchiedene Ziele. Der Palatin fchloß ihon am 12. Januar 1458 mit Elifabetb Hunyady und ihrem Bruder Michael Szilagyi in Szegedin einen Vertrag, wonach bieje ihm und feinen Freunden und Anhängern, darunter dem Biſchofe von Fünfkirchen und dem Paul Baͤnffy von Lindva, Verzeihung für alles Vergangene, beſonders für die Hinrichtung

9%

132 Bertrag Georgs von Podiebrad mit Matthias Hunyaby.

des Ladislaus Hunyady zuficherten, wogegen er feinen Beiſtand veriprach, daß Matthias aus der Gefangenfchaft befreit und zum Könige gewählt werde. Diefer follte Garas Tochter Anna zur Srau nehmen und feinen Schwiegervater im Befite ber Balatinswürbe, der Ofner Burg und aller übrigen Ämter und Güter erhalten ’).

Unterbeffen waren übrigens anderwärts Verpflichtungen ein- gegangen worden, welche die Ausführung dieſes Vertrages un« möglih machten. Georg von Podiebrad, der die Erhebung des Matthias Hunyady vorausfah und fich denjelben rechtzeitig für immer verpflichten wollte, hatte ihn ſchon am Tage nad) dem Tode des Königs Ladislaus aus feiner Gefangenichaft be freit und in fein eigenes Haus aufgenommen und ihm wenige Tage darauf feine neunjährige Tochter Katharina verlobt. ALS am 13. Dezember 1457 ver Biſchof von Großwardein als Bertreter der Hunyadyſchen Partei nach Prag Fam, um die Roslaffung des Gefangenen zu erwirken, war biefer Wunfch bereits erfüllt. Doch war es immerhin von Vorteil, daß dem jungen Matthias bei feinen weiteren Unterhandlungen mit Pobie- brad der gewandte und geichäftsfundige Biichof zur Seite ftand. Denn auch jeinem Schwiegerfohne gegenüber wollte der böhmijche Oubernator feinen Borteil wahren. Matthias mußte ihm 60000 Goldgulden zu zahlen veriprechen und mit ibm und feinen Söhnen einen ewigen Bund fchließen ?). Dagegen bot Georg fortan alle8 auf, um die Erhebung feines Fünftigen Schwiegeriohnes auf den ungarilchen Thron zu bewirken.

Auch Szilägyi traf mit ebenjo großer Umficht wie Energie alle Vorbereitungen, um die Wahl feines Neffen durchzujegen. Er fammelte die Anhänger feiner Partei, vie befonders in

1) Teleki X, 565, fälfchlih zum 17. Januar, während die Urkunde feria quinta proxima ante octavas festi Epiphaniarum datiert ift.

2) Beurtundet wurde dies freilich erft nach der Wahl bes Matthias zum Könige und unter Garantie ungarifher Großer am 9. Februar in Straſchnitz (Teleki X, 573ff.). Aber Matthias beruft fih darin aus- drücklich auf feine Verſprechungen vor der Wahl. Über die 60000 Gulden f. Balady IV, 2, 26, R., der e8 freilih nur ein „Geſchenk“ nennt.

Wahl des Matthias zum Könige von Ungarn. 135

Siebenbürgen und Niederungarn ſehr zahlreich war, und eine große Anzahl von Söldnern um fih und fam mit nicht weniger als 20000 Bewaffneten nach Peſt. Die ibm feindlichen Magnaten, denen fi jegt auch Cara wieder angeichlofien hatte, welcher nach der Verlobung des Matthias Hunyady mit der Tochter Podiebrads auf die Ausführung des Vertrags vom 12. Januar nicht mehr rechnen konnte, zogen ſich auf bie Ofner Burg zurüd. Doc ließen fie fich endlich zum Erfcheinen in Peſt bewegen, als Szilaͤgyi verſprach, daß Matthias bie Hinrichtung ſeines Bruders nie rächen würde, zugleich aber auch erklärte, die Wahlfreiheit nicht gefährden zu wollen, und als Garantie dafür feine Truppen aus Belt fort in bie Um- gebung verlegte, freilich nicht jo weit, daß er fie nicht in jedem Augenblide zur Hand gehabt hätte.

Die große Anzahl der Verſammelten war entjchieden für die Wahl des Matthias, in dem man die Verbienfte jeines Baters belohnen wollte. Auch der päpjtliche Legat Carvajal, der von jenem eine energiiche Belämpfung der Türken erwartete, verwendete ſich auf jede Weile zu deſſen Gunften. Deffen ungeachtet machten die erwähnten Magneten noch immer Schwierigkeiten, und die Beratungen wollten fein Ende nehmen. Da wurden die Solvaten, welche teilmeile auf dem Cije der zugefrornen Donau lagerten, des langen Wartens in ftrenger Winterfülte überprüßig und riefen am Abend des 24. Januar 1458 Matthias zum Könige aus. Die Yubelrufe wurden burch die zahliofen Volksſcharen, welche die Straßen von Belt erfüllten, bis zum Sitzungsſaale des Reichstages fortgepflanzt und brachten endli auch bier die Entſcheidung. Matthias wurde zum Könige und, da er noch nicht einmal fünfzehn Sabre zählte, fein Oheim Szilaͤgyi auf fünf Jahre zum Gubernator gewählt ).

1) Über diefe Wahl haben wir bei Aeneas Sylvius, Europa, Cap. 1 ap. Freber -Struve II, 87sq. Thwrocz l. IV, cap. 63, und Dlugosz 1. XII, col. 220, nur jehr dürftige Nachrichten. Weit- Yäufig aber untritifh it Kaprinai, Hungaria dipl. temporibus Matthiae regis I, 317sqg. Teleki III, 1sqq, Szalay III, 201ff. und

134 Haltung Ujlakys und Giskras.

Georg von Podiebrad unterftügte den Bräutigam feiner Tochter auch fortan in jeder Wetje, ſchon um dann mit beffen Hilfe fein eigenes Ziel, die Herrichaft über Böhmen, zu erreichen. Er bewog Gisfra zur Ablendung einer Gefandtichaft nad Straihnig an der mährifch-ungarifchen Grenze, bis wohin er jelbft feinen Schwiegerjohn begleitete, und brachte mit demſelben einen Ausgleich zujtande. Auch Ujlaky, deſſen Tochter ſeit 1455 mit Podiebrads Sohne Heinrich verlobt war, verfprad) dem Könige feine Unterftügung.

Ujlaky weigerte fich freilich dann trotzdem einige Zeit, an den Hof zu kommen, unterwarf ſich aber endlich dem Könige und ging als deſſen Vertreter zur Krönung Georges von Podie- brad nah Prag. Giskra kündigte Ende März dem Könige förmlich Fehde an, fammelte böhmiſche und polnische Söldner um fich und fuchte fpäter den König Kaſimir von Polen zur Geltendmachung feiner Anſprüche auf Ungarn zu bewegen Y. Doch war diefer damals zu fehr durch den Krieg mit dem deutſchen Orden in Anfpruch genommen, um fich aud) mit Ungarn verfeinden zu können. Gegen Giskra und bie andern Banbenführer in Oberungarn nahm der König anfangs ihren früheren Genoſſen PBongrag von Sz. Millos in Sold und als diefer Anfangs April ftarb, fandte er feinen Oberſt⸗ jtalfmeifter Sebaftian Rozgonyi gegen fie, der mit großem Glücke kämpfte. Mehrere Burgen mwurben erobert, viele von

Seßler- Klein, III, 3ff., haben fih zu fehr an Bonfinius und andere fpätere Quellen gehalten. Bol. auch Palacky IV, 2, 21ff. und Badı- mann im „Archiv f. öfterr. Geſch.“ LIV, 74ff., von denen erfierer aber die nad fpäteren Hindentungen des K. Matthias mit Ujlaky und Giskra geichlofienen Bereinbarungen wohl mit Unrecht in die Zeit vor der Wahl verlegt.

1) Schreiben des K. Matthias vom 15. 27. und 29. März 1458 bei Palady, Urkundliche Beiträge, ©. 138. 142ff. Bol. ©. 149 und Dlugosz XIII, 225sq., und über die folgenden Kämpfe ibid., 234, bie von Katona XIV, 10dsgq. gefammelten Nachrichten, die Urf. des 8. Matthias für Sebaftian Rozgonyi ibid. p. 144, und die Berichte bei Palady, Geſch. Böhmens IV, 2, 75, und in Mon. Hungariae hist. Matyäs kiräly koraböl I, 10. 12. 17. 21. 29.

Charakter des Königs Matthias. 135

den Söldnern gefangen und im Kampfe getötet oder von den Bauern totgefchlagen. Auch Akſamit fand in einem Treffen bet Saͤrospatak feinen Untergang. Die vollftändige Vernichtung der „Brüder“ gelang freilich noch nicht, da gleichzeitig von ben Zürlen Gefahr drohte und Matthias bald auch mit feinem Obeim und anderen Magnaten zerfiel.

Szilaͤgyi Hatte bei der Erhebung feines Neffen auf ben ungariihen Thron offenbar die Hoffnung gehegt, im Namen des jungen Königs felbft die Regierung zu führen. Aber in Matthias Hatte er fich verrechnet. Diefer war in der harten Schule des Lebens früh zum Manne gereift und zugleich mit jeltenen Fähigkeiten begabt. Er bejaß fcharfen Verſtand, feiten Willen, unermüdlichen Thätigkeitsdrang und ein ausgeprägtes monarchiiches Selbſtbewußtſein. Zugleih war er falt und jelbitjüchtig und unempfindlich gegen die Gefühle der Verwandt» ihaft und Dankbarkeit, wenn fie mit feinen Interejjen kolli⸗ dierten. Bon niemandem ließ er fich als Werkzeug gebrauchen.

Kaum war Matthias in Ofen angelommen, fo übernahm er jelbftändig die Zügel der Regierung. Seinen Oheim fanbte er jhon im März an die füpliche Neichsgrenze, da beſonders die Vorgänge in Serbien die Aufmerkiamfeit der ungariichen Regierung in Anipruch nahmen.

Am 24. Dezember 1456 war der greife Despot Georg geftorben und ſchon am 20. Januar 1458 auch deſſen Sohn Lazar ihm im Tode gefolgt. Da diefer nur eine Tochter Namens Helena hinterließ, jo machten feine zwei Brüder Gregor und Stephan, die beide als Geifel vom Sultan Murad ge- blendef worden waren, und ein natürlicher Sohn Gregor auf bie Herrichaft Anſpruch. Stephan ftand in gutem Einvernehmen mit Lazars Witwe, fein Bruder Gregor juchte den Beiſtand des Sultans zu gewinnen, welcher aber Serbien jelbjt in jeine Gewalt bringen wollte. Szilaͤgyi unterhandelte mit der Witwe Lazars und deren Schwager, um fie zu beitimmen, dem unga⸗ riihen Könige, wenn nicht ganz Serbien, doch eine oder bie andere Feltung an ber Donau abzutreten, wogegen fie Ber figungen in Ungarn erhalten follten. Am Beginn des Sommers

136 Bündnis Szilagyis mit Gara und Ujlaky.

fendete der Sultan ein beveutendes Heer nach Serbien, wo es fih mehrerer Kaftelle darunter auch der Feſte Golubag an der Donau bemächtigte. Auf Verlangen Sziläghis zogen Ende Auguft auch der König und der päpftliche Legat Carvajal, ver überall das Kreuz hatte predigen lafjen, mit zahlreichen Truppen, befonders Kreuzfahrern, nach dem füdlichen Ungarn. Ein Ein. fall der Türken in Syrmien, wo fie großen Schaden anrichteten und fehr viele Leute wegichleppten, wurde nach der Mitte des September glüdlich abgewehrt, und es erlitten dieſelben auf ber Flucht, beſonders aber beim Überfchreiten der Save, ber deutende Verluſte. Umgekehrt vermehrte fich das Heer bes Königs ununterbrochen ſowohl durch Zuzüge von Kreuzfahrern wie durch ungartiche und ſlavoniſch⸗kroatiſche Edelleute. Auch ber König Stephan Thomas von Bosnien, defien Sohn Stephan Lazars Tochter heiraten und zugleich die Herrichaft über Serbien erhalten jollte, drängte zum Kriege). Deffenungenchtet be- ichränfte fih Matthias für jegt auf die Sicherung Belgrabs, vielleicht weil er auf die fchlecht organifierten Kreuzfahrer fein Vertrauen hatte, vielleicht weil er fih auf einen Zeil feiner Magnaten nicht verlaffen zu können glaubte.

Szilaͤgyi Hatte e8 doch nicht gleichmütig hingenommen, daß er von feinem Neffen einfach beijeite gefchoben worden war. Am 26. Juli jchloß er mit zwei ausgeiprochenen Feinden bes Haufes Hunyady, dem Palatin Ladislaus Sara und dem fieben- bürgiihen Woywoden Nilla® Ujlaky, für die ganze Zeit ihres Lebens ein Bündnis zu gegenieitiger Unterftügung gegen jeder⸗ mann, welden Standes er wäre, ber einen von ihnen ober ihre Anhänger an ihrer Perſon oder ihren Befigungen jchädigen wollte 2). Daß diefer Vertrag gegen den König gerichtet war,

1) Über alle diefe Vorgänge haben wir außer fehr bürftigen Notizen bei Aeneas Sylvius, Europa, ap. Freher-Struve II, 93 und Chalkokondylas, ed. Bonn., p. 459sq. nur Nachrichten in ben Depeichen des venetianiichen Gefandbten, in Mon. Hung. Mätyas kiraly koraböl, 1. Bd., die leider nur ſehr lückenhaft erhalten find, und vom 16. Juni 1458 bis 13. September, und vom 9. Oktober bis 14. März 1459 ganz fehlen.

2) Teleki X, 593.

Borgehen des Königs gegen biejelben. 137

unterliegt feinem Zweifel. Doch lam es zumächjt noch nicht zum Bruche zwilchen diefem und jeinem Oheime. Szilaͤgyi legte furz darauf die Würde eines Gubernators nieder. Das gegen verlieh ihm der König die Grafichaft Biltrig, deren fich fein Oheim nach der Hinrichtung des Ladislaus Hunyady bes mächtigt hatte, und fchenkte ihm am 20. Auguft noch andere Güter). Mehrere Wochen leitete Szilagyt noch die Grenz verteidigung gegen die Türken, auch als der König fich perjönlich nach dem Süden des Neiches begeben hatte. Auf einmal ließ biefer Anfangs Dftober feinen Oheim in Belgrad verbaften, ja e8 beißt fogar, daß er die Abficht gehabt habe, ihn hin⸗ richten zu laſſen und daß nur der Karbinal dies verhindert babe 2). Wa8 die Veranlajfung dieſes ftrengen Vorgehens des Königs geweien, ift leiver unbelannt. Das Wahrjcheinlichite icheint doch, daß er Nachricht vom Bündniſſe feines Obeims mit Sara und Ujlafy erhalten babe, da er um biejelbe Zeit auch diefen ihre Ämter nahm und zum Palatin den Michael Orſzaͤgh und zu Woywoden von Siebenbürgen den Sebaftian und Johann Rozgonyi ernannte ?).

1) ap. Kaprinai II, 195. Szilagyi bat in diefer Urkunde auch ben Titel „Graf von Biftrig”, aber nit mehr den noch am 26. Juli geführten: „regni Hungarie gubernator“. In ähnlicher Weife berichtet über den Vertrag zwifchen bem Könige und feinem Obeime ein päpftlicher Legat (wahrſcheinlich der Erzbiichof Hieronymus von Kreta) in feinem 1462 verfaßten (italienifehen) Berichte an den Papft, in „Fortſetzung der Allg. Welthiftorie” 49. Teil IL, 13, mitgeteilt von Engel.

2) Nach der erwähnten Relation wie nach einem Berichte bes vene- tianifchen Gefandten in Ofen vom 13. Sept. 1459, in Mon. Hung. |. c. 1, 65. Was Bonfin., Dec. III, 1. 10 zu ganz falfcher Zeit über bieje Gefangennehmung, den Befehl des Königs, Szilayyi binzurichten, und deſſen Befreiung durch feinen Koch erzählt, trägt den Charakter der Sage oder willtürliher Ausihmüdung an fih. Die Zeit wird beftimmt durch das Schreiben des Königs vom 8. Oftober an die Siebenbürger Sachſen ap. Katona XIV, 101, worin er die Verhaftung Szilagyi$ propter certas et rationabiles causas meldet, währenb ber venetianifche Gefandte in Ofen am 9. Oktober, obwohl er gerade Nachrichten aus dem Lager des Königs erhalten bat, davon noch nicht8 weiß. Mon. Hung. 1. c. I, 38.

3) Diefe belleiden die genannten Ämter nicht bloß am 10. Februar

138 Mahl des K. Friedrich zum Gegenkönige.

Dadurch tief gefräntt, beichloß Ujlaky mit feinen Freunden, den Matthias zu ftürgen und einen andern König gegen ihn aufzuftellen )Y. Ujlaky und Gara gewannen auch noch mandhe andere Große, außer ihrem alten Gefinnungsgenofjen Paul Baͤnffy von Lindva die Grafen von Pöfing und St. Georgen, Johann Szechy, die auch in Ungarn begüterten beutichen Sölonerführer Andreas Baumkircher, Grafen von Presburg, Ulrih Srafeneder und Berthold von Ellerbach, wie den bes rühmten Feldherrn der Eillier, Johann Witoweg, Ban von Slavonien, ja ſelbſt einige frühere Freunde der Hunyady wie Ladislaus von Kaniſa, Woywoden von Siebenbürgen, und deſſen Bruder Nikolaus. Schon Ende November ſcheint es zwiſchen ihnen und dem Könige zum offenen Bruch gekommen zu fein 2). Um gegen dieſen genügende Unterftügung zu erhalten, trugen fie die ungariiche Krone dem Kaiſer Friedrich an, deſſen Streitigkeiten mit Ungarn wegen der ungarilchen Krone und der in feinem Befige befinplichen Grenzſtädte noch immer nicht gefchlichtet waren. Da der Kaiſer, welcher auf bie Unter⸗ ftügung des neuen Papftes Pius IL, feines früheren Sekretärs Aeneas Sylvius Piccolomini rechnete, auf ihre Anträge ein« ging, wählten ihn die genannten Großen und einige andere am 17. Februar 1459 in Güffing „als Verwandten des Könige Ladislaus“ und weil er noch jeßt die Krone im Beſitze babe, zum Könige von Ungarn. Ihnen fchloffen fich jpäter auch noch der Biſchof von Siebenbürgen und Martin Frangipane, ®raf von Zengg, an ®).

1459 ap. Kaprinai II, 245 unb Katona XIV, 192, fonbern Michael Orſzagh erſcheint ſchon am 13. Oktober 1458 als Palatin. Cod. d. patr. I, 355.

1) Relation tes päpftlihen Legaten vom Sabre 1462, I. c. Auch ein Beriht an Franz Sforza von Mailand vom 23. Mai 1459, in Mon. Hung. 1. c. I, 51, bezeichnet Ujlaty als Anftifter. .

2) Am Andreastage (30. Nov.) 1458 hatte ſich Labislaus von Kanifa nach fpäterer Urkunde bes Königs Matthias ap. Kaprinai II, 294 von biefem aus Temedvar entfernt.

3) Die Urk. auf ber diefe Namen nachträglich beigefügt find, ap. Kaprinai II, 249. Katona XIV, 196. Die Anfiht Baladys,

Die Schlacht bei Körmönd. 139

Auf die Nachricht von der ihm drohenden Gefahr war Matthias aus Szegebin, wo ein um Neujahr 1459 gehaltener Reichsſtag ein wichtiges Geſetz über die Landbesverteibigung be- ihloffen Hatte !), gegen Ende Ianuar nach Ofen zurückgekehrt und batte auch die Bilchöfe und weltlichen Großen bortbin ber rufen, um zu ſehen, auf welche verjelben er fich verlaffen könnte. Die Biſchöfe Tamen bis auf zwei alle, von den Magnaten und hohen Adeligen eine ftattliche Anzahl. Dieſe leifteten ihm am 10. Februar neuerdings den Eid der Treue und veripracen ihm ihren Beiltand gegen alle Rebellen und Nebenbubler, wos gegen er ihnen eidlich ihre Rechte und Befigungen zuficherte ?). Zugleich pflanzte er das nationale Banner auf und ließ im ganzen Reiche verkünden, daß ber Kaiſer die ungariiche Sprache austilgen wolle, zu deren Verteidigung alle Waffenfähigen bis zum 24. April bei Peft ſich einfinden jollten, um unter An- führung des Königs in das Feld zu ziehen ?).

Schon früher fchidte übrigens Matthias 3000 Mann unter Simon Nagy von Szent-Marton gegen die Befiungen des Kaiſers. Ihnen gegenüber ftanden 2000 Mann unter Ujlafy, Baumkircher, Grafeneder, dem Grafen Sigmund von Pöfing und Petolt Metich in der Gegend von Körmönd. Nagy wollte am 7. April die Feinde überfallen. Doc waren dieſe gewarnt worven und batten fich rechtzeitig zur Wehr geftellt. In einem hitzigen Treffen, das vom frühen Morgen bis zum Abend bauerte, wurden die Ungarn vollitändig geichlagen, und viele fanden auch noch beim Rückzuge über die Raab den Tod. Aber auch die Kaiferlihen hatten an Toten und Verwundeten jo

Geſch. Böhmens IV, 2, 76ff., daß die ungarifhen Rebellen anfangs Georg von Podiebrad ober einen feiner Söhne hätten wählen wollen, widerlegt Bahmann, Die ungarifche Krone und K. Georg von Böhmen in „Zeitfehr. f. d. öſterr. Gymn.“ 1877, ©. 321ff.

1) ap. Kaprinai II, 228sqq. Katona XIV, 175sgqg.

2) ap. Kaprinai Il, 245. Katona XIV, 192.

3) Bericht des venetianiſchen Geſandten vom 14. März 1459 in Mon. Hung. 1. c. I, 44.

140 Urfachen der Unthätigfeit des Kaifers.

große DBerlufte erlitten, daß fie ihren Sieg nicht verfolgen fonnten ?).

Deſſen ungeachtet war der Kaiſer anfangs von den beften Hoffnungen erfüllt. Er glaubte jest bald zur Krönung nach Ungarn ziehen zu können und forderte am 15. April die Stadt Devenburg auf, bis zum 24. fünfzig Dann nah Güns zu ſchicken 2).

Es war wohl nicht bloß die gewohnte Energielofigfeit Friedrichs, welche der Ausführung dieſes Vorhabens in ben Weg trat. An der Fortſetzung ded Krieges mochte er auch baburch verhindert werben, daß ber päpftliche Legat Earvajal wegen ver Gefahr eines türkiichen Angriffs auf Ungarn alles in Bewegung feste, um ihn zu einem Ausgleiche mit Matthias zu bewegen. Schon am 23. April erichien er bei Friedrich in Wiener Neuftadt ®), um das volle Gewicht feiner Perjön- lichfeit zur Geltung zu bringen, und er fchien entjchloffen, nicht obne günftigen Erfolg wieder abzureijen. Auch die nachgejuchte Unterftügung des Papftes wurde dem Kaifer nicht zuteil. So vorfichtig auch Pius IL. alle8 vermied, was jeinen früheren Herren und Wohlthäter beleidigen fonnte, jo riet er ihm doch von der Annahme der ungariichen Krone ab, um nicht vor

1) Ich folge dem gleichzeitigen Chron. Austriac. ap. Senckenberg Sel. V, 78, für deſſen Berfafler Weiß, Geſch. der Stadt Wien I, 565f. (2. Aufl.), einen Wiener Ratsherrn oder Stabtjchreiber hält. Das von ihm angegebene Datum wie die Niederlage der Ungarn werben beftätigt durch Bericht des venetianifchen Gefandten aus Ofen vom 11. April, in Mon. Hung.1.c.1,47. Daß aud Sigmund von Pöſing und St. Georgen, ben das Chron. nicht nennt, Anführer gewejen, fagt der Kaifer in Urk. vom 19. Suni ap. Kaprinai H, 325. „Der Metſch“ ift offenbar der⸗ felde, den ber Kaifer in Urk. vom 1. Oktober im „Arch. f. öſterr. Geſch.“ XI, 153 erwähnt. Was Diugofz und Bonfin über dieſe Schlacht melben, ift vielfach offenbar erfunden, und noch unbaltbarer ift die Dar- ftellung bei Teleki III, 133—142.

2) Cod. dipl. patr. Hung. IV, 396.

3) Chron. Austr. 1. c., p. 80, auch hier durch den Bericht bes venetianifchen Gefanbten, ber den Legaten begleitet hatte, in Mon. Hung. 1. c., p. 48, beftätigt. Leider fcheinen deſſen weitere Berichte ver⸗ loren zu fein. 0

Defien Bündnis mit Georg von Böhmen. 141

®ott die Verantwortung zu tragen, wenn Matthias mit ben Türken Frieden fchließen müßte oder Ungarn, das bisher der Schild der ganzen Chriftenheit geweien, ven wilden Barbaren preisgegeben würde ”). |

Während der Kaiſer bald nad der Schlacht bei Körmönd in Unthätigfeit verfant, war Matthias um fo mehr bemüht, die unbeilvollen Folgen derjelben abzuwenden. Aber nicht durch Strenge, jondern durch Milde Hoffte er zum Ziele zu fommen. Schon am 19. April wurde der Witwe und den Kindern Des fürzlich verftorbenen Ladislaus Sara Verzeifung und der Beſitz ihrer Güter zugefihert ?). Auch den Brüdern von Kaniſa machte er am 24. April, nachdem fie ihm Gehorſam gelobt hatten, diejelben Berjprechungen 8).

Da der Kaiſer feine Anhänger in Ungarn nicht bloß nicht zunehmen, jondern fi) vermindern ſah, jo fuchte er im Mai 1459 die Unterjtügung des mächtigen Böhmenkönigs zu ge- winnen. Bon Eigennuß geblendet ließ fich Diefer in der That nach längeren Unterhandlungen bewegen, demjelben gegen ven Verlobten jeiner Zochter die Hand zu reichen. Friedrich, ber fich jeit Iahren nur zwilchen Graz und Wiener Neuftabt oder höchſtens Wien hin und ber bewegt hatte, begab fich ſelbſt mit großem Gefolge nad Brünn, um die Verhandlungen mit Georg zum Abichluffe zu bringen. Am 31. Juli erteilte er ihm bie Belehnung mit dem böhmiſchen Reiche.

Während nun Georg fcheindbar als Vermittler zwiſchen Friedrich und Matthias auftrat, unterhandelte er im Geheimen mit dem Kaiſer über ein Bündnis und fehloß mit diefem in ben eriten Tagen bes Auguft eine Reihe von Verträgen, welche beide Fürften für immer auf das engite an einander Fetten jollten. Beide verpflichteten ſich zu gegenfeitigem Beiſtande gegen äußere Feinde wie gegen innere Widerfacher. Georg ges

1) d.d. Senis 2. Apr. 1459, ap. Kaprinai II, 288. Bgl. übrigens p. 290—294, und im allgemeinen ©. Boigt, Enea Silvio III, 661ff., und Bahmann, Böhmen und feine Nachbarländer, S. 90 ff.

2) Teleki X, 616.

3) Kaprinai II, 294.

144 Befeftigung ber Herrſchaft des K. Matthias.

Dod war das Streben Georgs, die römiiche Königswürde zu erlangen, nicht ohne wichtige und zwar nachteilige Folgen für fein Verhältnis zum Könige von Ungarn, zum Katfer und zur römiſchen Kurie.

Georg dachte zwar nicht daran, ſein Verſprechen, dem Kaiſer im Notfalle auch mit Waffengewalt zum Beſitze Ungarns zu verhelfen, auch wirklich zu erfüllen. Der ungariſche Thron⸗ ſtreit ſollte ihm nur als Mittel dienen, um den Kaiſer geneigt zu machen, ſeine Erhebung auf den deutſchen Thron zu unter⸗ ſtützen. Er beſchränkte daher ſeine Thätigkeit zunächſt auf dem Tage zu Brünn im Auguſt 1459 auf die Herbeiführung eines Waffenjtillitandes bis zum 24. Juni des folgenden Jahres und dann auf erfolgloje und auch wenig ernit gemeinte Ber» mittlungsverfuche, und ſchloß fich, da der Katjer feinen Wünſchen doch nicht entgegenfam, ſchon Ende 1460 wieder dem ungarijchen Könige an und erneuerte den Vertrag über die Vermählung feiner Zochter mit vemjelben ). Aber Matthias fühlte fich ſchon durch diefe Schritte Georgs beleidigt und trat nie mehr in jo vertrauliche Beziehungen zum Vater feiner Braut wie anfang$.

Wurden jo die Bande, die den böhmiſchen König mit Un⸗ garn verknüpften, gelodert, jo fühlte fich auch der Kaiſer da⸗ durch gefräntt, daß Georg ihn vom deutichen Throne zu ver- brängen trachtete und ihm die verjprochene Unterftügung gegen Matthias Hunyady nicht leiſtete. Ohne die Hilfe des mächtigen Böhmenkönigs konnte aber der Kaijer unmöglich hoffen, jeinen Gegner zu verdrängen und ſich Ungarns mit Gewalt zu ber mächtigen. Denn während er durch Unruben in Diterreich gelähbmt ward, wußte Matthias feine Herrfchaft immer mehr zu befeftigen. Schon Anfangs September 1459 ſteht Niklas von Ujlat, der durch große Begünftigungen gewonnen worden war, wieder auf feiner Seite. Er bringt es durch feine Ver⸗ mittlung dahin, daß die Grafen Johann und Sigmund von

1) Über Gregors Beziehungen zu Ungarn f. Bahmann a. a. O., ©. 164—168; 185—187; 223—227; 254—257.

Ausfdhnung mit feinem Obeime. 145

Pöfing und Andreas Baumfircher, welche trog bes Waffen- ſtillſtandes den Kampf in Ungarn fortgefegt und fich des feſten St. Martinsberges durch Vertrag mit dem dortigen Abte !) bemächtigt hatten, denjelben gegen Überlaffung von zwei Burgen und Zahlung von 10 000 Dulaten wieder berausgaben. Noch wichtiger war es, daß Matthias fich auch mit feinem Oheime Szilaͤgyi wieder ausſöhnte, der aus der Gefangenfchaft ent- lommen war und in wenigen Tagen zahlreiche Truppen ge- fammelt und unter den Baronen viele Anhänger gefunden hatte. Durch den Kardinallegaten Carvajal, feinen früheren Freund, und den Erzbiſchof Dionys von Gran ließ, ſich dieſer bewegen, am 1. September nach Ofen zu fommen, wo nach acht- tägigen Verhandlungen ein Ausgleich zuftande fam. Es wurbe ihm neuerbings der erbliche Befig der Grafſchaft Biftrig zu- gefichert, wogegen er Lippa und anderes herausgab. Szilaͤghi jollte auch wieder die Verteidigung Ungarns gegen die Türken übernehmen, welche im Juni dem Sohne des bosnifchen Königs das wichtige Semendria entriffen und dann auch die übrigen Städte Serbiens erobert hatten. Wenn es ihm gelänge, ben- jelben Semendria wieder wegzunehmen, follte er dieſe Feftung erhalten und zum Despoten von Serbien ernannt werben ?).

1) Diefer, Thomas Debrentbei, noch im Februar unter ben Anhängern des Matthias erwähnt, war dadurch beleidigt worben, daß ber König das Bistum Agram, auf befien Stuhl er berufen worden, das aber ſeit De- cennien zwiſchen verfchiebenen Biſchöfen fireitig war, feinem Günftlinge, Johann Vitéz, Bifhof von Großmarbein, übertragen hatte. Vgl. barliber auch Katona XIV, 391—413.

2) Ich entnehme biefe bisher unbelannten Nachrichten einem Berichte an den Herzog von Mailand aus Ofen vom 13. Sept. 1459, in Mon. Hung. Matyas kir. koraböl I, 64. Der Nicplo vajvoda, der den Ber- ‚trag mit den Grafen von Pöfing, Baumlircher und „Nandiebok (der Nanlelreuter? Vgl. „Archiv f. öfterr. Geſch.“ XI, 153, Nr. IX) ver- mittelt, kann faum ein anderer fein als Ujlafy, ber auch am 30. März 1460, al8 vayvoda Transilvanus regnique Sclavoniae et Machoviensis banus, comitatum Sirigiensis (Simigiensis?) et Albensis comes ur- tundend, Matthias regem nostrum nennt. Kaprinai II, 407. Aus biefen Titeln Ujlakys jehen wir, wie viel ihm ber König gewährt hatte.

Huber, Gedichte Ofterreiche. ILL. 10

146 Bolftändige Beruhigung Ungarne.

AS feine Hauptaufgabe ſah e8 nun Matthias an, fein Neich von den Rotten der böhmilchen und polnifchen „Brüder“ zu jäubern, die noch immer in einem großen Zeile des nörd- lichen Ungarn die Herren ſpielten und die Bevölkerung in ber unerträglichften Weife bedrückten. Teils durch Waffengewalt, teil durch Geld wußten der König und feine Heerführer big zum Frühjahre 1462 jämtliche Burgen und Raubnefter derfelben in ihre Gewalt zu bringen und bie Anführer entweder zu ver- treiben oder zur Unterwerfung zu bewegen !). Selbſt Gisfra, der noch am 10. März 1461 tem Kaiſer als König von Ungarn die Huldigung geleiftet hatte 2), jchloß im Mat 1462 unter günjtigen Bedingungen mit Matthias feinen Frieden. Er unterwarf fih dem Könige, verſprach alle Burgen, die er und bie jeinigen bisher noch behauptet hatten, zurüdzuftellen, und gelobte vemjelben immer, bejonters gegen die Türfen, treu zu dienen. Dafür verpflichtete ji der König, ihm bis zum Ende des Jahres 40000 Dukaten zu zahlen, ihm eine Burg jenfeitS der Theiß mit einem jährlichen Erträgnis von 1000 Dukaten zu ſchenken und ihn mit 150 Reitern in feinen Sold zu nehmen °). Da um tiefelbe Zeit auch mit den Grafen von Pöfing ein Ausgleich zuftande kam *), fo erfreute ſich das Land einer Ruhe, wie nie mehr jeit dem Tode des Kaifers Sigmund. Einzelne Große wie der wanfelmütige Ujlafy mochten dem Emporkömmling noch grolfen und im geheimen ihre Hoch- verräterifchen Intriguen weiterfpinnen °), die meiften Bewohner

1) Die Nachrichten hierüber Hat Katona XIV, 292sqq. 36lsgg. 447 sqq. 518—527 gefammelt.

2) Pray, Ann. III, 262.

3) Nach Bericht des venetianifchen Gefanbten aus Dfen vom 27. Mai 1462 in Mon. Hung. 1. c. I, 140. Bgl. die unbatierten Schreiben ap. Katona XIV, 514—516. 528—530. 540. Nad Bonfin., Dec. III, 10 bat Gisfra die Burgen Lippa und Solymos erhalten. Aber was er über die zwifchen ihm und Matthias gewechfelten Briefe mitteilt, dürfte, wie fo vieles, von ihm erfunden fein.

4) Katona. c., p. 515.

5) Nach der oben erwähnten Relation des päpftlichen Legaten bei Engela. a. ©. ſuchten Ujlaly und andere Barone gerade im Jahre

Unterhandlungen mit dem Kaifer. 147

Ungarns, bejonder® der niedere Klerus, die Bürger und Bauern, welchen die Wohlthaten bes Friedens vorzüglich zugute kamen, hingen mit treuer Anbänglichkeit an ihrem Könige, vefien Thron nie fefter ftand als um bieje Zeit.

Diefer Sachlage mußte notwendig auch der Kaiſer Rechnung tragen, jo zäh er auch an den einmal erworbenen Anjprüchen feſthielt. Auch der Papſt Pius II. mahnte zum Frieden. Nachdem der Fürftenkongreß, den er 1459 zur Zuftandebringung eines allgemeinen Kriegszuges gegen die Türken nah Mantua berufen Batte, ein glänzendes Fiasko erlebt hatte, wollte er wenigſtens die Kräfte Ungarns gegen die Osmanen frei machen, die mit immer größerem Ungeftüm an die Pforten dieſes Reiches pochten. Zugleich war es für den Kaiſer von größter Wichtig. feit, feinem Bruder Albrecht, mit dem er wieder vollitändig zerfallen war, die ungariiche Unterftügung zu entziehen.

Anderſeits iprachen doch auch vom ungariichen Stand punkte aus gewichtige Gründe für die Herftellung eines Friedens mit dem Kaifer. So lange Matthias nicht mit der Reichskrone, die noch immer in Friedrichs Händen war, geſchmückt war, fonnte auch die Rechtmäßigkeit feines Königtums angefochten werden, hatten unzufrievene Magnaten einen Vorwand zur Anzettelung von Unruhen. Und dann fchien e8 geradezu eine Lebensfrage für Ungarn, daß man endlich die ganze Aufmerk⸗ famteit dem Schuge der ſüdlichen Reichsgrenze gegen die Türken zuwendete.

Des Matthias vertrauteſter Ratgeber Johann Vitéz, Biſchof von Großwardein, begab ſich, angeblich ohne Auftrag vonſeite ſeines Königs, bloß nach dem Rate einiger Prälaten und Barone), im März 1462 aus Slavonien, wohin er von Matthias gefchielt worden war, zum Sailer nad) Graz, wo auch ein päpftlicher Xegat, Hieronymus Lando, Erzbijchof von

1462 den König von Böhmen zu bewegen, mit ihrer Unterftügung feinen Sohn zum Könige von Ungarn zu maden. Über die Zeit fiehe Bach⸗ mann in „Zeitfohrift f. d. öfterr. Gymn. 1877, ©. 330f. 1) So behauptet 8. Matthias in feinem Schreiben ap. Katona XIV, 527. 10*

148 Die Friedenspräliminarien.

Kreta, eingetroffen war. Unter Vermittlung desjelben einigte fih der Kaiſer mit dem Bilchofe von Großwardein über bie Bedingungen, unter denen er zu einem Frieden geneigt war. Zum Erjag des Schadens, den er feit 1440 von den Ungarn erlitten, jollten ihm 80000 Dukaten gezahlt werden, wogegen er dann bie ungarifche Krone und die Stadt Odenburg heraus. geben wollte. Dagegen follten die übrigen im Beſitze des Kaiſers befindlichen Burgen und Städte, Forchtenſtein (Fraknoö), Kobelsdorf (Kaboͤld), Eiſenſtadt, Güns und Nechnig mit den Dazugehörigen Herrichaften in den Hänven Friedrichs und feiner birelten Nachlommen bleiben, die beiden erfigenannten aber nach jeinem Tode vom ungariichen Könige um 40 000 Dufaten ausgelöft werben bürfen. Der Kaiſer, der nur infolge ge⸗ ztemender Berufung ben Titel eines Könige von Ungarn ar genommen babe, follte denſelben lebenslänglich behalten dürfen. Er jollte Matthias an Sohnes ftatt annehmen und von biefem al8 Vater geehrt werben, auch beide fich gegenfeitig unterftüßen. " Damit der Kaifer um fo geneigter wäre, die Intereffen Un- garns zu fördern, wurbe bejtimmt, daß wenn Matthias ohne Söhne mit Tod abginge, Friedrich ‚oder ein von ihm zu bes ſtimmender Sohn, oder wenn er nicht mehr lebte, ein von den Ungarn zu wählender Sohn ihm auf dem ungariſchen Throne folgen follte. Die Zahlung obiger 80000 Gulden wie bie Übergabe ber notwendigen Urfunden durch die Vevollmächtigten des Könige Matthias und der ungariichen Großen follten in Wiener Neuftabt erfolgen und darauf die Krone denſelben ein- geantwortet werden ?).

1) Diefe Friedenspräliminarien vom 3. April 1462 inferiert in bie Beftätigung bes Papſtes Pius II. vom 7. Mai 1463 ap. Theiner, Vet. Mon. Hung. II, 375. Die Angaben bes venetianifhen Gefanbten über biefen ertrag in Mon. Hung. Mätyds kir. koraböl I, 141g. zeigen, wie genau berfelbe unterrichtet war. Daß Matthias nach bem Tode feiner gegenwärtigen Gemahlin fih nicht mehr follte verhelraten bürfen, wie allerdings Dlugosz XII, 487 zum Jahr 1472 bemertt, und Krones, Handbuch II, 456, und noch Bachmanun, Deutſche Reichsgeſchichte I, 390, behaupten, ſteht weber in biefen Grazer Ab- machungen noch in den Urkunden über ben befinitiven Friedensſchluß.

Ratifikation berfelben. 149

Der päpftliche Legat begab fich jelbft mit dem Biſchofe von Großwardein nach Ungarn, um bie Ratifilation dieſer Friedens» präliminarien zu betreiben. Zur Beratung berjelben berief Matthias die Prälaten, Barone und Adeligen nach Ofen, wo der Reichstag am 20. Mai eröffnet wurde. Man fand aller dings die Bedingungen des Grazer Übereinfommens jehr drückend. Allein um nur endlich die Krone zu erhalten, genehmigte ber Reichstag ſchon am 26. Mai die angeführten Präliminarien. Um die Summen aufzubringen, welche zur Befriedigung bes Kaiſers und Gisfras notwendig waren, bewilligte der Neichstag ausnahmsweiſe auch von den Adeligen eine hohe Steuer, wäh. rend die Städte, die gar nicht berufen worden waren, vom Könige im Verhältnis zu ihren Mitteln zur Beitragsleiftung berangezogen wurden !).

Ungeachtet alles guten Willens vonjeite der Ungarn dauerte es jehr lange, bis die 80000 ‘Dufaten verfügbar waren, die man dem Kaiſer zahlen mußte. Auch war in den Grazer Präliminarien bejtimmt worden, daß dieſe zur größern Sicherheit vom Papite bejtätigt werben jollten, was vonjeite desſelben erft am 7. Mat 1463 geihahb. Der Abſchluß des befinitiven Friedens, über den die ungariichen Bevollmächtigten mit den Gefandten des Kaiſers in denburg verhandelten 2),

Auch Spricht dagegen, daß ſchon wenige Wochen nah bem am Ende bes Februar 1464 erfolgten Tode der Gemahlin bed Königs Matthias ber Geſandte des Markgrafen Albrecht von Brandenburg am faiferlihen Hofe von neuen Heiratsplänen zu berichten weiß („Archiv für öfterr. Geld.“ VII, 26.), und daß von 1465 an wegen der Vermäblung bes Matthias eifrig verhandelt wurbe.

1) Bericht des venetianifhen Geſandten vom 27. Mai 1. c. beftätigt und ergänzt buch die Urkunden bei Katona XIV, 527—548. Bgl. Teleki XI, 35. Es ift baher irrig, wenu Bachmann a. a. ©. I, 389 jagt, daß bie ungarifchen Edeln die Annahme ber Bebingungen verweigerten.

2) Befehl des Kaifers an die Stabt Odenburg vom 10. Juni 1468, den ungariſchen Bevollmächtigten während ber Verhandlungen gehorſam zu fein, im Cod. dipl. patr. V, 268. Datiert find bie Urkunden ber ungarifchen Bevollmächtigten vom 19. Iuli aus Odenburg, die des Kaifers vom gleihen Tage aus Wiener Neuftadt, bie Ratifikation vonfeite des

150 Krönung des K. Matthias zum Könige.

machte dann feine Schwierigleiten mehr. Die Beitimmungen besjelben jchließen ftch faft wörtlich an die Grazer Abmachungen an. Am 24. Yuli 1463 erfolgte in Wiener Neuftabt die Auswechslung der Urkunden zwilchen dem Kaifer und den un⸗ garifchen Bevollmächtigten, die Zahlung der feftgefegten Geld- fumme und die Übergabe der ungarifchen Krone !).

Matthias war glüdlih, als er endlich nach fechsjähriger Regierung am 29. März 1464 feierlich zum Könige gekrönt werben fonnte und fein Thron vor weiteren Anfechtungen ficher- geftellt war. Aber auch der Kaijer konnte mit dem Ausgange des Streites um Ungarn zufrieden fein. Faſt ohne Anftrengung von feiner Seite, bloß durch feine gewohnte Taktik, einmal erlangte Anfprüce nicht aufzugeben, hatte er eine große Geld⸗ fumme, den ficheren Befig mehrerer ungarifcher Grenzbezirke und möglicherweije jogar für fich oder feine Nachlommen Aus- fiht auf die ungarische Krone erlangt. Und auch unter weniger günftigen Bedingungen hätte er einen Frieden mit Ungarn wegen feines immer weiter gehenden Zerwürfniffes mit feinem Bruder Albrecht und den Niederöfterreichern mit Freuden be- grüßen müffen.

Kaifers vom 24. Juli, worauf am 26. Juli in Ofen bie vo.feite des Könige Matthias erfolgt. Gebrudt find alle bei Katona XIV, 586 bi8 618 und Theiner, Vet. Mon. Hung. II, 382—391.

1) Obigen Tag geben bie ungarifhen Bevollmädtigten in. Schreiben an bie Siebenbürger Sachſen ap. Teleki XI, 75 an.

Ausplünderung Oſterreichs durch die Söldnerbanben. 151

Bweiles Kapitel,

Streitigkeiten des Kaifers Friedrich mit den Ofter- reichern umb feinem Bruder Albrecht VI.

In der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts ging bie mittelalterliche Staatsform in Deutichland ihrem Bankrotte entgegen. Seitdem das Fußvolf und die Söldner im Felde bie entſcheidende Rolle jpielten, hatte die feudale Kriegsverfajjung ihre Bedeutung beinahe vollitändig eingebüßt, das Zeitalter der ftebenden Heere fündete fih an. Aber während die Ausgaben der Fürſten wegen der erhöhten Koften der Kriegführung, der Zahlung von Sold, der Anschaffung von Geihügen und Pulver wie wegen ded Sinkens des Geldwertes ununterbrochen jtiegen, waren die regelmäßigen Einnahmen von den Negalien und Domänen faft gleich geblieben oder gar durch Verkäufe, Ver⸗ pfändungen oder Verichenfungen verringert worden, jodaß eine Zerrüttung der Finanzen die unausbleibliche Folge war. Der Fürſt mußte ſich entweder durch Darlehen oder weitere Ver— äußerungen feiner Güter und Einkünfte helfen, aljo feine Finanzen noch mehr jchädigen, oder von den Ständen außerordentliche Steuern verlangen, die nur ungern und in ungenügendem Maße bewilligt wurden und bei öfterer Wiederholung oder längerer Dauer allgemeine Unzufriedenheit hervorriefen.

Auch ein Fräftigerer und thätigerer Fürft als der Kaijer Friedrich würde faum imftande gewejen fein, in Djterreich auf die Dauer Ruhe und Ordnung aufrechtzuerbalten, da in Ungarn und Mähren taufende von brotlojen Sölonern, die nur von Raub und Beute lebten, zum Einbruche in das Land bereit lagen und die Mittel zur Erhaltung einer jtändigen Truppen⸗ macht vollftändig fehlten, ohne die weder bie auswärtigen Bandenführer noch die einheimischen Wegelagerer im Zaume gehalten werden konnten. So fam es, daß die Not Ojter-

152 Verſchlechterung ber Silbermünzen.

reichs, welches jchon durch die Einbrüche der Böhmen im Sommer 1458 und durch die von ihnen angerichteten Ver⸗ wüſtungen fchwer gelitten hatte, auch nach bem Frieden mit dem Könige Georg fein Ende finden follte.

Was die Böhmen auf dem Marchfelve übrig gelaffen, das nahm den Leuten Mladwandt oder Ladwenko weg, einer von den damaligen Räubern im großen, ver zu beiden Seiten der untern March mehrere „Tabor“ errichtet hatte und fein Hand» wert auch noch fortjegte, nachdem ihm der Erzherzog Albrecht mit den Wienern und einigen öfterreichtichen Adeligen am 29. März 1458 zwei feiner Raubnejter an der Marhmündung weggenommen und von den 500 ©efangenen bei zweihundert in Wien hatte aufhängen laffen. Erſt al$ im Sommer 1459 wieder zwei feiner Feſten von den Oſterreichern gewonnen wurden, war diefem Unweſen für furze Zeit ein Ende gemacht ?).

Im Deai 1459 erfror ein großer Zeil der Weinreben, und auch die Getreideernte war infolge ungünftiger Witterung eine ſpärliche, ſodaß fchon deswegen die Preife des Getreides und anderer Xebensmittel immer mehr ftiegen ?). Die Not erreichte den Höhepunkt, als das Land mit ganz wertlofen Münzen überſchwemmt wurde.

Da die Fürften das Münzrecht nur als eine gewinnbringende Einnahmequelle betrachteten, jo war in Öfterreich wie in andern Ländern das gebräuchlichite Geld, ver Silberpfenning, von dem 30 auf einen Schilling, 240 auf ein Pfund gingen, immer mehr verjchlechtert worden. Hatte man in der Zeit des Herzogs Rudolf IV. für einen ungariichen Goldgulden oder Dufaten, den Hauptwertmeffer ber größeren Zahlungen wie bei Silber- einfäufen, 96 Pfenninge geben müfjen, jo war berjelbe jchon 1399 auf 5 Schillinge oder 150 Pfenninge, während der fpäteren Regierung bes Herzogs Albrecht V. (1422 —1435) auf 6 Schillinge und in den zwei folgenden Jahrzehnten infolge einer

1) Chron. Austr. ap. Senckenberg V, 55 89. 81. Eben- dorffer ap. Pez II, 889. 892. 897. 904. „Copey- Bud der Stabt Wien“. im F. R. Austr. dipl. VII, 120.

2) Ebendorffer, p. 896.

Die „Schinderlinge”. . 158

Verringerung des Gehaltes der Pfenninge, vielleicht auch des Eindringens fchlechter Münzen von außen, nad und nad bis auf 8 Schillinge oder ein Pfund geftiegen 9).

Den Anlaß zur folgenden Kataftrophe feheint ver Umftand gegeben zu baben, daß die Herzoge von Baiern und füddeutiche Grafen ganz wertloje Pfenninge und ähnliche Münzen ausprägen ließen, von denen ganze Tonnen voll nach DÖfterreich geführt wurden. ‘Dem verlodenden Beiſpiele folgte zuerft im Sommer 1458 der Erzherzog Albrecht in Oberdjterreih und dann auch ver Kaifer ?), welcher jeine Münsftätten in Wiener Neuftadt, Graz, Laibach und St. Veit an Spekulanten verpachtete, die in großen Mengen ganz gebaltlofe Pfenninge und Kreuzer 4 Pfenninge) ſchlugen und fi) dadurch ungeheuer bereicherten. ‘Das Übel wurde noch dadurch verfchlimmert, daß der Kaifer feinen Söldnerführern Andreas Baumkircher, Ulrich Grafeneder, Ber- thold von Ellerbadh, Ian von Wittoweg und dem Grafen von Pöſing, ftatt ihnen die großen Soldrückſtände zu zahlen, bie Erlaubnis zu Münzprägungen erteilte, was viejelben in ber maßlojeften Weile ausbeuteten. Dieſe Pfenninge, das Volt nannte fie Schinderlinge, hatten von Silber faum eine Spur mehr in fih. Während der Pfenning im Sabre 1435 noch einen Veingehalt von 0,25 Gramm gehabt hatte, enthielt der im April 1460 zirkulierende nur noch 0,012, war alfo um mehr als das zwanzigfache jchlechter.

Da ift e8 begreiffich, daß dieſe Pfenninge und Kreuzer allen

1) Schalt, Der Münziuß der Wiener Pfenninge in ben Jahren 1424—1480 (Wien 1880), auf bem ich auch bezüglich des Folgenden im allgemeinen verweife. Vgl. für die vorhergehende Zeit noh Schalt in „Mitteil. des Inftituts f. öſterr. Geſchichtsforſch.“ IV, 572 ff.

2) Daß nicht der Kalfer den Anfang gemadt bat, ſcheint mir nad ben Angaben bes gleichzeitigen Chron Austr. 1. c., p. 92, wie bes Augs- burgers Burkard Zint (Chroniten ber beutfchen Städte V, 112) nicht zu bezweifeln. Auch ift das erſte Münzpatent bes Erzherzogs Albrecht, das die Münze verfchlechtert, fhon vom 13. Juli 1458, das zweite, noch ſchlimmere, vom 20. Mai 1459 (Chmel II, 159. 170), während nad Chron. Austr., p. 93sq. das Münzen in Wiener Neuftabt erſt um ben 29. Sept. 1459 begann.

151 Hungersnot in Ofterreich.

Kredit verloren, daß niemand mehr anderes Geld al8 Gold» gulden nehmen wollte und Dieje rapid, an manchen Zagen um 20 bis 30 Pfenninge, ftiegen und envlid einen Kurs von 6, 8, 10, ja von 12 Pfund Pfenningen erreihten. Der Handel ſtockte vollftändig, die Preiſe der Lebensmittel und anderer Waren wie anderjeit8 auch die Arbeitslöhne erreichten eine uns gebeuere Höhe. Hatte no im Jahre 1458, wo doch eine bedeutende Zeurung berrichte, ein Mutt Weizen 6 Pfund ge- foftet, fo ftieg 1460 der Preis desjelben auf 32, nach einem anderen Berichte gar auf 50 Pfund, ein Laib Brot auf 9 Scillinge, eine Henne auf 4, ein Haſe auf 10 Schillinge, ein Ei auf 5 Pfenning. Mehrere Tage wurde in Wien gar fein Brot und Wein verfauft, und e8 fam zu Scenen, welche die des modernen Krachs noch überboten. Nicht bloß weinte Das Volk und fchalt und fluchte über den Kaiſer und feine Räte, fondern es erreichte wirklich das Elend ven höchſten Grad. Manche mahlten getrodnete Baumrinden und machten daraus Brot; andere ftarben Hungers; eine Witwe in Nußdorf tötete aus Verzweiflung ihre zwei Kinder; andere verfauften die ihrigen oder ftellten fie auf die Straßen oder jperrten fie in die Woh- nung ein und gingen davon, um nicht dem Verhungern der⸗ felben zujeben zu müljen ?).

Wie dieſes verderbliche Münzunweſen, bei dem fich nur die Münzpächter und einzelne Spekulanten bereicherten, eine Folge einjeitiger Berüdjichtigung fiskaliſcher Intereſſen geweſen war, fo galt dies auch von der Erhöhung der Mautaufichläge auf Wein, Salz, Getreide u. ſ. w., die in ſolchen Sahren der Teuerung geradezu unverantwortlich war.

Und trog der Geldmacherei um jeden Preis war Die Regierung des Kaiſers nicht einmal imftande, den Landfrieden zu jchügen und einen einzelnen Adeligen im Zaume zu balten. Gamaret Tronauer, dem der Kaijer den Beſitz des Schloffes

1) ©. die Schilderungen und detaillierten Angaben im Chron. Austr., p. 9584q. und Ebendorffer, p. 896— 902. Bgl. auch „Copey⸗Buch der Stadt Wien“, ©. 198ff., beſonders 203f.

Klagen des Adels gegen ben Kaifer. 155

Drt auf dem Marchfelde bejtritt, weil es deſſen verftorbenem Bruder nur zur Hut übergeben worden jet, weigerte fich, feine Anſprüche vor dem Gericht des Kaiſers geltend zu machen, fo lange dieſes nur mit den Räten desjelben und nicht dem Her- fommen gemäß mit einem Landmarihall und einbeimijchen adeligen Beifigern bejegt wäre. ALS der Kater ihm nun das Schloß durch das Gericht unter dem Vorſitze des Biſchofs von Paſſau abjprechen Tieß und hierauf 2000 Böhmen aus Ungarn in Sold nahm und durch Diefe und feine Leute nach längerer Belagerung am 26. März 1460 Ort durch Beitechung des Kommandanten in jeine Gewalt brachte, da fammelte auch Sronauer böhmijche „Brüder”-Notten und jegte von der Kirche in Schweinbarth am Weidenbache aus, die er in eine Feltung umgewandelt hatte, feinen Raubkrieg fort. Mit feinen Leuten wetteiferten in der Bebrüdung des Volkes die Sölpner bes Kaijers, welche den Bauern nicht bloß ihre Lebensmittel, fondern jelbjt ihre Kleider und Schuhe wegnahmen ?).

Der Adel, der auch durch den Münzunfug bedeutende Ver⸗ Iufte erlitt, indem ihm die Abgaben in wertlojen -Pfenningen gezahlt wurden, machte feinem Unwillen gegen den Landes—⸗ herrn auf mehreren Verfammlungen Luft, die troß des Vers botes des Kaiſers Ende 1459 und in den erften Monaten des Jahres 1460 gehalten wurden. Auch jet ftand wieder Ulrich Eizinger an der Spike der Unzufrievenen. Man Elagte über bie Nichtbefegung des Landrechtes in orbnungsmäßiger Weile, über die Störung des Landfriedens und die Unficherheit der Straßen, über die fchlechten Münzen, über die Mautabgaben von Getreide, Wein und Salz, über die Schwierigkeiten bei Verleihung der Lehen und die dafür von der Kanzlei erhobenen Zaren und andere Dinge. Da der Kaijer feine befriedigenden Antworten gab, fo wendeten fich die Apeligen Anfangs März an die Stände des Landes ob der Enns und an die Derzoge

1) Chron. Austr., p. 87sq. 100—109. 112. Ebendorfer, p. 900. 902sq. 915. Joannis Hindernbachii Cont. Aeneae Sylvii ap. Kollar, Analecta II, 560sgqg.

156 Bergeblige Verhandlungen.

Albreht und Sigmund, ja jogar an den mit Eizinger be- freundeten König von Böhmen als den „oberften Kurfürften”, ber entweder zwilchen dem Kaifer und feinen Großen vermitteln oder gar eine Entſcheidung treffen follte. König Georg, ber in diefen Wirren ein geeignetes Mittel ſah, um auf den Kaiſer in der deutichen Thronfrage einen Drud auszuüben, nahm fich nach einigem Zögern ber öfterreichifchen Adeligen an und trat als Vermittler auf, was den Kaifer gewaltig gegen ihn auf brachte. Die langen Verhandlungen, die im Sommer 1460 in Wien ftattfanden, blieben fchließlih ohne Erfolg, obwohl der Kaiſer bezüglich mehrerer Beſchwerden fich entgegentlommend zeigte, bei einzelnen auch nachwies, daß fie unbegründet jeien. Auc daß er die Forderungen, welche einige Adelige, bejonders bie Eizinger, gegen ihn hatten, befriedigen wollte, genügte vielen nicht. Sie verlangten, daß noch vor dem 29. September ein Landtag einberufen werde, weil fie bezüglich ver Mautaufichläge nicht ohne die übrigen Ständemitglieder fich zu etwas herbei- laffen könnten. Gerade in diefen Dingen war Friedrich un⸗ gemein empfindlich; von feinen Untertbanen wollte er ſich zu nicht8 zwingen laſſen. Um ven 10. Auguft wurden daher bie Unterbandlungen abgebrochen, und die böhmijchen Geſandten wie bie Adeligen verließen Wien 1). Kine weitere Einmiſchung bes böhmischen Königs, unter deſſen Schug fich die Eizingeride Bartei ftellte, wies der Katjer in ziemlich fchroffer Weife ab ?).

Um wenigftens dem ſchlimmſten Übelftande abzubelfen, ließ ber Kaiſer befjere Pfenninge prägen, von denen 6 Schillinge auf einen Dukaten geben jollten, obwohl ihrem wirklichen Werte gemäß bald 8, in fpäteren Jahren fogar 9 und 10 Schillinge für einen Goldgulden gezahlt werden mußten ?). Auch berief er auf den 30. November einen Landtag nah Tulln, um Bilfe

1) Über diefe Verhandlungen ber Eizingerfchen Partei haben wir neben bem eingehenden Berichte ap. Ebendorffer, p. 898—919 und Chron. Austr., p. 87—115 zahlreiche Attenftüde bei Chmel, Materialien I, 184—214, und im „Copey⸗Buch der Stadt Wien“, S. 177—215.

2) Ebendorffer, p. 919sq. „Copey⸗Buch“, ©. 221.

3) Schalt a a. O., ©. 92ff.

Feinbfeligleiten Fronauers, Haltung des Böhmenkönigs. 157

gegen Fronauer zu erhalten und einen Ausgleich mit der Adels- oppofition zuftande zu bringen. Der Landtag wurde aber fo ſchwach bejucht, daß die Erichienenen den Kaiſer baten, er möchte nach Weihnachten einen neuen berufen. Statt nun diefem Wunſche nachzukommen oder felbft zur Untervrüdung Fronauere energiihe Maßregeln zu treffen, begab fich Friedrich Ende Dezember 1460 nach Wiener Neuftadt und im Februar gar nad Graz und überließ Ofterreich fich felbft.

Jetzt fpielte Tronauer, der immer mehr Leute, befonders Böhmen, um fich fammelte, geradezu den Herrn im Lande. Nachdem er fchon im Auguft Triebenfee weggenommen und be feitigt hatte, wo er nun wie ein Fürft von den vorbeifahrenden Schiffen eine Mautabgabe erhob, fegte er im März 1461 über die Donau, befeftigte mehrere Pläte, deren er fich bemächtigte, brandichagte das ganze Land von Mautern und Hollenburg bis in die Nähe von Wien und ließ fich von den Leuten die Hul- bigung leiten. Ihn unterftügten jet offen viele Söldner des Kaiſers, welche dieſer zu zahlen unterlaffen hatte, während der Adel dem Unwefen ruhig zujah ?).

Unterdeſſen Hatte fich der böhmiſche König überzeugt, daß der Kaiſer in der deutſchen Thronfrage freiwillig ſeinen Wünſchen nicht entgegenlommen würde, und hatte fich entichloffen, gegen deffen Willen die Krone an fich zu bringen. Daher war er nun bemübt, demſelben auf allen Seiten Feinde zu erweden.

Während er noch im Oktober 1460 zugunften bed vom ungariichen Könige bevrängten Gisfra hatte ins Feld ziehen wollen 2), Inüpfte ex im November die Unterhandlungen mit Matthias wegen der Vermählung feiner Tochter mit demfelben wieder an und bradte im Januar mit ihm eine vollitändige Einigung zuftande. Auf dem Fürftentage in Eger, auf dem

1) Ebendorffer, p. 917. 923. 926sq. 929. Chron. Austr., p. 117, 123. Vgl. Ehmel, Materialien II, 236, Nr. 179. Bahmann, Deutſche Reichsgefchichte im Zeitalter Friedrich III. und Marx J., I, 23ff. bat in der Schilderung ber Zuftände in Ofterreich im Jahre 1460 unb Anfangs 1461 die Ereigniffe zeitlich einigermaßen burcheinander geworfen.

2) Balady, Urkundl. Beiträge, S. 233. Vgl. „Eopey- Buch“, S. 221.

158 Bündniſſe bes Erzberzogs Albrecht gegen ben Kaifer.

Georg feine Wahl zum römtifchen Könige durchzuſetzen bemüht war, am 18. Yebruar 1461 ſchloß derfelbe auch mit dem Erz- berzoge Albrecht, dem, Bruder des Kaifers, ein enges Bündnis gegen biefen. Da infolge der unordentlichen Negierung des Raifers, erflärte er, in Öfterreich Tange Zeit Kriege und Auf- ruht geweſen und Gefahr jet, daß dieſes Land dem Haufe Habsburg ganz verloren gehe, jo werde er dahin wirken, baß alle Herren und Ritter, die fich unter feinen Schuß gejtellt, dem Erzherzoge Albrecht unterthänig werden, und werde auf feine Koften mithelfen, baß dieſer Ofterreih unter der Enns erwerbe. Doch mußte Albrecht fich verpflichten, ihm dann 50000 Dukaten zu zahlen). Georg machte nun die öfter- reichifchen Adeligen, die bei ihm Schu für ihre Freiheiten fuchten, darauf aufmerfiam, daß außer dem Kaiſer noch zwei vom Haufe Ofterreich wären, und gab ihnen ven Rat, fih an einen von diefen zu wenden. Die Adeligen bätten nun zwar Sigmund von Tirol feinem Vetter Albrecht vorgezogen und trugen zuerft jenem die Herrfchaft über ihr Land an. Da aber Sigmund, damals in einen Krieg mit den Schweizern veriwidelt, ihnen eine ablehnende Antwort gab, jo wendeten fie fih an den Erzherzog Albrecht, der natürlich ihren Wünfchen auf das bereitwilligite entgegenfam und auf einer Zuſammenkunft in St. Pölten und fpäter in Freiftadt alle Sachen mit ihren ins Reine brachte. Auch Fronauer fchloß fich dem Erzherzoge an ?).

Ende März begab fich Albrecht nach Innsbrud zum Herzoge Sigmund, mit bem er fich ebenfall$ vollftändig einigte, indem er ihm für ven Fall des Todes des Kaifers die cillifchen Be⸗ figungen zuficherte und ihn, wenn er felbjt feine männlichen Nachkommen ' binterließe, zum Erben feiner Länder einfekte. Sigmund bracdıite dann ein Bündnis zwilchen feinem Vetter und den Grafen von Görz zuftande, die vom Kaiſer furz vorher zu einem ungünftigen Frieden gezwungen worben waren. Der

1) Bachmann, Reichsgeſchichte I, 30f. 2) Chron. Austr., p. 124sqq. In Freiſtadt urkundet Erzherzog Albrecht am 28. April. Lichnowsky VII, Reg. Nr. 509.

Beginn bes Krieges. 159

Kreis der Feinde des Kaifers ward auf allen Seiten geichloffen, al8 am 4A. April auch Matthias von Ungarn mit dem Erz berzoge Albrecht ein Bündnis einging. Jener jollte gegen Enbe des Juni Steiermark, dieſer Niederditerreich angreifen und beide den Krieg fortiegen, bi8 der Kaiſer an diefen das Land nörd⸗ lich vom Semmering abgetreten, an Matthias die ungarifchen Grenzgebiete und die Königskrone zurüdgeftellt hätte ?).

Zur Abwendung diefer Gefahren traf der Kaiſer ganz un« genügende Maßregeln. Er mendete fih um Hilfe an den Bapft, ermahnte die Reichsſtädte und die Fürjten zur Treue und forderte die Stände der böhmiſchen Länder und Oberöſterreichs auf, den König Georg und den Erzherzog gegen den Kaifer nicht zu unterftügen. Aber er that nichts, um den Feinden eine zahl- reihe Truppenmacht entgegenftellen zu fünnen. Wohl nahm er im März den erprobten Giskra in feinen Dienft; aber bie Mannſchaft, die er ihm mitgab, beichränfte ſich auf 300 Dann und 1000 „Brüder“, mit denen verjelbe troß der Unterjtügung burch die Wiener und die Bauern am Kahlenberge nicht einmal gegen Fronauer etwas ausrichtete, während die Verwüftungen und NRäubereien jeiner Leute die Abneigung gegen den Kaiſer vergrößerten. Die meiften öfterreichiichen Landherren, die nicht bereits offene Feinde Friedrichs waren, erklärten fich für neutral. Ein Landtag, den der Kaiſer auf den 15. Juni nach Korneu⸗ burg berief, wurde fat gar nicht bejucht.

Am 19. Juni 1461 erklärte der Erzherzog Albrecht, daß er fich entichloffen habe, Ofterreih unter der Enns in feine Hände zu bringen, damit dieſes wenigſtens jeinem Fürjtenhaufe erhalten bleibe, und kündigte jeinem Bruder den Krieg an. Gleichzeitig fandten zahlreiche Adelige aus Ober⸗ und Nieder» öfterreih, aus Böhmen und Mähren dem Kaiſer ihre Fehde⸗ brief. Am 30. Juni überjchritt der Erzherzog die Grenze von Niederöfterreih, wo fich faft alle Adeligen wie Yronauer mit jeinen Scharen ihm anfchloffen, rückte über Ips und St. Pölten nah Zulln, deſſen Bejagung durch Verrat der Bürger über-

1) Bachmann, Reichsgeſchichte I, 33—38.

160 Not des Kaifers.

wältigt wurde, nötigte Giskra zum Rückzuge auf Wien, geivanı Klofterneuburg und ftand ſchon am 1. Auguft in Hieging unter den Mauern Wiens. Ein Verſuch, fih am 12. Auguft mit Unterftügung einiger Parteigänger durch plößlichen Überfall der Hauptſtadt zu bemächtigen, in ber auch bie Kaiſerin und ber zweijährige Kronprinz Max fich aufhielten, fcheiterte an ber Wachſamkeit und dem kräftigen Widerftande der Vürger und ihrer Belagung. Aber trogdem war die Lage der Stabt eine bevenklihe. Wohl war Wien mit Mauern, Qürmen und Gräben ftark befeftigt. Auch waren, vom Kaiſer gejenvet, außer Gistra auch Andreas Baumkircher, der Grafeneder und andere Sölpnerführer mit einigen 100 Mann Ende Iuli noch recht zeitig in die Stadt gelommen. Aber diefe war fo ungenügend verproviantiert, daß fie eine lange Belagerung nicht aushalten fonnte. Auch erbielt der Erzherzog noch in jeinem Lager bei Schwechat bedeutende Verjtärfungen. Denn auf dem Marſche gegen Wien Anfangs Yuli hatte er mit dem Herzoge Ludwig von Baiern Landshut einen Vertrag geichloffen, wonach dieſer ihm gegen Berpfändung von Neuburg am Inn und ‚mebrerer Schlöffer wie gegen andere Verfprechungen 1000 Xeifige und 1000 Fußgänger zubilfe ſchicken follte.. Faft gleichzeitig mit den Boiern famen am 26. Auguft aud 4000 ungariſche Reiter und 1200 Fußgänger unter Anführung des Palatins Michael von Orſzaͤgh und Reinolds von Rozgon. Im Notfalfe wollte König Matthias felbft mit 10000 Maun zum Erzherzoge jtoßen. Und wie der Kaifer in Gefahr war, ganz Ufterreich zu ver- lieren, jo wurde gleichzeitig fein .VBorlämpfer im Reiche, der Markgraf Albrecht von Branvdenburg-Ansbach, durch die Wittels- bacher und deren Verbündete, bejonders zahlreiche böhmiſche Zruppen, hart bevrängt.

Da wurde Friedrich durch ben König von Böhmen gerettet.

AUS Georg die Böhmen zum Kriege aufbot, weigerten fich manche. Adelige, aus einem Anlafje, ver ihr Neich nichts angebe, über die Grenze zu ziehen. Auch mochte er ſelbſt Bedenlen tragen, fich den Raifer zu einer Zeit zum Todfeinde zu machen, wo der Papſt Miene machte, wegen Nichterfüllung der von

Vermittelung Georgs von Böhmen. 161

ihm vor feiner Krönung gegebenen Verſprechungen ernftliche Maßregeln gegen ihn zu ergreifen. Er ließ zwar viele feiner Barone und Ritter dem Erzherzoge zubilfe ziehen und fchidte Truppen gegen Albrecht von Brandenburg nach Tranfen. Uber gleichzeitig bot er dem Kaiſer feine Vermittlung an. Lange batte diejer fie zurückgewieſen. Bei der fteigenden Not indeſſen übertrug er endlich dem böhmiichen Könige die Herbeiführung eines Friedens mit feinen Teinden.

Am 8. Auguft kam eine aus den angefeßenften Perjonen Böhmens beſtehende Gelandtichaft nach Wien und begab fich von da zum Erzherzog. Obwohl aber auch der päpftliche Legat Kardinal Beffarion feine Bemühungen mit denen ber Böhmen vereinigte, wies Albrecht jeden Ausgleich zurück. Erſt al8 die Gefandten mit der Abberufung aller Böhmen drohten und auch die öfterreichtichen Adeligen fich der Fortiegung des Krieges abgeneigt zeigten, gab er endlich nad. Ohne noch die Zuftimmung feiner Verbündeten einzuholen, fchloß er am 6. September in feinem Bauptquartier zu Larenburg einen " Bertrag, nach welchem die Feinbfeligfeiten bis zum 24. Juni des folgenden Jahres eingejtellt werden und während vieler Zeit der König von Böhmen bemüht fein follte, einen Frieden zwilchen den verjchlevenen Parteien herbeizuführen ?).

Aber fo wenig in Ofterreich wie im Reiche vermochte König Georg, der auch jegt feine Schaukelpolitik fortjegte, den Kämpfen ein Ende zu machen. Im Oſterreich brachen bald nad dem Larenburger Vertrage die Fehden wieder aus, da die Söldner des Kaiſers von diefem fein Geld erhielten und fie ſich num durch Raub und Plünderung auf Koften der Anhänger Albrechts

1) Bahmann hat in feiner „Reichsgeſchichte“ I, 39—113 über ben Krieg in Ofterreich wie über die gleichzeitigen Vorgänge im Reiche fehr eingehend gehandelt. Doc finden fich bei ihm einzelne Ungenauigkeiten. So hat die Kaiferin die Wiener und die kaiferlihen Sölpner nicht beim Überfalle Albrechts am 12. Auguft perſönlich zur Tapferkeit angefeuert (S. 103), da feine Quelle, das Chron. Austr., p. 131, deutlich fagt, es fei dies am 3. Auguft gefcheben, al8 der Erzherzog an Wien vorbei von Hietzing nad) Inzersdorf 309.

Buber, Geſchichte Öfterreihs. III. 11

162 Bebrängung Wiens durch die Feinde des Kaifers.

bezahlt zu machen juchten, ja manche jogar dem Kaiſer jelbft abfagten. Des Erzberzogs Hauptleute Jörg von Potendorf und Nabuchodonnojor Nandenreutter, ein alter Bandenführer, antworteten darauf mit Repreſſalien und befeftigten mehrere Punkte in der Umgebung von Wien, die ihnen dann die Kaiſer⸗ lichen wieder zu entreißen fuchten. Die öfterreichiichen Stände, bie fih im Dezember in Ziſtersdorf verfammelten, faßten eine Reihe von Beichlüffen zur Herftellung des Landfriedens. Aber der Kaiſer, der darin eine Verlegung der Nechte des Landes⸗ fürjten erblidte, that nichts, um die Ausführung berielben zu fördern, ebenfo wenig aber auch, um burch Unterftügung jeiner Anhänger, bejonders der treuen Wiener, ein Ende bes ver- berblichen Krieges herbeizuführen. Er faß ruhig in Steiermart, mit der Betreibung der Heiligiprehung Capiftrans und der Gründung eines Bistums in Laibach beichäftigt.

Immer mehr Adelige, Brälaten und Städte Nieveröfterreichg neigten fich dem Erzherzoge Albrecht zu. Faſt nur Wien hielt noch treu zum Kaiſer. Aber dieſes wurde immer härter be drängt. Die Hauptleute des Erzherzogs und verſchiedene Banden⸗ führer befegten rings um die Stadt die wichtigften Punkte und bemmten jeden Verkehr mit verjelben, den Anbau der Weingärten und der der Bürger, die Zufuhr von Lebene- mitteln ?).

Dies konnte endlich nicht ohne Einfluß auf die Stimmung der Wiener bleiben. Wien war nach der Haffiichen Schilderung eines fo fcharfjinnigen Beobachters wie Aeneas Sylvius ?) um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts eine der fchönften und bevölfertiten deutſchen Stäbte, deren Einwohnerzahl man auf 50 000 Kommunikanten jchägte ?). Aber die Bevölkerung war

1) Bachmann I, 259-277.

2) Epist. 165 der ed. Basil., auch als Anfang ber Hist. Frid. ap. Kollar II, 8—14.

3) Sp Aeneas Sylvius. M. Beheim, Buch von den Wienern, ©. 174, giebt die Zahl ber Einwohner von Wien und ben Borfläbten anf 75000 an, was mit jener Schätung ungefähr übereinftiimmen würde. Bgl. auch die weitläufige, teilmeife übrigens auf Aeneas Sylvius fußenbe Schilderung in Bonfinii Rer. Hung. Dec. IV, lib. 5.

Schlechte Stimmung der unteren Volksklafſen. 168

leichtfertig, fittenlo8 und genußfüchtig, „verzehrte am Sonntage, was fie die ganze Woche hindurch verdient bat”, war alfo nicht geftählt gegen lange Entbehrungen. Auch bilbeten ber Weinbau und Handel die Haupteinnahmsquelle zahlreicher Bürger, und gerade dieſe waren feit mehreren Jahren durch Mißwachs, Krieg und den Münzunfug verfiegt. Dagegen hatten bie Kriege und bie Abwehr der Räuber und Bandenführer die Stabt in Schulden gejtürzt, die jchon Anfangs März 1459 ſich auf mehr al8 44000 Pfund Pfenninge beliefen und deren Zinjen mit den gewöhnlichen Einnahmen um fo weniger gebedt werben Ionnten, al8 mehr als ein Drittel der Häufer Geiftlichen und Evelleuten gehörte, welche von ven ftäbtiichen Steuern frei waren). Als nun die Scharen der Feinde um Wien ich immer mehr verbichteten, die Not wie ber Steuerbrud immer größer wurden, al8 auch die Profefforen der Univerfität, denen ber Kaiſer fieben Vierteljahre keinen Gehalt mehr gezahlt hatte, auf eine Anfrage wegen ber Auslegung des dem Kaiſer geleifteten Treueides eine ausweichende Antwort gaben, biefer ſelbſt aber gegen alle Bitten, perfönlih Hilfe zu bringen, taub zu bleiben Ihien, da begannen die untern Vollksklaſſen in der Treue gegen den Kaiſer zu wanken. Auch ver Rat gab am 21. Juli 1462 wenigſtens jeine Zuftimmung, daß in Wien ein Landtag zur fammtentrete, um zu beraten, „wie das Land in Fried geſetzt werde”, jedoch unter der Bedingung, daß die Anlommenden einen Eid leifteten, dem Kaiſer und der Stabt nicht zu fchaben.

Als aber der Landtag Ende Juli in Wien fih verfammelte, juchten die Gegner des Kaiſers im geheimen die Zünfte gegen den Rat aufzuhegen, ver nicht auf das allgemeine Wohl jondern nur auf feinen Brivatvorteil bevacht und ber vor allem Schuld jet, daß ber Friede im Lande nie hergeftellt werden könne. Die Wortführer der Unzufrievenen waren Hans Odenacker, der Sohn eines früheren Badknechtes aus Regensburg, und Dr. Hans Kirchheim, einer der berüßmteften Arzte Wiens und Brofeffor der Medizin, ebenfalls kein Wiener feiner Herkunft .

1) Copey⸗Buch“, S. 171. 11*

164 Sturz bes faifertreuen Rates.

nach, jondern ein geborner Schwabe. Nach längeren Beratungen drang im Auftrage der Verfchiworenen am 12. Auguft Dr. Kirch beim im Harniih an der Spite von fechzig Bewaffneten in das Ratshaus ein, nahm den Bürgermeilter Chriftian Brenner und die Ratsherren gefangen und bemächtigte fich ver Gewalt. Da aber Kirchheim wie Obenader als Eingewanderte mit den Geſchäften zu wenig vertraut waren, fo Tießen fie zum Leiter ber ftädtiichen Angelegenheiten von der Gemeinde den Wolfgang Holzer wählen, einen ehemaligen Viehhändler von bedeutendem Bermögen, der einft mit Eizinger in vertrauten Beziehungen geftanden, wiederholt Mitglied des Rates und Münzmeifter ge- wejen war und burch feine volfstümliche Beredſamkeit fich beim Volle großes Anfehen erworben Hatte !).

ALS dieſe Umwälzung die Stellung Wtend zum Bruder- jtreite mit einem Schlage veränderte, ftand der Kaifer an der Spike eined Heeres von 6000 Mann in Brud an Mur. Nach langen Verhandlungen hatte er die Stände von Steiermarf, Kärnten und Krain zu einer Hilfeleiftung bewogen, auch einige Söldnerführer angeworben. Am Abend des 22. Auguft erichien er vor den Mauern von Wien.

Holzer, bauend auf die Anhänglichkeit der Mafjen wie auf die Unterftügung der öfterreichiichen Adeligen trat auch dem Kaiſer gegenüber mit großer Kedheit auf, verweigerte ihm wie feinen Truppen den Eintritt in die Stadt und rüftete ſich zu

1) Über dieſe Verhältniſſe in Wien wie iiber bie folgenden Kämpfe bis zum Tode Albrechts VI., bei denen dieſe Stadt ben Mittelpunkt der Er⸗ eignifje bildet, find die Hauptquellen das Chron. Austr., p. 154sqgq., Ebendorffer, Yölsgqg. und (bis zum Dezember 1462) Jo. Hinder- bach ap. Kollar U, 563sqgq., alles Werte von Augenzeugen bei einem großen Teile der Ereignifie, ebenfo wie Michael Beheims Bud von den Wienern, 1462—1465, herausgegeben von Th. v. Karajan, befien weitläufiges Gedicht freilich eine Schmäbfchrift im Interefje des Kaifers iſt. Bol. auh Weiß, Geld. ber Stadt Wien (2. Aufl.) I, 246 ff. und Bachmaun, Reichsgeſch. I, 294 352. 374-389. 443—460, ber das von ihm benutzte urkundliche Material, fo weit es nicht früher gebrudt war, nachträglich in F. R. Austr. Dipl. XLIV („Briefe und Acten zur öfterreichifch-beutfehen Geſchichte“) publiziert bat.

Haltung Wiens gegenüber dem Kaifer. 165

energiicher Verteidigung. Dagegen wurben während der Nacht 400 Reiter des Erzherzogs Albrecht heimlich herbeigerufen und vor dem Anbruch des Tages beim Schottenthore eingelaffen. Drei Tage!) mußte der Kaiſer im Angefichte Wiens in einem Lager bei St. Marr zubringen. Erſt als er wiederholte Deputationen der Bürger und Stände in der freunblichiten Weiſe empfangen und feierlich Verzeihung für alles Vorgefallene zugefichert hatte, wurden ihm zum großen Verdruſſe der An⸗ hänger feines Bruders die Thore geöffnet und konnte er fich am 25. Augujt mit feiner Gemahlin und feinem Sohne ver» einigen.

Der Katjer vermochte fich freilich mit den Ständen auch jegt über die Maßregeln zur Herbeiführung eines Landfriedens nicht zu einigen, weil er, an feinen Nechten als Landesherr fejthaltend, auch ihre Unterftügung zur Wiedergewinnung der ihm und anderen entrijfenen Burgen und Güter in Anjpruch nahm, fie aber, in ihrer Mehrheit dem Erzberzoge Albrecht zugetban, aus ihrer Unthätigfeit nicht beraustreten wollten.

Nach kurzer Zeit zerfiel er auch mit den Wienern voll. ſtändig. Dieſe Hatten in feiner Verjöhnlichkeit und Milde nur einen Ausflug von Schwäche gefehen und wurben dadurch zu noch übermütigerem Auftreten ermutigt. Längere Zeit verging, bis die gefangenen Ratsherren aus dem Gefängniſſe entlaffen wurden. Als dann der Kater in feiner Gegenwart und nicht durch die ganze Bürgerichaft fondern nur durch den großen Rat (die „Genannten“) einen Bürgermeifter und Stadtrat wählen ließ, verweigerte die Gemeinde dieſen den Gehorſam und wählte am 19. September Holzer zum Bürgermeifter und Kirchheim, Ovenader und andere Gefinnungsgenoffen desſelben zu Ratsherren; der Katjer wagte nicht, diejen die Beſtätigung zu verweigern.

Hatten die Wiener ein folche8 Auftreten gewagt, als ver Kaiſer noch von allen feinen Truppen umgeben war, jo mußte

1) Nah Bahmann I, 307, N. 1, nur zwei Tage, was aber den genauen Angaben nicht bloß Hinderbachs, fondern auch des Chron. Austr., p. 162, wiberjpridt.

166 Empörung der Wiener.

man auf noch Ürgeres gefaßt fein, al8 am 24. September bie Inneröſterreicher, deren Dienftzeit abgelaufen war, nache baufe zogen und Friedrich auf Bitten der Wiener auch jeine Sölpner entließ. Der Kaifer war aber wieder nicht in ber Lage, diefen den vollftändigen Sold auszuzahlen, und der Wiener Stadtrat weigerte ich, demjelben zu dieſem Zwede eine Summe Geldes zu leihen. Dies batte die Folge, daß die Söldner dem Kaiſer und der Stadt abjagten, die Bürger an der Ein- bringung des Weines binderten und ihnen allen möglichen Schaden zufügten. Auf Antrag Holzer beſchloß nun am 5. Oltober die Gemeinde, dem Kaiſer förmlich den Gehorſam aufzufünden, ficb aller Eide und Pflichten ledig zu erklären und ihm feine Abgaben mehr zu entrichten, bis fie ſich mit den übrigen drei Ständen über das weitere Vorgehen geeinigt hätten.

Wenn Holzer dabei erklären ließ, daß dies dem Kaiſer und feiner Familie feinen Schaden bringen folle und daß es ihm nur um bie Herftellung des Landfriedens zu thun fei, jo war dies nur darauf berechnet, naive Gemüter zu beruhigen, welchen die Verlegung des Treueides Gewiſſensſkrupel verurjachte, konnte aber jene nicht täufchen, die nicht auf die lohyalen Phrafen, jondern auf die Handlungen Holzers ſahen. Schon vor feiner Wahl zum Bürgermeifter hatte er den Nandenreutter, Haupt⸗ mann bes Erzberzogs Albrecht, beimlih um Zufendung von 500 Fußknechten gebeten. Am 6. Oktober, wo dem Satjer bie Abfage in die Burg gebracht wurde, ließ er zwei der einfluß- reichiten Räte besfelben, den Freifinger Dompropft Ulrich Niederer, als er von einer Zaufe in die Burg zurückkehren wollte, und Ulrich Grafeneder, Hauptmann in Odenburg, den er in fein Haus lockte, verhaften und in den Kerker werfen.

Der Kaiſer begann denn auch fofort, die Burg in ver teivigungsfäbigen Stand zu fegen. Als er auf bie freche Forderung der Wiener, alle Bauten zu unterlaffen, eine ab- ichlägige Antwort gab, fuchten ſtädtiſche Söldner am 16. Oftober nad) dem Einbruche der Nacht Gerüfte zum Angriffe auf die Burg aufzuführen. Da fie dabei vomjeiten der Beſatzung Widerſtand fanden, begannen fie am folgenden Tage die Ber

Berufung bes Erzherzogs Albrecht. 167

ſchießung. Am 19. waren fchon drei Schanzen errichtet und mit fchwerem Geſchütze armiert. Aber erſt am folgenden Tage ichielten die Wiener dem Kaiſer eine förmliche Kriegserklärung, nachdem fie ſchon vorher mehreren feiner Diener und Anhänger in Wien ihr Vermögen weggenommen batten.

Dom 21. Oltober an wurde die Belagerung der Burg mit größter Energie betrieben. 66 größere Gejchüße, von denen vier Steine im Gewichte von drei Zentnern geichoffen haben iollen, und eine Menge von Heineren Büchfen und Armbrüften waren Tag und Nacht tbätig und überfchütteten die Burg mit einem Dagel von Steinen und Pfeilen. Aber die Bejatung, über 200 wehrhafte Krieger zählend, vereitelte alle Anjtrengungen der DBelagerer. Der Kaiſer jelbjt legte wieberholt bei den Verteivigungsmaßregeln feine Hand an. Nach mehr als einer Woche hatten die Angreifenden noch nicht die geringiten Er» folge erzielt, wohl aber nicht unbebeutende Verlufte erlitten.

Schon ließen viele Wiener den Mut finken, und nur Holzer dachte an Feine Nachgiebigkeit. Doc ſah auch er ein, daß bie Bürger ohne fremde Unterftügung die Burg nicht zu bezwingen vermöchten, ebe dem Kaiſer Entſatz käme. Da bie öfterreichiichen Adeligen, welde doch im Grunde auh am Aufſtande der Wiener jchuld waren, jest ruhige Zufchauer des Kampfes blieben, jo wendete ſich Dolzer an den Erzherzog Albrecht und bat ibn, der Stadt zubilfe zu kommen und als Vormund ihres Erbherrn, des jungen Maximilian die Regierung Dfter- reichs zu übernehmen.

Abreht Hatte offenbar ſchon lange fehnjüchtig auf einen Ruf der Wiener gewartet. Unverzüglich fammelte er Truppen, z0g nach Nieberöfterreich und bielt am 2. November mit 600 Neitern feinen Einzug in Wien.

Um ven Anftand zu wahren, knüpfte er zunächſt mit feinem Bruder Unterhandlungen an. Er verlangte von Friedrich, daß er die Negierung Oſterreichs auf zwei oder brei Sabre einem durch die vier Stände zu wählenden Rate überlajje, der im Namen jeine® Sohnes Dear die Geichäfte führen und ben Frieden berftellen wie alle Neuerungen bejeitigen follte, und

168 Eintreten Georgs von Böhmen für den Kaifer.

daß er das zur Entlohnung der Söldner notwendige Geld ber- gebe. Als der Kaiſer jo demütigende Bebingungen zurückwies und erflärte, eher folle die Burg fein Friedhof fein, da fagten nach dem DBeilpiele des Erzherzogs auch viele Adelige demſelben ab, und die Belagerung wurde mit noch größerem Eifer fort gejegt. Nicht bloß ftellte der Erzherzog zwei neue große Ge⸗ Ihüge vor der Burg auf, fondern man verjuchte auch die ftarfen Außenmauern, denen die Kugeln nichts anzubaben vermochten, durch Untergrabung zum alle zu bringen over fich durch die jelben einen Weg zu bahnen. in noch gefährlicherer Feind als die Minen und riefigen Steinfugeln erhob fich in der Burg jelbft, der Hunger. Schon waren von den Kriegern und Hof. leuten, zujammten bei fechithalbhundert Köpfen, alle Lebensmittel bis auf Erbſen und Gerſte aufgezehrt und auch von biejen nur noch ein geringer Vorrat vorhanden, fo daß man ben Leuter nur kleine Nationen geben konnte. Alle Hunde und Sagen, jelbft ein alter Geier, der in der Burg gefüttert worden, und ſchimmlige Brotrinden waren als Lederbiffen verzehrt worden. In kurzer Zeit mußte die Not zur Ergebung zwingen.

Da, im Augenblide der größten Bedrängnis, nahte Hilfe bon außen. '

Es war dem Kaiſer gelungen, bald nah dem DBeginne der Belagerung feine in Wiener Neuſtadt weilenden Räte von der jteigenden Gefahr zu unterrichten. Da der Verjuch eines Söldner» führers, ſich durch Überfall ver Stadt Wien zu bemächtigen, mißlang, fo beichloffen fie, fihb um Hilfe an den König von Böhmen zu wenden. Baumlircher, der die Botſchaft übernahm, reiſte Tag und Nacht mit folher Eile, daß er, am 27. Oltober von Neuftadt aufbrechend, am 29. abends nach Prag gelangte. Bon vierzig Reitern, die er mitgenommen, hatten nur drei ihm zu folgen vermocht; die anderen waren auf dem Wege erlegen.

König Georg, der feine Pläne auf die deutiche Krone auf- . gegeben hatte und wegen jeines Bruches mit dem Papite fich die Gunft und Unterftügung des Kaiſers fichern wollte, erließ noch am nämlichen Tage ein allgemeines Aufgebot und ſchickte ſchon am Tage darauf ſeinen Sohn Victorin, Herzog von

Unterhandlungen mit dem Erzherzoge Ulbrecht. 169

Miinfterberg, und ben Oberfiburggrafen Zdenko von Sternberg mit 800 Reitern nach Oſterreich. Mm 8. November folgte er felbft mit einem Heere von 7000 Wiann, das durch bie nach⸗ ziehenden Adeligen bald auf 22000 Mann verſtärkt wurbe,

Schon ale Wictorin nach Korneuburg kam, fagte biefe Stadt wie Krems und Stein den Wienern ab. Auch mehrere oſter reichiſche Adelige fchloffen ſich ihm an. Nachdem ex mit Unterftägung Fronauers, der, mit bem Erzherzoge zerfallen, zum Kalfer übertrat, bei Ort die Donau Überfchritten Hatte, vereinigten ſich mie Ihm auch des Kaiſers Bäte Vaumkircher und Graf Ulrich von Schaumberg und mehrere Soldnerführer mit Ihren Scharen, dann die Steirer, Kärntner und Krainer, bie tro des Verbotes des Kaiſers eisen Landtag in Leibnitz gehalten und dort einen Kriegszug zur Welrelung des Kaiſere beſchloſſen hatten. Etwa B000 Mann ſtark zogen ſie am 18. November gegen Wien. Uls am folgenden Tage auch ber König felbft In Korneuburg elntraf, anderfelt® Signale aus ber Bury bie Außerftie Not verkündeten, verabrebete man auf ben 19. November einen allgemeinen Angriff auf dle Stadt. Der ſKonig follte der Bruͤcke über die Donau fich bemächtigen und, wenn die Wiener zu feiner Abwehr berbeiellten, die Truppen feines Sohnes, Baumkirchere und bie Innerbſterreicher bie Stadt von &ioweften bey angreifen. Da aber die Innere Donaubrilte abgebrochen war und baber der Konig am Wors dringen gegen bie Btabt verhindert warb, fo konnten fich bie Bürger wie die Wannen des Erzherzogs ſämtlich gegen ba übliche Beer wenden, weldes einen Sturm auf bie hoben Dinuern in der Nähe des Schottentbore® unternahm, und ſchlugen dasielbe mit bebeutenden Werluften zurück.

Der bbohmiſche König ſtand jetzt von weiteren Angriffen auf Wien ab und knilpfte mit dem Erzherzoge Albrecht Unter⸗ handlungen an. Er hatte viellelcht von Unfang an nichté anderes beabſichtigt, als den Kaiſer aus ben Händen der Wiener zu befreien, nicht aber auch deſſen Bruder zu zUchtigen. Denn er ſelbſt hatte ja dieſem wiederholt gelobt, Ihm zum Beſitge von ganz Ofterreich zu verhelfen, und er mußte doch in einige Wer,

170 Friebe von Korneuburg.

legenheit geraten, wenn er jett an fein Veriprechen gemahnt wurde. Auch war e8 für Georg, der immer nur feine eigenen Intereſſen zu wahren fuchte, gewiß vorteilhafter, wenn ber Erzherzog eine Stellung behauptete, die ihn auch fortan dem Kaiſer gefährlich machte und diefem die Unterftügung des Böhmen⸗ königs notwendig erjcheinen ließ, als wenn Friebrich feiner Yeinde vollftändig Herr wurde.

Es war freilich eine fchwierige Aufgabe, ein Ablommen zus ftande zu bringen, das ven Kaiſer wie feinen Bruder befriebigte und auch für die Wiener und deren Führer annehmbar erichien, welche mit Recht bie Rache des jchwer beleidigten Monarchen fürchten mußten. Erſt am 2. Dezember wurde in Korneuburg der Triebe geichloffen, ver in der Form dem Kaiſer, der Sache nach aber dem Erzherzoge günitig war. Es fjollten alle Ge⸗ fangenen fveigelafjen, auch alle vom Erzberzoge während ber legten Kriege im Lande unter der Enns gewonnenen Burgen, Städte und Herrichaften dem Kaijer zurückgeftellt werden. Doch follte diefer die Regierung in Ofterreich mit allen Rechten und Einkünften während der nächften acht Jahre gegen eine jährliche Rente von 4000 Dukaten feinem Bruder überlajjen. Holzer und fein engiter Anbang waren jogar mit dieſem Friedens⸗ ſchluſſe unzufrieven. Doch feste der Erzberzog, der die Bürger zu einer Verjammlung in die Stephanskirche berief, durch fein entſchiedenes Auftreten die Annahme vesjelben durch. Am 4. Dezentber öffneten fich endlich die Thore der Burg. Der Kaiſer zog unter dem Schute des Herzogs Victorin nach Kor» neuburg, die Kaiferin mit ihrem Hofgefinde, in grober Weile verböhnt vom Wiener Pöbel, nach Wiener Neuftadt.

Die Dankbarkeit Friedrichs gegen den König Georg, der ihn aus den Händen der wütenden Wiener Handwerker befreit, ichien feine Grenzen zu lennen. Er erhob deſſen beide jüngeren Söhne Heinrich und Hynko in den Reichsfürſtenſtand und er- nannte ihn ſelbſt für den Tall feines Todes zum Obervormunde bes Erzherzogs Marimilian, ja fogar, wenn auch biefer vor Erreihung der Volljährigkeit mit Tod abginge, zu feinem Nachfolger in den djterreichiichen Ländern, ein Recht, das von

Bruch besfelben. 171

ben übrigen Erben nur mit 100000 Dukaten follte abgelöft werden bürfen. Auch verichrieb er ihm für bie verfprochene Hilfe zur Unterwerfung derjenigen, bie fi der Einkünfte Öfter- veich8 bemächtigt hätten, die Hälfte der Wein- und Salzfteuer dieſes Landes. Später fette er die ohnehin geringen Leiftungen Döhmens gegen das Reich noch auf die Hälfte herab, ſodaß der König zum Römerzuge des Kaiſers nur noch 150 Mann zu ftellen oder 150 Mark Silbers zu zahlen und nur bie Neichstage in Nürnberg oder Bamberg zu bejuchen verpflichtet jein jollte 2). Dagegen verfprach Georg dem Kaifer auch fortan feine Unterftügung zur Behauptung feiner Herrichaft in feinen Erblanden.

ſterreich ſollte ſich Leider auch jetzt noch des lang ent- bebrten Friedens nicht erfreuen, weil es allen Parteien an gutem Willen fehlte. Holzer, der Ichon während der Belage- rung des Kaiſers vielen politiichen Gegnern ihr ganzes Ver⸗ mögen batte wegnehmen lafjen, fette auch nach dem Trieben bie Plünderung der Häufer der kaiſerlich Gefinnten in einer jo gründlichen Weiſe fort, daß nicht einmal ein Nagel an ber Wand zurücdblieb. Als der Erzherzog nach langem Zögern am 12. Dezember nach Korneuburg kam und vor jeinem kaiſer⸗ lichen Bruder fein Knie beugte, ſah ihn diefer nicht einmal an und würdigte ihn Feines Wortes. Albrecht unterließ es, bie weggenommenen Städte und Burgen dem Kaiſer zu übergeben, von Mißtrauen erfüllt, daß diefer dann bie Herausgabe ver» weigern würbe. Obwohl dies im Grunde nur eine Formalität war, da Ofterreih „mit allen Stäbten, Schlöffern und Ge meinden“ während der nächlten acht Jahre dem Erzherzoge Albrecht überlaffen werden follte, jo nahm dies ber Kaiſer doch zum Vorwande, um den Frieden für gebrochen zu erklären und alle NRegierungsrechte in Djterreich wieder für fich felbft

1) Daß Friedrich aud alle Urkunden über den 1364 zwifchen ben Habsburgern und Luxemburgern gefchlofienen Erbvertrag zurüdgeftellt babe, wie Balady IV, 2, 266 fagt, ift unrichtig. Die Urkunden von 1364 und 1366 waren noch 1526 in Insbruck. S. „Böhmiſche Land⸗ tagsverbanblungen” I, 10f.

172 Mafregeln bes Kaifers.

in Anfpruch zu nehmen. Ohne fi um dieſe Dinge weiter zu fümmern, war König Georg abgereilt.

Der Raifer war feft entichloffen, Diterreich mit Hilfe frember Sölonerbanden wieder zu bezwingen. Um fich die Unterftügung ber Brüderrotten zu fichern, zahlte er ihnen jegt ven rüd- ftändigen Sold aus oder ftellte ihnen wenigſtens die baldige Entrihtung in Ausfiht. Dem rafeneder verpfändete er bie Stadt Brud an der Leitha, dem Baumfirher Korneuburg, dem Zdenko von Sternberg Weitra, Krems und Stein mit bem Auftrage, als fein „Hauptmann jenjeitS der Donau” den Krieg gegen den Herzog Wbrecht, die Wiener und feine andern Feinde in Ofterreich zu führen. Ljterreichifche Städte ja auch Hdenburg und Brünn wurden auf Koften Wiens in materieller Deziehung begünjtigt, dagegen die Zufuhr nach Wien in jeder Weiſe erichwert und diefer Stadt der Blutbann entzogen. Auch kirchliche Waffen fette der Kaiſer gegen die Wiener in DBe- wegung. Don ihm veranlagt verbot der Papſt bei Strafe des Banns allen Geiftlichen, einem von den Bürgern, die bei der Belagerung der Burg beteiligt gewejen, außer im alle der Zodesgefahr die Abjolution zu erteilen, eine Verfügung, bie freilih von den Wienern nur mit Hohn aufgenommen wurde. Auch jest traten wieder einige unbezahlte Söldner⸗ führer als felbftändige Friegführende Macht auf, fagten Anfangs April 1463 dem Kaijer und dem Erzherzog ab und bebrüdten die Leute in der Gegend von Wien, auf dem Zullnerfelde und an der Zraijen mit Mord, Raub und Brand.

War es vorzüglich bie fteigende Bedrängnis gewelen, was die Wiener zum Abfalle vom Sailer bewogen batte, jo konnte e8 nicht ohne Einprud auf die Gemüter bleiben, als die Not unter der Herrichaft des Erzherzogs Albrecht eher noch zunahım und die Herjtellung des Friedens entfernter als je fchien. Die Unzufriedenheit richtete fich naturgemäß beſonders gegen Holzer, der in letzter Zeit die Seele der Umjturzpartei gewejen war. Selbft jein Leben ward bedroht. Holzer, nie von fittlichen Motiven, fondern immer nur vom Eigennuße geleitet, beachte fich feinen Augenblid, feine Partei zu wechjeln, wenn ſein In⸗

Berfuch der Überrumpelung Wiens. 173

terefje e8 erforderte. Schon als fich zeigte, daß ber Korneu⸗ burger Vertrag nicht ausgeführt werden würbe, Inüpfte er, vielleicht mißvergnügt darüber, daß der Erzherzog gegen feinen Willen die Annahme desjelben durch die Wiener Durchgefegt Hatte, geheime Unterbandlungen mit dem Kaiſer an, um biefem die Stadt wieder in feine Hände zu liefern. Doch verlangte er nicht bloß für fich und die Wiener Amneſtie, fondern auch eine Geldentſchädigung und eine angefehene Stellung für den Erz- berzog, um auch diefen leichter zu einem Ablommen zu bewegen. Längere Zeit führte im Namen des Kaiſers Georg von Schön- berg, Propft zu Presburg, mit ihm die Unterbandlungen. Nach» dem dieſe eine Zeit lang gerubt hatten, ließ fie der Sailer im März 1463 wieder aufnehmen. Nicht eine Entſchädigung für den Erzherzog, wohl aber eine Belohnung von 6000 Dus faten für Holzer ward in Ausficht geftellt und mit Diefem die Ausführung des Planes feitgeftellt.

Am Karſamstag (9. April) früh wurden von Holzer 400 faiferlihe Söldner, Leute des Grafeneders, durch das Stuben» thor in die Stadt gelafien. Im der Nacht vorher Hatte ber Dürgermeifter die Näte und angeſehenſten Männer der Ger meinde, bis 600, dafür gewonnen, indem er ihnen vorftellte, daß der Erzherzog Söloner beit den Bürgern einquartieren wolle, um von ihnen Geld zu erpreffen, und daß es notwendig fet, für ven Schuß der Stabt zu forgen, ohne daß man dem Fürften die Treue breche. Da den Katjerlichen niemand Wider- Stand Teiftete, begannen biejelben fich zu zeritreuen.

Der Erzherzog war überrafcht, aber verlor die Befinnung nit. Er ließ das Volf zu den Waffen rufen, die Stabtthore fchließen und die Straßen mit Ketten abjperren. Nach furzem Rampfe wurden die Zaiferlichen Söldner von der Übermacht bezwungen und die meiften gefangen. Holzer entkam glücklich aus der Stadt, wurde aber zwei Tage darauf in Nußporf aufgegriffen und auf Befehl des Erzherzogs am 15. April ge- vierteilt, fünf feiner Freunde, darumter Odenacker 1), enthauptet,

1) Ihr Todesurteil mitgeteilt von Zeibig, Mitteil. aus dem Kloſter⸗ neuburger Archive, ©. 11, in „Sylvefter-Spenden” (Wien) 1853.

174 Tod des Erzherzogs Albrecht.

viele andere Bürger gefoltert und nur nad Zahlung hoher Geldſummen begnabigt. Selbſt Frauen wurben in fehnöber Weiſe mißhanbelt.

Mit noch größerer Heftigkeit als früher entbrannte der Krieg zwilchen den Anhängern und Sölönerführern des Kaiſers und denen bes Erzherzogs bejonders zwiichen Wien und Wiener Neuftabt und auf dem Marchfelde. Um feine Söldner be- friedigen und die Koften feines verſchwenderiſchen Hofhalts ber ftreiten zu können, mußte ber Erzherzog nicht bloß viele Ort- ichaften und Einkünfte verpfänden, fondern er nahm auch wieder verichtevenen Wiener Bürgern ihr ganzes Vermögen weg unter dem Vorwande, daß fie kaiſerlich gefinnt feien.

Endlich gelang es den Bemühungen feiner Schweiter, ber Markgräfin Katharine von Baden, und der Kaiferin Eleonore, bie beiven feindlichen Brüder vom 1. September an zu einem Waffenſtillſtand zu bewegen, während bejjen auf einem Land» tage der Abſchluß eines Friedens angeftrebt werden jollte. Die Stände erklärten fichb auch bereit, eine bedeutende Steuer zu bewilfigen, damit die Söldner, ver eigentliche Krebsſchaden Oſter⸗ reichs, bezahlt und abgedankt werden könnten. Aber ein Triebe fam nicht zuftande, da der Kaifer unter allen Umftänven von feinem Bruder die Herausgabe von Niederöſterreich verlangte und jeinerjeit8 fich weigerte, den Wienern unbebingte Amneftie zu gewähren. An eine Nachgiebigkeit Triebrichg war um fo weniger zu denken, als mehrere der hervorragendſten diterreicht- ſchen Adeligen von feinem Bruder abfielen und zu ihm über traten und feine Lage fich dadurch bebeutend verbefjerte.

Da führte der plögliche Tod des Erzherzogs Albrecht, der nach furzer Krankheit am 2. Dezember 1463 nach ber Ber- mutung vieler an Gift, thatſächlich aber wahricheinlih am Beulentuphus ftarb, eine entfcheivende Wendung herbei. Die Stände von Öfterreich unter der Enns und nach einigem Zö⸗ gern auch jene bes Landes ob der Enns erlannten nun Fried» rich al8 Herrn an. Auch die Wiener juchten die GOnade bes Kaiſers zu gewinnen und erhielten biejelbe unter der Bedingung, daß fie Die zufammen gejchoffene Burg wieder reftaurierten

Anfängliche günftige Lage Sigmunds von Tirol. 175

und die vertriebenen faiferlich gefinnten Bürger für ihre Ver- Iufte entichäbigten. Auf Oberöfterreih erhob zwar anfangs Sigmund von Zirol Anſprüche. Doch gab er diefelben bald zuguniten des Kaifer auf, da er in einen jehr gefährlichen Streit mit dem Bilchofe von Brixen und dem Papſte ver- widelt war !).

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Drittes Kapitel.

Der Streit Sigmunds von Tirol mit dem Biſchofe von Brixen. Krieg mit den Schweizern.

Die erſten Jahre der Regierung Sigmunds, der endlich im Jahre 1446 von feinem Vormunde, dem Könige Friedrich nach Zirol entlafjen worden war, ſchienen für dieſes Land eine glüdliche Zukunft zu veriprechen 2).

Der junge, talentvolle und liebenswürdige Fürft, ber nicht nur in allen ritterliben Künſten bervorragte, jondern auch Sinn für Wiſſenſchaft und Kunft zeigte, war allgemein beliebt, und das Land erfreute fich einer ungeftörten Ruhe, was noch eine Folge bes kräftigen Auftretens feines Vaters war. Der legte der DVBerbannten, Wilhelm von Starlenberg (Ulrich war im. Auslande gejtorben), durfte nach Tirol zurüdkehren, und erhielt einen Teil ver Befiungen feines Haufes zurüd.

Mit den Kirchenfürften, den Bilchöfen von Trient und Driren, ftand Sigmund in den beiten Beziehungen, weil bort Männer auf den biichöflichen Stühlen faßen, welche fich ruhig

1) Über die Vorgänge in Ofterreih nah H. Albrechts Tode f. Bach⸗ mann, Reichsgefchichte I, 503—519.

2) ©. darüber 3. Egger, Geſchichte Tirols I, 544ff. A. Jäger, Geſchichte der landſtändiſchen Berfaffung Zirols II, 1, 70ff.

176 Die Biſchöfe von Trient und Brixen.

in das Verhältnis der Abhängigkeit von Tirol fügten, in. das ihre Hochitifter gefommen waren. Nachdem im Jahre 1444 das Gebiet von Trient durch die tiroliihen Stände beſetzt worben war, weil die Einwohner nicht mit ihnen gemeinjame Sade gegen ben König machen wollten, gab der Tod des Biſchofs Alerander von Mafovien am 2. Juni 1444 und die doppelte Beiegung des Bistums durch Wahl des Domkapitels und durch Ernennung des Papfte8 dem Herzoge Sigmund Ge» legenheit, das Trientneriiche ganz in feine Hände zu bringen. Er bewog nämlich Die beiden Rivalen noch im Jahre 1446 ihre Anſprüche in feine Hände zu vefignieren und brachte dann das Bafeler Konzil dahin, einen ibm ganz ergebenen und füg- ſamen Mann, Georg Hade, Bruder feines Marihalis, zum Biihofe zu ernennen, die weltlihe Verwaltung des Stifts- gebietes aber auf fünf Jahre ihm zu übertragen. Der Bilchof von Brixen, Johann Nöttel, ſchon während der VBormundfchafts- jtreitigfeiten ein eifriger Vertreter der Rechte Sigmunds, nahm wie mehrere feiner Vorgänger da8 Amt eines Kanzlers des Herzogs an, woburd er ganz an das Intereſſe desſelben ge- fettet wurde.

Das eben am Beginn der Regierung Siegmunds entdedte Silberbergwerf beit Schwaz bot eine jo reiche Ausbeute !), daß ipätere Schriftfteller diefem Herzoge den Beinamen des Münz- teichen gegeben baben.

Reich war num allerdings Sigmund nicht, im Gegenteil fehr oft im Geldverlegenheit. Die großen Summen, die er infolge der Verträge von 1446 und 1450 an den König Friedrich und deffen Bruder Albrecht zahlen mußte ?), laſteten fchwer auf dem Lande. Dann faufte er 1451 von der Marl

1) Die Aufzeihnungen aus den erfien Sahren find Teiber verloren. Aber von 1471—1499 hat Georg Andorfer bloß vom Falkenſtein bei Schwaz (e8 gab neben biefem im derjelben Gegend noch andere ergiebige Stollen) 998500 Markt Silber gebramt. Jäger a. a. O., ©. 87f., und vefien „Beitrag zur tirolifch = falzburgiihen Bergwerksgeſchichte“ im „Archiv f. öfterr. Geſch.“ LIII, 343 ff. 431ff.

2) ©. oben, S. 56.

Die beiden Grabner. 177

gräfin Elifabetb von Hochberg, einer geborenen Gräfin von Montfort, um 35592 rheiniſche Goldgulden die Hälfte ber Stadt Bregenz mit dem vorberen Bregenzer Walde und ber Herriaft Hoheneck im Allgäu?). Auch verftand Sigmund, ein weicher, umjelbitändiger Charakter, nicht hauszuhalten und war viel zu freigebig und verfchwenderifh. Namentlich Tieß er fi von feinen beiden Günftlingen Wiguleis und Bernhard Grabner ausbeuten, fteirifchen Edelleuten, die er mit ſich nad Tirol gebracht Hatte ). Nachdem er diefen zunächit mehrere Herrichaften und Güter zur Verwaltung oder als Lehen übers tragen hatte, waren fie bald in der Lage, ihm gegen ent- - fprechende Vergütung hohe Geldfummen vorzuftreden. Bloß in den Jahren 1451 und 1453 lieben fie ihn mehr als 100000 Goldgulden, wofür er ihnen einen großen Zeil von Vorarlberg und Valſugana verpfändete. Selbſt der Biſchof von Trient wurbe bewogen, ihnen zwei der feiteften Schlöffer mit den dazu gehörigen Herrichaften zu übertragen. Dies und die Verpfändung zahlreicher anderer Gebiete in Vorarlberg und Schwaben an die Truchſeſſen von Walbburg bewogen endlich den Erzherzog Albrecht gegen Sigmunds Günftlinge einzu« fchreiten, die auch ſonſt bei feinen Verhandlungen mit feinen Better jeinen Wünfchen entgegenarbeiteten. Er wendete ſich 1455 mit jeinen Klagen an die Stände von Tirol, welchen dieſe Tremplinge ſchon lange verbaßt waren, um den Sturz der- felben herbeizuführen. Sigmund wurde durch den tirolifchen Landtag gezwungen, die Gradner nicht bloß aus feinem Rate, fondern auh aus feinen Ländern zu entfernen und die ihnen überlaffenen Schlöffer zurücdzufordern. Doch rüftete fi Bern-

1) Chmel, Materialien I, 2, 349. Das dem Grafen Ulrih von Cilli 1459 verſprochenen Darlehen von 200000 Dukaten iſt wohl nicht wirklich ausgezahlt worden, da Sigmund nie in den Befig der ihm bafür verpfändeten Graffchaft Ortenburg in Kärnten (F. R. Austr. Dipl. II, 175) gekommen zu fein fcheint.

2) A. Jäger, Die Fehde der Brüder Vigilius und Bernhard Grabner gegen den H. Sigmund von Tirol. Aus den „Denkfchriiten der kaiſerl Alad.”, 9. Bd.) 1859.

Huber, Geſchichte ſterreiche. M. 12

178 Nitolaus von Cuſa, Biſchof von Briren.

hard zu energiſcher Gegenwehr und konnte erjt nach langer Belagerung im Herbſte 1456 durch ein tiroliiches Heer unter Anführung des Biſchofs Georg von Trient ‚zur Übergabe des Schloſſes Bejeno bei Calliano (zwiſchen Zrient und Roverebo) gezwungen werben. Obwohl ihm in dem mit dem Bilchofe geichloffenen Bertrage ein Zeil feiner tiroliſchen Befigungen zugefichert warb, flo er doch mit feinem Bruder nach ber Schweiz, und beide wurden Bürger von Zürich, wo fie [päter nicht ohne Erfolg die Eidgenoffen zu Feindſeligkeiten gegen den Herzog aufreizten.

Noch wichtiger und von den berhängnisvollſten Folgen für Tirol und das Haus Oſterreich begleitet iſt der Streit des Herzogs Sigmund mit dem Kardinal Nikolaus von Cuſa, Biſchofe von Brixen ).

Nikolaus Krebs von Cues an der Moſel, ein Mann von niedriger Herkunft aber einer der gelehrteſten und tiefſinnigſten Schriftſteller ſeiner Zeit, war anfangs einer der Vorkämpfer für eine Kirchenreform, wie fie die Konzilien des 15. Jahr⸗ hunderts anftrebten, fpäter aber ein ebenfo entſchiedener Gegner der in Baſel verfammelten Väter geweien. Zum Lohne dafür wurbe er vom Papfte Nikolaus V. 1448 zum Kardinal, und 1450 gegen das kaum gefchloffene. Wiener Konkordat mit Um⸗ gehung des Wahlrechts des Domkapitels zum Biichofe von Brixen ernannt, wogegen jowohl das Kapitel als auch der Herzog proteftierten. - Erſt 1452 gelangte er in ben Befig feines Hochitiftes.

Beitand jo von vornherein ein etwas geipanntes Verhält⸗ nis zwilchen dem Bilchofe und dem Herzoge, jo wurbe basjelbe durch das Auftreten des Cuſaners in wenigen Sahren noch mehr verichlimmert, obwohl Sigmund eine Zeit lang beutlich das Streben an ven Tag legte, mit demſelben freundfchaftliche Beziehungen zu unterhalten. Während er den Antrag des

1) Mit der fehr eingehenden und gründlichen Darftellung bei A. Säger, Der Streit des Cardinals Nicolaus von Eufa mit bem Herzog Sigmund von Öfterreich als Grafen von Tirol (2 Bde. Innsbruck 1861), iſt auch ©. Boigt, Enea Silvio III, 303—421 zu vergleichen.

Defien Auftreten gegen das Klofter Sonnenburg und den H. Sigmund. 179

Herzogs, wie mehrere feiner Vorgänger als Kanzler und Nat in feinen Dienft zu treten, ablehnte, machte er bemjelben her⸗ gebrachte Batronatsrechte ftreitig und fuchte verichiebene Be⸗ ftimmungen der alten Privilegien feines Bistums, bie den Rechten des Landesheren nachteilig waren, zur Geltung zu bringen. Zugleich entfrembete er ſich das Volt durch Eingriffe in alte Gebräuche und verlegte einzelne Aoelsgefchlechter, indem er Schlöffer und Herrichaften feiner Kirche, welche dieſen ſeit langem verpfändet waren, zuruͤcklöſen wollte. Als das Nonnen- Hofter Sonnenburg bei Bruned mit feinen Unterthanen in einen Streit verwidelt wurde und die Äbtiſſin Berena von Stuben die Sache an den Herzog als Vogt und Landesfürjten brachte, verbot ihr dies der Biſchof, der bie Vogtei und oberfte Ges richtSbarkeit über das Klofter mit Unrecht für fich in Anipruch nahm. Er benugte dann den Umftand, daß er vom Papfte mit einer Reform der Klöfter in Deutichland beauftragt war, um burch Einführung der ftrengften Klauſur den Nonnen jeden Verkehr mit ihren Amtleuten und Unterthanen wie mit ber tirolifhen Regierung und damit zugleich die Ausübung aller weltlichen Rechte unmöglich zu machen. Da eben deswegen bie Abtiſſin fich jeinen Neformen nicht fügte, wurde fie mit ihren Mitichweftern 1455 gebannt umb abgejegt und endlich im Jahre

1458 gar mit Waffengewalt aus dem Klofter vertrieben. Nachftellungen, welche dem Kardinal im Sommer 1457 auf einer Reife von Innsbruck nad Briren ein von ihm bes einträchtigter Adeliger bereiten wollte, aber auf Befehl des Herzogs unterließ und ‘welche die überjpannte Phantafie des furchtfamen Karbinals ing Maßloſe vergrößerte, legte dieſer ganz mit Unrecht dem Herzoge felbjt zur Laſt. Er floh nun wegen ber angeblich feinem Leben vonfelte des Herzogs drohen⸗ den Gefahren auf das feſte Schloß Anpraz in Buchenftein, warb im Benetianifchen Söldner zu feinem Schuge und ver- Hogte Sigmund beim Papfte Calixt III., daß er ihn habe fangen, ja fogar ums Leben bringen wollen. Er eriwirkte auch wirklich ein päpftliches Schreiben, durch welches Sigmund mit dem Banne und feine Länder mit dem Interbilt bebroht wurden, 12*

480 . . Forderungen: bes.:iBifchofß: Nilolaus.

mennier. ben:. Kardinal nicht: binnen: .:acht. Tagen in Freiheit ſegte: Natürlich proteſtierte der Herzog gegen die Verhängung einer Strafe, ohne daß man ihn verhört oder auch nur: vor⸗ geladen hube, und appellierte an den beſſer zu; unterrichtenden Papit, indem er zugleich dem Viſchofe in einer eigenen Ur⸗ lunde volle Sicherheit garantierte.

Diefe angeblichen Nachſtellungen veranlaften ben Kardinal im: Hexbſte 1467 zur Forderung, der Herzog ſolle ihm zu ſeinerSicherheit die rings um Brixen gelegenen Schlöſſer und Gerichte Rodeneck, Velthurus und Gufidaun abtreten. Er unter⸗ ſtuͤtzte dieſe Forderung ‘damit; daß er eigentlich viel mehr zu verlangen berechtigt wäre, da die Herrſchaft und die Landgerichte allenthalben im. Bistum Vrixen, im Ober⸗ und Unterinnthale, im Pufſterthale und im: Norithale (Eiſackthale) bis zur Grenze der Drientner Diözeſe wie alle Erz⸗ und Salzbergwerke ver biſchöflichen Kirche als Eigentum gehörten, ven Grafen von Tirol nur als Lehen verliehen und ihr Beſitz wegen verſäumter Einholung der Belehnung vonſeite des Herzogs Sigmund ver⸗ wirktworden wäre. Bei weiteren. Unterhandlungen verlangt er auch geradezu, daß der Biſchof als wahrer Herr des. Ann⸗ thales und Norithales anerkannt und alle Beſitzungen, welche »der Herzog. Sigmund in dieſen Thälern von der Brixener Kirche innehabe, als heimgefallene Lehen dieſer wieder. heraus⸗ gegeben werden follten. . Der Kardinal kam alſo auf die Rechts⸗ verhüliniſſe zurück, wie ſie einſt allerdings beſtanden ‚hatten, welche aber durch die geſchichtliche Entwickelung mehrerer Jahre hunderte und durch iehlreiche Berträge vollſtändig geändert worden "waren.

Diefe Antnutaingen. mußten natutlich beim Herzoge Sigmund wie bei:.dew Tirolern ungeheures Staunen und nicht geringe Erbitterung :beruorrufen, und an biefem Punkte mußte auch die Vermittelung des neuen Papfte® Pius II. ſcheitern, der dem Herzoge in feiner Iugenb periönlich nahe geſtanden war. : Denn wenn. auch Sigmund bereit war, alle® zu leilten, was fein Vater geleijtet Hatte, . jo: wollte er bach: von dem, was dieſer innegehabt, nichts aus. den Händen Tafien. Dem Papite

Seine Gefaugennehmung durch H. Sigmund. Wi

ertlaͤrte er übrigens auf dem Kongreſſe in Mantna, er: habe an ihn nur appelliert, um. Schutz gegen den Mißbrauch ber geiftlichen Macht des Biſchofs zu erlangen, nicht aber. meltlicher Angelegenheiten wegen, beren Endigelbung v0, $ ben Bier ober weltliche Richter gehͤödꝛe. :

Noch während der Verhandlungen machte ber Kardinal ben Berluch, eine jeiner Yorderungen praktiſch burchzuführen, inbem er die Knappen des Herzogs aus dem zwiſchen ihnen ftreitigen Silberbergwerke Garnitein bei Elaufen mit Waffengewalt ver- trieb. Da er zugleich das. vom Bapfte proviſoriſch aufgehobene Interdikt Ende März 1460 auf. einer. Berfammlung feiner ©eiftlichfeit in Bruneck ernenerte und dent Herzoge drohte, er werbe, wenn er buch Güte nichts audrichte, alle Brixner Zehen, d. 5. nach feiner Auffafiung den größten Teil von Tirol, dem Kaiſer übertragen, va faßte Sigmund ben verhängnis⸗ vollen Entichluß, den Angriffen des Biſchofs auf feine landes⸗ berrlichen Rechte mit Gewalt ein Ende zu machen.

Am Ofterfonntage (13. April) 1460 ließ der Herzog ben Kardinal in Bruneck überfallen und einfchließen, zwei: Tage Darauf folgte er jelbft mit zahlreichen Truppen und Belagerungsd- geſchützen. Schon am folgenden Tage ſah ſich der Kardinal unter Vermittlung feiner Domberren zur Übergabe bes feften Schloſſes Bruned und zu einem ungünftigen Vertrage gezwungen. Er mußte verjprechen, das Interdikt, ſoweit e8 auf. ihn an⸗ fomme, aufzuheben, alle Anfprüche auf die ererbten Beſitzungen des Herzogs, fo Lange er lebe, ruhen zu laſſen, die Herrſchaft Taufers, die er vom. Herzoge um :15000 Goldgnulden ger lauft hatte, unentgeltlich zurückzugeben, ihm eine Schuld von 3000: Gulden :nachzulaffen. und. außerdem 10000 Gulden Schadenerſatz zu zahlen und enblich bie Verwaltung feiner

Städte und Burgen dem Domtapitel zu überlaffen. Zugleich - mußte er fich verpflichten, beim Papſte dahin zu wirken, baß auch diefer das früher ausgeiprochene Interbilt mit feinen Bolgen als abgethan anjehe und über den Herzog wegen dieſes Übers fall8 keine neuen Strafen verhänge. Kaum war aber der Herzog abgezogen, fo floh ver aardinal

182 VBerhängung von Bann mb Interbitt.

nah Italien, erklärte alle feine Zugeſtändniſſe für ungültig, weil erzwungen, und forderte die Zurüditellung alles deſſen, was feiner Kirche entriffen worben wäre. Der Papft auf das äußerte erbittert über dieſen Angriff auf einen Kardinal und die Güter der Brirner Fire, lud den Herzog zur Ver⸗ antwortung vor feinen Richterſtuhl. ALS ftatt des Herzogs ein Bevollmächtigter desſelben, Dr. Lorenz Blumenau, eine von Sigmund und 42 Äbten, Pfarrern und Vilaren unter ichriebene Appellation „von dem fchlecht unterrichteter an ben befjer zu unterrichtenden Papft“ überreichte, ſprach Pius IL am 8. Auguſt 1460 den Bann aus über den Herzog und alle feine Helfer, erklärte fie für infam und bürgerlich tot, und alle ihre Güter der Kirche verfallen, verhängte über alle Länder und Herrſchaften Sigmunds und feiner Mitſchuldigen das Interdift und verbot allen Verkehr und allen Handel und Wandel mit denjelben. Gegen Sigmunds Geſandten ließ der’ Kardinal Cuſanus einen Kekerprozeß einleiten und ihn unter Auffiht von Wachen ftellen. Nur mit Lebensgefahr konnte Blumenau nad) Tirol zurücgelangen. Ä

Um diefelbe Zeit erichien am Hofe zu Innsbrud ein Dann, ber den Herzog Sigmund jchon früher wiederholt mit feinem Rate unterftügt hatte und fortan enticheivend in ven Gang biejer Streitigfeiten eingriff, nämlich Gregor Heimburg aus Schweinfurt, lange Zeit Syndikus der Stadt Nilrnberg. Heimburg, ein Dann von den glänzenditen Fähigleiten, veich an Renntniffen und ein ſehr gewandter und fchlagfertiger Schrift. fteller, war fchon längſt ein Hauptvorlämpfer ber Tirchlichen Neformpartei Deutichlands, wobei er in timmer- entichiedenere Oppofition gegen bie römtiche Kurie und das Bapfttum ge treten war. Wir finden ihn. überall dort, wo es galt, gegen bie politiiche Stellung und die finanziellen Anſprüche ver Päpfte anzufämpfen. Er ift fortan auch das Organ Sigmunds von Zirol in feinem Streite mit dem Papfte und dem Kardinal Cuſanus.

Heimburgs Ankunft in Innsbruck machte ſich gleich bemerk⸗ lich in einem vom 13. Auguſt datierten Manifeſt des Herzogs

Peinzipielle Bedeutung des Gtreites. 158

an alle Epriftgläubigen und an alle Fürften, welche als Beſitzer von Vogteien und ded Schutzrechtes über Kirchen und Prälaten die gleichen Jutereſſen baben, wie er, und in einer Appellation: am den Binftigen römiſchen Papft und an ein allgemeines Konzil. Als dann Blumenau zurüdlam und berichtete, daß ver Bann⸗ fluch wirklich ausgeſprochen worden ſei, erneuerte der Herzog bie Appellation und erklärte alle vom Papſte verhängten kirch⸗ lichen Strafen für ungerecht, für null und nichtig.

War der Kampf anfangs aus dem Streite über rein welt- liche Dinge entftanden, über die Frage, ob die Landeshoheit des Grafen von Tirol, wie fie fich geichichtlich herausgebildet hatte, anerlannt werden müffe, oder ob der Biſchof von Briren bag Recht babe, auf feine feit dem breizehnten Jahrhundert ganz anßer Kraft geſetzten Privilegien zurüczugreifen, fo war er jet anf ein ganz anderes Feld, auf das Firchliche Übertragen. Jetzt handelte e8 ſich darum, ob Kirchenftrafen, die der Papft aus- fpreche, unbedingt gültig ſeien, auch dann, wenn fie zu rein weltlichen Zweden verhängt würben, wenn ber Papft felbft Partei wäre. Dieſe Trage war bisher durch die Verbältniffe oft nahe gelegt, aber noch nie jo Har geftellt, um fo weniger gelöft worden. Es war ein Prinzipienftreit von größter Wichtig- feit, ımb daher wurde er auch mit einer jo ungemeinen Heftig⸗ feit und Leidenſchaftlichkeit geführt.

