Google

This ıs a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before ıt was carefully scanned by Google as part of a project to make the world’s books discoverable online.

It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover.

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the publisher to a library and finally to you.

Usage guidelines

Google ıs proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.

We also ask that you:

+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for personal, non-commercial purposes.

+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text ıs helpful, please contact us. We encourage the use of public domain materials for these purposes and may be able to help.

+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users ın other countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.

About Google Book Search

Google’s mission is to organıze the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web

auhttp://b060kSs, 00088le Son

h Le;

* Be

_GSovethe’s’ .

Vollftändige Ausgabe letzter Hand.

Einunddreygigfter Band.

Unter des durchlauchtigften Heutfchen Bundes ſchuͤtzenden Privilegien. _

Stuttgart und Tübingen, in der 9. ©. Eotta’fhen Buchhandlung. 183530 -

ne 2

Oo UN lag“ z 2 3106 1962

OF OXFORD

3*

In halnrt.

Tag⸗ und Jahres-Hefte als Ergänzung meiner ſonſti⸗ gen Bekenntniſſe, von 1749 bis 1806.

⸗—

Tag- und Sabres:- Hefte | as Ä Ergänzung | meiner. |

fonftigen Bekenntniſſe.

| Soergerb Werte, XXXI. Bd - 4.-

Bon 1749 918 1764.

‚Bet:izeitig. erwachendem Talente, ch vorhan⸗ denen poetiſchen und proſabſchen Moſtern, mancher⸗ lei Eindruͤcke Lindlich bearbeitet, meiftens nachah⸗ mend, wie es gerade jedes Mufter andensete. Die Einbildungskraft wird mit heiteren Bilbern be⸗ ſchaͤftigt, die ſich ſelbſtgefaͤllig an Perſoͤnlichkeit und die. naͤchſten Zuſtaͤnde anſchloſſen. Der Geiſt nd- herte ſich der wirklichen, wahrhaften Natur, durch Gelegenheits⸗Gedichte; daher entfiand, ein gewiſſer Begriff von menſchlichen Verhaͤltniſſen mit indivi⸗ adueller Mamnichfaltigkeit: denn beſondere Faͤlle wa⸗ zren au betrachten und, an behandeln. Vielſchreiberey iu mehreren Sprachen, durch fruͤhzeitiges Dictiren ‚Hein |

+

„Bon 1764 bis 1769.

‚Aufenthalt in⸗Leipzig. Bedaͤrfniß einer. be⸗ ſchraͤukten Ferm zu doſſerer Beurtheilung dercige⸗ ‚nen Productionen wird: gefuͤhlt; die Griechiſcha Fran⸗ zoͤſiſche, beſonders der Dramen, als anerkaunt, ia geſetzlich, wird aufgenommen. Eruſtere, unſchul⸗ dige aber / fchmorzliche Jugendempfindungen draͤngen

4

Mich auf, werden betrachtet und ausgefprochen, in⸗ deffen der Jüngling mancherlei Verbrechen Innerhalb des übertünchten Zuſtandes der bürgerlichen Gefell- (haft gewahret. Won Arbeiten erfterer Art ift bie Laune bes Verliebten und einige Xleder, von ' der zwepten die Mitfchuldigen übrig geblieben, Senen man bei näherer Betrachtung ein fleißiges Stubtum der Molterifhen Welt nicht abſprechen wird; daher aber auch das Fremdartige ber Sitten, wodurch das Stüd lange Zeit vom Theater ausge⸗ Schloffen blieb. ae

Bon 17/69 dis 1777. Fernere Einſicht ins Leben.

Ereigniß, Leidenſchaft, Genuß und Pein. Man fuͤhtt die Nothwendigkeit einer frelern Form und ſchlaͤgt ſich auf die Engliſche Seite. So entſtehen Werther, Goͤtz von Berlichingen, Egmont. Bel einfacheren Gegenſtaͤnden wendet man ſich wie⸗ der zur beſchraͤnkteren Welfe: Clavigo, Stella, Erwin und Elmire, Claudine von Villa Bella, beide letztere proſaiſcher Verfuch mit Ge⸗ fängen durchwebt. Hleher gehören die Lieder an Belinden und Lili, deren mande, fo wie ver ſchiedene Gelegenheitsftäde, Epifteln und fonftige . gefelige Scherze verloren gegangen.

gInzwiſchen geſchehen kuͤhnere Griffe In die tie

gere Menfchheit; es entfteht ein leidenſchaftlicher

5

Widerwille gegen mißleltende, befchränkte Theorien; man widerfent fih dem Anpreifen falfher Mufter.

Alles diefes und was daraus folgt, war tiefund wahr -

empfunden, oft aber einfeitig und ungerecht, ausge⸗ ſprochen. Nachſtehende Productionen: Fauft, die Punppenfpiele, Prolog zu Barth find indie:

em Sinne zu beurtheilen; fie} liegen jedermarn

vor. Augen. Dagegen waren bie Fragmente des:

ewigen Inden und Hauswurſt's Hochzeit nicht mitzutheilen. Lezteres erſchien darum heiter

genug, weil die fämmtlichen Deutfchen Schimpfna- men in ihren Charakteren perfönlich auftraten. Meh⸗ teres dieſer frechen Art iſt verloren gegangen; Goͤt⸗ ter, Heiden und Wieland erhalten. .

Die Recenfionen in den. Frankfurter. gelehrten |

Anzeigen von 1772 und 1773 geben einen vollſtaͤndigen Begriff von dem damaligen Buftand unferer Sefell- (haft und Perfönlichtelt, Ein unbedingtes Beſtre— ben, ale Begränzungen zu durchbrechen, iſt bemerkbar.

Die erfte Schwelzerretfe eröffnete mir mannich⸗ faltigen Blick in die Welt; der Beſuch In Weimar umſchlang mich mit ichönen Derhältniffen, und

drängte mich unverfehens auf einen neuen gluͤckli⸗

ben Lebensgang.

8181780 An allen vorgemeldeten, nach Weimar mitgebrach-

tn, unvollendeten Arbeiten konnte man nicht fort⸗

&

ĩ

6

fahren; denn da: der Dichter vurch -Antteigatken die:

Melt: vorweg nim :r, ſo iſt ihm bie anf ihn los⸗ dringende, wiehihe Welt unbequem und ftöyenb; fie:

wii tfangebenwas er ſchon bat, aber anders; daon

er ſich zum zweytenmale zueignen muß

Bei Gelegenheit eines Liebhaber⸗ Theaters mb: 2

fefiiiher: Tage wurden gedichtet und: aufgeführt: Lite, die Geſchwiſter, Tphigenta,: Pros. ferpiwa, letztere frevontlich in den Teiump:

der Empftudſamkeit eimgefchaltet und: ihre -

Wirkung vernichtet; wie Dem: überhaupt eine fchale- Senttmensaltbit uͤberhandnehmend manche harte rea⸗

liſtiſche Gegewwirkung: veranlaßte. Viele kleine Ernſt-, Schewze und Spottgedichte, bei groͤßeren

und kleineren Feſten, mit unmittelbaven Beyug: auf Porſoͤnlichleiten und: das: naͤchſte Werhaͤltniß,/ wur: den von: mir und andern, oft gemelnſchaftlich her⸗ vorgebracht. Das meiſte ging verloren; ein Cheil, z. B: Hand Sachs, Iftieingefhaltet oder: ſonſt verwendet: Die Anfänge bes Wilhelm Dretfter wird man in dieſer Epoche auch ſchon. gewahrt, oe:

gleich nur kotyle donenartig: die fernere Eutiigelung:

und: Bildung zieht ſich durch viele Sabre.

Dagegen wurde manche Zeit und bbe auf den

Vorſatz: das Leben Herzog Bernhards zu

ſchreiben, vergebens aufgewendet. Nach vielfachem

Sammeln und mehemaligem Schematiſiren warb zuletz nur allzullar/ daß hie Ereigniſſe bed Helden

kein Bild machen. uber jaumervallen Iliade des

———⏑

rn ee N

g:

dreyßigjaͤhrigen Krieges ſpielt er eine wuͤrdige Rolle, lißt ſich aber von jener Geſellſchaft nicht abſondern. Üinen Ausweg glaubte ich jedoch gefunden zu haben: id wallte das Leben fhreiben wie einen erſten Band, der einen zweyten nothwendig macht, auf den auch ſchon vorbereitend gedeutet wird; überall follten Verzahnungen ftehen bleiben, bamit jederman be- daure, daß ein frühzeltiger Tod den Baumelfter verhindert habe fein Werk zu vollenden. Für mich war. dieſe Bemuͤhung nicht unfruchtbar; denn wie das Stablum zu Berlichingen und Egmont mir tie- fere Einficht in das funfzehnte und fechzehnte Jahr⸗ hundert gewährte, fo mußte mir dießmal die Ver⸗ wortenheit des fiebzehnten fih, mehr ale fonft vielleicht gefchehen wäre, entwideln.

. Ende. 1779 fällt die zweyte Schwelzerreffe. Auf: merlſamkeit auf aͤußere Segenftände, Anordnung und Leitung unferer gefelligen Srrfahrt ließen wenig. Woductivitaͤt aufkommen. Uebrig geblieben iſt da⸗ von als. Denkmal: die Wanderung von Genf auf den Gotthard.

Die. Ruͤcxeiſe, da wir wieder in bie flaͤchere Schweiz gelangten, ließ mich Jery und Baͤtely erinnen; ich ſchrieb dag Gedicht fogleich und konnte es völlig fertig. mit nach, Deutfchland nehmen. Die Gebirgsluft die darinnen weht, empfinde ich noch, Senn mir die Seftalten auf Bühnenbretern zwifchen tluwanbund Pappanfelſen entgegen teten. .

8 Bi18 1786.

Die Anfänge Wilhelm Meifters hatten lange gerubt. Ste entiprangen aus einem dunkeln Vorgefuͤhl der großen Wahrheit: daß der Menſch oft etwas verfuchen möchte, wozu Ihm Anlage vom’ der Natur verfagt ift, unternehmen und ausüben möchte, wozu ihm Fertigkeit nicht werden fannz ein inneres Gefühl warnt ihn abzuftehen, er kann aber mit fih nicht Ind Klare kommen, und wird auf falfhem Wege zu falfhem Zwecke getrieben, ohne daß er weiß wie es zugeht. Hlezu kann alles gerech- net werden, was man falfhe Tendenz, Dilettan⸗ tismus u. f. w. genannt bat. Geht ihm hierüber von Zeit zu Zeit ein halbes Licht auf, fo entſteht ein Gefühl das an Verzweiflung granzt, und doch läßt er fich wieder gelegentlich von der Welle, nur halb widerftrebend, fortreißen. Gar viele vergeu- den hiedurch den fchönften Thell Ihres Lebens, und verfallen zuledt in wunderfamen Trübfinn. Und doch ift es möglich, daß alle die falfhen Schritte zu el- nem unfchäßbaren Guten hinführen: eine Ahnung die fih Im Wilhelm Meifter immer mehr entfaltet, aufflärt und beftätigt, ia fih zulent mit Haren Wor⸗ ten ausſpricht: „Du kommſt mir vor wie Saul, der Sohn Kis, der ausging feines Waters Efelinnen zu ſuchen, und ein Koͤnigreich fand.“

Wer die kleine Oper: Scherz, eift und Rache, mit Nachdenken leſen mag, wird finden, daß dazu

* 9

mehr Aufwand als billig gemacht worden. Sie be⸗ ſchaͤftigte mich lange Zeit; ein dunkler Begriff des Intermezzo verfuͤhrte mich, und zugleich die Luſt mit Sparſamkeit und Kargheit in einem engen Kreiſe viel zu wirken. Dadurch haͤuften ſich aber die Muſikſtuͤke dergeſtalt, daß drey Perſonen ſie nicht zu leiſten vermoͤgen. Sodann hat der freche Betrug, wodurch ein geiziger Pedant myſtlficirt wird, fuͤr einen rechtlichen Deutſchen keinen Reiz, wenn Itallaͤner und Franzoſen fi daran wohl er⸗ goͤtzen moͤchten; bei uns aber kann die Kunſt den Mangel des Gemuͤths nicht leicht entſchuldigen. Noch einen Grundfehler hat das Singſpiel, daß drey Perſonen gleichſam eingeſperrt, ohne die Moͤglich⸗ teit eines Chors, dem Componiſten ſeine Kunft zu entwideln und den Zuhoͤrer zu ergößen, nicht genug- fame Gelegenheit geben, Deflenungeachtet hatte mir mein Landsmanu Katfer, in Zuͤrich fih aufhaltend, durch ſeine Compoſition manchen Genuß verſchafft, viel zu denken gegeben und ein gutes Jugendver⸗ baitniß, welches ſich nachher in Nom erneuerte, im⸗ merfort lebendig erhalten.

Die Voͤgel und andere, verloren gegangene, Feſtſpiele fuͤr Ettersburg mögen hier noch genannt werden. Die zwey Acte von Elpenor wurden 1783 gefhrieben. Zu Ende biefer Epoche reifte der Entſchluß, meine fämmtlihen Arbeiten bei Göfhen _ herauszugeben. Die Rebaction der vier erften Bände war Michael 1786 vollendet.

109:

1787 544 17885: Die vier lebten Bände ſollten ſodann nur mei- ſteus angelegte und unvollendete Arbeiten enthalten;

auf Herders Anregung jedoch wird deren fernere-

Besrbeitung unternommen. Bon Ausführung bes

Einzelnen findet fih viel in den zwey Bänden der

Itallaͤniſchen Reiſe. Iphigente warb abgeſchloſſen noch vor der Sticiltaniſchen Fahrt. Als ich; bei mei⸗

ner Ruͤckkehr nach tom, Egmont bearbeitete, fiel mir

auf in den Zeitungen leſen zu muͤſſen, daß in Bruͤf⸗ fet die Stenen, die ich geſchildert, ſich faſt woͤrt⸗ lich ernenerten, fo daß auch bier die poetiſche Antich- pativn wieder In Betracht kam. In die eigentliche

Staltäntfche Operuform und ihre Vortheile hatte Ich

mich, bei meinem Aufenthalte in dem muſikaliſchen Lande, rechteingebacht und einggäbt; deßhalb unter- nahm Ich mit Vergnügen, Elaudine von Billa bella metriſch zu bearbeiten, ingleichen Erwin und Elmire, und fie dem Componiſten zu freubt-

ger Behandlung entgegen zu führen. Nach ber Ruͤck⸗

kehr aus Italien Im Fahr 1788 wurde Taffo erft ab⸗ geſchloſſen, aber die Ausgabe bei Göfchen dem Pu⸗ blitum vollſtaͤndig überliefert:

178%

Kaum war ich in das :Wrimarifche Lehen amd: bie:

dortigen Verhaͤltniffe, bezaͤglich auf: ekhäfte, Stu

\ |

11-

Bas und litetariſche: Aubeſten/ wieder eincerichtat. a ſich die Franzoſiſche Revolutton entmigelte und. Hp: Aufmerkſamleit aller Welt auf ſich zo. Schon im Jahr 4785 hatte: bie: Halsbandgeſchichte einen unaus ſycechtichen Eindruck auf mich gemacht, Im: dem meſtttlichen Stobt:, Hof⸗ und: Staats⸗Ab⸗ grande, der ſich hber eröffnete, erſchlenen mir die stenlichiten Folgen geſpenſterhaft, deren Erſchetnung ich geraume Zeit nicht los werden konnte; wobel ich mich ſa feltfem benahm, daß Freunde, unter denen ich mich eben auf dem Lande aufhielt, als bie erſte Nachricht hievon zu uus gelangte, mie nur ſpaͤt, als dle Renolntion laͤngſt aussehtecken war, geſtanden, daß ich ihnen damals wie wahnſinnig vorgelomman ſeye Ich werfolgte ben Proceß mit großer Aufmork⸗ fomiet, bamuͤhte mich in Sickkken um Nachrichtem. von Caglloſtro und ſeiser Familie, und varmandelte zuletze, nach gemohnter Weiſe, um alle Betggchtau⸗ gen lech zu werden, das ganze Ereigniß unter dem Tel: ber Großs Cophtan, inſeine Dyar, mini den Beggufindinieleictuheffer als zu. einem Schqus ſpleie: getaugt: hätte: .Sanellmaiiter Reichandt griff fgleih-eim,: eomppnitte mehreren Einzelna, als Mn Vaß⸗Aelat Aſſet Gelehrte ſich zanken ui: echten: x- Geh, gehntde. meinen Qinten 10, Diefe reine Dypunfor, welche vlelleicht Die ade: Üggeneierdrametiihen biekbs, . war main. fa.elans: „Mk gelaufig semonden, das ·ich manchen Bnsenfinnd.

42

darin behamdelte. Ein Singſpiel? die unglet-' hen Hausgenoſſen, war fhon ziemlich weit geblieben, Sieben handeinde Perfonen, bie aus Fa⸗ milienverhaͤltniß, Wahl, Zufall, Gewohnheit auf Einem Schloß zufammen verweilten, ober von Zeit zu Zeit ſich dafelbft verfammelten, waren dephalb. dem Ganzer vortheihaft, weit fie die verſchiedenſten Charaktere biideten, in Wollen und Können, hm und Laſſen völlig einander entgegen fanden, entge⸗ gen wirkten und boch einander nicht los werben konn⸗ ren. Arien, Lieder, mebritimmige Partien dar- aus vertheilte ich nachher.-in meine lyriſchen Semm⸗ ungen und machte dadurch jede Wiederaufnahme der ' Arbeit ganz unmöglich. ; Stel nach meiner Ruͤckkunft aus Statien machte - mir eine andere Arbeit viel Vergnaͤgen. Seit Ster⸗ ne's unnachahmliche fentimentale Neife den Ton ge- geben und Nachahmer gewedt ‚Eiwaren Reiſebeſchrei⸗ bungen faft durchgängig den Gefühlen und Anfichten bes Reiſenden gewidmet, Ich dagegen hatte die Marime ergriffen, mid ſovlel ald möglich zu ver: Idugnen und das Dbiect fo rein als nur zu thım wäre in mich aufzunehmen. Diefen Grundſatz be- folgte ich getreulih, als ich ben Nömifchen Carne⸗ val beimohnte. Ausführlich ward ein Schema aller Vorkommenheiten aufgefest, auch fertigten gefällige Künftler charakteriſtiſche Maskenzeichnungen. Auf diefe Vorarbeiten gründete ih meine Darftellung des Roͤmiſchen Carnevals, welche, gut auf-

13

genommen, geiſtreiche Menſchen veranlaßte, anf ihren Reiſen gleichfalls das Eigenthuͤmlichſte der Voͤlkerſchaften und Verbältniffe Mar und rein aus⸗ zudruͤcken; wovon ich nur den talentvollen, früh ver- ihiedenen Sriedrih Schulz nennen umd feine Befchreibung eines Polnifchen Reichſtags In Erinne- tung bringen will, l

1790.

Meine früheren Berhältniffe zur Univerfität Jena, wodurch wiſſenſchaftliche Bemühungen angeregt und begünftigt worden, eilte ich fogleih wieder anzu- nüpfen. Die dortigen Mufeen fernerbin, unter . Mitwirkung vorzüglicher ſachkundiger Männer, ver= mehrt aufzuftellen, zu ordnen und zu erhalten war eine fo angenehme als lehrreiche Befchäftigung, und ih fühlte mich beim Betrachten der Natur, beim Studium einer weitumbergreifenden Wiffenfchaft für den Mangel an Kunftleben einigermaßen entfchd- dig. Die Metamorphofe der Pflanzen ward als Herzenserleichterung gefchrieben. Juden ich fie abdruden ließ, hoffte ich ein Specimen pro loco ben Wiffenden darzulegen. Ein botanifcher Garten ward vorbereitet.

Mahleriſche Farbengebung war zu gleicher Zeit mein Augenmerk, und ald ich auf die erften phyſi⸗ Shen Elemente biefer Lehre zurüdging, entdedte ich

44

zu meinem großen Erſtaunen: die: Newtonbſch e Hyppotheſeßey falſch und naͤcht zu halten. MDenaueres Unterſuchen beſtaͤtigte mir nur meine Veberzeugung, "und fo war mit abermals sine Ent⸗

wicelungberantheit eisigeimpft,- die auf veben amd

Fhaͤtigkeit den größten Einfluß haben ſollte.

Angenehme haͤuslich-geſellige Verbaͤltutſſe geben |

mie Muth und Stimmung die Roͤmiſchen Ele- gien auszuarbeiten und zu redigiren. Die VWene- zianifhen Epigramme gewann ich unmittelbar darauf. Ein längerer Aufenthalt in ber wunderba⸗ zen Buafferftadt, :erft in Erwartung: der yon Nom zuruͤckkehrenden Herzogin Amalia, ſodann aber ein Tängered Verwellen "dafelbit im Gefolge bleſer, alles um ſich ber, auswaͤrts und zu Hauſe, befeben- den Fuͤrſtin, brachten mir die größtem Vortheile. Eine hiſtoriſche Ueberſicht der unſchaͤtzbaren Venezia⸗ niſchen Schule ward mir anſchaulich, als Ich erſt al⸗ lein, ſodann aber mit den Roͤmiſchen Freunden, Heinrich Meyer und Bury, nah: Anleitung Des hoͤchſt ſchaͤtzbaren Werkes: Della pittura Ve- nesiana 1771, von den damals noch mverruͤckten Kunſtſchaͤtzen, inſofern fie die Zeit verſchont hatte, und wie man ſie zu erhalten und herzuſtellen ſuchte, vollſtaͤndige Kenntniß nahm.

Die verehrte Fuͤrſtin mit dem ganzen Gefolge beſuchte Mantna, und ergoͤtzte ſich an dem Ueber- maß dortiger Kunſtſchaͤtze. Meyer sing nach fei- nem Varerlande, der Schweiz, Bury nach Rom

IE 6

Aeruͤck; T die emwitere Meiſe der —XX

un’ eich. Be wu Hauſe gelaugt, : warb. Ichumach' Dchle⸗ fien gefordert, wo sine 'bewafisete Stellung, ueyer echte don Congreß von Nekihennbach Beguin- :fligte. Erſt geben Cantonnirungsquartiere Welagen- Heit zu einigen Cpigranmen, die hie und da einge⸗ ſchaltet ſind. In Breslau hingegen, wo ein felba- tiſcher Hof und zugleich der Abel einer der erſten Provlinzen des Roͤnigreichs glaͤnzte, wo man bie ſchoͤ uſten Regimenter ununterbrochen marſchiren und manduvrtren ſah, beſchaͤftigte mich unaufhoͤrlich, jo wnderiih es auch klingen mag, die verglei⸗ chende Anatomie, weßhalb mitten in der-be- wegteſten Welt, Ach als ESiuſiedler in mir ſelbſt abgeſchloſſen lebte. -Diefer Schell des Naturſtu⸗ dirmms war ſonderbarlich angeregt werden. Als ich amlich auf ben Duͤnen des Ado, welche die Wene⸗ dlaniſchen Lagunen von dem Abrlatiſchen Meere fon- dern, mich oftmals erging ,: fand {ch einen fo glauͤck⸗ lich geborſtenen Schaffchaͤdel, der mir nicht allein jene große fruͤher von mir erkaunte Wahrheit: bie ſaͤmmtlichen Schaͤbelknochen ſeyen aus verwandelten Wirbelknochen entſtanden, abermals bethaͤtigte, ſon⸗ dern auch den: Ueberzang innerlich ungeformter, or⸗ ganiſcher Maſſen, durch Aufſchluß nach außen, zu fortſchrettrnder Veredlung hoͤchſter Blldung · und Ent⸗ wicklung in die vorzuͤglichſten Sinneswerkzeuge vor Augen fſreute, und zugleich meinen alten, durch Er⸗

16

fahrung beftärkten Glauben wieder: auffrifehte, wer: her fi feft darauf brgründet, daß bie Natur Fein Geheimniß Habe, was fie nicht Irgendwo dem auf: merffamen Beobachter nadt vor die Augen ftellt.

Da ich nun aber einmal mitten in ber bewegte- ften Lebensumgebung zum Knochenbau zurüdgetehrt war, fo mußte meine Vorarbeit, die ih’ aufden Zwifchenknochen vor Jahren verwendet, aber- male rege werden, Loder, deſſen unermäbliche Theilnahme und Einwirkung ich immerfort zu rüh- men babe, gedenkt derfelben in feinem anatomifchen Handbuch von 1788. Da aber die dazu gehörige - Heine Abhandlung, Deutfch und Lateinifch, noch un- -ter meinen Papieren liegt, fo erwähne ich kürzlich nur fo viel: ich war völlig üderzeugt, ein allge- meiner, durch Metamorphofe fih erbebender Typus gehe durch die ſaͤmmtlichen organifhen Geſchoͤpfe durch, laſſe fih in allen feinen Theilen auf gewiſſen mittlern Stufen gar wohl beobachten, und mülffe aAuch noch da anerfannt werden, wenn er ſich auf der höchften Stufe ber Menſchheit Ing Berbotgene befcheiden zuruͤckzieht.

Hierauf waren alle meine Arbeiten, auf die in Breslau, gerichtet; die Aufgabe war Indeflen fo groß, daß fie in einem zerftreuten Leben nicht geldf’t wer⸗ . den konnte. |

Eine Luftfahrt nach den Salinen von Wieliczka and -ein bedeutender Gebirgs- und Landritt über Adersbach, Glatz u. f. w. unternommen, Ä erte

17

qꝛerte mit Erfahrung und Begriffen. Einiges fin- det fich ‚aufgezeichnet.

1 7 95:5

Ein ruhiges, innerhalb des Hauſes und ber Stadt zugebrachtes Jahr! Die freigelegenfte Woh- nung, in welcher eine geräumige dunkle Kammer einzurichten war, auch die anuftoßenden Gärten, wo⸗ felbft im Freien Verfuche jeder Art angeftellt wer⸗ den Eounten, veranlaßten mich den hromatiichen Un⸗ | terfuchungen ernftlih nachzuhängen. Ich bearbeitete ' vorzüglich die prismatiſchen Erfchelnungen, und in- dem {ch die fubjectiven derfelben ind Unendliche ver- : mannichfaltigte, warb ich fählg, das erſte Stüd optifher Beiträge herauszugeben, die mit

| ſchlechtem Dank und hohlen Nedensarten der Schule | dei Seite gefchoben wurden. Ä

1 Damit ich aber doch von dichteriſcher und aͤſtheti⸗ ſcher Seilte nicht allzukurz kaͤme, übernahm ich mit Vergnuͤgen die Leitung des Hoftheaters. Cine: ſolche neue Einrichtung ward veranlaßt durch den „Abzug der Geſellſchaft Bellomo's, welche ſeit 1784 in Weimar geſpielt und angenehme Unterhaltung gegeben hatte. Sie war aus Ober - Deutfchland ge-

ah Tommen, und man hatte fih mit jenem Dialekt im . Dialog, um des guten Geſangs willen, befreundet. ; Tun waren die Stellen der Abzlehenden a leich⸗ Soetvers Werke. XXXI. Bi

is

ter zu erſetzen, weit man bie Theater von gang Dentfchland zur Auswahl vor ſich ſah. Breslau und Hannover, Prag und Berlin fendeten und tücdh- tige Mitglieder, die fich in kurzer Zeit in einander einfplelten und einfprachen, und gleich von Anfang viele Zufriedenheit gewährten. Sodann blieben auch von jener abziehenden Gefellfhaft verdienftvolle In⸗ dividuen zuräd, von welchen ich nur den unvergeßlf- hen Malkolmi nennen will. Kurz vor der Ver— Anderung ftarb ein fehr ſchaͤtzbarer Schaufpieler, KReumann; er hinterließ und eine vlerzehniährige Tochter, das liebenswuͤrdigſte, natuͤrlichſte Talent, das mich um Ausbildung anflehte.

Nur wenig Vorftellungen zum Eintritt wurden in Weimar gegeben. Die Gefellfchaft hatte einem großen Bortheil, Sommers In Lauchftädt zu fpielen; ein neues Publicum, aus Fremden, aus dem ge- bildeten Theil der Nachbarſchaft, ben kenntnißrei⸗ hen Gliedern einer nähft gelegenen Alabemie, und leidenfchaftlih fordbernden Tünglingen zufammen- gefest, felten wir befriedigen. Neue Stüde wur⸗ den nicht eingelernt, aber die Altern durchgeuͤbt, und fo kehrte die Gefellfchaft mit frifhem Muthe im October nah Welmar zurid. Mit ber größten Sorgfalt behandelte man nun die Städe jeder Art, denn bei der neu zufammentretenden LAT mußte alles neu eingelernt werden.

Gar fehr begänftigte mich jene Neigung zur mu⸗ ſikaliſchen Poeſie. Ein unermädlicher Concertmel⸗

19 fier, Stanz, und ein immer thätiger Theaterdich⸗

fed, Vulpius, griffen Tebhaft mit ein. Einer

Unzahl Itallaͤniſcher und Franzdfifher Opern eilte man Dentfchen Tert unterzulegen, auch gar manchen fon vorhandenen zu befferer Singbarkeit umzu⸗ färben. Die. Partituren wurden durch ganz Deutfhland verfhidt. Fleiß und Luft, die man biebet aufgewenbet, obgleih das Andenken völlig verſchwunden ſeyn mag, haben nicht wenig zur Ver- befferung Deutfcher Opernterte mitgewirkt.

Diefe Bemühungen theilte der aus Stallen mit gleiher Morliche zurüdkehrende Freund, von Ein- fiedel, und fo waren wir von biefer Seite auf mehrere Jahre geborgen und verforgt, und da die Sper immer ein Publicum anzuziehen und’ zu er- gößen das ficherfte und bequemfte Mittel bleibt, fr fonnten wir, von biefer Seite beruhigt, dem reci⸗ tirenden Schaufpiel defto reinere Aufmerkfamfeit widmen. Nichts binderte diefes auf eine wuͤrdige Weiſe zu behandeln und von Grund aus zu beleben.

Bellomo's Repertorium war ſchon von Beden- tung. in Director fpielt alles ohne zu prüfen; was faͤllt, hat doch einen Abend ausgefüllt, was bleibt, wird forgfältig benutzt. Dittersborfiihe

Opern, Schauſpiele aus Ifflands befter Zeit, fan⸗

den wir und brachten fie nah. Die theatrali- Then Abenteuer, eine immer erfreuliche Oper, mit Cimaroſa's und Mozarts Muflt, ward noch vor: Ende des Jahrs gegeben; König Johann aber,

N

20-

von Shafefneare , war unſer groͤßter Gewinn. Shriftiane Neumann, ale Arthur, von mie unterrichtet, that wundervolle Wirkung; alle bie übrigen mit Ihr in Harmonie zu bringen, mußte meine Sorge feyn. Und fo verfuhr id von vorne herein, daß ich in jedem Stuͤck den vorzuͤglichſten zu bemerken und ihm die andern. anzunaͤhern fischte.

1792.

Sp war ber Winter hingesangen und das Scheu: fptel hatte ſchon einige Conſiſtenz gewonnen. Wie⸗ derholung früherer, werthvoller und beliebter Städe, Verſuche mit aller Art von neneren gaben Unterhal⸗ tung. uud beſchaͤftigten das Urtheil des Publicums, welches denn bie damals neuen Stuͤcke aus Ifflands

hoͤchſter Epoche mit Vergnuͤgen anzuſchauen ſich ge⸗ woͤhnte. Auch Kotzebne's Productionen wurden ſorg⸗ faͤltig aufgefuͤhrt und, inſofern es moͤglich war, auf dem Repertorium erhalten.

Dittersdorfs Opern, dem ſingenden Schauſpieler leicht, dem Publicum anmuthig, wurden mit Auf: merkfamkeit gegeben; Hagemanniſche und Hagemei⸗ ſteriſche Stuͤcke, obgleich hohl, doch fuͤr den Augen⸗ blick Theilnahme erregend und Unterhaltung ge: waͤhrend, nicht verſchmaͤht. Bedeutendes aber ge⸗ ſchah, als wir ſchon zu Anfange des Jahrs Mozarts Don Juan und bald darauf Don Carlos von:

\

21

Schuͤler aufführen tonnten. Etin lebendiger Vor⸗ theil entſprang aus dem Beitritt des tungen Vohs zu unferm Theater. Er wer von der Natur hoͤchſt begänftigt und erſchien eigentlich jeht erft als bedeu⸗ tender Schanfpteler.

Das Srübiahr belebte "meine chromatiſchen Ar⸗ beiten, ch verfaßte das zweyte Stuͤkeder opti⸗ {den Beiträge und gab es von einer Tafel begleitet heraus. In der Mitte des Sommers warb Sch. abermals ins Feld berufen, bteßmal zu ernſteren Scenen. Ich eilte uͤber Frankfurt, Main; KTrier und: eLenemburg mach Longwi, weiches ich ben 28 Auguſt fon eingenommen fand; Yon da zog ih mit bis Valmy, ſo ;wuke auch zuruͤck bis Drier; ſadann, um die unendliche. Verwirrung der Hrer⸗ Nwruße zu vermeiden, bie Moſel herab nach Koblenz. Maucherkei :Nuturerfuheuugen fihlangen: ſich, Für den Aufmerkſamen, durch die bewegten Kriegser⸗ eigniſſe. "Einige Theile won Fiſchers phyſtkali⸗ Achem Woͤrterbuche beglelteten mich; manche Lauge⸗ ‚weile ſteckender Tage betrog Ich duvch fortgeſetzte chvommtiſche Arbeiten, wozu mich die ſchoͤnſten Er⸗ fahrengen in freier Welt anfregten, wie fie leine Dantte :Hammer, Lein Löchlein im Laden geben taun. Papirre, Acten und Zebchaungen daruͤber dauften ſich.

Bei :meinem Beſuch in Mainz, Dürfetborf und Mänfter lennte ich bemerken daß ‚meine :witen

Freunde mich nicht recht wieber erleunen wollten,

22

wovon uns in Hubers Schriften ein Wahrzeichen übrig geblieben, deſſen pſochiſche Entwiclung gegen- waͤrtig nicht ſcwer fallen follte.

179 3.

Shen dieſer widerwärtigen Art, alles Sentimen-

tale zu verfhmaben, fi an die. unvermeidliche Wirklichkeit halb verzmeifelnd hinzugeben, begeg- nete gerade Reinecke Fuchs als wuͤnſchens⸗ wertheſter Gegenſtand fuͤr eine, zwiſchen Ueber⸗ ſetzung und Umarbeitung ſchwebende Behandlung. Meine, dieſer unheiligen Weltbibel gewid: mete Arbeit gereichte mir zu Hauſe und auswaͤrts zu Troſt und Freude. Ich nahm ſie mit zur Blo⸗ cade von Mainz, der ich bis zum Ende der Bela⸗ gerung beiwohnte; auch darf ich zu bemerken nicht vergeflen, daß ich fie ‚zugleich ald Hebung im Hem- meter vornahm, den wir freilih damals nur dem ' Gehör nahbildeten. Voß der die Sache verftand, wohte, fo lange Klopfto lebte, aus Pietaͤt dem guten alten Heren nicht. ins Geſicht fagen daß feine Herameter fchlecht feyen; das mußten wir jüngeren aber büßen, die wir von Jugend auf ung In jene Rhythmik eingeleyert:hatten. Voß verläugnete ſelbſt feine Weberfegung der Odyſſee, die wir verehrten, fand an feiner Luiſe auszuſetzen, nach der wir und bildeten, und fo wußten wir nicht Heiligen wir uns widmen ſollten.

23

Auch die Farbenlehre begleitete mich wieder an den Rhein, und ich gewann in freier Luft, unter heiterm Himmel, Immer freiere Anfihten über die. mannichfaltigen Bedingungen unter benen die Farbe erſcheint.

Dieſe Mannichfaltigkeit, verglichen mit meiner beſchraͤnkten Faͤhigkelt des Gewahrwerdens, Auf⸗ faſſens, Ordnens und Verbindens, ſchien mir die Nothwendigkeit einer Geſellſchaft herbeizuführen. Eine ſolche dachte ich mir in allen ihren Gliedern, bezeichnete die verfchledenen Obliegenheiten und deutete zuletzt an, wie man, auf eine gleichwirkende Art handlend, baldigſt zum Zweck kommen müßte. Dieſen Aufſatz legte ich meinem Schwager Schloſ⸗ fer vor, den ich nach ber Uebergabe von Mainz, dem fiegreichen Heere weiter folgend, in Heidelberg ſprach; ich ward aber gar unangenehm überrafcht als diefer alte Practicus mich herzlich auslachte und verfiherte: In der Welt überhaupt, befonders ‚aber in dem Lieben Dentfchen Vaterlande, fey an eine reine, gemeinfame Behandlung irgend einer wiſſenſchaftlichen Aufgabe nicht zu benfen. Ich da⸗ gegen, obgleich auch nicht mehr jung, widerſprach ald ein Gläubiger, wogegen er mir manches um: fländitch vorausfagte, welches ich damals verwarf, in der Folge aber, mehr als billig, probat gefun- den habe. -

Und fo bielt ich für meine Perſon wenigftene mich immer feſt an diefe Studien, wie an einem

24

Ballen im Schiffbruch: denn ich hatte nun zwey Sabre unmittelbar und perfönlich das fuͤrchterliche Bufammenbrechen aller Verhaͤltniſſe erlebt. Ein Tag im SHauptquartiere zu Hans und ein. Tag in dem wieder eroberten Mainz waren Symbole der gleichzeitigen Weltgeſchichte, :wie fie es :noch jeßt Demijentgen bleiben der fich Innchroniftifch jewer Dage wieber zu erinnern ſucht.

Einem thärigen productiven Geifte, einem wahr⸗ haft vaterländifch gefinnten, und einheimifche Lite- zatur befördernden Manne, wird man es zu Gute halten, wenn ihn ber Umſturz alles Vorhandenen ihredt, ohne daß die mindeſte Ahnung zu Ihm ſpraͤche was benn beffered, ja nur auberes. daraus erfolgen folle. Dean wird ihm beiftimmen wenn #3 ihn verbrießt, daß dergleichen Influenzen fih nach Deutfchland erſtrecken, und verrädte, ja unwuͤrdige Derfonen das Heft ergreifen. In diefem Sinne war der Bürgergeneral geſchrleben, ingleichen die Aufgeregten entworfen, ſodann die Un⸗ terhaltungen der Ausgewanderten. Alles Droductionen die dem erften Urſprung, ja fogar der Ausführung nah, meift in Diefes und das folgende Jahr gehören.

Der Bürgergeuerai ward gegen Ende von 1793 in Weimar aufgeführt. Ein, Im Fach ber BSchnaͤpſe hoͤchſt gewandter Schaufpieler, Bed, war erſt zu unſerm Theater getreten, auf Selen

r

-

Tatent und Humor vertrauend fh eigentlich die Rede ſchrbeb.

Er und der Schauſpieler Malkolmi ‚gaben ee Hallen: aufs voſttommenſte; das Staͤck ward wieder- Seit, aber die Urbilder diefer luſtigen Geſpenſter waren zu furchtbar als daß nicht ſelbſt die Schelu⸗ bilder Hätten -beängftigen ſollen.

Neu und frifh traten die Sqhauſpieler SGraff ad Hatde mit einiger Vorbildung zu unſerm Dereine; die Eheleute Perth braten uns eine Kebenswürbige Tochter, die in muntern Rollen durchaus erfrewtich wirkte, und noch jept unter dem Namen Vohs bei allen Theaterfreunden gefehlt ud vellebt iſt.

Bon diefem Jahre durft' Ih hoſfen, es werde mich ‚gegen bie vorigen, in weichen ich viel ent⸗ hehrt und gelitten, durch mancherlei Dhaͤtigkeit zer⸗ freuen, durch mancherlei Freundlichkeit erquicken; md ich behuefte deffen ger ſehr.

Denn, perfoͤnlicher Zouge hoͤchſt bedeutender mb bie Welt bedrohender Umwendungen geweſen su ſeyn, das groͤßte Ungluͤck was Buͤrgern, Bauern und Soldaten begegnen kann mit Augen geſehen,

ja folge Zuſtaͤnde getheilt zu haben, gab die trau⸗ uUigſte Stimmung.

Doch wie ſollte man ſich erholen, bamms.ıble angehen Bewegungen innerhalb Franlreicha jeden

26 s

Kag beängftisten und bedrohten. Im vorigen Jahre hatten wir den Tod bes Königs und der Koͤ⸗ - aigin bedauert, in diefem das gleihe Schiefal der Prinzeß Elifabeth. Robespierre's Greuelthaten hat⸗ ten die Welt erſchreckt, und der Sinn fuͤr Freude war ſo verloren, daß niemand uͤber deſſen Unter⸗ gang zu jauchzen ſich getraute; am wenigſten da die äußern Kriegsthaten ber im innerſten aufgeregten Nation unaufhaltſam vorwaͤrts draͤngten, rings umher die Welt erſchuͤtterten und alles Beſtehende mit Umſchwung, wo nicht mit Untergang bedrohten.

Indeß lebte man doch in einer traumartigen, ſchuͤchternen Sicherheit im Norden und beſchwichtigte die Furcht, durch eine halbgegruͤndete Hoffnung auf das gute Verhaͤltniß Preußens zu den Franzoſen.

Bei großen Begebenheiten, ia ſelbſt in der du- ßerſten Bedraͤngniß, kann der Menfh nicht unter- laſſen mit Waffen des Wortes und der Schrift zu kaͤmpſen. So machte ein Deutihes Heft großes Aufſehen: Aufruf an alle Völker Euro: pens; es fprach dem fiedenden Haß gegen bie Franz. zofen aus, in dem Augenblide da ſich die ungebän- digten Feinde mächtig gegen unfere Gränzen näber- ten. Um aber den Wechfelftreit der Meinungen aufs hoͤchſte zu treiben, ſchlichen Franzöfifhe revo⸗ Inttondre Lieder im Stillen umher; fie gelangten auch zu mir, durch Perſonen denen man ed nicht gugetraut hätte.

Der Innere Zwieſpalt der Deutihen in Abſicht

27

auf Vertheldignug und Gegenwirlung, zeigte ſich offenbar Im Gange der politiſchen Anſtalten. Preu⸗ Gen, ohne fich über. die Abficht näher auszufprechen, verlangte Derpflegung für feine Truppen; es er⸗ ſchien ein Aufgebot, niemand ‚aber wollte geben, noch ſich gehörig waffnen und vorfehen. In Ne: gensburg kam eine Union der. Fuͤrſten gegen Preu⸗ fen zur Sprache, begünftigt von derjenigen Seite, welche Wergrößerungsablichten in ber einfeltigen Sriebendverhandlung vermuthete. Minifter von Hardenberg verfuchte dagegen bie Neichöftäube zu Gunften feines Königs zu erregen und man ſchwank⸗ te, in Hoffuung einen: Halbfreund der Franzoſen zu gewiunen, auch wohl anf. dieſe Seite. Wer fi indeſſen von den Zuſtaͤnden Rechenſchaft gab, mochte, wohl im Innern fih geftehen, daß. man fi mit eiteln Hoffnungen zwiſchen Furcht und Sorge nur binhalte. '

, Die Oeſterreicher zogen ſich aͤber den Nhein heruͤber, die Engländer in die Niederlande, ber Feind nahm - einen größern Naum ein und erwarb reichlichere Mittel, Die Nachrichten von Flüchtigen . aller Orten vermehrten ſich, und es wär Feine Fa⸗ mille, tein:-Greumdestreis, der nicht in feinen Gliedern wäre befhädigt worden. "Man fenbete mir aus dem füdlichen uud weftfichen Destfchland, Schatzkaͤſtchen, Sparthaler, Koftbarkeiten man- ber Art, zum treuen Aufbewahren, die mich als _ . Beugniffe großen Zutrauens erfreuten, waͤbrend fie

\88

amir als Bewelſe erner beaͤugſtigten o Matlon —* wor Augen ſtanden.

Und fo. tudten dennauch, inſofedu ich in Ftaut⸗ Furt angeſeſſen war, die Boſorglichkeiten Immer ‚näher und ‚näher. Der ſchoͤne -bärgertiche Be— ſitz, deffen :meine Matter ſeit dem Ubleben mul: med Vaters ſich eufrente ward Ihe ſchon feit dem Fruͤheren Anfang der Felndfeligleiten zur 2a, ohne Daß fie ſich es zu bekennen getraute, doch hatte Ich "bei meinem vorjährigen Beſuch fie Aber Ihren: Zu⸗ ſtand aufgeklärt und aufgemuntert ſich ſolcher Buͤrde .gu entledigen. Aber gerade in dieſer Zeit war unraͤthlich zu Thun: was man für nothwendig hieit.