Der Papit und der Kardinal entwidelten eine ungebeure Thätigkeit, um ben Kirchenſtrafen auch bie entiprechende Wirkung zu verfchaffen. Sie forderten den Raifer, mit dem Sigmund noch nie auf gutem Fuße geftanden, auf, Tirol in Befig zu nehmen, die Schweizer, Sigmunds Länder anzugreifen, die Fürften und Städte, allen Verkehr mit Tirol abzubrechen, um durch dieſe Hundelsiperre das Land zu ruinieren und infolge defien zum Aufitande gegen jeinen Fürſten zu treiben. Zu diefem Zwecke wurden felbft Raubritter gedungen, um den mit Zirol verlehrenden Kaufleuten aufzulauern. Aber nirgends als bei den Erbfeinden des Haufes Habsburg, den Eidgenoſſen, hatten dieje Bemühungen Erfolg. Geiftlihe und weltliche Fürſten erflärten fih für Sigmund over blieben wenigſtens

24 Steigenbe Erbiturung des Streites.

taub gegen alle Ermahnungen des Papftes; bie meiſten lichen nicht einmal die päpſtlichen Strafhullen publizieren. In Tirol ſtand nicht bloß das ganze Volfk ſondern auch. der bei weitem größte. Teil. der Geiſtlichkeit auf der Seite des Herzog8. Dao iufolge deſſen Sigmund auch nichts that, um bie Ver⸗ zeihung bes Papſtes zu erlangen; jo beſchloß dieſer nach energiſchere Schritte zu unternehnen. Am' 28. Januar 1461 lud ex den Herzog. Sigmund, „des Satans vorzüglichſtes Glied“, beit Biſchof Georg: von Trient, Gregor Heimburg und Lorenz Blumenau, die Räte und Hausgenoſſen des Herzogs, mehrere Pralaten, die Brixner Domherren, alle Pfarrer und Geiſt⸗ lichen, welche gegen das Interdilt eine gottesdienſtliche Hand⸗ Yung verrichtet, wie alle Unterthanen Sigmunds, die einer ſolchen beigewohnt, binnen fünfzig Tagen vor ſeinen Richterſtuhl nach Rom, um ſich über ihre Rechtgläubigleit namentlich bes züglich des Glaubens „an eine heilige, katholiſche und apoſtoliſche Kirche” zu verantworten. Zur Verlündigung dieſer Bullen in ben an Tirol angrenzenden Ländern wurden Franziskanermönche ausgeſendet, die beſonders eifrig uud: xeigret ſchienen, auf die Maſſe des Volkes zu wirken.

—Wiele Geiſtliche und Laien wendeten. ſich jetzt auch wirllich mit. der Bitte um Abjolution- nach. Rom, nicht aber der Herzog und das: Brixner Domkapitel, nicht-der 'größte. Teil der Unter« thanen. Heimburg griff. in. einzelner Streitichriften und in einer im Namen des Herzogs verfaßten -Wppellation den Papft und feine Verfügungen immer heftiger an und überjchüttete namentlid „Die ſummariſche Vorladung non mehr. alö hundert⸗ taufenb“ Menichen ohne Unterſchied des Gefchlechtes, Alters, Krankheit oder Geſundheit, Kiadheit; Zugend, Verſtand oder Unverfſtand“ mit der Lauge ſeines Spottes. Auch der Herzog ſelbſt wurde in dem Dinge rückfichtsloſer, als der Papſt ſich eifxiger: zeigte, ihhm Feinde zu exwecken. Er konfiszierte bie Guter und Einkünfte ausländiſcher Kirchen, welche den päpft⸗ lichen Befehlen. Gehorſam leiſteten, ließ das erbitterte Volt gegen Geiſtliche los, die das Interdikt beobachteten, und ſchaffte bie 31. Monnen des Clariſſenlloſters in Brixen, welche dasſelbe

Endlicher Abflug des Friedens. 186

thaten, kt ihren geiſtlichen Beratern ſaͤmtlich aus dem PLande Umgekehrt ließ der Papſt am 12. Februar 1462 bie‘ Vöor⸗ ladung des Herzogs, des Biſchofs von Trient, der tiroliſchen Geiſtlichen und der Unterthanen Sigmundo erneuern mit Der Erklärung, daß alle: für Ketzer erllart werben wiürden⸗ die binnen: fünfzig Tagen nicht erſchienen. Doch kam e8 nicht zu dieſem extremen Schritte, ber vie Tiroler ‘mit dem Schickſale der Albigenfer und Huſiten bedrohte: Berichievene Yürften hatten von Anfang: an das Vorgehen des Bapftes mißbilligt, miehrere wie der Kardinalbiſchof von Auge⸗ burg und der Herzog Ludwig von: Baiern ſchon im Sommiet 1861: eine Ausföhnmg zuſtande zu Bringen verfucht. Auch der Doge von Venedig bot fich als Vermittler an und brachte es ‚dahin, daß beide Parteien: ihn als folchen anerlannten. Aber die Verhandlungen, welche. fich mehr als anderthalb Jahre hin⸗ zozen, biieben erfolglos. Der PBapft forderte als notwendige Vorbedingung der Aufhebung ber. Hrchlichen Strafen, daß Herzog Sigmund um feine Losſprechung bitte; Diefer aber: wies eine ſolche Zumutung ftets als eine Verlegung feiner Ehre zurück. Denn durch die Abbitte würde er erflären, daß er wirklich im Ban ſei; das fet er aber nicht, da berfelbe mit Unrecht über ihn ausgefprochen worden und daher ungültig und unwirkſam ſei. &r verlangte daher, daß der Papft einfach alle kirchlichen Strafen zurücknehme. Da eine Einigung in dieſer prinzipiell wichtigften Frage unmöglich ſchien, fo wurden bie Unterhaud⸗ lungen im Sommer 1468 abgebrothen. ' | Da nahm fich endlich der Kaifer der Sache an, beſonders nachdem Sigmund auf die Etbſchaft des Erzherzogs Albrecht zu ſeinen Gunſten verzichtet hatte. "Dev Tod des Paͤpſtes Bins II. und ‘des Kardinals Cuſanus, von denen der leßtere am 11., ber erftere am: 14. Auguſt 1464 aus dem Leben ſchieden, erleichterte den Abſchluß des Friebens. Sigmund brauchte ſich perſönlich gar nicht zu demültigen, ſondern auf Grund einer Vollmacht desſelben bat der Kaiſer für ſeinen Vetter am 2. September den: päpfllichen Legaten um Ver⸗ zeihmg und Abſolution, worauf dieſer den Herzog vom

186 H. Sigmunds Krieg mit den Schweizern.

Banne und allen lirchlichen Strafen losſprach und das Interdikt aufhob. Mit Recht ſahen die Anhänger des Kardinals in der Art und Weiſe, wie dieſer Streit beendet wurde, eine Niederlage der kirchlichen Partei. Nachdem man ſo oft erklärt hatte, daß es ſich hier um das Anſehen und die Freiheit der Kirche, um die ganze Autorität des päpſtlichen Stuhles handle, nachdem alle, ſelbſt die ſtrengſten Mittel der kirchlichen Strafgewalt in Bewegung geſetzt worden waren, war dieſer Ausgang, wo der Hauptſchuldige ganz ungeſtraft blieb, freilich in keiner Weiſe befriedigend, man kann vielmehr ſagen, daß Sigmund als Ver⸗ treter der Staatsgewalt ſiegreich aus dem ſchweren Kampfe hervorgegangen ſei.

Indirekt freilich hatte dieſer gonflikt für Sigmund und das Haus Habsburg Verluſte zur Folge gehabt.

Schon im Herbſte 1458 hatten demſelben die Eidgenoſſen mitten im Frieden die Stadt Rapperſchwyl weggenommen. Doch war 'es damals den Bemühungen mehrerer Fürſten be⸗ ſonders des Königs von Frankreich und des Papſtes gelungen, einen Krieg zu verhindern und eine Erneuerung des 1412 ges ſchloſſenen fünfzigjährigen Friedens herbeizuführen. Aber gerade der PBapft wechjelte auf die Nachricht vom Überfalle des Kar- dinals Cuſanus in Bruned feine Haltung. In den Schweizern glaubte er bie geeignetften und bereitwilligiten Werkzeuge zur Vollſtreckung der kirchlichen Strafurtetle finden zu können, und er forderte diefe, „feine beſonders geltebten Söhne”, wiederholt auf, gegen den von der Kirche gebannten Herzog die Waffen zu ergreifen. - Auch die Grabner pegten befonbers in Zũrich gegen ihren früheren Gönner.

Die Eidgenoſſen, in ihrer Politik damals nur vom Eigen⸗ nutze geleitet, ſchlugen noch im Herbſte 1460 los. Sie er⸗ oberten Wallenſtadt, den Reſt des Sarganſerlandes und den ganzen Thurgau und brandſchatzten einen großen Teil von Vor⸗ arlberg. Herzog Sigmund mußte unter den damaligen Ver⸗ bältniffen frob jein, daß die Biichäfe von Konſtanz und Bajel zum großen Ärger des Papftes am 7. Dezember 1460 einen

Folgen ber Kompalten für Böhmen. 187

Waffenſtillſtand vermittelten, worauf am 1. Yumt 1461 auf Grundlage des augenblidlichen Befigftandes ein fünfzehnjähriger Friede gejchloffen wurde. Als die Schweizer ihren Zweck er» reicht hatten, Liegen fie fich Durch feine Ermahnungen und ta» beinden Schreiben des Papſtes beivegen, den Krieg fortzufüßren !). Da. im Jahre 1452 auch das ijolierte Freiburg im Ochtlande fich von Oſterreich losgeriſſen und dem Herzoge von Savoyen angeſchloſſen hatte, um dann ſpäter in die Eidgenoſſenſchaft zu treten, ſo waren bis auf Winterthur, das ſich im letzten Kriege heldenmütig gegen die Angriffe der Schweizer verteidigt hatte, able Befigungen links vom Oberrhein und ſüdlich won Bodenſee für DOfterreich verloren. Auch Winterthur verpfändete Herzog Sigmund 1467 um 10000 Goldgulden an die Stadt Zürich.

Diertes Kapitel. Georg von Böhmen und Matthias von Ungarn.

Saft um diejelbe Zeit, wo der Herzog Sigmund von Tirol ben fchweren Streit mit ber kirchlichen Gewalt zu beftehen batte, brach auch in Böhmen der Kampf mit dem Papfttum und befjen Verteidigern wieder auß.

Die Kompaltaten, bie 1433 zwilchen den Böhmen und dem Konzil von Baſel abgejchloffen worden waren, hatten wohl zu- nächjt dem Kriege ein Ende gemacht, aber die Berhältnifje in Böhmen felbft wie die Beziehungen desfelben zur Kirche und zu ihren Nachbarn auf feine fefte Grundlage geftellt. Der

1) 9. Jäger a. a. ©. II, 72ff. 111f. 125ff. 1427. 161 ff. 170. 179. 213ff. Jäger, Fehde der Grabner, in „Denkjchriften” IX, 279 ff. Dal. ®. Meyer v. Knonau, Aus mittleren und neueren Jahrhunderten, S. 96 fl.

488 Uiröguihten' inud Katholiten.

gzröͤßte Teil der utraqutfitichen Böftnen wat mit den Kompat- taten, deren wichtigfter Bunt der Laienkelch war, nicht zufrieven. Sie verlangten außerdem die Kinderkommunion und kamen auch fonft ben Beitimmtungen der Kompaltaten nicht genau nah.

Ihre Priefter unterließer «8, nach der Vorſchrift derſelben bei der Austeilurig bes Sakraͤmentes unter Beiden Geftalten daran zu erinnern, daß Chriſtus auch unter einer Geftalt ganz gegen- wärtig und ber Kelch nicht zum Heile notwendig ſei, ja, fie verbammiten Diejenigen, weldde die Kommunion unter einer Geſtalt empfingen. Sie verwarfen nicht bloß manche kirchliche Zeremonieen, ſondern leugneten auch das Fegefeuer, die Nütz⸗ lichkeit der Gebete für Verſtorbene, den Ablaß und die Zu- Iäffigfeit der Heiligenbilder. Sie galten daher ben eifrigeren Katholifen immer als Reber, obwohl Rokycana und feine Bartei gegen alle weiter links ftehenden Utraquiften, wie die Taboriten und die fogenannten Pilarven, ſehr ftrenge verfuhren und Kerker und Tortur gegen ſie in Anwendung brachten. Rokycana zahlte ben Ratholilen ihren Haß gegen die Hufiten reichlich heim. Mit den katholiſchen Prieftern in Prag Hatte er immer- währenden Streit. Auf feinen Antrieb wurden 1459 im Namen des Königs in Prag und anderen utraquiftifchen Städten zwei Verorbrüngen publiziert, wonach dort niemand in das Bürgerrecht oder in eine Zunft aufgenommen oder zu einem ‚Handwerk zugelaffen werden, niemand eine Erbſchaft antreten oder Eigentum erwerben, ja niemand Hrchlich getraut oder im geiveihten Erdreich begraben werben follte, der nicht einen Eid Ieiftete, daß er die Kommunion unter beiden Geftalten empfangen und babei bleiben wolle !). Mochte der König noch fo fehr wänfchen, daß beide Religionsparteien in feinem Reiche friedlich

1) Auf biefe Haltung Rokyeanas und ber utraquiftifhen Geiftlichen, von Balady wie von dem hinter Palady an Solibität der Forſchung - Übrigens weit zurädfiehenden M. Jordan, Das Königtum Georgs von Podobrad (Leipzig 1861), ignoriert, hat G. Voigt, Georg von Böhmen, ber Huffitenkönig, in v. Sybels „Hiflor. Zeitfchrift” V, 430 ff. auimerf- fam gemacht. Vgl. Bachmann, Böhmen und ſeine Nachbarländer, S. 282ff. |

Haltung der bbhmiſchen Katholiken. 198

fuſpendiert erllärte und dem Könige Meineid vorwarf, wert er feinen bei der Krönung geleilteten VBerfprechungen nicht nach⸗ däme, ließ er einlerkern, obichon dieſer nicht einfach Löniglicher Beamter. war, jondern jetzt als päpftlicher Legat zu ihm ge- fommen war :und als ſolcher unter dem Schube bes Völker⸗ rechts ſtand ). Dies konnte nur als offener Bruch mit dem Papfte angefeben werden. Xrotbem nahm Georg auch in ber folgenden Zeit feine fo feſte Haltung ein, wie gleichzeitig Sig⸗ mund bon Tirol, Er fühlte fich eben im Innern nicht fo Sicher wie diefer. Während die Tiroler ohne Ausnahme un- entwegt zu ihrem Herzoge ftanden, konnte Georg nicht fo feft auf feine Unterthanen bauen. Nicht bloß Die Breslauer waren ihm feindlich; auch ein Teil der böhmifchen Großen nahm eine bedenkliche Haltung ein. Als der König in der VBerfammlung des 12. Auguſt an die Anweſenden die Frage richtete, ob fie ihm beiftehen würden, wenn er wegen ber Kompaftaten mit jemandem in Kampf geriete, ba fagte dies zwar Koftla von Boftupie im Namen der Utraquiften zu. Aber der Wortführer ver Katholiken, der Dberjtburggraf Zdenko von Sternberg, er- Härte nach) einer Beratung feiner &laubensgenoffen: fie würben, wenn es fih um die Ehre und Nechte der Krone handle, fich verbalten, wie es treuen Unterthanen gezieme; mit den Kompal⸗ toten hätten fie nie etwas zu fchaffen gehabt; wie der König wollten auch fie dem Glauben ihrer Väter treu bleiben und fih nicht von der römischen Kirche trennen; ba der König ohne ihren Rat beichloffen habe, die Kompaktaten zu fchügen, fo mögen ihm auch diejenigen dabei helfen, die ihm dazu geraten haben und ihrer bedürfen. ‘Diefelbe Erklärung wiederholte im Namen ver Katholiken auf eine neue Anfrage des Königs ber Biſchof Joſt von Breslau am folgenden Tage. Der Verſuch Georgs, das ganze Reich zur Verteidigung der Kompaltaten zu verpflichten, war vollftändig mißlungen.

Georg glaubte auch jet noch durch diplomatiiche Künfte

1) Balady IV, 1, M1ff. Jordan, 6. 110ff. Boigt II, 470ff. Martgraf, ©. 30ff. Bachmann I, 227ff. Huber, Geſchichte Öfterreihs. II. 13

104 Georgs Plan eines europäifchen Fürſtenbundes.

ein. entſchiedenes Vorgehen. des Papſtes gegen ihn verhüten zu Lönnen::: Er fete auch. nach den Vorgängen des Auguft ken biplomatifchen Verkehr mit dem Papfte, dem „heiligiten Vater“, als „geborfamer Sohn“ desjelben, noch fort. Anverfeits ftrebte er nun die Nealifiermg eines Planes an, den ein in jeine Dienfte. getretener Franzoſe aus Grenoble, Antonio Marini, ein induftrieller Gründer und politiiher Projektenmacher, Jaus⸗ ‚gedacht hatte, den Plan nämlich, einen europätfchen Fürftenbund zuſtande zu ‚bringen, deſſen Oberleitung außer ihm dem Könige Ludwig XI von Frankreich zufteben follte. Indem man bie Bertreibung der Türken aus Europa und die Eroberung Kon- ſtantinopels auf die Fahne dieſes Bundes fchreiben wollte, glaubte man für denſelben auch die Republik Venedig, die. Könige von Ungarn. und Bolen, den Herzog Philipp von Burgund und einen :ober. den andern beutichen Fürſten gewinnen zu können. Ein ſolcher Verein der mächtigften Herrſcher Europas, Die Durch einen: jtändigen Bundesrat zur Enticheidung aller Streitigfeiten unter einander und mit fremden Fürſten vertreten fein follten, mußte eine jo mächtige Stellung einnehmen, daß auch ver Papit, der ebenjo wie der Kaiſer in den Hintergrund gedrängt worden wäre, einem Mitglieve desſelben nichts anhaben fonnte. Gelang gar dem Bundesheere, als deſſen Oberanführer fich Georg ſelbſt dachte, die Vernichtung der Türkenherrſchaft in Europa, fo. war e8 für den Papft geradezu eine Unmöglichkeit, denjenigen, welcher die Ehriftenheit von ihrem Erbfeinde befreit hatte, für einen Keter zu erflären und die Feindfeligfeiten gegen ihn fort zujegen. Schade nur, daß dieſes Projekt des windigen Franzofen ebenfo auf Sand gebaut war, wie der frühere Plan Martin Mayrs, betreffend die Erhebung des böhmischen Königs auf ben beutichen Thron. Obwohl ſich Venedig und Ungarn fehr gern die Hilfe Europas gegen die Türken gefallen laffen wollten, jo zeigten fie Doch Feine Neigung, die Sonderinterefjen des böhmischen Könige zu unterftügen, und verlangten von Marini vor allem Unterhanblungen mit dem Papfte. Auch Tranfreich wollte wenigftens feine Verpflichtung zur Unterftügung George gegen die Kurie übernehmen. Das einzige Ergebnis der langen

Weitere Schritte des Papftes gegen denſelben. 15

Unterbandlungen war ein- allgemein gebaltenes Freundſchafts⸗ bündnis zwißchen Frankreich und Böhmen, das niemanden be- ftimmte Verpflichtungen auferlegte ’).

Bon wichtigeren Folgen war ed, daß Georg fih den Kaiſer durch feine Rettung aus den Händen der rebelliichen Wiener und durch die Unterftügung gegen feinen Bruder Albrecht zu geoßem Dante verpflichtete. Auf die Bitten Friedrichs III. julpendierte der Papft Ende 1462 vorläufig alle Firchlichen Strafen gegen den Böhmenkönig, freilich unter lautem Weh⸗ Hagen über jein „unglücfjeliges Zeitalter, das arme Deutich- Yand und die elende Chriſtenheit, deren Kaiſer nur von einem ketzeriſchen König gerettet werben könne” 2). Auch ber Bilchof von Breslau, Joſt von Roſenberg, fuchte burch feine Ver⸗ wenbung zuguniten des Königs beim Papite und anderen ein- flußreichen Perjönlichfeiten einen vollftändigen Bruch zu verhüten, um von feinem Baterlande die Gefahr eines neuen Bürger⸗ krieges abzuwenden, als deſſen Folge namentlich die Loßreißung Schlefiend zu fürchten war.

Als ſich aber heramsftellte, daß der König nur Zeit zu gewinnen und unterbeffen die wideripenftigen Breslauer zu iſolieren fuche, da entjchloß fi) der Papft zu energifhem Vor⸗ geben. Am 16. Juni 1464 hielt derſelbe ein öffentliches Ronfiftorium, bei welchem er Georg als meineidigen und rück⸗ fälligen Ketzer auffordern ließ, binnen 180 Tagen zur Ber- antwortung vor dem apoftoliichen Stuhle zu erjcheinen ).

1) Martgraf, Über Georgs von Podiebrad Projeft eines chriftlichen Fürftenbundes zur Bertreibung der Türken aus Europa u. ſ. w., in v. Sybels „Hiflor. Zeitfchrift” XXI, 245—304, hat auf Grund nenen Materials diefen Plan ſehr eingehend behandelt.

2) Schreiben am den Kaifer vom 31. Dezeinber 1462, in F.R. Austr. Dipl. XX, 287.

3) Für die Vorgänge feit Auguft 1462 |. Balady IV, 2, 255—314. Sordan, ©. 114ff. Voigt, Enea Silvio TUI, 481-501. Mart- graf, Das Verhältnis des Königs Georg von Böhmen zu Papft Pins IL, 1462—1464, in „Forſch. 3. deutſchen Geſch.“ IX, 217258. Bach- mann, Reichsgeſch. I, 398 -433; 476 -608.

13*

186 Löſung der Untertanen Georgs vom Treueide.

Zwar ftarb Pins IL. am 14. Auguſt, ehe noch die Citations- bulle ausgefertigt war. Aber fein Nachfolger Paul II. aus dem venetianifchen Gefchlechte ver Barbo ſtand mit ber ganzen Kurie prinzipiell auf bemielben Standpunkte wie fein Bor Hänger, und biplomatifche Rückſichten kannte ber ſtolze Venetianer noch viel weniger als der gebildete Piccolomini. Nach einem auf Bitten des Kaiſers wie bes böhmischen Königs unter- nommenen DBerjuche, biefen durch Unterhandlungen zur Unter werfung zu bewegen, nahm ver. Bapit das Verfahren gegen denfelben wieder auf und überwies am 28. Juni 1465 bie Angelegenheit einer Kommiſſion von drei Kardinälen, welche am 2. Auguſt Georg von Podiebrad, „der ſich König von Böhmen nenne”, binnen 180 Tagen perjönlich vor den apofto- liſchen Stuhl luden, um fich wegen Keteret, Rückfall in dieſelbe, Meineid, Kichenraub und Gottesläfterung zu verantworten. Vier Tage Darauf gab der Bapft ſelbſt feinem Legaten in Deutihland, Rudolf von Rüdesheim, Biſchof von Lavant, Vollmacht, den Prozeß gegen alle Anhänger Georgs, auch wenn fie Erzbiſchöfe, Biſchöfe, Könige oder Herzoge wären, einzuleiten und alle Eheverträge und Bündniſſe mit demſelben wie alle ihm geleifteten Untertbaueneive aufzulöfen. Am 8. Dezember entband der Papft in feierlicher Weile alle Einwohner ber bohmiſchen Länder vom Eid der Treue und der Unterthänigfeit und verbot ihnen, einem ketzeriſchen Menfchen gehorfam zu fein, Dienste zu leiften, Abgaben zu zahlen oder auch nur einen Verkehr mit demjelben zu unterhalten.

Mit dieſen Maßregeln wäre allerdings noch nicht viel er⸗ geicht worden, da gerade damals ber Streit der Kurie mit Sigmund von Tirol und andere Vorgänge in Deutfchland gezeigt hatten, wie wenig man fich in diefer Zeit um die Be- ‚fehle, ja jelbft um die Bannbullen des Papftes kümmerte. Aber eben deswegen war auch von Rom aus forgfältig alles uorbereitet worben, damit dieſen Strafbullen auch bie Aus- führung nicht fehle. Schon feit 1462 ftand ber Papft mit allen unzufrievenen Elementen in ben Ländern Georgs, beſonders mit den Breslauern, in Verbindung. Der biefen im Januar

Der bohmiſche Herrenbund. 197

1460 vom Könige für vie Hulbigung gewährte Termin wurbe ihnen vom Papfte zuerft 1462 verlängert, dann denſelben geradezu befoßlen, jo lange Georg fich der Kirche nicht unter- werfe, ihm keinen Gehorſam zur leiſten. Jahrelang ſaß m Breslau der Erzbiſchof Hieronymus von Kreta als päpſtlicher Legat, der den Widerſtand gegen den König organiſierte und ſich al8 Herren der Stadt, ja Schlefiens, benahm.

Bon Bedeutung wurde aber die Oppofition doch erit, als fih im Jahre 1465 aus Mitgliedern des meiſt katholiſchen hohen Adels der böhmifche Herrenbund bildete. Ihr Führer war Zdenko von Sternberg, der früher Georgs innigfter Freund geweſen, jet aber vollftändig mit ihm zerfallen war. Doch waren bie Beweggründe der meiften Herren wohl nicht religtöfer, - fonderen politiicher Natur, indem fie es umerträglich fanden, daß Georg, der aus ihrer Mitte hervorgegangen, ja nicht ein» mal einem der vornehmiten Gejchlechter entiproffen war, fich nicht von ihnen leiten Taffen, fondern auch über fie eine kräftige Herrihaft führen wollte und ihrem Streben nach Erweiterung ihrer Befigungen oft entgegentrat, während er feinen Söhnen Süter und Herrihaften, ja ganze Fürftentümer verlieh, wie dies gerade Ende 1465 wieder mit dem von ihm eriworbenen Fürſtentum Troppau geſchah 1). Wenigſtens ftelften fie jelbit in ihrer Beſchwerdeſchrift, die fie im September 1465 an ben böhmischen Landtag richteten, rein politifche Dinge in ben Vordergrund, Daß Georg den Rat der Barone nicht einhole, daß er feinem Sohne die Nachfolge zu verfchaffern gefucht, daß er fie ohne vorhergegangene Zuftimmung wiederholt zu Kriegszügen aufgeboten, ſchon zweimal eine allgemeine Steuer eingehoben, beimgefallene Lehen nicht wieder weiter verliehen, jondern ein- gezogen habe u. |. w. Als der König ihre Klagen zurückwies und der Landtag fih auf befien Seite ftellte, ſchloſſen am 28. November ver Biſchof Ioft von Breslau, der jet much anf die Wünfche der Kurie einging, und fechzehn Herren aus

1) Biermann, Geld. der Herzogthümer Zroppau und Jagerndorf, S. 209 ff.

198 ‚Hinausfehiebung des Kampfes.

ben. Boinilien Ber Sternberg, Roſenberg, Hafenburg, Riefenburg, Schwamberg, Neubaus, Gutftein, Neuß von Blauen, Ilburg und Ronsberg bet einer Zuſammenkunft auf Sternbergs Schloffe Grünberg auf fünf Sabre einen Bund zu gegenfetiger Unter fügung gegen alle Angriffe:

MNoch kam es indeflen nicht zum. Rampfe. Die Herten fühlten sich zu Schwach, um allein oder auch mit den Breslauern den Krieg gegen den mächtigen König zu beginnen. Beſonders Ber Biſchof Joſt von Breslau, obwohl perjönlich ein entſchiedener Gegner des Kelches, fuchte noch immer das AÄußerſte zu ver- hüten, weil er überzeugt war, daß die Katholilen ohne kräftige auswärtige Unterjtütgung bein Könige nicht gewachlen fein. und der Krieg nur zu ihrem Unbeile ausfchlagen würde. Der Biſchof Protas von Olmütz aus dem Haufe Boskowitz fette auch jetzt noch die Vermittlungsverfuche und. den. Verkehr mit dem Könige fort, fodaß er vom Papfte mit der Temporalienſperre beftraft und mit noch jtrengeren Maßregeln bevrobt wurde.

Auch der König ſuchte einen Bruch zu vermeiden. War er immer mehr ein Freund biplomatiicher Künfte als Fühnen Dreinichlagens geweſen, ſo nahm dieſe Neigung um fo mehr zu, je älter und je unbeiweglicher er wegen feiner Fettleibigkeit wurde. Auch jett fuchte er bie Herren durch politische Kon⸗ zefftonen zu gewinnen, wodurch er: auch wirklich Johann von Roſeuberg, des Biſchofs von Breslau Bruder, wieder auf feine Seite brachte, und ſchloß mit ihnen, um Unterhandlungen Raum zu gewähren, im Mat 1466 einen fürmlichen Waffen- ſtillſtand, der bis Mitte Oltober dauern follte und dann noch bis: zum 24. April 1467 verlängert wurde. - Auch. ben zum legten Streiche: ſchon erhobenen Arm des Papftes hoffte er noch aufhalten zu können, teils: durch direkte Unterhandlungen, teil® durch Bermittlung des Kaifers, des Königs von: Ungarn unb befreundeter deutſcher Fürften.” Da bei der Yfolierung und wifennichafttichen Unfruchtbarkeit der - Utraquiften, die immer mehr auf Das mechanifche Einlernen gewiſſer tbeologiicher Be weismittel ſich beſchränkten, unter dieſen ſich keiner fand, ber ſeine Sache mit der notwendigen Gewandtheit hätte vertreten

Endurteil des Papfies gegen: Georg. 199

können, Die böhmilchen Katholiten aber fich immer mehr: von ihm abwenbeten, jo nahm er zuerft Martin Mayr. mit Zu⸗ ſtimmung ſeines gegenwärtigen Herru, bed Herzogs Ludwig von Baiern, für die Abfaſſung ſeiner Staatsſchriften in ſeinen Dienſt, bis im Sommer 1466 der mit dem Banne der Kirche beladene Gregor Heimburg ſich an feinen Hof begab. Aber alle Be müßımgen, die Kurie auf dem eingeichlagenen Wege aufzuhalten und gegen die Rückſtellung der Kirchengüter, Zulaſſung eines katholiſchen Erzbiſchofs, Übertritt der Zöniglicgen Familie zum. römiſchen Ritus und das BVeriprechen eines Kreuzzuges gegen die. Türken bie ftilljchtweigende Dulvdung ber Kompaktaten au erlangen, wurden mit Hohn zurüdgewiefen. Wohl verlanute die Kurie die Gefahr eines Glaubenskrieges unter den gegen» wärtigen Verbältniffen nicht und zögerte auch nach Ablauf ver dem Könige Georg gewährten Frift eine Zeit lang, die lebten: Konfequenzen bes eingeleiteten Prozeßverfahrens zu ziehen. Aber endlich riß fie der greife Karbinal Carvajal, das angejehenfte Mitglied des ganzen Kollegiums, durch den Hinweis auf: bie fiher. zu :erwartende Hilfe Gottes aus ihrem Schwanlen heraus. Am 23: Dezember 1466 wurde vom Bapfte das Endurtell publiziert, „Georg ober Jerſik von Kunftatt: und Podiebrad“ als rüdfälliger Ketzer und Ketzerbeſchützer, als Meineidiger und Kirchenräuber aller Würden und Befitungen verluftig, feine. Nachkommen. zu allen Amtern und Erbfchaften unfähig erklärt: und feine Untertbanen von. allen Eiden und DVBerpflichtungen entbunvden. In Denutichland und in anderen Länder wurde das. Kreuz gegen den abgefegten Böhmenkoͤnig gepredigt.

.. Die Verurteilung Georgs durch den Papft machte auch der unentichloffenen Haltung ber böhmilchen Herren ein Ende. Deionders auf das Drängen: Sternbergs erklärten fie fich bereit, zur: Ausführung ber. päpftlichen Sentenz mit Leib und ‚Gut mitzumwirlen und jeden als König anzunehmen, ven: der. Papit ihnen: geben würde, obwohl fie ihrerfeitd den König Kafımir von Bolen oder einen feiner. Söhne als befonders geeignet Dazu bezeichneten. . Zdenko von Sternherg. wurde vom Bapite als Hauptmann der Katholiken beftätigt. und alle Gläubigen er⸗

20 Ausbruch bes Krieges.

mahnt, bis zus Einſetzung eines neuen Königs demſelben Bei⸗ ſtand zu leiften. Ende April 1467 nach Ablauf des Waffen- ſtillftaudes begmmen von beiven Seiten die Teinbfeligfeiten 4). Noch Hatten ch die Gegner Podiebrads nicht zu einer gemeinjchaftlichen Liga: verbimden. Auf der einen Seite ſtanden demſelben die böhmifchen Herren: mit der Stadt Pilſen gegen- ber, auf der andern die Breslauer, mit denen übrigend ber Biſchof Joſt am 21. April im Namen der Herren ein Bünd⸗ nis ſchloß. Erit als die Breslauer, in deren Mitte auch der neue päpftliche Legat Bilchof Rubolf von Lavant feinen Sig aufſchlug, im Mai in raſchem Anlaufe die Städte Münfterberg und Frankenſtein mit den dortigen Burgen eroberten, ſagten ih die deutichen Städte Mährens, Brünn, Olmüs, Zuatm und Iglau, die fi unter ven Schug des Kaifers ftellten, wie vie Laufiger, von Georg 108. . Auch der Biſchof Protad von Olmütz veybündete fi enplich mit ven genannten Städten big zur Aufftellung eines neuen Königs durch den Papſt ?). Anverfeits blieben aber noch immer viele Katholiken, wie Die Herren von Kolowrat, von Loblowig, Johann von Roſen⸗ berg, Wilhelm d. j. von Rieſenburg und Rabi, des Königs Schwager Leo von Roſenthal (Rozmital), dann die Städte ger, Ellbogen, Kaaden, Kommotau, Brürx, Auffig, Budweis, ja ſelbſt die meiſten Prälaten, dem Könige treu oder beobachteten wie die meiſten ſchleſifchen Fürften eine vorfichtige Neutralität. Die Utraquiften ſtanden natürlich einmütig zum Könige, obwohl dieſer ſich hütete, einen förmlichen Glaubenskrieg zu entflammen. Das Glück des Krieges, der in einer Reihe von Belagerungen mb kleineren Gefechten beſtand, neigte ſich daher bald auf bie Seite des Könige. Im Böhmen wurden den Mitgliedern des Herrenbundes mehrere Schlöfler entrifen, in Schleften durch

1) Für bie Greigniffe jeit dem Tode bes Papfte® Pins II. ſ. Palady IV, 2, 315—438. Jordan, ©. 184-264. Martfgraf, Die Bil- bung der katholiſchen Liga gegen König Georg von Pobiebrad, in v. Sy« bels „Hifl. Zeitichr.” XXX VIII, 48—82 und 251—266. Bachmann, Dentſche Reichsgeſch. I 544-596.

2) Über diefe Einzelbunde ſ. Markgraf a. a. O. ©. Böfl.

N

Haltung 8. Kaftmirs von Polen. 298

ven Primzen Bictorin Münſterberg und Frankenſtein wieder erobert, wobei die Breslauer viele Gefangene verloren, ba durch Denjelben der burch bie Brlünner belagerte Spielberg entſetzt. Auch eine Schar bairiſcher Kreuzfahrer erlitt am 232. September bei Neuern eine empfinpliche Nieberlage. Die Erfolge, welche vie Feinde des Königs im Felde errangen, wogen die Nachteile bei weiters nicht auf, und es zeigte fich bald, daß dieſelben nicht bloß nicht imjtande wären, Georg zu ftürzen, jonderu daß fie auch demſelben auf die Dauer nicht zu wider⸗ fteben vermöchten, wenn fie nicht Unterftügung von außen er⸗ bielten:

Nun Hatte e8 der Bapft allerdings auch in dieſer Richtung an Bemühungen nicht fehlen laſſen. Namentlich Hatte er ven König Rafımir von Polen zu gewinnen gejucht, der als Gemahl einer Schweiter des Königs Lapislaus des Nachgebornen auch für feme Söhne Erbanſprüche auf Böhmen. erheben konnte. Um deſſen Hände frei zu machen, hatte der Papſt fogar den bisher begünftigterr deutfchen Orden preisgegeben uud der Legat Rubolf von Lavant am 19. Dftober 1466 zwiſchen dieſem und dem Könige Kaſimir den Frieden von Thorn vermittelt, durch welchen Weftpreußen an Bolen abgetreten und für Oft preußen die Lehenshoheit desſelben anerkannt werben mußte. Um aber eine Preifion gegen ven König Kaſimir ausüben zu Körmen, hatte der Papft die Ratifilation dieſes Friedens von ber Belämpfung der böhmiſchen Ketzer abhängig gemacht. Im Mat 1467 trugen die katholiichen Herren dem polniſchen Könige für: ſich oder einen feiner Söhne fürmlich die Krone ihres Reiches an.

Kaſimir aber, obwohl nicht ohne Ehrgeiz, hatte feine Luft, fein durch den langen Krieg mit dent deutichen Orden erſchöpftes Reich in einen neuen weit ausfehenden Kampf zu verwideln. Auch mißbilligte er grundfäglic Das Vorgehen des Papſtes gegen Georg, indem er den Standpunkt vertrat, daß ein ge falbter und gefrönter König gar nicht abgefetzt werven könne. Zugleich ſcheint er ſchon damals die Hoffnung gehegt zu haben, nach Georgs Tode auf friedlichem Wege die Wahl eines ſeiner

202 Georgs Überlegenheit.

Söhne durchzuſetzen. Er lehnte daher auch die verlockenden Anträge, die ihn vom Papite und den aufſtändiſchen Unter⸗ thanen Georgs gemacht wurden, unter verfchtebenen Ausflüchten ab, ja, juchte jogar einen Trieben zwilchen Georg und feinen . Feinden zu vermittels,; was freilich dem böhmifchen Könige zum Nachteile gereichte, da diefer auf Kaſimirs Wunfch feinen Gegnern am 19. November 1467 einen Waffenftiltitan bis zum 26. Mai bes folgenden Jahres bewilligtee Dadurch wurden nicht. nur die Kräfte Georgs für lange Zeit lahm gelegt, fondern es erbielten deſſen Seinde auf dem. im ber zweiten Hälfte des Dezember in Breslau gehaltenen Kongreſſe Gelegenheit, ſich fefter zu organifieres und fich zu einer katholiſchen Liga zu⸗ fammenzufchließen. Ä : Obwohl diefe im päpftlichen Legaten Rudolf, ber nach dem Tode Joſis von Roſenberg zum Bilchofe von Breslau gewählt: wurde, ein energiſches und thätiges Haupt erhielt, war fie dem Könige Georg wahrſcheinlich deffenumgenchtet nicht gewachſen, fo lange Tein mächtiger Fürſt fich ihrer annahm. Und in biejer Beziehung ftanden die Dinge für die Liga noch immer nicht günstig. Der Kaifer, ven König Georg gerabe in der Zeit dee Ausbruches bes Bürgerkrieges in Böhmen durch eine höchſt unkluge Unterftügung ungehorfamer öfterreichiicher Adeliger- fich zum Feinde gemacht hatte, würde zwar die Liga ſehr gern unterjtügt haben, wurde 'aber Anfangs 1468 durch den Prinzen Victorin in Oſterreich felbft angegriffen und hart bebrängt; Der Kurfürft Frievrich von Brandenburg, bem der päpftliche Zegat und. die katholiſche Liga im Februar 1468 bie böhmifche Krone anboten, zeigte infolge des Abratens ſeines Bruders, bes Markgrafen Albrecht,. auch Teine Neigung, fich in ben bösmifchen Krieg hineinziehen zu laffen !). Die Herzoge von

:1) Über ben Krieg und bie. diplomatiſchen Verhandlungen f. Palacky IV, 2, 438—504 und bie von Bachmann in F.R. Austr.. Dipl. XLII, 41ßagg. und XLIV, 628agg. mitgetellten Berichte; über die Stellung Brandenburgs auch 3. ©. Droyfen,: Gel. der Preußifchen Politik U, 1,: 341 $,, über bie Bolitit Kafimird von Polen Caro V, 1, 264 bis 985.’ .. .

8. Matthias won Ungern. 28

Sachſen fanden mit ihren Sympathieen entichieven auf Seite Georgs '). Kurz, die Ausfichten für den Papft und bie Liga waren im den erſten Dlonaten des Jahres 1468 nichts weniger als gläczend. Es blieb ihnen baber nichts übrig, als ben Anträgen Gehör zu geben, bie ihnen vom Könige Matthias . vos Ungarn gemacht wurden.

Matthias war unftreitig einer ber tüchtigften Könige, die Ungarn je gehabt hat. Obwohl er als Füngling mit vierzehe Jahren unter fchwierigen Berbältnifien auf ben Thron gelangt war, wußte er fich doch nach Iurzer Zeit eine gejicherte Stellung zu erringen. Dit ſcharfem Blide verſtand er bie fähigften Leute herauszufinden und hob fie ohne Rückſicht auf ihre Her kunft zu den höchſten Stellen in Kirche und Staat, um fie baum freilich, wenn fie fich nicht unbedingt ergeben zeigten, eben jo rafch zu ftürgen. Auch perjönlich hatte er eine außerordent⸗ liche Arbeitsfraft. Alle von feiner Kanzlei ansgefertigten Alten- ſtücke piltierte oder revidierte er felbft, alle einlaufenven ſah er durch. Schon in feiner Jugend Hatte er fich nicht bloß eine fihere Kenntnis der lateinifchen Sprache, jondern auch Ver⸗ ſtaͤndnis Des Deutihen und ber meiften ſlaviſchen Dialekte ver» ſchafft. Mandhe Werke lateiniſcher Autoren, vorzüglich der Militaͤrſchriftſteller Tas er ſelbſt, aber auch in tbeologilchen Fragen war er nicht unbewandert. Der auflebende Humanis⸗ mus, zu deſſen berporragendften Bertretern in Ungarn bes Königs Kanzler Johann Vitéz von Zredna, Biſchof von Groß» warbein, fpäter Erzbifhof von Gran, und deſſen Neffe, Johann von Eſezmicze (Janus Pannonius), Biſchof von Fünfklirchen, ein leichtfertiger Dichter, gehörten ?), fand im Matthias einen warmen Freund. Beſonders in den Ipäteren Jahren feiner Regierung, nachdem er fich im Jahre 1476. mit

1) 9. Ermiſch, Stubien zur Geſchichte ber ſächfiſch⸗ bbhmiſchen Be giehangen 1464—1471.

2) G. Botgt, Die Wiederbelebung des elaſſiſchen Alterthums . Aufl.). II, 319ff. - Die litterariſche Bedeutung des Vitez ſchildert ber ſonders Frakn6i, Vitez Janos élete (Leben bes Vohann Vitez), Buda- pest, 1879.

204 Förderung des Humanismus,

ber gebilveten und prachtliebenven Beatrix von Neapel ver- mählt Hatte, war der ungarifche Hof ver Sammelplatz italieniſcher Schöngeifter, mit denen ſich der König jelbft gern unterhielt und die ihn für feine Freigebigfeit in Gedichten und Geſchichts⸗ werfen zu den Sternen erhoben. Dichter, Nebner, Philoſophen, Ärzte, Aftrologen, Theologen und Alleswiffer Hatten fich auf den Ruf des Königs, oder um feine Gunſt und Unterftügung zu gewinnen, am Hofe zu Ofen eingefunden ?). ‘Die größte Bedeutung erlangte Anton Bonfini aus Ascoli, der obne eingehende Studien, aber in eleganter Form den Livius nach⸗ ahmend, eine ungarifche Gefchichte fchrieb, welche eine fehr große Berbreitung gefunden und bis auf die neueste Zeit außerordent- . liches Anfehen genofjen Hat. Mit ungeheuern Koften juchte ſich Matthias auch Abfchriften griechifcher und lateinifcher Klaſſiker zu verfchaffen. Unter der Aufficht des der lateinifchen, griechijchen, arabiichen und chaldäiſchen Sprache kundigen Raguſaners Yelir ivaren in der zweiten Hälfte feiner Regierung in Ofen breißig und auch in Florenz eine größere Zahl von Abjchreibern thätig, um die bandjchriftlichen Werke des Altertums zu Topieren, welche dann mit prachtvollen Initialen und Miniaturen aus- geftattet und koſtbar eingebunden und im fchön beforierten Bihliothefögebäude der Dfner Burg aufgeftellt wurden. Mit etnem Aufwande von jährlich 33000 Dukaten brachte Matthias eine Handjchriftenbibliothef zufammen, die mehrere taufend Bände zählte und fich, wenn auch nicht an innerem Werte, fo doch an Pracht und Umfang mit den berühmteften Bibliotheken jener Zeit mefjen fonnte und einen der italienischen Humaniſten, den Florentiner Naldus Naldius, fogar zu einem weitläufigen Bobgebicht begeiftert bat 2).

1) Wertvolle Beiträge zur Charakteriftit des K. Matthias findet man in ber Schrift: De egregie, sapienter et iocose dictis et factis Mat- thiae I. regis von Galeotto Marzio, einem biefer Lobrebner, ap. Schwandtner, R. Hung. SS. I, 534—565. Eine weitläufige Cha⸗ rakterſchilderung auch ap. Bonfinius, Dec. IV, lib. 4. 7 u. 8, und non Neueren bei Mailath, Gef. der Magyaren (2. Aufl.) II, 256 bis 274, dem es freilich an Kritik fehlt, und Teleki V, 508—530.

2) Abel Eugen, Die Bibliothek des Königs Mathias Corvinns, in

der Wiſſenſchaften und Künfte. 205

Da fowohl die 1367 von Ludwig I. gegründete Univerfität Tünffirchen wie eine jpäter vom Könige Sigmund in Ofen er- richtete Hochichule nach kurzer Zeit wieder eingegangen waren, erwirkte ſich Matthias wahrfcheinlich auf Betreiben bes Johann Bitez und Janus Pannonius vom Papfte Paul IL. 1465 neuerdings bie Erlaubnis zur Errichtung einer Univerfität, bie 1467 in Presburg eröffnet wurde. Vitez gewann für diefelbe mehrere hervorragende Profeſſoren wie den berühmten Aſtronomen und Mathematifer Müller von Königsberg (Regiomantanus). Auch einzelne Profejjoren der Wiener Univerfität erbielten dort Urlaub, um in Presburg Vorlefungen zu halten. ‘Doch Scheint dieſe Untverfität nach wenigen Jahren wieder eingegangen zu fein, da der König Matthias eine Hochichule in feiner Haupt- ftabt Ofen errichtete. Der frühzeitige Tod ihres Grünberg machte freilich auch Diefer Univerfität bald ein Ende‘).

Reben den Wiſſenſchaften förderte Matthias befonders bie Architektur und Kunft. Die früheren Refivenzichlöffer in Ofen und Biffegrad wurden von ihm volljtändig umgebaut, in ber luxuriöſeſten Weife -ausgeftattet und mit Gemälden und plaftiichen Kunſtwerken geſchmückt.

Dabei ſuchte er das Land auch in materieller Beziehung zu heben und berief zu dieſem Zwecke aus Italien Männer, die eines rationelleren Feldbaues, der Käſebereitung, der Gärtnerei

„Literar. Berichte aus Ungarn“ II, 56 ff. (mit Unterſuchungen über bie noch erhaltenen Hl. aus der Corviniana).

1) Abel, Egyetemeink a Közepkorban, Budapest 1881, in beutjchem Auszuge: „Ungarifhe Univerfitäten im Mittelalter”, in ber „Ungar. Revue” 1881, S. 496—514, der aber bie Presburger Univerfität erſt nach dem Tode des K. Matthias eingehen läßt und ba® „universale gymnasium‘“ in Ofen nicht für eine eigentliche Hochſchule, fondern nur für ein theologifeh- philofophifches Fachſtudium hält. Daß bie Nachricht des um 1585 ſchreibenden Heltat, K. Matthias habe ein für die Unter- Bringung von 40000 Studenten und ihrer Profefloren beſtimmtes riefiges Gebäude begonnen, auf einer falfchen Deutung ber Überrefte bes alten römiſchen Standfagers berube, zeigt Fr. Salamon in „Budapesti Szemle“ XLIII (1885), 321sgqg. Über bie älteren ungarifchen Uni- verfitäten f. auch Denifle, Die Univerfitäten des Mittelalters I, 413 ff.

296 Schaffung eines ſiehenden Heeres.

kundig waren, um bie Renntuis biefer Zweige auch in Ungarn zu verbreiten.

Bor allem aber. tagte Matthias als Kriegsmann hervor. Ein geübter Reiter und gewandter Fechter, allen Strapazen ſich unterziehend, war er bei den Soldaten, die er alle beim Kamen zu nennen wußte, ſehr beliebt. ALS Beiſpiel ſeines Mutes erzählte man fich, daß er bet der Belagerung ber Feſtung Sabacz in einem Nahen im Angefichte der Feinde den geeignetiten Angriffspunft zu entdecken gefucht, das er ein anderesmal als Bauer verkleidet das türkiſche Lager ausgekund⸗ Schaftet Babe. Er ſchuf auch, und zwar zunächſt hauptſächlich aus den Trümmern der Scharen Giskras und der Brüder- rotten, ein ftebendes Heer, das Anfangs allerdings nur Hein war !), aber fpäter in Beziehung anf Zahl wie auf taktiſche Ausbildung alle andern im Abendlanbe übertraf. So brüdenb aber auch die baburch notwendig werdenden Steuern waren und fo fehr namentlih die Großen über die ewigen Sriege und das bei aller Einhaltung der konſtitutionellen Formen oft gewaltthätige Auftreten des Königs nrurrten, jo war er bach bei den unteren Bolfsklafjen wegen feiner ftrengen Gerechtig- teitöliebe und feiner Sorge für die Ruhe im Innern ſehr be⸗ liebt 2).

. Bet allen feinen glänzenden Eigenſchaften hat aber Matthias ſeinem Lande weniger genützt, als man erwarten ſollte, und zwar war die Haupturſache davon ſeine verkehrte auswärtige Politik.

Die Intereſſen Ungarns hätten ihn nach Süden gewieſen, mo es galt, gegen die Türken, welche das Abendland, in erfter inte aber Ungarn, mit Überflutung bevroßten, fefte Dämme aufzuführen.

1) Nach einem leider nur fummarifch bekannten Berichte bes vene- tianiſchen Gefandten vom Dezember. 1463 in Mon. Hung. Mätyäs k. koraböl I, 263. hatte der König damals 2000 Reiter und 5000 Fuß⸗ gänger zur Verfügung, zu denen noch 12.000 Keiter famen, melde die Prälaten und Barone ftellten.

2) Über die inneren Berfältuif unter Matthias f. Feßler⸗Klein IN, ieff.

Angriff der Türken auf die Walachei. 297

Es fehlte nicht an Mahnungen für Matthias, feine. ganze Kraft gegen dieſe gefährlichen Feinde zu wenden. Wie er Anfangs 1462 den Venetianern meldete, wurden durch bie Zürlen in ben brei vorhergehenden Jahren allein wenigftens 200000 Bewohner aus Ungarn hinweggeſchleppt 1).

Im November 1460 wurbe fein Oheim Szilägyi, der als „Bubernator von Siebenbürgen, Ban von Machow und General- kapitän von Niederungarn 3)" mit ber Verteidigung des Neiches gegen bie Türken beauftragt war, bei einem Streifzuge von diefen Öftlich von Semendria gefchlagen und nach der Nieder metzelnng des größten Teiles feiner Truppen gefangen und damn in Konftantinopel mit 28 feiner Soldaten enthauptet ®). Matthias, der damals noch vom Kaiſer Friedrich im Befitz feiner Herrichaft bedroht und durch ben Kampf gegen bie böhmiſchen Bruberrotten in Oberungarn in Anipruch genommen war, wendete den Borgängen im Süben feines Reiches nur geringe Aufmerkſamkeit zu.

Im Jahre 1461 entſchloß fich der walachiſche Wohwode Wlad, Sohn ded 1446 hingerichteten Drakul, einer ber grau- famften Würeriche, der den Woywoden Dan geftürzt Hatte, zum Abfalle von den Zürlen und zu einem Bilndniffe mit Ungarn. Den Verſuch des Sultans, ihn nah Konftantinopel zu loden ober fich feiner Berfon durch Überfall zu bemächtigen, beantwortete er mit einem Angriffe auf Bulgarien und mit der Pfählung taufender von Türken, die in feine Hände ge fallen waren. Als nun im Dat 1462 der Sultan felbjt mit einem ungeheueren Heere in bie Walachei -einfiel, brachte Wlad alle Weiher und Kinder wie ſämtliche Lebensmittel in die un- wegfamen Wälder und beichräntte fich auch felbft auf die Nieder- machung feindlicher Nachzügler und auf einzelne nächtliche An-

1) Mon. Hung. Mätyäs k. koräb6l I, 112.

2) Unter diefem Titel urkundet ee no am 6. Ottober 1460 in Sitlos. Teleki X, 640.

3) Ebendorffer, p. 920, der obigen Monat angiebt, Bonfinius, Dec. IV, lib. 1, ed. Poson. 1744, p: 425, zu ganz falfcher Zeit, und

über den Ort IV,4, p. 455. Bericht des venetianifchen Bailo in Ronfan- tinopel vom 5. Februar 1461 in Mon. Hung. I, 67.

210 Kämpfe des Königs Matthias in Bosnien.

Türken gefchloffen Hatte ?), wendete er fich mit dem noch fchlag- fertigen Teile feines Heeres nad Weiten, fiel in Bosnien ein, eroberte mit Unterjtügung des Sohnes des Herzogs Stephan Buleic, Wladiflam, und anderer Großer zahlreihe Burgen zu beiden Seiten bed Verbas und endlich nach einer fait brei- monatlichen Belagerung am Weibhnachtätage auch die ftarfe Feſtung Jaica. Erft im Ianuar, ald die Strenge des Winters bie Fortfegung des Krieges unmöglich machte, zog er ſich aus Bosnien zurück, um fich endlich zum Könige Frönen zu laſſen. Die Verwaltung des eroberten Teiles von Bosnien übertrug der König feinem bisherigen Schatmeifter Emerich von Zapolya 2).

Im Sommer 1464, wo auch der Papit Pius II. an der Spite eines chriftlichen Kreuzheeres zur See gegen die Türken ziehen wollte, fchidlte der Sultan 20000 Mann nad) Bosnien und folgte dann perfönlich mit weiteren Truppen nad. Über einen Monat ſetzte er ber Feſtung Jaica mit Geſchützen von ungeheuerer Größe und mit Minen hart zu und hatte bereits einen Teil der Mauer zu alle gebracht, als ihn die Nachricht von der Annäherung eines ungarifchen Heeres zum Abzuge von der tapfer verteidigten Stabt bewog ?). Hierauf drang Matthias im Oftober in das norböftliche Bosnien, die Landſchaft Uzora,

1) Theiner, Vet. Mon. Hung. II, 380. Am 8. September ur- fundete Matthias noch in Nandoralba (Belgrad), am 23. Juni vorher in Sutal. Teleki XI, 62. 76.

2) Uber feine Kriegsthaten im Jahre 1463 berichtet 8. Matthias feldft an den Papft d. b. in oppido Dombro regni Sclavonie 27. Jan. 1464 ap. Katona XIV, 624sg. E66sqg. Pal. die übrigen ibid. p. 619 bis 638 und 652—666 gefammelten Stellen, wie die Notizen im Bericht an die Stadt Frankfurt bei Sanffen, Reichscorreſp. II, 240 vom 25. Ian. 1464, und Mon. Hung. Mätyäs kir. koräböl I, 244, und Teleki III, 341—357, der fih nur zu viel auf Bonfinius verlaffen bat.

3) Na Bonfinius, Dec. III, lib. 1 (Schluß), ber fi übrigens auch Hier, befonders in chronologifher Beziehung, noch immer al8 um« zuverläffig erweift, führte Zapolya ungarifche Truppen berbei und ver- breitete fi nur das Gerücht von dem Anmarfche des Königs, nah dem unbdatierten Schreiben des Matthias ap. Katona XIV, 724 fcheint biefer felbft das Heer geführt zu haben, Die Zeit ergiebt fi aus Mon. Hung. l. ce. I, 286.

Einftellung der Offenfive vonfeite bes K. Matthias. 211

ein, erjtürmte die Feſtung Srebrenik, beſetzte das babet liegende Silberbergwert, deſſen Ertrag auf jährlich 24000 Dukaten ger Ihätt wurde, und belagerte dann die auf einem Berge gelegene Feſtung Zwornik an der Drina. Das jchlechte Wetter und die grumdlojen Wege machten aber endlich die Zufuhr von Lebensmitteln unmöglih. ‘Da auch ein Sturm von ber tapferen Beſatzung abgefchlagen wurde, jo ſah fich der König genötigt, nach ber Mitte des November die Belagerung aufzuheben und mit Zurüdlaffung eines Teiles des Belagerungsgefchüges ſich nach Ungarn zurüdzuziehen !).

Nah der Eroberung der norbweitlichen und norböftlichen Grenzgebiete Bosniens gab Matthias die Fortführung des Offenſivkrieges gegen bie Türken auf, obwohl ihn der Papft ununterbrochen dazu antrieb, und ſah fogar unthätig zu, wie die Hercegowina, deren Fürſt ihn um Unterftügung bat, 1466 großenteild in die Hände der Türken fiel 2).

Da die Übrigen Mächte Europas mit Ausnahme Venedigs, das fich ebenfalls nach Frieden fehnte, nicht zur Teilnahme am Kampfe gegen die Ungläubigen zu beivegen waren, fo war es für Ungarn in der That jchwer, jahrelang allein die Laſt des⸗ jelben zu tragen. Da das Landesaufgebot nicht verpflichtet war, über die Grenze zu ziehen, das ſtehende Heer aber damals noch jebr Hein war, jo mußte ein Eroberungäfrieg gegen die Türken bauptfächli mit Söldnern geführt werben, die fehr viel Geld koſteten *). Nun hatten allerdings die Karbinäle nach

1) ®gl. mit Bonfinius, Dec. IV, lib. 1 den interefianten Bericht bes Grafen Sigmund von Pöſing, d. d. Koczsse 15. Dezember 1464 bei Bahmann, Briefe und Acten, in F. R. Austr. XLIV, 591 und die Berichte au8 Venedig in Mon. Hung. 1. c. I, 297. 301. 306g.

2) Mon. Hung. 1. c. II, 5—7. 13. Bgl. 43. 47. 49,

3) Nach einem Berichte vom Jahre 1464 (nicht 1471) in Mon. Hung. I, 232 war ber gewöhnliche Sold der ungarifchen Reiter tm Lande felbft ober an beflen Grenze monatlih 3, jener der Fußgänger 2 Dulaten, während die Deutfchen, Polen und Böhmen einen höheren Sold und auch Erfa für alle Schäden (am Pferden u. f. mw.) forderten. Selbft für eim Heer von nur 10000 Mann bätte alfo der Sold 300000 Du⸗ taten im Jahr betragen, mehr als bie regelmäßigen Einkünfte des Königs

14 *

212 Beabfichtigter Aufſtand der Siehenblirger.

dem Tode des Papftes Pius IL. im Auguft 1464 das von diefem für den Kreuzzug gefammtelte Geld, 42500 Dukaten, bem ungarifchen Könige geſchickt, wozu auch Tpäter noch einige Heinere Sendungen bes Papftes Paul IL. und wieberholt einige taujend Dulaten vonfeite Venedigs Tamen !).. Aber dieſe Summen reichten zur Beftreitung ber Kriegskoſten bei weitem nicht aus; das meiſte mußte in Ungarn ſelbſt aufgebradt werben. Zur Vermehrung feiner Einkünfte fegte der König auf einem Neichstage in Ofen im März 1467 eine Steuer- reform durch, wonach der „Dreißigfte“, von dem fich ſehr viele Perfonen und Körperjchaften Befreiungen verichafft Batten, durch einen neuen Grenzzoll, den alle mit Ausnahme der Adeligen entrichten follten, erjett werven, und ebenſo an bie Stelle des bisherigen „Rammergewinns” eine nur andersbenannte, ber alle außer dem Abel und ber Geiftlichfeit belaftende Steuer in ber Höhe eines Fünfteldukatens von jedem Thore treten follte ?).

Ein zu fcharfes Anziehen der Steuerfchraube konnte aber ſehr gefährlich werden. Schon am 18. Auguft 1467 verbanden fih eine Anzahl von abeligen Sachſen und Szeklern Sieben- bürgens im Namen ihrer Stammtesgenofjen zum Schutze ihrer Treiheiten gegen die Unterdrüdungen bes Königs und wählten bie fiebenbürgiichen Woywoden, die Grafen Johann und Sig⸗ mund von St. Georgen und Pöſing und Berthold von Eller⸗ bad, und die von Matthias zu erblichen Grafen der Zip ernannten Emerich und Stephan von Zapolya zu ihren Leitern und Anführern, indem fie fich verpflichteten, auch gegen ben König zur Erreichung des angeführten Zieles einträchtig ein-

(ohne bie bireften Steuern, die vom Reichstage abhingen), da nach bem Bericht des päpftlichen Legaten in „SFortfegung d. Allgem. Welt⸗ biftorie”, 49. Teil II, 16, derjelbe vom Salz 80—100000 Dulaten, von ber Münze und ben Bergwerken 44—54000, von den Zöllen 82—100 000 und von ben Juden und bem Kupfer 80000 Dukaten, zufammen 236 000—284000 Dukaten einnahm.

1) Teleki XI, 124. Mon. Hung. 1. c. I, 291. 295. 311. 336. 343. 345.

2) Katona XV, 206sqq. Bgl. Teleki ILL, 506 ff.

Angriff des Königs Matthias auf die Moldau. 218

anber beizuftehen. Wenn fchon ber hervorragendſte Günftling bed Königs, Emerich Zapolya, zum Aufftande bereit war, fo mußte die Unzufriedenheit einen ſehr bebenklichen Grab er- zeicht Haben. In der That ſchloſſen fih bald auch andere, wie die Ungarn des Klaufenburger Comitates, der Bewegung an. Ehe aber viefelbe noch das ganze Land ergriffen und fich militäriſch genügend organifiert Hatte, erfchien der König in ber zweiten Hälfte des September unvermutet mit einen Deere . in Siebenbürgen und erregte unter den Aufſtändiſchen einen jolchen Schreden, daß biejelben durch raſche Unterwerfung fich zu retten ſuchten. Der König war Hug genug, gerabe die her⸗ vorragenbften Magnaten zu verjchonen und allen mit Aus ‚nahme der Haupträvelsführer Amneftie zu verfprechen, obwohl er fpäter ben Siebenbürgern eine Gelbftrafe von 400000 Gold⸗ gulden auflegte und einige binvichten ließ ?).

Auch der Woywode Stephan von der Moldau, der unter der Oberboheit Polens ftand, Toll die aufſtändiſchen Steben- bürger begünftigt haben und dies eine der Urjachen geweſen fein, weswegen Matthias noch Ende November mit einem Deere durch ben Ditos Paß in deffen Land einbradh, um ihm zu ftürgen und einen Prätendenten an deſſen Stelle zu feten. As er aber, alle DOrtjchaften nieberbrennend, Über Roman gegen Suczawa borbrang, wurde er am 15. Dezember ſüd⸗

1) Die wichtigfte Ouelle hierfür ift die von Firnhaber Im „Notizen- blatt der. Tai. Akad.” 1852, ©. 193 ff. mit Erläuterungen mitgeteilte Urk. vom 18. Auguſt 1467, aus ber ſich doch ergeben bärfte, daß bie Erzählung des Bonfinius, Dec. 4, lib. 1, wonach bie Siebenblrger den Grafen Johann von Pöfing fogar zum Könige ausgerufen hätten, ſchwerlich richtig ift, obwohl auch im Schreiben bes K. Matthias vom 17. Auguft bei Palady, Geſch. Böhmens IV,2, 445, N. 295, und in befien Urk. d. d. Thorda 3. Oft 1467 ap. Katona XV, 229 Johann als Haupt der Abgefallenen bezeichnet wird. In Berichten des mai— ländiſchen Gefandten in Venedig in Mon. Hung. 1. c. II, 67sq. und 918q. wird neben einigen Baronen, darunter uno chiamato Embrig (Emerih Zapolya) auch der (Erz) Biſchof non Ealocja, der kurz vorher auf Verwendung des K. Matthias die Karbinalgwürbe erhalten hatte, unter ben Rebellen genannt. Im allgemeinen f. Teleki III, 532 ff.

214 Berhälinis des ungarifchen Königs zu Georg von Böhmen.

weftlih von biefer Stadt in Banya (Baja) bei Nacht vom Woywoden überfallen und erlitt, wenn er auch ben Angriff nach Bartem Kampfe zurüdichlug, jo empfindliche Verlufte, daß er einen fchnellen Rüdzug antreten mußte !).

Bei der Erichöpfung Ungarns und der Unzufriedenheit vieler feiner Bewohner würde man dem Könige keinen Vorwurf machen fönnen, wenn er ben Krieg gegen die Türken eingeftellt und fih auf die Verteidigung befchräntt hätte, um dem Lande Zeit zur Erholung zu gönnen und erjt unter bejonders günjtigen Berhältniffen den Kampf wieder aufzunehmen. Allein Matthias dachte nicht daran, die Waffen ruhen zu laffen, nur wendete er fie nicht mehr gegen die Ungläubigen. Nicht die Verteidigung bes chriftlichen Glaubens und der abenbländifchen Kultur gegen die wilden Türken ſah er fortan als das würbigfte Ziel feiner Polttif an. Er begann vielmehr jekt Vergrößerungsplänen im Weſten nachzujagen, die auf bie Dauer doch nicht zu realifieren waren, während fte ihn hinderten, die Türken in nachhaltiger Weiſe zu befämpfen und fein Neich gegen die von Süden her drohenden Gefahren dauernd zu fchüten.

Seinem Schwiegervater Georg von Böhmen war er infolge der zweibeutigen Haltung, welche diefer feit 1459 eingenommen batte, längſt innerlich entfremdet. Als nun im Februar 1464 feine junge Gemahlin im Wochenbette ftarb ?2), war auch das äußere Band, das ihn mit demfelben verknüpft hatte, abgerijjen. Schon im Oktober 1465, wo der Papſt Paul IL fich zum Bruche mit Podiebrad entichloffen hatte, bot Matthias jenem feine Unterftügung an, „um die Zreulofigfeit der Gottlofen zu zermalnten” 3). Der Papft. hatte damals von dieſem An- erbieten feinen Gebrauch gemacht, weil dann die Tortfegung des Türkenkrieges unmöglich geivefen wäre. Als aber König Georg nicht bloß der katholiſchen Liga fich gewachſen zeigte,

1) Mit ben ungarifhen Darftellungen bei Thwrocz, lib. IV, cap. 66 unb Bonfinius, Dec. IV, lib. 1, p. 427, ift aud die pol- nifge bei Dlugosz, lib. XII, col. 416sqq. zu vergleichen.

2) Dlugosz XIII, 323.

8) Katona XV, 135.

Kriegserklärung des K. Matthias. 215

fondern auch ben Kaifer in Dfterreich bebrängte, und ber Papſt jonft nirgends Hilfe fand, da warfen alle ihr Auge auf ben König von Ungarn ’). Im Namen der Liga erſchien der Bifchof Protas von Olmütz bei demfelben, um ihn zum Einfchreiten zu bewegen, wobet er von den bifchöflichen Näten bes Matthias eifrig unterftügt wurde. Gleichzeitig fand fich ein päpftlicher Legat beim Könige ein. Auch der Kaifer, ber vom Prinzen Victorin in die Enge getrieben wurbe, brängte ben König Matthias zur Hilfeleiftung und foll ihm bafür ebenjo wie ber Papſt Hoffnung auf die Würde eines römiichen Königs gemacht baben 2). Sie begegneten damit übrigens nur den Wünjchen bes ungarifchen Königs, ver fchon feit dem Herbite 1466 in feinen biplomatifchen Noten einen ehr gereizten Ton gegen Böhmen angeichlagen batte 3), als hätte er abfichtlich einen Bruch herbeiführen wollen. Obwohl die Unterhandlungen, welche die Türken jeit mehreren Iahren mit Ungarn und Venedig über den Abichluß eines Friedens oder längeren Waffenftill ftandes führten, bisher noch immer feinen Erfolg gehabt hatten und überhaupt vonfeite der Pforte nicht jehr ernjtlich gemeint gewejen zu fein fcheinen *), To Tieß fich Matthias doch zum Angriffe auf Podiebrad bewegen, indem er mit Sicherheit er⸗ wartete, daß der Sieg ihm die böhmiſche Königsfrone bringen würde Am 31. März 1468 erklärte er als Bundesgenoſſe des Kaiſers und Beſchützer der böhmischen Katholiken dem Georg von Podiebrad ben Krieg und rüdte unmittelbar darauf

1) Über ben folgenden Krieg zwifchen K. Matthias und Georg von Podiebrad bis zum Tobe des Tetteren bat Palady IV,2, 500—664 eingehend und auf Grund forgfältiger Forſchung gehandelt, der einen Teil ber benutten Alten fpäter in feinen „Urkundlichen Beiträgen“ (F. R. Austr. XX, 523 qq.) veröffentlicht hat. Über die Haltung Polens fiehe Caro V,1, 294—336.

2) So nad) einer 1469 von Matthias an K. Georg, von biefem an Aldreht von Brandenburg gemachten Mitteilung. Palady, Urkundl. Beiträge, S. 568.

3) Teleki XI, 164 ff.

4) Notizen darüber feit 1465 in Mon. Hung. I, 351; I, 71. 75. 79. 81.

216 Anfängliche Erfolge des K. Matthias.

durch Hfterreich, wo er ſich mit den Truppen des Kaiſers unter Grafenecker vereinigte, gegen Znaim vor.

Das Heer des Matthias war nicht ſehr groß, indem es nur aus etwa 11000 Reiſigen, darunter viele böhmiſche und polniſche Söldner, und mehreren tauſend Fußgängern beſtand. Aber es war kampfgeübt und mit großen und kleinen Geſchützen und Kriegswagen auf das beſte ausgerüſtet. König Georg, durch ben Aufitand eines großen Teiles feiner Unterthanen gelähmt, vermochte denn auch bald ihm. nicht mehr zu. wider» ftehen. Langſam, aber unaufhaltiam machte Matthias Fort⸗ ſchritte. Bis zum Oktober hatte er nach mehreren fiegreichen Treffen ganz Mähren bis auf ven Spielberg bei Brünn, bie Stadt Ungarisch Hradiſch und einige Kleinere Punkte, in ſeine Gewalt gebracht. Auch die legten feiten Pläte, welche Georg in Schlefien und der Laufig noch behauptet hatte, mit Aus nahme von Troppau, waren zur Übergabe gezwungen worben. In Böhmen felbit hatten fich Johann von NRofenberg und bie Stadt Budweis ber Fatholifchen Liga angeſchloſſen.

Nachdem die ungarischen Stände im Herbfte eine außer- orventliche Kriegsſteuer bewilligt hatten !), nahm Matthias nach Neujahr 1469 den Krieg mit verftärkten Kräften auf. Am 12. Februar überlieferte die Beſatzung des Spielbergs, vom Hunger bezwungen, bie tapfer verteidigte Feſtung. Schon. am folgenden Zage trat Matthias mit feinem Deere den Zug nad Böhmen felbft an, in der Abficht, zunächſt das reiche Bergwerk bei Kuttenberg wegzunehmen, deſſen Erträgnid damals, vielleicht allerdings übertrieben, wöchentlich auf 2600 Mark oder 13000 böhmifche Gulden geichätt wurde). Im größter Eile rückte ex vor, ohne fich mit der Belagerung der Städte Leitomiſchl, Hohenmauth und Chrudim aufzuhalten. Da aber König Georg ihn bei Caslau mit einem Heere erwartete, das an Neiterei zwar jchwächer, aber an Fußvolk dem feinigen bebeutend über- legen war, jo ſchwenkte er nach Süden ab, vielleicht um fich

1) Katona XV, 858. 2) Palacky IV,2, 528.

Der Vertrag von Wilimom. 217

nach: Iglau zurückzuziehen. Plötzlich ſah er fich zwiſchen ben mit tiefem Schnee bedeckten Höhen bei Wilimow von den Döhmen auf allen Seiten eingeſchloſſen, die Ausgänge durch Berhaue verfperrt. Nur durch einen Trieben glaubte er fich noch retten zu fönnen. Er machte daher jenem ehemaligen Schwiegervater Trievensanträge und jchloß mit demſelben bei einer Zuſammenkunft unter vier Augen (um ben 27. Yebruar) ein gebeimes Ablommen. Matthias verſprach „mit Hanbichlag, Wort und Ehre”, beim Papfte es durchzufeken, daß Georg und die Böhmen ben Gebrauch der Kommunion unter beiven Ge italten. beibehalten dürften. Er teilte zugleich dent böhmiſchen Könige die ihm vom Papfte und vom Kaiſer bezüglich der rönriichen Königskrone gemachten Verfprechungen mit und bat ihn auch um feine Stimme, wogegen er ihm die eroberten Städte und Schlöffer wieder zurüditellen wollte Vorläufig wurde bis zum 3. April ein Waffenftillitand geichloffen, während deſſen beide Könige mit ihren Räten in Olmütz zufammen- kommen follten, um einen definitiven Frieden zuftanbe zu bringen. Die Nachricht von diefen Vorfällen rief bei den Gegnern des böhmiſchen Königs einen ungeheueren Schreden hervor. Der päpftliche Legat Lorenz Rovarella, Biſchof von Ferrara, der eben auf einem Weichstage in Regensburg vergeblich einen Kriegszug gegen bie böhmischen Ketzer durchzufegen bemüht ge weien war, eilte perjönlich nah Olmütz, um eine Ausjöhnung bes Königs von Ungarn mit Podiebrad zu bintertreiben. Auch die Bilhöfe Rudolf von Breslau und Protas von Olmütz, Zdenko von Sternberg und jeine Freunde wie Abgeoronete ber "Breslauer und anderer Städte fanden fih in Olmütz ein, während Georg in Sternberg blieb. Die Unterhandlungen begannen aber erjt am 7. April, weswegen man den Waffen⸗ ſtillſtand verlängert batte. Der päpftliche Legat ftelite jo übertriebene Forderungen, daß Georg unmöglich darauf eingehen fonnte. Dieſer jollte mit feinen Hausgenofjen zum fatholiichen Glauben übertreten, den Erz feger Rokycana ausliefern, den König Matthiad zu feinem Sohne annehmen und ihm jchon jegt von allen jeinen Unter-

® 218 Wahl des Matthias zum Könige von Böhmen.

thanen den Treueid ſchwören laſſen. Matthias follte alles be» - halten dürfen, was er inne babe, und auch ben Erzbiſchof von Prag und alle Geiſtlichen einfeken, um die Ketzerei auszutilgen. Die Mitglieder der Tatholifchen Liga befchloffen ſchon am 12. April die Wahl des Matthias zum Könige von Böhmen, um ibn feiter an fich zu ketten. Ste kamen damit übrigens offenbar nur einen geheimen Wunſche desfelben entgegen, ba jeine Bertrauten den Ligijten dazu geraten hatten. Denn für Matthias war die Krone Böhmens befonders deswegen von Wert, weil er durch ven Beſitz derjelben deutſcher Neichsfürft wurde und als folcher mehr Ausfiht hatte, das letzte Ziel feiner Wünſche, die römische Königskrone, zu erreichen. Wenn er troß» dem mit der Annahme der Wahl zum Könige von Böhmen zögerte, fo geichah es nur, um von ven päpitlichen Legaten ein bindendes Verſprechen zu erhalten, daß fie ihm von Deutſch⸗ land 12000 Mann Hilfstruppen, oder, was ihm noch Tieber gewejen wäre, woher immer 200 000 Goldgulden Subfidien verichaffen würden.

So mußten die Unterbandlungen mit Georg notwenbig er- folglo8 bleiben, und es war bloßes Gaufelipiel, wenn fie bis zum 1. Dat fortgefegt wurden. Es wurde zwar noch eine weitere Verlängerung des Waffenftiliftandes bis Neujahr be- ſchloſſen. Aber Matthias gab zu, daß er am 3. Mat feierlich zum Könige von Böhmen gewählt wurde, und ließ fich dann in Mähren, Schlefien und bon den Saufigern die Hulbigung leiften.

Die Annahme der böhmischen Krone durch Matthias zeigte endlich dem Könige Georg, daß biplomatifche Mittel ihm feine Rettung zu bringen vermöchten, und rief ihn zu feiner früheren Thatkraft zurüd. Zugleich entjchloß er fich, um den Beiſtand Polens zu gewinnen, vom böhmifchen Landtage mit Umgehung feiner eigenen Söhne den Prinzen Wlabiflam, älteften Sohn des Königs Rafimir, zu feinem Nachfolger wählen zu laſſen, unter ber Bedingung, baß berjelbe ſich mit feiner Tochter Ludmilla vermähle umd feine Söhne im Befige ihrer Herr- Ihaften laſſe. Bei den rechigläubigen Polen erregte freilich der

Wiederausbruch des Krieges. 219

Gedanke an die Heirat des Prinzen mit einer Keberin großes Entjegen, und Kaſimir jchob auch jett eine Entſcheidung hinaus.

Da Georg fih num auch durch den in Olmütz gefchloffenen Waffenſtillſtand nicht mehr für gebunden bielt, jo begann er Anfangs Juli 1469 auf allen Seiten ven Krieg und führte benfelben um jo glüdlicher, als Matthias den größeren Tell feiner Truppen entlaffen hatte. Zwar fiel der unbefonnene, hitzige Prinz Victorin ſchon am 27. Juli bei Weflely an ver March in die Hände der Ungarn. Aber in Böhmen wurben die Mitglieder der Liga hart bebrängt, fo daß viele, wie bie Haſenburg, Roſenberg, Schwamberg u. f. w. fih durch Neutralitätsverträge zu retten fuchten. Die Oberlaufig und Schlefien, wo nur Breslau noch immer großen Eifer für den Krieg an den Tag legte, wurden von Böhmen her verwüſtet oder gebrandichagt. In Mähren ward Ende Dftober das auf allen Seiten mit Bafteien eingejchloffene Hradiſch vom Prinzen Heinrich entjegt, die Ungarn unter perjönlicher Anführung des Matthias in die Flucht getrieben. Selbft die Breslauer jehnten fih endlich nach Frieden, und ihr Biſchof, der päpftliche Legat Rudolf, Iprach fein Bedauern aus, daß der Papft im vieler Sache jchlecht unterrichtet worden fei, und daß man dieſen Krieg angefangen babe, deſſen Urheber ihre Seele mit jchwerer Sünde belajtet hätten. Auch der Kaifer, gegen den Georg von Böhmen den Herzog Karl von Burgund auf den deutichen Thron zu bringen fuchte, zeigte feine Luft mehr, dem ungarifchen Könige zum Befite von Böhmen zu verhelfen, da er diefen in Verdacht batte, daß er feine Unterthanen gegen ihn unterjtüge, und er durch deſſen Übermacht am meiften felbft bevroht worden wäre.

Im Jahre 1470 wurde der Krieg mit neuem Eifer auf genommen, nachdem Matthias es durchgeſetzt Hatte, Daß ber ungarifche Reichstag ihm von jebem Thore einen Dukaten, das Fünffache der gewöhnlichen Steuer, bewilligt hatte 1), während in Böhmen zur DVerteivigung des Reiches eine Landwehr ein- geführt worden war. Doch auch in biefem Jahre, wo wieder

1) Katona XIV, 418.

220 Tod des Königs Georg.

das unglückliche Möhren den gewöhnlichen Kriegsſchauplatz bildete, erfolgte Feine Entſcheidung. In einzelnen Xreffen waren die Ungarn überlegen. Aber ein verheerender Einfall in Böhmen, ben Matthias Ende Auguft über Hohenmauth Bis Caslau unter- nahm, endete mit einem rvafchen Rückzuge, als ein böhmiſches Heer unter Anführung der Königin Johanna herbeieilte. Am Ende des Jahres war der ungarifche König ebenfo weit von ver Eroberung des ganzen böhmifchen Reiches entfernt wie am Anfang. Die Unzufriedenheit feiner Anhänger wurde immer größer. Die Breslauer, deren Handelsverkehr gelähmt war, Schalten und fluchten über die Geiftlichen ; die ſchleſiſchen Fürſten waren jeden Augenblid zum Abfalle von Matthias bereit. Selbft unter den Ungarn griff die Unzufriedenheit über die Politik ihres Königs immer weiter um ſich.

Da Matthias auch einen Bruch mit dem Kaiſer fürchten mußte, fo machte er Anfangs 1471 feinem Gegner Frievens- anträge. Danach follte Georg bis zu feinem Tode die Re- gierung in Böhmen behalten, aber von Matthias beerbt werden. Dafür wollte diefer den Prinzen Victorin zum Türften von Schlefien oder Mähren machen und zugeben, baß biefer ober einer feiner Brüder ihm auf dem böhmiſchen Thron folge, wenn er jelbjt feinen Sohn hinterließe. Sogar der Papft, bei dem namentlich der König von Polen und die Herzoge von Sachſen fih fir Georg verwendeten, zeigte fich geneigt, über Die böhmifche Frage neue Verhandlungen einzuleiten.

Aber gerade als die Ausfichten für Georg fih auf allen Seiten günftiger geftalteten, ftarb berfelbe am 22. März 1471

an der Wafjerfucht, nachdem genau einen Monat früher Roky⸗ cana, der erjte und einzige erwählte utraquiftiiche Erzbiſchof, aus dem Leben geſchieden war.

Was Georg, dem als Politifer bei aller feiner Schlaubeit die Nüchternbeit, die klare Berechnung feiner Machtmittel und ber Tendenzen der übrigen Fürſten fehlte, auf dem Gipfel ſeines Glückes angeftrebt hatte, Yöhmen zu einer ber erften Mächte, fih zum Mittelpunfte des europätichen Staatenſyſtems

„zu machen, das hatte er freilich nicht erreicht. Sein Können

Wahl Wiabiflams von Polen zum böhmifchen Könige. 221

hatte dem phantaftifchen Wollen “nicht entjprochen. Aber ber größte Theil des böhmischen Volles bewahrte ihm mit Recht ein dankbares Andenken, da er e8 vor der Überflutung durch bestegierige oder fanatifche Kriegerjcharen und vor einer gewalt- ſamen, nicht ohne furchtbare Greuel durchführbaren Vernich⸗ tung feines Glaubens bewahrt und feine Selbftänbigfeit, wenn auch. nicht feine Integrität, gerettet bat. Daß er aus bem Leben abberufen wurbe, ehe er biefe Güter dauernd zu fichern vermochte, war das größte Unglüd, das Böhmen unter ven damaligen Verhältniſſen treffen konnte.

Die Böhmen nahmen jetzt auf ihren vor zwei Jahren ge⸗ faßten Beſchluß, den Prinzen Wladiſlaw von Polen als Nach- folger Georgs anzuerkennen, Teine Rückſicht, ſondern fahen den Thron als erledigt an. Georgs Söhne, von denen übrigens Victorin noch als Gefangener in Ungarn lebte, fcheinen die Krone felbft nicht gewünfcht zu Haben, die fie kaum zu be haupten imftande geweſen wären. ‘Der Herzog Albrecht von Sachſen, George Schwiegerjohn, Hatte unter den Adeligen ber anftoßenden böhmiſchen Gebiete manche Anhänger, vermochte aber doch nicht durchzudringen. AZugunften des Königs Mat—⸗ thias warfen die Anhänglichkeit der katholiſchen Liga und ber Beſitz des größten Teiles von Mähren, Schlefien und ber Zaufig ein bebeutended Gewicht in die Wagichale. Tür ihn wirkte auch Prinz Vistorin, den er während des Aufenthaltes desſelben in Ungarn burch Verjprechungen ganz für fich ge- wonnen hatte. Dan nahm denn auch auf die ungarilche Partei foweit Rüdficht, daß der Wahllandtag nicht In Prag, fondern in Kuttenberg abgehalten wurde, wo außer den An- bängern des Matthias auch der Biſchof Johann Bedenflaher von Erlau und ber fiebenbürgische Woywode Nikolaus Cfupor als deſſen Gejandte fich einfanden. Aber bei ben meiften Utra- quiiten war Matthias, der bisher ihr Kartnädigfter und ges führlichiter Feind gewejen war, zu verbaßt, ald daß fte fich zur Unterwerfung unter deſſen Herrichaft hätten entichließen Lönnen. Der Landtag wählte am 27. Mai ven fünfzehnjährigen Prinzen Wlabillam von Polen, da nicht bloß bie nationale

222 Unzufriedenheit ber Ungarn mit Matthias.

Verwandtſchaft für diefen Tprach, ſondern deſſen Vater auch die Unterftügung Böhmens mit feiner ganzen Macht und feine fräftige Verwendung für bie Anerkennung der Kompaktaten durch den Papft in Ausficht ftellte.e Am 22. Auguft wurbe Wlabiflam durch einen polnifhen Biſchof in Prag gekrönt, nachdem er die Aufrechtbaltung der Kompaltaten und ber Frei beiten Böhmens gelobt hatte.

Natürlich dachte Matthias nicht Daran, zugunften des neuen Königs auf feine Anſprüche zu verzichten, nachdem er für ben böhmischen Krieg bereit8 mehr ald 2000000 Dukaten aufge wendet hatte. Der päpftliche Legat Rovarella mußte ihn jekt im Namen des Papites als König von Böhmen beftätigen. Doch ftanden die Ausfichten anfangs für ihn nicht ſehr günftig. Manche frühere Gegner des Feterifchen Georg, namentlich faft alle oberjchlefiichen Zürften, ſchloſſen fich dem Fatholifchen Wla⸗ biflam an). Matthias erbot fich daher im Sommer 1471, wenn feiner Krönung zum böhmiſchen Könige Teine Schwierig. feiten bereitet würden, den Prinzen Wladiflaw an Sohnes Statt anzunehmen und al8 Nachfolger anzuerkennen und auch jelbft eine Tochter des polnifchen Königs zur Ehe zu nehmen. Kaſimir wies aber biefe Anträge zurüd, da Matthias um diefe Zeit in Gefahr war, nicht bloß Böhmen, fondern auch bie Krone von Ungarn zu verlieren.

Die Ungarn wurden immer unzufrievener mit der Politik ihres Königs und mit deſſen Kriegen gegen Böhmen, welche ungeheure Summen verichlangen und das Neich wehrlos gegen Süden machten. Schon im TFrühlommer 1469 Hatte der Woywode Stephan von der Moldau einen Naubzug nad Siebenbürgen unternommen und bald darauf neuerdings zu dem⸗ felben Zwecke ein Heer dorthin geſchickt?). Die Türken machten von Bosnien und der Hercegomwina ber feit 1467 jedes Jahr Einfälle in die angrenzenden ungariihen und venetianiichen

1) Über die Ereigniffe in Böhmen feit dem Tode des K. Georg ſiehe Palacky V,1, 3—52. Bgl. Caro V,1, 336—350. 2) Dlugosz XIII, 445. 447.

Einfälle der Türken. 223

Gebiete, gegen Sebenico und Zara ober gegen Korbavien und Zengg, wobei nicht bloß das Land vermwültet, fondern auch bie Bewohner weggeichleppt wurden). Im Jahre 1469 fand fogar ein dreimaliger Einbruch der türfifchen Nenner ftatt. Ende März oder Anfangs April wurde das Gebiet der Grafen von Korbavien und Zengg ausgeplündert 2), Im Mat drang ein größerer Heerhaufen, der auf 10000 Mann gefchätt warb, burch Kroatien über die Kulpa bis Krain vor. Vom Pfingit- fonntage (21. Mai) an, wo bie Türken bei Möttling erfchienen, verwüfteten fie zwei Wochen lang das Land bis unter die Mauern von Laibah. Die Kirchen und Wohnungen mwurben ansgeplündert und verbrannt, Kinder und alte Leute in Stüde gehauen oder aufgeipießt, die Erwachlenen in bie Sklaverei geführt. Erit als in Krain, wo von jedem Haufe ein Mann geftellt werden follte, ein Heer fich fammelte und die Kroaten ihnen den Rückzug abzujchneiven drobten, zogen fie fich mit Zaufenden von ©efangenen nach Bosnien zurüd®). Ende September kam wieder eine Schar in die Nähe, von Agram und wurde nur Durch die bochangejchwollene Save am Überfchreiten derſelben gehindert, währen fie am rechten Ufer bis Gurkfeld ftreifte. Der Abel von Südungarn, ver fie verfolgte, erlitt eine Niederlage *), Auch im Oftober 1470

1) Darüber nur furze Notizen in Mon. Hung. Matyas kir. koraböl II, 67. 68. 75. 87. 90 (letzteres wohl auch von 1468).

2) Ibid. p. 101.

3) Berichte aus Venedig ibid. p. 117. 122.127. Unresti Chron. Austr. ap. Hahn, Collectio I, 562. Unreft war damals Pfarrer zu St. Martin am Techelsberge nörblid vom Wörther See. ©. über fein Bert Krones im „Archiv f. öſterr. Geſch.“ XLVII, 421ff.

4) Bericht eines Egerer Gefanbten aus Wien vom 23. November in F. R. Austr. Dipl. XLII, 482. Unreft, ©. 564. Urf. der Bürger von Agram vom 3. Oftober ap. Katona XV, 406, wonach biefer Ein- fall his diebus, videlicet post festum s. Michaelis arch. proxime prae- teritum ftattfand. Dlugosz XII, 454 läßt ein ungeheures Heer der Türken, als ſchon Schnee und Eis war, 518 in die Gegend von Cilli borbringen, mas bie neueren SHiftorifer mit Unreht auf den im Mai unternommenen Einfall beziehen.

224 Wirkung biefer Raubzüge auf bie Stimmung ber Ungarn.

wurden Siebenbürgen und Kroatien ausgeplünbert und ver- beert und dann noch einmal um Weihnachten die ungariſchen Grenzgebiete beimgejucht )y. Im Jahre 1471 erbauten bie Zürlen zwiichen Belgrad und dem ungarifchen Zeile von Bos⸗ nien, um einen gefchügten Punkt zur Überfchreitung ver Save zu gewinnen, bie Feſtung Sabacz, welche die Ungarn vergebens zu erobern oder zu zerftören verjuchten 2). Zugleich begannen diefelben wieder ihre Raubzüge. Nachdem Ifabeg, Statthalter von Bosnien, Anfangs Mai das Gebiet bis unter die Mauern von Spalato, Sebenico und Zara ausgeplündert hatte, drang er mit einem Reitercorps Anfangs Juni unvermutet Durch Kroatien bis Laibach und Krainburg vor, überjchritt dann auch die obere Save, wobei die Türken durch das Sannthal bis vor Cilli famen, und zog erft beim Anmarjche eines kärnt⸗ nerifchen Hilfscorp8 nach Bosnien zurüd. Auf 30000 wurden die Menſchen gejchätt, welche getötet oder in die Sklaverei ge führt wurden. Im Auguft drangen die Türken wieder bis in bie Gegend von Agram, im November über den Karft bis in bie Nähe von Görz vor ?).

Darf man fih da wundern, wenn jelbit patriotiſch geſinnte Ungarn es mißbilligten, daß Matthias auch nach dem Tode Georgs von Podiebrad den Kampf um die böhmiſche Krone noch fortſetzte, während nach der Wahl des Prinzen Wladiſlaw, ber auch auf die Hilfe Polens rechnen konnte, ein Erfolg immer

1) Dlugoszl. c. 461.

2) Bonfinii Dec. IV, l. 2, p. 440.

3) Alle drei Einfälle, vom Juni, Auguft und November, verzeihnet Un⸗ teft, S. 574, ven erften wie den Einbruch in Dalmatien auch der mai- ländifhe Gefandte Gerard de Collis in Berichten aus VBenebig vom 13. Mai, 14. und 18. Juni in Mon. Hung. 1. c. II, 219. 224. Dlu- gosz XIII, 4768q. erwähnt auch alle drei, teilt aber zugleich den erften in drei, wobei das erfte- und zweite Mal je 20000, das dritte Mal 80000 Menſchen weggeführt worden wären und bie Türken das erfte Mal 3 Monate Krain verwüftet hätten. Gegen Ilwof, Die Einfälle ber Osmanen in die Steiermark in „Mittheil. d. Hifl. Ver. f. Steiermark“ X, 222ff. glaube ich mich hauptſächlich an ben in ber Nähe Lebenden Unreſt halten zu follen.

Berufung bes polniſchen Prinzen Kaftmir durch die Ungarn. 225

unwahrjcheinlicher wurde? wenn fie glaubten, Ungarn folle mit den Nachbarn im Weiten und Norden fih ausfühnen und feine ganzen Kräfte auf den Schug bed Reiches gegen bie furchtbaren Feinde der Chriftenheit wenden? Da aber nicht zu erwarten war, daß der eigenfinnige Hunyady fich zur Auf gebung feiner Pläne entichließen würbe, jo follte er gejtürzt und an feiner Stelle der zweite Sohn des polnischen Königs, der junge Prinz Kaſimir, auf den ungarifchen Thron erhoben werden. Bon 75 Komitaten jollen nach der Angabe eines Bewunderers de Matthias nur 9, von ſämtlichen Prälaten nur der Erzbiſchof Gabriel von Calocſa, von den herporragen- deren Magnaten nur der Palatin Michael Orizagh dem Könige unwandelbar treu geblieben fein. Das Haupt der Unzufriedenen war der Graner Erzbiichof Johann Vitéz, der nicht bloß e8 mißbilligte, daß der König zum Zwecke des böhmifchen Krieges auch die hohe Geiftlichfeit beftenerte, fondern fich perjönlich ges kränkt fühlte, weil verjelbe ihm ven Zehnten des reichen Er. trägniffes der Münze und andere Einkünfte vorenthielt und ihm feinen neuen Günftling, den Erlauer Biſchof Idhann Dedenjlaber ), einen Breslauer von niedriger Herkunft, vor- zuziehen begann. Außer ihm werben fein Neffe Johann von Cſezmicze, Biſchof von Fünfficchen, der Bilchof von Agram und Neinold Rozgonyi als Häupter der Verſchwörung genannt. König Kafimir von Polen war zwar perjönlih von über- großem Ergeize wie von Thatendrang frei. Aber die Ausficht, daß feine Söhne wie in Polen und Böhmen, fo auch in Ungarn berrichen jollten, war doch zu verlodend, al8 daß er nicht endlich auf die Anträge der ungarifchen Unzufriedenen hätte eingehen jollen. Auch hatte er das Erbrecht feiner Gemahlin, ber Schweiter Ladislaus des Nachgebornen, auf die Länder besjelben immer feftgehalten. Auf das Drängen des Erz biichof8 von Gran, des Bilhofs von Fünffirchen und bes Reinold Rozgonyi ſendete er Anfangs Dftober 1471 feinen

1) So, d. h. Beckenſchlager, nicht Bedenfloer, wie er Immer genannt wird, ſchreibt Efhenloer, fein Landsmann, den Namen. Huber, Geſchichte Öfterreihs. IL. 15

226 Kafimirs erfolglofer Einfall in Ungarn.

Sohn Kafimir mit 12 000 Mann nad Ungarn, wohin auch bie Truppen, welche Wladillam zur Krönung nach Prag be» gleitet hatten, marjchieren follten. In dem am 20. September erlaffenen Manifeſt, das der Graner Erzbifchof verfaßt haben joll, trat Kaſimir als Erbe diefes Reiches auf und machte dem Matthias feine Ufurpation, die Preisgebung des Landes an die Türken und die Unterbrüdung feiner Bewohner zum Vorwurfe. |

Allein Matthias batte durch Graner Domperren früh genug von den Plänen feiner Gegner Nachricht erhalten. Noch im Juli eilte er mit genügender Bedeckung aus Mähren nach Ofen. Hier konzentrierte er alle verfügbaren Truppen und berief dann auf den September einen Reichstag dahin, indem er fich ftellte, al8 wenn er gegen niemanven einen bejtimmten Verdacht hegte. Er verſtand es, die Verſchworenen teild durch politifche Konzeljionen oder perjönliche Gunftbezeugungen und Verſprechungen zu gewinnen (Ujlafy warb Zitular-König von Bosnien), teil durch fein fichered Auftreten einzufchüchtern und fo die Oppofition im Keime zu erftiden.

Als der Prinz Kafımir nach längerem Zögern endlih An⸗ fangs November über Kaſchau und Erlau gegen Pejt vordrang, war in Ungarn bereits ein volljtändiger Umfchwung eingetreten. Faft feiner der Großen ſchloß fih ihm an. Er mußte in Hatvan Halt machen und fih dann in norbweitlicher Richtung nach Oberungarn zurüdzieben, wo ihm auf Befehl des Graner Erzbifchofs, der auch Verwejer des Bistums Neitra war, dieſe Stadt mit der Burg die Thore öffnete. Er wäre vielleicht jelbft in die Hände feines Gegners gefallen, wenn nicht Dlat« thing aus Mißtrauen auf einen Teil feiner Truppen einen ernftlihen Kampf vermieden hätte. Das polnifche Heer löſte fich auf, indem die deutſchen Söloner nach Ablauf ihrer Dienit- zeit nachhaufe zogen. Auch Kafimir verließ am 27. Dezemz ber Neitra, das von der zahlreichen Beſatzung nach Turzer Be» lagerung übergeben ward. Die wenigen fejten Pläke, die noch in den Händen der Polen waren, wurden ihnen teilweife ſchon in den nächſten Monaten wieder entriffen. Dem Iohann

Abſchluß eines Waffenſtillſtandes. 227

Vitéz, der fih in die Burg von Gran eingefchloffen hatte, fiherte der König auf bie Verwendung mehrerer geiftlicher und weltlicher Großen am 19. Dezember gegen Erneuerung bes Treueides und DOffnung feiner Burgen feierlich Verzeihung zu, was ihn nicht hinderte, ihn dann trotzdem einige Zeit gefangen zu balten, nachdem er ihn unter falfchem Vorwande nach Ofen gelodt Hatte. Als er freigelafien wurde, warb er unter bie Aufficht des Biſchofs von Erlau geftellt, eine Demütigung, die der Greis nicht lange überlebte. Denn jchon am 8. Auguft 1472 jhied er aus dem Leben, worauf der König Johann Beckenſlaher zu jeinem Nachfolger auf dem ergbifchöflichen Stuhle von Gran ernannte. Auch fein Neffe, der Bilchof von Fünfkirchen, der fih nah Agram geflüchtet Hatte, ftarb noch im nämlichen Jahre’).

Wenn auch Matthias durch jein eben fo kluges wie kräf—⸗ tige8 Auftreten die ihm drohende Gefahr glücklich abgewenbet Hatte, fo fanb er doch für feinen Krieg gegen Böhmen bei ben Ungarn nur geringe Unterftäßung und auch die Fatholiiche Liga war nit für eine weitere Yortführung des Kampfes. Anverjeits fehlte dem Könige Kafimir und feinem Sohne Wladiſlaw nicht bloß die notwendige Energie fondern auch das Geld, um bie ichwierige Lage, in ber fih Matthias eine Zeit lang befunden batte, zu einem enticheivenden Schlage zu benugen. Da beibe Teile gelähmt waren, fo gaben fie bereitwillig ven Wünfchen des neuen Papſtes Sirtus IV. Gehör, der, um bie hriftlichen Waffen gegen die Türken wenden zu können, auch zwilchen Ungarn und Polen einen Ausgleich zuftande zu bringen bes

1) Sauptquelle für dieſe Vorgänge in Ungarn ift Dlugosz XII, 464. 470—473. 477 8q. und in zweiter Reihe Efhenloer, Geſchichten von Breslau II, 217. 234. 246 ff. und bie ungarifhen Hiſtoriker Thw- rocz 1. IV, cap. 67, und Bonfinii Dec. IV, 1.3. Bgl. bamit das Manifeſt Kafimirs, die Gefee des Ofener Reichstags vom 18. Sept. 1471, und die Verträge mit dem Graner Erzbiſchof ap. Katona XV, 496. 511. 521. 554, wie die Berichte bei BPalady, Geſch. Böhmens V,1, 57, N. 36, und 59, N. 37. Bon neueren Darftellungen f. Teleki IV, 192. 227sqg. 244899. Fehler- Klein III, 91ff. Caro V,1, 350 ff.

15*

228 Der Kampf um Breslau.

mübt war. Schon am 31. März 1472 kam eine allgemeine Waffenruhe zuftande, die dann bis in ben Sommer 1474 dauerte” Wieberholt fanden während diefer Zeit unter Ver⸗ mittlung des päpftlichen Legaten Marcus Barbo, Patriarchen von Aquileja, Friedensverhandlungen ftatt, Die aber erfolglos blieben, weil Matthias verlangte, daß ihm zum Erfah für feine großen Kriegskoſten alle böhmiſchen Nebenlänver abge- treten ober 1500000 Dufaten gezahlt und er außerdem als Adoptivvater Wladiſſaws und bis zu feinem Tode auch als Regent in Böhmen anerkannt werden jollte, was weder bie Polen noch die Böhmen zugeben wollten.

ALS endlich der Krieg wieder ausbrach, fiel Kaſimir von Polen Ende September 1474 mit einem Heere von angeblich 60000 Mann und 5000 Kriegswagen in Oberjchlefien ein und überjchritt bei Krappitz die Ober, um auf dem linfen Ufer verfelben fich mit feinem Sohne Wladiſlaw zu vereinigen, der 15—20 000 Mann aus Böhmen berbeiführte, und dann durch bie Einnahme von Breslau wenigitens für Schlefien die Ent- icheibung herbeizuführen. König Matthias Hatte einjchließlich der Beſatzungen nur wenig über 6000 Mann und 900 Kriegs⸗ wagen zur Verfügung, mit denen er fich in einem verichanzten Lager bei Breslau aufgeftellt Hatte). Aber feine Soldaten waren fat alles Tampfgeübte Söloner, er ſelbſt im Kriege er» fahren und zum Träftigften Widerſtande entichloffen, während jeinen Gegnern ein tüchtiger, angefebener Anführer fehlte. Auch litten die Polen infolge ihrer finnlofen Verwüftungen und ber Niederbrennung Bunderter von Ortſchaften bald Mangel an Lebensmitteln. Matthias ließ ihnen burch feine leichten Truppen nicht bloß ihre Provianttransporte aus Polen und Böhmen wegnehmen, jondern durch ein Streifcorps unter Stephan BZapolya einen verheerenden Raubzug bi8 Meſeritz und Poſen

1) Um ſich gegen Angriffe von Norbbeutichland ber zu fichern, be= ftätigte er jet den 1472 erfolgten Verlauf bes Herzogtums Sagan an bie Herzoge von Sachſen unb erteilte biefen bie Belehnung. „Lehns⸗ und Beſitzurkunden Schlefiens“ I, 213ff.

Abſchluß des Friedens. 229

unternehmen, deſſen Vorftädte angezündet wurden. Bei ber wachlenden Not ging daher Kafimir Anfangs November be- reitwillig auf Unterbanblungen ein, welche Zdenko von Stern- berg und andere böhmiſche Herren veranlaßt hatten. Am 15. November famen die Könige Kaſimir und Matthias per« ſoönlich im Dorfe Groß-Mochbern vor Breslau zujammen und wenige Tage darauf einigte man fich über den Abjchluß eines Waffenitillftandes, der am 8. Dezember unterzeichnet ward und Bis zum 25. Mat 1477 dauern follte.

Es Fam jpäter wohl noch zu einzelnen Feindſeligkeiten mehr Iofaler Natur, aber zu feinem größeren Feldzuge mehr. Am 28. März 1478 wurde zwijchen den böhmischen und ungarifchen Devollmächtigten in Brünn ein Friede vereinbart, dem aber Matthias die Anerkennung verfagte. Doch fchloß er auf etwas veränderter Grundlage am 30. September in Ofen neue Präliminarien ab, die am 21. Yuli 1479 bei einer perjün«- lihen Zuſammenkunft der Könige Matthias und Wladiſlaw in Olmütz bejtätigt wurden. Nach ven Beitimmungen des Dfener Friedens jollte Wladiflam nur im Befige von Böhmen bleiben, Matthias dagegen außer dem Titel eines Königs non Böhmen auch jämtliche Nebenländer, Mähren, Schlefien und die Lauſitz behalten und Wladiflam ihm alles einräumen, was er bier noch bejaß. Erft nach dem Tode des Matthias jollte Wladiſlaw oder fein Nachfolger dieſe Länder um 400000 Dulaten wieber einlöfen bürfen; doch follten fie ohne Löfegeld an Böhmen zurüdfallen, wenn Matthias oder einer feiner Erben und Nach folger nach dem Tode Wladiſlaws zu deſſen Nachfolger gewählt würde !).

So war auch diesmal die Zurüdführung Böhmens in ben Schoß der katholiſchen Kirche und die Vernichtung der utra- quiftifchen Ketzerei nicht gelungen, obwohl die Päpfte fich nicht

1) Über die Borgänge in Böhmen und die Beziehungen zu Ungarn feit der Krönung Wladiflaws f. Palacky, Geh. Böhmens V, 1, 53 bis 207. Vgl. Grünhagen, Geſch. Schlefiens I, 326 ff mit den Noten, und Caro V,1, 357 ff.

230 Neue Einfälle der Türken

geicheut Hatten, zu dieſem Zwede die Wunden wieder aufzu⸗ reißen, die jeit der Beendigung des Hufitenfrieges befonders unter ber forgfältigen Pflege Georgs von Podiebrad zu ver- narben begonnen Batten. Dem böhmiſchen Staatswefen ſelbſt war allerdings ein tötlicher Schlag beigebracht worden. Nicht bloß der materielle Wohlitand war durch die zehnjährigen Kämpfe ſchwer geſchädigt, die königliche Macht gelähmt, fondern aller menjchlichen Vorausfiht nah das böhmiſche Reich ſelbſt in Trümmer gejchlagen, da kaum je ein Herricher in ber Lage war, für die Rücklöſung der Nebenländer die ungeheuere Summe bon 400000 Dukaten zu zahlen.

Matthias batte Ende 1474 den Waffenftillftand mit Böhmen und Polen befonders beöwegen gejchloffen, um endlich den Wünjchen der Ungarn entiprechend alle Kräfte gegen die Türken wenden zu Können. Denn auch nach 1471 hatten jie ihre Ein- fälle in die norbweftlichen Nachbarländer fortgejegt und die— jelben Greuelthaten verübt wie in ben vorhergehenden Jahren. Im Sommer 1472 waren fie von Bosnien aus durch Kroatien längs der Save bis Krain, vielleicht jogar bis in Die Gegend von Pettau und Marburg, im September bis St. Daniele in Sriaul, im November noch einmal bi8 Görz und Iſtrien gedrungen ). Ende September 1473 erſchienen fie unter Iſabeg, Krain über Sichelburg und Treffen bei Laibach vorbei in zwei Tagen burchziehend, über den Paß der Kanker unver- mutet bei Kappel in Kärnten, feßten über die Drau, raubten, brannten und morbeten in der Umgebung von Klagenfurt bis Feldkirchen und St. Veit und zogen mit taufenden von ©e- fangenen über Bleiburg, Windiſchgrätz und Cilli nachhaufe ?).

1) Dlugosz XIII, 487. 2gl. Romanin, Storia doc. de Venezia IV, 365. Die Annalen von St. Paul in Kärnten, mitgeteilt von Krones im „Archiv f. öſterr. Gef.“ XLVIII, 510, N. 145 erwähnen einen Ein fall in campo Drauensi in limitibus Marchpurge et Pettau um ben 29. Juni.

2) Dgl. mit Unreſt S. 578f. die Annalen von St. Paul a. a. O., N. 146, und die Notiz bei Dimitz, Geſch. Krains I, 286, N. 1, der ſelbſt fich freilich zu viel auf Megifer, und ſolche die ihm folgten, ver= laſſen hat.

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in die ungarifchen und beutfchen Länder. 231

Schon Anfangs Juni 1474 drangen die Türfen wieder bis in die Gegend von Laibach und ind Sanntbal, im Juli über die Save bis Kreuz, Kopreinig, Warasdin und Pettau vor; im Herbſte erfolgten neue Einfälle bis in das Karſtgebiet ?). Die ungariſchen Gefchichtichreiber jener Zeit, Die als ihre Aufs gabe nur die Verberrlihung des Königs anfahen, bielten es nicht für der Mühe wert, von dem Elend, das die Türken über Ungarn brachten, Notiz zu nehmen. Aber der damals in der Nähe des Wörther Sees lebende Pfarrer Unreft faßt das Ergebnis der bisherigen Türkenkriege in die kurzen aber um fo ergreifenderen Worte zufammen: der Türke bat in rain wohl den halben Zeil, in ber Grafihaft Cilli, in Kärnten, am Karjt, in Iftrien einen großen Teil verbrannt und an Leuten und Gut beraubt, das Krabatenland faft ganz verbrannt und beraubt und das Volk verführt bis auf etliche Städte und Schlöffer, die ſich noch halten, in dem Sager (Zagorien) den meiften Zeil, in der Banſchaft im windiſchen Lande (zwiſchen Sau und Drau), viel verbrannt und Leute und Gut verführt, in Ungarn, wie man fchätt, den vierten Zeil an Xeuten und Gut beraubt, in Siebenbürgen einen großen Teil verberbt. In der Banfchaft fet oft zehn Meilen weit fein Haus noch Menſch gewejen ?). Mag dieſe Schilderung auch vielleicht etwas übertrieben fein, fo kann es doch feinem Zweifel unterliegen, daß feit 1469 nicht bloß Inneröfterreich, jondern auch die ungariſch-kroatiſchen Gebiete furchtbar gelitten hatten.

Deffenungeachtet hätte König Matthias auch jet am hiebften gegen die DVenetianer die Waffen ergriffen, die doch, jett fie im Jahre 1463 mit ihm ein Bünbni gegen bie Türlen geichloffen hatten, gegen diefe ununterbrochen gelämpft batten. Nicht bloß 1469 Hatte er erklärt, er werde nur dann ben

1) Unreft, ©. 579. 581f. Annalen von St. Paul a. a. OD, ©. 509f., NR. 143. 146, wie das wahrfcheinfih in das Jahr 1474 zu fegende Schreiben des Stephan Frangepane, Grafen von Zengg, vom 18. Juli, in Mon. Hung. Mätyas kir. koräböl. II, 260.

2) Unreft, S. 58lf.

232 Steuerbewilligungen für den Türkenkrieg.

Krieg gegen bie Türken wieder aufnehmen, wenn Venedig ibm Dalmatien abtrete ); ſondern noch im Jahre 1473 Hatte er mit dem Herzoge von Mailand, Galeazzo Maria Sforza, ein Bündnis gejchloffen, in welchem beſonders ein gemeinfamer Krieg gegen Venedig in Ausficht genommen war?) Als er aber in dieſem Sabre für den Kampf gegen Polen eine Steuer erheben wollte, erflärten ihm feine Barone, daß fie ihm eine jolde nur für einen Türkenkrieg bewilligen würden 3). Es zeigte fich dies um jo mehr gerechtfertigt, ald Anfangs Februar 1474 der ſerbiſche Paſcha Alibeg mit einem Schwarme unver“ mutet bis Großwardein borbrang, dieje pamals blühende Stadt mit Ausnahme der Burg einnabm, ausplündberte und ver- brannte, viele Einwohner mordete und mit reicher Beute und zahlreichen Gefangenen ungefährdet nach Serbien zurüdfehrte *). Auh tm Auguft verbeerte eine Schaar von etwa 10000 Türken die Niederungen bis zur weißen Körös und brachte um ben 1. September einer ungariichen Abteilung, die fie troß ihrer Minderzahl angriff, eine Niederlage bei 6).

Ein im Herbfte 1474 in Abwejenbeit des Königs gehaltener Reichstag beichloß für Die Verteidigung des Landes gegen die Zürlen von jedem Shore eine Steuer von einem Dufaten zu erheben, beitimmte aber ausprüdlich, daß dieſe nicht für einen andern Zwed follte verwendet werden dürfen 6). Auch der im nächſten Frühjahre vom Könige einberufene Reichstag bewilligte für dieſen Zwed die gleiche Steuer, deren Erträgnis man auf eine halbe Million Dukaten [hätte %. Wenn ven Stebenbürger

-1) Dlugosz XIII, 461.

2) Mon. Hung. 1. c. II, 251—258.

3) Bericht an den Herzog von Mailand ibid. p. 245.

4) Alte Aufzeihnung ap. Katona XV, 725sgg. und ap. Kova- chich, Script. minor. II, 11, und in etwas abweichender Faſſung im fogen. Chron. Dubnic., in Hist. Hung. Fontes domestici SS. LI, 197sqq. Dilugosz XIII, 540 ſetzt dies erſt in die Zeit der Belagerung von Sabacz, aljo ins Jahr 1476.

5) Chron. Dubnic., p. 199sq.

6) Katona XV, 738sgqg.

7) So ein Bericht an den Herzog von Ferrara aus Ofen vom 18. Juli

Kämpfe in der Moldau. 235

Sachſen wegen ihrer Armut geftattet wurde, ftatt diefer Steuer eine Paufchalfumme von 10000 Dukaten zu entrichten !), To iit dies ein Beweis, wie fehr auch ihr Gebiet durch die Ein- fälle der Türken gelitten haben mußte, da früher gerade fie durch Wohlhabenheit fich hervorgethan hatten.

Die Ausfichten für den Krieg waren diesmal günftig. Als nah Neujahr 1475 ein türfiiches Heer von angeblich 100000 Mann und 20000 Bauern unter Suleiman Paſcha in die Moldau einbrach, um den Woywoden Stephan der Botmäßigkeit bes Sultans zu unterwerfen, ließ dieſer das ganze Gebiet, durch das bie Feinde ziehen mußten, verwüſten und ihnen alle Zufuhren abjchneiden, ſodaß fie bald in große Not gerieten. Endlich griff fie Stephan, der ein Heer von 40—50000 Dann, unter diefen auch einige taufend Szeller und Ungarn gefammelt hatte, am 10. Ianuar in ber Nähe des Fluſſes Berlat in einem engen und waldigen Thale, wo fie von ihrer Übermacht, bejonders ihrer zahlreichen Meiterei, feinen Gebrauch machen fonnten, mit Ungeftüm an. Nach harten Kämpfen er- griffen die Türken am Morgen bes britten Tages bie Flucht, auf der fie ebenfo wie in der Schlacht ſelbſt ſehr große Ver- Iujte erlitten 2), Um fih vor der Rache des Sultans zu ihüten, bat der Woywode den ungarijchen König um jeinen Beiftand und leiftete ihm dafür die Huldigung 3).

Um die Unterftügung der Walachen zu erhalten, entließ

1475, in Mon. Hung. 1. c. II, 272, dagegen ein Schreiben des Biſchofs von Breslau an bie Görlitzer aus Neiffe bei Palady, Geſch. Böhmens V,1, 136, R. 96, gar auf 1200000 Dulaten, während ein Bericht an den Herzog von Mailand von 1476 in Mon. Hung., p. 334, meldet, ber eine ſchätze das Erträgnis auf 300000 ber andere auf 400000 Dukaten. Die Neihstagsbefchlüffe vom 29. Mai 1475 ap. Kovachich, Suppl. ad Vest. Comit. Il, 240 qq.

1) Teleki XI, 537.

2) Bericht vom 24. Januar aus Torda an den König Matthias und des Woywoden Stephan feldft vom 25. Sanuar in Mon. Hung. 1. c. II, 299—302. VBgl. Dlugosz XIII, 525sq., nah dem die Schlacht am 17. Januar ftattfant. |

3) Mon. Hung. 1. c. II, 272. Teleki XI, 540.

234 Eroberung von Sabacz durch K. Matthias.

Matthias den Woywoden Wlad Drakul aus feiner Haft und fuchte ihm wieder die Anerkennung feiner früheren Untertbanen zu verjchaffen ?).

Auch in feinem eigenen Lande machte Matthias umfaſſende Rüſtungen, bie fich leider bis in den nächiten Winter hinzogen. Erſt im Dezember fuhr er mit feinem Heere, einer Wlotille von 100 Schiffen und zahlreichen Gejhügen die Donau hinab nah Belgrad ?). Es galt der neu erbauten Feſtung Sabacz, bie den Türken als Ausfallsthor für ihre Raubzüge nach Norden diente. Nach einem tapferen Widerjtande von mehr als einem Donate Tapitulierte die Belakung, die von 1300 auf 700 Mann zufammengefchwunden war, am 15. Februar 1476 °). Doch feste Matthias den Angriffstrieg gegen die Ungläubigen auch jett nicht weiter fort. Nachdem er ringe um Semendria brei fefte Türme errichtet Hatte, kehrte er nach Ofen zurüd.

Um fo weniger ruhten bie Türken, die von Südweſten wie von Süboften ber ihre Angriffe fortjegten. ‘Dort hatten fie ihon im Auguft 1475 durch Kroatien einen Einfall in das Draufeld bei Pettau unternommen, einigen hundert Inner⸗ öfterreichern, die fie verfolgten, an der Sottla eine empfindliche Schlappe beigebracht und ſpäter während des ganzen Oktobers Krain bis an die Grenze Kärntens verwüjtet. Im Jahre 1476 unternahmen fie zwei größere Züge nach Norbiveften. Im Juli wüteten fie mit Mord, Raub und Brand in Krain und bem angrenzenden Zeile Steiermark bis gegen Cili. Am 12. Dftober erjchienen die türfifchen Nenner, etwa 8000 Mann ftarf, nachdem fie Krain im Fluge durchzogen hatten, von

1) Bericht an ben Herzog von Ferrara in Mon. Hung. |. c.

2) Ibid. p. 272. 279sqg. 285. 287. 297. Mon. Habsburg. I, 2, 79, ein Verzeichnis der Geſchütze u. f. w., wobei freilih die Angaben über die Zahl ber Soldaten jehr übertrieben find.

3) Bericht des Biſchofs von Erlau an den Papft aus dem Königlichen Lager vom 15. Februar, in Mon. Hung. 1. c. II, 343. Bar. IV, 317. Wenn Bonfinius, Dec. IV, 1. 3, p. 453sq. unter Anführung genauer Details Sabacz erſtürmt werben läßt, fo ift die8 nur ein neuer Beweis für bie Unzuverläffigfeit desfelben auch noch in dieſer Zeit.

Fortdauer der Türkeneinfälle. 235

Weilfenfeld ber in Tarvis, wendeten fich dann über Arnoldſtein gegen Villach, überjegten die Drau und drangen einerjeit8 am Oſſiacher See vorbei ins Gurkthal, anderſeits längs bes Wörther Sees über Klagenfurt, wo fie zwei Vorſtädte ver- brannten, bi8 St. Paul und St. Andrä im Lavantthal vor. Nachdem fie binnen fünf Tagen einen großen Teil von Kärnten ausgeraubt und verheert Hatten, zogen fie plündernd und ſengend über Windiſchgrätz, Cilli, Gurkfeld und durch das ſlavoniſche Banat nachhauſe 1). Sowohl der Kaiſer als auch die Stände bon Inneröſterreich thaten troß Einhebung hoher Kopfiteuern nichts zur Abwehr der furchtbaren Teinde, gegen welche nur die zahlreichen fejten Pläbe einigen Schuß boten. Auch der König von Ungarn fette ihrem Vorbringen in diefer Richtung nicht die geringjten Hinbernifje entgegen, obwohl auch Kroatien daburch immer" mehr verwüftet und entuölfert wurde.

Mehr Wideritand fanden die Türken im jüdöftlichen Ungarn. als Alibeg Ende Juni 1476 mit A—5000 Reitern von Semendria aus vaubend bis in bie Gegend von Temesvar vordrang, vereinigten mehrere ungarifche Heerführer ihre Streit» fräfte, griffen die Feinde in der Gegend von Pozſezſen ſüdöſtlich von Weißkirchen an und rieben diefelben großenteil® auf ?).

Im Juli 1476 drang der greife Sultan felbft mit einem ſehr zahlreichen Heere, angeblich 90 000 Mann, darunter 9000, die der walachiſche Woywode Radul Bazarad geftellt hatte, in die Moldau ein. Eine türkiſche Flotte follte die Belagerung ber Feftungen Kilia und Maurocaftro (Alfermann) unterjtügen, während von Oſten ber 10000 Zataren die Moldau angriffen. Dielen brachten die Moldauer bei Maurocaftro eine vollſtändige

1) Unreft, S. 589 ff. 604. 606 ff. Vgl. Ilwof, Einfälle ver O8- manen in „Mittb. db. hiſt. Ber. f. Steierm.” X, 237ff., der aber den „Cholmas Tag” bei Unreft ftatt für den Colomanstag (13. Oktober) für den Kosmastag (27. September) hält.

2) Bonfinius, Dec. IV, l. 4, p. 455, deſſen Behauptung, daß ber Kampf jenfeitS der Donau ftattgefunden habe, feiner eigenen Befchreibung widerſpricht. Vgl. die Berichte vom 3. Juli und 8. September aus Ofen in Mon. Hung. 1. c. II, 317. 325.

236 Kämpfe in ber Moldau und Walachei.

Niederlage bei. Gegen die Türken wendete der Woywode Stephan dieſelbe Taktik an wie im vorigen Jahre, Wegführung oder Vernichtung der Lebensmittel, Rückzug der Bewohner in die Wälder, Überfall kleinerer türkiſcher Streifcorps. Doch wurde er in der erften Hälfte des Auguft unweit Roman in einen ernftlichen Kampf verwidelt und zum Rückzuge gezwungen, worauf die Türken Niemku belagerten und bi8 vor Suczawa und Choczim jtreiften. Mangel an Lebensmitteln und bie infolge befjen im Heere wütenden Krankheiten wie die Nachricht, daß der ungarifche Hofrichter Stephan Bathory von Siebenbürgen her mit einer zahlreichen Armee heranrüde, bewogen den Sultan noch im Auguft zu einem eiligen Rüczüge nach Bulgarien. Bathory, Dberanführer der Truppen in Siebenbürgen, drang dann Ende Dftober in die Walachet ein, die gleichzeitig der Wohtwode von der Moldau angriff, jchlug ein walachifch-türkifches Heer von 18000 Mann bis zur Vernichtung, zwang den Woywoden Radul Bazarad zur Flucht und fette ftatt desjelben den Wlad Draful als Herren ein, nachdem er Bukareſt mit dem größten Zeile des Landes erorbert hatte. Die Stegesbotichaft kam gerade erwünjcht vor der Hochzeit des Königs mit Beatrix von Neapel, die mit einem Glanze und einem Aufwande gefeiert wurde, als wenn das Yand in volliter Blüte gejtanden und nicht unter den NRaubzügen der Türken und dem Steuerdrude gefeufzt hätte. Aber ſchon am Beginn des folgenden Jahres ging nach einer Niederlage die Walachet wieder an die Türken und deren Vaſallen Radul verloren, Wlad ſelbſt wurde durch einen Diener binterliftig ermordet. Auch bie vor Semendria errichteten Befeſtigungen wurden von den Türken wieder ge- nommen }).

1) Einigermaßen zuſammenhängende Nachrichten über dieſe Kämpfe in der Moldau und Walachei giebt Dlugosz XII, 544—549. 551. Doch werden biefe durch Berichte in Mon. Hung. 1. c. Il, 316—326. 335. 339 und 1V, 325, vom 3. Juli und 8. September aus Ofen und vom 1. Febr. 1477 an den Herrn von Mailand, vom 7. Aug. 1476 von einem Diener Trafuls, vom 16. Auguft von Stephan Baͤthory, vom 4. und 8. Dezember vom Könige Matthias, wie durch die Schreiben Bä-

Beflere Lage Ofterreihs nach dem Tode Albrechts VI. 237 |

Deifenungeachtet unternahm Matthias nichts mehr zum Schute feines Reiches gegen bie Türken. Wieder begann er, von Haß und Ehrgeiz getrieben, einen Krieg im Weften, ber jede nachhaltige Belämpfung der gefährlichiten Neichsfeinde un⸗ möglich machte, gegen den Kaiſer.

Die Urfachen lagen teild in ben innern Wirren in ben öfterreichifchen Ländern, teil8 in der Stellung des Katjers zum böhmischen Thronſtreite.

Fünfles Kapitel. Kaifer Friedrich III. und Matthias von Ungarn.

Nach dem Tode des Erzherzogs Albrecht .am 2. Dezember 1463 hatte es den Anſchein gehabt, als follten enblich beſſere Zeiten für das unglüdliche Dfterreich beranfommen. Kaifer und Stände waren eifrig Hand in Hand gegangen, um Trieben und Sicherheit im zerrütteten Lande wieder berzuftellen. Der - Öiterreichiiche Landtag beiwilligte Ende 1465 eine bebeutenbe Summe, um die Anfprühe der Sölpnerführer zu befriedigen und die wilden Brüberrotten aus dem Lande zu bringen !). ALS ein Zeil bverjelben im Frühjahr 1466 von Ungarn ber

thory8 an bie Hermannftäbter vom 2. Dftober aus Kronftabt und vom 11. November aus dem Lager bei Bulureft (Teleki XI, 570. 575) er- gänzt und teilweife berichtigt. Vgl. auch Unreft, S. 605f. und 610, und über bie Folgen der hoben Steuern in Ungarn Chron. Dubnic., p. 200.

1) Bahmann, Heichsgefchichte I, 532 ff. 609 ff. Die Verhandlungen bes Landtags von 1465 jet in F. R. Austr. XLIV, 597ff. Über bie Gewaltthaten der „Brüder“ noch im Herbfte 1465 f. den Bericht vom 6. Oktober aus Neuftadt an bie Frankfurter bei Sanffen, Reichscorre—⸗ ſpondenz II, 245 ff.

288 Ausbruch neuer Unruhen in Ofterreich.

wieder in Öfterreich einbrang und Pütten beſetzte, vereinigten fih Oſterreicher und Ungarn gegen fie und drängten fie nach Mähren, wo der größere Zeil vom König Georg in Sold ge nommen wurde, während bie übrigen wieder in Ungarn ein⸗ brachen, fih in einem feiten Lager bei Koſtolan nördlich von Tyrnau feitiegten und die Umgegend brandichagten und aus» plünberten. Bon öfterreichiichen Truppen unterjtügt jchloß fie König Matthias daſelbſt ein und brachte fie nach faft zwei⸗ monatlicher Belagerung durch Abjchneidung des Waſſers auf das Auferfte, ſodaß, al8 der Verfuch, ſich durchzufchlagen, nur wenigen gelang, bie übrigen fih am 29. Ianuar 1469 auf Gnade und Ungnade ergaben. Von diefen wurden 200 mit dem Oberanführer aufgehängt, von den übrigen 550 viele im Kerker getötet 1).

Leider verjtand es der Kaifer auch jegt nicht, in feinen Ländern eine geordnete Regierung berzuftellen, durch Energie und kräftige Handhabung der Rechtspflege dem Adel zu im⸗ ponieren und feine Gläubiger immer rechtzeitig zu befriedigen. Es brachen daher von Zeit zu Zeit immer wieder Unruhen aus, bie bei den damaligen unklaren internationalen Verhälts niſſen leicht auch Kriege mit auswärtigen Fürſten zur Folge batten.

Als Albrecht VI. früherer Kanzler, Jörg von Stein, nach einem mit dem Kaiſrr geichloffenen Vertrage das ihm ver- pfändete Steier im Jahre 1465 zurüdgeben folite, verweigerte er dies, vielleicht weil ihm das vertragsmäßig ausbedungene Geld nicht zurücbezahlt war, und fette Ende 1466 der Ge⸗ walt Gewalt entgegen. Er fand einen Helfer an Wilhelm bon Puchheim, dem bie SKatjerlihen das Schloß Rauhenſtein bei Baden wegen einer Gewaltthat der Bejagung weggenommen batten. Die beiden Abeligen, die fich dem König von Böhmen

als Diener unterwarfen und von ihm Hilfstruppen erhielten,

1) Balady IV,1, 522f. und IV,2, 401. 409ff. Pal. ben Bericht bes Landmarfhall Jörg von Bottenborf, Anführer ber öfterreichifchen Hilfstruppen, an bie Kaiferin, vom 31. Januar, in F. R. Austr. XLIV, 626.

Aufftände in Triefl. 239

begannen nun in Oberöſterreich einen verheerenden Krieg, unter dem bejonders die Klöfter und Bauern zu leiven hatten. Nur durch eine große Geldjumme Tieß fich Stein endlich zur Nude bringen. Da man aber wieber mit der Zahlung ber. jelben Schwierigkeiten machte, fo wendete er fich neuerdings an Georg von Böhmen). Daß diefer nun Anfangs 1468 fogar feinen Sohn Victorin einen Einfall in ſterreich unternehmen lieg, iſt von welthiftoriichen Folgen gewejen, weil dies ben Kaijer bewogen bat, gegen Böhmen den König Matthias von

Ungarn zu Hilfe zu rufen. j

Selbjt in den Erblanden Friedrichs, in den inneröſter⸗ veichtichen Gebieten, nahm die Unzufriedenheit in bevenklichem Maße überhand.

In Zrieft bildete fich trog ber Begünftigung bes bortigen Handel durch den Kaiſer eine antiöjterreichiiche Partei, welche bie Failerlichgefinnten im Jahre 1467 aus der Stadt vertrieb. Nah Weihnachten ftellten zwar öfterreichiiche Truppen den Ges borjam wieder ber und die Stadt mußte am 28. Mat 1468 die unbedingte Herrihaft der Herzoge von Vjterreich aner- fennen, was der Kaiſer benutte, um (am 3. Auguft) bie Be- fugnifje jeiner Beamten dafelbft zu erweitern und fich naments lih das Recht zu fihern, in der Stabt ein oder mehrere Kaftelle zu errichten. Das ftrenge Regiment des Hauptmann Niklas Lueger führte aber ſchon im Augujt zu einem Auf: jtande ber untern Volfsklaffen und zur Vertreibung des Haupt. manns und vieler der Bjterreichtichgefinnten. Erft im Sabre darauf, im Auguft 1469 nahm Lueger die Stadt mit Waffen- gewalt ein, ließ biejelbe plündern und die Hauptichulpigen jtrenge beftrafen ?).

Sogar die Steiermark warb von der Bewegung ergriffen. Das Haupt derfelden war Andreas Baumklircher, der früher als Felvhauptmann dem Kaifer wiederholt die ichtigften

1) Kurz, Öflerreih unter 8. Friedrich IV., II, 74ff. Brit, Geſch. des Landes ob ver Enns II, 150ff.

2) Rrones, Handbuch II, 427f. und bie daſelbſt, S. 425, ange- führten Quellen.