Gin bei unfern Lebzuiten neuerbautes, Inkeger- Uch bequemes und anfkändfges Haus, ein wohlvor⸗ ſorgter Keler, Hausgeraͤth aller: Art und der Bett ah von gutem Geſchmack, Buͤcherſammlungen,

Gemaͤhlde, Kupferſtiche und Landcharten, Mter⸗ thuͤmer, kleine Kunſtwerke und Curioſitaͤten, gar manches Merkwuͤrdige, das mein Water aus Licb⸗ haberey und Kenntwiß bei guter Gelegenheit um ſich verfammelt hatte: es ſtand alles ba und noch bei⸗ ſammen, es griff durch Ort und Stellung gar ve⸗ sguem mad nunhäft In einander, und hatte zuſam⸗ men nut eigentlih feinen herkoͤmmlichen Werth; Dachte man fi daß es follte vertheilt und gerkuout werden, fo mußte man ſegten es verſchleudert mb: verloren au ſehen.

Much mertte man N; indem man ſuch mit

28°

Freunden berieth, mit Mäflern unterhandelte, daß in der jetigen Zeit ein jeder Merkauf, ſelbſt ein un— vortheilhafter, fich verfpäten müde. Doc der Ext- fing war einmal gefaßt, und die Ausſicht auf eine lebenslaͤngliche Miethe in einem fchön gelegenen, obgleich erfk new zu erbanenden Haufe gab der Eins bildungstraft meiner guten Mutter eine heitere Stimmung, die ihr manches Unangenehme der Ges genwart übestragen half.

Schwanfende Gerüchte vom Au⸗ und Eindeingen der Feinde verbreiteten fchredenvolle Unſicherheit. Handelsleute ſchafften ihre Waaren fort, mehrere das beweglich Koſtbare, und fo wurden auch viele Berfonen aufgeregt, am fich felbft zu denken. Die Unbequemlichfeit einer’ Auswanderung und Orte: verdnberung ſtritt ‚mit der Furcht vor einer feinbil- chen Behandlung; auch, werd mein Schwager Schlof- fer In dieſem Strudel mit fortgerifien. Mehrmals: bot ich meiner Mutter einen. ruhigen Aufenthalt bet mir an, aber fie fühlte keine Sorge für Ihre eigene Perſoͤnlichkeit; ſieweſtaͤrlte fich:imihrene altteſtament⸗ llchen Glauben, und, darch einige zur rechten ‚Seit ihr begegnende Steffen aus, den Pſalmen und Pro: pheten, in der Neigung zur Batxrſtadt, mit der. ſie ganz eigentlich zuſgmmengewachſen ner; weshalb fie denn auch nie eiamel —— sa mir uns ternehmen wollte , : :-

Sie hatte ihr Bisiben an Drt * Stelle ent⸗ ſchleden ausgeſprochan, als Frau von la ae ſich

1}

30°

det Wieland anmeldete, und ihn dadurch in die größte Verlegenheit fehte. Hier waren wir nun in dem Fall, ihm und und einen Freundfchaftsdienft zu erweifen. Angſt und Sorge hatten wir fchon ge- nug, bazu aber noch obendrein die Wehllage zu er⸗ dulden fchlen ganz unmöglih. Gewandt in folhen Dingen wußte meine Mutter, felbft fo vieles ertra⸗ gend, auch ihre Freundin zu befhwichtigen und fich dadurch unfern größten Dank zu verbienen.

Sömmering mit feiner. treffiihen Sattin hielt es in Frankfurt aus, bie fortwährende Unruhe zur ertragen. Jakobi war aus Pempelfort nah Wands⸗ _ beit geflüchtet, die Seinigen hatten andere Orte ber Sicherheit gefuht. Mar Jakobi war In meiner Nähe als der Medicin Befliffener in Jena.

Das Theater, wenn ed mich auch nicht ergößte, Anterhielt mich doch im fortwährender Beſchaͤftigung; ich betrachtete es als eine Lehranftalt zur Kunſt mit Heiterkeit, ja ale ein Symbol des Welt: und Ge⸗ ſchaͤftslebens, wo es auch nicht Immer fanft hergeht, und übertrug was es Unerfreuliches haben mochte.

Schon zu Anfangides Tahres konnte die Zan⸗ berflöte gegeben werden, bald darauf Richard Loͤwenherz, und dieß wollte zu jeher Seit, unter den gesebenen Umftaͤnden, ſchon etwas heißen. Daun kamen einige bedeutende‘ Ifflandiſche Schau fpiele an bie Reihe, und unfer Perſonal Iernte fi immer beſſer and reiner In diefe Vortraͤge finden. Das Mepertorlum war ſchon anſehnlich, daher denn

131

Heinere Stüde, wenn fie fih auch nicht hielten, im⸗ mer einigemal als Neuigkeit gelten konnten. Die Scenfpielerin Bed, welhe in diefem Jahre an- trat, ‚füllte das in Ifflandifhen und Kotzebueſchen Städten wohlbedahte Fach gutmüthiger und bösar- tiger Mütter, Schweftern, Tanten und Schließe⸗ tinnen ganz volllommen aus. Vohs hatte die hoͤchſt aumuthige, zur Gurli gefchaffene Port h ge⸗ heirathet, und es blieb in dieſer mittlern Region wenig zu wuͤnſchen übrig. Die Geſellſchaft ſpielte den Sommer über einige Monate in Lauchſtaͤdt, da- ber man mie immer den doppelten Vortheil zog, dag eingelernte Stüde fortgeubt wurden, ohne dem Weilmariſchen Yubllcum verdrießlich zu fallen.

Nunmehr gegen Jena und bie dortigen Lehrbäh- nen bie Aufmerkſamkeit lenkend, erwähne ich fol- gendes:

Nach Reinholds Abgang, der mit Recht als ein großer Verluſt für die Akademie erſchien, war mit Kühnbeit, ja Werwegenheit, an feine Stelle Fichte berufen werben, der in feinen Schriften fi mit Großheit aber vielleicht nicht ganz gehörig über die wichtigften Sitten: und Staategegenftände erklaͤrt hatte. Es war eine der tüchtigften Perſoͤn⸗ lichkeiten, die man je gefehen, und an feinen Se- finnungen in hoͤherm Betracht nichts auszuſetzen; aber wie.hätte er mit der Welt, die er als feinen erihaffenen Beſitz betrachtete, gleichen Schritt hal⸗ ten follen?

3%

Da man Ihm bie Stunden. die er zu öffentit- hen Dorlefungen benutzen wollte, an Werkeltagen

verkuͤmmert hatte, fo unternahm er Sonntags Bor:

lefungen, deren. Einleitung Hinderniffe fanden. Kleine und größere daraus entipringende Widerwär: tigfeiten waren kaum, nicht ohne Unbequemlichkeitber obern Behörden, getufcht und geſchlichtet, als une deſſen Aeußerungen über Gott und göttliche Dinge, über die man freilich beffer ein tiefes Stillſchweigen beobachtet, von außen befchwerende Anregungen zu⸗ zogen. Im Kurfachlen wollte man von gemilfen Stellen der Fichte'ſchen Zeitfchrift nicht das Beſte denen, und freilich Hatte man alle Muͤhe dasjenige, was in Worten etwas ſtark verfaßt war, durch an⸗ dere Worte leidlich auszulegen, zu milbern, und wo nicht geltend doch verzeihlich zu machen. Profeſſor Göttling, ber nad einer freiſinni⸗ gen Bildung buch wiffenfhaftlihe Reiſen unter die altererften zu zählen iſt, bie den allerdingd hohen Begriff der neuern Franzöfifchen Chemie in fih auf- nahmen, trat mit der Entdedung hervor, daß Phos⸗ phor auch In Stickluft brenne. Die deßhalb entfte- benden Hin- nnd Widerverſuche beſchaͤftigten und eine. Zeit lang. | Geh. Rath Voigt, ein getrener Mitarbeiter anch Im mineralogiſchen Felde, kam von Carlsbad zuruͤck und brachte ſehr ſchoͤne Tungſteine, theils in groͤßeren Maſſen, theils Dentsich kryſtalliſirt, womit wir

33

wir ſpaͤterhin, als dergleichen ſeltener vorkamen, gar manchen Liebhaber erfreuen konnten.

Alerander von Humboldt längfk erwartet, von Bayreuth anfommend, nöthigte uns Ins Allge: weinere der Naturwiſſenſchaft. Sein dlterer Bru⸗ der, gleichfalls in Jena gegenwärtig, ein klares In⸗ tereffe nach allen Seiten binrichtend, theilte Stre- ben, Forſchen und Unterricht.

Zu bemerken ift, daß Hofrath Lader eben bie Bänderlchre lad, den hoͤchſt wichtigen Theil der Anatomie: deun was vermittelt wohl Muskeln und Knochen als die Bänder? Und doch ward durch eiue defondere Verruͤcktheit der medicinifchen Tugend ge: tade diefer Theil vernadhläfiigt. Wir Genannten, mit Freund Mevern, wandelten bed Morgens im tiefften Schnee, um in einem faft leeren anatomi- fhen Auditorium diefe wichtige Verknüpfung aufs deutlichfte nach den genaueften Präparaten vorges tragen zu fehen.

Der treffliche, Immerfort thätige, Telbft die klein⸗ ſten Nahhülfen feines Beſtrebens nicht verfhmähen- de Batſch ward in diefem Jahre In einen mäßigen Theil des obern Fürftengartend zu Jena eingefept. Da aber ein dort angeftellter, auf Nutzung angewie- fener Hofgärtner im Hauptbefiß blieb, -fo gab es manche Unannehmlichkeiten, welche zu befeitigen man dießmal nur Plane für die Zukunft machen Eonnte.

Auch In diefem Jahre, gleihfam zu guter Vor⸗ bedeutung, warb die Nachbarſchaft > gedachten

Borıpes Werke. XXXI. d.

$4

Gartens beiterer und fneundlicher. Ein ſcheil ber Stadtmauer war eingefallen, and um bie Kñcunrher Wieberherfichung zu vexymeihen, bafain$- man bie - Ausſuͤllung bes Grabens audiefer Stelle; dann ſallte hie gleiche Oporation ſich auf den übrigen. Theil nach and nah eriireden.

Gegen bie großen Immer geftelgerten Forderun- gen der Chromatik fühlte ich mehr und mehr meine Unzulaͤnglichkelt. Sch ließ daher nicht ab, fort- während Scmüthsfreunde heran zu ziehen. Mit Schloffern gelang ed mir nicht: denn felbft in ben friediichften Zeiten würde er diefem Geſchaͤft feine Aufmerkſamkeit nicht zugewendet haben. Der fitt- liche Theil des menfhlihen Weſens unterlag feinen Betrachtungen, und von dem Innern zu bem Aeußern überzugehen iſt ſchwerer als man denkt. Sömme= ring dagegen fehte feine Theilnahme durch alle die yerworrenen Schickſale fort. Gelftreih war fein Eingreifen, förbernd felbft fein Widerfpruh, und wenn Ich auf feine Mittbellungen recht aufmerfte, ſo ſah ich immer welter.

Bon allen Unbilden dieſas Jahres nahm bie. Ma⸗ tur ihrer Gewohnheit gemäß nicht die yeringfte Kenntniß. Alle Geldfrächte gedichen herrlich, eiles teifte einen Monat früher, alles Obſt gelangte zur Volltommenhelt, Apricoſen und Prkben, Melo⸗ nen und auch Caſtanien baten fi dem Liebhaber reif und ſchmachaft bar, und fehlt in ber Reihe

>

35

—* Weiniahre finden wir 1794 mit auf- gezahlt

Don Hterarifhen Arbeiten zu zeben , fo war dr Reinecke Fuch s nunmehr abgebeudt; ‚allein die Unbilden, die aus Verſendung der Freierem⸗ plare ſich aͤmmer hervarthun, bileben. auch. biefmal nicht aus. So verdarb eine Zufaͤlligkeit mir die frifche Theulnahme ‚meiner Gothalſchen Goͤnner und Freunde. Herzog Ernſt hatte mir verſchiedene phy- ſikaliſche Juſtrumente freundlichſt geborgt, bei deren Ruͤckſendung ich die Exemplare des Scherzgedichtes beipackte, ohne derſelben in meinem Brlefe zu er⸗ waͤhnen, ich weiß nicht ob.aus Ueberellung, oder eine Ueberraſhung beabichtigend. Genug, der mit ſolchen Geſchaͤften Beauftragte des Fuͤrſten mar: ab- weſend und die Kiſte blieb lange Zeit unausgepackt; Ih aber, ‚sine thelluebmende Erwlederung ſo wer⸗ sher und. fonft fo nänchlider. Freunde mehrere Wo- hen entbehreud, machte mir tauſend Brillen, bis endlich nach Gräffaung ber Kiſte nur Entſchuldigun⸗ gen, Auklagen, Bedauerniſſe wiederholt ausgedruͤckt, mir ſtatt einer heitern Auinahme ungluͤckucherweiſe zu Theil wurden.

Bon ber beurthellenden Selte aher waren Voſ⸗ ſens rhuthmiſche Pemerkungen nicht tröflih, und ih mußte nur zufrleden ſeyn, Daß mein gutes Ver⸗ haͤltniß zu den Freunden nicht geſtoͤrt wurde, an⸗ ſtatt daß es ſich haͤtte erhoͤhen und beleben ſollen. Doc ſetzte ſich alles bald wieder ins Gleiche: Prinz

=

56 -

Auguſt fuhr mit feinen Titerarifhen Scherzen fort, Herzog Ernft gewährte mir unausgeſetzt ein wohl- |

gegruͤndetes Vertrauen, Indem ich befonders feiner | Kunftliehhaberep gar manche angenehme Beſitzung

zufuͤhrte. Auch Voß konnte mit mir zufrieden feym, indem ich auf feine Bemerkungen ahtend mich in der Folge nachgiebig und bildfam erwies. |

Der Abdrud des erftien Bandes von Wilhelm

. Meifter war begonnen, der Entfchluß, eine Ar- beit, an ber ih noch fo viel zu erinmern hatte, für fertig zu erklären, war endlich gefaßt, und ich war ftob den Anfang aus den Augen zu haben, wenn mich fchon die Fortfegung fo wie die Ausficht auf eine nunmehrige Beendigung hoͤchlich bedraͤngte. "Die Nothwendigkeit aber iſt der befte Rathgeber.

In England erſchien eine Heberfeßung ber Iphi⸗ genla; Unger drudte fie nach; aber weder ein Eem⸗ plar des Originals noch der Eopte ift mir geblieben.

An dem Bergbane zu Ilmenau hatten wir ung Thon mehrere Jahre herumgequält; eine fo wichtige Unternehmung Ifolirt zu wagen, war nur einem ju⸗ gendlihen, thätig=frohen Uebermuth zu verzeihen. Innerhalb eines großen eingerichteten Bergweſens hätte fie ſich fruchtbarer fortbilden Können; allein

mit beſchraͤnkten Mitteln, fremden, obgleich fehr tüchtigen, von Zeit zu Zeit herbeigerufenen Officlan⸗ ten konnte man zwar ind Klare kommen, babet aber war die Ausführung weder umfichtig noch energifch

- genug, und das Werk, befonders bei einer ganz

37.

unerwartete» Raturbildung, mehr als einmal im Begriff zu ſtocken.

Ein ausgeſchriebener Gewerkentag ward nicht ohne Sorge von mir, und ſelbſt von meinem Colle⸗ gen, dem geſchaͤftsgewandteren Geh. Math Volgt, mit einiger Bedenklichkeit bezogen; aber uns kam ein Succurs, von woher wir ihn niemals erwartet . bitten. Der Zeitgeift, dem man fo viel Gutes und.- fo viel Böfes nachzufagen hat, zeigte ſich ale unfer. Alliirter, einige der Abgeordneten fanden gerade gelegen eine Art von Sonvent zu bilden, und fi. der Führung und der Leitung der Sache zu unter- ziehen. Anſtatt daß wir Commiſſarien alfo noͤthig gehabt haͤtten, die Litaney von Uebeln, zu der wir uns ſchon vorbereitet hatten, demuͤthig abzubeten, ward ſogleich beſchloſſen, daß die Repraͤſentanten ſelbſt ſich Punct fuͤr Punct an Ort und Stelle aufzu⸗ klaͤren und ohne Vorurtheil In die Natur der Sache zu ſehen fi bemühen follten.

Wir traten gern in den Hintergrund, md von jener Seite war man nachfichtiger gegen die Mängel, die man felbft entdedt hatte, zutraulicher auf die Huͤlfsmittel, die man felbft erfand, fo daß zuletzt alles, wie wir es nur wünfchen konnten, befchloffen. wurbe; und da es benn endlich an Gelde nicht feh- len durfte, um biefe weifen Rathichläge Ins Wert u fesen, fo wurden auch die nöthigen Summen verwillist- und alles em mit Wohlgefallen ausein⸗ ander.

38

Ein wunderſamer, durch verwitkelte Schickfale nicht ohne feine Schud verarmter Mann, hielt ſich durch meine Unterſtuͤtzung in Iimenau unter fremdem Namen auf. "Er war mir ſehr nirhtich, da er mir in Bergwerks- und Steuerſachen durch unmittel⸗ bare Anſchauung, als gewandter, obgleich. hypochon⸗ driſcher Geſchaͤftsmann, mehreres überlieferte, was ich ſelbſt nicht haͤtre bis auf den Grad einfehen und mit zu eigen machen koͤnnen.

Durch meine vorjährige Reiſe an ben Nieder rhein hatte ich mid; am Fritz Jakobi und die Fuͤrſtin Galizin mehr angenaͤhert; doch blieb es immer ein wunderbares Verhättnif; deſſen Art und Weite ſchwer auszuſprechen und nur durch den Begriff der ganzen Claſſe gebildeter, oder vielmehr der ſich erft bilden⸗ den Deutſchen einzufehen.

Dem beſten Theil der Natton war ein Licht auf⸗ gegangen, das fie as ber oͤden, gehalttoſen, ab⸗ haͤngigen Pedanterle. ald einem‘ kuͤmmerlichen Ste: ben herauszuleiten verſpyrach. Sehr viele waren zu⸗ gleich von demſelben Geiſt ergriffen, fie erkannten

die gegenſeitigen Verdienſte, fie achteten einander, fühlten das Beduͤrfniß fih zu verbinden, fie ſuch⸗ ten, fie Itebten fi, und dennvch konnte keine wahr⸗ hafte Einkgung entftehen: Das allgemeine Sntereffe, ſittlich, morafffih,, war boch eln vages/ unbeſtimm⸗ tes, und es fehlte im Ganzen wie im Einzelnen an ‚Richtung zu befondern Thaͤtigkelten. Daber zerfiel der große unfichtbare Kreis in Heinere, melft locale,

39

di mmmchod: Loblkche erſchufen unb hervorbrachten; aler Ageutien iſolitten ſich die bedentonden immer meht und · mehr. |

Es ift zwar dirß Die alte: Geſchichte, bierfih-bek.. Erneuerung und Belebung flarzer ſteckender Zuſtaͤnde gar oft ereignet hat, und magz alſo für ein litera⸗ ruqes Beiſptel geiten, deffen was wir in der polls ten und: kirchlichen Gefchtnte fo oft wiederholt fegen.

Die AHuapifigumen wirkten ihrem Geiſt, Sun- und Faͤhigkelt nach unbedingt; an fie fihteffen ſich ‚andere, die ſich zwar Kräfte fühlten, aber doch ſchon gefekig und untergeordnob zu wirlen nicht: abgenetgt waren; J

Kloßſrock fſey zuorſt genaunt. Geiſtig wende⸗ ten fi viele zu: ihmz feine beuſche abgemeſſene, immer Ghefurcht gebteteude Perfoͤnlichkeit aber lockte zu keiner Annaͤherung. An Wieland ſchloſſen ſich gleichfaluss wenige perfäntih: das Literarkihe Zu⸗ trauen abet war graͤnzonlos; bas fübliche Deutſche⸗ land, beſonders Wien, find: ihm ihre poetiſcht und proſaiſche Cultur ſchuldig; unuͤberſehbare Ein⸗ fenbungen: jedoch brachten ihn oft zu heiterer Ver⸗ jweirtung:

Herder wire fpdter. Sen anziehendes We⸗ fen fammelte nicht: elgentiich eine Menge um ihn ber, aber Einzelne geftalteten fih an und um Ihn, hielten an ihm fett, und hatten zu ihrem größtem Wortheile fih Ihm ganz hingegeben. Und fo hatte

»

40

fi kleine Weltſpſteme gebildet. Auch Sleim war ein Mittelpunet, um den ſich viele Talente verfan- melten. Mir wurden viele Sprudelköpfe zu Theil, welche faft den Ehrennamen eines Genie's zum Spitz⸗ namen herabgebracht hätten.

Aber bei allem diefen fand fich das Sonderbare, daß nicht nur jeder Häuptling, fondern auch jeder Angeordnete feine Selbftftändigfeit fefthielt und au= dere deßhalb an und nad) fich In feine befonderen Ge⸗ finnungen heranzuziehen bemüht war: wodurch denn die feltfamften Wirkungen und Gegenwirfungen ſich bervorthaten.

Und wie Lavater forderte, daß man fi fi ch nach feinem Beiſpiel mit Chriſto transfubftantliren muͤſſe, ſo verlangte Jakobi, daß man ſeine individuelle, tiefer. ſchwer zu definirende Denkweiſe in ſich auf⸗ nehmen ſolle. Die Fuͤrſtin hatte in der katholiſchen Sinnesart, innerhalb der Ritualitäten der Kirche, die Möglichkeit gefunden, ihren edlen Zwecken gemäß zu leben und zu handeln. Diefe beiden liebten mih wahrhaft, und ließen mich im Augenblid gewähren, jedoch immer mit ſtiller, nicht ganz verheimlicter Hoffaung mic ihren Gefinnungen völlig anzueignen; ſie ließen ſich daher manche von meinen Unarten ge=

fallen, die ich oft aus Ungeduld und um mir gegen fie Luft zu machen, vorfäglich ausübte.

Im Ganzen war jedoch jener Zuftand eine arl- ftofratifche Anarchie, ungefähr wie der Conflict je- ner, eine bedeutende Selbſtſtaͤndigkeit entweder fchon

r

S 44

befitenden ober au erringen ſtrebenden Gewalten ins Spittelalter. Auch war es eine Art Mittelalter, das einer höheren Eultur voranging, wie wir jest wohl überfehen , da und mehrere Einblide in diefen nicht zu befchreibenden, vieleicht für Nachlebende nicht za faffenden Zuftand eröffnet worden. Hamanns Briefe find hiezu ein unſchaͤtzbares Archiv, zu wel- dem der Schlüfel Im Ganzen wohl möchte gefun⸗ ben werden, für bie einzelnen geheimen Faͤcher vielleicht nie.

Als Hauẽkgenoſſen beſaß ich nunmehr meinen aͤlteſten Roͤmiſchen Freund, Heinrich Meyer. Erinnerung und Fortbildung Itallaͤniſcher Studien blieb tägliche Unterhaltung. Bei dem letzten Auf» enthalt in Venedig hatten wir und aufs Nene von, Grund aus verftändigt und uns nur defto Inniger . verbunden. \

- Wie aber alles Beitreben, einen Gegenſtand zu faſſen, in der Entfernung vom Gegenſtande ſich nur verwirrt, oder, wenn man zur Klarheit vorzudrin⸗ gen ſucht, die Unzulänglichfeit der Erinnerung fühl- bar macht, und immerfort eine Ruͤckkehr zur Quelle ded Anſchauens in der lebendigen Gegenwart for- dert, fo war ed auch hier. Und wer, wenn er auch mit wenigerem Ernft in Stallen gelebt, wuͤnſcht nicht Immer dorthin zuräd zu Fehren !

Noh aber war der Zwiefpalt, den das willen: fhaftlihe Bemühen in mein Dafeyn gebracht, kei⸗ neöweges ausgeglichen: denn die Art, wie ich bie

43

Naturrvfchrungen behaubeite, ſchien die Wrigen Seelenkruͤſte ſaͤmmtlich für fi: u fordern.

In bieſenn Drange des Widerſtroits uͤbertraf ale mem Wuͤrſche und Hoffnungen das auf: einmal ſich entwiceinde Verhaͤltniß zu Schiller; vom ber erben Amaͤherung an- war es ein maufhaktſames Fortſchreiten phlloſophlſcher Ausbildung. und Aftheti- ſcher Thaͤtigtolt. Zum Behuf feiner Horen mußte ihen ſehr angelegen ſeyn, was: id im Stillen gear⸗ beitet, angefangen, unternommen, ſaͤmmtlich zu kennen, nou: anzurogen und zu benutzen; für mich war ed ein neuer Fruͤhling, In weichem alles froh nebeweinander feine und aus aufgefchloffenen Sa—⸗ men und Zwrigen hervorging: Die nunmehr geſam⸗ mielten und georbneten belderſeitigen Briefe geben en das. unmittelbarſte, reinſte und vollſtaͤndigſte

ugniß.

1795

Die Horn wurden ausgegeben, Gpifteln, Clegien, Unterhaltungen der - Ausgewan⸗ derten von meiner Seite beigetragen: Außerbem- überlegten und beriethen wir gemelnfan ben ganzen - Inhalt diefer neuen Zeitſchrift, die Verhaͤltniſſe ber. Mitarbeiter und was bei dergteichen Unterneh⸗ mungen fonft- vertommen mag. Hiebei lernte ih Mitiebende kennen, ich ward mit Autoren und Pro⸗

49:

durtione Delamıt, bie mie ſonſt niemals einige Yufmertfanttelt abgewonnen Bitten, Gällfer war überhaupt weniger ausſchließend ale ich, unb mußte nehfichtig ſeyn als Herausgeber.

Bei allem. dieſem Eonnt’ ich mich nicht enthalten Anfangs July nah Carlsbad zu gehen, und über vier Wochen dafelbft zu verweilen. In jüngern Jah⸗ ren iſt man ungeduldig bei den Heinften lebeln, und Carlsbad war mir fchon oͤfters heilfam gewefen. Vergebens aber hatt’ ich mancherlei Arbeiten mitge- nommen, denn die auf gar vielfache Weiſe mich be- rührende große Maſſe von Menſchen zerftreute, hin⸗ berte mich, gab mir freilich aber auch manche neue Ausſicht auf Welt und Perfönlichkeiten.

Kane wat ich zuruͤch; ale don Iſmenau bie Nach⸗ richt sinkiefi, eiuibebensender Stollonbruch Habe dem dostigew Beugknu‘: den Garaus gemacht. Ich eilte bin, nad ſah wicht ohne Bedenken und Betruͤbniß ein West, worauf: ſo viel Zeit, Kraft und Gelb ver⸗ wendet werben, im: ſich ſelbſt erſtickt und begraben.

Erhelternd war mir dagegen die Geſellfchaft mei⸗ nes fuͤnffaͤhrigen Sohnes, der dieſe Gegend, an ber Ich mich: num -Feit zwanzg Jahren muͤde goſehen und gebaut, mit friſchen Nndlichem Stan: ıbeber' anffapte, alle Gegenſtaͤnde, Verhaͤltniſſe, Chättgs fetten mit neuer Lebendluft ergriff und, viel entſchie⸗ dener als mit Worten haͤtte geſchehen koͤmen, durch die That auoſprach: daß dem Abgeſtorbenon itm⸗

44

mer etwas DBelebtes folge, und der Antheil ber Menfhen an diefer Erde niemals erlöfchen könne. Bon da warb ich nach Eifenac gefordert; ber Hof weilte dafelbft mit mehreren Fremden, befon= ders Emigrirten. Bedenkliche Kriegebewegungen tiefen jederman zur Aufmerkſamkeit: die Defterret- her waren 60,000 Mann über den Mayn gegan- gen, und es ſchien ald wenn in der Gegend von Frankfurt die Ereigniffe lebhaft werben ſollten. @t- nen Auftrag, der mih dem Kampfplatze genähert hätte, wußte ich abzulehnen; ich kannte das Kriegs⸗ unheil au fehr, als daß ich es hätte auffuchen follen. Hier begegnete mir ein Tal, an welchen ich öf- tere zu denken Im Leben Urfache hatte. Graf Du: manoir, unter allen Emigrirten ohne Frage ber am meiſten Gebildete, von tüchtigem Charakter und reinen Menfchenverftand, deſſen Urtheil ich meift unbefangen gefunden hatte er begegnete mie in Eiſenach vergnügt auf der Straße und erzählte, was in der Frankfurter Zeitung Günftiges für Ihre Angelegenheiten ſtehe. Da ich doch auch- den Gang des Weltweſens ziemlich vor mir im Sinne hatte, fo ftußte ih und es fehlen mir unbegreiflih, wie dergleichen fich follte ereignet haben. Ich eilte das ber mir dad Blatt zu verfchaffen, und Tonnte beim Lefen und Wiederlefen nichts Aehnliches darin finden, bie Ich zuletzt eine Stelle gewahrte, die man allenfalld auf diefe Angelegenheit beziehen Eonnte, da fie denn aber gerade das Gegentheil würde bedeutet haben.

45

Fruͤher Hatte Ich fchon einmal ein Stärkeres, aber freilich auh-von einem Emigrirten vernommen. Die Franzoſen hatten fich bereits über ber ganjen Dberflähe ‚ihres Waterlandes auf alle Welle gemor⸗ det; bie Affignate waren zu Mandaten, und biefe wieder zu nicht geworben; von allem dem war um- ftändiich und mit großem Bedauern die Nede, als ein Marquis nilt einiger Beruhigung verfeßte: dieß fey zwar ein großes Ungluͤck, nur befürchte er, es werde noch gar der bürgerliche Krieg ausbrechen und der Stantsbanquerutt unvermeidlich ſeyn.

Wem dergleichen von Beurthellung unmittelba- zer Lebensverhältniffe vorgefommen, der wird ſich nicht mehr wundern, wenn ihm in Meligion, Phi⸗ loſophie und Wiffenfchaft, wo des Menfchen abge- fondertes Innere in Anſpruch genommen wird, eben ſolche Verfinfterung des Urtheils und der Meinung am hellen Mittag begegnet.

In derfelben Zeit ging Freund Meyer nah Ste: lien zuruͤck; denn obgleich der Krieg in der Lombar⸗ dep ſchon heftig geführt wurde, fo war doch Im uͤbri⸗ sen alles noch unangetaftet, und wir lebten im Wahn bie Jahre von 87 und '88 wiederholen zu können, Seine Entfernung berandte mich alles Geſpraͤchs ber bildende Kunft, und felbft meine Vorbereitung ihm zu folgen, führte mich anf andere Wege.

San; abgelenft und zur Naturbettachtung zurüd- geführt ward ich, als gegen Ende bes Jahrs die bei- den Gebrüder von Humboldt in Jena erſchle⸗

u

26

ven. Bis nahmen boiderſeits in dieſen Augen⸗ Bild an Naturwiſſenſchaftan ‚großen Anthell, und ich konnte mich nicht enthalten, meine Ideen aͤber varglaichende Anatomie amd „baren: methohiſche Be⸗ handlung im Geſpraͤch mitzuth eilen. Daman meine Darſtell ngen zuſammenhangend und ziamlich voll⸗ ftändig-ersrhtate , ward Ich aringend auigefordert fie au Mepter-gu. buingen, Aueiches ich auch ſogleich be⸗ folgte, indem ich an Max Jalobi das Grundſchama ainer verglaichenden Knochenlehre, ‚gegenwärtig wie es mir war, dictirte, den Fraunden Gnuͤge that ‚und: wir ſelbſt einen Anhaltepnund gewann, woran ih .meine weiteren Betrachtungen Inüpfen-Tannte. Alexcander yon Humboldt's Einwmiskungen ‚serlaugen. beſonders behandelt zu werben. Seine Gegenwart in Sana fördert: die vergleichende Auat o⸗ abe; er und ſein aͤlkerer Bruder bowogon mich, das noch vorhandene allgemeine Schema gzundictiren. Bei ſeinem Aufenthalt In. Bayreuth iſt mein brief⸗ liches Perhaͤltniß zu Ihm Febr intereſſant. | Gleichzoitig and verbunden mit iom tritt Geh. Math Wolf ven einer anbern Seite, doch im allge⸗ mainen Sinne mit ia unſern Krais. Die Merfenbung. ber Frelaxemplare van Wil⸗ heim Meiſters orftem Theil befchäftiste mich sine Weile, Die Poaauntwortung; war nur theilweiſe er- freulich, im Ganzen keineswegs foͤrderlich; doch bleiken die Briefe wie ſie damals einlangten und noch porhanden Und, immer bedentend amd beſeh⸗

47

nd. HMezognund⸗Peisz von · Gothha, Fuer von Femı- tsuhergbafelti, vou Thuͤmmel, meine Matter, Shmmering, Schloſſer, won Humbaldt, von Dal⸗ derg ſin Mandhein, Woſt, Diemmeiften, wenn man es gemau nicnant, se daſendando, gagen bie ge- heime Gewalt des Werlkes ſich In Moſitur ſetzand. ‚Bine. geiſtxeiche; gellebte Freundin aber beachte mich ganz beſondens in Benzweillung, durch Ahnung manches Beheimuiffes, Peſtreban nach Enthalang und ängfilihe Deuteley, auſtatt daß ich gemischt hätte, ‚mean moͤchte die. Sache mehmen:mie fie ing and ſich ben faßlichen Bin gueignen. Judem un Unger bie Kosttehung. beirkehb and . den sweuten Wand zu beſchleuntgen fnchte, argab fh ein widerwästiges Verhaͤltaiß mit Sapellmeiſter Neihardt. Man mar mit ihm, nugmihbtet fel- ner vor⸗ und zudringlichen Ratur, in Mikstlicht auf ſein bedentendes Talent, in gutem Vernehmen ge⸗ fanden, er mar ber erſte, der mit Gruſt und Bite= tigkeit zusine lyrifchen Arbeiten durch RU ind Mll⸗ gemeine ſoͤrdoerte, und obnahin lag es in ‚meiner Art aus herlaͤmwlicher Danfharkeitunbeaueme Man⸗ ſchen fortzudalhen, wenn ſie mir es nicht gar au arg machten, alsdann aber meiſt mit Ungeſtuͤm ein ſol⸗ ches Verhaͤltniß abzubrechen. un hatte ſich Rei⸗ ‚Hardt mit Wuth und Ingrimm din die Reralution geworfen; ich :aber, ‚die. gräutichen nnaufhaltſamen Folgen, folder gewaltthätig aufgelösten Auftäude. mit Augen fhauend und zugleich ein ähnliches Geheim⸗

Sf

a8

treiben im Waterlande buch und durchblickend, hielt ein- für allemal am Beſtehenden feſt, an deſ⸗ fen Verbefferung, Belebung und Richtung zum Sin= ulgen, Verftändigen, ich mein Lebenlang bewußt - und unbewußt gewirkt hatte, und konnte und wollte biefe Geſinnung nicht verhehlen.

Reichardt hatte auch bie Lieder zum Wilhelm Mei- ſter mit Gluͤck zu componiren angefangen, wie denn immer noch feine Melodie zu: „Kennſt du das Land,’ als vorzüglich bewundert wird. Unger theilte ihm die Lieder der folgenden Bände mit, und fo war er. von der muflfalifhen Seite unfer Fremd, von der politifchen unfer Widerſacher, da⸗ ber fih im Stillen ein Bruch vorbereitete, der zu⸗ lest unaufhaltfam an den Tag Fam.

Ueber das Verhaͤltniß zu Jakobi habe ich hier- naͤchſt beſſeres zu fagen, ob es gleich auch auf kei⸗ nem fihern Fundament gebaut war. Lieben und Dulden und von jener Seite Hoffnung, eine Sin⸗ nes veraͤnderung In mir zu bewirken, bdrüden es am fürzeften aus. Er war vom Rheine wegwandernd nach Holfteln gezogen, und hatte die freundlichfte Aufnahme zu Entendorf in der Familie des Grafen Neventlau gefunden; er meldete mir fein Behagen an den dortigen Zuftänben aufs reizendſte, befchrteb verfhiedene Familienfeſte zur Fever feines Geburts⸗ tage und. des Grafen, anmuthig und umftändlid, wotauf denn auch eine wiederholte dringende Ein- dadung dorthin erfolgte. x

etz

|

|

49

Dergleihen Mummereyen Inderhalb eines ein- Tahen FZamilienzuftandes waren mir Immer wider- wärtig, die Ausſicht darauf ſtieß mich mehr ab als daß fie mich angezogen hätte; mehr aber noch hielt mich das Gefühl zurüd, daß man meine menfähliche . und dDichterifche Freiheit durch gewiſſe conventlonelle Sittlichkeiten zu defhränfen gedachte, und Ich fühlte mich Hierin fo feft, daß ich der dringenden Anfor- derung, einen Sehn, der in der Nähe ftudirt und promovirt hatte, dorthin zu geleiten, keineswegs Folge leiſtete, fondern auf meiner Weigerung ftand- haft verharrte.

Auch ſeine Briefe uͤber Wilhelm Meiſter waren nicht einladend; dem Freunde ſelbſt ſo wie ſeiner vornehmen Umgebung erſchien das Reale , noch dazu eines niedern Kreiſes, nicht erbaulih; an der Sitt- lichleit hatten die Damen gar manches auszufehen, und nur ein einziger tächtiger überfchauender Welt- mann, Graf Bernftorf, nahm bie Partey des be- drängten Buches. Um fo weniger konnte der Au- tor Luft empfinden, ſolche Lectionen perfünlich ein- zunehmen und fih zwiſchen eine wohlmollende lie— denswürdige Pedanterie und den Theetiſch geklemmt zu ſehen.

Von der Fuͤrſtin Galizin erinnere ich mich Nnicht, etwas über Wilhelm Meiſter vernommen zu haben, aber in diefem Jaͤhre Härte. fih eine Ver⸗ wirrung auf, welche Jakobi zwiſchen ung gewirkt batte, ich weiß nicht, ob aus leichtſi Aue en

Sorthe’d Werte. XXXI. 8

50

oder Vorſatz; es war aber nicht Löblich, und wäre die Zürftin nicht fo reiner Natur gewefen , fo hätte ſich fruͤh oder fpat eine unerfreuliche Scheidung er- geben. Auch fie war von Münfter vor den Fran— zofen geflohen; ihr großer, durch Religion geftärkter "Charakter hielt fih aufrecht, und da eine ruhige Thätigkeit fie überall hinbegleitete, blieb .fie mit mir In wohlmollender Verbindung, und ich war froh in jenen verworrenen Zeiten ihren Empfehlungen gemäß manches Gute zu ftiften.

Wilhelm von Humboldts Theilnahme war indeß fruchtbarer; aus feinen Briefen geht eine flare Einfiht in das Wollen und Vollbringen her- vor, daß ein wahres Förderniß daraus erfolgen mußte. . ; Schillers Theilnahme nenne ich zuleßt, fie war. die Innigfte "und hoͤchſte; da jedoch Wr Briefe

hierüber no vorhanden find, fo darf ich weiter nichts fagen, ale daß die Bekanntmachung derfelben wohl eing ber fhönften Geſchenke feyn möchte, die man einem gebildeten Publicum bringen kann.

Das Theater war ganz an mic gewiefen; was ih im Ganzen ühberfahb und leitete warb durch Kirmes ausgeführt; Vulpius, dem es zu diefem Geſchaͤft an Talent nicht fehlte, griff ein mit zweck⸗

mäßiger Thätigkeit. Was Im Laufe dieſes Jahrs

geleljtet wurde, iſt ungefähr folgendes: Die Zauberflöte gewährte noch immer ihren fenyeren Einfluß, und die Opern zogen meht an als

8

51

alles ebrige. Don Juan, Doctor und Apo—— thefer, Coſa Rara, das Sonnenfeft der Braminen befriedigten das Publicum. Leſſings Werke tauchten von Zeit zu Zeit auf, doch waren eigentlich Schroͤderiſche, Ifflandifhe, Kotzebtjeſche Stuͤcke an der Tagesordnung. Auch Hagemann und Großmann galten etwas. Abellino ward den Schilleriſchen Stuͤcken ziemlich gleichgeſtellt, unſere Bemuͤhung aber, alles und jedes zur Erſchei⸗ nung zu bringen, zeigte ſich daran vorzuͤglich, daß. wir ein Stüd von Meyer, ben Sturm vom Bodsberg, aufzuführen unternahmen, freilid- mit wenig Gluͤck; indeſſen hatte man doch ein fol- ches merkwuͤrdiges Städ gefehen und fein Dafeyn wo nicht beurtheilt Doch empfunden.

Daß unfere Schaufpieler in Lauchftädt, Erfurt... Rudolſtadt von. dem verfchledenften Publicum mit Freuden aufgenommen, durch Enthuflasmus belebt. . und duch gute Behandlung In ber Achtung gegen ſich ſelbſt gefteigert wurden, gereichte nicht zum ge⸗ ringen Vortheil unferer Bühne und zur Aufriſchung einer Thätigleit, die, wenn man baffelbe Publi⸗ cam immer vor fich fieht, deſſen Charakter, deſſen Urtheilsweife man kennt, gar bald zu erfchlaffen pflegt. we

Wenden fih nun meine Gebanten von dieſen Heinen, in DVergleih mit: dem Weltweſen hoͤchſt unwichtigen Verhälthiffen zu diefem, fo muß atr- jener Bauer einfallen, den ich bei der Belagerung;

/

52

von Maltıy, Im Bereich der Kanonen, hinter einem auf Rädern vor fih Hingefchobenen Sthanzforbe feine Selbarbeht verrichten ſah. Der einzelne beſchraͤnkte Menfſch gibt ſeine naͤchſten Zuſtaͤrde nicht anf, wie auch dad große Ganze fich verhalten möge.

Nun verlauteten die Baſeler Friedens - Yrätfmt- narien und ein Schein von Hoffnung ging dem nörb- lichen Dertſchland auf. Preußen machte Frieden, Oeſterreich fette den Krieg fort; und nun fühlten wie uns in neuer Sorge befangen; denn Shurfachfen verweigerte den Beitritt zu einem 'befondern Frie⸗ den. Unſere Gefhäftsmänner und Diplomaten be⸗ wegten ſich nun nach Dresben, und unfer gnaͤdigſter Herr, anregenb alle und tiydtig- vor allen, begab fih nah Deffau. Inzwkſchen hörte man von Be⸗ wegunyen unter den Schweizer Landleuten, befon- ders am oberen Zuͤrcherfee; ein deßhalb efmgeleiteter Proceß regte den Widerſtreit der Geſinnungen nody mehr auf; doch bald warb unfere Theilnahme fchon - wieder: im bie Nähe gerufen. Das rechte Mayn⸗ ufer ſchlen abermals unſicher, man fürchtete fogar - fuͤr unſere Gegenden, eine Demarcattongtinte kam zur Sprache; doppelt und dreyfach traten: Zweifel und George hervor.

Clairfait tritt auf, wir halten und an Chur: ſachfen; nun werben aber ſchon Vorbereltungen und Anſtalten gefordert, und: ald man Kriegs: ſteuern ausfchreiben muß, fommt man endlich auf den gluͤcklichen Gedanken, auch den Geiſt, an den

=

53

mau bieher nicht gedacht Hatte, contribnabel zu machen; doc verlangte man nur von ihm. ein Don Gratuit.

In dem Laufe dieſer Jahre hatte ‚meine Mutter den wohlbetellten Weinkeller, die in manchen Faͤ⸗ hern wohlausgeruͤſtete Bibliothek, eine Gemaͤhlde⸗ Sammlung, das Beſte damalizer Kuͤnſtler enthal⸗ tend, und mas ſonſt ‚nicht alles verkauft, nad ich ſah, indem fie dabei nur eine Buͤrde los zu feyn froh war, bie ernfte Umgebung meines Waters zer⸗ ftädt und verfhlendert. Es war .auf meinen Au⸗ trieb gefheben, niemand -Ionnte damals dem an⸗ dern rathen noch helfen. Zuletzt blieb das Haus noch übrig; dieß wurbe endlich auch verkauft und die Meubeld, die fie nicht mitnehmen wollte, zum Abſchluß in einer Auction vergeubet. Die Auslicht auf ein neues luſtiges Quartier an ber Haupt⸗ wache realifirte fih, und dieſer Werhfel gewährte zur Zeit, da nach worüherfiiegenber Frie dens hoffnung neue Soxge wieder eintrat, ihr eine zerſtrenende Beſchaͤftigung.

Als bedeutendes und fuͤr die Folge fruchtbares Familien⸗Ereigniß habe ich zu bemerken, daß Ni⸗ colovius zu Eutin wohnhaft meine Nichte heirathete, bie Tochter Schloſſers und meiner Schweſter.

Außer den gedachten uͤnbilden brachte der Ver⸗ ſuch, entſchiedene Idealiſten mit den hoͤchſt realen akademiſchen Verhaͤltniſſen in Verbindung. zu ſetzen,

7

51

“Fortdanernde Merdrießlichkeiten. Fichtens Abficht, - Sonntags zu lefen und feine von mehreren Seiten gehinderte Thätigkeit frei zu machen, mußte den Widerſtand ſeiner Collegen hoͤchſt unangenehm em⸗ pfinden, bis ſich denn gar zuletzt ein Studenten⸗ Haufen vors Haus zu treten erkuͤhnte und ihm die »RFenſter einwarf: bie unangenehmfte Welfe von dem Daſeyn eines Nicht-Ichs überzeugt zu werben.