240 Die Baumlircherfehbe.

Dienfte geleiftet hatte, aber jetzt mit demſelben zerfiel, vielleicht weil er fich nicht genug belohnt glaubte, vielleicht weil er mit dem Kaifer in finanziellen Tragen nicht ganz ausgeglichen war, vielleicht aber auch nur, weil er deſſen Schwäche zur Vergröße⸗ zung feiner Güter benugen wollte. Auch daß er wegen mehrerer Befigungen in Ungarn zugleih Vaſall des Königs Matthias war, fonnte leicht Spannungen hervorrufen. Schon Ende 1467, alfo zur Zeit, wo Dberöfterreich durch Jörg von Stein und Wilhem von Buchheim mit Krieg und Verwüſtung heim- geſucht war, bildete fih auch in der Steiermark :ein Bund gegen den Kailer, deſſen Haupt Baumkircher war, an bem aber viele Edelleute teilnahmen, darunter außer Baumkirchers Schwiegerſohne Johann von Stubenberg noch ein anderer Stubenberg, ein Lamberg, ein Weiſpriach, zwei Windiſchgrätz, Andreas Greißenecker und der auch in Ungarn begüterte Ber⸗ thold von Ellerbach ). Auf eine Anzeige zweier Verbündeter wurden mehrere verhaftet, dann aber durch den Erzbiſchof von Salzburg, Geſandte des Königs von Ungarn und des Herzogs Sigmund von Tirol und inneröſterreichiſche Adelige im April 1468 ein Ausgleich zuſtande gebracht, ehe die Bewegung noch recht zum Ausbruche gekommen war. Aber am 2. Februar 1469, während der Kaiſer auf einer Wallfahrt nach Rom be⸗ griffen war, jchlugen Baumfircher, Johann von Stubenberg und einige andere unvermutet los, brachten raſch die Städte Hartberg, Fürftenfeld, Feldbach, Marburg und Windiſch⸗Feiſtritz und daß Schloß Wildon in ihre Hände und befetten dann

1) Diefe und mehrere andere nennt, allerdings mit fehr entftellten Namen, als colligati con Pankerichier, ber als Gejandter des Herzogs von Mailand an den Kaifer geſchickte Chriftoforus Bollatus in Beilage zu einem Schreiben aus Graz vom 13. Juli 1469, aber bei einigen mit dem Beifatze, daß fie fih fchon mit dem Kaiſer verſöhnt haben, und bei Robertus Vindisglacer (Windifchgräger) und Georgius Clodaner mit ber Bemerfung: „questi duij nella persona hano acusato tuti li altri.“ Mon. Hung. Maätyas kir. koraböl I, 131. Daß Greißeneder „von ber Landleut wegen, jo mit ihm in Bündnis find“, bei Sigmund von Tirol war, fagt ein Memoricle vom Jahre 1468 im ‚„Diplomatarium Habs- burgense“. F. R. Austr. Dipl. II, 150.

Hinrichtung Baumlirchers. 241

and das ganze Mürzthal bis in bie Nähe von Brud. Im turzer Zeit war ein großer Teil ber Steiermark in der Ge⸗ walt der Empörer. Nach ver Rückkehr des Kaiſers nach Kärn- ten erließ berfelbe ein allgemeines Aufgebot. Am 5. April überftelen die Oberfteirer unter Hans Ramung in Mürzzu« flag 1500 Leute Baumfirchers unter dem Böhmen Safran, erfchlugen oder verbrannten ben größten Zeil verfelben und nahmen die übrigen gefangen’). Dagegen brachte Baumkircher felbft, der vom norbweftlichen Ungarn ber neue Verftärkungen erhalten hatte, dem Hauptmann ber kaiſerlichen Truppen, bem böhmiſchen Sölonerführer Holub, am 19. Juli bei Fürftenfelo eine empfindliche Niederlage bei und beraubte und verwüſtete dann das ganze Land bis unter die Mauern von Graz. Noch bis zum näcften Sommer dauerte der Krieg, wenn auch mit geringerer Heftigfeit fort. Erft am 30. Juni 1470 kam auf einem Generallandtage der brei inneröfterreichiichen Länder in Völkermarkt, bei dem ber Kaiſer felbjt gegenwärtig war, nad langen Unterbandlungen mit Baumlircher und feinen Genoffen ein Abkommen zujtande. Der Kaifer verfprach denſelben Am- - neitie und die Zurückſtellung der ihnen entriffenen Befitungen, während fie die eroberten Städte und Schlöffer erft nah Be⸗ zablung der Forderungen ihrer Söldner im Betrage von 14000 Goldgulden herausgeben wollten. Da bie von ben Ständen zu diefem Zwede bewilligte Kopfiteuer, welche jeder vom Bilchofe und Grafen bis hinab zum Bettler in entſprechen⸗ den Abſtufungen zahlen follte, ſehr lange nicht einging, fo ver⸗ ging noch über ein halbes Jahr, bis bie Feinde das verwüftete und ausgeplünderte Land volljtändig räumten.

Es müfjen aber auch dann noch einige Differenzen, viel, leicht wegen der an Baumkircher verpfändeten Herrichaften, übrig geblieben fein, zu deren Löſung Baumfircher unter Zu- fage fihern Geleite8 nah Graz fam und auch, Greißeneder

1) Über dieſes Treffen f. außer Unreft, der Hauptquelle für bie Baumklircherfehde, S. 561, auch den Bericht in F. R. Austr. Dipl. XLII, 467.

Huber, Geſchichte Öfterreichd. III. 16

242 Beginn der Spannung

vom Kaiſer dahin berufen ward. Sobald letterer eingetroffen war, ließ der Raifer am 23. April 1471 bie Stabtthore ichließen und Baumkircher wie Greißeneder, über deſſen eigent- liche Schuld. und gar nichts Näheres bekannt tft, verbaften und noch am nämlichen Abend enthaupten, Stubenberg und andere einkerfern )y. Was immer ben Kaifer zu biefer blutigen ®e- walttbat beivogen haben mag, eingeichüchtert wurden dadurch die Unzufrievenen nicht. Baumkirchers erwachjener Sohn und einige Freunde besfelben griffen neuerdings zu den Waffen und fonnten teilweife nur durch Geld zur Ruhe gebracht werden.

Auh auf das Verhältnis zwilchen dem Kaiſer und dem Könige von Ungarn war die Baumfircherfeßde nicht ohne Einfluß.

Friedrich hatte im Herbft 1468, ehe er die Reiſe nach Stalien antrat, dem Könige für ein Jahr alle Einkünfte von Oſterreich unter und ob der Enns verichrieben, wogegen Mat- thias verjprach, während diejer Zeit Djterreich gegen alle An- griffe von Böhmen her zu fchügen, ohne Zuftimmung des Kaifers mit den Feinden feinen Frieden oder Waffenſtillſtand zu jchliegen und demſelben gegen jeden, der in deſſen Ländern einen Aufftand erregen würde, Hilfe zu leiften 2). Mußte es den Kaiſer nun nicht mit Unwillen erfüllen, daß gerade Baum- fircher, ver wegen feiner ungarijchen Befigungen ein Unterthan bes Matthias war, ſich an die Spike ber fteieriichen Empörer ftellte, daß ver König dem Kampfe ruhig zuſah, weitere Zu« züge von Ungarn ber nicht hinderte und erft im Juli den Erz» biihof von Gran nad Steiermark fandte, um einen Ausgleich

1) Fr. Krones, Andreas Baumkircher. Zur Geſch. ber Steiermarl 1457—1471. Graz, 1869. (Aus den „Mittb. d. hiſt. Ber. f. Steier- marf”, 17. Heft.) Krones, Zeugenverbör Über Andreas Baumtirchers Thatenleben und Ende. Wien, 1871. (Aus der „Zeitichrift f. die öfterr. Gymn.“ 1871.) Krones, Quellenmäßige Beiträge zur Geſch. d. Steier- mart 1462—1471, in „Beitr. z. Kunde fteierm. Geſchq.“ XI, 39ff. Krones bat auch bie fpäteren Sagen Fritifiert.

2) Kurz, Ofterreich unter K. Friedrich IV., II, 244.

zwifchen bem Kaifer und bem Könige von Ungarn. 248

zu vermitteln )? Seiner Natur nach zu Mißtrauen geneigt, batte Friedrich den ungarijchen König geradezu in dem Ver⸗ dacht, daß er abfichtlich die Unterftügung Baumkirchers durch feine Unterthanen dulde, ja jogar daß der Einfall der Türken in Krain mit Zuftimmung besjelben erfolgt fei, und daß er nach bem bleibenden Beſitze ſterreichs ftrebe, deſſen Einkünfte ihm zeitweilig überlaffen waren 2). Es ift auch in der That nicht unwabricheinlih, daß Matthias, ärgerlich über den unbefriedi⸗ genden Erfolg im böhmifchen Kriege, wovon er die Schuld ber lauen Unterjtügung vonjeite des Katjers zujchrieb, es nicht ungern gejeben babe, daß diefem durch Baumkircher einige Berlegenbeiten bereitet wurden. Es wurbe dann zwar noch eine Verlängerung des Bünbniffes gegen Georg von Böhmen befchlofjen und für MichaeliS (29. September) 1469 eine Zu- ſammenkunft des Kaiſers mit dem ungarilchen Könige in Wien verabredet. Als aber der Kaifer durch die Scharen Baum firchers an der Abreife aus Graz verhindert wurde, jah Mat⸗ thias darin eine böje Abficht und fühlte fich dadurch ebenfo beleidigt wie Friedrich durch bie Fortſetzung der Teinbfelig« fetten vonjeite Baumkirchers 2). Nur der päpftliche Legat Ro⸗ varella foll den vollftändtgen Abbruch der Verhandlungen zwiſchen beiden Monarchen verhindert haben. Matthias fchiete ben Erzbifhof Johann Bild; von Gran und andere Räte nad Wiener Neuftabt, wohin der Kaifer am 25. Oltober 1469 gefommen war. Aber die Forderungen, die er an ihn jtellte, waren enorm. Der Kaifer follte dem Könige auch weiterhin bie Zölle und Mauten in Ojterreich überlaffen, auf ben Titel eines Königs von Ungarn verzichten, die Kurfürften und Reichs— jtädte, wie er früher verjprochen, zur Hilfeleiftung gegen Böhmen bewegen und dafür jorgen, daß er einen Erjat für Die 400 000

1) Nach Schreiben bes K. Matthias vom 21. Yuli 1469 bei Palady, Urkundl. Beiträge, ©. 599. 2) Bericht des mailändifchen Geſandten aus Graz vom 1. Juli 1469, in Mon. Hung. Mätyäs kir. koraböl U, 125. 3) Ibid., 205. Bericht besjelben vom 21. Januar 1470 (nicht 1471) aus Wien. Bol. Lichnowsky VII, Reg. Nr. 1390. 1393. 16 *

244 Errfolgloſe Verhandlungen in Wien.

Dulaten erhalte, die er bereits für Sold ausgegeben Habe ?). AS der Kaiſer ſich Anfangs Dezember nach Wien begab, wurden die Verhandlungen durch den Graner Erzbiichof, ber acht Tage vor Weihnachten dorthin kam, fortgeſetzt. Auch jet verlangte biefer im Namen feines Herrn vom Kailer bie Ablegung des ungariichen Königstiteld und wahrjcheinlich als Erjab für die Koften des böhmilchen Krieges die Herausgabe der ihm verpfändeten ungarifchen Grenzgebiete und die Rück⸗ zahlung der 80000 Dulaten, die er für die ungartiche Königs- krone erhalten batte, weiter einen Ausgleih mit Baumkircher und Amneftie für venfelben und endlich, was für den Kaiſer das Beleivigendfte war, wenn der König nad Wien füme, Einräumung zweier Thore der Stadt, in bie er 500 Be⸗ waffnete ſollte einführen dürfen. Als ver Kaiſer auf biefe Torderungen nicht eingehen wollte, forderte Matthias feine Gefandten zur augenblicklichen Abreife auf. Da kam es end- lich zur Verabredung, daß der König unter ficherem Geleite des Kaiſers nach Wien fommen und Hier durch die Räte beider eine Vereinbarung zuftande gebracht werben, aber von Baum⸗ kircher feine Rede fein follte ?).

Es zeugt für die Spannung, die zwilchen beiden Türften berrichte, dag Matthias mit feinen Räten, dem Erzbiſchofe bon Gran, den Biſchöfen von Erlau und Fünffirchen, dem fiebenbürgifchen Woywoden Nikfas Efupor, dem Zipfer Grafen Emerich von Zapolya und Neinold Rozgonyi, fih um den 10. Februar 1470 erjt dann nach Wien begab, als der Kaijer ihm und den Seinigen für den Aufenthalt, wie für die Heim⸗ teile volllommene Sicherheit zugefagt hatte 8). Auch konnte e8

1) Bericht des Egerer Gefandten vom 23. November 1469 (au8 Wien) in F. R. Austr. Dipl. XLII, 481.

2) Bericht des mailändifchen Geſandten vom 21. Sanuar 1470 1. c. Als Grund für die Forderung von 80000 Dulaten giebt biefer an, baß ber Kaiſer fie dem Könige für den böhmifchen Krieg verfprochen babe. Doch ſcheint mir bier die Angabe des Diugosz XIII, 455 richtiger zu fein.

3) Gegenurkunden des Köuigs und feiner Räte aus Brud d. d. 9. Februar 1470 bei Kurz II, 246f.

Annäberung des Kaiferd an den polnischen König. 245

ber Kaiſer nur als eine Kränkung anfeben, daß Matthias auch ben Baumlircher al8 Begleiter mit fich genommen hatte. Wenn berielbe nun auch die Forderungen wegen Rückzahlung ver 80000 Dukaten und Herausgabe der ungariichen Grenzgebiete erneuert, ja jogar verlangt bat, daß der Kaiſer dem Baum⸗ kircher alle weggenommenen Zeiten zurüditelle und 4000 Dis taten Schadenerſatz zahle, jo darf man fich nicht wundern, wenn Friedrich den Wünſchen des Königs entgegenzulommen fich. fträubte und fich nicht geneigt zeigte, zur Begründung einer feiten Verbindung ihm feine einzige Tochter Kunigunde zur Ehe zu geben. Boll Unwillen reifte Matthias enplich eines Morgens ab, ohne vom Kaifer Abſchied genommen zu haben !). Friedrich dagegen ſchickte nach Oſtern einen Agenten an Kafi« mir von Polen, um ibm von einer engeren Verbindung mit dem ungariichen Könige abzuraten 2). Ia auf einer Zufammen- kunft, die der Kaifer Ende Juli mit mehreren deutſchen Fürſten und den Gefandten des Königs von Polen in Villach hielt, - wurde beichlofjen, daß Georg von Podiebrad König von Böhmen bleiben ſollte 2). Wohl nur das Streben, Friedrich wenigſtens von einer offenen Unterftügung Podiebrads abzuhalten, dürfte ben ungariichen König bewogen baben, Baumlircher nicht weiter zu unterftügen und einen Bruch mit dem Kaiſer zu vermeiden.

Allein der geheime Krieg zwilchen „Vater“ und „Sohn“ ging obne Unterbrechung fort. Wenn ver Kaifer gerade im Dftober 1471, nachdem zwilchen Ungarn und Polen ein offener Bruch erfolgt war, dem Könige Kafimir von dem in fiebzehr

1) Dlugosz XIII, 455 ift leider einzige Duelle. Doc wirb feine Angabe über die Forderungen des Matthias zugunften Baumlirchers durch die Entgegnung bes Kaifers auf deſſen 1473 ihm von jenem ge= machten Vorwürfe in Mon. Habsburg. 1,2, 43 (=52) und jene über das Refultat der Zufammenkunft duch Unreft, S. 565, und das Schreiben des Rates von Eger in F. R. Austr. Dipl. XLII, 492 beftätigt.

2) Dlugoszl.c.

3) Palady IV,2, 646. Nach ber erwähnten Depefche des mai⸗ länbifohen Gefandten vom 21. Sanuar 1470 Hätte der Kaifer fih fogar ſchon im Herbfie des vorigen Jahres einem Abkommen mit Pobiebrab. geneigt gezeigt.

246 Berbinbung bes 8. Matthias mit unzufrievenen Öfterreichern.

Jahren nicht gezahlten Heiratsgute feiner Gemahlin Elifabeth 32 000 Dulkaten zu entrichten verſprach und dann im folgenden Sommer trot feiner Geldnot, wie es fcheint, wirklich aus⸗ zahlte 1), jo war dies tbatjächlich nichtS anderes als eine Sub» ſidienzahlung an ven gefährlichiten Feind des ungarifchen Königs 2). Friedrich mußte eben wünſchen, daß Wlabijlam von Bolen die böhmifche Krone behaupte, va diefer ald Sohn einer Tochter Albrecht II. mit den Habsburgern verwandt und feine Herrſchaft in Böhmen für Vfterreich viel weniger gefährlih war, als die Vereinigung jenes Reiches mit Ungarn unter einem jo ehrgeizigen und tbatkräftigen Fürften wie Matthias.

Diefer bejann fi nun auch nicht, alle Minen gegen ben Kaiſer fpringen zu laffen, deſſen Lage nur zu günftige An⸗ griffspunfte bot. Denn die vornehmſten djterreichiichen Adeligen, Heinrich von Liechtenftein- Nikolsporf, Georg von Pottendorf, Beit von Ebersporf, Hartnid von Puchheim, Sigmund Eizinger, Gamaret Fronauer und viele andere waren mit demfelben wieder zerfallen und erhoben Klage über Beeinträchtigung ihrer Breibeiten und guten Gewohnheiten, während in ber That fie fich Übergriffe erlaubt und eigenmächtig Zölle und Mauten zu Waſſer und zu Lande erhoben zu haben fcheinen 8). Ihnen Batte fich fogar Friedrichs bisheriger Feldhauptmann Ulrich bon Grafeneck angeichloffen, ver die ihm zur Befriedigung feiner Forderungen überlaffenen Einkünfte auch dann nicht herausgeben wollte, als, wie wenigftens der Kaiſer, allerdings nicht mit Recht, behauptete, dadurch die Schuld an ihn gezahlt

1) Chmel, Reg. Frid., no. 6482 und die Ouittungen vom 12. Aug. 1472, ibid. 6595 8q. (Orig. im Wiener Hausarchiv). Nah Dlugosz XIII, 492sq. wären fie freilich feltft im Jahre 1473 noch nicht gezahlt geweſen. |

2) Bgl. das Schreiben bes K. Matthias an die Brüber Starbemberg vom 11. Oftober 1471 beit Chmel, Materialien II, 311 und das un⸗ datierte Rundſchreiben besfelben bei Eſchenloer IL, 253ff,, worin er dem Kaiſer fogar den Aufftand des Jahres 1471 inUngarn zur Laſt legt.

3) ®gl. Chmel, Reg. Frid., no. 6203, und „Materialien“ II, 31dff.

Bertrag zwifchen dem Kaifer und dem 8. Matthias. 247

war, und ber fich Rechnung zu legen weigerte !). Als Anfangs 1472 die Unzufriedenen fi) an ven König Matthias wenveten, wies diefer fie nicht zurüd, ja er drohte fogar, die durch ben unmittelbar darauf geſchloſſenen Waffenftillftand mit Polen entbehrlich geworvenen Söldner in die Länder des Kaiſers zu ſchicken. Doch erflärte er fich dem päpftlichen Legaten, dem Bifchof von Ferrara, gegenüber bereit, bie unzufrievenen fterreicher zum Gehorſam zurüdzuführen und alles nach dem Willen des Kaiſers zu thun, wenn diefer ihm den Titel eines Königs von Döhmen gäbe ?). Obwohl der Kaiſer in einem geheimen Ver⸗ trage diefe Forderung bewilligte, nahm doch Matthias „als König von Böhmen und oberfter Kurfürft“ am 13. Juni bie dfterreichiichen Adeligen förmlich in feinen Schuß 3) und ließ ipäter den Johann Zeleny von Schönau und andere Söldner. führer aus Ungarn in Oſterreich einbredhen, wo fie Befefti- gungen errichteten und ihre gewöhnten Näubereien begannen *).

Wieder begannen unter Vermittlung des püpftlichen Legaten Berbandlungen, welche im September 1472 zu einem Ab» fommen führten. Der Katjer veriprach meuerbings dem Könige Matthias den böhmiſchen Königstitel zu geben, jedoch nicht vor dem 8. November, da man bis dorthin von ben in Ausficht genommenen Unterbandlungen zwiichen den Königen Matthias, Kafimir und Wladiſlaw einen Ausgleich in ber böhmifchen Trage erwartete. Matthias dagegen verpflichtete fich, bis zu jener Zeit bie OÖfterreicher unter Zuficherung einer Amneſtie zum Gehorſam gegen den Raifer zurüdzuführen und die Scharen Zelenys und die übrigen Banden gegen Geld oder mit Gewalt aus Öfterreich zu entfernen ö).

1) Dies ergiebt ſich aus Mon. Habsburg. I, 2, 11f. 65. Bgl. Chmel, Reg. Frid., no. 5978, und deſſen „Daterialien” IL, 327 ff.

2) Angaben über diefe Verhandlungen und Verträge Mon. Habsburg. 1,2, 44f. (52f.) 715.

W a) ıla. 1,2, 3.

4) Diugosz XIII, 487. Eſchenloer II, 271. Ann. Mellic. M. G. SS, ‚IX, 522.

5) Der Inhalt der in die Hände des päpftlichen Legateu beponierten

248 Bruch dieſes Bertrages.

Es war nicht Friedrich fondern Matthias, der diefe Ver⸗ träge verlegte. Er that nichts zur Beruhigung Ofterreichs, blieb im Gegenteil auch fortan mit dem Unzufriebenen im beiten Einvernehmen. Statt die Sölonerführer, die für bie Räumung Oſterreichs Bedingungen ftellten, mit Waffenge- walt dazu zu zwingen, bewog ex fie durch Geld zur Tibergabe ihrer Befeſtigungen, behielt aber dieſe felbjt in feinen Händen. Nur unter der Bedingung wollte er fie herausgeben, wenn ihm der Kaiſer einen Tag und Ort beitimmte, wo er ihn mit Böhmen belefnen würde‘). Eine Vermittlung, welche vie deutſchen Kurfürften im Auguft 1473 verfuchten, um ein ges meinfames Vorgeben gegen die Türken zu ermöglichen, blieb ohne Erfolg, es kam nur zu gegenfeitigen Vorwürfen und Nechtferchtigungsverfuchen. beiver Zeile 2). Der Kaiſer erkannte baber auch nicht Matthias, jondern Wladillam als König von Böhmen an und ſchloß im März 1474 gegen jenen wie gegen die vebellifchen Dfterreicher ein Bündnis mit biefem und feinem Dater Kaſimir von Polen), Um dem ungariichen Könige den Boden für weitere Umtriebe zu entziehen, erklärte er fich Anfangs 1475 geneigt, nach dem Wunſche der Stände Nieber« öſterreichs auch mit Grafeneder und den unzufrieveneu öfter reichtichen Adeligen ein Ablommen zu fchließen *).

König Matthias war in der nächiten Zeit durch den Krieg gegen bie Türken und durch feine Hochzeit in Anſpruch ges nommen. Doc hinderte ihn dies nicht, im Auguft 1476 wenigitens auf diplomatiſchem Gebiete den Streit mit Triebrich

Urkunden mit vorausgehenden Anträgen und Entwürfen u. f. w. Mon. Habsburg. 1,2, 8—25.

1) Mon. Habsburg. 1,2, 25—28. 45 ff. (=53ff.) 57 ff. 64. 67. Vgl. Ehmel, Materialien II, 312 und das Schreiben des 8. Matthias an bie Ofterreicher vom 28. Juni 1473 bei Teleki XI, 495.

2) Mon. Habsburg. 1,2, 28—66, welche Altenftüde auch auf frühere Borgänge manche Streiflichter werfen.

3) Lichnowsky VII, Reg. Nr. 1745f. 1750. Bol. Dlugosz XIII, 500 sq.

4) Chmel, Materialien II, 326—332.

Bilndnis des Kaifers mit Böhmen. 249

wieder aufzunehmen. Er beklagte fi nämlich durch einen eigenen Geſandten, daß die Näte und Vertrauten des Kaifers ihn der Begünftigung der Türken bejchuldigten, worauf Fries drich einfach auf die Thatſache hinwies, daß gar nichts geſchehe, um ben Einbruch derjelben duch Kroatien in die failerlichen Erblande zu hindern. Bei der Fortiegung des Notenwechjels ?) drohte Matthias mit Krieg, wenn der Kaifer, ber mit Grafen» ecker und deſſen Freunden neuerbings zerfallen war und gegen diejelben Truppen jammelte, und auch eine päpftlihe Bann⸗ bulle gegen fie erwirkt Hatte, von feinen Schritten gegen bie jelben nicht abließe. Auch Grafeneder und Liechtenftein forderte er am 24. Dftober auf, im Kampfe gegen den Kaiſer auszu- Barren und mit biejem feinen Frieden zu ſchließen. Da ber Kaiſer fich diesmal nicht abfchreden ließ, fondern Truppen fammelte, mit denen er die Schlöffer der Aufftändifchen ans ‚griff, da kündeten ihm mehrere Hauptleute des ungarifchen Königs Fehde an. Dagegen erneuerte Wlabiflam von Böhmen, dem Matthias auch im Oktober ven Waffenfitliftand aufgejagt Batte, Anfangs Dezember mit ibm das 1474 geichlofiene Bündnis und veriprach, ihm längſtens in vier Wochen 3 big 4000 Mann zubilfe zu ſchicken, bis Mitte März aber perjün« lich mit 10000 Mann nach Diterreih zu fommen, wo ber Kaiſer mit einer gleichen Zahl fich anfchließen folite, um zuerft gegen deſſen rebelliſche Unterthanen und dann gegen den König Matthias zu ziehen. Dafür verſprach der Kaiſer, den König Wladiſlaw gleich nach feiner Ankunft in Ofterreich mit Böhmen zu belebnen.

Die faiferlichen Heerführer, unterftügt von 4000 Böhmen unter Burian von Gutftein, führten diesmal den Krieg nicht ohne Glück. Mehrere Burgen wurden den Aufitändifchen ent» riffen, einige Adelige zur Unterwerfung bewogen. Auch Grafen⸗ edler mit feinem Sohne Wolf, die Pottendorf und Puchheim ichloffen im März 1477 mit dem Kaiſer Frieden. Grafen⸗ ecker verpflichtete fich, dem Kaiſer gegen eine Summe von

1) Mon. Habsburg. 1,2, 79fi.

250 Belehnung K. Wladiflams mit Böhmen.

50000 Dukaten alle feine Beſitzungen in Ofterreich abzutreten und das Land zu verlafien. Als Schiedsrichter Hatten beide Parteien den Graner Erzbiihof, Johann Bedenflaher aner- kannt, der ſich im Sabre vorher mit allen feinen reichen Schägen heimlich nach Ofterreich begeben Hatte, wahrfcheinlich aus Mißmut darüber, daß der in feinen Neigungen jo häufig wechielnde König feine ganze Gunft einem neuen Liebling zur wendete, dem Minoriten Gabriel Rangoni, einem Italiener, der als päpftlicher Legat nach Ungarn gelommen und von Matthias zum Biichofe von Erlau und zu feinem Kanzler er» nannt worden war !). Der Erzbiihof Tieh auch dem Kaiſer gegen gute Pfänder 37000 Dufaten, um obige Summe an Grafeneder zahlen zu können.

Nur die Liechtenftein und Ebersdorf mit einigen anderen Adeligen ſetzten ven Kampf noch fort. Der Railer ließ Eber dorf unterhalb Wien belagern. Aber man richtete dagegen nichts aus, obwohl der böhmifche König im Frübjahre 1477 dem Kaijer wieder einige taujend Mann zubilfe ſchickte. Ends ih erichten Wladiſlaw ſelbſt mit 8000 Mann, worauf ihn der Kaiſer am 10. Juni feierlich mit dem Königreihe Böhmen belehnte. Aber. auch jegt war man vor Ebersdorf nicht glück⸗ liher. Mangel an Lebensmitteln und Sold rief beſonders unter den Böhmen fo große Unzufriedenheit hervor, daB der größte Zeil entweder in der Umgend plündernd herumftreifte, oder nachhauſe 308. Die Belagerung von Ebersborf wurde baber am 18. Juli aufgehoben, und Wladiſlaw ſelbſt fehrte am 21. Juli aus Wien beim, gerade in dem Zeitpunkt, als der ungarifche König fich felbit zum Angriffe auf den Kaijer ent» ichlofjen Hatte 2).

1) Über vefien Einfluß auf ben König ſ. den Bericht des mailändifchen Gefandten vom 19. Mai 1476 in Mon. Hung. Matyaäs kir. koraböl II, 310sq. Im Januar 1476 nennt ihn’ ein anderer Gefandter „ben erften und geliebteften” unb den „Augapfel bes Königs“. Ibid. p. 338g.

2) Bei dem vollftändigen Schweigen aller öſterreichiſchen Ehroniften über die Kämpfe zwifchen dem Kaifer und ben aufftänbifchen Adeligen find wir auf die bürftigen Notizen des Unreſt, S. 619 ff., und die noch all-

Kriegserlärung bes K. Matthias an den Kaifer. al

Schon am 12. Juni hatte Matthias dem Kaiſer den Krieg erflärt, indem er ihm vorwarf, baß er fich mit Verlegung der früher ihm gemachten Zuficherungen mit Ketzern und feinen Beinden, den Polen, verbunden und dem Herrn der Reger bie Belehnung mit Böhmen zu erteilen verfprochen habe !). Un- gariiche Scharen machten bereit zur Zeit der Belagerung Ebers⸗ dorfs die Gegend zwilchen dem Semmering und Wien un- ficher 2), während Matthias ſelbſt in Raab ein größeres Heer fammelte. Venedig, der Biſchof von Forli, päpftlicher Legat, und der Erzbiihof von Bari, der als Gefandter Ferbinands von Neapel in Ungarn gewejen war, fuchten auch jest noch den für die Chriftenheit fo verhängnisvollen Krieg zu ver- hüten, und der Kaiſer zeigte fich nach dem Abzuge der Böhmen natürlich jehr bereit dazu 9). Aber die Forderungen bes un» gariihen Königs machten einen Frieden geradezu unmöglich, ins dem er für den ihm vom SKailer angeblich bei verſchiedenen ©elegenbeiten zugefügten Schaden einen Erſatz von nicht we⸗ niger ald 754000 Dulaten verlangte ).

Anfangs August 1477 ftand Matthias an der Spike eines jtattlichen Heeres, umgeben von feinen erprobteften Heerführern, auf djterreichiichem Boden. Selbft jeine Gemahlin und Mutter hatte er mitgenommen, um Zeugen jeines Triumphzuges zu fein. In der That konnte der Kaiſer nicht wagen, fich ihm im offenen Felde entgegenzuftellen, und 308 fich noch Ende Juli

gemeineren Angaben ap. Dlugosz XIII, 549sq. 555. 558sq. ange- wiefen. Wichtiger find bie Urkunden in Mon. Habsburg. I,1, 470 und 499 ff.; 2, 264— 308, und bei Chmel, Materialien II, 333 344. Bol. Balady V, 1, 141ff.

1) Die zwei Tage früher wirklich erfolgte Belehnung war ihm natür⸗ lich noch nicht befannt. Das Schreiben des K. Matthias an den Kaifer und deſſen Ermwiderung in einem Deanifeft an bie Ungarn (deutſch und Yateinifch) in Mon. Habsburg. I,2, 96 ff.

2) Berichte des mailändifchen Gefanbten ans Schottwien vom 6., aus Neuftabt vom 8., aus Wien vom 23. Suli in Mon. Hung. Mätyas kir. koraböl II,351 qq.

3) Ibid. p. 358sq. Berichte vom 23. und 24. Yuli.

4) Mon. Habsburg. 1,2, 111.

252 Angriff des ungarifchen Königs auf Ofterreidh.

nah Krems, ſpäter nach Steyer, enblich nach Gmunden zurüd. Seine alten Gegner unter den öjterreichifchen Adeligen, die Liechtenftein u. ſ. w., fchloffen fich natürlich dem Könige von Ungarn an. Die Inneröfterreicher waren durch ihre eigene Verteidigung in Anjpruch genommen, da nicht bloß die Türken am Anfang des Mai einen Raubzug nach dem ſüdweſtlichen Krain unternommen und fich einen ganzen Monat daſelbſt auf gehalten hatten und im Dftober wieder nach Krain und von da ind Venetianiſche bis Conegliano vorbrangen !), fonbern auch Graf Yörg von Zagorien, der Sohn bes Johann Wittos wei, die Steiermark angriff, den Markt Luttenberg nieder⸗ brannte, und der Gegend bi8 Marburg großen Schaden zus fügte. Auch das Reich that nichts für den Kailer.

Matthias brachte denn auch ohme große Anftrengung bie meiften Burgen und Ortichaften zwilchen ber Leitha, dem Sem⸗ mering und dem Wiener Walde, dann Klojier- und Korneu⸗ burg, endlich Tulln und St. Pölten in jeine Gewalt und fügte dem Xande großen Schaden zu, indem bejonders feine Katzen, die al$ leichte Reiter verwendet wurden, durch Raub⸗, Zer- ftörungs- und Morbluft fich hervorthaten. Aber es fehlte doch viel, daß ihm alles nach Wunsch gegangen wäre. Schon Haim⸗ burg, durch deſſen Belagerung er feiner Gemahlin ein ihr noch unbelanntes Schaufpiel verichaffen wollte, vermochte er nicht einzunehmen. Auch Wien, deſſen Belagerung am 14. Auguft begonnen wurde, leistete ihm unter der Leitung des Grafen Haug von Wervenberg erfolgreichen Widerſtand, ebenjo die Schweiterftädte Krems und Stein, welde Paul Kinizſi und der Böhme Johann Zeleny feit Anfang des Oktober bebrängten. Bor Krems und Stein wie vor Wien erlitten die Ungarn empfindliche Verlufte. Wiener Neuftadt wurde gar nicht ernſt⸗ lich bebroht 2). Zugleich erfuhr Matthias, daß die Türken im

1) Unreft, ©. 628f. Dlugosz XIII, 563. Die Zeit bes erften Einfalls ergiebt ſich aus dem Schreiben bei Sinnacher, Beiträge zur Geſchichte von Säben und Briren VI, 602.

2) Die mweitläufigften aber nicht immer verläßlichen Nachrichten über biefen Krieg bringt Bonfinii Dec. IV, lib. 5, p. 463sqgq., kürzere

Der Friede von Gmunden. 3

- Oftober neuerdings in Kroatien eingebrochen ſeien und dort großen Schaden angerichtet haben ).

Ein Friede erichten daher dem ungarifchen Könige eben fo wünschenswert wie dem Kaifer und die Vermittler, bejonders ber Papft, fanden mit ihren Vorftellungen jet bereitwilliges Entgegentommen. Matthias ſchickte Schon Anfangs Oftober Geſandte an den Kaiſer 2), die am 10. November einen Waffen- ftillftand und endlich einen Frieden zuftande brachten. Am 1. Dezember wurbe diefer mit dem Sailer in Gmunden abge- ſchloſſen und am 18. auch von Matthias in Korneuburg ratt- fiztert. Friedrich mußte den König mit Böhmen belehnen und allen feinen Unterthanen, welche e8 mit bemielben gehalten hatten, Amneftie erteilen und ihnen alle entzogenen Güter zur rüditellen, wogegen aber auch fie fortan dem Sailer Ges horſam leiſten, die eigenmächtig errichteten Befeftigungen zer. ftören und nicht mehr vom Könige in Schu genommen werben follten. Weiter follten fich die Stände von Nieber- und Ober- öfterreich verpflichten, dem Könige in zwei Sahresraten 100 000 Goldgulvden zu zahlen. In einem geheimen Vertrage ward beftimmt, daß der Kaiſer den minderjährigen Johann Galeazzo und feine Mutter des Herzogtums Mailand entjegen, das Reichsvikariat über dasfelbe dem Schwager des Könige Mat thias, Friedrich von Zarent, verleihen und biefem nach ber Beſitznahme Mailands feine Tochter Kunigunde zur Ehe geben follte. Sobald Friedrichs Vater Ferdinand von Neapel biejen Vertrag beftätigt hätte, follte Matthias auf bie von den Dfter-

Dlugosz XIII, 560 sqg. Unreft, ©. 627f. 2gl. Linck, Ann. Claraev. II, 250sqqg. und bie Notizen im Tagebuch des Wiener Arztes Tichtel in F. R. Austr. SS. I, 4—6, wie die Schreiben ap. Rauch, SS. III, 263 8qg.

1) Unref, ©. 629. Bgl. das Schreiben des K. Matthias vom 18. Oftober bei Teleki XII, 35.

2) Daß Matthias, nicht, wie Bonfint behauptel, Friedrich Friedens⸗ anträge gemacht bat, ſchreibt einer den ungariſchen Gefanbten, der Btichof Gadriel von Erlau, päpftlicder Legat, am 7. Dftober. Mon. Hung. 1. c. II, 360.

254 Die Aufbringung der Kriegsentfehäbigung.

reichern aufzubringenden 100000 Gulden zugunften des Kaiſers verzichten 7).

Kam Mailand an den Schwager des ungariichen Königs, umfaßte das Haus Neapel die italieniſche Halbinfel von Norden wie von Süden, fo nahm auch Matthias jelbft eine imponierenve . Stellung in Europa ein. Als Herr Ungarns und der böhmt- ſchen Nebenlänver befaß er im Oſten dieſes Weltteild die aus» gebehntefte Herrichaft. Durch feinen Schwager und Schwiegers vater wie durch die Gunft des Papſtes, der in ihm die Haupt. jtüge der Chriftenheit gegen bie Ungläubigen erblidte, übte er in Italien einen maßgebenden Einfluß aus, wie anderſeits viele deutſche Fürften, bejonders die WittelSbacher, mit ihm in ben engiten Beziehungen ftanden. Auch mit den Schweizern batte er in der legten Zeit Verbindungen angefnüpft, um mit biejen gefürchteten Kriegern ein Bündnis oder wenigſtens einen Freund⸗ Ichaftsvertrag zuftande zu bringen ?). Der Kaifer war dann auf allen Seiten von Matthias und feinen Freunden einge- Ichloffen und an jeber freien Bewegung gehindert. Friedrich bat daher auch nichts gethan, um die Beitimmungen bes ge- heimen Vertrages zur Ausführung zu bringen und fich fo jelbit die Kehle zuichnüren zu helfen. Im Februar 1479 verzichtete übrigens Matthias ausprüdlich auf dieſes Projeft und fagte den Raifer feines Wortes ledig, wogegen er nun bie Zahlung der Kriegsentichädigung verlangte.

Der Kaiſer hatte auch während des Jahres 1478 mehrere Landtage gehalten, um über die Zahlung der 100000 Gold—⸗ gulden zu beraten, und die Stände hatten troß der Oppofition

1) Die Urkunden über den Frieden und deſſen Ausführung bei Kurz II, 258. Teleki XII, 37. Mon. Habsburg. I,2, 117ff. Über bie Zeit der Ratifikation des Friedens durch K. Matthias, die auch vom 1. Dezember batiert worden if, fiehe die richtigen Bemerkungen von Fr. Mayer, Über die Abdankung des Erzbiſchofs Bernhard von Salz⸗ burg und ben Ausbruch des dritten Krieges zwiſchen K. Friedrich und 8. Mathias von Ungarn (1477—1481) im „Archiv für öfter. Geſch.“ LV, 192, N. 5.

2) Ph. v. Segeffer, Die Beziehungen der Schweizer zu Mathias Corvinus (Luzern 1860), ©. 18 ff.

Bauernaufftand und ZTürkeneinfälle in Inneröfterreich. 250

der alten Gegner Friedrichs und bes oberöfterreichiichen Adels verſchiedene Steuern bewilligt. Doch war es fchwer, in dem bermwüjteten und verarmten Lande eine ſolche Summe aufzu⸗ bringen. :

An eine Heranziehung der inneröfterreichiichen Laͤnder, welche die öfterreichiichen Stände wünjchten, konnte gar nicht gebacht werben. Denn dort, bejonders in Kärnten, waren jchon feit einiger Zeit die Bauern jehr unzufrieden, daß die Stände fie troß aller Steuern gegen die Türken nicht zu jchügen ver» mochten. Als nun um Lichtmekß 1478 ber kaiferliche Verwalter von Spital von den dortigen Bauern als Jahreszins für den bisger gezahlten Aquilejer Pfenning zwei gemeine Pfenninge ver „langte, was nur dem Wertverhältniffe beider entiprach und anderswo jchon mehrere Jahre in Übung war, widerſetzten fich diejelben und jchloffen einen Bund, der fich in wenigen Mo» naten über ben größten Teil von Kärnten, ja jogar in das Ennsthal in Oberfteiermark ausbreitete. Die Bauern hatten ihre oberjten Bundherren, erhoben Steuern, forderten in dro— bender Weife auch die andern Stände auf, mit ihren Xeuten in den Bund zu treten, und ſprachen die Abfiht aus, fortan jelbit ihre Richter und Pfarrer zu wählen und für fich und nicht mehr für ihre Herren Abgaben zu entrichten. Dem Be fehle des Katjers, ven Bund aufzulöſen, weigerten fie fich Folge zu leilten. Gerade waren 3000 Bauern bei Goggau unweit Tarvis verfammelt, als von Flitih ber über ven Paß Prebil am 26. Juli ein türkiiches Streifcorps in Kärnten einbracdh, die Bauern zeriprengte und mehrere Wochen lang den größten Zeil von Kärnten bis in die abgelegenften Alpenthäler ausplünderte und verwüſtete, worauf fie über Eilli nach Bosnien heimzogen. Es war für die Innerdfterreicher ein ſchwacher Zroft, daß die türki« ſchen Raubſcharen von Peter Zrinhi bei Jaicza überfallen und großenteild aufgerieben wurben. Die Türken wurden dadurch jo wenig abgeichredt, daß fie fehon im Auguft 1479 wieber einen Einfall in das jüdöftliche Steiermark unternahmen, wo fie unter andern Luttenberg einäjcherten ?).

1) Unreft, ©. 609. 631—643. Über die Bauernbewegung f. auch

258 Beginn ber Feinbfeligleiten dur Ungarn.

und ſeckauiſche Seiten mit feinen Befatungen zu verfeben. Und da Hatte Matthias noch die Stirne, den Kaifer zu erfuchen, er möge ihm den Durchzug durch feine Länder geftatten, damit er die Denetianer befriegen könne, mit denen er wegen bes Beſitzes der Injel Veglia in Streit geraten war, und die Ver weigerung dieſes Wunjches als genügenden Grund zur Eröff- nung ber Teinbfeligfeiten zu bezeichnen! In den Faſten des folgenden Jahres wurden ſogar Frieſach, Gmünd, Sachſenburg und andere falzburgiiche Schlöffer von ungariichen Truppen unter Hans Haugwis von Seibersdorf bejegt. Damit nicht zufrieden, Tieß Matthias dem Katjer felbjt Radkersburg und nach längerer Belagerung Fürftenfeld und endlich durch Über- fall auch Landftraß wegnehmen.

Damit, wie durch den im Sommer 1480 erfolgten Ein« Bruch des ungarifchen Hauptmanns Zeleny in Oſterreich nörb- lich von der Donau!) war der Friede gebrochen, wenn auch eine Kriegserflärung noch nicht erfolgt war. Doch kam e8 noch zu keiner entjcheivenden Waffenthat.

Der Kaiſer, anfangs auch durch einen Grenzkrieg gegen böhmifche Adelige gelähmt ?), vermochte nicht einmal eine ge- nügende Macht zufammenzubringen, um bie Ungarn aus Inner« Öfterreich zu vertreiben. Haugwitz und, als diefer im Herbite 1480 in Gefangenſchaft geriet, ver Böhme Panisko durchzogen ganz Kärnten und die benachbarten Zeile von Oberfteiermart und brandichagten die Bewohner und mit ihnen wetteiferten die Söloner des Kaiſers. Um den Ruin der Einwohner zu vollenden, drang Anfangs Auguft 1480 wieder ein türfiiches Heer durch Krain in Kärnten ein, durchſchwärmte nicht bloß einen großen Zeil dieſes Landes, befonders das Drau-, Gurk⸗ und Lavantthal, fondern auch das ganze Murthal in Steiers mar! norbwärts bis vor Rottenmann, brannte alle Häufer, Kirchen und unbefeftigten Ortichaften nieder und führte bie Einwohner, die am Leben gelafjen wurden, aus Kärnten allein

1) Chmel, Reg. Frid., no. 7394. 2) Kurz, Ofterreich unter 8. Friedrich IL, 140 ff.

Einfälle der Türken In bie öfterreichifchen und ungarifchen Länder. 259

angeblich bei 500 Priefter, in die SHaverei ab 1). Es war ein geringer Erfolg für den Kaiſer, daß ber Erzbiichof Bern⸗ bard von Salzburg im November 1481 endlich wirklich ab» dankte und num ber Erzbiſchof Johann von Gran als fein Nachfolger anerkannt wurde. Denn wenn die Ungarn bisher im Namen des Salzburger Erzbiſchofs einen Teil Inneröfterreichs bejegt gehalten Hatten, fo tbaten fie dies fortan im eigenen Namen. Auch im Oktober 1483 kamen die Türken iwieber bis ins fübliche Kärnten. Doch wurden fie biegmal auf der Heimkehr am 29. Oktober von Matthias Gereb, Ban von Kroatien, angegriffen und vollſtändig aufgerieben, bie mit⸗ geführten Gefangenen befreit?).

Wie dem Kaifer die Erichöpfung feiner Erblande und bie Sleichgiltigkeit des Deutichen Reiches die Aufftellung eines größeren Heeres unmöglich machten, ſo dem Könige Matthias bie Kriege gegen die Türken, ‚welche gegen Norden vollkommen freie Hand erhielten, da fie die Eroberung Albantens vollendet und am 25. Januar 1479 auch mit Venebig einen vorteil baften Frieden abgeichlofjen Hatten.

Im Auguft dieſes Jahres, während Matthias aus Olmütz, wo er mit Wladiſlaw von Böhmen Frieden gejchloffen hatte, noch nicht zurückgekehrt war, drang ein zaßlreiches türkiſches Streif- korps von Südſteiermark her auch nach dem weftlichen Ungarn, wenigſtens bis Eijenburg vor, von wo e8 außer großer Beute taufende von Einwohnern wegführte.

Auf der andern Seite fiel ein türkiiches Heer von 43000 Mann, durch die Walachen beveutend verftärkt, noch im näm⸗ lichen Herbite in Siebenbürgen ein, das weit und breit aus⸗ geplündert wurde. AS die Türken mit reicher Beute nach- hauſe Tehrten, griff fie der Wohywode Stephan Bathory mit dem ftebenbürgiichen Aufgebote am 13. Oftober auf der Ebene Kenyermezö („Brotfeld“) zwifchen Broos und Karlsburg an.

1) Unreſt, ©. 654f. Krones in „Beitr. z. K. ſteierm. Geſchq.“ VII, 37 und die Berichte in Mon. Habsburg, J,3, 208. 722—725. 2) Unreft, ©. 689. Schreiben des K. Matthias an ben Papft vom 6. November 1483. Mon. Hung. IV, 363. 17*

260 Erfolge der Ungarn.

Schon waren die Siebenbürger nach tapferem Kampfe in Ge⸗ fahr, übermannt zu werben, ein Zeil derjelben auf dem Rück⸗ zuge, Baͤthory jelbit verwundet. Da erſchien im Rüden ber Feinde Paul Kinizfi, Obergeipan von Temesvar und General» tapitän von Niederungarn, mit neuen Streitkräften. Bon zwei Seiten gefaßt, erlitten die Türken eine vollftändige Nieder⸗ lage; ber größere Zeil ihres Heeres, wie e8 beißt, wenigſtens 30000 Mann, mit mehreren Anführern bevedte das Schlacht» feld. Mitten unter den Leichen feierten die Ungarn beim Ein- bruche der Nacht den teuer erkauften Sieg und hielten ein Ge⸗ lage mit Gefängen und Tanz, wobei ber riefige Kinizfi, der e8 vom gemeinen Fußſoldaten zum Heerführer gebracht Hatte, einen erjchlagenen Türken mit den Zähnen erfaſſend, einen Reihen aufführtel ?)

Diefe vernichtende Niederlage ver Türken rief unter den⸗ jelben einen jo großen Schreden hervor, daß fie in der nächlten Zeit Feinen Angriff auf Ungarn mehr wagten. Im Gegentetle nahm dieſes die Offenfive wieder auf.

Im Frühſommer 1480 griffen die ungarifchen Feldherren im Bunde mit dem Woywoden Stephan von der Moldau bie Walachei an, jchlugen ein walachijch-türfifches Heer von 20 000 Dann mit einem Verluſte von 8000 Mann, drangen bis zur Donau gegenüber von Nilopolis vor und eroberten einen großen Zeil des Landes, ohne dieſes freilich dauernd behaupten zu können ?). Anfangs November überjegte Kinizfi mit 32 000 Mann bei Rama die Donan, und drang nach einigen glück⸗

1) Über dieſe Schlacht Bringt Bonfinii Dec. IV, lib. 6, p. 479qg. ben eingebenbften Bericht, ber freilich im einzelnen willkürlich ansgeſchmückt if. Bol. damit das Schreiben de K. Matthias aus Ofen, 22. Oktober 1479 in Mon. Hung. Matyäs kir. koräbol. II, 394 und das fogen. Chron. Dubnic. in Hist, Hung. Font. domest. III, 20184. Dlugosz XIII, 586g.

2) Nach zwei gleihlantenden Schreiben der Königin Beatrir an ihren Bruder und die Herzogin von Ferrara vom 9. Juli in Mon. Hung. II, 4365qg. Über neue Kämpfe bafelöft im Sommer 1481 f. das Schreiben bes Königs Matthias ibid. IV, 360.

Waffenſtillſtand zwiſchen Ungarn und der Türkei. 261

lichen Gefechten durch) Serbien bis Kruſchewatz vor. Nach einer zwölftägigen Verwüftung des Landes kehrte er mit reicher Beute, begleitet von mehr al8 50000 Serben und 1000 Türken mit ihren Familien, bie auf ungarifches Gebiet überfiebelten, über die Donau zurüd. Gleichzeitig fiel Matthias felbit in Bosnien ein. Das ganze Gebiet an ber oberen Bosna wurde ausgeplündert und verwüſtet, felbft Vrhbosna, das heutige Se- rajewo, ſchon damals eine der größten Städte der europätichen Türkei, weggenommen, die Türlen wiederholt mit großem Ver⸗ Iufte gefchlagen. Die Ermübung feiner Leute, das fchlechte Wetter, das Ausbleiben der vom Papfte und anderen ttalient- chen Fürften in Ausficht geftellten Hilfe und fein geipanntes Berhältnis zum Kaifer bewogen ihn aber nach wenigen Wochen zur Rückkehr nach Agram, ohne daß er bie eroberten Gebiete zu behaupten werjucht hätte). Und doch ſchien ein Krieg gegen die Osmanen gerade jett größeren Erfolg zu verfprechen, ba der gefürdhtete Sultan Muhammed II. Anfangs Mai 1481 ftarb und zwilchen feinen Söhnen Bajefiv TI. und Dſchem ein Kampf um die Herrfchaft ausbrach. Deffenungeachtet gab Matthias den Anerbietungen Bajefids Gehör und fchloß mit ihm Ende 1483 einen fünfjährigen Waffenftillftand, ber bann 1488 auf weitere drei Jahre verlängert wurde. Ä

Zugute ift diefer Waffenftilfftand nur den Türken gefommen. Denn gleich nach dem Abſchluſſe desſelben bemächtigten fte fich des Reſtes der Hercegowina, wodurch die Südgrenze Ungarns noch mehr gefährdet ward, und entriffen dem Woywoden der Moldau Kilta und Aljerman, was dieſen bewog, fich ftatt an Ungarn, wieder an bie Polen anzufchließen.

Sobald fih Matthias vor Angriffen vonjeite der Türken

1) Schreiben des K. Matthias an ben Papft aus Agram vom 14. Dez. 1480 in Mon. Hung. IV, 339, wodurch auch die Zeit biefer Heerzlige fichergeftellt wird. Vgl. ibid. p. 847 das Schreiben vom 11. März 1481 und die offenbar falfch batierten- Briefe besfelben ap. Katona XV], 282 und 395 (erfterer vollſtändiger Bei Teleki XII, 156) und Bonfinius IV, 5, p. 476 zu 1479.

262 Erfolge ungarifcher Hauptleute in Ofterreich.

ficher fühlte, nahm er ven Kampf gegen ven Kaifer mit größerer Energie auf.

Schon bisher war biefer den ungariichen Feldhauptleuten nicht geivachien gewejen. Zwar entjekten ber Graner Erz biichof und ver böhmiſche Sölpnerführer Wenzel Wléek um Pfingften 1481, und zwar wahricheinlih während eines kurzen Waffenſtillſtandes, das von den Ungarn belagerte Marburg, erlitten aber dann bei einem Einfalle in Ungarn empfindliche Verluſte 2). Im SOfterreich durchſtreifte Zeleny ſchon anfangs 1481 ungeftraft das ganze Land von Wien bis über bie Enns, alles brandfchagend oder verwüſtend?). “Die weiteren Operationen wurden den Ungarn badurch erleichtert, daß Johann von Hohenberg (jüblich von Lilienfeld) dieſelben in feine Burgen aufnahm und daß auch die paſſauiſchen Städte in Nieveröfterreih in die Hände der Ungarn kamen. Denn auch in Paſſau wollte der Kaifer mit Genehmigung des Papftes einen feiner Günftlinge, ven In diplomatiſchen Gefchäften viel verwendeten Karbinal Georg Heßler, auf den biſchöflichen Stuhl bringen, während das Kapitel den bairtichen Kanzler Georg Mauerfircher wählte und im Herbfte 1481 die Städte Sankt Pölten und Mautern, um fie vor dem Kaiſer zu fchügen, dem Köntge von Ungarn verpfänbete. Das ganze Gebiet der Traifen kam auf biefe Weife in die Gewalt der Feinde, die ed übrigens kaum ſchlimmer trieben als die Taiferlichen Heerführer, mit denen Frievrih um den Solo marltete, und manche Beamte oder Edellente.

Noch war übrigens ber Krieg nicht erflärt und es wurde auch unter Vermittlung teild päpftlicher Legaten teils beutfcher Vürften über die Herftellung des Friedens verhandelt. Matthias beteuerte immer feine Yriedensliebe und er mag auch anfangs

1) Unreft, S. 665f. Die Urkunden über den Waffenfillftand bei Rurz IL 267-271.

2) Kurz II, 157f. Über die weiteren GEreigniffe ſ. 8. Schober, Die Eroberung Nieberöfterreihs durch Mathias Corvinus in den Jahren 1482—1490. Wien, 1879. (Aus den „Blättern des Vereins für Landes⸗ Iunde von Nieberöfterreich”, Jahrg. 1879 und 1880).

.

Perfönliches Eingreifen des 8. Matthias. 268

mit Rüdficht auf die noch von ven Türken drohenden Gefahren einem Ablommen nicht abgeneigt geweſen fein. Leider finb über bie von beiden Seiten geftellten Bedingungen nur ſehr lüden- bafte Nachrichten bekannt. Wenn aber der ungariiche König im Herbite 1483 dem päpftlichen Legaten gegenüber fich bereit erflärte, bie eroberten Drtichaften in die Hände des Papftes zu geben, ver fie dem Kaiſer zurüditellen follte, falls ihm das Deutiche Reich drei Sabre lang 10000 Reiter gegen die Türken geſtellt Hätte, fo Hang biefe Bedingung wie Spott, da Matthins wohl wußte, daß der deutſche Reichstag fich dazu nie herbei lafjen würde. Es fcheint aber auch, daß ber Kaiſer und feine Näte für den Frieden feine Opfer bringen wollten, weil fie ſich in großen Illufionen wiegten und glaubten, daß ber um gariiche König wegen Erichöpfung feiner Kräfte den Krieg nicht mebr lange würde fortführen können ?).

Und doch Hatte Matthias damals bereits perſönlich mit großem Erfolge den Kampf begonnen. Schon im Mat 1482 eröffneten die Ungarn die Belagerung des feiten Haimburg, des Schlüffeld zu Oſterreich, die der König felbft von Pres- burg aus leitete. Anfangs wurde ein ungarijches Korps unter Stephan von Zapolya, Erbgrafen ver Zips, das die Belage⸗ zung veden follte, durch die Kaiferlichen zwifchen Hatmburg und Bruck vollftändig geichlagen und bie Ungarn zur Aufhebung der Belagerung gezwungen. Doch fammelte nun Matthias ein noch größeres Heer, das die Kaijerlichen nicht mehr zu durchbrechen vermochten. Am 5. Oktober ?) ergab fich daher bie durch Hunger aufs äußerfte gebrachte Stadt, einige Tage darauf auch die Burg. Bon da rüdte Matthias bis gegen Wien vor und bejeßte mehrere Ortichaften in ber Umgebung biefer Stabt, ſodaß die Zufuhr in biejelbe ſehr erſchwert ward.

1) Der interefiante Bericht des Legaten, bes Biſchofs von Eittä bi Eaftello, ap. Pray IV, 162sq. Katona XVI, 500sqg.

2) Diefen Tag giebt der gleichzeitige Bericht eines Frankfurter ar feinen Rat aus Wien bei Janſſen, Reichscorreſpondenz II, wor den 80. September ber fpätere Bonfint.

264 Tapfere Berteibigung ber nieberöfterreichifchen Städte.

Um nicht Hier eingefchloffen zu werben, verließ ber Kaiſer An⸗ fange April 1483 bie Stabt, die er nicht mehr wieberfehen ſollte, und 309 fih nah Graz zurüd. ‚Wenige Tage darauf ergaben ſich auch die Bürger von ‚Klofterneuburg gegen ben Willen ihres Rates.

Im Sabre 1483 wurden keine größeren Zruppenicharen ins Feld geftellt. Der Kaifer Titt immer größeren Geldmangel, je ausgebehntere Gebiete von ben Ungarn bejegt ober gebrand- hatt wurden. Seine Unterthanen juchten fich zu helfen, wie e8 ging, wie denn die Stände von Kärnten 1482 mit bem ungarifchen Könige eigenmächtig Trieben fchloffen, den fie mit 10000 Goldgulden erfauften, und im Herbit 1483 die Wiener ebenfalls durch Zahlung bedeutender Geldſummen fich die Er⸗ Yaubnis zur Weinleje erwirkten. Matthias wendete feine Auf- merkſamkeit eine Zeitlang den türkifchen Angelegenheiten zu und ließ fich vielleicht auch durch Die vom Papfte eingeleiteten Friedens» verbandlungen von größeren Unternehmungen abhalten. Doch eroberte er in biefem Jahre Güns !) und andere dem Kaifer verfetste ungarifche Ortichaften.

Unmittelbar nach dem Abichluß des Waffenftiliftandes mit ben Türken nahm Matthias den Krieg gegen ven Kaiſer mit feiner ganzen Macht auf. Nicht die wenig zahlreichen Zruppen bes verlaffenen Kaiſers, fondern nur die tapfere Verteidigung ber niederöfterreichiichen Städte hinderte die Ungarn an raſchen Fortſchritten. Zuerft wurde am 25. Yebruar 1484 DBrud an der Leitha von den Ungarn nad längerer Belagerung erjtürmt und unter den Einwohnern ein großes Blutbad angerichtet. Korneuburg bielt eine mehr als fiebenmonatliche Belagerung aus, und Iapitulierte erft am 1. Dezember 1484, als alle Lebensmittel, Salz und Holz aufgezehrt und ein großer Zeil der Stabt mit ber Burg durch Feuer zerftört war. Dadurch warb Wien noch mehr gefährbet, beionders weil die große Kälte

1) Bor den 25. Januar 1483 „in eigener Perfon mit großer unferer Arbeit”, wie er in Urk. von obigem Tage im Cod. d. patrius I, 371 fagt.

X

Fall Wiens und des größten Teils von Niederöſterreih. 265

ben Ungarn bie Überfchreitung der feftgefrorenen Donau, bie Beſetzung des Praterd und die Wegnabme der Verſchanzungen, welche die Brüden deckten, ermöglichte Bon allen Seiten wurde Wien nun eingeichloffen, die Donau durch breifuche Ketten und verſenkte Fäſſer abgeiperrt. Der Kaiſer, der ſich ſchon im Dftober von Graz nach Linz begeben batte, that alles, was in feinen geringen Kräften lag, um ber Stadt zu helfen, vermochte fie aber nicht zu retten. Die Not, wie es beißt dadurch gefteigert, baß einzelne reiche Bürger viele Lebensmittel aufgejpeichert Hatten und zu Wucherpreifen verkauften, ſtieg immer höher. Als infolgeveflen die untern Volksklaſſen eine brobende Haltung einnahmen, beichloß der Rat, in dem ber ungariiche König fchon feit Yängerer Zelt mehrere Anhänger hatte, die Übergabe der Stab. Am 1. Juni 1485 hielt ber König feinen feierlichen Einzug in Wien, worauf er fih von den Ständen Nieberöfterreich8 die Huldigung leiften ließ.

Nach einander fielen nun die Heineren Stäbte in bie Ge⸗ walt des ungarifchen Königs, am 27. Juli Zulin, noch früßer Pechlarn, dann, nachdem der Krieg einige Zeit mit geringerem Eifer geführt worden war, Anfangs Yuli 1486 Stein, im Auguft Ziftersporf und Feldsberg, am 30. September nad längerer Belagerung Laa, am 12. Oftober Reg, am 22. No» vember Engenburg, fpäter Zwettl). Wiener Neuftabt ver⸗ tetdigte der Kommandant Hans von Wulfersporf, von ben treuen Bürgern unterftüßt, über ein Jahr gegen das [päter von Matthias jelbft geführte ungarifche Heer, 8000 Fußgänger und 20000 Reiter, bi8 der Hunger auch ihn zwang, am 17. Auguft 1487 bie Feſtung zu übergeben 2). In Nieveröjterreich wurden nur wenige Stäbte, wie Krems, Melt, Ips, Waidhofen und einige Schlöſſer von den Kailerlichen behauptet. Auch von Kärnten

1) ©. hierüber auch ben Bericht bes ferrarefiihen Geſandten beim ungarifchen Könige in Mon. Hung. Matyäs kir. korab6l III, 172. 186. 192. 198. 204. 213. 214. 216.

2) Bgl. die erwähnten Berichte wie bie Briefe der Königin Beatrir, des Königs Matthias und bes befignierten Graner Erzbiſchofs Hippolyt von Efte 1. c. 263. 268. 276. 288. 302. 319sq. 328.

268 Bläne bes Herzogs Philipp von Burgund.

für feinen Abfall von ben Engländern 1435 die Graffchaften Macon und Auxerre und den größten Teil der Picardie zır beiden Seiten ber Somme. |

So dehnte ſich Die Herrichaft Philipps von Burgund vor der Nordiee bis an den Jura und in bie Nähe ver Alpen aus und umfaßte die blühendſten, induſtriellſten und wohlhabendſten Linder. Obwohl nicht Souverän, fondern Vaſall teil des Königs von Frankreich teils des deutſchen Neiches ftand er bei ber bamaligen Zerfplitterung beider Reiche an Macht über beiven, wie er fich denn auch weigerte, vom Kaiſer Sigmund fich mit den Ländern belehnen zu laffen, die er meift gegen bie Be⸗ ſtimmungen des Neichölehnrechtes an fich gebracht Hatte.

Schon Philipp ging mit dem Plane um, fich zu feiner Macht auch den entiprechenden Titel zu verjchaffen, ein neues lothringiſches Königreich zu gründen und dann vielleicht feinem Haufe. auch die Kaiſerwürde zus verichaffen.

Die Not, in die König Friedrich durch die Schweizer und Sranzofen geriet, beisog ihn 1445 zum Verſuche, die Unter- ftügung des mächtigen Burgunders zu gewinnen. PHilipp kam ihm mit großer DBereitwilligfeit entgegen, ba ihm gerade damals viel daran gelegen war, fich den Befig bes neuerworbenen Luxemburg zu fichern, auf welches die Böhmen wegen ber früheren Zugehörigkeit dieſes Herzogtums zu ben Ländern ihrer Krone, und Herzog Wilhelm von Sachen im Namen feiner Gemahlin Anna, Enkelin des Kaijerd Sigmund, der Luxem⸗ burg als Mitgift verfchrieben worden war, Anipruch erhoben. Die Unterbandlungen wurben zuerft durch Friebrichs Bruder Albrecht VI., fpäter aber mit des Königs Näten Ulrich von Cilli und dem Kanzler Kafpar Schlick geführt, der feine Hab⸗ ſucht auch hier in der unverichämteften Weije an den Tag legte, indem er bem burgunbifchen Geſandten erflärte, er würde in dieſer Sache um jo fleißiger fein, wenn er wüßte, um welchen Preis er dem Herzoge dienen follte.

Philipps Forderungen waren allerdings jehr weitgehend. Elifabeth, des Königs Ladislaus jüngere Schwefter, follte mit feinem Sohne Karl vermählt und diefer alle Anfprüche des

Seine Unterbandlungen mit 8. Friedrich IH. 269

luxemburgiſchen Haufes auf das Herzogtum Luremburg abge treten worben. Weiter follten alle Länder, welche ber Herzog von Burgund innerhalb Deutſchlands beſaß, zu einem König⸗ reiche erhoben und dem neuen Könige nicht nur alle echte, die dem Kaiſer in deſſen Ländern wie in Oftfriesland zuftanden, Sondern auch die Lebenshoheit über Geldern, Jülich, Kleve, Ders, Mark, Mörs und Lothringen, kurz über das ganze weftliche Deutſchland übertragen werben. Als Grenze für das neue Königreich wurde ver alte Umfang des lothringiſchen Reiches zur Zeit der Karolinger vorgefchlagen. Unb dafür bot ver Herzog nichts als für Friedrich und feinen Mündel Ladislaus die Hand zweier portugiefiicher Infantinnen, Nichten feiner Gemahlin! Um diefen Preis wollte denn boch Friedrich die Freundſchaft des Burgunders nicht erlaufen. Er war bereit, der Prinzeffin Elifabeth eine Mitgift von 70000 Goldgulden zuzufichern und diefe auf Luxemburg anzuweilen, aber er wollte zugleich allen andern ihre Anfprüche auf dieſes Land vorbehalten. Er er: Härte auch feine Geneigtheit, den Herzog zum Könige von Bra- bant zu machen und ihm als folchem alle feine in Deutjchland gelegenen Gebiete zu unterwerfen. Aber er behielt dem Reiche bie Lehenshoheit wie alle fonftigen Nechte vor und weigerte fich, ihm andere Länder unterzuorbnen, weil er al8 „Auguftus” das Reich zu mehren, nicht zu verkleinern und zu zerreißen verpflichtet ſei. Da diefe Angebote dem Burgunder nicht wertvoll genug Ihienen, brach er im Sommer 1448 bie Unterhanblungen ab’).

Ende 1462, wo der Kaifer durch feinen Bruder, wie jeine Anhänger im Neiche durch die mit ihm verfeindeten Wittels⸗ bacher, Hart bedrängt wurde, warf er wieder jein Auge auf Philipp von Burgund, ver ſich auch wegen feines fcheinbaren Eifers für einen Kreuzzug der Fürſprache des Pabſtes erfreute. Wieder erklärte er fich bereit, demſelben den Königstitel zu ver» leihen und das Reichsvikariat in den wäljchen Landen jenjeits

1) Die Altenſtücke mitgeteilt von Birk in Chmels öſterreichiſchem Geſchichtsforſcher I, 233—271 und in Chmels Materialien I, 165f. 205—208. 240-245. 274. 277. 287.

270 Eroberungen Karls bes Klibnen.

des Rheines zu übertragen, wie feinen Sohn Marimilian mit Philipps Enkelin Darin zu vermählen. Als aber feine Lage fih) etwas beſſerte, ließ er den Plan wieder fallen, obwohl auch Albrecht von Brandenbung ihn eifrig befürmwortete und darauf Hinwies, daß dieſes Heiratsprojeft zur Vermeßrung ber . Macht des Haufes Ofterreich führen könnte 1).

Ohne daß Philipp fein Haupt mit der Köonigskrone ges ſchmückt gefehen hätte, jchied er 1467 aus bem Leben. Aber auch fein Sohn Karl der Kühne, ein ehrgeiziger, tapferer, ja tollkühner, alles überftürzender Fürſt, hielt dieſelben Ziele feit. Bor allem war er mit Erfolg bemübt, fein Reich buch bie Erwerbung der dazwiſchen Tiegenden Gebtete zu erweitern und zu arrondieren. Wie er das Bistum Lüttich in Abhängigkeit von ſich brachte, fo bemächtigte er fich auch des Herzogtums Geldern mit Zütphen, indem er fich des Herzogs Arnold, ber von jeinem Sohne Adolf gefangen gehalten ward, annahm, ihm 1471 die Freiheit verjchaffte und ihn 1473 gegen 300 000 Goldgulden zur Abtretung feines Landes bewog.

Im Süden fuchte er feine Herrichaft bis zum Oberrhein auszudehnen und auch Hier fchien er feinen Zweck zu erreichen. Sigmund von Tirol, dem die Eidgenoffen nah und nach alle habsburgiſchen Gebiete ſüdlich am Rhein entriffen hatten, war bon biefen wegen ber Gewalttbätigfeiten vorländiicher Adeliger gegen die ihnen verbünbeten Stäbte Mühlhauſen und Schaff- haufen 1466 neuerbings befriegt und am 27. Auguft 1468 im Frieden von Waldshut verpflichtet worden, denfelben bis zum 24. Juni des folgenden Jahres 10000 Gulden Kriegsent- ſchädigung zu zahlen over ihnen bafür mehrere öfterreichtiche Gebiete zu überlaffen ). Teils um das Geld aufzubringen, teils um fich gegen weitere Angriffe der Schweizer ficher zu ſtellen, wendete fih Sigmund auf den Rat des Kaiſers an König Ludwig XI. von Frankreich, mit dem er bisher immer

1) Bachmann, Reichsgeſchichte I, 360f. 372f. 2) 8. Witte, Der Mühlhauſer Krieg. „Jahrbuch fiir Schweizeriſche Geſch.“ XI, 259—332.

Berpfänbung vorberöfterreichifcher Gebiete an benfelben. 271

in freundfchaftlichen Beziehungen geftanden Hatte. Diefer wollte - fih aber mit ven Schweizern umjoweniger verfeinden, als er mit dem Herzoge von Burgund und anderen mächtigen VBafallen ganz zerfallen war. Er Tieß daher eine Gefandtichaft, bie Sigmund an ihn fchidte, ohne Erfolg abziehen und dem Herzoge jelbft, der auf der Reife nach Frankreich fchon nach Troyes gelommen war, melden, baß er feine Weiterreife nicht wünſche. Run begab fih Sigmund im März 1469 zu Karl dem Kühnen nach den Nieberlanben und entichloß fich ſogar, befjen ‘Diener zu werden, wofür dieſer ihm feinen Schub bes ſonders gegen bie Eidgenofjen zuficherte. Endlich ließ fich Sig. mund auch roch bewegen, am 9. Mai dem Herzoge von Bur⸗ gund um 50 000 rheinifche Goldgulden bie Landgrafſchaft Ober- elſaß mit dem Sundgau, die Grafichaft Pfirt, die Stäbte Rheinfelden, Sedingen, Laufenburg und Waldshut, die Gräfe haft auf dem Schwarzwalb und Schloß und Stadt (Alt) Breiſach zu verpfänven, ober eigentlich zu geftatten, daß ber Burgunder diefe von Sigmund ſchon großenteils verjeßten Ge⸗ biete von den jekigen Inhabern an ſich löſe. Thatſächlich kam dies einer gänzlichen Abtretung dieſer Länder an ben Burgunder gleich, der dadurch fogar auf dem rechten Nhein- ufer feiten Fuß faßte. Denn wenn auh Sigmund ſich und feinen Erben das Recht vorbehalten Hatte, dieſelben um obige Summe unter Zurechnung der Einhaltungstoften zurüdzuldjen, fo war e8 nicht wahrfcheinlich, daß die Herzoge von Ofterreich, bie ohnehin immer in Geldnot waren, die erforderlichen Mittel anf einmal aufbrächten, da Sigmund felbft erllärte, daß jchon jegt die auf diefen Gebieten laſtenden Pfandjummen gegen 180000 Gulden betrügen !). Nur die Ausficht, die verlorenen

1) Der Beriht Sigmunds an ben Kaifer über feine Neife nach Frauk⸗ reich and Burgund und die Verhandlungen daſelbſt, noch vom Jahre 1469 (nicht 1470), mitgeteilt von Chmel in Mon. Habsburg. 1,2, 131 ff. und mehrere auf bie Verpfändung bezügliche Urkunden in F. R. Austr. Dipl. II, 223sqq. Weitere verzeichnet Chmel in Mon. Habsburg. 1,1, 3sqg. und Lihnomsty VII, Reg. Nr. 1349-1355. Bel. au G. Kraufe, Beziehungen zmwifchen Habsburg und Burgund bis zum

272 Anträge des Herzogs Karl an ben Kaifer.

Gebiete in der Schweiz Wieder zu gewinnen und an den ver⸗ haßten Cidgenoffen Race zu nehmen, konnten Siegmund zu einem jolchen Schritte beftimmen.

Auf den vergnügungsfüchtigen Herzog Sigmund machten bie Pracht und der Reichtum des burgundiichen Hofes, an dem er ſehr lange verweilte, einen gewaltigen Eindrud. In feinem Geifte ftieg wieber ber Gebanfe auf, die blühenden Länder, bie Karl beſaß, durch eine Vermählung der einzigen Tochter besjelben mit dem Erzberzoge Maximilian an das Haus Djter- reich zu bringen. Da Karl fich diefem Projekt nicht abgeneigt zeigte, fo empfahl e8 Sigmund dem Katjer ). Da aber dem Herzoge von Burgund unterbeffen von Georg von Böhmen, der auch an demjelben eine Stütze zu gewinnen juchte, die römiſche Königswürde angeboten worden war ?), fo glaubte er auch vom Kaiſer basjelbe fordern zu dürfen, wenn er bie gewünjchte Heirat bewilligen ſollte. Um biefen günftiger zu ftimmen, ftellte er ihm auch feine Unterftügung zur DVertei« Digung gegen die Türken, zur Berubigung feiner Länder und zur Hebung des Reiches in Ausficht. Sigmund überbrachte diefe Anträge des Herzogs im Juli 1470 perſönlich dem Kaiſer nach Villach.

Welchen Wert aber auch Friedrich auf die Freundſchaft des mächtigen Herzogs und auf die Heirat ſeines Sohnes mit der Erbin desſelben legen mochte, ſo wollte er doch unter keiner Bedingung denſelben bei ſeinen Lebzeiten zum römiſchen Könige wählen laſſen, da er durch denſelben ſicher vollſtändig in den Hintergrund gedrängt worden wäre und ſein eigener Sohn erſt nach deſſem Tode die deutſche Krone hätte erlangen können. Auch war die Wahl Karls zum römiſchen Könige ja gar nicht

Ansgang der Trierer Zufammenkunft im Jahre 1473. Graubenz, 1876 (Diff. von Göttingen), ©. 22ff., 8. Rauſch, Die burgunbifche Heirath Maximilians L, ©. 16ff. und H. Witte, Zur Geſchichte der Entftehung ber Burgunderkriege. H. Sigmunds von Öfterreih Beziehungen zu ben Eidgenofien und zu Karl d. Kühnen 1469—1474 (Hagenau 1885), S.1ff. 1) Sigmunds erwäßnter Bericht 1. c. 2) Balady IV,2, 600. Rauſch, ©. 35f.

Erfolglofigkeit der Unterhandlungen. 278

Sache des Kaijers, fondern ver Kurfürften, bei deren Majorität Sriedrih auf fein Entgegenlommen in dieſer Frage rechnen durfte. Er lehnte daher biefen Punkt unter Hinweifung auf feine Verpflichtungen gegen das Reich und die Kurfürften furz« weg ab. Dagegen erbot er fich auch jet wieber wie im Jahre 1447, eines der Länder des Burgunders zu einem SKönigreiche zu erheben und alle übrigen Reichslehen desſelben bamit zu ver- einigen, unter der Bedingung, daß diefer vom Reiche die Bes lehnung empfange und demfelben Gehorſam leiſte und daß er dem Saifer und dem Herzoge Sigmund gegen alle Feinde im Reiche und in den Rändern des Haufes Oſterreich beiftehe, na- mentlich um biefem die Schweizer und Freiburg im Ochtland wieber zu unterwerfen ?).

Karl Tehnte das Angebot, ihn zum Könige zu erheben, ge⸗ tade fo ab, wie früher fein Vater und gab fich zugleich den Anjchein, als wenn er auch die römiſche Königswürde als eine Laft anfühe, an die er nur gedacht habe auf das ‘Drängen vieler in ber Meinung, daß der Kaifer dies wünjche, und um bie Königswürde einft auf feinen Schwiegerfohn, ten Erzherzog Marximilian, übertragen zu können ?). |

1) 8. Friedrichs „Antwort auf die Werbung und das Anbringen ber Burgundiſchen des Heirath8 und anderer Sachen halben, fo 9. Sigmund an fein kaiſerlich Gnaden gebracht bat“, in Mon. Habsburg. 1,1, 20 bis 24, was dann Sigmund am 26. Sept. 1470 dem Herzoge von Burgund berichtet. Ibid. p. 10—13 = 25—28. Daß Sigmund an den Kaifer nicht, wie Raufh ©. 38 und 198 meint, Geſandte geſchickt, fondern ſelbſt die ihm von burgundiſcher Seite „in geſchrifft“ eingeantmorteten Vorſchläge an den Kaiſer (nach Villach) gebracht habe, ſteht ausdrücklich in des Kaiſers „Antwort“ und wird auch beſtätigt durch die Berichte bei Janſſen, Reichscorreſpondenz II, 256, Nr. 412, und bei Gemeiner, Negensb. Chronik III, 470, nach welch letzterem auch Kurgunbifche Räte in Billach gemwefen wären. Doch fiheinen biefe fhriftlichen Vorſchläge bes Herzogs von Burgund nach manchen ber Ausführungen bei Rauſch, S. 197 ff., mit der Inftruftion desfelben bei Commines ed. Godefroy IV, 392ff. nicht identiſch zu fein, ſondern biefe ind Jahr 1472 zu ge— hören.

2) Schreiben an 9. Sigmund vom 15. Januar 1471. Mon. Habsb. I,1, 13.

Huber, Geſchichte Öfterreichs. III. 18

274 Wiederaufnahme ber Unterhanblungen.

Die Unterhandlungen über das Hetratsprojeft fcheinen dann einige Zeit gerubt zu haben. Karls Aufmerkſamkeit wurbe durch den Sturz feines Schwagerd Eduard IV. von England und durch Kämpfe mit dem franzöfiichen Könige in Anfpruch genommen, ſodaß er nun andere Fürften, deren Unterftügung. ihm für den Augenblick notwendig fchten, durch die Hand feiner Tochter zu ködern fuchte. Der Kater jcheint nach den’ Forde⸗ rungen Karls ohnehin Keinen großen Eifer mehr dafür gehabt zu baben. Auch Stgmund von Tirol machte im Herbjte 1471 einen Verſuch, mit den Eibgenoffen einen dauernden Frieden zuftande zu bringen, ba er fich überzeugte, daß Karl fih zu einem Kriege mit denfelben nicht bewegen laſſe 1). Als aber das Verhältnis des Kaifers zu feinen Untertbanen und zum Könige von Ungarn immer feindfeliger, die Raubzüge der Türlen immer gefährlicher wurden und fein Verſuch, durch perjünlicdes Ericheinen auf einem Reichstage in Regensburg im Sommer 1471 die deutichen Stände zu feiner Unterftügung zu beivegen, vollftändig fehlihlug, da knüpfte er Ende 1472 die Verhand⸗ fungen mit dem Herzoge von Burgund wieder at.

Karl war freilich unterveffen in feinen Forderungen: nicht mäßiger geworden. Auch bei den Verhandlungen, bie feine GSejandten im Sommer 1473 mit dem Kaiſer führten, hielt er an dem Verlangen feft, daß biefer fchon bei fetnen Lebzeiten ihn zum römiſchen König mache, wie dann auch er nach Frieb« richs Tode diefe Würde feinem Schwiegerfohne Marimilian übertragen würde. Er fuchte Friebrich durch den Hinweis zu födern, daß Mar durch die Vermählung mit feiner Tochter bie größten und jchönften Länder der Chriftenheit befommen und das Haus Djterreih auf diefe Weiſe mächtiger werden würde als irgend ein anderes Haus der Welt, daß der Kaijer felbit dur den Herzog Gehorfam finden, die Fürften und Städte im Reiche ihm wieder unterthänig gemacht werden und er

1) Witte, ©. 9ff. gl. Mandrot, Etude sur les relations de Louis XI., roi de France, avec les cantons Suisses im „Jahrbuch für Schmeizer. Geſch.“ V, 145ff.

Die Zufammenkunft zu Zrier. 215

größeres Anfehen erlangen würbe, als irgend ein Kaiſer feit dreihundert Iahren, und daß er auf dieſe Weije auch im bie Lage käme, die Zürlen zu vertreiben. Nur im äußerften Falle wollte fih Karl mit feiner Ernennung zum ftändigen Reichs⸗ vikar und mit ber Zuficherung ber Kurfürften begnügen, daß fie ihn nach des Kaiſers Tode zu deſſen Nachfolger wählen würden ?). |

Doch King die Erfüllung diefer Bebingungen, auch wenn ber Raifer auf diefelben hätte eingeben wollen, nicht von dieſem allein, fondern noch mehr von den Kurfürſten ab, und e8 war jehr zu bezweifeln, daß biefe fich berbeilaffen würden, den mächtigen und gewaltthätigen Herzog von Burgund zu ihrem Fünftigen Herrn zu machen. Wohl. in der Hoffnung, dieſen durch per- jönliche Verbandlungen zu einer Ermäßigung feiner Forderungen zu bewegen, veranftaltete Friedrich nach deſſen Wunfche Ende September 1473 mit ihm eine Zufammenkunft in Trier.

Abt Wochen waren die beiden Fürſten bier beifammen, wobei Karl eine nie geſehene Pracht entfaltete. Vollſtändige Aufffärung über bie Verhandlungen in Trier werben wohl nie zu gewinnen. fein, weil fie meiſt zwijchen dem Kaiſer und dem Herzoge unter vier Augen oder höchſtens unter Beiziehung ihrer beriranteiten Räte geführt und fogar die anmwejenden beutichen Fürften im biefelben nicht eingeweiht wurben. Doch laſſen fich wenigſtens einige Hauptpunfte derſelben feftitellen 2). Anfange ſcheint der Herzog feine frühere Forderung wegen der Wahl zum vömiichen Könige aufrechterhalten, ver Kaiſer dieſelbe ebenfo wie vorher verweigert zu haben. Nach einem Monate war man fich gegenfeitig nicht einen Schritt näher gelommen,

1) Mon. Habsburg. I,1, 30 - 41.

2) Siehe die Zufammenftellung der Berichte bei Fr. Lindner, Die Zufammenkunft 8. Friedrich IH. mit Karl dem Kühnen im Jahre 1473 zu Trier (Difi. von Greifswalde, 1876), S. 3—30 und 56ff. Kraufe, S. 47ff. Rauſch, ©. 86ff. und 207f. Am wichtigſten iſt jedenfalls das Schreiben bes Kurfürften Albrecht von Brandenburg an Wilhelm von Sachen vom 13. November 1473 bei Müller, Reiche Tags Theatrum V, 597 und Riedel, C. d. Brand. II,5, 201.

18 *

276 Scheitern ber Berhanblungen.

fo daß Karl mit feiner Abreife drohte. Um ihn zu bejchwich- tigen, belebnte ihn der Katfer am 4. November mit dem kürz- ih erworbenen Derzogtum Geldern und ging auch fonft in feinen Anerbietungen jo weit, als er ohne grelle Verlegung der Intereffen des Neiches geben konnte. Wie ſchon vor brei Jahren erklärte er fich auch jegt bereit, die Länver, die Karl innerhalb Deutichlands beſaß, und Burgund jelbft, zu einem in männlicher und weiblicher Linie erblichen Königreiche zu er⸗ beben und damit auch Lothringen zu verbinden, bas für ein dem Neiche beimmgefallenes Leben angejeben ward, da ber im Juli verftorbene Herzog feinen Sohn, jondern nur einen Vetter Namens Renatus Binterlaffen hatte. Außerdem wollte ex dem Könige die Oberboheit über die Bistümer Utrecht, Lüttich, Zoul und Verdun und einige benachbarte weltliche Gebiete übertragen. Doch bielt er daran feit, daß dieſes Königreich mit allen feinen Ländern unter ber Lehenshoheit des deutſchen Reiches verbleibe, von biejem aljo nicht getrennt werde. Das gegen jollte Karl feine Tochter mit dem Sohne des Kaiſers vermählen. Schon bieß es, baß beide Fürften auf diefe Be⸗ dingungen bin fich geeinigt haben, daß Karl bes Kaiſers oberjter Hauptmann werben und ibm fein Leben lang 10000 Reiter gegen feine Feinde ftellen, daß er feiner bisherigen Verbindung mit dem Könige von Ungarn entjagen, ibm auch Elſaß als Mitgift feiner Tochter zurücdgeben wolle. Schon fahen alle jene Reichsſtände, die fich biäher dem Kaiſer gegenüber wider» ſpänſtig gezeigt batten, mit Bangen der Zukunft entgegen, wenn dem Kailer der mächtige Burgunder zur Seite ftand.

An der Haltung der Häupter der Reichsſtände fcheiterte denn auch fchließlich die Einigung. Der Kaiſer wäre bereit gewefen, alle jene Punkte aus eigener Machtvolllommenbeit zu gewähren, und meinte, es follte da niemand etwas barein reben. Karl dagegen verlangte die Einwilligung der Kırfürften, ohne die fo wichtige Fragen bisher nicht erlebigt worben waren. Diefe aber waren nicht geneigt, den ſtolzen Burgunber noch mächtiger zu machen und befjen weite Gebiete dann in die Hände ber Habsburger kommen zu laffen. Denn mußte dann nicht

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Karl der Kühne vor Nenf. 217

bie Bedeutung ber Neichsitände, vor allem ihr eigener Einfluß, ganz in den Hintergrund gedrängt werden? Die Räte ber abwejenden Kurfürften erklärten daher, ohne ihre Herren nichts bewilligen zu können, die perfönlich anweſenden, die Erzbifchöfe von Mainz und Trier, verfagten geradezu ihre Zuftimmung. Konnte fich daher Karl ver Erfüllung der ihm vom Sailer gemachten Beriprechungen nicht ficher fühlen, jo zeigte auch er feine Neigung, feine bisherigen Freunde und Bundesgenoſſen, Matthias von Ungarn und Frievrih von der Pfalz, beffen Bekriegung der Kaiſer vor allem wünfchte, preiszugeben ober gar belämpfen zu helfen. Der Kaijer foll auch vom Könige Ludwig von Frankreich, Karl Zodfeinde, gegen biefen aufe gereizt worben fein. Da fo die Ausficht auf eine Kinigung immer mehr dahinſchwand, fo reilte der Sailer am 25. No» vember vor Tagesanbruh aus Trier ab, ohne fich vom Herzoge auch nur verabichievet zu haben.

Karl, der ſchon Vorbereitungen für feine Krönung getroffen Batte, war über das Scheitern feiner Pläne höchlich entrüjtet und ſuchte num feinen Einfluß am heine in Oppofition gegen den Kaiſer auszubreiten, wozu ihm die Wirren im Kölner Erzftifte Anlaß gaben. Der Erzbiichof Ruprecht, ein Bruder Friedrichs von der Pfalz, war wegen feiner willfürlichen Re⸗ gierung mit feinen Ständen und dem Kapitel vollftänbig zer» fallen, jo daß biejes ihn abgejegt und den Landgrafen Hermann von Heffen zum Aominiftrator gewählt hatte. Da der Kaiſer biefen anerlannte, wendete fich Ruprecht an Karl von Burgund, übertrug ihm die Schirmvogtei über das Erzbistum und ber» ſprach ihm außerdem für feine Unterftügung eine große Geld» entihädigung. Ende Juli 1474 erichien biefer mit einem ftattlichen Heere im Erzftifte und begann die Belagerung von Neuß, in das fih Hermann von. Heflen ſelbſt zurücdgezogen Batte.

Karl kam aber bald in eine fehr fchwierige Lage. Neuß widerſtand zehn Monate Yang allen Stürmen ber Burgunder, und unterbeffen fammelte fih, nachdem auf einem Reichstage in Augsburg der Krieg gegen Karl beichloffen worden war,

278 Die Bewegung am Oberrhein gegen bie burgumbdifche Herrfchaft.

fett dent Dezember 1474 unter der Anführung des Kurfürften Albrecht von Brandenburg als Feldhauptmanns ein Reichsheer, das wenigftens an Zahl dem burgundiſchen bebeitend überlegen war).

Schon früher hatte fih am Oberrhein gegen Karl eine ges fährlihe Bewegung erhoben.

Die ſtramme, ja drüdende Regierung feines Statthalters Peter von Hagenbach ?) Hatte bewirkt, daß bie Einwohner ber ihm von Sigmund von Tirol verpfändeten Gebiete fich wieder unter bie frühere Herrichaft zurückſehnten. Ebenſo lebhaft war der Wunſch der Eidgenoffen und einiger Reichsſtände des ſüd⸗ weftlichen Deutichland, die ftätig anwachſende Macht des bur- gundiſchen Herzogs aus ihrer Nähe zu verbrängen, da beffen unerfättlicher Ehrgeiz auch ihre Selbſtändigkeit bedrohte. Schon Anfangs 1473 Hatten die Städte Straßburg, Bafel, Kolmar und Schlettftabt, und die Bilchöfe von Straßburg und Baſel einen Bund unter fich gefchloffen, und einen folchen auch mit den Eidgenoſſen zuftande zu bringen gefucht. ‘Diefe, auch von Hagenbach vielfach beleidigt, waren nicht bloß dazu bereit, ſon⸗ bern fuchten jett ‘auch einen Ausgleich mit Öfterreich herbei zuführen. Da Sigmund von Tirol, vom burgunbiichen Herzoge immer mit leeren Verſprechungen abgefpeift, bie Hoffnung auf Unterwerfung der Schweizer aufgegeben Batte, fo ſuchte er wenigſtens die verpfändeten oberrheiniichen Gebiete wieder an fih zu bringen, was ohne das Geld der Neichsftäbte und bie Waffendilfe der Eidgenoſſen unmöglih war. Um biefen Zwed zu erreichen, war er bereit, zugunften dev Schweizer auf alle Gebiete, die fte feinem Haufe abgenommen hatten, zu verzichten und mit benfelben nicht Bloß, wie es bisher immer gejcheben war, einen Waffenſtillſtand auf eine gewilfe Anzahl von Jahren, fondern einen bauernden Frieden zu ſchließen. Da fo bie

1) Markgraf, De bello Burgund. a Carolo Audace contra ar- chiep. Colon. suscepto. Berol. 1861.

2) 9. Witte, Zur Geſchichte ber burgundiſchen Herrſchaft am Ober- rhein 14691473, in „Zeitſchr. f. d. Geſch. d. Oberrheins“ N. F. J, 129 ff.

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Angriffe auf die burgundiſchen Länder. 279

Intereſſen aller diejer Parteien in ihrer Richtung gegen Bur⸗ gund fich begegneten, jo kam leicht eine Einigung zwifchen ihnen zuftande. Am 30. März 1474 wurde unter DVermittelung eines franzöfiihen Geſandten zwiſchen Sigmund im Namen Oſterreichs und den Schweizern in Konftanz ber Friede, bie „ewige Richtung”, und dann zwifchen beiden und den Städten und Bilhöfen des Oberrheins auf zehn Jahre ein Bündnis ab- geichloffen. Die Städte liehen dem Herzoge die zur Auslöſung ver Pfandichaften nötige Summe, und fie und bie Schweizer veriprachen ihre Hilfe gegen Karl, fall diefer die Herausgabe ber bverpfändeten Gebiete verweigerte. ALS Dies wirklich der Tall war, erhoben fich, nachdem an einzelnen Drten ſchon früher Aufftände ausgebrochen waren, die Einwohner überall gegen bie ‚welihe Tyrannei“ und nahmen am 11. April auch den Statt- halter Hagenbach in Breifach gefangen, der am 9. Mai dem Haſſe des Volles geopfert und enthauptet wurde ).

Die Schweizer und ihre Verbündeten griffen jogar bie bur- gundiſchen Erblande an. Anfangs November 1474 fielen fie in die France Comté ein und eroberten nach einem Siege über ein burgundilches Entſatzheer die Stadt Hericourt. Im folgenden Frühjahr erfolgte ein neuer Einbruch. Auch Karls Erbfeind, Ludwig XI. von Frankreich, der mit den Schweizern und am 31. Dezember 1474 auch mit dem Kaifer ein Bündnis ſchloß, begann nach längerem Zögern im folgenden Mai bie Beindfeligkeiten und nahm einige Städte in der Picardie weg. Karl jelbjt wurde vor Neuß, das noch immer fich behauptete, von einem immer mehr anwachſenden Neichsheere bedroht.

Da trat auf einmal eine Wendung ein. Der Papft Batte fih in letzter Zeit ernftlihe Mühe gegeben, den Frieden in Mitteleuropa berzuftellen, ohne den eine Abwehr der immer weiter vorbringenden Türken unmöglich war. Nach dem Bruche

1) 8. Dändliker, Urfacden und Vorfpiel der Burgunderfriege (Zürich 1876), ©. 31f. Rauſch, ©. 97f. Witte, Burgunderfriege, S. 29ff. Für den Reichäkrieg gegen Karl von Burgund und den Aus- gleich mit dem Kaifer wie die weiteren Ereigniſſe bis zu Karls Tode ſiehe Rauſch, S.107—158.

280 Karla Einigung mit dem Kaifer.

zwiichen dem Kaiſer und dem Herzoge von Burgund hatte er den Biſchof von Forli nach Deutichland geſchickt, um bie beiden Fürſten wieder zu verjöhnen. Die Vermittelung besielben wurde auch von mehreren Fürften unterjtügt, auch des Kaiſers Feldhauptmann Albrecht von Brandenburg war einem Aus» gleiche geneigt. Da dem Sailer jelbit mehr baran liegen mußte, den Herzog zu gewinnen ald zu vernichten, fo fam ein Präliminarfriede zuftande, ber am 28. Mai 1475 bekannt gemacht wurde. Karl bob die Belagerung von Neuß auf, leiftete dem abgeſetzten Erzbilchofe Ruprecht keine Unterftügung mebr und gab feine Zuftimmung zur Vermählung feiner Tochter mit dem Eraberzoge Maximilian. Der Kaifer dagegen fcheint ibm ftilljchweigend ben Herzog von Lothringen und die Schweizer preisgegeben zu haben.

Auh mit dem franzöfiichen Könige brachte Karl am 13. September eine neunjährige Waffenruhe zuftande, befjen Spite gegen Ofterreich und die Schweiz gerichtet war, indem dem Herzoge das Recht vorbehalten wurde, Pfirt und Eljaß wieder in feine Gewalt zu bringen und die Eidgenofjen zu bes friegen, wenn fie dieſen Ländern Hilfe leifteten ). Es ging ein Zug tiefer Verlogenheit durch die Welt, und jeder bielt es für erlaubt, jelbit feinen Verbündeten in jedem Augenblide zu verraten.

Bon allen Seiten fichergeftellt, warf fich der Burgunder jegt auf Lothringen, das er mit der Hauptftabt Nanch in we⸗ nigen Wochen eroberte, und dann auf die Schweizer, welche in biefem Jahre auf Koften des mit ihm verbündeten Savoyens und ſavoyardiſcher Vaſallen Eroberungen gemacht und das Gebiet bi8 zum Genfer Sce unterworfen hatten. Der Raifer ſah ruhig zu, da Karl enblih am 17. November im Lager vor Nanch Vollmacht zum Abſchluß eines definitiven Frieden gab und am 6. Mai 1476 auch erklärte, daß im November die Vermählung feiner Tochter mit deſſen Sobne jtattfinden follte. Auch Sigmund von Tirol ſchloß am 1. Januar einen breimonatlichen Waffenftillitand.

1) Mandrot, Etude, im „Jahrbuch f. Schwelzer. Geſch.“ VI, 216f.

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Der Fal Karls von Burgund. 231

Trotzdem follte Karl an den Schweizern unüberwinbliche Gegner finden. Am 2. März 1476 wurde er bon den viel ichwächeren Eidgenofien bei Grandſon und noch entichievener am 22. Juni bei Murten gefchlagen, wo er mwenigftend 10 000 feiner beten Krieger verlor. Als er bierauf Nanch belagerte, deſſen fich der Herzog Renatus wieder bemächtigt hatte, wurde er am 5. Januar 1477 von den Lothringern und jchweize- riihen Soldtruppen neuerdings befiegt und fand dabei felbft- ein tragiiches Ende.

Der Kaiſer war natürlich bemüht, bie vereinbarte Vers mählung jeines Sohnes mit Karl Tochter und Erbin jegt zur Ausführung zu bringen und benjelben die burgundiſch⸗nieder⸗ ländifchen Gebiete zu fichern )). Doch mußte er ſich vorläufig auf die Abſendung von Briefen und Gejandten beichränfen, da feine Kräfte durch den Aufſtand der öfterreichiichen Adeligen und bie drohende Haltung des ungariichen Königs gelähmt waren.

Und doch wäre es dringend notwendig gewefen, feinen Sohn mit Geld und Truppen verſehen nad den Nieberlanden zu ſchicken, da deſſen Braut von allen Seiten bebrängt wurde. Als Karl der Kühne unter ven Streichen feiner Feinde jeine Seele ausgehaucht hatte, waren infolge ber ewigen Kriege und ber Gewaltherrſchaft der letzten Herzoge fein Schat geleert, jein Heer zertrümmert, feine Unterthanen, bejonders die Bürger ber großen Städte, unzufrieven. Lubwig XL von Frankreich war entichloffen, dieſe günftige Gelegenheit zur Erwerbung eines großen Teils der Länder Karls zu benugen, während er bie entfernteren als Köder für deutſche Fürſten bereit hielt, bie feine Pläne zu unterftügen bereit wären. Konnte er nicht Die Hand Marias für feinen fiebenjährigen Sohn Karl erhalten, fo wollte er wenigſtens die Picardie, Artois und Flandern wie das Herzog- tum und die Freigrafichaft Burgund für Frankreich gewinnen, die er als erledigte Kronlehen in Anfpruch nahm, obwohl die Tranche Comté deutſches Neichslehen, die übrigen Länder allers

1) Bgl. mit der Darftellung bei Rauſch, S. 159ff. auch die Akten⸗ ftüde in Mon. Habsburg. I,1, 137 gg. ſelbſt.

234 Marias Tod und defien Folgen.

1482 infolge eines Sturzes vom Pferde, nachdem fie ihrem Gemahle drei Kinder geboren hatte, von denen zwei, der bald vierfährige Sohn Philipp und die zweijährige Tochter Mar⸗ garetha, fie überlebten.

Für Marimilian war dies nicht bloß in perfönlicher, ſon⸗ dern auch in politticher Beziehung ein furchtbarer Schlag. Troß vieler guten Eigenfchaften war es ihm bisher nicht gelungen, die Zuneigung der Niederländer zu erwerben, deren Sprache er noch nicht einmal recht verſtand. Obwohl feine Gemahlin in ihrem Teſtamente ?) ihn zum Vormunde ihrer Kinder und zum Regenten ihrer Länder beftimmt hatte, jo feßten bie flan» driſchen Städte, voran bie ftolzen enter, doch einen Regent⸗ Ihaftsrat ein, der jedes jelbjtändige Vorgehen des Fürften un⸗ möglich machte. Aufgeitachelt vom franzöfiichen Könige Tnüpften fie jogar eigenmächtig Friedensunterhandlungen an, wozu endlich auch Maximilian jeine Zuftimmung geben mußte, ba gleich- zeitig Geldern ſich zugunften jeines alten Herzogsgeichlechts zu erheben drohte und auch der Kaiſer, vom ungarifchen Könige bevrängt, ibm nicht Helfen fonnte. Am 23. Dezember 1482 wurde der Friede von Arras abgefchloffen. Durch diefen wurden das Herzogtum Burgund und die Picardie ftillichweigend an Frankreich überlaffen. Artois, die Franche Comté, Macon, Auxerre, Charolais und Bar fur Seine ſollte die junge Prin— zeifin Margarethe als Mitgift erhalten, die bei reiferem Alter den Dauphin heiraten ſollte. Doch jollten dieſe Gebiete, wenn Margaretha Feine Kinder erhielte, wieder an ihren Bruder Philipp zurüdfallen. Jene Städte, welche in dieſen Gebieten von den Franzoſen bejegt waren, blieben auch fortan vorläufig in der Gewalt derſelben. Wenn Philipp ohne Erben mit Tod abginge, jollte jeine Schweſter in allen Ländern ibm folgen. Margaretha wurde bald darauf zur Erziehung nach Frankreich gebracht.

Obwohl am 30. Auguft 1483 dem ränfevollen Ludwig XI. Maximilians defignierter Schwiegerfohn, Karl VIIL auf dem

1) Bom 24. März 1482 bei Lichnowsty VIII, DCCXXXI.

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Kriege und Aufftänbe. 235

franzöſiſchen Throne folgte und nun in Frankreich innere Wirren ausbrachen, fo dauerten die Intrigen gegen Maximilian doch auch jest noch fort. Die Flandrer, welche diefen nicht als Negenten anerkannten und felbft feinen Sohn ihm vworentbielten, wurben von Anna von Beaujen, der energiichen und berrichlüchtigen Schweſter des ſchwächlichen Karl VIIL, nicht bloß ermutigt, fondern auch mit Truppen unterftügt. Erſt nach längeren Kämpfen vermochte der Erzherzog die flandriſchen Stäbte, zu. zulegt Ende Juni 1485 auch das reiche Gent, zu bezwingen und zur Anerkennung jeiner Regierung und zur Auslieferung feines Sohnes zu nötigen. Kine Kriegsentichädigung von 700000 Goldgulden war bie Strafe für den bisherigen Un- gehorſam.

. Obwohl gerade in denſelben Tagen ſein Vater flüchtig Oſterreich verlaffen hatte und im Reiche die Mittel zur Wieder erlangung besjelben zu gewinnen bemüht war und bie energijche Mitwirkung dazu vor allem Marimiltans Pflicht gewejen wäre, jo beſchloß dieſer Doch den Krieg gegen Frankreich fortzujegen, um an Anna von Beaujen Nache zu nehmen. Er verband fih mit ihren Gegnern, ven Herzogen von Orleans und Dretagne und anderen franzöjiichen Großen, um die Negentin aus der Nähe des Könige zu entfernen und bie zentraliftiiche Umgeftaltung Frankreichs aufzuhalten. Allein jeine Verbündeten wurben gefchlagen, feine Zruppen von den Franzoſen befiegt. Neuerdings erhoben fich gegen ihn die mächtigften Städte Flan⸗ derns, die fich über die Begünftigung fremder Näte und Be amten, über die Ausfchweifungen ver Soldaten, über Verlegung ihrer Privilegien, über Unterlafjung der Rechnungslegung be= Hagten. ALS er perfönlich fich nach Flandern begab, um bie Unzufriedenheit zu bejchwichtigen, ward er von den Bürgern von Brügge am 1. Februar 1488 gefangen genommen, mehrere feiner Räte und Anhänger bingerichtet, er felbft am Leben bes droht oder in Gefahr, an Frankreich ausgeliefert zu werben. Erft al8 unter perfönlicher Anführung feines greilen Waters ein Neichäheer von mehr als 20000 Mann beranzog, erhielt er nach viertbalbmonatlicher ftrenger Haft feine Freiheit wieder,

256 Kämpfe mit den auffländifchen Niederländern.

nachvem er eiblich ven Aufſtändiſchen Amneſtie zugefichert, ja fogar verjprocen hatte, auf die Regierung. in Flandern zu⸗ gunjten eined aus den vornehmſten Adeligen beſtehenden Rates, bem auch ber Prinz Philipp ausgeliefert werben follte, ganz zu verzichten und die Union ber niederländiſchen Brovinzen und bie Stellung verjelben unter den Schuß Frankreichs anzuerlennen.

Marimilian felbft fcheint auch die Abficht gehabt zu haben, biefe ihm abgebrungenen Verpflichtungen zu halten. Aber fein Vater und die bet ihm befindlichen Fürſten glaubten folche Gewaltthaten nicht ungeftraft laſſen zu dürfen und bielten weder fih noch Marimilian felbft durch einen Vertrag für gebunden, den nur Zwang biltiert und die Todesfurcht beichworen hatte. Unter furchtbaren Verwüftungen drang das Neichsheer, bem auch Mar fich anjchloß, in Flandern ein, das anderſeits durch ein franzöfiiches Hilfscorps unterftügt wurde. Nicht bloß bie Flandrer behaupteten fich, fondern auch Brabant fiel nach ber Heimkehr der meiſten Reichötruppen größtenteild in bie Hände der Aufſtändiſchen. Ohne die verlornen Gebiete bezivungen zu haben, verließ Marimilian am Ende des Jahres 1488, bald nach feinem Bater, die Niederlande, um die Wiedereroberung Oſterreichs zu verfuchen. Auch der von ihm zurüdgelaffene Generalſtatthalter, Herzog Albrecht von Sachfen vermochte trotz feiner Energie und kriegeriſchen Tüchtigkeit die Flamländer nicht zu unterwerfen.

Da führten die auswärtigen Verhältniſſe eine Wendung berbei. Ä

Am 9. September 1488 war Marximilians Bundbesgenoffe, ber Herzog Franz von Bretagne, mit Hinterlaffung einer zwölf jährigen Tochter Namens Anna geftorben, nachdem er kurz vorher nach einer durch die Franzoſen erlittenen Niederlage fich ver- pflichtet hatte, feine Zochter nicht ohne Zuftimmung des Königs zu vermäßlen. Jetzt waren die in mehreren Feſtungen zurüd- gebliebenen franzöfiichen Zruppen die Herren im Lande. Über bie meift keltiſche Bevölkerung war der Herrichaft Frankreichs abgeneigt und auch die benachbarten Mächte fuchten einen jo bedeutenden Machtzuwachs desjelben zu verhindern. Ferdinand

Aunna von Bretagne. 287

bon Aragonien, der den franzdflichen König zur Herausgabe ber verpfaͤndeten Grafſchaften Rouſſillon und Eerbagne zwingen wollte, wie Heinrich VII. von England ſchickten den Bretagnern Hilfstruppen. Unter Vermittlung des erfteren kam auch am 14. Februar 1489 ein Bündnis des legteren mit Maximilian zuftande, welches biefem im Kampfe gegen die Niederländer bie Unterftägung Englands verfchaffte. Um die gefährliche Koalition zu |prengen, machte Karl VIEL Friedensanträge, auf die Mar um fo Tieber einging, ba er feine ganze Macht gegen Ungarn wenden konnte, wenn er im’ Weiten freie Hand erhielt. Nach dem Bertrage, den er am 22. Juli 1489 in Frankfurt zugleich im Namen feines Sohnes Philipp mit dem Könige von Frank⸗ reich fchloß, ſollte diefer die Blandrer zur Unterwerfung bewegen, im Notfalle Telbft gegen fie Hilfe Teiften, während in dem Streite um das Herzogtum Burgund und einige andere Gebiete auf einer Zufammenkunft beider Fürften eine Verftändigung angeitrebt werben jollte. Infolge der Bemühungen franzöfiicher Geſandter wie der kriegeriſchen Erfolge Albrechts von Sachſen ſchloſſen die Flandrer am 30. Dftober 1489 den Vertrag von Montils⸗les⸗Tours, durch welchen fie fich zur Unterwerfung in bemütigenden Formen, zur Anerkennung der Regentichaft Maxi⸗

miltans und zur Zahlung von 300 000 Goldthalern verpflichteten.

Zu Ende waren die Unruben in den Niederlanden freilich auch jegt noch nicht, erft im Jahrr 1492 gelang e8 dem Herzoge Albrecht, ven legten Widerſtand zu brechen. Und wieder wurden die Aufftändiichen von Frankreich aufgehegt und unterjtügt, da ber Krieg zwilchen dieſem und Marimilian nach kurzer Zeit wieder ausbrach.

Nah dem Frankfurter Vertrage hatte Karl VIII. ver Iprochen, der Herzogin Anna die von ihm in der Bretagne eroberten Städte zurüdzugeben, wenn ihr Land auch von den Engländern geräumt würde. Doch ift biefer Artikel nicht zur Ausführung gefommen, da Anna nicht wünfchen fonnte, jchuß- 108 den Franzoſen preisgegeben zu werden, und ber engliiche König nicht geneigt war, feine fefte Stellung in der Bretagne aufzugeben. Auch der franzöfiiche König machte Schwierigfeiten.

288 Annas Vermählung mit Karl VIII. von Frankreich.

Da ſuchte Maximilian den Knoten dadurch zu burchhauen, daß er jelbjt um die Hand der Herzogin Anna anbielt, die ihm ſchon durch ihren Vater einmal in Ausficht geftellt worben war. Anna willigte ein und Ende 1490 Tieß fih Mar durch Proku⸗ ration mit ihr vermählen.

Karl VIIL, der e8 für eine Lebensfrage für Frankreich anſah, die Vereinigung der Bretagne mit einem fremden Staate zu verhindern, ließ Truppen in das Land einrüden und brachte durch Gewalt und Gelb bald das ganze Land bis auf bie Hauptftadt Rennes in feine Hände. Da Mar durch die un⸗ garische Angelegenheit und den Willen feines Vaters im Oſten zurückgehalten warb und auch die Niederländer feine Gemahlin nicht unterſtützten, ja teilweife im Aufftand waren, fo fah fi Anna, deren eigene Umgebung bereits vom franzöfiichen Könige gewonnen war, endlich gezwungen, das Hart beprängte Rennes am 15. November 1491 zu übergeben. Hatte fie ſich anfang noch die Erlaubnis erwirkt, fich zu ihrem Gemahl zu begeben, fo Tieß fie fich bald umftimmen und reichte fie dem franzöſiſchen Könige die Hand, mit dem fie am 6. Dezember bie Hochzeit feierte. Die Difpens von ihrer Ehe mit Marimilian batte der Bapft Innocenz VIII. bereit8 heimlich erteilt.

Mar war wütend über die ihm zugefügte doppelte Kränkung, daß fein eigener Schwiegerfohn ihm jeine Gemahlin und deren Land entriffen hatte, während feine Tochter auch jetzt noch in Tranfreich zurüdgehalten wurde. Wenn er fortan ein leiden⸗ Ihaftlicher Feind Frankreichs geweſen ift, jo bat dieſe An⸗ gelegenheit vielleicht am meilten dazu beigetragen. Und um feine Berlegenheit zu vermehren, entließ Karl VIIL. den Sohn bes vertriebenen Herzogs von Geldern, der 1487 in fran- zöfifche Sefangenfchaft geraten war, im folgenden Frühjahr aus feiner Haft, worauf verjelbe von den früheren Untertbanen feines Vaters freudig ald Herr anerkannt wurde. Vergebens ſuchte Dar für den Rachekrieg gegen Frankreich die Unterſtützung ber beutichen Fürften zu gewinnen; nur in fehr geringem Maße ward ihm bdiejelbe zuteil. Auch das Bündnis mit England und Spanien balf ihm wenig. Heinrich VIL, der Einmiſchung

Friede von Senlis. 289

in die Angelegenheiten des Feſtlandes abgeneigt, ließ fich ſchon am 3. November 1492 durch hohe Geldſummen zum Trieben bewegen, und feinem Beijpiele folgte am 19. Januar Spanien, als der franzöfifche König Rouffillon und Cerdagne zurüdgab.

Deffenungeachtet führte Mar den Krieg glüdlihd. Don ben Niederlanden aus ward durch Überfall die Feftung Arras gewonnen und gegen alle Angriffe der Franzoſen behauptet. Ende des Jahres 1492 fiel Maximilian jelbft mit einem Söldner⸗ beer in die Franche Comté ein, deren Einwohner, der fran- zöftfchen Herrichaft abgeneigt, ihn unterftügten. Siegreich drang er über Beſangon bis Salins vor. Am 19. Januar 1493 wurde ein franzöfiiches Heer bet Dournon unweit Salins von Friedrich von Kappel geichlagen, worauf faft die ganze Frei- grafihaft für die Franzoſen verloren ging. Dies machte Karl VIIL einem Frieden geneigt, da er, die Eroberung Neapels planend, fich ven Rüden freizumachen fuchen mußte. Unter Bermittelung ver Eidgenofjen wurde am 23. Mat 1493 ver Friede von Senlis gejchlojjen, nach deſſen Beitimmungen ber franzöfiihe König an Morimilian feine Tochter Margareta auslieferte und auf die früher als deren Mitgift an Frankreich überlafjenen Grafichaften Artois, Franche-Comté und Charolais verzichtete. Die in Artois noch von den Tranzofen befetten Städte Hesdin, Aire und Bethune follten fie behalten, bis der Erzherzog Philipp nach Vollendung des 20. Lebensjahres bem Könige für die von ihm abhängenden Gebiete den Lehenseid geleiftet Hätte, ebenjo die Grafichaften Macon, Auxerre und Bar an der Seine, bis über deren Zugebörigfeit auf dem Rechtswege entſchieden wäre ?).

So war doc endlich der Beſitz faft aller Länder Karls des Kühnen für das Haus Habsburg gefichert, und, was für bie Zukunft Europas noch wichtiger war, es war verhindert worben, daß fie an das feit den engliichen Kriegen raſch im Innern

1) Über die Beziehungen Maximilians zu Frankreich und bie Vor- gänge in den Niederlanden feit dem Frieden von Arras f. Ulmanı, Kaiſer Marimilian L, I, 10—46. 65—75. 84. 115—187.

Huber, Geſchichte Oſterreichs. II. 19

290 Wahl Marimilians zum deutfchen Könige.

erftarlende und nach außen um fich greifende Frankreich fielen. Nicht bloß alle jene burgumbdijch-niederländiichen Gebiete, bie zum Deutſchen Netche gehörten, waren für dieſes wieder gerettet, fondern auch die franzöſiſchen Wafallenländer Flandern und Artois. Während Deutjchland infolge des Schwindens des Gemeinſinns fih immer mehr auflöfte und nicht mehr imjtande war, feine Grenzen zu ſchützen, erhob fich wenigftens im Weften, langgeitredt vom Norden bis zum Süden, Dieje neue bab$- burgifhe Macht, die ſtark genug war, ein weiteres Vorjchreiten bes franzöfiichen Reichsfeindes zu hindern.

Auch dafür war gejorgt, daß die Habsburger ſich nicht in direkten Gegenſatz zur Reichsgewalt fegen, jondern vielmehr dieſe unterftügen und verftärken fonnten. Obwohl der alte Kaiſer Friedrich felbft, um ja von der feinen fchwachen Händen entfinfenden Macht nichts einzubüßen, lange Zeit der Wahl eines Nachfolgers bei feinen Lebzeiten widerftrebte, hatte Dari- milian doch ſchon vor ſechs Jahren jeine Wahl zum römischen Könige durchgejeßt. Alle Kurfürften mit Ausnahme des Könige von Böhmen, den man fonderbarer Weife, angeblich aus Mangel an Zeit, gar nicht eingeladen, batten am 16. Februar 1486 dem Erzherzoge ihre Stimme gegeben, manche allerdings nicht, ohne fich bedeutende Verjprechungen von diejem machen zu lafjen. Auch feinem Vater hatte er, wie es fcheint, die Zuficherung gegeben, daß er feine wirkliche Negierungsgewalt in Anſpruch nehmen würde !).

Friedrich III. zeigte vieles zähe Anklammern an feine bis- herigen Befugnijje auch in andern Tragen. Als die Reichs⸗ ftände gleichzeitig auf dem Reichstage in Frankfurt Vorſchläge madten, um dem Kammergerichte, das feit der Zeit König Sigmunds an die Stelle des Fatferlichen Hofgerichtd getreten war, dem Sailer gegenüber eine größere Unabbängigfeit zu ver- Ichaffen und die Ausübung einer Kabinetsjuftiz unmöglich zu machen, weigerte fich Friedrich entjchieden, darauf einzugehen ?).

1) Ulmann, Die Wahl Marimilians I. „Forſch. 3. deutſchen Geſch.“ XXII, 131—158. 2) 3. A. Tomaſchek, Die höchſte Gerichtöbarteit des beutfchen

RE

Verſuch der Wiebereroberung Ofterreichs. 291

So lange er lebte, war jeder Verſuch einer Neichsreform aug- ſichtslos.

Siebentes Kapitel.

Die Wiedergewinnung Sſterreichs und die Neu— beſetzung des ungariſchen Thrones.

Die Kurfürſten hatten den allerdings auch perſönlich beliebten Erzherzog Marimilian Hauptjächlich deswegen zum Könige ge wählt, um zur Wiedereroberung der füboftdeutichen Herzog⸗ tümer, welche auch fie für eine Pflicht des Reiches anfahen, einen angejebenen, jugendlich Fräftigen Führer zu erhalten und bafür auch die Mittel der Niederlande zu gewinnen ). Allein Max ließ fih zunäcft in den Kampf der franzöjiichen Großen gegen ihren König und die ihn lenfende Schweiter bineinziehen, und wurde dann dur jeine Gefangenjchaft in Brügge und durch die Belriegung der Flandrer daran gehindert, den Ojter- reichern zubilfe zu fommen. Auch die Mittel, welche die veut- ſchen Stände nach langem Feilſchen im Juni 1487 dem Kaiſer endlich gegen Ungarn zur Aufitellung eines Heeres bewilligten, waren jo unbedeutend und die votierten Gelder wurden ents weder gar nicht oder fo langſam gezahlt, daß der Neichshaupt- mann Herzog Albrecht von Sachen ?) nur aus jeinen eigenen Mitteln ein Heer von 5000 Mann zufammenbracte. Da nun

Königs und Reiches im XV. Jahrhundert. „Sigungsber. b. faif. Akad.” XLIX, 521—612. Über die Entfichung des Kammergerichtes vgl. ®. Seeliger, Das deutſche Hofmeifteramt im fpäteren Mittelalter, ©. 115ff.

1) Ulmann in „Forſchungen“ XXII, 146f.

2) Vgl. über feine Thätigkeit mit Schober, ©. 132. auch R. Strewer, H. Albrecht von Sachſen als Reichsfeldherr gegen bie Ungarn 1487. (Greifswald. Difj. 1882.)

19*

294 Des K. Matthias uneheliher Sohn Johann Eorvinus.

Matthias hatte in den legten Jahren, wo er jeve Hoffnung auf eheliche Nachlommenfchaft aufgegeben hatte, alles in Be⸗ wegung gejegt, um Johann die Nachfolge zu fihern. Er hatte ihm ar feinem Hofe den Rang eines königlichen Prinzen ein- geräumt, batte fich bei feierlichen Gelegenheiten durch ihn ver- treten laſſen, hatte ihn mit Gütern und Befigungen überhäuft und ihm ausgedehnte Herrfchaften in Ungarn, darunter bie Srafihaft Hunyad und die „Herzogtümer” Munkaͤes und Liptau (mit Thurocz und Arva), und die meift durch Waffengewalt oder Einfchüchterung erworbenen fchlefiichen Herzogtümer Troppau, Leobihüß, Loslau, Toſt, Beuthen und Kofel verliehen und noch weiter bie Anwartfhaft auf Glogau und DIS verfchafft, Hatte ihn 1487 durch Profuration mit dem Sproffen eines fürft- lihen Haufes, nämlich mit Blanca, der Schweiter des mai- ländiichen Herzogs Stan Galeazzo vermählt ?) und war dann im Sommer 1489 auch bemüht gewejen, die ungariichen Großen und Städte zum etblichen Verſprechen zu beivegen, den» jelben als jeinen Nachfolger anzuerkennen. Damals hatte namentlich die Königin Beatrix dagegen gearbeitet, wie fie denn auch ihren Gemahl mit Bitten bejtürmte, daß er ihr troß ber Abneigung der Ungarn gegen ein Weiberregiment die Nachfolge verichaffe. Matthias hatte dann die Abficht gehegt, feinem Sohne mit dem Befige der böhmijchen Nebenländer den Titel eines Könige von Böhmen zu übertragen, und nur ber Tod jheint ibn an der Ausführung dieſes Planes gehindert zu baben ?).

1) Nicht Hloß verlobt, wie die neueren Darfteller annehmen. Der Wortlaut bes Ehevertrags läßt barliber feinen Zmeifel. Vgl. auch die Url. von 1493 Über die Auflöfung ihrer Ehe durch den Papſt ap. Theiner, Mon, Hung. II, 540.

2) Bonfinii Dec. IV. 1. 7. 8 (ed. Poson. 1744), p. 497. 500. 506. 509. 511. Die Heiratsverträge mit Blanca von Mailand und andere einſchlägige Urkunden herausgeg. von Chmel im „Archiv f. öfterr. Geſchq.“ I,1, S1ff. Über die darin erwähnten fehlefifchen Gebiete f. Grünhagen a. a. O. I, 344 und Balady V,1, 309ff.. Ein Verſprechen der Stabt Schäßburg wegen der eventuellen Anerlennung Johanns bei Teleki XII, 456. Bgl. die Berichte ap. Theiner, Mon. Hung. I, 529.

Ansprüche der Habsburger auf Ungarn. 295

Wäre Johann Corvinus feinem Vater ähnlich gewefen, fo wäre er vielleicht trog feiner unehelichen Geburt und der Ab» neigung der Königinwitwe imftande geweſen, fich jett des unga- riihen Thrones zu bemächtigen, da außer andern Schlöffern die Königsburg in Ofen und BVilfegrad mit der Königskrone und allen Schäßen feines Vaters in feinen Händen, die Feſtungs⸗ fommandanten für ihn in Eid und Pflicht genommen, von den Großen immerbin mande für feine Erhebung waren und unter dem niedern Adel fich das Haus Hunyady immer großer Sympathieen erfreut hatte. Aber dieſer Jüngling hatte weber die Kraft noch die Klugheit feines Vaters und Groß- vaters. Bei dem Wahlreichdtage, den die Königinwitwe mit einigen Großen für ven 17. Mat auf das Feld Raͤkos bei Belt einberufen batte !), jcheint er eine ganz paſſive Rolle gefpielt zu haben, und es zeigte fich bald, daß nicht er, fondern einer der andern Bewerber den Sieg davon tragen würbe.

Nach den Beftimmungen des Friedens von 1463 follte dem Könige Matthias ver Kaiſer Friedrich oder ein von ihm zu beftimmenver Sohn auf dem Throne folgen. König Mar, der vorausſetzte, daß fein alter Vater zu feinen Gunſten auf bie eigenen echte verzichten würde, forderte ſchon am 19. April

1) Über die Wahlverhandlungen bringt die eingehendſten Berichte Bonfinii Dee. IV, 1. 9, p. 5l6sgg., ber feit 1486 ſelbſt am ungariſchen Hofe Iebte, alfo hierüber gut unterrichtet fein Tonnte. In der That wirb feine Darftelung durch die Berichte des damals in Ofen weilenden Ge— fandten des Herzogs von Mailand in Mon. Hung. IV, 161sqg. und eines ferrarefifchen Agenten ibid. p. 425 qq. in den meiften Hauptpunften beflätigt und vielfach ergänzt. Bon befonberer Wichtigkeit find die Depeſchen bes erfteren vom 20. und 23. Juni und 12. Juli ibid. 221. 227 u. 237, welche über die Vorgänge auf dem Wahlreihstage zufammenfafiende Be- richte geben. Daber glaube ich von den Angaben bes Raguſaner Mönches Tubero in deſſen doch bebeutend fpäter gejchriebenen Commentarii ap. Schwandtner H, 118sqg., ber in manden Punkten mit Bonfini in Widerſpruch ift, keinen Gebrauch machen zu bürfen. Fraknöi V., IL Uläszlö kiralylya valasztasa (die Wahl Wlabiflaw II. zum Könige) in „Szazadok “‘ 1885, ©. 1ff. 97ff. 193 ff. bat auch ungebrudte Berichte des päpftlihen Nuntins benubt, bie aber nicht viel Neues zu enthalten feinen. Vgl. auh Palacky V,1, 335 ff.

296 Tumultuarifche Ausrufung Alberts von Polen zum Könige.

von Innsbruck aus die ungariichen Stände auf, ihn als König anzuerkennen. Neben ihm und Johann Corvinus traten zwei Söhne des Königs Kafimir von Polen, Wladislam von Böhmen und, begünftigt von feinem Water, deffen jüngerer Bruder Jo⸗ Kann Albert als Kandidaten auf, die fi auf die Anfprüche ihrer Mutter, der Schweiter des Ladislaus Poftumus, ftüßten, aber auch einer Erhebung durch Wahl nicht entgegen waren.

Die Ungarn nahmen denn auch das Recht in Anipruch, den Thron durch Wahl zu befegen, auch jchon deswegen, um das Königtum nicht zu ſehr erftarken zu laffen und ein jo ener- gifches Negiment, wie e8 Matthias geführt hatte, für die Zu- funft unmöglich zu machen. Gegen Marimilian wenbeten fie daher beionders ein, daß er die Krone „aus Gerechtigkeit“ ger fucht Habe. Gerade deswegen wollten fie ihn nicht, damit nicht dadurch ihrer „Freiheit“ Abbruch gethan würde.

Det der großen Zahl der Thronbewerber war den ver- ſchiedenſten Intriguen und den eigennügigiten Beftrebungen das Thor geöffnet. Um die Freiheit der Wahl zu fichern, hatten einzelne Bijchöfe und Magnaten Tauſende von bewaffneten Ge⸗ folgsleuten mitgebracht, ſodaß man, noch ehe alle erſchienen waren, die Zahl der Perſonen auf 9—10000 ſchätzte.

Da die Großen lange nach dem feſtgeſetzten Tage eintrafen, begann der Reichstag erſt am 7. Yunt, und zwar mit der Ausarbeitung einer Wablkapitulation, welche die „Freiheit“ bes Reiches, wie fie vor Matthias gewejen war, wieder berjtellen jollte.. Schon am erften Tage, wo gar nicht über die Wahl verhandelt wurde, warb von den Vertretern einiger Komitate, angeftiftet, wie man glaubte, vom Biſchof von Waigen, einem Bruder des Woywoden Stephan Baͤthory, in tumultuarijcher Weiſe Albert von Polen zum Könige ausgerufen. Der ener- giiche Widerſpruch des Woywoden brachte ihre Stimmen aller» dings zum Schweigen. Doch Hinberte dies Albert nicht, fich fortan als König von Ungarn zu betrachten.

Die meilten und einflußreichiten Biichöfe und Magnaten waren von Anfang an für Wladislaw von Böhmen, veffen Wahl auch einen fonft faft unvermeindlichen Krieg um den Beſitz

Sünftige Ausfihten Wladiſlaws von Böhmen. 297

der böhmtichen Nebenländer verhüten konnte. Der durch die Gunſt des Matthias fo raſch emporgelummene Stephan Zapolya, jegt Statthalter in Ofterreich, der doch felbft einft dem Johann Corvinus gefehworen hatte, war fehon bald nach dem Tode bes Matthias für Wladislaw gewonnen worben, da ihm diefer außer anderem verſprach, die an Polen verpfändeten Zipfer Städte zurüdzulöien und ibm als erblichen Grafen der Zip8 zu vers leiden I). Auch der Kanzler des verjtorbenen Königs, ber Mährer Johann Pruiß 2), Biſchof von Großwarbein, trat noch vor Beginn des Reichstages offen zur böhmifchen Partei über. Er gewann dafür neben andern auch den Biihof von Raab, Thomas Bakacs, indem er ihm die Kanzlerwürbe in Ausficht ftellte 2). Die ehrgeizige Witwe des Matthias, die unter allen Umftänden Königin von Ungarn bleiben wollte, wenn fie nicht, was fie eine Zeit lang anjtrebte, Gemahlin des fünftigen Kaiſers werden konnte, ftellte den Anhängern Wladislaws ihren Einfluß und ihre Schäße zur Verfügung, als man ihr Hoffnung machte, daß diejer ihr die Hand reichen würde. Johann Corvinus jelbft ließ fih am 17. Juni bewegen, mit den ungarijchen Biihöfen und Magnaten einen Vertrag zu jchließen, wodurch er fich verpflichtete, einem durch die Mehrheit der Stände er» wählten Könige die Krone zu überliefern und feine Jchlefiichen Herzogtümer mit Ausnahme von Troppau abzutveten, wogegen er zum Könige von Bosnien und zum lebenslänglichen Herzoge von Slaponien ernannt werden follte und ihm außer dem Beſitze der ihm vom Könige Matthias in Ungarn verliehenen Herr» ihaften und andern Vorteilen auf Lebenszeit die Würde eines Bang von Kroatien und Dalmatien zugefichert ward t).

Bier Lage früher waren Lorenz Ujlafy, der Sohn des ver»

1) Url. vom 8. Mai in Schedins, Zeitfhrift f. Ungarn 1804 IV. 317.

2) Der richtige Name war Johann Filipec; der Name Pruiß if wohl aus feinem Heimatsorte Prosnig in Mähren korrumpiert. Siehe PBalady V,1, 230, R. 169.

3) Fraknéi a. a. O., ©. 16, 0.1.

4) Kovachich, Suppl. ad Vest. comit. II, 271.

298 Wahl Wladiſlaws von Böhmen.

ftorbenen Niklas, neben Zapolya ber begütertſte Magnat Ungarns, der Biihof Sigmund von Fünffirchen, Sohn eines in Ungarn teich gewordenen deutichen Geldwechslers, und andere Magnaten mit ihren Anhängern, im ganzen 6000 PBerjonen, nad Ofen gefommen. Dieje ließen fich durch den Erzbifchof Peter Varday von Caloeſa für Johann Corvinus gewinnen, bet dem fie am leichteften ihre Rechnung zu finden bofften.

Wiederbolt jchien es nun zwilchen beiden Parteien zum Kampfe zu fommen. Als es hieß, daß die böhmilche Partei die in Mähren ſtehende fchwarze Legion heranzuziehen beab-» fichtige, die fie Durch Geld gewonnen batte, wollte Johann auf das Betreiben feiner Anhänger am 1. Juli mit allen Schäßen nach dem ſüdlichen Ungarn und Slavonien ziehen, wo fie thre meilten Beſitzungen hatten, um dort neue Streitfräfte zu fammeln. Doch wurde er durch Bathory und Kinizſi am 4. Juli an der Sarviz eingeholt und geichlagen, mehrere der Seinigen getötet oder gefangen, bie übrigen zerjtreut und feine Schätze erbeutet oder von feinen eigenen Leuten geraubt.

Da er jo völlig unſchädlich gemacht und die meilten Adeligen aus den Komitaten nad Erichöpfung ihrer Mittel bis auf je zwei Vertreter von Peſt nachhaufe zurüdgefehrt waren, proflas mierten die Zurüdgebliebenen am 15. Juli 1490 Wladislaw von Böhmen als König. Um die Königinwitwe Beatrix zu befriedigen, bveren Geld man auch noch fortan brauchte, war am Zage vorher beitimmt worden, daß der König fie zur Ges mahlin nehmen follte!). Freilich ijt ihr dann gerade auf Wunih der ungariihen Stände dieſes Veriprechen jchmählich gebrochen, ja fie jogar ihres Wittums beraubt worden.

Nachdem Wladislam die ibm vorgelegten Bedingungen, welche die königliche Gewalt ſehr befchränften, beftätigt hatte, wurde er am 18. September in Stublweiffenburg gekrönt und zwar durch den Bilchof von Agram, da der damalige Erzbiſchof Hippolyt von Ejte, ein Schweiterfohn der Königin Beatrir,

1) Fraknöi a. a. O., ©. 196, und Über das weitere Verhalten der Ungarn unb des Königs der Beatrix gegenüber S. 205ff.

Einfall Alberts von Polen in Ungarn. 299

welcher ber Proteftion des Matthias feine Würde verbanlte, noch ein Knabe war. Johann Corvinus trug dem Könige bie Krone vor, da diefer ihm fchon gleich nach feiner Ankunft im Rande den Vereinbarungen Johanns mit den ungariichen Großen entiprechend ven Vertrag vom 17. Juni beftätigt hatte und ihm neben jeinen Gütern die Würde eines Herzogs von Slavonien und eines Bans von Sroatien verlieh }).

Dagegen war ein Kampf mit den beiden andern Präten- benten nicht zu vermeiden.

Albert von Polen brady Ende Juli mit 8000 Dann in Ungarn ein, wo fih unter andern Stephan von Rozgon und Blaſius Magyar, einer ber gefeiertiten Heerführer des Königs Matthias, ihm anjchloffen, und drang raſch bis zur Donau vor. Schon am 8. Auguft ftand er vor Peft. Eine perjön. liche Zuſammenkunft der beiden Brüder blieb ohne Ergebnis; als Feinde gingen fie auseinander. Mangel an Lebensmitteln nötigte zunächft Albert, fich bis über die Theiß zurückzuziehen, worauf er einen kurzen Waffenftiliftand ſchloß, um die Unter- bandlungen fortzuführen. Doch kam auch jest feine Einigung zuftande. Mit dem Angebote Wladislaws, zugunften jenes Bruders auf die Nachfolge in Polen zu verzichten und ihm das Herzogtum Glogau zu überlaffen, begnügte fich diefer nicht. Zu der von Albert geforderten Abtretung Siebenbürgensd oder einer Entichädigung von 300 000 Dukaten konnte ſich Wladislaw nicht berbeilaffen. Während nun diejer die Vermittelung feines Vaters nachjuchte, belagerte Albert Kaſchau und verwültete das nördliche Ungarn bis Großwardein und Erlau, das großenteilg eingeäjchert wurde ?).

Noch gefährlicher war König Marimilian. ALS die Wahl ber ungariichen Stände am 15. Juli gegen ihn entichieden Batte, beſchloß er fein Recht mit den Waffen in der Hand geltend zu machen. Die dfterreichiichen Länder wurden zur Stellung von

1) Fraknoöi, ©. 199. 202. 204. 210.

2) Bonfinius IV, 10, p. 527-530. Bericht des mailänbiichen Geſandten vom 8. Sept. Mon. Hung. IV, 262.

300 Eroberung Öſterreichs durch K. Marimilian.

Truppen aufgefordert und Söldner geworben, wozu man ſich durch kleine Darlehen und Verpfändungen mühſam die Mittel verſchaffte. Eine bedeutendere Summe, nämlich 50000 Gul⸗ ben, bewilligten nur die Stände Tirols ihrem neuen Xandes- berın; doch wurde das Geld ſehr langſam flülfig gemacht.

Bor allem fuchte Mar den Ungarn feine Erblande zu ent- reißen, wa® um jo leichter gelang, als die Einwohner ver ungarifchen Herrichaft herzlich fatt, ihm dagegen perjönlich zu- gethan waren, ſodaß fie ihn unterftügten, wie fie konnten, und ibn überall als Netter empfingen.

Als er um die Mitte des Auguft nach der Eroberung von Hartberg und Voitsberg aus der Steiermark über den Semme- ring vordrang und nad Wegnahme von Schottwien und Klam vor Wiener Neuftadt erfchten, öffneten ihm die Bürger am 17. Auguft jelbjt die Thore der Stadt und nötigten die unga- riihe Befagung, fich in die Burg zurüdzuziehen. Zwei Tage darauf zog er unter dem Jubel der Bevölkerung in Wien ein, wo die Bürger ſchon Anfangs Juli eine Schar feiner Lands⸗ Inechte in die Stadt gelaffen hatten. Der ungariiche Statt- halter Stephan Zapolya Batte fih nah Zurüdlaffung einer Beſatzung in der Burg bereits früher geflüchtet. Die ungarn- freundliche Gefinnung des Rates, der von Marimilian eine Beitrafung für die frühere Haltung befürchten mochte, hatte fich der allgemeinen Strömung gegenüber als machtlos erwiefen. Am 29. ergab fich auch die Burg, als die Mauern durch das Schwere Geſchütz teilmeife zufammengejchoffen worden waren und der König alles für den Sturm vorbereitete. Schon früher waren Baden, Zulln und mehrere öfterreichiiche Schlöffer durch die Leute Marimilians genommen worden. Den Kommandanten von Brud an der Leitha Batten die Einwohner gefangen ge- nommen und zur Übergabe der Burg genötigt. Klofterneuburg wurde von Marimilian ſelbſt am 9. September erobert, bie Burg von Hatmburg und Mautern durch die Landsknechte mit Sturm genommen. Andere Städte, wie Stein, St. Pölten ergaben fich freiwillig. Auch manche Adelige fuchten jet die Gnade des Kaifers zu erhalten. Nur einige Burgen in ber

Weitere Erfolge besfelben. 301

Gegend von Wiener Neuſtadt und den größten Teil des Landes nördlich von der Donau behaupteten noch die ungariſchen Truppen .

Am 4. Oktober brach Maximilian von Wien gegen Ungarn auf und überjchritt mit einem Heere von 16—18000 Mann, zum größern Zeile jübdeutichen Landsknechten, die ungartiche Grenze. Mehrere deutſche NReichsfürften, darunter Georg von Daiern mit 800 Weitern, und deſſen Vetter Chriftoph hatten fih ihm angefchloffen. Bereits waren mehrere ungarijche Magnaten aus ven ſüdweſtlichen Lanbesteilen, wie die Kaniſay und ber Zavernicus Nikolaus Hederräry offen zu ihm über- getreten. Ja auch die bervorragenditen Parteigänger des Jo⸗ hann Corvinus, Ujlaky, der Biſchof von Fünffirchen u. |. w. batten nach dem Unterliegen ihres Kandidaten Verbindungen mit Marimilian angelnüpft. Jakob Szelely, Befehlshaber der ungariihen Zruppen in Inneröfterreich, der ebenfalls zu den Anhängern des Corvinus gehörte, hatte mit Marimilian am 17. September einen Waffenftiliftand gejchloffen, nach dem er. die von ihm bejekten Städte und Schlöffer Radkersburg, Bettau, Feijtrig, Windifchgräg, Yavamünd, Landftraß u. |. w. wie Waraspin und andere Zeiten vorläufig behalten, aber feine Feindſeligkeiten fich erlauben ſollte. Won den weftungari- ſchen Städten hatten fich einzelne, wie Ovenburg, Güns, Rech⸗ nig bereit8 früher ar bie vorausgeſendeten Heerführer Mari⸗ milians ergeben und nur teilweife Aufihub der Huldigung erwirkt.

Da Wladillam von Böhmen nicht der Mann war, eine große Energie zu entfalten, und er auch durch den gleichzeitigen

1) Schober, S. 159ff., der aber die Angaben bei Titel, ©. 54f., teifweife überfehen bat. Ulmann I, 86f. Daß Mar bie Feinbfelig- feiten gegen die Ungarn nicht früher begann, lag aber gewiß nicht, wie diefer annimmt, in deſſen vorübergehenden Zwiftigfeiten mit feinem Vater, ber anfangs anf feine eigenen Anfprüche nicht verzichten wollte, ſondern darin, daß er zuerft das Nefultat der ungarifhen Königswahl abwarten mußte. Bgl. auch die Briefe Florian Waldaufs bei Kraus, Mari- milians I. Beziehungen zu Sigmund, ©. 26 ff.

302 Bordringen Marimilians bis Stublweifjenburg.

Angriff feines Bruders, duch den Abfall der Anhänger Cor⸗ vins und die Lauheit feiner eigenen Wähler gelähmt war, fo fand Marimilian nirgends einen ernftlichen Widerftand. Rafch brang er über Eifenftadt und Obenburg nad Steinamanger vor, das fih am 19. Dftober ergab, überfchritt am 23. Of- tober die Raab und zog über Rendek nach Veſzprim, deſſen Biſchof Johann Vitéz ſchon vor der Ankunft des Königs in feinem Biichofsfige demjelben gegen die Zuficherung bes Bis—⸗ tums Wien feine Schlöffer zu öffnen veriprochen hatte. Bereits wantte Wladijlams Thron, da nicht bloß deſſen Gegner, wie Ujlaky, der Biſchof von Fünfkirchen und der Erzbiſchof von Calocſa, jondern auch der eigennüßige Zapolya und andere Große dem Könige Marimilian im geheimen ihren Übertritt in Ausficht ftellten, andere offen huldigten, bald auch vie Kroaten und Siebenbürger günftige Zuficherungen machten.

Freilich täufchte man fich im königlichen Hauptquartier über die Zuverläjfigfeit diefer Herrn nicht. „Ein Ungar ijt ein Unger, deſſen ©lauben und Treue ganz unftet it“, jchreibt um dieſe Zeit Maximilians Sekretär an Sigmund von Tirol. Aber gerade weil die geijtlichen und weltlichen Großen haupt- fächlih von Eigennug bejtimmt wurden, fonnte man um jo ficherer den Anfchluß derſelben an Marimilian erwarten, wenn das Kriegsglüd diefem hold blieb. Und in der That jchien dies der Fall zu jein. Wohl Tiefen infolge der ftrengen Kälte mande Landsknechte davon. Aber fein Feind ließ fich im Felde ſehen, feine Stadt leijtete Wiverftand. Stuhlweiffenburg, das allein der Aufforderung, fich zu ergeben, feine Folge leijtete, ward am 17. November von den böhmtichen Söldnern und den deutſchen Landsknechten im erjten Anlaufe eritürmt und von der wilden Soldatesfa 8—900 Bewohner erjchlagen, die Stadt geplündert, jelbft die Kirchen nicht geichont, bis der König die wilden Krieger zu zügeln vermochte. Mehrere unga- riſche Große, wie Szekely, Ladislaus Kaniſay, Nikolaus Szoͤchy fanden ſich jetzt im Lager Maximilians ein. Der Weg nach Ofen, das nur noch wenige Tagmärſche entfernt und ungenügend befeſtigt war, ſtand offen, und Mar war entſchloſſen, denſelben

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Menterei der Landsknechte und Rückzug. 308

raſch anzutreten. Da fagten ihm feine Landsknechte den Ges horſam auf.

Was jo oft im der Gefchichte Oſterreichs ſich wiederholt, daß finanzielle Verlegenheiten die Ausbeutung ber militärijchen Erfolge hinderten, geihah auch damals. Schon in Rendek hatte Marimilian mit acht feiner Räte den Landsfnechten für bie Zahlung ihres Soldes Bürgichaft leiften müſſen. Nach ver Einnahme Stuhlweifjenburgs ftieg ihre Unzufriedenheit, vielleicht weil Die zuerft in die Stabt eingedrungenen böhmifchen Söldner ihnen beim Plündern zuvorgefommen waren. Sie verlangten jegt einen boppelten Sold, wahrſcheinlich als gebräuchlichen „Sturmfold”, und Anteil an der Beute. Da der König nicht bie Mittel hatte, ihre Forderung zu befriedigen, verlangten fie ihre Entlaffung. Alle Verfprehungen Maximilians waren nicht imjtande, fie zum Weitermarihe zu bewegen. Ohne bie Landsknechte fühlte fih aber der König zum Angriffe auf Dfen zu ſchwach, da nun auch die in Mähren ſtehende ſchwarze Legion des Könige Matthias zur Verteidigung heranzog. Es blieb ihm nichts übrig, als der Rückzug nach Oſterreich, nad» dem er in Stuhlweiffenburg und den andern eroberten Pläten genügende Bejagungen zurücgelaffen hatte. Am 4. Dezember brach Maximilian von Stuhlweifjfenburg auf, den 23. Tam er nach Wiener Neuftadt, deſſen Burg unterbeffen auch erobert worden war ?).

Marimiltan beabfichtigte im folgenden Sommer einen neuen Feldzug gegen Ungarn zu unternehmen, wofür er die Hilfe der beutjchen Reichsſtände zu erlangen hoffte. Daß feine Stellung auch nach Antritt des Rückmarſches nicht als hoffnungslos an⸗

1) Die wichtigſten Quellen für den Feldzug Marimilians in Ungarn find das Journal de voyage du roy Maximilien en Hongrie und ber Bericht des Ritters Michel von Ehenheim im „Archiv f. öfterr. Geſchq.“ III, 448—457 mit anderen von Firnhaber, ebb. ©. Aldff. Aabge- drudten Aktenſtücken wie die Schreiben des königlichen Sekretär Florian Waldauf an Erzberzog Sigmund von Tirol bei V. v. Kraus, Mari- milians I. Beziehungen zu Sigmund, ©. 33ff. und Bonfinius V,1, p. 533sqq. Andere Quellen verzeichnet Ulmann I, 96fl.

304 Wladiſlaws Friebe mit feinem Bruder Albert.

gejeben wurde, beweiſt der Umftand, daß gerade damals neben andern Ungarn, darunter dem Kommandanten der Burg zu Agram, der reiche Biſchof von Fünfkirchen ihm die Huldigung leijtete, wofür er bemjelben zu feinem Bistum noch das Erz bistum Salzburg zu verichaffen verſprach ).

Bald aber trat eine Änderung der Verhältniffe zu Un« gunjten Marimilians ein. Durch feinen Rüdzug erhielt Wla- diſlaw freie Hand gegen feinen Bruder Albert, der das von ihm belagerte Kaſchau noch immer nicht einzunehmen vermocht batte. Als nun jener mit einem bedeutenden Deere beranzog, ichielte der König Kafimir von Polen Gejandte ind Lager besjelben, um zwiichen beiden Söhnen eine Ausjöhnung zus ftande zu bringen. Am 20. Februar wurde bei Kaſchau der Friede geichloffen, wonach Albert gegen Überlaffung ver fchlefi« chen Herzogtümer Glogau-Sagan, Toſt und Kojel mit Leob⸗ ihüß, der Städte Jägerndorf und Beuthen und gegen die An⸗ wartichaft auf die Herzogtümer Ols-Wohlau und Troppau feinen Anfprüden auf Ungarn entjagte, mit der Beltimmung jedoch, daß dieſe Gebiete ohne weiteres an Wladiſlaw zurück⸗ fallen follten, wenn Albert König von Polen würde ?).

Bon diefer Seite gefichert, bejchloffen die Ungarn die Wieder, eroberung der füdweftlichen Neichsteile, die in die Hände Mart- miltans gefallen waren. Durch Berpfändung von Krongütern und königlichen Einkünften verichaffte man fich die Mittel zur Bezahlung der Soldtruppen.

Während Kinizfi das Gebiet zwifchen der Drau und dem Platten-See wieder unterwarf, und Johann Corvinus die Bes fagung der Burg von Agram, die Szefely vergebens zu ent« jegen verjuchte, zur Kapitulation zwang, begann Bathory mit dem Dauptheere, dem ſich dann auch der König anſchloß, in der eriten Hälfte des Juni die Belagerung von Stuhlweiljen- burg. Da durch den Anmarjch Kinizſis das ungarische Heer

1) „Archiv f. öfterr. Geſchq.“ ILL, 432 fi.

2) Befter Abdruck, aber mit Weglaffung der nicht auf Schlefien be- züglichen Beftimmungen, in „Lehns⸗ und Befigurfunden Schleſiens“ I, 39 ff. Vollſtändig ap. Katona XVII, 155. Pray IV, 219.

und mit bem Könige Marimilian. 305

auf 40000 Mann anwuchs und jeder Entfag ausblieb, ergab fih am 29. Juli die Dejakung. Länger, wenigitens bis in ben September, hielt fi) Veſzprim, das die Ungarn nun be- logerten. Nicht nur die meiften ungarifchen Eroberungen waren jo für Marimilian verloren, felbft feine Erblande wurden bes droht; beſonders beläjtigten die ungarijchen Bejagungen im nörd⸗ lichen Öfterreih die umliegenden Ortjchaften !).

Der deutſche Reichstag "Ehe dem Könige nur eine unge nügende Unterjtügung bewilligt. Da nun zugleich der Bruch mit Frankreich wegen ber Bretagnefchen Frage erfolgte und der Kaiſer feinem Sohne jede Geldunterftügung verweigerte, gab Marimilian dem Wunfche feines Vaters, der fein Leben in Ruhe beichließen wollte und zwilchen beiden Königen einen Frieden herbeizuführen bemüht war, Gehör und ernannte Be vollmächtigte zu Unterhandlungen, die Ende Augujt in Pres- burg oder Haimburg beginnen follten. Auch Wladijlaw war zu großen Opfern bereit, da auf die Nachricht von feiner ichweren Erfranfung, die er fich in den Sümpfen vor Stuhl. weilfenburg geholt hatte, fein Bruder Albert wegen Nichtaus- führung einiger Beſtimmungen des Friedensſchluſſes neuerdings die Feindjeligfeiten begonnen batte, und das ſüdliche Ungarn durch Einfälle der Türken beimgejucht wurde.

Am 7. November 1491 wurde in Presburg von den Bes vollmächtigten ber Friede unterzeichnet und vom Könige Wladi⸗ law am 6. Dezember in Ofen, von Marimilian am 20. Des zember in Innsbrud und vom Raifer am 14. Januar in Linz ratifiziert.

Die Bedingungen entfprachen faft genau jenen, welche in dem 1463 zwifchen Frievrih und tem Könige Matthias ger fchloffenen Frieden enthalten waren. Wladiſlaw und feine

1) Für diefe Kämpfe ift leider Bonfinius V,2, p. 54ösgg. faft einzige Quelle. Unreft, S. 749f. ift furz, Tubero ap. Schwandt- ner, II, 17isgg. lüdenhaft. Vgl. auch Katona XVII, 181 gg. Szalay 1II,2, 28ff. Die Angabe aber, daß aud Steinamanger von den Ungarn erobert worben fei, wirb durch Art. 35 des Friedensvertrages vom 7. November widerlegt.

Huber, Eeſchichte ſterreichs. IL. 20

806 Die Bedingungen des Presburger Friedens.

männlichen legitimen Erben follten im Beſitze des ungarijchen MNeiches bleiben, aber auh Marimilian den Titel eines Könige von Ungarn führen. Wladiſlaw und das Reich find verpflichtet, die alten Berjchreibungen (von 1463) wegen der Nachfolge zu beftätigen und zu erneuern, ſodaß, falls Wladiſlaw ohne Söhne oder dieſe ohne männlihe Nachkommen mit Tod ab- gingen, Ungarn „ipso facto“ auf Marimilian und deſſen direkte Leibeserben übergeben folltee Der König muß daher jobald ale möglich einen Reichdtag berufen, auf dem die Stände diefen Bertrag annehmen und fich verpflichten jollen, im ange» gebenen Falle Maximilian, oder wenn er nicht mehr lebte, jenen von feinen männlichen Nachfommen, ven fie wählen würden, als legitimen König anzuerkennen. Auch alle Brälaten und die herborragenderen weltlichen Würbenträger jollen beim Antritte ihres Amtes eidlich die Aufrechthaltung dieſer Ber ftimmung geloben. Wladiſlaw joll fih bemühen, auch bie böhmischen Stände zur Wahl Marimiliand oder feiner Erben zu bewegen, wenn er feine Söhne binterliche. Wie Friedrich nach dem Vertrage von 1463, jo joll auch Maximilian im Befige von Eilenjtadt, Güns und andern weitungariichen Ortjchaften gelafjen und die von den Ungarn eroberten Pläte ebenfo wie die Städte und Burgen in den öfterreichtichen Ländern zurücgegeben werben, während der römijche König die übrigen ungariichen Städte räumen muß. Natürlich fichern beide Teile den Anhängern des andern Amneftie zu. Zum Erſatz für die Kriegskoſten muß Wladiſlaw dem römiſchen Könige binnen zwei Jahren 100000 ungariihe Dukaten zahlen.

Die ungarifchen Stände, die Wladiſlaw auf den 2. Februar 1492 nad Ofen berief, waren über einzelne Bedingungen dieſes Friedensſchluſſes, beſonders wohl über die Zuficherung der Thronfolge an die Habsburger, ſehr ungehalten. Eine jo große Nachgiebigfeit fchten jet nicht mehr notwendig, da Albert von Polen von Zapolya, der die fchwarze Legion, 7000 Böh⸗ men, aus Öſterreich am fich gezogen hatte, am 1. Sanuar in ber Nähe von Kaſchau vollitändig bejiegt und neuerdings zum Vrieden gezwungen worden war. Der Reichslanzler Thomas

Defien Ratifilation durch die ungariſchen Stände. 807

Bakacs, Biſchof von Raab, und Stephan Baͤthory, bie vor» nebmften unter den ungariichen Bevollmächtigten, wurden geradezu als Verräter bezeichnet. Doc gelang es endlich bejonders dem Kanzler, die aufgeregten Gemüter zu beſchwich⸗ tigen. Am 7. März erflärten bie Bifchöfe und übrigen Prä— laten, 70 Magnaten im Namen der übrigen Barone, Großen und Adeligen Ungarns und Siebenbürgens, 63 Magnaten im Namen der übrigen Barone und Edeln Kroatiens und Sla- voniens und mehrere freie Städte, daß fie den Artikel wegen der eventuellen Nachfolge Marimilians und feiner Erben „auf dem wegen biejer Angelegeubeit einberufenen Neichötage in Ofen öffentlich und feierlich angenommen und einzelne venjelben in Gegenwart der Gejandten des römiſchen Könige befchworen baben” !).

Ob das Recht, welches die Habsburger auch jet wieder auf Ungarn erhielten, je in Kraft treten würde, Bing freilich weniger von einem gejchriebenen Vertrage ab, als von der Kraft, mit welcher derſelbe einjt geltend gemacht werben konnte.

1) Diefe wie ſämtliche auf dem Frieden und befien Ausführung be- züglichen Urkunden hat Firnhaber 1849 im „Archiv f. öfterr. Geſchq.“ III, 466ff. veröffentliht. Daraus ergiebt ſich, daß die Übrigens auch der Darftellung des Bonfinius, p. 549 wiberfprechende Behauptung ber älteren ungarifchen Hiſtoriker, der Friede fei wohl von einzelnen Großen, aber nicht von ben ungarifhen Ständen beftätigt worden und es feien, weil der König nicht das Necht gehabt babe, eigenmächtig Über die Nach» folge im Reiche Verfügungen zu treffen, bie bezüglichen Punkte für Ungarn unverbindlich gewefen, fi nicht halten laſſe. Auch jpäter haben Sza- fay IIl,2, Alff. und Feßler- Klein III, 244ff. aus dem Umftande daß ber Friede, und zwar, wie erfterer meint, infolge der Weigerung bes Komitatsadels, nicht in die Reichsſstagsakten aufgenommen worden ift, geſchloſſen, derfelbe fei vom Reichſstage gar nicht oder „nicht vorſchrifts- mäßig“ angenommen worben. Allein Friedensichlüffe, zu benen nach dem damaligen ungariſchen Staatsrechte die Zuftimmung des Reichstags nicht erforberlich war, wurden in jener Zeit überhaupt nicht in bie Reichstags⸗ Alten aufgenommen. Daß übrigens der Artitel wegen der Erbfolge auf dem Reichstage „öffentlich und feierlich” angenommen worden fei, jagen bie Beurfundungen aller Stände, und wir können dieſe doch nicht alle als Lügner bezeichnen.

20*

808 Erzberzog Sigmund von Tirol.

Im nämlichen Iahre, wo Marimiltan die an Ungarn ver- lornen Zeile der öfterreichiichen Herzogtümer meiſt mwieberge- wonnen bat, brachte er auch das feit mehreren Menfchenaltern bavon getrennte Tirol infolge der Abdanfung des Erzberzogs Sigmund in feine Hände.

Adıtes Rapitel.

Tirol und die Vorlande in der letzten Zeit des Erz- herzogs Sigmund. Defjen Abdankung. Tod des Kaifers Friedrich IL.

Nach dem Abichluffe der „ewigen Richtung” mit den Eid» genojfen im Jahre 1474 erfreuten fich die Länder des Herzogs, oder wie er fich feit 1477 mit Bewilligung des Kaiſers nannte, Erzberzogg Sigmund eines geficherten Friedens, der nach 1461 überhaupt nur durch Lokal beichränfte Kriege unterbrochen worden war. Sigmund hatte nie ernite Kämpfe, fondern nur ritterliche Spiele, die Jagd und die Pflege des Schönen geliebt. Wie er den Reizen des fchönen Geſchlechts nicht widerſtehen konnte, jo bat er auch die fchönen Künfte vorzüglich in ber zweiten Hälfte feiner Regierung eifrig geförbert ?).

Beſonders das Kunſthandwerk, das in jener Zeit von der eigentlichen Kunſt nicht fo fcharf getrennt war wie heutzutage, Bat unter ihm eine außerorbentlihe Blüte erreiht. Der Bau zahlreicher Schlöffer, die nah Sigmunds Namen bezeichnet wurben, unb mehrerer Kirchen, boten der Architeltur, der

1) D. Schönherr, Die Kunftbeftrebungen Erzherzogs Sigmund von Tyrol. „Jahrbuch d. kunſthiſt. Samml. d. Allerhöchſten Kaiferhaufes“ I, 182—212.

Kunftfinnige und fchöngeiftige Beftrebungen. 809

Plaftit und der Malerei Gelegenheit, fih zu entfalten. “Die großen Silbermünzen (die Vorbilder der fpätern Thaler), die Sigmund, der erſte deutiche Fürft, in jeiner Münzftätte in Hall prägen ließ, beſonders aber die in feiner Zeit gejchnittenen Siegelftempel zeigen Korrektheit der Zeichnung und Schönheit der Form. Die landesfürftlihe Harniichichlägerei in Mühlau bet Innsbruck erfreute fich eines europätichen Rufes. Nicht bloß deutſche Fürften, fondern auch die Könige von Neapel und Portugal bezogen daher Harniiche, was legterer fogar als eine bejondere Gunſt betrachtete. Die Ichönften Nüftungen, welche die Amrafer Sammlung aus diejer Zeit enthält, ftammen aus Mühlen. Daß Golpfchmiede und Cmailleure am ver⸗ jchwenberifchen und galanten Fürften einen guten Runden hatten, iſt ſelbſtverſtändlich.

Auch den damaligen humaniſtiſchen Dichtern, mit denen beſonders ſein Sekretär und ſpäterer Rat Doktor Johann Zuhsmagen aus Hall einen regen Verkehr unterhielt, erwies er ſich günftig, wofür dieſe feine zweite Heirat, feine Beziehungen zu Karl von Burgund oder einen Straßenbau befangen oder auch ihm poetiſche Bettelbriefe ſchickten ). Aber auch ein „Redenbuch“, ein deutſches Heldenbuch, ließ er 1463 für fich abichreiben. Mit ihm wetteiferte in der Wertfchägung ver Dicht- kunſt jeine Gemahlin, bie feingebilvete Eleonore von Schott. land, die ſelbſt den franzöfiichen Roman „Pontus und Sidonia“ ind Deutjche überfegte und mit Holzichnitten verziert in Auge. burg druden ließ ?).

Diefes funftfinnige und jchöngeiftige Zreiben am Hofe zu Innsbruck Hatte aber doch auch feine Schattenfeiten, indem Sigmund mit feinen Cinfünften nicht ausreichte, da die an

1) 4. Zingerle, Beiträge 3. Geſch. d. Philologie I, 96. 103. 123. 125—138, aus einer Sammlung der an Fuchsmagen gefchidten Gedichte verfchiedener Humaniften. Über Fuchsmagen ſelbſt ſ. S. Ruf in „Zeit ſchrift d. Ferbinandeums f. Tirol“ III $. XXI, 93—119.

2) Schönherr a. a. O. S. 200f. Bol. auch Kirhlehner, Aus ben Zagen H. Sigmunds des Miünzreihen und 8. Marimilians I. (Linz, 1884), S. 16f.

310 Ausbeutung der Schwähe Sigmunds durch feine Günftlinge

Schwäche grenzende Güte biefes Fürften von feinen Günftlingen oft in der gewifjenlofeften Weile ausgebentet wurde. Wie Dies in den erften Jahren feiner Regierung durch bie Grabner ges ſchehen war, fo thaten es im fpäteren Alter desjelben, wo auch feine geiftigen Fähigkeiten und feine Willenskraft in bedenk⸗ lihem Maße abnahmen, andere ). Der Vogt Gaubenz von Matſch, Graf von Kirchberg, 1478—1482 Landeshauptmann von Tirol und feit 1486 Oberfthofmeifter des Erzherzogs, die Grafen Georg von Sargans und Oswald von Thierftein, der er berzogliche Kanzler Johann Dieggenegg werben neben anderen als diejenigen bezeichnet, welche auf Sigmund den größten Ein- flug übten. Beſonders berüchtigt war die „Spießin“, bie Witwe des Ritters Spieß, Hofmeifterd ber Erzherzogin Ele- onore, welche im Bunde mit andern Weibern und tm Ein- verftändnis mit manchen Räten bes Erzberzogs Teufel bannte und fich von Leuten, die fie in Ofen und Mauern verfteckte, al8 angeblichen Teufeln auf ihre Fragen die verabredeten Ant» worten geben ließ, was benügt wurde, um Sigmund gegen Perjonen, die nicht zur Clique gehörten, ‚einzunehmen. Manche wurden auf folche Ausfagen Hin eingeferfert und gefoltert. Ja man brachte dem Erzherzog fogar den Glauben bei, daß feine eigene Gemahlin Katharina von Sachſen, die er 1484, vier Sabre nach dem Tode der Eleonore von Schottland, geheiratet batte, ihn vergiften wolle. Dann hieß e8 au, daß zweiund⸗ ſiebzig Perfonen fich verichworen hätten, um dem Erzherzog zu vergeben und das Land den Schweizern zu überantiworten, was der Landeshauptmann Gaudenz von Matſch auch benukte, um viele foltern und martern zu laffen. Daß dieſe Hofclique

1) Über die letzte Regierungsperiode umb bie Abdankung Sigmunds f. P. Iuftinian Ladurner, Die Vögte von Matſch, in „Zeitichr. bes Ferdinandeum“ III. F. XVII, 66ff. 4. Jäger, Der Übergang Tirols u. f. w. von dem Erzh. Sigmund an ben röm. 8. Marimilian von 1478—1490. „Ardiv f. öferr. Geſch.“ LI, 297—448, im weientlichen wieder abgebrudt in besfelben Verf. „Gel. d. landſtändiſchen Berfaflung Tirols“ II, 2, 300ff. Bol. 8. v. Kraus, Marimilians I. Beziehungen zu Sigmund von Tirol 1490 —14%, ©. fl.

und burch bie Herzoge von Baiern. 811

isren Einfluß auf den Erzherzog auch in finanzieller Beziehung ausbeutete, kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen.

Die Geldnot Sigmunds fuchten nun bejonder8 die Her« zoge Albrecht von Batern- Münden und Georg von Baiern⸗ Landshut zu benugen, um, unterjtügt von ben Räten desjelben, feine Länder am fich zu bringen. Denn Sigmund felbft hatte wohl über vierzig uneheliche Kinder, aber Feine legitime Nach kommenſchaft, nachdem ein Sohn von Eleonore von Schott. land in ver Wiege geftorben war. inerjeits balfen ihm die baieriſchen Herzoge mit Geld aus und ließen fich dafür Gebiete verpfänden oder abtreten. Anderſeits fuchten fie ihn gegen dem Katjer, feinen nächften Verwandten und Erben, einzunehmen, indem fie ihm die Überzeugung beibrachten, daß derjelbe ihn ber Regierung berauben und zu einem Pfründner machen oder gar vergiften wolle. Bon 1478—1483 verichrieb Sigmund dem Herzoge Albrecht 216 000 rheiniiche Goldgulden auf nord» tiroliihe Burgen und Gerichte und auf das Bergwerk in Schwaz, wogegen diefer ihm jeinen Beiftand verſprach, baß er bei der Regierung bleibe ). Albrecht übte auf Sigmund einen folden Einfluß, daß diefer ihm um Neujahr 1487 die in Innsbruck befindliche Tochter des Kaiſers, Kunigunde, ver- mählte. Und dies geſchah, obwohl ihr Vater, der anfangs diejer Heirat nicht entgegen gewejen war, wenn Albrecht die Berichreibungen auf tirolifche Gebiete zurüditellte, erbittert über die Wegnahme der Reichsſtadt Regensburg durch Albrecht feine Zuftimmung zurüdgezogen batte, wobei zur Entſchuldigung Sigmunds nur angeführt werden kann, daß er wahrjcheinlich felbft durch einen gefälichten Brief des Kaifers bintergangen worden ij. Wenige Wochen darauf verfchrieb er dem Herzoge Albrecht jogar 1000000 Goldgulden?) auf Tirol und bie

1) Nah dem fpäter zu erwähnenden Schreiben des Kaiſers vom 15. Auguſt 1487 find diefe Berfchreibungen burch bie tirolifchen Stände rüidgängig gemacht worben.

2) So Säger im „Archiv“ LI, 326, R.2 und Lanbftänd. Berfaflung 11,2, 812, 8.2. Nah Lihnomwsty VIII, Reg. 923 zwar nur 100 000 Gulden. Aber nach gütiger Mitteilung des Geh. Rates v. Löher enthält

812 Krieg gegen Venedig.

Borlande, wenn er vor demſelben ohne männliche Leibeserben mit Tod abginge, mit der Beitimmung, daß der Herzog obige Länder folange innebaben follte, bis Ddiefe ungeheure Summe von Sigmunds Erben bezahlt würde. Dem Herzoge Georg verlaufte er 1486 um 52000 Gulden bie bisher dem Biſchofe von Augsburg verpfändete Markgrafſchaft Burgau und im Juli 1487 beiden Herzogen um den Spottpreis von 50000 Gulden bie gefamten Vorlande mit Ausnahme von Vorarlberg.

Die baierijchen Herzoge werben auch bejchuldigt, daß fie, um Sigmundd finanzielle Verlegenheiten zu fteigern, ihn zum Kriege gegen die DVenetianer angeftachelt haben, ben er kurz vor dem Verkaufe der Borlande begonnen hatte.

In der That ift e8 nicht wahricheinlih, daß der unfriege- riſche Fürſt bloß auf den Wunfh des Biihofs Ulrich von Trient und der Grafen von Arco, die ihre an Venedig ber= Iorenen Befitungen ?) wieder zurücdgewinnen wollten, fich zum Angriffe auf die mächtige Republik ?) entfchloffen hätte, wenn nicht feine Räte, die ganz von den baieriichen Herzogen um⸗ jtrieft waren, ihn dazu angetrieben hätten.

Streitigfeiten zwijchen den Grafen von Arco und ben bes nachbarten venetianischen Untertbanen zum Anlaß nebmend, ließ Sigmund im März 1487 die Bergwerfe in Primiero und Val⸗ fugana bejegen, welche venetianiichen Privaten gehörten, und dann nah vorausgegangener Kriegserflärung am 23. April auf der Bozner Meſſe 130 venetianiiche Kaufleute verhaften und ihre Waren konfiszieren. Gleichzeitig griff jein Hofmeifter Gaudenz von Matih mit 8000 Mann NRoveredo an und zwang

das Regeſt Arrobens (die Urkunde felbft ift nicht mehr vorhanden) wie das Driginal des darauf bezüglichen Bertrages zwiſchen ben Herzogen Albreht und Georg vom 18. Februar (= Lichnowsky, Nr. 929) im baierifchen Reichsarchiv zehenmal hundert tausent guldin reinisch.

1) ©. dieſe Geſchichte IL, 506. 515. 518.

2) ©. für das Folgende Gottfr. PBrimiffer, Der Benezianifche Krieg unter dem Erzh. Sigmund 1487, im „Sammler für Geld. und Statiftit von Tirol“ II, 97—280. gl. Romanin, Stor. doc. di Venezia IV, 425 80q.

Die Schlacht bei Ealliano. 313

nach heftiger Beſchießung die Stadt und am 30. Mai aud das Schloß zur Übergabe. Der Anführer der Venetianer, Julius Cäſar von Varano da Camerino, der mit einem bes beutenden Heere in der Nähe ftand, hatte der Belagerung un. thätig zugefehen und wurde daher durch den berühmten Robert von Sanjeverino erjegt. Da diefer auch Verftärkungen mit fich brachte, fo hielten fich beide Teile im Felde das Gleich⸗ gewicht, obwohl in einem Gefechte bei Ravazzone am 4. Yuli der Sohn Sanfeverinos in ©efangenichaft geriet und dieſer jelbft nur durch die Aufopferung feines Sohnes gerettet wurde.

Da 309 ſich Gaudenz von Matſch aus noch nicht genug aufgeflärten Urfachen, vielleicht wegen Unzufriedenheit feiner Söldner ?), zurüd und Löfte jein Heer auf, nachdem er in Ro⸗ verebo eine Heine Beſatzung und in Trient den in den Kriegen gegen Karl von Burgund erprobten Friebrih von Kappel mit 3000 Reitern und einigen Yußtruppen zurüdgelafien batte. Snfolge deſſen fiel Roveredo am 25. Juli wieder in die Hände ber Benetianer, worauf Sanfeverino das Schloß Stein (Pietra) bei Galliano belagerte, das fein Vorrüden nad Zrient hemmte. Hier wurde er durch Friedrich von Kappel mit einer Kleinen Neiterichar, den Bürgern von Zrient und dem Landſturm der benachbarten Gemeinden am 10. Auguft in ſehr ungünftiger Stellung angegriffen und troß feiner Übermacht volljtändig ge= ſchlagen. Mehrere taujend Wenetianer fanden teils in der Schlacht, teil in den Fluten der Erich den Tod, unter leh- teren auch Sanfeverino, dem König Marimilian 1493 im Dome von Trient ein jehr fchönes Denkmal errichten Tieß 2).

1) ©. die Erörterungen Brimiffers a. a. O., S. 137ff. An Be ftehung bes Matſchers durch die Venetianer möchte ih aber mit ben Neneren nicht glauben, ba biefer fortan noch mehr als früher in Gelb- verlegenheiten ift (f. Laburner a. a. O., ©. 107ff.) und in dieſer Beziehung weber von ben tirolifchen Ständen noch vom Kaiſer ein Vor⸗ wurf gegen ihn erhoben worden ift.

2) Eine Abbildung bes fteinernen Sargbedel8 mit bem überlebens- großen Bilde des Feldherrn in Hochrelief, ein Wert des „Steinmetz“ Lukas Maurus, bei Schönherr a. a. ©. S. 19.

814 Auftreten der Stände Tirols gegen Sigmunbs Näte.

Kappel war zu jchwach, um dieſen glänzenden Sieg ver⸗ folgen zu können, da auch fein Feines Heer nicht unbedeutende Berlujte erlitten hatte und er wegen der Abneigung der tiroli« ſchen Stände gegen den Krieg feine Verftärkung erhielt. Beide Zeile beſchränkten fich auf die gegenfeitige VBerwüftung ber Grenz. gebiete. Die Bemühungen des Papftes, an den fich Venedig, und bes Kaiſers Friedrich, an ben ſich die Stände von Tirol gewendet hatten, führten dann nach langen Verhandlungen am 13. November zum Abjchluffe eines Friedens, wonach Die gegen» feitigen Eroberungen zurückgegeben und die venetianiichen Kauf⸗ leute für ihre Waren entichädigt werden follten.

Die eigenmächtige Veräußerung der VBorlande, wozu Sig⸗ mund nach den djterreichiichen Familienverträgen gar nicht das Recht hatte, und die Gefahr, daß auch Tirol an Baiern ver- loren gebe, bewog den Kaijer, fih an mehrere Städte und wahrfjcheinlich auch an andere Perjonen dieſes Landes zu wenden umd fie zum Feſthalten am Haufe Ofterreich aufzufordern. ALS num am 16. Auguft 1487 ein Landtag in Hall zulammentrat, erhoben die Stände die lauteften Klagen über die ganze Wirt- ihaft am Hofe Sigmunds, über das Treiben feiner Umgebung, über die Verletzung der Landesrechte, über die Einkerferung und Yolterung Unfchuldiger, über das unerhörte Verbot, gegen das Regiment und deren Vertreter etwas zu jagen, bejonders aber über ben leichtfinnig begonnenen und für die materiellen Sntereffen des Landes und feines Fürften jo nachtelligen Krieg gegen Venedig. Entichieden wurde die Entfernung und Bes ftrafung der ungetreuen Regenten und die Erſetzung derſelben durch andere verlangt. Das Auftreten der Stände erhielt eine Stüge durch ein während der Verhandlungen eintveffendes Schreiben des Kaijers !), der fie förmlich dazu aufforberte.

Der im Grunde jehr gutmütige Erzherzog gab bem Ver⸗ langen der Stände nach und erjegte feine bisherigen Räte und

1) Aus Nürnberg vom 15. Auguft. Alfo kann es nicht, wie Jaͤger fagt, vor den Berkanblungen eingetroffen fein. Auch iR dem Kaiſer die Eröffnung des Landtages ſchon bekannt.

Nachgiebigkeit des Erzherzogs. 315

Hofbeamten durch andere, die er aus einer ihm vom Landtage vorgelegten Liſte wählte.

Noch viel weiter gehende Konzeſſionen machte Sigmund im November auf einem Landtage in Meran, bei dem auch Ver⸗ treter der Vorlande und Geſandte des Kaiſers und bes Königs Marimilian anmejend waren. Er überließ den Ständen auf drei Sabre die ganze Verwaltung jeiner Gebiete, wogegen Dies jelben die Ordnung der zerrütteten finanziellen Verhältniſſe, die Entichäbigung der DVenetianer und die Tilgung feiner Schulden übernahmen. Der Erzherzog wurde auf ein Ein- fommen von wöchentlich 200 Gulden beichräntt, fein Hofftaat ſehr reduziert und er ganz von einem burch die Stände Tirols und der Vorlande gewählten Rat abhängig gemacht, ohne deſſen Wiſſen und Willen er auch nicht die geringfte Verfügung treffen durfte. Er geitattete endlich, daß feine Unterthanen ſchon jetzt für den Fall feines Ablebens ohne männliche Nachlommen dem. Kaiſer und jeinem Sohne die Huldigung leifteten, und ſprach ihnen, fall8 er eine feiner Herrſchaften dem Haufe Ofterreich zu entfremben fuchte, das Hecht zu, fofort ein anderes Mit- glied besjelben zum Lanbesfürjten zu nehmen.

Am Anfange des folgenden Jahres kam der Kaifer felbft nach Innsbrud. Wie er überhaupt in diejen Jahren, wo er offenbar von tüchtigen Räten umgeben war, fich viel thätiger zeigte als früher, jo legte er in der tiroliichen Frage eine ganz ungewöhnliche Rührigkeit und Energie an den Tag. Am 8. Januar 1488 wurden Sigmunds frühere Näte und deren Genoſſen in die Reichsacht erklärt, und dann der Erzherzog auch beivogen, die im Sabre vorher in Form einer teftanen- tarischen Verfügung zugunften Albrechts von Baiern gemachte Verſchreibung von 1000000 Gulden zu widerrufen. Um bie baieriſchen Herzoge zur Rückgängigmachung des Verlaufs von Burgau und der übrigen Vorlande zu bewegen, fuchte der Kaiſer . auf dieſelben durch den fchwäbiichen Bund einen Drud audzu- üben, der gerade um biefe Zeit auf Betreiben feines Rates, des Grafen Haug von Werbenberg, von den durch bie Ver⸗ größerungsgelüfte der Wittelöbacher in ihrer Selbftändigleit bes

816 Erzherzog Sigmunds Abdankung.

brobten PBrälaten, Grafen, Herren, Nittern und Reichöftäbten Schwabend gegründet wurde und dem auch Erzherzog Sig— mund beitreten mußte‘), Dom Bunde, der durch den An⸗ ſchluß benachbarter Fürjten zu einer bedeutenden Macht wurde, mit Krieg bedroht, gab Herzog Georg 1489 gegen Rüdzahlung der Kaufſumme Burgau heraus und entſagte feinen Anfprüchen auf die Vorlande. Mit dem Herzoge Albrecht von Baiern, dem ber Kaifer wegen der Vermählung mit feiner Tochter und ber Wegnahme Regensburg auf das heftigſte zürnte, und ben er im Januar 1492 fogar in die Acht erklärte, brachte der König Mar erit im Mai diefes Iahres einen Ausgleich zujtande, wobei derjelbe Regensburg herausgeben und auf die ihm vom Erzberzoge Sigmund verjchriebenen Geldſummen verzichten mußte. |

Unterbejfen war in Zirol eine enticheivende Wendung ein- getreten.

Der Erzberzog Sigmund wollte fih die Landesordnung von 1487, durch die er aller NRegierungsgejchäfte entkleivet und fein Hofſtaat jo ſehr verkleinert worden war, auf die Dauer nicht gefallen Lafjen, obwohl 1489 fein Wochengeld auf das Doppelte erhöht wurde. ‘Der Erzherzog wurde von Abneigung gegen die ihm an die Seite gegebenen Räte, die Räte von Mißtrauen gegen den Fürften erfüllt, ſodaß fie jelbit den freien Verkehr desfelben mit ihren Gegnern zu hindern fuchten. Immer mehr erweiterte jich die Kluft zwijchen beiden. Als Anfangs März 1490 im Auftrage des Kailer der König Marimilian zur Herbeiführung eines Ausgleichs in Innsbruck erjchien, er- hoben beide Zeile vor den verjammelten Ständen die beftigiten Anklagen und Beichuldigungen gegen einander. Da gab Sig. mund am 16. März die unerwartetete Erklärung ab, daß er zugunften jeines Vetters Maximilian auf die Regierung jeiner Länder verzichte. Doch hatte ihm biejer jährlich 52000 Gul⸗ ben, das Drittbalbfache vefjen, was er zulegt von den Stänben

1) Bgl. mit B. Schweizer, Vorgefhichte und Gründung bes Schwä- bifden Bundes, S. 87ff., au Ulmann, 8. Marimilian I., I, 5öff.

Umfhwung in ber legten Zeit K. Friedrichs III. 817

bezogen hatte, und das Recht, überall im Lande zu jagen und zu fiichen, zugefichert. Yon Marimilian auf das aufmerkfamfte behandelt, aber ohne jeden Einfluß auf den Gang der Ereig- niffe, hat dieſer beim Volke jehr beliebte Fürft noch ſechs Jahre verliebt. Am 4. März 1496 ſank er im 69. Lebensjahre ins Grab.

So erlebte der alte Kaiſer Friedrich noch die Erhöhung feines Haufes zur Tpäteren Größe. Oft in Gefahr, von dem Kurfürften des Thrones entjegt zu werden, 1485 aus feinen eigenen Ländern flüchtig, Sabre lang ohne bie notwendigften Mittel herumziehend, ſah er endlich feine Länder wieber ers obert, Tirol mit ben übrigen Befigungen des Haufes vereinigt und baburch auch die verberblichen Länderteilungen bejeitigt, ſah feinen Sohn als Negenten ber ausgedehnten und blühenden Niederlande und als Nachfolger auf dem Kaiferihrone und fonnte endlich hoffen, daß feine Nachlommen auch noch in bem Defit von Ungarn kommen würben. Es war ein Umfchwung, wie man ihn felten erlebt, ven aber freilich auch nicht Fried richs Kraft, fondern eine höhere Fügung herbeigeführt hat.

Die letzten Jahre feines Lebens feit dem SHerbfie 146% brachte Friedrich in Linz zu, nach der Sitte der Zeit fid; viel mit Alchhmie und Aftrologie beichäftigend, aber nod; immer: eiferfüchtig feine Negierungsrechte wahrend. Endlich zumchı: die Natur dem greifen Kaiſer gegenüber feine Wedie gersen Er wurde ſchwächer und fehwächer, feine Sehen inner: ze: ab, Bald griff der Brand ber Alten noh weiter sm ir. = Arzt Hoffte ihm durch Ubnahme eines Schentels a: können, und fein Zuftand befferte fih auch uw. __ -- barb fich der durch Alter und Leiden erkkäphe ig - er eine fehr große Vorliebe für rohes ht ss ——— daß er am 14. Auguft 1493, einem dumme. er etwas Warmes zu ſich genommen kase. irn - und Waſſer darauf trank, we eur ——

Folge Hatte. Fünf Tage deze’. zu -- me | in einem Alter von 78 Aminen 2 see

1) Über zriedre c | en

818 K. Friedrichs III. Tod.

er achtundfünfzig Jahre in ſeinen Erblanden, mehr als drei⸗ undfünfzig in Deutſchland regiert hatte.

feine Leiden ſ. J. Grünbeck, Hist. Frid. et Maximiliani in Chmels öfterr. Gefchichtsforfcher I, 72ff. und Cuspinian, De Caesaribus (ed. 1601), p. 412. Einige Notizen auch bei V. v. Kraus, Marimilians vertranlicher Briefwechfel mit Prüfchent, S. 83 ff.

Sechſtes Bud). Öfterreihis Erhebung zur enropäifhen Großmacht.

322 Merimilians Vorliebe für Jagd und Kämpfe.

Steinböde, Wildfchweine oder Büren, obwohl man damals bet der Unvollkommenheit der Teuerwaffen die Tiere nicht von ficherer Stelle aus erlegen konnte, fondern ihnen auf Yanzen- wurfweite nahe kommen oder mit dem Schwerte den Kampf gegen fie aufnehmen mußte. Wieverholt iſt jein Leben dabei n Gefahr gefommen, wenn er fich etwa plöglich einem Bären oder Eber gegenüber befand, oder wenn auf den Bergen Tirol berabrolfende Steine ihn zu zerichmettern oder eine Lawine ihn mit fi in die Xiefe zu reißen drohte, oder als auf ber Martinswand bei Zirl, wo er fich verjtiegen, im Geftein alle Baden des Steigeiſens feines hinteren Fußes bis auf einen einzigen brachen und er fich fchlieglich nur durch jeine Geſchick⸗ lichkeit und die Unterjtügung feines Jägers zu retten vermochte !). Marimilian empfiehlt übrigens feinen Nachkommen bie Jagd auch deswegen, weil fie dem Fürſten Gelegenheit biete, mit feinen Untertbanen in Berührung zu kommen, deren Wünſche kennen zu lernen, ihren Beſchwerden abzuhelfen ). Das machte ihn ja beim Volle fo populär, daß er fich gern unter dasjelbe mifchte, an den Zeiten und Unterbaltungen vesjelben, an Tänzen und Schieübungen teilnahm, daß er mit Bauern und Hand» werfern ebenfo gut zu verkehren verftand, wie mit Fürften und vornehmen Damen. Neben der Iagd liebte er beſonders die Turniere, worin er die ftärfiten Ritter überwand. Aber nicht nur in allen vitterlichen Übungen war er Meifter, auch im erniten Kampfe jtellte er jeinen Mann. In der Schlacht fämpfte er allen voran, ftürzte fich in das dichtefte Hand⸗ gemenge, nahm ed mit mehreren Feinden zugleih auf. Schon dies zeigt, daß er mehr Ritter als Feldherr geweien iſt. Jedoch . hätte ex einen vortrefflihen Kriegsmintjter abgegeben. Für

1) 8. Kirchlechner, Über Maximilian als Jäger und im bef. über das Abenteuer des Kaifers auf ber Martinswand. „Iahres-Bericht ber k. k. Ober-Realfchule in Linz”, 1885, wo auch über die Ausbildung der daran fih knüpfenden Sage gehandelt ift.

2) Siehe 8. Marimiliang I. geheimes Jagdbuch, herausgegeben von Karajan (Wien, 1858), ©. 24, wo intereflante Bemerkungen über bie Jagd, die Ausrüftung dazu u. f. w. ſich finden.

Sein Iuterefie für geiflige Beftrebungen und Staatsangelegenheiten. 328

militärtiche Angelegenheiten hatte er ein hervorragendes organi⸗ fatorifches Talent, wobei er für das Große ebenfoviel Sinn und Verſtändnis zeigte wie für das Kleine. ‘Die Landsknechte 1), burch welche der Auf deutſcher Eriegeriicher Tüchtigkeit wieder zu Ehren gebracht wurde, find teilweile feine Schöpfung, mehrere Gattungen von Belagerungd- und Feldgeſchützen fein Werl. Und wie Mar überhaupt von feinem phlegmatilchen Vater vollitändig verſchieden war und das feurige ſüdländiſche Blut feiner Mutter fih in ihm geltend machte, jo zeigte er für die verfchiedenften Dinge, auch für bie geiftigen Beftrebungen, Interefie. Es Hatte Feine nachteiligen Folgen gehabt, daß auch dem Saiferjohne von feinem Lehrer Peter Engelbrecht, bem ipäteren Bilchofe von Wiener Neuftadt, die Feinheiten bes Lateiniſchen und der Dialektik mit Schlägen eingebleut worben waren 2), Die Künfte und Wifjenfchaften fanden an ihm einen warmen Gönner, wie er denn auch jelbjt auf verfchievenen Ge- bieten fehriftftelleriich thätig war 3) und, unterjtügt von einem vortrefflichen Gedächtniffe, acht Sprachen, außer Deutich und Lateiniſch auch Franzöſiſch, Italieniſch, Spaniih, Vlämiſch, Engliſch und Windiſch verſtand, in den vier erſten auch gewandt und elegant ſich ausdrüdte *). Auch für Staatsangelegenheiten hatte er Verſtändnis und Intereſſe, ſodaß einer ſeiner ver⸗ trauteſten Räte ſich einmal darüber beklagt, daß „Se. Majeſtät alles ſelbſt angeben, durchſehen und korrigieren will“ 5). Sein

1) ©. über biefe das hübſche Büchlein von H. v. Zwiedieneck— Südenhorft, Kriegsbilder aus der Zeit der Landsknechte. Stuttgart, 1883.

2) Cuspinian |. c., p. 485.

3) Nach einer Aufzeichnung in ber Wiener Hofbibliothet bat er fol- gende Bücher felbft gemadt: „Grab, Ehren, Weife Kunig, Teuerdant, Freydank, Triumphwagen, Stammchronit, der Stamm, Artalerey, bie fieben Luſt⸗Gezirk, Wappenbuch, Stallbuch, Platnerey, Jägerey, Valknerey, Kücherey, Kellnerey, Fiſcherey, Gärtnerey, Baumeiſterey, Moralität, An⸗ dacht St. Jürgen.“ Lambecius, Bibl. Caes. Vindob., lib. II, 969.

4 Srünbed in Chmels Oſterr. Geſchichtsforſcher J, 9. Bgl. „Weißkunig“, ©. 74. 138—145.

5) Cyprian von Sarnthein an Paul von Liechtenſtein 3. April 1509, bei Kraus, Marimilians I. vertraulicher Briefwechſel, S. 121.

21*

94 Ausdehnung ber Länder Marimilians.

ganzes Leben ging überhaupt in Wirken und Schaffen auf. Nie Tonnte er müßig fein; ſelbſt auf der Jagd und beim Efjen gab er feinen Räten Aufträge oder diktierte feinen Schreibern.

Zugleih war Morimilian ald Regent der öfterreichiichen Länder in einer weit günftigeren Lage als feine letzten Vor⸗ Hänger. Nach langer Trennung waren fie unter ihm zum erſtenmale wieder vereinigt worden und zu dieſen waren durch feine Heirat mit Maria von Burgund auch noch die Niever- ande gefommen. Faft der ganze Süden und Weften Deutjch- lands, ein Länderkomplex von mehr ald 3000 Quadrat-Meilen war in Marimiltans Händen, was ihm auch als beutjchem Könige ein ganz anderes Gewicht geben mußte, als wenn er ber Herr eines einzelnen Fürſtentums geweſen wäre.

Wenn Maximilian deſſen ungeachtet als König nicht fo viel geleiftet bat, al8 man erwarten durfte, jo lag der Grund in erfter Linie in den Verhältniffen, welche dadurch bejtimmt wurden, daß feine Regierung in die Zeit des Überganges vom Mittelalter in die Neuzeit fällt, ja was die ftaatlichen Zuſtände betrifft, ſchon mehr der letteren angehört.

Was das Mittelalter in politiicher Beziehung beſonders von ber Neuzeit unterjcheivet, ift das Vorwalten der Formen des Lehenweſens und Torporativer Gejtaltungen, die der Macht der Negierungen fehr enge Schranken jegten. Gegen Ende des Mittelalters war nun aber das Streben der Fürſten faft überall babin gerichtet, ihre Gewalt zu vergrößern, Adel und Stäbte, wo bieje früher eine jelbjtänbigere Stellung eingenommen hatten, in größere Abhängigkeit von der Krone zu bringen, die Rechte ber Lanbftände zu beſchränken und an die Stelle des Lehens—⸗ verbandes die Verwaltung durch landesfürſtliche Beamte zu ſetzen.

Das Maß, in welchem dies den einzelnen Fürſten gelang, war auch für die äußere Machtſtellung entſcheidend, vorzüglich infolge der Umgeſtaltung des Kriegsweſens. Schon im 14. Jahr⸗ hundert hatte in den Kämpfen der Schweizer und der nieder⸗ ländiſchen und deutſchen Städte das Fußvolk gegenüber den ſchwergerüſteten, bepanzerten Ritterheeren wieder größere Des

m

Umgeftaltung des Kriegsweſens. 325

deutung erlangt. Beſonders durch Zizle war das Fußvolk noch mehr ausgebilvet worden. Da nach dem Ende der Huftten- fümpfe die unbejchäftigten böhmiſchen Krieger fcharenweile tm ben Dienft fremder Yürften traten und auch die Söhne ber Schweizerberge fih gern als Söldner anwerben ließen, jo verbreitete fich diefe Form der Kriegsführung über den größten Teil von Europa. Die Wichtigkeit des Fußvolks wurde noch erhöht burch die Erfindung des Schießpulvers und die Ber wenbung besfelben im Kriege. Hatte man dasjelbe feit dem britten Jahrzehnt des vierzehnten Jahrhunderts gewöhnlich nur für ſchwere Gefchüge zur Belagerung von Städten und Schlöfjern verwendet, jo begann man gegen das Ende des fünfzehnten Sahrhunderts auch das Fußvolk teilweife mit Handfeuerwaffen zu verfeben, und bamit war das Übergewicht desielben ent- ſchieden. Denn der töplichen Kugel erlag auch ver jchiwer- bepanzerte Ritter ſchon in einer Entfernung, wo fein Schwert und feine Lanze noch ganz unwirkſam waren, und die Schlachten wurden daher bald nicht mehr durch die Ritter, ſondern durch bie Infanterie entjchieven. Nicht jo fehr die perfönliche Tapfer⸗ feit des einzelnen, als die Zahl und Übung der Krieger gaben fortan den Ausſchlag. Je geübter ein Schüke war, befto fiherer traf er feinen Mann, und auch die nicht mit Schieß- gewehren, jondern mit Hellebarden oder langen Spießen bewaff- neten Fußgänger, bie in gejchloffenen Vierecken fampften, waren obne eine gewiffe Ausbildung wenig brauchbar. Geübte Truppen hatten deswegen immer das Übergewicht gegenüber rvafch zur fammengerafften Miltzen. Daher entjtanden jett ſtehende Heere, bie anfangs zwar wenig zahlreich waren, aber immer mehr anwuchſen. Neben den ftändig unterhaltenen Soldaten gab es auch noch ſehr viele andere Leute, die aus dem Kriege ein Ges werbe machten und jedem dienten, der fie gut zahlte. Stehende Heere oder Geld zur Anwerbung von Sölonern wurden fortan für die Machtverhältniffe der Staaten die maßgebenven Faktoren. | Dies war auch die Urjache, daß unter den europätichen

Staaten gegen Ende des 15. Jahrhunderts Frankreich ent» ſchieden der mächtigfte wurde.

56 Verhältnis der Macht Frankreichs und K. Marimilians.

Das franzöfiiche Königtum war aus den jchweren Kriegen mit England ſehr gekräftigt hervorgegangen. Um vie Uns abbängigfeit des Landes, als deren Repräfentant der König erichten, zu retten, jcharten fich alle um den Monarchen und gewährten ihm bereitwillig die Mittel, die zur Behauptung ver Selbſtändigkeit Frantreih8 notwendig waren. Im Jahre 1439 bewilligten die Stände dem Könige die Erhebung einer all gemeinen Abgabe nicht bloß in feinen unmittelbaren Gebieten, fondern auch kon ben Unterthanen der Großen. Dieſelbe jollte allerdings zunächſt nur für die Befoldung ber Truppen während des Krieges bejtimmt jein. Aber fie blieb auch nach dent Frieden und bildete den Anfang einer vegelmäßigen Beſteuerung. Auf diefe Weiſe konnte ein befolvetes ftehendes Heer gejchaffen werden, das zwar nicht groß war, aber einen feiten Stern für die übrigen Zruppenteile bildete. Zugleich erhielt den König baburch die Mittel zur Anwerbung von Schweizern, der beften Sußtruppen jener Zeit, die fich der König 1474, wo Frankreich und die Eidgenofjen gegen Karl von Burgund gemeinjamte Intereſſen hatten, durch einen dauernden Vertrag ficherte. Da zugleich die meilten großen Kronleben durch das Abjterben ihrer Beſitzer fait gleichzeitig wieder an bie Krone zurüdjielen, fo wurden die Kräfte der ganzen Nation dem Könige zur Ver⸗ fügung gejtellt, der auch in ihrer Verwendung fo gut wie uns beichränft war, weil die Generalftände nicht mehr berufen wurden, die Provinzialftände aber auf innere Angelegenheiten beichräntt waren.

In einer ganz anderen Lage befand fi) Maximilian. Im feinen Erblanden gab es weber ein ſtehendes Heer noch eine regelmäßige Beſteuerung aller Unterthanen. Er mußte feine Kriege entweder mit Milizen führen, die gewöhnlich nicht außer Landes dienten und langſam zufammenzubringen und weniger tüchtig waren als geübte Soldaten, oder mit Sölonern, die viel Geld Fofteten. Aber wenn man von den Erträgnifjen der teilweife verpfändeten Bergwerke, Mauten und Domänen und einigen indirekten Steuern abfieht, konnte Max feine Ab» gaben erheben ohne Bewilligung der Landſtände. Gerade

Schlechter Stand der Finanzen bes letzteren. 827

in den reichften Provinzen, ben Nteberlanden, hatten bie Stände eine ſolche Macht, daß ohne ihre Zuftimmung nichts durch» geführt werben konnte. Diefen waren aber die Interefien, bie Max in andern Ländern, etwa in Italien oder gegen bie Türken verfocht, ganz fremd, ſodaß fie nur felten, gewöhnlich nur foweit e8 zur Dedung der Niederlande jelbft notwendig war, Abgaben für Kriegszwecke bewilligten. Seit dem Herbfte 1494 ſtand zudem nicht mehr Marimiltan felbit, fonvdern fein num mit 16 Jahren für volljährig erflärter Sohn Philipp an der Spike der niederländiſchen Negierung, bet der bald partifula» riitiiche Tendenzen und Abneigung gegen Dar fich geltend machten. In Deutſchland endlich war die Macht des Königs jeit emem Yahrhunderte immer mehr zuſammengeſchwunden. Selbſt wenn der Reichstag einmal geneigt war, etwas zu bes willigen, jo geſchah e8 bei dem jchleppenven Geichäftsgange meistens micht früh genug, unb die bewilligten Mittel waren nur langſam flüffig zu machen oder gingen auch gar nicht ein. Det der Beſchränktheit der finanziellen Mittel, die dem Könige zur Verfügung ftanden ?), wirkte e8 boppelt nachteilig, daß derſelbe nicht zu ſparen verftand. Nicht daß er für fich große oder koſtſpielige Bedürfniſſe gehabt Hätte, er Hat nur für Kunſt und Wiffenichaft bedeutendere Ausgaben gemadht. Dagegen gab er anderen mit wollen Händen, indem er glaubte, daß Sparfamfeit eine mit der Würde des Kaifers unvereinbare Eigenfchaft ſei. Freilich hat gerade dies nicht wenig dazu bei-

1) Ulmann I, 838 ff. berechnet die regelmäßigen Einnahmen aus den Erblanden mit Einfluß der Erträgnifie der Bergwerle nad ben Angaben Duirinis, Macchiavellis und anderen Anhaltspunkten auf un« gefähr 600000 Gulden jährlich. Allein nad ben Erhebungen der Räte Erzherzog Sigmunds warfen bie tirolifchen Bergwerke, denen jene ber anderen Länder bei weitem nicht gleichkamen, Im Jahre 1478 nur 79 440, die gefamten Einnahmen Tirols 104082 rhein. Gulden ab (Jäger, Landſtändiſche Verf. Tirols II, 2, 283). Ich würde daher nach den von Ulmann fonft angeführten Daten die regelmäßigen Einkünfte von ben Erblanden auf höchſtens 400000 rhein. Gulden tarieren, von denen nach einer Berfügung bes Königs vom Jahre 1499 100000 Gulden für dem Sofftaat beftimmt wurden.

828 Marimilians Unbeſtändigkeit in Ausführung feiner Pläne.

getragen, ihn populär zu machen. Aber- auf feine Finanzen tonnte e8 nur zerrüttend wirken.

Noch ſchädlicher waren andere Eigenjchaften feines Charakters. Schon ein venetianifcher Gefandter, der längere Zeit bei ihm in Deutichland war, hebt e8 als einen Fehler Maximilians bervor, daß er bei allem Reichtum an politiichen Ideen fie nicht vechtzeitig auszuführen veritanden habe. Nachdem er ſchon einen Plan gefaßt, Hätten fich feinem Geifte neue Wege gezeigt, die ihm beſſer ſchienen, dieſe feien wieder von neuen, anfcheinend zwechentiprechenderen, verbrängt worden, und fo jei er von Plan. zu Plan geiprungen, und die Gelegenheit zur Ausführung ihm entjchlüpft ). Der tiefere Grund der Inkonſequenz, die man Maximilian nicht mit Unrecht zum Vorwurfe macht, lag aber boch darin, daß er die Mittel zur Erreichung feiner politiichen Zwede zu wenig in Anfchlag zu bringen verftand. Daher faßte er bald einen Plan ins Auge, der wenigftens mit ben ihm zur Verfügung ftehenden Mitteln nicht zu erreichen war, bald verfolgte er zu viele Zwede auf einmal. Er ftürmt an⸗ fange raſch dem Ziele entgegen, aber mitten im glüdlichen Vordringen geben ihm die Kräfte aus, und er muß fich ohne Erfolg zurücziehen. Ein anderesmal verfiegen ihm gar bie Hilfsquellen fchon, ehe er zur Ausführung fchreiten Tann. Das ber kommt es, daß gerade jene Bläne, die nur durch Konjequenz in der Durchführung und durch zwedmäßige Verteilung der Mittel auf die ganze Zeit der Unternehmung gelingen konnten, meift fcheiterten; und es unterliegt feinem Zweifel, daß eine falte, alle Verbältnifje genau berechnende Natur unter den da⸗ maligen Verhältniſſen mehr erreicht haben würde, al8 der ritter- Tiche, fanguiniihe Marimilten, von dem der König Ferdinand von Aragonien einmal fagte, daß er, wenn er fich eine Sache gedacht habe, auch ſchon glaube, daß fie gethan jet ?).

1) Quirini a. a. DO, ©. 27. 2) Nah Depeſche Fr. Eornerd an den Senat von Benebig vom 19. Mär; 1508 bei de Leva, Storia docum. di Carlo V. I, 102.

Unfertigleit der ſtaatlichen Verhältniſſe Deutſchlands. 829

Zweites Kapitel. Die Verſuche einer deutſchen Reichsreform.

Die wichtigſte Frage beim Beginne der Regierung Maxi⸗ milians J. war jedenfalls die, ob es gelingen würde, dem Deutſchen Reiche eine Organiſation zu geben, welche es ber fähigte, dem Könige zur Behauptung der Machtſtellung nach außen und der Ruhe im Innern die notwendigen Hilfskräfte zu liefern.

Es Hatten fich in Deutfchland nach und nach Zuftände ent⸗ widelt, vie allen Begriffen eines georbneten Staatsweſens Hohn ſprachen. Es war weder durch gefetliche Beitimmungen noch durch Gewohnheitsrecht feftgeftellt, wer die oberſte Reichsgewalt zu üben habe, ob der König allein, ob die Kurfürſten, die ſeit Wenzel und Sigmund immer größere Bedeutung beanſprucht und teilweiſe auch erlangt hatten, oder ob der Reichstag mit dem Könige. Es war zweifelhaft, wer auf dem Neichstage zu ericheinen berechtigt ſei, ob nur die Kurfürjten und Fürſten, oder auc Vertreter der Neichsftädte, die erſt in den lebten Jahren Friedrichs III. regelmäßig zu venfelben zugezogen, aber von den Fürften nicht als gleichberechtigter Faktor an⸗ gejeben wurden. Auf den Neichstagen felbft entſchied nicht Die Mehrheit, jet es ber Stimmen, jet e8 der Kurien; nur durch Zuftimmung aller konnte ein Beichluß zuftande fommen, und nie mand war da, der Die Ausführung erzwungen hätte. ‘Die Wirkungen folder Zuftände wurden nach und nach auch dem blödeften Auge fihtbar. Während Branfreich, Spanien und England ih immer mehr fonjolidierten, und jelbft Ungarn und Polen fih auf Koften ihrer Nachbarn zu vergrößern vermochten, bot Deutichland das Bild des tiefiten Verfalls. Man vermochte weber im Innern Fehden und Kriege zu verhindern und ben Landfrieden aufrecht zu erhalten, noch das Anfehen des Reiches

2

330 Verſchiedenheit der Reformpläne Marimilians und der Fürſten.

nach Außen zu wahren und den Verluſt mancher Grenzland⸗ fehaften wie Weftpreußens und vorübergehend auch Öfterreiche zu verbüten.

Schon fett längerer Zeit waren von Berufenen und Uns berufenen verſchiedene Pläne einer Reichsreform auf das Tapet gebracht worden, und auch jebt waren über die Notwendigfeit einer ſolchen König und Stände einig, Aber über bie Art ver Ausführung gingen ihre Anfichten aus einander. Die Fürften, befonvers die Kurfürften, wollten nicht bloß von ihren bis⸗ berigen Befugnifjen nicht3 aufgeben, fie wünjchten eine folche DOrganifation der ftaatlichen Verhältniſſe, welche Die ganze Neichöregierung in ihre Hände gebracht hätte. Marimilian Dagegen bielt eine weitere Beſchränkung der ohnehin geringen Tatjerlichen Gewalt von vorneherein für unthunlich und ftrebte nach ſolchen Einrichtungen, welche ihm die Mittel Tieferten, um zur Erreichung feiner Ziele ein Heer zu unterhalten. Sein Hauptzwed war eine energifche Politik nach außen, er wollte bie reichen Kräfte bes deutſchen Volkes auf große nationale Ziele lenken, durch Erfolge nah außen auch im Innern das Bewußtſein der Zufammengehörigfeit heben. Dagegen hatten die Kurfürften für die auswärtigen Tragen weder Sinn noch Berftändnis; fie wollten vor allem die innern Angelegenheiten in ihrem Sinne orbnen und famen dadurch notwendig in Kon» flift mit dem Könige, der es für das Wichtigfte anfah, die Macht des Reiches nach außen zu wahren und dadurch auch fih und jeinem Haufe eine maßgebende Stellung in Europa zu fichern. Die öffentliche Meinung war übrigens entſchieden auf Seite Maximilians, der es meifterhaft verstand, durch Wort und Schrift auf das Bolt zu wirkten). Nicht bloß die Humantiften, die fich mit den Ideen des altrömiichen Kaiſertums erfüllt hatten, wollten an der Spige der mächtigen Nation einen ſtarken Kaiſer und bie Fürften ibm untergeorbnet ?). Auch Die

1) Siehe Gothein a. a. O., ©. 54ff. 2) 8. Hagen, Zur politifden Geſchichte Deutſchlands, ©. 175 ff. Sanffen, Geſch. des deutfchen Volkes I®, 111. 2525. 519 ff. 537.

Beichlüffe des Wormſer Reichstags von 1495. 351

untern Bolfsflaffen fahen in Max „ben von der Vorſehung auserwählten Kämpfer gegen bie deutichen Erbfeinde, Türken und Franzoſen“ und wünfchten zugleih, daß er fih an ihre Spike ftelle und alle andern Gewalten, Fürften und Abel wie Prälaten vernichte !). Im diefen auseinandergehenden Zielen. des Kaiſers und ber Fürften liegt die Haupturjadhe, daß auch jest die Neformbewegung nicht zu einer Einigung Deutichlands und zu einer mwejentlichen Kräftigung der Reichsgewalt führte.

Indeſſen wurden doch einzelne Nejultate erzielt.

Nachdem Marximilian fchon jeit feiner Wahl zum Könige mit den Neichsjtänden über verjchiedene fragen verbanbelt und Konzeifionen in Ausficht geftellt Hatte, Yegte der Führer ber» felben, der Kurfürſt Berthold von Mainz, auf dem erften Neichdtage, den der König nach dem Tode feines Vaters im Worms hielt, im April 1495 ihren Neformplan vor. Ders jelbe umfaßte drei Punkte, ein unabhängiges Reichsgericht zur Aufrechtbaltung des Friedens im Innern, ein NeichSregiment oder einen Reichsrat zur Führung der Regierungsgeichäfte und eine allgemeine Reichsſteuer. Von der Annahme diejer Forde⸗ rungen machten die Stände die Unterjtügung des Königs in feinen auswärtigen Unternehmungen, gegen die Türken und bie in Italien eingedrungenen Franzoſen, abhängig.

Über drei Monate wurde zwifchen dem Könige, ber bie ohnehin geringen königlichen Rechte nicht noch weiter beichränten laſſen wollte, und den Ständen darüber verhandelt, ehe man fich zu einigen vermochte. Es wurde nun nicht mehr wie früher auf eine beftimmte Anzahl von Jahren, fonbern' ein ewiger Landfriede eingeführt und allen, auch den Fürſten, jebe Fehde wie die Unterftügung von Landfrievenshrechern bei Strafe der Reichdacht unterfagt. Damit jeder jein Recht fände, wurbe ftatt des früheren Fatferlichen Hofe oder Kammergerichtes, das der Perſon des Königs folgte, ein Neichölanmergericht mit einem ftänbigen Site (zunächſt in Sranffurt) eingeführt, welchent

4) Geiger, Remaiffance und dumaniemus, © . 344. Ianffen I, 539, R. 2; II, 406ff.

832 Reihslammergericht und gemeiner Pfennig.

felbft die Befugnis zuerkannt wurde, die Acht zu verbängen. Um es vom Kaiſer ganz unabhängig zu machen, follte biefer nur den Präfiventen ernennen bürfen, auf die Beſtellung ber ſechzehn Mitglieder aber gar Teinen Einfluß haben, indem ſechs von den Kurfürften ernannt, zehn von den Ständen, und zwar acht aus Bertretern der Fürften, zwei aus den Städten ge- wählt werben follten. Für diejes Entgegenlommen bes Königs, deſſen richterliche Gewalt dadurch jehr befchränft ward, be willigten ihm die Stände auf vier Jahre den fogenannten gemeinen Pfennig, eine Abgabe, die Halb Vermögens⸗ oder Einfommenfteuer, halb Kopfiteuer war. Alle Perſonen, die über fünfzehn Sabre zählten, follten von einem Vermögen von 500 Gulden oder von 50 Gulden Rente einen halben rheiniſchen Gulden, von 1000 Gulden einen ganzen Gulden entrichten; 24 Perionen, die weniger ald 500 Gulden befäßen, follten zujammen einen Gulden zahlen. Fürſten und andere Reichsſtände follten fich felbft anſchlagen. Bei aller Unvoll- kommenheit war bie Einführung diefer allgemeinen Reichsſteuer ein großer Fortichritt, weil der Grundjag anerfannt war, Daß alle die Pflicht Hätten, zur Beitreitung der Bedürfniſſe des Neiches beizutragen, und weil mit der Anfchauung gebrochen war, daß die Zahlung einer Steuer gegen bie „deutſche Frei⸗ beit“ jei.

Die Verfügung über das Erträgnis des gemeinen Pfennigs hätte nach dem urfprünglichen Projekte der Stände das Reichs⸗ regiment erhalten follen, welches in ähnlicher Weile wie das Reichskammergericht zufammengefegt werden ſollte. Aber nicht bloß die Verwendung der Reichseinkünfte, auch die Aufrecht- haltung des Friedens, die Vollziehung der Urteile des Kammer- gerichtes, die Verteidigung des Reiches gegen auswärtige Feinde, die Anwerbung und Bezahlung der Söldner, die Anftellung der Kriegshauptleute mit Ausnahme des Oberanführers, kurz die ganze NReichsregierung war dem Neichsregimente zugedacht. ‘Die Gewalt des Königs, der ebenjo wenig wie ein Fürft ohne Zus ftimmung dieſes Negiments einen Krieg anfangen oder ein Bündnis fchließen durfte und nur bie oberjte Kriegführung und

Schwierigleiten in ber Durchführung. 888

einige Ehrenrechte behielt, follte vollſtändig befeitigt werben zu⸗ gunften eines ReichBrates, der mit Ausnahme bes Präfidenten von den Ständen gewählt, nach der Art feiner Zufammen- fegung wie nach anderen Beftimmungen aber ganz von ben Kurfürften abhängig geworden wäre. ES war nichts anderes beabfichtigt als eine Abfchaffung der Monarchie auf gejeßlichem Wege, und die Erjegung derjelben durch eine Fürftenariftokratie, bie ihren Beruf und ihre Befähigung dazu bisher noch in Teiner Weile dolumentiert hatte, J

Man wird es Maximilian nicht zum Vorwurfe machen dürfen, wenn er der Einführung dieſes Regiments ſich wider⸗ ſetzte, wenn er ſich nicht freiwillig in die Stellung eines vene⸗ tianiſchen Dogen hinabdrängen ließ. In dieſem Punkte gaben die Stände nach. Die Forderung des Reichsregiments ward fallen gelaſſen, dafür aber beſtimmt, daß der Reichstag jährlich zuſammentreten und die Entſcheidung der dem Reichsrate zu⸗ gedachten Angelegenheiten ihm vorbehalten werden ſollte ).

Es fam nun alles darauf an, ob die neuen Einrichtungen auch feite Wurzeln zu fchlagen und fih zu entwideln ver- mochten.

Da zeigte fih nun allerdings, wie fchwer es war, für Deutſchland einheitliche Inftitutionen zu ſchaffen und denſelben die allgemeine Anerkennung zu fihern. Mehrere Fürften und Stände, felbft einzelne Kurfürften, erklärten fich gegen das Kammergericht, das ihre eigene Gerichtsgewalt beichräntte. Bald ging dasjelbe fogar wieder ein, da der König den Präfi- benten für andere Gejchäfte verwenvete und bie Beiſitzer, die aus den Einkünften des Reiches bezahlt werden follten, aus Mangel an folchen feine Bejoldung erhielten. Denn am meiften Widerjtand fand die bejichloffene Reichsſteuer. Der Adel, der unglüdlicher Weiſe auf ben Reichstagen gar nicht vertreten war,

1) ©. über den Reichſstag in Worms und die demfelben vorbergehen- den Verhandlungen feit 1486 Ulmann I, 292—390. Bgl. Rante, Deutihe Geh. I, 66bff. Sanffen I, 522. V. v. Kraus, Das Nürnberger Reichsregiment, S. 40 ff.

331 Geringe Erfolge der Reformbewegung.

veriveigerte bie Entrichtung bes gemeinen Pfennigs, weil er nur zum Kriegsdienſte verpflichtet ſei. Auch in vielen fürftlichen Gebieten ging nichts ein, teils weil, wie in Baiern, die Land⸗ flände Schwierigkeiten machten, teils weil die Fürſten felbft feinen Ernit zeigten. Selbit in den Nieverlanven, wo Maxi⸗ miltans Sohn regierte, wurde nicht8 gezahlt. Man batte dem Könige in Worms 150000 Gulden bewilligt und ihm geftattet, in biefer Höhe ein Darlehen aufzunehmen, das aus den Er» trägniffen des gemeinen Pfennigs zurüdgezahlt werben follte. Aber fat niemand wollte auf diefe unfichere Hypothek hin ein Geld leihen, und in der That waren nad zwei Jahren erft 14000 Gulden eingegangen ?). Um die Stände opferwilliger zu ftimmen, ließ fih Maximilian im Jahre 1500 die Ein» führung des Reichsregiments gefallen, obwohl er fich bewußt war, daß dies einer Abdankung gleichfam. Als aber das Regi- ment gleich eine der bisherigen gerabe entgegengefette auswärtige Politit verfolgte, die auch für das Reich weder ebrenvoll noch vorteilhaft war, brachte er dasſelbe wieder zu Falle, und die Kluft zwilchen ihm und den Ständen warb eine fo tiefe, daß eine Kataftrophe drohte und man von der Abjekung des Königs ſprach. Doch gewann Maximilian gerade in der nächſt fol⸗ genden Zeit an Anjehen und Einfluß, und es fam 1505 auch zur Wiedereinführung des Kammergerihtd. Um ven Urteilen besjelben auch die Ausführung zu fichern, wurde im Jahre 1512 auf Antrag des Kaiſers das Reich in zehn Kreife geteilt, in jedem ein Hauptmann mit beigeorbneten Räten ernannt, und alle Einwohner des Kreifes verpflichtet, denſelben bei ber Aufrechthaltung des Landfriedens zu unterftügen. Die bur- gundiſch⸗niederländiſchen Gebiete bildeten den neunten, die öfter- reichiſchen Erblande den zehnten Kreis?). Die Idee einer

1) Über die Ausführung der Wormfer Beſchlüſſe und bie folgenden Reichstage bis 1498 |. Ullmann I, 390—403; 522—602. Bol. Kante I, 78 ff.

2) Dagegen wurde Böhmen mit feinen Nebenländern in bie Kreis⸗ verfafjung gar nicht einbezogen, wie man benn auch ben König weder 1486 zur Königswahl noch zu dem ReichStagen berief, fo daß dieſes Reich aus dem beutichen Staatsverbande fo gut wie ausgefchleben war.

Marimilians Rivalität mit Frankreich. 835

allgemeinen Reichöfteuer wurde freilich für immer zu Grabe getragen, und das Prinzip der Selbftänpigleit der Territorien erhielt vefinitiv den Sieg über das der Reichseinheit. Als ein Reichstag in Köln im Jahre 1505 dem Könige eine Unter- ftügung gegen Ungarn bewilligte, wurden bie Truppen nad einer Matrilel auf die einzelnen Territorien verteilt, und von da am ift dies bei Bewilligungen von Reichsſteuern immer der Tall geweſen.

Drittes Kapitel.

Marimilians I. Rivalität mit Frankreich. Kämpfe mit den Schweizern. Der baierifche Erbfolgefrieg.

Als Marimilian I. nach dem Tode feines Water bie Regierung Deutichlands und der dfterreichiichen Erblande über- nahm, hatte er die langen Kämpfe mit Frankreich gerade durch den Frieden von Senlis beendet. Aber die Feindſchaft zwiichen Frankreich und Burgund, die Marimilian von feinem Schwieger- vater geerbt hatte, war zu tief gewurzelt und im Gegenſatze der Intereffen begründet, ald daß nicht auch fortan eine Spannung hätte bleiben folen. Auch wenn nicht einzelne Tragen erſt fünftiger Enticheivung überlafjen worden wären, hätte Marimiltan auf Frankreich ein wachſames Auge haben müffen, das fo wenig aufrichtig feinen Anjprüchen auf einen Zeil der burgundifcheniederländiichen Gebiete entjagt hatte, als er auf die an Frankreich verlornen Gebiete derjelben.

Verſchärft wurde der Gegenſatz noch durch die Stellung beider Könige zur apenninijchen Halbinfel.

Italien gehörte feit dem Ende des 14. Jahrhunderts nur noch dem Namen nach zum Reiche, und die Macht des Königs

886 Einfluß Frankreichs auf Italien.

äußerte fich höchſtens noch in einzelnen Stanveserhöhungen. Um die. Mitte des 15. Jahrhunderts war es foweit gelommen, Daß Friedrich III. feinen Römerzug nicht mehr als Herricher. unter» nehmen Tonnte, jondern fich dafür wie für eine fpätere Reiſe von den einzelnen Herren und Kommunen Geleitsbriefe aus⸗ ftellen ließ. Als im Jahre 1447 das Geichlecht der Visconti mit dem Herzoge Philipp Maria erlofch, riß trog des Wider⸗ ipruches des deutſchen Königs, von dem Mailand zu Leben ging, der Gemahl feiner natürlichen Zochter, der tapfere Con⸗ bottiere Franz Sforza, dieſes Herzogtum an fih. ‘Der König konnte nichtö dagegen tbun und begnügte fich in feiner Weife damit, daß er allen Bemühungen Sforzas, von ihm die Be⸗ lehnung zu erhalten, einen paſſiven Widerſtand entgegenfette.

Den Einfluß, welchen das eich verlor, fuchte das empor- ftrebende Frankreich an ſich zu bringen.

Zwei Seitenlinien des franzöfiichen Königshauſes Hatten ja nicht unbegründete Anſprüche auf italienijche Fürftentümer, bie Anjous auf Neapel, der Herzog Ludwig von Drleand auf Mailand, da feine Großmutter Valentine eine Schweiter des Herzogs Philipp, des letzten Visconti, gewejen war, während die Sforza nur von einer unebelichen Zochter desſelben ab⸗ ftammten. Frankreich jelbit faßte vorübergehend auf ver apenniniichen Halbinjel feſten Buß, indem das von Innern und äußern Gefahren bedrohte Genua ſich 1458 dem mächtigen Nachbarftaate unterwarf. ALS diefe Stadt nach wenigen Jahren das fremde Joch wieder abjchüttelte, ließ fi) Ende 1463 Franz Sforza vom franzöfiichen Könige damit belehnen, obwohl Genua noch unter Karl IV. die deutiche Oberherrichaft anerkannt hatte. Das verichaffte ja überhaupt dem franzöfiichen Könige in Italien einen überwiegenden Einfluß, daß alle dortigen Mächte, . auch die dem Namen nach mit einander verbündeten, von gegen» jeitigem Mißtrauen erfüllt, gegen einander intriguierten und um die Gunſt Frankreichs bublten. Obwohl Ludwig XI. alle belog und betrog, wurde doch in den legten Jahren feiner Regierung „jein Hof der Wallfahrtsort für die Hilfsbepürftigen italienijhen Mächte und fein Thron der Gnadenſtuhl, vor

Die Politit des Lubovico Doro. 887

welchem bie Geſandten Italiens, klagende unb bittenve, nie fehlten” 1). Wie ein Damollesjchwert King die franzöſiſche In⸗ tervention über Italien, welche die dortigen Regierungen felbft herbeizurufen jich nicht jcheuten, wenn fie durch ihre Nachbarn debrängt wurden. Schon 1484 hatte Venedig die Franzofen zur Geltendmachung ber Anſprüche auf Neapel und Mailand aufgerufen 2). Damals hatte dieß Feine weiteren Folgen gehabt, weil Frankreich nah dem Tode Ludwigs XI. durch innere Kämpfe gelähmt und durch offene und verfteckte Feindſeligkeiten gegen Marimiltan al8 Negenten der Niederlande in Anſpruch genommen wurde. Anders war e8, als eine folche Einladung an den jungen, ebrgeizigen Karl VIII. zu einer Zeit erging, wo er feine Gegner im Innern niedergeworfen oder verſöhnt und durch den Abichluß des Friedens mit Marimilian, England und Spanien fi) den Rüden gedeckt hatte und wo er zugleich von neapolitanijchen Entigranten ununterbrochen aufgereizt wurde,

—die durch das Erlöichen der Anjous auf ihn übergegangenen

Anfprühe auf Unteritalien geltend zu machen.

Der Auf ging diesmal von Mailand aus. Galeazzo, der durch feine Ausjchweifungen und feine Grauſamkeit berüchtigte Sohn Franz Sforzas, war 1476 dem Haſſe feiner Gegner zum Opfer gefallen und fein achtjähriger Sohn Gian Galeazzo unter ber vormundfchaftlichen Regierung feiner Mutter Bona als Herzog anerkannt worden. Aber fchon 1480 wurde bieje burch Ludovico Moro, des Ermordeten Brupder verdrängt, ber die Gewalt auch dann noch in den Händen behielt, als jein Mündel volljährig geworden war. ‘Da biejer mit einer Entelin des Königs Ferdinand von Neapel vermählt war, fürchtete er von diefem angegriffen zu werden und fuchte fich eine rechtliche und materielle Stüte am Auslande zu verjchaffen. Jene jollte ihm der römiſche König, diefe Brankreich bieten. Dem franz» fiichen Könige ftellte er feine Unterftügung bei einem Angriffe

1) 8. Bufer, Die Beziehungen der Mediceer zu Frankreich während ber Sabre 1434—1494, ©. 221, wo überhaupt biefe Verhältniffe am Harften dargelegt find.

2) Bufer, ©. 239f.

Huber, Geſchichte Öfterreiche. III. 22

883 8. Marimilians Bermählung mit Blanca von Mailand.

auf Neapel in Ausficht, für den auch fhon im Sommer 1493

die Rüftungen begonnen wurden !), Maximilian fuchte er das.

durch zu bewegen, ihn mit Mailand zu belehnen, daß er ihm die Hand feiner Nichte Blanca, der ehemaligen Braut Johanns Corvinus, und eine reiche Mitgift anbot. Schon am 24. Juni 1493 wurde der Ehevertrag abgeſchloſſen. Maximilian ver= ſprach, nach dem Tode feines Vaterd dem Ludovico die Bes lehnung mit dem Herzogtum Mailand zu erteilen. Dieſer ficherte feiner Nichte eine Mitgift von 300000 Dukaten zu. Am 9. März 1494 feierte der König in Hall in Tirol das Beilager mit Blanca, die freilich feine erfte Gemahlin nicht zu erjegen vermochte und feinem Herzen je länger deſto ferner ges treten tft ?).

Es wäre wohl Aufgabe Marimilians gewejen, nach ber Übernahme der Regierung in Deutichland die Zeftfegung der Tranzojen in Italien zu hindern und diefer Halbinjel wenigſtens die Unabhängigkeit zu fichern, wenn ſich ſchon bie beutfche Herrichaft nicht mehr herſtellen ließ. Aber Charakter und In⸗ tereffen weiten ihn nach einer andern Richtung Hin. Die Ver⸗ nichtung ber immer gefährlicher werdenden türkiichen Macht, bie Wiebereroberung Konſtantinopels, die Vereinigung ber Krone Oftroms mit jener des abenplänbiichen Kaiſertums, das war der Traum des fchwärmeriichen Jünglings gewejen, das galt auch dem gereiften Manne als die fchönfte Aufgabe eines hriftlichen Helden. Und nicht bloß ideale Motive beftimmten Maximilian zur Ausführung diejes Planes, als er jelbftändiger Herricher geworden war. Wenn nicht Ungarn, auf das er nad dem Frieden von 1491 eventuelle Erbanfprüche hatte, ja wenn nicht feine eigenen Erblande durch die Horden der Un» gläubigen überflutet und ganz zugrunde gerichtet werben jollten, jo mußte man durch eine kräftige Offenfive ftarle Dämme gegen fie aufführen, man durfte fich nicht darauf beſchränken,

1) Über die Polttit Ludovico Sforzas in den Jahren 1493 und 1494 j. Romanin, Storia doc. di Venezia V, 9sgg.

2) Ulmann I, 218ff.

Sein Plan eines Angriffs auf die Türken. 839

binter den Mauern einiger feiter Pläte fich gegen bie ein» gebrungenen Ungläubigen zu fchügen. Und daß man fich wegen einiger Sabre der Ruhe nicht dem Gefühle ver Sicherheit hin⸗ geben dürfe, zeigte fich gerade um biefe Zeit, indem ber Sultan im Sabre 1492 nach dem Ablaufe des Waffenftillftandes bie ungariihen Grenzfeftungen angreifen und im Jahre barauf Siebenbürgen verheeren Tieß und tm Auguſt 1493 Jakub Paſcha von Bosnien ber durch Kroatien in Steiermark einfiel und die Gegenden um Cilli und Pettau vermwüftete und aus« plünderte. Als Marimiltan im Oftober mit Truppen herans zog, waren bie Türken mit ihrer Beute bereitd nachhauje gezogen. Der günftige Ausgang dieſes Raubzuges ermutigte bie Türken ſchon im Herbfte des folgenden Jahres zu einem neuen Einfalle in die fteterifch-Traineriichen Grenzgebiete ).

Schon im Jahre 1493 machte Marimilian dem ungartjchen Könige Vorfchläge, deren Kern darin beitand, daß er an der Spite der Ungarn den Krieg gegen die Zürlen führen, das Deutſche Reich, der Papft, Venedig und andere Mächte zur Stellung von Hilfstruppen oder zur Zahlung von Subſidien bewogen werben follten. Auch bie Vermählung mit Blanca von Mailand Hing mit biefen Plänen zufammen. Ihre Aus fteuer follte die Mittel für den Türkenkrieg bieten, ihr Oheim auch jonft das Unternehmen fördern. So wichtig fchien dem römijchen Könige ber Krieg gegen die Ungläubigen, daß er fich auch durch den bevorftehenden Angriff ver Franzoſen auf Neapel nicht von demſelben abhalten laſſen wollte, wenn er auch durch biplomatifche Mittel den Bruch zwifchen Karl VII. und dem Könige von Neapel zu verhüten fuchte 2).

1) Ilwof, Die Einfälle der Osmanen, in „Mitt. d. hiſt. Ber. für Steiermart” XI, 207 ff.

2) Über die Pläne Marimilians betreffend ben Türkenkrieg f. UT- mann I, 203—218. 232f. Wenn aber derſelbe S. 269ff. behauptet, daß Mar die Eroberung Neapels geduldet babe, weil ibm dafür fran- zöfiſche Unterſtützung zur Beraubung Venebigs in Ausficht geftellt worben fei, fo fehlt es für die Abficht eines Angriffs auf Venedig vonfeite Mari- milians an jebem Beweife, wie Bahmann in „Götting. gel. Anz.“ 1885, ©. 335 ff., mit Recht betont bat.

29%

840 Eroberung Neapels dur Karl VIII. von Frankreich.

Da kamen aus Italien Nachrichten, gegen die Maximilian unmöglich gleichgültig bleiben fonnte. Aunfangs September 1494 war Karl von. von Frankreich mit einem zahlreichen Here, bei dem fich ſehr viele Schweizer und deutſche Solbfnechte befanden, in Oberitalien erſchienen und bann, nachdem er einige Zeit durch Krankheit aufgehalten worden war, gegen Süben vorgedrungen. Bon feinen Gegnern wurde Piero von Medicis, nachbem er zu ſpät feine Gunft ger fucht, vom Volle vertrieben, der Papft Alerander VI. eitn- geſchüchtert und zur Flucht in die Engelsburg genötigt. Florenz wie der Papft wurden gezwungen, feinen Truppen die wichtigften Plige einzuräumen. Bei feiner Annäherung ftürzte auch ber Thron ber Aragonejen zufammen. König Ferdinand II., zu deſſen Ounften fein verbaßter Vater Alfons nach kurzer Negie- rung der Krone entfagt Hatte, floh auf die Injel Ischia, feine Städte und Burgen ergaben fi den Franzofen, die am 22. Februar 1495 in die Hauptitadt ihren Einzug bielten. Im größten Zeile von Italien fpielte der franzöfiiche König ben Herrn. Bon Neapel aus wollte Karl, in deſſen ſchwäch⸗ lichem Körper eine ehrgeizige Seele wohnte, das türkiſche Reich angreifen, die Ungläubigen aus Europa vertreiben, fein Haupt mit der Krone von KRonftantinopel, wenn möglich auch von Serufalem, ſchmücken. Man fchrieb ihm zugleih, wenn auch mit Unrecht, die Abficht zu, den Papſt zur Verleihung ber abendländiichen Kaiſerkrone an ihn zu nötigen oder auch den⸗ jelben abzujegen und mit Hilfe eines Konzild eine Reform der Kirche einzuführen ').

Dadurch fühlten ſich aber nicht nur die italienifchen, ſon⸗ dern auch manche ausländiihe Mächte gefährpet. Ludovico Moro, der nicht am wenigften das Crfcheinen des franzöftichen Königs veranlaßt hatte, ward bald durch das

1) Über bie Borgäuge in Italien f. im allgemeinen Ranke, Gefdichten ber xromanifchen und germaniſchen Böller (S. W. XXXIU. XXXIV), Havemann, Gef. der italieniſch⸗franzöſiſchen Kriege von 1494—1515, bie freilich im Einzelnen vielfach nicht mehr genügen. Vgl. and Ro- maninl. c. und Gregorovius, Geld. d. Stabt Rom VII, 342 ff.

Beunruhigung ber übrigen Möchte. 341

berriiche. Auftreten. besielben und ‚durch die Feſtſetzung bee Herzogs von Drleans in Aſti für feine eigene Exiſtenz bejorgt. Ferdinand von Aragonien fürchtete, daß Karl VIII. die An⸗ Sprüche der Anjous nicht bloß auf Neapel, ſondern auch auf Sizilien zur Geltung bringen wolle. Aüch glaubte er, wenn ſchon die unechte Linie des aragoniichen Hauſes aus Neapel verbrängt werben follte, beſſere Anſprüche auf dieſes Weich zu baben als der König von Tranfreih. Venedig jah mit Be⸗ ſorgnis das bisherige Sleichgewicht zwiſchen den Staaten Italiens zerſtört. Auch ber König Marimilian erinnerte ſich jest doch, daß Oberitalien und Toskana einst zum Weiche ge- hört batten. Schon Anfangs November, als eben die erjten Tranzojen die Apenninen überichritten batten, ſuchte er mit Denedig über die italienischen Angelegenheiten Unterhandlungen anzufuäpfen. Als der Doge fich dazu bereit zeigte, ſchickte er im Januar von den Nieverlanden aus Gejandte an bie Signoria, um eine enge Verbindung mit derfelben zuftande zu bringen. &r wollte vor allem, um etwaige Abfichten des franzöfiichen Königs auf die abendländiſche Kaiſerwürde zu durch kreuzen, in den nächiten Faſten jelbjit den Römerzug unter, nebmen und vom Papite jich Frönen zu laſſen, wozu Venedig ihm den Durchzug durch fein Gebiet geftatten ſollte. Er ließ ber Republik aber auch den Antrag machen, als Derr der öſterreichiſchen Erblande mit ihr auf fünfundzwanzig Sabre ein Bündnis zu jchließen, nach welchem jeder Teil den andern mit 10000 Mann unterftügen follte.

In Venedig jammelten ſich nach und nach die Gejanbten aller antifranzöfiichen Mächte. Doch war e8 nicht leicht, Die verjchiebenen Interejjen und Bejtrebungen unter einen Hut zu bringen. Lodovico Moro wollte ein Eingreifen Maximilians in die Verhältniſſe Italiens ebenjo wenig wie die Feſtſetzung der Franzoſen; die Deutichen, fagte er den venetianiichen Ger jandten, würden wenig befjer fein al8 jene. Er riet, man jolfe die Könige von Rom und Spanten dur Zahlung von Subfidien zum Angriffe auf Frankreich jelbjt bewegen und das durch Karl zum Rückzuge aus Italien zwingen, ein Plan, den

32 Abſchluß der Heiligen Liga.

auch Marimilian vorübergehend gebegt hat. ‘Diefer war anderſeits anfangs gegen die Aufnahme Lodovicos in bie Liga, weil die öffentliche Meinung demſelben ven im Oftober ein⸗ getretenen Tod jeines Neffen Gian Galeazz0, des Bruders ber Königin Blanca, zur Laft legte. Erft die Nachricht von ber Eroberung der Stadt Neapel und bes ganzen Königreiches brachte die Unterhandlungen zum Abjchluß.

Am 31. März 1495 wurde die „heilige Kiga” unterzeichnet. Die Teilnehmer waren der Bapit, König Dar, Ferdinand und Iſabella von Spanien, Benedig und Mailand, die fih auf fünfundzwanzig Sabre zur Aufrechthaltung der Ruhe in Italien, ber Würde des päpftlichen Stuhles und der echte des römiſchen Reiches verbanven und gegen Angriffe anderer Mächte fich ihre Befigungen garantierten. Jedes Glied follte 12000 Mann, der Papft die Hälfte ftellen.. Diefer wie Mailand und Venedig verpflichteten fich, bem Könige Diax bei feinem Nömerzuge den Durchgang zu geftatten, Iettere, ihm auch Truppen zu tellen. Sit der Vertrag, foweit er für die Offentlichleit bejtimmt war, durchaus defenfiver Natur, fo haben geheime Artikel wahr⸗ ſcheinlich als Zweck die Vertreibung der Franzojen aus Italien Bingeftellt ?).

Um nicht von feinem eigenen Reiche abgefchnitten zu werben, trat Karl VIIL, die Hälfte feine8 Heeres zur Behauptung Neapels zurücdlaffenn, am 20. Mai den Rüdzug nah Ober italien an, wo ber Herzog von Orleans in der eriten Hälfte des Juni durch die Wegnahme Novaras die Feindſeligkeiten gegen ben Herzog von Mailand begann. Ungehindert gelangte der König durch die Päfje des Apennin, drängte das ihm ent» gegenftehende mailändiſch⸗venetianiſche Heer burch die Schlacht bet Fornovo am Zaro (am 6. Juli) zur Seite und kam, wenn auch nicht ohne bedeutende Verlufte, glüdlich nach Afti.

1) Dies ſcheint, da die Eriftenz geheimer Artikel durch Sanuto fefl- ſteht, faft ſelbſtverſtändlich, wenn auch die von Guicciarbini angegebenen Details falfch find, wie Ulmann I, 287ff. dargethan bat. Über bie vorausgegangenen Unterhandlungen f. ebd. S. 275 ff., und dazu Bad- mann a. a. O.

Rüdzug und neue Rüfungen ber Franzoſen. 848

Untervefien Batten die mailändiihen und venetlantichen Xruppen, durch ungefähr 7000 Deutiche, die Martmilion ſchickte, verftärkt, die Belagerung von Novara begonnen, zu deſſen Entſatz der franzöftiche König viel zu ſchwach war. Aber gerade ald die durch Hunger und Krankheiten aufs äußerfte gebrachte Beſatzung die Stadt übergab, erfchienen zur Unter ftüßung des Herzogs von Orleans 20000 fchweizertiche Söldner in Oberitalten. Dadurch erſchreckt fchloß der Herzog von Mat- land am 9. Oktober den Separatfrieven von Vercelli, wonach er zwar dem Namen nad Mitglied der Liga bleiben durfte, aber dem franzöfiichen Könige bei jedem Angriffe auf Neapel den Durchzug zu geftatten und Hilfe zu leiften verſprach, wäh. vend dagegen ber König den Herzog von Orleans gegen Mai⸗ land nicht unterftägen follte.

Zur Zeit, wo die feindlichen Scharen ſich in Oberitalien gegenüberftanden, batte Ferdinand von Neapel, unterftügt von ſpaniſchen Truppen und einer venetianifchen Flotilfe, den Kampf um fein Erbreich begonnen. Schon am 7. Juli kam bie Haupt⸗ ftabt infolge einer Erhebung der Einwohner in feine Hände, im Oltober ftel auch die Citadelle. Als dann päpftliche Truppen und gegen Abtretung mehrerer apulifcher Hafenjtäbte auch ein venetianiſches Corps ihm zubilfe Tam, wurden die Franzoſen immer mehr eingeengt. Aber noch behaupteten dieſe ausgedehnte Gebiete, und das Erjcheinen von Verftärfungen aus der Heimat würde bald wieder einen Umſchwung bewirkt haben.

Sn der That begann Karl nach feiner Rückkehr über bie Alpen neue NRüftungen und fchloß mit fchweizerifchen Kantonen Verträge, die ihm die Arme ber beften Solotruppen jener Zeit ficherten. Das Feſthalten der Herzogin von Savoyen, der Markgrafen von Montferrat und Saluzzo wie bes Frei⸗ Staates Florenz an der Verbindung mit Frankreich und ber Beſitz einiger Städte und Burgen in Mittelitalien hätten dem Könige eine neue Unternehmung gegen Neapel jehr erleichtert.

Am meiſten hatte eine ſolche Ludovico Moro zu fürchten, der die Bedingungen des Friedens nicht aufrichtig erfüllt hatte und für ben bie Anſprüche bes Herzogs von Orleans auf Mai»

344 8. Marimilians Suöftdienvertrag mit Mailand und Benebig.

land eine fiete Gefahr bildeten. Auch Venedig mußte die Franz zofen von der Rombarbei noch mehr als von Unteritalien fern zu halten fuchen. Beide Mächte luden baber im Frühijahr 1496 ben römiſchen König ein, perfünlih einen Zug nach Italien zu unternehmen.

Niemand Hätte lieber in die Verhältniſſe der apenniniſchen Halbinſel eingegriffen als der feurige, thatenluſtige Maximiliau. Aber im verfloſſenen Jahre hatten die Reichsſtände ihm jede Unterftätsung verweigert, bis die Enticheivung in Italien ge⸗ fallen war. Nur mit den Mitteln feiner Erblande ‚hatte er einige taufend Mann ausrüften können. Endlich Hatte man ihm ben gemeinen "Pfennig bewilligt. Doch wurbe derſelbe wicht gezahlt, und nicht einmal ein Anlehen konnte er daraufhin erhalten. Wenn er nicht den Borgängen in Stalien ganz gleichgültig zuſehen wollte, jo blieb ihm nichts übrig, als mit ben ihm non jeinen veicheren Bundesgenoijen angebotenen Subfidien ein Heer aufzuftellen. Zur Unterhaltung von 6000 Mann auf die Dauer von drei Monaten wollten Mailand und Venedig je 80000 Dukaten zahlen und außerbem einige taufend Schweizer in Sol nehmen. Wenn die NReichsftände, die der König auf Anfangs Auguft nach Lindau berief, nur einige Unterjtügung gewährten, jo fonnte in Verbindung mis ben Zruppen Mailands, Venedigs, des Papftes, Neapeld und Spaniens den Franzoſen eine impojante Macht entgegengeftellt werden. Kein Wunder, daß ber fanguinische Maximilian von diefem Kriege nicht bloß die Vernichtung der franzöfiichen Bartei in Italien, jonbern auch eine bauernde Schwächung Frankreichs felbft durch Losreißung mehrerer Grenzprovinzen erwartete!

Allein die Neichsftände, bie gegen jebe Einmilchung des Königs in die Verhältniffe Italiens waren, zeigten ſich oppo⸗ fitioneller als je. Zugleich jchlug die Stimmung in Venedig volfftändig um, als e8 fchien, daß der franzöfifche König wegen der Erichöpfung feiner finanziellen Mittel und feiner Ver⸗ gnügungsfucht wenigſtens vorläufig den Gedanken eines Zuges nach Italien fallen gelafien habe. Am liebſten Hätte jett die

Sau erfolglofee Bug nad Italien. 845

Signoria des dentichen König ganz aus Italien ferngehalten, da er fie nur hindern konnte, ihren Vergrößerungsplänen nach zujagen. Da fich dies erfolglos. zeigte, verjagte fie ibm wenigftens das von ihm begehrte Darlehen und zögerte fogar mit der Auszahlung der verfprochenen Subfwien. Nur durch Vorſchüſſe der Fugger und ähnliche Mittel konnte fich Mar einiges Gelb verichaffen.

Sp kam es, daß dieſer nach einer Zuſammenkunft mit dem Herzoge von Mailand am 16. Auguſt 1496 mit nur ge⸗ ringer Begleitung von Mals her die Alpen überſtieg und daß mit allen ſpäter eingetroffenen Verſtärkungen ſeine Truppen ſich nur auf etwa 4000 Mann beliefen. Sein Plan ging dahin, an der Spitze ber Truppen der Verbündeten Aftt weg⸗ zunehmen, das, bem Herzoge von Orleans gehörig und vom franzöfiſchen Truppen befegt, ein Pfahl im Fleiiche des Herzogs von Mailand war, dann Meontferrat, Saluzzo und Savohen zum Anſchluß an die Liga zu nötigen und fo den Franzojen die Alpenpäfle zu verjperren. Der Plan mußte fallen gelaffen werden, weil Venedig gegen jede Unternehmung war, welde bie Macht und Sicherheit des Herzogs von Mailand vermehrte, Man beſchloß, bafür einen Feldzug nach Mittelitalien zu unter neßmen, Piſa, das beim Einbruch der Franzofen von Florenz abgefallen war, zu unterftüben und durch Einnahme von Livorno zu kräftigen, Florenz jelbit zur Aufgebung des franzöfiichen Dündniffes zu zwingen. Aber auch hierzu leiftete Venedig nur zoͤgernd unb nur ungenügende Hilfe. Da zugleich auch Ober» ttalien gegen die in Aſti liegenden Franzoſen bejegt bleiben mußte, jo waren die Kräfte, die Dar gegen Blorenz zur Ber fügung batte, im keiner Weife ausreichend. Die Belagerung von Livorno mißlang infolge der geringen Truppenzahl, ver herbſtlichen Stürme und Regengüſſe und bes Eintreffens einiger franzöfticher Kriegsſchiffe, Ohne etwas ausgerichtet zu haben, kam Mor um Weihnachten nach Tirol zurüd, um noch einmal den Verſuch zu machen, buch feine perfönliche Einwirkung bie Reichsſtände zum Kampfe gegen Frankreich hinzureißen *).

1) Über den Feldzug Marimilians nach alien und die damit zu⸗

846 K. Marimilian und Ludwig XI. von Frankreich.

Aber wenn biefelben ſchon unzufrieven gewefen waren, baß Dearimilian ohne ihre Zuftimmung den italteniichen Krieg ber gonnen hatte, jo war durch den ruhm⸗ und erfolglofen Aus gang desſelben ihre Neigung zur Unterftügung des Könige nicht größer geworden. Daß Karl VIIL Italien fich felbft überließ, daß er den Verluft ver letzten daſelbſt noch behaupteten Städte hinnahm, ohne ernftlihe Gegenmaßregeln zu treffen, ſchien die Gleichgültigkeit der deutſchen Fürften und Städte zu rechtfertigen.

Ohne noch etwas gegen Italien unternommen zu Baben, ftarb Karl VIII von Frankreich am 7. April 1498 im Alter bon erſt achtundzwanzig Jahren, ohne Hinterlaffung von Erben, und es folgte ihm fein Vetter Ludwig von Orleans, der nicht bloß die Anſprüche auf Neapel aufrechtbielt, fondern auch durch Annahme des Titels eines Herzogs von Mailand noch weiter gehende Abfichten an den Tag legte. Anderſeits forberte Maximilian vom neuen Könige die Herausgabe des Herzogtums Burgund und ließ, obwohl ihm feine Verbündeten ihre Unter, ftügung verweigerten, im Sommer 1498 7000 Dann einen Einfall in Frankreich unternehmen. Da aber das Neich nichts für ihn that und fein eigener Sohn ſich mit Frankreich im Unterhandlungen einließ und dann gegen Herausgabe ber von ben Franzoſen in Artois bejegten Städte für die Lebensdauer Ludwigs XI. ausdrücklich feine Anſprüche auf das Herzogtum Burgund ruhen zu laſſen verſprach, fo fchloß auch er einen Waffenſtillſtand und zog feine Truppen zurüd. Treulos brachen nun die Franzofen in die Franche Comtd ein und nahmen mebrere Ortichaften weg. Zornglühend trieb fie Marimilian wieder hinaus, ging aber dann, von allen Seiten fich verlaffen ſehend, eine fechsmonatliche Waffenrube ein.

Zroß biefer Haltung feines Sohnes ftürzte fih nun ber König in einen Krieg gegen ben Herzog von Geldern, deſſen

ſammenhängenden Ereigniffe J Ulmann I, 404—521, der freilich In feiner Beurteilung des Königs Hier faft noch ſchwarzgalliger iſt als ge= wöhnlich.

Die Schweiz unb das Deutſche Reich. 847

Erfolg doch nur den Niederlanden zugute gelommen fein würbe!). Diefer noch dazu refultatloje Angriff auf Gelvern war um fo unbeſonnener, als gerade jet Marimilian alle feine Kräfte Hätte beiſammenhalten follen. Denn nicht nur war mit Frankreich noch fein Friede geichloffen, fondern es . war aud ein Krieg gegen die Schweiz unvermeidlich geiworben.

So lange die dortigen Landgemeinden und Städte unter ber Herrfchaft Ofterreichs geftunden hatten, war ihr ganzes Streben dahin gegangen, unmittelbar unter das Reich zu fommen. Als aber die Eidgenoſſen endlich ihr Ziel erreicht und die Reichsunmittelbarkeit erlangt hatten, ba zeigte es fich, daß fie unter dem Reiche eben nichts al8 den Schatten ber damaligen Zentralgewalt veritanvden Hatten, welche jedes Glied thun ließ, was es wollte, daß fie aber, ſobald ihnen das Reich als wirkliche Macht entgegentrat, auch von diefem nichts mehr wifjen wollten, fondern völlige Unabhängigkeit anftrebten. Was Deutichland fich erjt durch Einführung des ewigen Landfriedens und des Kammtergerichtes zu verichaffen bemüht war, Ruhe im Innern und Rechtsficherheit, das Hatten ja die Schweizer fchon längft. Die Burgumnderfriege hatten ihnen auch eine angejehene Stellung unter den Mächten Europas verichafft und das Selbftbewußtfein derfelben außerordentlich gehoben. Da ſo bie Berbindung mit dem Reiche ihnen feinen Vorteil brachte, die Zahlung des gemeinen Pfennigs ihnen vielmehr Opfer aufer- legt hätte, weigerten fie fich auch, die Beichlüffe des Reichstags von Worms anzueriennen. Urteile des Kammergerichts fahen fie als Angriffe auf ihre Freiheit an, ja fie forderten die Eremtion von demſelben nicht bloß für bie eidgendifichen Kantone, fondern auch für die mit diefen nur verbündbeten Städte, wie bas im Herzen Schwabens gelegene Rottweil. Wie wenig fie fich noch als Angehörige des Deutſchen Reiches fühlten, zeigten ihre enge Verbindung mit Frankreich, das an einzelne einflußreiche Per⸗ fünlichfeiten wie an ganze Kantone regelmäßige Benfionen zahlte, und die vertragsmäßige Stellung von Söldnern zu deſſen Heeren,

1) Ulmann I, 583—632.

B48 Ofterreih und Graubünden.

während dem veutichen Könige ähnliche Anjuchen konſequent abs» geichlagen wurden. Wenn Deutſchland die Selbjtändigleit der Schweiz nicht freiwillig anerkennen wollte, blieb nichts übrig al8 ber Krieg, ver auch ſchon im Jahre 1497 auözubredhen drohte.

Maximilian Hätte benjelben gerne vermieden und machte teoß der Unzufriedenheit Bertholds von Mainz, des Führers der Neichsftände, den Schweizern einige Konzeſſionen. Er hätte fich begnügt, wenn biefe ihm wenigſtens in der auswärtigen Bolitit nicht feindlich entgegengetreten wären, wenn fie ihre friegsluftigen Söhne gegen Solo in jeine Dienfte hätten treten laſſen. Aber das franzöfiiche Geld und die bejonderd in ben demofratiihen Kantonen trog der ewigen Richtung von 1474 noch immer Tebendige Antipathie gegen Oſterreich trugen den Sieg davon.

Sp war der Bruch unvermeiblid. Die Stimmung wurbe noch mehr verbittert durch den Gegenſatz zwiichen ven ſchweize⸗ rifhen Bauern und ven fchwäbiichen Adeligen, welche jene durch Schmähungen kränkendſter Art reisten, wo fie nur konnten.

Den nächſten Anlaß zum Kriege gaben aber die Verbält- niſſe Graubündens. Da fich die Orafengewalt der Herzoge von Öfterreich als Beſitzer der tirolifchen Grafſchaft Vintſchgau bis Pontalt (oberhalb Zerneg) im Engadin erjtredte, anderjeits der Biſchof von Chur viele Befigungen im Vintſchgau big hinab nach Meran batte, jo Freuzten ſich die Rechte und An- fprüche beider in einer Weife, daß die Streitigkeiten faft nie aufhörten. Im letzter Zeit hatte Oſterreich feine Stellung da⸗ durch verftärkt, daß es durch Kauf vom Grafen von Montfort und vom Vogte von Matich die zehn Gerichte in Prättigau, Davos und den anftoßenden Gebieten erworben hatte, während anderjeit8 die durch Die Bildung von drei Bünden gefräftigten Dewohner der Gegenden am obern Rhein und obern Inn ein weiteres Vorrücken der Macht Ofterreichs nicht mehr dulden wollten. Gerade um die Zeit, wo zwifchen Deutichland und ber Schweiz das Kriegsfeuer fich jeven Augenblick zu entzünden drohte, waren zwilchen Zirol und dem Bilchofe von Chur neue

Ausbruch der Feinbfeligfeiten. 849

Streitigkeiten ausgebrochen, zu beren Beilegung ‚die tiroliiche Landesregierung wenig guten: Willen zeigte. - Des Biſchofs namen fi die Bündner an, freilich nicht aus Liebe zu diefem, fondern aus Abneigung gegen Diterreich, und um fich gegen dieſes eine Fräftige Stüte zu fichern, fchlofien fie einen Bund mit den Eidgenoſſen. Infolge deſſen ließ Die tiroliiche Regie⸗ rung Ende 1498 die Grenzpunkte in Verteidigungszuſtand ſetzen und befahl der waffenfähigen Mannſchaft, ſich zum Aus⸗ rücken bereit zu halten, da man einen Angriff der Bündner und Schweizer befürchtete.

Noch einmal machte man einen Verſuch, den Bruch zu ver⸗ meiden. Am 10. Jamar 1499 fand in Feldkirch eine Zu⸗ ſammenkunft der Parteien ftatt, und es ward daſelbſt eine zweimonatliche Waffenruhe verabredet. Aber durch die Schuld der öſterreichiſchen Beamten wurden die Bündner wie die tiroliſchen Kriegsleute im Vintſchgau nicht davon benachrichtigt. Als nun letztere zur Verſtärkung ihrer Stellung das an der Grenze gelegene Frauenkloſter Münſter beſetzten, wurden ſie von den Büuͤndnern wieder hinausgeworfen. Dieſe forderten jett die Eidgenofien, die tiroliihe Regierung den jchwäbtichen Bund zur Hilfeleiftung auf. Um daß Äußerſte zu verhüten, entichloß fich der Biihof von Chur zu großen Konzefjionen. Am 2. Februar ſchloſſen er und der Anführer der Bündner bei Glurns mit dem tiroliichen Landeshauptmann Leonhard ‘von Vols und dem Feldhauptmann Sigmund von Welsberg einen Vertrag, der für ſterreich fehr günftig war. Schon zogen auf beiden Seiten die Truppen ab.

Es ift fehr zweifelbaft, ob die tirolifhe Regierung diefen Vertrag, deſſen Abichluß fie dem Landeshauptmann in ftrengem Zone zum Vorwurfe machte, zur Ausführung gebracht hätte. Die Entſcheidung brachten die Vorfälle im Rheinthal. Durch Die übermütigen Nedereien der ſchwäbiſchen Bundestruppen gereizt, zündeten die Schweizer am 6. Februar einige Häufer an, worauf die Schwaben den Quzienfteig und das Städtchen Maienfeld wegnahmen. Infolge deſſen brachen auf der ganzen Linie vom Vintſchgau bis Baſel die Feindjeligfeiten aus, und

350 Siege der Schweizer über die ſchwäbiſchen Bunbestruppen

es wurde ber Krieg mit furchtbarer Wildheit geführt. Überall wurde geraubt und gebrannt, bie Einwohner halbnackt in bie Winterfälte binausgetrieben. Doch waren die Schweizer infolge ihrer einbeitlicheren Leitung und der Abhärtung wie ber größeren Disziplin ihrer Krieger ihren Gegnern bei weiten überlegen. Der König war anfangs fern in ven Nieverlanvden. Der Ihwäbtiche Bund, deſſen Glieder die Laften des Krieges mög⸗ lihft von fih abzumälzen fuchten und um möglichit billiges Handgeld untaugliche Knechte anwarben, werzettelte zudem feine Truppen längs der weiten Grenze und verzichtete auf jede friegeriihe Initiative, jodaß die Schweizer die Zeit wie bie Drte des Angriffs frei wählen fonnten.

Auf allen Punkten waren die Schweizer fiegreih. Schon am 11. Februar nahmen fie den Xuzienfteig wieder ein und trieben dann ihre Gegner, alles ausplündernd und zerftörend, beit Feldkirch vorbei bis zum Bodenjee, wo fie ihnen am 20. Februar in einem Treffen bet Harb fchwere Verlufte beis braditen. Ganz Vorarlberg bi8 auf die feiten Städte wurbe gezwungen, ven Eidgenoſſen zu buldigen. Am 22. März liefen 2500 Landsknechte, die ind Solothurnſche eingefallen waren, por 800—1000 Schweizern nach kurzem Kampfe am Bruder- holz (jüdlich von Baſel) feige davon. Ein ſchwäbiſches Bundes- beer von etwa 5000 Mann unter dem Grafen von Fürften- berg wurde am 11. April, als es beutebeladen und teilweije betrunfen von einem glüdlichen Streifzuge nad Conſtanz zurüd- febrte, von 1500—2000 Schmweizern am Schwaberloh ſüd⸗ weitlih von dieſer Stadt überfallen, das ganze Geihüg ihm abgenommen und das feige Fußvolk nur durch die Neiteret vor Bernichtung bewahrt. Umgekehrt fielen die in Zirol ſtehenden Heerhaufen Ende März ind Engadin ein, zündeten die Dörfer an, töteten viele Bewohner und führten mehrere taufend Stüd Dieb weg, worauf die Schweizer auch zur Räumung Vorarl⸗ bergs genötigt wurben. Gegen wetiere Angriffe juchten fich bie bei Fraſtenz lagernden beutichen Truppen durch ftarfe Vers ihanzungen zu decken, welhe am Fuße des die Straße von Vaduz nah Feldkirch wie die Ebene zwilchen Feldkirch und

wie über die Tiroler. 31

Braftenz flanfierenden Berges angelegt und mit 1500 Schwager Bergfnappen, dem „ftählernen Haufen”, bejegt wurden. ine Abteilung des fchweizeriichen Heeres, das in einer Stärke von 10000 Mann am 20. April von Vaduz ber vordrang, um⸗ ging die Schanze über ven fteilen Berg ber, ſodaß bie Be⸗ fagung in die Mitte genommen und überwältigt warb. Hierauf warb auch die Hauptmacht bei Sraftenz angegriffen und nad mehrftündigem Kampfe geichlagen. 3000 Mann follen vie Deutichen bier verloren haben.

Erft jetzt kam der König aus Geldern nach Oberbeutjchland, bemüht, auch das Reich zur thätigen Zeilnahme am Kriege zu bewegen, der doch teilweife durch das Streben, die Schweizer zur Anerkennung dev Reichsgeſetze zu bewegen, hervorgerufen worden war. Aber die wenigiten Fürften und Städte Tümmerten fih um die Mahnungen des Königs, da ja der Krieg nur Oſter⸗ reich angehe. Auch der ſchwäbiſche Bund war zu feinen größern Opfern zu bewegen. Bejonvers litt Maximilian dur) Mangel an Geld, ohne das Feine Soldaten aufzutreiben, die ange worbenen nicht unter ver Fahne zu halten waren. Mit Mühe brachte er 7000 Mann zujammen, wit denen er über ben Arlberg zog, wahrjcheinlih um in Verbindung mit ven im Vintſchgau ftehenden Truppen, etwa 8000 Mann, von bort aus die Eroberung Graubündens zu verfuchen.

Ehe er aber dort anlangte, war die Lage vollftändig ges ändert. Nach der Mitte des Mai fammelten fich im Münſter⸗ tbale 6300 Graubündner mit der Abficht, von Hier nach Vintſchgau einzubrechen. Da bie Ziroler nahe am Ausgange des Thales an der Calva, wo die Berge dasjelbe am meiſten einengen, eine ausgedehnte und ftarfe Schanze angelegt Hatten, fo fuchten fie diejelbe wie bet Fraſtenz durch ein Umgehungs- mandver in die Hände zu bringen. In der Nacht vom 21. auf den 22. Mat zogen 2000 Bündner über ben am linken Ufer des Rambaches ſich erbebenden Berg und kamen am Morgen auf verfchtevenen Wegen auf bie Ebene zwilchen Laatſch und Schleiß. Statt mit feinen in der Nähe ftehenden Truppen über die ermübeten und zerftreuten Feinde berzufollen, fcheint

352 Leiden ber. Bewohner durch Hungersnot.

ber unfähige Oberanführer der Ofterreicher, der Schwabe Ulrich von Habsberg, völlig unthätig geblieben zu fein, bis die⸗ ſelben fich gefammelt Hatten und nun ihrerſeits den Kampf gegen die am untern Rambach an der Marenger Brücke ftehen- ben Diterreicher begannen. Hart genug war berjelbe, und. bie Umgehungskolonne wäre wahrjcheinlich aufgerieben worben, wenn die aus ben tiroliichen Adeligen beftehende Neiterei eingegriffen und biejelbe im Rüden gefaßt hätte. Nach fünfftündigem Ringen gelang es endlich der Hauptmacht der Bündner, die Schanze zu erobern und dann die Ofterreicher an ver Marenger Brücke, die nun von zwei Seiten umfaßt wurden, zu überwältigen. 4000-5000 Dann an Zoten und Gefangenen, wie bie Ge⸗ ſchütze und das Hauptbanner verloren die Ofterreicher *), deren Überrefte in paniſchem Schreden bis Meran flohen. Aber auch die Graubündner hatten viele Leute eingebüßt und verfolgten den Sieg nicht. Nach der Ausplünderung und Nieverbrennung aller Ortichaften von Mals bis Schlanders traten fie den Rückzug an.

Als fieben Zage nad der Schlacht der König nach Vintjch- gau kam, fand er feinen Feind mehr. Anderſeits aber Tonnte an die Eroberung Graubündens bei der Demoralifierung der Zrümmer bes tirolifhen Heeres nicht mehr gedacht werben. Schon der Mangel an Lebensmitteln hätte die Anſammlung größerer Scharen unmöglih gemacht. Die armen Gebirge. thäler vermögen ja in gewöhnlichen Zeiten ihre Bewohner ohne Zufuhr von außen nicht zu ernähren. Jetzt waren zu beiden Seiten der Grenze alle Vorräte aufgezehrt oder vernichtet. AS der Gejchichtichreiber Willibald Pirkheimer, der als An⸗ führer des Nürnberger Kontingents im Zöniglichen Heere war, einen Zug nach dem Wormfer Joch unternahm, um eine von Mailand hergeſchickte Proviantladung in Empfang zu nehmen, fand er auf dem Marjche bei einem abgebrannten Dorfe zwei alte Weiber, welche eine Herde von 400 Kindern, bleich und

1) Nach dem Bericht des tirolifchen Landeshauptmanns im „Anzeiger f. Schweiz. Geſch.“ N. F. I, 181, freilich nur 2000 Mann.