Aber nicht feine Perföntichkeit allein, auch die ‚eines andern machte den Unter- und Oberbehoͤrden "viel zu fhaffen. Er hatte einen denkenden jungen. Mann Namens Weißhuhn nach Jena berufen, einen Gehuͤlfen und Mitarbeiter an ihm hoffend; allein dieſer wich bald in einigen Dingen, das helßt für einen Philoſophen in allen, von ihm ab, und > ein reines Zuſammenſeyn war gar bald geftört, ob "wir gleih zu den Horen deffen Thellnahme nicht verſchmaͤhten. |

Diefer Wadere, mit den dußeren Dingen noch weniger als Fichte ſich ins Gleichgewicht zu ſetzen faͤhig, erlebte bald mit Prorector und Gerichten die unangenehmſten perſoͤnlichen Haͤndel; es ging auf Injurien-Proceſſe hinaus, welche zu beſchwichtigen man von oben her die eigentliche Lebenẽwe isheit hereinbringen mußte.

Wenn uns nun die Philoſophen kaum beizule⸗ gende Haͤndel von Zeit zu Zeit erneuerten, ſo nah⸗ men wir jeder guͤnſtigen Gelegenheit wahr, um die eegenenen der Naturfreunde zu befoͤrdern.

4

55

Der geiſtig ſtrebende und unaufhaltſam vordringende Batſch war denn im Wirklichen doch ſchrittweis zu⸗ frieden zu ſtellen, er empfand ſeine Lage, kannte die Mittel die uns zu Gebote ſtanden, und beſchied fh in billigen Dingen. Daher gereichte ed ung zur Sreude, ihm fin dem fürftlihen Garten einen fefteren Zuß zu verfhaffen; ein Glashaus, hin⸗ reichend für den Anfang, ward nach feinen Angaben errichtet, wobei die Ausſicht auf fernere Begänftt- gung fi von ſelbſt hervorthat. Fuͤr einen Theil der Jenaiſchen Buͤrgerſchaft ward auch gerade In dieſer Zeit ein bedeutendes Gefhäft beendigt. Man hatte den alten Arm der

Saale oberhalb der Nafenmühle, der durch mehrere

Krämmungen die fhönften Wiefen des rechten Ufere in Kiesbette des linken verwandelte, ins Trodne zu legen einen Durchftih angeordnet, und .den Fluß in gerader Linte abwärts zn führen unternommen. Schon einige Jahre dauerte die Bemühung, welde endlich gelang, und den anftoßenden Bürgern, gegen geringe frühere Beiträge, ihre verlornen’ Räume wieder gab, Indem ihnen die alte Saale und die indeß zu nupbaren Weidichten herangewachfenen Kiesraͤume zugemeffen und fie auf diefe Weiſe über

eihre Erwartung befriedigt wurden; weßhalb fie auh

eine feltene Dankbarkeit gegen die Vorgeſetzten des Geſchaͤftes ausdruͤckten. Unzufriedene machte man jedoch auch bei dieſer

Gelegenheit: denn auch ſolche Anlieger, die Im“

Pr

56

Unglauben auf den Erfolg bes Geſchaͤftes die fruͤ⸗ heren geringen Beiträge verweigert hatten, ver- langten ihren Theil an dem eroberten Boden, wo nicht als Recht doc als Gunft, die aber bier nicht ftatt haben konnte, Indem herrfchaftiiche Caſſe für ein bedeutendes Opfer einige Entfhädigung an dem -errungenen Boden zu fordern hatte.

Dreyer Werke von ganz verfchledener Art, wel- he jedoch In diefem Jahr das größte Auffehen er- tegten, muß ich noch gedenken... Dumouriez Leben ließ ung in bie befondern Morfallenheiten, wovon und das Allgemeine leider genugſam befannt mar, tiefer hineinfehen, manche Charaktere wurden uns aufgefhloffen, und der Mann, der nnd Immer ‚viel Antheil abgewonnen ‚hatte, erfhlen ung Härer und im günftigen Lichte. Gelftreihe Frauenzim⸗ mer, die denn doch immer Irgendwo Neigung unter- zubringen genöthigt find, und den Tageshelden ‘wie bilig am meiſten begünftigen, erquidten und erbauten fih an dieſem Werke, das ich forgfältig ſtudirte, um die Epoche feiner Großthaten, von denen ish perfönlich Zeuge gemwefen, mir bis Ins einzeln Ge⸗ heime genau zu vergegenwärtigen. Dabei erfreute ih mich denn, daß fein Wortrag mit meinen Er= fahrungen und Bemerkungen yolllommen uͤberein⸗ ſtimmte.

Das zweyte, dem allgemeinen Bemerken ſich aufdringende Werk, waren Balde's Gedichte,

Mwelche nach Herders Uebexſetzung, jedoch mit Ver⸗

+

57 _

heimlichung des eigentlichen Autors, ans Licht kamen und ſich der ſchoͤnſten Wirkung erfreuten.

Bon reichem Zeitgehalt, mit Deutſchen Geſin⸗ nungen ausgeſprochen, wären fie immer vollkommen gewefen; Eriegerifch verworrene Zeitläufte aber, die fih in allen Jahrhunderten gleichen, fanden in die⸗ fem dichterifhen Spiegel ihr Bild wileder, und man. empfand als wie von geftern, mas unfere Urpor⸗ fahren gequält und geängftigt hatte.

Einen ganz andern Kreis bildete ſich das britte Wert. Lichtenbergs Hogarth und das In—⸗ tereffe daran war eigentlich ein gemactes: denn wie hätte der Deutfche In beffen einfachem reinen Zuftande fehr felten ſolche exsentrifhe Fragen vor— fommen, bieran fich wahrhaft vergnügen koͤnnen? Nur die Tradition, die einen von feiner Nation hoch⸗ gefeyerten Nomen auch auf dem Gontinent hatte geltend gemacht, nur die Seltenheit, feine wunder⸗ lihen Darftellungen volſſtaͤndig zu beſitzen, und die Bequemlichteit, zu Betrachtung und Bewunderung feiner .Werfe weder Kunſtkenntniß noch hoͤheren Sinne zu bedürfen, fondern allein böfen Willen

und Verachtung der Menſchheit mitbringen zu kͤn⸗

nen, erleichterte die. Verbreitung ganz beſonders, vorzuͤglich aber daß Hogarths Witz auch Lichtenheige Witzeleyen den Weg gebahnt hatte.

Junge Männer bie von Kindheit auf, ſeit bel⸗ nahe zwanzig Jahren an meiner Seite heranfge- wachſen, fahen ſich nunmehr In der Welt um, und

58

die von ihnen mir zugehenden Nachrichten muß- ten mir Freude machen, da ich fie mit Verftand und Thatkraft auf Ihrer Bahn weiter fchreiten ſah. Friedrich von Stein hielt fih in England auf und gewann daſelbſt für feinen technifhen Sinn viele Vortheile. Auguf von Herder fchrieb aus Nenfchatel, wo er fih auf feine übrigen Lebens⸗ zwecke vorzubereiten dachte. °

. Mehrere Eimigrirte waren bei Hof und In der Geſellſchaſt wohl aufgenommen, allein nicht alle be- gnuͤgten fih mit diefen fochalen Vorthellen. Manche von ihnen hegten die Abficht, bier wie an andern Drten, durch eine Löhliche Thätigkeit ihren Lebens- ‚unterhalt zu gewinnen. Ein waderer Mann, ſchon vorgerüdt in Jahren, mit Namen von Wendel, brachte zur Sprade, daß in Ilmenau, bei einem geſellſchaftlichen Hammerwerke, der herzoglichen Kammer einige Antheile zuſtanden. Freilich wurde dieſes Werl auf eine ſonderbare Weiſe benutzt, in⸗ dem die Hammermeiſter in einem gewiſſen Turnus arbeiteten, jeder fuͤr ſich ſo gut er vermochte, um nach kurzer Friſt ſeinem Nachfolger abermals auf

deſſen eigne Rechnung zu uͤberlaſſen. Eine ſolche

Einrichtung laͤßt ſich nur in einem altherkoͤmmlichen Zuſtande denken, und ein hoͤher geſinnter, an eine freiere Thaͤtigkeit gewoͤhnter Mann konnte ſich hierin nicht finden, ob man ihm gleich die hertſchaftlichen Antheile für ein maͤßiges Pachtgeld uͤberließ, das man Me nie eingeforbert hätte, Sein ord⸗

59

%

nungsliehender, ins Ganze res. Geiſt Tuchte durch erweiterte Plane feine Unzufriedenheit zu beſchwich⸗ tigen; bald follte man mehrere Theile, bald das Ganze zu acquiriren fuchen:. beides war unmoͤglich, da fich die mäßige Griftenz einiger ruhigen Familien auf dieſes Gefchäft gründete.

Nach etwas anderem war nun der Geiſt gerich⸗ tet; man baute einen NReverberir- Ofen, um altes Eiſen zu ſchmelzen und eine Gußanſtalt ing Wert zu richten. Man verfprach ſich große Wirkung von der aufwärts concentrirten Gluth; aber fie war groß über alle Erwartung: denn das Dfengemölbe ſchmolz zufammen, Indem das Eifen zum Fluß kam. Noch manches andere ward. unternommen ohne gluͤcklichen Erfolg; der gute Mann, endlich empfin- dend daß er gänzlich aus feinem Elemente entfallen ſey, gerieth In Verzweiflung, nahm eine übergroße Gabe Opium zu fih, die, wenn nicht auf der Stelle doch in ihren Folgen, feinem Leben ein Ende machte. , Freilich war fein Ungluͤck fo groß, daß weder die Cheilnahme des’ Fürften noch die wohlwollende Thaͤ⸗ tigkeit der beauftragten Näthe Ihn wieder herzu- ftefen vermochte. Weit entfernt von feinem Water- - lande, in einem ſtillen Winter des Thüringer Wal- des fiel auch er ein Opfer der grängenfofen Um⸗ waͤlzung.

Von Perſonen, deren Schickſalen und Verhaͤlt⸗ niſſen bemerke Folgenbes:

Schloſſer wandert aus und begibt ſich, da

60 man nicht au jedem Afol verzweifeln konnte, nach

Anſpach, und hat die Abficht bafelbit zu verbleiben. -

Herder füplt fih von einiger Entfernung, bie

fih nach und nach hervorthut, betzoffen, ohne bag

dem daraus eutftehenden Mißgefühl wäre zu helfen geweien. Seine Abneigung gegen die Kautiſche Phi⸗ lofophie und daher auch gegen bie Akademie Jena,

batte ſich immer geſteigert, während ich mit beiden

durch das Verhaͤltniß zu Schiller Immer mehr zu⸗ fammenwuhe. Daher war jeder Verſuch bag alte

Verhaͤltniß herzuſtellen fruchtlod,.um fo mehr als Wieland bie neuere Lehre felbft in der Perfon feines Schwiegerſohns verwünfchte, und als Latitudinarier fehr übel empfand, daß man Pflicht und Recht durch Bernunft, fo wie es ‚hieß, firiten und allem hu— moriſtiſch⸗poetiſchen Schwanken ein Ende zu machen drohte.

Traurig aber war mir ein Schreiben. bed hoͤchſt bedeutenden Carl von Mofer. Ich hatte ihn früher auf dem Gipfel miniſterieller Machtvolllom⸗ menheit geſehen, wo er den. Ehecontrakt zwiſchen unſerm theuren Fuͤrſtlichen Ehepaar aufzuſetzen nach Carlsruhe berufen ward, zu einer Zeit, wo er mir ‚manche Gefaͤlligkeit erwles, ja einen Freund durch entſchledene Kraft und Einfluß vom Untergang er⸗ rettete. Diefer war nun ſeit zwanzig Jahren nach and nah in feinen Vermoͤgens-Umſtaͤnden derge- ftalt zurüdgelommen, daß er auf einem alten Berg: ſchloſſe Zuingenberg eig Hunmerlihes Leben führte,

Te A Fi ] PR

61 | #4

Year wollte er ſich andy einer feinen Gemaͤhldefamm ung entaͤußern, die er zu befferer Zeit mit Ge: ſchmact um fi verfammelt hatte; er verfangte meine Mitwirkung, und ich konnte fein zartes drin gendes Verlangen leider nur mit einem freundlich hoſtichen Btief erwiedern. Hierauf iſt bie Ant⸗ wort eines geiſtreichen bedraͤngten und zugleich in ſein Schickſal ergebenen Mannes von det Art, daß fie mich noch jetzt wie damals ruͤhrt, da ich im weinen: Bereich kein Dritter fahr, folchem Beduͤrf⸗ afffe abzuthelfen.

Anateınte und Phyfivlvgie verlor ih dieſes Jahr faſt nicht aus den Augen: Hoftath Loder demon⸗ ſtrirte das menſchleiche Gehirn einem Heinen Freun⸗ des» Cirkel, hergebrachtet Wekfe, In Schichten von oben herein, mit’ ſeiner ihn auszeichnenden Klar⸗ hekt. Die Cumperſchen Arbeiten wurden mit dem⸗ ſelben durchgeſehen und durchgedacht.

Soͤmmerings Verſuch dem eigentlichen Sltz der Seele naͤher nachzuſpuͤren, veranlaßte nicht we⸗ atge Beobachkung, Nachdenken ımb Pruͤfung.

Brandes In Braunſchwelg zeigte fih In Na⸗ tutbetrachtungen geiſtretch und belebend; auch er, wie wir, verfuchte ſich am dem ſchwerſten Problemen.

Seit jener Epoche wo man ſich In Deutſchland über den Mißbrauch der Geniulftaͤt zu beklagen an⸗ fing, drängten fich freilich von Sekt zu Zeit auffal⸗ lend verruͤckte Menſchen heran. Da nun ihr Be- fireben in einer dunkeln, duͤſtern Region verfirte

- .

62

und gewöhnlich die Energie des Handelns ein guͤn⸗ ſtiges Vorurtheil und, die Hoffnung erregt, fie werde fi von einiger Vernuͤnftigkeit wenigftens im Ver⸗ folg doch leiten Iaffen, fo verfagte man folhen Per- fonen feinen Antheil nicht, bis fie denn zulegt ent= weder felbft verzweifelten oder ung zur Verzweiflung brachten.

Ein ſolcher war von Bielefeld, der ſich den Cimbrier nannte, eine phyſiſch gluͤhende Natur, mit einer gewiffen Einbildungsfraft begabt, die aber ganz. in hohlen Raͤumen fich erging. Klopſtocks Pa⸗ triotismus und Meſſianismus hatten Ihn ganz er fuͤllt, ihm GSeftalten und Gefinnungen geliefert, mit denen er denn nach wilder und wüfter Weiſe gut: herzig gebahtte. Sein großes Geihäft war ein Gedicht vom jüngften Tage, mo fih denn wohl be= greifen laͤßt, daß ich ſolchen apokalyptiſchen Ereig- niffen, energumeniſch vorgetragen, keinen befonderen. Geſchmack abgewinnen Eonnte. Sch fuchte ihn abzu⸗ iehnen, da er, jede Warnung ausfchlagend, auf feinen feltfamen Wegen verharrte. So trieb er es in Sena eine Zeit lang, zu Beängftigung guter ver⸗ nünftiger Gefellen und wohlwollender Gönner, bie er endlich bei immer vermehrtem Wahnſinn, ſich ‚zum Fenſter herausſtuͤrzte und ſeinem ungluͤdlichen Leben dadurch ein Ende machte.

Auch thaten ſich in Staats verhaͤltniſſen hlernaͤchſt die Folgen einer jugendlichen Gutmuͤthigkeit hervor, die ein bedeutendes Vertrauen auf einen Un—⸗

63 .

würdigen niedergelegt hatte. Die deßhalb entſtau⸗ denen Proceſſe wurden bießfeits von einfichtsvollen. Männern mit großer Gewandtheit einem gluͤcklichen Ausgang entgegen geführt. Indeſſen beunruhigte eine ſolche Bewegung unſre gefeligen Kreife, indem nahverwandte, fonft tüchtig denkende, auch und ver- bundene Perſonen Ungerechtigfeit und Härte fahen, wo wir nur eine ftetige Verfolgung eines unerläße lihen Rechtsgangs zu erbliden glaubten. Die freund- lichſten zarteften Neclamatlonen von jener Seite binderten zwar den Gefchäftsgang nicht, allein be- dauerlich war es, die fhönften Verhältniffe beinahe zerſtoͤrt zu feben.

1796.

Die Weimariſche Bühne war nun ſchon fo be= _ fest und befeftigt, daß es In dieſem Jahre Teiner neuen Schaufpieler bedurfte. Sum größten Vor⸗ theil derfelben trat. Iffland im März und April vierzehmmal auf. Außer einem folchen beiehrenden, binreißenden, unfhäßbaren Beiſpiele wurben biefe Borftelungen bedeutender Stüde Grund eines dauerhaften Repertoriums und ein Anlaß das Wün- fhenswerthe näher zu kennen. Schiller, der an, dem Vorhandenen immer feft hielt, redigirte zu biefem Zwei den Egmont, der zum Schluß ber Ifflandiſchen Gaſtrollen gegeben ward, ungefähr wie er noch auf Deutfchen Bühnen vorgefielt wird.

pP} \

64

Veberhaupt finden fi Hier, rüädfihtlih auf bag Deutfhe Theater, die merfwärdigften Anfänge. Schiller der fhon In feinem Carlos ſich einer ge- wiffen Maͤßlgkeit befliß und durch Redaction biefes Stuͤcks fuͤrs Theater zu einer beſchraͤnkteren Form gewoͤhnte, hatte nun den Gegenſtand von Wallen- fteln aufgefaßt und den granzenlofen Stoff in der Geſchichte des dreyßtgiaͤhrigen Kriegs dergeftalt be- handelt, daß er fih als Herrn dieſer Maffe gar wohl empfinden mochte. Aber eben durch diefe Fülle ward eine ftrengere Behandlumg peinlich, wovon Ich Zeuge ſeyn konnte, weil er fi über alles, was er dichteriſch vorhatte, mit andern gern befprach und was zu thun ſeyn mochte hin und wieder überlegte.

Bei dem unabläffigen Thun und Treiben was zwifhen ung ftatt fand, bei der entfchledenen Luft Das Theater Eräftig zu beleben, ward ich angeregt den Zauft wieder hervorzunehmen; allein was ich auch that, ich entfernte ihn mehr vom Theater als daß ich Ihn herangebracht hätte.

Die Horen gingen indeſſen fort, mein Antheil blieb derſelbige; doch hatte Schillers graͤnzenloſe Thätigleit den Gedanken eines Muſenalmangachs gefaßt, einer poetifhen Sammlung, bie jener, meift proſaiſchen, vortheilbaft zur Seite ftehen Könnte. Auch hier war Ihm das Zutrauen feiner Landsleute guͤnſtig. Die guten ftrebfamen Köpfe neigten ſich zu ihm. Er ſchickte fih übrigens trefflich zu einem folhen Redacteur; den Innern Werth eines Ge—⸗

dichts

65

dicht überfah er glei, und wenn ber. Berfufer fi zu weitläuftig ausgethan hatte, ober nicht en= digen: Eonnte, wußte er das Leberflüffige ſchuell auszufondern. Ich ſah ihn wohl ein Gedicht auf ein Drittheil Strophen rebuciren, wodurch es wirktich brauchbar ward, ia bedeutend.

Ich felbft ward feiner Aufmunterung viel ſchul⸗ dig, wovon bie Horen und Almangche volgältiges Zeugniß abgeben. Alexis und Dora, Braut von Korinth, Spott und Bajadere wurden bier ausgeführt oder entworfen. Die Kenien, die aus unfchuldigen, ja gleichgältigen Anfängen fich nach und nach zum Herbften und Schärfiten hinauf- fteigerten, unterhielten ung viele Monate und mac ten, als der Almanach erſchien, noch in biefem Sahre die größte Bewegung und Erfchätterung im der deutſchen Literatur. Sie wurden, als hoͤchſter Mißbrauch der Preßfreiheit, von dem Publicum verdammt. Die Wirkung aber bleibt unberechenbar.

Einer hoͤchſt Iteb und werthen, aber auch ſchwer laſtenden Bürde entledigte ich mich gegen Ende Auguſts. Die Meinfhrift des lebten Buches von Wilhelm Meifter ging endlich ab an den Merleger. Seit ſechs Fahren hatte ich Ernft_gemarht diefe frühe Sonception auszubilden, zurecht zu ftellen und dem Drucke nach und nad zu übergeben. Es bleibt da⸗ her biefes eine der Incalculabelften Productionen, man mag fie im Ganzen oder in ihren Theilen be=

Soeethes Werte, XXXI. Bd. 5

66: tracheen; je. mn ſier zu beurthellen fehlt mir bee nahe ſelbſt bee Maßſbab.

Kaum aber hatte ich mich durch ſueceſſtoe Sor autiie: - gäbe davon befreit ats: ich mir eine neue‘ Laſt aufs legte, die jedoch leichtet zu trugen, oder vlelmehr feine Laft war, weit.fie gewiſſe Vorſtellungen, Ge: füple, Begriffe der Zeit auszufprehen Gelegenheit gab. Der Plan von Herrmann und Doro- thea war gleichzeitig mit ben Tageslaͤuften aus⸗ gedacht und entwickelt, die Ausfuͤhrung ward wäh- rend des Septembers begonnen und vollbracht, ſo daß ſie Freunden ſchon producirt werden konnte. Mit Leichtigkeit und Behagen war das Gedicht ge⸗ ſchrieben, und es theilte dieſe Empfindungen mit. Mic ſelbſt hatte Gegenſtand und Ausführung der⸗ geſtalt durchdrungen, daß ich das Gedicht niemals ohne große Ruͤhrung vorleſen konnte, und dieſelbe Wirkung iſt mie ſeit fo viel Jahren noch Immer. geblleben.

Freund Mever ſchrieb fleißig aus Itallen ge⸗ wichtige Blätter. Meine. Vorbereildang ihm zu fol⸗ gen noͤthigte mich zu mannichfaltlgen Studien; deren Acteuſtuͤche mir noch gegenwärtig vlelen Nutzen brin⸗ gen. Als ich mich in die Kunſtgeſchlchte von Flevenz einarbeitete, ward mir Cellini wichtig, und ich faßte, um mich dort recht einzubuͤrgern, gern den‘ Eutſchluß ſetne Selbſtoiographie gu uͤberſetzen; bes ſonders weit fie Schillern zu det Horen brauchbar ſchien.

67

Auch die Naturwiffenſchafken giugen nicht leer and; Den Sommer ˖ uͤber fänd: ich die ſchoͤrſte Ge: tegenheit Pflattzen unter farbigen Slafern md yanz im Finfſtern zu erzlehen, fo wie die Mektamorphoſe der Inſecten in Ihren Einzelnheiten zu verfolgen,

Galvanis us ud Chemisnrus drängten ſich auf; die Chroͤmatkt ward zwiſchen allem durch -ge: trieben; und um mir dem groͤßen Votthell der Mer: gegenwaͤrtkgrng zu gewähren, fähd ſich eine edite Gefellſchaft, Werke Vorktaͤge deſe Art: gern an: hoͤren mochte.

Im Auswärtigen beharrt Chutahſen auf feiner Anhaͤnglichkeit an Kaiſer und Reich, wand will in bie: fem -Sinte fer Contingent marſchiren laſſer. Nach unfere Manuſchaft ruͤſtet ſich; Die Koſten hierzu geben manches zu bedenken.

Im groͤßen Wektweſen eteignet ih, daß: bie hiuterbltebene Tochter Ludiigs XVI,- Meihceffin - Marie Cheteſie Charlotte, bisher Inden Händen der Republicaner, gegen gefangene Frungöfifce Ge⸗ nerale ausgewechſelt wird, ingleichen daß der Papſt feinen Waffenftiäftand theuer erkauft.

Die Oeſterreicher gehen uͤber die Lahn zuruͤck, beſtehen bei Anndberung der Franzoſen auf. dem Be⸗ fig von Frankfurt, die Stadt wird bombardirt, Me Padengaffe zum Theil verdrammt',-fonft -wenfs- ge- ſchadet, worauf deun die Uebetgabe erfolgt. Meine gute Mutter, in ihrem ſchoͤnen neuen Quartiere an der Hauptwache, hak gerade die: Zell hinauf⸗

6g

fhauend ben bedrohten und befchäbigten Theil vor Augen, fie rettet Ihre Habſeligkeiten in feuerfefte - Keller, und fluͤchtet über bie. freigelaflene Mayn⸗ brüde nah Offenbach. Ihr Brief befhalb verdient beigelegt zu werden.

Der Churfürft von Mainz geht nach Heiligen ftadt, der Aufenthalt des Landgrafen von. Darmſtadt bleibt einige Zeit unbelfannt, die Frankfurter flüchs ten, meine Mutter: halt aus. Wir eben In einer eingefchlaferten Furchtſamkeit. In ben Rhein: und Mapngegenden fortwährende Unruhen und Flucht. Stau von Gondehofen verweilt in Eiſenach, und fo durh Flüchtlinge, Briefe, Boten, Staffetten ſtroͤmt der Kriegsallarm ein- und bad anderematl bie zu und; doch betätigt fih nah und nach die Hoffnung, daß wir in dem Augenblide nichts zu fürchten haben, und wir halten und für geborgen.

Der König von Preußen, bei einiger Beranlaffung, ſchreibt von Pyrmont an den Herzog, mit diplomas tifher Gewandtheit den Beitritt zur Neutralität vorbereitend und den Schritt erleichternd. Furcht, Sorge, Verwirrung dauert fort, endlich erklärt fich Chnrfachfen zur Neutralität, erſt vorläufig, dann entfchieden, die Verhandlungen deßhalb mit Preu: fen werden auch und befannt.

Doch kaum feinen wir durch ſolche Sicherheit beruhigt, ſo gewinnen die Oeſterreicher abermals die Oberhand. Morean zieht ſich zuruͤc, alle koͤni⸗ giſch Geſinnten bedauern die Ueberellung zu der man

> 69

fih Hatte hinreißen Iaffen, die Gerüchte vermehren fi zum Nachtheil der Sranzgofen, Moreau wird zur Seite verfolgt und beobachtet, ſchon fagt man Ihn eingefchloffen; auch Jourdan zieht fih zuräd, und man iſt in Verzweiflung a man 19) allzufrübzeitig gerettet habe, .

Eine Geſellſchaft hochgebildetet Manner, welche

ſich jeden Freitag bei mir verfammeiten, beſtaͤtigte ſich meht und mehr. Ich las einen Gefang ber Ilias von Voß, erwarb mir Beifall, dem Gedicht hohen Antheil, ruͤhmliches Anerkennen bem leber- feßer. Ein jedes Mitgiied gab von feinen Gefchaf- ten, Arbeiten, Liebhabereyen, beliebige Kenntniß, mitfreimüthigem Antheil aufgenommen. Dr. Bud: holz fuhr fort die nenften phyfifh = hemifchen Er⸗ fahrungen mit Gewandtheit und Gluͤck vorzulegen. ‚Nichts war ausgeihlofen, und das Gefühl der cheilhaber, welches Fremde fogar in fih aufnah- men, hielt von felbft alles ab, was einigermaßen hätte laͤſtig ſeyn können. Akademiſche Lehrer ge- felften fih hinzu, und wie fruchtbar diefe Anftalt ſelbſt für die Univerfität geworden, geht aus dem eingigen Beifplel fchon genugfam hervor, daß der. Herzog, der iu einer folhen Sitzung eine Worlefung des Doctor Chriſtian Wilhelm Hufeland angehört, ſogleich befhloß Ihm eine Profeffur in Jena zu er- theilen, wo derfeibe fi durch mannichfache Thaͤtig⸗ fett zu einem immer Ammenmenden irlungetretſe vorzuberelten wußte.

70

Dieſle Societat gar In dem Grade negulitt, daß meine Abweſenheit zu kelner Störung Anlaß gab, vielmehr übernahm Geh. Rath Voigt bie Leitung, und wir hatten uns mehrere Jahre der Folgen einer gemeinſam geregelten Thaͤtigleit zu erfreuen.

Und fo ſahen wir denn auch unſexn trefflichen Batſch dieſes Jahr In thätiger Iufsledenheit. Der edle reine aus ſich felbft arbeitende Mann bebuxfte, .. gleich einer ſaftigen Pflanze, weher- vieles. Erbseich noch Starke Bewäflerung, da er bie Fähigkeit befaß aus der Atmofphäre fih die beiten Nahzungsftoffe ausuelonen. |

Bon diefem ſchoͤnen ftillen Wirken zeugen noch heut feine Schreiben und Berichte, wie er ſich an feinem maͤßigen Glashauſe begnuͤgt und durch das allgemeine Zutrauen gleichzeltiger Naturforſcher Die Achtung ſeluer Societaͤt wachſen und ihren Beſitz ſich erweitern ſieht; wie er denn auch bei ſolchen Gelegenheiten feine. Vorſaͤtze vertraulich „mitteilte, nicht meniger feine Hoffnungen u Zu⸗ BAUEN:

77.37: |

Zu Ende des vorigen Jahrs machte ich eine Reiſe einen gnaͤdigſten Herrn nach Leipzig zu begleiten; beſuchte einen großen Ball wo ‚und die Herzen Dok und Compagn., und wer ſich ſonſt durch bie Fenlen

71

merleht aber: arfhwedt hielt, mit Aſprehenſton, wie das bite Princhp betrachtete. In Deffau ergößte uns die Erinnerung ifruͤherer Beiten; die Famille ou Loen zeigte fich ais eine angenehme, zutruu⸗ Ache Verwandtſchaft, und man konnde ſich der fräh- den Fraufkfarter Tage und Stunden en erinnern.

Schon in den BEER Donaten des Sabre er- frente fich das Theater an dem Belteltt von Ca⸗ zoline Jagemann, als einer neuen Blende. Dberon ward gegeben, bald darauf Telemach, und manche Rollen tonnten mit mehr Auswahl be⸗ {et werten. Aeußerlich führte man dad Bühnen ern zunaͤchſt In. feinem gewährten Gaunge fett, inner halh aber: ward manches Bedentende vorberei- tet. Schiller, des nunmehr ein wirlliches Theater in Der Naͤhe und vor Augen Hatte, dachte ernitiu) darauf feine Stüdfe fpielbarer zu. machen, und ale ihm hierin Die große - Breite wie er Wallenſtein ſchon gebucht abermols hinderlich war, entſchloß er ſich ben Gegenſtand In mehreren Abtheilungen zu behandeln. Dieß geh in Abweſenheit der Gefell⸗ ſchaft, den sangen Sowmer über, reichliche Be⸗ lehrung und Unterheltung. Schon war ber Prolog geſchrieben, Wallenksind Lager wuchs heran.

Auch lich meinerfeiss. in volllommener Thaͤtig⸗ get: Herrmann und Do rothea erſchien als Taſchenkuch, und ein neues epiſch⸗ romantiſches Ge⸗

Hit: wurde: gleich Daxanf entmorfen. Der Pian warin

A

72

- allen feinen Theiten durchgedacht, den ich ungluͤck⸗

licherweiſe meinen Freunden nicht verhehlte. Ste tiethen mir ab, und es betrübt mich noch daß ich ihnen Folge leiſtete: denn der Dichter allein kann

- wiffen was In einem Segenftande liegt, und was er

fr

‚für Reiz und Anmuth bei der Ausführumg daraus

entwideln könne. Ich fchrieb den neuen Pau— ſias und die Metamorphofe der Pflanzen in elegifher Form, Schiller wetteiferte, Indem er

. feinen Taucher gab. Im eigentlihen Siune blel-

ten wir Tag und Nacht keine Ruhe; Schillern be- ſuchte ber Schlaf erft gegen Morgen; Leidenfhaften

: aler Art waren in Bewegung; durch die Zenien

Hatten wir ganz Deutfchland aufgeregt, jederman fhalt und lachte zugleih. Die Verlesten ſuchten und auch etwas Unangenehmes zu erweiſen, alle unfere Gegenwirkung beftand in unermübet fortge- ſetzter Thaͤtigkeit.

Die Untverfität Jena ſtand auf Gipfel ihres Flors; das Zuſammenwirken von talentvollen Men- ſchen und gluͤcklichen Umſtaͤnden waͤre der treuſten

. Vebhafteften Schilderung werth. Fichte gab eine

neue Darſtellung der Wiſſenſchaftslehre im philo⸗ ſophiſchen Journal. Wolt mann hatte ſich inter⸗ eſſant gemacht und berechtigte zu den fchönften Hoffnungen. Die Gebrüder von Humboldt waren gegenwärtig, und Alles. ber Natur Angehörige

. Banı philoſophiſch und wiſſenſchaftlich zur Sprade.

Mein oſteologiſcher Typus von 1795 gab nun Ver:

il ———— —⏑—

73 anlaffung die oͤffentliche Sammlung fo wie meine eigene rationeller zu betrachten und zu bennken. Ich fhernatifirte die Metamorphofe der Infecten, bie ich feit mehreren Jahren nicht aus den Augen ef. Die Kraufifhen Zeichnungen der Harz⸗ fefen gaben Anlaß zu geologifhen Betrachtungen, galvanifche Werfuhe wurden durch Humboldt ange⸗ ſtellt. Scherer zeigte ſich ads hoffnungsvoller Che- mikus. Ich fing an die Farbentafeln In Ordnung zu dringen. Für Schillern fuhr ich fort am Gellint in überfeßen, und da ich bibliſche Stoffe in Abſicht, poetifhe Gegenftände zu finden, wieder aufnahm, fo lleß ih mich verführen, die Reife der Kinder Israel durch die Wuͤſte kritiſch zu behandeln. Der Aufſatz, mit beigefuͤgter Charte, ſollte jenen wun⸗ derlichen vierzigiährigen Irrgang zu einem, wo nicht vernünftigen, doch faßlichen Unternehmen unrbilden.

Eine unwiderſtehliche Luft mach dem Land und Sartenieben hatte damals die Menfchen ergriffen. Schiler Taufte einen Garten bei Jena, und 308 hinaus; Wieland hatte ſich in Oßmannſtedt ange⸗ ſiedelt. Eine Stunde davon, am rechten Ufer der Im, ward in Oberroßla ein kleines Guüt verkaͤuf⸗ lich, ich hatte Abſichten darauf.

Als Beſuch erfreuten uns Lerſe und Hit. Der feltfame Reiſende Lord Briftol gab mir zu einer abenfeuerlihen Erfahrung Anlaß. Ich bereite mich zu einer Reife nah der Schweiz, meinen aus Italien zuruͤkfkehrenden Freunde Heinriih Meyer

74

„entgegen. Der Neimariſche Genlaßbau wäthist zur Umſicht nad) einem -geifiseichen Architekten und ge⸗ ſchiten Handwerlern. Ach die Zeicheuſchule er⸗ Halt neue Anxegung.

Vor meiluer Abreiſe verbrenn' ich alle an mich geſendeten Briefe ſeit 1772, aus entſchledener Ab⸗ neigpng gagen Publicatlon des ſtillen Gauss freund⸗ ſchaftlicher Mittheilung. Schiller beſucht mich noch in Weimar, und ich reiſe den 30 July ab. Migin geſchicter Schreiber mich begleitete, To iſt alles in Acten geheftet, wohl erhalten, was damals auf⸗ fallend und bedeutend ſeyn konnte.

Da hiegaus mit ſchidlicher Redactlon ein- ganz unterhajtended Baͤndchen fih bilden liaße, fo ſey von dem ganzen Relleverlauf wur das llgemeinſte bier angedeutet.

Unterweas byſchaͤftigt mich die genaue Betrach⸗ sung der Gegenden, hinſichtlich auf Geognoſie und ‚der Darauf gegrandeten Cultur. Sin Frankfurt be⸗ dehrt mid Soͤmmeriag, durch Unterbaltung, Praͤ⸗ parate nud Zaichnungen. Ich werde mit manchen Perſoͤnlichleiten bekaunt, mit Oeffentlichm mb Be⸗ ſenderem; ich beachte das Thaater und fühne leb⸗

hafte Correſpondem; it Schiller mb andern Freum⸗ den. Oeſterreichiſche Garaiſen, aefangene Fran⸗ zoſen als Gegenſahz; jene von. imyperturbablem Exuſt, dileſe Immer ‚non poſſenbafter Heite rieit. Franzoͤ⸗ ſiſche ſatpriſche Kapferſtiche. ‚Dean 264b von Sransfust, Aber Heldetbers,

76

Heilbronn, Ludwlasburg Iaı Ich den. sp. In Abtutt⸗ gast am, Kaufmann Rapy, Danneder, Shef- faner werben befuht; ‚Belauutfcheft mit -Profer- for Shonret, mit geſchickten Arbeitern von Zier- tathen, Studatoren, Dusdratoren, die ſich aus der bewegten Regierungszeit Herzog Carls hexſchrie⸗ ben; Unterhandlungen mit denſelhen, det dem MWeimariſchen Schloßban anzuſtellen.

Anfang Septembers faͤllt der 5 —*X eit und der Muͤhlbach, den Zumſteeg ſogleich com⸗ ponirt, ſodaun ber Juͤngling und die 3469 eu⸗ ne rin. Den 9 September In Tübingen, bei Cotta gewohnt, bie vorziglihen bartigen Männer hefpro- Heu. Maturaliencabinet des Profefor .D-ire be: uichtigt, das, vormals Paagay in Frankfurt am Dapı gehoͤrxig, mit der Uebevollſten Sorafalt-nach . Zübingem trandportirt. marden. : Dep Ab Sentem⸗ ber von-bant weg. Schafhauſen, Mhekufal, Zürich, Deu 21 In. Stäfa; Zufgmmenkunft. mit Meper, mit ihm Die. Melfe angetreten; den. 28 über Marie Einfiebel bie anf. ben. Gotthacd. Ders Detober waren "wir wieder zurbd, , Zum drittenmale beſucht ich bie ‚Heinen Cantane, and well die aphſche Feym dei mir. gexade das Uebergewicht hatte, exſqun ich æinen Tell unmittelbar in ber Gegenwart dex.claf- Athen Herxtlichkeit. Eine folge Ublaitung-und Zer- war noͤthig, da mich die traurigſte Nach⸗

richt mitten in ben Gebirgen exreiſchte. Chriſtiane * eumann, verehlichte Becker, war pon⸗uns ge⸗

\

76

fateden; Ich‘ widmete ihr die Elegie Euphroſine. Liebreiches, ehrenvolles Andenken iſt nHes was wir den Todten Ju geben vermögen.

Auf dem St. Gotthard hatte ich fchöne Minera⸗ Nlien ‘gewonnen; der KHauptgewinn aber war die Unterhaltung mit meinem Freunde Meyer; er brachte mir das lebendigſte Italien zuruͤck, das uns die Kriegslaͤufte leider nunmehr verfchloffen. Wir : bereiteten und zum Troſt auf die Proppläenvor. Die Lehre von den Gegenftänden und was deun eigentlich dargeftellt werden fol, beſchaͤftigte uns vor allen Dingen. : Die genaue Beſchreibung md fennerhafte- Bemerkung ber Kunftgegenftänbe after : and neuer Zeit verwahrten wir ald Schäße für die gukunft. Nachdem ich eine Beſchreibung von Stäfa verfucht, die Tagebücher resdfet ind mundirt waren, " gingen wir den 21’Dctober von dort ab. Den 26 ° Detober von duͤrch abretfend Iangten wirden 6 No: vember In Nürnberg an. In dem freundlichen Cir⸗ fel der Kreisgefandten durchlebten wit einige frohe | : Tage. Den 15 Noventber von dort ab. Im Welmar hatte die Ankunft mehrerer beden- : tenden Emigrirten die Gefellfdjaft erweitert , ange= ‚nehm und miterhaltend gemadt. Nachzutragen tft noch daß-Dberappellationsrath Körmer und feine liebe und hoffnungs volle Familie ung im abgelaufenen Sommer mit ihrer Gegenwart erfreute, und doch bleibt noch manches Veſondete merkwurdigen

Jahres zuruͤck

77. =

Millins antiquarifhe Thaͤtigkelt begann zu wirken, den groͤßten Einfluß aber uͤbten Wolfs Prolegomena.

Auf dem CTheater fand ich. die große Luͤce; Chri⸗ ſtiane Neumann fehlte, und doch war's der Platz nach wo fie mir fo viel Intereſſe eingefloͤßt hatte. Ih war durch fie an die Breter gewähnt, und fo wendete ih uun dem Ganzen. zu, was ich ihr fonft fat ausſchließlich gewidmet batte. .

Ihre Stelle war befeht, wenigſtens mit einer wohlgefaͤlligen Schauſplelerin. Auch Caroline Jagemann indeſſen bildete ſich immer mehr aus amd erwarb ſich zugleich im Schaufptel allen Beifall. Das Theater war fchon fo gut beftellt, daß die eurrenten Stüde ohne Anftoß und Nivalität fi be⸗ fegen ließen.

Einen großen und einzigen Vortheil brachte aber dieſer Unternehmung, daß die vorzuͤglichſten Werke Ifflands und Kotzebüe's ſchon vom Theater gewirkt," und fi auf neuen, In Deutfchland noch nicht betre- tenen Wegen großen Beifall erworben hatten. Beide Autoren waren noch In ihrem Vigor; erfterer ale Schaufpleler ftand in der ‚Epoche hoͤchſter Kunſtaus⸗ bildung.

Auch gereiäte zu unſerm groͤßten Vorthell, daß wir nur vor einem Heinen, genugſam gebildeten Yubllcum zu fplelen hatten, beffen Gefhmad wir befriedigen und ung doch dabei unabhängig erhalten tonnten; ja wir durften ‚manches KerKadEn, ung

N

78°

ſeſbſt unb'unfere Zaſchaner in einem hoͤheren Eine auszublliden. SIE a Hier kam und nun Schiller vorzuͤhlkch zu Hilfe; er ftand Im Vegrkff ſich zw beſchraͤrken, ben Roten, Nebertriebenen, Gigantlſchen zu entfägen; ſchon gelang ihm das wahrhaft Große und’ deffen natuͤr⸗ licher Ausdtuck. Wir vertebten’ feinen Tag in-ber‘ Nähe, ohne mE muͤndlich, keine Woche in: der. Nachbarſchaft, ohne uns ſchrlfttich zu’ unterhalten.

179 8 So arbeiteten wir unermübet dem Beſuche Iff⸗

lands vor, welcher und im April durch acht feiner Borftellungen anfrifchen ſollte. Groß wat der Ein— fluß feiner Gegenwart: denn jeder Mitſplelende mußte fi an ihm prüfen, Indem er mit ih wett- eiferte, und bie nächte Folge davon war; daß auch dießmal unfere Gefellfchaft gar loͤblich ausgeftatter nach Lauchftädt 308. RE N

Kaum war fie abgegangen, als det‘ alte Winfäy fih regte, In Weimar ein beferes Local für die Bühne einzurihten. Schaufpieler und Publiram fühlten fih eines anffändigerh Raumes wireblg, die Nothwendigkeit einer folhen Veraͤnderung ward von jederman anerkannt, und es bedurfte nur eines geiſtreichen Anſtoßes um die Ausfuͤhrung zu beſtim⸗ men und zu beſchleunigen.

79

Baumeiſfter Dh ohret waͤr won Stuttgurt be⸗ rufen um ben neuen Schloßbau wekker zu fordern; als Nebenzwock gab er einen fogleich beifaͤllig auf⸗ gewmmenen erfrentichen Plan zu einer neuen Ein⸗ tiaang dos vorhandenen Theatetlocals, nach wel⸗ chem ſich zu richten ex die groͤßtre Gewandtheit be⸗ wi, Und: ſo ward auch an uns die alte Bemer⸗ lung: wahr, daß Gegenwart eines Baumeiſters Bau⸗ luſt errege. Mit Fleiß uind Haſt bektieb man die Arbeit, ſo daß mit dent. 42. Oetober Hof und Publi⸗ um zu: Eröffkung: des neuen Hauſes eingekaden werden: kounten. Gin: Prolog don Schiller und Wallenſteino "Lager gaben dfefer Feyerlichkeit Werth⸗ und: Würde,

Den: ganzen Schwer. hatte: es in senken: hiezu nicht gefehlt, desm der große Walleuſteiniſche Ceclus, zuerſt nur angekuͤndigt, beſchaͤftigte uns durchaus, obgleich nicht ausſchließlich.

Von meinen- eigenen poetiſchen und ſchtiftſtel⸗ leriſches mein: habe tab ſo viel zu ſagen, daß die Deiffogungen desnBoris mich nur einige Seit’ unkerhlolten. Zur EB itlels hatte ich den Ptan sang iim Sinne, den fh Schillern eines Abends aus⸗ fuͤhelich erzaͤhtltke. Der Freuud fchalt mich aus, duß Ih etwas fo klar vor mir ſehen kdunte, ohne ſoches aucubiidon dar Worte und Sylbenmaß. So angettieben und‘ fleißig ermahnt ſchrieb ich die zwey erſtea Geſaͤuge; auch den Plan ſchrieb ich auf, zu

80

deſſen Foͤrderniß mir ein treuer Auszug aus der Ilias dienen follte,

Doch hiervon leitete mich ab die Richtung zur bildenden Kunſt, welche ſich bei Meyers Zuruͤckkunft aus Italien ganz entſchieden abermals hervorgethan hatte. Vorzüglich waren wir beſchaͤftigt das erfie Stuͤck der. Propyläen, welches theils vorbereitet theils gefchrieben wurde, lebhaft weiter zu fördern. Cellini's Leben ſetzt' ih fort, ale einen Anhalte⸗ punkt ber Gefchichte des ſechzehnten Jahrhunderts. Diderot von den Farben ward mit Aumerkungen ‚begleitet, welche mehr humoriſtiſch als kuͤnſtleriſch zu nennen wären, und indem fih Meyer mit den Segenftänden in. dem Hauptpunkt aller bildenden Kunft gründlich befchäftigte, fchrieb ich ben Samm⸗ ler, um manches Nahdenten und Bedenken In die heitere freiere Welt einzuführen.

In der Naturwiſſenſchaft fand ich manches zu denken, zu befhauen und zu thun. Schellings Weltſeele befhäftigte unfer hoͤchſtes Gelftesver- mögen. . Wir ſahen ſie nun in der ewigen Meta- morphofe der Außenwelt: abermals verkörpert. Alles Naturgefhihtlihe, das fich ung lebendig näherte, betrachtete ich wit großer Aufmerkſamkeit; fremde merkwürdige Thiere, befonbers ein junger Elephant," vermehrten unfere Erfahrungen.

Hier muß Ich aber auch eines Aufſatzes geben- fen, ben ich über pathologifches Elfenbein ſchrieb. Ih hatte ſolche Stellen angefchoffener und wieder

ver⸗

81

verheilter Elephantenzaͤhne, die Befonders den Kammmachetn hoͤchſt verdrießtih find, wenn ihte Sige oft unvermuthet anf fie ſtoͤßt, ſeit mehreren Jahren gefammelt, an Zahl mehr denn zwanzig Stuͤcke, woran fi In gar Ihöner Folge zeigen ließ, wie eine eiferne Kugel ind Imere der Zahn- maffe eindringen, wohl die urganifche Lebendigkeit fören aber nicht zerftören kann, Indem biefe fid biee auf eine eigene Weiſe wehrt und wieder her- ſtellt. Ich freute mic diefe Sammlung, befärfe- ben und ausgelegt, dem Gabinette meines Freun- des Loder, dem ich fo viel Belehrung fchuldig ge- worden, dankbar einzuverleiben.

In weicher Hrönung und Abtheilung die Ge- fdihte der Farbenlehre vorgetragen werben folte, wird epochenweiſe durchgedacht und bie einzelnen Schriftſteller ftudirt, auch‘ die Lehre ſelbſt genau er- wogen und mit Schillern durchgeſprochen. Er war es der den Zweifel loͤſte, der mich lange Zeit auf⸗ bieit: worauf denn eigentlich das wunderlice Schwanten berube, daß gewiſſe Menfchen die Far- ben verwechfeln, wobel man auf die Vermuthung Im, daß fie einige Farben fehen, andere nicht fehen!, da er denn zuletzt entichled, daß Ihnen bie Erfemtniß des Blauen fehle. Ein junger Gilde: meifter, der eben in Jena ftudirte, war in fol- Gen Falle, ‘und bot fich freundlich zu alem Hin- und Wiederverſuchen, woraus fih denn zuleht für und jenes Refultat ergab.

Geethes· Werte. XXXI. Bo. 6

82

Ferner um das Mentale fihtlih barzuftellen, yerfertigten wir zufammen mancherlei ſymboliſche Schemata. So zeichneten wir eine Temperamenten=- rofe, wie man eine Windrofe hat, und entwarfen eine tabellarifhe Darftellung, was der Dilettantie- mus jeder Kunft Nuͤtzliches und Schädliches bringe.

Gar mandhe Bortheile die wir im Naturwiſſen⸗ Tchaftlihen gewannen, find wir einem Befuh fhul- dig geworden, den und Herr van Marum goͤn⸗ nen wollte. e

Damit aber auch von der andern Seite der Geift zue unmittelbaren gemeinen Natur zurüdgezogen werde, folgte ich der damaligen Tandfchaftlihen Grille. Der Befis des Freiguts zu Roßla nöthlgte mich dein Grund und Boden, der Landesart, den

doͤrflichen Verhältniffen näher zu treten, und ver- lieh gar manche Anfihten und Mitgefühle, bie mie fonft völlig fremd geblieben waren. Hieraus ent- fand mir- auch eine nahbarlihe Gemeinfchaft mit Wielanden, welder freilich tiefer in die Sache ge- gangen war, indem er Weimar völlig verließ und feinen Wohnort in Hfmannftedt auffchlug. Cr hatte nicht bebacht was Ihm am erften hätte einfal- len follen: daß er unfter Herzogin Amalla und fie ihm zum Lebensumgang völlig unentbehrlich gewor- den. Aus jener Entfernung entftand denn ein ganz wunderbares Hin= und Wiederfenden von reitenden und wandernden Boten, zugleich auch eine gewiſſe, Taum zu befchwichtigende Unruhe.

83

Eine wunderbare Erſcheinung war in biefem Sommer Frau von La Roche, mit der Wieland ei⸗ gentlich niemals übereingeftimmt hatte, jest aber mit {he im vollkommnen Widerfpruch fi befand. Frei⸗ ih war eine gutmüthige Sentimentalität, bie allen- falls vor dreyßig Jahren, zur Seit wecfelfeitiger Schonung, noch ertragen werden Eonnte, nunmehr sanz außer. der Jahreszeit, und einem Manne wie Wieland unerträgiih. Ihre Enkelin, Sophie Bren- tano, hatte fie begleitet und fpielte eine entgegenge- feste, nicht minder wunderlihe Rolle.

179%

Den 30 Zanuar Aufführung von den Piccolo- mint, den 20 April von Wallenftein. Indeſ⸗ fen war Schiller immer thätig. Marla Stuart und die feindlihen Brüder kommen zur Sprache. Wir beriethen und uͤber den Gedanken, die Deutſchen Stuͤcke, die ſich erhalten ließen, theils unveraͤndert im Druck zu ſammeln, theils aber veraͤndert und ins Enge gezogen der negeren Zeit und ihrem Geſchmack näher zu bringen. Eben daſſelbe follte mit auslaͤn⸗ diſchen Stüden gefhehen, eigene Arbeit jedoch durch eine folhe Umbildung nicht verdrängt werben. Hier it die Ablicht unverfennbar, den Deutfchen Thea⸗ tern-den Grund zu einem ſoliden Repertorium zu legen, und der Eifer dieß zu leiten, Tpricht für die

‚34

Ueberzeugung, wie vothwendig und wichtig, wie folgereich ein ſolches Unternehmen fey.

Wir. waren ſchon gewahnt gemeinſchaftlich gu handeln, und wie wir dabei verfahren, iſt bereits im: Margenblatt ausfuͤhrlich pergetragen. In das gegenwaͤrtige Jahr faͤllt die Redaction vom. Mac⸗ beth und. bie. Ueberſezung son Mahomet.

De Mempiren der Stephanie von Bourbon Conti exzegen in mir. Die Conception der natuͤrli⸗ ben. Tochter. In dem. Plane bereitete Ich mir ein Gefäß, worin ich alles, was ich fa manches Jahr über die Franzöfifche Revolution und deren Folgen gefchrieben und gedacht, - mit geziemendem Ernfte niederzulegen hoffte. Kleinere Stüde fchematifirte ih mit Schillern gemeinſchaftlich, wovon noch eini⸗ ges von Schillern eigenhändig geſchrieben übrig iſt.

Die Propylaͤen wurden fortgefetzt. Im Septem- ber hlelten wir die erſte Ausſtellung der Preisbil⸗ der; die Aufgabe wer Paris und Helena. Hart⸗ mann in Stuttgart erreichte den Prels.

Erwarben nun auf dieſe Weiſe die Weimarifchen Kunſtfreunde ſich einiges Zutrauen der: Außenwelt, fo war auch Schiller aufgeregt, weabkiflig die Me: trachtung ‚über Natur, Kunſt und. Gitten: gemein- ſchaftlich anzufiellen. Hier fuͤhlten wir. immer mehr die Nothwendigkeit von tabellarifcher uud ſymboli⸗ der Behandlung Wir zeichneten sufammen jene Temperamentenrofe wiederholt, au ber wügtihe und fchädliche Einfluß des Dilettautismus auf elle

83

Maſte warb tabellariſch weiter ansgearbektet, wo⸗ von die Blaͤtter bekbhaͤndig noch vorllegen. Heber- haupt wurden: ſolche methodiſche Entwuͤrfe durch Schilers philoſoohiſchen Orbmmigegeikt, zu welchem ich mich ſymboliſtrend Hinneigte, zur angenehmſten Unterhaltung. Manahnn fie von Zeit zu Zeit wie⸗ der auf, pruͤfte ſie, ſtekiite ſie um, und fo iſt dem auch Das Schema der Farbenlehre öfters dearbel⸗ tet worden.

Und ſo konnte das Leben nirgends ſtocken in den⸗ jenigen Zweigen der Wiſſenſchaft unb Kunſt, die wir als bie unfrigen anſahen. Schelling theilte die Einſel⸗ tung zu ſeinem ⸗Entwurf ber Naturphiloſophie freund⸗ lich mir; er beſprach gern mancherlei Phyffkaliſches, ich verfaßte einen allgemeinen Schematismus uͤber Natur und Kunſt.

Im Auguſt und September bezog Ich meinen Gar⸗ ten am Stern, um einen ganzen Mondswechſel darıh ein gutes Spiegel: Xefeftop zu beobachten; und fo ward ich denn mit dieſem, ſo lange geliebten und bewunderten Nachbar -endttih: naͤher bekannut. Bei allem dieſem Ing ein großes Naturgedicht, das mir vor der Seele ſchwebte, durchaus Im Hintergrund.

Während meines Gartenaufenthults las ich Her⸗ ders Fragmente, ingleichen Winckelmanns Briefe und erſte Schriften, ferner Miltons verlornes Pa⸗ radtes, um die mannichfaltigſten Zuſtände, Denk: und Dichtweiſen mir zu vergegenwaͤrtigen. It die SA zurkickyrkehrt ſrubirte ich zu obgemeldeten

86 Theaterzweden ditere Englifhe Städe vorzüglich

des Ben Johnſons, nicht weniger andere, welche - man Shalefpeare'n zufchreibt. Dur guten Math

nahm ih Autheil an den Schweftern-von Les: _

bos, deren Verfaſſerin mich früber als ein hoͤchſt ſchoͤnes Kind, fpäter als ein vorzuͤglichſtes Talent angezögen hatte. Tieck Lad mir feine Genoveva

“r

vor, deren wahrhaft poetiſche Behandlung mir fehr ,

viel Freude machte, und den freundlichften Beifall abgewann. Auch die Gegenwart Wilhelm Yu ‚guft Schlegel war für mich gewinnreih. Kein Augenbii warb müßig zugebraht, und man konnte

fhon auf viele Fahre hinaus ein geiftiges gemein⸗

fames Intereſſe vorherfehen.

189%

Dieſes Jahr brachte ich halb In Weimar, halb in Jena zu. Den 30 Januar warb Mahomet auf⸗ geführt zu großem Vortheil für die Bildung unferer Schaufpteler. Sie mußten fih aus Ihrem Natwra- liſiren in eine gewiſſe Beſchraͤnktheit zurüdziehen, deren Manlirirtes aber ſich gar leicht in ein Nafuͤr⸗

liches verwandeln ließ. Wir gewannen eine Vor⸗

übung in jedem Sinne zu den fchwierigeren rei⸗

deren Stüden, welche bald darauf erſchienen. Won Dpern will Ih nur Tarare nennen. ss Späterhin am 24 Detober, ale am Geburt⸗atag

. 87

der Herzogin Amalia, ward im engern Kreiſe Pa- ldopbron und Neoterpe gegeben. Die Auffüh- tung des Heinen Städs durch junge Kunftfreunde war mufterhaft zu nennen. Künf Flguren ſplelten in Masken, der Dame allein war vergoͤnnt, uns der eigenſten Anmuth ihrer Geſichtszuͤge zu er⸗ goͤtzen.

Dieſe Darfiellung bereitete jene Maskenkomoͤ⸗ dien vor, die in der Folge eine ganz neue Unterhal= tung jahrelang gewährten.

Die Bearbeitung verfchledener Stüde, gemein⸗ ſchaftlich mit Schiller, ward fortgefeßt und zu bie- fem Zweck das Geheimniß der Mutter von Horace Walpole ſtudirt und behandelt, bei naͤherer Betrachtung jedoch unterlaſſen. Die neueren klei⸗ nen Gedichte wurden an Unger abgeliefert, Die gu- ten Frauen, ein gefelliger Scherz, gefhtiehen.

Nun follte zum nächften immer gefeyerten drey- Sigften Januar ganz am Ende des Jahre Tancred überfept werden, und fo gefchah es auch, ungeachtet einer fi anmeldenden Erankhaften Unbehaglichkeit.

Als wir im Auguft diefes Jahre die zweyte Aus⸗ ſtellung vorbereiteten, fanden wir und fhon von vielfeitiger Theilnahme begünftigt. Die Aufgabe: ber Tod des Rheſus und Hektors Abfchleb von An- dromache, hatten viele wartere Künftler gelockt. Den erften Preis erhielt Hofmann zu Köln, den“ zweyten Nahl zu Kaffel. Der Ptopplaͤen drittes und icdies Stuͤck ward; bei erſchwerter Ferrſetzung

88.

aufgegeben. Wie fih bösartige Menſchen dieſem Unternehmen entgegengeſtellt, ſollte Wohl zum Troſt unſerer Enkel, denen es auch nicht beſſer gehen wird, gelegentlich naͤher bezeichnet werden.

Die Naturforſchung verfolgte ſtill ihren Gang. Ein ſechs fußlger Herſchel war fr unſere wiſſenſchaft⸗ lichen Anſtalten angeſchafft. Ich beobachtete num einzeln mehrere Mondwechſel, und machte wich mit den bedeutendften Lichtgrängen bekannt, woburd ich. denn einen guten Begriff von dem Relief der Mond- oberfläche erhieft. Auch war mic die Haupteinthei— Iung der Farbenlebre in die drey Hauptmaſſen, die didaktifhe, polemifche und hiſtorlſche, zuerſt ganz klar geworben, und hatte lich entfchieben.

, Um mir im Botanlfhen das Auffienfhe Syſtem recht anihaulih zu machen, brachte ich. bie- ſaͤmmt⸗ chen Kupfer mehrerer boranifchen Octav-Werke in jene Ordnung; fc erhlelt dadurch eine Anſchauung der einzelnen Geftalt und eine Ueberfiht des Ganz zen, welches fouft nicht zu verlangen geweſen wäre. et 180% |

Zu Anfang bes Jahrs überfiel mich eine arim- mige Krankheit;, bie. Veranlafung dazu mar fol sende: feit der Aufführung Mahomets haste id. eine Ueberſetzung des Tancred von Voltalre begon⸗

nen u wich hamit beſchaftigt; mun acer res

89

und ic mußte das Werk ernſtlich an⸗ greifen, daher begab Ih mid Hälfte Decambers nad Jena, mo Ich Inden großen Zimmern bes hergegli- den Schloſſes einer altherloͤmmlichen Stimmung fogteich gebisten konnte. Auch biefmal- waren bie dertigen Zuſtaͤndb meiner Arbeit gaͤnſtig; allein die Emſigkeit, womit ih mich daran hielt, Ueß mic den ſchlimmen Elufluß der Localttaͤt dießmal wie ſchon oͤfter uͤberſehen. Das Gebäude Hegt an dem tiefſten Puncte der. Stadt, unmittelbar an der Muͤhl⸗ lade; Treppe fo wie Treppengebaͤude von Gpps,

us einer fehr falten und verkaͤltenden Steinart, an. he fi bei, eintretenden Thaumetter Die Feuchtig⸗ teit. häufig anwirft, machen ben Aufenthait beſon⸗ ders Im: Winter ſehr zweydeutis. Alſein wer euere: unternimmt und leiſtet, denkt er ˖ mahl an ben Ort mo es gefchieht?, Genug ein heftiger Katarxhauͤberſiel mich, ohne daß ich deßhalb in mern Wartet irve geworden waͤre.

Damals hatte das Brownlgche Doama Ältere unh- jüngere ‚Mebiciner ergriffen; ein. inger Freund demſelben ergeben ,,. mußte von ber Erfabrung, baßı Peruniauifger Balſom, vorhunden aut Opiym nd Myrrhen, in den hoͤchſten Bruſtuͤbeln einen augen⸗ blicuchen Stillſtand verurſache und dem gefaͤhrlichen Verlauf · ſich entgegenfege.. Er rigth wir zu dieſem Mittsl, und in. dem Augenblick war Huflen, Mus- wur und alles vexſchwunden. Wohlgemuth, bessh.;

ich int: ie WMoafe ſor Schedinss Begleltung weckt

90

Weimar, als gleich zu Anfange des Fahre der Ka- tarrh mit verfiärktee Gewalt zurädlehrte und Ich in einen Zuftand gerieth, der mir die Befinnung raubte. Die Meinigen waren außer Faffung, bie Aerzte tafteten nur, ber Herzog, mein gnaͤdigſter Herr, die Gefahr überfchauend,, griff fogleich per- föntih ein, und ließ durch einen Eilboten den Hof⸗ rath Starke von Jena herüberfommen. Es vergin- gen einige Zuge, ohne daß ich zu einem völligen Be⸗ wußtfeyn zuruͤckkehrte, und als Ih nun dur die Kraft der Ratur und Ärztliche Huͤlfe mic ſelbſt wie- der gewahr wurde, fand ich die Umgebung des rech- ten ‚Auges geſchwollen, das Sehen gehindert und mich uͤbrigens in erbärmlihem Zuftande. Der Fürft Ueß /in ſeiner forgfältigen Leitung nicht nach, der hocherfahrne Leibarzt, im Praktiſchen von ſicherm Griff, bot alles auf, und fo ſtellte Schlaf und Tran⸗ fpiration mich nach und nach wieder ber. Innerlich hatte Ich mich Indeffen ſchon wieder fo geftaltet, daß am 19 Januar bie Langeweile des Zu⸗ ftandes mit eine mäßige Thaͤtigkeit abforderte‘, und ſo wendete ich mich zur -Ueberfehung bes Theophre- ſtiſchen Buͤchletns von den Farben, bie ich ſchon längft Im Sinne’ gehabt. Die nähften Freunde, Schiller, Herder, Bolgt, Einfiedek’und Loder wa- ren-thätig, mich über fernere böfe Etunden hin- auszuheben.- Am 22 war fchon bei mir ein Eon- cert veranftaltet, - und Durchlaucht dem Herzog - konnt' Ih am 34, als am Tage, wo er nad Ber:

j 9 :

Unreifte, für die bis zulegt unmterbrochene Gerg- fait mit erbeitertem Selfte danken: dem an dieſem Tage hatte fih dad Auge wieder gedffnet, und man durfte hoffen, frei nnd vohftändig abermals in die Belt zu ſchauen. Auch konnte ich zunaͤchſt mit ge- neſendem Blick die Gegenwart der durchlauchtigſten Herzogin Amalia und Ihrer freundlich geiftreihen Umgebung bei mir. verehren.

Am 29 durchging ih die. Rolle der Amenaide at Demoiſelle Caspers, einer ſich heranbllden⸗ den Schauſpielerin. Freund Schiller leitete die Proben, und fo gab er mir denn auch den 30 Abende nach der Aufführung Nachricht von dem Gelingen. So ging Ich ferner; diefeibe Rolle mit Demotfelle Jagemann durch, deren Natukell und Verbienft. als Schaufpielerin und Sängerin damals ein Ber: ebrer nad ——— haͤtte ſchildern ſollen.

Brauchbar und in menden. Mollen war Ehlers als Schanfpieler und Saͤnger, beſon⸗ ders in dieſer letzten Eigenſchaft geſelliger Unterhal⸗ tung hoͤchſt willkeonunen, Inden en Balladen und an⸗ dere Lieder der Art: zur Guitarre mit genaueſter Praͤciſſon ver Tertworte, ganz anverglaichlich vor⸗ trug. Er war unermüdet.. im GStudiren des eigent⸗ lichſten Ausdrucks, der darin beſteht, daß der Saͤn⸗ ger nach Einer Melodie die verſchiedenſte Bedeu⸗ tung der einzelnen Strophen hervorzuheben und fo die Pflicht des Lyrblers und Epikers zugleich: zu er⸗

92

fügen:weiß. Hirvon durchdeungen Heb rrifih'd gern: gofallen, wenn ich ihm zumuthete, mehrere Abends ſtunden, ja bis tief ia bie Nacht hinein, daſſetbe Lied mit allen Schattirungen aufs pünctäkbfte yw-- wiederholen: denn bei der gelungenen Paris über> zeugte er ſich, wie verwerflech alles ſogenanute Duch⸗ camponiren der Lieder ſey, woburch der allgemrin lyriſche Charakter ganz aufgehoben und. eine tale: Thyeilnahme am Einzelnen gefordert uud ertegt wird.

Schon am 7 Februar regte: ſich In mir otr pros ductive Ungeduld, ich vahm den Fauft wieder: vor und führte ftellenwelfe: busientge aus, was in: Sekte nung und Umriß ſchon laͤugſt vor mir lag.

Als ich zu Ende vorigen Jahrs u Jeue den Dan erad vᷣearbeitete, ließen meine dortigen geiſtretchen Freunde den Morwutf laut: werben, dußuch anich mit Franzoͤſiſchen Staͤcen; welche bet der jentgen Geſinnung von Deutſchland nicht wohl Gunſt erlan-- gen koͤnten, ſo emſig befdniftige und nichtẽ Eigenes vernaͤhme, worom ich doch ſo manche: hatte merkrur laſſen: Ith vief air: her: die natarllche Tochter vor doer Seelr, deren ganz ansgefthetes Shen Ian feitieinigen Farben: unser meinen Paplerrn lag. :

AGeltentuch· dacht/· ich an: ums. Weitere; allein durch einen anfıGcführnngi geſtuͤtzten Aberzlauben⸗ daß ch rotn ‚Unttenehmen' nicht ausſprechen durfe wert es gelingen: ſolle, verſchwien ich ſeibſti Schil⸗ leen die ſeer Achefte unb urfchben ihrn: Daher nid mus thetine hmenh glauubens ante ccboe. Baba Docemn⸗

93 N

ber find: tcibenuents , daß ber.eufte Bet der matuͤtti⸗ chen Tochter seibenbet worden.

Doc Fechtte.· sd; nicht an Ableit rgen, veſondets naturwiſſenſchafttichen,, fo wie ind Vhlloſophlſche und Biterariſche. Ritter befuchte mid öfters, und sb. ich. gleich sin ſeine Behandilungsweiſe mich nicht ganz. ftuben fannte , ſo nahm ich voch gern von: ihm auf, was er von Erfahrungen überlieferte: umd- was er nach ſeinen Beſttebungen ſich ind Ganze auszu⸗ bilden getrieben war. Zu Schelllug und Schlegel vlleb . ein. thaͤtiges mittheilendes Verhaͤldaiß. Tiere Hbelt: ſich laͤnger In Weimar auf, ſeine Gegenwart war timmer anmuthig foͤrdeuyrnd. Mit Paulus blieb ebenfalls ein. iamer gleiches Verbuͤndnißz wie Bonn alle ·hiefe Vochtitulſſe darch die Nähe von Wehnar md FJenaſich immerfort lobendig erhlelten und durch meinen Aufenthalt am mehr beſtaͤrigt wurden.

Bor Mat urtiſtorlſchem beruhrte ein krummer Elephantenzahhn ward nach einem grb- -Gen Regengußo in den Gelmeroͤder Schracht entdert. Erddag höher als alls die vicherigen Weite dieſer fru⸗ Yan SGeſchorſee, welde: in:den DTaffſtetubruchen, eingahuͤllerin Bie ſes Weftein, wenig Fuß uͤber der Jim gefnnden werden; dieſer aber ward unmittel⸗ dar auf dem Kalfftoͤtz⸗ unter der. aufgeſchwemmuen Erde im Geroͤlle entdeckt, über der Ilm etwa zwen- hundert. Er ward zu einer Zeit gefunden, wo id, dergietgen Gegenſtaͤnden eutfrrundet, daran wenig

» "94

Antheil nahm. . Die Kinder biekten-bie Materie für

- Meerfhaum und ſchickten folde Stüde nad Ciſenach, “ur Heine Trämmer waren mir zugekommen, die ich anf fib beruhen ließ. Bergrath Werner jedoch, bei einem abermaligen belehrenden Beſuche, wußte fo-

‚gleich die Sache zu enticheiden, und wir erfreuten uns der von einem: Meier des Fachs ausgeſproche⸗ nen Beruhigung.

Auch die Verhaͤltniſſe, in bie ich durch den Befitz des Freiguts zu Roßla gekommen war, forderten aufmerkſame Theilnahme fuͤr einige Zeit, wobei ich jedoch die Tage, die mir geraubt zu werden ſchie⸗ nen, vielſeitig zu benutzen wußte. Der erſte Pach⸗ tes war auszuklagen, ein neuer einzuſetzen, und

: man mußte die Erfahrungen für etwas reinen, bie man im Verfolg fo fremdartiger Dinge. nach. und nach gewonnen hatte,

Zu Ende März war ein ländlicher Aufenthalt ſchon erauidiih genug. Oekonomen und Juriſten überließ. man das Gefchäft und ergößte ſich einſtwei⸗ len in freier. 2uft, und weil die Cencluſion ergo bi- bamus zu allen⸗ Praͤmiſſen paßt, fo ward auch. bei ‚diefer Gelegenheit manches herkoͤmmliche und will:

kuͤrliche Feſt gefeuert; es fehlte nicht an Beſuchen,

und die Koften einer wohlbefeäten Tafel vermehr- ten das Deficit, das der alte, Pachter zuruͤckgelaſ⸗ ſen hatte.

Der neue war ein leidenſchaftiicher Freund von Banmzudt; feiner Neigung gab ein angenehmer

095 [ 5

Thalgrund von dem frachtbarften Boden Gelegen- heit. zu folhen Anlagen, Die eine buſchige Seite des Abhange, durch eine lebendige Auelle geſchmuͤckt, tief dagegen meine alte Parkſpielerey au gefchlän- gelten Wegen: und gefelligen Räumen hervor; genug ed fehlte nichts ald das Nüslihe, und fo wäre die⸗ fee kleine Beſitz hoͤchſt wünfchenswerth geblichen. Auch die Nahbarfhaft eines bedeutenden Städt chens, Heinerer Ortſchaften, durch verftändige Beamte und tuͤchtige Pächter geſelllgz, gaben dem Aufenthalt befondern Reiz; die ſchon entfchlebene Straßenführung nah Eckardsberge, welche unmit- teldar hinter dem Hausgarten abgeſteckt wurde, veranlaßte bereits Gedanken und Plane, wie man ein Luſthaͤuschen anlegen und von dort an den bele- benden Mepfuhren fih ergösen wollte; fo daß man fih auf dem Grand und Boden, der einträglich Hätte werben follen, nur neue Gelegenheiten zu vermehr- . ten Ausgaben und verberblichen zerfirenungen mit Behagen vorbereitete.

Eine fromme, für's Leben bedeutende Feyerlich⸗ keit fiel jedoch im Innern’ des Haufes In diefen Ta- gen vor. Die Sonfirmation meines Sohnes, welche Herder nad feiner edlen Welfe verrichtete, ließ une nicht ohne rührende Erinnerung vergangner Ver⸗ bältniffe, nicht ohne Hoffnung Fünftiger IIEUAPUSIEE Bezüge.

Unter dieſen und andern Creignifen wer der Tag bingegangen; erste fowohl als Fremde ver:

‚9%

tangten, ich falle mich in ein Bad begeben, und fch Tieß. mich, nach: dem damaligen Staͤrkungsfpftem, um f6 mehr fuͤr Pyrmont beftimmen, aid ich mich nach einem "Aufenthalt in Göttingen fihon laͤngſt gefehnt hatte.

Den. 5 Juny reiftte ih ab vor Weimar, uud gleich die exften Meilen waren mir hoͤchſt erfriſchend; - Ich konnte wieder einen theiinehmenden Blick auf die Welt werfen, ‚und obgleich von feinem aͤſtheti⸗ ſchen Gefühl begleitet, wirkte er doch hoͤchſt wohl⸗ thätig auf mein Inneres. Ich mochte ger bie Folge der Gegend, bie Abwechielung ber Landesart be- merken, nicht weniger ben Charakter der Städte, Ihre ältere Herkunft, Erneuerung, Polieey, Arten und Unarten. Auch die menfchliche Geſtalt zog mid an: und ihre · hoͤchſt merlbaren Verſchiedenheiten; ich fälle, daß ich der Welt wieder angehörte.

In Göttingen bei der Krone eingekehrt bemerkt * als eben die Daͤmmerung einbrach, einige Be- wegung auf der Straße; Studirende kamen und gingen, ‚verioren ſich in Seitengaͤßchen und traten 1# bewegten- Muffe wieder vor. Endlich erſcholl anf einmal: ein Freudiges Lebehoch! aber auch Tın Augenblick war alles verfchwunden. Ich vernahm, daß dergleichen Beifallsbe zeugungen verpönt ſeyen, und es freute mich um ſo mehr, daß man es gewagt hatte mich aur im Vorbeigehen aus dem Stegreife

zu begtaͤßen. an datauf erhielt ich ein Billet,

unter-

| |

97

unterzeihnet Schuh mamer aus Holſtein,

mir auf eine anftändig vertrauliche Art den Aa wmeibet, den er und eine Geſellſchaft innger Freunde gebegt, mich zu Michasli in Melmar zu befuchen, und wie fie nunmehr hofften bier am Ort ihren Wunſch befriedrigt zu Tegen. Ich Iprach fie mit Au⸗ theil unb Vergnuͤgen. Cin fo —— wäre dem Seſunden fhon wehlthaͤtig geweſen, dem Geneſenden ward er es doppelt.

Hofrath Blumenbach empfing mich nach ge⸗ wohnter Welle. Immer von dem NMeuſten und Mertwärbigftien umgeben iſt fein Willlommen jeber- zeit beichrend. Ich fah bei ihm ben erſten Aeroli⸗ then, an welches Naturerzeuguiß ber Glaube une erſt vor kurzem in die Hand gegeben ward. Ein junger Räftner und von Arnim, früber bes kannt und verwandten Sinued, fuchten mich. auf und begleiteten mich zur Reitbahn, wu ich ben be: rähmten Stallmelfler Ayrerx in feinem Wirkunges freife begrüßte. Eine wohlbeßellte Reitbahn hat im- mer etwas Impoſantes; bas Pferd ſteht als Thier ſehr hoch, doch feine bedeutende weitreichende In⸗ telligenz wirb auf eine wımderfame Weiſe durch ge= bundene Ertremitäten befchräntt. Gin Geſchoͤpf, das bei fo bedeutenden, ja großen Eigenſchaften fi ung im Treten, Lanfen, Nennen zu.äußern vermag, iſt ein feltfamer Gegenſtand für die Betrachtung, ia man überzeugt fich beinahe, daß es nur zum Organ des Menichen geihaffen fey, um gefellt zu höherem

Oretze'} Werte. KIXL Bd. 7

v8

Sinne und HZwerke das SKräftkgfte wie das Anmu⸗ thigſre bis zum Hamüglichen auszurichten. en

MWarum dann anch eine. Reithahne ſa wohlthaͤtig auf.den Verſtaͤndigen witkt, iſt daß amar hier, viel⸗ teicht eimig in der Weit, die zweckmabige Beſchvan⸗ tung ber That, die Werksanung aller Willkir, ia des Zufalls mit Augen ſchaut und mit dem Geiſte begreift. Menſchen und schier verſchmelzen hier dergeſtalt in Eins, daß man nicht tzzu ſagen mußte, wer denn ekgentlich ben andern ersieht. Derzleichen Betrachtungen warden bis aufs hoͤchſte geſteigert, als man die zwey Paare ſegenanuter weißgeborner Herde zu ſehen⸗bekam, welche Fuͤrſt Sangusko in Hunnover für eine bedeutende Summe: getauft hatte, .Von da zu der allerruhigften und unſichtbarſten Thaͤtigkeit übergugehen, war in oberflaͤchlicher Be⸗ ſchauung der Bibliothek gegoͤnnt; man fuͤhlt ſich wie in der Gegenwart eineg großen Gapitals, das e⸗ rarſctos unberechenbare Ainſen ſyendet.

Hofrath He ve zeigte mir’ Koͤpfe Howeriſcher Helden von Diſch be in in groͤem Maßſtabe aus⸗ geführt; ich Tamnte. die Hand des alten. Freundes wieder, und freute mich feiner fortgefenten Bemuͤ⸗ hungen, durch Stublum der Antike fi der Einſicht zu nähern, wie ber bitbende Kuͤnſtler mit dem Dich⸗ ter zu wettelfern: habe. Wie viek weiter war man nicht ſchon gekemnen nid wor zwanzig: Jahren, Da Der trefftiche, das Hechte vorahnende KLeffing vor den Irrwegen bes Grafen Cayfus warnen, und ges

9

gen Klotz und Miedel feine. Ueberzengung vertheidi⸗ gen mußte, daß man nämlich nicht nach dem Homer, fouderu wie Homer mythologiſch⸗ epifhe Gegenſtaͤn⸗ de bisbEhnftleriich zu behambein habe,

Reue und ernemerte Bekanntſchaften fanden fi wehlmwollend ein. Unter Leitung Blumenbachs be- fah ich abermals die Muſeen, und fand im Stein- zeihe mir noch unbelannte aufrreurspäifhe Mu⸗

ſterſtuͤuke.

Und wie denn jeder Ort ben fremden Ankoͤmm⸗ ing zerftreuend bin- und herzieht and unfere Faͤ⸗ higkeit, das Intereffe mit den Gegenfländen fchnell zu wechfeln, von Augenblick zu Augenbiid in Au- ſoruch nimmt, fo wußte ich die Bemuͤhung des Pro- feſors Oſiander zu fhäben, der mir ‚bie wich⸗ tige Anftalt des neu⸗ und ſonderbar erbauten Necou- chirhauſes, To wie bie Behandlung bes Geſchaͤftes erllaͤrend zeigte.

Den Lodungen, mit denen Blumenbach die Ju⸗ -gend anzuziehen und fie unterhaltend. zu beichren weiß, entging auch nicht mein zehnjaͤhriger Sohn. Als ber. Knabe vernahm, daß von den vielgeftaltigen Berfteinerungen ber Heinberg wie zufammengefebt fey, drängte er mich zum. Beſuch diefer Hoͤhe, wo «bean bie sewäßnlichen Debude häufig aufgepackt, die feltnern aber einer fpdtern .emfigen Forſchung vor⸗ behalten wurben.

Und fo entfernte ich mich den 12 Juny von die⸗ ſem einzig bedeutenden Orte, in der angenehm be:

100

rubigenden Hoffnung mich zur Nachcur Länger ba- felbft aufzuhalten.

Der Weg nah Pyrmont hot mir neue Betrach⸗ tungen dar: das Leinethal mit feinem milden Cha⸗ rakter erfchlen freundlich und wöhnlih; die Stabt Einbeck, deren hoch aufftrebende Daͤcher mit Sand⸗ fteinplatten gededt find, machte einen wunderfamen Eindrud. Sie ſelbſt und die nächte Umgegend mit dem Sinne Zadigs durchwandelnd, glaubt’ ih zu _ bemerten, daß fie vor zwanzig, dreyßig Jahren einen trefflihen Burgemeifter muͤſſe gehabt haben. Ich fhloß dieß aus bedeutenden Baumpflanzungen von ungefähr diefem Alter.

In Pyrmont bezog ich eine fhöne, ruhig gegen das Ende des Orts Iiegende Wohnung bei dem Brunnencafjierer, und es konnte mir nichts gluͤck⸗ licher begegnen ald daß Griesbachs ebendafelbft ein- gemiethet hatten, und bald nach mir anfamen. . Stille Nachbarn, geprüfte Freunde, fo unterrichtete als wohlwollende Perfonen trugen zur ergößlichen Unterhaltung das vorzäglichfte bei. Prediger Schuͤtz aus Büdeburg, ienen ald Bruder und Schwager, und mir ald Gleichniß feiner. längft be- kannten Geſchwiſter höchft willlommen, mochte ſich gern von allem was man werth und wuͤrdig halten mag, gleichfalls unterhalten.

Hofrath Richter von Goͤttingen, in Beglei⸗ tung des augenkranken Fuͤrſten Sangusko, zeigte ſich immer in den liebenswuͤrdigſten Eigenheiten, heiter

101

auf trockne Welfe, nediih und nedend, bald tronifch und paradox, bald gründlich und offen.

Mit Tolhen Perfonen fand ich mich gleih an⸗— fange zufammen; ich wüßte nicht, daß Ich eine Babes zeit in befferer Geſellſchaft gelebt hätte, beſonders da eine mehridhrige Bekanntſchaft ein wechfelfeitig buldendes Vertrauen eingeleitet hatte.

Auch lernte ich kennen Frau von Weinheim, ehemalige Generalin von Bauer, Mabame Scholin and Naleff, Verwandte von Madame Sander In Berlin. Anmuthige und liebenswürdige Freundin- nen machten biefen Cirkel hoͤchſt wuͤnſchenswerth.

Leider war ein ftürmifh -regnerifches Wetter et: ner Öftern Sufammenkunft. im Frelen hinderlich; ih widmete mich zu Haufe der Ueberfeßung des Theophraft und einer weitern Ausbildung der fich immermehr bereihernden Farbenlehre.

Die merkwürdige Dunfthöhle In der Nähe des Ortes, wo das Stidgas, welches mit Waller ver- bunden fo Fräftig heilſam auf den menfchlichen Kör- per wirkt, für ſich unfihtbar eine tödtliche Atmo- fphäre bildet, veranlaßte manche Verſuche, die zur Unterhaltung dienten. Nach ernftliher Prüfung des Locals und des Niveau's jener Luftihicht konnte Ich die auffallenden und erfreulihen Erperimente mit fiherer Kuͤhnheit anftellen. Die auf dem unfichrbe- baren Elemente Iuftig tanzenden Seifenblafen, das ploͤtzliche Verlöfchen eines fladernden Strohwiſches, das augen blickliche Wicherentzünden, und was der⸗

102

gleichen fonft noch war, bereitete (tammendes: Er⸗ gögen folchen Perfonen, die das: Phänomen noch gar.nicht kannten, und Bewunderung, wenn fie es noch. nicht im Großen und Freien ausgeführt gefeben hatten, And. als: ih num ger diefed: geheinmißvolle Agens, in Pyrmouter Flafchen gefhit, mit nad Haufe trug und In jedem anſcheinend leeren Trinfz glas das Wunder bed ausloͤſchenden Wachsſtocks wlederholte, war die Geſellſchaft völlig zufrieden und der unglaubtge Brunnenmeifter fo zur Ueber⸗ zeugung gelangt, daß er fi. bereit zeigte, mir ei⸗ nige dergleichen waſſerleere Flaſchen den übrigen ge⸗ fuͤllten mit beizupacken, deren Inhalt fi auch In Weimar noch vollig wirkſam offenbarte:

Der Fußpfad nach Luͤde, zwiſchen abgeſchraͤnkten Weideplaͤtzen her, ward oͤfters zuruͤckgelegt. In dem Oertchen, das einigemal abgebrannt war, er: regte eine defperate Hausinſchrift unſere Aufmerk⸗ ſamkeit; ſie lautet:

Gott ſegne das Haus! Zweymal rannt' ich heraus, Denn-zweymal iſt's abgebrannt, Komm' ich zum. drittenmal gerannt, Da ſegne Gott meinen Lauf, Ich baus wahrlich nicht wieder auf.

Das Francisdaner⸗Kloſter ward beſucht und et⸗

nige dargebotene Milch genoſſen. Eine uralte Kitche außerhalb des Ortes gab den erſten unfchwidigen

403

Begriff eines ſolchen früheren: Gotteshauſes mit Schiff und Kreuzgaͤngen unter Einem Dad bei wöls Kg giattem unverziertem-Borbergiebet. Man ſchrieb fie. den Selten: Carls des Sroßen zu; auf alle Faͤlle itfie fuͤr uralt zu achten, es ſey nun der Seht mach, oder daß fie die uranfänglichen - Beduͤrfniffe jener Gegend: ausipriät.

Mich. and beſonders meinen Sohn überrafchte höchft angenehm das Anerbleten des Rectors Wer- ner uns auf deu. ſogenannten Kryſtallberg hinter Luͤde zu führen, wo man ‚bei. hellem Sonnenſchein die Aeckor von taufend und. aber tauſend kleinen Bergkroſtallen widerkhimmern ſieht. Sie haben Ih; ven. Urſprung in⸗kleinenn Hoͤhlen eines Mergekiteing, und ſind auf alle Weiſe merkwuͤrdig als ein neueres Erzeugniß, wo ein Minimum der im. Kalkgeſteia enthaltenan Kieſelerde, wahrſcheinlich dunſtartig befreit, rein und waſſerheil in Kryſtalle zuſam⸗ ment ritt.

Ferner beſuchten wie: bie hinter dem Koͤnigsberge von Quaͤkern angelegte wie auch betriebene Meſſer⸗ fabrik, und fanden und veranlaßt, ihrem ganz: nah bei Pyrmont gehaltenen Gottesdienſt mehrmals bei⸗ zuwohnen, deſſen, nach langer Erwartung, fuͤr im⸗ proviſirt gelten ſollende Rhetorik kaum jemand das erſtemal, geſchweige denn bei-wiebethöltem Beſuch, für inſpirirt anerkennen möchte. Es iſt eine traue rige Sache, daß ein reiner Eultus jeder Art, ſobald

104

er au Orte befchräntt und durch bie Zeit bedingt Ift, eine gewiffe Heucheley niemals ganz ablehnen kann.

Die Königin von Frankteih, Gemahlin Ludwig bes XVIIL, unter dem Namen einer Graͤfin Lille, erſchien auch am Brunnen, in weniger aber abge= fchioffener Umgebung.

Bedeutende Männer habe ich ‚noch zu nennen: Sonfiftorielrath Horftig und Hofrath Marguart, ben letztern als einen Freund und Nachfolger Zim⸗ mermanns.

Das fortdauernde uͤble Wetter drängte die Ge⸗ fellfchaft Öfters Ins Theater. Mehr dem Perſonal . als den Stüden wendete ich meine Aufmerkſamkeit zu. Inter meinen Papieren find? ich noch ein Ver- zeichniß der fämtlihen Namen und der geleifteten Rollen, der zur Beurtheilung gelaffene Platz hinge⸗ gen ward nicht ausgefüllt. Iffland und Kotzebue thaten auch hier das Befte, und Eulalia, wen man fhon wenig von ber Rolle verftand, bewirkte doch, dur einen fentimental:tönend weichlichen Vortrag, den größten Effect; meine Nachbarinnen zerfloffen in Thränen.

Was aber in Pyrmont apprehenfiv wie eine böfe Schlange fi durch die Gefellfchaft windet und be= wegt, iſt die Leidenfchaft bes Spiels und das daran bei einem jeden, felbft wider Willen, erregte Ju⸗ gereffe. Man mag um Wind und Wetter zu ent= gehen In die Säle felbft treten, oder in beſſern Stunden die Allee auf und abwandeln, überall ziſcht

105

das Ungehener durch bie Reihen; bald hört man, wie aͤngſtlich eine Gattin ben Gemahl nicht weiter zu ſpielen aufieht, bald begegnet uns ein junger Mann , der In Verzweiflung über feinen Verluſt die Geliebte vernachläffigt, die Braut vergißt; dann erfhallt auf einmal ein Ruf gränzenlofer Bewundes rung: bie Bank fey gefprengt! Es geſchah dießmal wirkiich In Roth und Schwarz. Der vorfihtige Gewinner ſetzte fih alsbald in eine Poſtchaiſe, ſei⸗ nen unerwartet erworbenen Schatz bei nahen Freun⸗ den und Verwandten in Sicherheft zu bringen. Er kam zuruͤck, wie es ſchien mit mäßiger Börfe, den" er lebte ſtille fort, als wäre nichts gefchehen.