Der Friede von Bafel. 858

abgemagert, hinaus auf die Wiefe führten, um mit Kräutern ihren Hunger zu ftillen. Die Väter, erklärten ihm die Weiber, feten im Sriege gefallen, die Mütter aus Hunger und Elend umgefommen, fie erwarte ein ähnliches Schickſal. Auch eine öfterreichiiche Zruppenfchar, die unter dem Truchſeſſen Johann von Walbburg über die Berge einen Zug nad Oberengabin unternahm, mußte nach Anzünbung aller Dörfer bis Hinauf nad) Samaden den Rüdzug antreten, da bie Feinde nirgends ftand hielten, aber der Hunger mit allen feinen Schreden ſich einſtellte.

Maximilian ging daher wieder über den Arlberg zurück, um noch einmal ben Verſuch zu machen, die Reichsſtände, ber fonders den ſchwäbiſchen Bund, zu größeren Opfern hinzu⸗ reißen und zu einem energiichen Angriff auf bie Schweizer zu bewegen. Aber überall traf er auf Entmutigung und Mangel an Opferwilligteit. Beſonders nachdem im Weften Graf Hein- rih von Fürftenberg, der mit 15 bis 16000 Dann das Schloß Dorned an der Birs belagerte, infolge feiner fträflichen Sorg⸗ Iofigfeit am 22. Juli von den Schweizern überfallen und ge» tötet, fein Heer geichlagen worden war, wollte niemand mehr von der Fortjegung des Krieges etwas wilfen. Notgedrungen gab Dear jeine Zuftimmung zu Unterbandlungen mit ven Schweizern, die troß franzöfischer Intriguen unter Vermittlung des Herzogs von Mailand am 22. September 1499 zum Frieden von Bafel führten. Die von beiden Zeilen gemachten Eroberungen wurden herausgegeben, ſodaß Ofterreich wieder in den Beſitz des Prättigau fam. Indem aber auch fonft der Zuftand vor dem Sriege bergeftellt und zugleich alle beim Kammergerichte gegen die Schweiz anhängigen Prozeffe durch den Mdidg nievergefchlagen wurden, warb die Eidgenofjenichaft tbatjächlih ganz unabhängig vom Weiche, um das fie fich auh in ihrer auswärtigen Politif nicht im geringjien mehr tümmerte !).

1) Über diefen Krieg und befien Vorgeſchichte |. befonders Tr. Brobft, Die Beziehungen der ſchweizer. Eidgenofienichaft zum beutfeen Reiche in Huber, Seihichte Öfterreihs. III.

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354 Doppelbeirat zwifchen den Häufern Habsburg und Spanien.

Niemand Hatte zunächft von diefem Kriege zwiſchen Deutich- lanb und der Schweiz größeren Vorteil als Frankreich. Es war Ludwig XII. gleich nach feiner Thronbefteigung gelungen, den Ring feiner Gegner vollftändig zu fprengen. Schon am 14. Juli 1498 ſchloß Heinrich VII. von England, der 1496 auch der heiligen Liga beigetreten war, mit Frankreich Frieden. Deſſen Beiſpiele folgte am 5. Auguft Ferdinand von Aragonien, obwohl er mit dem Haufe Habsburg durch doppelte Bande der Verwandtichaft vereinigt war, da nach den Anfangs 1495 getroffenen Verabrenungen feine zweite Tochter Iohanna am 21. Oftober 1496 den Erzberzog Philipp und im Frühjahr darauf fein Sohn, der Kronprinz Don Juan, deffen Schwefter Margareta geheiratet Hatte, die freilich fhon am 4. Oftober wieder Witwe geworden war. Venedig, mit Ludovico Moro, welcher der Republik den Beſitz Piſas nicht gönnen wollte, vollftändig zerfallen, bot dem Könige Ludwig fogar ein Bündnis an, und basjelbe that ver Papſt Alexander VI., der mit frans zöfiicher Unterftügung feinem natürlichen Sohne, dem berüchtigten Cefare Borgia, ein Fürftentum verichaffen wollte. So- blieben von allen Gegnern Frankreichs nur noch der König Maximilian und der Herzog von Mailand, der vollſtändig ifoliert war, als jener in den Krieg mit ven Schweizern verwidelt und dadurch an einer Unterjtügung Ludovicos gehindert ward.

Jetzt war der Entichluß des franzöfiichen Königs gefaßt. Während er fi durch Geld und Verfprechungen auch für bie nächiten zehn Jahre das Recht der Söldnerwerbung in ber Schweiz ficherte, jhloß er am 9. Februar 1499 einen Bund mit Venedig, das ihm gegen Überlaffung Cremonas und des Gebietes im Often der Adda feine Unterftüägung zur Eroberung Mailands zuficherte. Vergebens begte Lodovico den Venetianern die Türken auf den Hals; er konnte feinem Schidjale nicht mehr entrinmen. Der Krieg zwilchen dem Könige Dar und

den Jahren 1486—1499, im „Archiv f. Schweiz. Geld.“ XV, 67—181. A. Jäger, Der Engebeiner Krieg im Jahre 1499, in „N. Zeitſchr. des Ferdinandeums für Zirol“ u. f. w. IV, 1—227. Ullmann a. a. O. J. 647-799.

Eroberung Mailands durch die Franzofen. 865

den Eidgenofjen hinderten nicht bloß den erfteren an der Unter⸗ ftügung des Herzogs, fondern machte es diefem auch unmöglich, in ber Schweiz Truppen zu werben. Da er durch ben zu. nehmenden Steuerdruck fich auch feine Unterthanen entfrembet hatte, fo brach beim Angriffe des franzöfiichen Heeres feine Serrichaft wie ein Kartenhaus zufammen. Am 6. September 1499 zogen die Franzojen in Mailand ein, nachdem Lodovico vier Tage vorher feine Hauptftabt verlaffen und fich mit feiner Familie und feinen Schägen nach Zirol geflüchtet Hatte. Als er dann am Anfang des folgenden Jahres mit Hilfe ſchweizeriſcher und deutſcher Söldner fein Land zurüderobern wollte und, unterjtüßt durch die Abneigung der Mailänder gegen die drückende Herrſchaft der Franzofen, bereits ben größten Teil desfelben in feine Gewalt gebracht hatte, fiel er, von den Schweizern ver⸗ raten, am 10. April 1500 in die Hände der Feinde, bie ihn als Gefangenen nad Frankreich abführten.

Am nämlihen Tage eröffnete Marimiltian den Reichstag in Augsburg, auf dem er noch einmal verfuchen wollte, bie Stände zu einer ausgiebigen Hilfeleiftung gegen Frankreich zu bewegen, deſſen König die Herrichaft über Italien und bie Kaiſerkrone an fich reißen und bie öfterreichifchen Erblande und das Reich felbjt bebrohen würde. Berthold von Mainz, aud) iegt ber Führer der Neichsftände, benutte diefe Stimmung Marimilians, um ihn zur Genehmigung des Neichsregimentes zu bewegen, das unter dem Vorſitze des Königs oder feines Stellvertreters über Tragen der auswärtigen und inneren Politik, über militäriiche und finanzielle Angelegenheiten entjcheiden und durch die Art feiner Zufammenfegung dem Einfluffe des Königs entrüdt und wefentlih von den Fürften, befonders den Kur⸗ fürften, abhängig fein folte. Max ftimmte zu, weil ihm bie Stände dafür die Einführung einer bleibenden Reichskriegsver⸗ faffung mit einer eigentümlichen Kombinterung von Aushebung und Befteuerung in Ausficht ftellten, von der er ſich ein Heer von 30000 Mann und die Mittel zu ihrer Bezahlung ver- ſprach.

Doch nur zu bald zeigte es ſich, daß man ihm auch dies⸗

23*

806 K. Mar und das Nürnberger Reichsregiment.

mal wieder genarrt habe. Die ſchönen Beſchlüſſe über bie Aufftellung eines Reichsheeres blieben auf dem Papiere. Das gegen ſchlug das Reichsregiment, deſſen Seele wieder der Erz bifhof von Mainz war, eine ber bisherigen Politik des Königs diametral entgegengefette Richtung ein, ſchloß mit dem fran- zöfifchen Könige einen Waffenftilfftand, ohne auch nur die tta- lieniſchen Vaſallen einzufchliegen, ftellte dvemfelben die Belehnung mit Mailand in Ausficht und gab dem franzöfiichen Gefanbten, der Maximilian burch den Vorwurf der Beſtechlichkeit in frecher Weiſe beleidigte, ein Zeugnis feines Wohlverhaltens mit !). Darf man fih da wundern, wenn nun auch Marintilian um das Regiment, für das auch viele Reichsſtände jehr geringes Intereſſe zeigten, fich nicht mehr kümmerte, wenn er endlich jelbft mit dem franzöfiichen Könige, dem er bei der Gleichgültigkeit ber beutichen Stände doch nichts anzuhaben vermochte, fich aus⸗ zugleichen bereit war, um wenigſtens auch die Vorteile bavon für ſich zu ernten?

Die Friedensliebe der niederländiichen Negterung und bie Beziehungen des Erzherzogs Philipp zu Spanien fpielten dabei eine wichtige Rolle.

Als um Herbft 1496 der Sohn Marimiliand die zweite Tochter Ferdinands von Aragonien und JIſabellas von Caſtilien gebeiratet hatte, konnte niemand vermuten, daß Dies zu einer Erwerbung Spantens dur das Haus Habsburg führen würde, da die Prinzelfin Johanna einen Bruder und eine ältere Schweiter hatte. Allein in fürzefter Zeit ftarben alfe hinweg, welche dem Erbrechte verjelben vorangingen, im Oktober 1497 der Kron⸗ prinz Don Yuan, deſſen Gemahlin fi in gefegneten Umftänven befand, aber dann ein totes Kind zur Welt brachte, 1498 die ältejte Infantin Iſabella, die Gemahlin des Königs von Por- tugal, und im Juli 1500 auch deren Sohn Miguel. Da nun die Gemahlin Philipps die Erbin der vereinigten caftilifch« aragoniichen Länder geworden war und derſelbe dieſes echt

1) Ranke, Deuiſche Gefchichte I, 93 ff. Janſſen, Gefch. d. beutfchen Boltes I, 533. 8. v. Kraus, Das Nürnberger Reihsregiment, ©. BL ff.

Die Verträge von Blois und beren Bruch. 859

mit ber deutfchen Oppofition aufgebe. Auch fein Sohn Philipp von Burgund hatte fich enger dem franzöjilchen ‚Könige an⸗ geichloffen, als er mit feinem Schwiegervater aus verjchiedenen Gründen zerfallen war. Philipp vermittelte eine neue Ver⸗ bindung zwifchen feinem Vater und dem Könige von Frankreich, beren Ergebnis die Verträge von Blois am 22. September 1504 waren. Dearimilian veriprach jest, Ludwig XII. binnen drei Monaten mit Mailand zu belehnen, und zwar für fi felbft und feine Söhne oder in Ermangelung von folchen für feine Tochter Claudia gemeinjhaftlih mit ihrem Bräutigam Karl. Ludwig gelobte, ſich nicht in die Angelegenheiten bes Deutichen Reiches einzumifchen. Beide verpflichteten fich, mit Terbinand von Aragonien über Neapel feinen Separatvertrag zu fchließen, ftellten aber bemjelben den Beitritt zu ihrem Bünd⸗ niffe frei, wenn er feinen Anteil an Neapel feinem Enkel Karl und die Verwaltung desjelben dem Erzherzoge Philipp abträte, worauf auch Ludwig fein Recht auf die Hälfte Neapels auf feine Tochter übertragen würde. Falls Ludwig XIL. ohne Sohn jtärbe, fo follten. die Herzogtümer Bretagne, Burgund und Mailand (mit Afti und Genua) an Philipp zugunften Karls und Claudias fallen, Iettere beiden Herzogtümer auch bann, wenn die Beirat diejer beiden durch Frankreichs Schuld unter bliebe.

Da dieje Verträge nur durch vorübergehende politiiche Kon- jtellationen veranlaßt und vonjeite des franzöſiſchen Königs, wie Maximilian wohl einjah, auch gar nicht ernftlich gemeint waren, jo famen fie ebenjo wenig zur Ausführung wie die verwandten Verträge von Trient. Kaum batte ver Kardinal von Amboije im April 1505 in Hagenau im Namen feines Königs von Max bie Belehnung mit Mailand erhalten und die Verträge beichworen, jo widerrief Ludwig mit Difpens besjelben Kardinals zunächit im geheimen die DVermählung feiner Tochter mit dem Erz berzoge Karl und verlobte fie mit feinem Vetter, dem Thron. folger Franz von Angoulöme, was dann im Mat des folgenden Jahres auf einer Ständeverfammlung auch öffentlich geſchah. Denn eine Vereinigung der Habsburger mit Spanien gegen

0 Erlsſchen ber Landshuter Linien bes Hauſes Wittelsbach.

Frankreich war jetzt nicht mehr zu fürchten, ba Pilipp mit feinem. Schwiegervater um bie Regierung von Caſtilien ftritt, welche die Königin Iſabella auf ihrem ZTotenbette im November 1504_ nicht ihrer ſchwermütigen Tochter Johanna oder deren Gemahle, fondern ihrem Gatten übertragen hatte, ſodaß Fex⸗ dinand fogar mit Frankreich ein Bündnis ſchloß !). u Für Maximilian hatte dieſe Verbindung mit. dem Konige von Frankreich immerhin einen großen Vorteil, indem biefer dadurch gehindert ward, ihm in ben deutſchen Angelegenheiten, namentlich im baterifchen Erbfolgefriege Schwierigleiten zu bes reiten. | Am 1. Dezember 1503 war Georg der Reiche von Baiern⸗ Landshut mit Hinterlaffung einer Tochter, Elifabeth, geftorben. Obwohl nach den baierifchen Familienverträgen deſſen Gebiete an den Herzog Albrecht IV. von Baiern-Münden und beijen Druder Wolfgang hätten fallen follen, Hatte er doch in einem geheimen Teſtamente feine Länder wie feine Schäße feiner Tochter vermacht, die er 1499 mit Ruprecht, bem britten Sohn des Kurfürften Philipp von der Pfalz, vermäßlte. Ruprecht brachte auch beim Tode feines Schwiegervaters die Schlöffer von Lands⸗ but und Burghaufen in feine Gewalt, während die Stände ihm wie Albrecht die Hulbigung verweigerten und ven König baten, bie Entſcheidung des Streites in jeine Hand zu nehmen. Recht und Politif forderten Maximilian auf, ſich zugunften des Herzogs Albrecht auszufprechen. Denn dieſer war fein Schwager, während das pfälziiche Haus feit einem halben Jahr» hundert dem Kaifer Oppofition gemacht hatte und auch ber Kurfürft Philipp immer, ſelbſt zur Zeit der Reichskriege, mit

1) Über die Beziehungen Marimiliang zu Frankreich von 1501 big 1506, wofür Le Glay, Negociations diplom. entre la France et l’Autriche, T. I, p. 19sqq., wichtige8 Material veröffentlicht Kat, ſiehe Lanz, Einleitung zum 1. B. ber Mon. Habsburgica, 2. Abtl., S. 60ff. de Leva, Storia docum. di Carlo V. in correlazione all’ Italia I, 70844. P. Schweizer, Die Verträge von Blois, in „Korfhungen zur deutſchen Geſch.“ XIX, 1ff.,, und für die Sabre 1501 und 1502 2. dv. Kraus, ©. 154 ff.

8. Raximilians Beteiligung am Erbfolgekriege. 561

Frankreich die engften Verbindungen unterhalten hatte. Er er- teilte bern auch ſchon amt 9. Dezember dem Herzoge Albrecht die Belehnung und forberte die Landſchaft zur Huldigung auf. Doch fuchte er auch fein Intereffe“, wie er fich ausprüdke, zu wahren und einige baieriſche Gebietsteile am fich zu bringen, bie ihm zur Abrundung der dfterreichiichen Länder befonders wichtig ſchienen. Much war er bereit, um einen frieplichen Aus⸗ gleich zu ermöglichen, dem Pfälzer ein Drittel der Beſitzungen ſeines Schwiegervater® zu verfchaffen. Dieſer wies aber bie Borfchläge des Könige, vor allen die von demſelben geforberten Abtretungen, zurüd. Ehe noch eine rechtliche Entjcheivung ges fallt war, gab die emergiiche Herzogin Eliſabeth durch bie Weg» nahme der Stadt Landshut am 17. April 1504 das Zeichen zum Ausbruche des Krieges.

Albrecht IV. wurde nicht bloß vom Könige, fondern auch vom ſchwäbiſchen Bunde ımb mehreren alten Gegnern der Pfalz unterftügt. Ruprecht batte faſt nur feinen Vater für ſich; doch boten ihn die Schäte ſeines Schwiegervater8 die Mittel, zahl- reiche boͤhmiſche Söldner und deutſche Landsknechte zu werben. In Baiern, in der Oberpfalz und in ben Rheingegenden wurde gefämpft und dabei die beimgejuchten Gebiete volljtändig aus—⸗ geplündert, viele Ortichaften nievergebrannt. König Maximilian bemächtigte fich zuerft ohne Mühe ver an ven pfälztihen Kur⸗ fürften verpfänbeten Reichslandvogtei von Hagenau und ver Ortenau und nahm biefe für Ofterreich in Befig. Der Kur fürft von der Pfalz beichränkte fich weientlich auf die Ver⸗ teidigung feiner Gebiete. Im Baiern dagegen zeigte fich bie pfälziiche Partei ihren Gegnern vollftändig gewachfen, obwohl Ruprecht ſelbſt jchon am 20. Auguft von der Ruhr hinweg» gerafft wurde. Um bier eine Enticheivung herbeizuführen, z0g Mar im Auguft vom Rheine an die Donau, vereinigte fich mit dem Herzöge Albrecht, dem Markgrafen Friedrich von Ans» bach und Baireut, dem Herzoge Erich von Braunfjchweig, feinem Schwager, mit ſchwäbiſchen Kreistruppen und dem Striegsvolfe der Nürnberger und warf fi damit einem böhmijchen Söldner⸗ beere von 3000 Fußgängern und 900 Weitern entgegen, das

362 Marimilians Sieg bei Wenzenbach.

über Cham nach Baiern marjchierte. Am 12. September kam e8 beit Wenzenbach norböftlich von Negensburg zur Schlacht. Die böhmiichen Fußgänger, die Hinter großen, mit Ketten und eijernen Klammern verbundenen Setzſchilden auf einer Anhöhe aufgestellt waren, hielten fich jehr wader und ftanden wie die Mauern, obwohl die Feinde ihnen an Zahl doppelt überlegen waren. Marimilian jelbft, der an der Spige eines Neiterhaufens fie angriff, wurde durch eine mit Hafen verjehene Lanze vom Pferbe geriffen und wäre vielleicht verloren geweſen, wenn ihn nicht Erich von Braunſchweig mit eigener Lebensgefahr gerettet hätte. Endlich aber wurden die Reihen der Böhmen zeriprengt, wenig- ſtens 1500 getötet, mehr al8 700 gefangen, aber von Marie miltan in ritterlicher Weiſe großenteil8 nachhaufe entlafjen. Bon bier zog Marimilian gegen Kufftein, deſſen Pfleger Hans Pienzenauer ebenjo wie der von Nattenberg ihm bereits im Juni gehuldigt hatte und dafür in feinem Amte beftätigt worden, aber im Auguft beim Erjcheinen einer pfälzifchen Heeres» abteilung auf die Seite Ruprechts übergetreten war. Auch jet, wo der König am 3. Dftober mit einem Deere von wenigitendg 5—6000 Dann, meift Tirolern und Vorarlbergern, por Kufftein erſchien, wies Pienzenauer, vertrauend auf bie Seitigleit der Wälle und Mauern, bie Aufforderung zur Unter, werfung zurüd. Einer feiner Unterbefeblshaber, Wamolt, der eine Schar von 200 Böhmen kommandierte, jtellte zwar nad breitägiger Beſchießung der Stadt die Übergabe derfelben bie Ausfiht. Da aber die Gefchüge der Belagerer in den erften Zagen feine große Wirkung hervorgebracht hatten, fo wurde er ichlieglich feinem Worte untreu, was den König fo erzürnte, baß er erflärte, wenn noch einmal jemand von einem DBertrage rede, fo werde er ihm ins Angeficht fchlagen, das ihm das Blut berabrinne. Max fette daher mit größerem Eifer als anfangs die Beſchießung fort und den ungeheueren Steinkugeln, welche feine jet in Thätigkeit geſetzten vier „Hauptſtuck“ ſchleuderten, bielten auch die ftärkften Mauern nicht ftand. ALS ſchon mehrere Türme zufammengejchoffen und alles zum Sturme vor» bereitet war, ergab fih am 12. Dftober die Dejagung ber

Die Eroberung von Kufſtein. 363

Stadt, welcher der König trotz feiner früheren Äußerung Leben und Eigentum zuficherte.

Die Entrüftung Marimilians erhielt aber neue Nahrung, als Pienzenauer, der jetzt die Übergabe des Felſenſchloſſes in Ausficht ftellte, wenn binnen vier Wochen fein Entſatz käme, fich nicht mit einer Friſt von 14 Tagen begnügte und bie ihm gewährte Waffenruhe von anderthalb Tagen zur ftärkeren Ber feftigung des Schloffes benutzte. Durch die Niejengefchüge, bie Marimilian von Innsbrud kommen ließ, wurbe basjelbe aber in wenigen Tagen jo zujammengeichofien, daß Pienzenauer und feine Leute mit flehenden Worten und gefalteten Händen um Gnade baten. “Der erbitterte König wies aber jet die Kapi⸗ tulation zurüd, entichloffen, bie Feftung mit Sturm zu nehmen und die ganze Beſatzung über die Klinge jpringen zu laſſen. Diefe fuchte fih am Morgen des 17. Oktober durch einen geheimen Ausgang zu retten, wurde aber ergriffen und auf Defehl Maximilians dem Henker übergeben. Schon waren Pienzenauer, Wamolt und 18 andere enthauptet, als es den Bitten Erichs von Braunfchweig, des Fürften von Anhalt und anderer Bornehmer gelang, den 26 übrigen Schonung zu er» wirken ’).

Noch mehrere Monate zog fich der verheerende Krieg bin, bi8 endlih im Februar 1505 ein Waffenftillftand geſchloſſen wurde. Am 30. Juli diktierte der König auf einem Reichstage in Köln den mürbe geworbenen Parteien die Sriebensbedingungen. Für die Söhne des verjtorbenen Pfalzgrafen jollte aus Neu-

1) Neben 3. Würdinger, Kriegsgefehichte von Bayern von 1347 Bis 1506 II, 174—279, der am gründlichfien über ben baierifchen Erb- folgelrieg gehandelt bat, f. fpeziell über die Belagerung von Kufftein bie Berichte des kölniſchen Ratsſekretärs Stebufh vom 5., 12. und 17. Oft. aus der Nähe von Kufftein bei Höhl baum, Mitth. aus dem Stadt- archiv von Köln XI, 32 ff. und die Schreiben aus bem Lager vor Kuf- flein an den Kanzler Sarnthein vom 10. und 11. Oft, und 8. Marie milians an feine Gemahlin vom 18. Oft., die O. Reblid im 9. B. ber „Mitt. des Inſtituts“ veröffentlichen wird und mir ſchon jet gütigft mitgeteilt hat. Dadurch werben die Erzählungen Späterer oder ferner Stehender vielfach berichtigt.

864 Dergrößerung Ofterreich8 durch baieriſche und görziſche Gebiete.

burg und aus ben meiften baieriſchen Beſitzungen nördlich von ber Donau ein neues Fürſtentum, die fogenannte junge Pfalz gebilvet werben, bie übrigen Befitungen bes Herzogs Georg an Albrecht IV. und deſſen Bruver fallen. Maximilian erhielt für fein „Intereſſe“ außer einigen kleineren Gebieten von ber Pfalz die Landvogtei Hagenau und bie Ortenau, von Baiern bie ſchwäbiſchen Orafichaften und Herrichaften Kirchberg, Weiſſen⸗ born und Marftetten, bie fich an die Markgrafihaft Burgan anfchlofien, Neuburg am Inn und die Städte und Herrichaften Kufftein, Kigbühel und Nattenberg mit dem baieriichen Zeile des Zillerthales. Durch letztere, die zu Tirol geichlagen wurden, erhielt Tirol gegen Norboften eine geficherte Grenze, wie es kurz vorher durch das Pulterthal im Oſten arrondiert worden wor. Denn am 12. April 1500 war Leonhard, der lette ber Grafen von Görz, in Lienz geftorben, worauf Marimilian zahle reichen früheren Erbverträgen entiprechend deſſen Gebiete, bie Grafſchaft Görz mit Gradisca und Idria, ausgedehnte Befigungen in Kärnten, bie Stadt Lienz und das Bufterthal bis zur Mühl» bacher Klauſe, foweit es nicht den Hochſtiftern Brixen oder Freiſing gehörte, in Befig nahm. Da das Buftertbal und Lienz mit Tirol vereinigt wurden, jo erhielt dieſes in wenigen Jahren gegen Often feine jeige Ausdehnung, wenn man bavon abfieht, daß die falzburgiichen Befigungen im Brixenthal, Zillere thal und Windiſch⸗Matrai noch in das heutige Tirol hereinragten.

Der glückliche Ausgang des baierifchen Erbfolgefrieges mußte auch Marximilians Anjehen im Reiche heben, bejonders da tm Dezember 1504 auch fein berborragenbfter Gegner unter den Fürften, der Erzbiihof Berthold von Mainz, geitorben und burch den Markgrafen Jakob von Baden, einen Verwandten bes Königs, erjett worden war. Den Plan, für feinen Sohn Philipp aus Tirol. ein Kurfürjtentum zu machen, jete er zwar nicht durch. Dagegen bewilligte ihm der Reichstag in Köln, dem er bezüglich der Herjtellung des Reichskammergerichtes ent gegentam, auf ein ganzes Jahr 4000 Mann, um bie Ungarn zur Uchtung des von ihnen gebrochenen Erbfolgevertrages von 1491 zu nötigen.

Tod des Erzherzogs Philipp. 865

Marimilian hatte gehofft, mit den ihm in Köln bewilfigten Mitteln im günftigen Falle auch feinen lange verzögerten Römer⸗ zug unternehmen zu können. Sein Sohn, der Anfangs 1506 nach Caftifien zog, um fetne Rechte auf die Regierung biefes Reiches geltend zu machen, follte ihn dabei von der See Ber unterftügen. Philipp ward auch von den Caſtilianern als Herr anerfannt und nötigte feinen Schwiegervater zur Auf gebung feiner Anfprücde. Aber ſchon am 25. September wurbe er von einem Bigigen Fieber hinweggerafft, worauf ſich bie Saftilianer doch den König Ferdinand, Frankreichs Bundes⸗ genofjen, als Regenten für Philipps älteren Sohn, ven ſechs⸗ jährigen Erzherzog Karl, gefallen ließen. Auch Venedig hielt an feiner Verbindung mit Frankreich feſt und verweigerte Maxi⸗ milian den Durchzug nach Rom, wenn er nicht, wie fein Vater, ohne Begleitung eines Heeres Täme!). Dieſer konnte baber nicht Hoffen, ohne ausgiebige Unterftügung des Reiches an Frank⸗ reich für den Bruch der Verträge von Blois und Hagenau Rache zu nehmen und demſelben die Herzogtümer Burgund und Mailand zu entreißen, die nach ven in Blois felbft ge- troffenen Verabredungen an feinen Enkel Karl fallen follten.

Er berief daher auf das Frühlahr 1507 einen Reichstag nad Conſtanz, der auch fehr zahlreich befucht wurde. Mit feurigen Worten ſchilderte Maximilian den Ständen die vom Könige von Frankreich drohenden Gefahren und die Abficht besjelben, die deutiche Nation für Immer ver Kaiſerwürde zu berauben, und forderte biejelben zu einträchtigem Handeln und zu fchneller Bewilligung von Geld und Voll auf, damit er imſtande wäre, die Katferfrone zu empfangen, die Franzofen aus Mailand zu vertreiben und überhaupt bie verlorenen Reichs⸗ gebiete wieder zurüdzuerobern. Er forderte 10000 Dann zu Roß und 20000 zu Fuß und meinte, daß Dies feine Schwierig- feiten bieten fönne, da 60000 reifige Pferde und zehnmal Bunderttaufend Fußknechte in deutſchen Landen wären.

Wenn Dearimiliaon jo Hohe Forderungen ftellte, fo that

1) Romanin V, 177sgg.

866 Marimilians weitgehende Pläne.

er dies freilich wahricheinlich in der Überzeugung, daß er bie- felben in jedem Falle ohne bebeutende Abftriche nicht durch⸗ jegen würde. In der That bewilligten ihm die Reichsſtände nach dreimonatlichen Verhandlungen auf ein halbes Jahr nur 3000 Reiter und 9000 Maun zu Fuß oder für lebtere eine Summe von 120000 Gulden. Auch wollten fie von einem Kriege gegen Frankreich ohne vorhergehende Verhandlungen nichtö willen und ſetzten e8 durch, daß eine Gejandtichaft an den König Ludwig geſchickt wurde, um deſſen Abfichten gegen- über dem Reiche zu erforſchen. Mar war übrigens auch fo in der rofigften Laune. Er boffte mit den Truppen aus ben dfterreihifchen und den burgundiichen Ländern ein Heer von 30000 Mann zufammenzubringen, mit dem er um jo mehr ausrichten zu können glaubte, als er Ausficht Hatte, diesmal bie Schweizer nicht in ben Reihen feiner Gegner, ſondern unter jeinen Fahnen kämpfen zu fehen. Denn eine Gejandtichaft der» felben, die in Conjtanz erjchien, erklärte ihre Bereitwilligfeit, dazu mitzuwirken, daß die Kaiſerkrone nicht in andere ald in deutiche Hände komme. Da der König fich bereit zeigte, bie Eidgenoſſenſchaft vom Kammergeriht und von den jonftigen Pflichten gegen das Reich zu befreien, jo verjprachen fie, ale „Verwandte“ des Reichs in deſſen Sold 6000 Mann zu ftellen, damit Marimilian die Kaiſerkrone erlange.. Schon nahm diejer in feiner fanguinifchen Stimmung weitere großartige Unter« nehmungen in Ausfiht. Nach dem Empfang der Kaijerkrone und ber Ordnung ber PVerbältniffe Staliend wie Burgunds wollte er, wie er den Ständen erflärte, perſönlich einen Zug gegen die Ungläubigen unternehmen !).

Aber nur zu bald follte er aus feinen jchönen Träumen aufgeweckt werben! Bei den Schweizern trug auch diesmal das franzöſiſche Geld über das deutſche Nationalgefühl den Sieg

1) Über die Verhandlungen in Konftanz find bie vollſtändigſten Nach- richten bei Janffen, Reichscorreſpondenz II, 700 —741, worauf ih auch für die fpäteren NeichStage verweife. Vgl. aud bie fonftigen bafelbft eitierten Duellen.

Ungenügenbe Unterſtützung besfelben. 367

davon. Schon Ende Juli konnte ein franzöfifcher Gefanbter dem Vizekönig von Mailand aus Zürich melden, daß diefelben dem Könige zur Verteidigung biejes Herzogtums fo viele Truppen jtellen würden, als berjelbe wünfchte )Y. Auch die Reichsſtände zeigten bei Ausführung der Conftanzer Beichlüffe ihre gewohnte Saumjeligfeit. Ihre Kontingente, die am 16. Oftober in Con⸗ ſtanz fein follten, trafen meiſt entweder fpäter ober gar nicht beim Könige ein. ‘Die Niederlande, wo im Namen des jungen Karl für Marimiltan feine Huge Tochter Margareta, Witwe bes Herzogs bon Savoyen, die Regierung führte, vermochte fich ſelbft kaum des Herzogs von Geldern zu erwehren, der im geheimen von Frankreich unterftügt wurde. Auch die Stände jeiner Erblande, die Marimilian übrigens erft auf den 2. Te- bruar 1508 berief, waren weit davon entfernt, die Wünfche besjelben im vollen Umfange zu erfüllen. ‘Der Landtag in Linz bewilligte für den Römerzug ftatt der geforderten 1500 zu Roß und zu Fuß nur 400 Fußknechte auf drei Monate ?), andere wahrjcheinlih vor dem Ausbruche des Krieges mit Ve- nedig gar nichts. Nur der tiroliiche Landtag, der jchon 1506 für den Römerzug 50000 Gulden votiert Hatte, bewilligte An- fange 1507 für denfelben Zwed 1000, und wenn ein Krieg entjtände, 5000, ja im Fall der Not 10000 Mann ?).

So war das Heer Marimilians, das fi Anfangs 1508 in Südtirol fammelte, groß genug, um das Mißtrauen DVe- nedigs wachzurufen, das ihn auch jet nur mit geringer Be

1) de Leva ], 100.

2) Pritz, Geſch. des Landes ob ber Enns II, 200. Geforbert hatte ber König von Ofterreich unter ber Enns 3000, von Steiermark mit der Grafſchaft Cilli 2300, von Öfterreih ob ber Enns 1500, Kärnten 1500, Krain mit Görz 1500, alfo von ben fogen. nieberöfterreihifehen Ländern 9800 Mann. Krones, Landtagsweſen der Steiermark, in „Beitr. zur Kunde ſteierm. Geſchichtsq.“ TI, 106. Vgl. ebb. VI, 83, mwonad ein fteirifcher Landtag in Marburg kurz vor dem 1. März 16000 Gulden „wider die Venediger“, mit denen alſo wohl der Krieg ſchon ausgebrochen

war, bewilligt bat.

3) Brandis, Landeshauptleute, S. 388. Sinnader, Beiträge VII, 109.

868 Mar „erwählter römiſcher Kaifer”.

gleitung durch feine Gebiete ziehen laſſen wollte, aber wie er felbft fürchtete, zu Kein, um den Wiberjtand der Republik brechen und fich den Durchzug erzwingen zu können.

Unter ſolchen Verhältniſſen entjchloß fih Maximilian zu einem Schritte, ver boch eigentlich einen Bruch mit ber mittel» alterlichen Kaiferivee barftellte. Am 4. Februar 1508 ließ er im Dome zu Trient in Gegenwart der dort anwejenden Fürſten und Großen des Reiches nach vorausgegangenen firchlichen Feier» lichkeiten durch feinen Nat Matthäus Lang, Biſchof von Curl, verfünden, baß er ben Titel eines „erwählten römiichen Kaiſers“ angenommen babe!). Damit fprah er aus, daß das Recht auf die Kaiferwürbe fchon durch die Wahl zum römifchen Könige erworben werde, der Papft alſo auch nicht das Recht Habe, biejelbe von Deutichland zu trennen und fie etwa dem Könige von Frankreich zu übertragen. Fortan haben auch die römiſch⸗ deutichen Könige den Kaifertitel gleich nad der Krönung in Aachen angenommen, und nur Karl V. Bat fich überhaupt noch vom Papfte krönen laſſen. Doch hat der Papft Julius II. gegen biejed Vorgehen Maximilians um fo weniger Einwendung erhoben, als berfelbe fein Recht, ihn zum Kaifer zu krönen, ausdrücklich anerkannte. Denn einen Nömerzug Darimiliang, namentlich an der Spike eines Heeres, hatte auch er zu hinter» treiben geſucht?) und er war froh, wenn derſelbe fih mit obigem Auswege zufriedenftellte.

1) Berichte von Angenzeugen aus ben nächften Zagen, in „Forſch. 3. deutichen Geſch.“ I, 71, und bei Janſſen, Reichscorreſpondenz II, 742. Über die falfche Darftellung Fuggers ſ. Ranke, Deutſche Geld. I*, 346 ff.

2) M. Broſch P. Julius IL, ©. 138ff.

Eröffnung der Feindfeligkeiten gegen Venedig. 569

Diertes Kapitel. Der neunjährige Krieg gegen Venedig.

Um den Franzofen das Herzogtum Mailand zu entreißen und um bie wirklichen ober vermeintlichen Abfichten Ludwigs XIL auf die Kaiferfrone für immer zu vereiteln, war Maximilian um Neujahr 1508 über die Alpen gezogen, ein Krieg mit Ve⸗ nedig entitand daraus. War der Kaiſer der Signoria fchon fett ihrer zweideutigen Haltung im Sabre 1496 abgeneigt, fo erbitterte ihn die hartnädige Verweigerung des Durchzugs burch ihr Gebiet fo ſehr, daß er ſich troß jeiner feindſeligen Stel- lung zu Frankreich in den Kampf gegen die mächtige Republik jtürzte.

Schon am Tage nach den Feierlichkeiten in Trient ſchickte er von Valſugana aus 2000 Fußknechte über die Berge in das Gebiet von Vicenza, wo fie die Sette Comuni und eine Reihe anderer Ortſchaften bejegten. Oleichzeitig brang ber Markgraf Friedrich von Brandenburg im Etichlande gegen Ro⸗ veredo vor. Auf dem öftlichen Kriegsichauplate, wo Erich von Braunichweig das Oberfommando erhielt, eroberte Sirt Trautſon mit 1300 Fußknechten Ampezz0 und das Thal Cadore, worauf man fih zum Angriffe auf das Schloß Peuteljtein anfchidte, das den Zugang von Zoblah im Bujtertbal her veriperrte. Obwohl der Markgraf von Brandenburg infolge des Wider- ſtandes von Roveredo und der ftarten Belegung der Päſſe im Etſchthale mit feinen ſchwachen Streitkräften nicht weiter vor⸗ zubringen vermochte, und Die Sette Comuni nach wenigen Ta⸗ gen wieder hatten geräumt werden müfjen, ſah der Kaifer im feinem unverwüftlichen Optimismus bereit: die ftolze Signoria befiegt zu feinen Füßen liegen. „Die DVenetianer”, fchreibt er am 1. März dem Kurfürften von Sachſen, „malen ihren Löwen mit zwei Füßen im Meere, ben dritten auf dem platten Land,

Huber, Geſchichte Öfterreihg. IL. 24

870 Eroderungen ber Benetianer.

den vierten im Gebirge. Wir haben den Fuß im Gebirge bei- nabe ganz gewonnen, es fehlt nur noch an einer Rlaue, bie wir mit Gottes Hilfe in acht Zagen haben wollen; dann benten wir ben Fuß auf dem platten Xande auch zu er» obern“ }).

Aber fchon in den nächſten Jagen trat ein vollitänbiger Umſchwung ein. Während die Reichstruppen nach Ablauf ihrer balbjährigen Dienftzeit nachhaufe zogen und die Stände ber meijten Erblande mit ihren Bewilligungen Targten, ftellten bie Benetianer, die auch von ben Franzoſen unterftügt wurden, zahlreiche Heere ins Feld, mit denen fie auf allen Punkten zur Offenſive übergingen.

In Cadore wurde Trautjon, der einige hundert Dann Ber- jtärfungen erhalten hatte, aber e8 an den notwendigen Vor⸗ fichtsmaßregeln fehlen ließ, vom venetiantichen General Bars» tolomeo d’Alviano am 2. März unvermutet angegriffen und er felbft mit dem größten Teile der Seinigen, fat 1800 Dann, nad tapferem Widerftande getötet, bei 500 gefangen. Hundert Deutſche waren von den im venetianischen Heere befindlichen Albanejen enthauptet worden, weil dieſen für jeden eingelieferten Kopf ein Dukaten veriprochen worden war. Don da wendete fih d'Alviano im April gegen die dfterreichifchen Befigungen in Friaul, nahm Cormons weg, worauf ſich Pordenone freiwillig ergab, eroberte Görz, deſſen Eaftell Andreas von Liechtenftein aus Mangel an Pulver übergeben mußte, dann Duino und Wippah, zwang am 6. Mai Trieſt, das gleichzeitig von der venetianiichen Flotte angegriffen ward, durch ein mehrtägiges Bombardement zur Ergebung, überichritt Anfangs Juni den Karft, nahm Adelsberg und bedrohte Laibach. In der zweiten Hälfte des Mai eroberten die Venetianer auch den größten Zeil des döjterreichiichen Iftrien mit Pifino, während das da⸗ mals auch zu Öfterreich gehörige Fiume (St. Veit am Flaum) durch die Flotte bejett ward. Unthätig Hatten bie innerölter- reichiichen Länder den Tortichritten der Venetianer zugeſehen,

1) Bei Ranke, Deutſche Gef. I, 119.

Borbereitung einer Koalition gegen Benebig. 878

der Städte Faenza und Rimini wie fchon früher Ravenmas bemächtigt hatte. Seit er den päpftlichen Stuhl beſtiegen hatte, war die Gründung einer umfafjenden Koalition gegen Venedig einer feiner Lieblingsgedanken.

Schon Im September 1504 beim Abichluffe der Verträge von Blois war auch ein Bündnis zwifchen dem Papite, Lud⸗ wig XII. und Maximilian gegen Venedig unterzeichnet und eine Zeilung ihres Gebietes in Ausficht genommen worden; doch war es damals wenigſtens dem franzöfiichen Könige nicht ernſt damit geweien. Im Sommer 1507 jhidte der Papit den Kardinal von Santa Eroce, Bernardino Sarvajal, nach Deutjch« land, um zwiſchen Dearimilian und Ludwig XII. Frieden her⸗ zuftellen, ber die notwendige Vorausjegung für eine Koalition gegen Venedig war. Damals war bei Mar die Abneigung gegen Frankreih und der Wunfch, vemjelben Mailand zu ent» reißen, noch zu ſtark, als daß er auf den Wunfch des Papftes eingegangen wäre. Als er fich aber Anfangs Februar 1508 zum Kriege gegen Venedig entichloß, ſchickte er jelbit einen Agenten an ben franzöfiichen König und gab ihm einen fertigen Vertragsentwurf mit, deſſen Artifel der päpftliche Legat mit einigen Räten bes Kaiſers und ben Geſandten des Königs von Aragonien vereinbart hatte. Danach wollte der Sailer gegen Zahlung von 100000 Golbfronen Ludwig XII. neuer» dings mit Mailand belehnen und auf die Vermählung der Prin- zeffin Claudia mit feinem Enkel verzichten. Die Hauptfache war aber der Vorfchlag eines Angriffs- und Verteidigungs⸗ bünbniffes gegen Venedig, von deſſen Befigungen der Kaifer Roveredo, Friaul, Trevifo, Padua, Birenza und Brefcia mit Balcamonica, der franzöfiihe König die Übrigen ehemals mai—⸗ ländiichen Gebiete erhalten follte. Dem Papfte und den Königen - von Ungarn und Aragonien follte der Eintritt in biefe Kiga zur Wiebergewinnung ber ihnen von Venedig entzogenen Bes figungen freigeftellt bleiben '). Noch brüftete fih der franzd-

1) Broſch, P. Julius II. S. 154 ff. und 838ff. die Anmerkungen 33-36. Der Entwurf war bem kaiferlichen Agenten von feinem Haus⸗

874 Die Liga von Cambray.

fiiche König mit feiner Vertragstreue und erklärte, ohne Venedig nie einen Vergleich eingeben zu wollen. Als aber biefes dann mit dem Kaiſer einen dreijährigen Waffenſtillſtand unterzeichnete und in dieſen wohl Frankreich, aber nicht, wie der König wünfchte, auch den Herzog von Geldern einjchloß, ſodaß dieſer den Angriffen Marimilians preisgegeben war, ba wechjelte Ludwig XIL plöglich feine bisherige Politik und fuchte num jelbit ein Bündnis mit dem Kaiſer.

In Cambray, wo Ludwigs allmächtiger Miniſter, der Kar⸗ binal von Amboife, mit Marimilians Tochter Margareta und beffen vertrauteftem Rate, dem Bilchofe Matthäus Lang, tim Beiſein eines ſpaniſchen und englifchen Geſandten, eine Zufammen- kunft bielt, wurde am 10. Dezember ein geheimer Bund ab- geichloffen, deſſen Hauptzwed eine volljtändige Aufteilung der Veltlandsbefigungen Venedigs war. Der zur Veröffentlichung beftimmte Friedensvertrag zwilchen dem Kaiſer und Frankreich war nur Nebenfache, obwohl er injofern von Wichtigkeit war, al8 er die Verträge von Blois und Hagenau mit Weglaffung der Heirat zwilchen Karl und Claudia erneuerte, die Belehnung des franzöfiichen Königs und feiner männlichen und weiblichen Nachkommen mit Mailand und dafür die Zahlung von 100 000 Goldthalern feitiegte und die Enticheidung des Streites mit dem Herzoge von Geldern, für den einftweilen ein einjähriger Waffenftillftand verabredet ward, einem Schiedsgerichte über» trug. Diejer Friede war die Vorbedingung für bie Liga gegen Venedig, an der der Papſt, der Kaiſer und die Könige von Frankreich und Aragonien teilnehmen follten, um bie ®ebiete wieder zu gewinnen, welche die Republik ihnen entrijjen hatte. Dana follten an den Papft die Städte der Romagna, an den König von Aragonien die von Venedig bejegten Hafenjtädte in Apulien, an den Kaifer Roverevo, Verona, Padua, Vicenza, Zrevifo und Friaul mit den Befigungen des Batriarchates Aquileja wie die im lebten Kriege dem Haufe Ojterreich ent-

bern, einem Freunde Venedigs, während er fchlief, geftohlen und abge fhrieben und dem venetianiichen Geſandten eingehänbigt worden!

Berlkehrtheit ber Politit des Kaifers. 875

rifienen Gebiete, an den König von Frankreich Breſcia, Ber⸗ gamo, Crema und Cremona mit Zugehör fommen. Der Krieg follte am 1. April begonnen und von allen fo lange fortgejeßt werben, bi8 der angegebene Zwed erreidt wäre. Um bem Railer, der 40 Tage jpäter losichlagen durfte, einen anftändigen Borwand zum Bruche des dreijährigen Waffenftillitandes zu bieten, follte der Papſt denjelben auffordern, als Beſchützer ber Kirche diefer zur Wiedergewinnung ihrer Befigungen Beiftand zu leiften. Dem Herzoge von Savoyen zur Eroberung des Königreichs Chpern, dem Herzoge von Ferrara und dem Mars grafen von Mantua zur Erlangung der ihnen durch Venedig entzogenen ®ebiete wurde ber Beitritt zur Liga freigeftellt. Auch der König von Ungarn fjollte aufgefordert werden, fich berjelben anzufchließen und den Venetianern bie Befiungen abzunehmen, die fie von feinem Weiche unrechtmäßig in Befit hätten. Um ven beabfichtigten Raubfrieg mit dem Schein des Rechtes zu umbüllen, follte ver Papit Bann und Interdikt gegen den Dogen und die Signoria von Venedig und alle ihre Untertbanen und Länder ausiprechen und bie Verbündeten auf fordern, ihm den weltlichen Arm zu leihen ?).

Es war jcheinbar ein großer Erfolg vonfeite des Kaiſers, daß es ihm gelungen war, Frankreich von Venedig zu trennen und dieſes vollitändig zu tjolteren, und daß er fo Ausficht er» bielt, nicht bloß die im legten Jahre verlorenen Gebiete, fon» dern auch das ganze Land bis zum Po und zum Mincio in feine Hände zu bringen. Im Grunde wird man aber doch den Abſchluß dieſer Liga als einen großen politiichen Tehler Marimilians bezeichnen müſſen. Denn er half dem franzöfie chen Könige die letzte Macht in Oberitalien vernichten, welche bemjelben noch einigermaßen das leichgewicht gehalten hatte, und unterjtüßte jo jelbjt die Begründung des franzöfiichen Übergewichte® auf der apenniniſchen Halbinfel. Denn darüber

1) Die Verträge (lateinifh) bei Dumont, Corps diplom. IV,1, 109 gg. und in franzöfifcher Überfegung bei Le Glay, Negociations I, 226 8909. Bol. dazu Lanz, ©. 93ff.

876 Berweigerung einer Unterſtützung burch das Reich.

konnte er fich doch bet aller Überfchägung feiner Kräfte kaum täufchen, daß fein Einfluß nicht weit über feine unmittelbaren Beſitzungen hinausreichen, und von bem Frankreich weit über- flügelt werden würde. Und wenn es dann, da jedes Duum⸗ virat zur Einheit bindrängt, zwijchen ihm und Frankreich um die Herrſchaft in Stalten zum Kampfe Tam, jo hätte er ein» jeben folfen, daß feine Hilfsmittel denen feines Rivalen fchwer- ih gewachlen ſein würden.

Noch ſchlimmer freilich als die Teilnahme Maximilians an der Liga jelbft war bie Art und Weife, wie der Krieg von jeiner Seite geführt wurde. Denn wieder ftürzte er fich in ben Kampf, ohne fich früher verfichert zu haben, baß ihm bie notwendigen Kräfte zur Verfügung ſtehen würden, und als er dann ind Feld rüden wollte, zeigte es fich, daß feine Hoffnungen großenteild auf Sand gebaut waren.

Der deutſche Reichdtag, den ber Kaiſer am 22. April 1509 perjönlich eröffnete, verweigerte mit nie dageweſener Einftimmig- feit jede Unterftügung, weil man der Kriege, welche dem Reiche bisher mehr Schande als Ehre und Vorteil gebracht hatten, überhaupt müde und beſonders ein Angriff auf Venedig fchon wegen der Handelsſtörungen nichts weniger als populär war.

Auch die Erblande bewilligten viel weniger, ald ver Kaifer erwartete. Kine Verjammlung von Vertretern der fogenannten nieberöfterreichiichen Länder (Oſterreich unter und ob ber Enns, Steiermart, Kärnten und Krain), die während bes Februar und Anfangs März im Beiſein von Delegierten aus dem Elſaß in Salzburg tagte, weigerte fich entjchieden, auf die Forderungen des Kaifers einzugehen, wonadh von 100 Pfund Grunprente auf ſechs Donate ein Neifiger (jchwerer Reiter) und vier Fuß- Inechte geftellt werben follten. Nur einen Neifigen und zwei Fußgänger von 200 Pfund Rente bewilligten fie!) und zwar nur auf vier Monate. Auch jollten ihre Truppen nicht früher

1) Das machte nach Angabe ber Vertreter des Landes ob der Enns vom Sabre 1518 im „Archiv für öſterr. Geſchq.“ XIII, 268, für ihr Land 120 Pferde und 240 Fußknechte, für Ofterreich unter ber Enns S60 Pferde und doppelt fo viele Fußknechte.

Spärliche Bewilligungen ber Erblande. 877

in das venetianiſche Gebiet einrüden, als bis ber Kaiſer per- ſönlich den Feldzug eröffnet Hätte !). Der Kaiſer machte dann noch wenigſtens bei den Ständen des Landes unter ber Enns einen Verſuch, fie zur Bewilligung von einem Neifigen und vier Fußgängern auf ſechs Monate zu bewegen ober, wenn ihnen das zu bejchwerlich wäre, fie dahin zu bringen, daß im ganzen 2000 Weiter und A000 Fußknechte geftellt und von biefen 1000 Weiter und 1000 Fußgänger durch bie fünf nieberöfterreichiichen Herzogtümer, 500 Reiter und 1000 Zuß- Inechte von den oberen Landen (Tirol und den Vorlanden) aus- gerüftet und zu biefen noch 500 Hufaren und 2000 Böhmen geworben werben follten. Allein bie Stände lehnten jede weiter gehende Forberung ab ?). Denn foweit ging damals der Pa- triotismug nie, daß die Stände, auch wenn es einen Kampf gegen einen gefährlichen auswärtigen Feind galt, ohne weiteres auf die Wünfche bes Landesfürften eingegangen wären und bie Rückſicht auf ihre Privatinterefjen dem Wohle und der Ehre des Baterlandes nachgefegt hätten. Der tiroliiche Landtag, ber in der zweiten Hälfte des Januar in Bozen verfammelt war, zeigte fich opferwilliger, aber nur um das eigene Land zu ver- teidigen. Anfangs verweigerte derjelbe mit Hinweiſung auf bie Erichöpfung infolge des vorjährigen Krieges jede Unterjtügung. Erit als die Vertreter der tirolifchen Regierung die Erklärung abgaben, daß fie fortan ohne Wifjen und Willen der Yand- ichaft Teinen Krieg anfangen würden, bewilligten die Stände 5000, wenn biefe nicht genügten, 10000, und im Notfalle fogar 20000 Mann ?). Gegen die Abficht des Kaiſers, den

1) Dimit, Geſch. Krains LI, 11f. Bol. Schönherr, Der Krieg 8. Marimiltans I. mit Venedig 1509 (Wien, 1876, aus bem „Organ ber militär-wifienfchaftlicgen Vereine”), S. Sf.

2) ©. die Altenftüde im „Archiv f. öfterr. Geſchq.“ XIII, 321—333.

3) Die Mitteilung über die hier gefaßten Beſchlüſſe aus einer Ge- ſchichte der tirolifhen Landtage, im „Archiv f. Süddeutſchland“ I, 293 ff., und daraus bei A. Jäger, Geſch. der landfländ. Berf. II,2, 455f,, er- Hält erſt ihre wahres Licht wie anderſeits ihre Beftätigung durch die Be— richte bei M. Sanuto VII, 722, 735. 740. 742. 745.

878 Niederlage der Benetianer bei Agnabello.

tiroliihen Landtag auf die Mitte des April noch einmal zu berufen und von demielben die Stellung von 6000 Fußyängern und 200 Reitern auf vier Monate zu verlangen, jprach fich ber Marichall der Regierung, Paul von Liechtenftein, von vorn» herein aus. ‘Denn nach den großen Opfern, welche das Land im vorigen Kriege gebracht, würden fich die Stände ohne guten Grund und ohne Aussicht auf Fräftige Mitwirkung von anderen Seiten nicht leicht mehr in einen Krieg gegen die Venetianer ftürzen laffen ?).

Um wenigftens einige taufend Söldner anwerben und Pros piant wie das notwendige Kriegdmaterial beiftellen zu können, mußte der Kaiſer fih durch Verpfändung von Zöllen, Berge werfen und anderen Einnahmsquellen Geld zu verichaffen juchen 2).

Deſſenungeachtet batten die Kaijerlichen anfangs große Er- folge, weil fie nur die Xorbeeren von den Waffenthaten der Franzoſen zu pflüden brauchten.

Die Benettaner, welche jchon im Dezember die eriten Nach» richten über die gegen fie abgeichloffene Liga erhalten 3) und infolge deſſen eifrig gerüftet Hatten, ſchickten ihr Hauptheer, 2000 Weiter und 20000 Fußgänger, nach ver Lombardei, in» dem fie mit Recht ven König von Frankreich für ihren gefähr- lichſten Gegner anſahen. Aber infolge des fchlechten Zujammen- wirkens ihrer beiden Feldherren, des feurigen Alvtano und bes zagbaften Grafen Pitigliano, wurde die Hälfte desielben am 14. Mai bei Agnadello geichlagen und faft aufgerieben, Alvtano jelbjt gefangen, während die andere Hälfte, vemoralifiert, einen

1) Schreiben aus Innsbrud vom 7. April 1509 Hei Chmel, Urkunden, Briefe u. ſ. w., S. 314.

2) Schönherr, ©. 10f.

8) Romanin V, 189sqgq., auf befien gründliche Forfchungen neben ben reichhaltigen Berichten bei Sanuto, T. VII und IX, bezüglich alles deſſen, was Benebig betrifft, verwiefen werden fann. Für den Krieg mit dem Kaifer im Sabre 1509 f. außer Sanuto und Romanin auch Schönherr, ©. 38ff., wie die Notizen in Schreiben 8. Marimilians bei Le Glay, Correspondence I, 152. 159. 162. 176. 182. 1%.

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Eroberungen ber Katferlichen. 879

übereilten Rückzug antrat. Mit einem Schlage ftürzte num bie Herrichaft Venedigs über das Feſtland zufammen. Die wichtigften Städte der Lombardei ergaben fich ohne Widerftand den Franzofen. Verona ſchloß vor dem Grafen Pitigliano vie Thore. Die Stäbte der Romagna und die apuliichen Häfen räumte die Signoria freiwillig, um den Papft und Ferdinand bon Aragonien von den Teinden abzuziehen. Auch dem Katfer bot die Republik die Rüdjtelung der im legten Sabre eroberten ©ebiete, die Anerkennung der Lehenshoheit des Reiches über ihre Befiungen in Oberitalien und die Zahlung eines jähr- lichen Zinjes für Diefelben an. Doch gewährte dieſer dem ves netianijchen Geſandten Giuftintano als einem Exkommunizierten nicht einmal die Erlaubnis, fich zu ihm zu begeben *).

In der That konnte Marimiltan hoffen, durch den Krieg viel größere Erfolge zu erringen. Als feine Truppen, etwa 15000 Wann ſtark, am 1. Juni von Xrient aus ihre Operas tionen begannen, fanden fie zunächit gar Teinen Feind vor fidh. Roveredo ergab fich ohne Widerftand dem Kaifer, Riva mit den umliegenden Ortichaften dem Bilchofe von Zrient. Die Bürger von Verona öffneten dem kaiſerlichen Geſandten beim franzöfifchen Könige, Andrea da Burgo, die Thore ihrer Stadt, ebe noch das kaiferliche Heer durch die Veronejer Elauje bis zu ihren Mauern vorgeprungen war. Dasſelbe tbaten bie Bürger von Bicenza und Padua. Nur durch große Begünſti⸗ gungen wurde der Abfall Treviſos verhindert. Im Oſten wurden durch die Mannichaften, welche die niederöfterreichtichen Länder geftellt hatten, Görz, Trieft, Duino, Mitterburg, Fiume und andere im legten Jahre verlorene Ortichaften bejet, welche bie Benetianer, teil um den Katjer zu verföhnen, teils um ihre Kräfte zu konzentrieren, freiwillig räumten. Auch von den Stäbten im Gebirge ergaben fih Bafjano und Feltre ſchon Anfangs Juni den Kaiferlihen. Als dann Marimilian

1) Romanin V, 213sq. 219. 2gl. Sanuto VIII, 290. 298. 299. 309. 317. 818. 485. Daraus ergiebt fi) von felbft, daß weber bie angebliche Rebe Giuſtinians, noch bie Antwort des Kaifers echt find.

880 Feindſeligkeiten ber Bauern gegen bie Kaiferlichen.

ſelbſt, dem nun auch ber tiroliiche Landtag Zruppen gegen: die Venetianer bewilligt hatte, Anfangs Juli mit einigen taufend Mann durch Valſugana nach Feltre vorbrang, wurde von bier aus die Stadt Belluno gewonnen, deſſen Kaftell durch den Kaiſer nach wenigen Tagen ebenfall8 zur Ergebung bewogen ward. Da auch Serravalle den Kaiferlichen die Thore öffnete, war der Rüden vollitändig gededt, wenn Marimilian, wie es bieß, die Belagerung von Treviſo unternahm, der einzigen größeren Stabt, welche die Venetianer auf dem Feſtlande noch bejaßen. Er Hatte zu diefem Zwecke bereits fchwere Gejchüge von Innsbruck über den Brenner und dann auf der Etſch nach Berona bringen laffen !) und dem Herzoge Erich von Braun- jchweig, dem „obrijten Feldhauptmann jeiner niederöfterreichiichen Lande”, der an der DOftgrenze von Friaul ftand, Auftrag ger geben, fih mit ibm zu vereinigen ?), als plöglich eine vollftän« dige Wendung eintrat.

Während viele Städte in ber Zeit der böchiten Gefahr das Banner der ſtolzen Republit mutlos verließen, zeichnete fich die Landbevölkerung durch unmwandelbare Treue gegen ihre Herrichaft aus und nahm gegen die Feinde eine jehr feindſelige Haltung ein. Die Bauern rotteten ſich zufammen, beunrußigten bie Kaiferlichen, fchnitten ihre Verbindungen ab, zerftörten Die Brücken und überfielen auch Beinere Abteilungen verfelben. Die ftrengfte Behandlung derjelben, die Verbrennung ber Ort- ſchaften und die Niebermegelung der mit den Waffen Ergriffenen, brachte feine bleibende Wirkung bervor. Da ein bebveutendber Zeil des ohnehin nicht zahlreichen Heeres durch die Bekämpfung und Beobachtung der Bauern in Anſpruch genommen wurde, io Hatte der Kaifer nicht einmal Truppen genug, um die ges wonnenen Städte mit Binreichenden Beſatzungen zu verjeben.

1) Sanuto VIII, 528.

2) Aus Maroflica vom 14. Juli, im Iunshruder Statthaltereiarchio Max. 1, 44. Der Auszug bei Schönherr, ©. 43, ift ungenau und unrichtig motiviert. Auch find Feltre und Belluno nicht durch Erich von Braunfchweig erobert worben, ſondern ſchon früher in ben Hänben ber Kaiferlichen geweſen.

Berluft Paduas und defien Belagerung duch den Kaifer. 381

Diefe Haltung der Landbevölkerung wie die oft an ben Zag tretende Anbänglichleit der untern Volksklaſſen in den verlornen Städten, bie Schwäche der Railerlichen, die Lauheit des franzöfiichen Königs, welcher nach Gewinnung der lombar⸗ bifehen Gebiete Venedigs, einer Zuſammenkunft mit dem Kaiſer ausweichend, fih vom Kriegsichauplage zurüdzog, und die Hoff nung, den Papit und Terbinand von Aragonien von ber Liga abziehen zu können, machten der venetianischen Negierung wieder Mut. Gerade als der Kaifer die Vorbereitungen zur Bes lagerung von Treviſo traf, gingen ihre Truppen zur Offenfive über. Schon am Morgen des 17. Juli bemächtigte fich der Provveditore Andrea Gritti durch Überfall des fchwachbefegten Padua. Wenige Tage darauf fielen Serravalle, Feltre und Belluno, wo nur die Burg von den Kaiferlichen behauptet ward, in die Hände der venetianiichen Truppen, bie überall bon der Bevölkerung unterftügt wurben.

Um Padua wieder zu gewinnen, zog der Kaiſer vor ber Mitte des Auguft felbft vor dieſe Stadt. Er vereinigte unter feinen Fahnen nach und nach ungefähr 22 000 Dann, darunter auch 3000 franzöfiiche Reiter (500 Lanzen) und ſpaniſche und ttalienijche Hilfstruppen. Als endlich fein ſchweres Geihüg an⸗ gelommen war, begann er am 15. September die Belagerung, die er periönlich leitete. Doch war Padua, wo Pitigliano das Kommando übernommen hatte, von mehr als 14000 Dann beſetzt, ſodaß man die Stadt nicht einmal von allen Seiten einzufchließen vermochte. Ein Verfuh, Padua durch Ableitung des Backhilione zur Ergebung zu zwingen, wurde durch einen erfolgreichen Ausfall vereitelt. Die Angriffe auf bie Stadt fcheiterten teil$ infolge des Widerſtandes der ſtarken Beſatzung, die auch von den Einwohnern eifrig unterftütt wurde, teil$ in⸗ folge der Verräterei einzelner Hauptleute, welche die Venetianer von allen beabfichtigten Unternehmungen unterrichteten. Wohl wurde am. 20. September eine Baftion mit Sturm genommen. Aber die jet auffliegenden Meinen, welche bie Venetianer ges legt Batten, und das Teuer der Bejagung nötigten bie Katjer- lichen, die bei 500 Mann verloren, die Schanze wieder zu

882 Weitere Berlufte ber Kaiferlichen.

räumen. Nachdem am 29. September noch ein weiterer Sturm, der den Angreifenden 1000 Mann koſtete, mißlungen war, bob der Kaiſer die Belagerung auf!) und kehrte Ende Oftober nah Tirol zurüd. Selbft der größte Zeil feines Heeres Löfte fih auf, da feine Geldmittel volljtändig erichöpft waren. Daher gingen auch Vicenza, Balfano, Feltre und Belluno, kurz mit Ausnahme von Verona, defjen Beſatzung auch durch Franzojen und Spanter verjtärkt war, alle wichtigeren Pläße im Laufe des Novembers an die Venetianer verloren. Auf dem dftlichen Kriegsichauplage, wo Erich von Braunfchweig das Oberlommando führte, ftanden die Sachen für den Kaijer noch fchlimmer, da die Aufgebote der niederöfterreichifchen Länder wenig leifteten und nach Ablauf ihrer Dienftzeit wieder heimzogen, eine weitere ipärliche Bewilligung aber erſt im Oltober erfolgte ). Nach» bem Ende Juli Civivale vergebens angegriffen worden war, blieben die Kailerlichen längere Zeit ganz unthätig. Erſt zwei Dionate darauf entrifjen fie den Venetianern zwei Burgen auf dem Karjt, welche diefelben noch fett dem vorigen Sommer bes bauptet hatten, von denen aber die eine bald wieder verloren ging. Fiume wurde am 2. Oktober durch die venetianijche Flotte unter Trevifano erobert und nach vollftändiger Ausplün- derung und Verübung aller möglichen Greuelthaten gänzlich niedergebrannt 8).

An der Möglichkeit verzweifelnd, bie ihm durch den Vertrag von Cambray zugefprochenen Gebiete mit eigenen Kräften ge-

1) ©. bierüber auch das interefjante Wert von Gloria, Padova dopo la lega stretta in Cambrai (Padova, 1863).

2) Die Stände von Kärnten bewilligten auf zwei Donate 200 (1) Mann, die von Steiermark 12000 Pfund. Schönherr, ©. 48f. Krones in „Beitr. 3. 8. fleierm. Geſchq.“ VI, 83f. Bon ben OÖfter- reichern und Krainern wird man e8 dann wohl auch für wahrſcheinlich Balten dürfen.

3) Über diefe Borgänge auf biefem Kriegsichauplage vgl. mit Sanuto auch die Selbftbiographie Sigmunds von Herberftein in „F. RB. Austr. SS.“ I, 7384q. und die Schreiben des Biſchofs von Laiba und Erichs von Braunfchmweig an den Kaifer vom 3. und 6. Okt. bei Chmel a. a. O. ©. 320ff.

Berhanblungen bes Kaifers mit Frankreich unb Spanien. 888

winnen zu können, ja in Gefahr, neue Berlufte zu erleiden, warf fi der Kaiſer ganz dem Könige von Frankreich in die Arme, obwohl diefer ihn nur foweit unterjtüßte, als notwendig war, um feine Ausjöhnung mit Venedig zu verhüten und durch bie Fortdauer des Kampfes feine Kräfte für lange Zeit lahm zu legen. DBereitwillig ging Maximilian auf einen ihm vom Könige Schon im Sommer gemachten Vorſchlag ein, den Krieg bis zur vollftändigen Vernichtung Venedigs fortzufegen. Zur nächſt fam es ihm aber darauf an, wenigftens die Gebiete in jeine Gewalt zu bringen, die ihn in Cambray zugefichert worben waren. Um den franzöfiichen König zu bewegen, entiweber im eigenen Solde ibm 1200 Lanzen und 8000 Fußgänger mit entiprechender Artillerie zu fenden, oder ihn mit 600 Lanzen und einem ‘Darlehen von 100000 Kronen zu unterftügen, wollte er ihm alle in Italien zu machenden Eroberungen außer» balb des Gebietes von Verona als Pfand überlafjen, bis mit den Einkünften von denſelben die Kriegskoften oder das Dar» leben getilgt wären. Ja er bot fogar dem Könige den Ober- befehl im Kriege gegen Venedig an, felbft wenn er perfönlicdh beim Heere anweſend wäre. Auch den König Ferdinand fuchte der Kailer auf Drängen Ludwigs XII. dadurch bei der Liga feitzubalten, daß er denjelben als Regenten in Caſtilien aner- kannte, bis fein Enkel Karl zwanzig Jahre alt geworden wäre !),

Um aber auch felbjt mit einem feiner Stellung entiprechen- ben Heere im Felde erjcheinen zu können, wendete ſich Mari⸗ milian wieder an die Stände feiner Erblande und an ben deutichen Reichstag, den er auf ben 13. Januar 1510 nad Augsburg berief.

Eine Träftige Unterftügung des Kaiſers wäre jet wirklich im Intereffe Deutſchlands gewejen. Denn das kann doch feinem Zweifel unterliegen, daß es für dieſes unter allen Umftänden von großer Wichtigleit war, eine beberrichende Stellung am

1) Über die Verhandlungen zwifchen dem Kaiſer und Frankreich, wie K. Ferdinand feit Ottober 1509 f. Le Glay, N£gociations I, 260 3qq. Bel. Lanz, ©. 104 ff.

384 Bewilligungen des Reiches und der Erblande.

Südabhange der Alpen innezuhaben, um ſo mehr jetzt, wo Gefahr war, daß das ſchöne Italien und das für das Leben der Völker noch immer maßgebende Papſttum in Abhängigkeit von Frank⸗ reich kämen. Leider gingen aber die Hoffnungen Maximilians auch jetzt nicht in Erfüllung, und für die Mißerfolge Deutſch-— lands fällt doch viel weniger dem Kaifer als den Fürften und Städten die Schuld zu. Mochte Marimilian fich auch Teicht- finnig, obne genügende Vorbereitung in Kriege ftürzen, fo batte er doch eim richtiges Gefühl für die Größe des Neiches, während die Stände fih nur durch nadten Egoismus, burch die Scheu vor jedem Heinen Opfer leiten ließen. VBergebend wies der Katjer darauf hin, daß er die Grenzen des Reiches erweitert, Burgund und die Niederlande für dasſelbe wiebergewonnen, durch feine Erbverträge mit Ungarn dem Reiche einen Schild gegen die Ungläubigen verichafft habe. Die Stände Batten für alles nur taube Obren, wenn fie auch die Verweigerung der vom Raifer verlangten Hilfe in der Höhe ber Eonftanzer Beſchlüſſe mit Höflichen Redensarten verfüßten. Nach langem Marten bewilligten fie endlih im Mat, da auch der franzö—⸗ fiiche Gefandte fih warm dafür verwendete, 1800 Reiter und 6000 Fußgänger auf ein halbes Jahr. Doc machte der Katfer auch diesmal die Erfahrung, daß zwiichen Beichluß und Aus” führung eine weite Kluft fei. Nur der geringere Zeil der bes willigten Soldaten wurde wirklich geftellt.

Bon den Erblanven zeigte nur Tirol, das beim Kriege gegen Venedig in erjter Linie intereffiert, aber auch am meiften in materieller Beziehung geichäbigt war, noch immer große Opferwilligkeit. Ein Landtag in Bozen bewilligte im Dezember 1509 auf weitere neun Monate 4590 Mann !). Die Deles gierten der nieberöfterreichiichen Länder, die der Kaiſer im Jahre 1510 auch nach Augsburg berufen Hatte, fchon längft mit der inneren Politik des Katfers, wie mit der Tortfekung bes Krieges unzufrieden 2), forderten vor allem Abhilfe zahlreicher

1) Brandis, Gef. d. Lanbeshauptlente, S. 403 ff.

2) subditi nostri ... . incipiunt murmurare, fchreibt der Kaifer ſelbſt am 16. Nov. 1509 bei Le Glay, Negociations I, 284.

Die Haltung Ungarns. 385

Beichwerben, die bejonders die Verwaltung betrafen. Erſt als ber Kaiſer ihren Wünfchen teilweiſe nachgab 1), zeigten fich auch bie Stände entgegentommender und ließen ſich zu einer Steuer berbei, um auf vier Monate Truppen gegen die Venetianer zu unterhalten ?).

War jo die Hilfe, die der Kaifer vom Reiche und feinen Erblanden erbielt, weder bedeutend noch rechtzeitig auf dem Kriegsichauplage, jo feheiterten auch Die wiederholten Bemühungen, Ungarn zum Anfchluffe an die Liga und zum Angriffe auf Dalmatien zu bewegen ?). ‘Die Leiter des ungarijchen Staates wollten zwar die Not Venedigs benuten, um von dieſem bie freiwillige Überlaffung Dalmatiens oder wenigftens eine Erhöhung der Subfidien von jährlichen 30000 Dulaten zu erlangen, welche die NRepublif ſeit 1504 dem Könige zugefichert hatte. Um aber biejen Zwed durd einen Krieg zu erreichen, fehlte es dem Könige an Kraft und noch mehr an Geld, dem Adel an Opfermwilligleit. Ein durch die Magnaten und Delegierte des niederen Adels am 5. Juli 1510 gefaßter Beichluß, daß der König zur Wiedereroberung Dalmatiens einen Feldzug unter- nehme, wurde von einfichtigen Polititern von vornherein nicht ernjt genommen, und um fih durch Drohungen zu großen. Opfern beftimmen zu lajjen, waren die venetiantichen Staats⸗ männer viel zu jchlau und zu zäbe.

Sp war Marimilian 1510 in einer noch viel ungünjtigeren Stellung als im Jahre vorher und hielt e8 daher für befler,

1) Die Augsburger Libelle vom 10. April 1510 betreffen teilweife alle filnf nieberöfterreichifchen Länder, teilweife die einzelnen. Vgl. darüber Adler, Die Organifation der Sentralverwaltung unter K. Marimilian L, ©. 276ff.

2) Wenigſtens willen wir dies vom fleirifchen Landtag, der am 21. April 1510 28000 Pfund bewilligte, die auf Pfingfien (20. Mai) in Graz eingezabhlt werben follten. Krones, Vorarbeiten, in „Beitr. 3. 8. fteierm. Geſchq.“ III, 103 und VI, 84.

3) Eingebend handelt darüber befonders auf Grund der venetianifchen Geſandtſchaftsberichte W. Fraknoi, Ungarn und die Liga von Cambray 1509—1511. Budapeſt, 1883.

Huber, Geſchichte Öfterreich. III. 25

388 Scheitern der Abfichten des Papftes.

Krieg ohne Energie führten, möglich ward, die in vielem Jahre verlornen Plätze mit Ausnahme von Legnago wieder in ihre Gewalt zu bringen.

Dagegen fcheiterten die Abfichten des Papſtes vollitändig. Das Unternehmen auf Genua mißlang. Die Schweizer, die im September, gegen 10000 Mann ftark, bi8 vor Como ge- fommen waren, erhielten infolge ber Gegenwirkungen des Kaijers und des Königs von Frankreich Befehl zur Heimkehr und leifteten biefem auch Folge, da fie Mangel an Lebensmitteln Yitten. Bon den andern Mächten aber, auf die der Papſt ges rechnet hatte, fchloß England mit Frankreich einen Freundſchafts⸗ vertrag, Ferdinand von Aragonien blieb aufjeite des Kaiſers, dem er im Sommer einige Truppen zur Behauptung VBeronas gejendet hatte, Marimilian jelbjt war weiter als je entfernt, mit Venedig Frieden zu jchliefen und fich, dem Wunjche des Papftes entiprechend, an die Spite der Liga gegen Frankreich zu ftellen. Sein Haß gegen die Nepublif ließ ihn jogar bie Rückſichten auf das Wohl der Chriſtenheit beijeite fegen, indem er Anfangs Juni 1510 von Augsburg aus einen Agenten an den Paſcha von Bosnien fchidte, um die Pforte zum Ans griffe auf die Befſitzungen Venedigs im Oriente, bejonvers auf die albanefishen und dalmatiniichen Küjtenftädte zu bes wegen ).

Der franzöfiihe König aber ging mit geiftlichen und welt- lichen Waffen gegen ven Papft vor. Auf den September 1510 berief er die Prälaten feines Reiches zu einer Synode nad Tours, wo fich diefelben für einen Angriff auf ven Papft zur Abwehr feiner Übergriffe und für die Einberufung eines all- gemeinen Konzild zur Reform der Kirche und zur Abftellung der tn berjelben berrichenden Mißbräuche ausſprachen. Dann ließ er durch jeine italienijche Armee den Papit angreifen, der

1) Broſch, S. 197f., mit den Noten 7—11 ©. 3475. VBgl. Ro-

manin V, 252sq. Benebig ſelbſt hatte freilich fehon im September

«1509 die Unterftügung des Sultans zu erlangen geſucht. Romanin V, 233g.

Der Kongreß von Mantua. 389

troß feines Alters und feiner firchlichen Würde felbft ins Feld gezogen war.

Um ben Kaiſer, feinen einzigen Bundesgenoſſen, an feiner Seite feftzuhalten, erneuerte er am 17. November 1510 in Blois mit ihm den Vertrag von Cambray und veriprach ihm nicht bloß zur Eroberung der in dieſem ihm zugeficherten Städte im nächften Sabre 1200 Lanzen und 8000 Mann Fußvolk zu jenden, ſondern ihm auch als Herzog von Mailand zum Römer» zuge und zum Empfange der Kaiſerkrone feinen Beiſtand zu gewähren !).. So groß und geachtet, erllärte er, wolle er ihn machen, wie feit Karl dem Großen fein Kaiſer mehr geweſen. Da aber Ferbinand von Spanien nur unter der Bebingung jeine weitere Unterftügung zur Ausführung des Vertrages von Cambray zufagte, daß der Kaifer die Wirche nicht befämpfe, fo bewog bdiejer den König von Frankreich, die Zuftimmung dazu zu geben, daß unter feiner Vermittlung auf einem Kongreß in Mantua eine Ausgleichung zwifchen diefem und dem Papfte angeftrebt werde. Falls ber Papft fich hartnäckig zeigte, follten freilih der Kaifer und König Ferbinand zur Ausführung der Beichlüffe von Zours, alfo auch zur Einberufung eines gegen den Papft gerichteten Konzils mitwirken. Ein folches konnte für Julius II. um fo gefährlicher werben, als er durch fein weltliches Treiben und fein Friegerifches Auftreten in weiten Kreifen Anftoß erregte und fünf Rarbinäle, darunter folche von großem Anfeben, ihn verlafjen und fich unter franzöfiichen Schuß nach Mailand begeben hatten.

Um die Mitte des März 1511 kamen bie Geſandten des Kaiſers, Frankreichs, Spaniens und Englands in Mantua zu- jammen. Marimiltan Hatte einen feiner gewiegteften “Diplo, maten, ven Gurker Biſchof Matthäus Lang gejchiekt, deſſen Bemühungen im Sinne feines Herrn dahin gerichtet waren, den Papft wieder mit Frankreich zu verjöhnen, dadurch Venedig zu iſolieren und bie Liga von Cambray im früheren Umfange,

1) So fchreibt wenigftens der Kaifer am 27. Sanuar 1511 an ben Rat von Frankfurt. Sanffen, NeichScorrefpondenz II, 827. Bud

390 Scheitern der Unterhanblungen.

vielleicht noch durch England verftärkt, wieder berzuftellen. Um⸗ gelehrt fuchten der Papit und Venedig den Biſchof und Durch biefen den Kaifer zu gewinnen, um dann mit vereinten Kräften über die Sranzofen berfallen zu können. Die Unterbandlungen, die jpäter Lang mit dem Papfte jelbit in Bologna führte, fonnten freilich unmöglich zu einem Ergebniffe führen, da bie Ziele und Wünjche der verfchiedenen Mächte zu weit auseinander gingen. Venedig wollte nicht bloß nichts von dem bisher noch behaupteten Gebiete abtreten, ſondern den Kailer gegen Zahlung eines jährlichen Lehenszinſes auch zur Abtretung Veronas be- wegen. Lang bagegen forverte im Namen feines Herrn von Venedig die Herausgabe aller Befigungen in Oberitalien mit Ausnahme von Padua und Zrevijo, die e8 vom Reiche zu Lehen nehmen und für die e8 einen jährlichen Zins von 100 000 Dufaten entrichten follte, außerdem noch eine einmalige Zah» lung von menigitend 200000 Dufaten. Der Papit kam biefen Forderungen joweit entgegen, daß er wohl nie die Zur ſtimmung der Signoria erlangt haben würde. Er veriprad,, e8 bewirken zu wollen, daß Venedig Friaul an den Patriarchen von Aquileja, die übrigen Befigungen auf der Terra firma außer Padua und Treviſo an den Kaiſer abtrete, dieje beiden Städte aber vom Reiche zu Leben nehme. Dem Biichofe felbft bot er den Kardinalshut, die Würde eines Legaten tn Deutjch« land, das Patriarchat von Aquilefa und andere einträgliche Benefizien an. Die Venetianer verjprachen demſelben nach Abſchluß des Friedens 10000 rheinifche Gulden und kirchliche Pfründen mit einem jährlichen Erträgniffe von 4000 Dukaten oder einen Gehalt in der gleichen Höhe. Aber auch die lodend- ften Anerbietungen vermochten den Biichof feiner Überzeugung nicht untreu zu machen. AndererjeitS war der Papft nicht zu bewegen, jich von Venedig zu trennen und von der Bekriegung bes Herzogs von Ferrara abzulafien. Im Gegenteile ſchleuderte er gerade jett den Bann gegen die Behörden aller Tombarbijchen Städte, weil fie den König von Frankreich in feinen Firchen- feindlichen Beftrebungen unterftügten, und indirekt gegen ben Monig ſelbſt. Lang, der als Stellvertreter des Kaiſers mit

Unterbandlungen tes Kaifers mit Venebig. 391

ungebeurem Selbjtbewußtjein, „wie ein König“, in Bologna auf- getreten war, brach daher Ende April die Verbandlungenab !).

Die fünf Kardinäle, die vom Papfte abgefallen waren, bes riefen nun auf den 1. September ein allgemeines Konzil nach Pila, zu dem fie Julius II. felbft einluden. Zugleich rückte das franzöfiiche Heer unter dem Marſchall Zrivulzio in den Kirchenitaat ein, zwang den Papjt zur Flucht aus Bologna, bemächtigte fich Diejer wichtigen Stadt und zeriprengte die päpftlich-venetianifchen Truppen, welche diejelbe hätten verteidigen jollen.

Hätte der Kaijer in Italien eine fchlagfähige Armee gehabt, jo würde auch er jetzt auf Erfolge haben boffen können. Aber vieler hatte wieder die Mittel zur Krieaführung nicht aufgebracht und mußte die wichtigfte Zeit unthätig in Innsbrud zubringen, wo er fih mit Jagen auf den Bergen unterhielt 2). Unter ſolchen Verhältniſſen glaubte er Anträge der venetianiichen Regierung, welche die Anknüpfung von Friedensverhandlungen wünjchte, nicht jchroff abweifen zu jollen. Das Angebot, das ibm gemadht wurde, war freilich) weder ſehr vorteilhaft noch ebrenvoll, indem der Beſitzzuſtand wie vor dem Kriege wieder bergejtellt werden, aljo der Kaifer das wichtige Verona und die andern bisher noch behaupteten venetianiichen DOrtichaften herausgeben und jeine Waffen gegen feinen bisherigen Bundes» genoffen, den König von Frankreich, wenden ſollte. Dafür wollte Venedig 500000 rheiniſche Gulden zahlen, die ehemals zum Weiche gehörigen Gebiete vom Kaijer zu Lehen nehmen und einen jährlichen Zins dafür entrichten und verjprach dem- jelben zugleich jeine Unterjtügung wie jene des Papfted und der Könige von Aragonien, Portugal und England zur Eroberung bes Herzogtums Mailand. Auch jegt wollte die Signoria

1) M. Sanuto XIU, 127. 147. 160. 351. Coccinius, De bello Maximiliani cum Venetis ap. Freher-Struve II, 542. Lettres de Louis XII. 11, 96. 139. gl. Romanin V, 256. Broſch, S. 220 und 353, N. 46—48.

2) Gattinara an Margareta von Ofterreih 20. Inli 1511 bei Le Glay, Negociations I, 422. >

392 Eroberung Friauls durch die Kaiferlichen.

wieder den Biſchof von Gurk durch Erneuerung der ihm jchon in Bologna gemachten Anerbietungen für vie Herbeiführung bes Friedens zu interejfieren juchen ?). Später zeigten fich die

- Benetianer zwar zur Verzichtleiftung auf Verona bereit. Doc

wurden die Verhandlungen, die im Augujt in Toblach geführt wurden, nach einem Monate abgebrochen, da der Kaiſer den König von Frankreich nicht im Stiche laffen, Venedig biejen nicht in den Frieden einſchließen wollte und fich nicht auch zur - Abtretung von Vicenza berbeiließ 2).

Unterbeffen Hatte der Kaifer doch einige Tauſend Mann be- ſonders aus Tirol zufammengebracht, welche in Verbindung mit den franzöfiichen Hilfsvölfern unter la Paliffe Anfangs Auguft von Verona aus die DOffenfive gegen die Venetianer ergriffen. Da diefe ihre Kräfte in Padua und Treviſo konzen⸗ trierten, deren Behauptung fie für das Wichtigfte anſahen, fo fielen die meiften Städte zwilchen der Etich und der Piave, darunter Vicenza, Feltre und Belluno, ohne Widerftand in die Hände der Verbündeten. Auf die Nachricht, das: Friaul von den Benetianern faft gar nicht bejegt fei, wendeten fich nun bie Kaiferlichen, etwa 8000 Dann ftark, unter dem Oberfommifjär

Chriſtoph, Biſchof von Laibach, und dem oberiten Feldhaupt⸗

mann Jörg von Liechtenftein, um die Mitte de8 September nad) Oſten, befette Conegliano, Sacile, Pordenone und andere Städte, brachten Udine zur Übergabe und eroberten die Feſtung Gradisca. Nach der Unterwerfung Friauls, wo nur vereinzelte Plätze wie Oſopo für Venedig fich hielten, kehrten die Kaiſer⸗ lihen Anfangs Oktober wieder an die Piave zurüd, um ver- eint mit den Franzoſen Treviſo anzugreifen. Aber die Bes lagerung unterblieb, fei es, weil man fich zu jchwach fühlte, fet eg, weil die Franzoſen mit den Kaiferlichen auf fchlechtem Fuße ftanden, oder weil der franzöfiiche König feine Hilfstruppen

bei der vorgerüdten Jahreszeit nach der Lombardei zurüdrief.

1) Romanin V, 259sa. 2) Le Glay, Negociations I, 438. gl. 431. 4383. Sanuto XII,

304. 330. 337. 351. 376. 379. 385. 398. 399. 401. 404. 437.

Diplomatifche Erfolge bes PBapftes. 393

Da nun auch das Fatjerliche Heer fich auflöfte, jo eroberten die Venetianer Vicenza, Beltre, Belluno und Friaul, mit Aus nahme bes tapfer verteibigten Grabisca, in wenigen Wochen wieder zurüd ). Bleibenden Wert hatte e8 nur, daß Leonhard von Völs, Landeshauptmann von Tirol, nachdem ein Landtag in Brixen neuerdings 5000 Mann auf vier Monate bewilligt batte, im Herbſte die Bergfeiten Kofel (Covelo) an der Brenta und ‚Peuteljtein in Ampezzo, lebtere unter Mitwirkung des Raifers felbft, zur Übergabe zwang ?).

Während Venedig im Felde den Kaiferlichen und Franzoſen ſtandhielt, war der Papſt auf biplomatifchen und kirchlichem Gebiete thätig. Um das Konzil zu Piſa unſchädlich zu machen, berief er felbjt am 18. Juli 1511 auf den April des folgenden Jahres eine allgemeine Kirchenverfjammlung nach dem Lateran, um die Reform der Kirche in die Hand zu nehmen. Schon Ende Juni machte ihm der König Ferdinand von Aragonien, welcher in der Befeftigung des franzöfifchen Übergemwichtes in Italien auch eine Gefahr für fich erkannte, den Antrag, ihm zur Eroberung Bolognas Hilfe zu leiften. Anfangs Auguft waren die Unterhandlungen jo weit gebiehen, daß eine Liga gegen Frankreich zwifchen dem Papfte, Spanien, England und Benedig dem Abfchluffe nahe war. Da verfiel Julius II. am 17. Auguft in eine fchwere Krankheit, und jchon nach wenigen Zagen bielt man ihn für verloren; ja er wurbe fogar einmal für tot gehalten. Er genas zwar dann wieder; aber es hieß, er könne unmöglich mehr Yange leben.

1) Bol. mit den Berichten bei Sanuto: Coccinius, 546 sqg,, den Brief der Führer der Saiferlihen aus Collorebo bei Udine vom 21. September bei Chmel, ©. 333, und jenen des Girolamo Savor- gnano vom gleichen Tage aus Ofopo, im „Arch. stor.“. Nuova seriell, 2, p. 24, wie das Ausfchreiben des Kaifers felhft aus Toblach, 8. Oltober 1511, in „N. Zeitfehr. d. Ferbinandeum” VIII, 151.

2) Brandis, Landeshauptleute, S. 422. Bol. die urkunblichen Notizen bei FI. Orgler, Leonhard Colonna Freiherr v. Völs, S. 14f. (Programm ber Gymn. in Bozen 1859) und Sanuto XII, 548. 550. 551. 562; XII, 157. 161. 166. 171. 182. 184. 192.

394 K. Marimilians Plan, Papft zu werben.

Damals tauchte in Marimilian, der am 31. Dezember Witwer geworben war, der abenteuerliche Plan auf, jelbft Bapit zu werben, oder, wenn Yulius Il. mit dem Leben davon käme, wenigitensd die Ernennung zum Koadjutor desſelben durchzuſetzen. Sein Bertrauter, Bilchof Lang, ſollte nah Rom geben, um die Sache zu betreiben. Zur Beftechung der Kardinäle und anderer einflußreicher Berjonen wollte er 300000 ‘Dufaten aufwenden, die jein Rat Paul von Xiechtenjtein gegen Ber pfändung von vier Truhen mit faiferlichen Kleinodien von den Fuggern zu erbalten juchen ſollte. Er rechnete außer auf feine Dufaten auf die Hilfe der Römer, befonders der Colonna und Drfini, vie feinen franzöfiich oder ſpaniſch gefinnten Papſt wollten, wie auf die Unterjtügung des Königs Terdinand, der fich mit dieſem Plane unter der Bedingung einverjtanden erklärt hatte, daß Marimilian auf die Kaiſerwürde zugunjten des Enkels beider, des Erzberzogs Karl, verzichte. Nicht ohne Ironie jchreibt Marimilian jeiner Tochter Margareta, er würde Priejter und dann Heiliger werden und fie würde nach feinem Tode ihn als jolchen verehren mülfen ). In Wirklichkeit mochte es freilich dem Kaiſer weniger um den Ruf der Heiligfeit und um die dreifache Krone zu thun jein als um die Gelegenheit, Herr des

1) Die Schreiben 8. Marimilians an Paul von Liechtenftein aus Briren vom 16. September, bei Goldaſt, Polit. Reihshändel (Franf- furt, 1614), ©. 428 (wo der authentifche deutfche Text ift, von dem bie lateiniſche Überfegung in den „‚Lettres du roi Louis XII.“ III, 325 vielfach, und zwar weſentlich abweicht), und an die Herzogin Margareta vom 18. September bei Le Glay II, 37. X. Jäger, Über 8. Mari— milians Berhältnis zum Papſtthum („Situngsber. db. kaif. Akad.” XTI. 8.) bat zwar nachzumeilen gejucht, daß die Ausdrücke in dieſen Briefen alle- gorifch gemeint feien und daß der Kaifer damit nur feinen Plan andeuten wolle, einen ihm ergebenen Mann auf den päpftlihen Stuhl zu bringen. Allein fie find zu beftimmt, als daß eine ſolche Auslegung zuläffig wäre. ©. dagegen auch Lanz, Einleitung, S. 118; W. Böhm, Hat 8. Mari- milian I. im 3. 1511 Papft werden wollen? (Berlin, 1873) und Broſch, P. Julius IL, ©. 335, N. 17, der einen Beleg dafür bringt, daß noch im Dezember zwifhen K. Ferdinand und dem Kaifer darüber verhandelt worden ift.

Die „heilige Liga”. 3%

Kirchenjtaates zu werden und fo in Italien feften Fuß zu faffen, nachdem alle jeine fonjtigen Verjuche mißlungen waren. ‘Der ganze Plan zerplatte aber wie eine glänzende Seifenblafe, da Julius II. vollftändig genas und nur mit noch größerer Energie gegen feine Feinde, beſonders den König von Frankreich vor» ging.

Am 24. Dftober jchleuderte der Papit den Bann gegen bie jchismatifchen Kardinäle, welche das Konzil nach Piſa bes rufen hatten. Dasſelbe wurde zwar troßdem am 1. November eröffnet, aber, da fich der Kaifer ganz gleichgültig gegen das⸗ jelbe verhielt, nur von wenigen Prälaten bejucht, die von Tranfreich abhängig waren, und mußte wegen ver drohenden Haltung des pijaniichen Volkes jchon nach wenigen Tagen nad Mailand verlegt werben.

Am 5. Oktober wurde in Rom die zwilchen dem Bapfte, Verdinand von Aragonien und Venedig abgeſchloſſene „Heilige Liga“ feierlich befannt gemacht. ALS ihr Zweck ward Die Wiedereroberung Bolognas ımd die Herjtellung der Integrität des Kirchenftantes angegeben. Dem Raifer und dem König von England wurde ber Beitritt offen gehalten. Noch mehr rechnete man auf die Unterjtügung der Schweizer, welche, vom franzöfiichen Könige in leßter Zeit vernachläffigt und gekränkt worden waren und jich daher durch das Geld des Papftes und das Zureden des zum Kardinal ernannten Schinner gegen den⸗ jelben gewinnen ließen.

Anfangs waren die Franzoſen der heiligen Liga gegenüber bei weitem im Borteil. Ihr jugendlicher, aber tüchtiger Führer Gaſton von Foir, Ludwigs XII Schwefterfohn, erftürmte im Februar 1512 Breſcia, deſſen fich die Venetianer mithilfe der Bewohner bemächtigt hatten, und brachte am Dfterfonntage (11. April) dem fpanijch-päpftlichen Heere bei Ravenna eine vollitändige Niederlage bei.

Aber der Tod des heldenmütigen Führers hatte die Folge, daß die Franzofen dieſen Sieg gar nicht benußten, und in furzer Zeit trat ein gänzlicher Umſchwung ein, wozu die Haltung des Kaiſers nicht wenig beigetragen bat.

39% Trennung: des Kaiferd von Frankreich.

Der Ausgang des Feldzugs von 1511 hatte Marimilian überzeugt, daß die Unterftügung Frankreichs weder ausgiebig noch anhaltend genug fein würde, um ihn in den Beſitz der Städte zu bringen, welche ihm der Vertrag zu Cambray zu- geiprochen hatte. Er trat daher, ohne daß er fich noch von Tranfreich trennen wollte, in immer engere Beziehungen zumt Bapite, der ihm einen günftigen Frieden mit Venedig in Aus⸗ ficht ftellte. Um dem franzöfifchen Könige den letzten Bundes⸗ genofjen zu entziehen, follte die Republik dem Kaiſer Verona und Vicenza überlaffen. Da die Signoria trog der Drohungen des Papſtes und des Königs Ferdinand jede Gebietsabtretung verweigerte, fette jener e8 wenigftens dur), daß am 6. April zwifchen dem Kaiſer und Venedig ein zehmmonatlicher Waffen- ſtillſtand abgejchloffen wurde, wofür letzteres 40000 ‘Dulaten zahlte), Damit hatte der Kaiſer den enticheivenden Schritt getban. Er fchloß fich noch nicht der heiligen Liga an und blieb äußerlich jogar noch Frankreich Verbündeter. Aber er nahm eine Haltung ein, welche biefem nachteilig, jener günftig war. Er geftattete nämlich ben Schweizern, die, 18000 Mann ftark, dem Papfte zuhilfe ziehen wollten, ihren Weg durch Tirol nach Verona zu nehmen, fo daß fie fih Ende Mai mit den Venetianern vereinigen und auf diefe Weife mit Artillerie und Neiterei verjehen werben konnten ?). Und in biejem entjchet- denden Augenblide, wo eine große Macht fich gegen die Lom⸗ barbei und die Romagna in Bewegung fette, gab der Kaiſer - ven im franzöfiichen Solde ftehenden Lanböfnechten, mehreren taufend Dann, meiftens Zirolern und Schwaben, die in Brefcia und bei Ravenna wejentlich zum Erfolge beigetragen hatten, den ſtrengſten Befehl, das franzöfiiche Heer zu verlajjen. Auf eine Verftärfung aus der Heimat durften bie franzöfiichen Feld⸗ herren auch nicht rechnen, ja, fie mußten noch einen Zeil der ſchweren Reiterei bortbin fenden, weil Heinrich VIII. von Eng-

1) „Lettres de Louis XII“ III, 217. Sanuto, XIV, 96. Bgl. Broſch, S. 249.

2) Vgl. auch W. Giſi, Der Antheil der Eidgenoſſen an der euro- päiſchen Politik in den Jahren 1512—1516, S. 42 ff.

Derbrängung der Franzoſen aus Italien. 397

land mit dem Könige Ferdinand, jeinem Schwiegervater, ein Bündnis gejchloffen und einen gemeinfamen Angriff auf das ſüdliche Frankreich verabredet hatte.

Unter ſolchen Verbältniffen wagten bie Franzoſen gar feinen Verſuch, den Ligiſten in Italien Wiverftand zu leiften. “Die Romagna wie das Herzogtum Mailand räumten fie bis auf wer nige Buntte freiwillig, und Hinter ihnen ftürzte alles zufammen, was fih an Frankreich angelehnt hatte. Genua erhob fih und wählte einen Dogen. Florenz wurbe durch die Spanier über- wältigt und wieder den Medici übergeben. In Mailand wurde durch die Schweizer im Einverftändnis mit dem Bapfte der junge Marimilian Sforza, der Sohn Ludovico Moros, als Herzog eingeſetzt, obwohl der Kaiſer und Ferdinand von Ara⸗ gonien die Übertragung dieſes Landes an ihren Enkel, ven Erz berzog Karl, gewünfcht hätten. Und während das franzöfifche Banner in Italien in den Staub fant, verlor auch der König von Navarra, ein Bundesgenofje Ludwigs XIL, fein Reich an bie Spanier. Das Übergewicht Frankreichs, vor kurzem noch jo drohend, jchien vollkommen gebrochen, in Stalien der Ein⸗ fluß Spaniens und der Schweizer überwiegend.

Der Kaiſer war bei allen diefen Vorgängen unthätiger Zus ichauer gewejen. Er Hätte zwar guten Grund gehabt, offen gegen Frankreich aufzutreten, weil der König den Herzog von Geldern, der jchon vor längerer Zeit den Krieg in den Niebere landen wieder begonnen hatte, mit Geld unterjtüßte. Aber feine Kaſſen waren leer, feine Einkünfte verpfändet, feine Erb» Iande erichöpft und zu feinen nennenswerten Bewilligungen mehr zu bewegen ?), der deutſche Neichdtag, den er auf Oftern 1512 nad) Trier berufen hatte und fpäter nach Köln verlegte, gegen feine Forderungen taub.

Dei ver Schwäche feiner eigenen Kräfte mußte Marimiltan fih um fremde Stüßen umſehen. Es waren bie einerjeits-

1) ©. bezüglich der inneröfterreichifchen Länder Krones in „Beitr. zu 8. fteierm. Geſchq.“ VI, 86f., und Dimitz II, 16f., bezüglih Tirols 4. Jäger 11,2, 470ff.

398 Bündnis des Kaifers mit dem Papſt,

Heinrih VIIL. von England, mit dem feine Tochter Marga- reta fchon lange über ein Separatbündnis verbandelte ?), anderjeitS der Bapft, dem jehr viel daran lag, den Kailer zur Anerkennung des Tateranenfiihen Konzils zu bewegen, und ber an demielben zugleich ein Gegengewicht gegen den immer mehr um fich greifenden Einfluß des fpanifchen Königs auf der ita- lieniſchen Halbinfel zu erhalten fuchte. Es war dem Papſte fehr erwünjcht, daß Anfangs November 1512 Matthäus Lang als Bevollmächtigter des Kaifers nad Rom fam. Um diejen zu gewinnen, machte er deſſen Forderungen den Venetianern gegenüber vollftändig zu den feinigen. ‘Diele jollten zugunften des Kaiſers auf Verona und Bicenza Verzicht leiften und für die Belehnung mit Padua und Zreviio 250000 Dukaten zahlen und einen jährlichen Lebenzing von 30000 ‘Dufaten entrichten. Da biejelben auch jest diejes Verlangen abjchlugen und umgefehrt die Herausgabe von Verona verlangten, wofür fie dem Kaiſer lebenslänglich eine Summe Geldes jährlich zahlen wollten, fo unterzeichnete der Bapit am 19. November 1512 ein Bündnis mit dem Kaiſer und verfprach ihm gegen die An- erfennung des lateranenfilchen Konzils, mit weltlichen und kirch⸗ lihen Waffen gegen Venedig einzufchreiten, wenn dieſes den erwähnten Forderungen nicht nachgäbe ?). Es war eine der legten wichtigeren Handlungen Julius’ IL, der am 21. Februar 1513 aus dem Leben ſchied und auf dem päpftlihen Throne ven Kardinal Johann von Medici als Papft Leo X. zum Nach⸗ folger hatte.

Die natürliche Folge diefes päpftlich-Faijerlichen Bünbniffes war, daß das bedrohte Venedig den Lockungen des franzöfiichen

1) Zu dem hierüber fon von Le Glay, Correspondence, ver- öffentlichtem Briefwechſel zwifhen dem Kaifer und feiner Tochter bat Brewer, Lettres and papers, foreign and domestic of the reign of Henry VIIL, Vol. I, die Berichte der englifchen Gefandten am Hofe Margaretas mitgeteilt.

2) ®gl. Romanin V, 27784q. Brojd, ©. 264ff. Der Bifchof son Gurk hatte auch diesmal die ihm vom Papfte angebotene Karbinals- würde mit Nüdfiht auf dem Dienft des Kaifers abgelehnt. Bericht Han— nart8 ans Rom vom 23. November, bei Le Glay, Negoc. I, 515.

Benebigs mit Frankreich. 399

Königs, der ihm alle früheren Befigungen in ber Xombarbei mit Einjchluß von Eremona in Ausficht ftellte, Gehör gab und am 23. März 1513 in Blois mit vemjelben eine Allianz ſchloß. Wenige Zage darauf famen auch die Unterbandlungen zwijchen Heinrich VIII. und dem Kaiſer zum Abſchluſſe. So ſtanden jett Srankreich und Venedig gegen den Kaijer, Spanien, England, den Papft, den Herzog von Mailand und deſſen eif- rigite Beſchützer, die Schweizer, denen berjelbe für jeine Ein jegung bie Gebiete des Teſſin überlaffen und eine große Summe Geldes gezahlt hatte, wie er auch ruhig zuſah, als die Grau- bündner das Veltlin mit Chiavenna in Befig nahmen. Die Überlegenheit der Gegner Frankreich ſchien außer Zweifel, und biefe Überzeugung fand ihren Ausprud in dem am 5. April abgejchlojfenen Bunde zwifchen dem Kaifer und England. Denn als Ziel desjelben wurde die Wiedereroberung aller franzofi- ſchen Gebiete bingeftellt, welche früher einem ver verbünbeten Fürſten gehört hatten, alſo aller Länder, die einjt im Beſitze der Herzoge von Burgund oder der Könige von England ge- weien waren. Zu biefem Zwecke follten auch Spanien und der Papft mitwirken und feiner der Verbündeten ohne Zuftim- mung der übrigen die Waffen nieberlegen pürfen. Vom Norden, vom Djten und vom Süden jollte Frankreich angegriffen und nicht bloß geihwächt, ſondern volljtändig zerftücdelt werben.

Doch krankte auch diefe Koalition an dem gewöhnlichen Übel einer folchen, daß ihre Mitglieder von verjchiedenen Interefien geleitet und teilweife von Eiferfucht gegen einander erfüllt waren. Es gelang nicht einmal, alle Durch einen gemeinjamen Bundesvertrag zu vereinigen, und nur burch Cinzelverträge waren bdiejelben mit einander verknüpft. Ja Ferdinand von Spanien, der an den Phrenaen Ruhe Haben und feine Ver—⸗ bündeten nicht zu mächtig werden lafjen wollte, ſchloß fogar am 1. April mit Frankreich für die Dauer eines Jahres Warffen- jtillftand, der nur für Italien nicht verbinvdend jein jollte.

So fonnten ungeachtet der großen Zahl der Feinde bie Franzoſen die Dffenfive beginnen. Verſtärkt durch zahlreiche deutiche Landsknechte, die troß des Verbotes des Kaiſers in

400 Niederlagen der Franzofen bei Novara und Guinegate.

ben Dienft des Königs traten, zogen biejelben im Mai 1513 gegen Mailand, Der Angriff veriprach Teichten Erfolg, da ber Herzog infolge feiner Schwäche und der Habjucht und Ge⸗ waltthätigkeit feiner Beſitzer die Anhänglichkeit feiner Unter- tbanen. verloren hatte und von Oſten ber ein venetianijches Heer unter Alviano gegen die Adda z0g, während die Spanier unthätig zujaben. Im kurzer Zeit war faſt das ganze Herzog. tum mit der Hauptſtadt in den Händen ver Feinde, Mari- milian Sforza felbjt in Novara eingejchloffen, jener Stabt, bie jchon für jeinen Vater jo verhängnisvoll geworden war. Am 6. Juni aber wurde das franzöfiiche Heer in der Näbe biejer Stadt durch die Schweizer gänzlich geichlagen und zum Rückzuge über bie Alpen gezwungen, worauf auch Alviano wieder über ‚die Etſch zurüdging.

Nun wendeten fich die Waffen der Verbündeten gegen Frank⸗ reich ſelbſt. Ende Juni drang der englifche König mit einem jtattlichen Heere, bei dem auch viele nieverländijche und deutſche Söloner waren, von Calais aus in Frankreich ein und ber lagerte die Zeitung Therouenne in der Grafſchaft Artois. Ob- wohl der Kaiſer, der nach den Niederlanden kam, wegen der, Neutralität derjelben Fein Heer zur Verfügung hatte, litt e8 ihn nicht, dem Kampfe untbätig zugujehen. Schon im Februar batte er dem englijchen Könige, der ihn um die Überlafjung zweier Heerführer gebeten, melden lajjen, er ſelbſt wolle Chef und Hauptmann der englijchen Armee fein !). Jetzt fand er fih in eigener Berfon mit zweihundert Neitern im englijchen Lager ein und ftellte feinem Verbündeten feine Kriegserfohrung zur Verfügung. Unter feiner Anführung fiegten die Engländer am.16. Auguft über die Sranzojen, welche Therouenne zu ent⸗ fegen verjuchten, bei Quinegate, wo er vor 34 Jahren die eriten Xorbeeren um jeine jugendliben Schläfe gewunden batte. Die Folge dieſer glänzenden Schlacht, der „Sporen- ichlacht”, wie man fie nannte,. weil. die Branzojen ſich mehr ber Sporen als der Schwerter bebient Hatten, war die Kapi⸗

:. 1).Le.Glay, Correspgndange II, 95.

Kämpfe der Verbündeten gegen bie Venetianer. 401

tulation der belagerten Feſtung. Am 9. September wurbe dann Frankreichs Berbündeter Jakob IV. von Schottland, ber mit einem zahlveichen Heere in England eingefallen war, bei Flodden geichlagen und mit 8000 Mann getötet. Gleichzeitig waren, dem Wunfche des Kaifers Folge gebend, 30000 Schweizer, durch Failerlihe Truppen, bejonders Artillerie und Reiterei, unter dem Herzoge Ulrich von Württemberg verftärkt, nach Burgund vorgedrungen und batten fich zur Belagerung ver ſchlecht befeftigten Hauptftadt Dijon angeſchickt. Von zwei über⸗ legenen Heeren war Frankreich bedroht.

Deffenungeachtet ging diefer gefährlihe Sturm faft ohne Schaden vorüber. Der Gouverneur von Dijon, la Tremouille, bejtach einen Zeil der fchweizeriichen Hauptleute und bewog bie Eidgenofjen am 13. September zu einem Frieden, indem er bie Verzichtleiftung Frankreich auf Mailand und die Zahlung von 400000 Kronen verſprach. Der König verweigerte die Des jtätigung dieſes Vertrages, und die Schweizer waren geprellt; aber der Zwed, den Abzug derfjelben aus Frankreich zu ber wirfen, war erreiht. Ebenſo zog der König von England nachhaufe, nachdem er den Franzoſen noch Tournay entriſſen batte.

Der Krieg gegen Venedig brachte ebenjo wenig wirkliche Erfolge, obwohl die Verbündeten diesmal im Felde überlegen waren. Wie ein Angriff Alvianos auf Verona mit bebeuten- bem Berlufte zurücgeichlagen ward, jo vermochte Cardona, der Vizekönig von Neapel, dem fich die Kailerlichen unter Georg von Freundsberg und anderen Führern anſchloſſen, Padua nicht zu nehmen. Daß er dann bis Meftre und Malghera vor- drang, diefe Ortichaften und die ſchönen Landhäuſer der vene- tianiſchen Nobili niederbrennen und mehrere Kanonenſchüſſe gegen Venedig abfeuern ließ, machte einigen Eindrud, war aber mi⸗ Titäriih von feiner Bebeutung. Im Gegenteil wurde er auf feinem Rückzuge gegen Verona durch Alviano jehr in die Enge getrieben und wäre zu einem gefährlichen Rückzuge durch Die Gebirgsthäler gezwungen worben, hätte er nicht am 7. Oktober bei Motta norpöjtlih von Vicenza nach verzweifeltem Kampfe

Huber, Geſchichte Öfterreihe. TIL. 26

402 Kämpfe in Friaul.

über die nachjegenden PVenetianer einen glänzenden Steg er⸗ fochten !). und fih dadurch für die nächſte Zeit Ruhe ver- ſchafft. NMur in Friaul wurde auch während des Winters fortge⸗ fampft. Der Graf Chriſtoph Frangepane bemächtigte fih am 13, Dezember durch Verrat der Seeſtadt Marano, die für ben Handel Venedigs mit Friaul von Wichtigkeit war, entjegte Diefen Platz, als die Venetianer feine Wiedereroberung verjuchten, brachte neuerdings Friaul mit Udine und Cividale in feine Gewalt und eröffnete fih durch die Wegnahme von Chiufa die Ver⸗ bindung mit Kärnten. Nur in der Bergfefte Djopo behauptete ih Girolamo Savorgnano anderthalb Monate gegen ein furcht« bares Artilleriefeuer und wiederholte Stürme, bis am 30. März 1514 Alviano die Kaiferlihen zur Aufhebung der Belagerung zwang und biefelben zerjtveute ?). Nun ging auch Friaul big auf Gradieca und Marano für den Kaiſer wieder verloren. Letzteres wurde von den DVenetianern belagert und Frangepane bei einem Ausfalle gefangen. Aber zunächit gelang e8 dem Hand von Auersberg, den der Kaijer mit Truppen aus Inner« öfterreich, der Stadt zuhilfe ſchickte, diejelbe zu verproviantieren. Als die Feinde die Belagerung fortiegten, brachte ihnen Graf Niklas von Salm, der Hauptmann mit der eilernen Hand, wie ihn die DVenetianer nannten, am 12. Juli cine gänzliche Niederlage bei, nahm ihren Anführer Vetturi gefangen und erbeutete ihr ganzes Geſchütz.

War Frankreich im Sabre 1513 ohne wejentliche Verlufie aus dem Kriege hervorgegangen, jo jchien im folgenden Jahre bie age gefährlicher zu werden. Am 17. Dftober 1513 wurde in. Life zwiſchen dem Kaifer, England und Spanien ein Vers trag geichloffen, wonach alle drei Mächte im fünftigen Sommer

1) Eine Darftellung des ganzen Zugs nach dem an deu Kaifer ge- langten Berichte von deſſen Sekretär bei Le Glay, Négoc. I, 5522qg. Bel. Raute, ©. 315f. Romanin V, 187sgg.

2) Bon diefen Kämpfen Tiefern ein lebendiges Bild die Briefe Savor⸗ gnanos im Arch. stor,, N. serie II,2, 28—59. Bgl. auch Herberſteins Selöftbiographie in F. R. Austr. SS. I, 79f.

Einigung Ferdinands von Aragenten mit Frankreich. 408

den Kampf gegen Frankreich wieder aufnehmen, der Kaiſer zur Aufftellung einer Armee von 10000 Mann an ber Nord- grenze Frankreich von England 200000 Goldkronen erhalten und König Ferbinand zur Eroberung Guyennes für England mitwirken follte. Um das Bündnis zu- befeftigen, follte bie Schon längſt in Ausficht genommene Heirat des Erzherzogs Karl mit der Schweiter des englifchen Königs, Marta, im nächften Mat vollzogen und biefer für ben all, baß Heinrich VII. ohne Kinder ftürbe, das Erbrecht in England som Parlamente zugefichert werben ?).

König Yerdinand Hatte aber auch jest nicht im Sinne, ben Verpflichtungen nachzukommen, bie fein Vertreter in Lille ein" gegangen Hatte. Er war im feinem eigenen Intereife der konſe⸗ quentefte Vertreter der europäiſchen &fleichgewichtspolttil. Er wollte die Franzoſen von Italien fernhalten. Aber er wollte auch den Kaifer und den Erzberzog Karl nicht zu mächtig werben lafien, da er fürchtete, biefer könnte feine Anfprüche auf die Regierung Caſtiliens geltend machen und Neapel an fich zu bringen fuchen. Er bot daher beritwillig dem franzöfi- ſchen Könige die Hand, welcher die gegen ihn geichloffene Liga zu zerreißen bemüht war. Um dieſes Ziel zu erreichen, machte Zubwig XII. dem Bapfte Konzeffionen auf kirchlichem Gebiete und gab fich den Anfchein, auf das ohnehin verlorene Herzog. tum Mailand Verzicht Teiften zu wollen. In einem am 1. De⸗ zember zwijchen Ludwig und Ferdinand gefchloffenen Vertrage wurde beftimmt, daß des erfteren jüngere Tochter Renata einen ber beiden Enkel Ferbinands heiraten, Mailand mit Genua ihr zur Mitgift gegeben, mit gemeinfamen Kräften erobert und bie zur Vermählung in bie Hände des Königs Ferdinand gegeben werben ſollte. Dem Kaifer und dem Könige von England,

1) Brewer 1, 685. 699. Bgl. Ranke, S. 317. Die folgenden talelboffopartigen Wanblungen ber gegenfeitigen Stellung ber europäifcher Mächte bis 1518 Kat Lanz, S. 139—212, forgfältig und eingehend dar⸗ gelegt, und an ihn bat fih de Leva I, 174 qq. faft überall, oft wört- N, angeſchloſſen. Vgl. au Brewer I, lviff. Hier Tönnen natlrlich nur die Hauptpunkte hervorgehoben werden.

26*

404 Verkehrte Politit des Kaiſers.

letzterem aber nur gegen bie Herausgabe von Tournay, war der Beitritt freigeftellt. |

Aber gerade gegen bieje beiden war der Vertrag gerichtet. Heiratete einer der beiden Enkel Marimilians die Prinzeffin Renata, fo mußte entweber auf ven lang gehegten Plan einer Vermählung des Erzherzogs Ferdinand mit der Tochter bes Königs von Ungarn und Böhmen verzichtet, oder es mußte der Ehevertrag zwilchen dem Erzberzoge Karl und der Schwefter des engliichen Königs gebrochen worden. Des Kaifers Tochter Margareta warnte auch wiederholt ihren Water, er möge Frankreich und dem Könige Ferdinand nicht zu viel trauen, und möge nicht feinen aufrichtigften und leiſtungsfähigſten Bundesgenoffen, Heinrich von England, von fich ftoßen. Maxt- milian Ließ fich auch diesmal ködern, bejonder® da Ludwig XII. auf Ferdinands Vorfchlag nad dem Tode feiner Gemahlin des Kaiſers Enkelin Eleonora zu heiraten verfprad. Er rvechnete auf die Gejchidlichfeit des Königs Ferbinand und auf befien Einflug auf feinen Schwiegerfohn Heinrich VIII. wie auf bie Schwäche dieſes Fürften und gab nicht nur felbft dem fpant- ichen Könige feine Vollmacht zum Abichluß eines einjährigen Waffenſtillſtandes mit Frankreich, fondern verbürgte fich auch dafür, daß Heinrich diefen Verträgen, die am 13. März 1514 in Orleans unterzeichnet wurden, beitreten würde.

Die natürliche Folge davon war, daß fich der englifche König vom Kaiſer trennte und dem Könige von Frankreich an⸗ ſchloß, der gar nicht daran dachte, die dem Kaiſer gegenüber eingegangenen Verpflichtungen zu halten. Am 7. Auguft wurben in London die Verträge unterzeichnet, nach denen Ludwig XII. Heinrichs VII. Schweiter Maria beiraten follte und Beide Könige ſich nicht bloß ihre gegenwärtigen Befigungen garan- tierten, fondern ſich auch zur Eroberung jener, bie ihnen recht» Yich gehörten, Hilfe zuficherten.

Wie ſehr Hatte fich die Lage ſeit einem Jahre zu Frankreichs Gunſten geändert! Mit England war es verbündet, gegen Spanien wenigftend noch für einige Zeit gefichert. Der Papft Leo X., ber feinem Bruber und feinem Neffen ein Neich in

Wiedereroberung Mailands durch bie Franzofen. 405

Italien verihaffen wollte, ſchwankte zwilchen den verichievenen Großmächten Hin und ber, da er nicht wußte, durch weſſen Unterftügung er dieſen Zwed am leichtejten erreichen könnte. Venedig, das der Papft wieder einmal zur Abtretung Veronas und Vicenzas an den Kaiſer zu bewegen fuchte, beichloß geradezu, den König von Tranfreih zu einem neuen Zuge nach Italien zu ermuntern und ihm bafür feine Hilfe zu verfprechen. Lud⸗ wig XII. 309 daher bereits feine Truppen zulammen, um fie nach Ablauf des Waffenftillftandes mit Spanien und dem Kaiſer über die Alpen zu fenden, als ihn am 1. Januar 1515 ber Tod binwegraffte.

Sein Neffe und Nachfolger, der junge und ehrgeizige Franz von Angoulöme, führte den Plan desfelben nur mit noch größerer Energie aus. Es hinderte ihm nicht, daß der Papft, ver Kaiſer und Ferdinand von Spanien unter Einbeziehung der Schweizer und des Herzogs von Mailand am 3. Zebruar in Rom ein Bündnis ſchloſſen; denn im enticheivenden Augenblide blieben diefelben doch unthätig. Im Auguft 1515 308 Franz I. mit einem jo ftattlichen Heere, wie Frankreich noch feines über bie Alpen gejendet, nach Italien, befiegte, im entjcheivenden Augen⸗ blide durch die eintreffende venetianische Reiterei unterſtützt, nach harten Kämpfen, die vom Abende des 13. bis zum Nady« mittage des 14. September bauerten, die Schweizer bei Mari- gnano (Melegnano), nahın Mailand ein und führte dem Herzog Marimilian als Gefangenen nad Frankreich, wo er gegen Ver- zichtleiftung auf feine Anſprüche als franzöfifcher Penfionär fein Leben beſchloß. Die Schweizer, die bei Marignano ungeheure Verluſte erlitten batten und unter einander uneinig ware, gaben es nun auf, die Role einer Großmacht zu jpielen; der größere Zeil der Kantone fchloß gegen hohes Geld Frieden mit Sranfreih. Auch der Papſt, der die Unterhandlungen mit Franz I. nie abgebrochen Batte, traf jet mit vemfelben ein Abkommen. Dan trug fih jogar mit Plänen zur Eroberung Neapels. |

Um fo fefter glaubten jet die übrigen Mächte zufammen- balten zu follen. Am 19. Oktober jchloß Heinrich VIII. von

406 Zug 8. Marimilians gegen Mailand.

England, der vom franzöfiichen Könige durch die Einmiſchung in bie Verbältniffe Schottlands beleidigt worden war, mit Zerbinanb von Spanien ein gegenjeitiges Schutzbündnis. Zus gleich war. derſelbe bereit, hohe Subfidien zur Aufbringung eines fehweizeriichen. Sölbnerheeres zu zahlen, welches, vom Kater mit Neiterei und. Artillerie verfeben, vie Franzoſen aus Mailand vertreiben follte. Ein gewandter Agent, Dr. Bace 9), wurve im Herbſte 1515 abgefenvdet, um die Schweizer vom Anfchluffe an Frankreich abzuhalten und zur Ausführung Der Wanſche Englands zu bewegen. |

Das englische Gelb that jeine Wirkung. Im Februar 1516 fetten fich 17000 Mann aus: jenen Schweizerfantonen, die. noch in feindfeliger Stellung gegen Frankreich verbarrten, durch Graubünden und das Etjchthal nach Verona in Bewe⸗ gung, um ſich mit den Satferlichen: zu vereinigen. Da auch die Stände Tirol® und ber ſchwäbiſche Bund dem Katfer einiges Geld bewilligt hatten, ſo ftand diefem jet ein Heer von we⸗ nigftens 30000 - Mann zur Verfügung, und er ftellte. nn an die Spitze desſelben.

Am: 11. März brach Dorimilian bon Verona auf er⸗ zwang ſich bei Peschiera den Übergang über den Mincio, nö⸗ tigte die Venettaner und Franzoſen zur Aufhebung der Belage⸗ zung von Breſcia, welches nach ber früheren Räumung Italien durch bie: Franzoſen in feine Hände gefommen war,. überichritt den Oglio und am Ofterfonntage, ven 23. März, bei Cara⸗ vaggio auch die Adda und erſchien am Tage darauf in der Nähe von Mailand, in das fich die Franzoſen unter dem Her⸗ zoge von Bourbon zurüdgezogen Hatten. Ein vafcher Angriff auf diefe Stabt ſchien das Schickſal der Franzoſen, die ihm

1) Seine Berichte wie jene des ſchon Tange beim Kaijer beglaubigten Robert Wingflelb, bie Brower, Letters and papers I,1, 281sqg. mit- geteilt Hat, bilden eine ber wichtigſten Quellen für bie folgenden Ereig- niſſe. Vgl. auch bie Einleitung dazu, xuıvf[., und den im wefentlichen fich darauf ſtützenden Effay von Pauli, Diplomatie im Jahre 1516, in „Hiſtor. Zeitſchrift“ XIV, 269 ff, wie Giſi a. a. O., ©. 200 ff.

Deflen unerwarteter Rildzug. 497

bisher nirgends einen ernftlichen Aöibertanb. entgegenzuſeben gewagt hatten, zu befiegeln. . = .:.

Da erklärte ver Kaiſer auf einnial, daß er ſich zurächiehen mülfe. Er begründete: biefen unerwarteten Schritt. mit der Schwierigleit ber Verpflegung... ba ihm ber. Feind an: Reiterei überlegen jet, und mit ber Mißſtimmung feiner Truppen, beuen man wegen bes Ausbleibens der. engliichen Subfidien. ihren Sold nicht zahlen konnte. Auch erhielt gerape im entſcheidenden Augenblicke Bourbon Verftärkungen, beſonders aus den franzöftich gefinnten Kantonen der Schweiz. Auf eine höhnende Einlabung des. Herzogs, zu ihm nad) Mailand zu kommen und mit ibm zu trinken, forderte ev zwar venjelben zum Kampfe heraus und rückte am 26. April vor Mailand, wo er fein Heer in Schlacht- oronung aufftellte. - Als. aber Bourbon fich innerhalb der Mauern hielt und die Niederbrennung der Vorſtädte von Mair land zeigte, daß er entichlofjen jei, Diefe Stadt auf Das äußerſte zu verteidigen, da ließ ſich der Kaiſer nicht: mehr. halten und trat mit feiner Reiterei und Artillerie ben Rückzug in nord⸗ öftlicher Richtung an!) Schon am 3. April ftand er am Oglio füpli am Lago d’3feo.. In Lovere?) am Nordende dieſes Sees wäre er von den Seinigen, bie ihn :einen -„Apfels könig“, einen „Stroblönig” u. ſ. w. fchalten, beinahe erfchlagen worden. Endlich nur noch von einigen Hundert tivolifchen Kriegsfnechten begleitet, gelangte er um die Mitte des April ans Bal Camonica durch tiefen Schnee über den Paß Tonale

1) Wir haben leider feine verläßlichen Nachrichten, bie uns über bie Motive des Kaijers genügend aufflärten. Die engliſchen Geſandten Pace und Wingfield, welche im kaiſerlichen Lager waren und ung (bei Brewer 1,1, Ixx ff. und 489) über die äußerfichen Vorgänge berichten, kannten biefelben felbft nicht und konnten nur mitteilen, was der Kaifer erklärte. Vgl. auch 1. c., p. 543, no. 1885.

2) Dies ift ohne Zweifel das „Lorfers“ bei Kirchmair in „F. R. Austr. 88.“ 1], 437, jedenfalls nicht Lavis nörblid von Trient, wie Zorye b’Oglio nicht an der Mündung biefes Fluſſes Liegen kaun und Terzilas, von wo aus ber Raifer am 16. und 18. April fehreibt, nicht nordöſtlich von Trient liegt, fondern Terzolas anf dem Sulzberg zwiihen Male und Caldes ifl. Ä .

A408 - Der Vertrag von Noyon. .

nach dem Sulz und Nonsberg und von da an bie Etſch. Sein in Italien zurüdgelaffenes Heer löfte fich größtenteil® auf, indem die Schweizer nachhaufe zogen.

Der militärifche Ruf wie das Anfehen des Kaiſers hatten durch ben Ausgang dieſes Teldzuges einen ſchweren Schlag er» fitten, und nur zu bald machten fich die Wirkungen fühlbar. Schon am 26. Mai wurde die Belakung von Breſcia durch bie Venetianer und Franzofen zur Übergabe diefer Stadt ge zwungen, worauf dieſelben bie Belagerung Veronas unter- nahmen. Doch wurde dieſe Feſtung infolge der Unterſtützung, bie fie von Tirol ber erhielt, gegen wiederholte Angriffe glück⸗ lich behauptet.

Der Zug gegen Mailand war das lebte aktive Eingreifen des Kaiſers in die ttalieniichen Angelegenheiten gewejen. Zortan wanbelte er die Bahn, bie ihm die Räte feines Enkels vor» zeichneten.

Schon um Neujahr 1515 hatte Marimilian dem Drängen der Niederländer nachgeben und ben Erzherzog Karl aus feiner Vormundſchaft entlafjen müfjen. Doch ließ fich dieſer auch fortan von fremden Leuten lenken, beſonders von feinem früheren Hofmeifter Wilhelm von Eroy, Herrn von Chieèores. Die niederländiichen Räte wollten aber vor allem Ruhe haben, namentlich vor Frankreich, das ihrem Lande am gefährlichiter war, und fuchten baber gleich mit bemjelben unter wenig günftigen Bedingungen ein Freundſchaftsbündnis zuftande zu bringen, fo ſehr ber Kaifer e8 auch mißbilligte. Auch als dem Erzberzoge Karl nach dem Tode feines mütterlichen Großvaters Ferdinand am 23. Sanuar 1516 die fpanifche Monarchie mit Neapel, Sicilien und Sardinien zufiel, blieb die Politik feiner Räte diejelbe, obwohl Franz I. durch Unterftügung des Herzogs von Geldern und bes vertriebenen Königs von Navarra wie durch die Vorbereitungen zu einem Angriffe auf Neapel feine wahre Geſinnung beutlich genug an den Tag legte. Der Ver⸗ trag, den die Bevollmächtigten beider Könige am 13. Auguft 1516 in Noyon fchloffen, war für Karl in feiner Weile günftig. Denn feine Verlobung mit Louiſe, der erſt ein Jahr alten

Waffenſtillſtaud des Kaifers mit Benebig. 409

Tochter des franzöfiichen Könige, welcher biefer feine Anjprüche auf Neapel abtreten wollte, verbanimte ihn auf Tange Sabre zur Eheloſigkeit und ftellte feine Nechte auf Neapel In Frage. Zugleich wurde Hier verabredet, daß der Kaifer Berona binnen zwei Monaten gegen eine Summe von 200000 Dukaten an Venedig zurückgeben follte.

Marimilian war nun freilich mit dieſer Beftimmung, welche ihn des letzten feiten Punktes in Italien beraubte, burchaus nicht einverftanden !), und fuchte von England zur Fortſetzung bes Krieges weitere Subfidien zu erhalten. Da aber bie Schweizer am 29. November mit Frankreich ven ewigen Frieden jchloffen, der ihnen jede Unterftügung ver Feinde besfelben unterfagte, fo unterzeichnete Karl, eine ihm vom Kaiſer er» teilte Vollmacht in einigen Punkten überichreitend, im Namen besfelben am 3. Dezember den Vertrag von Brüffel, wonach auch Diefer gegen die angegebene Summe in die Abtretung Beronas milligte und mit Venedig einen Waffenſtillſtand auf anderthalb Jahre fchloß. Der Kaiſer, dem jett jelbit bie Stände Tivold die nachgefuchten Subſidien vermweigerten ?), fügte fich, feste aber einem befinitiven Frieden mit Venebig noch immer Hinderniffe entgegen. Nur zur Verlängerung des Waffen- ſtillſtandes auf weitere fünf Sabre ließ er fih am 31. Yult 1518 bewege.

Wenn Morimiltan dahin gejtrebt Hatte, den Einfluß bes Kaiſers in Italien berzuftellen und einen Zeil der Halbinjel wieder unter feine unmittelbare Herrichaft zu bringen, fo war

1) Wenn R. Pauli, Diplomatie des Jahres 1516, in „Hift. Zeit- ſchrift“ XIV, 283 ff, die Anficht vertritt, daß dies nur „Pofjenfpiel”, „Spiegelfechterei” gewefen fei, fo hat er Beweiſe dafür nicht beigebracht, fo wenig wie für feine Vermutung (S. 279), baß geheime Anträge bes FTeindes den Nüdzug Marimiliand von Mailand veranlaßt hätten. - Er gebt ebenfo wie Brewer in ber „Preface“ zum 2. B., ber fih aber worfichtiger Äußert, von der nach der Darftelung Baumgartens doch nicht mehr haltbaren Vorausſetzung aus, daß Marimilian und bie Räte feines Entels unter einer Dede geipielt hätten.

2) Brandis, Lanbeshanptlente, ©. 435 ff.