Nun aber kann man in biefer Gegend nicht ver- weilen, obne auf jene Urgefchichten hingewleſen zu werden, von denen ung Roͤmiſche Schriftiteller fo ehrenvolle Nachrichten uͤberllefern. Hier iſt nody die Umwallung eines Berges fichtbar, dort eine Reihe von Hügeln: und Thaͤlern, wo gewiſſe Hee⸗ reszuͤge und Schlachten fih hatten ereiguen koͤnnen, Da tft ein Gebirgs-, ein Ortsname, der dorthin Binte zu geben fcheint; herkömmliche Gebraͤuche fogar deuten auf bie früheften roh fenernden Zeiten, und man mag fich wehren und wenden wie man will, man mag noch fo viel Abneigung beweifen, vor ſol⸗ hen aus dem Ungewiſſen ins Ungewiſſere verleiten ben Bemühungen, man findet fich wie in einem ma⸗ gifchen Kreife befangen, man identifichtt das Ver⸗ sangene mit der Gegenwart, man befchränft bie

106

allgemeinſte Raͤumlichkeit auf die jedesmal nächte und fühlt ſich zuletzt in dem behagilchſten Zuſtande, weil man fuͤr Einen Augenblick waͤhnt, man habe ſich das Unfaßlichſte zur mntenere —— gebracht.

Durch unterhaltungen ſolcherArt, gefelit zum Leſen von. fo. manderlei Heften, Büchern. und Buͤ⸗ chelchen, alle mehr oder weniger auf. bie Geſchichte von Pyrmont und die Nachbarſchaft bezuͤglich, warb

Zzuletzt der: Gedanke einer gewiſſen Darſtellung in ir rege, wozu ich * meiner ia ſraleich ·ein Schema verfertigte.

Das Jahr 1582, wo auf einmat ein wendete: mer Big aus allen Weltgegenden nach Yyrmont-bin- ftrömte, und die zwar bekannte aber noch nicht hoch⸗ Verähmte Quelle mit unzähligen Gaͤſten heimſuchte, welche bei voͤllig mangelnden Einrichtungen ſich auf die kuͤnrmerlichſte und wunberlihfte Art behelfen mußten, ward als prägnanter Moment ergriffen mib- anf einen ſolchen Zeitpunct, einen ſolchen mmvor- Bereiteten- Zuſtand vorwärts und: ridwäitd- em Maͤhrchen erbaut, das zur Abſicht Hatte, wie die Amusemens des eaux de Spa, fowohl in ber Kerne als der Gegenwart eine unterhaltende Beleh⸗ rung: gu: gewähren. Wie aber ein: fo Iöbliches Un⸗ ternehmen unterbrochen und zuletzt ganz aufgegeben worden, wird aus dem Nachfolgenben benttich wer⸗ den. Jedoch Tau ein allgemeiner Entwurf unter

107

andern: kleinen Auffägen dem Lefer zunaͤchſt mitger theilt werden.

Ya :Hatte die letzten Tage bei: fehr unbeftäubigem Weiter. nicht. auf das angenehmſte zugebracdkt und fing an zu fürchten, men Aufenthalt iu Pyrmont wärbe mir nicht zum Heil gedeihen. Nach einer fo huchentzimdlichen Krankheit mich: abermals im Bruns hen Sinne einem: fo entfähleden anregenden Babe zuzuſchicken, war vieleicht nicht ein Zeugulß richtig beurtheilender Aerzte. Ich war auf einen: Grab reisbar: gewerden, daß: mich" Wachts: die heftigſte Blursbewegung nicht ſchlafen Ifed, bei Zuge das Gleichguͤltigſte In einen excentriſchen Zuſtund vere Der Herzog mein gnaͤdigſter Hert kam ben 9 July in Pyrmont am, ich erfuhr, was ſich zumaͤchſt in Belmar zugettagen und: was daſelbſt begonnen wor⸗ den; aber: eben: jener aufgeregte Zuſtand ließ mich einer fo erwänfchten Naͤhe nicht genießen. Dis forte _ dauernde Regenwetter verhinberte: jede Geſeligkon im Freien; ich entfernte mich am 17 Juld, wernig erbaut von: den Refultaten moines Aufenthalts.

Durch Bewegung und Serftreuung auf der näife, auch wohl wegen unterlaſſonen Gebtauchs des aufte⸗ genden Mineralwaſſers, gelängt” ich in gluͤcklkcher Stimmung wach Gbottingen. Ich bezog olne ange⸗ nehme Wohnung bei dem Iuftrumenteumacer Koͤr⸗ = en der Allee im:enften Stoder Mein eigentiis

chee Zwed bei: elnem langern Aufenthalt daſeibſt

108 war, bie Luͤcken des biftorifchen Theils der Farben⸗

lehre, deren fih noch manche fühlbar machten, ab:

ſchließlich auszufüllen. Ich hatte ein Verzeichniß

aller Bäder und Schriften mitgebracht, deren ich

bisher nicht habhaft werden können; ich übergab fol- ches dem Heren Profeffor Reuß und erfuhr von ihm fo wie von allen übrigen Augeſtellten bie ent- ſchiedenſte Beihäife. Nicht allein ward mir was ich aufgezeichnet hatte vorgelegt, ſondern aud gar mandes, bad mir unbekannt geblieben war, nach= gewiefen. Einen großen Theil des Tags vergönnte man mie anf. ber Bibllothek zuzubringen, viele Werte wurben mir nach Haufe gegeben, und fe verbracht? ich meine Zeit mit dem größten Nutzen. Die Gelehrtengefchichte von Göttingen, nach Püt- ter, fiubirte ich nun am Orte felbft mit größter Auf- merkſamkeit und eigentlichfter Theilnahme, ja ich ging die Lections-Katalogen vom Urſprung der Aka⸗ demie forgfältig durch, worand man. denn die Ge⸗ ſchichte der Wiſſenſchaften newerer Zeit gar wohl abnehmen konnte. Sodann beachtete Ich vorzüglich die ſaͤmmtlichen phyſikaliſchen Compendien, nad welchen geleſen worden, in den nach und nach auf⸗ einander folgenden Ausgaben, und In ſolchen beſon⸗ ders das Capitel von Licht und Farben.

Die uͤbrigen Stunden verbracht' ich ſodann in großer. Erheiterung. Ich muͤßte dad ganze damals lehende Göttingen nennen, wenn ich alles, was mir an freumblichen Geſellſchaften, Mittags: und Abend-

109 - i

tafein, Spazlergängen und Landfahrten gu Theil ward, einzeln aufführen wollte. Ich gedenke nur einer angenehmen nah Wehnde mit Profefior Bo u⸗ terwecd zu Oberamtmann Weſtfeld, und einer andern ven Hofrath Meiners veranftalteten, wo ein ganz heiterer Tag zuerit auf der Papiermühle, dann in Pöppelshaufen, ferner auf der Pleſſe, wo eine ftattlihe Reftauration bereitet war, in Geſell⸗ fhaft des Profeſſor Fiorillo zugebracht, und am Abend auf Mariaſpring tranlich beſchloſſen wurde.

Die unermuͤdliche durchgreifende Belehrung Hof⸗ rath Blumenbachs, die mir ſo viel neue Kenntniß und Aufſchluß verlieh, erregte die Leidenſchaft mei⸗ ned Sohnes für die Foſſilien des Heinberges. Gar manche Spazierwege wurden dorthin vorgenommen, die häufig vorkommenden Eremplare gierig zuſam⸗ mengeſucht, den feltnern emfig nachgeſpuͤrt. Hier⸗ bei ergab fich der merkwuͤrdige Unterfchleb zweyer Sharattere umd Tendenzen: indeß mein Sohn mit der Leidenſchaft eined Sammlers bie Vorkommniſſe aller Art zufammentrug, hielt Eduard, ein Sohn Blumenbachs, als geborner Milttär, ſich bloß an die DBelemniten und verwendete folhe, um einen - Sandhaufen als Zeitung betrachtet mit Paliſſaden zu umgeben.

Sehr oft beſucht' ich Profefor Hofmann, und ward den Kroptogamen, bie für mich immer eine umzugängliche Provinz gewefen, näher bekannt. Ich ſah bei Ihm mit Bewimderung bie Ergengufffe

Pr

410

Iebofialer ‚Beruentndater, bie das ſonſt nur durch Mikroſlope Sichtbare dem gewoͤhnlichen Tagesblick entgegen führten. Ein gewaltfamer Regeuguß über- ſchmemmte dem untere Garten, und rinige Straßen van Goͤttiagen ſtanden uater Waffer. Hieraus er⸗ wuchs uns eine ſonderbare Verlegenheit. Zu einem herrlichen, bei Hofrath Martens angeſtellten Gaſt⸗ mahl ſollten wir uns in Portechaiſen hinbringen laſ⸗ den. Ich kam gluͤcklich durch, allein ber Freund, mit meinem Sohne zugleich eingeſchachtelt, warb den Traͤgern zu febwer, fie fehten: wie bei troknem Pflaſter den Kaſten nieder, und die geputzten In⸗ ſitzenden waren nicht wenig verwundert, den Strom guihnen hereindringen zu fühlen. Auch Profeſſor Sepfers zeigte mir die In⸗ Krumente der Sterumarte mit Gefaͤlligkeit umſtaͤnd⸗ Sch vor. Mehrere bedeutende Fremde, deren man auf frequentirten Univerfitäten immer als Säfte zu ‚finden pfleat, lernt ich daſelbſt: kennen, Rd mit Tebem Tag vermehrte ſich der Reichthum meines Gewinne uͤber alles Erwarten. ind ſo hab’ Ich deun auch der freundlichen Theilnahme des Profeffor Sar⸗ torius zu gedenken, ber: in allem und jebens Beduͤr⸗ fen, dergleichen man an fremden Orten mehr oder weniger ausgeſetzt ift, mit Rath und That fortwaͤh⸗ rond zur Hand Sing, um durch umsenterbrochene Ge⸗ ſelligkeit die ſaͤmmtlichen Ereiguiffe meines dortigen Aufenthaltes zu ainem nuͤtlichen und erfreulichen . :Qanzon- zu · verflechten.

4

Auch Hatte derſelbe in Gefeliichaft: mit. Profefer Hag or déie Seneigtheit: einen. Vortrag won mir zu verlangen, und was Ih denn eigentlich bei meiner Farbenlehre beabſichtige, näher zu veruahmen. Gi- wen. folchen WUntzgge durft' ich wohl, halb Scherz halb Ernft, zu signer Faſſung und Uebung nachge⸗ ben; doch lonnte bei meiner noch nicht: vollſtaͤndigen Beherrſchung des Gegenſtaudes dieſer Verſuch we⸗ der mir noch ihnen zur Befriodigung aus ſchlagen.

Se verbracht Ih Denn die ßeit fo-angenehm als nuͤtzlich, und mußte noch zulatzt gemahr werden, wie gefaͤhrlich es fen äh einer ſo großen Maſſe vom Gelehrſamkeit zu naͤhorn: denn indem ich, um ein⸗ zelner in mein Geſchaͤft einſchlagender Diſſertationen willen, ganze Bünde dengleichen alademiſcher Schrif⸗ ten vor mich legte, ſo Fand ich nebenher allſeitig ſo viel Anlockendes, daß ich bei meiner ohnehin leicht su erregenden Beſtimmbarkeit und Vorkenntniß in vielen Faͤchern, hier uud da hingezogen warb und meine Collectaneen cine "bunte Goftaltaugunehmen drohten. Ich faßte mich jedoch bald wieder ing Enge und wußte zur rechten Zeit einen Abſchluß zu finden.

Indeß Ih unn eine: Neihe von’ Tagen nuͤtzlich md angenehm, wie es wohl, felten.Befchleht, ze beachte, fo: erlitt ich dagegen zur Nechtzeit gar manche: Unhilden, ‚Die im. Augenblick hoͤchſt verbriek- lich nad Inder Folge laͤcherlich erſcheinen.

‚Meine und talentoolle wreundin Den,

112

Jagemann hatte kurz vor meiner Ankunft das publi-

cam anf einen hoben Grad entzädt; Chemänner- gedachten ihrer Vorzuͤge mit mehr Enthuflasmus als den Frauen lieb war, und gleicherweife ſah man eine -erregbare Jugend bingeriffen; aber mir hatte die Superiorität Ihrer Natue- und Kunftgaben ein großes Unheil bereitet. Die Tochter meines Wir: thes Dem. Krämer hatte von Natur eine recht fchöne Stimme, dur Uebung eine gluͤckliche Ausbildung berfelben erlangt, ihr aber fehlte die Anfage Zum Triller, deſſen Anmuth fie nun von einer fremden Birtuofin In hoͤchſter Volllommenheit gewahrt wor: den; nun fchten fie alles Wehrige zu vernachläffigen und nahm fih vor, diefe Zierde des Gefanged zu erringen. Wie fie es damit bie Tage über gehal⸗ ten, weiß ich nicht zu fagen, aber Nachts; eben wenn man fich zu Bette legen weilte, erfiles ihr Eifer den Gipfel: bis Mitternacht wiederhoite fie gewiſſe cadenzartige Gänge, deren Schluß mit einem rider getrönt werden follte, meiſtens aber haͤßlich entftellt, wenigftend Dune Bedeutung, abgefhlofs fen wurde. Andern Anlaß zur Verzweiflung gaben ganz ent- gegengefeste Töne; eine Hundefchaar verfammelte ſich um das Eckhaus, deren Gebell anhaltend uner⸗ träglich war. Sie zu verfhenchen, griff man nad dem erften beiten Werfbaren, und da flog denn mans ches Ammonshorn des Helnberges, von meinem Sohne muͤhſam herbeigetragen, gegen die unwill⸗ lkom⸗

ü v

415

Tommenen. Wubeförer, und gewoͤhnlich umfonfk. Denn. wenn wir alle verſcheucht glaubten, beit’ es immerfort bie wir endlich emtbedten, daß über um- fern Haͤuptern fh ein. großer Hund des Haufes am Fenſter aufrecht gefteßt feine Cameraden durch Er- wieberung hervorrief.

Aber bieb- war. noch nicht: genng; aus tiefem

Schlaſe wedte mich der ungeheure Tom eines Hor-

ned, ald wenn: 08 mir zwiſchen die Bettvorhaͤnge Yineisbiiefe. Ein Nachtwaͤchter unter meinem. Feu⸗ ter verrichtete fein Amt auf feinem Poſten, und ich war doppelt und drepyfach ungluͤcklich, als feine Pflichtgensſſen an allen Eden der auf die Allee füb- zendew Straßen antworteten, um durch erfchredende Toͤne uns zu beweiſen, daß fie fuͤr die Sicherheit unſerer Ruhe beſorgt ſeyen. Nun ermachte die krankhafte Reizbarleit, und es biteb mir nichts uͤbrig, als mit der Policey In Unterhandlung zu treten, welche bie befombere Gefaͤlligkelt hatte, erſt eins, dann mehrere dieſer Hörer um des wunderlichen Fremden willen zum Schweigen zu bringen, der Im Begriff mar die Melle des Oheims in Humphry Ktinter zu fpielen, deſſen ungeduldige Reizbarkeit durch ein paar Walbhoͤrner zum -thätigen REN geiteigest wurbe.. = Belehtt, froh und dankbar teif’te ich den 14 Au⸗ guft von Göttingen ab, beſuchte die Baſaltbruͤche son Dransfeld, beren problemmtifche Erſcheinung fhon damals die Naturforfcher RENT: Ich Soethed Werke. XXXI. Bd.

113

beftieg den hoben Hahn, anf weichem das ſchoͤnſte Wetter die weite Umficht begünftigte, und den Be⸗ griff der Landſchaft vom Harz her deutlicher fallen ließ. Ich begab mich nach Hanudvrifh-Minden, deſ⸗ fen merkwuͤrdige Lage auf einer Erdzunge, dur die Bereinigung der Werre und Fulde geblidet, einem fehr erfreutichen Anblick darbot. Mon da begab Ich mich nah. Saffet, wo ich die Meinigen mit Prof. Meyer antraf; wir befshen unter Anleitung bes wodern Nahls, deſſen Gegenwart und an dem fruͤhern Roͤmiſchen Aufenthalt gedenken ließ, Wil⸗ heimshöhe an dem Tage, wo die Springwafler das mannichfaltige Park: und Garten Local verherrlich⸗ ten, Wir beachteten forgfältig die koͤſtlihen Ge- maͤhlde ber Bildergalerie und des Schloffes, durch⸗ mandelten dad Mufenm und befuchten das Thea- ter. Erfremich war und dad Begegnen eines: alten theifuehmenden Freundes, Major von Truchſeß, der in frübern Jahren durch rebliche Tuͤchtigkeit ſich in die Reihe ber Göße von Berlichingen zu fielen verdient hatte.

Den 21 Auguft gingen wir über Hoheneichen nad Kreuzburz; am folgenden Tage, nahdem wir die Salinen befehen, selangten wir. nach Eiſenach, begrüßten bie Wartburg und den Maͤdelſtein, wo fih manche Erinnerung von zwanzig Fahren her be= lebte. Die Anlagen des Handelsmanns Roͤ ſe wa⸗ ren zu einem neuen unerwarteten Gegenftand in⸗ beflen herangewachfen.

115

Darauf gelangte Ich nach Gotha, wo Prinz Au- guft mich nach altem freundfchaftlihem Verhaͤltniß in feinem angenehmen Sommerbaufe wirthlich auf: nahm und die ganze Zeit meines Aufenthalts eine im Engen gefchlofiene Tafel hielt; wobei der Her: zog umd die theuren von Frankenbergiſchen Gatten niemals fehlten.

Herr von Grimm, der vor den großen revolu- tionaͤren Unbilden flüchtend, kurz vor Ludwig dem Sechzehnten, glädliher als diefer von Paris ent⸗ wichen war, hatte bei dem altbefreundeten Hofe eine fihre Sreiftatt gefunden. Als geäbter Welt: mann und angenehmer Mitgaft konnte er doch eine innere Bitterfeit über den großen erduldeten Der: luſt nicht immer verbergen. Ein Beifpiel wie da- mals aller Beſitz in nichts zerfloß, ſey folgende Geſchichte: Grimm hatte bei feiner Flut dem Ge: (häftsträger einige hunderttaufend Franten In Afe

ſſignaten zurädgelaffen; biefe wurden durch Man⸗

date noch auf geringeren Werth reducirt, und als nun jeder Einfihtige, bie DBernichtuug auch biefer Papiere voraus fürdtend, fie in irgend eine unzer⸗ ſtoͤrliche Waare umzuſetzen trachtete, wie man denn 3. DB. Neid, Wachslichter und was dergleichen nur noch zam Verlaufe angeboten wurde, begierlich auffpeicherte fo zauderte Grimme Geſchaͤftstraͤ⸗ ger wegen großer Verantwortlichkeit, bis er zulegt in Verzweiflung noch etwas zu retten glaubte, wenn er die ganze Summe. für eine Garnitur Brüffeler

w

416 Manchetten und Buſenkrauſe hingab. Grimm zoigte fie gern: der Geſellſchuft, indem er launig den Vor⸗ zug pries, daß wohl niemand fo Foftbare Staatszier⸗ den aufzumwelfen-habe,

Die Erinnerung fräherer-Zeiten,, wo man in ben achtziger Jahren in Gotha: gleichfalls: zuſammen ge- werfen, ſich mit poetifchen Vorträgen, mit Afthe- tiſch literariſchen Mittheiluagen unterhalten, flach freilich fehr ab gegen den Augenblick, wo eine Hoff⸗ nung nach der andern verfhwand, und man: fich, wie bei einer Suͤndfluth kaum anf den hoͤchſten SE pfeln, fo hier kaum in der Naͤhe erhabener Gönner und Freunde gefiihert glaubte. Indeſſen "fehlte ed nicht an unterhaltender Heiterkeit. Meinen eintre⸗ tenden: Geburtstag wollte man mit gnädiger Auf⸗ merkfamkeit bet- einem folchen geſchloſſenen Mahle feyern; ſchon an den gewöhntichen. Singen fah man einigen Unterfchled; beim Nachtiſch aber trat nun bie ſaͤmmtliche Linede des Prinzen in ſtattlich geklei⸗ detem Zug herein, voran der Haushofmeiſter; bie- fer trugeine große, von bunten Wachsſtoͤcken flam- mende Torte, deren ins Halbhundert ſich belaufende Anzahl einander zu ſchmelzen und zu verzehren droh⸗ te, anſtatt daß bei Kinderſeverlichkeiten der Art

mb Raum gemg für ——— Lebenskerzen uͤhrig bleibt. Auch mag dieß ein Veiſpiel ſeyn, mit welcher anftändigen Nalvetaͤt man ſchon ſeit fo viel Jahren einer wechfelfeitigen Neigung fich zu erfremen gemußt,

417

wo Scherz und-Oinfmerkfamteit, outer Humor und Gefaͤdligkeit, ‚aeifiweich und wohlwollend das Leben durchaus gierlich durch zufuͤhzren ſich gemeinſam beei« ſerten. |

n.

In der beiten Stimmung kehrte Ich am 30 Au⸗ su nach Weimar zuruͤck, und vergaß über den neu⸗ adringenden Beichäftigungen, daß mir noch legeud eine Schwachheit als Folge des erduldeten Uebels und einer gewagten Cur moͤchte zuruͤckgeblieben ſeyn. Denn mich empfingen ſchon zu ber ms wehrigen dritten Ausſtellung eingeſondete Coneur⸗ renzſtuͤcke. Sie warb abermals mit Sorgfalt ein⸗ geächtet, von Freunden, Nachbarn und Fremden beſfucht, und. gab zu mannichfaltigen Huterhaltungen, gu näherer Kenntniß mitlebender Kuͤnſtler und der daraus heuzmieitenden Beſchaͤftigimg derſelben An⸗ laß. Nach geendigter Ausſtelung erhielt der in der Roͤmiſch antiken Schule zu ſchoͤner Form uund rein⸗ lichſter Ausfuͤhrung gebildete Nahl bie Hälfte des Hreiſes, wegen Achill auf Skyros, Hofmann aus Köln hingegen, der farben- und Iebensinftigen Nie⸗ verläubifhen Schule entſproſſen, wesen Achills Sempf' mit den Fluͤſſen, bie andere Hälfte; außer⸗ dem wurden beide Zeichnungen honorirt md zur -Berzsierung ber Schloßzimmer aufbewahrt.

Und bier ift wohl der rechte Ort eines Haupt⸗ gedankens zu erwähnen, den ber umfichtige Fuͤpſt ben Weimariſchen Kanſtfreunden zur Ueberlegung und Ausfiheung gab. |

4118

Die Zimmer des neuelnzurichtenden Schloſſes foßten nicht allein mit anftändiger fuͤrſtlicher Pracht ausgeftattet werben, fie ſollten auch den Talenten gleichzeitiger Künftler zum Denkmal gewidmet ſeyn. Am reinften und vollftändigften ward dieſer Gebante in dem von burchlauchtigfter Herzogin bewohnten Edzimmer ausgeführt, wo mehrere Concurrenz⸗ und fonftige Stüde gleichzeitiger Deutſcher Künftler, melit in Sepla, unter Glas und Rahmen auf ein- fahen Grund angebracht wurden. Und fo wechfel- ten auch in den übrigen Zimmern Bilder von Hof- mann aus Köln und Nahl aus Kaflel, von Helarich Meyer aus Stäfe und Hummel aus Neapel, Sta⸗ tuen und Basreliefe von Tiek, eingelegte Arbeit und Flacherhobenes von Satel, In geſchmackvoller harmoniſcher Folge. Daß jedoch diefer erfte Vor⸗ faß nicht durchgreifender ausgeführt werben, davdn mag ber gewöhnliche Weltgang die Schuld tragen, wo eine Löbliche Abfiht oft mehr durch den Zwie⸗ fpalt der Theilnehmenden, als durch aͤußere Hin⸗ derniſſe gefaͤhrdet wird.

Meiner Buͤſte, durch Tief mit großer Sorgfalt

gefertigt, darf ich einfchaltend an diefer Stelle wohl |

gedenken.

Was den Gang des Schloßbanes In der Haupt: fache betrifft, fo Eonnte man demfelben mit beito mehr Beruhigung folgen, als ein paar Männer wie Genz und Raabe, darin völlig aufgeklärt zu wir: ten angefangen, Ihr zuverlaͤſſiges Werbienft über:

1419

hob aller Zweifel in einigen Faͤllen, die man fonft mit einer gewiſſen Bangigkeit ſollte betrachtet ha⸗ ben: denn im Grunde war es ein wunderbarer Zu⸗ ſtand. Die Mauern eines alten Gebaͤndes ſtanden gegeben, einige neuere, ohne genugſame Umſicht darin vorgenommene Anordnungen ſchienen über: dachteren Planen hinderlich, und das Alte fo aut ale das Treue hößeren nad freieren Unternehmungen im Wege; weßhalb demm wirklich das Schloßgebäude manchmal ansfahb wie ein Gebirg, aus dem man, wach Inbdiſcher Weife, die Architektur heraushauen wollte. Und fo leiteten dießmal das Geſchaͤft gerade ein paar Männer, die freilich als geiftreiche Künft- er mit friſchem Sinn herankamen, und von denen man nicht abermals abzuändernde Abänderungen Sondern eine fchtteßliche Feſtſtellung des BIEBENDEN zu erwarten hatte. .

Sch wende nunmehr meine Betrachtungen zum Theater zuräd, Am 24 October, ald am Jahrs⸗ tag des erften Maskenſpleles Paläophron und Neo⸗ terpe, wurben bie Brüder nach Terenz von ein fiedel bearbeitet aufgeführt, und fo eine neue Folge theatraliſcher Eigenheiten eingeleitet, die eine Zeit lang gelten, Mannlchfaltigkeit in die Vor⸗ ſtellungen bringen und zu Ausbildung gewiſſer Fer⸗ tigkeiten Anlaß geben ſollten.

Schiller bearbeitete Leſſings Nathan, ich blieb dabei nicht unthaͤtig. Den 28 November ward er

138

zum erſtenmal aufgefüher, ‚nicht ohne bemerklichen Einfluß auf die Deutſche Buͤhne. |

Schiller Hatte die Jungfrau son Orleans in die⸗ tem Jahr besennen und geendigt; wegen Der Auf⸗ führung ergaben fich manche. Zweifel, die uns der Stende beraubten ein fo wichtiges Werk zuerſt auf Das Theuter zu bringen. Es war ber Thaͤtigkeit Ifflands vorbehalten, ‚bei’den reichen Mitteln, Sie ihm zu Gebote ſtanden, durch eine glänzende Dat: ſtellung dieſes Meiſterſtuͤcks fih für alle Zeiten in den Theater⸗Annalen einen bleibenden Ruhm gm erwerben.

Nicht geriugen Einfluß auf muſre Diegrährigen Let: Kungen erwies Mad. Unzelmanau, welche zu Ende Septembers In Hauptrollen bei uns auftreten ſollte.

Gar manches Unbequeme ja Schaͤbliche hat die Gr⸗

ſchelnung von Gaͤſten auf dem Theuter; wir lehu ten fie ſonſt moͤglich ab, wenn fie und nicht Gele— genheit gaben, ſie ald neue Anregung und Steige- tung -unferer bleibenden” Geſellſchaft zu Benupen, dieß konnte nur durch vorzuͤglkiche Kuͤnſtler geſche— hen: Mad. Unzelmann gad acht wichtige Vorſtellun⸗ gen hinterelnander, bei welchen das ganze Perſonal in bedeutenden Rollen auftrat und ſchon an und file fih, zugteth aber im Verhaͤltniß zu dem neuen

Bafte, das Möglichfte zu Ielften Hatte. "Dieß war

von unfhäßbarer Anregung. Nichts Ift trauriger als der Schlendrian, mitt dem ſich der Einzeine ia eine Gefammtbeit hingehen laͤßt; aber auf dem

424

Theater iſt es das Allerſchliumſte, weil hier augen⸗ blickliche Wirkung verlangt wird, und nicht etwe ein durch die Zeit ſelbſt ſich einleltender Erfolg abzu⸗ warten if. Ein Schauſpieler, der ſich vernachläfligt, ift mir die miderwärtigfte Creatur von ber Welt, meift ift er incorrigibel, deßhalb find neues Publi⸗ emm md neue Rivale unentbehrlihe Nelzmittel: jenes laͤßt ihm feine Fehler nicht hingehen, dieſer fordert ihn zu ſchuldiger Anfttengung auf. Und To möge denn nun auch das auf dem Deutfchen Theater nnaufhaltfame Baftrollenfplelen fi zum allgemel⸗ nen Beten wirkſam erweifen.

Stoldbergs Öffentlicher Uebertritt zum katho⸗ liſchen Eultus zerriß die fchönften früher geknuͤpften Bande. Ich verlormbabet ulihts, denn mein wäheres Werbättmiß zu 18hm hatte fich ſchon UAngſt Im allge⸗ meines Wohlwellen :aufgelöft. Ich fuaͤhlte fol für ihn als einen wauern., Hehensunkehigen, ‚Ihe: Yenben Mann wahrhafte Neigung; aber balbi hatte ich zu ‚bewerten, daß er ſich ale auf ich ſelbſt Magen werde, und: ſodann erſchien er:mir 6 einur der -außer dem Bereich meines Beſtrebens Heil und Beruhigung fuche.

Auch uͤberrabchte wich vleſes Ereigniß keines⸗ wegs, ich hielt ihn baͤngſt Für katholiſch, wab er er es ja ber Geſianung, dem Gauge, der Umge⸗ bung nach, Bud To konnt' aͤch mit Muhe dem: Am⸗ mutte zuſehen, der aus einer fpaͤren Munkfeftation geheimer Mißverhaͤltniffe zuletzt entſpringen mußte.

122

1802.

Auf einen hohen Grad von Bildung waren fchon Bühne und Zufchauer gelangt. Weber alles Erwar- ten glüdten die Worftellungen von Jon (Ian. 4) Zurandot (Jan. 30), Iphigenia (May 15), Alarcos (May 29), fie wurden mit größter Sorgfalt trefflich gegeben; letzterer konnte ſich je- doch feine Gunft erwerben. Durch dieſe Vorftel- [ungen bewiefen wir daß es Ernſt fey, alles was der Aufmerkſamkeit würdig wäre einem freien rei- nen Urtheil aufzuftelen; wir hatten aber dießmal mit verdrängendem ae Partepgeift zu kaͤmpfen.

Der groſe Zwieſpalt der ſich in der Deutſchen Literatur hervorthat, wirkte, beſonders wegen der Naͤhe von Jena, auf unſern Theaterkreis. Ich hielt mich wit Schillern auf der einen Seite, wir befannten uns zu der. neuern firebeuden Phllofephie und einer daraus herzuleitenden Aeſthetik, ohne viel auf Perſoͤnlichkeiten zu achten, die nebenher im Befondern ein muthwilliges und freches Spiel trieben.

Nun Hatten die Gebrüder Schlegel die Gegen: partey am tiefften beleidigt, deßhalb trat ſchon am Vorftelungsabend Jons, deffen Verfaſſer kein Geheimntiß geblieben war, ein Oppoſitions⸗Verſuch anbefheiden hervor; in den Swifchenacten fläfterte man von allerlei Tadelnswuͤrdigem, wozu denn bie

423

freilich etwas bedenkliche Stellung ber Mutter er- wuͤnſchten Anlaß gab. Ein fowohl den Auter als bie Intendanz angreifender Aufſatz war in bag

Mode-VJournal projectiet, aber eraft und kraͤftig

zurüdgemwiefen; denn ed war noch nicht Grundſatz daß in demfelbigen Staat, In berfelbigen Stadt es irgend einem Glied erlaubt ſey, das zu zerftören was andere kurz vorher aufgebaut hatten.

ir wollten ein für allemal den Klatſch bes Tages auf unferer Bühne nicht dulden, indeß ber andern Partey gerabe daran gelegen war fle zum Tummelplas ihres Mißwollens zu entwürbigen. Deßhalb gab ed einen großen Kampf, als ich aus sen Kleinftädtern alles ausftrich was gegen bie Per- fonen gerichtet war, die mit mir in der Haupt: fache übereinftinimten, wenn ich auch nieht jedes Ver⸗ fahren billigen, noch ihre ſaͤmmtlichen Productionen lobenswerth finden konnte. Dan regte fich von der Gegenſeite gewaltig, und behauptete, daß wenn ber Autor gegenwärtig fey, man mit ihm Rath zu pfle- gen habe. Es fey mit Schilleen gefchehen und ein anderer koͤnne das Gleiche fordern. Diele wunder⸗ liche Schlußfolge konnte bei mir aber nicht gelten; Schiller brachte nur edel Aufregendes, zum Höheren Strebenbes auf bie Bühne, jene aber Niederziehen⸗ des, das problematiſch Gute Entftellendes und Mer- nichtenbes herbei; und das iſt dad Kunftftüd folcher Geſellen, daß fie. jedes wahre reine Verhaͤltniß miß-

achtend ihre Schlechtigkeiten in die laͤſſige Nachſicht

324

einer geſelligen Convenlenz einzuſchmaͤrgen mailen, Genug, die bezeichneten Stellen blieben verbannt, und ich gab mir die Muͤhe alle entſtandenen Luͤcken durch allgemeinen Scherz wieber ausgufällen, wo⸗ duch mir eben and, gelang bad. Lacken der Menge zu erregen.

. Diefed:alled aber waren nur Kleinigkeiten gegen den entfchiebenen Rüß, ber wegen eines am fünften . März zu feyernden Feſtes in der Weimariſchen ‚Spetetät ſich ereignete. Die Sachen Kanden fo, daß es fräher oder ſpaͤter dazu kommen mußte, mare gerade gebachter Tag erwählt war, ift mie wicht er- innerlich, genug an beusfelben follte zu Ehren Schil⸗ lers eine ‚große Erbibition won mancherlei anf ihn amd feine Werke bezuͤglichen Darſtellungen in dem greßen, von der Gemeine ganz neu decorirten Stabt- haudfaale Platz Kunden. Die Shhcht war offenbar Auffehen zu erregen, bie Geſellſchaft zu unterhal⸗ ten, den Theilnehmenden zu ſchmeicheln, ſich dem Theater ontgegen zu ſtellen, ber oͤffentlichen Buͤhne eine geſchloſſene entgegen zu ſetzen, Schillers Wohl⸗ wollen zu erſchleichen, mich durch ihn zu gewinnen, oder, wenn das nicht. gefingen: ſollte/ ihn von mir abzuziehen.

Schillern war nicht wohl gu Muthe / beb ver Sacht; die Rolle die man. ihn: ſpielen lleß, war immer ver⸗ faͤnglich, unertraͤglich fuͤr einen Mann von ſeiner Met, wie fie joben Wohlbentenden, To als eime Bietfchetbe fungenhäfter Werehruugen in Menfeui sur

235

seoßer Geſellſchaft dazuſtehn. - Er- hatte Eu ſich krank zu melden, doch war. er, gefelliger als ich, burch Frauen⸗ und Famillienverhaͤltniſſe mehr in die Sooietaͤt verflochten, faſt gewöthigt dieſon Kitten Kelch aussufhlärfen. Wir: Tehten voraus daß es vor-fich gehen wärde, und ſchorzten mauchen Abent daruͤber; er haͤtte krank werben moͤgen, wenn er an ſolche Zudringlichkeiten gedachte.

Soviel man vornehmen. konnte follten manche Geſtalten der Schillerfgen Stüde vortreten; von einer Jungfrau von. Drieand- war man’d gewiß, - Selm und: Fahne, duch: Bllbſchuitzer und Vergul- der behaglich über die Straßen in ein gewilled Haus getragen, hatte großes Aufſehen euregt und das Geheimniß voreilig ausgeſprengt. Die ſchoͤnſte Rokle aber hatte ſich der Chorfuͤhrer ſelbſt vorbehalten; eine gemauerte Form ſollte vorgebildet werden, der edle Meifter im Schursfell daneben ſtehen, nach ge⸗ fprodmem geheimmißvollent Grußo, nach geftoſſener gluͤhender Maſſe ſollte endlich ans der zerſchlagenen Form Schillers Buͤſte hervortreten. Wiribeluſtige ten uns an dieſem nach und nach ſich verbreiteden Seheimniß, und en ‚den —— gelaſſen vor⸗ wuͤrts gehen: -

Nur hielt man und fir: altzugutmuthis, als man

une felbik zur Mitwirkung aufforderte. Schillers Original⸗Buͤſte, auf der Weimariſchen Bibliothet befindlich, eine fruͤhete hotzliiche Gabe Dannecers, wurde zu jenem 8wecke verlangt und

1236

aus dem ganz natärlichen Grunde abgefchlagen, weil man noch nie eine Gypsbuͤſte unbefchädigt von einem Feſle zuräderhalten habe. Noch einige andere, von andern Selten her zufällig eintretende Verweigerun⸗ gen erregten jene Verbündeten aufs hoͤchſte; ſie be- merften nicht daß mit einigen diplomatiſch⸗klugen Schritten alles zu befeitigen fey, und fo glich nichts dem Erftaunen, dem Befremden, dem Ingrimm, als die Zimmerleute, die mit Stollen, Latten und Bre⸗ tern angezogen kamen, um das bramatiiche Geräft aufzufchlagen, den Saal verfchloffen fanden, und die Erklärung vernehmen mußten: er fey erſt ganz nen eingerichtet und becorirt, man könne daher ihn zu ſolchem tumultuarifchen Beginnen nicht einraͤu⸗ men, da fih niemand des zu befuͤrchtenden Scha⸗ dens verbürgen koͤnne. Das erſte Finale des unterbrochenen Opferfeſtes macht nicht einen fo entſetzlichen Spectafel als dieſe Störung, ja Vernichtung des loͤblichſten Vorſatzes, zuerſt in der oberen Societät und ſodann ftufenweife durch alle Grabe der ſaͤmmtlichen Population an-

richtete. Da nun der Zufall unterfchiebliche, jenem

SBorhaben in den Weg tretende Hinderniſſe derge⸗ ftalt gefchidt combinirt hatte, daß man darin die Leitung eines einzigen feinblichen Principe zu erfen- nen glaubte; fo war ich es, auf den der heftigſte Grimm ſich richtete, ohne daß ich es jemand ver: argen mochte, Man hätte aber bedenken follen, daß ein Mann wie Koßabue, der: durch vielfahe An:

127

laͤfe nach manchen Seiten bin Mißwollen erregt, fih gelegentlich feindſelige Wirkungen fchneller da und dorther zuzieht, als einer verabrebeten Ver⸗ fhwörung zu veranlaflen jemals gelingen würde.

War num eine bedeutende höhere Geſellſchaft auf der Seite bes Widerfahers, fo zeigte bie mitt: lere Staffe fich ihm abgenelgt, und brachte alles zur Sprache, was gegen deſſen erfte jugendliche Unfers tigfelten zu fagen war, und fo wogten die Geſin⸗ nungen gewaltfam wider einander.

Unfere hoͤchſten Herrſchaften hatten von Ihrem erhabenen Standort, bei großartigem freiem Um⸗ blick, dieſen Privathändeln Feine Aufmerkfamteit zugewendet; der Zufall aber, der, wie Schiller ſagt, oft naiv ft, folte dem ganzen Creigniß die Krone auffenen, Indem gerade in bem Moment der verfchließende Burgemeiſter, als verbienter Ge⸗ ſchaͤftsmann, durch ein Decret die Auszeichnung ale Rath erbielt. Die Weimaraner, denen es an geiſt⸗ reichen, dad Theater mit dem Leben verfnüpfenden @infällen nie gefehlt bat, gaben ihm daher deu Namen des Fürften Piccolomini, ein Prädicat, das ihm auch ziemlich lange in heiterer Gefellfchaft ver: biieben iſt.

Daß eine ſolche Erfhütterung auch In ber Folge auf unfern gefelligen Kreis fchädlich eingewirkt habe, laͤßt fih denken; was mich davon zundchft betroffen, möge bier gleichfalls Plas finden.

Schon im Kauf des vergangenen Winters hielt

108

fly, ganz ohne fpeenlative Zweche, eine eble Ge⸗ fellfchaft zu und, an unferm: Umgang und ſonſtigen Letſtungen fich erfrenend. Bei Gelegenheit ber Piknits dieſer geſchloſſenen Bereinigung, die in mei- nem Haufe, unter meiner Beſorgung, von Seit zu Zeit gefeyert wurden, entfiunden mehrere nach⸗ bet ine Allgemeine verbreitete Geſaͤnge. So war das Bekannte: „Mich ergreift ich weiß. nicht wie,’ zw dem 22 Februar gedichtet, wo der durch⸗ lauchtigſte Erborinz, nad Paris reifend, zum letz⸗ tenmal bei uns einkehrte, worauf denn die dritte Strophe des Liedes zu deuten iſt. Eben ſo hatten wir ſchon das neue Jahr begruͤßt und Im Stiftungde Uede: „Was gehft du fchöne Nachbarin‘ kounten fi die Glieder der Geſellſchaft, als unter Leite Masten verhält, gar wohl erkennen. Ferner warb ich noch andere durch Iruiverät vorzüglich anfprechen« de Geſaͤnge biefer Vereinigung fchuldig, wo Nele gung ohne. Leidenfchaft, Wettelfer ohne Neid, Ge⸗ ſchmack ohne Anmaßung, Gefaͤlligkeit ohne Zkererey und, zu all dem, Natuͤrlichkeit ohne Rohekt, wech felſeitig In einander wirkten.

Nun hatten wir freilich den Widerſacher, unge⸗ achtet mancher feiner anklopfenden kluͤglichen Ver⸗ ſuche, nicht hereingelaſſen, wie er denn niemals mein Haus betrat; weßhalb er genoͤthigt war fi eine eigene Umgebung zu bilder, und dieß warb ihm nicht fchwer. Durch gefaͤlliges, beſcheiden zu⸗ dringliches Weiwefen wußte er wohl einen Kreis

um

429

4 um ſich zu verſammeln; auch Perſonen des unſrigen traten hinuͤber. Wo die Geſelligkeit Unterhaltung findet, ft fie ju Haufe. Alle freuten fih an dem. Feſte des fünften März activen Theil zu nehmen, deßhalb Ih denn, als vermeintliher Zerftörer fol- ches Freuden- und Chrentages, eine Zeit lang ver⸗ wünfcht wurde. Unſere Feine Verſammlung trennte fi, und Sefänge jener Art gelangen mir nie wieder.

Alles jedoch was ih mir mit Schillern und an= dern verbündeten thätigen Freunden vorgefeht, ging unaufdaltfam feines Gang; denn wir waren im Le⸗ den ſchon gewohnt den Verluſt hinter ung zu laffen, und den Gewinn im Auge zu behalten. Und bier. tonnte ed um befto eher gefchehen, ald wir von dem erhabenen Sefinnungen ber alleroderften Behoͤrden gewiß waren, welhe nach einer höhern Anfiht bie Hof= und Stabt-Abenteuer als gleichgültig vorüber: gehend, fogar manchmal als unterhaltend betrach⸗ teten.

Ein Theater das fih mit frifhen jugendlichen Subjerten von Zeit zu Zeit erneuert, muß lebendige Fortſchritte machen; hierauf nun war beftändfg unfer Abfehn gerichtet. 5

Am 17 Februar betrat Die. Maas zum erften- mal unfere Bühne, , Ihre niedliche Geſtalt, ihr an⸗ muthig natürliches Wefen, ein wohlllingendes Or⸗ gan, kurz das Genze ihrer glüdlichen Indlviduali⸗ taͤt gewann ſogleich das Publicum. Nach drey Pro⸗ berollen: als Mädchen yon Marlenburg, als Roſine

Goethes Werke. Xxxxi. Br. 3 9

130 % ir Juriſt und Bauer, als Loltchen dir Deuefthäm: Hausvater, waͤrd Te engagirt, und man kouate ſoht Hard bet: Beſetzuieg wichriger ride. auf ſie rechaen Am 29 November machten wie abremals edüd Mi nungsvolle Acqufſitkon. Aus Achtuug fir Wide: Unzelmann, gus Neigung zu derſelben, wie einen. aͤterikebſten Kuͤuftlerin, nahm Ich Ihren züblffaͤni⸗ gen Sohn anf aut Gluͤck nach Welinar. Zufaͤltz pruͤft' dh ihn auf eine ganz eigene Weiſe. Er

mochte ſich eingetichtet Haben mir manchetlei vorzu⸗

tragen; allein ich gab ihm ein zur Haud lkegendes ortentaltfches Maͤhrchenbuch, woͤrans er auf ber Stelle ein heiteres Geſchichtchen las, mit fo viek atürkkhem Humor, Charakteriſtik iin Ausdruck:

veim Perforen⸗ und Situationswechfel, daßich wun

weiter kelnen Zweifel am ihm hegte. Et trat in der Rolle ats Gorge in den beiden Bllleks Aut Vei⸗ fat auf, had zeigte ſich befonders fu natuͤrlich hu⸗ moriſtiſchen Rollen aufs wuͤnſchenswertheſte.