410 DiefErgebnifie des Keieges.

dieſer Plan vollſtändig geſcheitert. Im Süden Italiens herrſchten auch fortan die Spanier, im Norden waren die Franzoſen übermächtig, und nur das Deutſche Reich blieb von dieſem Lande, das in früheren Jahrhunderten ſo enge mit ihm ver⸗ bunden geweſen war, gänzlich ausgeſchloſſen. Daß es ſo ge⸗ kommen war, hatten doch nicht am wenigſten die deutſchen Reichsſtände verſchuldet, welche nach dem Jahre 1507 ſich den Vorgängen in Italien gegenüber völlig gleichgültig verhalten hatten. Ohne daß der Kaiſer dies von Anfang an beabſichtigt hatte, endete der neunjährige Krieg mit Venedig nur mit einer Vergrößerung ber dfterreichiichen Erblande. Außer ein paar Plätzen in Friaul blieben dem Katfer die Eroberungen, bie er innerhalb der Alpen gemacht hatte, nämlich die Feltungen Eovelo und Peutelftein mit Ampezzo, die Städte Roveredo und Riva, welch legteres dem Biſchofe von Trient überlaffen ward,. die fogenannten vier BVilariate Ala, Avio, Mori und Drentonico und bie Ortfchaften Nago und Torbole am Barda- fee. _ Diefe Gebiete wurben unter dem Namen der welichen Konfinien mit Tirol vereinigt, welches dadurch auch im Süden eine den natürlichen Verhältniſſen entiprechende, militärtjch Haltbare Grenze befam. Freilich war biefer Gewinn durch einen vieljährigen Krieg, ber troß aller Opfer, bie Tirol ges bracht ?), die Verpfändung eines großen Teils der Kammer güter und die Anhäufung einer ungeheuren Schulvenlaft 2) “notwendig gemacht hatte, ſehr teuer erfauft worden.

Südlicher als bei feinen italieniihen Plänen war Maxis miltan bei feinem Streben, feinem Haufe auf irgendeine Weife die Nachfolge in Ungarn und in Böhmen zu fichern.

1) Die tirolifgen Stände behaupteten 1517, baß fi ihre Leiftungen in ben Kriegen felt 1499 auf 2000000 Gulden belaufen. A. Jäger 11,2, 489. Dagegen treten freilih die Bewilligungen ber audern Erb⸗ Under fehr zurück!

2) Nach Brandis, Geſch. der Landes hauptleute von Tirol, S. 454, ber fih offenbar auf amtlide Quellen ftütt, betrugen im Sabre 1518 bie Schulden bes Katfers an die Kauflente allein 512741 Marl Silber, 182412 Zentner Kupfer und 330310 Gulden an barem Gelbe.

Religiöfe Zwwifigteiten in Bohmen nuter Wladiſlaw I. AH

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Böhmen und Ungarn unter Wladiflaw u, unb deffen Beziehungen zu Maximilian J. Berhandlungen | über die deutſche Konigswahl. =

‚Die Ungarn satten nach bem Tode des Konigs Matthias um. Sabre 1490 unter. den verſchiedenen Kandidaten gerade jenen auf den Thron geboben, ver am mentgften im. Rufe der Tüchtigkeit ſtand.

Wladiſlaw IL Hatte ſich während einer neungefujäßrigen Regierung in Böhmen als einen König ohne geijtige Fähigleiten ohne feften Willen und ohne Kraft bewielen, der die Parteien thun ließ, was fie wollten ). Nur in. xeligiöjen Fragen zeigte der König manchmal einen eigenen Willen, indem er Die Katho⸗ Iilen und Die. gemäßigten Utraquiften bei der Belebung .;der ftantlichen und . ftädtifchen Amter begünftigte und calixtiniſche Geiftliche,, die ihrer Überzeugung auf der Kanzel in gar zu jchroffer Form Ausdruck gaben,: verbaften und in den Kerler werfen ließ. Da auch einige Mitglieder des katholiſchen Herren- Bundes, als fie ihre während des Krieges verlornen Güter. in Böhmen wieder zurüderhickten, bie utraquiftijchen. Geiſtlichen and vdenjelben vertrieben, ſo nahm die Aufregung. unter den Hnfiten immer mehr zu. Auf .einem-Landtage im Mai 1481 weigerte fich die utraquiftiiche Majorität geradezu, die Tönige lichen Propofitionen in Beratung zu ziehen, ſo lange ihren religiöfen Beſchwerden nicht abgeholfen wäre. Gegen den König wurden heftige Klagen erhoben, daß er die bei feiner Wahl eingegangenen Bedingungen nicht erfüllt, namentlich - für bie Einſetzung eines utraquiſtiſchen Erzbiſchofs nicht geſ orgt habe.

: 13 3 verweiſe für die Zuftände Bbhmens unter Wiabiſlaw u. anf

Balady, der in den beiden Abteilungen bes 5. Bandes feiner Geſchichte Böhmens“ diefe Periode mit großer Ausführlichleit behandelt hat.

u2 Kufflaub ber Utraquiſten in Prog.

Im Jahre 1482 verbanden fich einige Städte des Saazer mie Städte und Adelige des Königgrätzer Kreiſes zu gegenſeitigem Schutze wider alle Bedrückung vonfeiten des Königs und der katholiſchen Herren, und von dieſen Punkten aus verbreitete ſich bie Bewegung über das ganze Land. Auf mehreren Zuſammen⸗ Züinften- beichloffen bie ‚Utraquiften, gegen jede Beeinträchtigung ihres Glaubens einander Beiſtand zu leijten.

Da die Häupter der Prager Städte, die ber König aus den gemäßigteften Utraquiften genommen hatte, bei allen dieſen Borgängen eine laue Gefinnung zeigten und fich von biefen Beichlüffen fern bBielten, fo brach am 24. September 1483, während der König wegen ber Pet fih in Trebitſch aufbielt, gegen fie ein wütender Aufitand los ). Auf ein durch einen ntraguiftiichen Geiftlichen vom Turme der Teinkirche gegebenes Glodenzeichen jtürmten bewaffnete Volkshaufen nach dem Rat⸗ hauſe der Altſtadt, jchlugen den Richter und mehrere Ratsherren tot und warfen bie Leichname zu ben Tenftern hinab. Dase felbe gejchah fieben Ratsherren in ber Neuftabt, bie teilweiſe noch lebend zu ven Fenftern hinabgeftürzt wurden. Zwei Lage darauf wurden bie DBürgermeifter ber Alte und Neuftadt wie der SKleinjeite und ſechs Schöppen enthauptet, nachdem man ihnen auf der Folter das Geſtändnis abgepreßt hatte, baß fie den Plan gehabt Hätten, über ihre Gegner berzufallen, 80 ber» jelben zu ermorben und alle utraquiftiichen Priejter aus der Stadt zu verjagen. Auch die Klöfter wurden überfallen, Kelche und Monjtranzen, Meßgewänder und Bücher geraubt, bie Mönche vertrieben, der Abt von Wyſchehrad erträntt. Daran ſchloß fih eine Hete gegen die Juden, denen man nicht einen Nagel an der Wand ließ. Auch die Deutichen, bei britthalb Hundert, wie es heißt, wurden ausgeplünbert, bei Wafler und Drot eingefperrt, einige fogar dem Hungertode preisgegeben, dann alle Gegner des Kelches aus Prag verbannt. Sogar

1) Bgl. über diefen mit Palady V,1, 250ff. die von Bachmann in „Mitth. des Vereins f. Geſch. d. Deutſchen“ XIX, 253 ff. mitgeteifte „Passio Pragensium“ mit den vorangefgidten Erörterungen.

Ausgleich zwiſchen Katholiten und Utraquiften. 418

das Prager Schloß wurde vom. zaghaften Burggrafen den Aufrührern übergeben. - Der König: mußte alle dieſe Greuel⸗ thaten ungeftraft lafien, da die Mehrheit der Stände mit den Pragern ſympathiſierte und jede Unterftügung gegen biefelben verweigerte. Ja Wladiſlaw wurde nach feiner Rückkehr im die Hauptftabt durch einem fanatifchen Prager fogar. perfönlich geihmäht und bedroht, fo daß er fortan jeine Reſidenz anf dem Hradſchin aufſchlug. |

Doch fcheint gerade das Übermaß ber Glaubenswut die Kraft desſelben erſchöpft zu haben. Auf einem Landtage, ber im März 1485 in Kuttenberg verſammelt war, kam es zu einem Ausgleiche zwiſchen den Katholilen und Utraquiften, der 81 Jahre in Kraft bleiben follte. Die Kompaktaten follten nach ihrem Wortlaute Geltung behalten, beide Religion parteien gleichberechtigt neben einander leben, auch die. Unter- tbanen derſelben ihres Glaubens wegen nicht beeinträchtigt werben. Die Geiftlichen ſollten fich auf die Predigt des Wortes Gottes und die Sorge für die Moral beichränten, aber nicht gegen Andersgläubige eifern. Bon Heineren Reibungen . ab» gefeben tft ver veligidie Friebe fortan lange in Böhmen nicht mehr geitört worben.

Obwohl wiederholte Verſuche der Utraquiften, auch mit Rom eine Einigung zuftande zu bringen, an ber Unnachgiebig- feit ver Päpfte fcheiterten, fo bildete doch von biefer Zeit an nicht mehr die Berſchiedenheit des Glaubens, ſondern der Gegenſatz ber Intereffen zwiſchen ben verſchiedenen Ständen den Grund einer tiefgehenden Spaltung des böhmiſchen Volles. Die Herren wollten bie Schwächung bes Bürgertums, die eine Folge ber Bufitiichen Bewegung gewejen war, endlich zur bauernden Grün⸗ dung ihrer Herrichaft ausnügen. Indem fie fi im Jahre 1487 mit den Nittern über die Bejekung bes Prager Land⸗ rechtes, des oberjten böhmifchen Gerichtshofes, verjtändigten und benjelben 8 bon 23 Stellen überließen, fanden fie bei ihren Beftrebungen auch an ben Rittern Verbündete, welche während den Olaubensitreitigfeiten mit den Städten Hand in Hand gegangen waren. Schon im Yahre 1479, gleich nach der

414 Streben bes Adels nach Beſchränkung der Rechte der Bauern,

Herſtellung bed Friedens mit. Ungarn, Hatte der Abel die erſten Verſuche in dieſer Richtung gemacht und er ruhte nicht, bis er ſeine Ziele wenigſtens teilweiſe erreicht hatte. |

Die Bauern wurden 1487 geſetzlich der Freizügigkeit be⸗ raubt und, da ſie infolge der Ausdehnung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit auf dieſelben jedes Rechtsſchutzes entbehrten, ohne Rückſicht auf ihre bisherigen Leiſtungen mit willkürlichen Ab⸗ gaben und Fronden belaſtet, ſo daß viele derſelben, wie ein böhmiſcher Rechtsgelehrter jener Zeit ſchreibt, ihre Güter ver⸗ ließen und fich als Räuber, Mörder und Brandſtifter dem Berbrechen ergaben, oder ſich gegen ihre Herren erhoben und bewaffnet in die Berge zogen. Nicht einmal Heiden und Zürfen, bemerkt derſelbe, laſſen ſich ſolche Widerrechtlichkeit zu⸗ ſchulden kommen wie die böhmiſchen Adeligen. Fortan ſchmachtete der. Bauernſtand in Böhmen und Mähren mit wenigen Aus« nahmen in den Feſſeln der brüdenbften Leibeigenichaft ?).

Ebenſo wenig wie um die Rechte der Bauern fünmerten fih die böhmijchen Herren um die Privilegien der Städte. In ihren rechtlichen wie in ihren materiellen Interefjen wurden dieſe beeinträchtigt. Obwohl diefen 3. B. die ausſchließliche Befugnis zugeiprochen war, innerhalb der ftäbtiichen Bannmeile Dier zu brauen, begannen nun auch bie Adeligen, in ver Nähe der Städte Brauereien anzulegen und den Bürgern ben Ver- kauf des Bieres auf ihren Gütern zu verbieten. Die Könige hätten nicht das Recht gehabt, die Rechte des Adels zu be ichränfen, urteilte das Landrecht 1493 auf eine Klage. der Stadt Chrudim über Berlegung ihrer Privilegien. Auch bie ſtädtiſche Gerichtsbarkeit wirrde durch das in ven Händen bes Adels befindliche Landrecht eingejchränkt. Zugleich begann dieſer die politiiche Stellung des Bürgertums zu untergraben. Schon im Sabre 1479 ſtellten die Herren die Forderung auf, „daß

Bezüglich Mäfrens vgl. J. A. Tomaf Set, Recht und Berfaffung ber Markgraffhaft Mähren im XV. Jahrhundert, ©. 49-79, der ſich mit Recht entfchteben gegen Paladys unbiftorifhe Annahme ausfpriät, daß Sörigfeit und Leißeigenfchaft den böhmiſchen Ländern früher fetmb und Folge des Einfluffes deutſcher Zuftände geweſen ſeien.

der Gtäbte:und'bes Mönig.: 415

Dürger an den: allgemeine: Sandbtugen:;; wo: bie Barone und Ritter zuſammenkommen, um über das ‘allgemeine Wohl und die Nechte des Landes zu beraten , keinen Zeil baben follten“; Da der König felbft unter dem Einfluffe feiner: abeligen ‚Räte im Jahre 1484 fich gegen die Behauptung ber Stäbte am ſprach, daß fte nicht verpflichtet feiern, wo fie nicht mitgeraten bätten, jo fühlte fich dev. Adel um jo mehr angefpornt, in biefem Streben nicht nachzulaffen.. In der auf einem Landtage des Jahres 1500. von den Herren und Rittern beſchloſſenen ſogenannten Wladiſlawſchen Landesordnung wurde das Recht zu Änderungen berjelben ausjchlieglich den Herren und Rittern zugefprochen und erllärt, daß die Städte nur dann mitzuwirken hätten, wenn es fich um ihre eigenen Ungelegenbeiten handelte. ‘Die Protefte und Vorſtellungen der Städte halfen nichts. Es wurde vom Adel fogar behauptet, daß die Städte kein freier Stand feten, weil fie der königlichen Kammer zinspflichtig ſeien; fowie die Herren zu keinen Beichlüffen die Zuftimmung ihrer Untertdanen brauchten, jo noch weniger der König die feiner Stäbte, die ibm in allem zum Gehorſam verpflichtet feien und einfach dem nachkommen müffer, was die Herren und Ritter mit dem Könige für Recht erklären. Auch Wladiſlaw ftefite jih In dem Streite der Stände auf die Seite des Adels, bes jtätigte die Landesorbnung und entjchted in den meiften Punkten gegen bie Städte. Nur bei ver Wahl des Könige, bei Steuer- bewilligungen und der Ausſendung eines Heeres fprach er ihnen ein Stimmrecht zu. Erjt im Jahre 1508, als die Städte unter ſich ein Bündnis gejfchloffen Hatten und fich nicht ein- Ichüchtern ließen, gab der Adel in diefem Punkte nad und er» Härte, daß die Städte als dritter Stand zu den Beratungen auf den Yandtagen ‚beigezogen ‚werben jollten.

Wie die. Rechte der Städte fo follte auch die Gewalt des Königs zugunften des Adels befchränkt werben. Im Jahre 1497 wurde derſelbe dahin gebracht, daß er dem Heimfallörechte, dem Rechte der Krone auf bie Güter ber ohne Nachkommen oder nabe Seitenverwandte verjtorbenen Adellgen, auf ewige Zeiten. entjagte. Ein Landtag bes. Sahres 1499 beftimmte, daß ber

416 Erfiufivität des böhmischen Adels gegen Ausländer.

König Landesämter nur mit Zuftimmung bed Derren- und Ritterſtandes follte vergeben dürfen. Im Jahre 1508 er» Härte ber König felbft, daß er die Landesämter nach dem Rate der oberiten Beamten und feiner Räte, die Stellen der Ge⸗ richtSheifiger nach dem Rate der Übrigen bejegen ſollte. 1499 verpflichtete ſich Wladiflam auch in feierlicher Weife, daß weder er noch jeine Nachfolger das echt haben follten, ohne die Zuftimmung des ganzen Landes Schlöffer oder Güter in Böhmen ober ben damit vereinigten Ländern zu verſchenken, zu verkaufen ober zu verpfänden. Da Wladiſlaw feit feiner Wahl zum Könige von Ungarn meift außer Landes Iebte und nur noch jelten nach Böhmen kam, jo fonnte fich die Herrichaft bes Adels in dieſem Reiche ungebemmt befeftigen.

Natürlich zeigte fich die Exrklufivität des böhmiſchen Adels auch in anderen Verfügungen. Nach unten wie nach außen juchten ſich die Herren abzufchliegen. Einem Ausländer follte niemand feine Güter ohne Bewilligung des Könige abtreten dürfen, dieſer aber nur mit Zuftimmung des Landtages feine Genehmigung erteilen. Wer bagegen handelte, follte ehrlos jein und aus dem Lande verwiefen, das Gut dem Ausländer weggenommen und zum allgemeinen Beſten konfisziert werben.

Es entiprang teilmeife demſelben Geifte und nicht bloß dem

Streben nad, größerer Deutlichkeit, wenn in Mähren 1480, in Böhmen 1495 „für ewige Zeiten“ bejchloffen wurde, daß alle Eintragungen in die Landtafel und in die damit in Der- bindung ftehenden Bücher nur noch in Sechifcher Sprache follten jtattfinden dürfen.

Die unbeſchränkte Herrichaft einer ausfchlieglich Zechiichen Ariftofratie mit einem machtlofen König an ber Spige und mit gefügigen Bürgern und gefnechteten Bauern unter fich, das war das Ideal der böhmischen Adeligen gewefen, und dieſes Ideal Hatten fie im Verlaufe der Regierung Wladiflaws II. faft vollftändig vealifiert.

Den Ungarn war die Schwäche Wlabiflaws natürlich nicht unbekannt gewejen, als fie ihn nach dem Tode des Königs Matthias auf ihren Thron beriefen, ja gerabe fie dürfte ein

Die ungarifhe Wahllapitulation von 1490. 417

Hauptgrund geweſen fein, daß jie ihn den anderen Kandidaten vorzogen. Denn in welchem Geifte fie die Regierung fortan geleitet ſehen wollten, zeigt bie Wahllapitulation, die Wladiſlaw am 31. Juli 1490 nach Überfchreitung ber Grenze beftätigen mußte. Er veriprach alle Einwohner Ungarns bei ihren alten Rechten und Freiheiten zu erhalten, und unter feinem Vor⸗ wande zum Schaden berfelben irgendwelche Neuerungen ein- zuführen, „wie das König Matthias getban hatte”, die durch diefen eingeführten aber wieder abzufchaffen. Namentlich wollte er nie bie Steuer von einem Gulden (Dufaten) verlangen, jondern ſich mit den regelmäßigen Einfünften der Töniglichen Kammer begnügen und die durch Matthias und deſſen Ge- mahlin auf unrechtmäßigem Wege in Befig genommenen Güter den früheren Eigentümern wieder zurüdjtellen. Er gelobte, größtenteild in Ungarn zu refidieren, nur Ungarn zu feinen Räten und Beamten zu nehmen, nur Inländern die Eirchlichen Würden wie bie ftaatlichen ÄAmter zu übertragen und Be- figungen zu verleihen und nie hemmend in die WRechtöpflege einzugreifen ober jemandem an feiner Perfon oder feinem Ver⸗ mögen zu jchaden. Er verpflichtete fich endlich, alles zu ge- nehmigen und zu bejtättgen, was die Prälaten und Barone bis zu feiner Krönung „für die Freiheit und die Ruhe des Neiches* beichloffen hätten ?).

Auf dem Reichdtage, den Wladiſlaw zur Beſtätigung bes Friedens mit Djterreich auf den 2. Februar 1492 nah Ofen berufen hatte, fehritt die Reaktion gegen das Regierungsſyſtem bes Königs Matthias noch weiter vorwärts. Alle Neuerungen, bie berjelbe auf dem Gebiete des Heer- und Steuerwefens ein- geführt Hatte, wurden auf Verlangen der Stände wieder ab- geichafft und der Zuſtand wieder hergeftellt, wie ex unter den Königen Sigmund und Albrecht gewejen war. Statt der all- gemeinen &renzzölle wurde wieber der Dreißigfte mit ben zahl- reichen Befreiungen von bemielben, ftatt der erhöhten Grund⸗ ftener in Ungarn der alte „Kammergewinn“ von !/, Dukaten

1) Corpus jur. Hungar. I, 255, au ap. Katona XVII, 46. Huber, Geſchichte Öfterreie. IIL 27

418 Weitere Beſchränkungen der Gewalt des Könige.

von jedem Bauernhofe, in Siebenbürgen ver Fünfzigfte, in Slavonien die Mtarderfelliteuer eingeführt. Zugleich wurbe ausdrücklich beftimmt, daß der König nicht das Mecht habe, zu einem Kriege außerhalb des Neiches ein Aufgebot zu erlafien. Auch bei einem Angriffe auf Ungarn felbft follten die Prälaten und Abeligen nur dann aufgerufen werben bürfen, wenn bie Söldner des Königs und die Neichswürbenträger den Feinden nicht gewachſen wären. ‘Die Reichsbarone oder eriten Würden⸗ träger, bie Herzoge Johann Corvinus und Lorenz von Ujlak, Stephan Zapolya, Erbgraf der Zips, die Grafen von Pöfing und St. Georgen, von Corbavien und die Frangepane follten ihr eigenes Banderium haben, von benen jedes aus 200 ſchwer⸗ bewaffneten und 200 leichtbewaffneten Reitern oder Hufaren, ein halbes Banderium aus 200 Reitern bejteben ſollte. Die Übrigen follten von 20 Bauernhöfen !) einen gut gerüfteten Reiter, von den Eovelleuten mit nur einem Gute ohne Hörige je 10 einen Weiter ftellen. Zugleich wurde bie Gewalt des Königs dadurch beichränkt, daß er ohne Zuftimmung feiner Barone und Prälaten nur 100 Bauern follte verfchenfen bürfen. Bezüglih des Palatins, „ver dem Könige gegenüber den Reichsbewohnern und ben Reichsbewohnern gegenüber bem Könige Recht zu verichaffen hat“, wurde beftimmt, daß ihn ber König nur nach dem Rate der Prälaten und Barone und mit Zuftimmung der Adeligen ernennen follte 2). Jetzt erhielt biefe Würde Stephan von Zapolya.

Wladijlam II. war nicht ver Mann, den Verfall ver könig⸗ lihen Macht in Ungarn aufzuhalten. Die verfchiedeniten Be⸗ richte ftimmen darin überein, daß er von feltener Gutmütigfeit war, aber nicht die Eigenfchaften beſaß, die dem ungariichen

1) Nach einem Reichstagsbeſchluſſe von 1498, 8 16, nur noch von 36 Höfen.

2) Corp. jur. Hung. I, 257, au ap. Katona XVII, 339sqgq. Bon den 108 Artikeln, von denen übrigens manche beſonders auf bem Gebiete der Yuftizpflege auch wirkliche Verbeflerungen enthielten, fommen für die oben angeführten Beftimmungen bie SS 9, 18—21, 26, 27 und 33 in Betradt.

420 Traurige Finanzzuftände in Ungarn.

nahme von Alter und Kränklichleit wurbe er träge, gleichgültig gegen das Geinige und verfchiwenderifch, nicht aus freiem Willen, fondern durch die Zudringlichkeit derjenigen, bie ihn mit ungerechten Bitten beftürmten und die er nur auf dieſe Weiſe loswerden Tonnte. Auch ein böhmifcher Edelmann von hohem Anjeben und großer Einfiht, Wilhelm von Pernftein, bat über Wladiſlaw defien Sohne geichrieben: „Der veritorbene König Hat fich durch feine Güte in dieſen Königreichen vielfach gejchadet; denn wer ausbauernd etwas von Sr. Gn. verlangte, erhielt alles“ ?).

Gerade die legte Eigenichaft Wladiſſapws wurde von ven eigennüßigen Großen in der gewiſſenloſeſten Weiſe ausgebeutet. Nicht nur ließen fie fich Gehalte zahlen, die für jene Zeit un— verhältnismäßig hoch waren, wie denn 3. B. Stephan Zapolya als Palatin jährlih 6000, ale Hüter der Krone und ber Burg von Vilfegrad 1000, für die Hut der Burg Saros 2000 Dukaten bezog, Johann Corvinus ald Ban von Kroatien einen Gehalt von 10000, der Woywode von Siebenbürgen, der auch die Verpflichtung hatte, 200 Mann zu unterhalten, von 12000, der Schatmeijter von 4000 Dulaten Hatte. Die Magnaten und Prälaten, der Balatin voran, erwirkten auch, wenn eine allgemeine Neichöftener beichloffen ward, vom Könige für ihre Unterthanen und Diener Befreiung von berjelben, und Tießen fich trogdem, falls fie etwa einmal bei einer be- fonderen Feierlichkeit größeren Aufwand machten, vom Könige zur Vergütung bedeutende Summen zahlen oder auch unter anderen Vorwänden Gejchenfe machen. Kein Wunder, daß bie Einfünfte nie ausreichten, daß man ben Kommandanten ber Grenzfejtungen den Solo für ihre Soldaten nicht ſchicken konnte, daß ſelbſt Stalltnechte und Kutjcher jahrelang auf ihren Lohn warten mußten, und daß troßdem der König fich genötigt jah, ſchon im Jahre 1494 mit Zuftimmung der Magnaten von jedem Bauerngute eine Steuer von einem Dukaten ein-

1) Bei Palady V,1, 342. Bgl. ebd. V,2, 339, N. 252, ein ähn- liches Schreiben Heinrichs von Nofenberg.

Erxbitterung bes niederen Adels gegen die Hofpartei. 421

zufordern, was in der letten Zeit des Königs Matthias Negel gewejen, aber in Wladiſſaws Wahllapitulation ausdrüdlich ver⸗ boten worden war. Da die vornehmften Prälaten und Mag⸗ naten ihre Leute befreien ließen oder die Steuer fonft nicht zahlten, und ihr Beiſpiel auch bei vielen Edelleuten Nach» abmung fand, jo brachte die Steuer freilich ftatt ungefähr 200090 Dulaten nur die Hälfte diefer Summe ein, wozu bann noch die Gelder fommen, die man nach einem willlür- lihen Anjage den Städten, den Stiebenbürger Sachen und den Juden auferlegte ). Da dies bei weiten nicht genügte, um bie Bebdürfnijfe des Staates und Hofes zu befriedigen, jo ver» langte man fchon im Yahre 1495 vom Neichstage die Ber willigung der gleichen Steuer.

Der zunehmende Drud der Steuern, welche die geiftlichen und weltlichen Großen nicht zahlten oder auch für fich einhoben, rief eine große Erbitterung des niederen Adels gegen die Hofr partei hervor, deren Häupter der Palatin Stephan Zapolha, der Kanzler Thomas Balacs, ein ränkejüchtiger Egoift, der ih aus niederem Stande zum Biſchofe von Raab, dann von Erlau und endlich zum Erzbiichofe von Gran aufſchwang, und einige andere Biichöfe waren. Schon auf dem Neichötage von 1495 kam dieſer Gegenfag zum Ausbruce. ‘Die Adeligen

1) Sehr interefjante Auffchlüffe über die Einnahmen und Ausgaben der Jahre 1494 und 1495 giebt das Registrum omnium proventuum re- galium . . . . per rev. dom... ... episcopum Quinqueecclesiensem thesaurarium regie majestatis ..... . perceptorum, das Engel in feiner Geſchichte der ungarifchen Nebenländer (Fortſetzung der Allgem. Weltbiftorie, 49. Teil, I, 17— 181) verdffentliht hat. Bgl. die von Kovachich, Suppl. ad Vestigia comit. II, 305—321 mitgeteilten Boranfhläge von 1504 und einem andern Jahr befonders die Ausgaben für die Hut ber Grenzgebiete und Feſtungen betreffend. Giuftinian giebt in feiner Relation von 1503 bie regelmäßigen Einnahmen bes Königs (ohne die Thorfteuer) gewiß zu Hoch auf 220000 Dulaten an, barunter von Salzbergwerlen 50000, von drei Gold⸗ oder Silberbergwerten 39000. In der Ietsten Seit Wladiflaws waren bie Einnahmen nad der Relation Surianos vom Jahre 1516 (Magyar törtenelmi tar XXV, 53) fehr be= deutend gefunten, wenn auch die Gefamtfumme, 141000 Dukaten, nad ben Einzelangaben zu Klein ift.

422 Klagen über Unterfchleife.

weigerten fich, eine höhere Steuer zu zahlen, als in der Wahl⸗ fapitulation Wladiſlaws fejtgefegt worden war, bonnerten gegen die Großen, welche die Steuergelder in ihren Sad jtedten und die Freiheiten bes Adels beeinträchtigten, und verlangten Re⸗ formen. Die DMagnaten ergriffen den jchlauen Ausweg, daß fie zwei Bifchöfe und die Protonotare mit der Ausarbeitung neuer Geſetze beauftragten, wa® jo lange Zeit in Anſpruch nahm, daß die meiften Adeligen, welche die Koften des Aufent- baltes in Ofen nicht mehr zu bejtreiten vermochten, die Haupt» ftabt verließen. Die zurücbleibenden, teilweife von den Großen beftochen, ließen fich dann leicht zur Bewilligung der verlangten Steuer bewegen, worauf der Reichstag auf den Oktober ver» tagt wurbe ?).

Als nad) jeinem Wiederzufammentritt im Jahre 1496 der Adel neuerdings feine Klagen über den Steuerbrud erhob und behauptete, man habe in fech8 Jahren fchon 1800000 Dur faten gezahlt, opferte man dem Haſſe desfelben den Schaß- meilter Sigismund Ernft, Biſchof von Fünflirchen, und deſſen Unterfchagmeifter Dombay. Beide wurden von einer Kom⸗ milfion des Unterſchleifes ſchuldig erklärt, erjterer zu einer Geldftrafe von 400000 Dufaten verurteilt, Dombah, ber nicht in der Lage war, durch eine hohe Summe fich loszu⸗ faufen, in den Kerker geworfen ?).

Daß die unbotmäßigen Magnaten die Schwäche des Könige zu Übergriffen und Gemwaltthaten benugten, daß jede Sicherheit verihwand, kann nicht Wunder nehmen. Aber daß Stephan

1) Bonfinii Dec. V, 1. 5, p. 572g.

2) Mit diefer Nachricht fchließt Leider das Werk des Bonfiniuß, der für die erften Jahre Wlabiflams II. reichhaltige und im ganzen ver=- läßliche Nachrichten bat. Das früher erwähnte Registrum proventuum regalium giebt übrigens feine Anhaltspunkte für die Behauptung, daß größere Summen veruntreut worben feien. Aber wie beftechlich der Biſchof von Fünftichen und Thomas Balacs waren, ergiebt fih aus der Klage bes Johann Eorvinus von 1498, im Cod. dipl. patrius IV, 439, daß er biefen beiden Bifchöfen an Pretiofen und SHerrichaften mehr als 100 000 Dutaten gegeben babe, damit fie ihn im Befite der Woywoden⸗ würde über Kroatien und Slavonien immer zu erhalten verfpracen.

Gewalttbaten der Magnaten. 423

Zapolya, der als Palatin nad dem Könige der oberjte Hüter des Rechtes war, es jeinen Standesgenoſſen in diefer Beziehung noch zuvortbat und dem Johann Corvinus außer andern Gütern durch eine förmliche Belagerung eine Burg entriß !), zeugt doch von einem bejonderen Verfall der moralijhen und politiihen Anjchauungen. Um die Befehle des Königs küm⸗ merte er fich jo wenig wie andere. Daß Wladiſlaw ſich ein- mal ermannte und gegen den ftolzen Lorenz von Ujlak, welcher den Biichöfen des füdlichen Ungarns Burgen und Güter weg» genommen batte, wie gegen deſſen Genoſſen Lorenz Kishors vaͤthy und den Sohanniterprior von Vrana im Jahre 1494 einen förmlichen Feldzug unternahm, ihm die meiften jeiner Burgen wegnahm und ihn zur Unterwerfung zwang, war eine Ausnahme und wird dadurch erklärt, daß Ujlaky fich gegen ihn immer beſonders widerjpenftig gezeigt hatte und ihn einen Ochſen zu nennen pflegte, und daß er von den zahlreichen und mächtigen Feinden desſelben angejtachelt und eifrig unterjtüßt wurde. Und fchließlich gab er ihm doch feine Güter unter der nad dem Geſetze jelbitverftänplichen Bedingung zurüd, daß fie, wenn er ohne Kinder mit Tod abginge, an den Staat fallen ſollten ?).

Dei dem zunehmenden Verfalle Ungarns war es ein Glück, daß auf dem türkiichen Throne ſeit 1481 der rubeliebende Bajeſid II. faß, der bei feinen Kämpfen mit den afiatiichen Fürſten und teilweife auch mit Venedig nicht auch noch einen ihweren Kampf mit Ungarn führen wollte. |

Als der noch von Matthias geichloffene Waffenſtillſtand im Jahre 1491 fein Ende erreichte, unternahmen allerdings bie Statthalter der türkiichen Grenzprovinzen räuberiiche Einfälle in die benachbarten ungariichen Gebiete, einerjeitd ind Banat, wo fie Temesvar verbrannten, anderſeits nach Kroatien, von wo eine Schar nah Mitte des September nach dem ſüdöſt⸗

1) Bonfinii Dec. V, 1.3, p. 557sg. 2) Ibid. 1. 4, p. 566 sqq. Tubero ap. Schwandtner II, 203. Bol. Sinfiniens Relation a. a. O.

421 Grenzfehden zmwifchen ten Türken und Ungarn.

lichen Rrain bis in die Nähe von Laibach torbrang. Doch wurde dieſe Abteilung von den kraineriſchen Bauern unter An führung einiger Edelleute überfallen und großenteil® erjchlagen. Auch die in Kroatien eingebrungenen erlitten an der Unna eine Niederlage und verloren an Toten und Gefangenen bei 3000 Mann 1).

Im Jahre 1492 beabſichtigte der Sultan ſelbſt mit einem großen Heere Ungarn anzugreifen. Als er aber erfuhr, daß der Thronkampf durch die Friedensſchlüſſe mit Maximilian und Albert von Polen beendet und daß umfaſſende Verteidigungs⸗ maßregeln getroffen worden ſeien, zog er wieder nachhauſe.

Die Verteidigung der ſüdöſtlichen Grenzgebiete leitete mit Erfolg hauptſächlich Paul Kinizſi, „Graf von Temesvar und Generalhauptmann von Niederungarn”, ber mit ben Türken in Beziehung auf wilde Grauſamkeit wetteiferte.e Er Tieß :ürtiiche Gefangene an Mühlräder binden oder jchinden, andere bei langlamem Teuer braten oder mit auf den Rüden gebun⸗ benen Händen den Schweinen zum Fraße vorwerfen ?). Kinizfi beraubte ſich übrigens jelbft der beften Krieger, indem er bie in Szegebin lagernde fchwarze Legion, welche fich wegen Nicht- zahlung des Soldes verichievene Gewalttbaten zuichulden kommen ließ, im Auguft 1492 mit Soldaten und raſch gefammelten Bauern und Bürgern unvermutet überftel und nach vergeblicher Gegenwehr zur Ergebung zwang, worauf das Corps aufgelöft und in verſchiedene Truppenabteilungen geftedt wurde, joweit die Böhmen nicht vorzogen, das Land zu verlajfen und rad Dfterreih und Mähren zu ziehen °).

Während nun im Sommer des folgenden Jahres der ungarifhe Kanzler mit dem Könige Marimilten, der jeine Unterftügung gegen die Türken anbot, über die Bedingungen eines Bundesvertrages unterhandelte und man fi) tarüber jtritt, welcher von beiden Zeilen den Oberbefehl erhalten

1) Bonfinii Dee. V, 1. 2, p. 547. 550. Unresti Chron. Austr., p. 7508q. VBgl. Dimitz, Geſch. Krains I, 295f.

2) Bonfinius 1. c, p. 551, und lib. 3. p. 552—554.

3) Bonfinius 1. c, p. 5ö3sqg. Tubero, p. 184sqq.

Niederlage der Kroaten. 425

ſollte ?), fiel Jakub Paſcha von Bosnien her mit 8000 Dann duch Kroatien in Südſteiermark ein und plünberte die Gegend von Cilli bis gegen Marburg vollftändig aus. Als er, ba beutiche Truppen fich gegen ihn jammelten, mit Beute und Gefangenen beladen nachhaufe zog, verlegte ihm der Ban von Kroatien, Emerich Derenc’önyi, an der Spike der Kroaten bet Ubdina im Gebiete von Corbavien ven Weg, wurde aber von ven beijer bewaffneten Türfen vollitändig geichlagen. 5700 Chriſten, darunter der Sohn und Bruder des Bans, ein Graf Frangepane, ein Graf von Corbavien und andere Edelleute bevedten das Schlachtfeld, Derencſenyi felbit mit einem andern Frangepane war unter ben Gefangenen ?). Als König Marimilian in der zweiten Hälfte des Oftober mit einem Heere nach Steiermart fam, war die nächite Gefahr vorüber, und er begnügte fich mit einer jtärferen Belegung der Örenzgebiete, von wo aus im Notfalle auch den Kroaten Hilfe geleiftet werben follte. |

Wie wenig dies aber ausreichte, wie ungeeignet überhaupt bie \chwerfälligen beutfchen Krieger zum Schuge des offenen Landes gegen die raſchen türkiichen Weiter waren, zeigte fich ſchon im Herbfte des folgenden Jahres, wo die wilden Horden nad Überfehreitung der untern Save neuerdings Slavonien, Kroatien

1) Ulmann, 8. Maximilian I, 207 ff.

2) Tubero, p. 200. Bonfinii Dec. V, lib. 3, p. 554sqgq., nad welchem Jakub Pafcha durch Bernardin Frangepane gerufen worden wäre, dem der Ban nah Wegnahme mehrerer Schlöſſer auch Brebir entreißen wollte, wa8 aber nicht ganz wahrfcheinlich ift, da in diefem Kalle Jakub Paſcha ſchwerlich Kroatien ruhig durchzogen und fih nad Steiermart gewendet hätte. Auch der Tag, den Bonfin für die Schlacht bei Ubdina angiebt, 9. September, kann nicht richtig fein, wenn K. Marimilian ſchon am 8. September in Tirol von der Niederlage der Chriſten Nachricht hat, wie fih aus Lihnomsty VII, Reg. Nr. 1981, ergiebt. Vgl. auch bie Schreiben daſ. Nr. 1980. 1994. 2000 und Unrest, p. 793sq. Be- züglich des Ortes halte ih mid ar Tubero, da mit dieſem Seabebbin bei Hammer (2. Aufl.) I, 642 übereinfiimmt. Bonfin nennt das Gebiet von Modrus. Daß die große Niederlage, welche die Türken 1493 bei Billach erlitten Haben follen, eine Erfindung Megifers ift, Braucht wohl nicht weiter auseinander geſetzt zu werben. '

426 Abſchluß eines Waffenſtillſtandes.

und die anſtoßenden Gebiete von Krain und Steiermark bis Cilli und Pettau durchſchwärmten, viele Ortſchaften nieder⸗ brannten und zahlreiche Bewohner, darunter den Prior des Kloſters Seitz hinwegſchleppten, ohne daß die Beſatzungen der benachbarten Städte und Burgen ihre Gewaltthaten zu hindern vermochten 1).

Auch vonfeite der Ungarn war nichts zur Abwehr ges icheben. Doch unternahm Rinisfi, obwohl ihn ein Schlagfluß bereit8 der Sprache beraubt hatte, mit dem fiebenbürgifchen Woywoden Draͤgſy im Dftober 1494 mit 14000 Reitern einen Streifzug nach Serbien, durchjtreifte zwei Wochen lang, ohne Widerftand zu finden, das Land bis zu den Bergen, ver» brannte die Vorſtädte von Semendria und brachte reiche Beute an Menſchen und Vieh nachhauſe. Die von ihm be- antragte Belagerung von Semenbria unterblieb fchon wegen des Todes des alten Haudegens ?). Doc jcheint immerhin diefer Zug auf den Sultan nicht ohne Eindruck geblieben zu jein, indem er im folgenden Jahre eine zehnjährige Waffen- rube anbot. Diejelbe wurde auf drei Jahre abgefchlofjen 3), wobet die Pforte fich verpflichtete, alle Streifzüge in ungartiche Gebiete und durch dieſe in die öfterreichiichen Länder zu unter» laſſen.

Dieſe Bedingung wurde freilich nicht eingehalten und auch während des Waffenſtillſtandes die ungariſchen Grenzgebiete ebenſo wie Krain und andere benachbarte Länder durch kleinere Reiterſcharen verheert und ausgeplündert ). Da auch Polen durch Türken und Tataren mit gleicher Wut heimgeſucht ward, jo ſchloß Wladiſlaw mit ſeinem Bruder, dem Könige Albert, am 20. Juli 1498 ein Bündnis, das am 16. April des folgenden Jahres erneuert ward und namentlich jeden Separate

1) Unrest, p. 794sq. gl. Bonfinii Dec. V, 1. 4, p. 568.

2) Bonfinius 1. c., p. 53648q. Über einen im Frühjahr unter- nommenen glüdlihen Streifzug nad Serbien ſ. ibid. 1. 3, p. 559.

3) Ibid. 1. 5, p. 571.

4) ©. die Klagen K. Wladiflams in der Inftruftion für den 1498 (?) an den Sultan abgeſchickten Gefandten ap. Katona XVII, 39—53.

Bündnis mit Venedig und dem Papſte. 427

frieden unterjagte. Doch Hinderte dies die Ungarn nicht, kurz darauf den Waffenjtillitand mit der Pforte neuerdings zu ver längern !) und ruhig zuzufehen, wie die Türken, nachdem fie nun den Krieg gegen Venedig begonnen hatten, im Herbſte 1499 durch Kroatien in Friaul einfielen.

Im Orient hart bebrängt, im Befige der dalmatiniſchen Küſtenſtädte gefährdet, juchte die wenetianische Regierung ben König von Ungarn zu einem Angriffe auf die Türken zu be wegen. Ihre Bemühungen wurden auch durch den Papit Alerander VI. unterjtügt, welcher die Ungarn durch die Auss jicht auf eine Koalition fait aller chriftlichen Mächte zu er» mutigen bejtrebt war. Während die ungariichen Prälaten gegen den Krieg waren, von dem fie nur Steuern erwarteten, zeigten jich die weltlichen Großen einem folchen an fich nicht abgeneigt. Aber bet der Lage ihrer Finanzen glaubten auch fie ohne be- deutende Subſidien einen folchen nicht führen zu fünnen. Mit den Berfprechungen des Bapftes, der dem Könige bie Erträg- nifje des Subiläumsablaffes, der Zehnten von den ungarifchen Kirchengütern und einer Kreuzzugsjteuer anbot, wollten fie jih nicht begnügen, weil die Einnahmen davon zu unficher idhtenen oder nur auf ihre Schultern gefallen wären. „In Ungarn ift das Jubiläum wenig geichätt“,, fchrieben die vene- tianiichen Gefandten 2). Venedig jelbjt, fuchte von den Forde- rungen Ungarns möglichit viel herunterzuhandeln. Es dauerte daher über ein Jahr, bis man zu einem Ergebnifje fam, ob» wohl der Graner Erzbiichof Thomas, „der zweite König“, wie ihn die venetianiichen Gejandten nennen ?), dieſe eifrig unter» jtügte, um durch Verwendung der Signoria den Kardinalshut zu erlangen. Erſt am 13. Mai 1501 wurde zwilchen bem

1) Auf zwei Sabre nach Tubero, p. 236, wa8 mit einer Bemerkung Giuftinians bei Sanuto III, 1177 und 1315, daß derſelbe mit dem 24. Februar 1501 zu Ende gebe, freilich nicht ganz übereinfiimmt. Die Zeit des Abfchluffes läßt fih nicht genau angeben, da die Nachrichten, die Sanuto regiftriert, ſich widerſprechen.

2) Sanuto III, 702, di Hongaria 22. Auguft 1500.

3) Sanuto III, 239.

428 Erfolge der Ungarn gegenüber den Türken.

Papite, Venedig und dem Könige Wladillam ein Bündnis ab⸗ gefchlojfen. Der Bapft veriprah für die Dauer des Krieges jährlich 40000, Venedig 100000 Dulaten zu zahlen und Die Zürlen zur See anzugreifen, während die Ungarn den Rampf zu Lande führen follten '),

Die Streitkräfte, welche Ungarn an der Grenze von Bos⸗ nien und Serbien aufitellte, waren freilich troß biefer Sub- fivien nicht bedeutend, und man dachte auch an feinen ernftlichen Eroberungstrieg, obwohl die Verhältniffe nicht ungünftig geweſen wären, da die Hauptmacht der Türken im Peloponnes ftand, wo fie den DVenetianern mehrere Küftenftäbte entriffen Hatte. Es waren nur Raubzüge im großen Stile, die man unter» nahm. Joſa von Som, Kinizfis Nachfolger im Kommando in Niederungarn, drang im Oktober 1501, um einen Einfall ber Türken zu rächen, mit ungefähr 14000 Mann von Bel: grad aus in Serbien ein, plünderte und verbrannte die fpär- lihen Dörfer, pfählte und röftete die Einwohner, fchlug ein paar türkiiche Heerhaufen, bie jich ihm entgegenjtellten, und nahm 1000 Mann gefangen ?). Umgekehrt wurde ein türfifches Corps, das in Kroatien einftel, vom dortigen Woywoden Johann Eorvinus befiegt ?). Im folgenden Sommer begann ber Sohn des Iskender Paſcha, Statthalters in Bosnien, mit 10000 Dann die Belagerung von Jaicza, wurde aber von Johann Tarczat, der unter dem Schuge von 4500 Dann die Feſtung zu verproviantieren fuchte, am 2. und 3. Juli mit einem Berlufte von 1000 Toten und 400 Gefangenen ge=

1) Die Verhandlungen nad den bei Sanuto III, 235. 239. 287. 316. 356. 365. 371. 375. 381. 398. 400. 469. 509. 512. 566. 586. 596. 701. 791. 867. 868. 881. 929. 957. 980-984. 985. 1009. 1055. 1102. 1158. 1177. 1207. 1245. 1315. 1320. 1452sq. 1478 1480. 1535—1538. 1549—1551. 1599. 1603. 1611. 1621 und IV, 41 ge= fammelten Depefchen di Hongaria etc. Bgl. Giuftinians Relation a. a. O.

2) Nah Schreiben Giuſtinians vom 13. und 24. Oktober und vom 13. und 19. November bei Sanuto IV, 172. 179 und 187, und Giu- ffintans Relation von 1503.

3) Sanuto IV, 177.

Abſchluß einer fiebenjährigen Waffenrube. 429

ichlagen 1). Im Herbjte 1502 eroberte Graf Beter von Pöſing, Woywode von Siebenbürgen, Widdin und joll bi8 unter bie Deauern von Nilopolis vorgedrungen fein. Doc wurde nicht einmal Widdin zu behaupten gejucht, obwohl dies eine Vor⸗ mauer für das Zewriner Banat gebildet hätte 2). Anderſeits griff Sofa von Som Bosnien von Norbojten her an, während Corvin mit feinen Zruppen in Yateza jtand. Vereint hatten fie ein Heer von 20000 Mann. Bei der Schwäche ber in diefem Lande befindlichen türkiichen Zruppen erwartete man große Erfolge und war mit Recht ſehr enttäujcht, daß Som fih auf den Wiederaufbau einiger von den Türken zerftörten Burgen bejchränfte >).

So gering indefjen auch die Energie war, mit ber bie Ungarn den Krieg führten, fo hatte ihr Eingreifen doch vie Folge gehabt, daß der Sultan, da auch fein Verhältnis zu Perfien ein ſehr gejpanntes ward und die Flotten der chrift- lichen Seemächte die Küſten des Ägäiſchen Meeres beunrubigten, Ion im Sommer 1502 Frievensanträge machte. Sowohl Benedig als auch Ungarn gingen auf die Verhandlungen ein. Während aber erſteres einen dauernden Frieden fchloß, ließ fich Ungarn nur zu einem Waffenftillftand auf fieben Jahre herbei, der Anfangs 1503 vereinbart und am 20. Auguft vom Könige

1) Ibid. IV, 284 nah Beriht vom 9. Iuli, beftätigt durch einen Beriht vom gleichen Tage (aber fälfchlich von 1503) bei Palacky V,2, 60, N. 36. Es ift dies offenbar derſelbe Sieg, den Istvanfi, Hist. de rebus Hung., 1. IV, p. 30, dem Johann Corvinus zuſchreibt und ben die neueren Hiftorifer ins Jahr 1500 verlegen, wo ja der Waffenftillftand noch fortdauerte. Es ift überhaupt ein Fehler, wenn man Iſtvaͤnfi, der ein volles Jahrhundert ſpäter gefehrieben hat und auch mit feinen Vorlagen fehr willtürlich verfahren if, für dieſe Zeit als verläßliche Onelle benützt.

2) Sanuto IV, 373, nad Briefen aus Ofen vom 83. bis 11. Oft. Das Borbringen bis Nilopolis berichtet Iſtvaͤnfi, der aber allem Anfcheine nad irrig auch bei biefer Expedition den Johann Eorvinus beteiligt fein läßt.

3) Dürftige Notizen bei Sanuto IV, 449. 4718q. 493. 494. 502. 563. 570 619, von 1502, Nov. 15. bis 1503, Sanuar 9. Bgl. Gin- ftinians Relation von 1503.

450 Finanznot und Verſchwendung des Könige.

Wladiſlaw ratifiziert ward '). Nicht bloß die Woywoden ber Walachei und Moldau und bie Stadt Raguja, über die Ungarn troß ihrer Tributpflichtigfeitt an die Pforte noch immer bie Oberhoheit beanjpruchte, ſondern alle chriftlichen Mächte, vie ihren Beitritt erklären wollten, wurden in den Vertrag ein⸗ geichlojfen. Den Türken wurde ausdrücklich unterfagt, durch Ungarn in andere chriftliche Länder Einfälle zu unternehmen. Obwohl Ungarn diefen Krieg, wenn auch ohne große Er» folge, jo doch im ganzen mit Ehren geführt Hatte, jo waren doch die Folgen feine günftigen. Trotz ber Subfidien Venedigs und des Papftes hatte der König zur Beftreitung der Koften manche feiner Einkünfte verpfänden müſſen?) welche die Finanz- not in der nächiten Zeit noch vergrößerten. Wladillaw trug diefen Verhältniffen zu wenig Rechnung; und wenn er auch perjönlich ohne große Bebürfniffe war, da er nur ein leivenichaft- licher Liebhaber der Jagd gewefen zu fein jcheint, jo warf er für feine Gemahlin Anna von Candale, eine Verwandte des fran«- zöfifchen Königs, die er 1502 geheiratet hatte, das Gelb mit vollen Händen weg. Wenn er unmittelbar nach dem Kriege verjelben in Genua ein Halsband um 6000 Dukaten kaufen ließ und ihr wenig fpäter wieder SKleinodien im Werte von mehr als 20000 Dulaten fchenkte®), fo ließ fich dies um fo weniger rechtfertigen, als man in der Kaffe ftäte Ebbe hatte und die DVenetianer, die auch nach Beendigung des Krieges an Ungarn jährlich eine Unterftügung von 30 000 Dukaten zahlten, immer um Vorſchüſſe bejtürmen mußte. Auch entſprach es gewiß nicht der Würde des Staates, daß die Königin ber Republik, deren Tochter fie fich mit Vorliebe nannte, den Wunſch nach einer jährlichen Provifion ausfprechen ließ *). Der König verlor bei den friegeriihen Ungarn auch des⸗ wegen alle Achtung, weil er während des letzten Türkenkrieges

1) Vollſtändig in „Magyar törtenelmi tar“ XXIV, 81.

2) Giuftinians Relation von 1503.

3) Sanuto V, 195 und 1052 zu 1503, Oftober 23., und 1504, März 28., nach Berichten der Gefchäftsträger Venedigs in Ungarn.

4) Ibid. V, 823 zu 1504, Februar 7.

Reichstagsbeichluß gegen Erhebung eines Ausländers auf den Thron. 481

nie zu bewegen gewejen war, fich jelbft an die Spike eines Heeres zu ftellen. Im Gegenſatze zu Wladiſlaw ftrahlte nun das Bild des Königs Meatthiad in erhöhtem Glanze. Man ſcheute fih auch gar nicht, dies den König fühlen zu laſſen, alle Übeljtände ihm allein, und nicht feinen Ratgebern zur Laſt zu legen. Es war der höchſte Grad von NRüdfichtslofig- feit, wenn der Reichstag im Oktober 1505 feine Beichlüfjfe ?) mit den Worten einleitete, daß der gegenwärtige, Verfall Un- garnd davon berfomme, weil es oft von fremden Königen re- giert worden fei, die nur auf ihre Privatinterejjen bedacht, fich immer mehr der Unthätigleit und der Ruhe ald dem Kriege bingegeben haben. Die eingeftreute Bemerkung, daß Wladiſlaw die Ungarn nicht nur gnädig und nach ihren Freiheiten rvegiere, ja manche derfelben erneuert habe, fonnte dem Stachel, der in biefen Worten lag, feine Schärfe nicht nehmen. Infolge deſſen faßten die Stände einjtimmig den Beichluß, daß fie, falls Wla- billaw oder ein [päterer König ohne männliche Erben mit Tod abginge, nie einen Ausländer, fondern nur einen Ungarn zum Könige wählen und jeden fremden Fürſten, der dieſes Reich, oder einen Zeil desſelben an fich zu reißen juchte, einhellig Widerſtand leijten würben.

Die nächſte Veranlafjung zu diefem Beichluffe war ohne Zweifel Wladiflams jchlechter Geſundheitszuſtand. Schon am 10. Sanuar 1504 war er während des Eſſens von einem leichten Schlaganfalle getroffen worden, der ihm vorübergehend die rechte Seite und Zunge gelähmt hatte. Die Anfälle hatten ih im Juni und im Oktober 1504 erneuert ?). Starb der König, dem jeine Gemahlin bisher nur eine Tochter Namens Anna geboren hatte, ohne männliche Nachkommen, jo fiel Un- garn nah dem Predburger Frieden von 1491 an Marimis lian von Ofterreih. Aber wie diefe Beitimmung ſchon beim Abfchluffe des Friedens in Ungarn einen ungebeuren Sturm

1) ap. Katona XVII, 425—435.

2) Sanuto V, 766—769. 828—830; VI, 36. 83, nach Berichten des venetianifchen Gefhäftsträgers, und vom Oftober nad Berichten aus Capodiftria und Beglia.

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432 Streben Johann Zapolyas nach der Krone.

hervorgerufen batte, jo hatten ſich die Stände kurz darauf ent- ichloffen gezeigt, fich um diejelbe gar nicht zu Fünmern. Be— reits im Jahre 1498 hatte der Reichstag den Beichluß gefaßt, daß, wenn der König ohne Erben ftürbe, Fein fremder Gejanbter zu den Verhandlungen über die Neuwahl zugelajjen werben ſollte *), und damit die Abficht angedeutet, alle Ausländer vom Throne fernzußalten. Jetzt gab es zwar unter ben welt⸗ Iihen Großen feinen, ber durch jeine Stellung und jein An- jeben von vornherein zur Herrichaft berufen erichienen wäre, da der Woywode Stephan Baͤthory 1492, der Palatin Stephan BZapolya 1499, Johann Corvinus im Dftober 1504 geftorben waren. Aber Zapolya hatte von jeiner Gemahlin, der Her- zogin Hedwig von Zeichen, als Erben feines Namens und feiner Neichtümer zwei Söhne, Johann und Georg Binterlafien, von denen der ältere, obwohl noch kaum vollftändig erwachien, an⸗ getrieben von jeiner ehrgeizigen Mutter 2), feine Augen auf bie Krone des heiligen Stephan zu richten begann, die feinem Un—⸗ garn mehr unerreichbar fjchien, fett der Sohn Johann Hunyadys fie getragen hatte. Seine Beitrebungen wurden von denjenigen, welche gegen die Herrichaft Maximilians wie überhaupt jedes Ausländers waren, wenn nicht veranlaßt, jedenfalls unterjtüßt. Schon Anfangs Juni 1505, wo ein Reichstag gehalten wurde, ſcheint Johann Zapolya verlangt zu haben, daß ihm Die zwei⸗ jährige Prinzeſſin Anna zur Ehe gegeben und er als Nach folger Wladiſſaws auf dem Throne anerkannt werde. Da aber ver König, beeinflußt von feiner energiichen Gemahlin, die nicht einen Emporlömmtling, jondern einen der Enkel des deutſchen Königs zum Schwiegerſohn haben wollte, dieſe Forderung abfchlug, jo fam c8 zwilchen Zapolya und der Königin zu einem offenen Zer⸗ würfnifje, und man befürchtete fogar Wladijlaws Vertreibung ?).

1) Artitel 45 ap. Katona XVIII, 137.

2) Dies fagt Sigmund von Herberftein in feiner Selbftbiographie in „F. R. Austr. SS.“ I, 103. Zapolyas Alter giebt der venetianifche Geſandte Suriano 1516 auf 28 Jahre, deſſen Nachfolger Bon 1519 auf 34 Sabre an. Magyar törtenelmi tar XXV, 55. 154. Bgl. Mon. Hung. Dipl. V, 140.

3) Dies wird bei der an den deutſchen Reichstag geftellten Forderung

Vorläufige Bertagung biefer Pläne. 433

Dazu ift ed nun allerdings nicht gefommen. Denn auf die Nachricht von den Vorgängen in Ungarn verlangte König Maximilian vom deutſchen Neichätage, der damals in Köln verjammelt war, Unterftügung, um Wladiſlaw und feiner Ge⸗ mablin beizuftehen und feine eigenen Rechte auf die Nachfolge in Ungarn aufrecht zu erhalten. Im der That bewilligten ihm diesmal die Stände auf ein Sahr 4000 Mann. Da aud in Böhmen zur Unterftügung des Königs das Landesaufgebot ein- berufen und Nüftungen unternommen wurden, jo hielt e8 Za— polya für Hug, vorläufig jeine Pläne zu vertagen und durch DBermittelung des polniichen Prinzen Sigismund, des Bruders Wladiſlaws, eine Ausſöhnung mit der Königin zu fuchen. Wie wenig er aber daran dachte, jeinen ehrgeizigen Beitrebungen für immer zu entjagen, zeigen die offenbar zu feinen Gunften im folgenden Dftober gegen die Wahl eines Ausländers ges faßten Beichlüffe des ungariichen Reichstages, bei welchem er felbft mit 2000 Reitern erjchienen war‘). Der Erzbiſchof Thomas von Gran, der jhon mit Stephan Zapolya befreundet gewejen und von dieſem zum Mitvormund jeiner Kinder eingejegt worden war, der Palatin Emerich Perenyi und

8. Marimilians (bei Janſſen, Reichscorreſpondenz II, 689.) behauptet, und daß e8 nicht aus ber Luft gegriffen war, beweift das zugunften Wladiſlaws in Böhmen erlafiene Aufgebot (Balady V,2, 117). Der Bruch Zapolyas mit der Königin ergiebt fih aus dem Schreiben des böhmischen Kanzlers vom 15. Juli 1505 bei Palady a. a. O., N. 80, über die Wiederausfühnung. Daß Zapolya vor Ludwigs Geburt die Hand ber Prinzeffin Anna zu erlangen ſuchte, aber die Königin gegen diefe Mesalliance war, fagt ber gleichzeitige Nagufaner Tubero ap. 'Schwandtner II, 335, und ift aud an fi wahrſcheinlich. Daß im Suni 1505 ein ungarifcher Reichstag abgehalten ward, ergiebt fi aus der allerdings gar zu lakoniſchen Notiz des Sanuto VJ, 188 zum 19. 3uni di Hongaria: certa dissension fra quelli signori e diete si fa. Ebd. p. 193 zum 19. Juli, di Hongaria, piü lettere Di le dis- cordie di fioli fo dil conte palatino (de8 Stephan Zapolya). Einen genauen Einblid in den Gang der Erxeigniffe erhält man allerdings beim Mangel eines gleichzeitigen ungarifchen Hiftorifers nicht.

1) Sanuto VI, 252, di Hongaria zum 4. November.

Huber, Geſchichte Öfterreiche. II. 28

434 Bertrag über eine Doppelheirat zwifchen Habsburgern und Iagellonen.

andere Große ſcheinen damals noch feine Pläne unterftügt zu baben !).

Allein Wladillam war mit den Tendenzen der nationalen Partei durchaus nicht einverjtanden und fuchte fie zu vereiteln. Schon um die Mitte des Dezember iſt ein ungariicher Ge- jandter beim Könige Martmilian in Linz, der mit ihm in ver« traulichſter Weiſe unterhandelt 2). Mit einer neuen ungarijchen Geſandtſchaft ſchloß Marimilian am 20. März 1506 in Wiener Neujtadt einen Vertrag, wonach jein zweiter Enfel Ferdinand mit Wladijlamd Tochter Anna und das damals von der un- gartichen Königin, die guter Hoffnung war, zu erwartende Kind, falls e8 ein Knabe wäre, mit feiner Enkelin Maria vermählt werben follte. Dieſer Vertrag, der Zapolyas ehrgeizige Pläne für immer zerjtören jollte, wurde ſchon am 27. März in Ofen vom Könige Wladillam und feiner Gemahlin Anna beftätigt und dem römtichen Könige für den Fall des Todes Wladiſlaws die VBormundichaft und der Schuk der Kinder besjelben über« tragen 8).

Es ift leiver völlig unbelannt, was Maximilian bewogen bat, troß des freundichaftlichen Entgegenfommens des Königs Wladiſlaws, der mit ihm felbit gegen den Willen feiner Großen in denburg eine Zufammenfunft halten wollte, Anfangs Mai burch feine Leute die Teindjeligkeiten beginnen und die ungaris» ichen Grenzgebiete verwüften zu laffen. Es war jedenfalls eine ſehr unkluge Politif, wenn er nur an den ungariichen Großen für die Beichlüffe des legten Reichsſctages Nache nehmen wollte, Denn wenn Wladiſlaw nicht die Entrüjtung und den Haß aller Ungarn gegen fich beraufbeijchwören wollte, konnte er unmöglich biejem Kampfe rubig zuſehen. Obwohl Marimilian gleichzeitig Geſandte nach Dfen ſchickte, welche die Erklärung abgaben, daß er auch fortan ein Bruder des ungariichen Königs fein wolle

1) Szalay III, 2, 120f. Bgl. ©. 88, N. und ©. 97. 2) Nah Schreiben des venetianifchen Gefandten bei Sanuto VI, 276,

3) Kollar, Auctar. dipl. ad Ursini Velii hist. de bello Pannon., P. 324g. extr., auch ap. Katona XVIII, 439sqg.

Friede zwiſchen 8. Mar und Ungarn. 435

und nicht8 anderes verlange, als daß die Ungarn ihre eiblichen Derpflichtungen ibm gegenüber hielten, jo wurde doch am 7. Mai der Krieg erklärt und die Aufftellung eines Heeres unter Anführung des Biſchofs von Fünffirchen, Georg Szal maͤry, angeordnet ?).

Es zeigte fich aber jett Har, daß die Ungarn wohl ſtark in Worten, aber nicht geneigt waren, für bie Verteidigung ber Unabhängigkeit ihres Neiches Opfer zu bringen. Es jcheinen nicht jo viele Zruppen zufammengelommen zu fein, daß man fih den Deutfchen Hätte entgegenftellen können. Eifenftabt, Oden⸗ burg und Preösburg fielen in bie Hände der Zruppen Marl milians. Die £roatifchen Grafen Johann Frangepane und Jo⸗ hann von Corbavien wie Johann von Kanifa traten zu dem⸗ jelben über. Durch bie Niederbrennung einiger äfterreichiicher oder fteirifcher Dörfer ?) wurden dieſe Erfolge nicht aufge wogen.

Doch waren die Verbandlungen auch nach dem Ausbruche der Feinbfeligfeiten nie ganz abgebrochen worden. Auf einem ungarijchen Neichötage, den der König nach Stuhlweifjenburg einberufen hatte, ftanden jich zwar bezüglich der Frage, ob man beim Mangel eines männlichen Thronerben Maximilian oder Zapolya als König anerkennen follte, die Meinungen der Prä- laten und Barone fchroff gegenüber. Am Ende gaben aber doch auch die Stände ben von Wladiſlaw an Marimilian ges ſchickten Geſandten am 24. Yunt unbedingte Vollmacht zum Abſchluſſe eines Friedens. Diefer wurde am 19. Juli in Wien unterzeichnet und vom Könige Wlabillam am 5. Auguft be- ftätigt. Der römische König hat darin ſich und feinen Erben alle Rechte auf Ungarn ausprüdlich vorbehalten, während die ungariihen Bevollmächtigten die Anerkennung derjelben abge- lehnt zu haben fcheinen, da fie nur die Haltung jener Artikel

1) Sanuto VI, 342sq. gl. 332 (zum 30. April). 336. 338. 840 (zum 18. Mai) und die Schreiben bei Szalay IIL,2, 123ff. und Bei Palady V,2, 120. |

2) Sanuto VI, 370. 375 di Elemannia. Bgl. den Friedensvertrag.

28*

456 Geburt des Prinzen Ludwig und neuer Ehevertrag.

verfprachen, welche mit Übereinftimmung beider Teile gemein- Ichaftlich abgefaßt worden wären ’).

Doch ſchien gerade dieſe Frage ihre Bedeutung verloren zu haben, da am 2. Juli dem ungariichen Könige ein Prinz ge- boren worden war, welcher nach dem Fürften, unter dem Un⸗ garn die größte Ausvehnung gehabt Hatte, ven Namen Ludwig erhielt 2). Die Königin Anna ftarb aber am 26. Juli an einem Wochenbettfieber, das man ungeſchickterweiſe durch einen Aderlaß zu befeitigen gejucht Hatte.

Dearimiltan juchte feinen Nachlommen den Beſitz der Länder Wladiſlaws auch unter den durch Ludwigs Geburt geänderten Verhältniffen zu fihern. Er fand aud beim Könige Wladiſlaw bereitwilliges Entgegenfommen, da biefer ebenfalls eine Familien» verbindung mit dem Taiferlichen Hauje jeder andern vorzog und fich für den Fall eines Türkenkrieges die Unterftügung ſter⸗ reichs und Deutichlands fichern wollte. Im Sabre 1507 wurde ben fchon im Jahre vorher gejchlojjenen Verträgen entiprechend in bindender Form eine Doppelheirat zwilchen den Nachkommen beider Könige verabredet. Einer von Marimilians Enteln, Karl und Ferdinand, jener nämlich, der zum Nachfolger im Erzherzogtum Oſterreich, in der Grafichaft Tirol und in den dazu gehörenden Fürjtentümern und Provinzen beftimmt werden würde, jollte die ungariſche Prinzeffin Anna, deren Bruder Ludwig aber Marimiliand jüngjte Enkelin Katharina oder, wenn fie früher mit Tod abginge, deren Schweiter Maria hei- raten 8).

1) Die Friedensurfunden und die vorausgehenden Vollmachten bei Katona XVIIl, 444-457. 2gl. Sanuto VI, 346sq. 349. 856. 357. 370. 375 5q. 380.

2) Sanuto VI, 3758q. und 388, nad) Berichten bes venetianifchen Geſchäftsträgers. Daß der Prinz noch nicht vollkommen ausgebildet ge- wejen und deswegen in bie Häute frifch gefchlachteter Tiere gelegt worben fei, berichtet Leine ältere Duelle.

3) Die Urkunde 8. Wiadiflaws vom 12. November 1507 bei Katona XVII, 522. Bol. bei Sanuto VII, 1368q. den Bericht vom 18. Auguft aus Ungarn über die Abfendung eines Gefandten (wahrſcheinlich des frü⸗ beren Großwarbeiner Biſchofs Pruiß, der in den Franzisfaner Orben getreten war) an K. Maximilian in biefer Angelegenheit.

Wieberausbruch des Krieges mit ben Türken. 457

Wie gewaltig aber die Gegenftrömung zugunften Zapolyas in Ungarn noch immer war, fieht man daraus, daß diefer vom Neichötage des Jahres 1507 neben dem Balatin zum Generals kapitän bes Reiches ernannt und mit wichtigen Gefchäften be« auftragt ward !), daß er drei Jahre fpäter vom Könige das Amt eines Woywoden von Siebenbürgen erhielt und daß Wla- billam auch die VBermählung feines Bruders Sigismund, Königs von Polen, mit Johanns Schwefter Barbara unterjtügte, obs wohl dies die Hoffnungen des ehrgetzigen Mannes noch mehr jteigern mußte.

Auch traten bald Ereigniffe ein, welche das Anfehen Zapos lyas bei den Ungarn außerordentlich vermehrten.

Der im Jahre 1510 zu Ende gehende Waffenftiliftand mit der Pforte fonnte bei der Friebensliebe Bajeſids II. wiederholt verlängert werden 2). Anders gejtaltete fich die Lage, als biefer Sultan im Frühjahre 1512 durch feinen Friegeriihen Sohn Selim I., einen leidenſchaftlichen Feind der Chriften, geftürzt ward. Zwar war auch dieſer nicht gerade gegen die Verlängerung der Waffenrube, da er anfangs mit jeinen Brüdern, dann mit dem Schab von Perfien zu fämpfen hatte und endlich den Krieg gegen die Mameluken begann, um ihnen Shrien und Ägypten zu entreißen. Aber die Unterbandlungen zwifchen Ungarn und dem Sultan zogen ſich jahrelang Hin, und unterdeffen nahmen die Paſchas der Grenzprovinzen die gewohnten Raubzüge wieder auf, die von ungariichen Generalen nad Kräften abgewehrt und eriwibert wurden.

Schon im Herbit 1512 nahmen die Türken den Ungarn drei Burgen, wahrjcheinlih in Bosnien, weg, erlitten dagegen durh Stephan Baͤthory, Grafen von Temes und Befehls⸗ baber in Niederungarn, bei Belgrad eine Schlappe; einen mit acht Pferden befpannten Wagen voll Zürfentöpfen ſchickte Baͤ⸗ tbory an den König Auch im folgenden Sabre dauerten bie

1) Katona L. c. 48ösqg.

2) Wir haben barliber nur venetianifche Berichte bei Sanuto X, 22. 130. 760. 851; XI, 44. 45. 164. 673; XII, 240. 586; XIII, 197,

438 Wirkung ber Kreuzprebigten auf die Bauern.

Angriffe der Türken noch fort; mehrere Burgen in Kroatien und im dalmatiniichen Birmenlande wurden von ihnen erobert, bis gegen Agram und Zemesvar das Land ausgeraubt und verwüſtet *). Erſt ein Sieg, den Peter Beriszlö, Biſchof von Beizprim und Vizeban von Kroatien, am 16. Auguft 1518 bei Koftainicza an ber Unna erfodht, wo bie Zürfen 3000 Tote und Gefangene verloren, wie ein gleichzeitig von Zapofya gegen den Willen des Königs unternommener Zug bis unter die Mauern von Semenbria verfchafften den Ungarn für einige Zeit Ruhe. Aber die Unterhandlungen über den Abichluß eines dauernden Waffenſtillſtandes hatten noch immer nicht zu einem Ergebnifje geführt, und man war in Ungarn in großer Angft, daß die gewaltigen Nüftungen des Sultans gegen dieſes Reich gerichtet jeien und daß Selim tm Sabre 1514 einen Zug bis. Peſt und Dfen beabfichtige.

Da kam im März 1514 der Karbinalerzbiihof von Gran Thomas Bakacs, der wegen bes lateranenfiichen Konzils in Rom gewefen war, nad Ungarn zurüd, verfehen mit einer Bulle des Papftes Leo X., die ihm auf drei Jahre zum Zwecke eines Krieges gegen die Türken zum Xegaten in Ungarn und ganz Oftenropa ernannte ?). Trotz bes Abratens der hervorragend⸗ ften Mognaten ließ er in Ungarn das Kreuz gegen bie Uns gläubigen prebigen.

Diefer Aufruf Hatte bejonders bei den Bauern, welche mit dem zunehmenden Berfall der Zöniglichen Gewalt von den Großen immer mehr bebrüdt wurden ®), ganz unerwarte Wir⸗ tungen. In jolchen Maſſen ftrömten biejelben an verjchievenen Orten, bejonders in Ofen und Peft zufammen, daß den Herren offenbar vor ihnen bange wurde. Sene verlangten, daß man ihnen Anführer gebe und der Adel fie beim Kampfe gegen bie

1) Sanuto XIV, 272. 549; XV, 346. 408; XVI, 57. 241. £61. 291. 326. 409. 475. Für die folgende Zeit die Auszüge aus Sanuto im „Magyar törten. tar‘‘ XXIV, 240sqg.

2) Vom 15. Juli 1513 ap. Theiner, Vet. Mon. Hung. II, 594.

3) Manches darüber bei Neuftabt, Ungarns Berfal am Beginn des XVI. Jahrhunderts. „Unger. Revue” 1885, ©. 338 ff.

Ausbruch bes Bauernfrieges. 439

Türken unterftüge. Da aber unterbeifen ein Schreiben des Sultans Selim eingetroffen war, daß er die mit feinem Bater abgefchloffene Waffenruhe Halten wolle ?), fo erflärte der Karbinal auf das Drängen der Magnaten den Kreuz« fahrern, nachdem man fie unter einem guten Vorwande aus Dfen und Peſt entfernt hatte, daß man ihre ‘Dienfte nicht mehr brauche und daß fie nachhaufe ziehen follten. Die Kreuz« fahrer (kurocok), durch einige in ihren Reiben befindliche Briefter und Mönche mit großem Glaubenseifer erfüllt, wollten indeſſen von einem Frieden mit den Ungläubigen nichts willen. Da ihnen zugleich die Bilchöfe und Magnaten eine für die Heim- reife erbetene Geldunterſtützung verweigerten, jo begannen bie zügellojen Haufen auf den Gütern der Adeligen zu rauben und verübten verjchiedene Gewaltthaten. So ging diefer Kreuz. zug um die Mitte bes Diat in einen furchtbaren Bauernfrieg über. Denn nachdem einmal der Boden des Gefeges verlafjen war, fannten die rohen Banden, unter denen ſich auch viele beruntergelommene Edelleute befanden, für ihre wilden Leiden⸗ ſchaften feine Schranken mehr. Die Adelsſitze wurden audges plündert und niebergebrannt, viele Herren auf Pfähle geftect, Frauen und Töchter gejchändet.

Der von den Bauern gewählte Anführer Georg Dozia, ein Szefler, der fich furz vorher bei Belgrad durch einen glüd- lichen Zweilampf mit einem Türken einen Namen gemacht batte, jirebte eine vollitändige Vernichtung der Adelsherrichaft an. „Fürſt und oberjter Hauptmann des gefegneten Volkes der Kreusfahrer, nur des Königs von Ungarn und nicht der Herren Untergebener“ nennt er fih in einem Schreiben. In alle Dörfer und Stäbte jenbete er einen blutigen Pfahl und drohte allen Bewohnern mit dem Tode und dem Verluſte ihrer Güter, wenn fie fich ihm nicht anfchlöffen. In der That fol die Zahl der Aufftändiichen auf wenigftend 60000 Mann ges ftiegen fein. ‘Die Gefahr und Angſt des Königs und ver bei

1) Sanuto in „Magyar törtönelmi tar“ XXIV, 249 nad Bericht des venetianifchen Gejanbten vom ... April.

440 Gefangennehmung be8 Bauernführers Dozfa.

ihm in der Ofener Burg befindlichen PBrälaten und Magnaten war um fo größer, als das Gefindel in Ofen und Peſt mit den Bauern ſympathiſierte. Nach allen Teilen Ungarns wie nach den böhmischen Ländern ergingen Wladifſlaws Hilferufe.

Dozſa, der feine Haufen auch militärifch zu organifieren verftand, Hatte fich ſchon im Mai gegen Stephan Baͤthory, den Befehlshaber in Niederungarn, gewendet, venfelben befiegt und zur Flucht über die Maros gezwungen, die Stabt Cſanaͤd eingenommen, den dortigen Bilchof Nikolaus Ejäfy pfählen und mehrere hervorragende Adelige, die in feine Hände fielen, Hin« richten laffen. Bon da wendete er fich nach Temesvar, wohin Baͤthory fich zurüdgezogen hatte, und belagerte dieſen im dor⸗ tigen Schloffe, welches wegen der ftäten Türkengefahr fehr ſtark befejtigt worden war.

Während Dozſa nun mehrere Wochen vor Zemesvar Yag, zog ein Haufe von 3000 Dann am Ende des Juni gegen Peft, um fich diefer Stadt zu bemächtigen. Doch wurde bera fefbe von Johann Bornemiſza, dem Befehlshaber ver Ofener Burg, mit 1000 Mann angegriffen und volfftändig aufgerieben, 400 Dann getötet, der Reſt meift gefangen. Don diefen wurde ber größte Zeil nachhauſe entlaffen, nachdem die Bauern die Erklärung abgegeben hatten, daß fie nur durch Zwang in biefe Gefellichaft gefommen feien, 16 Hauptichuldige aber am fol« genden Tage gepfählt.

Ungefähr einen Monat darauf kam auch der Woywode Jo⸗ bann Zapolya mit 22000 Dann aus Siebenbürgen dem be lagerten Temesvar zubilfe. ALS er im Angefichte der Feinde jtand, ließ er verkünden, daß alle, die fich von ihrem Führer trennten, gejchont werben würden. Wurde ſchon dadurch Un⸗ ficherheit in die Reihen der Bauern gebracht, fo ward ent« ichetvend, daß Dozſa felbft bei einer Refognoszierung von Peter Petrovicd verwundet und gefangen wurde. Das Heer löfte fih auf, ein Zeil ftürzte fich in die vegellofe Flucht, die anderen wurden niedergehauen oder gefangen.

Zapolya. jchändete feinen Sieg durch barbariiche Grauſam⸗ keit, die fich ſelbſt durch bie vorhergehenden Greuelthaten ber

Blutige Unterbrüdung bes Auſſtandes. 441

Bauern nicht genügend rechtfertigen ließ. Auf feinen Befehl wurbe der veriwundete Dozia an einen glübend gemachten Sefjel gebunden, mit glübenden Zangen gezwickt, mit ciner glühenden etiernen Krone gekrönt und dann mehrere von jeinen Leuten, die man lange hatte bungern lafien, gezwungen, vom Fleiſche ihres noch lebenden Anführers zu eijen. Endlich ward dieſer enthauptet und gevierteilt, das Haupt nach Szegebin, bie üb- rigen Xeile jeines Leibes nach anderen Städten geſchickt. Auch von feinen Leuten wurden viele hingerichtet.

In ähnlicher Weiſe verfuhr man in Ofen beſonders gegen gefangene Geiftlihe. Ein Priefter wurde gevierteilt, ein Mönch gebraten, am Tage darauf ein Geiftlicher gepfählt, ein zweiter geräbert, ein dritter gevierteilt.

Noch ftand außer einigen Hleineren Haufen ein Prieſter Namens Lorenz Meizaros im Felde, deſſen Heer man auf 16000 Köpfe ſchätzte. Auch diejes wurbe burch die Truppen Zapolyas aufgerieben, Lorenz felbft aber, den man als ben Hauptanftifter der von Dozſa verübten Greuelthaten bezeich- nete, ſcheint ji durch die Flucht gerettet zu haben, ijt wenig- ſtens nie in die rächenden Hände feiner Gegner gefallen. 40000, nad) anderen gar 70000 Menſchen, darunter 400 Edelleuten bat dieſer Krieg das Leben gefoftet ?).

1) Für die Gefchichte dieſes Bauernkrieges haben ſich die ungariſchen Hiſtoriker hauptſächlich an Sftvan fi gehalten, ber allerdings den zu⸗ ſammenhängendſten und detaillierteſten Bericht giebt, aber, da er mehrere Menſchenalter fpäter ſchrieb, doch nur Glauben verdienen kann, wo er ſich auf ältere Berichte ſtützt. Manche Angaben, z. B. daß bei Temesvar eine förmliche Schlacht geliefert worden ſei, ſtehen mit allen anderen Be⸗ richten in Widerſpruch. Bon den Zeitgenoſſen iſt Cuspinianus, Diarium de congressu Maximiliani etc. im Anhange zur Ausgabe de Caesaribus von 1601, p. 497, nur kurz, Tubero ap. Schwandtner II, 329 qq. zeigt Fi infolge feiner räumlichen Entfernung ebenjo wie der beifpielloß ungebilbete Georg Sirm. Mon. Hung. 88, I, höngg., mangelhaft unterrichtet. Auch ber von Sanuto zum 27. Februar 1615 aufgenommene Beriht des Janus Vitalis Panormitanın and Nom („Magyar törtenelmi tar“ XXIV, 2958gg.) hat nur ungenane Made richten. Die 1519 verfaßte Stauromachia des Stephanun Tanrinuns Stierschſel) ap. Engel, Mon. Ungrica, p. 118—184, if das Miert

442 Knechtung des Bauernftandes.

Der Adel benutzte diefen Aufftand der Bauern, um unter dem bequemen Vorwande einer gerechten Strafe alle Ver⸗ fügungen, welde in früherer Zeit von einzelnen Königen zur DVerbefferung ver Lage derjelben getroffen worden waren, zurüd- zunehmen und ben ganzen Stand in die bärtefte Leibeigenſchaft berabzubrüden. Nach den Beſchlüſſen, welche ber auf ben 18. Oktober berufene Reichstag faßte '), ſollten nicht bloß alle Anführer und die Anftifter ver Bewegung wie alle, welche Mord⸗ tbaten begangen oder rauen und Jungfrauen entehrt Hätten, noch nachträglich Hingerichtet, und die am Aufſtande Beteiligten zur Vergütung alles angerichteten Schadens und zur Zahlung bes Wergeldes für die erichlagenen &delleute angehalten werben, jondern alle Bauern für immer der Treizügigfeit beraubt und ihren Grundherren unterworfen jein. Jeder Bauer follte feinem Herrn einen Tag in der Woche Fronpienjte leijten, von allen Seldfrüchten und vom Weine den Zehnten entrichten und außer ben bisherigen Abgaben jährlich einen Dukaten zahlen und zwölf Hühner, zwet Gänje und je zehn zufammen ein gemäftetes Schwein liefern. Jedem Bauern, bei dem man fortan eine Büchſe fände, follte die rechte Hand abgehauen, Fein Dann von bäuerlicher Herkunft vom Könige auf einen bijchöflichen Stuhl erhoben werben, widrigenfalls niemand verpflichtet wäre, ihm einen Zehnten zu entrichten.

Die Adelsherrſchaft wurde dadurch noch mehr befeftigt, daß

eines Humaniften, ber dem poetiſchen Zwede die geſchichtliche Treue ge- opfert bat. Am verläßlichfien find die von Palacky, Geld. Böhmens V,2, 300ff. und 311f. mitgeteilten Schreiben bes böhmiſchen Kanzlers Sternberg, des Königs Wlabiflam und Lews von Rozmital, wie der Be- richt bes alten böhmischen Annaliften, dann ber von Sanuto zum 2. Sep⸗ tember 1514 eingereichte Brief eine® Nicolo de Zuanne an Chriftofal Morofini aus Ofen („Mag. tört. tar“ 1. c. 277—280). Bol. aud (ibid. 289) einen Bericht aus Laurana, die Berichte des ungarischen Ge- fandten in Ofen, der am 13. Mai noch nicht8 von Unruhen meldet, vom 29. Juli und 14. Auguſt, bei Sanuto (ibid. p. 261. 276) wie die Ur- funden ap. Katona XVIII, 720. 726—729, und in „Szazadok“ 1872, ©. 439—446.

1) Katona XVII, 729aqq. Auch im Corp. Jur. Hungar. I, 325.

Steigendes Anfeben Zapolyas. 443

gerade in diefer Zeit Stephan Verböczy, Protonotar bes Juder Curiä, den Entwurf eines Gefetzbuches vollendete, deſſen Ab- faffung er infolge eines Reichstagsbefchluffes vom Jahre 1507 übernommen hatte. Verböczy brachte den Wuft der. bie. berigen Gelege und Gewohnheiten in ein gewiſſes Syſtem, und ba fein Werk !), ungeachtet e8 von Mängeln nicht frei war, einem dringenden Bebürfniffe abhalf und vom Könige am Schluſſe des Neichstages von 1514 beftätigt, wenn auch dann nicht befiegelt und publiziert warb, fo bat es über brei Jahr⸗ hunderte gefegliche Anerkennung gefunden. Damit hatten aber auch alle damaligen politiichen und jozialen Vorrechte der Ade- figen für immer eine bauernde gejegliche Grundlage erhalten.

Am meijten aber hatte Zapofya gewonnen, den man nad) der Niederwerfung der Bauern al8 „Befreier des Reiches“ bes zeichnete 2). Hatte diejer ehrgeizige Mann fchon füher nach der Krone geftrebt, fo glaubte er jet, wo er von ver Volksgunſt getragen war, noch eher anf biefelbe fich Hoffnung machen zu dürfen, wenn dem betagten Könige vielleicht auch jein ſchwäch⸗ liher Sohn bald in das Grab nachfolgte.

Doch fehlte e8 auch nicht an hervorragenden Männern, welche den Plänen des Woywoden entgegenarbeiten. An ber Spite verjelben ftanden der Palatin Emerich Perenyi und der Kanzler Georg Szakmaͤry, Biſchof von Fünffirchen, der neben dem Primas auf den König den größten Einfluß Hatte. Als Gegner Zapolyas arbeiteten fie naturgemäß im Intereſſe des Kaijers und für den Abjichluß der im Sabre 1507 verabredeten Doppelheirat zwiichen dem Haufe der Iagellonen und. den Habs- burgern, durch die fie auch am beten für. ihre eigenen Inter⸗ ejlen forgten. Denn wenn Wladiſlaw, wie man vorausjehen fonnte, vor ber Erreichung der Volljährigkeit ſeines Sohnes ftarb und der Sailer als Vormund und Regent in deſſen

1) Tripartitum opus juris consuetudinarüi incliti regni Hungariae betitelt. |

2) vien chiamato liberator regni berichtet ber venetianifhe Ge- fandte bei Sanuto zum 12. September („Mag. törtön. tar“ XXIV, 282).

444 Stellung des Kaifers Mar zu Polen und Rußland.

Reichen anerkannt wurde, jo fonnte die thatfächliche Ausübung ber oberftien Gewalt ihnen nicht entgehen, da es tem Kaiſer unmöglich war, fi) dauernd in Ungarn aufzuhalten 1). |

Seit dem Jahre 1510 hatte Maximilian mit dem Könige Wladillam über die Ausführung der Heiratsangelegenheit eifrig unterhandelt. Nicht weniger als zehnmal ift fein Gejanbter Cuſpinian, der Superintendent der Wiener Univerfität, vom Sahre 1510 bis zum Ausbruche des Bauernkrieges am unga« rifchen Hofe gewefen ?). Einige Zeit jcheint Wladiſſaws Bruder Sigismund, König von Polen, den Wünfchen des Kaiſers ent« gegengenrbeitet zu haben. Denn diefer hatte das Deutſchordens⸗ land Preußen von der Lehenshoheit Polens zu befreien gefucht, und eine weitere Machtvergrößerung des Haufes Habsburg war ihon aus biefem runde gegen das Intereffe Polens. Auch war es natürlih, daß Sigismund bie Krone Ungarns nad dem Erlöjchen der dort regierenden Linie ber Jagellonen am Tiebjten auf dem Haupte feines Schwager Zapolya gejehen hätte, wenn es nicht vielleicht gelang, dieſelbe feinem eigenen Haufe zu verfchaffen.

Um die Kräfte des polnijchen Krieges lahm zu legen, ſuchte der Kaiſer eine Koalition zum Schutze des deutſchen Ordens zuſtande zu bringen und verbündete ſich im Jahre 1514 gegen Polen namentlich mit dem ruffiihen Großfürjten Wafilji IIL, der feit 1512 mit Polen im Kriege war ?). Die Wegnahnte der Feſtung Smolenst durch die Ruſſen erjchredte Sigismund troß eined bald darauf erfochtenen glänzenden Sieges fo jehr, daß er wenigitend den Kaiſer von Feinbfeligfeiten abzuhalten juchte, und er wurbe in dieſer Gefinnung beftärkt durch feinen

1) gl. über die Parteiverhältnifie in Ungarn das Schreiben, welches wahrfcheinlich der Erzbifhof von Caloeſa, Gregor Frangepane, ein At bänger Zapolyas, im Sabre 1512 an den polnifchen Unterfanzler Szyb- lowiedi gerichtet hat, in Acta Tomic. III, 297 gg.

2) Nach den Angaben in feinem ZQagebuche „F. R. Austr. SS.“ I, 403 gg.

3) ©. Fiedler, Die Allianz zwiſchen Maximilian I. und Wafitji Ivanovie in „Sigungsber. d. kaif. Atad.“ XLIII, 183 ff.

Der Kongreß zu Wien 1515. 445

Kanzler Szydlowiecki und den Vizekanzler Tomtict, welche ihre Würden den Empfehlungen bes Königs Wladiſlaw, alfo der Derwendung des Hoffanzlers Szalmäry, des Hauptes ver fotjerlicden Bartei in Ungarn, verdankten, während Zapolya gegen Zomidt gearbeitet hatte. Im November 1514 trafen Cuſpinian und Szydlowiecki in Ofen eine Übereinkunft, daß tm Februar des folgenden Jahres die Könige von Ungarn und Polen in PBresburg, der Kaifer in Haimburg fich einfinven "und dann über den Ort einer Zuſammenkunft fich einigen ſollten.

Wladiſlaw und Sigismund erſchienen denn auch Ende des März 1515 in Presburg. Dagegen blieb der Kaiſer, vielleicht durch andere Geſchäfte feſtgehalten, vielleicht auch aus Mangel an Geld, ruhig in Augsburg und kam erſt am 10. Juli nach Wien, als ſein Geſandter der Kardinal Matthäus Lang bereits bie wichtigſten Fragen erledigt hatte. Der Einladung Mari⸗ milians Folge leiſtend, begaben ſich auch die Könige Sigismund und Wladiſlaw mit ſeinen Kindern am 17. Juli nach Wien, wo der Kaiſer ſeine zahlreichen Gäſte durch die glänzendſten Feſte ) ebenſo wie durch feine bezaubernde Liebenswürdigkeit entzückte.

Hier wurden am 22. Juli die Verträge unterzeichnet, welche das öſterreichiſche und das böhmiſch⸗- ungariſche Herrſcherhaus auf das innigſte mit einander verknüpften. Der ungariſche Kronprinz Ludwig wurde mit des Kaiſers Enkelin Maria und der Kaiſer ſelbſt mit der ungariſchen Prinzeſſin Anna ver⸗ mählt 2), doch früher ausgeſprochen, daß dieſe Ehe Maximilians mit Anna ungültig ſein ſollte, wenn einer ſeiner Enkel, Ferdi⸗ nand oder Karl, binnen einem Jahre die Ehe einginge. Voll— zogen follten die Ehen erft werden, wenn die Gatten ein ent«

1) Der engliſche Geſandte Wingflelb, ber in feinen Depefchen eingehende Schilderungen liefert, ſchätzt die Koften auf 200000 Golbgulden! Bre- wer, Lettres and papers D, 1, 202, no. 766.

2) celebrata et firmata sunt sponsalia per verba matrimonialia et de praesenti, alfo nicht eine bloße Verlobung, wie bie neueren Ge⸗ ſchichtſchreiber annehmen.

446 Die Wiener Verträge und ihre Bebentung.

Iprechendes Wer erreicht hätten. Es geſchah die im Sabre 1521, nachdem ſchon im März 1516 der Erzherzog Ferdinand die Vollmacht ausgejtellt hatte, die Ehe mit der Prinzeſſin Anna durch Prokuration abzufchliegen. Um den ungarifchen Kronprinzen noch enger mit dem Hauje Habsburg zu verbinden, nahm ihn der Raifer am 20. Juli an Sohnes Statt an, er» nannte ihn zum Reichsvikar und übertrug auch bie Kaiſerwürde auf denfelben, indem er die Kurfürften aufforderte, nach jeinem Tode benjelben zu feinem Nachfolger zu wählen. Ernſt bat* Maximilian diejes Verſprechen freilich nicht genommen. Denn er wußte wohl, daß die Kurfürften ſich um dieſen Wunſch wenig fümmern und auch Ludwig als Reichsvikar fich nicht gefallen lafien würden. Auch bat ihn diefer Schritt nicht abgehalten, jelbft mit allem Eifer für die Wahl feines älteren Enkels zu wirken. Auch die Adoption Ludwigs war eine leere Forma lität, da zugleich ausgejprocden wurde, daß dadurch dem Erb» rechte der Erzberzoge Karl und Ferdinand und ihrer Schweitern nicht gejchadet werben follte. Das Ganze war nichts als eine glänzende Seifenblafe, wie fie Maximilian öfters vor Den Augen eitler Männer aufjteigen ließ, ohne freilich immer den entiprechenden Eindruck bervorzubringen ?).

Dagegen hat Marimilian dur die Wiener Verträge doch große Vorteile erzielt. Blieb ber ungariihe Kronprinz am Leben, und erhielt er Nachkommen, ſo jaß in der Ofner Königs⸗ burg eine Dynaſtie, welche mit ver habsburgiſchen jehr nahe verwandt war, und aller Vorausficht nach für lange Zeit mit biefer befreundet blieb. Starb er ohne Erben, jo konnte während feiner Lebenszeit feine Gemahlin die Gelegenheit wahr«- nehmen, die öfterreichiiche Partei zu verftärfen und zu organi»

1) Über die Wiener Verträge und bie vorhergehenden Verhandlungen feit 1511 f. &. Liste, Der Eongreß zu Wien im Jahre 1515. „Forſch. zur deutſchen Geſch.“ VII, 463—558. Bol. H. Ulmann, MarimilianL ig dem CEonflicte zwifchen dem deutſchen Orben in Preußen und Polen,

ef. in den Sahren 1513—1515, ebd. XVII, 89ff., und Liste, Ter Wiener Eongreß von 1515 und bie Politik Marimilians I. gegenüber Preußen und Bolen, ebd. S. 445 ff.

Niederlage Zapolyas in ber Türkei, 447

fieren, damit dann der Nachfolge des Haufes Habsburg feine Hinderniſſe entgegengejegt würden. Dabei war ed von-Wichtig- feit, daß Ludwigs einzige Schwefter mit dem. Erzherzoge Ferdi⸗ nand vermählt war, da jene beim finverlojen Ableben ihres Bruders in Böhmen die vechtmäßige Thronfolgerin war, während ihr Erbredht in Ungarn den Anjprücen der Habsburger, bie fih auf die Friedensichlüjfe von 1491 und 1506 ftüßten, nicht bloß nicht entgegenftand, ſondern diejelben verſtärkte. Es war ihon dadurch viel erreicht, daß Anna jet zur weiteren Er- ziehung in die Hände des Kaiſers überliefert und bamit jebe Möglichkeit, fie mit Zapolya oder einem anderen Gegner des Haufes Habsburg zu vermählen, für immer abgefchnitten warb.

Daher hatten denn auch die meijten Magnaten, welche im Gegenſatz zur Mehrzahl der Biſchöfe Anhänger Zapolyas waren, in Presburg alles in Bewegung geſetzt, um ben Abjchluß der Heiratöverträge mit dem Hauje Habsburg zu Hintertreiben. Der Woywode ſelbſt hatte fich trog wiederholter Einladung geweigert, am Kongrejje teilzunehmen. Er unternahm unter» deſſen eigenmächtig einen Angriff auf eine türkiiche Grenzburg zwiichen Belgrad und Semendria, indem er hoffte, als Über winder der Ungläubigen zurüdzufehren und dann, getragen von der Gunſt des ungariichen Adels, feine Forderungen auch dem Könige gegenüber durchiegen zu können. Aber nicht den Xorbeer- franz des Siegers gewann er, jondern er erlitt nicht ohne eigene Schuld eine jchmähliche Niederlage ') und verjegte da— durch jeinem Anſehen einen Schlag, von dem er fich längere Zeit nicht mehr erholte. Daher erhob fich jet in Ungarn gegen die Wiener Verträge nicht die geringfte Oppofition ?), und als Wladiſlaw II. am 13. März 1516 ftarb, wurde von ihm den fchon in Wien getroffenen Verabredungen entjprechend,

1)Tubero ap. Schwandtner Il, 335. Georg. Sirm,, p. 7TLsqq. Vgl. Sanuto in „Mag. tört. tar“ XXV, 13, nad Bericht des vene⸗ tianifchen Gefandten in Ungarn vom 14. Mai, wonach Zapolyas Nieder- lage am Anfange dieſes Monats ftattgefunden baben muß.

2) ©. Liste in „Forſch.“ VII, 550ff., ber namentlih auch das Märchen Iftvanfis von der Oppofition des Palatins widerlegt.

448 8. Marximilians Bemühungen, feinem Entel Karl

ber Kaiſer neben Sigismund von Polen al8 Obervormund des zehnjährigen Königs Ludwig beitellt.

Wie Marimilian durch die Wiener Verträge jeinen Nache fommen Ausfiht auf den Befig von Ungarn und Böhmen verichafft hatte, jo fuchte er auch jeinem älteren Enkel Karl von Spanien die Nachfolge auf den Kaiſerthron zu jichern. Unmöglih fonnte er fich dieſer Trage gegenüber noch länger gleichgültig verhalten, nachdem Franz I. von Franfreih im Trühjahre 1517 mit einzelnen beutjchen Kurfürjten Verhand⸗ lungen angelnüpft und ihnen große Summen und andere Vor- teile in Ausficht gejtellt Hatte, um für ven Fall der Erledigung ber Kaiſerwürde ihre Stimme zn erhalten, und demſelben noch im nämlichen Sabre von den Erzbiichöfen von Trier und Mainz, dem Markgrafen von Brandenburg und dem Nheinpfalzgrafen mehr oder weniger bindende Zuſicherungen gemacht worden waren !).

Im Sommer 1518 auf einem Reichötage in Augsburg ſuchte Maximilian durch perfönliche Einwirkung auf die Kurs fürften diejelben jeinen Wünjchen geneigt zu machen. Freilich blieb nichts übrig, als die Verſprechungen, welche Frankreich gemacht hatte, noch zu überbieten. Den Kurfürſten von Branden- burg gewann der Kailer dadurch, daß er dem Erbprinzen Die Hand feiner Entelin Katharina und eine Mitgift von 400 000 Goldgulden zuficherte. Deſſen Bruder Albrecht, Erzbiihof von Mainz und Magdeburg, dem der Kaiſer gerade die Kardinals⸗ würde verichafft hatte, ſollte 52000 und eine Penfion von 8000 ©oldgulden, der Kurfürft von der Pfalz 100000 und

1) S. darüber wie liber die folgenden Bemühungen 8. Marimilians und Karls ſelbſt Mignet, Une Election à l’empire „Revue des deux mondes“ 1854 V, 209sqgq. G. de Leva, Stor. doc. di Carlo V. I, 280599. Droyfen, Geſchichte der Preußiſchen Politit II, 2, 88 ff. R. Rösler, Die Kaiſerwahl Karls V., ©. 26fl. C. v. Höfler, Carls J. (V.), Königs von Aragon und Caſtilien, Wahl zum römiſchen Könige. Wien 1873 (aus dem „Sitzungsber. d. kaiſ. Akad.“, 70. Bd.). Baumgarten, Die Politik Leos X. in dem Wahlkampf der Jahre 1518 und 1519. „Forſch. zur Deutſchen Geſch.“ XXIII, 521fj. Baum- garten, Geſch. Karls V. I, 107 ff.

die Nachfolge im Reiche zu verfchaffen. 449

eine Penfion vom jährlich 6000 Goldgulden, der Erzbifchof von Köln 20000 und jährlich 6000 Goldgulden erhalten. Auf für die Räte einzelner Kurfürften wurde bas Geld nicht gefpart. Am 27. Auguft erhielt dann Maximilian von den Kurfürſten von Mainz, Köln, Pfalz und Brandenburg und den Gefandten des Könige Sigismund von Polen ald Vormünder des böhmi⸗ Ihen Königs das urkundliche Veriprechen, daß fie Karl von Spanien zum römiſchen Könige wählen würden. Nur zwei Kurfürften Hatten fich dieſer Zuficherung nicht angefchloffen, ver Erzbiichof von Trier, weil er die Erhebung bes franzöftichen Königs wünfhte, und ber Kurfürft von Sachſen, ver bi zur Wahl jelbjt freie Hand behalten wollte. Die Mehrheit fchien gefichert, und man glaubte, fpätejtens im Januar in Frankfurt die Wahl Karls vornehmen zu können.

Indeſſen waren aber doch noch verjchiedene Schwierigkeiten zu bejeitigen. Daß Karl die ungeheueren Summen zur Ers kaufung der Kurfürften und ihrer Räte, die fich im ganzen auf 550000 Goldgulden beliefen, in dem durch viele Kriege erichöpften Spanien nicht jo bald aufbrachte, war noch das wenigſte. Schwerer wog die von feinen Gegnern erhobene Einwendung, daß nach dem bisherigen Herlommen ein römijcher König nur gewählt werden konnte, wenn nicht fchon ein folcher vorhanden war, aljo wenn Marimilian die Kaijerfrone em- piangen hatte, und daß durch eine Bulle Clemens IV. die Vers einigung Neapels als eines päpftlichen Lebens mit dem Kaiſer⸗ reiche ausprüdlich unterfagt worden war. Nur ver Bapft fonnte von dieſem Verbote bispenfieren, nur er Maximilian zur Kaiſerkrone verhelfen, die er, da biefer nicht nah Rom ziehen fonnte, nach Trient fenden und bier demſelben durch zwei Kardinäle auffegen laſſen ſollte. Dazu war aber Leo X. nicht zu bewegen. So fehr er auch die Übergriffe des mächtigen Frankreich fürchtete, fo bangte e8 ihm doch noch mehr vor Karl von Spanten, wenn diefer zu feinen ausgebehnten Reichen auch noch die Kaiſerwürde erhielt. Beſonders aber glaubte er für feinen heißgeliebten Neffen Lorenzo mehr Gewinn an Gelb und Befigungen vom franzöſiſchen ald nom ſpariſchen Konige

Huber, Geſchichte Ofterreichs. III.

450 K. Marimilians I. Tod.

herausſchlagen zu können. Daher ließ er dem Kaiſer ſchöne Worte geben, verweigerte aber die Erfüllung der Wünſche des⸗ ſelben und ſchloß ſich immer enger dem Könige von Frank⸗ reich an.

Während der franzöſiſche König die Verzögerung einer Ent. ichetvung zur Anktnüpfung neuer Verhandlungen mit den deutſchen Kurfürjten benugte, fand Morimilion ein unerwartete Ende. Bon Augsburg war derjelbe im Herbſt 1518 nach Tirol ge reift, wo die Wirte von Innsbruck jein Hofgefinde nicht auf- nehmen wollten, weil bie Regierung ihnen die Koften eines früheren Aufenthaltes des Kaijers, 24000 Gulden, noch nicht bezahlt Hatte. Diefe Schmach regte den Kailer jo auf, daß er von einem ernitlichen Unwohlſein befallen wurde. Trotzdem zeifte er teils zu Schiff auf dem Inn, teil in einer Sänfte getragen, im November weiter nach Öfterreih, fam aber nur bis Wels, da fein Zuftand ſich immer mehr verichlimmerte. Hier ward der früher fo Fräftige Kaifer in einem Alter von noch nicht einmal fechzig Sahren am Morgen des 12. Januar 1519 vom Tode binweggerafft ?).

Sechſtes Kapitel. Marimilians I. organifatorifche Thätigkeit.

Niemand wird behaupten wollen, dag Maximilians I. aus- wärtige Politik immer eine den Verhältniffen entfprechende und erfolgreiche gewefen tft, obwohl fie in ihrer Geſamtwirkung ſehr

1) Über den Auftritt in Innsbruck als Anlaß der Erkrankung fiehe Kirhmair in „F. R. Austr. SS.“ I, 441. Bol. ©. v. Herberftein ibid, p. 141. Auch Cuspinian, De Caesaribus, p. 491, ber bie letzten Lebenstage des Kaifers genau fchildert, bemerkt: Maximilianus in Oeniponte cum suis agens, in iram commotus, febrim incidit oc- - cultam.

Einfachheit der Staatsverwaltung im früheren Mittelalter. 451

viel zur Entftehung der fpäteren Großmachtftellung Öfterreichs beigetragen bat. Aber aufer Zweifel fteht es, daß fich dieſer Fürſt um die Organifation der Verwaltung ber öfterreichtfchen Erblande, die dann vielfach als Mufter für die Einrichtungen in den andern beutichen Territorien gedient bat, ‚große und bleibende Verdienſte erworben babe”).

Auf diefem Gebiete waren auch Reformen am notwenbigften, ba die bisherigen Einrichtungen infolge der Anderung ber Ver⸗ bältniffe und ber Ausbehnung der Befigungen Marimilians in keiner Weiſe mehr genügten.

So lange die Auffaſſung des früheren Mittelalters vor⸗ waltete, daß die wichtigſte Pflicht der Staatsgewalt die Wahrung des Rechtes und die Sorge für die Erhaltung des Friedens ſei, war es allerdings nicht ſchwer, mit wenigen Kräften ſelbſt mehrere Länder zu regieren. Denn die Aufgabe des Fürſten und der ihm zur Seite ſtehenden Räte war es nur, die oberſten Beamten zu ernennen, für den Schutz des Landes gegen aus⸗ wärtige Feinde und für die Sicherung des Landfriedens im Innern zu ſorgen und zur Erfüllung dieſer Aufgaben und zur Erhaltung des Hofſtaates die notwendigen Mittel aufzubringen, welche noch in der Regel aus den Erträgniſſen der Kammer⸗ güter und der Regalien floſſen. Zur Erledigung der Geſchäfte, mit denen ſich der Fürſt ſelbſt mehr oder weniger abgab, ge⸗ nügte daher außer ſeinen häufig wechſelnden Räten ein einziges

1) Seit dem Erſcheinen meiner akademiſchen Rede: „Gefchichte ber öfterreihifchen Verwaltungsorganifation bis zum Ausgange bes achtzehnten Jahrhunderts“ (Innsbruck 1884) ift das umfangreiche Werk von S. Adler, Die Organifation der Eentralverwaltung unter 8. Marimiltan I. (Leipzig 1886), erfohienen, in dem ein außerordentlich reiches Material iiber biefen Gegenſtand mitgeteilt, aber unzwedmäßig angeorbnet worben if. Über Fehler im einzelnen f. die (fehr ſcharfen) Nezenftonen von ©. v. Below in Zarndes „Literar. Eentralbl.” 1886, Sp. 1076 ff. und in v. Sybels „Hiſt. Zeitſchr.“ LVII, 285. Bol. auch Th. Fellner, Zur Gefd. ber öfter. Eentralverwaltung (1493 1848) in „Mitth. des Inftit. für öfterr. Geſchichtsforſchung“ VIII, 258 ff., der eine ſehr Mare Überficht Aber bie organiſatoriſche Thätigfeit Maximilian und einige Zuſätze zu Adlers Buch liefert, und Ulmann I, 822f.

29 %

452 Anderung ber Verhältniſſe in ber Neuzeit.

Zentralbureau mit einem Kanzler und einigen Beamten. Der Schwerpunkt der Verwaltung, die fich aber faft ausſchließlich auf die Finanzen und die Rechtöpflege bezog, lag tn ven einzelnen Ländern und in den autonomen Städten.

Mit dem Beginne der neueren Zeit änderten ſich aber die Anfchauungen über die Aufgaben der Staatsgewalt. Nicht mehr bloß für die Pflege des Rechtes und für die Herbelichaffung der dem Fürften notwendigen Geldmittel, fondern auch für das materielle und geiftige Wohl der Untertbanen jollte dieſelbe forgen. Auch das Eindringen bes römilchen Rechtes, welches das altveutiche mündliche Verfahren nach und nach verbrängte, und zugleich den Grundſatz der Berufung von den niederen Gerichten an ein höheres, ja an ben Landesherrn, zur Geltung brachte, Hatte eine Vermehrung der Beamten und ber Kanzlei» arbeiten zur Folge und fteigerte namentlich die Geichäfte am Hofe. Indem die Vafallenheere immer mehr dur Söldner erjegt wurden und auch für die Ausrüftung der Truppen mit Geſchütz und anderen Teuerwaffen, für die Beiftellung von Pulver und Kugeln, Proviant und Fuhrwerk in umfaffendem Maße Vorſorge getroffen werden mußte, erwuchien ber Re⸗ gierung neue Arbeiten und Laſten. Für bie gefteigerten Ans» forderungen, welche jetzt an die Staatsgewalt gejtellt wurden, reichten bie regelmäßigen Einkünfte von ben fürftlichen Domänen und den Regalien, befonders im Falle eines Krieges, bei weiten nicht mehr aus. Es blieb nichts übrig, als fih an die Stände zu wenden, bie nach langem eilichen entweder außerordentliche Steuern bewilligten oder auch für eine gewiſſe Zeit, meift einige Monate, ein eigenes ftändiiches Truppencorps ftellten. Dafür nahmen fie aber auch einen größeren Einfluß auf bie Verwal. tung in Anſpruch, und e8 ward notwendig, die DBefugniffe der jtändiichen und Iandesfürftlichen Beamten gegenjeitig abzugrenzen.

Marimilion war zu verftändig, um nicht einzujehen, daß die bisherigen Einrichtungen unter den veränverten DVerhält- niffen nicht mehr ausreichten. Auch hatte er in den Nieder⸗ landen ein ausgebildetes Verwaltungsſyſtem kennen gelernt, deſſen Vorzüge gegenüber den Zuftänden in ben öfterreichiichen

Mufter und Ziele der Reformen. 8. Marimilians, 455

Ländern ihm nicht entgehen konuten. Vor allem aber war er entichloffen, fich eruftlich um das Reich zu fümmern, nieht aber, wie jein Vater gethan ‚hatte, den Dingen daſelbſt einfach ihren Lauf zu laffen und nur in. einzelnen Fällen. ſeinen Willen zur Geltung zu bringen, Dafür war die. notwendige Vorausſetzung ein längeres Verweilen in Deutjchland, eine manchmal vielleicht jahrelang bauernde Abweſenheit aus feinen Erblänvern, in denen nun für eine bleibende Stellvertretung gelorgt werden mußte. Als Mufter für feine organifatoriihe Thätigkeit auf dem Ge- biete der Verwaltung dienten ihm die Einrichtungen ber Nieder» Iande, teilweile aber auch jene von Tirol, welche in dieſer Zeit viel volllommener waren als jene in ven andern öfterreichiichen Gebieten. Freilich darf man nicht glauben, daß der König mit einem fertigen Plane an feine Aufgabe berangetreten ſei und diejen während jeiner ganzen Regierung konſequent feſt⸗ gehalten habe. Das jeweilige Bedürfnis bat feine Maßregeln veranlagt, und wiederholt bat er früher getroffene Einrichtungen abgeändert ober ganz fallen gelaffen. Aber es tft doch falſch, wenn man gejagt bat, er fer über ein fortwährendes Experi⸗ mentieren nicht Binausgefommen '). Die Grundgedanken feiner Keformen, Erſetzung des Feudalſtaates durch den Beamten⸗ ftant, Errichtung ftändiger Negierungstollegien, welche auch in Abweſenheit des Landesfürſten die Geſchäfte leiteten, und Kräfs tigung ber Stantögewalt, bat er nie aufgegeben und manche feiner Einrichtungen Haben feine Negierung überbauert und, vielleicht mit einigen Abänderungen, Jahrhunderte lang bie Grundlage für die Verwaltung Oſterreichs gebildet.

Die öfterreichiichen Erblande zerfielen infolge der früheren Länderteilungen in zwei Gruppen, in die nieberdfterreichiiche, befteßend aus den fünf Herzogtümern ſterreich unter und Öfterreich ob der Enns, Steiermark, Kärnten und Rrain, umd in die oberöfterreichiiche, zu der Tirol und die Vorlande in Schwaben und Elſaß gehörten. As ibm fein ‚Vetter Erz berzog Sigmund im Sabre 1490 bie leteren Gebiete abtrat,

| 1) Ulmann IL, 828.

454 Einfeung der „Regimenter” in Innsbrud und Wien.

mußte er wegen des Krieges mit Ungarn Innsbruck bald wieber verlafien. Er übertrug num, an bie bisherigen tiroliſchen Ein- richtungen fich anlehnend, die Regierung einem Kollegium von zwölf „Statthaltern und Räten“, welche zunächſt während feiner Abweienheit die politiiche Verwaltung und die Suftizpflege über-

nehmen jollten. Für die Finanzangelegenheiten und das Rech⸗ nungsweſen beftellte er am Anfange des Jahres 1491 vier eigene Räte oder Anwälte mit den notwendigen Hilfsbeamten, für die fih im Jahre 1495 zuerft der Name Raitkammer (Rechnungokammer) findet. Im ähnlicher Weile jette er nach dem Tode feines Vaters im Jahre 1493, da er fich nach dem Neiche begeben mußte, für die Dauer jeiner Abwejenheit über die fünf niederöfterreichiſchen Länder ein „Regiment“, beftehend aus einem Hauptmann und ſechs Statthaltern und Räten oder Regenten, ein, um alle Gefchäfte zu erledigen, die ihm als Landesfüriten zuftänden. Die politiſche und Finanzverwaltung, bie oberfte Suftigpflege und die Sorge für den Landfrieben, jelbft das Recht, Lehen zu verleihen, wurden benfelben über⸗ tragen. Im folgenden Jahre wird auch für bie niederöſter⸗ reichifchen Länder eine „Schab-" oder Rechnungskammer er» wähnt, Bat alfo auch Hier eine Trennung des Finanzweſens von der politiichen Verwaltung und der Juſtiz ftattgefunden, wie dies in den Niederlanden jchon feit langem der Fall war.

Die Überzeugung, daß e8 dem Könige nicht möglich fei, neben der Sorge für bie auswärtige Politik und bie Gejchäfte des Reiches fich auch um die Detaild der Verwaltung in feinen Erblanden zu kümmern, führte dahin, daß bie beiden Negi- menter in Innsbruck und Wien, bie anfangs nur für die Dauer der Abweſenheit Marimilians eingejegt worden waren, einen ftändigen Charakter erhielten.

In Tirol, wo 1498 das Regiment neu organifiert wurde, geichab dies Ende des Jahres 1499. Dem Regiment, das aus einem Landhofmeifter, einem Marfchall, einem Kanzler und fünf „Otatthaltern und Regenten“ zufammengefeßt war '),

1) Landhofmeiſter war bis zu K. Marimiliang Tode Michael von Woltenftein, Marſchall Paul von Liechtenftein und nach befien 1513 er-

Die Behörden in ben nieberöfterreichifchen Ländern. 455

jtand auch fortan in Zirol und den Vorlanden die Ausübung ber landesfürftlichen echte, die Verwaltung, oberſte Yuftiz- pflege, Militär und Bolizeigewalt und die Verleihung ber Erblehen zu. Jedem Unterthan follte e8 freiftehen, fih um Rat und Beiſtand an das Regiment zu wenden. ALS oberfter Gerichtähof für Eigen, Leben, Bergwerke und anderes follte dasſelbe alle Vierteljabre in Innsbruck Sitzungen balten. Die Rattlammer für die Finanzverwaltung und bie Kontrolle des Rechnungsweſens ftand dem. Regiment im allgemeinen als jelb- ſtändige Behörde gegenüber, wenn auch in gewifien Fällen eine Berufung von berjelben an dieſes geftattet war. Die Kanzlei war für beide Kollegien gemeinfam.

Das Behördenweſen in ben nieberöfterreichiichen Sändern erhielt feine dauernde DOrganifation in den Jahren 1501 und 1502 und zwar nach dem Muſter des tiroliihen. Auch Hier wurde bleibend ein Regiment mit dem Site in Linz, beſtehend aus einem oberjten Hauptmann und Statthaltern und Näten, für die Regierungsgeichäfte, eine Raitkammer in Wien und eine eigene öfterreichifche Kanzlei eingerichtet. Doch wurde dem nieberöfterreichtichen Negimente die Ausübung ber dem Landes⸗ fürften zuftehenden Juſtizhoheit nicht übertragen, fondern ale Appellationd- und Lebengericht ein eigenes Hof⸗ (jeit 1502 Kammergericht) in Wiener Neuſtadt eingeſetzt.

Indem bie nieveröfterreichifchen Herzogtümer unter gemein- fame Behörden geftellt wurden, warb auch in. jtiaatsrechtlicher Deziehung eine engere Verbindung zwilchen ihnen herbeigeführt. Wiederholt haben in ben Tpäteren Jahren der Negierung Marimilians gemeinfame Ausſchußlandtage ftattgefunden, wo Delegierte der Stände aller fünf Länder Beratungen pflogen.

Während übrigens die oberöiterreichiichen Behörden fortan obne wefentliche Störung und ohne Anfeindung vonfeite ber

folgten Tode Georg von Firmian, Kanzler Oswald von Haufen und von 1501 an Cyprian von Northeim oder Serntein (Sarntbein), zugleich Borftand ber Hoffanzlei. Liechtenftein und Sarntbein waren neben M. Lang des Kaifers einflußreichfte Räte.

456 DOppofition in ben nieberöfterreichifchen Ländern.

Stände weiter fungierten, erhob fich in ven mieberöfterveichiichen Ländern eine lebhafte Oppofition dagegen. Bartikulariftifche und politifche Gründe waren dabei im Spiele. Die Stänbe der Steiermarf und wahrfcheinlich auch anderer Provinzen ber Hagten fich, daß die Prozeſſe und andere Angelegenheiten außer Landes entjchieven würden. Man erhob Beichwerde über das Rammergeriht in Wiener Neuftadt, das von allen Unter tbanen Klagen und von den Entjcheivungen anderer Gerichte Appellationen annahm, ohne Rüdficht darauf, daß dadurch bie Zandesfreiheiten verletzt, die richterlichen Befugniffe des Land⸗ marſchalls oder Landeshauptmanns über die Mitglieder bes Herrn» und Ritterſtandes eingefchräntt oder ignoriert wurben. Auch gegen die unzwedmäßige örtliche Trennung der oberiten Behörden wurden Vorftellungen erhoben. Ein Ausſchußlandtag in Mürzzufchlag im November 1508 verlangte nicht bloß Die Befeitigung des verhaßten Kammergerichts, ſondern auch bie Einfegung eines neuen, ftändiichen Negiments, in das jedes Der fünf Länder zwei Vertreter ſchicken follte. Bei Verweigerung dieſer Forderung erklärten die Abgeordneten für den bamaligen Krieg gegen Venedig feine Subfidien bewilligen zu wollen. Auf den Ausichußlandtagen in Salzburg im Tebruar 1509 und in Augsburg im Frühjahr 1510 wurden dieje Beſchwerden und Wünſche neuerdings vorgebracht.

Unter dem Drude der auswärtigen Verhältnifje ſah fich der Kaiſer gezwungen, einen Schritt zurückzuweichen und den ſtändiſchen Forderungen wenigſtens teilweiſe nachzugeben. Wie er mit Rückſicht auf den bevorſtehenden Krieg gegen Venedig anfangs 1509 das oberöſtereichiſche Regiment für die nächſten drei Jahre durch vier ſtändiſche Vertreter verſtärkt hatte, ſo machte er im April 1510 den Niederöſterreichern ebenfalls die Konzeſſion, daß in das Regiment auch Vertreter der Stände aufgenommen oder wenigſtens bei der Zuſammenſetzung die einzelnen Länder berückſichtigt werden ſollten. Doch wies er das Verlangen, daß das Regiment bei Erledigung einer Stelle ſich ſelbſt ſollte ergänzen dürfen, unbedingt zurück. Er behielt ſich ſelbſt die Ernennung vor, wenn auch das neue Mitglied

Die Errihtung des Hofrates. 457

aus demſelben Lande und demſelben Stande genommen werben jollte, vem das frühere angehört hatte !), Diefem neuen Re— gimente, das nun anf Wunfch des Landes unter der Ems von Linz nach Wien verlegt ward, wurben jett auch richterliche Befugniffe übertragen und das Kammergericht in Wiener Neu- ftabt, deſſen Kompetenz jchon in den vorausgebenden Jahren mehrfach eingefchränkt worden war, ganz aufgehoben. Wie in Oberöfterreih waren fortan auch in Niederöiterreih das Re⸗ giment und die Raitlammer die oberjten Regierungsbehörben und erftere8 auch in der Zufammenfegung dem Negimente in Innsbruck ähnlich gemacht, indem es ebenfalls aus je einem Landhofmeifter 2), Marſchall, Kanzler und einer Anzahl von Statthaltern und Räten bejtand.

Über den beiden Flügeln, welche Marimilian für bie Ver- waltung feiner Erblande ſchon bald nach feinem Negierungs- antritte aufgeführt hatte, jollte fich nach feinem uriprünglichen Plane auch ein einheitlicher Oberbau erheben und zwar ſollte berjelbe jowohl für das Neich, wie für die Erblande beſtimmt jein. Doch bat ver König für die Organifation der oberſten Zentralverwaltung weber mit gleicher Konfequenz noch mit gleichem Erfolge gewirkt wie für die Orbnung ber Landes⸗ verwaltung.

Im Februar 1498 erfolgte die Errichtung eines Hofrates, welcher dem Hoflager des Königs folgen und diefem zur Seite als oberfter Gerichtshof und oberjte Regierungsbehörde für Das Reich wie für die Erblande fungieren ſollte. Er ſollte aus

1) Aus biefer von Adler, S. 279, angeführten Beftimmung ergiebt ſich doch wohl, was er leugnet, daß auf die verſchiedenen Länder Rückſicht genommen werben follte und der Kaifer auf das Recht der freien Er- nennung ber Mitglieber des Regiments verzichtet Bat. Auch Fellner a. a. O. ©. 264, nimmt eine Verſtärkung des Regiments durch ſtän⸗ difche Vertreter an.

2) Diefer Titel findet ſich für ben früheren oberften Hauptmann feit 1514. Das Amt bekleidete Wolfgang von Polheim, ver 1512 ftarb; feit 1514 Georg von Nottal; das eines Marfhalls Hans von Buchheim, Berwalter des Kanzleramts war Dr. Johann Schneibpöd.

468 . Die: Hoflunmer.

einem Statthalter (dem Herzoge Friedrich von Sachſen), einem Hofmeifter (Georg von Baiern), einem Hoflanzler (Dr. Stürzel) und mehreren Regenten bejteben, durch Stimmenmehrheit Beſchlüſſe faffen und nad der Beitimmung bes: Königs für alle Händel, Sachen und Geſchäfte kompetent fein, „die künftig vom heiligen Weiche deutſcher Nation, gemeiner Chriften- beit oder von unſern erblichen Fürftentümern und Lanben berfließen, ferner flr Sachen, welche ben Hof und deſſen Ber- wandte betreffen.” Alle Angelegenheiten, welche früher der König allein oder mit beliebig beigezogenen Räten entichieven batte, wurden alſo jett einem ftändigen Kollegium zugewielen. Für die Entichetdungen der Landesregierungen bildete: der dor rat die lette Initanz.

Gfeichzeitig wurde, ebenfalls am Hofe, als oberfte Finanz behörde eine Hofkammer eingeſetzt, die aus Melchior von Meckau, Biichofe von Briren, als Vorſitzenden und vier anderen Statthaltern und: zwei Schagmeiftern, einem für das Reich und einen für bie Erblande, beſtand. Dieſelbe ſollte Die oberjte Aufficht über die Finanzwerwaltung und deren Organe führen, die Ausgaben anweiſen und die Überfchlffe von ven Einnahmen aus den Erblanden und dem Reiche in Empfang nehmen. Die Kontrolle über die Rechnungen wurde indefſen der Schatlammer oder Raitkammer in Immsbrud zugewieſen, wo fih auch bie Buchhaltung und das Archiv!) befanden, Da dieſe Stabt wegen ihrer Lage in der Mitte der öſterreichiſchen Erblande am meiften als Sitz ftändiger Zentralbehörden ge eignet war. Doch wurde der Hoftammer eine gewiſſe Ober⸗ aufſicht vorbehalten.

Wie gegen die gemeinſamen Regierungen der öfterreichifchen Zändergruppen vonjeite der Stände der Einzelländer Oppo- fition gemacht wurde, fo gegen bie Zentralbehörden am Hofe ponjeite des Neiches. Und hier zeigte Maximilian weniger Widerſtandskraft als dort. Schon im September 1498 gab

1) ©. and D. Schönherr, Die Archive in Tirol, in „Mitth. ber Centralcommiffion” N. 5. X, 631.

Sallenlafien der Zentralbehörden für das Neid. 450

er auf die Borftellungen des Reichserzkanzlers, des Erzbiſchofs bon Mainz, zu, daß Altenftildte, welche er als deuticher König ausftellen ließe, nicht vom Hoflanzler, fondern in der Reichs⸗ kanzlei ausgefertigt werben follten !), Das im Jahre 1500 eingeſetzte Reichsregiment entzog dann allen 1498 errichteten Zentralbehörden, beſonders dem Hofrate den feiten Boden. Der König gab zunächſt jede Hoffnung auf eine gebeihliche Wirkſamkeit im Reihe auf und ging mit um jo größerem ‚Eifer an die Organifation der Verwaltung feiner Erblande, in denen er jegt mit Recht den Schwerpunkt feiner Macht er» fonnte. Aber auch nach der Befeitigung des Reichsregiments griff er nicht mehr auf die Einrichtungen des Jahres 1498 zurüd. Wir finden zwar auch fpäter noch einen Hofrat. Aber es fehlt ikm eine feſte Organifation, ein beſtimmter Sitz und eine genaue Abgrenzung feiner Befugniſſe. Der König trifft unter Beiziehung beliebiger Räte feine Enticheinungen. Auch die Hofkammer verliert ihre urſprüngliche Bedeutung, nicht am wenigjten infolge des Eingreifens des Kaifers In ihre Befugniffe, indem er es nicht unterlaffen konnte, unab- bängig von ihr Geldanweiſungen zu machen. Gerade auf bem Gebiete der finanziellen Zentralverwaltung finden fi das größte Schwanken, Die meiften Veränderungen.

Erſt nach der Beendigung des venetlanifchen Krieges wurde das Werl der Reform wieder aufgenommen. Und dabei ift es beuchtenswert, daß Maximilian die ind Auge gefußten Eins richtungen nicht mehr durch einfache landesfürſtliche Dekrete, jondern durch eine Vereinbarung mit ben Ständen ins Leben zu rufen beabfichtigte und daß er nicht an die einzelnen Ränder oder Ländergruppen fich wendete, fondern eine Verfammlung von Vertretern aus allen Erblanden berief. Wäre auf dieſer Grundlage fortgebaut worden, fo würde fich ſchon im 16. Jahr⸗ hundert eine gemeinſame Verfaſſung für alle öfterreichtichen Länder entwidelt baben.

1) E. Roſenthal, Die Behörbenorganifation K. Ferdinands I, „Archiv f. öfterr. Geſch.“ LXIX, 94f.

480 Der Ausſchußlandtag in Innshrud im Jahre 1518.

Auf ven 16. November 1517 berief ver Kaiſer Delegierte ber. Stände aus den verjchievenen Ländern nach Donauwörth, während gleichzeitig ein beutfcher. Neichdtag in Augsburg ab- gehalten werben follte. Die Abgeordneten follten beraten über einen großen Kriegspları gegen die Türken, wonach alle dhrift- lichen Mächte gegen viejelben zu Felde ziehen und ver Kampf im. dritten Sabre mit der Eroberung Konftantinopel® beendet werben follte, über den Abſchluß eines Friedens mit Venedig oder, wenn diefer nicht zuftande käme, über die notwendigen Nüftungen zur Tortführung des Krieges, über gegenfeitige Unterftügung ber öfterreichifchen Länder, falls eines derſelben durch eine benachbarte Macht angegriffen würde, über bie Ein- jetung eine® Hofrates als oberjter Behörde und guter Landes. regierungen, und endlich, was wohl ein Hauptzweck bei ber Einberufung der Verſammlung gewefen war, über die Be willigung von Gelbmitteln zur Einlöſung ber verpfänbeten Kammergüter und landesfürſtlichen Einkünfte, wie zur. Er- haltung bed Hofftaates und der KRegierungsbebörben. Um bie Abgeordneten dieſen Forderungen geneigter zu machen, wurbe ihnen freigeftellt, auch. ihrerſeits Wünſche und Beſchwerden vorzubringen ?).

Infolge der Vorſtellungen der tiroliſchen Stände und des Nichterſcheinens der deutſchen Reichsſtände in Augsburg wurden aber die Ausſchüſſe nach Innsbruck berufen, wo um bie Mitte de Januar 1518 die Verfammlung durch die kaiſerlichen Kommiffäre eröffnet: wurde und im März auch der Kaiſer fich einfand. - Es waren 70 Delegierte erichienen, nämlich 35 aus ben nieveröftegreichtichen Derzogtümern, 8 aus Tirol, 5 aus ben verſchiedenen görzifchen Gebieten und 22 aus den zahl reichen Herrichaften in Schwaben und Elfaf. Doc fanden

1) Die Vorlagen wie bie Verhandlungen hat einer der Delegierten, der Prälat Georg von Klofterneuburg, aufgezeichnet und Zeibig im „Archiv f. öfterr. Gefchichtsg.” XIII, 203—316 in weitläufigen Auszügen mitgeteilt. Vgl. auh Brandis, Lanbeshauptleute von Tirol, ©. 439 bis 494, wo die Innsbrucker Libelle vom Mai 1518 vollfländig abge drudt find.