Indeß nun auf unferer Bühne Se Kunſt in ju⸗ gendlich lebendiger Shaͤtigkeit foribluͤhre, ereignete

ſich ein Todesfall, deſſen zu crwaraen ich für Pflicht

halte. Corona Schroͤder ſtarb, and: da ich mic getade nicht Im der Verfliſſierig füptre te ein wohl⸗

verdientes Deukmal zu vidmen, To ſchien es mir

angenehm wunderbar, daß th int vor Te wel Jah⸗ ren ein Andenken fllftete, das ſch jetzt charakteriſti⸗ ſcher nicht zu errichten gewußt hätte: Es. war eben⸗

134

maͤhig bei einem Tobesielle, bei dem AMcheiden Mie dings des Thagterdecorateurs, daß In ern⸗ Rer-Holtegfelt den ſchoͤnen Freundin gedacht wurde. Gag: wohl erinnere ih mich des Trauergedichts, auf ſchwarz geränbertem Papier fär das Tieffurter Joux⸗ nel reinlichſt abgeſcheiaben. Doch für Coronen war es keine Varbedentung, ihre: ſchoͤne Geſtalt, ihr munterer Geiſt exhiolten ſich noch lange Sabre; fie haͤtte wohl noch langer in der Naͤhe einer Melt Kick ben ſollen, ans der fie ſich zurädgegogen hatte.

Naqhtraͤglich au den Theaterangelegenbeiten iſt nach zu bemertenta daß wir in dieſem Jahrr und gut⸗ mise beiachen lichen, auf ein Intriguen⸗Etuͤc einen Preis zu ſetzen. Wir erhielten nach vnd nach eis Dutzero, „aber mahll von fo deſperater und. ver⸗ trecter Art, daß wir nit genugſam und mundene Manten,. was füs. ſeltſame falſche Beſtrehungen im lleben Meatarlande heimlich. obwalteten, die. denn Wi folchem Aufenf ſich an das Tageslicht draͤngten. Bir hielten unfer Urtheil zuruͤg, da eigentlich keins zu fällen mer, und Hefexten auf Verlangen ben Au⸗ toren Ihre Prednetionen wieder aus;

Auch iſt zu bemuenten, daß in biefem Jahre Cal⸗ deron, ben wir dem Namen nad Zeit:unferes Le- . Bemetanntan, ſich zu nähern anfing und ung. gleich eb den erſten Muiteriäden In Erlaunen fehte.

133

Zwiſchen alle diefe vorerzählten Arbeiten und Sorgen fihlangen fh gar manche unangenehme Be⸗ muͤhungen, im Gefolg ber Pflichten, die ich gegen die Mufeen zu Jena feit mehreren Jahren übernom- men und durchgeführt hatte.

Der Tod des Hofraths Büttner, der fih in der Mitte des Winters ereignete, legte mir ein muͤhevolles und dem Gelfte wenig fruchtendes Ge⸗ (häft auf. Die "Eigenheiten dieſes wunderlihen Mannes laffen fich in wenige Worte fallen: unbe⸗ gränzte Neigung zum wiſſenſchaftlichen Beſitz, be= fchräntte Genaufgfeitsiiebe und Williger Drangel an allgemein überfhauendem Ordnungsgeiſte. Seine anſehnliche Bibliothek zu vermehren wendete er bie Penſion an, die man ihm jährlich für die ſchuldige Summe der Stammbibliothek barreihte. Mehrere Zimmer im Seitengebaͤude des Schloffes waren Ihm zur Wohnung eingegeben, und diefe ſaͤmmtlich be⸗ fest umd belegt. In allen Auctionen beftelte er fh Bücher, undyals der alte Schloßvoigt, fein Sommiffionair, ihm einftmals “eröffnete: daß ein bedeutendes Buch ſchon zweymal vorhanden fey, hieß es dagegen: ein gutes Buch koͤnne man nicht oft genug haben.

Nach feinem Tode fand fich ein großes Simmer, auf deſſen Boden bie fämmtlihen Auctionserwerb⸗ niſſe, yartienweis wie fie angelommen, neben ein- ander hingelegt waren. Die Wandſchraͤnke fanden gefünt, in dem Zimmer ſelbſt konnte man keinen

433

Fuß vor den andern fehen. Auf alte gebrechliche Stühle waren Stöße roher Bücher, wie fie von der Meſſe kamen, gehäuft; die gebrechlihen Füße knick⸗ ten zufammen, und Das Neue ſchob ſich floͤtzweiſe uͤber das Alte hin.

In einem andern Zimmer lehnten, an den Waͤn⸗ den umher gethuͤrmt, planirte, gefalzte Buͤcher, wozu der Probeband erſt noch hinzugelegt werden ſollte. Und fo ſchlen diefer wadre Mann, im hoͤch⸗ fien Alter die Thätigkeit feiner Jugend fortzufegen begierig, endlich nur in NWelleitäten verloren. Denke man fih andere Kammern mit brauhbarem und un⸗ brauchbarem phyſikallſch⸗chemiſchem Apparat. über- ftellt, und man wird die Verlegenheit mitfühlen, in der ih mich befand, als diefer Theil des Nachlaſ⸗ ſes, von dem ſeiner Erben geſondert, uͤbernommen und aus dem Quartiere, das ſchon laͤngſt zu andern Zwecken beſtimmt geweſen, tumultuariſch ausge⸗ raͤumt werden mußte. Daruͤber verlor ich meine Zeit, vieles kam zu Schaden, und mehrere Jahre reichten nicht hin die Verworrenheit zu loͤſen.

Wie noͤthig in ſolchem Falle eine perſoͤnlich ent⸗ ſcheidende Gegenwart fey, überzeugt man ſich leicht. Denn ˖ da wo nicht die Rede iſt das Beſte zu leiften, fondern das Schlimmere zu vermeiden, entſtehen unauflögliche, Zweifel, welche nur durch Entſchluß und That zu beſeitigen ſind.

Leider ward ich zu einem andern gleichfalls drin⸗ genden. Befchäft abgerufen, und hatte mich gluͤclich

h 434 zu ſchaͤhen, ſolche Mirxcbelter yi Hintetlaſſen, Me In beſprochenem Stune die Arbeit / einige Bett fort zufuͤhren ſo faͤhlg als geneigt. waren.

Schon mehrmais wer Im Lauf unfter Theater⸗ gefſchichten von dein Vorthell die Rede geweſen, welche der Lauchftaͤdter Sommeranfenthalt Ber Dei⸗ martſchen Geſellſchaft bringe; hier iſt aber deſſen ganz vefonders zu erwaͤhnen. Die dortige Bähtte war von Bellen ſo oͤkonomiſch als mögloch einge⸗ rrchtet; ein paar auf eknem Freien Platz ſteheude hohe Bretergiebel, von weichen zu beibendus Pulrduch bis nahe zur Erde reichte, ſtellten dieſen NRuſentem⸗ pel dar; der Immere Naum war Ber Laͤnge nach ducth zwey Waͤnde getheilt, wovon der mittlere beit Thea⸗ ter und den Zuſchauern gewlbmet war, die betben wiedrigen ſchmalen Seiten aber den’ Garbereben. Nun aber, Hei neuerer Belebung ib‘ Etelgerung unferer Auſtalt, forderten ſowohl die Stuͤcke als bie Schauſpieler, beſonbers aber auch das Antike und Lekpziger tzelnetende MONDERCRUR CI wurdiges Lveal.

Der: mehrere Jahre laͤng ert ſechte, Yan Teb- hafter betriebene Schloßbau zu Welmar vief'Iutent- vvlle Baumetfter heran, und wie es inemer / war md

ſeyn wird: mo man bauten ſieht, regt ſich die Lüſt zum Bauen. Wie fih’s nun vor einigen Jahten aus: wies, da wir, bach: die Gegenwart bes Herrn

485

iemmet kesinkst, And: · Melmaruſc ſhaeter wär- ‚ap elunihketen, fa: fand ſich auch diaß al, daß bie Hemen Benz. und Raghe aufgeſnrdert wunden, ei⸗ momAauſtadtar Hauoban dio eſtalt zu verleihen. MDie Zweifel geoen ein ſolches Untemnahmen wa⸗ zen mialfach zur Spaache gel oamen. In bedeuten⸗ der Entfernung, auf fremdem Gruud und Boden, Aal. ganz befonbeen Rügfichten der dort Angeſtellten, „Shenen Die Hinbsuaifle laum zu befeitisen. ‚Der ea de⸗ alten Thoaters mar zu einem groͤpezn e⸗ Vbande ‚nicht geelcnet, der ſchoͤne einzig: ſchickliche am ſcerittig awiſchen mertshladenen Gerichts barlaei· ten, und fo trug man Bedanken, das Heus dem engen Sinne nach a hna sahitichenSrants.amfzuer- hauen. Doc vonadent Draamgı dar ikanfinde , van „unsuhlaet Schätigleit , vonichaden ſchoftlicher Kauſt⸗ ablebe, men ununnfieghener Mandursiuität gateloben whaſeitigtencult enlich adles Emtarsenfichnehe; sin saßen wand ontrrorjen, ein Modell bereisentlichen Mahaengefartigt, and im Fabruar Hatte man ſich vehen oͤber das und gaſchehen ſoſlle, vereiuiat. Ab⸗ aamtsten wand vor oAen Dinsan die Soͤttenferm, ‚Die das Gangze unter Hin Da bagreift. Eine maͤßige Monhalle fuͤr Galle und ſcreypen ſolte angelegt. wer⸗ ‚an , dahnater derohoͤhare Nasen. fhr bie Huſchauer cemnarſoelgen, uudi ganz ⸗dahinter der hoͤchſte fuͤrs Mheatert

Biel, je alles tanmt rauf: an, wo ein; Gr⸗ vaͤude ſtehe. Dieß ward an Qrt und Stelle mitgroͤß⸗

+

136

ter: Soräfalt bedacht, und auch nach der Ausfüh- rung Tonnte man es nicht beffer verlangen. Der Bau ging nun kraͤftig vor fih; im März lag das ac-. cordirte Holz freilich noch bei Saalfeld eingefroren, demungeachtet aber fpielten wir den 26 Juny zum erftenmal. Das. ganze Unternehmen in feinem De- tell; das Günftige und Ungünftige in feiner Eigen⸗ thämlichkeit, wie es unfere Thatluft trey Monate lang unterhielt, Mähe, Sorge, Verdruß brachte und durch alles hindurch perfönliche Aufopferung for- derte, dieß zuſammen würbe einen kleinen Roman geben, ber ald Symbol größerer Unternehmungen fih ganz gut zeigen könnte, Nan iſt das Erdffuen, Eintelten, Einweihen folder Auſtalten immer bedeutend. In ſolchem Falle ift die Aufmerkſamkeit gereist, die Neugierde gefpannt und die Gelegenheit recht geeignet, das Merhältniß der Bühne und des Publlcums zur Spra⸗ he zu bringen. Man verfäumte baher diefe Epoche nicht und’ ftellte in einem Vorſpiel, auf ſymbollſche and allegorifche: Weiſe, basienige vor, was in ber letzten Zelt auf dem Deutfhen Theater überhaupt, ‚.befonders auf dem Welmarifhen gefheben war. Das Poſſenſpiel, das Famillendrama, die Oper, bie Tragoͤdie, das Natse fo wie: das Maskenſplel pro= Durirten fih nah und nach in ihren Eigenheiten, fpielten und erklärten fi felbft, oder wurden er⸗ klaͤrt, indem die Geftalt eines Mercur das Ganze zuſammenknuͤpfte, auslegte, deutete.

437

Die Verwandlung eines.fchlechten Bauernuirths- banfes in einen theatratifchen Palaſt, wobel zugleich die meiften Perfonen in eine höhere Sphäre verſetzt worben, beförderte heiteres Nachdenken.

Den 6 Zuny begab.ich mich nah Jena, und ſchrieb das Vorſpiel ungefähr in acht Tagen; die leste Hand ward in Lauchftädt felbit angelegt, - und bis zur letzten Stunde memorirt und geübt. Es that eine liebliche Wirkung, und lange Jahre er- inuerte fi) mancher Freund, ber ung dort befuchte, jener hochgeftelgerten Kunftgenäfle. .

Mein Lauchſtaͤdter Aufenthalt machte mir zur Pflicht, auch Halle zu befuhen, da man uns von dortber nachbartih, um bes Theaters, auch um perfönlicher Verhättniffe :willen, mit oͤfterem Zu⸗ ſpruch beehrte. Ich nenne Sch. Rath Wolf, mit welhem einen Tag zuzubringen ein ganzes Jahr srändiiher Belehrung eintraͤgt; Kanzler Nie⸗ meyer, ber fo thätigen Thell.unfern Beftrekun- - gen fchenkte, daß er die Andria zu bearbeiten uns ternahm, wodurch wie denn die Summe unfrer Mastenfpiele zu erweitern und zu BORMAHNIRTARL: gen gluͤcklichen Anlaß fandem

Uund ſo war ble ſaͤmmtliche gebildete Umgebrug at gleicher Freundlichkeit, mid und bie Auflalt, bie mir fo ſehr am Herzen lag, geneigt zu beför- bern. Die Nähe von Giebichenſtein lodte zu Beſu⸗ Sen bei dem gaſtfreien Reichard; eihe wuͤrdige Frau, anmuthige fhöne Töchter, ſaͤmmtlich vereint, bil-

er.

:438

<&2tem in sie. eonrantiſch Läubikchen. Auſec halte era hochſt geftligen Fumbtiavfteis, ie weſchem foch bedemande Maͤnner aus ber Naͤhe mad Ferae

kuͤrzere oberisdagere Zeit gar wohl gelelan, sed

rel Alice Veebin dungen fuͤr das Raben antnuͤpften. Auth Darf nicht auͤbargangen werben, daß ich ie OR eloahem, weiche Neichard meinen LAadeun am froͤh⸗ fen vdergoͤnnt, under wohltklingenden Stimme ſei⸗ nmer aͤſteſten · Tochter gefuͤhlwoll vartragan hörte, :Nehvigens bliebe noch gar anchas beinahe Aufentbalt in Halle u bemerken. ‚Den botanilchen Garten unter Spraugels Leltmung zu hetrachten, ad: eheitfihe Kabinet, beiten Beſitzer Ich seiber wicht mehr am Leben fand, zu:meinen. befonbern een aufmorkſam zu beſchanen, war micht gerin⸗ ‚ger Qecran;: chenn uͤderall, fowohlanhen Gegen⸗ egtanden als und dan Seſpraͤchen, kannte ich atrras entnehmen, was mir zu mehrerer VolAkcaigkait mb Horderniß meiner Stublen:biente. Minen le ichen Morcheil, ber Rich immer bei ala⸗ domiſcham uufenthailt · he rroethut, Fand ich in Hena adiaend ed : Auguſtinenais. Mit Oondearn ımr- den fruͤher angemerktenenatonſiſche Prableme duvch⸗ MGeſprechen; tt. Hoeen lor gar vieles ber Su ſub⸗

noctiee Sehen mud die Farbenenſcheiauugverhandeit.

Oft: voriowen-wir.und fo tief inaden Cert, wir ber Werg And hat bio imdie · tiefe Nacht herun awandesten. nf. wannach Jena gezogen amd zeigte uf ſich auzujaufen; ſeine große umſichtige Gelehe⸗

ac)

pinutcit," wickeln Gerräiheeneetighen Aexſtelauser, abe Irtienbiichteit ſeiner duen lichen: Srifbeny ung mich mr, mb mir wat nichts angelegener, als mich von

fructdares Berbältniß.

Umgeben von den Mufeen und von ae was mich früh zu den Naturwiffenfhaften angeregt und gefördert hatte, ergriff ich jede Gelegenheit, auch Hier. mich zu vervolfftändigen. Die Wolfmilchsraupe war dieſes Jahr Hanfig und Fräftig ausgebildet, an vielen Tremplaren ſtudirte Ih das Wahsthum Bis

‚zu beffen Gipfel, fo wie den Uebergang zur Puppe. Auch hier ward ‚ich mancher trivialen Worftellungen und. Begriffe los.

Auch bie vergleichende Knochenlehre, die ich be⸗ ſonders mit mie Immer im Gedanken herumfähtte, hatte großen Theil an meinen befchäftigten Stunden. -

Das Abſcherden bes Yerbienfieichen Batſch Me, TEA Für Die Wiſſonſchaft, für die See ie ame Ben, ptef

i zerfruett —— Ein Thon zehöere der maturfor⸗

ſcheicheun Gefenſchuft; vieſefolgte ven Durectdren, Avder witlmohr einer Höheren Leitang, bie mit bedeu⸗ genen: Aufande die Gchulden der Sertetdt be⸗ Jahlte sumd: ein vnees umenigekb liches Lacale fi Aue worhnavutn Koͤrrer · anwies. Dor -ankere hell

130

Toante, ale Eigenthum des Nerftorbenen, deſſen ‚Erben nicht beftritten werben. Eigentlich hätte man das kaum zu -trennende Ganze mit etwas mehrerem Aufwand herübernehmen und zufammenhalten fer: len, allein die Gründe warum ed nicht‘ geſchah, me-

ren auch von Gewicht.

Sing nun hier etwas verloren, fo war in der fpäteren Jahrszeit ein neuer vorausgefehener Ge- winn befhieden. Das bedeutende Mineraliencabt- net des Fürften Galizin, das er als Präfident der- felben ihr zugedacht hatte, follte nah Jena ge-

Ihafft und nach der von Ihm beliebten Ordnung auf⸗

geſtellt werden. Dieſer Zuwachs gab dem ohnehin ſchon wohlverſehenen Muſeum einen neuen Glanz. Die übrigen wiſſenſchaftlichen Anſtalten, meiner Lel⸗ tung untergeben, erhlelten ſich in einem mäßigen, von der Caſſe gebotenen Zuftand. |

Belebt ſodann tar die. Akademie durch tende Stadirende, die durch ihr Streben und Hof⸗ fen auch den Lehrern gleichen jugendlichen Muth ga⸗ ben. Won bedeutenden, ‚einige Zeit ſich aufhalten⸗ den Fremden nenne: von Pohmanitz kv,der viel⸗ ſeitig ‚unterrichtet au unferm. Wollen und Worlen Theil nehhmen und thaͤtig mit eingreifen, mochte. :

Neben allen dieſem wiſſenſchaftlichen Beftreben hatte: die Jenaiſche Gefelligteib nichts von ihrem heitern Charakter. veriuren. Neue heranwachſende, hinzutretende Glieder vermehrten die Anmmh und

481

erfeßten reichlich, mas mie in Weimar auf einige Zeit entgangen war.

Wie gern hätte ich biefe in jedem Sinne ange- nehmen und beiehrenden Tage noch bie äbrige Schöne Herbftzeit genoflen, allein die vorzubereitende Aus⸗ ſtellung trieb mich nah Weimar zuruͤck, womit ich denn auch den September zubrachte: Denn bis bie angefommenen Städe ſaͤmmtlich ein und aufges rahmt wurden, bie man fie in ſchicklicher Ordnung in günftigem Lichte aufgeftellt und den Befchauern einen würdigen Anblick vorbereitet hatte, war Zeit und Mühe nöthig,. befonderd da ich alles mit mei⸗ nem Freunde Meyer felbft verrichtete, auch auf ein forgfältiges Iurüdfenden Bedacht zu nehmen hatte.

Perſeus und Andromeda war der für bie bieß- jährige vierte Ausſtellung bearbeitete Gegenftand. Auch dabei:hatten wir die Abſicht, auf die Herr: lichfelt der äußern menfchlihen Natur in jugendli⸗ hen Körpern beiderlei Geſchlechts auſmerkſam zu machen; benn wo follte man den Gipfel der Kunft finden, als auf der Bläthenhöhe des Seſchopfs nach Gottes Ebenbilde.

Ludwig Humntein, geboren in Neapel, wohn⸗ haft in Caſſel, war der Preis zu erkennen; er hatte mit zartem Kunftfinn ud Gefühl den Gegenftand behandelt: AAndromeda ftand aufrecht in ber Mitte bed Bilbes am Zetfen, ihre ſchon befreite Iinte Hand konnte durch Heranziehen einiger. Seiten des Manteid VBeſcheidenheit und Schamhaftigkeit be-

5 Ber:

setdmeniz auctuhend af: Porſeus aufcbem Gasse des Ungeheuers zu ihrer Seite, untsigegemhhen iaffee ein heranellender Genus. ſo chen. die Feſſein ber vehten Haud. Sehwe bewegte Fhutylingegefinit: er⸗ hoͤhte die Schoͤnheit und Kraft des miiebigen Yannadı

Elner Landfchaft von: Raben aus. Caſſet ward in deſem / Fuch der Prois zuerlarnt. Die Jengaiſche allgemeine Literaturzeitung vom: Jahr 180* erhaͤlt derch einen: Umriß bes hikeriichen Gemaͤhldes dad Andenkon des Biest: und. durch umſtundioiche Bes fhreibung und Beurtheilung bet.eingefenbetun Bike die Ertenerung jener Dhaͤtigkeit. 2

Indem wir mun:aber uns auf sche Weiſe bemh. ten, datjenige in Ausuaͤbung zu. bringen andzu er⸗ hatten, was ber buüdenden Kunſt als allein gamaͤß und vortheilhaft ſchon kaͤngſt anerkannt worden, ver⸗ nahmen wir in unſern Saͤlen: daß ein neuesMich⸗ lein vorhanden ſoy, welches vielen Sindruck mache; ea bezog ſich auf. Knuſt, und weite bie Famnig⸗ leit als alleickges Fundament derſelben feſtſetzen. Bon dieſer Nachricht waren wir wenig geruͤhrt; denn wie ſollte auch eine Schlußfolge geiten, eine Schluß⸗ folge wie diefe: einige Moͤnche wen Kanſtlec, deß⸗ halb ſollen alle Kaͤrſtlev Moͤnche ſeyn.

Doch hätte bedonklich Acheinen daͤrſen, daß were he Freunde, DIE unſere: Aus ſrelung ahelinchzinend beſuchten, auch unſer Werfahren diſligten, ſich Sach andieſen, wie man wohl merkte, fmeickeibeften, Me Sthwaͤche beguͤnſtigenden Binfiäfierumgen. zu

188. u;

ergägen fchfäwenn, und ſich davon dneglüdiihe Blitz Ing verſprachen.

Die tm cteberoflelßtg befuchte Yunaiteifung gab⸗ Glegertheit, ſich mis einhernriſchen und ausmaͤrti⸗ gen Kirnſtfreunden zu unterhalten, auch febite ed, dee Jachrszeit gemäß, micht au willlonumenen. Be= ſuchen aus dot Ferne. Hofrath Biumenbach:giunte: ſeinen Welrnariſch⸗ und Jenciſchen Freumden in igt Rage, und auch dießmal wie. immer merklich feine: Gegrawart den heiterſten Antorricht.

Und wie ein Gutes immer ein anderes zur Salat at, fo ſtellte ſfich dus veine Vernehenen In der in⸗ nerften Deſe ſchaft nach une crach wieder her.

Eine bedentende Correſpondenz lieh. mich vumtt⸗ telbare Blitke ſelbſt In bie Ferne richten. Frie⸗ eig Schlegel, Bes bei feiner! Durchretſe mit: wichn Benuhlungen: un feinen Alarcos wohl zu⸗ fiheben geweßen, gab mic von Pariſer Zuſtaͤnden Hascktenbe Nachricht. Hoftath Sartorins, der geichfalls⸗ zu einem Beſuch das lanze beſtandene gute Verhaͤltniß abermals aufgrftiſcht und. eben jetzt mir den Stadien dev. Hanſeſtaͤdte beſchaͤfrigt war, Ri. an die ſens muichtigen Unternehmen arch aus der Gere. Thell nohhmen.

Hoſrath Rocht itz, der unſer: Theater mit zu⸗ whmenbeitt Intereſſe betrachtete, gab ſolchesn durch mehrere Bileſe, die ſich noch vorfinden, gu eriunmen,

Gar mauthes aubere von. erfreulichen Verhaͤltniſ⸗ ſen fin" Ich noch augemerkt; drey junge Mänter:

134

Klaproth, Bode, Haln, hielten fih In Wei⸗ mar auf, und benupten mit Verguͤnſtigung dem. Buͤttneriſchen polyglottifhen Nachlaß.

Wenn ich nun biefes Jahr in Iimmerwährender Bewegung gehalten wurde, und bald in Weimar bald in Jena umd Lauchftddt meine Gefchäfte wie ſte vorkamen verfab; fo gab auch ber Beſitz des Flei- nen Freiguts Roßla Veranlaffung zu manchen Hin⸗ und Herfahrten. Zwar batte fih ſchon deutlich ge= nug hervorgethan, daß wer von einem fo Heinen Eigenthum wirklich Vortheil ziehen will, es felbft bebauen, beforgen und, ale fein eigener Pachter und Verwalter, den unmittelbaren Lebensunterhalt daraus ziehen muͤſſe, da ſich denn eine ganz artige Exiſtenz darauf gründen laſſe, nur nicht für einen verwöhnten Weltbürger. Indeſſen bat das foge= nannte Ländliche, in eimem angenehmen Thale, am. einem Heinen baum- und bufhbegränzten Fluſſe, in der Nähe von fruchtreichen Höhen, unfern eines volfreihen und nahrhaften Städtchend, doch immer etwas bad mid Tage lang unterhielt, und fogar zu kleinen poetifchen Productionen eine heitere Stimmung verlieh. Frauen und Kinder find bier in ihrem Elemente, und die. in: Städfen unerttägs liche Gevatterey ift hier wenigſtens an ihrem -ein- fachften Urfprungs ſelbſt Abneigung und Mißwollen feinen reiner, weil-fie aus ben unmittelbaren Bez duͤrfniſfen der Menfchheit hervorfpringen.

Hoͤchſt angenehm war die Nachbarichaft von Oß⸗

mann-

445

mannſtedt, in demfelbigen Thale aufwaͤrts nur auf der linken Seite des Waſſers. Auch Wielanden fing diefer Naturzuftand an bedenklich zu werben; efn- mal fegte er ſehr humoriſtiſch auseinander, welches umſchweifes es beduͤrfe, um der Natur nur etwas Genießbares abzugewinnen. Er wußte die Umſtaͤnd⸗ läjtelten des Erzeugniſſes der Futterkraͤuter gruͤnd⸗ lich und heiter darzuſtellen: erſt brachte er ben ſorg⸗ ſam gebauten Klee, muͤhſam durch eine theuer zu ernaͤhrende Magd zuſammen/ und ließ ihn von der Kuh verzehren, um nur zuletzt etwas Weißes zum Kaffee zu haben.

Wieland hatte ſich In jenen Theater- und Feſt⸗ haͤndeln ſehr wacker benommen, wie er denn, immer redlich, nur manchmal, wie es einem jeden ge⸗ ſchieht, in augenblicklicher Leidenſchaft, bei einge- foͤßtem Vorurtheil, in Abneigungen, die nicht ganz zu ſchelten waren, eine launige unbilligkeit gu du= fern verführt ward. Wir befuchten Ihn oft nad Tiſche und waren zeitig genug über die Wieſen wie⸗ der zu Hauſe.

In meinen Weimariſchen haͤuslichen Verhaͤlt⸗ niſſen ereignete ſich eine bedeutende Veraͤnderung. Freund Meyer, der ſeit 1792, einige Jahre Ab- wefenbeit ausgenommen, als Haus- und Tifchge- uofe, mich durch belehrende, unterrichtende, be= _ tatbende Gegenwart erfreute, verließ mein Haus In Gefolg einer eingegangenen ehlichen Verbindung. Jedoch die Nothmwendigkeit ih ununterbrochen mit⸗

Soethed Werte, XXXI. We 410

4186

zutheilen, uͤberwand bald die geringe Entfernung, ein wechfelfeitiged Einwirken bileb lebendig, fo daß weder Hinderniß noch Pauſe jemals empfunden warb,

Unter allen Tumulten dieſes Jahres lieh ich doch nicht ab meinen Liebling Eugenien im StiL- Ten zu hegen. Da mir dad Ganze vollfommen gegen- wärtig war, fo arbeitete ih am Einzelnen wie ich ging und ftand; daher denn auch bie große Ausführ- Uchkelt zu erklären ift, Indem ich mich auf dem je- desmaligen einzelnen Punct concentrirte, der un- mittelbar In die Auſchauung treten follte.

Gellint gehörte ſchon mehr einer wilden zer- freuten Welt an; auch diefen wußt' ih, jedoch niht ohne Anftrengung, zu fördern: denn im Grunde war die unternommene Arbeit mehr von Belang ald Ich anfangs deuten mochte.

Reinecke Fuchs durfte nun auch In jedem lef= denfchaftlich = Teichtfertigen Momente hervortreten, fo war er wohl empfangen und für gewiſſe Zeit eben- falls gepflegt.

1803

Zum neuen Jahre gaben wir Yaldophron und Neoterpe auf dem öffentlichen Theater, Schon war durh bie Vorſtellung der Terenzifchen Brüder das Publicum an Masten gewöhnt, und

147

nun Tonnte das eigentlihe erſte Mufterftäd feine gute Wirkung nicht verfehlen. Der frühere an die Herzogin Amalie gerichtete Schluß ward ind Allge- meinere gewendet, und die gute Aufnahme diefer Darftellung bereitete den beften Humor zu erufteren Unternehmungen.

Die Aufführung der Braut von Meffina (19 März) machte viel Vorarbeit, durchgreifende Lefe- und Theaterproben nötbig. Der bald darauf folgenden natärlihen Tochter. erfter Theil (2 April), fodann die Jungfrau von Orleans verlangten die volle Zeit; wir hatten ung vielleicht nie fo lebhaft, fo zweckmaͤßig und zu allgemeiner Zufriedenheit bemüht.

Daß wir aber alles Mißwollende, Verneinende, Herabziehende durchaus ablehnten und entfernten, davon fey nachiiehendes ein Zeugniß. Zu Anfang des Jahrs war mir durch einen werthen Freund ein Feines Luſtſplel zugekommen mit dem Titel: der Schaͤdelkenner, die reſpectablen Bemuͤhungen eines Mannes wie Gall laͤcherlich und veraͤchtlich machend. Ich ſchickte ſolches zuruͤck mit einer auf: richtigen allgemeinen Erklaͤrung, welche als ins Ganze greifend hier gar wohl einen Platz verdient. „IJndem ich das Heine artige Stüd, als bei ung nicht aufführbar, zurüdfende, halte ich es, nach unferm alten freundfchaftlihen Verhaͤltniſſe, für Pflicht die näheren Urfachen anzugeben.

Wir vermeiden auf unferm Theater, fo viek

‘448

moͤglich, alles was wifſenſchaftliche Unterſuchungen vor der Menge herabfetzen koͤnnte, theils aus elge⸗ nmen Grunbſaͤtzen, theils Weil unſere Akudemie iu der Naͤhe iſt, und es unfreundlich ſcheinen würde, wenn wir das, womit fih dort mancher ſehr ernſt⸗ lich beſchaͤftigt, bier leicht und luͤcherkkich nehnren wollten.

Gar mancher wiſſenſchaftliche Verfuh, der Na- file irgend ein Gehelmniß abgewinnen zu wollen, "Tann für fh, theils auch’ durch Charlatanerte der Unternehmer, eine Lächertihe Seite bieten, und man darf dem Komiker sticht verargen, wenn er’ im Votbeigehen fih einen Fleinen Selteühleb erlaubt. Darin find wir auch keineswegs pedantiſch; aber wir Haben forgfältig alles was fich in einiger Breite “Auf phlloſophiſche oder Itetatifhe Händel, auf bie neue Theorie der Hellfunde u. ſ. w. bejog, ver: mleden. Aus eben der Urfache möchten wir nicht gern die Galliſche wunderliche Lehre, der es denn doch, fo wenig ald ber Lavaterifhen, an einem Sundament fehlen möchte, dem Gelächter Preis geben, beſondets da wir fürchten müßten manchen unferer achtungswerthen Zuhörer dadurch verdrleß⸗ lich zu machen.

Welmar am 24. Januar 1803.

Mit einem ſchon fruͤher auslaugenden und mun friſch bereicherten Repertorium kamen wir wohl ausgeſtattet nach Lauchſtaͤdt. Das neue Haus, bie

149

wichtigen. Städe, bie. ſorgfaͤltigſte Behandlung. er- regten allgemeine Theilnahme. Die Andria bes. Teronz, von Heren Niemeyer bearbeitet, warb cheumäßig. wie bie Brüder. mit Annaͤhenung ang Antike. aufgeführt. Auch von Leipzig fanden ſich Aufchaner, fie fowahl als die von Halle wurden mit unfern ernſten Bemuͤhungen immermehr bekannt weiches und zu großem Vortheil gedieh. ch ver⸗ weilte dießmsai-nicht, Länger daſelbſt als nöthig, um. mit. Hofrath Ricus, meinem. Mitcommiſſarius, bie Beduͤrfniſſe der Baulichleiten und einiges Wins ſchenswerthe der Umgebung anzuordnen.

In, Halle, Giebichenſtein, Merfeburg, Naum⸗ burg. exnenerte ich gar manche merthe Werbindung Proſeſſor Wolf, Geh. Rath Schmalz, Jakob, Reil, Lafontaine, Niemeper entgegneten mir mit gemohnter Freundlichkeit. Ich beſah von Lepſers Mineralien-Cabinet, beſtieg den. Petards berg, um friſche Porphpr-Städe zu holen. Che ich abzeifte ſah ich nech.mit. Freuden, daß unſer thea⸗ traliſches Ganzes. ſich ſchan won. ſelbſt bewegte und. im Einzelnen nichts nachzuhelfen war, wohel freis Ich. die. guaße Shaͤtigkeit bed. Regiſſeurs Genaft ' gerühms werben. mußte, Ich nahm meinen Ruͤck— weg. über Merſeburg, das gute Verhaͤltuiß mit den oberen Behörden. zu, befeſtigen, ſodann

melnen Geſchaͤftan In. Weimar und Jena weites ** Al⸗ ich mir nun · für: diaſe Zalt das Theqter⸗

150

wefen ziemlich aus dem Sinne gefchlagen hatte, ward ich im Geiſte mehr als jemald dahin zuruͤckge⸗ führt. Es meldeten fib, mit entfchledener Nei⸗ gung für die Bühne, zwey junge Männer, die fi Wolf und Grüner nannten, von Augsburg kom⸗ mend, jener bisher zum Handelsſtande, diefer zum Militär zu rechnen. Nach einiger Prüfung fand ich bald daß beide dem Theater zur befondern Zierde gereichen würden und baß, bei unferer fchon wohl- deftellten Bühne, ein paar frifhe Subiecte von die⸗ - fem Werth fi fchnell heranbiiden würden. Ich be- ſchloß fie feft zu Halten, und weil ich eben Zeit hatte, auch einer heitern Ruhe genoß, begann ich mit ihnen gründliche Didaskalien, indem ich auch mir die Kunft aus ihren einfachften Elementen ent= widelte und an den Fortſchritten beider Lehrlinge mih nach und nach emporftndirte, fo dag Ich felbft Härer über ein Geſchaͤft ward, dem ich mic bie=- her inftinetmäßig Hingegeben hatte. Die Gramma- tif, die ih mir ausbildete, verfolgte ih nachher mit mehreren jungen Schaufpielern, einiges daven iſt ſchriſtlich uͤbrig geblieben.

Nach jenen genannten beiden fügte ſich's, daß noch ein huͤbſcher junger Mann, Namens Grim- mer, mit gleihmäßigem Antrag bei und vortrat. Auch von ihm lleß fih nach Geftalt und Weſen das Befte hoffen, beſonders war er Schillern willkom⸗ men,.der feinen perfonenteihen Tell Ich Sinne Hatte und auf ſchickliche Beſetzung der- ſaͤmmtlichen

451 Rollen fein Augenmerk richtete. Wie hielten da-

ber auch ihn feit, und fanden ihn bald an feinem platze brauchbar.

Der erfte Thell von @ugenie war gefchrleben, gefptelt und gedrudt, das Schema des Ganzen lag Scene nach Scene vor mir, und ich kann wohl fa- gen, meine mehrjährige Neigung zu dieſem Erzeug- niß Hatte keineswegs abgenommen.

Der zweyte Theil follte auf dem Landgut, dem Aufenthalt Eugenlens, vorgehen, der dritte in ber Hauptftabt, wo mitten in der größten Verwirrung

das wiedergefundene Sonett freilich kein Heil, aber

doch einen fhönen Augenblick würde hervorgebracht haben. Doch ich darf nicht weiter gehen, weil ich fonft das Ganze umftändlih vortragen müßte.

Ich hatte mich der freundlichſten Aufnahme von vielen Seiten her zu erfreuen, wovon Ich die. wohlthätigften Zengniffe gefammelt habe, die ip dem Deffentiichen mitzutheilen vielleicht Gelegenheit finde. Man empfand, man dachte, man folgerte was ich nur wünfhen konnte; allein ich hatte den großen unverzeiplihen Fehler begangen, mit dem erften Theil bervorzutreten, eb" das Ganze vollen- det war. Ich nenne den Fehler unverzeihlich, weit er gegen meinen alten geprüften Aberglauben be gangen wurde, einen Aberglauben, ber fich indeß wohl ganz vernünftig erfiären läßt. i

Einen fehr tiefen Sinn hat jener Wahn, daß man, um einen Schaß wirklich zu heben und zu er=

152.

greifen, ſtillſchweigend verfahren muͤſſe, kein Wort ſprechen duͤrfe, wie viel Schreckliches und Ergoͤtzen des auch von allen Seiten erſcheinen moͤge. Eben fo bedeutſam iſt das Maͤhrchen, man muſſe, bek wunderhafter Wagefahrt nach einem koſtbaren Ta— lisman, in entlegenſten Bergwildniſſen, unaufbaltz ſam vorſchrelten, ſich ja nicht umſehen, wenn auf ſchroffem Pfade fuͤrchterlich drohende oder llebllch lockende Stimmen ganz nahe hinter ung vernom— men werden.

Indeſſen war's gefhehen, und bie geliebten Sce⸗ nen der Folge beſuchten mich nur manchmal wie

unſtaͤte Geifter, die wieberfehrend flehentlich nad ®

Erlöfung feufzen.

So wie ſchon einige Fahre machte der Zuftand, von Jena und auch biefmal gat mande Sorge. Seit der Franzoͤſiſchen Mevolution war, eine Unruhe In die Menfchen gefommen, bergeftalt daß fie ent⸗

weder an ihrem Zuſtand zu ändern, oder ihren Su-

ftand wenlgſtens dem Ort much zu verdudern ge-, dadıten, Hlerzu konnten befonderd die Lehrer a Hochſchulen ihrer Stellung nah am meiiten verlodt werden, und da eben zu dleſer Seit dergleichen An- falten neu errichtet und vorzüglich begünftigt wurz, den, fo fehlte es nicht am Relz und Einladung. dorthin, wo man ein befferes Einkommen, höheren. Rang, mehr Einfluß in einem weitern Kreife ſich verſprechen konnte.

—— großwertifchen Ereigniffe muß man im,

u BE A SF- St E39 ——

Zu 3 Ma

3

153

Auge behalten, wenn man fi im Aflgemelnen einen Begriff machen will von. dem was um Diefe Zeit in dem Heinen Kreife ber Jenaiſchen Akademie fich ereignete.

Der im drztlihen Sache fo umfichtige und mit mannichfahem Talent der Behandlung uyb Dar- ſtellung begabte Chriſtian Wilhelm Hufelanp. war nach Berlin berufen, führte dort den. Titel eines Geheimen Raths, welcher in einem großen. Reiche ſchon zum bloßen Ehrentitel geworben war, indeffen er In Heineren Staaten. noch Immer bie. urfprüngliche active Würde bezeichnete und ohne die⸗ felbe nicht Teicht verliehen werden konnte, Eine folhe Rangerhoͤhung aber biieh anf die Zurüstgelaf- fenen nicht ohne Einfluß.

Fichte hatte In feinem philoſophiſchen Jourgal über. Gott und göttliche Dinge auf eine. Weiſe fi, zu äußern gewagt, melde ben hergebrachten Aus⸗ drüden über folhe Gehelmniffe zu widerſprechen ſchlen; er ward in Anfpruch genommen, feine Ver⸗ theidigung befferte die Sache nicht, weil. er leiden⸗ ſchaftlich zu Werke ging, obne Ahnung. wie gut man dießzſeits für ihn, gefinng fey, wiewohl man feine Sedanfen, feine Worte auszulegen wiſſe; wele ches man freilich ihm. nicht gerade mit duͤrren Wor— ten zu. erfeunen geben konnte, und eben fo. wenig, die Art und Welfe, wie man ihm auf das gelindeite, herauszuhelfen gedachte. Das Hin: und Wider- reden, Das Wermuthen und Behaupten, bad Be— ſtaͤrken und Entſchließen wogte in vielfachen unſichera

154

Neben auf der Akademie durcheinander, man fprach von einem minifteriellen Vorhalt, von nichts Gerfn- gerem ald einer Art Verweis, deffen Fichte fih zu gewärtigen hätte. Hieruͤber ganz außer Faffung, hielt er fih für berechtigt ein heftiges Schreiben beim Mintfterium einzureichen, worin er jene Maß- regel als gewiß vorausfeßend, mit Ungeftüm und Trotz erllärte, er werde dergleihen niemals dulden, er werde lieber ohne Weltered von der Akademie abziehen, und In ſolchem Falle nicht allein, indem mehrere bedeutende Lehrer mit Ihm einftimmig den. Hrt gleichzeitig zu verlaffen gebächten.

Hiedurch war nun auf einmal aller gegen ihn gehegte gute Wille gehemmt, ja paralyfirt: bier blieb Fein Ausweg, Feine Vermittelung übrig, und das gelindefte war, ihm ohne Weiteres feine Ent⸗ laſſung zu ertheilen. Nun erft, nachdem die Sache fih nicht mehr Andern ließ, vernahm er die Wen- dung, bie man ihr zu neben im Sinne gehabt, und

er mußte feinen übereilten Schritt bereuen, wie wir -

ihn bedanerten.

Zu einer Verabredung jeboch mit ihm die Afa- demie zu verlaffen, wollte fi niemand befennen, alles bileb für den Augenblid an feiner Stelle; doch hatte fih ein heimlicher Unmuth aller Geiſter fo bemäctigt, daB man in der Stille fih nah außen umthat, und zuletzt Hufeland der Juriſt nad Ingolſtadt, Paulus und Schelling aber nad Würzburg wanderten.

155°

Nach allem diefem vernahmen wir im Anguft die fo hochgeſchaͤtzte Kiteraturzeitung Tolle auch von Yena weg und nach Halle gebraht werden. Der Plan war Hug genug ängelegt, man wollte ganz im gewohnten Gange das laufende Jahr durchführen und fhließen, ſodann, als geſchaͤhe weiter nichts, ein neues anfangen, zu Oſtern aber gleichſam nur den Druckort verändern und durch ſolches Manduvre, mit Anftand und Bequemlichkeit, dieſe Wichtige An⸗ ſtalt für ewig von Jena wegfpielen.

Die Sache war von der größten Bedeutſamkeit und es tft micht zu viel gefagt: diefe ſtille Einlei⸗ tung bedrohte die Akademie für den Augenblick mit völliger Anflöfung. Man war bießfeits wirklich in Verlegenheit: denn ob man gleich das Recht hatte die Unternehmer zu fragen, ob dieſes allgemeine Gerücht einen Grund Habe, fo wollte man doch in einer ſolchen gehäffigen Sache nicht uͤbereilt noch hart erfcheinen; daher anfänglich ein Zaudern; das aber von Tag zu Tag gefährlicher ward. Die erfte hai des Auguſts war verfirihen, und alles kam

darauf an, was in ven ſechs Wochen bie Michael. iu einer Gegenwirkung vorgenommen werden könnte.

Auf einmal kommt Hilfe, woher fie nicht zu er- Marten war. Kokehne, der fich feit den Scenen des vorigen Jahrs als Todfeind aller Welmarifchen Thaͤtigkett erwieſen hatte, Tann feinen Triumph nicht im Stillen fetern, er gibt In dem Freimuͤthi⸗ gen uͤbermuͤthig an den Rad: Mit der Atademie

156

Jena, welche bieher ſchan graßen ‚Verkauf. an tuͤch⸗ tigen Profeſſoren erlitten, ſey es nun voͤllig zu Ende, indem die allgemeine Literaturzeltung, Im Gefolg großer dem Nebasteur verwilligter, Beguͤn⸗ —— von da hinmeg und nach, Halle verlegß werde.

Von unferer Seite hörte. nun ‚alles. Bedenken auf; wir hatten. volle Urſache die Unternehmen zu fragen, ob Dp- ihre Abſicht ſey? Und da-ſolche nyn nicht gelaͤugnet werden konnte, fo erklärte man ihren Vorſatz, die Anſtalt bis. Oſtern in Jena. hinzuhal⸗ - ten, für nichtig, und verſicherte zuglelch, man werde. mit dem neuen Tahre in. Fena bie allgemeine Lite=- raturzeitung ſelbſt fortſetzen. |

Diefe Erklärung war kühn genug, denn wir hate; ten kaum ‚bie Moglichkeit In. ber Ferne. zu ſehen ge⸗ alaubt; doch rechtfertigte der: Erfolg dem wackern Entihluß. Die Actenſtuͤde jener Tage. ſind in der größten. Ordnung verwahrt, vielleicht. ergoͤhen ſich unfere Nachkommen an dem: Hergang. biefer für, ung. wenlaſtens hböchft bedeutenden, Begebenbelt,

Nachdem alſo bie Unftalt ber. Literatur-Zeitungs in ihrem ganzen Gerichte gefichert war, hatte man. fih nah. Männern umzufehen, - Die erteblgten: Lyhr⸗ faͤcher wieder zunbeienen, Wan mehreren. in Mage ſchlag gebraten. Unatomem wurde, Ackermanu⸗ bezufen, welcher. den. Grund: zu einem Lingfh beab⸗ fichsigten. fiehguden: anatomiiheg: Muſeum leaten. bapı der. Akadamie verbigipen. ſollte. Auch Sach eds.