Finanzielle und militäriſche Beſchlüſſe dedſelben. 41

nr einzelne gemeinſame Sitzungen ſtatt. Gewöhnlich ver⸗ handelten die Ausſchüſſe der einzelnen Länder oder Länder gruppen für fich allein und verlehrten mit den übrigen ſchrift⸗ fh, wie dies auch zwiſchen den “Delegierten unb ven Kommiſſären des Kaiſers in der Regel ber Tall war. Im einem Ausnahmsfalle erfcheint der Landeshauptmann von Zirol, Leonhard von Völs, als: Wortführer der Der] amm⸗ lung ),

Die Ausichüfje der Stände vertraten mit allem Nachdrucke eine Friedenspolitik. Sie ſprachen ſich nicht bloß entſchieden gegen eine Erneuerung des Kampfes mit Venedig aus, ſondern ſie ſtellten auch die Forderung, daß der Kaiſer fortan ohne Wiſſen und Willen der Erblande keinen Angriffskrieg beginne. Nur unter der Vorausſetzung, daß der Friede nicht geſtört würde, bewilligte der Ausſchußlandtag dem Kaiſer in vier Jahresraten 400 000 Gulden, von denen Oſterreich unter und ob der Enns 120000, Steiermark, Kärnten und Krain 100000, Tirol mit den Hochſtiftern Brixen und Trient 120000, die Vorlande 60000 übernahmen. Ein Drittel follte dem Kaiſer zur leichteren Beſtreitung der Koften ber Hofhaltung und der Negierung übergeben, zwei Drittel von den ftämbifchen Verorbneten zur Auslöjung ver den Kaufleuten in Berjat gegebenen Silber- und Rupfervorräte und zur Rüde löſung der verpfänbeten Kammergüter verwendet werben.

Auch auf den Wunſch des Kaifers, daß Vereinbarungen zur gegenjeitigen Unterſtützung ber verfchiebenen Länber im Falle eined Angriffs getroffen werden möchten, gingen bie Ausſchüſſe ein, aber zunächſt nur auf fünf Jahre. Soweit war das Gefühl der Zufammengehörigfeit aller habsburgiſchen Erblande auch jet noch nicht erftarkt, daß die Bedrohung eines Landes auch von den andern als eine Gefährdung ge- fühlt, die Abwehr mit vereinten Kräften als etwas Selbit- verſtändliches angeſehen worden wäre. Auch war die Milttäre macht, welche fich die ober- und bie nieveröfterreichifchen Laͤnder

1) Zeibig a. a. O. ©. 297. Bol. ©. 270.

42 Maßregeln für die Verteidigung Tirols.

gegenſeitig zuſicherten, nur eine ſehr geringe, nur 1000 ge⸗ rüftete Pferde ober 500 Pferde und monatlich 5000 rheiniſche Gulden. Etwas größer waren die Streitlräfte, mit benen fich bie nieberöfterreichtichen Länder im Falle eines Einfalls gegen- feitig beiftehen follten.

Umfaffende Maßregeln für die Lanbesverteibigung und zwar obne zeitliche Beſchränkung waren nur in Tirol ſchon im Sabre 1511 unter der Einwirkung des venetianifchen Krieges burch das fogenannte elfjährige Landlibell zwilchen dem Kaiſer und den Ständen vereinbart worden. Danach follten bei einem feindlichen Angriffe je nach der Größe ber Gefahr 1000 bi8 5000, 5000 bis 10000, 10000 bis 15000, 15000 bis 20000 Dann aufgeboten werden. Bei einem Anjchlage von 5000 Mann follten 1800 Mann durch die Hochitifter Brixen und Trient, die Prälaten und den Abel, 2400 Mann durch Die Stäbte und Gerichte Tirold, 500 Mann durch bie Herrichaft Lienz und das Pufterthal, 300 Mann durch bie ehemals baierifchen Städte und Gerichte Rattenberg, Kufftein und Kitzbühel geftellt werben und ber Kaiſer dieſen b⸗ bis 600 Reiſige zu Pferb beigeben, auch die Geichüge und bie Munition liefern und einem Neifigen monatlich fünf, einem Fußknechte zwei Gulden Sold zahlen. Bei einem plößlichen Einfalle der Feinde follte in den zunächit bedrohten Gebieten der Lanbfturm aufgeboten werben !). Es ift diefes Landlibell die Grundlage für alle tirofifchen Zuzugsordnungen bis sum Beginme diefes Jahrhunderts geblieben.

Auf dem Ausſchußlandtage von 1518, deſſen Verhand⸗ lungen fich bis in den Mat Hinzogen, einigte ſich Maximilian mit den Delegierten auch über eine Reihe organtiatoriicher Maßregeln. Die bisherigen Negimenter für Niever- und Oberöfterreich 2) blieben beftehen, doch follte der Sit des erfteren auf Wunfch ber. Snneröfterreicher probeweile für ein

1) Brandis, Landeshauptlente, S. 412—422.

2) Unter dem Innsbruder Regimente ſtand mit befchränkteren Voll- machten ein Regiment in Enfisheim für die wefllichen Borlanbe.

Beichlüffe in Beziehung auf die Verwaltung. 468

Jahr nah Brud an dev Mur verlegt werben. Der Bor derung ber Nieberöfterreicher, Daß ibr Regiment. mit Ein⸗ geborenen befett werden follte,. gab der Kaiſer nur teilweiſe nach; er behielt ſich das Recht vor, auch einige „Ausländer” zu Mitgliedern zu ernennen. Dagegen machte er bei der Er⸗ richtung eines Hofrates, der die oberjte Behörde für politifche, Juſtiz⸗ und finanzielle Angelegenheiten ‚bilden jollte, den par⸗ tiulariichen Beſtrebungen weitgehende Zugeſtändniſſe. Bon den achtzehn Mitgliedern besfelben follten fünf (Adelige und Doktoren) aus dem Reiche, fünf von Nieveröfterreih (aus jedem Herzogtum eines), zwei aus Tirol und zwei aus ben porberöjterreichiichen Landen genommen werden und alles ehr- bare, veritändige und geborne „Lanbleute” fein. Die Er- nennung biefer Hofräte wie ber Mitglieder des Regiments wollte der Kaifer für jegt mit Willen und Willen der Aus Ihüffe vornehmen. Diefen follte der Kaijer dann noch einen Hofmeifter, Marſchall, Kanzler und Schagmeifter beigeben. Der Hoflanzler war für das Neich wie für die Erblande ge meinfam. Der Hofrat follte alle Sachen in voller Sikung verhandeln. Nur „geheime und große Sachen“, alſo diplo⸗ matiſche Angelegenheiten, burfte der Kaiſer felbit over mit Beiziehung bloß einiger Hofräte erledigen, worin fich bie Keime des jpäteren geheimen Rates zeigen.

Die Ausichüffe hatten verlangt, daß die Angelegenheiten der Erblande bloß von den ober- und nieveröfterreichiichen Hof- räten entfchieven werben jollten. Doch wies der Kaiſer bie Ausichliegung der Hofräte aus dem Reiche von der Verhand- lung über öfterreichifche Angelegenheiten ab; „denn“, bemerlte er, „Ofterreich gehört doch auch zum Reich“. Ebenſo wenig genehmigte er für die Verwaltung des Kammergutes die Ein- jegung einer eigenen Hoflammer mit einem ftändigen Site in ben Erblanden und die Errichtung einer eigenen Rait⸗ fammer für die nieberöfterreichifchen Herzogtümer. Die Ge Ihäfte der Hoffammer wurden dem Schameifter zugewiefen, welcher Mitglied des Hofrates war. Die Einnahmen aus ben verſchiedenen Ländern follten an den Kammermeiſter ober

464 Zwed und Lehrplan

Einnehmer- General abgeliefert werben. Die Prüfung aller Rechnungen verblieb der Naitlammer in Innöbrud, welche nur durch Nieberöfterreicher verftärkt werden follte.

Die Beichlüffe des Innsbruder Ausichußlandtages find in wichtigen Punkten nicht zur Ausführung gelommen. Nament- lich der Hofrat war noch nicht Tonftituiert, als ber Kaiſer durch den Tod feiner Wirkſamkeit entrüdt warb.

Siebentes Rapitel.

K. Marimilian I. als Förderer der Wiſſenſchaften und Künſte.

Man ſollte e8 nicht für möglich Halten, daß ein Monarch, ber jo viel und teilweile fo verjchtevene Länder zu regieren batte, der mit feinen Plänen alle Reiche der abendländiſchen Chriftenheit umfaßte und mehr als die Hälfte feiner Re- gierungszeit in ſchwere Kriege verwidelt war, noch Luft und Muße fand, fih um Künfte und Wifjenfchaften zu kümmern und mit den hervorragendſten Vertretern derjelben einen leb- baften Verkehr zu unterhalten. Und doch fpielte Marimilian I. nicht bloß deren Gönner, ſondern er liebte es, mit Gelehrten und Künftlern zu verkehren, er ging mit Verſtändnis auf ihre Deftrebungen ein, ftellte ihnen würbige Aufgaben und freute fih der Erzeugniſſe ihres Geiſtes.

Eine neue Zeit war auch auf dem Gebiete der Wifjenfchaften und Künſte angebrochen und wirkte namentlich auch umgeftaltend auf die Univerfitäten, in denen fich doch das geiftige Leben noch vorzüglich konzentrierte.

Die Univerfitäten des Mittelalters waren vorberrichend firchliche Anftalten, Die e8 fich zur befonderen Aufgabe ſetzten,

der Univerfitäten des Mittelalters. 465

dem Klerus eine höhere Bildung zu verfchaffen und ihn zu befähigen, die Kirche, ihre Lehren und Einrichtungen durch Wort und Schrift zu verteidigen. Als ihren Hauptzwed ſahen fie e8 daher an, die Schüler durch Übung in der Logik und Dialektif zu tüchtigen Kämpfern heranzubilden. Nicht die Ver- mebrung der Schätze der Wiljenichaft, fondern die geſchickte Berwendung der bisherigen jtrebte man an. Sa, bei ven überwiegend dialektiſchen Übungen beſchränkte man fich abficht- lich auf einen fehr engen Kreis, um den Stoff um fo voll jtändiger zu beberrfchen Y). In der artiftifchen (pbilofopbifchen) Fakultät, welche, wie unfer Oymnafium die Vorbereitung für das Studium in den anderen Fakultäten bildete, wurben bie jieben jogenannten freien Künfte gelehrt, im erften Jahrgange (dem Trivium) neben ver lateinifchen Grammatik und Nhe- torif (mit Poetif) Hauptfächlich Logik als Zeil der Dialektik, im zweiten (dem Quadrivium), die übrigen Teile der Dialektik (Phyſik, Ethik, Metaphyſik), Arithmetik und Geometrie, Muſik und Aſtronomie, und zwar die philoſophiſchen und natur⸗ wiſſenſchaftlichen Fächer vorzüglich auf Grund entſtellter Über- fegungen des Ariftoteles und der Schriften feiner Erflärer. In der juridiſchen Fakultät beichäftigte man ſich anfangs fait nur mit fanoniihem, erſt ſpäter auch mit römiſchem Rechte, wofür es in Wien noch gar feine Lehrfanzel gab. Für bie Vorträge in der mebdizinifchen Fakultät bilveten die Werte des Galenus, Hippofrates und Adicenna mit ihren Erklärern die Grundlage. Doch fanden in Wien fett 1433 auch ziem- lich regelmäßige anatomifche Demonftrationen ftatt ?). Die Theologie zerfiel in die heilige Schrift und deren Erllärung und in die fcholaftifche Theologie oder Dogmatik ?). In allen

1) ©. hierüber mit befonderer Rüdfiht.auf Wien R. Kint, Geld. ber kaiſerl. Univerfität zu Wien I, 74fl.

2) Borübergehend ſchon 1404 durch acht Tage. Kink J, 172. Afch- bach, Gef. der Wiener Univerfität im erſten Jahrhundert ihres Be- ſtehens, ©. 324.

3) Baulfen, Gef. des gelehrten Unterrichts vom Ausgange des Mittelalters, S. 14ff. Kint I, Bf. Aſchbach, E. 85ff.

Huber, Geſchichte ſterreichs. III. 30

466 Kampf der Humaniften gegen die alte Richtung.

Zweigen war aber die Hauptfache nicht der Vortrag, ſondern die Disputationen, die bet dem beichräntten Umfange des Willens immer mehr in haarſpaltende Subiilitäten ausarteten. Das ganze geiftige Leben verborrte, die Univerfitätsftudien gingen in leeren Formelkram unter und wurden zu einem reinen Handwerke.

Doh Schon feit langer Zeit bereitete jich dagegen eine Reaktion vor.

Seit der Diitte des 14. Jahrhunderts, ſeitdem Petrarca die eigene Begeifterung für die Schriftjteller Roms auch in ben Herzen anderer zu entflammen gewußt, hatte das Studium der römifchen, ſpäter auch der griechiſchen Klafjifer in Italien eine immer mehr wachlende Ausdehnung erlangt. Mit jugend- lihem Eifer verſenkten fich die hervorragendſten Geiſter in bie Werke der alten Dichter und Vhilofophen, Redner und Ge- Tchichtfchreiber, in denen fie eine ganz neue Welt fanden, jpürten die verjtaubten Handfchriften in den Klofterbibliothefen auf, Tchrieben fie ab, bis die Erfindung der Buchdruderkunft ihre weitere Verbreitung ermöglichte, ſtudierten und erflärten fie und ſuchten diefelben nach Inhalt und Form fich anzueignen und mit mehr oder weniger Glück nachzuahmen. Dieſe Humaniften Italiens, die nichts höher ſchätzten als die Form, jahen mit Verachtung oder wenigſtens gleichgültig herab auf alles, was bisher im Leben und an den Hocjchulen am meiften gegolten hatte und als höchite Weisheit verehrt worden war. Die Streitluftigeren begannen einen leivenjchaftlihen Kampf gegen bie bisherige Lehrmethode, gegen die Scholaftif in der Theologie und Philofophie, gegen die abjtruje Gelehrſamkeit ber Suriften und [potteten beſonders „über die barbarijchen Kunftausprüde ihrer Gegner, ihre rohe, verderbte Sprache, ihre unfruchtbare Dialektik, ihre verjchrobenen Sophismen, ihre albernen Disputationen“ !). Ihr Sieg war entjchieven, als

1) ©. Voigt, Die Wieterich:bung des cla'fiih nm Altertums (2. Aufl ) 11, 458.

Die Anfänge des Humanismus an ber Univerfität Wien. 467

fih auch Fürſten und Häupter der Nepublifen, Kardinäle und Päpfte in die Reihe ihrer Gönner ftellten.

Auch im Norden der Alpen fand der Humanismus nach und nach Verbreitung, als zablreihe Vertreter desfelben während der Konzilien von Konjtanz und Bafel jahrelang in Deutichland fich aufgehalten, Aeneas Sylvius Piccolomini eine einflußreihe Stellung unter den Kanzleibeamten und Räten des Kaifers Friedrich III. eingenommen hatte. Einer der Suriften am kaiſerlichen Hofe, Johann Hinderbach, fpäter (1465— 1486) Biſchof von Zrient, Hat al® Zeil einer Fort- jegung der von Aeneas verfaßten Gejchichte Friedrichs III. eine Schilderung des im Jahre 1462 ausgebrochenen Krieges des Kaiſers mit feinem Bruder Albrecht geliefert und dabei auch dejjen Stil und Darftellungsweile nachzuahmen gefucht. Auch an der Wiener Univerfität, über deren Profeſſoren doch Aeneas die Lauge ſeines Spottes ergießt '), la8 der berühmte Mathe- matifer und Ajtronom Georg von Peuerbach zwilchen 1454 und 1460 über Virgils Aeneide, über Juvenals Satiren und über die Gedichte des Horaz, deſſen Schüler Johann Müller von Königsberg (Negiomontanus) 1461 über Virgils Eklogen, andere um diejelbe Zeit über Schriften Eiceros, über Terenz und Yucan. Allein Peuerbach ſtarb fchon 1461, Müller ver- ließ gleich darauf Wien, und erft von 1471 an wurben burch Dernhard Perger aus Stanz und andere wieder bäufigere Borlefungen über römijche Schriftfteller gehalten, nicht ohne daß die „Ülteren“ das Emporkommen der „Jüngeren“ zu bindern gejucht hätten 2). Inzwifchen geriet aber die vor furzem noch jo blühende Univerfität infolge der fteten Kriege, häufiger anftedenvder Krankheiten und der ungarifchen Occupation in immer tieferen Verfall, ja drohte ſogar ſich aufzulöfen. Während im Jahre 1451 nicht weniger ald 771 (darunter 404 Rheinländer und Süddeutſche) und noch 1470 564 Stu- denten neu immatrifuliert worden waren, ſank die Zahl der.

1) In der oben, ©. 162, citierten Schilderung der Stadt Wien. 2) Kint I, 178f. Aſchbach, ©. 353f. 30 *

468 Sorge 8. Marimilians für bie Univerfität Wien.

Immatrifulationen 1483 auf 42, 1484 auf 18 herab ’). Auch von den Brofejjoren zogen beim Ausbleiben der Schüler ja fogar des Gehaltes viele fort. Das wiljenfchaftliche Leben batte faſt aufgehört.

Erjt mit der Regierung Maximilians J. begann für die Wiener Univerfität eine neue Periode, die Zeit des Humanismus ?).

Es war von entiheidenden Folgen, daß nach der Wieder- gewinnung Wiens der bisherige Magiiter Bernhard Berger, der jchon früher für die Hebung der klaſſiſchen Studien in Wien thätig geweſen war, zum Superintendenten oder Kurator der Univerfität ernannt wurde und das unbebingte Bertrauen des Königs erwarb. Ihn unterjtüsten bei feinen Bemühungen zugunſten der Hochſchule der Faiferliche Rat Johann Fuchsmagen aus Hall in Tirol und Marimilians Protonotar Johann Krachenberger aus Paſſau.

Marimilian fam den Tendenzen feiner Näte mit feinem Sinn und jugendlihem Eifer entgegen und fuchle der Wiener Univerfität die frühere hervorragende Stellung wieder zu ver⸗ Ichaffen und fie der veränderten Zeitrichtung gemäß umzugeftalten. Er führte zuerjt das Studium des römiſchen Rechtes ein, wo⸗ für zweit Profefjoren angeftellt wurden, und gründete auch neue Lehrkanzeln für Mathematik, Poetif und Rhetorik. Aus

1) Kint I, 145 NR. Auch 1482 hatte die Gefamtzahl der Scholaren faum 200 betragen. Aſchbach, Die Wiener Univerfität und ihre Huma— niften (Geſch. der Wiener Univerfität, 2. Bd.), ©. 7, N. 1. Über bie Berehnung der Geſamtzahl aus der Zahl der neu Immatrifulierten fiehe Paulfen, Die Gründung der deutſchen Univerfitäten im Dittelalter, in „Hiſt. Zeitſchr.“ XLV, 289 ff., der den früheren Annahmen über fehr hohe Zahlen mit Recht entgegentritt, wenn auch ev vielleicht bie Zahlen etwa8 zu niebrig angenommen bat. Zu hoch ift jedenfalls die Behaup⸗ tung in Bonfinii Dec. IV, 1.5, daß die Zahl der Studenten in Wien bie und da 7000 betragen habe.

2) ©. über diefe Zeit Kink I, 192ff. Aſchbach II, Alff. und darin auch bie Biographieen der einzelnen Humaniften. Vgl. auch ben hübſchen Auffag von A. Horamig, Der Humanismus in Wien. „Hif. Taſchenbuch“, VI. Folge II, 137—200, und die entfprechenden Artikel in der „Aligem. deutſchen Biographie”.

Sieg der humaniſtiſchen Richtung. 469

Deutjchland und Italien wurden angeſehene Profejforen für Wien gewonnen, 3. B. ſchon 1493 für römiſches Recht der Venetianer Hieronymus Balbi, damals Profeflor in Padua, übrigens das Urbild eines frivolen, aufgeblajenen und jtreit- jüchtigen Humaniften, deſſen unruhiger Geiſt e8 auch in Wien nicht lange aushielt, für Theologie einige Jahre darauf der Minorit Johann Ricuzzi aus Camerino (daher Camers genannt). Aus Ingolftadt wurden 1497 die Mathematiker Johann Stabius, ein geborner Oberöfterreicher, und Andreas Stiborius und der berühmte Dichter und Humaniſt Konrad Pidel, ge nannt Geltes, berufen, der die Xehrfanzel für Poetil und Nihe- torif erbielt. Die bumaniitiiche Nichtung wurde gegenüber der bisher faft ausschließlich Herrichenden Scholajtil in jeder Weije begünftigt, jo baß die Univerfität, die immer mehr zur Staats⸗ anjtalt wurde, den bisherigen Charakter einer geiftlichen Korpo- ration verlor und die artiftifche Fakultät, die bisher nur als Borbereitungsanftalt bejonders für die Theologie gedient hatte, eine jelbftändige Stellung erhielt. Über lateinifche Schriftiteller wurden jett regelmäßige Vorleſungen gehalten und der Beſuch ber humaniftifchen Vorträge für die Erlangung des Magifter- grades an der artiftifchen Fakultät obligatorifch gemacht. Durch Angelus Eofpus aus Bologna wurden auch ariechiiche Schrift« iteller gelefen und erklärt. Die Eafjiihen Studien blühten immer mehr auf, und befonders berrichte eine rege Thätigfeit für die Herausgeber der alten Schriftjteller. Aufonius, Clau« dien, Horaz, Ovid, Perfius, Plautus von den Dichtern, Florus, Yuftin, Salluft, des Tacitus Germania, Überjegungen des Diodor und Zonaras von den Hiftorifern, verichievene Werte Ciceros murden in Wien herausgegeben, wobei Cufpinian, Ricutius und der Schweizer Joachim von Watt (Vadianus), von 1510—1518 Brofeffor in Wien, eine bejondere Thätig« feit entwidelten.

Bei weitem der hervorragendfte als Lehrer und Gelehrter war Konrad Geltes, deſſen früher jo unftäte Natur erſt in Wien ſich heimifch fühlte, der aber leider fchon 1508, noch nicht einmal 50 Jahre alt, ein frühes Ende fand. Er war

470 Konrad Celtes.

ein eleganter lateinifcher Schriftfteller und Dichter (der erite Deutjche, der 1487 vom Kaifer zum Dichter gefrönt worden ift) und was damals in Deutfchland noch felten war, auch des Griechiſchen und Hebrätichen fundig. Aber er war zugleich ein Dann von allgemeiner Bildung, der nicht bloß auf die Form, fondern auch auf die Realien Gewicht legte und fich für die Vergangenheit des deutſchen Volfes interejjierte. Er veröffent- lichte daher neben römifchen Schriftjtellern wie Upulejus, Auſonius, Zragddien des Seneca und der Germania des Tacitus, auch die lateiniſchen Komödien und biftorifchen Gedichte der Ganders⸗ beimer Nonne Hrotswit aus der Zeit Ottos 1. und das TYatei- nilche Epos des Guntherus Ligurinus über die Thaten Friedrich Barbaroſſas, das man mit Unrecht lange Zeit ihm felbft zu— geichrieben hat. Auf feinen Forfchungsreifen am Rhein fand er da8 fogenannte Itinerarium Antonini, das uns auf zwölf Blättern ein Bild der Straßenzüge des römiichen Reiches im dritten Jahrhundert mit den daran gelegenen Städten, Yager- plägen u. ſ. w. bietet, wurde aber durch die Koſten des Stiches und Durch den Tod an der Herausgabe desfelben verhindert ?). Seine Borlefungen in Wien erftredten fich auch auf die älteſte Geſchichte Deutſchlands im Anfchluß an die Germania des Zacitus und auf andere Zeile der deutſchen und allgemeinen Geſchichte. Celtes war auch der erfte Leiter der vom Kaifer Mar gegründeten Wiener Hofbibliothef. Um die humaniftiichen und mathematiſch⸗phyſikaliſchen Studien zu heben, fette er 1501 bei feinem Gönner Maximilian die Errichtung eines eigenen Seminars, das Collegium poetarum et mathematicorum, an der Univerfität durch, an dem er Borftand der bumaniftilchen, fein Freund Stabius Leiter der mathematifchen Abteilung ward, das aber 1508 wieder einging. Celtes war auch die Seele. der Sodalitas litteraria Danubiana, einer Art von Privatafademie

1) Er vermachte e8 daher feinem Freunde Peutinger in Augsburg (daher tabula Peutingeriana). Später gelangte e8 in ben Befig ber Herzoge von Savoyen und fam enblich durch den Prinzen Eugen auf bie Wiener Hofbibliothet.

Blüte der Univerfität. 471

zur Förderung der humaniftiichen Studien, die er 1490 auf einer feiner Wanderungen in Dfen gegründet hatte, aber 1497 nach Wien verpflanzte. Deutjche und Italiener, Ungarn, Böhmen und Polen waren Mitglieder, der Veſzprimer Biſchof Johann Vitéz, zugleich Adminiftrator des Wiener Bistums, und nach bejfen Tode im Jahre 1499 Krachenberger (Grachus Pierius) Präfivent. Nach Eeltes’ Tode löſte auch diefe Geſellſchaft fich auf.

Neben Celte8 war der beveutendfte unter den Wiener Humaniften Johann Spießhaimer, genannt Cufpinian, ein ge- borner Schweinfurter, der ſchon als Jüngling von 18 Jahren im Jahre 1491 in Wien, ohne Brofeffor zu fein, über Yatei- niſche Klaffiler la8 und 1493 vom Könige Maximilian zum Dichter gekrönt wurde. Er ward nun Profeffor und 1501 an Pergers Stelle Superintendent der Univerſität und wirkte als folder auf eine größere Berüdfichtigung der Nealien hin, wie er denn auch ſelbſt als Herausgeber römijcher und mittelalter- licher Geſchichtsquellen und als Gefchichtfchreiber thätig geweſen ift. Der Raifer, deſſen befonderer Gunſt fich Eufpinian er- freute, verwendete ihn fehr oft zu diplomatiſchen Gejchäften be- ſonders zu den Unterhandlungen mit Ungarn.

Durch die warme Fürforge des Kaijers erreichte die Wiener Univerfität in ben erften Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts nicht bloß eine neue Periode wiſſenſchaftlicher Blüte, ſondern auch des äußeren Anjehens. In den Jahren 1515—1517 ließen fich jährlich über 600 Studenten neu immatrifulieren !), welche Zahl damals Feine der deutſchen Univerfitäten aud nur an- näbernd erreicht bat. Dabei betrug die Zahl der Ausländer wenigftens drei Viertel aller Hörer. Beſonders die Weitdeut- ſchen und Schweizer fuchten mit Vorliebe Wien auf; wenigſtens bie Hälfte der Studierenden gehörte ihnen an. Selbſt die be-

1) So nad Kint I, 226, N. Nah Aſchbach II, 125 betrug der neue Zuwachs in ben beiden erften Decennien des 16. Jahrhunderts jähr- lich gar 600 bis 800 Studierende. Über die anderen deutſchen Univerfi- täten f. die Zufammenftellungen bei Baulfen a. a. O., S. 293 ff.

472 Das Amraſer Heldenbuch und der Teuerbanf.

rühmte Barifer Univerfität, meinte der Humanijt Glareanus, ftebe Hinter der in Wien zurüd ').

In vorteilhaften Gegenſatze zu den italienischen Humaniften, aber mit Celtes, Cufpinian und anderen Humaniften Deutfch- lands übereinftiimmend, Hatte Diarimilian auch Sinn für die Vergangenheit des eigenen Volkes. in glänzender Beweis hierfür iſt das in jeinem Auftrage geichriebene fogenannte Amrafer Heldenbuh, in dem die „beiten vollstümlichen und bhöfifchen Gedichte der mittelbochdeutfchen Zeit" geſammelt wor⸗ den find. Dadurch allein ift neben manchen anderen poetijchen Erzeugniffen eines der großen deutichen Volksepen, die Gudrun, vor dem Untergange bewahrt worden.

Die mittelhochdeutichen Epen baben auch teilmeile als Mufter gedient für den „Teuerdank“, welcher die vom Kaiſer auf der Jagd, im Kriege u. |. mw. zu verichiebenen Seiten be=- ſtandenen Abenteuer jchildert und zwar in Form einer Allegorie, indem dieſe Gefahren dem Helden Teuerdank (Marimilian) auf ferner Brautfahrt zur Königin Ehrenreich, der Tochter des Könige Ruhmreich (Karl von Burgund) durch Ehrenreichs Hauptleute „Fürwittig“ (jugendlicher Übermut und Leichtſinn), „Unfalo“ (unglückliche Zufälle) und „Neidelhart“ (Neid feiner Feinde) bereitet werden. Der Plan dieſes umfangreichen, aber recht einförmigen und trockenen, moraliſierenden Gedichtes iſt vom Kaiſer ſelbſt entworfen und, wie es ſcheint, die meiſten Geſänge auch urſprünglich von ihm ausgeführt worden. Das⸗ ſelbe iſt dann von Maximilians Sekretär und Rate Melchior Pfinzing, Propſt in Nürnberg, vollendet und, nicht zu ſeinem Vorteile, auch umgearbeitet worden ?).

Stellt der ‚Teuerdank“ die Thaten des kühnen Jägers und Ritters in poetifchem Gewande dar, fo ſollte deijen Abftammung, Ausbildung in den verjchievdenften Wifjenfchaften und Tertigfeiten, Bermählung und friegerifche Unternehmungen in einem profai-

1) Kink I, 227 N.

2) ©. die Unterfugungen v. C. Haltaus in der Einleitung zu feiner Ausgabe des Theuerdank (1836).

Der Weißkunig; Begünftigung der Geſchichtsforſchung. 473

ſchen Lebensbilde, dem „Weißkunig“, geſchildert werden. Die Ausführung wurde Maximilians Geheimſchreiber Mar Trehtz⸗ Saurwein, einem Tiroler, übertragen, der ſich für die Vor⸗ geichichte am jchriftliche Quellen, für die Kriege feit 1478 an Mitteilungen des Kaiſers ſelbſt Hielt, die ihm berjelbe zu ver- ihiedenen Zeiten bruchſtückweiſe diktiert bat. Die Vorliebe Maximilians für die allegorifche Einkleidung fpricht fich auch in diefem Werfe aus, indem die einzelnen Perfonen meift nicht mit Namen genannt, jondern mit Barben unterfchieven find, wie etwa bet ritterlichen Spielen die Helden durch die Farben ihres Gewandes fenntlich gemacht wurden. Selbft die geogra- phiichen und chronologifchen Beitimmungen find im Hauptteile des Weißkunig weggelafjen, ver auch nie vollendet worden ift, weil der große Kreuzzug gegen die Ungläubigen, der ven Ab» Ihluß der Thätigkeit Maximilians bilden jollte, nie unternommen werden fonnte !).

Aber nicht bloß das Andenken feiner eigenen Thaten wollte Maximilian der Nachwelt überliefern, auch die Gefchichte feines Geſchlechtes und feiner Länder wie die Vergangenheit des Deut- Ihen Reiches und Volkes juchte er aufhellen zu laffen. Mit Net bat man darauf bingewiefen, daß er zur biftoriichen Forſchung eine Ähnliche Stellung eingenommen babe wie in unjferem Jahrhundert der Freiherr von Stein oder der König Maximilian IL von Baiern ?). ‘Durch verfchiedene Gelehrte, befonders den Mathematiker und Geographen Johann Stabiug, den er zu feinem Hiftoriograpben ernannte, und deſſen &e-

1) Der Weißfunig blieb auch bis zum Jahre 1775 ungebrudt. Setzt wird er mit den alten Holzfehnitten neu herausgegeben im „Jahrbuch der kunſthiſtor. Sammlungen des allerböhften Kaiferhaufes”, VI 8. ©. über das Wert R. v. Tilienceron im „Hift. Taſchenbuch“, 5. Folge III, 321 ff., und über Treyg-Saurwein die Unterfuhungen von D.Shön=- berr, im „Ardiv f. öfterr. Geſch.“ XLVIII, 355 fi.

2) 4A. Horamik, Nationale Gefchichtfchreibung im fechszehnten Jahr⸗ Hunderte. „Hiſt. Zeitſchr.“ XXV, 67fj. Über die Berdienfte 8. Mari- milians um die nationale Geſchichtſchreibung ſ. auch v. Wegele, Geld. ber Deutichen Hiftoriographie, S. 91 fl.

414 K. Marimilians perfönliher Verkehr mit Gelehrten.

bilfen, feinen Kaplan Yadislaus Suntheim aus Ravensburg, einen Zögling der Wiener Univerfität, und Jakob Diennel oder Manlius in Freiburg, einen geborenen Bregenzer, ließ er in den Klöitern, Bibliotheken und Archiven Deutichlands, Frank⸗ veich8 und Italiens Forſchungen anitellen, um alte Chroniken und Urkunden aufzufuchen und die Quellen zu verzeichnen, Die wichtigeren abzufchreiben )). Noch auf dem Todbette Tieß fich der Kaiſer in fchlaflofen Nächten durch Manlius Abjchnitte aus der öfterreichifchen Gefchichte vorlefen ?). Dabei war der VBer- kehr, den Maximilian mit den Gelehrten unterhielt, ein durch⸗ aus vertraulicher und ungeziwungener. „Der Kaiſer“, jagt der Franzoſe Froiſſart, „nennt jie nicht bloß feine Freunde, fondern er behandelt fie auch als ſolche. Es giebt gewiß feinen zweiten Herricher, der fich jo willig belehren ließe von denen, die mehr gelernt haben als er, und ber felbft jo reichen Geifies ift, daß er fchon durch jeine Fragen belehrt” 8). Beſonders nahe jtan- den ihm der Nürnberger Patrizier Willibald Pirfheimer, der Mittelpunkt eines ausgedehnten Kreiſes von Humaniften und Künftlern und felbit ein eleganter Gefchichtichreiber,, und der Augsburger Konrad Beutinger, den ber Kaifer nicht bloß in politiihen Angelegenheiten oft verwendete, jondern auch im wiffenichaftlihen Fragen häufig zu Rate zog und mit ber Überwachung vieler feiner Fünftlerifhen Unternehmungen be- traute *).

Denn vor allem als Förderer der Kunſt hat fih Mari- milian große Verdienſte und einen gefeierten Namen er- worben.

Die Kunft follte nad den Ideen des Kaiſers vorzüglich

1) Aſchbach II, 366ff., 377 ff. Über Manlius fiehe auch Laſchitzer im „Jahrb. der kunſthiſt. Samml. d. allerh. Kaiferhaufes” IV, 79ff.

2) Laſchitzer, ©. 85. Bol. Cuspinianus, De Caesaribus, p. 491.

3) Bei Janſſen I, 134.

4) Herberger, €. Peutinger in feinem Berbältnifie zum 8. Mori» milian I. (Augsburg 1851). Vgl. Geiger, Renaiſſance und Huma- nismus, ©. 369-382.

Ausgabe iluftrierter Prachtwerke. 445

feiner Verherrlichung dienen und dabei mit der Poefie, der Wijjenichaft und dem Leben Hand in Hand gehen. Auf dieſe Weile „entjtanden illuftrierte Prachtwerfe, die, joweit fie nach des Kaiſers Abfichten vollendet wurden, für alle Zeiten als typographiſche und Fünftlerifche Meiſterwerke daſtehen werden” 7).

Die erfte Ausgabe des „Teuerdank“, die 1517 erichien, ift mit nicht weniger al8 118 Holzichnitten geziert, wofür Hans Schäufelein und andere Meijter nach den eigenen Ideen des Kaiſers die Zeichnungen geliefert haben. Dasjelbe follte mit dem „Weißfunig” gefcheben, für deſſen Illuſtration beſonders Hans Burgkmair thätig geweſen tit.

Bereits 1511 war eine illuftrierte „Genealogie“ der Vor» fahren Diarimilians mit Zeichnungen von Burgkmair erjchienen. Daran jchloß fi eine Sammlung der Heiligen, von denen man annahm, daß fie zu den Habsburgern in irgendeiner ver- wandtichaftlichen Beziehung jtänden, mit Text von Manlius und Zeichnungen von Leonhard Bed, der auch für den Teuer» dank und Weißkunig thätig gewejen iſt. Ein beſonderes Pracht⸗ werk ſollte der „Triumphzug“ oder „Triumphwagen“ Maris milians werden, welcher von dieſem ſelbſt in allen Details er- funden, von Treytz⸗Saurwein redigiert und von Albrecht Dürer entworfen worden iſt, worauf die Skizzen zur Vervielfältigung durch den Holzſchnitt auf nicht weniger als 137 Zafeln ?) an verfchiedene Künftler, namentlid an Dürer und Burgkmair ger geben worben find. iner ähnlichen Idee verdankt auch die „Ehrenpforte“ ihre Entitehung, ebenfalls ein Werft Dürers, das nad) den damaligen Vorftellungen von einem Triumph bogen der römiſchen Raiferzeit Darftellungen aus der Gejchichte Marimiliand mit erläuternden Verſen von Stabius und in der Mitte den Stammbaum des Haufes Ofterreich enthält, an beffen oberftem Ende Marimilian felbft, umſchwebt von Sieges-

1) R. Mutter, K. Marimilian I. als Kunftfreund. „Orenzboten“ 1884, I, 134.

2) Nah einer von Schönherr im „Jahrb. der funfthift. Samml. d. allerh. Kaiſerhauſes“ II,2, LXXXIX, no. 1366 mitgeteilten Notiz ſollte der Triumphwagen eigentlih aus 210 „Formen“ beftehen.

476 Künſtleriſche Berzierung des Gebetbuches K. Marimilians,

göttinnen, thront. Es iſt „das Großartigſte, was jemals für den Holzichnitt gejchaffen wurde“. Setzt man die Abdrüde der 92 Holzitöde zufammen, jo mißt das Blatt nicht weniger als 103 Buß in der Höhe, 9 in der Breite. Wie manche andere fünstleriiche Unternehmung ift leider auch die „Ehrenpforte” bei Maximilians Tode noch nicht vollendet gewefen ?).

Ein Kaifer, der feine ftändige Reſidenz hatte, fondern ruhe— los von Stadt zu Stadt z0g oder im Felde lag, fonnte nicht daran denfen, einen glänzenden Palaſt zu bauen und mit Statuen und Bildern zu ſchmücken. Aber er wollte wenigjtens Proben von der Hand der damaligen hervorragendften beit» chen Maler befigen „und zwar in einem Buche, das er tag- täglich in der Hand führte und das zu feinem intimiten Ge— brauche beftimmt war, in feinem &ebetbuche 2)“, deren Gebete und Palmen er wahrfcheinlich ſelbſt ausgewählt und geordnet, teilweife vielleicht auch verfaßt hat. Die breiten Pergament- ränder ließ er mit Zeichnungen von Albrecht Dürer, Lukas Kranach, Hans Burgkfmair, Baldung Grien, Altvorfer und Dürerd Bruder Hans mit Zeichnungen verzieren, von welchen bejonders jene Dürerd von großem fünftlerifchen Werte find.

Aber wenn auch bei jeinen Lebzeiten feine eigentliche Heimat ber Steigbügel, der Sattel jeine Refidenz war, wie ein geift- voller Kunfthijtorifer ſich ausdrückt 3), jo wollte er doch nach jeinem Tode in einem feiner würdigen Grabdenkmale ruhen.

Spätejtend um das Jahr 1505 faßte Marimiltan den Plan, ſich ein großartiged Maufoleum zu errichten. So weit

1) Mit der von Muther a. a. O., S. 133ff. und 185ff. gegebenen Skizze vgl. M. Thaufing, Dürer (2. Aufl.) II, 114ff. und die neuen prachtvollen Ausgaben im „Sahrb. d. kunſthiſt. Samml. d. allerh. Kaiſer⸗ baufes“ I, IV— VI, mit Unterfuhungen von Scheftag über ben „Triumph“, Laſchitzer über die „Heiligen“, Chmelarz über die „Ehren pforte” und A. Schulk über den „Weißkunig“.

2) Mutbera. aD, ©. 131. Bgl. Thaufing I, 127ff. und Chmelarz im „Sabrb. d. funfihiftl. Samml.“ III, 88ff., über bie zweite in Beſançon aufbewahrte Hälfte, die das Münchner Eremplar ergänzt, aber leider auch einige Lücken hat.

3) Thaufing II, 114.

Arbeiten für fein Grabdenkmal. 477

die noch erhaltenen Angaben einen Schluß geftatten, jollte Des Kaiſers ehernes Bild in fnieender Stellung die Mitte eins nehmen und bagfelbe zunächit von kleineren Bildern der Heiligen aus dem Haufe Habsburg, in weiterer Entfernung aber von den mehr als lebendgroßen vergoldeten Erzitatuen der Ahnen Maximilians und einiger Lieblingshelden desjelben (Theodorich, Arthur oder Artus, Karl dem Großen und Gottfried von Bouillon) umgeben werden. Sein Hofmaler Gilg Seglichreiber aus München arbeitete feit 1505 an den Zeichnungen zu den Grabbildern, wobei Maximilian ſelbſt mit dem Künftler die Detaild beiprah und Korrekturen anordnete. Zugleich wurde im Sommer 1508, nachdem ſich Unterhandlungen mit Peter Viſcher, Nürnbergs berühmtejtem Erzgieker, wahrjcheinlich zer- ſchlagen hatten, ebenfall® aus Nürnberg Stephan Godl mit mehreren Gejellen berufen, der in Mühlau bei Innsbrud, dem Site der berühmten und jeßt unter der Leitung Seujenhofers nach mehr aufblühenden Harniichjchlägerei, eine Kunftichule für Erzgießerei errichten und in derjelben bejonders Tiroler beran- bilden jollte. Indeſſen vergingen troß des Drängens des Kaiſers viele Jahre, bis das Werk wejentlich geförvert ward. Seplfchreiber, der nicht bloß die Zeichnungen Yieferte, jondern mit den ihm beigegebenen Leuten aucd das Modellieren, Gießen und Zijelieren der großen Statuen bejorgte, Tcheint eine echte Künftlernatur gewefen zu fein und viel verfprochen, aber wenig gearbeitet zu haben. Auch fcheint der Bau einer neuen Gief- hütte, manchmal aud die Schwierigfeit, während des vene- tianiichen Krieges die notwendigen Mittel zu liefern, ihn auf- gehalten zu haben. Bis zum Jahre 1513 war erft eine der großen Statuen gegoffen, andere in Vorbereitung und auch) Ipäter ging die Sache troß aller Verſprechungen Seplichreibers nur langjam vorwärts. Als er endlich im Sommer 1518 vom Kaiſer des Dienſtes enthoben wurde, waren von 28 großen Statuen erit zwölf, teils im Guffe mehr oder weniger vollendet teil8 wenigſtens mobelliert. Won den kleineren Statuen hatte Godl bis zu diefer Zeit 19 gegoffen, und ed wurde ihm nun auch der Guß der großen übertragen.

418 Auffhub der Vollendung durch K. Maximilians Tod.

Wahricheinlih ward der Kaifer durch das langſame Bor- ſchreiten des Guſſes in Mühlau bewogen, dazwilchen auch an anderen Orten arbeiten zu lafien. Im Sabre 1513 lieferte Peter Bilcher die Statuen Arthurs und Theodorichs, die an fünjtleriihem Wert alle anderen weit überragen, obwohl auch bie noch ganz oder teilweife von Seflichreiber herrührenden zu ben hervorragendſten Yeiftungen ber deutſchen Kunſt diefer Zeit gehören. Auch in Augsburg wurden unter PBeutingers Leitung vom Bildhauer Jörg Mufchgat und den Erzgießern Hans und Laur Zotman 32 eberne Brujtbilvder für das Grabmal des Kaiſers angefertigt, die aber vollitändig verloren find !).

Denn leider bat der frühe Tod des Kaifers auch die Aus- führung dieſes Werkes verhindert. Erſt nach langer Unter- brechung wurde dasſelbe durch Morimilians Enkel König Ferdi⸗ nand wieder aufgenommen und mit manchen Abänderungen vollendet und dann in Innsbrud aufgeftellt, obwohl Maximilian jelbjt feinem Zeftamente gemäß in Wiener Neuftadt beigejet worden war. Bon allen fünftlerifchen Unternehmungen Maxi⸗ milians ift fein Grabdenkmal das beveutendfte, und es wird auch in den jpäteften Gejchlechtern das Andenken eines Fürften lebendig erhalten, der wie fein anderer in jenem Jahrhundert bie deutſche Kunft mit Liebe und Berftändnis gepflegt und ge- fördert bat.

1) Über die Gefchichte diefes Denkmals bis zum Jahre 1519 Haben erft die Forihungen D. Schönherrs im „Ardiv f. Geſch. und Alter- tumskunde Zirol8” I, 1—60, Licht verbreitet. Bol. damit jekt auch befien „Urkunden und Regeften aus bem f. f. Stattbalterei- Archiv in Innsbrud”, im Jahrb. d. kunſthiſt. Samml.“, II. B., 2. Abteilung. ©. auch Lübke, Gefchichte.der Plaftif, S. 665 F. 672ff.

Pan der Übertragung Ofterreih8 an Erzherzog Ferdinand, 479

Achtes Kapitel.

Die Kaiferwahl von 1519 und die Erbteilung zwifchen Karl V. und Ferdinand 1.

Db das Haus Habsburg nah dem Tode Dlarimilians I. die Kaiferwürde zu behaupten vermöchte und ob die Erblanve mit dem fpanifch-niederländischen Reiche Karls verbunden würden oder als ſelbſtändiger Staatsförper innerhalb des Deutichen Kaiferreiches Tortbejtänden, da8 war die Frage, von beren Löſung die fünftige Entwidelung ſterreichs abbing.

„Nach dem feit der Erhebung des Haufes Habsburg in Diterreich geltenden Gewohnheitsrechte waren die Erblande immer als Gelamtbefig betrachtet worden, und e8 fonnte daher feinem Zweifel unterliegen, daß biefelben an beide Enkel Maxi⸗ milians fallen mußten, wenn auch Karl als der ältere die oberite Gewalt beanjpruchen durfte. Indeſſen lag e8 gewiß nahe, diefelben an Ferdinand allein zu überlaffen, da Karl bes reits der Erbe der Königreiche Caſtilien, Aragonten, Neapel, der Inſeln Sieilien und Sardinien, der burgundiich-nieber- ländiſchen Gebiete und der neu entdedten Länder in Amerifa war, deren Ausdehnung fich noch gar nicht ermeflen ließ. ‘Der Plan, die öfterreichiichen Erblande dem Erzherzoge Ferdinand

zu übertragen, wurde offenbar ſchon beim Abjchlufje der Heirat verträge mit Ungarn in den Jahren 1506 und 1507 ernitlich ins Auge gefaßt, wenn auch nie eine ausdrückliche Verfügung getroffen worden ijt. Auf dem Ausichußlandtage in Innsbrud im Sabre 1518 baten die Delegierten den Raifer, er möge die Erbichaftsangelegenheiten jeiner Enkel bezüglid der Erblande noch bei Lebzeiten ordnen, damit nicht nach feinem Tode Streitigfeiten entftänden, auch möge Ferdinand in die diter- reichischen Länder gebracht werden. Der Kaifer erwiderte, er habe mit Karl darüber verhandelt, aber ohne Erfolg, da dieſer

480 Mißtrauen K. Karls gegen Ferdinand.

die Sache bis zu Ferdinands Volljährigkeit verichteben wolle, damit er verfichert fei, daß derjelbe die getroffene Vereinbarung auch halten würde’). So war bei Marimiliand Tode pie Trage noch nicht entfchieden, und berfelbe ſetzte in feinem Teſta⸗ mente vom 6. Sanuar 1519 ?) feine beiden Enkel zu Erben ein.

Den öſterreichiſchen Yändern waren beide bisher vollitändig fremd geblieben und fern von ihrem Großvater herangewachſen. Karl verlebte feine ganze Yugendzeit in den Nieberlanden ; Niederländer waren feine Erzieher, das Vlämifche feine Mutter- Tprache, während er Deutih auch als Kaifer nie vollitändig ge- lernt bat. Ferdinand war in Spanien, wo er am 10. März 1503 das Licht der Welt erblidte, unter den Augen jeines mütterlihen Großvaters Ferdinand von Aragonien erzogen worden, und er verlieh diejes Land erit, als er ſchon falt er- wachlen war. Gewiß ift dies nicht ohne Einfluß auf die Ent- widelung ſeines Charakters geblieben; bier ift ihm die ſireng religiöfe Richtung eingeprägt worden. Doch iſt diefe bei ihm, der von Natur aus zur Milde und Mäßigung neigte, nie in Fanatismus ausgeartet, und fein zwar nicht genialer aber klarer Geiſt hat es ihm möglich gemacht, ſich auch in die deutjchen Verhältniſſe bineinzufinden.

Ferdinand war ber Liebling feines mütterlihen Großvaters gewefen, und man hat wohl geglaubt, daß diefer ihm mit Über- gehung feines älteren Enkels zum Erben einfegen würde. Auch fpäter waren Karl und deſſen niederländiihe Räte von Mißtrauen gegen Ferdinand erfüllt und fürchteten, daß un⸗ zufriedene ſpaniſche Große ihn feinem Bruder als Regenten des Meiches entgegenftellen Fönnten. Als Karl im Herbfte 1517 fih nach Spanien begab, um felbft die Regierung diefes Landes zu übernehmen, wurde Ferdinand ſehr argwöhniſch behandelt und endlid im Frühjahr 1518 nad) den Niederlanden gejchidt, wo er unter der Aufficht feiner Tante Margareta lebte.

1) „Archiv f. öfterr. Geſch. XIII, 229 (Art. 11), 274. 2) Bolftändig bei Bucholtz, Geſchichte der Regierung Ferdinand I. I, 476 ff.

Die Kandidaten für die Kaiſerwürde. 481 .

Auch bei der neuen Kaiferwahl *) traten fich die Interefien beider Brüder entgegen.

Der Verſprechungen, welche die Mehrzahl der deutſchen Kurfüriten auf dem Neichätage in Augsburg zuguniten Karls von Spanien gegeben Hatten, hielten fie fich durch den Tod des Kaiſers entbunden. Das Ausbieten ihrer Stimmen, das Markten der Bewerber um biejelben begann von neuem.

Die Zahl der Kandidaten war eine jo große, wie fie nie ge» weien, da das Anjeben der Kaiſerwürde infolge der umfafjenden Thätigkeit Marimilians in letzter Zeit doch ſehr geitiegen war und man namentlich erfannte, daß fie einem mächtigen Fürſten einen nicht zu unterjchägenden Nechtstitel für die verjchiedenften Anfprüche bieten konnte. Nicht bloß Karl von Spanien und Franz I. von Frankreich traten offen als Bewerber auf. Auch vie Räte Ludwigs von Ungarn beichloffen, die Ver— Iprechungen, welche der Kaifer demſelben im Jahre 1515 ge- macht hatte, geltend zu machen und zu verlangen, daß jener als Maximilians Nachfolger anerfannt werde. Ebenjo jchidte Heinrih VII. von England im Mai einen Geſandten nach Deutfchland, um die Stimmen ber Kurfürſten für fich zu ger winnen. Nicht minder trug fich der Kurfürſt Joachim von Drandenburg mit der Hoffnung, fein Haupt mit ber Kaijer- krone geſchmückt zu jeben.

Doch Hatten Ludwig von Ungarn, der noch nicht einmal volljährig war, und Heinrich von England von vornherein feine Ausficht auf den Thron. Joachim non Brandenburg genoß perjönlich fein großes Anfehen, und es fprach gegen ihn wie gegen alle deutſchen Fürften der Umftand, daß Teiner als

1) ©. darüber außer den S. 448 angeführten Werten und Abhand⸗ lungen von Mignet, Droyfen, de Lena, Rösler, Höfler und Baumgarten noch Lanz, Einleitung ©. 2160ff. Ranke, Deutfche Geſch. 1% 240 ff. Zanffen, Gefchichte des deutſchen Volles I, 580ff. Liste, Des pol- nifhen Hofes Berhältnis zur Wahl K. Karls V. in „Hiftor. Zeitſchr.“ XVI, 46ff. und die Abhandlungen und Mitteilungen von R. Pauli, Liste, Rezek, Baumgarten und Neuſtadt in „Forfch. 3. bentfchen Geſch.“ I. VII. IX. XVIO. XXXII. und XXV. 8b.

Huber, Geſchichte fterreichs. ILL. 31

482 Nivalität Karls von Spanien und Franz I: von Frankreich,

mächtig genug galt, um das Anſehen des Neiches nah außen zu wahren und im Innern Frieden und Drbnung anfrechtzu- erhalten. Aus diefem Grunde lehnte auch Friedrich von Sachlen, der ſonſt vielleicht Ausficht auf die Krone gehabt Hätte,. jebe Wahl ab.

Biele Anhänger des Haufes Ofterreih hätten die Wahl bed Erzherzogs Terbinand gewünfcht, der im Rufe ftand, mehr Geiſt zu befißen als fein langſam fich entwidelnder Bruder, und fih ganz der Regierung Deutichlande widmen konnte. Selbit die Regentin der Niederlande, Maximilians Fuge Tochter Margareta und deren Räte fprachen fich in einem Schreiben an Karl vom 20. Februar dahin aus, daß dieſer in bie Wahl feines Bruders willigen möchte, wenn es den franzöfifchen Umtrieben gelänge, ihm die Kurfürften abwenbig zu machen. Aber Fer⸗ binand war noch ohne eigenen Länderbeſitz und hätte ohne bie Gunſt feines Bruders weder die Hand nad ber Krone aus ftredden noch fie mit Würde tragen können. Karl war ſehr entrüftet über die ibm von feiner Zante gemachte Zummtung, auf die Krone zu verzichten. Er wolle, antwortete ex ihr, biefelbe erringen, es fofte, was e8 wolle. Die Wahl Ferdinands würde nur den Franzoſen nützen, welche, wenn ihr König nicht burchzufegen wäre, einen britten al8 Kandidaten aufzuftellen, Ferdinand von feinem Bruder zu trennen, die Macht des Hauſes Habsburg zu vernichten wünjchten. Seinem Bruder verſprach er, gleich nach Erledigung der Wahlangelegendeit fich mit der Teilung der Erbichaft ihres Großvaters zu bejchäftigen und fich dabei ihm gegenüber als Bruder zu benehmen; er möge ja entgegen. gejegten Einflüfterungen kein Gehör ſchenken.

Sp Tamen doch nur zwei Bewerber ernitlich in Betracht, Karl von Spanien und Franz I. von Frankreich.

Dem franzoſiſchen Könige war es unerträglich, daß Larl, der wegen einiger burgundiſchniederländiſcher Gebiete ſein Bafall war, die höchite weltliche Würbe der Chriftenheit und bamit den Vorrang ihm gegenüber erlangen follte. Aber auch das Intereſſe Frankreichs verlangte, daß Karl, deſſen Befigungen dieſes ſchon jet von Norden und Süben umfaßten, nicht auch

Abneigung ber Deutſchen gegen die Wahl eines Ausläubere. 483

noch die Herrſchaft über Dentfchland erlange. ‘Daher fekte Tranz alle Mittel in Bewegung, um feinem Rivalen den Rang abzulaufen und feine eigene Wahl zu erwirken. Drei Millionen Goldthaler, nach jetzigem Gelde 160 Milfionen France, äußerte er, wolle er verwenden, um zum Ziele zu kommen. Da auch ver Papſt Leo X., obwohl er eigentlich die Wahl eines weniger mächtigen Türften für das vorteilhafteſte gehalten Hätte, im Intereſſe jetner Familie feinen Einfluß zugunften des franzöfifchen Königs anwendete, und diefem Vollmacht gab, für feine Wahl den Erzbifchöfen von Trier und Köln den Karbinalshut, dem von Mainz die Würde eines päpftlichen Legaten in Deutſch⸗ land in Ausficht ftellen, jo ſchien eine Zeit lang wirklich die Mehrheit der Wähler für ven franzöftichen König zu fein. Auf die Stimmen der Kurfürften von Brandenburg, Trier und Pfalz konnte er fiher, auf die von Mainz und Köln, vieleicht auch Böhmen, wuahrjcheinlih rechnen. Um für ben Tall einer zwiefpaltigen Wahl feine Gegner raſch nieberwerfen zu können, ftellte er ein Heer an der DOftgrenze feines Reiches auf und ließ auch in Dentichland jelbft durch mehrere erkaufte Fürſten Truppen werben.

Aber gerade dies Hat ihm nicht wenig gefchabet. Der ge waltthätige Herzog Ulrich von Württemberg, der mit dem von Frankreich geſchickten Gelbe ein Heer zuſammengebracht und bie Reichsſtadt Reutlingen überfallen und unterworfen hatte, wurde wegen dieſes Landfriedensbruches vom fchwäbifchen Bunde aus. jeinent Lande getrieben, und das Bundesheer nahm dann eine Aufftellung in der Nähe von Frankfurt, angeblich um die Frei⸗ beit der Wahl zu fichern, in der That aber um auf die Kur⸗ fürften einen Drud zugunften Karls auszuüben. Der Abel und die Bürger, bet denen Martmilian jo populär gemejen war, übertrugen ihre Liebe auch auf deſſen Enkel und die Ab- neigung gegen die Wahl eines Ausländers, befonders ber Haß gegen Frankreich äußerte fich in ben Rheingegenden in jehr fräftiger Weile. Man glaubte, die Kurfürften würden erfchlagen werden, went fie den franzöftihen König wählten. Da nun auch die Bevollmächtigten Karls es an Gelb und Verſprechungen

81*

484 Wahl Karls V.

nicht fehlen Tießen und bie Kurfürften vom ebrgeizigen und berrichjüchtigen Franzoſenkönige die Unterbrüdung der „veutfchen Freiheit“, von Karl aber, der oft aus Deutichland abweſend fein mußte, die Förderung ihrer eigenen Macht und die Er- richtung des lange angeftrebten Neichsregiments erwarteten, To geitalteten fich die Ausfichten für Karl immer günftiger. Die Kurfürften von Trier und Brandenburg ftanden mit ihren Sympathieen für Frankreich ſchließlich ganz iſoliert. Auch der Papſt Tieß, als er die Unmöglichkeit erfannte, die Wahl Karls zu hindern, den früher dagegen erhobenen Proteft fallen. Am 28. Juni vereinten fich alle Stimmen auf Karl von Spanien.

Doch hatten die Kurfürſten ihre Vorrechte zu fihern und zu erweitern verfucht durch eine vom neuen Könige auszuftellende Berjchreibung ?), durch welche dieſer namentlich verfprechen mußte, ein aus Deutjchen bejtehendes Neichöregiment unter Bei- ziehung einiger Kurfüriten und Fürſten einzufegen und ohne Zuftimmung der Stände oder wenigjtens der Kurfürjten mit feinem fremden Staate ein Bündnis zu jchliegen und im Namen des Reiches Teinen Krieg anzufangen, alfo auch in Beziehung auf die auswärtige Politik fih Schranken fegen zu laſſen. Es war das erjtemal, daß der neugewählte König eine Wahl- Tapitulation bejchwören mußte, was von da an Regel ge- blieben ift.

Der Befit Württembergs, deſſen fich ber ſchwäbiſche Bund am Frühjahr bemächtigt hatte, erwies fich für die vielföpfige Körperichaft bald als eine La. Man hatte anfangs die Ab- ficht gehabt, vasfelbe Ulrich unmündigem Sohne Chriftoph zu überlafien, für ben namentlich deifen Obeime, die Herzoge von Baiern, fich verwendeten. Es zeigte fich aber bald, daß das infolge der Mißwirtſchaft Ulrichs erjchöpfte und verjchuldete Land nicht imftande fein würde, dem Bunde die hohen Kriegs- foften zu vergüten. Da nun Ulrich um die Mitte des Auguft neuerbings einen Verjuch machte, fein Herzogtum zurüdzuerobern,

1) ©. über diefe und beren Genefl8 DO. Walk in „Forſch. 3. deut⸗ ſchen Geſch.“ X, 218ff.

Die Erwerbung von Württemberg. 485

jo griff im Bunde die Anficht, daß nur ein mächtiger Fürft basjelbe gegen weitere Angriffe zu behaupten vermöge, immer weiter um fih. Da wurde e8 den kaiſerlichen Kommiflarien, deren Seele der Nieberländer Max von Zevenbergben war, nicht ſchwer, den Bund für die Abtretung bes Landes an Dfter- veich zu gewinnen. Am 6. Februar 1520 wurde der Vertrag geichloffen, vurch welchen der Bund Württemberg gegen Erjat ber Kriegsfoften in der Höhe von 210000 Gulden an Karl V. als Erzherzog von Dfterreih und feine Erben überließ. Der Kaiſer bevachte fich zwar lange, dieſes Abkommen zu genehmigen, da er ohnehin in der größten finanziellen Bedrängnis war und mehrere Kurfürften fich für Ulrich verwendeten. Da aber biefer felbjt auf Unterhandlungen nicht einging, jo wurde ber Vertrag Doc) endlich ratifiziert ). Die zerftreuten öfterreichifchen Befigungen in den Vorlanden wurden durch die Erwerbung Württembergs zu einer fompaften Mafje vereinigt, gegen welche bie zahlreichen kleinen Reichsſtände Schwabens vollftändig in den Hintergrund traten und durch welche auch die Eidgenofjen in Schach gehalten werben fonnten.

Ye mehr aber die Befigungen des Hauſes Habsburg fich vergrößerten, um jo deutlicher ftellte fich die Unmöglichkeit her⸗ aus, daß Karl allein die Regierung verfelben in den Händen behielte. Denn die Sorge für die Behauptung des Faiferlichen Anſehens, die Negierung Spaniens, wo im Sommer 1520 ein ſehr gefährlicher Aufjtand ausbrach, der Niederlande und Italiens wie die Rivalität mit Frankreich mußten diefen immer in Weſteuropa feithalten, während die Lage der dfterreichiichen Erbläuder dringend die Gegenwart eines eigenen Regenten er- forderte. Hier waren nämlich ſehr gefährliche Unruhen aus⸗ gebrochen, welche die Gewalt des Landesfürſten ernftlich be- brobten 2).

1) 3. Wille, Die Übergabe des Herzogtums Württemberg an Karl V. „Forſch. 3. deutſchen Geſch.“ XXI, 521ff.

2) Am grünblichfien handelt darüber V. v. Kraus, Zur Gefchichte Dfterreich8 unter Ferbinand I. 1519—1522. Ein Bild flänbifcher Partei- fümpfe (Wien 1873). Bgl. damit Dimitz, Geſch. Krains LI, 67 ff.

486 Sturz bes nieberöfterreichifchen Regiments durch bie Stände.

Der Kaiſer Max batte in einen Zufake zu feinem Teftantente beftinumt, daß bis zu weiteren Verfügungen feiner Entel bie Mitgliever der Regimenter und -die übrigen Beamten ibre Stellen behalten follten. Das nieberöfterreichtiche Regiment, deſſen bervorragenbfte Mitglieder Georg von Rottal als oberfter Hauptmann, Dr. Johann Schneivpöd als Kanzler, Lorenz Saurer als Vizedom und der Biſchof von Wien, Georg von Slatkonia, waren, Batte ſich aber bei den Ständen und ben Wiener Bürgern fehr unbeliebt gemacht; Willfürherrjchaft, Eigennug, Beftechlichkeit, Telbft Lanbesverrat wurben ben Mit⸗ gliedern desjelben vorgeworfen. ALS nun, vom Negimente be rufen, am 28. Januar der Landtag ſterreichs unter der Enns in Wien zufammentrat, bilvete fich gleich eine Iebhafte Oppo⸗ fition. gegen die Fortdauer der Gewalt besfelben. Obwohl die Regierung fich bereit erklärte, bis zur Ankunft der Landesfürſten fih durch einen ſtändiſchen Beirat zu verftärlen, verweigerte ihr doch die Mehrheit der Herren und Nitter unbedingt die Anerkennung. Diefe Partei nahm bis zum Empfang ber Huldigung durch die neuen Zandesfürften die Negierung für Die Stände in Anfpruch, der Hulbigung aber, erklärte fie, müſſe die Beftätigung der Landesfreiheiten durch den Fürften voran⸗ geben.

Die Stimmung der Bevölkerung Wiens verhalf biefer Partei zum Siege, obwohl der Bürgermeijter Kirchhofer und der Stadtrat dem Regiment bereitd ben Eid ber Treue ge» ichworen hatten. Noch vor dem Zufammentritte des Landtags Hatte die ſtädtiſche Oppofition unter Führung des Univerfitäts- profeffors Martin Siebenbürger, genannt Capinius, eines an⸗ gejehenen NRechtsanwaltes, es durchgeſetzt, daß der Stadtrat duch 53 „Genannte oder Mitgliever des großen Bürger» ausjchuffes verjtärkt wurde. Als nun die Stände, welche fich über die Anerkennung des Regiments nicht einigen konnten, ven jonderbaren Beſchluß faßten, die Entſcheidung dieſer Trage dem Rate und der Gemeinde der Stadt Wien zu übertragen, ba Iprachen fich die „Genannten“ entjchieden im Sinne der Oppo⸗ fition aus, und endlich wurde auch der Bürgermeifter, der jogar

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Berbalten ber Stände in den übrigen Erblanden. 487

am Leben bebroßt warb, gezwungen, fich gegen das Negiment zu erflären. Da ſich die Vertreter der übrigen Städte im Landtage nach dem Beifpiele Wiens richteten, fo hatten jetzt bie Gegner bes Regiments die Majorität, zu der am Ende jelbft der Landmarichall Kaſpar von Wollersporf übertrat.

Der Landtag errichtete jekt eine neue Landesordnung und ſetzte ein ſtändiſches Regiment ein, beſtehend aus 64 Mitgliedern; 16 ans jedem Stande, von denen der vierte Teil als „Land- räte” mit dem Landmarſchall, Untermarichafl und Lanpfchreiber jtändig die Regierung führen follte Dieſe Landräte, unter denen die Herren Michael Eizinger von Eizing und Hanns von Buchheim, Doktor Stebenbürger und beffen Geſinnungsgenoſſe Hanns Rinner, ehemals Stadtrichter und DBürgermeifter von Wien, bie bervorragenditen waren, rifjen num die ganze Regierung an ſich, bejegten die Stellen mit ihren Anhängern, bemächtigten fih ver Iandesfürftlichen Einkünfte und ließen fogar, als gäbe e8 keinen Landesfürften mehr, eigene Münzen prägen. Die Mitglieder des alten Regiments fanden nirgenbsmehr Gehor- am :und mußten fi nach Wiener Neuftabt In Sicherheit beingen. Ä

In den anderen nieberöfterveichfehen Ländern, Steiermart, Renten, Krain und Ofterreich ob der Ens, erlaubten ſich die Stände keine offenen Eingriffe in die Befugniſſe des Landes⸗ fürften. Aber alle Landtage ignorierten doch das bisherige Regiment vollftändig und übertrugen die Verwaltung einem ſtändiſchen Ausichuffe.

Kur in Tirol ging ber Landtag wie fpäter der von biefem beftelite ftändifche Ausichuß mit dem dortigen Negimente ein- trädytig Hand in Hand, und man traf eine Reihe zweckmäßiger Maßregeln zum Schutze des vandes nach außen. Aber bier geriet bald das Landvolk in Aufruhr infolge des großen Schadens, welden das vom Kaifer Mar forgfältig gehegte Wild an den Feldern ber Bauern angerichtet hatte. Trotz der Verordnungen ber Stände fielen alt und jung, Männer und Weiber über das verbaßte Not- und Schwarzwild ber. Die Bauern erklärten, der Kaiſer habe ihnen auf feinem Tod⸗

488 Unruhen in Tirol; Befchwichtiguug ber Gemüter.

bette das Wild vermacht; auch hätten fie jet feinen Landes⸗ fürften, da Karl aus Spanien nicht in Diele Lande kommen würde; bemnach hätte auch das Regiment feine Gewalt. mehr. Vergebens fuchten Abgeordnete des ſtändiſchen Ausſchuſſes die Bauern zu beſchwichtigen; ſie mußten froh ſein, daß ſie ſelbſt mit dem Leben davon kamen. Als einmal die Bande der Ordnung gelöſt waren, griff die Anarchie immer weiter um ſich. Es gab keinen Gehorſam mehr, klagt der damalige Hof- richter des Kloſters Neuſtift. „Auf Straßen und bei den Städten wurden die Leute erſtochen, erwürgt und erſchlagen, und niemand war mit dem andern in Frieden. Die Edeln trauten den Bauern, die Bauern den Pfaffen und Handwerkern nit. Es war ganz keine Orbnung. Endlich ſchlugen fich die Gerichtsleute allenthalben zufammen und machten Bündnifſe mehr als je." Bis in den Sommer 1520 dauerten die Zu- ſammenrottungen der Bauern fort, und erft die Nachricht von ber Ankunft des Katjers in den Niederlanden wirkte abkühlend auf die erregten Gemüter !).

Auch in den meiſten nieveröfterreichiichen Ländern gejtalteten fih die Verhältniſſe günftiger. für die Regierung. Nicht bloß bie Stände der inneröfterreichifchen Herzogtümer und Öſter⸗ reichs ob der Enns hatten in den erſten Monaten des Jahres 1520 ben vom Kaiſer ernannten Rommifjären die Huldigung geleitet. Auch im Lande unter der Enns verlor die Oppo⸗ fition immer mehr an Boden und fah fich enblich faft nur auf die Stadt Wien beſchränkt. Aber es ftellte ſich doch auch immer deutlicher heraus, daß fich Dfterreich nicht als Annex

1) Kirchmairs Dentwürdigfeiten, feit 1519 gleichzeitig aufgezeichnet, in „F. R. Austr. SS.“ I, 441ff. Dieje bat offenbar Dr. Angerer von Angerburg im feinem 1526 verfaßten „Hoch Stüfft Brirner- Neu- ftüfft und beren benachbarthen orthen ſonderbarn Zuefähl und Begeben- beiten von a. 1507—1525”, aus denen Th. Mairhofer im „Progr. d. Gym. zu Brixen”, 1862, Stüde in moderner Umformung mitgeteilt bat, großenteils wörtlich abgefchrieben und nur mit einigen Zufäten ver- mehrt. Nah ihm bat die Zahl der 1520 Erfchlagenen 2900 betragen. Bol. auh Brandis, Geſch. der Landeshauptleute, ©. 501ff. Sin- nacher, Beiträge VII, 171ff. Egger, Geich. Tirols II, 8Off.

Überlafiung ber niederöſterr. Herzogtümer an Erzherzog Ferbinand. 489

der Ipanifchniederlänbifchen Monarchie regieren laſſe. Was tonnte übrigens auch der unmittelbare Beſitz der öſterreichiſchen Länder für Karla V. Weltitellung für einen Wert haben, da dur den Kaiſer Max die Tandesfürftlichen Einkünfte aus den⸗ felben, Bergwerke, Saltnen, Zölle und Gerichte, großenteils berpfänbet worben waren !) und daher kaum die notwendigften Ausgaben davon gedeckt werben Tonnten? Auch konnte ber Erzherzog Ferdinand doch nicht ohne eigenen Landbeſitz gelafien werden, wenn man die Eheverträge mit dem böhmiſch⸗ungariſchen Königshauſe zur Ausführung bringen wollte. Denn daß nicht Karl felbft die Primeifin Anna heiraten fonnte, wie deſſen Bevollmächtigter Andrea da Burgo ben Ungarn während ber Verhandlungen über bie Raifermahl verjprochen Batte, unterlag feinem Zweifel. War er ja mit der Tochter des Königs von Frankreich verlobt, den er bei feiner gegenwärtigen jchwierigen Lage durch einen Bruch des Eheverſprechens ſich nicht zum offenen Feinde machen durfte, und bejtürmten ihm auch die Könige von Portugal und England mit Anträgen zugunften ihrer Töchter.

Karl V. gab daher auf das Drängen ber ungarifchen Ge- fandten am 7. November 1520 die Erklärung ab, daß er ſelbſt verhindert fer, die Prinzeffin Anna zur Gemahlin zu nehmen, und daher einverftanven fei, daß fein Bruder Die be- reits abgeſchloſſene Ehe vollziehe. Zugleich erbot er fich, dieſem zu feinem Unterbalte die fünf unteren öſterreichiſchen Herzog- tümer (Ofterreich unter und ob der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain) zu übergeben und biefe zu einem Königreiche zu erheben. Wenn aber Ferdinand e8 vorzöge, durch Kommiſſäre feine Anfprüche unterfuchen zu laſſen, fo erklärte Karl fich auch Dazu bereit. Auf Grund dieſes Anerbietens fam auf dem Wormſer Reichstage am 28. April 1521 ein Vertrag zwijchen beiden Brüdern zuftande, der indeſſen jedem das Recht wahrte,

1) „Alle oder faft alle Renten und Einkünfte unferer Länder find verpfändet“, Hagt Ferdinand in einer Inftruftion für den an K. Karl geſchickten Geſandten vom November 1522 bei Baumgarten II, 198. Bezüglih der Einkünfte Tirols |. Kirhmair, ©. 443.

400 ODer Brüffeler Bertrag.

wenn er ſich verkürzt glaubte , eine neue Erbteilung zu ver⸗ langen 1).

Ferdinand begab fich daher von Worms unmittelbar nach ben öfterreichifchen Herzogtümern, feierte am 26. Mat in Pinz feine Hochzeit mit Anna von Ungarn und Böhmen und empfing perjönlich die Huldigung feiner Unterthanen. Schon jetzt, als es fih um bie Errichtung eimer neuen Regierung für Nieber- Öfterreich . handelte, konnte man fehen, daß ein ſtrammeres Regiment eingeführt werben, daß bie gemütliche Art und Weife, mit der früher zwiſchen Fürften und Ständen verhandelt wor⸗ den war, einem anderen Tone Platz machen würde.

Am Ende des Jahres begab ſich der Erzherzog nach den Niederlanden, um von ſeinem Bruder eine günſtigere Regelung der Erbſchaftsfrage zu erwirken. Denn gegen die früheren Verträge hatten Die Stände von Krain und Kärnten ſehr ernſt⸗ liche Vorſtellungen erhoben, da infolge derſelben die öſter⸗ reichiſchen Beſitzungen in Friaul, Trieft, die Grafſchaft Görz mit allen früher damit verbundenen Gebieten, die windiſche Mark und die kärntneriſche Grafſchaft Ortenburg zum Anteile Karls geſchlagen, alſo von jenen beiden Herzogtumern aus⸗ gedehnte Gebiete, die durch ihre Lage auf das engſte mit ihnen verbunden waren, getrennt und zu den Beſitzungen eines fremden Fürften geſchlagen worden wären. Karl V. trat nun in der That ſeinem Bruder auch dieſe Gebiete ab. Ja durch den Brüſſeler Vertrag vom 7. Februar 1522 überließ er ihm aus „aufrichtiger brüderlicher Liebe“ außerdem auch Tirol mit Vorarlberg, der Martkgrafſchaft Burgau, der Landvogtei in Schwaben und ben Grafichaften Hobenburg, Nellenburg und alle jonftigen Befigungen in Schwaben. Weiter übertrug er ihm das Elſaß mit dem Sundgau und der Landvogtei Hagenau wie den Breisgau, aber nur auf Lebenszeit, indem nach Ter- dinands Tode diefe Länder an den Kaifer oder jenen feiner Erben, der Burgund innebätte, zurüdfallen ſollten. Endlich

1) Diefe und bie folgenden Teilungsverträge im Auszuge bei Bucholtz I, 154 fi.

Beurteilung ber Länberteilung zwiſchen Karl und Ferdinand. 491

trat er für einige Einkünfte, die Ferdinand von: Aragonien feinem jüngeren Enkel in Spanien vermacht Hatte, dieſem auch noch das Herzogtum Württemberg ab. Doch follte dieſer Bertrag ſechs Jahre geheim gehalten werben, fo daß Werbinand in Tirol und den Borlanden bie Regierung zunäcft nur als Karls Statthalter führte. Da ihm Dies manche Schivierigleiten bereitete, jo übertrug ibm der Kailer im Jahre 1525 Tirol offen. Im Jahre 1540 bat Karl dann auch auf den Rüdfall des Elſaſſes und ber damit verbundenen Gebiete verzichtet. : + Durch die Verträge von Worms und Brüffel wurden Die weiten Befitzungen des Hauſes Habsburg wieber getrennt und zwei Linien, die fpanifche und bie öſterreichiſchdeutſche, gebilbet. Jene übernahm es, die Machtftellung des Haufes in Weſteuropa zu. behaupten, beſonders Frankreichs Lim-fich-gveifen zu hindern. Dieſe erhielt vorzüglich nach der Erwerbung Ungarns die Auf⸗ gabe, das chriſtliche Abendland, namentlich das Deutſche Reich, gegen die vom Südofſten heranſtürmenden Türken zu ber teidigen. Indem bei dieſem Abkommen die Niederlande nicht der deutſchen ſondern der ſpaniſchen Linie überlaffen wurden, iſt allerdings ihre Trennung von Deutichland vorbereitet worben. Wenn man indefien bedenkt, daß Frankreich nach dem Verluſte Mailands gerade nah Norden und Often fein Gebiet vorzufchteben. fuchte, daß aber die deutſche Linie unmöglich im- ſtande gewefen wäre, zur Zeit der höchſten Macht ver Türken auch den Kampf gegen die Franzoſen mit Erfolg zu beftehen, jo wird mar zugeben müfjen, daß diefe Art der Zeilung auch den Intereſſen Oſterreichs und Deutſchlands entfprochen hat.

Erſt im Iımi 1522 kam Erzherzog Ferdinand wieder nach SOfterreich zurück. Daß er fich, ohne Wien zu berüßren, nach) Neuftadt ‚begab, mußten die Häupter ber ſtändiſchen Bewegung von 1519 als ein fehlimmes Vorzeichen anjeben. Er febte. nun zur Enticheivung der Streitigkeiten zwijchen dem alten Regimente und beffen Gegnern einen Gerichtshof von zwölf Perſonen ein, faft ausjchlieplih Fremde, welche beiden Teilen fern geftanden, aber freilich auch mit den Rechtsverhältniſſen Dfterreich nicht vertraut waren.

492 Beſtrafung ber Häupter ber Stäubepartei in Oſterreich.

Am 10. Juli begann der Gerichtshof die VBerbandlungen. Der Erzherzog jelbjt führte dabei den Vorfik, obwohl er ber deutſchen Sprache noch nicht recht mächtig war !). Am 23. wırrde das Urteil verkündet. Es ward ausgeiprochen, daß Das Regintent vermöge des Teftamentes Kaiſer Maximilians wie früherer An- ordnungen vollkommen berechtigt geweſen jet, die Verwaltung zu führen; dagegen babe e8 deſſen Gegnern nicht zugeftanden, Ver⸗ ſammlungen zu berufen, die Regierung zu entjegen und eine nette - Ordnung aufzurichten. Es wurde der Ständepartet namentlich zum Verbrechen angerechnet, daß fie auf die landesfürftlichen Ein⸗ fünfte ihre Hand gelegt, die Beamten in ihren Eid genommen, Münzen geſchlagen und den Blutbann verliehen hatte, und wurden beswegen alle für ftraffällig ertlärt. Der Erzherzog ſah nun zwar den Ständemitglievern die Strafe nach, behielt ſich aber vor, gegen die Urheber ber Rebellion einzujchreiten. Sogleich wurden Eizinger, Buchheim, Stebenbürger und Rinner und acht andere Wiener Bürger verhaftet und ihnen der Prozeß gemacht. Eizinger und Puchheim wurden am 9., Sieben- bürger, Rinner und vier Wiener Bürger am 11. Auguft in Neuſtadt öffentlich enthauptet. Sie ftarben al8 bie Bertreter einer Idee, die fich überlebt Hatte, als bie Vorkämpfer bes partifulariftiichen Ständewejens, das fich über ein Jahrhundert lang ver Ianvesfürftlichen Gewalt als gleichberechtigt, ja als übergeorbnet, an die Seite geftellt hatte, aber einem energifchen und durch einen mächtigen Rückhalt gebedten Vertreter des modernen Abjolutismus gegenüber beim erjten Zufammtenftoße zerichellte.

Auch die Freibeiten der Stadt Wien wurden zugunften der Gewalt des Landesfürften befchnitten, ihre bisherige Autonomie vernichtet, die Verwaltung derfelben der Aufficht des Staates unterworfen ?).

Entfrembete dieſes ftrenge Vorgehen gegen bie angejehenften Mitglieder der ftändifchen Partei dem Erzberzoge Ferdinand

1) ©. Baumgarten I, 19, N.

2) K. Weiß, Gefhichtsg. der Stadt Wien. 1. Abteil.: I. A. To- maſchek, Die Rechte und Freiheiten ber Stabt Wien I, ıxxff.

Unzufriedenheit in Tirol. 498

bie Gemüter eines großen Teiles ber Oſterreicher, ſo war die Stimmung in Tirol, wohin ſich derſelbe im Frühjahr 1523 begab, feine beſſere. Er ftand damals unbebingt unter dem Einfluffe feines Schatmeifterd Gabriel Salamanca, eines Spaniers, dejjen Herrſchaft man um jo fchwerer ertrug, als er weder bie Sprache noch die Verbältniffe des Landes Tannte und e8 nicht verjchmähte, für jeine eigene Kaffe zu forgen. Auh wurde die Stellung Ferdinands dadurch erſchwert, daß er nicht als Landesfürft, jondern nur als Karls Statthalter auftreten konnte. Doch fette man es durch, daß der Landtag dem Erzherzoge zur Einlöfung ber verpfänbeten Kammergüter 145000 Gulden und feiner Gemahlin 5000 Gulden bewilligte, Summen, wie fie jelbft der populäre Raijer Max nie erlangt batte. Denn der Zrienter Biſchof Bernhard von Cles ver jeiner finanziellen Not durch ein einträgliches Hofamt abzuhelfen jtrebte, und der von Brixen, Sebaftian Sprent, der am Fürſten eine Stüge gegen fein Kapitel und den ihm abgeneigten hohen Adel fuchte, jtellten fich unbedingt auf die Seite Fer— dinands. Auch die Meitgliever der Regierung glaubten nur durch unbedingtes Entgegenfommen gegen die Wünſche Des Hofes den Befig ihrer Ämter und Pfandſchaften vetten zu innen, und fie zogen ihre zahlveichen Freunde unter dem Abel mit fich, während der mit ihnen zerfallene Landeshauptmann Leonhard von Vöols ebenfalls die Gunft des Erzherzogs und feines Günftlings zu erlangen bemüht war. Als aber ber größere Teil der Mitgliever der Regierung dann doch befeitigt, ſelbſt Nichttiroler für diefelbe ernannt und die Finanzverwaltung ganz von Salamanca abhängig gemacht ward, berrichte unter dem Adel große Unzufriedenheit. Beſonders aber murrten bie unteren Vollsklaſſen über den Einfluß eines Fremden und ben zunehmenden Steuervrud. Man fürchtete, wenn nicht bald Abhilfe getroffen würde, „fo möchte wohl Schweiz Tirols Herr und Meifter werben”, und felbjt der Kaiſer bielt e8 auf bie Berichte feiner Agenten Bin für notwendig, auf die Befeitigung Salamancas binzumirken ').

1) Baumgarten II, 320. 334, durch den alles, was Kirchmair,

494 Bauernanfftänbe vor der Reformation.

Die Abneigung gegen diefen Spanier ift auf den Ausbruch des Bauernaufitandes, der im Jahre 1525 auch Tirol wie andere oͤſterreichiſche Länder ergriff, nicht ohne Einfluß geweſen.

Wenntes Kapitel.

Die Anfänge des Proteftantismus in den öfterreidht- Schen Ländern und die Bauernaufftänbe.

Es wäre ein großer Irrtum, wenn man glaubte, Auf- jtände ber Bauern in Deutichland feien eine Frucht der Re- formation geweſen. Sie reichen bis in bie Zeit Der Kriege gegen bie Hufiten zurüd, deren Lehren auch bei den ohnehin von Abneigung gegen die reichen Geiftlichen erfüllten beutichen Bauern vielfach Anklang fanden. Seit dem Beginne des letzten Viertels des 15. Jahrhunderts entfteht bald in dieſem, Bald in jenem Zeile des Reiches eine aufrühreriiche Bewegung unter den Bauern, ein „Bundſchuh“, wie man biefelben nach ihrem Symbole, dem bäuerlichen Riemenſchuh, nannte !). Auch Die öfterreichtichen Länder waren nicht unberührt geblieben, wenn auch die Urſachen Lokaler Natur fein mochten. Wie im Jahre 1478 die Unzufriedenheit über Steuerdruck und Türlennot eine Erhebung der Bauern in Kärnten und im fteiriichen Ennstbal hervorgerufen hatte?), jo Hatten ähnliche Urfachen im Jahre 1515 einen Bauernkrieg in Inmerdfterreich zur Folge). Die S. 459ff., über den Haß ber Tiroler gegen Salamanca fagt, beftätigt und ergänzt wirb. Bol. auch Brandis, Landeshauptlente, S. 536 ff.

1) ©. über dieſe Aufſtände und Verſchwörungen und deren (teilweiſen) Zuſammenhang mit dem Hufitismus Janſſen ILie, 396 ff.

2) ©. oben, S. 255.

3) Am grünblichftien handelt über ihn Fr. M. Mayer im „Archiv f. dſterr. Geſch.“ LXV, 55136.

Der Bauerufrieg in Iunerdfterreich (116). 48

Steuern, welche die Stände dem Kaiſer Marimilian zu feinem Kriege gegen Venedig bewilligten, zablten fie. in ber Regel nicht jelbft, fondern wälzten fie auf, ihre Hinterſaſſen ab. Auch für fih fordern viele Grundherren, deren Einkünfte felbjt durch bie Zürfeneinfälle gejchmälert worben waren, von ihren Bauern erhöhte Leitungen an Gelb, Naturalien und Noboten ober trieben die bisherigen wenigſtens mit größerer Strenge ein. Die Bauern, ohnehin infolge ver ungünftigen politiichen Ver⸗ bältnifje in übler Zuge, ‚wollten aber neue Laften nicht über» nehmen, jondern beftanden auf ihrem „alten Rechte“ (stara pravda). Ä |

Den Anlaß zur Erhebung boten die Gewaltthaten George von Thurn, ber von feinen Bauern in der Gottichee (im Fe⸗ bruar oder Anfangs März 1515) erjchoffen wurde. In kurzer Zeit verbreitete fich die Bewegung über ganz Krain. Überall rotteten fich die Bauern zujammen und verbanden fich etolich zum Kampfe für ihr „altes Recht“. Vergebens forderte ber Kaijer, der einer an ihn nach) Augsburg gefendeten Deputation die Aufrechterbaltung der alten Rechtsverhältniſſe veriprach, die Bauern zur Nieverlegung ber Waffen und zur Auflöjung ihres Bundes auf. Vielmehr begannen fie nach der Mitte des Mat den offenen Kampf. Mehrere Schlöffer wurben erobert und ausgeplündert, teilweije auch zerftört, einige Evelleute getötet. Bald jchlugen die Wellen ver Bewegung über die Örenzen Kraind hinaus. Süpfteiermarf bis hinauf nah Graz und Sleisdorf, wie die fünlichen und öſtlichen Thäler Kärntens wurden davon ergriffen. Selbſt einzelne Kleinere Städte und Märkte fympathifierten mit den Bauern. Die Bemühungen kaiſerlicher Kommiſſäre und jtändifcher Abgeordneter, die Auf ftänbijchen zur Ruhe zu bringen, waren erfolgloe. Es blieb fein anderes Mittel als die Anwendung der Gewalt. Doc genügte eine geringe Mannichaft, 350 Mann jtändiicher Zruppen und 300 vom Kaiſer gejenvete Fußfnechte unter dem Landes: verweſer von Kärnten, Veit Welzer, und bem ftetriichen Landes— bauptmann Sigmund von Dietrichitein, um in ber zweiten Hälfte des Juni die Baueruhaufen in den verichievenen Gegen,

496 Gunſtige Lage ber beutfchen Bauern.

den Kärntens zu zeriprengen und zur Unterwerfung zu zwingen. Die gefangenen Anführer wurden am nächſt beiten Baume aufgehängt. In Steiermark brachte der von ben inneröjter- reichiichen Rändern gewählte Feldhauptmann Georg von Herber⸗ ftein, ein erprobter Kriegemann, an ber Spite von 1500 Mann zu Roß und zu Fuß Anfangs Juli den Bauern eine blutige Niederlage bei Cilli bei, überjchritt dann bei Neichen- burg die Save und unterwarf auch die Bauern Kraind. Bis Ende Auguft war der Aufftand überall unterdrüdt. Hinrich tung ber Rädelsführer, Geloftrafen gegen vie Aufitändtichen und Erhöhung der Örundgiebigleiten um einige „Bund-Pfennige“ jollten die Bauern für immer von dem Gedanken an eine Er- bebung gegen ihre Herren und die Errichtung von Bünden ab⸗ ſchrecken. Dagegen fand ver Wunich des Kaiſers, die Urfachen ber Unzufriedenheit der Bauern durch eine Unterjuchung ihrer Lage und eine Regulierung und Ermäßigung ihrer Leijtungen zu bejeitigen, bei den Stänven feinen Anklang.

Man wird nicht behaupten können, daß der Grund ber Bauernaufftände in Deutjchland überall Die gedrückte Lage ge- weſen jet, wie dies in den imneröfterreichiichen Ländern, bie durch häufige Zürleneinfälle und Steuerdrud erjchöpft waren, obne Zweifel der Fall gewejen tft. Denn die Verhältniffe der deutichen Bauern waren damals in materieller wie in recht. licher Beziehung im allgemeinen viel günftiger als in ben fol genden Jahrhunderten. Auch die Hörigen Batten, wie die Hof. vechte oder Weistümer zeigen, beftimmte Rechte, Yreizügigkeit, Selbjtverwaltung und eigene Gerichtsbarkeit in weniger wich. tigen Angelegenheiten. Wie gut es den Bauern am Ende des 15. und am Anfange des 16. Jahrhunderts in materieller Beziehung erging, jieht man daraus, daß in vielen Gegenden Deutichlands täglich zweimal Fleiſch auf den Tiſch fam und fogar dem Gejinde und den gut gezahlten Taglöhnern häufig Wein gereicht wurde ?).

1) Zahlreiche Belege bei Sanffen I, 307. 314ff. Au Gothein, Die Lage des Bauernſtandes am Ende bes Mittelalters, vornehmlich tu

Berihlimmerung berfelben am Beginn der Neuzeit. 497

Aber die Abgaben und Leiftungen, bie anf den Bauern Tafteten, waren doch recht zahlreich und oft drückend !), und ges rade um diefe Zeit trat eine Verichlimmerung ihrer Lage eim. Snfolge des koloſſalen Lurus und der Ausbeutung des Volkes durch die großen Handelegejellichaften, welche die Preiſe auch notwendiger Gegenftände ungeheuer in die Höhe trieben, ge rieten viele Bauern wie die Handwerker in den Städten in Schulden. Auch das Umsfich-greifen: des römijchen Rechts, das ganz andere foztale und politiiche Zuftände zur Vorausſetzung hatte, wirkte ungünftig auf die Lage des Bauernftandes ein, indem bie in jenem gebilbeten Beamten die Hörigkeit in bie Leibeigenjchaft überzuführen, den Anteil der Hof- und Marl. genofjen an Wald und Weide zu beieitigen, die Selbftverwaltung abzujchaffen fuchten. Auch war eine Vermehrung der Steuern unvermeidfich, da infolge ber gefteigerter Anforderungen und des Sinkens des Geldwertes die Fürften und Grundherren mit ihren bisherigen Einnahmen nicht mehr ausreichten. Eine Ver⸗ größerung der bisherigen Abgaben und Leiſtungen wollten fich aber die Bauern um fo weniger gefallen lafien, als fie. da⸗ mals noch allgemein bewaffnet waren und die großen Erfolge der demofratiichen Elemente in der Schweiz auch ihr Selbit- bewußtfein gefteigert hatten. Es ermwachten fogar unter ben Bauern Ideen, weldye auf die Bejeitigung jedes Unterthanen- verbandes, anf die Abichaffung jeder Herrichaft als ber Des Kaiſers und Papftes binausgingen. Nur daß die Erhebung der Bauern in den verichievenen Zeilen des Weiches bisher nicht gleichzeitig erfolgt war, hatte ihnen ihre Gefährlichkeit ges nommen, ihre Unterbrüdung erleichtert. Aber ein.auf alle zugleich wirkender Anlaß mußte faft notwendig eine allgemeine Revolution hervorrufen.

Diefen Anlaß bot bie religiöje Bewegung, welche zunächft durch Luther hervorgerufen und durch die Mißſtände in der

Südweſtdeutſchland, „Weſtdeutſche Zeitſchr.“ IV, 1ff. meint, daß nicht die wirtſchaftlichen Zuftände tie Bauernaufftände verurfacht haben.

1) Eingehende Unterſuchungen bezüglid Ofterreih8 bei 3. Ezerny, Der erfle Bauernaufftand in Oberöfterreih 1525, ©. 1—5l.

Huber, Geſchichte Öfterreichs. III. 32

4% Kirchliche Mißſtände in Ofterreich wie in Deutfchland.

Kirche und die darüber in Deutichland herrſchende Unzufrieden⸗ beit ermöglicht worden ijt.

Seitdem das Konzil von Baſel mit geringem Geſchick und noch geringerem Erfolg eine Reform der firchlichen Zujtände angejtrebt hatte, waren dieje nicht beijer, jondern eher jchlechter geworden. „Die Verleihung mehrerer Pfründen an eine und biefelbe Perfon; die Übertragung der höheren Würden nur an die Hoc» und Döchitgeborenen, die Gier nah Vermehrung tirchlichen Beſitzes; die Ausnugung des deutichen Volkes durch bie ungemefjenen Geldanforderungen des römijchen Hofes, den ärgerlichen Lebenswandel eines großen Teiles des Welt- und Ordensklerus; die Üppigfeit und Schwelgerei an ven Höfen jo mancher geiltliher Fürſten; gemwinnüßgige Ausnutzung des Heiligen; äußerliche Frömmigkeit und hanpwerfsmäßige Ver- richtung kirchlicher Übungen“ bezeichnet auch ein ftreng kirch— licher Geſchichtsſchreiber 1) als die jchweren Schäden, an denen die damalige Kirche krankte.

Daß auch die öfterreichiichen Länder davon nicht frei waren, zeigen die Klagen, welche auf dem Ausichußlandtage in Inns⸗ brud im März 1518 die weltlichen Delegierten ohne Wider- ſpruch vonjeite der Geiftlichen über die firchlichen Zujtände err hoben 2) und bie vorzüglich in der Habjucht und Sittenlojigfeit des Klerus wurzelten. Obwohl die deutfche Kirche die reichfte der Welt war und man berechnete, daß ein Drittel des ganzen Grundeigentums fi in ihren Hänven befinde ®), jo juchten doch deren Glieder ihren Befig noch immer zu vermehren. Geiftliche, die von der römiſchen Kurie oder einem Fürſten be» günftigt wurden, bäuften Pfründe auf Pfründe, Stifter und Klöſter fuchten fich die beiten Pfarreien zu inforporieren. Die Inhaber guter Pfründen, die vor allem darauf fahen, „wie viel fie in Abjentia tragen”, verjteigerten diejelben und gaben

1) Sanffen II, 6.

2) Nah den Aufzeichnungen bes Prälaten von stlofternenburg im ‚Archiv f. öſterr. Geſchq.“ XI, 247—251.

3) Janffen I, 601.

Schilderungen auf dem Ausfhuß-Landtage von 1518. 499

ben Pfarrern Meine Befoldung, hielten auch nicht die hin⸗ reichende Anzahl von Hilfsgeiftlichen, jodaß die immer mehr anmwachienden Stiftmeffen !) nicht gehalten werden fonnten und man fich von der Verpflichtung, die geftifteten Meffen zu fejen, durch Radierungen in den Kirchenbüchern freimachte.

Wenn bei den höheren ®etftlichen Gelderwerb ver einzig maßgebende Gefichtspunft war, fo darf man fich nicht wundern, wenn e8 bei ihren meift Ichlecht bezahlten Vilaren nicht anders war und fie ihr Amt als Einnahmsquelle ausbeuteten. „An einigen Drten (lagen die Delegierten) verlangen die Priefter für das Seelgeräte (Beerdigung u. |. w.) eines Mannes einen Sterbe- ochlen, einer Frau eine Sterbefub, auch dann, wenn nicht mehr Vieh auf den Gütern tft, oder aber einen anſehnlichen Geld⸗ betrag, den fie im Laufe der Zeit fort und fort gejteigert haben; fonft berauben fie dieſe Perjonen des geweihten Erdreiches“. „Die Priefter nehmen Geld für die Sünd, erlauben den offen» baren Ehebruch gegen Empfang von Geld und Zins, fo fie barauf jchlagen, und geben damit zu der Sünde Urfach, abjol- vieren auch die Zotfchläger von Geldes wegen und ftrafen bie Sünde im Sädel.” Früher aus guten Willen geftattete Samm⸗ lungen juchten bie Geiftlichen in eine bleibende Abgabe von Wein, Getreide, Käfe und Tleiich zu verwandeln. An manchen Drten unterfingen fich die Briefter auch, Weinſchänken zu halten, „wodurch in ihren Häufern viel Rumor und manchmal Tot—⸗ ſchläge vorfallen“.

Daß das äußere Auftreten und das fittliche Verbalten folcher Priefter zu Tadel Anlaß gab, tft wohl felbftverftänplich und wird auch ausprüdlich bezeugt. Die Delegierten behaupten, daß diejelben zu nicht geringem Ärgerniſſe des gemeinen Mannes unehrbare und umnpriefterliche Kleidung und felbjt den Laien verbotene Wehr trugen und fogar mit Büchſen bewaffnet das

1) Eine einzige abelige Dame ftiftete 1473 zu ihrem Seelgeräte 1000 Seelenmefien; die Zahl der geftifteten Meſſen flieg in St. Florian zu Ende des 15. Jahrhunderts über 1700, darunter für ein Glieb ber Familie Starhemberg allein 365. A. Ezerny, Aus dem geiftlichen Ge- ſchäftsleben in Oberöfterreih im fünfzehnten Jahrhundert, ©. 52.

32*

500 Urſachen bes Erfolgs Luthers.

Saframent zu den Kranken brachten, daß fie rauften und ein- ander ſchlugen und verlegten, daß fie verbächtige Dienftboten bielten und offen mit ihren Dirnen zubaufe faßen, „als wenn diefe ihre gegebenen Weiber wären".

Mit diefen Klagen über die Habſucht und Sittenlofigfeit der Geiftlichen ftimmen Außerungen des Erzbifhofs von Salz burg und feiner Suffragane volllommen überein !).

Unter ſolchen Verbältniffen darf man fich nicht wundern, daß die Angriffe, welche zahlreiche Humaniften jener Zeit gegen bie Kirche und deren Vertreter und Lehren richteten, einen fo empfänglichen Boden fanden und daß das Auftreten Luthers von fo gewaltigen Folgen begleitet war. Unter anderen Um⸗ ftänden würde das Anfchlagen der 95 Thejen gegen einzelne Mißbräuche bei Verkündigung des päpftlichen Ablaffes (am 31. Oktober 1517) und die daran fich knüpfende Polemik wohl Streitigkeiten unter den Theologen, aber feine tiefer gehende Dewegung im Volle hervorgerufen haben. Damals aber, wo das Anſehen des Klerus erichüttert, die Entrüftung über bie Ausbeutung Deutſchlands durch die römische Curie in weite Kreiſe verbreitet war, fanden bie leivenjchaftlichen Angriffe Luthers gegen den Papft, die Curie und die privilegierte Stel- lung der Geiftlichen allgemeinen Beifall und fehr viele gerade der evelften und gebilvetften Männer Deutſchlands wendeten ihm ihre Sympathieen zu, weil fie infolge deffen eine Reform der Tirchlichen Zuftände erwarteten.

Auch in den öjterreichtichen Ländern fand Luther zahlreiche Anhänger.

Anfangs fette fi der Verbreitung feiner Lehren niemand ernjtlich entgegen, da der Erzherzog Ferdinand erft im Sabre 1521 nach den Erblanden kam, ein Teil der Regenten aber

1) Ezerny, Der erfte Bauernaufftand, S. 64ff. Auch ber Erz⸗ herzog Ferdinand fagt in einer Inftruttion für einen an feinen Bruder geſchickten Geſandten im Jahre 1524, die Iutheriiche Bewegung fei haupt- ſächlich dadurch entſtanden, quod fere universus ecclesiasticus ordo re- ferat magis carnem et seculum quam spiritum et religionem. „Arc. f. öſterr. Geſchq.“ 1,2, 111.

Ausbreitung des Luthertums im Erzherzogtum Ofterreih, 501

jelbjt zum Luthertum hinneigte. Sirchenfeindliche Bücher wurden z. B. in Wien lange ungehindert gebrudt und verbreitet. Als bie theologiſche Fakultät dagegen Schritte thun wollte, fand fie weder bet der Stadt noch beim Wiener Bifchofe Georg Slat- fonia irgendwelche Unterjtügung. Nicht einmal die Belannt- machung der päpftlichen Bulle, welche die Lehren Luthers ver- dammte, konnte die Fakultät durchlegen, da Rektor und Statt» balter entjchievden dagegen waren. Wie konnte man übrigens von den Laien ein energiiches Auftreten gegen das Luthertum erwarten, wenn der Biſchof rubig zufab, wie bis zum Sabre 1524 jelbit in der Burgfapelle ketzeriſche Lehren geprebigt wurden, und es geftattete, daß Baul Speratus, ehemals ‘Dom- prebiger in Würzburg, dann in Salzburg, ber öffentlich mit feiner Frau fich zeigte, im Sanuar 1522 die Kanzel in ber Stephansfirche beftieg und gegen die Slloftergelübde und für bie Priejterehe und bie Rechtfertigung durch den Glauben allein predigte? Erſt als Slatkonia jtarb und im November 1523 Johann von Revellis Biſchof von Wien ward, wurden auf Defehl des Erzherzogs Ferdinand ftrengere Maßregeln ergriffen. Mehrere Geiftlihe wurben eingeferfert, ein Wiener Bürger, Kaſpar Tauber, der fich weigerte, feine Anfichten zu widerrufen, am 17. September 1524 bingerichtet !).

Deffenungeachtet griff das Luthertum immer weiter um fich, da zahlreiche Geiftliche, befonders Barfüßermönche, dasfelbe be- gierig ergriffen und verbreiteten und auch die angefebenften Adeligen fich demſelben anſchloſſen. Schon 1521 hatte ber Landeshauptmann des Landes ob der Enns, der reihe Wolf- gang Sörger, feinen älteften Sohn an den fächfiichen Hof nad) Wittenberg geſchickt, um ihn von Luther unterrichten zu lafjen. Im Juni 1525 ftellten fogar die Stände Oberöfterreih8 an ben Erzherzog die Bitte, er möge geftatten, daß das Evan gelium „lauter und ohne Zufag” geprebigt werde ?).

1) Kink L1, 237ff. und L,2, 120ff. TH Wiedemann, Geld. der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns J, 10—44,

2) Eerny, Der erfte Banernaufftand, ©. 53 ff., mit näheren Angaben über die Ausbreitung bes Proteftantismus in Oberöſterreich.

502 in Inneröſterreich und Tirol.

Etwas langſamer verbreitete ſich das Luthertum wahrjchein- ih in den innerdjterreichiiben Herzogtümern, bie geringeren Berlehr mit Nord- und Mittelveutichland hatten. Aber an Belennern fehlte e8 demielben auch Hier nicht. Bezüglich Krains Hagt der Biſchof von Laibach, im Oftober 1525, daß Prediger widerwärtige Sachen auf die Kanzel brädten und baß die unter dem Erzpriefter des Patriarchen von Aquileja ftehenden Geift- lichen fürzlich die Meſſe nicht mehr in ver bisherigen Form gelejen Hätten ?).

Um fo zahlveichere Anhänger fanden die neuen Lehren ver- hältnismäßig früh in Tirol.

Schon im Jahre 1521 fam Dr. Jakob Strauß aus Baſel, einer der erjten Verehrer Luthers, von Berchtesgaden her ins Innthal und predigte zuerft in Schwaz und dann feit dem Sunt in Hall unter ungeheuerem Zulaufe von Bürgern und Bauern, ſodaß ihm die Kirche im Trauenklofter zu Hall zu Hein warb und er in ber großen Pfarrlirche und bet ſchönem Wetter oft auch im Freien feine Lehren verkündete. ‘Den Bor» ladungen des Biſchofs von Brixen und deſſen Befehle, das Predigen zu unterlaffen, leijtete er feine Folge, weil der Stabts rat und die Bürger von Hall auf feiner Seite ftanden und auch das Regiment in Innsbrud den Wünjchen des Biſchofs nicht entgegenfam. Erſt als diefer im April 1522 der Res gterung amzeigte, daß er fih an den Sailer gewendet babe, fegte diefe beim Nate von Hall die Entlafjung des Prediger dur. Aber jchon im September wurde Urban Regius, che» mals Profeſſor in Ingolftadt, dann Domprediger in Augs— burg, als Prediger angeftellt, der in gleichem Geiſte wirkte. Nah einem Sabre mußte freilich auch er weichen. Aber der Same, den diefe beiden Männer ausgeftreut, ift gewiß nicht aller auf unfruchtbares Erdreich gefallen. Gerade in Hall wurden 1523 Iutheriiche Bücher und Schriften öffentlich ver⸗ fauft und gefauft 2).

1) Dimit II, 194.

2) ©. Ruf, Dr. Jacob Strauß und Dr. Urban Regius. „Archiv für Geſch. Tirols“ II, 67ff. Bgl. denfelben a. a. O. IIL 354, und

Berbreitung wiedertäuferiſcher Anfichten. 503

Auch unter den einheimiichen Klofter- und Weltgeiftlichen fanden die Lehren Luthers vielfach Beifall. Im Sabre 1523 wurde ein Chorherr von Innichen eingeferfert, weil er in ber Umgegend und im Thale Billgratten lutheriſche Traktätlein und Artikel verbreitet hatte). Im Frühjahre 1524 ſah ſich die Regierung in Innsbrud veranlaßt, eine Kommilfion in das Eifterctenferflofter Stams zu jchiden, wo ein Weltpriefter im feinen Predigten für lutheriſche Anfchauungen Propaganda machte und auch bei den Mönchen Beifall fand. In faft allen Zellen fanden die Kommiffäre Yuthertiche Schriften. Sechs Ordensprieſter weigerten fich entjchieven, ihren Glauben abzus Ichwören, „Luther ift noch nicht überwunden”, erklärten fie. Zum Schuge der Geiftlichen erfchienen nicht bloß die Gottes- bausleute in Waffen, jondern auch die Bauern der ums liegenden Gerichte, ohne indeffen diesmal zu Thätlichkeiten zu Ichreiten 2), Um dieſelbe Zeit predigten in Schwaz, dem Site zahlreicher Bergfnappen, zwei Franzisfanermönche, die aus dem dortigen Klojter ausgetreten waren und, wie e8 hieß, jelbit als Arbeiter eintreten wollten. Auch Weltgeiftliche waren an manchen Drten im gleihen Sinne thätig 3). Selbft ein Schneidergeſelle aus Nieder: Bintl predigte in Brixen auf offenem Plage „wider die hriftliche Ordnung, geiftliche und weltliche Obrigkeit und ge» meine Priejterjchaft” *).

Diejes Auftreten eines Laien hängt wahricheinlih mit ber Verbreitung wiedertäuferiſcher Anfichten zufammen, die auch in Tirol früh Anhänger fanden. Schon im Jahre 1524 wurden in Innsbrud drei Männer Hingerichtet, von denen einer „bei 400 Seelen in fol verdammten Irrtum verführt gehabt” 5).

Fr. Waldner, Dr. Jakob Strauß in Hall und. feine Predigt am grünen Donnerstag 1522. „Zeitfchr. d. Ferbinandeum“, 3. Folge XXVI, 3ff.

1) Sinnuader, Beiträge VII, 194f.

2) Schönherr, Das Luthertfum im Klofter Stams. „Arc. f. Geſch. Tirols“ II, 82 ff.

3) ©. Rufa. a. O. III, 355.

4) Sinnader, Beiträge VII, 195.

5) Brandis, Landeshauptleute, S. 541.

504 Ausbruch des Bauernkrieges in Deutfchland.

Die Lehren Qutbers, welche durch wandernde Prediger und zahllofe Slugichriften in populärem Zone überall hin verbreitet wurden, Tonnten unter den unteren Volksklaſſen nur umwälzend wirten. Schon die fuftematiiche Untergrabung der Achtung vor ben bisher am fefteften begründeten Autoritäten mußte auch das Anſehen jener Gewalten untergraben, die nicht direkt an« gegriffen wurden. Wenn man den Bauern die evangelijche Vreibeit predigte, jo faßten fie den Begriff der Freiheit all« gemein und dehnten ihn auch auf die ftaatlichen und fozialen Berbältniffe aus. Wenn man ihren die Menfchenfatungen als Zeufelöwerf Hinjtellte, jo begannen fie zu unterfuchen, ob denn die Leibeigenichaft und die verjchiedenen Abgaben und Leiftungen in der Bibel begründet feier. Nachdem man dem Vollke un« zäbligemale erflärt hatte, daß die Kirche fih nur vom Schweiße des Volkes gemäjtet babe, zog biefes den Schluß, Daß es er» laubt jei, das ihm Abgepreßte wieder an fich zu ziehen und bie Kirhengüter zu plündern und für fich in Anjpruch zu nehmen. Bei der allgemeinen Unzufriedenheit mit ven beftehenden Ver⸗ bältniffen und der gewaltigen Gährung, die jchon lange im Volke befonders unter den Bauern herrichte, darf man. fich nicht wundern, wenn enblih bie Spannung auf gewaltiame Weiſe fich Luft machte.

Schon im Jahre 1524 rotteten fi die Bauern in einigem Herrſchaften des ſüdlichen Schwaben zuſammen und veriweigerten ihren Herrn bie bisherigen Dienfte und Abgaben. Im Fe⸗ bruar 1525 erhoben fich die Allgäuer Bauern, aufgereist von zahlreichen Prebigern, und gleichzeitig die Bauern am Boden⸗ fee. Im einigen Wochen verbreitete fich. der Aufftand mit allen feinen Greueln über das nördliche Schwaben, Franken und Thüringen bi8 Sachlen, anberjeitS längs des Rheins abwärts. bis Koblenz und in die Nähe von Trier. Zahlreiche Stäbte, in denen bie unteren Volksklaſſen das. Übergewicht hatten, fchloffen fih den Bauern an. Auch die ftäbtiichen Obrigleiten Iympathifierten mehrfach mit der Bewegung, foweit fie gegen den Klerus und die hergebrachten Firchlichen Zuftände gerichtet war.

Die Erhebung der Banern in Tirol. 505

Die Wogen, welche der Sturm in Schwaben aufgewühlt, Ichlugen auch nach den Thälern Tirols hinüber, wo das Volk ichon feit Tängerer Zeit in großer Erregung war und ver« ſchiedene Gewaltthaten begangen batte, ſodaß in Brixen allein binnen brei Wochen 47 Perſonen deswegen bingerichtet wurben. Am 10. Mat 1525 befreiten bie Bauern ber Brirner Gegend den Peter Paßler, einen Puftertbaler, der wegen Landfriedens⸗ bruchs zum Tode geführt wurde. Im der Nacht des 11. Mai drangen bie wilden Scharen, angefeuert von ben Bürgern Brixens, in diefe Stadt ein, plünderten und verwüſteten bie Häufer der dortigen Geiftlichen und Aoeligen, zogen Hierauf, 5000 Mann ftark, nach dem Klofter Neuftift und raubten es vollftändig aus, ſodaß es einen Schaden von 25000 Gulben erlitt. Zu ihren Oberften wählten fie nun den Michael Gaiß⸗ mayr, eines Knappen Sohn von Sterzing, der früher Schreiber des Landeshauptmanns, bierauf Sekretär des Biſchofs von Brixen gewejen war und bie radikalſten politifchen und fozialen Anfichten vertrat.

„Run“, bemerkt ver damalige Hofrichter in Neuftift, „ging: im ganzen Land das Plündern der Pfaffen an. Es gab feinen noch fo armen Priefter, er mußte das Seine verlieren. Das nach überfielen fie viele Edelleute und ververbten deren viele; denn niemand konnte fich fo ſchnell zur Wehr richten.” Bon Briren aus verbreitete fich der Aufſtand einerfeits nach dem weftlichen PBuftertbal, wo das Nonnenklojter Sonnenburg aus. geplündert ward, anderfeit8 den Eifad abwärts in Die Gegend von Bozen, von da die Etſch binauf über Meran bis ins Bintichgau und Togar hinüber nad dem Nons- und Sulzberg und binab in die Umgebung von Trient. Mehrere Klöſter und zahlreiche Pfarrhäufer, auch einige Schlöffer wurben aus» geraubt und verwüftet, im Kloſter Steinach bei Meran mehrere Nonnen ermordet. Im Ober⸗Innthale wurde das Klofter Stams ausgeplündert. In der Gegend von Innsbruck und Hall fanden Zufammenrottungen der Bauern ftatt. Der ver» haßte Salamanca hatte fich rechtzeitig nach Bayern geflüchtet ').

1) ©. im allgemeinen Egger II, 90ff., und dazu befonders Kirche

506 Die Aufftände im Salzburgifcgen, in Oberöfterreih u. Steiermarf.

Der Aufftand in Tirol war auch für Die Salzburger das Signal zum Losihlagen. Um den Auffahrtstag (25. Mai) erhoben ſich die Bergknappen in der Gaſtein und die Bauern im Pinzgau, dem tirolifchen Brirenthal und anderen Thälern „zur. Beſchützung des Evangeliums”, rüdten nah Salzburg, wo die untern Volsklaſſen fich ihnen anfchloffen, und belagerten den ſchon früher unbeliebten Erzbiichof, den Kardinal Matthäus Lang, auf der Feſte Hohenjalzburg, um ihn zur Abdantung zu zwingen ?).

Aus dem Salzburgiichen griff die Flamme der Empörung auch nach dem Lande ob ber Enns hinüber. Am 1. Juni ew griffen die Bewohner von St. Georgen im Attergau die Waffen, und von da aus verbreitete fich die Bewegung auch nad) den benachbarten Herrichaften. Wenn e8 auch bier zu feinen ſchwe⸗ teren Ausfchreitungen oder gar zu Blutvergießen fam und bie Bauern den Weg der Verhandlungen einjchlugen und durch eine Deputation an ben in Innsbruck weilenden Erzherzog eine Abhilfe ihrer Beſchwerden durchzujegen juchten, jo wurden doch überall den Grundherren die Abgaben und Roboten verweigert ?). In Auffee und in der Gegend zwilchen Wien und Neuftabt waren die Bauern jchon im Dat in Gährung ?). Nach ver Erhebung der Salzburger griff die Empörung unter den Bauern und Bergfnappen Oberjteiermarfs noch weiter um fich.

Eine allgemeine Umwälzung ſchien wie in Deutichland fo auch in den öfterreichiichen Ländern bevorzujtehen und beim Mangel ftehender Heere war es fchwer, den Aufitand nieder⸗ zuwerfen. Faſt wehrlos jaß der Erzberzog Ferdinand in Inns⸗ bruck, überall von Gefahren umringt.

mair, ©. 466. 470ff. Angerer im „Programm von Brixen“ 1862, S. 14ff. (mit den Noten). Brandis, ©. 54ff. Sinnader VII, 205ff. P. Suftinian Ladurner, Der Bauernrebell im Nons⸗ und Sulzberge. „Archiv f. Geſch. Tirols“ IV, 8bff. Ruf, ebd. III, Bö3fl.

1) ©. A. Bihler, Salzburg’8 Landes-Geſch., ©. 311.

2) Ezerny, ©. 75ff.

3) Bericht des nieberöfterr. Hofrats an Erzh. Ferdinand vom 22. Mai im „Notizenblatt ber kaiſ. Atad.“ 1859, ©. 68. Bericht ©. v. Dietrich“ flein im „Archiv. f. öfter. Geſchq. XVII, 136.

———— - - ni nee.

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Charakter der Erhebung in Tirol. 607

Defjenungeachtet verlor derſelbe den Mut nicht, umd nach wenigen Monaten hatten ſich die dunklen Gewitterwolfen zer- jtreut, wenn auch noch in einzelnen Gegenden ber Donner rollte.

Es war von großer, vielleicht entſcheidender Wichtigkeit, daß in jenem Lande, wo die Bauern am webrbafteften waren, und von den Zerrainverhältniifen am meijten begünftigt worden wären, ſich fehr viele am Aufitande gar nicht beteiligt und auch die anderen nach wenigen Tagen wieder einigermaßen be- rubigt hatten. Die tiroliihen Bauern konnten ſich nicht über den Drud der Herren beklagen, da die meijten ihre Güter als freies Eigen beſaßen. Auch hatten fie bier eine Vertretung auf dem Lanbtage, fie waren gewöhnt, dieſen al8 das Forum zu betrachten, dem bie Entſcheidung der Landesangelegenheiten zu⸗ komme. Als der Erzherzog die Einberufung eines Landtages veriprach, hörten wenigitens die offenen Gewalttbaten faft über« all auf, und die Gerichte gingen an die Beratung ihrer Bitten und Beſchwerden, bie der Regierung überreicht wurden.

Die Bauern der Meraner Gegend beriefen zu dieſem Zwede trot des Verbotes des Erzherzogs je zwei Abgeordnete aller Städte und Gerichte, aus deren Beratungen ein geradezu revolutionäres Programm hervorging. In 106 Artikeln wurde eine vollftändige Umgeftaltung der polittichen, religidjien und fozialen Verbältniffe Tirols in Ausficht genommen. An bie Spite wurde die Forderung geftellt, daß die Grafſchaft Tirol mit ihren Bistümern, Klöftern, Sclöffern und ®erichten nur dem SLandesfürften gehören, alle Einkünfte berjelben dieſem überantwortet werben, dagegen aber auch der Erzherzog ohne Bewilligung des Landes nichts verpfänden oder verſchenken jollte. Die Bistümer und Klöfter, bis auf höchſtens drei mit einer beſchränkten Zahl von Mönchen, vor allem die Bettelklöſter, folften aufgehoben, in jevem Gerichte nur ein Pfarrer beis behalten werden, die Briefter das Wort Gotted und das Evan gelium ohne Zufag (wie Luther lehrte) verfünden !) und fich

1) Auch in der „Supplication“ ber innthaliſchen Gerichte Tauer, Rettenberg, Sonnenburg u. f. w. (bei Rapp, Über das vaterlänbifche

NT

508 Die Verhandlungen des Tiroler Landtags.

ebrbar und ftandesgemäß aufführen, fein Geiſtlicher mehr als eine Pfründe befigen und perfönlich biefelbe verjehen, Die Städte und Gerichte das Recht haben, ihren Pfarrer felbft zu wählen und zu entiegen, alle Stolgebühren abgeichafft, Vermächtniſſe an. Geiftliche verboten, von dem Überfluffe der reichen Pfarreien und Pfründen in jeder Stabt und jedem Gerichte ein Spital gegründet und Hausarme unterjtügt werben.

In politiicher Beziehung verlangten fie Bejegung der Re⸗ gierung in. Innsbrud mit verftändigen, ebrlichen Lanbleuten, bie ven Zandesbrauch kennen, nicht mit fremden Geiftlichen oder Doktoren, Gleichheit aller vor Gericht, bejchleunigtes Verfahren, Aufhebung der Aſhle, Wahl der Gerichtöbeamten durch die Ge⸗ meinden, Abjchaffung aller örtlichen Statuten und Gebräuche und Einführung eines gleichen Nechtes für das ganze Land und alle Stände, wie gleicher Maße und Gewichte, Freigebung der Jagd und Filcherei, Verbot der großen Handelsgeſellſchaften und des Verkaufes und Wuchers, endlich vollftändige Aufhebung der Leibeigenjchaft, der Roboten und mancher anderer Leiftungen und Abgaben ').

Diefe Meraner Artikel jollten die Grundlage für die Be- ratungen des Landtages bilden, der am 12. Juni in Innsbruck exöffnet wurde. Die Verhandlungen drohten ſehr ſtürmiſch zu werden. Die Vertreter der Bauern, teilweile der radilaliten Richtung angehörend, gaben anfangs den Ton an. Die Geijt- lichen wurden von vornherein von der Teilnahme ausgeichloffen. Der Adel, ohnehin entmutigt, wurde nur zugelafjen unter der Bedingung, daß er in allen billigen Sadıen zu den Bauern balte. Bon der Abftimmung nah Ständen ſah man ganz ab, und es wurde das Einkammerſyſtem eingeführt.

Der Landtag machte in der That die von der. Dieraner Verſammlung aufgejtellten Forderungen zu feinen eigenen und

Statutenwefen. „Beiträge zur Geſchichte 2c. Tirols“ V, 189ff., vgl. 29) wurbe diefe Forderung in den Vordergrund geftellt.

1) Jörg, Deutfchland in der Nevolutions- Periode von 1522— 1526, ©. 537 ff.

Einigung bed Erzherzogs mit bemfelben. 509

legte fie durch feinen Sprecher, den DBürgermelfter von Inns⸗ bruck, dem Erzherzoge vor. Diefer zeigte aber trot feiner Jugend und feiner bebrängten Lage eine große Teitigfeit. Im feiner Antwort machte er darauf anfmerliam, daß er nur Oubernator von Zirol jei und ohne Wiſſen des Kaifers feine neuen Statuten machen könne, daß die, allerding® notwendige, Neformierung des geiftlidhen Standes nicht Sache eines Fürften, fondern aller chriftlichen Herricher fei, daß bie geforderte Sä⸗ Tularifierung der Bistümer Brixen und Trient ohne Buftim- mung des Reichsoberhauptes unmöglich, die Einziehung der Kirchengüter eine Rechtsverletzung, alfo auch gegen das Evan» gelium fei, die Wegnahme ber Güter ausländtfcher Kirchen auch einen Krieg heraufbeſchwören Tonne. Da nun unterbefien die Heere der beutichen Bauern von den Fürften und dem ſchwäbiſchen Bunde nad einander gefchlagen und meiſt auf- gerieben tworben waren, fo erhielt auch auf dem tirolijchen Landtage die gemäßigtere Partei das Übergewicht. Ander⸗ ſeits machte der Erzherzog den Bauern, für deren Wünfche ſich nicht Bloß die Bürger, fondern in manchen Dingen auch) bie Adeligen ausiprachen, in politifcher und religiöſer Beziehung nicht unweſentliche Zugeftändniffe. Er nahm am 21. Juli die weltliche Verwaltung des Hochſtiftes Briren „bis auf eines gemeinen Konziliums ober des heiligen Reiches Reformation“ in ſeine Hände !) und genehmigte eine neue Landesordnung, bas „fünfundzwanzigjährtge Landlibell“, in welcher auf die For⸗ derungen der Bauern mehrfach Rückſicht genommen wurbe. Manche bisherige Abgaben an bie Grundherren wurben abge Ihafft oder vermindert; alle Roboten, bie nicht wenigſtens fünfzig Sabre beftanden hätten, follten aufgehoben, Bauerngüter, deren Überbürbung durch eine gerichtliche Unterſuchung feftgeftellt würde, erleichtert werben. "Auch ber Wunfch nach Einführung gleiher Maße und Gewichte wurde erfüllt ?). In einer provi⸗

1) Bucholtz IX, 642F. 2) Eine foftematifche Zuſammenſtellung des Inhalts dieſer Tiroler Landesordnung von 1526 (in welchem Jahre fie gedruckt ward) bei Rapp

510 Unterbrüdung bes Aufftandes in Wälſchtirol

joriih „bis auf ein gemeines Konzil oder Erläuterung des Reiches“ eingeführten „Dronung bes geiftlichen Standes“ "wurde unter andern verfügt, daß bie ©eiftlichen in weltlichen An⸗ gelegenheiten der weltlichen Gerichtsbarkeit unterworfen, alle Pfarrer und Kapläne vom Landesfürjten, welchem die Obrig- feiten, Städte und Gerichte zwei ober drei geeignete Perſön⸗ lichkeiten vorzuichlagen hätten, ernannt und, wenn fie ſich uns gebübrlich aufführten, auch wieder abgejegt werben jollten ?).

Allen, welche die Landesordnung annähmen, wurde Amneftie veriprochen, wenn fie fortan ruhig blieben und für den an gerichteten Schaden Erſatz leijteten. Dagegen follten neue Auf jtände mit Gewalt unterprüdt und ftrenge beftraft werben.

Aber nur die Wälfchtiroler, die Bauern der Umgebung von Trient, in Baljugana und auf dem Nons⸗ und Sulzberg, ſetzten vie Teindjeligfeiten gegen den Biſchof von Zrient und den Adel fort. Erſt eine Reihe blutiger Schlappen, vie fie im Laufe des September erlitten, bewog fie zur Nieberlegung der Waffen, zur Zahlung von Gelobußen und zur Auslieferung der Näpelsführer, die dann, meijt in der graufamften Weiſe, hingerichtet wurden ?). Deutſchtirol war durch die größere Beionnenheit der Bewohner und durch die Huge Nachgiebigkeit bes Lanvesfürften vor den Greueln bewahrt worden, von welchen in den meilten Zeilen Deutichlands die Erhebung und Niederwerfung der Bauern begleitet war.

Mit der Beruhigung Tirols war der Aufitand in Salzburg und den anjtoßenden Ländern tioliert und bamit Die größte Gefahr von Djterreich abgewenbet.

Ein Teil des jalzburgiichen Bauernheeres, bei 4000 Mann, unter Michael Grueber hatte noh am frühen Morgen des 3. Juli den fteirifchen Landeshauptmann Sigmund von Dietriche ftein, der mit einigen hundert Mann jtändijcher Truppen und böhmijcher Söldner, von Xeoben ausmarjcierendn, Mautern,

a. a. O., ©. 33ff., und Oberweis in Haimerls „Vierteljahrsfchrift f. Rechts- und Staatswiſſ.“ XVII, B. Sep.-Abbrud: Wien 1866. 1) „Archiv f. Süddeutſchlaud“ I, 305ff. Obermweis a. a. O. II, 41 ff. 2) Egger II, 110.

und im Salzburgifchen. 5ii

Kottenmann und das fteirtiche Ennsthal unterworfen hatte, in Schladming überfallen und mit mehreren Evelleuten und einem Zeile der Böhmen gefangen genommen, während die deutfchen Knechte meilt zu den Feinden übergetreten waren. Dietrich jtein wurde durch jeine ehemaligen Soldfnechte, die ihm ritter- liches Gefängnis zugelagt hatten, vor der Gefahr errettet, von den Wütenden Bauern geipießt zu werden. Die gefangenen Böhmen und Hufaren dagegen wurden auf dem Plate in Schladming enthauptet ?).

Die Erhebung der Salzburger hatten die Herzoge Wilhelm und Ludwig von Baiern zu benugen gefucht, um entweder im Einvernehmen mit den Aufitändifchen das Erzitift zu fäfularifieren oder wenigſtens den bevrängten Erzbiichof zu bewegen, ihren jüngiten Bruder Ernit, Verweſer des Bistums Paffau, zum Koadjutor zu ernennen. Bei der Wichtigkeit, welche dieſes Erz— bistum für Djterreih hatte, in dem ein großer Zeil feiner Befigungen lag, fonnte der Erzherzog Ferdinand dieſen Um⸗ trieben wie dem Aufitande gegenüber nicht gleichgültig fein. Er gab fich redliche Mühe, zwiichen dem Ewbiſchofe und feinen Untertbanen eine Ausjöhnung zuftande zu bringen, und fegte e8 wenigitend durch, daß am 7. Juli die Feinpfeligfeiten vor» läufig aufhörten. Allen Unterbandlungen wurde aber ein Ende gemacht, als der jchwäbiihe Bund nad) der Vernichtung des Aufitandes im füdweftlichen Deutichland auf Betreiben des baiertichen Kanzlers Leonhard Ed im Augujt 4000 Mann unter Georg von Freundsberg gegen Salzburg jchidte. Doc vermochte man die ftarkbefeftigte Stadt nicht zu nehmen und die Aufjtändiichen erhielten in ven legten Tagen des Augujt ſehr günftige Bedingungen. Die Landichaft mußte 14000 Gulden zahlen und fich dem fchwäbilhen Bunde auf Gnade und Un- gnade ergeben, erbielt aber zugleich die Zuficherung vollftändiger Amneſtie ?).

1) Dietrichfteind eigener Bericht im „Archiv f. öſterr. Geſchq.“ XVII, 135—148.

2) Bihler, ©. dldff. Jörg, ©. 548ff. W. Vogt, Die baye- riſche Politit im Bauernkrieg, S. 292 ff.

612 Strenge gegen bie Aufftändiſchen in Steiermarf.

Vom Ende des Juli bis zum Ende des September wurden auch die oberöfterreichiichen Landgemeinden ohne Blutvergießen zur Ruhe gebracht. Hinrichtungen fanden in diefem Lande, wo auch die Bauern ihre Hände von Blut rein gehalten hatten, nur ganz vereinzelt ftatt. Selbft die Rädelsführer kamen meijt mit einer Gelobuße davon, welche in geringerem Maße auch die übrigen traf, die an bewaffneten VBerfammlungen over am Bauernbunde teilgenommen, oder den Herrichaften die Abgaben verweigert hatten. Einer jummarijchen Beitrafung aller Bauern ohne Rüdficht auf ven Grad ihrer Verichuldung, wie fie bie nieverditerreichiiche Regierung beabfichtigt hatte, waren die Stände bes Landes ob der Enns felbft mit Entjchiedenheit und Erfolg entgegengetreten ").

Mit ungemeiner Strenge ging man gegen die Aufitän- bilchen in der Steiermark vor. Graf Niklas Salm, Anführer der ftändiichen Truppen Inneröfterreich8 und ber landesfürſt⸗ lihen Söloner, brannte Anfangs Oktober nicht bloß dem Be⸗ fehle des Wiener Hofrates entiprechend Schladming vollftändig nieder, fondern plünderte und verbrannte auch bie umliegenden Ortichaften, äjcherte Johnsbach ſüdöſtlich von Admont ein, wo Verſammlungen der Aufwiegler ſtattgefunden hatten, brand⸗ ſchatzte Eiſenerz und ließ die Rädelsführer, die in ſeine Hände fielen, hinrichten und ihre Häuſer zerſtören ?).

Die Härte, mit der man bier wie in vielen andern Ges bieten Deutichlands gegen die Nebellen ohne Rüdfiht auf ben Grad ihrer Verſchuldung verfuhr, bat übrigens dazu beigetragen, daß im nächiten Sabre an manchen Orten neue Ausbrüche er- folgten. Wie der Karbinalerzbiihof von Salzburg fchreibt, bielten fih „viele hundert verloffene Knechte und Buben von Schladming und andern Landen, die fich font nirgends ficher wiſſen“, im Pinzgau und andern Gerichten im Gebirge auf ?), wo fie natürlich nicht unterliegen, die Bauern aufzuwiegeln.

1) &zerny, ©. 141—187.

2) Seine Berichte von Oberleitmer mitgeteilt im „Notizenblatt b. taif. Atad.“ 1859, ©. 87 ff.

3) Jörg, ©. 644. 645.

Letstes Anffladern der Empörung im Salzburgifcenr. 513

Andererjeit8 plante der radikale Michel Gaißmayr mit den Flüchtlingen aus Schwaben und Tirol, die ſich in die Schweiz . gerettet hatten, wie mit den Bewohnern von Davos und Prättigau einen Einfall in Tirol und die Gegenden am Boden⸗ fee. Selbft mit den Franzojen und Benetianern trat er in Verbindung. Die Umtriebe Gaißmayrs wurden von der Re— gterung in Innsbruck entvedt, und fein Bruder Hans infolge vefien gevierteilt. Im Pinzgau dagegen erhoben fich die Bauern Ende März 1526 wirklich, bewogen auch die Bewohner ber Seitentbäler und die Pongauer zum Anjchluß, nahmen das Drirentbal ein und belagerten Rajtadt. Erft als Truppen bes Schwäbifchen Bundes von Norden, Öfterreicher unter Niklas von Salm von Steiermark ber vorbrangen, wurde Ende Juni Raſtadt entjegt, die Bauern zerjtreut und unterworfen, die Hauptleute und Rädelsführer Hingerichtet. Gaißmayr, der den Salzburgern zubilfe gefommen war, z09 Anfangs Juli mit 1600 Bauern und Yandsfnechten über den Tauern nach Puſter⸗ thal, vermochte aber weder Bruned noch die Mühlbacher laufe zu nehmen und floh dann vor den verfolgenden Truppen über die Berge ins Venetianiihe, wo er mit offenen Armen auf genommen ward. Er feßte feine Umtriebe gegen Oſterreich fort, bis er von einem Meuchelmörver, der den auf feinen Kopf gefegten Preis verdienen wollte, 1532 ermordet mwurbe !).

Es war höchſte Zeit, daß die Ruhe in den öfterreichiichen Erhlanden bergeftellt und die Kräfte des Erzherzogs Ferdinand verfügbar wurden. Denn ſchon im Augujt 1526 erfolgte in Ungarn die Kataftrophe, welche dvemjelben den Weg zum Throne von Böhmen und Ungarn bahnte.

1) Bidler, S. 334ff. Egger II, 117ff.

Huber, Geſchichte Öfterreihd. III. 33

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Ber. Sthok il Bekahfn “kg "io" bie Yaßtlofen" —— || \

gegen Dtefe in Schug Hahn. "NE endlich Die grähbt ſchen Di” feiten einigermaßen in ben Hintergeiitb‘ ten, &tyanne \inforge ves Emdringens des Luthertums rei FH Ange hen ein und Entlinfte ſchanden ie, Mmehr weit "bie hochadeligen Beamten deſoſders Hr ätgehiige” 9 wär" Rofemel fie als Pfand ihr die von ihnen aufhertchneten goibru ſgen in Befitg nahtien und die/Erträgtiffe "ber Stetten, vie" yöht gährdtäge vleberholl bewilligt Atben the” die zaͤblimg der Schubih berkettbeten;"Hohtbe 4 famaitieli Tafchen ſtectien Wie wenig man ſich“ un’ "Bein Wbrnige noch kümmerte, zeigte am deutlichſten der Umſtand, daß Landtags · befchläffe, ohne va man beffeit: Senegrigiig ei du ARE noch⸗ gefucht Häkte, "in bie Landkofel eitgeriägen und’ da auteae all⸗ a enolfhs Knig " Sir nos Nenn. J » Die efere or Kent m ben dentſchen, lettere in 7 Atenftücen vor. Ich glaube bie deutſche Form gebrauchen zu ſollen.

gemein bindende Belere. erlänt chen

Leptwillige Anorduungen 8. Wlabiflaws IL für Ungarn. BE

Ludwig felbft die Regierung übernahm und fih im März 1522 nach Böhmen begab, führte pin nur eine vorübergehende Ände⸗

rung der Berhältnife % Pilz im Sebruar 1523 die bisherigen Landesbenmtih —I A gezwungen und durch Minner erfegt, einer, —5 der koniglichen Gewalt

nicht abgeneigt waren. u aber der König "bald darauf wieder nad Ungarn zurückkehrte, itat faft alles wieder in das alte Geleiſe zurück. Die beſchloſſene Reform der Landesordnung unterhlieh. Lew von Rojental, ‚für, den, Sigismund, von, Polen und die katholiſche Partei wigkten srhie ſchon nach zwei Zahren wieder das Amt des Operitburag em von, Prag und Damit ben ana, a da ‚per Canbesbermel 33 Ber Sarl, von

Rönig, ih, heine Herten“ 3) infolge —— Ent,

die Eryiepung ‚Branpenburg,, feinem dh ‚sohann 2 Borner

hiſchefe Thonae

wi König Sigismund, » vc on En ? g n Bruder, ernannt, m letztere Berfügung, kümmerte ſich aber ber ungariſche Reichs⸗ der, am Anfang, des Ku 1516 gefalten wurde, nicht img

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geteilt von Neuftabt in „Ungar. Revue“ 1884, ©. 88ff, und bes

veneticuiſchen Geſandten —— ven 24. Mary, Än: „Magyar tört. tar KV 48; je ;

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516 infegung, einer „Regentaft.

geringften. Opne ſich mit den Obervormündern ing Par 3 sy # ehr be süß 118 irhächft 16 erlangen zu Föntieh Iran Katen i, ber an, 1 id rd en Dre beider“ Erz Ha e a8 Ssartäh, Innen KH) ie OR

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H Bericht Suriaues- vonbzIa Naish Pu: p·. Ab egq.. IRatefen Finalrelation sbid.,-p. A6sg. | Einen, gleichzeitigen ungariſchen Geſchicht - ſchreiber von einiger Bedeutung. hat * damals leiber nicht gegeben;. bi fpäteren, denen man gewöhnlich folgt, erweifen fi al8 unzuverläffig.

2) Acta "Tomleiana‘ IV, 118. Cuspinianus, ‚De 'Csesaribus, p. 490, und defien Tagebuch in F. R. Austr. 88. I,-408sgg. Bericht des venetianiſchen Gefandten Bor vom-15. Sul 1517, in Magyar. tört. tär XXV, 77. > .

3) Der Inhalt feines Teſtameütes ap. Katona XIX, 212sgq.

——— —— ———— nn ——

Die dwoſ nsparlei. 517

jo. daß trotpem im Reiche pas aeihah,, ioas er dollte N). "Ber Markgraf von Brandenburg, welcher Durch, jeine, Vermäplung mit, der. Witwe des Iehann & img ausgebehnte efiglungen in. Ungarn erworben ‚hatte, war ;e „perggungsiüch Er, ber. troß, ‚ber, elenden Binangyuftände „auch den König, au ' bie gleiche Bohn leitete _.

Den Maguaten,, be der dem Woymoben "yon. ‚Sieben bürgen, und dem Balatin, war ‚am meiſten Bornemiſza der haßt, vielleicht weil er nicht, ihrem, Kreiſe angehörte, vieleicht auch, weil er wirklich auf dag, Wehl des Königs und” Reiches ſah Shun uchten „298 allem Bi Put ber. ‚Hiener Burg

juchte dies ſchon im Bere 1517 2000 Mann nach Dfen 308 9 Au „einem Neicetane, der auf Georgi, (24. April) 1518 einberufen war, mollie die Partei Zapolyas wegen ber Jugend des Könige die Wafl eines Gubernators durchſetzen, indem fi „boffte, daß ihr, Haupt zu diejer Würde, erhoben ‚werben . wůrde Durch die " Sefanbten des Koſere und des Königs, von Polen, wurde die Yusfüprung Dieiss, Planes, vereitelt, ebenjo, wie bie Abſicht des päpftlichen Nuntins Nikolaus von ‚Schönderg, ‚eines, Preoigermönches, die Ungarn, zu beftimmen, daß gie ih zur Büprung eines Türken Trieges. die Ernennung eines Haupin nes durch, den. Bapft gefallen liefen 3). Do. errang, Die ‚Dppofitionspartel noch im Herbfte, bes, nämlichen Zahres auf, einem Reichötage au Bäcs

1) Relation Bons vom Jahre 1519, in „Magyar. tört. tär“ XXV, 153 5gq.

2) Dies wird man auch nach feiner · Verteidigung durch L-Meuftabt, Markgraf Georg von Brandenburg ale Erzieher am ungariſchen Hofe Brediau 1883) zugeten wagen; wenn ·auch · vlele Vorwurk umheuiuntet ſind. . DZ u Dee 2) 2 8): &im intereſſantes Shreisen ihm an ben: König von Boten. mit Klagen über bie-Zuftände Ungarns in „Acta: Tomie“.-Ey., 414 qq.

4) ©. ſein Schreiben an Bathory vom; 34, Mäxg1518. Ap- Eatons XIX, 69. Bgl. Neuftabt, ©. 52.

5) Herberftein, ber. ſelbſt ugter. den kaiſerlichen Geſanden war, in feiner Selbſidiographie. F. R. Austr. SS. I, 133ngg.

518 VBorübergehen der Sieg der Oppofittom."

einen wichtigen Erfolg. Es wurde die: Einfegung :eines:henen Regierungsrates beſchloſſen, deſſen Zuſammenſetzung faft durch⸗ aus Zapolya günſtig war: Denn unter den vier Waßnauen war er ſelbſt und neben ihm ber Palatin und Stephan Bi

thory, die bisher mie ihm Hand in Hand gegangen: warett. Unter ven vier aus dem Praͤlatenſtande Gewählten warn Nabe Bakacs und Szahnäth der Erzbiſchof von: Calbeſa id vr Bifchof von Siebenbürgen, die ſchon lange feine Anhänger ie weſen waren. Um ben Vertretern des niedern Adels, Sailer dem Zapolya bie: meiften Verehrer hatte, das Übergewichtzu fichern, wurde die Zahl: derſelben auf ſechzehn erhöhtund Ve⸗ ſtimmt, daß, wie von ihnen, ſo auch von den Mognateh:änib Praͤlaten immer mur die Hälfte anweſend ſein und dibſe nilcht das Recht Haben ſollten, ohne jene einen: Beſchluß zu fuſſen Die Ordnung der zerrütteten Finanzen, die Einlöſung der vet⸗ pfändeten Staatsgüter mittelſt der bewilligten Steuern/ eine beſſere Verwaltung wurde den neuen Regenten zur⸗ Pflicht ge⸗

macht Deo SW zaphll Halt, + Aber ſchon nach wenigen Mondun erben Veen feige SETURR Berlin

Nach dem Tode Marimilians beſchlofſen— dien Rare dus ungarifchen Königs, nicht nur für ihren Herren am: die Ralfer: krone fich zu bewerben, fondern wich defſen Schweftet Anna, die Braut des Erzherzogs Ferdinand, nach Ungarn’:zrück zurufen. Da dies einen vollftändigen Bruch' mit ben Hauſe Habsburg zur Folge haben mußte, und Zapofya fich neuerbings auf die Hand der Prinzeffin Anna Hoffnung machen durfte, jo näherte fich dieſer jeinen biöherigen Gegnern und erwies benfelben die Gefälligfeit, daß er in die Ausjchließung der dem niebern Adel angehörigen Regentichaftsmitglieder aus dem könig⸗ lichen Rate einwilligte. Doch nur zu bald trat eine Wendung ein. Die Ungarn fanden weder bei Venedig und dem BPapfte,

1) Die Beichlüfie dieſes Reichſtags ap. Katona XIX, 978qq. Bal. ben Bericht Bons vom 3. November und veffen Finalrelation im „Mag. tört. tar XXV, 112. 152.

Vollſtändiger Bruch⸗ Zapolyg;d .upit ‚ber, Hofpartei. 49

die fie, um die, Unterſtützung bet; per Kaiſerwahl -augingen, irgendein. Entatgenkommen noch donnten ſie ſich Hoffnung auf die Grimmen der Kurfürſten machen. Die Uberugung Sn der Unmöglichkeit, gegenuber ‚wem Hauſe Habsburg: einen: Erfolg zu erringen, wie „bie. Beſtechang ber: Biichdfe, Spalmirk-‚uon Zunfkirchen und Salfay .onm. MWoipen: bush den Fgiferlicken Geſandcen Suipinian führten pers öfterreichiichen Partei, von: ver früher mit Ausnahne Beorg& ven Brandenburg und Bere miſzas alle %) fich abgewendet hatten, die meiſten Magngten wieder zu. Zapolya ſah nicht, bloß ſeine hochfliegenden Pro⸗ jelte meuerdings verejtelt, ſondern er erlebte auch: noch die Kränlung, daß bei der; Baſetzung der erledigten Palatinswürde Ende Mini 1519 nicht er, ſondern Stephan Baͤthory gewählt wurde ?). Der Bruch zwiſchen der Hofpartei, der nun auch Baͤthory beitrat, und Zapolyg: war: ein unbeilbarer..-,. . . - Übrigens gewannUngarn zunächſtegleich wenig, mochte, bie eine abet. bie andere Partei: Das: Übergewicht. erhalten. : Denn allen Magnaten, Geijtlichen wie Laien, mit fehr wenigen ‚Auge nahmen war das Pflichtgefühltigegenüber. dem. Staate gang ab» banden gefommen, faſt alle jchienen zu glauben, daß derſelhe nur dazu da ſei, ihnen ‚vie Mittel zum Befriedigung ihrer. Ge⸗ nußſucht zu liefern. Jeder würde 48, für Beſchränktheit gehalten haben, wenn gr. Die Gelegenheit, einen Griff in die, Staatskaſſe zu. thun, nicht benutzt hätte, was natürlich Die, Folge hatte, daß dieſelbe immer, leer war, beſonders da bie Bergwerke, die ergiebigiten Einnaßmäquelle, an die Thurzö und Die mit. ihnen verwandten Fugger -verpfänbet waren, Aber. auch andere Ge⸗ legenheiten; fich zu bereichern, wurben nicht verfchmäht. Philipp More, der 1521 jtatt des zum Primas ernannten Georg Szakmaͤry das Bistum Fünfficchen erbielt, Hatte eine. diplo⸗

1) Szakmäry ſchon feit dem Wiener Kongrefie 1515, weil ihn ber Kaifer dem Graner Erzbiſchofe gegenüber vernachläffigt hatte. Bericht Surianos 1. c. 55.

2) Liste, Zwei Beiträge zur Wahlgeſchichte K. Karls V., in „Forſch. zur beutfchen Geſch.“ VIII, 166—171, bat biefe Berhältnifie gewiß rich- tiger aufgefaßt als die ungarifchen Hiſtoriker.

3” Gänglicer Berfall des Ayasıöweiene.

matiſche Milfion nach Veuedig „au, Einlaufe großen Waren⸗ borväte benutzt, ‚die ‚er, dann mit, großem Bsafitsin Ungorn bertaufte, Nuch Yabislaus Spaltay, „Biichof, von Waiben, ndcutn von Erlau, ‚der 1529 „Kanzler murde,,, Hiels,nd: waikt/feingr Doppelwürde, f ewinnxeiche Dandelögafchäfte uu treiben. Das, Geld wur ‚Bon, pen. Greben ip; üpniaen Gelagen durchgebracht, bei denen, jich auch, die eybittarfteu Feinde ufammenfanben,. oder, für teuere vᷣferde und prãchtig getleidetes

8, häftigen „Stoßeg; don aufen umn ingen Einſichtigeren ‚trat, up; zu hold ei yuirszadyan

Viepjhenakteraihre gewendet, fie hatten iehlüce „Halbinieb mit Albauien, Meeres die Reſte vom Kelein⸗

ohne Cinfluß darauf geweſen iſt. Aber:-ihre Allgemeinen‘ Schilderungen werden auch durch Herberſtein s Selbſtbiographle, S, 186, bie Mit- teilungen bes öſterreichiſchen Geſandten Anbrea da Burgo, das Schreiben des Hanns Schweinpech, eines deutſchen Edelmanns im Gefolge der Königin Maria, bei Stögmann, Über die Briefe bes Andrea ba Burgo, „Sit.-Ber. b. kaif. Atad.“ XXIV, 166.224. (Der bier erwähnte „parlawyss“ ift ohne Zweifel Bornemiſza) und durch bie unten angeführten Berichte ber päpftligen Nuntien beflätigt.

Wiederausbruch bed Turleulrieges. 321

afien, das nördliche Meſopotamien I einen Teil don Armenien erobert und · enbtich: imn Jahre 18 alich noch dag Reich, der heſtuͤrgt und dadurch ihre pterhber 1520 folgte

Herrſchaft erweitert und auf. Selim J. ſein Sohn nueer den vielen tüchligen · Suftäiten, “bi über 'die- Türken gehertfcht hatteu· je = See rer der ee Ügyptens juni den Johannitern · biei-Onfel Rhodus entreißen wollte, Hatte, noch, im Frühiabr 1019 sit ingatii eineit breijäprigen Warfeufiuhtand ' INCH

ber: —— We zu derhänbelin, he tüte des Könige: vubwig "hätten" at j ale dütayf ‚gingegen folle

Da Unganni zur img vorbereitet und amt zu aerwarien· wii der·tbisher sage ſunhtih bhn Der" S

Etliche, Ka hittal bie Wegnapme behaupteten Selten

Srebenil: wäh: ShrElifanrehterer Hoaliicer Schlöffet, durch die Paſchas ver Helene | hir verhindern gewußt!

leichter die Auszahlung einer alten · Zorderung ihres Königs burcjjegem: zu Tönıten, ſo ichten ſie den Abſchluß der Verhand- lungen mit · beit’ Sultan ur Erledigung dieſer Angelegen» heit hinaitszuziehen ) elen den rürtiſchen Geſandten zuxück. Bo Unserdefien- ‚hatte Erleinen Verdeltniſſe in Aſien ge⸗ orbnet- und befchloß nun vor allem, Ungarn unſchadlich zu machen aid’ ſich aunächft' der Seftungen an.der Save zu ber

1) Theiner, Mon. Hung. II, 626. 2) So Rellt die Sahe'Maffato a. a. O, dar. Daß ber Sultan von Ungarn einen jahrlichen Tribut gefordert Habe, fagt derſelbe nicht.

52 Verluß son Sabacz uud: Velgrad.

mächtigen. „Sm Juni: 16584 rückte an, mit 20000 Mlgun, unter denen freilich ‚nun;B0 000 wirkbiche Soldaten inren; Inud zaͤhlreichen Geichügen an. bie ungariſche Grenze und beganu ie Belagerung von Sabacz und Belgrade Dieſe waren ob Der fiöten Kriegsgefahr greulich vernachläfßigt; Sabocz hatte iu 400, Belgrad, Ungarns Hauptbollwerk gegen dien Türfen;;uur 700 ,:oder gar nur 400 Manm Beintungs:-heiben:: fahlteisee ar Munition, Belgrad ſogar an größeren Ranorenyı:dd..bie dortigen Gefchüge im. Jahre 1515 bei: ber: unglüdfichenuugper dition Zapolyas veddoren ud bis ijetzt md micha eijumal durch andere erſetzt worden waven u

Obwohl man in Ungarn glaubte, daß der Salat rad wegs auf Ofen marſchieren und: das ganze Reichnſeinem Herr⸗ ſchaft unterwerfen wolle, geſchah doch auch jetzt Techn wengi czutt ernätlichen Abwehr: der Feinde. MDer König bot ;pe: nel; amd bie: Magnaten auf, ‚erfuthte; auch ‚wie ‚Stänkbe:rber: Hhpıntichen Ränder. um Hilfe:und ſtellta den übrigen Fürſten; Cungpas die drohende Gefahr vor. Aber IUnnr : den. Enshergun: Fentisand ſchickte auf Bitten ſeiner Gemahlin 3000Fußganger. n51 Vie böhmiſchen Landesbeamten ſchobent Die :inbersufung:; desEKand⸗ tages ſolange hinaus, Pak: .dier.ıbewilkigten runpeniugucdgöt famen. Die Ungarn ſelbſt ließen ;fich: mehr won WEifexſucht, Eigennutz und Bequemlichkeit als vomn ver :Xiehe ur; Vater⸗ lande leiten... Zapolya, der unbemeghich in; Qiebentürgenskiteb; wurde. ſogar beſchuldigt, daß er bes Untergang: des Reicheſnnah den Fall ſeines Herren wiünfce;: um dann: mit Hilfe sjeinex Leute jeues wieder aufzuvichten und fi zum Königezumnchen). Ludwig II. hatte ſich trotz ſeiner Jugend am 15. Julli perſdn⸗ Lich ins Lager zu Teeny ſüdlich von Ofen begeben. Aber am 8. Auguſt hatten ſich erſt 4000 Mann bei ihm eingefunden. Auch als ſich das Heer ſpäter ſehr bedeutend vergrößerte, wollte man nichts gegen die Türken unternehmen. So fiel Sabacz

1) Naſſaro a. a. O. (bei Firnhaber, ©. 81, in M. tört. tar XXV; 288), der fonft dem Woymoden als einem Freunde Venedigs günftig ift. Bgl. die Bemerkung Lews von Rofental in feinem Schreiben kom 28. September bei Palady V,2, 437.

Sa

LIIIIIII

Gleichgiltigleit des Abendlandes. 53

trog tapferer Verteidigung »dev: kleinen Beſatzung unter Simon

Logody, die zuletzt, als die Stadt nicht: mehr. zu Halten ‚war, bei einem. Ansfalle ven Haldentod fand. Soſah⸗ manruhig zu, wie Semlin, Szalankamen und andere: Drichaften Syr⸗ miens eittgenommen und groͤßtenteils eingeäſchert wutden. So unternahm man auch nicht den geringſten Verſuch, Belgrad Rettung zu bringen, ſo daß die dortigen Befehlshaber, Blafins Olaͤh und Johann Both, zuerſt die Stadt räumen und endlich, als duvch eine Mine ein Stück der Burgmauer zum Falle' ge⸗ bracht war, dem Drängen der ſerbiſchen Einwohner nachgebend, am 28. Auguſt nach faſt fünfzigtagigem Wirerſanre auch var Citadelle übergeben. mußten). ; .

Noch einmal. 308 fich— SEultiman, DET. durch Kampfe und Krankheiten: fehr "viele Leute: verloren hatte, zurück, um den Zohanmitera die Inſel Rhodus zu :entreißen, was ihm auch 1522: gelang, aber 100900 Mann koftete. Noch einmal -war den Ungarn und den übrigen chriftlichen Staaten Europas: Zeit zu umfaſſenden Rüftungen :gelaffen, um :gegen: die von !pen Türken drohende Gefahr umfaienve Schutzmaßregeln zu tveffen. Aber im: Abendlaube. brach gerade 1521 ein erbitterter Krieg zwiſchen dem Kaiſer und Frauz J. von Frankreich aus, bev; als er am 24. Februar 1525 bei Pavia in bie Gefangon⸗ ichaft ‚geriet, fich fogar mit der. Bitte: um Hilfe an den Sultan wendete. Der König Sigismund von. Polen, der Oheim bed ungariſchen Rönigs,. war lelbft durch deu Kampf wit Türken und Tataren in Anipruch genommen. ‘Die. Deutichen berieten auf mehreren Neichstagen über die Türkenhilfe. Der Kaiſer erklärte jih damit einverftanden, daß die ihm für den Römer» zug bemilligten 24000 Dann zum Schuge Ungarns gegen die

1) Ich Habe mich auch hier an die gleichzeitigen Berichte: bie Briefe des Königs Ludwig an Sigismund von Polen in Acta Tomic. V, 388. 389. 392. 401, das Schreiben Maffaros a.a. O., ©. 76f. und an Tubero ap. Schwandtner II, 370sgg. gehalten, da man nicht weiß, 06 Iſtvanfi, der letzteren ausgeichrieben bat, für feine Erweiterungen ver⸗ läßliche Quellen gehabt Kat. Bgl. auh Cuspinianus, De Caesa- ribus, p. 490.

524 aniaubihung zut gemeinter didbiegbeliaſe

,nglaubigen Verwendet würden. ; über. do8, Ergebnis war Dei ben. Reichötag 1522 Dem Exaherzog Ferdinaud, guf drei, Monate 3909. Lanpötnechte ‚bewilligge, ann ‚hie; feoatiigen, Örenzpläge: „zu bejegen , ‚pie eine Vormauer für ‚das. im Frühjahr 1,522,,.npn ben Türken heimgeſuchte ‚rain -mwie für. :Steigemgzf. bildeten 1), Der..Erzberzog: jelbft; verſprach bei einer: Konfexenz.: mit; ‚Den Konige Ludwig und .‚peifen, Nöten im Herhſte 1523 für den nächſten Sommer die Stellung, on -2,10u0- Mann zu einem Seldzuge ‚gegen ‚die ‚Türken; wogegen die ‚Ungarn. und, Bühnen mit 60000 Mann ins, ;Felp rücken jollten. „Aber der ri herzog, dem übrigens bie Ayfbriugung.,und..Erhaftung, einer jolden.. Macht ebenfalls kaum. möglich geweien,-wärg,,.. Yrüdt jeinem Bruder gegenüber ‚Die Befürchtung, aus, Die Verfprechmgen der. Ungarn würden, bei ben, bortigen Zuftänden nur, Rauch isin, und jenes. Neich und dann a ſeine Landerngexloxen geben A. : hun in.

In .der Eat. ging ber, Auftöfnagsprageh in Ungayu;gerabe in den: nächſten Jahren. noch zafcher. vorwärts der; u 37 jr

„Muter dem. erjten Eindrucke, des Verluſtes von Heei voueri⸗ der Reichstag von Geiftlichen und⸗ Adeligen, Hürgezu und: Bauern Steuern in giner Höhe, daß manndamit ein un⸗ Deren der gegen die Tüten, päte erhalten, Funen,, As

Er BE F 19 F art, 707 td x „nudarz

1) saniten L, a oa AN CE —— nbinca ſr

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‚HB: Screifen ‚an. ben. ier vom, ‚18. Degember,, 1009 in. nAHacher und, Forſchungen“ S. ME +...

3.6. darüber befonderg, bie ‚Berichte bes —— ——— trägers Vincenzo Guiddto vom "Dejember 1883 bis "in 1985" ad" defien‘ Srnaktklatiön mit anderen Altenſtücken —— we Firnhaber a. a. D.,:81 105 138; :undi:in“Mag.. törk. Aa RK, wie bie: Berichte des -päpfilichen; ;RegntenRaybinal-Gampregaio,nm bei Geſanhten Baron von, Burgio vom Auguft 1524 bis nad Der Bülach bei Mohäcs:. » Relations ‚atgrum, ponfißigiorum ©. alg 2. erie bet „Mon. Vaticana Bist. reghi” Hüng. illüstr.*, wie bie era teitindiülite und’andertöeitigen: Diäteriäte Sri: Soden dt) Ungatn dor der Schracht BE: Mohaͤes. Ans dem Ungatiſchen von J. H. S'ich wicke r Gubpen 1886).

8 Ludwig I und ‚feine Gemahlin. 92

aber das Zeuer der Begeifterung und des Batriotismus ver» raucht art; wurden dleſe! Abgaben die in der That faſt un⸗ erſchwinglich geweſen waren entweder gar nicht gezaͤhltlover beeſchwanven ih’ bern” Taͤſchen kr: Einnehmer.“Mano beſchloß Geſetze zur Orgamſierung? ber Re id hir Beſelligung mancher Mißbruuche in der Werwaͤltung. Aber "rs aller Strafbeitimmintigen‘ führte harte" ie DREI Kluft zwiſchen beim nidberin Adel, Br vomnden veſten Geſmnungen erftllt, Aber ein unbewufteb Werk eüg In den Herden Zapolhas und’ feiner! Kreinbe' war, A oe dDen Malgnaten · Anb Blfchöfen wurde immer gehhet et Ra hicht iumftande; ſich beide Partelen un terztlorditen! NG OBES NE νσ.νιν

"Denn Ludwig IEZ derEnde id Bent: Ramen nuch Perf bie Heer Aber ee Beziehunte et ſehr ſeinent Water ahnlichn Er wär für EB unv unſelbſtaͤndite wie dieſer vnd konume niemandent etwas abſchlagen, war auch von feinen Erziehern in die Regierungsgeſchäftélgüet nicht“einherbeiht norsert. rate Kühigin⸗ Maria⸗ don fteiireich, mit der er im Januar: 1523 Maine Hoͤchzelt feierle Ari: die auf ihren Gemahl Febr: ’Froken: EKinfluße ktlangte hatte? zwar' einen viel ähnllegeren Geift ag: ibiiſer "ber" fie War: boch· "och zu jung ind’ Aunerfahten, ie Sa ten zu können.“ Mich fit Das unge Bader Konigecnfolge ſeiner! er ziehung, die Königin infolge ihres lebhaften Naturells, vecht vergnügungsſüchtig, Hehte Schutanfgreien,. Tänze, ‚Turniere ‚und andere Unterbaltungen, die Geld Ffojteten und von erniteren Beihäftigingen!abysgen.- Damit Blafia and; manche Beutice an, ven Hof gekommen waren und jet außer? Geblege voht Brandenburg auch ber fallerliche Sefanbie PN will, „Andrea da Burgo, dann feit 1523 der weniger. ‚uneigennägige Iphann Schnaitpedh, beim Könige und der Königin viel. galt; sIpr murde der Haß der Ungarn gegen :die Deutichentinisch miebb'gefteigerk:: Der Markgraf wurde auch endlich in Den‘ "Hinbecgriribl "ger brängt durch den Kanzler Ladislaus Szalfay," den ‚Sohn eing® Schufters, der nach dem Tode Szakmaͤrys igar Erliahr.1524 Erzbtihof von Gran ward, obwohl er fich bisher noch micht

528 Angriffe ber Oppofition gegen bie Hofparktei.

eimmal zum Priefter Hatte: weihen baſſen. Ezalltay bemutte ben: Haß der Ungarn gegen das auch in; Ungaren;- befunbers: bei: den Dentichen, ut fich greifenbe Luthertum;u dege:Sewrg':yapr neigte, um dieſem den feiten Bodem unter den Füßem wege zuziehen. Er bildete nm, nachbein er auch Schuditpedih:: tr fein Intereſſe gezogen: batte, mit bem Inder Curiä Ambroſtus Saͤrkaͤnhy und dem Erlauer Biſchof Paul VBarday, bie ifmir ma bedingt ergeben waren, ein Triumvirat,“, das EOuaden, Merht Ehren und Bistümer verkaufte” und Angersit thatzalich he herrſchte N) Zu BIER TapE ta Ir 92 Ten Als Ludwig nach ao. al einfähriger: —— Böhmen im April 1523: nach Ungarn zurückkanmt, erhpl bei Reichstag, auf. dem die Anhänger Zapolhas das Ubergewicht hatten; gegen den Palatin! Stephan: Baͤthory und deſſen Bruder Andreas wegen Unterſchlagung von Gelder, Brägnitt Tehleckter: Mümen, Einverſtändnifſes mit‘ ber: Türben bie heftigftenl Au⸗ klagen; die gewiß falfch oßer wenigſtens übertrieben Mare: ins verlangte som: König: beffen Abſetzung, widrigenfalls seht mir Verweigerung jeder Kriegshilfe: drohte. Esſ blöeb nwentfelben nichts’. übrig, als Baͤthory vorübergehend feier; Wikedetigun entſeten, ohne einen anderin Tun deſſen⸗ Stelle watlen jet laffen.: . 2a line ru enge BρHιν— TB Safe 1524 wagte der. König den Reichſtug yakiniche eingubernfen;; worauf Zapolya und rinige iderei Nroße Meh mit dem Plane trugen, eigenmächtige einen "Sole zu uaiahr laſſen, am durch dieſen ber" Kötige "einen: EGnbertutos:an wie: Seite zu geben, "alle Deutſchen non Höfe zumwerjgen sind der⸗ Gelbdverſchwendung ein Endes zu machen. Schon rüber än wis: ſchiedenen Komitaten Privatverſammlungen ſtatt.: Uur wigſen Umtrieben die Spitze abzubvechen, ſchrieb endlich noch: dev Abniy⸗ einen Reichſtag anuf den 8: September dach Ofen Auer Gfkich- zeig forberte ernaber⸗ Vena 'bem: "böhenifehen et: A ir Tor) antik eingehendſte Darle ung in ber » e n Rupti 36 F io. de Kon ie Kr

bie- Relation bet: ‚senettänifäen Sefittöten ve Bien abrre & er 80. 136. da meieneg To Ni ie MID

Stiirmifche Adelsverſammuinng bei Belt. BR.

ihm 56000 Mann zuhilfe zu: ſchicken, was daun in Ungarn einen großen Sturm heworrief. &.Die Oppofition dounerts gegen: ben Eigennutz und die Welllin- ber: Magnaten unb bew Einfluß der Fremden und war nach darüber eutrüſtet, daß Stepden, Büthsry in die Wurde eines Palatins wieder ein⸗ geſetzt wurde: Die: Hofparter machte es Zapolyca um dem’ Temeſer Grafen Peteru Perenhuzum Borwurfe ‚:bap: fie es unteriafien :. hatten die voninden Türken bedrängte Teftung: Severin: zu entſetzen, die als dus kette Bollwerk des: Reiches an der untern Donau angeſehen worden war. Ihre Abſetzung unterhlieh nur: im deririvautimg j'vaß fie: ſelbſt ihre Amter nieberdegten, was aber mamı Berähhi tbati 0°: sm: emaizt : 3: Neichötage:veai-Suhres:1528 fanden ſich die Adeligen am 10. Mai bewaffnet aufibem :Iafos-tein:: Ste; tobten gegen den Palatin, der dert’ Berluft:Belgrabsı. verſchuldet gegen den: Primas, ber bei Ausfichrung Dernfrüheren: Reichstags“ beichlüffe: hintertriebeni haben gind aka: Sohn times Echufters den Übel shaffe,;.i gegen diengchlachta Münze, gegen: den Schatz⸗ meiſter Smerich: Szerencſts rinen getauften Juden, gegen die deutſche Höfliuge. Birnen: fünf Tagen ſollten dieſe vertrieben, der Geſandte ne: Kaiſers und Venedigs; als einer meik: Den: Türken befreundeten Macht, entfernt, Szerencſes verbrannt, der Staatarat anngeſtaltes· und durch Mitglieder des Adols amgfänzt werdeni- "Wine Diepusakinn von 6ul Mitgliedern verlaugte vom⸗ Könige: dig Erfülling-bieferSörbernnngen:. Als dieſer teikweife: eine ausweichende Antwort gab; beiehloffein: fie;: daß sber gmige: Adel, nie Meipperem;peirfönlich,: von den Unbemittelteren Berz: treter, bei: Strafe des Laembeaverrates amuꝰ a. um: bewaffnet· in Hatvan / nordoͤſtlich woni Belt ſicht einfinden follke, um für Die. Zutereſſen/ deb Reiches u ſorgent 93.8 ic maduirinn:

Bergebeus werbanden fichn mun bie Biſchoſe nik: vor⸗ nehmſten; MWagnaten zeit; gegeuſeitigen Underſtützung.:r Bergebans unterſagte der König die Hatvaner Verſammlung. Es zeigte fi Halb, hie Vemtn "ch Safpiaredh Yen wne

.. Da. faßte der ſhiche „Wruner Exzbifhöf. den Wlan, ben. Sturm, der ihm nicht am wenigften bebrohte, dadurch von Tich-

. als

3 Tie Eerrammminor ia Tomen.

abzufenten, daß er ten Hof bewea, mit Yapelvı und ter Arelöpartei tich zu vertraxen und benielben tie anderen Gegner zu orfern. Gr gewann fir Dielen Gedanken zunächft bie Königin, die bei der iteiaenten Net Des Reiches erniter wırte und maf- aebenden Einfluß amt die Staatsgeſchäfte zu erlangen Tuchte, und durch dieſe auch ihren unſelbſtändigen Gemabl. Cr eimigte ſich dam mit Zapolya und dem geiftigen Haupte ber Adels⸗

partei, Stephan Verbẽcih, indem er dieſem Einführung von

Reiormen, jenem materielle Vorteile, namentlich die Güter des reihen Ujlato zufante, welche demſelben einit zugefichert;; aber nach Ujlakys finderlofem Tode, als: der Krone heimgefallen, von der Kegterung vorenthalten worden waren. Zugleich fuchte

man auf die Stimmung des Adels dadurch einzuwirken, daß der

Hof einen Teil ſeiner deutſchen Beamten entließ und der kaiferlichen Geſandten und Georg von Brandenburg aus dem Lande ſchickte.

Trotz der Warnungen ber Magnaten begab ſich mm ber König mit den oberjten Würbenträgern und deren Gefolge, bei

3000 Dann, am 2. Juli nach Hatvan, wo 7000 bewaffnete

Adelige ſich eingefunden hatten. Der König wurde mit Ehr⸗

furcht empfangen. Dagegen verlangte Verbdczy ale Üortführer |

des Adels die Entfernung der ungetreuen Räte, bie an allen Übeln ſchuld feien, und veren Erſetzung durch Patrioten und die Verſammlung zollte ſeinen Worten ſtürmiſchen Beifall.

Baͤthory und Saͤrkaͤny, die ſich zu rechtfertigen verſuchten,

wurden mit Geſchrei und Vorwürfen empfangen, To‘ daß fie in der Nacht aus Hatvan entflohen. Bergebens erklärte es der König für eine Ungerechtigkeit, daß man jemandem ohne Unterſuchung und Rechtsſpruch fein Amt entziehe. Der Abel

blieb bei ſeiner Forderung, rief Berböczy als Palatin aus und. verteilte zugleich die anderen Steichdämter unter bie ihm font. . pathifcheften Magnaten. Dieſen Eingriff in bte Rechte der’ Krone wies zwar der König zurüd. ' Dagegen beitätigte er bie Wahl

Berbögzys zum Palatin und verſprach auch eine neue Beſetzung

der Yandesämter, die Aufnähite von Mitgliedern des niedern

Adels in den Staatsrat und die Erfüllung anberer Wiünfche der Verſammlung.

Steigender Haß. ber: Parteien. 529:

„Dex. Adel und mit ihm Zapolya, der. an: Macht: und Einfluß. ſelbſt den Kömigi.übepktair besten ihren: Bieter, reicht, die Perwaltung des Meiches: lag in den ‚Dänen der

Palatig · may. ain —— gewanhter. Bolkärebinr, aber keina Berfönlichteit, non: Thautraft unp.. faatsmännifchen .Afhigfeitan: sıikliv...bie;. Beſſerung "ber: finanzielen Sage, und. tür die Ficherung des Reiche gegen‘ bie. : Türlen, gelchah keit, mach, wenigen als frkger; Von ber Steuer, welche bie Hatvauer Berſaznmlung hewilligt hatte, wurde nicht einmal die Hälfte, ‚eingezaplty ; Dex König, der ſchon ſein Silber zeug, an die Zuden verpfändet Habkeyınkennte. las bie: not⸗ wendigſten Bedürfniſſe jeineg, Tafel wesen u helm mit‘ ige: einige, Gulden zu, leihen. zus une rail

Die, Örenzfeftungen wighen Aesmachläfigty. ie, —E truppen und hie Tſchailiſteun Welchedie antare Donau bewachten, liefen teilweiſe davon, weil ſie. nig einen: Sold erhielteit; wen den. Kommpnhgaten entſagte einey, ach ‚hem,ambern ;feinen: Gtetfung, um nicht, für „den fichexen Berluft deſ ͤhm, anpertrauten Plagee: büßen, ‚zu, ‚müfjen. „Der: Rüpig) und bie, GtantBräte: machten ſich gegenſeitig Vormürfe und ſchoben einander; die Verarworte. lichfeit für, Die ‚traurigen, Zuſſände deg Reiches un: st:

Der, DR der, Parteien, zuge durch / bie Borgaͤuge in Saar. nur, ug, geiteigert ‚worben..., Schon, in der exſten Sitzung des neuen Staatsrates (am, 11,190, 4625), hatte Baͤthory, Der: fich,, noch ‚immer als , zechtmäßigen, ‚Palstinbetrashtete,- feinen :; des Kenig.. wie der.n aimnzunehman geſcht. 93

ud eine sage, Verbindung, ii ——8 dem Guaner Erz⸗ biſchol und dem neuen Schatzmeſter Johann Döcn· zu ſtärlen. Andgrerjeits flog auch, aͤchory mis DefraynhetenusRngnaten. : und, ogengpmen Edellfuten. ‚ng, Konfähesafionu.pie ſchon Enbe Suhl, aus zweihundert Mitgliedern beftandu er charalterlofe ftfüchtige. Erzbiſchef von Erau ſtande auch :mit,ohiefer:::

„geheimen Benebungen. Auch derrknn ka mit —— "asia Öfterreihe. III. A

530 Siceg der Hoſpaxtei.

‚auf eine Gelegenheit, una: die Berfügiungen, die ihm innHatoan abgezwungen worden waren, wieder manjufjiohen._ Als ihm ie RPartei⸗ Baͤthorys durch Ben früheren Sihakameiften: Abe Thurzo bie. Wiederherſtellung Den königlichen Bervalt am frühe xen Umfange in Ausſicht ſtellte, ſchlaß ef, ch; won:hesiMkigin dazu exrpumtert, unbedingt derſelberæẽ au zum venbtend⸗ſich smit ihr zum. Sttzurze des gegeravärkigen Gyklemdi- so sinsrie: a Konföderiertena) Tuchten; ven: mittleren Adebn Deitsuif den · übexrwegenden Einfluß des Rlemabelineiterlähtigiiune, Kir ſich nzu gewinnen zund nahmennaucht hiele permögenslafe Edel⸗ Jente in ihren Dienſt, rien: ſich heimnkünftigene Reichstagen hits Abexgewicht gu fichern;.: fit gaplveigeng bewaffneten Sefplge hen Aneligen und Bauern, Bätsorp alles mitbOR Meitersunsauen die Magnaten amı-24. April: 152% nach Ofen. Baulfirtämkt, früher eines der Häupter der Adelspartei, der ſeinem Gefttitung

untreu; geworden, way ihr, Wongtfübrer. wicen!! dnaran2E ec: Parböezyn Haktamıfirh- Miele: Aremıbenaundc We⸗ finmungsgenoſſen geichart. ı.„Mhen Den: mächtigſte Mocen dieſer Partei; Johann -Zappkya Heß, ihn inn St bliebr dem Reichstage fern, ‚weil Dan. aberkte »Serichtshaf tere VBerbijenſ Porſtze in. der: Steeitiache, anegen ber: üten Nijbakyqngegenabti augyriten: ber. Krone enkihienenaßgtte.nntiu® 130 mad , nJun nn Das Berlaugen: Bethorhe, Da: iiukie ungelneinbenmeile ‚sytzegene,.. Ühirbe-e: Walesius ‚mieheri Juuischklitzsivarde, wwurdarvom Meichstage „mil: Beifallınufaenemmemsic Rerboh aa; Daher fein Ak dtubie Hände ee und loh, Hin: Tem Reben fünchtend, mitnlehmm Fchwieggroter und Varted⸗ genojien, Michael; Boe, Hei Rachtuuus Sienumufuiin Muto am Sehlas Kemitat., Wegn damitichegnügten; ſich er Haf unitue Begreichen: Maghotenn micbtrr· Dar· Renig rexflacche Berboczyr uls Begführegu des Poylles ünnobgeſetigz Diese Reitstag Iprarksäher Release Mc nyına sIHLÄBUTEUAD IT mind ug moflalbiad Bnuttg Inda DEE EUER EU PIE TUT TARRS NG) rast. TE EHEN Er Bi RN dalEndack Tre ———— reis mei mennel ban run zröſtimmaß

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Drohender Augriff-des Sultans. 81

aus und: verfügte bier Eluzlehicug Ahree GüterBäthoryer⸗ hielt: wieder bie Palatinswirrve/ und es ward verfügt,: daß diefe fortan lebenstanglich fein: ſolte. 1. Die Beſchluſſe Bert Hatbaner Berſciumlung ini fir Auugülnze erllärt! Unve! den Konige in. Beziehung aufitsie Werwaltung DIE Ernennunß ſeiner Räte und Beamten und idien Sorgettfür die? Lundesverteſbigung uñ⸗ beſchränkte Gewalt zugeſprochtunMoch! geſchah twies nicht aus ‚einem‘ tieferen iipolltiſchen Prinzipuf ſonderniwiei vet Sprecher der Stamben vem Konige Ausdruͤcktich lite, um Beh Eintreten dies Unglucks Se / Verantwortunggon: ſichiabſtulzent Ju Fönnen. Auch⸗ durften bie Mär het daß ahr Einfluß Dabeizu hy: Kine! VBonnriinben bnige7her Augeſichts des drohenden MNuterganzsn ea) NR Vuhlg! RE, er licht zu nern Bo ee autobeatiſcheongerſchaft einfuhreſ wet ernin nd nimng na Ba ven Während Ungarn HoHiitianden! Parteikanipfen zerriffen Wear Suleiman die Wuůckon wolche ber Kampfumt Rbodus moo wie reißen ſrinet Heeres gerifſen,r dus gefüllt vnd den: Auf⸗ ſtaud? ves Soatthaltersuvon Ästen medergeſchluigen Die? mc⸗ are Reglevungchatte⸗os eure, ie Zeit ebeiffiitäke Polen zund Abſchlufſereines Laungeren Wuffenftillſtandes Fir Be⸗ nutzen, den der Sultan Vingeboten Hirte, vbwohl ahnt reiſich btumn w cicht reanſt jeweſen iind neo Mira ae mar vow aderſchiroectsn Seiteuwle ſicheeſteſi Nechrichterni Sie naar Die Bahr Tec tere unternehuien werdelun MWertemianihorchie Sinhner iMiedeyn Fläubig! alifo Jesus Grtucht n dot Bo, Waßo men ee ver⸗ ſchont blͤlenu würbe oNuchheals vie Meddung trilli waße wer Sultan m 28. Aprilowon Monfiuntindpel gegenimgtorden win⸗ Zebvorhene it, wurden wochen ernſtichen: ehgeniilaßregein net griffemcen Devpr Sualltsrut, voo obennil der⸗ Keſligeauseſehlafen Kalte, ia län HT Degen gino End use, ohne etwas bejchloffen zu haben. Die Steuerrüditände waren Bi einzutzeiben, Das KHixchenſilhex, mongn big, Hälfte ‚für. den heiligen Sieg. verwendet wardenſollta wire .banilärsglichen Kommiffären nur nach langem Sträuben überliefert: und forte 34*

582 Gleichgutrigteit in den Reihen, 8. Ludwigs.

nicht Schnell, in bares Seth verwandelt werben, & fe te das Ber an allein, an an Bl alı Weben mit in

Könige, dm Üngerftign „ser Öftsrreich, det bie, Sache Ungnene\ als feine” mußte, ‚mat dur, bie Afitände der, e

Ion feier den Ungat elerbingg 50.000 ®

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bie Beni des, —2 Net n aiehte dh thin. a wolfte,! bis, im ben St Sin ‚ii #4 au par 9— auf und langfan hi ät te DR "Au in Unger "Tot m he Aufruß i delcher Anet alten Sitte en "Komitateh Schwert "Yeruinttagen tieß, ‚ut, Loth fait oder "gar ni Edi Übetigen! Vertläcten, werke ig Körtig he fbft ing“ J Bi Michung, aus u di

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Eherʒo ee Kitas ui, !

u Een hin nubisier 3 Fali Peterwarbeins. 588

‚.. Obwohl bag. türtiſche Heer, A

an Die Donar, infolge beftiger egengüffe nur. ‚Tangfaut vor wärts Fam und ber Sultan erjt am 2. Juli in Belgrad, eine traf, jo hatte man in Ungarn, noch ‚immer nicht jo, viele Truppen aufgebracht, daß man, ‚den deinen "den Übergang ı ‚über, die Say hätte ſtreitig machen tönen, Wären dieſe raſch gegen Ofen marichiert, fo würben fie fi, des Reiches ohne ernſtlichen Widerjtand bemächtigt Gaben, Dog tar. ein fühnes Bote dringen damals den, Türfen m Der Sropmefit Ihrabim und ber Paſcha von "Belgrad griffen zunäcit am 9. Juli mit der Vorhut, 35—40 000 Mann, das befeſtigte Pellrwerden andas eine Beſatzung von 1000 dußſ— fofbaten,,, die ‚Hälfte päpitfiche ‚Soldtruppen,, date. Dieſe Schar, unter Führung des Georg Alapt, verteibigte biefen Plag mit, äußerfter Tapferr feit, ſchlug mehrere Stürme ab und hielt ſich felbit mod, als ſchon ein Teil der. Mauern „sulammengecpoffen mar. Erit als am 28 Sul ‚Auffliegenpe Deinen eine neue breite Breſche geöffnet hatten, gelang der Sturm, Die ganze Ber jagung, ‚bis auf 90 Dann, die fi, in einen feften, Turn zurüchgegogen hatten ‚und freien ‚Abzug erhielten, fan,, den Heldentod.

Durch die tapfene Ber Ding, Belerivarbeins ‚hatte Ungarn eine neue ‚Snabenfri, erhalten. Aber jie ward nicht mit ſolchem Eifer denuht wie, die es erfordert, hätte, Als ber König, dem, Drängen des Adele nachgebend am 20. Juli aus Dfen nach Süden aufbrad), begleiteten ihm nicht ‚einmal 4000 Dann, Auch jest fanden, ich die Magneten und, Bifgöfe mit ihren, Banberien und bie Adeligen aus den Komitaten . ſehr Tangfam in Tolna ein, "das zum Sammelplage deg deeres beſtimmt war, Det Sönig wollte einen Teil feiner Streit“ ‚fräfte, unter Anführung,, des Palating Bäthory gegen Eſſel ſchiden, um den Zielen ben Übergang über die Drau zu wehren. Aber die Großen und die Xbeligen erflärten, nach ihren Privilegien feien fie nur mit dem Könige ſelbſt gegen

584 Zuftand bed ungarifchen: Heeres. "

ben Feind zu ziehen. werpflichtet. “Damit fie, nicht sifww-’eigewe Zeigheit durch den König decken könnten, wie derjelbe tunen ins Geſicht fagte, befahl bicſer am.xk4. Angaft- ſelbſt Sen:Anf« brug gegen bie Drau. > man Der MOMERYE“ . Schon Hanb man in der Nähen Dee Beinbes;-ir ‚man: hätte weder ein beträchtliches Heer noch einen: Oberfeldherrn ed‘ Niklas Salm, der ſich in ven Kriegen Oſterreichs gegen Beedig‘ und bie Bauern hervorgethan, hatte unter Hinweifung aufiſelne ſchwache Geſundheit abgelehut. Graf Chriſtoph Fraugepane, der im Juni 1525. mit 6. bis 7000 Mann: a6 vouinden Türken fchon aufs änßerfte gebrachte Faicza eutſetzt und wars proviantiert hatte, aber dann, weil er? keine Belohnungtochlelt nach reinem heftigen Auftritte mit dem: Graner Etzbiſchoß ven Hof verlaſſen Hatte, war dem an ihm ergangenen Rufe ebenjo wenig gefolgt. Von den Ungarn war ver Palatin Frünklich und. unbeliebt, Zapolha noch fern, da er infolge: widerſpoechen⸗ der Befehle lange nicht gewußt hatte, :ob er zum Könige ziehen ober: burch- die Walachei in Bulgarien: eindredhenijoltte. Ye wurde Paul Tomory zum Obergeneral beftellt, der fichiieinft als tapferen und tüchtigen Führer im kleinen Kriegebewieſen Batte, bann in den Mmoritenorden getreten &warkuni:tfeit 1523. als Erzbiſchof von Calocfa mit: Eifer: no Umſicht bie Verteidigung bes fühnlichen: Ungarn gegen. die: Türken Steleitet batte, aber freilich ohne Erfahrung. zur Juͤhrung eines grüßeren Heeres: war. Georg Zapolya wurde Ihn. un diesil@eitsiigen geben, big deſſen Bruder y ber: Worwode von. u. Sheßenbhogen, ankäme. J „ah - ahiipehr‘T HIN Tomory eilte nun mit etwa 10 600. Reiten: Jegen ‚vie Drau, um den Übergang der Feinde über diefen Fluß zu hin- bern, erhielt aber bald: die Nachricht, daß ‚ein -beheutender Teil derſelben dieſen bereits bei... Efſek überichritten . habe: ‚Ber König und feine Räte waren: nun ber Meinung, man ſolle ſich nach Ofen ober einem andern feſten Platze zurüdgiehen, "big Zapolya mit den Siebenbürgen, Chriſtoph Trangepane, mit den endlich in Bewegung: geſetzten Kroaten und die Truppen, die von den böhmiſchen Ländern ber auf dem Marſche: waren,

. Träugen ber Adeligen zum. Saumpfe. 535

angekommen ‚wären, :Abers bie adeligen Krieger, denen Tomory die Frage vorlegte, als iwenn wan nicht im Angeſichte eines übermächtigen Feindes, ſondenmm aufe dem Raͤkos geweſenwäre, verachteten in ihrem Übermute die Türken, deren Heen großen⸗ teils aus. unkriegeriſchem und unbewaffnetem Gefindel beſtehe, ſchimpften über die feigen Pfaffen ‚amd: verlangten, daßder König fie. in Die. Schlacht führe. Selhſt Tomory iwurde von dieſem übergroßen Selbſtvertrauen angeſteckt, obwohl er auf die Frage des Königs zugab, dag: der Sultan wenigſtens 70000 tüchtige Soldaten uud 300 Geſchütze bei; ſich babe; die Ungarn aber nur 20000 Mann hätten, unter denen auch eine Schar Bohmen unter dem Grafen Schlickunnd 4000 vom: papftlichen Nuntius geworbene Mährer und Polen waren. Da ein Wopt⸗ führer der Soldaten ; neuexdingsgegen Die. Verſchiebung bed Kampfes ſich ausſprach „und: ein. Rückzuge bei Der Rähe des Feindes und der: großen Zahl feiner: ſchnellen Reiterein auch nicht ohne Gefahr ſchien,ſo, beſchloß man; in der Ebene ſüdlich von Mobars.. ftehen zu kubleiben und eine: lat mageni:: 333 0 tu Ta] Shane.

Vn ben. nächſten —— noch yerfihiebene Beritärlangen namentlich aus Slavonien unter bet: Ban Tran; Batthyunmyi und demnAgramer Biſchofe Simon Erdödy, auch 9 Kanonen, die aus Wien. geſendet worden waren. Aber auch, jetzt betrug die Zahlder Ungarn. höchſtens 000. Mann 9). Trotzdem wurden alle Vorſichtsmaßregeln unterlaſſen, auch fein Verfuch geuracht,: den Aufmarſch Des. türkiſchen Hoeres zu ſtören.

Ka Nachmittag des 29. Auguft griff der Sultan die Ungarn

Nadhben er.' “fe ſchon mehrere & Stunden durch einen Teil

BE ai. 0 Tran di 4) Der damulige anger Srephaun Br labaries, vBiſchof von Syt⸗ mien, der fiir bie Vorgänge ſeit ven; Aufbruche ans Ofen, "die Schlacht bei Wohaͤes un die ehe Ma wichtigſte Duelle if}

han 'Ber-in ben letzten 1 rien. ———— —— a. wert: bie Ungarn. ſchon früher 20000::Masın ſtark made. !.

536... Nichralpge;her lingammihri Mohichn

ſeiner Keith beunruhigt ‚hatte... Anfangs Imarfeschte kintgarnı Die Zeinde zurück, und kühn brangentfie:ig deven Reihengein, 338 fe, unmittelbar. ‚HoF, ben Heſchüren ſtanden. Der ⸗Wirlung dexſelben und. der Überzahl, der Feinde, Din. mon. allen s@ndten Auf ſie, ejndrangen, verigorbfen. Fe, ht: lauge ſtaueguhalten. Nach anderthalb Stunden man ihr Heex ernichtet. Deni größte .. Zeil, darunter Die. Erzbiſchoöfe a ran mund Ealocka, Fünf „Bildäfe,. Veors Bapolga, Bahann Prasiff;hengegeweiträne, unde Ambros Sarlaup, der frühere Nberſtlandrichten und mehnere „‚anbere Magnaten, 50q. popnehma. und; ſehewele-geringere Edelleute bebedten. a, Echlachtfelg. AS Gefangene dieiiider ESultzan ‚am ‚folgenden, Tage enthaupten. Nur „einige lanſend ‚Mann. getteten. ſich. durch Dig; lfpchin Nahen Eänigeiner alüctlich ‚enttonpnen.,., Ybgn beim Übexjepengines konft ambeteu- tenden, damals aber; ſtark ‚angeishipplienen : Bades: übexſchlug ſich fein Pferd uud, begrub ihn im: Supfe, unmfikene: er „Ihwer,..hemoffnete. und abenattzta Fürſt ſich anicht himehr czu getten. vermochte. +... uptsk: one: Hhin Bruni Androgur Nach ber, Bernickung. des ‚unanziichen-Heeiiindagırlingsuen webrlos zu Suleimans Füßen. Zwar Ham sBanaita mit 15000 bi8 20000 Mann!) bei Szegedin. Aber .wie er feinen Mari von Siebenbürgen her keineswegs jo bejchleunigt batte, wie der König ihm befohlen, jo ſah er auch jeßt ben Geſchicken feines Vaterlandes unthätig zu. Für die Befchul- Digung, daß er jchon We mit dem Sultan geheime Ein- verſtändniſſe —— fbe , 0:98 zwar an jedem ſtich⸗ haltigen Beweiſe. D lite ed jtch, daß er wohl den Ehrgeiz aber ‚nicht ‚bie Brake, den Mut babe, Andprtinedt Unler⸗ gange zu retten. ij zip maugin Hl” on; Ohne ben "geringften Widerftand drang Suleiman nach Dfen vor, das die Königin und die reicheren Bürger mit ihrer und Pper dio ur oder tie binilsuh zu mshrü 1

Er ol ke bie Astra“ ad‘ Hin ie

gerbinahbs L anm FEN Lane Mocgärttal von BL gilbbenthe Hong: hist, ‚Piplain. L: 46i1;l Die geanmiulich Jangagenurte IFagl!O OMWTR Jebenfallß berief as hen. sruhit nd UND.

Abzug er Vlirkenitiaih · Verheerung Ungarns. 387

At beſten Habe verlaffen. hatten. TI ieuVerteidigiing der Stadt uoder wenigſtens ber: Burgi: dachte nleniand. Am 10) Septem⸗ berzog⸗· der Sultan ninn ungarus Hauptftabteeinen vie Eirtige

1 Date darauf Bon feinen Horden großenteils Ungkaͤſcheri wurde.

ad die⸗ Übrigen Ortſchaften wo Ber Doku bis ine” Platten⸗

fee und bio gegen Monk, mit Auonahute⸗ einiger" Wie "wie er Buvgen bon Funflirchen, EL 77.772 und ee und “Der

Stabter Etuhlweiſſtaburg, Erg ah ſRomorn wurden 'ans-

geruubtt. und verbrannt zahlloſerenſchen erſchlagen·n ‚Später

traf has Gebiet· zwiſchen Bert und‘ der Theiß Yasjelbe Kos.

Auf: 200:000 hätt Ver BAHR Reichskanzler Biſchof· Bro⸗ —darios die Zahl der Perfonen, ie in⸗ Ungarn wingeſchlachtet

. oder; Sllaven?“ hinwegheführt Wurden: ſinb. Der“ ganze Felvyug erhiert berhaupt den Chatater "chen Hope Auub-

90909; ba Sultman iso kinf?igie" Nachricht von!idrufftaͤnven “in

Kleinaſien aind · wetzen der NUGe des BWinters Eude September de Ruckzug antrat in Of ame” Ven anbern eroberlen Pölten

außerhalb Syrmiens nicht einmal Befatungent'Huirhätieg. Nuf Vientlcheiduug ber angmichen Ebfslyefruhe⸗ zabii ber” Sultan mr: kinen Einfluß. „ei ‚a3 CRISDIHD- J

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—RX dr 3 Hper von ‚Böhmen und Ungarn.“ F Hut bon Mau Gunıd SRRÜTSCRE wg a gun

eds ie nf νν NOTE ninius Bad ent mar mt. Der Erzherzog Ferdinand war gerade im Begriffe, jeinem

Druber gegen, ben, Mapft,,, Menehig und „aubege, itglieniſche

Slaaten. pie geen hen Köhis og entcei von Zirok::ane

neine anſehnliche Truppenmacht zuhilfen zu Führen />:ul8- am 9. September bie ſichere Nachricht vom Tode ſeines Sqhwagers,

538 Anſprüche Ferdinands pon Ofterzeich auf Böhmen.

des Königs Ludwig von: Böhmen undi Ungarn;neintraf. : Dies gab. ſeiner Politik, die fich; bisher hauptfächlich fit; die: War gänge imcſüdlichen und: meftlicke: Bimepa ::intereffiert hatte, eine ganz: ee Richtung... Det ſah er es für: feine Aufgabe an, die Ideen zu verwirklichen, für. welche jchon jeie; Groß⸗ vater und Urgroßvater den Boden ſorgfältig vorbereitet hatten, und die Anſprüche feines Hauſes auf die verwaiſtenReiche geltend. zu machen. Denn, wenn er. auch aufangs über die: früherer Zeit geſchloſſenen Verträge im einzelnen ‚nicht “genu unterrichtet war, jo hegte er. doch die ſichere Uberzengung daß ſein eigenes Recht oder Das; feinen: Gemahlin: Anne, Ber Gchweiter Ludwigs, jo feft begrundet ei doß :06 nieht ernftich angefochten werden könne. Sr ng. Hi 5 Bezüglich Böhmens 3. ft, —— dab Recht. Feiner Gemahlin nuf die Abſtammung verjelber vom vorletzten Könige Wladiſtaw, fein eigenes anf :.die verſchiebenen Erbverträge, welche ‚die Habsburger mit den bbhmiſchen Hervſchern geſchlofſen batten. Auf: Tetteven “Bunkt:Hlegte er indeffen bako.Felbft: fein großes Gewicht mehr, ida mann Kotz alles Nachforichansi: mir die Urkunden über die in den Jahren 1364 und 1366 zwiſchen den Häuſern Habsburg und Luxemburge abgeſchlofſfenenErb⸗ verbrüderung fand. : Dieſe konnten aber suumögliih für Die Erbfolge nach dem Erlöſchen des Manusſtammes der böhmiſchen Sagedomen maßgebend Jen. ei sw x. Begenieil: batteır:sbie Ga a 7 A ARTE 1) Faſt glecheitin ecfienen Aber die PFEIORN Rönigensähl. Pen Yo beiten vor DO. Gluth, Dis. Wahl Ferdinands4. zum Einig von Möhmen 1526, in „Mitth. d. Vereine f. :Geihr;h. Deutſchen in Bühnen. AV, 198— 230 und 211— —302,. und N. Reiel, Geſch. ber, R ie ng Ferdi⸗ nands I. in Böhmen. 1. Kerbihands f. "ih und "RER erutigdanttilt (Brag 1878), die beide auch Thor Va Maibtlät: behinken konnten, bag dann Gindely, Die bbhmiſchen Lanbtagsverhandknngen und Sanbtahds beichtäfle vom Jahre 1526 bis auf die Beet 1. * AT (rider a

ländern KSildert tert of tyra

.. Das Erdreiht ſeiner⸗ Gemahlin. 589

Burger ſelbſt ſtillſchwaeigend anf: ihre früher evworberen:: An fprüche.:verzichtet, ‚unbe ſie die von den Böhmen nach dent Tode des Ladislaus ;Boftumeerigemählten Könige.’ Georg nun Wladiſſlaw anerfannten.:: Nur in⸗allgemeinen Ausdrücken Hat der Ermherzotz auch. Mile Ban auf ‚Die : Vertrge· hin⸗ geiwizjen. io UL mgei ng in Wa le Wed

Mm fo. entſchiedener —8 hielt erinnt amt: Erbrechi⸗ ſriner Gemabin feſt, welches: ur ber Thaf nach. den. böhmtiehen Staatsgrundgeſetzen: garnicht. angefschten. werben fomfte. Denn die mit: Zuftiminung: :der böhmiſchen Großen ‚getroffene Ver⸗ fügung' Karls IV: von: 134& wiendies goldene Bulle von 1356; hatten ja das: Wahlrecht der Bohmen Awdrücklich auf den Fall beſchränkt, daß vom königlichen Stamme auch fein: weiblicher Spaöðßliug mehr vorhanden wäre,: und —dieſes Geſetz war, wenn auch wiederholt verletzazaſdoch nie: aufgehöben: worden: Auch hatte der König Wladiſlaw noch im Suhre 1510 durch einen Majeſtätsbrief jeine, Toten: Unna; Die jetzige Gemahlin Fer⸗ dinanbsn don. Oſterreich, sal&:rschbe ak legitime Erbin oo Böhmen „erklärt, wenn ſein Sohn: Ludwig oa Gsben mit LTod abginge y

Aus: dem Evbrechte ſeiner: Gemahlin⸗ ziaubie der Ersberyog nat dem ‚Hertonmen. aber. auch. tin: Recht für ſich :felbit ab⸗ leiter zu⸗ dürfen, ta: Johann non: Luremburg und Albrecht V. son Oſterreich: infolge ihrer, Vermählung mit böhmiſchen Prinzeffinnen Könige von Böhmen geworden waren. Eine feierliche :Sejamdtichaft; .welde er. inısben: zweiten: Hälfte bes September nach ‚Böhmen: ſchiden -woffte, ſollte daher dem Landesverweſer Karl von Münſterberg atlären, daß Land und Leute nach Erbrecht wie nach dem Anhalt einiger, Verträge an ben Erzberzog und deſſen, Gemahlin, gefallen ſeien und daß, es dieſem zuſtehe, viefelben:sfär: ſich und ſeine Gemahlin in ſeine Hände zu bringen, zu degieren und zu beſchirmen. Ja um feiner. Überzeugung deutlich Ausdruck zu heben; beabfichtigte Ferdĩnand ſogar bie Annahnie ‚beB Höhmifchen Röniggtitelg, ein Plou. deſſen Ausführung ven den vechängnißbaliften öelgen hätte fein fünnen. is.

588 Anſprüche Ferdinands nu‘ Dfterreich auf Böhmen.

ded Könige Yanwig von: Böhmen unbisliugarn,iseintvaf Dies gab: feiner Politik, Die ſich bisher: hauptſfächlich fürn: Die: Wowr gänge imſüdlichen undimeitlicen (imfepa::ihterelfiert: hatte, eine ganz: menei-Nichtung..: Det had‘ er :esifür: feine: Aufgabe an, die Ideen zu verwirklichen, fim..welche .Achon: fein: Groß⸗ vater und Urgroßvater den Boden ſorgfältig vorbereitet hatten, und: vie Anfprliche feines: Hauſes auf die vorwaiſten s@teiche geltend. zu machen. Denn, wenn er atsch gufangs über tere früherer Zeit. geſchloſſenen Berträge.: im einzgelnen nicht. :gennt unterrichtet war, ſo hegte er; doch Die: fcheye: kiberzgengung;t daß fein eigenes Recht oder. das feinen: Gemahlin: Anna, ber Gchweiter Ludwigs, ſo feft begründet: ſei, daß es nicht ernftlich angefochten werden könne. itite ν I Bezüglich Böhmens 9): ſtützte Ferdinaud das: Rechtſeiner Gemahlin auf die Abſtammung derſelben nom vorletzten Könige Wladiſtaw, ſein eigenes auf die verſchiebdenenErbverträge, welche die Habsburger mit den bbhmiſchen Hervſchern geſchlufſen hatten. Auf letzteren Punktelegte er indeffen bald felbftiein großes Gewicht mehr ‚dar: men⸗Kotz alles Machforſchenst mitt die Urkunden über die in den Jahren 1364 und 1366 zwiſchen den Häuſern Habsburg und Luxemburg« abgeſchlofſenenErb⸗ verbrüderung fand. : Dieſe konnten aber suumdgiiih für dbie Erbfolge nach dem Exrlöſchen des Mannsſtammes der böhmiſchen Jagellonen maßgebend ſein.“ Im Segenteil:: hatten die Habs⸗ in ni ge HE PL 1): Pafrgleichzeitig erſchienen er Ile bbhmiſche Königeitahl: bie Ass beiten von O. Gluth, Die, Wahl Ferdinands J. zum Ränig von Höhmen 1526, in. „Mittb. d. Vexeins f. Heſſhez. Deutſchen in Böhmen, Ay

198-230 und 271802. und U, Rezet, Gef. ber Regierung derdi- nands I. in Böhmen. 1.’ Ferdihande T. WÄhl und Reglerutigeanttitt (Prag 1878), die’ beide auch ſchon Bad" Maletlal beurntzen tonn ten/ bas dann Gindely, Die bbhmiſchen Landtagsverhandtungen und Sandtogss heſchlüſſe vom Jahre: 1526 bis auf die Reuzeit, 1. Bd., 187.7 (feiden- Acker weile nur Lechiſch Herausgegeben, hHgt Gluth hat bie entlſheidenden Ge⸗ fihtepuntte, —— Natur, finrer bes, aber mit der Wahl Fersft; Wrßtend Meder Auch noch die Verhandtu ken bis nach Der) Krönung mb die Anerkentiung Ferdinabs in ben NEE ländern ſchildert. ä nint :äd

,. Das Erbreiht jeiner-Semahlin. .: . z:. 589

burger ſelbſt Stilffehiwergend:. anf: ihre: früher: erworbemen: : An⸗ ſprüche verzichtet, indem ſie die von den Böhmen nach dem Tode des, Ladislaus Pofummstigewählten Könige: Georg und Wladiſſlaw anerkannten. Ya iu callgemeinen Ausdrücken hat der Erzherzog audı. ſpater noch anf Die „Derttäge” bins gewieſen 5. on F way sd alien fr ANEI Pad

. Um io: entfchiepener begegeit: ‚hielt: Ferbinanb amt. Exbrechte feiner- Gemahlin feht, welches ur ver Thaf nach. den. böhmischen. Staatsgrundgeſetzeg: gar micht augefochten werben konnte. Deun die: mit: Zuſtimmung der⸗ böhmiſchen· HEroßen ‚getroffene : Ver⸗ fügung Karls IV. von 1348 wie! dies goldene Bulle von 1366 hatten ja das. Wahlrecht der Bohmen: drücklich auf Den Fall beſchränkt, daß vom königlichen Stamme auch fein: weiblicher Sprößling mehr vorhanden wäre,: und Epteled :Sejeh ‚mar; "wenn anch wieberhalt. verletßt;. ipod: nie: aufgehoben worden. Auch Hatte der König Wladiſſaw noch im Buhre 1510 durch einen Majeſtätsbrief ſeine Toten. Anna, Die jetzige Gemahlin Fer⸗ dinands don.Ofterreich, saldıgichte ak legitime 'Exbin non Böhmen er, wenn ſein Bon Ludwig oh Oben mit Tod abginge, a Zoch. in, in

.: Aus: dem: Exbreste: feines. Gemaglin: glaubte ver. erstering nach dem Hexkommen aber. auch ein Recht für ſich :felbit ab⸗ leiten gu dürfen, da Johanwinen. Yupemburg: und. Albrecht V. von. Hſterreich; infolge: ißrexrio Bermählung mit böhmiſchen Prinzeffinnen Könige von Böhmen geworden waren. Eine feierliche. Geſandtſchaft, welde er in:sben: zweiten. Hälfte des September nach Böhmen: ſchiden wollte, ſollte daher bem Landesverweſer Karl von Münſterberg eiffären, voß Rand und Leute nad). Erbrecht wie nach dem Inhalt einiger Verträge. a ben Erzherzog und befien. Gemahlin, gefallen” ſeien und daß es dieſem zuſtehe, dieſelben Aür ſich und ſeine Gemahlin in ſeine Hände zu bringen, zu degieren und: au beſchirmen. a um feiner. Überzeugung deutlich Ausdruck m “geben; beabſichtigte Ferdinand ſogar bie Annahnie des höhnüſcheü Röniggtitele, ein Plau, deſſen Ausführung von den verhanguigholtnnen dolzen hätte ſein können. Non.

an

542 Die Werbung ter Sciaudten res Erzherzozs Ferdinand: - -

und” bedentende Gunmuen für verſchiedene Abelige, beſorrers Noſental, im Ausficht ſtellten and alle ſchwankenden Giientenie burg ven: Anſchluß an die Siterreiciidhe Partei wenigftens nicht ſchlechter geſiellt ſein wollten "8 Brig Die BahE: eines Dergont von Bahn. :: 2 Br ee Als am 6. Oftober.-der femnmeittat Ai nur noch ze Kandidaturen ernſilich amfreche, die Ferdinands von erteich uno. Wieder Wittelsbacher; alle aeren Bewerber hatten keiue nennenewerten: Anhanget gefnben. Leiw von Rofen⸗ sat: hätte“ am liebften: wie: Wohl eines Königs bertagti:sind einen Gubernator wahlen laffen/ imsenr "er: hoffte, vaßdieſe Wurtde ihm zufallen nundi hm Birch ber. weg zum Ehrom⸗ gebahnt werden: wie Don wur 3: wind onakem © Exrzherzog· Feroinand ihatte vori'den’ pero von: Baicin vorzüglich das vorausu patz en: Bereits ee: frierliche Oeſandt Ft: Prag; Güte zugäggent jene ae! der Abſenbunge eiet folchen zu Take gerögert Kitten: Wie dterreichtſchenn Geſandten brachten ſchon in der erfie eigemlichen Siuung: des KrnBisds; Bi Ottobernihre Werbung nor; mobei:fie:ipen'gifteiftionen, welche micht vie Baht; ſondernn vie Annuhmen Yersikakds forverken, mit Den ihnen ierkeilten Natſchlägen MER einigen’ Fichten. :i IN Sprecher p ans bon Sumheniberg ‚TS Area dc," aachen war nd? Erboaſeiner Ponigeceiche uns Schtere 1baräaiiek fer tale un Erſherzsg nunis jenem Rüchſtcht vn bie Bra rt inatzn ntichfteh lutsverwandiſchufe bleſelbeno hzoffteno Due Big) BON ee zus vieſeni Re ee erg aber ber, vaß wenn er au nicht, bi te, Perwandte ber, ‚egten, önige zur Kamaplin FRE tänbe ‚bis, ‚ir belonhene ‚Siehe umb Bamergunguivedialhen ,. sie, weilanb Karten Mayimifiens wi die Ruchbavbſchaſt Yeriokänker hbeffeil ih Pi —— g itfe "Vedentp ben: Wäber .hloß, © en en ai Bitten und Begehren, daß bie Stände Yin "zu: —— —*

Beanſpruchung des Rechts der Königswahl durch bie. Stände 503

König. und Königin, fich- gefallen lafſen und gunehmen möchten: Dagegen erbieten quch dieſe Fich,: Me. Regierung. ſo zu. führen; daß jeber bei jeinen Rechten und die Krone ‚bei - ihren: Ehren bleibe; alle... Stände . und Perſonen bei ihren Freiheifen zu ſchirmen und die Staatsſchulden mit Beirat der Stine, ohne Melone ung: ber: Lanpichaft ya bezahlen. * Wabrand die vſterreichiſchen —*— in 1srften Rinie au ie das Exhrecht Ferdinands zata; deiner: Gemahlin betont: ud das Bart „Wahl! ſorgfältig ver mieden hHatten, beſchloſſen: ie Ständenquf Antrag Dat, Ohexfilandſchreihens ver. allem. ihre Landesprivilegien prüfensze: laflestın) Es! hoh Died, auch Gelegen; beit, ene GEntſcheidung binansznichaben mas: jpwohl.der baie⸗ riihen Partei erwünfcht war, weil noch ‚immer. feine: feieykiche Sefanbtichaft augelenmmenswar,; alsnquch dem Obepſiburggrafen, bey. Die? Mahl: he: lange a. perzägeranTuchte,. bis nie maiſt auf Öfferreichiicheg Weite: ſtyhan dam Niktenzand ſtädtijchen Abgebrd⸗ neten „wagen. her Koſten, Re ein. küngexen, Aufenthalt ‚in: Prag exfoxdexte, sben Landtagtvexlaſſan, bätten, >: mi nahe sehn; res eh wurdezward PomnKaupex md. en übrigen Anhangern Terbinani®, „henanssfid aurdce porgeſchrittenen Utxaquiſſetniminde Bier böhmiſchen Brüder, anſchboſſen, vereitelt: Aber, inbaungiauE Dim Mectäfragerzeigts ſich dev. Landtag den Anſchauungen deinen günſtighanſcinchon ihm gewählauer Maid prache ſich am 1 IR dahin ans, Daßeie Stända den rent: Bann „die Gemahlin Ferdi⸗ nandaamn nes. Erhexchtea merbaſtig newerden/ xWil die, sieben Bed Kehzaitenihres Waters; aßgeſtattet, Und datzn wexheixgtet prden Ih) wdwjan habt weder annlicher amch en

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544 Werbung der baierifchen Gefanbten.

binterlafjen; jedes Erbrecht: gehe aber nur vor. jih und nicht zurüd d. h. gebe nur auf hirefte Nachkommen. nicht auf Seiten- verwandte über. In biefem Sinne wurde auth :bie Urkunde von 1348 gedeutet, ‚obwohl dieſe ganz. allgemein: von weib- lichen Gliedern des regierenden Haufe: ipricht. Daß der Aus⸗ ſchuß nebenbei die Phraſe einfließen Heß, er wolle niemandem etwas ab» oder zuſprechen, änderte nichts. an der ſchwer wie⸗ genden Thatjache, Daß den Ständen: für diesmal das Recht ver freien Königewahl zuerkannt wurte. Der Landtag jchloß. fich ſtillſchweigend den Ausführungen des Ausichuffes an. M Die öfterreichiihen Geſandten verkannten die Tragweite dieſes Beſchluſſes nicht, nahmen aber: mit. großer Gewandtheit Stellung zu vemjelben. : Schon am folgenden Tage erichtenen fie im Landtage und gaben die Erklärung ab, fie hätten ge« glaubt, daß. feine freie Wahl notwendig wäre und daß die Stände. auf ihr Anfuchen: den ‚Erzherzog und feine Gemahlin zu Königen annehmen würden. Wenn aber dies nicht geichebe, fo Sprachen fie, „ihres gnäbiger. Bern Recht vorbehalten“, die Hoffnung aus, daß die Ständermit Rüdficht auf die :übrigen für Ferdinand Iprechenden Gründe denſelben vor anderen zu diejer Krone fommen laſſen würden. Zugleich unterließen: ſie nichts, um. die böhmiſchen Großen -einzeln. zu: gewinnen. Be⸗ fonders Johann Mrakſchy von Naskau, Pfleger "von. Droſen⸗ dorf, der gewandteſte und rührigſte von allen, entfaltete ‚eine, außerordentliche Thätigfeit. _ iR Während ſich nım der —* über eine. Weihe Boni: tifeln .einigte,- die man dem zu wählenden Könige zur Sanktion vorlegen· wollte, aber. dann ohne: weiteres als Geſetz “ir bie Landtafel eintragen ließ, kam endlich auch die baieriſche Ge⸗ ſandtſchaft an, die. ſich in offizieller Form um die Wahl eines ber beiden Herzoge bewarb. Jetzt hatte auch die baieriſche Partei, die bisher der Pornahme der Wahl: mit allen: Mitteln entgegengearbeitet hatte, ‚ein n Suteröffe on eine Antſcheunz hinauszuſchieben. gel? | - Am. 20. Oftober wurde Dom: Lanbtagen ein usſchuß von 24 Mitgliepern, je acht aus jedem; Stande, gewählt, um eine

Wahl des Erzherzegs Ferbinanb. 345

Vorwahl zu treffen und den am tauglichften Befundenen beit Ständen vorzwichlageni: "ES warentſcheidend, daß es noch im letzten Augenblide gelang, den noch immer einflußreichen Lew von Roſental duvch verſchledene Zuficherungen bei onders finan⸗ zieller Natur für den Erzhorzog zur gewinnen, gegen defſen Wahl nun in der Kommiſſion niemand ‚mehr Schwierigkelten erhob. Um im Landtage ſelbſt auf keinen Widerſpruch zu ſtoßen und Erörterungen zu vermeiden, welche beſonders file jene un⸗ angenehm hätten fein können, die wie Lew ihre Partel'gewechfelt hatten, ſtellte der Ausſchuß den Antrag, daß jene Perſon, über bie er ſich geeinigt bitte;; als Käfig ausgerufen werden ſollte. Nachdem ver Landtag: zugeſtimmt Hatte, wurde Erzherzog Fer⸗ dinand am 23. Oltober vom Ausfchuſſe einſüimmig gewühlt und am folgenden Tage zue großen Überraſchung der baierl⸗ ſchen Geſandten, die noch bis zum⸗letzten Augenblick auf einen günftigen Ausgang gehofft: Hatten, als! König: proflamiert.:-

Ende Movember wing eine böhmiſche Geſanbiſchaft, aus je ſechs Vertretern der drei: Stände beftehenb, nad) Wien ab, um bem ‚Erzberzoge. ſeint Wahl zumt Könige zu melden und ihm die vom vandtage beſchloſſenen Areiel zur Beftätigung vorlegen: : : tig Budo!

Es onen einzelne: ‚jegr: weitgehane Gorberungen welche bie - Stände darin aufgeſtellt⸗ hatten: Es ſollte 5: B. bei Leb⸗ zeiten bed. Königs: aiemand, auch nicht ſein Erbe, zum Nach⸗ folger gewählt, ver König nie gekrönt werden, ehe er den Krö⸗ nungs Eid geleiftetsund ‚ven Ständen Ihre Rechte und Freiheiten beftätigt hätte. »ı Bein Rantwgbenntter ſollie ohne rechtliche Er⸗ kenntnis der Abrigen: Beumtern;: Ranbogrechtäbeifiger- und: könig⸗ lichen Räte ſeines Amtesentſetzt werden. Der König ſollte feinen Hof für gewöhnlich in Boihmen haben, wenn er aber zeitweilig das Land verlaſſen Inüßte,.bie- Regierung nur Ein⸗ geborenen, und zwar nur näch Mat des bohmiſchen Landtags, angertraut: werden. In böhmifcheni Angelegenheiten follte der König nur böhmifche Näte oder folche aus den Nebenländern zuziehen, zu Ausfertigungen derſelben ſich hut der böhmiſchen Nanzlei bedienen und die Amter in Boͤhmen und ‚den dazu ger

Huber, Geſchichte ſterreiche. IT. |

546 Forderungen ber böhmischen Stände.

börigen Ländern ausichließfich mit geborenen Böhmen beſetzen. Gegen die beiden Glaubensbekenntniffe der Katholiken und Utra- quiſten ſollte ſich der König nach deu. ziwiichen den Ständen ge- troffenen Vereinbarungen gleich gerecht verhalten. -

Auch Died genügte den Ständen noch nicht. Die Depu: tierten ſollten auch noch die Außsitellung eigener Majeſtätsbriefe erwirlen, daß Ferdinand die böhmtichen Nebenländer als. König von Böhmen regieren und gegen: die Anſprüche Ungarns fihern würde, und daß die Stände ihn aus freiem Willen gemäß ihren ‚Freiheiten, nicht aber infolge‘ einer: Verpflichtung zum Könige gewählt Hätten. Auch die goldene Bulle Karls IV. über die Köntgewahl follte der König im Sinne. der Stände dahin er- läutern, daß nur: männliche Nachkommen oder eine unverhei⸗ ratete Tochter des letter Könige ein Erbrecht hätte.

Ferdinand ſah wohl ein, wie gefährlich einige der vom Landtage aufgejtellten Artikel, namentlich das Verbot der Wahl und Krönung eines Könige bei Lebzeiten des regierenden Fürften und die Beichränfung des Landesherrn in Beziehung anf die Entfernung der einmal ernannten: Beamten, für die Gewalt der Krone werden könnten. Letzteres mußte den Einfluß der Herren, die gegenwärtig im Beſitze der Landesämter waren, verewigen, erjtere® dem Landtage Gelegenheit geben , bei: jeder neuen Königswahl dem Erben des Verftorbenen neue Bedin⸗ gungen vorzufchreiben und die Macht der Stände auf: Koften des Könige zu erweitern. Er gab: zwar ohne: Anftand die Erllärung ab, daß die Stände ihn freiwillig zum Könige ge- wählt hätten, ımd jtellte die gewünſchte Verficherung wegen der AZugebörigfeit der Nebenländer zur böhmifchen Krone. aus. Aber weber zur verlangten Erläuterung: der goldenen Bulle Karls IV. noch zur Beftätigung der einzelnen vom Landtage angenommenen Artikel ließ er fich herbei. Da infolge veffen die Deputation mit ihrer Abreife drohte, jah er fich Doch genötigt, eine wenig- ften® teilweije entgegenfommende Haltung einzunehmen, um nicht noch im letten Augenblide die Krone zu verlieren. In einer Urkunde vom 13. Dezember verfprad er, den Prager Kompak⸗ taten volle Gültigkeit zu verichaffen und auch mit dem. Papſte

Modifikation derfelben. | 547

über deren Beftätigung zu verhandeln, die böhmiſchen Stände bei ihren Rechten und Freiheiten zu fchügen, Ausländer weder zu Landes⸗ oder Hofämtern; noch zu geijtlichen oder ftädtifchen Würden zuzulaffen ‘oder mit ſolchen die böhmiſchen Schlöffer und Städte zu bejeßen, auch feine zur: böhmiichen Krone ge⸗ börigen Länder oder Güter verjelben zu entfremben. Dies waren Punkte, die ſchon König Wladiſlaw bei feinet Wahl be- willigt und ſpäter auch deſſen Sohn beftätigt Hatte. Da: genen lehnte Ferdinand die Beſtätigung des neuen Gefegent- wurfes auch jett ab und: ließ den Deputierten durch den Trientner Biſchof Bernhard von Cles erklären, daß er über die Naclafjung einzelner: Artikel, die ihm beichwerlich, dem Königreihe und den Ständen aber ohne Nuten feien, nad feiner Ankunft in Böhmen. mit dem Landtage verhandeln werde.

Die Ungufriedenbeit; welche dieſe Feſtigkeit Ferdinands bei den böhmiſchen Oligarchen hervorrief, wollten die Anhänger Baierns, denen ſich auch Lew von Roſental vorübergehend wieder anſchloß, zur Hinausſchiebung der Krönung benutzen, um für weitere Umtriebe Zeit zu gewinnen. Der baieriſche Kanzler Leonhard Ec reichte bereitwillig ſeine Hand dazu und ſprach ſogar die Hoffnung aus, daß, wenn der Papft und die Vene⸗ tianer über den Kaiſer den Sieg erlangten, nicht bloß dieſer aus Italien verdrängt, ſondern auch der Erzherzog aus den deutſchen Ländern verjagt werden könnte !). Doch vereitelte Ferdinand dieſe Pläne durch ſeine ſchnelle Reiſe nach Prag, wo er am 24. Februar 1527 zum Könige gekrönt würde.

Bor und nad ber Krönung unterbandelte der König mit den boͤhmiſchen Ständen über die Zurüdnahme oder Modifika⸗ tion ‚einiger jener Yorderungen, die fie in der Wahlfapitulation gejtellt batten. Da es amch unter den Böhmen eine Partei gab, welche gegen eine weitere Schwächung ber füntglichen ®e- walt war, und andere Große durch Nachgiebigfeit die Gunſt des neuen Herrſchers gewinnen wouten, ſo hatten die Be-

: 1) Böhmifche ganbiagsverbanbfngen I, 191—19. 35 *

548 Ferdinands Anerkennung in ben bbhmijſchen Nebenlänbern.

mühungen Ferdinands gerabe in ben wichtigften Punkten Er- folg. Die Stände gaben die Erklärung‘ ab, Daß, wenn ber König einen volljährigen Erben Hätte; dieſer and bet Xebzeiten feines Vaters gekrönt werden könne.” Bei ber Erfegung uns tauglicher Landesbeamten follte ber König nicht an die Zu⸗ ftimmung, fondern nur an bie Einhofung des Rates ber übrigen Beamten, Räte und Lanbrechtsbeifiger gebunden fein. Auch bezüglich der Forderung, daß zur Entſcheidung böhmiſcher An- gelegenheiten nur böhmiſche Räte beigezogen werben follten, gingen die Stände auf die Anſchauungen des Königs ein, ber dies als unzweckmäßig bezeichnete, weil viele Angelegenheiten, wie die Verwaltung der Bergiverfe und Regalien und der Fi- nanzen überhaupt, in Böhmen und den anderen Ländern ganz gleicher Natur wären und daher auch am beiten gemeinichaftlich verwaltet würden, wobei oft auch Fremde guten Kat er- teilen könnten. Gegen den Einfluß frember Räte in finan- stellen Angelegenheiten wurde feine weitere Einwenbung ers hoben.

War Ferdinand troß der Yinfprlihe feiner Gemahlin PAR Tächlich doch nur durch Wahl König von Böhmen geworden, jo fam in den Nebenlänbern, welche auch über die Ausſchließung ihrer Vertreter von der Königswahl fehr unzufrieben waren, eine ganz andere Anfchauung zur Geltung. Die Stände von Mähren gaben ſchon Anfangs November die Erklärung ab, daß die Königin Anna eine rechte und geborene Erbin der Markgrafichaft jet, weil fie ihrem Vater und dejjen Erben ven Eid der Unterthänigkeit geleiftet hätten, und daß fie daher bie Königin und nach ihr deren Gemahl als Herrn annehmen. Auch die Stände von Schlefien nabmen Anfangs ‘Dezember beide Majeftäten zu Erblönig und. Königin an. ühnlich lautete die Auferung der Stände der Laufit 2). Ä

Daß Ferdinand, wenn auch nur durch Die Wahl der Stände, in Böhmen fo raſch und auf frieblihem Wege zur Krone ges

1) Die Alten über bie Vorgänge in ben Nebenländern in „Die böh⸗ mifhen Landtagsverhandluugen“ I, 89—118. Bol. Rezek, S. 72ff.

Zerdinande Anſpruche auf Ungarn. 59

langte, war von größter, Bebeutung. . . Einmal handelte e8 ſich bei der böhmiſchen Königswahl um die ganze Stellung des Hauſes Habsburg in Deutſchland. Wäre namentlich einer der . Herzoge von Baiern gewählt warden, welche damals die Haupt. vertreter der antikaiſerlichen Fürſtenpolitik waren, jo wäre ver Einfluß der Habsburger .auf das. höchite bedroht gewefen, wahre ſcheinlich hätte jich ‚in Zukunft auch. die. Kaiferwürde nicht be: haupten ‚lafjen. ‚Ohne. die Kräfte. Böhmens hätte, Ferdinand aber auch. feine: Wahl zum ungariichen Könige. ſchwerlich durch⸗ zuſetzen vermocht, mit Böhmen wäre wahrſcheinlich auch Ungarn verloren geweſen. In Prag wurden alſo damals nicht bloß die Geſchicke Oſterreichs, ſondern auch die Europas entſchieden.

Biel, - größere Schwierigkeiten. ‚machte die Geltendmachung ber Anfprüche des Haufes Habsburg auf Ungarn !), obwohl biejelben, unbejtreitbar warem ... ...

Über, die rechtliche Grundlage derſelben war fich ber Erʒ herzog Ferdinand anfangs freilich auch hier nicht klar. Er glaubte infolge feiner. Vermählung mit der Tochter des Königs Wladiſlaw IL_ zu einer einfachen Beſitzergreifung des ungariſchen Meiches. Schreien zu können. Aber. wenn auch die Anjous als weibliche Seitenverwandte der Arpaden auf den ungariſchen Thron gelommen und. daun die Tächter Ludwigs I. und Sig. munbs ‚wie deren Gatten als Dessen anerlannt worden waren,

m rd 7 a.

1) Das febr ind Detatt gehende gründliche Werk von Jaszay P., A magyar nemzet napjai a mohargi..visz uban. (Die Tage der une gariſchen Natjon nach dem Verderben bei Mohaͤcs, Peſt 1846), auf wel⸗ chem die Darſtellung der Ereigniſſe bis zum Beginn bes Jahres 1527 bei beit neueren ungariſchen Hlftorikern, wie Graf Mailath, Gefch. ber Magharen, 2. Aufl. III, 1." Feßler⸗Klein III, 399ff. u. f- w., im weentlihen beruht, war mir Teiber wicht: zugänglich. Ich ſtütze mich bauptjählich- einerfeits, auf-bie-von. Fraknöi .V., Monumenta comitialia

regni Hungarise 1. T. herausgegebenen Atenftüde- und. auf beffen. wert- -

volle Einleitungen dazu, anderſeits auf die Darftellung von St. Smolka, Ferdinand I. Bemühungen um die Krone von Ungarn, Wien 1878 (Arch. f. öſterr. Geſch. LVII, 1—172), der das fchon von Jaͤſzay benützte Wiener. Staatsarchiv noch forgfältiger ausgebeutet unb. das gebrudte Material ſehr fleißig benützt hat.

550 " Auffaflung der Ungarn.

fo batte doch der ungartfche- Reichstag nach dem Tode Vadis⸗ laus des Nachgeborenen ein :Erbrecht der Schweitern verfelben nicht mehr anerkannt und einen König gewählt. In Ungarn gab es auch Fein Neichsgefek, auf das fich Ferdinand zuguniten - feiner Gemahlin hätte berufen Tönnen. Im Gegenteile hatten die zwiſchen Dfterreich und Ungarn- in den: Jahren 1463 und 1491 gejchloffenen Verträge die weiblichen Glieder geradezu von der Erbfolge ausgefchlofen, indem ſie den Habsburgern ſchon beim Deangel männlicher Nachkommen des Königs die Nachfolge zuficherten. Dieſe Verträge mußte Zerbinand für das Maß—⸗ gebende anjeben. Denn wenn auch bie Beftimmungen des Friedens von 1463 durch die fpäteren Kriege zwifchen Matthias und dem Kaiſer Friedrich befeitigt fein mochten, jo ſprach doch auch der Presburger Triebe von 1491, der 1506 erneuert worden war, den Nachlommen des Kaifere Dear, welchen von ihnen die Stände wählen würden, ein Recht auf die ungarifche Krone zu.

Aber die Nechtsfrage war für den Gang der Ereigniffe in Ungarn ebenjo wenig entjcheivend wie in Böhmen. Auch in Ungarn beanfpruchte man allgemein: für die Stände das Recht, einen neuen König zu wählen. “Die zugunſten der Habsburger Iprechende Beitimmung des Triebens von Presburg, erflärte man, fei obne Rechtskraft, weil die Stände dazu nicht ihre Zuftimmung gegeben hätten. Der Erzherzog konnte leider biefe Behauptung nicht widerlegen, da die wichtigite Urkunde, welche die Annahme dieſes Vertragsartifeld durch die ungariichen Land⸗ jtände enthielt, 1493 vom Könige Maximilian dem Rate von Augsburg zur Aufbewahrung übergeben worden und volljtändig in Vergefienheit geraten war !). Ferdinand ſah auch bald ein, daß nicht Gründe des Rechtes, ſondern nur materielle Mittel zum 3iele führen könnten, und er bebachte fich auch nicht, die⸗ jelben anzuwenden.

Die zwei Parteien, welche ſich unter ben beiden legten Königen gebildet hatten, die Hofpartei oder die Partei ber

1) Firn haber im „Arch. f. 8. öfterr. Geſchichtsq.“ III, 381f.

Die Hofpartei und die Partei Zapolya's. 551

Magnaten, und die Oppoſitionspartei unter Führung Zapolyas, beſtanden auch jetzt noch fort. Jene, deren vornehmſtes Glied jetzt der Palatin Stephan Baͤthory war, ſchloß ſich an bie verwitwete Königin Maria, die Schweſter Ferdinands, an, die ſich vor den Türken nach Presburg geflüchtet hatte. Die Gegen⸗ partei hielt ſcoon um die Mitte des Oktober eine Verſamm⸗ lung in Tokaj, einer Beſitzung Zapolyas, wohin der Erlauer Biſchof Paul Vaͤrday Magnaten, Adelige und Vertreter der Städte aus den mäher liegenden Landesteilen berufen batte. Die Zahl der Erjchienenen war. nicht groß; von den Biſchöfen war nur Paul von Erlau, von: den Magnaten außer Japolya der Temeſer Graf Peter Perenyi, Befehlshaber in Nieder» ungarn, der Reichejchagmeifter Johann Doͤczy und einige andere, von jtäbtiichen Vertretern nur ſolche aus Oberungarn ober vielleicht gar nur die von. Kaſchau anwejend !), aber mehrere Adelige, die ſich ſchon in früheren Parteikämpfen als eifrige Anhänger Zapolyas bewiejen hatten. Die Wahl des Woywoden, der nach der Vernichtung des füniglichen Heeres mit ‚feinen Truppen thatjächlih Herr von Ungarn war, obwohl er zur Berteidigung besjelben nicht das Geringite getban Hatte, ſtand bei ven meijten Mitglievern ver VBerfammlung wohl von vorn- berein feit, und es beburfte nicht der Beredſamkeit Verböczys, um die Gemüter für diefen Plan zu gewinnen. Man glaubte, daß fich durch deſſen VBermählung mit der Königinwitwe Varia auch ein Ausgleich mit Terbinand erzielen lafjen würde. Aber Zapolya förmlich zum Könige auszurufen, wagte man doch nicht, da der größte Teil des Neiches in Tolaj gar nicht ver- treten war und die PVerfammlung doch eigentlich nur einen privaten Charakter batte. Die Anwejenden beriefen Daher zum

1) Daß im Einfabungsjchreiden zum Reichstag vom 17. Oktober in Mon. comitialia I, 10, der nah Aufzählung der Magnaten und Ade⸗ ligen noch beigefllgte Pafſus: „ceterique universi nobiles et pociores superiorum et inferiorum parcium regni, item oratores nobilium Sicu- lorum et Saxonum regni Transsylvani necnon Cassoviensis et aliarum liberarum civitatum parcium superiorum nicht wörtlich zu nehme fei, ift mir nicht zweifelhaft.

562 Wahl Zapolyas zum Könige.

Zwecke ver Königswahl auf den 5. NRowember einen Reichstag * Stuhlweiſſenburg, indem zugleich erllärt ward, daß

alle Nichterſcheinenden als Landesverräter beſtraft werden würden.

Daß die Zwiſchenzeit eifrig benutzt wurde, um für Zapolha neue Anhänger zu gewinnen unb alles, was zugmmfter besfelben ſprechen Tonnte, in das günftigfte Licht zu fielen, iſt felbft- verftändlich. Deſſen ungenchtet war der Reichstag in Stuhl⸗ weiſſenburg nicht jehr zahlreich befucht. Selbft Adelige waren nur aus den benachbarten Komitaten,. und auch dieſe nicht im großer Zahl gelommen. Nur von ven Bilchöfen war. ber größere Teil anwejend. Die Magnaten tagten in der Stadt, die Adeligen außerhalb derſelben. Man betonte is beiden. Ber- fammlungen vor allem den Beichluß des umgariichen Reiche- tages vom Sabre 1505, daß nie mehr ein Ausländer, ſondern nur ein geborener Ungar zum Könige gewählt werben. joflte. Am meiften trat aber die Abneigung gegen die. Deutichen zu⸗ tage. Das Ergebnis jtand von vornherein feſt. Am’10. Ro» | vember wurde Johann Zapolya als König ausgerufen. Einer

ber Gefandten Ferbinands von Diterreich, ber .in ver Ber | ſammlung des Adels zu reden verjuchte, wurde jchon nach den eriten Worten von Verbeczy, ber auch bier Die erſte Rolle | fpielte, unterbrochen. Die aufgeregten Abeligen brangen ‚mit

den Waffen auf ihn ein; er mußte froh fein, daß er mit dem Leben davon kam.

Am folgenden Tage fand bie Krönung ſtatt. Da die beiden Erzbifchöfe von Gran und Calocfa bei Mohaͤes den Tod ge- funden Hatten, fo wurde fie vom älteften ver anweſenden Biihöfe, Stephan Podmaniczky von Neitra, vorgenommen. Bom Könige wurde dann Paul Vaͤrday zum Erzbilchofe von Gran, Verböczy zum Kanzler, Perenyi, der neben Zapolya Kronhüter gewefen war, zum Woywoden von Siebenbürgen ernannt. Die Herrichaft Zapolyas ſchien feit begründet. Siebenbürgen und faft ganz Ungarn mit ver Hauptftabt Ofen waren in feinen Händen. Auch die Stimmung der europäiſchen Mächte war ihm günftig, da der größte Zeil derfelben damals

Thätigleit der öflerreifchen Partei. 658

mit dem Kaiſer verfeindet war. - Von den Königen von Frank⸗ reich und England, vom Bapfte, von den Venetianern und von den Herzogen von Baiern wurde er als König anerlannt; von Frankreich und Baiern erhielt er Ermunterungen ober gar Hufsverfprechungen ). -

Deſſenungeachtet gab Ferdinand, der unterdeſſen bereits zum Könige von Böhmen gewählt worden war, auch in Ungarn ſeine Sache nicht verloren. Seine Hauptſtütze war ſeine Schweſter Maria, die ohne Rückſicht auf ihr eigenes Interefſe, nur das Wohl ihres Hauſes ind Auge faflend, in jeder Weiſe für ihn thätig war und auch Inpolyas Antrag, fie zu heiraten, entichteven zurüdwied. Ste war es auch, welche die Unier- handlungen mit den ungarischen Großen vorzüglich leitete. Aber die Zahl ihrer Anhänger war anfangs nicht groß, da gerade bie Reihen der Hofpartei durch die Kataftrophe von Mohaͤcs ſtark gelichtet worden waren. ‘Doch war e8 von großer Wichtige fett, daß der Palatin Stephan Baͤthory auch jet der öfter» reichiſchen Partei fich anjchloß, weil er nach der ungarifchen Berfaflung der Stellvertreter des Königs war und nur er das Recht hatte, in. gefetlicher Weiſe einen Reichstag ein⸗

zuberufen. | Als Zapolya und. feine: Freunde die ungarifchen Stände nach Stuhlweiſſenburg gelaben hatten, fchrieben auch die Königin und ber Palatin um ben 19. Oltober einen Reichdtag auf den 25. November nach Komorn aus. Das Einberufungsichreiben wurde auf den 9. Oktober zurüdfdatiert 2), um es als früher erlaffen darzuftellen als die Ladung Zapolhas. Doch war in demſelben als Gegenſtand ber Beratung nicht die Königswahl ſondern nur das Wohl und die BVerteidigung des Reiches bes zeichnet, weil Ferdinand den Anfchauungen der Wiener Hofräte entiprechend nach der Wahl Zapolyas noch entichiebener als früher daran fejthalten zum mäffen glaubte, daß er ein Recht

1) Smolka, ©. 117 fi. Feßler— Klein III, 418 ff. Vol. Sanffen III, 13ff. (13. Aufl.).

2) Dies kann nah den Darlegungen Smoltas, S. 74ff., der das zuaft erfannt bat, keinem Zweifel unterliegen.

564 Verſprechungen Ferdinands von Ofterreid. auf den ungariihen Thron babe, und er daher den Ständen ein Wahlrecht nicht zueriennen wollte.

Der Reichdtag trat ührigens nicht in Komorn zujammen, Das unterdeſſen in Zapolyas Hände gefallen war, jonvern in Presburg und zwar erjt im Dezember.

Unterdeſſen wurde alle® gethan, um die Zahl der. Anhänger Serdinands zu vergrößern. Dieſer veriprach allen, bie durch den Beitritt zur Öfterreichifchen Partei Verlufte erleiden würden, Ipäteitens binnen zwei Jahren Erſatz derſelben und fagte ihnen auch zu, daß er fie bei ver Vergebung geiftlicher und weltlicher Ämter anderen vorziehen würde. Mehreren Herren, vor allen dem Balatin und dem Ban von Kroatien, Franz Batthyhaͤnhi, wurden auch bedeutende Geldzahlungen in Ausficht geftellt, teilweije freilich für die Verpflichtung, im Dienfte Ferdinands Zruppen zu unterhalten. Als weiterer Köder wurben die Be figungen der Anhänger Zapolyas Hingeftellt, die eingezogen werben follten. Im allgemeinen veriprach Ferdinand, alle Stände Ungarns bei ihren Freiheiten, Belegen und Einrich- tungen zu erhalten und zu fchügen, die Beitimmungen ber goldenen Bulle Andreas II. zu beobachten, Ausländer nicht in den ungarifchen Rat aufzunehmen und ihnen feine Amter oder firchlichen Würden zu verleiben. Auch gab er troß der Be tonung feines Rechtes auf Ungarn jest die Erklärung ab, daß er nur „mit Wiffen und Willen der Stände zum Könige an- genommen werben wolle“, wies aljo die Bornahme einer Wahl wenigſtens nicht unbedingt zurüd.

Deflenungeachtet wurde ber Reichstag nicht zahlreich be- ſucht, aus den entfernteren Landesteilen wohl auch deswegen nicht, weil biefelben in der Gewalt Zapolyas und jeiner Freunde waren und weil man fich dort durch offenes Auftreten zu- gunjten Ferdinands den größten Gefahren ausgejeßt hätte. Außer Baͤthory und Battbyanyt waren von hervorragenden Berfönlichkeiten nur die Biſchöfe Szalahazy von Velzprim und Drodarics von Syrmien, Ludwigs II. Kanzler, der Oberjt- ſchenk Alerius Thurzoͤ und ein paar andere Magnaten und und Pröpfte anwelend. Um eine größere Zahl von Adeligen

Der Reichstag in Presburg. 555

wenigſtens aus der Umgebung zuſammenzubringen, wurde die Eröffnung des Reichstags bis zum 16. Dezember verſchoben. Schon am. erften Tage ging man zur Verhandlung ber Thronfrage über. Alle Gründe, welche für Ferdinand und gegen Zapolya Tprachen, wurden mit großer Geſchicklichkeit her⸗ vorgehoben, wobei bie Rollen entfprechend verteilt worden waren. Der Palatin erflärte nach einer lebhaften Schilderung der traurigen Lage des Landes, daß, wenn je, Ungarn jeßt einen mächtigen Herricher brauche, der imftande wäre, bie ber- lorenen Örenzfeftungen wiederzugeiwinnen und einen neuen Angriff der Türken abzuwehren, daß e8 aber unter den benachbarten dürften feinen gebe, der die Macht dazu Hätte, als Ferdinand von Dfterreih. Das Haupt der öſterreichiſchen Geſandten, Chriftoph NRauber, Biſchof von Laibach, gab tm Namten feines Herren die Erklärung ab, daß diefer für das Wohl Ungarns, für Die Stoerftellung feiner Freiheiten, für die Heritellung feiner früheren Grenzen und für beffen Verteidigung gegen alle Feinde nicht bloß jeine Macht und feine Habe, jondern aud die Hilfe des Kaiſers, des Dentichen Reiches und aller Verwandten an- biete; er gab weiter den Ungarn zu bedenken, ob fie denn für fich allein kräftig genug wären, ven Türken zu widerſtehen, be- ſonders wenn fie fih auch noch ihre Nachbarn, die Böhmen und ganz Deutichland zu Feinden machten, und ob namentlich Zapolya dies zu leiften imftande wäre, der bisher fchon jo viel Unglüd über das Land gebracht babe; er betonte dann, Daß Verbinand, obwohl er vermöge der Verträge von 1463 und 1491 hätte ein Erbrecht geltend machen und mit den Waffen gegen den Uſurpator auftreten können, doch alle® nur von der Übereinftimmung, von der Wahl der Nation erwarte 1),

1) So nah Fraknéi in Mon. comitialia I, 49 (vgl. 51, R. 1) nach einer gleichzeitigen Aufzeichnung. Nah Smolka a. a. O., ©. 68, hätte der Gefandte Ferdinands Hecht viel fchärfer betont und erklärt, Ferdinand hege nicht den geringften Zweifel, daß bie Berfammlung ihn zum Könige anneßmen würde, er würde aber auch fonft famt feinem Bruder fein evidentes Recht nicht fallen Lafien können. Diefe Erklärung würde allerdings der Inſtruktion K. Ferdinands entfprechen. Aber es ift

556 Wahl Ferbinands in Ungarn und Kroatien.

und widerſprach endlich ven auögeftreuten Gerüchten, daß Ferdinand die Freiheiten des Landes verlegen. und die Amter Ausländern übertragen würde. Die Räte ber Königin Maria führten aus, wie oft in Ungarn jchon ein König infolge der Ver⸗ mählung mit einer Prinzeifin der früheren Dynajtie oder durch Derwandtichaft von weiblicher Seite auf den Thron gekommen jet, und warnte die Verfammlung, fich den Kaiſer und König von Böhmen zu Feinden. zu machen, da biefer fein und feiner Gemahlin ofjenbares Recht nicht fallen-Tafjen würde. Hierauf wurde nach den Auseinanverfegungen des geſetzeskundigen Palatinal-Protonar Franz Revay der Reichstag in Stuhl weifjenburg mit allen feinen Beichlüffen für ungejeglich er- Hört, vor allem deswegen, weil er nicht vom Palatin, der allein bazu berechtigt gewejen wäre, ausgefchrieben worden jei, und alle Anhänger Zapolyas aufgefordet, ihn binnen vierzig Tagen zu verlafien. Am 17. Dezember wurde dann derdinand ein⸗ ſtimmig zum Könige gewählt.

Wie die Ungarn ſelbſt bei der Wahl des adnigs nicht einig waren, ſo gingen auch die Nebenländer verſchiedene Wege.

Am. günitigften war für Serbinand die Stimmung in Kroatien, deſſen Feſtungen ſchon jeit mehreren Jahren. durch dijterreichiiche Truppen unter Dans Katzianer und ‚Nikolaus Juriſich bejegt und gegen bie Türken gejchügt wurben.. Ver⸗ treter diejed Landes: waren jchon auf dem Neichätage in Pres⸗ burg anwejend. Am 1. Januar 1527 wurde dann auch auf einem eigenen Landtage in Ezettin, an dem ber. Bilchof- von Knin, Grafen von Corbavien, Zrinyi, Frangepan und Blagah und viele andere Magnaten und Adelige teilnahmen, Ferdinand mit feiner Gemahlin auf Grund der früheren Verträge und der Wahl zum ungarijchen Könige „als wahrer, legitimer und

bie frage, ob nicht die Geſandten mit Nüdfiht auf die Anfchauungen der Ungarn eine mildere Form gewählt Haben. Ein Auszng ber Reben findet fih auch In einer für den engliihen Gefanbten verfaßten Denkſchrift über bie Rechte K. Ferdinands in Mon. Hung. Dipl. V, 98sqg.

Anertennung Zapolyas in Slavonien. 557

natürlicher König und Herr des Reiches Kroatien gewählt, anerfannt und angenontmen” und ausdrücklich auch das Erb⸗ recht ſeiner Nachkommen betont.

Im benachbarten Slavonien dagegen, worunter Man da⸗ mals die Komitate Agram, Kreuz und Warasdin verſtand, herrſchte von Anfang an eine große Antipathie gegen die Deutſchen. Lieber als dieſen unterthan ſein, würde man ſich ben Türken ergeben, erklärten dort Adel und Bolt’).

Chriſtoph Frangepane, Graf von Zengg, Veglia und Modrus, welcher ſich nach der Schlacht bei Mohaͤes energiſch der Ver⸗ teidigung des Landes gegen bie Türken annahm und dafür von den Abeligen” Slavoniens unb einiger benachbarter Komitate Ungarns zum Beichüger und Negenten ausgerufen ward, nahın wenigſtens eine abwartende Stellimg ein. Anfangs November begab er ſich aber zur Königin Maria nach Presburg, wohin ihm fein Freund Simon Erdödy, Bifchof von Agram, bereits borausgegangen war. Doch verlangte er für fich die Stelle eines oberften Befehlshabers, für Erdödy das Erzbistum Gran. ALS Ferdinand zögerte, auf feine Forderungen einzugehen, reiſte ber ehrgeizige Magnat gleich nach Stuhlweiffenburg zu Zapolya, ber ihm die gewünſchte Stelle und Die Würbe eines Bans von Kroatien "und Slavonien ,‚ wie feinem gleich unzuverläffigen Freunde Erdödy das reiche Bistum Erlau verlieh, nachdem er über Gran bereits verfügt hatte. Frangepan fette e8 dann auf einem Landtage in Dombro am 8. Januar 1527 durch, daß die Stände Slavoniens fich mit dem Beichluffe des ungari- ſchen Neichstage® vom Jahre 1505 wegen der Ausſchließung der Ausländer einverftanden erflärten und Johann Zapolya zum Könige wählten. Doch mußte Frangepan fich eiblich verpflichten, auf bie Herftellung des Friedens zwifchen ben beiben Gegen- königen hinzuwirken.

Ferdinands Lage war übrigens anfangs eine ſehr ungünſtige. Denn von Ungarn beſaß er nichts als einen kleinen Streifen

1) Nach Schreiben Chriſtoph Frangepans an Dandolo in Mon. comit. Hung. I, 75, N. 1.

658 Lage Ferbinands und Zapolyas.

an der Weſtgrenze mit den Stäbten Presburg, Altenburg und Dedenburg; ja felbft der Burg von Presburg war er nicht einmal Herr, da ihr Kommandant, der alte, auf den Tod kranke Johann Bornemilza, ihn zwar als König anerkannte, aber feine deutſchen Truppen in diefelbe aufnahm. Seine ungariichen Anhänger waren teilweile von ihren Gütern aus- geichloffen und ihrer Einkünfte beraubt, jo daß fie in Presburg mit ihren Dienern empfindlichen Mangel litten, da er ihnen die verfprochenen Geldſummen teils nicht zahlen konnte, -teil® nicht zahlen wollte, weil er das Geld lieber für die Ausrüftung eine Heeres verwendete. Er ſelbſt war fern von Ungarn, da er fih in Böhmen und feinen Nebenländern krönen und huldigen hieß. Die Stimmung feiner Anhänger war baber eine jehr bedenkliche. Mehrere wie der Kanzler Brodarics, Bilchof von Syrmien, und ber Prior von Vrana, Johann Tahyh, Ipäter felbft der Ban Batthyaͤnyi traten zu feinen Gegnern über !).

Um fo günjtiger fchien Die Stellung Zapolyas. Ein Reiche tag, den er auf den 17. März 1527 nach Dfen berief, war von den meilten Bilchöfen, zahlreichen Magnaten und ben Ab- geordneten faft aller Komitate und Städte befugt. Er jtellte wirklich eine Vertretung des ganzen Landes dar. Auch bie Stimmung bätte ſich Zapolya nicht befier wünjchen tönnen. Der zehnte Zeil der beweglichen Habe aller Einwohner, Jauch ber Prälaten und Magnaten, wurde ihm bewilligt. - Zugleich wurde er aufgefordert, die Güter derjenigen, welche Ferdinand zum Könige von Ungarn ausgerufen hätten, wegzunehmen un feinen Getreuen zu übertragen. Ein rafcher und Träftiger An- griff, zu dem Frangepan jchon lange geraten hatte, würde bie wenigen offenen Anhänger Ferdinands bald zur Unterwerfung oder zur Flucht aus dem Lande gezwungen haben.

1) Über die Lage in ben nächſten Monaten nad der Wahl Ferdinands handelt eingehend Smolfta, ©. 77ff. Vgl. aud die aus dem Frühjahr 1527 ſtammende Dentichrift für ben König von Frankreich zugunſten Zapolyas in Mon. Hung. Dipl. V, 14dsqg.

Zapolyas Unthätigkeit, Rüſtungen Ferbinanbs. 559

Aber ſchon jegt zeigte es fich, daß Zapolya feiner Aufgabe in feiner Weife gewachſen ſei. Sen Mangel an Energie und Harer Einficht in die Verbältniffe ließ bald auch die Zuneigung feiner eigenen Anhänger gegen ihn erfalten. Statt raſch wenig. jtend einige Truppen zu fammeln, bis er die Mittel zur Auf- jtellung einer größeren Macht erhielt, und mit biefen über feine Gegner herzufallen, ging er den König Sigismund von Polen, feinen Schwager, um feine Bermittelung zur Herbeiführung eines Ausgleichs mit bem Könige Ferdinand an und ließ fich am 14. April zu einer vom polnifchen Kanzler mit dieſem vereinbarten Waffenrube bis zur Mitte bes Juni herbei, die ihm, folange fein Nivale noch nicht zum Kampfe bereit war, Verbinand und defien Anhängern gegenüber die Hände band !). Die Unterhandlungen, die unter polntfcher Vermittelung in der eriten Hälfte des Juni in Olmütz geführt wurden, blieben jelbit- verftänblich erfolglos, da fich Ferbinand zu benjelben überhaupt ‚nur berbeigelaffen hatte, um Zeit zu feinen Rüftungen zu ger winnen.

Eine Summe von 100000 Dukaten in Wechſeln, die er im März von ſeinem Bruder erhielt, Subſidien, welche ihm die böhmiſchen Stände und die Landtage einzelner Erblande be- willigten, Darlehen, die man von den Fuggern und Anderen wie von der Stadt Breslau erhielt ?), ermöglichten bie Auf- ftellung eines Heeres, das zwar nicht zahlreich, aber tüchtig und gut ausgerüftet war. Auch bie Herzoge Georg von Sachen und Erich von Braunfchweig hatten ihm Hilfstruppen gefchiet. Die ganze Heeredmacht. betrug 8000 Fußgänger und über 3000 außerlefene Reiter ), Den Oberbefehl hatte Ferbinand

1) Smolta, &. 131ff.

2) Die Aufzäglung der Summen bei Oberleitner, Öfterreichs Finanzen und Kriegsweſen unter Ferdinand I. im „Archiv für öfter. Geſchq.“ XXI, 33. Bgl. böhmiſche Landtagsverhandlungen I, 237, und bezüglich der Steiermart Krones, Vorarbeiten, in „Beitr. 3. K. fleierm. Geſchq.“ IV, 11f.

3) Nach Angabe des Ursinus Velius, De bello Pannonico, ed. Kollar, p. 6, der ſelbſt im Dienfte Ferdinands ben Feldzug mitgemacht

560 Ferdinands Vormarſch bis Ofen.

fhon im Mai dem Markgrafen Kafimir von Brandenburg übertragen. Unter ihm Tommanbdierten der Graf Niklas Salm d. ä., Hand Kaktaner, der oberjte Feldzeugmeifter Leiſſer und andere in den Sriegen bes Kaiſers Maximilian erprobte Heerführer. Am 30. Juli ging Ferdinand felbft ins Lager bei Theben und Presburg ab; am 31. wurde er vom Palatin und feinen anderen Anhängern an ber Spite von 400 Reitern an ber Grenze Ungarns empfangen und leiftete ben verlangten Eid auf die Gejege und Freiheiten des ungarifchen Reiches, namentlich die goldene Bulle Andreas II.

Zapolya traf dieſer Angriff volllommen unvorbereitet. Er hatte nicht einmal ſo viele Truppen zur Verfügung, um den Marſch ſeines Gegners irgendwie zu beunruhigen, geſchweige denn aufzhalten. Auch alle Feſtungen an der Donau, Raab, Totis, Komorn, Gran, Viſſegraͤd ergaben ſich dem Könige Ferdinand. Nur Komorn und die Burg von Gran hatten überhaupt eine Verteidigung verſucht, ohne daß ihre Mauern - den glühenden Kugeln der gut bedienten Geſchütze lange zu wiberfteben vermochten. Auch mehrere der bisherigen An⸗ bänger Zapolyas, darunter auch Batthyaͤnyi, fanden fich in feinem Lager ein. Schon am 23. Auguft !) hielt Ferdinand in Ofen feinen Einzug, nachdem Sapolye dasſelbe verlafien hatte.

und benjelben, vielfach als Augenzeuge, befchrieben Hat. Mit feiner Er- zählung ift die liberfichtliche Darftellung zu vergleichen, welche 8. Ferdinand in einem Briefe an den König von England vom 22. Auguſt in Mon. Hung. Dipl. V, 166sgg. giebt.

1) Sein Einberufungsfchreiben zum Reichſtage in Mon. comit. I, 148 ift zwar aus Ofen vom 20. Auguft datiert, und biefer Tag wirb all- gemein als ver feines Einzugs in Ofen angenommen. Aber fein in voriger Note ermähnter Brief an den König von England vom 22. Aug. it noch in castris nostris ad civitatem nostram regiam Budensem in- fra Pest positis gefchrieben und auch Urs. Velius, p. 19, fagt: pri- die calendas Septembres, cum iam decimum diem rex Ferdinandus ante Budam in castris mansisset“, was auf den 22. Auguft ald Tag der Ankunft hinweiſt. Der Einzug fand nad demſelben (p. 15) am folgenden Morgen ſtatt.

Niederlage Zapolyas bei Tokaj. 561

Die Verfolgung desſelben wurde wegen der ſchweren Er⸗ krankung des Markgrafen Kaſimir dem Grafen Niklas Salm übertragen und zu dieſem Zwecke 3000 4000 Fußgänger ), 1000 ſchwere deutſche und 1300 leichte Reiter mit 19 Ge- Ihügen unter fein Kommando gejtellt, 700 Weiter ſpäter ihm nachgeſchickt. Zapolya zog fich vor ihm bis Tokaj zurüd, be- ſchloß aber bier am 27. September vor Anbruch des Tages mit einem Zeile feiner Truppen einen Überfall feines Lagers, den er mit feiner ganzen Macht zu unterjtügen veriprach.

Da der Angriff indeffen Salm nicht unvorbereitet traf und die Ungarn große Verlufte erlitten, jo trat Zapolya den Nüdweg über die Theiß an, der für feine Scharen um fo verbängnisvoller ward, als er die Brüde, um fich vor ben verfolgenven Feinden zu jchügen, zu früh abbrechen ließ. Nicht weniger al8 2000 Mann, ein Sechstel feines Heeres, und feine Artillerie batte er bier eingebüßt. Er begab fich nun mit den Trümmern feines Heeres über Großwarbein nach Siebenbürgen, um bier neue Kräfte zu ſammeln. Aber auch ‚bier war. feine Stellung unterwühlt infolge der Bemühungen ded Hermann ſtädters Georg Neicherstorffer, Sekretärs des Königs Ferdinand, der bereit Kronſtadt auf feine Seite gebracht Hatte und mit bem bort gejammeltern Heere bald auch in Hermannſtadt Auf- nahme fand ?). Die Sache Zapolyas jtand um jo verzweifelter, als am nämlihen Tage, an dem er die Nieberlage bei Tokaj erlitt, - fein thätigfter und tüchtigfter Anhänger Chriſtoph Trangepan bei der Belagerung von Waraſsdin tödlich ver- wundet wurde und dann deſſen Truppen auseinander liefen ?).

Alle diefe Erfolge Ferbinands konnten auf die Stimmung der Ungarn nicht ohne Eindruck bleiben. Auf dem Neichstage,

1) 3000 giebt Urs. Velius, p.21; 4000 8. Ferdinand in Schreiben an feine Tante Margareta, worin er Über den Sieg Salms eingehende Nachriägten giebt, in Mon. Hung. Dipl. I, 67sgg.

2) Sein Bericht mitgeteilt von I. K. Schuller im „Ardiv für K. öſterr. Geſchq.“ XXI, 233 fi. |

3) Joh. Zermegh ap. Schwandtner II, 388sqg., ber ſelbſt in Frangepans Heer war. Bgl. Urs. Velius l. c., p. 25.

Huber, Geſchichte Öfterreihs. IL. 36

562 Allgemeine Anertennung und Krönung Ferbinande.

ben er zum 29. September nad Dfen ausgejchrieben batte, erfchienen auch mehrere der berporragenditen Anhänger Zapolyag, einige Sage [päter, vielleicht bewogen durch den Ausgang Des Treffens bei Zofaj, auch der Graner Erzbifchof Vaͤrday und ber fiebenbürgifche Woywode Peter Perenyi.

Nachdem Ferdinand am 6. Oktober in der Berfammlung der Magnaten, am 7. vor den Vertretern des Adels und der Städte feine Rechte auseinandergeſetzt hatte, wurde er allgemein als König anerkannt. Am 3. November wurde er in Stubl- weifjenburg, und zwar, da Vaͤrday vom Papſte ald Erzbifchof von Gran noch nicht bejtätigt war, wie früher Zapolya, durch den Bifchof von Neitra feierlich gefrint. In diefer Beziehung war gerade ber Übertritt Perenyis von großer Wichtigkeit ge- weien, weil er als Kronhüter die Reichsinſignien in feinen Händen hatte, jo daß e8 nur dadurch möglich warb, die von den Ungarn fo bochverebrte Krone des Heiligen Stephan auf das Haupt Ferdinands zu ſetzen. Perenyi wurde daher auch in der Würde eined Woywoden von Siebenbürgen betätigt, während die Krone jetzt der Hut bed verläßlichen Palatine Baͤthory anvertraut ward. Bon den übrigen Anhängern Ferdinands wurde Thomas Szalahazy zum Reichölanzler und Biſchof von Erlau, Alexius Thurzoͤ zum Oberftlandesrichter ernannt und fie wie andere mit Gütern bejchenft ). ‘Dagegen wurden Zapolya und Verböczy für Feinde des Vaterlandes er- Härt und feine übrigen Anhänger, namentlich der Bilchof Erdödy von Agram, zwei Banffy, der Prior Johann Tahy und Franz Homonnay, wie die Obergefpäne ebenfalld mit der Strafe des Hochverrats bedroht, wenn fie nicht binnen drei Wochen vor dem Könige erjcheinen würten. Auch die Stände von Slavonien leijteten jest tem Könige Ferdinand die Hulbigung und ebenfo erfannten die drei Nationen Siebenbürgens, die Ungarn, Szekler und Sacfen auf einer Verfammlung in Moarosvafarbely den von Terbinand gejendeten Kaſpar Horoath als Statthalter an ?).

1) gl. Katona XX, 203sqg.

2) Fraknöi in Mon. comit. I, 161. 168.

Ausblick in die Zukunft. 563

Was Friedrich III. und Marimilian I. mit fo großer Aus- dauer angejtrebt hatten, die Erwerbang Böhmens und Ungarns für das Haus Habsburg, war endlich erreicht. Ob aber bie Bereinigung diefer Reiche mit OÖfterreich eine bleibende fein’ würde, vermochte damals fein Menſch vorauszufehen. Darüber durfte man fich jedenfalls Feiner Täufchung Hingeben, daß noch große Schwierigkeiten zu überwinden fein würden. ‘Denn nicht die Überzeugung, daß die Verbindung biefer drei Ländergruppen allen zum Vorteile gereichen würbe, hatte diejelbe berbeigeführt, jondern das Interefje einflußreicher Perſönlichkeiten, perlönliche Sympathieen und Antipathieen die Wahl des Erzherzogs Verdinand zum Könige von Böhmen und Ungarn bemirft. Daß die Gründung einer kräftigen Monarchie an der mittleren Donau angefichtS der von den Türken drohenden Gefahren geradezu eine Lebensfrage für Mitteleuropa jei, ſahen gewiß nur wenige von den maßgebenden Perjönlichkeiten ein. Wie die böhmischen Stände darüber dachten, zeigt ihr Beſchluß, ihrem ermwählten Könige vorftellen zu laſſen, daß fie es für nütlicher hielten, wenn er nicht König von Ungarn wäre, weil der Schub dieſes Reiches gegen die Türken ungebeuere Kojten verurfachen - und jeine häufige Gegenwart daſelbſt notwendig machen würde !). In Ungarn war der Haß gegen die Deutjchen in weiten Kreifen lebendig, und nur zu viele dachten im Innern wie die Bewohner Slavontens, daß fie lieber ven Türken als jenen untertban jein möchten. Es beburfte daher jedenfalls noch großer Anftrengungen und umfichtigen Vorgehen, wenn es gelingen follte, Zapolya ganz aus Ungarn zu verdrängen, das Reich gegen die Türken zu fehügen und das Mißtrauen gegen das Haus Habsburg, mit dem man die Herrichaft der Deutjchen identifizierte, zu überwinden.

1) Die böhmifchen Landtagsverbandlungen und Lanbtagsbefchlüffe 1,37.

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Drud von Friedr. Andr. Perthes in Gotha.

UNIVERSITY OF MICHIGAN.

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