457

ver ward Yetinkfejogen und der botaniſchen Anſtalt

votgeſetzt. Man hatte von feiner Perſoͤnlichkeit, is eines udig hoͤchſt zarten und tieffinnfgen We- eg die'beſten Hoffnungen für die Naturwiſſen⸗ aft. —W

Die von Lenz gegründete mineralogifche Socie⸗ tät erwedte das größte Vertrauen; alle Freunde biefes Wiffens wanſchten als Mitglieber aufge⸗ nommen zu werden, und ſehr viele beeifertem ſich tif bedenteuden Geſchenken das angelegte Cabinet zu vermehren.

‚Unter ſolchen zeichnete ſich Fuͤrſt Galizin ans, welcher die Ehre der ihm uͤbertragenen Präfldenten- Pelle, durch das Gefchent Telties anſehnlichen Ca— binets anzuerkennen fuchte, und da durch dieſen Wie durch · andrra Zuwachs die Anſtalt hochſt bedeu⸗ tend grwotden, ſo deſtätigte bet Herzog gegen Ede bes Jahrshie Statuten der Gefellfchaft, und gab Me daburch unter den dffentlichen Anſtulten einen entfchiedenen ang.

Dach dem Verluſt Tr manchet bedentenden Wer: Pneu haͤtten wir uns ſedoch neumltwittender Maͤn⸗ Her zu erftenen. Fornorno kam von Rom, un künftig In Bentrhlahd zu verblelben, “hir hielten U feſt. Hetzogin · Amalie gab ihſm dke ſett Jage⸗ Minnie Tode unbeſeizte Biblkdthetarſtelle Uhrer be⸗ Mer Buͤchetfammlung; fehte gruͤnbliche Kennt⸗ utß der Italianiſchen Literatur, eine ausgefuchte Vlbliothek dieſes Faches und feine angenehmen ge⸗

"458

feligen @igenfchaften dieſen Erwerb hoͤchſt ſchaͤtzbar. Daneben führte er einen bedeutenden Schatz mit ſich, die hinterlaffenen Zeichnungen fei- nes Freundes Karſtens, dem er. in feiner künft- Verifchen Laufbahn bis an fein frühzeitiges Ende mit Math und That, mit Urtbeil und Nachhuͤlfe treu⸗ lichſt beigeftanden hatte.

Dr. Riemer, der mit Heren von Humboldt nach Italien gegangen war, und bort einige Zeit in deffen Zamilientreis mitgewirkt hatte, war in Fer- nows Geſellſchaft herausgereiſ't, und ald ge wandter Kenner der alten Sprachen uns gleichfalls hoͤchlich wilfommen. Er gefellte fich zu meiner Fa⸗ milie, nahm Wohnung bei mir und wendete feine Sorgfalt meinem Sohne zu.

Auch mit Zelter ergab fi ch ein naͤheres Ver⸗ haͤltniß; bei ſeinem vierzehntaͤgigen Aufenthalt war man wechſelſeitig in kuͤnſtleriſchem und ſittlichem Sinne um vieled näher gekommen. Cr befand ſich in dem feltfamften Drange zwifchen einem ererb- ten, von Ingend auf geübten, bis zur Meifterfchaft durchgeführten Handwerk, das Ihm eine bürgerliche Exiſtenz dkonomiſch verficherte, und zwiſchen einem eingebornen, kraͤftigen, unwlderſtehlichen Kunft- triebe, der aus feinem Individuum den ganzen Reichthum der. Tonwelt entwidelte. Jenes trel⸗ bend, von dieſem getrieben, von jenem eine erwor⸗ bene Fertigkeit beſitzend, ih dlefem nach einer zu er⸗ werbenden Gewandtheit beftzebt, fand er wicht

159

etwa wie Hercules am Scheldewege zwiſchen dem was zu ergreifen oder zu meiden feyn möchte, ſon⸗ dern er ward von zwey gleich wertben Mufen Hin und bergesogen,, deren eine fich feiner bemaͤchtigt, deren andere dagegen er ſich anzueignen wuͤnſchte. Bet feinem redlihen, tuͤchtig bürgerlihen Craft war es ihm eben fo fche um fittlihe Bildung zu tun, als diefe mit der Afthetifhen fo nah ver- wandt, ja ihr verkörpert ift, und eine ohne bie an⸗ dere zu wechfelfeitiger Vollkommenheit nicht gedacht werden kann.

Und fo konnte ein doppelt wechfelfeitiges Bes fireben nicht außen bleiben, da die Weimariſchen Kunftfrennde fich faft in demfelben Kalle befanden ; wozu fie nicht gefchaffen waren, hatten fie zu leiſten, und was fie Angebornes zu leiſten wänfchten, ſchien immerfort unverfucht zu bleiben.

Die Angebaude der Bibliothek, nach dem Schloffe zu, wurden der freieren Ausficht wegen abgebro- hen, nun machte fi ftatt ihrer ein neuer Gelaß ndthig, wozn die Herren Genz und Raabe gleich⸗ falls die Miffe zu liefern gefällig übernahmen. Was fonft in jenen Plaß gefunden hatte, ftattlidhe Treppe, geräumige Expeditions⸗ und Geſellſchaftszimmer wurden gewonnen, ferner Im zweyten Stod nicht allein Stand für mehrere Bücherrepofitorien, fon= bern au einige Räume für Alterthämer, Kunſt⸗ fahen und was dem anhängt; nicht weniger wurde das Muͤnzcabinet, vollftändig an Saͤchſiſchen Me:

160

dalllen, Thalern und kleineren Geldforten,‘ neben- her auch mit Deukmuͤnzen, ingleihen Roͤmiſchen und Griechiſchen verfehen, befonders aufbewahrt.

Da ich mich In meinem Leben vor nichts fo fehr als vor leeren Morten gebätet, und mir eine Phraſe, wobei nichts gedacht oder eıhpfunden war, an andern unertraͤglich, an mir unmöglich Tchlen, fo litt ich bei ber Ueberſetzung des Cellint, wozu durchaus unmittelbare Anficht gefordert wird, wirk- Uche Peln. Ich bedauerte herzlich daß ich meine erfte Durhreife, meinen zweyten Aufenthalt zu Flerenz nicht beffer genußt, mir von der Kunft neuerer Zeit nicht ein eindringlicheres Anfchauen verſchafft hatte. Freund Meyer, der in den Jahren 4796 und 1797 ſich daſelbſt die gruͤnblichſten Kennt⸗ niſſe erworben hatte, Half mir moͤglichſt aus, doc ſehnt' ich mich Immer nad dem elgenen, nicht mehr gegönnten Anblick. 5

Ich kam daher duf den Gedanken, ob nicht wenig-

ſtens Celliniſche Münzen, auf die er fich fonlel zu .

Gute thut, noch zu finden ſeyn möchten, ob nicht Anderes was mich In jene Zeiten verfegen Tönnte noch zu haben wäre. _ | RL Gluͤckllcherwelſe vernahm Ih von einer Nürnber: giſchen Auction, In welcher Kupfermünzen des fünf: zehnten nnd fechjehnten, ja bes fiebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts feil geboten wurden, unb es gelang die ganze Malle zu erbalten, Die Orl: ginalfolge von Päpften, feit Martin bem V. bis

auf

un.

PS, > Zn 8

461

auf Clemens XI., alfo bis zum erften Viertel des achtzehnten Jahrhunderts, wurde mir nicht allein zu eigen, ſondern auch dazwiſchen Garbindie und Priefter, Philofophen, Gelehrte, Künftter, merk: würdige Frauen, in fcharfen unbefchädigten Exem⸗

- plaren, theils gegoffen, theils geprägt, aber ver-

wunderſam und bedauerlich: unter fo manchen Hun⸗ derten kein Cellini. Aufgeregt war man uun auch bier das Sefhichtlihe zu ſtudiren; man forfchte nach Bonanni, Mazuchelli und andern, und legte fo ven Grund zu ganz neuer Belehrung.

Das ältere Schleßhaus vor dem Frauenthor war fhon längft von den Parkanlagen überflügelt, der Raum ben es einnahm bereits zwifhen Särten ein: geſchloſſen und Spaziergängen, die Uebungen nad der Scheibe, befonders aber das eigentlihe Vogel⸗ ſchleßen, nach und nach unbequem und gefährlich.

Zum Tauſch nahm ber Stadtrath mit mehr: Aachem Gewinn einen großen fhön gelegenen Bezirk sor dem Kegelthor, die weit verbreiteten Aeder foll- ten in Gärten, Gartenländer verwendet und an

dem ſchicklichſten Plas ein neues Schießhaus gebaut

werben.

Die eigentlihe Lage eined Gebäudes, fobald dem Architekten Sreiheit gegeben iſt, bleibt Immer deffelben Hauptaugenmerk: ein laͤndliches Gebäube fol die Gegend zieren und wird von ihr gealtert; und fo war die forsfältigfte Berathung zwifhen dem Berliner Architekten und den Weimariſchen Kunft

Goethe's Werle. XXXI. Bd. 41

“246%

freunden nicht weniger dem Stabtrath und her Squͤtzengeſellſchaft eine geraume Zeit im Schwange.

Bei einem neuen Luſtgebaͤude mit ſeinen um- gebungen, zur Aufnahme einer großen Menge be- ftimmt, tft das Haupterforderniß Schatten, wel⸗ cher nicht ſogleich herbeigebannt werden kann. Hier war alſo ein angenehmes Hoͤlzchen der nothwendige Punct einen Fluͤgel daran zu lehnen, fuͤr die Haupt⸗ richtung entſchied ſodann eine oberhalb jenes Buſch⸗ werks hergehende uralte vierfache Lindenallee; man mußte den Flügel und alfo das ganze Gebäube teat- winfelig darauf richten. |

Sin mäßiger Plan, den Beduͤrfaiſſen allenfalls hinreichend, erweiterte fih nah und nad; die Schüsengefellfhaft, das Publicum, als die Tan— zenden, die Genießenden, alle wollten bedacht ſeyn, alfe verlangten ein ſchickllches und bequemes Local. ‚Nun aber forderte die nahebet doch gefondert anzu- legende Wirthſchaft ebenfalls Ihre mannichfaltigen Beduͤrfniſſe, und ſo dehnte ſich der Plan immer mehr aus. Zwar gab die Ungleichheit Des Terrains, bie man zu überwinden hatte, die fhönfte Gelegen- heit aus der nothwendigen Bedingtheit des Locals bie Forderungen des Zwedes zu entwideln, am Ende aber konnte man fit) nicht Iäugnen , bei Öfos nomifher Ausdehnung und nad dftberifhen Ruͤck⸗ fibten, über die Graͤnze des Beduͤrfniſſes hinaus⸗ gegangen zu ſeyn.

Doch ein Gebäude gehört unter die Dinge,

163

wlhe- nach erfähten ianeren Zweden auch zu Be⸗ frledisung der Augen aufgeftellt werben, ſo daß man, wenn es fertia iſt, niemals frayt, wie viel Erfindungstraft, Auftreugung, Zeit und Geld dazu erforderlich geweſen: die Totalwirkung bleibt Immer das Daͤmoniſche, dem wir huldigen.

Gegen Ende des Jabrs erlebte ich das Gluͤck mein Verhaͤitniß zu den Erdſchollen von Roßla voͤl⸗ lig aufgehoben zu ſehen. War der vorige Pachter eia Lebemann- und in feinem Geſchaͤft leichtſinnig "und naetäfig, ſo hatte der neue ale bisheriger Bürger einer Landſtadt, eine gewiſſe eiyene klein⸗ liche Rechtlichkeit, wooon die Behandlung jener-be- kannten Quelle ein Symbol ſeyn mag. Der gute Mann, in feinen Gartenbegriffen einen Spring- braunen ale das doͤchſte befindend,, leitete das dort - mäßig abfiehende Waller In engen Blechröhren an :die niedrigfte Stelle, wo es denn wieder einige Euß in die Höhe fpraug, aber ftatt des Waſſer⸗ : fplegets einen Sumpf bildete. Das idylliſche Na⸗ turwelen jenes Spazierganzs war um feine Einfalt verfünmert , fo wie denn auch andere aͤhnliche An⸗ fetten ein gewiſſes erſtes Gefallen nicht mehr auließen.

Zwiſchen allem dieſem war der haͤusliche Mann doch auch. Mar geworden, dab die Beſitzung für den der fie perſoͤalich benuße ‚ganz eintraͤglich ſey, und in dem Maße wie mir der Beſitz verleidete, mußte ‚er ihm wänfhenswärdig erſcheinen, und fo ereig-

164

nete ſich's, daß ich nach Tehs Jahren das Gut Ihm abtrat, ohne irgend einen Verluft ald der Zelt und allenfalls des Aufwandes auf Ländliche Feſte, beren Vergnuͤgen man aber doch auch für etwas rechnen mußte. Konnte man ferner die klare Anſchauung diefer Zuftände auch nicht zu Geld anfchlagen, fo war doch viel gewonnen und nebenbei mancher —— Tag im Freien geſellig zugebracht. |

Stau von Stael kam Anfangs December in Weimar an, als ih noch in Jena mit dem Pro- gramm befchäftigt war. Was mir Schiller Aber fe am 21 December fchrieb diente auf einmal Aber das mwechfelfeitige aus ihrer Gegenwart fih entwidelnde Verhaͤltniß aufzuklären.

„Frau von Stael wird Ihnen völlig fo erſchei⸗ nen, wie Ste fie fih a priori fon confteufet ha⸗ ben werden; es iſt alles aus Einem Städ und kein fremder, falfcher, pathologiſcher Zug in ihr. Dieß macht daß man fih, troh des immenſen Abſtands der Naturen und Dentweifen, volltommen wohl bet {hr befindet, bad man alles von Ihr hören, ihre alles‘ fagen mag. Die Franzöflihe Geiſtesbildung ſtellt fie rein und in einem höchft Intereffanten Lichte de. In allem was wir Philofophle nennen, folge lich in allen lebten und hoͤchſten Inſtanzen, iſt man mit ihr im Streit und bleibt es, troß alles Redens. Aber ihr Naturell und Gefühl kit beſſer als ihre Metaphufit, umd ihr ſchoͤner Verſtand erhebt fih zu einem genlalifhen Vermögen. Ste will alles er:

165

kaͤren, einſehen, ausmeffen, fie .fatulrt nichts Dunkles, Unzugänglihes, und wobin fie nicht mit ihrer Zadel leuchten kann, da ift nichts für fie vor- handen. Darum bat fie eine horrible Scheu vor der Idealphiloſophie, welche nach ihrer Meinung zur Myſtik und zum Aberglauben führt, und dag {ft die Stidluft wo fie umlommt. Kür das was wir. Poeſie nennen, ift kein Sinn in ihr, fie kann fih von ſolchen Werfen nur das Leldenfchaftiiche, Rednerifche und Allgemeine zueignen, aber fie wird nichts Falſches fchägen, nur das Rechte nicht immer erftennen. Ste erfehen aus biefen paar Worten, daß die Klarheit, Entſchiedenhelt und geiftreide Lebhaftigkeit ihrer Natur nicht anders ale wohlthaͤ⸗ tig wirfen können. Das einzige Läftige iſt die ganz ungewöhnliche Fertigkeit ihrer Runge, man muß fih ganz in ein Gehörorgan verwandeln, um ihr folgen zu koͤnnen. Da fogar ich, bei meiner weni: gen Fertigkeit. im Franzoͤſiſchreden, ganz leidlich mit ihr fortfomme, fo werden Sie, bei ihrer größern Nebung, eine ſehr leichte PUNBENMISATNON mit ihr haben. ”’

Da Id nich von Jena mein Geſchaͤft ab⸗ geſchloſſen zu haben nicht entfernen konnte, ſo ge⸗ langten noch gar mancherlei Schilderungen und Nachrichten zu mir, wie Frau von Stael ſich be⸗ nehme und genommen werde, und ich konnte mir ziemläich die Rolle vorſchreiben, weiche Ich zw ſpielen haͤtte. Doch ſollte das alles ganz anders werben,

466°

wie in dem wählten Jahr, wohln wir hinüber“ gehen, zu melden iſt. | Pie unbequem aber ein fo bedeutender Beſach mir gerade zu der Seit fenn mußte, wird derjenige mitempfinden, der die Wichtigketk bes Geſchaͤfts⸗ bedentt, dad mich damals in Jena feithfeit: Der: weltberühmten allgemeinen- Literaturzeitung mit Auftündisung des Dienftes zuvorzutsmmen, und: indem fie fih an einen andern Ort bewegte, fie au derfeiben Stelle fortfegen zu wollen war ein kuͤhnes "Unternehmen, Man bedenft nicht immer daß eim kuaͤhn Unternommenes in der Aitführung gleidfaie Kuͤhnheit erfordert, : weit: bet dem Wagemeines durch gemeine Mittel nicht wohl andzulaugen Fey möchte. Mehr als Ein Verſtaͤndiger, Ciwfkhtiger: gab mir das Erftaunen zu erkeimon, wie min: fidy. in ein folk unmd liches Imternehmen habe einlafs fea dürfen. Fretlich aber war die Sache dadurch möglich. geworden ,. daß ein’ Man von. dem Merz. dienfte "des Herrn Hofr. El qſt Ad t "Nic. zur Forte ſetzung des Geſihaͤfts entſchlöß, an dem er bisher ſo bedeutenden Theil genommen hatte. Die Weimariſchen Kunſtfreunde hietten ed nun⸗ mehr für Pfliht, das was an Uhrem Ehufluß ge⸗ wichtig ſeyn konnte, auch auf die Schale zu begen. Prelsaufgaben für biidende Kuͤnſtler, Recenſtonen der eingeſendeten Blaͤtter, Preisertheilung, fonftig verwandte Aneführungen, Ausſchreiben einer neuem, Preis aufgabe. Dleſer Complerivon-tneihanber grei⸗

ng

7 167

fenden Operationen, welcher bisher den Propplaͤen angehoͤrt hatte, ſollte nunmehr der allgemeinen Li⸗ teraturzeltung zu Theil werden. Das Programm hiezu beſchaftigte mich in meiner dießmaligen Ab: fonderung, Indem ih mit dem Freund und eifrigen Mitarbeiter Heinrich Meyer in fortwährender Come muntcation blieb.

Wer Gelegenheit hat den erften Jahrgang der Neuen oder Jenaiſchen allgemeinen Kiteraturzeitung anzufehen, der wird gern bekennen, daß es Feine geringe Arbeit geweſen. Die Preidaufgabe von 41803 war auf verſchiedene Weife gelöft, auch Pro⸗ fefor Hoffmann aus Stuttgart der Preis zuer: fannt, rahdem vorher die verfchiedenen Verdienfte ber Mitwerber gewuͤrdigt ſowohl ald von freiwillig Eingefendetem Rechenſchaft gegeben worden. Ale: - dann, hatte man einen Verſuch gemacht Polygnot’s Gemaͤhlde In der Leſche zu Delphi zu reftauriren und fih in Gedanken der Kunft diefes Urvaters, wie es ſich thun ließe, zu nähern.

Die Weimariſchen Kunftfreunde hatten dieſe fünf Fahre her, während welder fie diefe Anitalt buschgeführt, gar. wohl bemerlen konnen, daß eine allzu eng beftimmte Aufgabe dem Künftler nicht durchaus zuſage, und daß man bem freien Geift einigen- Spielraum laffen müfle, um nad eignem Sinn und Vermögen eing Wahl auftellen zu küns nen. Die dießiaͤhrige Aufaabe war daher: dag

Menſchengeſchlecht vom Eremente des Waſſers be:

v 168

draͤngt, wovon wir eine ganz befondere Mannich⸗ faltigkeit hoffen konnten.

Aus jenem Programm fuͤge zum Schluß noch eine Stelle hier ein, die Gelegenheit gibt ein anmuthiges Ereigniß zu beſprechen. „Unter den Schaͤtzen ber Galerie zu Kaſſel verdient die Ch a⸗ ritas, von Leonardo da Vinci, die Aufmerkſam⸗ keit der Kuͤnſtler und Liebhaber im hoͤchſten Grad. Herr Riepenhauſen hatte den ſchoͤnen Kopf dieſer Flgur, in Aquarellfarben, trefflich copirt, zur Ausſtellung eingeſandt. Die ſuͤße Traurigkeit des Mundes, das Schmachtende der Augen, die ſanfte, gleichſam bittende Neigung des Hauptes, ſelbſt der gedaͤmpfte Farbenton des Originalbildes waren durchaus rein und gut nachgeahmt. Die groͤßte Zahl derer, welche die Ausſtellung beſuchten, haben dieſen Kopf mit vielem Vergnügen geſehen; ja derfeibe muß einen Kunftliebhaber im hoͤchſten Grade angezogen haben, indem wir die unverfenn- baren Spuren eines herzlidien Kuſſes von angeneh⸗ men Lippen, auf dem Glaſe, da wo ed den Mund bededt, aufgedrüdt fanden.’

Wie liebenswürdig aber das Facſimile eines ſol⸗ chen Kuſſes gemwefen, wird man nur erft ganz empfin- “den, erfährt man die Umftände unter welchen fol- ches möglich geworden. Unfere Ausftelung kam dieſes Jahr fpäter zu Stande; bei dem Antheil welchen das Publlcum zeigte, ließen w'r es iäuger als gewöhnlich ftehen, die Zimmer wurden kälter

*

168 und nur gegen die Stunden bes eröffneten Ein⸗ laffes geheist. Eine geringe Abgabe für die ein⸗ malige Entrde zum Beſten der Anftalt war geneh⸗ migt, befonderd von Fremden; für Einheimiſche war ein Abonnement eingerichtet, welches nach Be⸗ lieben auch außer der betimmten Zeit den Eintritt gewährte. Indem wir alfo, nah Gewahrwerden diefer liebevollen Theilnahme an einem vorzuͤglichen Kunftwert, uns in ſtiller Heiterkeit den Urheber zu entdeden bemühten, wurde folgendes erft feſt⸗ geſetzt. Jung war der Küffende, das Hätte man vorausfehen können, aber die auf bem Glas firir- ten Züge fprehen ed aus; er muß allein gewefen feyn, vor vielen hatte man- dergleichen nicht wagen dürfen. Dieß Ereigniß gefbah früh bei ungeheitzten Zimmern: der Sehnfühtige hauchte das kalte Glas an, drädte den Kup in feinen eignen Hauch, der alsdann erftarrend fich confolldirte. Nur wenige wurden mit diefer Angelegenheit befannt, aber es war leicht auszumachen wer bei Seiten in den un geheitzten Zimmern allein fich eingefunden, und ba traf ſich's denn auch recht gut: die bis zur Gewiß⸗ beit gefteigerte Vermuthung blieb auf einem jungen Menfchen ruhen, deffen wirklich Eüßliche Lippen wir Eingeweihten nachher mehr als einmal freundlich zu begrüßen Gelegenheit hatten. .

Sovtel wir willen iſt das Bild nach Dotpat ge= kommen.

470 180.4 Der Winter hatte fih mit aller Gewalt einge- funden, die Wege waren verfchneit; auf der Schnecke Sein Sortlommen. Frau von Stael kündigte ſich im— mer dringender an, mein Gefchäft war vollendet, und ih entfhloß mich in manderlet Betracht nach Weimar zu gehen. Aber auch dießmal fühkt’ ich die Schaͤdlichkeit des Winteraufenthaltes im Sdcloſſe. Die ſo theure Erfahrung von 1801 hatte mich nicht aufmerkſam, nicht kluͤger gemacht, ich kehrte mit einem ſtarken Katarrh zuruͤck, der ohne gefaͤhrlich zu ſeyn mich einige Tage im Bette und ſodann Wo— chen lang in der Stube hielt. Dadurch ward mir nun ein Theil des Aufenthalts dieſer ſeltenen Fran hiſtoriſch, Indem Ich was In der Gefellfchaft vorging, von Freunden berichtlic vernahm, und fo mußte denn auch die Unterhaltung erft durch Billette, dann durch Zwiegeſpraͤche, fpäter in dem kleinſten Cirkel ftatt finden: vielleiht die günftigfte Weife, wie ich fie kennen lernen und mich ihr, In fofern dieß mög: lich war, auch mittheilen Fonnte, |

Mit entfhiedeuem Anbrang verfolgte fie ihre Abfiht, unfere Zuſtaͤnde tennen zu lernen, fie ih⸗ ten Begriffen.ein- und unterzuondnen, fih nach dem Einzelnen foviel als moͤglich gu erkundigen, ale Weltfrau fi die gefelligen Verhaͤltniſſe Har zu ma⸗ chen, in ihrer geiftreihen Weiblichkeit die allgemei- neren Vorftellungsarten und was man Philofophie

\

171

nennt, zu burdbeingen und zu darchſchauen. Ob ich nun gleich gar keine Urſache hatte mich gegen ſie zu verſtellen, wiewohl ich, auch wenn ich mich ge⸗ hen laſſe, doch immer won den Leuten nicht recht gefaßt werde; fo trat Doch hier ein äußerer Umſtand ein, der. mi färben Augenblick ſcheu machte. Ich erhielt fo chen eiw erft herausgelommenes Franzd- ſiſches Buch, die Eorrefpondenz von ein paar Frauen; zimmern mit Mouffeau. enthaltend. Sie hatten den unzugduglichen. Iheuen Mann ganz eigentlich mpftis fichrt, Indem fie Ihm erſt durch keine Angelegen- heiten zu ‚tntereffiren, . zu einen Briefwechfel mit: itznen arzwindten gewußt, den fie, nachdem. fie beu Scherz genug hatten, ———— und drucken lleßen.

ı" Hieräber: gab !.ichı mein: Misfauen an Frau von Stael zu erkennen, welche die Säache leicht nahm, fogar:zır billigen fchten und wicht undeutlich zu verfiehen gab: . fie denfe ungefähr gleicherweiſe mit und zu verfahren... Weiter bedurft' es nichts, um mich anfmerffam.nüd. vorſichtig zu machen, zu verſchließen

Dle gesßen. Vorzuͤge dieſer bochdenkenden —— Schriftſtelleris liegen jederman vor * ‚und bie Reſultate ihrer Reiſe durch Deutfchs

land zeigew'penugfem, wie wohl ſie ihre Belt an⸗ gewendet. ꝛZthtyre wecke waren vielfach: ie Hollte bat fitt- Aue, gefelige, Aterariſche Borimat kennen lernen

472

und fih Aber alles genau unterrichten; dann aber: wollte auch fie gekannt ſeyn, und fuchte daher ihre ‚Anfichten eben fo geltend zu mahen, als es ihr darum zu thun fehlen, unfre Dentweife zu erfors fhen. Allein dabei konnte fie es nicht laffen; auch wirfen wollte fie auf die Sinne, aufs Gefühl, auf den Geiſt, fie wollte zu einer gewiſſen Thaͤtigkeit aufregen, deren Mangel fie uns vorwarf,

Da fie keinen Begriff hatte von dem was Pflicht heißt, und zu welcher ſtillen gefaßten Lage ſich der⸗ jenige, ber fie übernimmt, entfchiießen muß, fo folte immerfort eimgegriffen, augenbiidiich. gewirkt, fo wie in ber Geſellſchaft immer a end ver⸗ handelt werden:

Die Welmaraner find gewiß eines Enthafi

faͤhig, viellelcht gelegentlich auch eines falſchen, aber das Franzoͤſiſche Auflodern ließ fich nicht van Ihnen erwarten, am wenigſten zu einer Zeit, wo die Franzoͤſiſche Uebergewalt fo allſeitig drohte und ſtill⸗ Kuge Menſchen das unausweichliche Unheil vorausſa⸗ hen, das uns im naͤchſton Jabr⸗ an den Rund der Vernichtung führen follde, Auch vorlefend wid beclamirend wollte Sran von Stael:fih Kränze erwerben: Ich entſchuldigte mic von einem Abend, wo fie Phaͤdra vorerug und wo ihr der mäßige Deutſche Beifall teineswegs ge: nug that.

Philoſophiren In der Befellichaft heißt. 2) iber amanfjösiihe yrohlemıe lekhaft unterhalten. Dich .

173

war ihre eigenfliche Luft und Leidenfchaft. Natuͤrli⸗ cherweiſe trieb Re es in Neben und Wechfelreden ge: woͤhnlich bis zu denen Angelegenheiten bes Denkens und Empfindens, bie- eigentlich nur zwifchen Gott und dem Einzelnen zur Sprache kommen follten. Dabei hatte fie, als Frau und Franzoͤſin, immer bie Art, auf Hauptſtellen pofitiv zu verharren, und el- gentiich nicht genau zu hören, was der andere fagte.

Dur alles diefes war ber böfe Genius in mir aufgeregt, daß ich nicht anders als widerſprechend diatektifch und problematifch alled Vorkommende be= handelte, und fie durch hartnädige Gegenfäge oft zur Verzweiflung brachte, wo fie aber erft recht liebenswuͤrdig war, und Ihre Gewandtheit im Den- ten und Erwidern auf bie glängendfte Weiſe dar⸗ that. Noch Hatte ich mehrmals ˖unter vier Augen ſolge⸗ rechte Geſpraͤche mit ihr, wobei ſie jedoch auch nach ihrer Weife laͤſtig war, indem ſie uͤber die bedeutend⸗ ſten Vorkommenheiten nicht einen Augenblick ſtilles Nachdenken erlaubte, ſondern leidenſchaftlich verlang⸗ te, man folle bei dringenden Angelegenheiten, bei ben wichtigften Gegenſtaͤnden eben fo ſchnell bei der Hand ſeyn, als wenn man einen Geberbail aufzu⸗ fangen haͤtte.

Ein Geſchlchtchen ſtatt vieler möge bier Platz nehmen: Frau von Stael trat einen Abend vor der Hofzeit bei mir ein und ſagte gleich zum Willkommen, mit heftiger Lebhaftigkeit: „Ich habe euch eine wich⸗

"474

tige Nachricht anzukuͤndigen: Moreau iſt erretirt mit einigen andern, und des Verretys gegen Den -Tprannen augeklagt.“ Ich hatte ſeit tanger Zeit, "wie federman, an der Perſoͤnilchkeit des Edlen Theil genommen, und war feinen Thun und Handeln ge- folgt; ich ricf im Stillen mir das Vergangene zu⸗ ruͤck, um, nah mein:r Art, daran das Geyenwär- tige zu prüfen und da; Künftige daraus zu fchiteßen, oder doch weniuflens zu ahnen. Die Dame veraͤn⸗ derte das Gefpräh, daſſelbe wie gewöhnlich, auf mannichfach gieihgültige Dinge führend, und «is ich in meinem Grübeln verharrend ihr nicht ſogleich ge'präcig zu erwidern wußte, erneuerte fie die fhon oft vernommenen Vorwürfe: id ſey dieſen Abend wieder einmal, gewohnter Weife, maufade und keine beitere Unterhaltung bei mir gu finden, Ich ward wirklich im Ernft boͤſe, verfizerte, fie fey feines wahren Antbeils fähig; fie falle rt der Thuͤr Ind Haus, betäube mich mir einem derben Schlag, und verlange ſodann, man folle alfobaıd fein Aed⸗ hen pfeifen und von einem Gegenftand zum andern huͤpfen.

Dergleichen Aeußerungen waren recht tm ihrem Stun, fie wollte Leidenſchaft erregen, gleichviel welche. Um mich zu verſoͤhnen, ſprach ſie die Mo:

mente des uedahten wichtigen Unfalls grändti Durch und bewies dabei große Einficht im die Rage der

Dinge, wie in die Charaktere. Ein anderes Geſchichtchen bezeugt gleichfalls,

2 175

wie heiter und leicht mit fhr zu leben war, wenn man es auf ihre Weiſe nahm. An einem perfonen- reihen Abendeffen bei Herzogin Amalle rap ih weit von ihr, und war eben auch für dießmal ſtill und mehr nachdenklich. Meine Nacbbarſchaft ver- wies es mir, und es gab eine Fleine Bewegung, de⸗ ten Urfache endlich bis zu den höhern Perfonen hin- aufreichte. Frau von Stael vernahm die Anklage meines Schweigens, dußerte ſich daräber wie ge⸗ woͤhnlich, und fügte Hinzu: „Ueberhaupt mag ih Goethe niht, wenn er nicht eine Bouteille Cham⸗ pagner getrunfen hat.“ Ich fagte darauf halb laut, ſo daß ed nur meine Nächften vernehmen konnten: da müffen wir und denn doch fhon manchmal zufammen befpist haben: . Ein maͤßiges Seldchter entftand dar⸗ auf; fie wollte den Anlaß erfahren, niemand konnte und mochte meine Worte im eigentlichſten Sinne Sranzöfifch wieder geben; bis endiih Benjamin Sonftant, auch ein Nahſitzender, auf ihr anhal- tendes Fordern und Drängen, um die Sache abzu- falleßen, ed unternahm, ihr mit einer euphemiſti⸗ ſchen Phraſe genug zu thun.

Was man jedoch von ſolchen Verhaͤltniſſen hin⸗ terher denken und ſagen mag, fo iſt immer zu be⸗ kennen, daß fie von großer Bedeutung und Elnfluß auf die Folge geweſen. Jenes Werk über Deutſch⸗

‚land, welches feinen Urſprung dergleichen geſelligen "Unterhaltungen verdanfte, iſt als ein maͤchtiges Ruͤſtzeug anzuſehen, das in die Chineſiſche Mauer

176

antiquirter Vorurtheile, die und von Frankreich trennte, ſogleich eine breite Luͤcke durchbrach, fa daß man über dem Rhein und, in Sefolg deffen, _ über dem Canal, endlich von uns nähere Kenntniß nahm, wodurch wir nicht anders als lebendigen Ein- Auß auf den fernern Welten zu gewinnen hatten. Segnen wollen wir alfo jenes Unbequeme und ben Conflict nationeller Eigenthuͤmlichkelten, die ung damals ungelegen kamen und Eeineswegs förderlich erſcheinen wollten. i

Eben fo hätten wir daukbar ber Gegenwart Herrn Benjamin Eonftant zu gedenken.

Gegen Ende Juny begab ih mich nah Jena und ‚ward gleich an demfelbigen Abend durch Iebhafte Io: ‚hannisfener munter genug empfangen. Es iſt feine Stage: daß fich dieſe Luſtflammen auf den Bergen,

fowohl in der Nähe der Stabt, als wenn man das Thal auf- und abwärts fährt überrafhend freund: Lich. ausnehmen.

Nach Verfchledenheit der vorhandenen Materie: Ken, ihrer Menge, mehr ober weniger Schnellig- Felt der Verwendung, züngeln fie bald obelisken⸗ bald pyramidenartig in die Höhe, fcheinen glühend zu verlöfhen und leben auf einmal ermuntert wie- der auf. Und fo fieht man ein ſolches feuriges Wech⸗ felfpiel Thalauf Thalab, auf die mannichfaltigfte Weiſe belebend fortfegen.

Unter allen diefen Erfheinungen that fich eine . zwar nur auf kürzere Zeit, aber bedeutend und auf:

fallend

477

fallend hervor. Auf der Spise bes Hausberges, weiber, von feiner Vorderſeite angefeben, kegel⸗ artig in die Höhe ſteigt, flammte gleihmäßig ein be- deutendes Feuer empor, doch hatte es einen beweg- Iihern und unrublgern Charakter; auch verlief nur kurze Zeit, als es fi in zwey Baͤchen an ben Sei⸗ tm des Kegels herunterfließend ſehen ließ; diefe in der Mitte durch eine feurige Querlinte verbunden jeigten ein koloſſales leuchtendes A, auf deſſen Gipfel eine ſtarke Flamme gleihfam ald Krone fi hervorthat und auf den Namen unferer verehrten Herzostn Mutter hindeutete. Diefe Gefcheinung ward mit allgemeinem Beifall aufgenommen; frem- de Bäfte fragten verwundert über die Mittel, wo⸗ durch ein fo bedeutendes und Feſtlichkeit kroͤnendes Feuergebilde habe veranftaitet werben können.

- Sie erfuhren jedoch gar bald, daß dieſes dad Bert einer vereinigten Menge war und einer ſolchen, von der man es am wenigften erwartet hätte.

Die Untverfitdteftadt Jena, deren unterfte armfte Kaffe ſich fo fruchtbar erweift, wie es in den pröß- tm Städten fih zu ereignen pflegt, wimmelt von Knaben verfchtedenen Alters, welche man gar füg: lich den Lazaroni'g vergleichen kann. Dhne eigentlich‘ zu betteln, nehmen fie durch Wielthätigkeit das Wohlthun ber Einwohner, befonders aber der Stu- direnden in Anfpruch. Bei vorzäglidyer Frequenz der Alademie hatte fich diefe Erwerbsclaffe befon- ders vermehrt: fie ſtanden am Markte und an den

Sperte'3 Werte, XXXI. Bo, 42

178

Straßeneden überall bereit, . trugen Botſchaften bin und wieder, beflellten Pferde und Wagen, tru- gen bie Stammbuͤcher. hin und ber und ſollicitirten das Einfchreiben, alled gegen geringe Retributio⸗ nen, welche denn doc ihnen und Ihren $amtılen bedeutend zu Gute kamen. Man nannte fie Mobs ten, wahrſcheinlich weil fie von der Sonne verbrannt, fi durch eine dunklere Gefihtsfarbe auszeichneten.

Diefe hatten fi fchon lange her das Recht au= gemaßt, bad Feuer auf der Spitze des Hausbergs anzuzünden und zu unterhalten, welches anzufachen und zu ernähren fie fih folgender Mittel bedienten. Eben fo ben weiblichen Dienftboten der bürgerlichen Häufer als ben Stubirenden wilfährig, mußten fie jene durch manche Gefaͤlligkeit zu verpflichten, der⸗ geftalt daß ihnen die Befenftumpfen das Jahr über aufbewahrt und zu diefer Feſtlichkeit abgeliefert wur- den. Um biefe regelmäßig in Empfang zu nehmen, theilten fie fih in bie Quartiere der Stadt nnd ge- fangten am Abend des Johannistags ſchaarenweis zuſammen auf ber Spitze des Haudberges an, wo fie dann ihre Reisfackeln fo ſchnell als möglich ent: zündeten, und ſodann mit ihnen manderlei Bewe⸗ gungen ma@ßten, welche ſich dießmal zu einem gros Sen A geftalteten, da fie denn ſtill hielten und jeder an feinem Platze die Flamme fo lange als möglich zu erhalten fuchten.

Diefe lebhafte Erfheinung, bei einem peitern Abendgelag von verfanimeiten Freunden gewahrt

179

und bewundert, eignete ſich auf alle Fälle, einigen Euthufiadenus zu ertegen, Man fileh auf das Wohl ber verehrten Fuͤrſtin an, und, da fchon-feit einis ger Zeit eine immer ernftere Policei dergleichen fen- tige Luſtbarleiten zu verbieten Anſtalten machte, fo bedauerte man, daß eine ſolche Seelenfreude Fünf: tig nicht mehr genoffen werden follte, und dußerte den Wunſch für die Dauer einer ſolchen heit im dem heitern Toaft:

Johamisfeuer fey unverwehrt,

Die Freude nie verloren!

Befen werben immer ftumpf geehrt Und Jungens immer geboren.

Einer gründiihern Heiterlelt genoß man bei Un⸗ teefuchung ber dortigen wiſſenſchaftlichen Anſtalten; beſonders hatte die Sammlung ber. mineralogifchen Geſellſchaft an Reichthum und Drdnung merklich zu- genommen. Die Blinfinter, welche zu ber Zeit erit lebhaft zur Sprache gefommen,. gaben, wie ed mit allem bedeutenden Neuen gefchiebt, dem Stublum ein frifhes Intereſſe. Geognoſtiſche Erfahrungen geologifhe Gedanken in ein folgerechtes Anfchauen einzuleiten, gedachte man an ein Mebell, das beim erften Aublick eine anmuthige Landſchaft vorftellen, deren linebenheiten bei den Auseinanberziehen des Ganzen durch bie innerlich angedeuteten verſchiede⸗ nen Gebirgearten rationell werden follten. Cine Aulage im Kleinen ward gemacht, anfänglich nicht

x J

130

ohne Erfolg, uachher abet darch andere Intereffen beſeitigt und durch ftteitige Vorſtellungsarten über dergleichen problematiſche Dinge der Vorgeſſenhett uͤbergeben.

Die von Hofrath vuttuer hinterlaſſene Biblio⸗ thek gab noch immer manches zu thun, und das Bin: den der Buͤcher, das nachherige Einorduen ae Beihäftigung. -

Hoͤchſt erfreulich aber: bei allem dieſem war der Beſuch meines guadigftien Herrn, welcher mit Geh. Rath von Voigt, einem in dieſen Geſchaͤften eifrig mitwirkenden Staatsmanne, heruͤberkam. Wie be— lohnend war es für einen ſolchen Fuͤrſten zu wir- ten, welcher Immer neue Ausſichten dem Handeln und Thım. eröffnete, Tobann bie Ausfährung mit Dertrauen feinen Dienern überließ, immer von Zeit zu Seit wieder eiumal hereinſah und ganz rich tig beurtheilte, inwiefern. man den Abfihten gemäß gehandelt hatte; da man Ihn denn wohl ein’ und Das andere Mal durch die Mefultate fchnelleter Fortfchritte zu überrafchen wußte.

Bei feiner dießmaligen Anwereuheit wurde er Beſchluß reif, ein anatomifches Mufenm einzurich ten, welches bei Abgang eines Profeflors ber Ann tomie der wiſſenſchaftlichen Anſtalt verbleiben müffe. Es ward dieſes um fo noͤthiger, als bei Entfernung des bedeutenden Loderifhen Gabinets eine große güde In diefem Fach empfunden wurde. Profeffer Ackermann, von Hetdelberg berufen, machte ſich's

481

zur Pflicht, ſogleich: in diefem Sinne zu arbeiten und zu fammeln, und unter feiner Anleitung gedieh par batd Bas Unternehmen zuerit im didaktifchen Einne, welcher durchaus ein anderer ift als der wiſ⸗ fenfchafttiche, der zuuleih auf Neues, Seltenes, ia Eurlofes -Aufmertfamtelt und Bemuͤhung richtet, und nur iu Befolg des nen allerdings Vin finden faun sd muß.

Je ‚weiter ih in remain Studien vorrüdte, deſto wichtiger und liehwerther wollte mir die Geſchichte der Naturwiſſenſchaften überhaupt eriheinen. Wer dem Gange einer höhern Erfennt- niß und Einſicht getreulich folgt, wird zu bemerken haben, daß Erfahrung und Wiſſen forsfchreiten und ih bereichern koͤnuen, daß jedoch dad Denken und die eigentlichſte Einſicht keineswegs in gleicher Maße voſlkommener wird, und zwar aus der ganz natuͤrli⸗ chen Urſache, weil das Wiſſen unendlich und jedem neugle tig Umherſtehenden zugaͤnglich, das Ueberle⸗ sen, Denkenr und Verknuͤpfen aber innerhalb eines zewiſſen Kreifes der: menſchlichen Faͤhlglelten eln- ge Oloſſen tz dergeſteſt, daß das Erkennen ber vorliegenden. Weltgegenſtaͤnde, vom Firſtern bls sum kleinſten lebdendigen Lebepunet, immer deutli⸗ cher und ausfuͤrrlicher werden kann, De wahre Ein⸗ ſicht in. die. Natur dieſet Dinge jedoch In ſich ſelbſt gerindert iſt und dieſes in dem Grade, daß niot allein die Indivlduen, ſondern ‚ganze Jahrhunder⸗ de vom JIrrtham ann: Wahrheit,. van ber Wahr⸗

482 _ beit zum Irrthum ſih in einem ſencen Arein be⸗ wegen.

In dieſem Jahre war ich Bis zu ber wichtigen Zeit gelangt, wo die nachher königlich genannte Eng⸗ liſche Geſellſchaft fih erſt in Oxford, ‚dann in Lone don zufammen that, burch mamidfaltige wichtige Hinderniffe aufgehalten, fodann durch dengroßen Brand in London im ihrer Thaͤtigkeit mmtefbvodhen, zulegt aber immer mehr eingerichtet; geordnet und gegruͤndet war.

Die Geſchichte dieſer Societat von Thomas Sprat las ich mit großem Beifall, und bedeuten⸗ der Belehrung, was auch ſtreugere Forderer gegen diefen freilich etwas flaͤchtigen Mann mögen eluzu⸗ wenden haben. Gelſtreich iſt er- immer, und laͤßt uns in die Zuſtaͤnde ˖ recht olgenttich hinelnblicken.

Die Protofslle :diefer. Geſellſchaft, deransgege⸗ den von Birch, And dagkıen unbeftritten ganz un⸗ ſchaͤtzbar. Die Anfänge einer fo großen Auſtalt ges ten und genug zu denken. Ich wibmetedieferh Werke jede ruhige Stunde, 'unb:babe von dem mas ich miz davon zugeeignet, in meiner Gefeftchtd ber Baden lehre kurze Rechenſchaft gegeben. -

Hier darf ich aber nit veridiwälgen, daß Biete Merle von der Göttinger Bibllothek, durch Die Gunft des edlen Heyne mir zugelommen, deffen nachſichtige Geneigtheit durch viele'Yahre mir mmuns terbrochen zu Theil ward, ı wenn er gleich oͤfters wegen verfpäteter ‚Surddfendimg mancher bedenten

433

ben Werke einen Heinen Unwillen nicht ganz verbarg. Sreitih war meine deſultoriſche Lebens: und Stu⸗ dienweife meiſtens fchuld, daß ich an tüchtige Werte nur einen Anlauf nehmen und fie wegen aͤußerer Zudringlichkeiten bei Seite legen mußte, in Hoff: nung eines günftigern Augenblidd, der fih denn wohl auf eins lange Zeitftrede verzögerte. Winckelmanns frühere Briefe an Hofr. Behrends waren fhon laͤngſt in melnen Händen, und ich hatte mich zu ihrer Andgabe vorbereitet. Um das was zu Shliderung des außerordentlihen Mannes auf man nicfaltige Weile dienen könnte, zufammenzuftellen, zos ich die werthen Freunde, Wolfin Halle, Meyer in Weimar, Zernow in Jena, mit Ins Intereffe, und fo bildete fih nad und nach der Octavband, wie er fodann in bie Hände bes Publlcums gelangte. Ein Fran oͤſiſches Manuſcript, Diderots Neffe, ward mir von Scillern eingehändigt, mit dem Wunſche, ich möchte ſolches überfegen. Ich war von jeher, zwar nicht für Diderotd Geflnnungen und Dentwelfe, aber für felne Art ber Darftellung als Autor ganz befonderd eingenommen, und ich fand das mir vorliegende Kleine Heft von der größten aufregenden Trefflichkeit. Frecher und gebaltener, geiftreicher und verwegener, unfittlich - fittlicher war mir kaum etwas vorgekommen; ich entfchloß mic daher fehr germ zur Ueberfeßung; rief zu eignem und fremdem Verſtaͤndniß das früher Gingefebene and den Schaͤtzen ber Literatur hervor, und fo ent⸗

184

ſtand, was ich unter der Form von Noten in alphaz betifher Ordnung dem Wert binzufügte, und es endlich bei Goͤſchen herausgab. Die Deutiche Yeber= feßung folle vorausgehen, und dad Original bald nachher abgedrudt werden. Hievon überzeugt ver= fäunte ich eine Abfchrift des Originals zu nehmen, woraus, wie fpäter zu erzählen feyn wird, gar wun- derlihe Verhaͤltniſſe fi hervorthaten.

Die neue Allgemeine Literatur - Zeitung bewegte fih mit jedem Monat lebendiger vorwärts, nicht ohne mancherlei Anfechtungen, doch ohne eigentli⸗ ches Hindernig. Alles Für und Wider, was bier durchgefochten werden mußte, im Zufammenbaug zu erzählen würde keine unangenehme Aufgabe ſeyn, und der Gang eines wichtigen literarifchen Unter⸗ nehmens wäre jedenfalls belehrend. Hier koͤnnen wir uns jedoch nur durch ein Gleichniß ausdraiden. Der Irrthum jenſeits beftand darin: Man hatte nicht bedaht, daß man von einem militaͤriſch-guͤn⸗ ſtigen Poſten wohl eine Batterie wegführen und an einen andern bedeutenden verfeßen kann, daß aber dadurch der Widerfacher. nicht verhindert wird, an der verlaſſenen Stelle fein Gefchäß aufzufahren, um für fih gleihe Vortheile daraus zu gewinnen. An der Leitung bes Gefchäftes nahm ich fortwaͤhrenden lebhaften Antheil: von Recenſionen, bie ich lieferte, will ich nur die der Voſſiſchen Gedichte nennen und bezeichnen.

Im Jahre 1797 hatte ich, mit dem aus Stellen -

485

jurüdlchrenden Freunde Meyer, eine Wanderung nach den kleinen Santonen, wohin mid nun (dom zum bdrittenmale eine unglaublihe Sehnſucht an⸗ teate, heiter vollbradht. Der Vierwaldfiädter See, bie Schwyßer Hoden, Fluͤelen und Altborf, auf dem Hin- und Herwege nur wieder mit freiem offe- nem Auge befhaut, nöthigten meine Einbildungs⸗ fraft, dieſe Localitäten als eine ungeheure Lande fchaft mit Perfonen zu bevötfern, und welche ſtellten ſich ſchneller dar als Tell und feine wadern Zeitge- noften ?. Ich erfann bier an Drt und Stelle ‚ein epi⸗ ſches Gedicht, dem Ich um fo lieber nachhing als Ich wuͤnſchte, wieder eine größere Arbeit in Hexame⸗ tern zu unternehmen, in diefer [hönen Dichtart, in Die fih nach und nach unire Sprache zu finden wußte, wobei die Abfiht war, mic immer mehr dur Uebung und Beachtung mit Freunden darin zu ver⸗ vollkommnen.

Von meinen Abſi chten melde nur mit Wenigem, daß ich in dem Tell eine Art von Demos darzuſtel⸗ len vorhatte und ihm deßhalb als einen koloſſal kraͤf⸗ tigen Laſttraͤger bildete, die rohen Thierfelle und ſonſtige Waaren durchs Gebirg heruͤber und hinuͤber zu tragen ſein Lebenlang beſchaͤftigt, und, ohne ſich weiter nu Herrſchaft noch Knechtſchaft zu bekuͤm⸗ mern, fein Gewerbe treibend und die unmittelbar fien perfönliben lebel abzuwehren fählg und ent⸗ fhloffen. In biefem Siune war er den reiben and höhern Landslenten befannt, und harmlos. übri-

486

gene auch unter den fremden Bebrängern. Diefe feine Stellung erleihterte mir eine allaemeine in Handlung geſetzte Erpofition, wodurd der eigent- liche Zuſtand des Augenblicks anfhanlich ward, Mein Landvolgt war einer von den behaglihen Zorannen, weine herz und ruͤckſichtlos auf ihre were hindringen, übrigens aber fi gern bequem finden, deßhalb auch leben und leben laſſen, dabei auch humoriſtiſch gelesentlich dieß oder jenes vers üben, was entweder gleichgültig wirken oder auch wohl Nutzen und Schaden zur Folge baten kann. Man fieht aus beiden Schilderungen, daß die An lage meines Gedichtes von beiden Seiten etwas Laͤßliches hatte und einen gemeflenen Gang erlaubte, weiher dem epiihen Gedinte fo wohl anftebt. Die älteren Schweizer und. deren treue Repraͤſen⸗ tanten, an Bellsung, Ehre, Leib und Anſehn ver: legt, folten das fittlih Leidenfchaftiihe jur in⸗ neren Gaͤhrung, Bewegung und endlihem Aus: bruch treiben, indeß jene beiden Figuren perföns ih gegen einander zu fiehen und unmittelbar auf - einander zu wirken hatten.

Diele Gedanfen und Einbildungen, fo fehr fie mich auch befhäftigt und fih zu einem reifen Gan⸗ zen gebildet hatten, gefielen mir ohne daß ich zur Ausführung mich Hätte bewegt gefunden. Die Deutſche Profodie, Infofern fie die aiten Sylben⸗ maße nachblldete, war, anflatt ſich fu regeln, immer zroblematifcher; die anertannten Meifter ſolcher

| 0

l Kuͤnſte und Kuͤnſllichkeiten Tagen bis zur Feindſchaft in Widerfireir. Hierdurch ward das Zweifelhafte no ungewifier; mir aber, wenn ich etwas vor⸗ batte, war es unmöglich über die Mittel erft zu denfen, woburd der 3meL zu erreichen wäre; jene maßten mir ſchon bei der Hand ſeyn, wenn ich die⸗ fen nicht alfobaid aufgeben follte, . - | Ueber dieſes innere Bliden- und dufere Untere laffen warea wir in das newe Jahrhundert einge: treten. Ich Hatte. mir Schiller diefe Angelegenheit oft beſprochen und ihn mit meiner lebhaften Schil⸗ derung jener Felswaͤnde und gedrängten Iuftäube dft genug unterhalten, dergeſtalt daß fich bei ibm dieſes Thema nach feiner Welle. zurechtftellen und’ _ foruren mußte. Auch er machte mich'mit feinen An⸗ fihten befaant, und ich emsbehrte nichts an efnem Stoff der bei mir dem Reiz der Neuheit und bei unmittelbaren Anſchauens verlosen. batte, und über: Ueß ihm daher benfelben gerne und foͤrmlich, wie ich ſchon fräher mir den Kranichen. des Ibycus und manchem andern Thema gethan hatte; da fich ben aus jener. obigen: Darſtellung, Wergiichen mit dem Bchilleriſchen Dramm, dentüch ergibt,: dab Ihm alles Sellommen angehört, und daß er mir nichts als » DE Atregang und eine lebendigere Unſchauung ſchul⸗ . Big fep mag, ale ihm: die einfache Eegende hatte gewaͤhren Sanen... ' Eine Bearbeitung .biefed Gegenſtandes warb Iumerfort‘; wie gerhhutich, unter und beſprochen,

188

die Rollen zuletzt nach ſeiner Ueberzengung ausge: theilt, die Proben gemeinſchaftlich uietfah und mit Sorgfalt behandelt; auch fuchten wir in Eoftäm und Decoration nur mäßig, wiewohl ſchicklich und charak⸗ teriſtiſch, zu verfahren, wobei, wie immer, mit unſern oͤkonsmiſchen Kräften die Ueberzeugung zu⸗ ſammentraf, daß man wit allem Atuhern mäßig verfahren, hingegen dad Innere, Geiſtige ſo hoch als möglich ſteigern muͤſſe. Ueberwiegt jeres, ſo erdruͤckt der einer jeden Sinnlichkeit am Ende doch nichtigenngehuende "Stoff alles das eigentlich höher Geformte ; deffentwegen das Schauſplel elaentiich nur zulaͤſſig iſt. Den 17 Mär; war: bie Aufführung und durch dieſe erſte wie durch die folgenden Bow ſtelungen, nicht weniger durch das Gluͤch, weiches dieſes Wert durchaus machte, bie Darauf: geivendett Sergkait und Mühe, UPBIORENER a belohnt. -

De Berabrebung Sailer gemaß ein die: pertorium unferd Deutfchen Theaters nach und. nach zu bilden, verſuchte ih mich an Böh von Berlichin⸗ gen ohne dem Zweck ‚genug Ihun.zu koͤnnen. Dad Gtuͤck blieb immer zu lang, In zwei Schelle: gethebt war es unbequem, und der. fließenhe hiftorikche Seug Himberte : durchaus ein ſtationaͤres Intereſſe der Scenen, wie es auf dem Theater gefordert wird, Indeſſen war die Arbeit angefangen und vollenhet, aicht ohne Zeitverkuft und fonftige Usbilden.

Zn dieſenißeiten meldote ſich auchbel mir. Gecf

A.

189

Senwblo,: um die fuͤnfzig Earolin wieder zu empfen- gen, dke er vor einigen Fahren bei mir niedergelegt

hatte; fie. waren ald Preis ausgefegt für die befte. "

Auftöfung einer von ihm geftelltem Frage ,. bie ich genenwärtig ‚nicht mehr zu articuliren wüßte, bie aber auf seine. wunderliche Welle da hinaneging: wie ed ciymtliiy von ichen mit ber Budung der Menſchen und menſchlicherDeſellſchaft zugegangen ſey. Maw Hätte Taxen mögen, bie Antwort ſey in Herbord been und Tonkigen Schriften der Art fchon entbaften 'gewefen; auch haͤtte Herder in feinem früheren Vigor um: diefen Prets zu gewinnen wohl sch einmal zu einem faßlihen Resum6 jene Feder walten laffıen. .

Des gute wohldentende —— ber ſich's um die Auftlärung der Menfhen etwas wollte koſten laſſen, hatte fih von der liniverfität Jena eine Vor⸗ ſtellung gemacht, ald wenn es eine Akademie der Wiſſenſchaften wäre. Mon ihr ſollten die einge- Zommenen Arbeiten durchgefehen und beurtheilt werden. Wie fonderbar eine folche Forderung zu unfern Zuftänden paßte, iſt bald überfehen. In- deſſen befprah ih die Sahe mit Scillern weit: laͤufig, ſodann auch, mit Griesbach. Beide fanden die Aufgabe. alzumelt umgreifend und doch gemiffer- maßen undbeftimmt. In weſſen Namen follte fie ausgeihrieben, von wem follte fie beurtheilt wer- den, und welcher Behörde durfte man zumuthen,

- bie eingehenden Schriften, welche nicht anders als

*

490

umfänglih ſeyn konnten, ſelbſt von dem beſten Kopfe ausgearbeitet, durchzupruͤſen? Der Conflict zwiſchen den Anatoliern und Oekumeniern war da- mals lebhafter aid jetzt; man fing an ſich zu über: zeugen, daß das Menſchengeſchlecht überall. unter gewiſſen Staturbedingungen babe entfieben tönnen, und daß jede fo entſtehende Menſchenrace ſich ihre Sprache nah organiſchen Gefetzen habe: erfinden muͤſſen. Jene Frage nothigte nun aufı.klafe Aur fänge hinzudriagen. Entſchied man ſith fix eine Seite, fo konnteder Aufſatz keinen allgemeinen Bel: fall erwarten; ſchwanken zwifchen beiden war nicht ein Leichtes. Genug, nah vielen Hinz und Widerreden lieh ich Preid und Frage ruhen, und ylelleicht hatte unfer Mäcen in ber Zwiſchenzeit an- dere Gedanken gefaft, und glaubte fein Geld beſſer anwenden zu können, welches aus meiner Ber: wahrung und Verantwortung 108 zu werden für mic ein angenehmes Ereigniß war.

1805

Alfo ward auch dieſes Jahr mit ben beften Vor⸗ fäsen und Hoffnungen angefangen, und zumal De metrius umſtaͤndlich dfters beſprochen. Weit wir aber beide durch koͤrperliche Gebrechen oͤfters in den SHauptarbeiten geftört wurden, fo feßte Schiller die Uebertragung der Phadra, Ich die des

&

.

491

Mameau fort, wobei nicht elgne Production ver« langt, ſondern unfer Talent dur fremde, fchon vollendete Werke aufgebeitert und angeregt. wurde.

Ich ward bei meiner Arbeit aufgemuntert, ja genoͤthigt die Franzoͤſiſhe Literatur wieder vorzu⸗ nehmen, und zu Verftändniß des feltfamen, frechen

Buͤchleins manche, für und Deutſche wenigſtens,

völlig verſchollene Namen in charakteriſtiſchen Bil⸗

dern abermals zu beleben. Muſikaliſche Betrach⸗ tungen rief ich auch wieder hervor, obgleich dieſe mir fruͤher fo angenehme Beſchaͤftigung lange ge⸗ ſchwiegen hatte. Und fo benußte ich manche Stunde, die mir fonft in Leiden und Ungeduld verloren ges gangen wäre. Durch einen ſonderbar gluͤcklichen

Zufall traf zu gleicher Zeit ein Franzoſe hier ein,

Namens Terier, welcher fein Talent, Franzoͤ⸗

ſiſche Komödien mit abwechſelnder Stimme, wie

‚ihre Schaufpieler fie vortragen, munter und geift

reich vorzulefen, bei Hofe mehrere Abende hindurch

zu bewundern gab; mir befonders zu Genuß uad

Nutzen, da ih Molieren, den ich hoͤchlich ſchaͤtzte,

dem ich jährlich einige Zeit widmete, nm eine wohl

empfundene Verehrung Immer wieder zu prüfen und zu erneuen, nunmehr in lebendiger Stimme von einem Landsmann vernahm, der gleichfalld von einem fo großen Talente durchdrungen, mit mir in

Hochſchaͤtzung deſſelben darſtellend wetteiferte.

Schiller, durch den drevßigſten Januar gedrängt, arbeitete fleißig an Phaͤdra, die auch wirklich am

* 192

beſtimmten Tage aufgefuͤhrt ward, und hier am Orte wie nachher auswaͤrts bedeutenden Schauſpie⸗ lerinnen Gelegenheit gab ſich herrotzuthun und ihr Talent zu ſtelgern.

Indeſſen war ich durch zwey ſchrechaſte Vorfälle, Durch zwey Brände weiche in wenigen Abenden und Nächten binter einander entftanden, und wobei id jedesmal perföntich bedroht war, in mein Nebel, aus dem ich mich zu retten ftrebte, zurüdgeworfen. Schiller fähite fich von gleichen Banden umihlungen. Unfere perfönlihen Zuſammenkuͤnfte waren unter- brochen; wir wecfelten fliegende Blätter. Einige im Februar und März von Ihm gefhriebene zeugen noch von feinen Leiden, von Thätigleit, Ergebung und immer mehr ſchwindender Hoffnung. Anfangs May wagt’ ih mich aus, Ich fand ihn im Begriff ins Schaufptel zu gehen, wovon Ich Ihn nicht abhaf- ten wollte: ein Mißbehagen binderte mid ihn zu begleiten, und fo ſchieden wir vor feiner Hausthäre um uns niemals wieder zu ſehen. Bel dem Zu⸗ ftande meines Körpers: und Geiftes, die nun auf- recht zu bleiben aller eigenen Kraft bedurften, wagte niemand die Nachricht von feinem Scheiden In meine Einſamkeit zu bringen: Er war am Neunten ver: fhteden, und ic nun von allen meinen Uebeln dop⸗ pelt und brevfach angefallen. .

Als ich mich ermannt hatte, blickt' Ich nach einer entſchiedenen großen Thaͤtigkeit umher; mein erfter Gedanke warden Demetrius zu vollenden. Von

dem

193

dem Vorfatz an bis In bie letzte Zeit hatten wir der Yan öfters durchgeſprochen: Schiller mochte gern unter dem Arbeiten mit fi felbft und andern für und wider ftreiten, wie es zu machen wäre; er warb eben fo wenig muͤde fremde Meinungen zu verneh- men mie feine eigenen hik nid ber zu menden. Und fo Hatte:i alle feine Stikte, vom Wallenitein an, zur Seite begleitet; meiſtentheils friedlich und freundlich, ob ih gleih mandhmal, züuleßt wenn es zur Aufführung am, gewiſſe Dinge mit Heftig: feit beftritt‘, wobei denn endlich einer oder der an- dere nachzugeben für gut fand. Go hatte fein aus- und aufſtrebender Geiſt auch bie Darſtellung des Demetrius in viel zu großer Breite gebacht; ich war Zeuge wie er die Erpofition in einem Vorſpiel bald dem Wallenſteiniſchen, bald-dem Orleaniſchen aͤhnlich ausbilden wollte, wie er nach und nach ſich ins Engere 309 , die Hauptmomente zufammenfaßte, und bie und da zu arbeiten anfing. Indem Ihn ein Ereigniß vor bem andern anzog, hatte ich beiräthig und mitthätig eingewirft, das Stuͤck war mir fo lebendig als ihm. Nun brammt’ ich vor Begierde unfere Unterhaltung, dem Tode zu Truß, fortzu⸗ ſetzen, feine Gedanken, Anfichten und Abfichten bis ind Eimzelne zu bewahren, und ein herkoͤmmliches Zufemmenarbeiten bei Nedaction eigener und frem⸗ der Stüde hier zum leßtenmal auf ihrem hoͤchſten Gipfel zu zeigen. Sein Verluſt ſchien mir erſetzt,

Indem ich fein Dafenn fortfehte. u gemein:

Sees Werte, XXXI. Bd.

49-,

ſamen. Frennde hofft? ich gu, vorbindeng das Deutſche, Theater, für weiches. wir bisher gemeinſchaftlich⸗ er dichtend und. heſtimmend, ich beiehrend, uͤbend und ausfuͤhrend. gearbeitet „hatten. ſollte, bis zur Herankunft eines friſchan ahnlichen Geiſtea, durch ſeinen Abſchied nicht gantß Drama Fey .. Genie aller Euthuſſasmus ben Die. BWerzejfluug Area, großen Verluſt In und aufregt, hatto mich exgrußgen. Frel war.ich von aller. Arbeit, In. wanigan Menaten haͤtterich das Stuͤch vollendet. Ce aufellen Theatern, zugleich - gefplelt. zu ſehen, wire bie herrlichſee Tobtenfeper- geweien, bie: er ſelbſt ſich und dem... Freunden. bereiset hätten... Ich Ahlen mir, geſande ich ſchien mir gotroͤſtet. Nun aber ſetzten ſichder Aunotuͤhruug mancheglei Hindemiſſt entgegen, mit eiabger: Befoangabeik und Klacheit vielleicht: be⸗ feitigen, die ich aber Durch leidenſchaftlhhon Stursamın und · Verworrenheit nur noch vormehrte; eigenſinnig

und uͤbereilt gab: ich den Vorſatz auf, und ich dauf

nochajetzt niit am. den Huſtaud zdenkanu⸗ in welchone ich mich vorſetzt fuͤhlte. Naumoar mir. Schiller ei⸗ gentlich erſt entriffen. Fein. Umgang. eri::vorfagts. Meiner kuͤuſtleriſchen · ESinbildungsleaft wen warbeten.: fi mit dem Kotafall zu baſchaͤftigan, Semi ihm aufzurichten gedachte, der. Längen. als jener zu Meſe ſina, das Begraͤbniß uͤberdauarn ſollte; ſſe wandete ſich nun / und. folgte dem Leichnam in Ale Grufty die ihn gepraͤnglos eingeſchloſfen hatte. Nun finger: mir erſt an zu. verwefen; unleidlicher Schmerz ex⸗

195

griff mich, und, da mich -Lötpenliche. Leiden. von iage: licher Gefellfhaft trennten, fo-war ach In;tranwigiken: Einſamkeit befangen. Malus Tagebuͤchen melden nichts -von jenen. Zeit; dia weißen Blaͤtkar. deuten. auf den hohlan Zuuſtand, und. mad ſonſt nocha am Nachrichten ſichnfindet, zeugh nundaß Idea fenden Geſchaͤften ohne weitere Antheil zur Seite gings uud. mic. von ihnen leiten. eh, anſtatt fie: zu leiten. Wie-oft mußt, ich nachher im Laufe he: Zeit ſrill ‚bei mir. lächeln, wenn. theilnahmande Freunde Schillers Monument in Weimarwermißr- ten; mich wolkte: fort. und fort heduͤnken, als hätt“ ich ihm und anſerm Zuſammenſayn; das eaftemlichfken ftiftey. koͤnnen.

Die: Ueberfegung yon Rame au's Noffan mar nach durch Schillern; nach Leipzig: geſandt. Einige ges: ſchriebene Hefte. der: Facbenlehae erhlolt Ic nach ſeinem Tode zuruͤckt. Was er bei- angelttichenem Stellen einzuwenden gehabt, konnt‘. ich: mir in: ſei⸗ nem Siıyerdeuteng. und: ſo wirlte ſeins Freundſchaft vom. Tobtenreiche- aus; noch fort,, le die. meinige unter dig Lebendigen. ſich gehaunt ſah.

Die elnfame Chaͤtigkeit mußt ich nun,auf einen andern Gegenſtand werfen, Windelmaund Briefe; die wir, zugkemmen waren, veranlafiten mich üben - dieſen ‚herzlichen. Längfh vermißton, Mann au, denken⸗ und magic. Aber ihn. ſeit. ſo viel Jahren im: Geiſt und Gemuͤth herumoettagen ins Enge zu dringen, Manche Fraunde Be fam. fenger zu Deuraͤgen

6*2* | +? 2

. 496

aufgefordert, ja Schiller hatte vetſprochen nach ſel⸗ er Weiſe Theil zu nehmen.

Nun aber darfich ed wohl als die Farſorge eines gutgeſiunten Genius preiſen, daB ein vorzuͤglich ge⸗ ſchaͤtzter und verehrter Mann, mit dem ich fruͤher ar in den allgemeinen Verhaͤltniſſen eines gele⸗ gentlihen Driefwechfeld und Umgangs geſtanden, Äh mir näher anzufchließen Veranlaſſung fühlte, Profeſſor Wolf aus Halle bewährte feine Theil⸗ ‚nahme an Windelmann und dem was ich füt fein Andenken zu thun gedachte, durch Weberfendung eines Aufſatzes, der mir hoͤchlich willlommen war, . ob er ihn gleich für unbefriedigend erfiärte. Schon im März des Jahre hatte er fih bei uns angekuͤn⸗ Met, die fämmtlichen Weimarifchen Freunde freuten ſich ihn abermals in ihrem Kreife zu befigen, den er leider um ein edles Mitglied vermindert, und und alle in tiefer Herzenstrauer fand, ald er am 30 May in Weimar anlangte , begleitet von feiner jüngeren Tochter, die In allen Reizen der frifchen Zugend mit bem Frähling wettelferte. Ich konnte den werthen Mann 'gaftfreundiich anfnehmen und fo mit ihm höchft erfreulich beiehrende Stunden zu⸗ dringen. Da num ir. »Aneträulihem Verhaͤltniß jeder offen von demjenigen fprach, was Ihm zimaͤchſt am Herzen lag, fo that ſich ſehr bald die Differeng entſchieden hervor, die zwifhen ung beiben obwal- tete. Hier mar. a man anderer nr = diejenige,

”. NGC Yun w: welche mich mit Schiller anſtatt zu =

4197

gereinigte. - Schillers ideeller Tendenz konnte fid- meine reelle gar wohl nähern, und weil beide ver- einzelt Doch nicht zu ihrem Ziele gelangen, fo traten beide zuletzt in einem Tebendigen Sinne zufammen.-

Wolf dagegen hatte fein. ganzes Keben den fchrift- lichen teberlieferungen des Alterthums gewidmet, _ fie, infofern es möglih war, in Handſchriften, oder fonft in Ausgaben, genau unterfuht und ver- glichen. Sein durchdringender Gelft hatte fi der Eigenheiten ber verfchledenen Autoren, wie fie ſich nad) Orten und ‚Seiten ausſpricht, dergeftalt be⸗ maͤchtigt, fein Urtheil auf deu höchften Grab ge- ſchaͤrft, daß er in dem Unterſchied der Sprache und des Style zugleich den Unterfchleb des Geiſtes und des Sinnes zu entdeden wußte, und dieß vom Buchſtaben, von der Spibe hinauf bis zum rhyth⸗ mifhen ‚und proſaiſchen Wohlllang, von der einfahen Wortfügung bis zur mannichfaltigen Ver⸗ dechtung der Saͤhe.

War ed daher ein Wunder, daß ein ſo großes Talent, das mit ſolcher Sicherheit in dieſem Ele⸗ mente ſich erging, mit einer faſt magiſchen Ge— wandtheit Tugenden und Maͤngel zu erkennen und einem jeden feine Stelle ‚nach Laͤndern und Jahren anzuweiſen verſtand, und ſo im hoͤchſten Grade die Vergangenheit ſich vergegenwaͤrtigen konnte! War es alſo ein Wunder, daß ein ſolcher Mann dergleichen durchgreifende Bemühungen auf das hoͤchſte ſchaͤtzen und die daraus entſpringenden Re⸗

498 ſultate für einzig halten mußte! Genug, aus Tel- znen Unterhaltungen ging'hervor: er achte Das’ nur Einzigfuͤr geſchichtlich, Tür wahrhaft glaubwuͤrdig, ‚was durch geptäfte und zu prufende Schrift aus ver Morzeit zu und heruͤbergekommen fey.

Dagegen hatten die: Wehmatkfihen: Lreunde mit venſelben Ueberzeugungen einen andern Weg einge⸗ zſchlagen; bei leidenſchaftlicher Neigung fuͤr bndende Kunſtimußten ſie gar: bald gewahr werden, dab auch er idas Gefchichtilche fewohl der Grund eines jeden Artheils als einer pruktiſchen Nacheiferung werben

koͤnne. Sie Hatten! daher ſowohl alte als nenete Kunſtauf ihrem⸗ Lebenswege immer geſchichtlich gu vbetruchten ſtich gewoͤhnt, und glaubten auch von ihrer Seite ſich gar manches Merkmals bemaͤchtigt fu haben ; woran ſich Feit id’ Ste Melſtet mid Scha⸗ ler,eſpraͤngliches und Nachgeahmtes, Vorganger nd Nachfolger fuͤglich unterſchelden lkeßen.

Wenn unn im lebhafteſten Geſpraͤche Beide Arten die Vergangenheit ſſch zu "Vergegenwärtigen zur “Spräthe:tamen ,: fo daeften Die Weimarifchen Kunft⸗ zfreunde fih wohl gegen’ bew'treffiihen Mann In _ Worthell dunken/ da⸗ſie feinen ſtudten und Lalen⸗ iten volle Gerechtigleit wibetfahren ließen,“ khren BGeſchmack an dem ſeinigen ſcharften, ' mitThrein geiſtigen Vermoͤgen feinem Seiſte nachzubrkagen Spaten: und ſich alſo im hoͤheren Sinne anferbittich verelcherten. "Dagegen Ydngnete er hartnaͤckig bie

"Burdffätelt pres Verfahrens, und es faud ſich“ An

409 Wes ihn vom? Betzeutheil zu überzeugen! denn es

tſt ſchwer, jaumm dglkeh demjenigen der hithtans Liebe -

und Leidenſchaͤft ſich Avugend einet Betrachtung ge- widmet hat und dadurch auch nach und ˖ nach zur ge⸗ naueren Kenntniß und zur Wergleichungsfaͤhigkeit ‚gefangtift, auch nur eine Ahnung des zu unterſchei⸗ vdenden aufzuregen, well denn doch immer zuletzt In ſolchem Falle an Glauben, an Sıtrauen Anſpruch gemucht werben muß. "Wenn: wir ihm nun ſehr willig zupnben, daß einige Reden Cicero's, vor denen: wir den größten Reſpect hatten, weil ſie zu unferm wenigen Latein uns beßäfflich geweſen waren, fie fpdter untergeſchobenes Muchwerk und keines⸗ wegs fuͤr fonderliche Redemuſter gu achten feyen, fo wollte er uns dagegen keineswegs zugeben, daß man auch die uͤberbliebenen Bildwerke nach einer gewiffen RZeitfolge zwerfilhtlich ordnen koͤnne.

Ob> wir nun ·gleich gern einraͤnmten, daß auch hier manches problematkfch moͤchte liegen bleiben; wie denn ja auch der Schriftforſcher weder ſich ſelbſt “noch undere jederzeit völlig befrledigen werde: ſo “Sennten wir doch mtemäls von hm erfangen, daß er unferen’ Documenten gleiche Guͤltigkeit mit den -feinigen, unſerer durch Hebung erworbenen Sa⸗ garitaͤt gleihen Werth wie ber ſeinigen zugeftanden

"Hätte. : Aber chen mus diefem hartnärtfgen Conflict ging für und ber bedeutende Vortheil hervor, daß alle die Argumente Für und Wider auf das ent-

fſchiedenſte zur Sprache kamen, und es denn nicht

u

2300

fehlen konnte, daß jeder, Indem er den andern zus erleuchten trachtete,, bei ſich ſelbſt auch heller und klarer zu werben befttebt feyn mußte. .

Da nun allen diefen VBeltrebungen Wohlwollen, Neigung, Freundſchaft, wechfelfeitiges Beduͤrfniß zum Grunde lag, weil beide heile währender _

. Unterhaltung noch ‚Immer ein Unendliches von Kenut- niß und Beſtreben vor ſich ſahen, To herrfchte In der

ganzen Zeit eines Tängeren Zuſammenſeyns eine aufgereste Munterkeit, eine heftige Heiterkeit, die _ fein Stillſtehen duldete, und innerhalb deffelben Kreiſes Immer neue Unterhaltung fand.

Nun aber mußte, indem von der Altern Kunft- geſchichte die Nede war, ber Name Phidias oft ge- nug erwähnt werden, der fo gut der Welt als der

Kunſtgeſchichte angehört: denn was wäre die Welt

ohne Kunft? und fo ergab ſich's ganz natürlich, daß der beiden Koloflal-Köpfe der Diosfuren von Monte Cavallo als in Rudolſtadt befindlich gedacht wurbe. Der unglaubige Freund nahm hievon Gelegenheit

zu einer Spazierfahrt, ald Beweis des guten Wil⸗

tens fih ung zu nähern, allein, wie voraus zu fehen war, ohne fonderlichen Erfolg: denn er fand leider die beiden Rieſenkoͤpfe, für welche man bis jet keinen ſchicklichen Raum finden können, an der Erbe ftehen; ba denn nur dem liebevollſten Kenner ihre Trefflichfeit Hätte entgegen leuchten mögen, Indem jedes faßlihe Anfhauen Ihrer Vorzüge verfagt war. Wohl aufgenommen von dem dortigen Hofe ver:

201

guügte er fich in ben bedeutend ſchoͤnen Umgebun⸗ gen, und fo kam er, nach einem Beſuch in Schwarz- burg, mit feinen Begleiter, Freund Meyer, ver: gnuͤgt und bebaglih, aber nicht überzeugt zuruͤck.

Die Weimariſchen Kunftfreunde hatten fich bet dem Aufenthalt dieſes höchft werthen Mannes fo viel Fremdes zugeeignet, fo viel’ Eigenes aufgeklärt und geordnet, daß fle In mehr als Einem Sinne ſich gefördert finden mußten, und da nun ihr Gaft noch außerdem lebensluſtig als theilnehmender Geſell⸗ ſchafter fih erwies, fo war durch Ihn der ganze Kreis auf das fchönfte belebt, und auch er Lehrte mit hei: - terem Sinne und mit dringender Einladung zu einem baldigen Gegenbeſuch in EN wohlgemuth nach Hauſe zuruͤck.

Ich hatte daher die ſchoͤuſte DBeranlaffung aber: mals nach LZauchftäbt zu gehen, obgleich das Theater mich eigentlich nicht hinforberte. Das Repertorium enthielt fo manches bort noch nicht gefehene Gute - and Treffliche, fo daß wir mit dem anlodenden Worte zum erſtenmale gar manchen unferer Anfchläge zieren Tonnten. Möge bier den Freunden der Theatergefchichte zu Liebe die damalige Conſtel⸗ lation vorgeführt werden, womit wir in jener Sphäre zu glänzen fuchten, Als meiſtens neu, oder doch ſehr beilebt, erfchlenen au Trauer- und Helden- fpielen: Othello, Regulus, Wallenttein, Nathan der Weiſe, Goͤtz von Berlichin-

ö '

-

: 302

gon,Jungfrauu“v on Orleans, Johanna Bon Montfaucon. Ebenmaͤßlg Mirko man an Luſt⸗md Gofahtſpieten⸗ ſecgende vor: Lio ren z St Et, vbefchaͤmteEiferſucht, Mitſchul⸗— dige, Laune des Verliebten, die bei— den Klingsberge, Huſſiten und Pagen- ſtreiche. An. Singfplelen wurden vorgetragen: "Saalnire, Coſa Rara, Fauchon, Unter—⸗ brochenes Opferfeſt, Schatzgraͤber, So— liman dei Zwepte: zum Schlüſſe ſodann das Lied von ber Glöoͤcke, als ein werthes und wuͤr⸗ diges Andenken des verehrten Schiller, da einer beabſichtigten eigentlichen Feyer ſich mancherlei Hin⸗ derniſſe entgegenſtellten.

Bei einem kurzen Aufenthalt in Lauchſtaͤdt ſuchte ich daher vorzuͤglich dasjenige zu beſorgen was an WBaullchlekiten und :fonftigem: Lotalltaͤten, wicht we⸗ Nlger was it: dortigen Beamten⸗zu verabreden wiıb ufrſtguſtellen war, und begab mich ˖barauf nach Halle,

0 ich in⸗ dem Haufe meines Freundes die gaſt⸗ qhſte Aufnahme fand. Die vor kurzem abgebro⸗ 1xhene Waterhaltung ward lebhuft fortgeſetzt, und nach vleben⸗ Seiten hin erweitert: denn da Ich Wer den aunabtärfig: arbritenden Mann, mitten in feiner raͤgltchen, beſtiiumden, manchmal aufgenoͤthigten

LDhaͤtlgteit fund; ſo gab es taufend Gelegenheiten,

einen neuen Gegenſtand, "ine verwandte Materie, Uurgend eine Ins‘ Sehen eiugreifende Handlung zum

Kext geoliſtreicher Geſpraͤch⸗ aufzufaſſen, wobei denn

—8

| | |

203

der Tag and halben Mechte Rune: voraͤber singen, WE Bebentenden Neichthum zutuͤcklkeßen. Hatte: unn an khin diel Gegenwürt eines: un⸗

egeheuren Wifſens zu Wewnndern, ſo war ich doch

che neugterig zu vernehmen, wie eb’ das Einyelne an

Die Jugend miethoblſch aid‘ ekngaͤnglich uͤberlieſere. Jch horte daherndurch ſeine lkebensrrdige Töchter ‚geleitet, hiuter⸗ einer Tapeteuthure ſeinem Vottrag amehrmals zu,” wolich Wen ie was ich von ihm erwarten tonute In’ Bhaͤtigkeit Fund: Eine aus der Falle: der Kenutniß!hetvortretende ‚freie Ueberlle⸗ Aetung, aus gruͤndlichſtem Wiſſen mit Frelheit, Belt und Geſchmack fih uͤber Die Zuhoͤrer verbrei⸗ tende Mitthellung. Rare ter vlchen Verhartaifen ·und gZuſtaͤu⸗ Wden gewonnen, laßtſich micht Aberfehend mie ein⸗ flußrelch dieſe ehem Monate aufiemein Leben ge⸗ vwrſen; witd aderer wweſrandine Mm: algemeinen rtempftaden kbanen. * Hier«auf nun erweerteto mich im einen andetn erh vercharetfeade Belehrung.‘ Doctor Soaaltbegaun ſeine Votiſtngen An den Lrften · Ta⸗ zgen DEE aanſt/Nnnd Aihngefente mich zunen vlelen fich m I Veradtange nden Gutzoretn. Srilne Lrhre enußte Ilelch ſo wle ls boanat une anfiug, mir dem erſten Anblicke nach zufagen, "Ya wad ge⸗ x*wohnt daſ Gehirn or erleiden Anatomle rcher JR velvuchren ‚ana ſchott· dem Rugre bein Geheim⸗ Sp Bleibt, daß die verſchiedenen "Sinne als Zweige

2 204

bes Ruͤcenmarks ausflleßen und erſt einfach, einzeln zu erkennen, nach und nach aber ſchwerer zu beobach⸗ ten find, bis allmaͤhlich die angeſchwollene Maſſe Unterſchied und Urſprung voͤllig verbirgt. Da nun eben dieſe organiſche Operation ih -In allen Soſte⸗ men des Thiers von unten auf wiederholt und. fich ‚vom Greifiihen bis zum Unbemerkbaren ſteigert; fo war mir ber Hauptbegriff keineswegs fremd, und folte Gall, wie man vornahm, auch durch feinen Scharfblick verleitet zu Tehr- Ind Specifiſche ‚gehen, ſo hing es ja nur von uns ab, ein ſcheinbar pare- doxes Abſondern in ein faßlicher Allgemeines hin⸗ ‚über zu heben. Man konnte den Mord⸗, Raub⸗ und Diebſinn fo gut als die Kinder⸗, Freundes⸗ und Menſcheuliebe unter allgemeinere Rubrilen be⸗ greifen und: alſo gar: wohl gewiſſe Tendenzen weit bem Worwalten gewiſſer Organe in Beaug feben. Wer jedoch das Allgemeine zum Srumb.legt, wird fih nicht leicht einer Anzahl waͤnſchens werther Schä- ler. zu erfreuen.babens das Wefondere. hingegen zieht die Menſchen an und. mit Recht: denn das Leben iſt aufs Befondere angemiefen, und gar viele Mens ſchen khunen kn Einzelnen⸗ihr Leben fortſetzen ohne daß ſie ·nothig haͤtten weiter zu gehen als bie dahin, wo der Menfünueriant und. Ihren fünf —— vnu⸗ kommt. Beim Anfang ſeiner Vortrage brachte er einiges die Metamorphofe der -Bflanze Beruͤhrendes zur Sprache, fo daß ber- neben: mir ſitzende Sreunb

205

Loder mich mit einiger Verwunderung anfah; aber eigentlich "zu verwundern war ed, daß er, ob er sieih diefe Analogie gefühlt haben mußte, in ber Folge nicht wieder darduf zuruͤck Fam, ba doch diefe Idee gar wohl burch fein ganzes Geſchaͤft haͤtte wal⸗ ten koͤnnen.

Außer dlieſen oͤffentlichen/ vorzůslich ebaneblo⸗ sifchen Belehrungen entfältete er: privatim das Ge⸗ hirn ſelbſt vor unſern Augen, wodurch denn meine Theitnahme ſich ſteigerte. Denn das Gehirn bleibt Immer der Grund und daher das «Hauptaugenmerk, da es fich nicht nach der Hirnfchale, fondern diefe nach jenem zu richten bat, nmid zwar dergeftatt, daß die innere Diploe der’ Strnfihate vom Sehtrn felt- gehalten und an Ihre organffdhe Beſchraͤnkung ge- fefeitt wird; dagegen denn, bei genugſamem Bor: rath von Anochenmafte, Be dußere Lamina fich bis ing Monſtroſe zu erweitern und innerhalb fo viele Kam⸗ mern und Fächer auszubilden dad Mecht behauptet.

Galls Vortrag durfte man wohl als ben Sipfel versleichender Anatomie aneriennen, denn ob er gleich feine Lehre von’ dorther nicht ableitete und mehr von außen nad, innen verfuht, auch ſich mehr eine Belehrung als eine Ableitung zum Zweck vor- zufeßen fchten: fo ſtand doch alles mit dem Ruͤcken⸗ mark in folhem Bezug, daß dem Geiſt volllommene Freiheit blieb fih nad Teiner Art dieſe Geheimniſſe auszulegen. Auf alle Weiſe war die Galliſche Ent⸗ - faltung des Gehirns in einem Höheren Sinne als

4

206. ieng;in der: Samen hensahtacer, EU; ober ſegmentmaiſe venahen -Autginer Durch beſtiam⸗

ten Meſſerſchaatt. vom: gawiſſen sauter einander folz:

genden Theilen Anklick uud Remen, erhielt, ohne⸗ daß auf; iraend atwes atiter darana ua kp. an al gar: gewefen. Selbit die Bafis des Gehirns .. -diesiita: ſpraͤnge; der Verne blieben gtalkenatuhſſe, denen

ih; ſo eruſt mir oh, auch nich abgewinnen

konnte; waßhach atuch noch por Kurzem hie ſchoͤnen

Abbildungen vom, Rica d'Azur mich voͤllig in Mer

zweiflung geſetzt hatten.

Dostgt Gall wer indes Gebellichatt, die mich,

fg; ſreundlich .ankagnonmneu hatker.. glelchtals wik- eingeſchloſen, und „la fahen wir uns taͤglichfaſt⸗ ſtuͤndlich⸗ und das Gespräch hielt. ſich ammer in demn Kreiſe ſeinger bemundeunnswuͤrdigan Beobachtung; er ſcherzten über. uns alleund behauptete, mainem Stiru⸗ ban zufolge: ich⸗ Tonne den Mund nicht aufthun, ohng. einen Troptus augzuſprochen; worauf⸗ er mich denn freilich jeden Auganblick artappen konnte, Mein ganzes Weſen betrachtet, verſicherte er QMun eruſte lich, daß ich eigentlich zum Wollsxedner gehoren ſey. Dergleichen gab, nun au allexiei Ichershakten Bestie: gen, Gelegenhait, und⸗ ich moßte ed. gedteu.beilenn daß man ‚ch mit, Sarufgfogmag im Eineireite.in, fenemnheliebte.,

Nun miechte frellich / ſobche aehtiee Uprongmngn verllochten in gefaliges Wohlleben, meinem. koͤrnera

lichen. Zuſtaͤnden nieht eben zuſagen; es uͤberfiel. mich

207

gang uperfehend den Varomemuseineh herfäum: . lichen. Ugbehd;, das pon den Nieren ausgehandelichs von Seit zu Acit ducch kranlhafte Sumptame, ſchmerzz lich antaͤndigte. Es brachte miraiemal den Warn theil einen groͤßern Anvaherung an Becgrath Welle. weicher, ·als Art mich behandelnd mis gugleich als Prabtiker, ale denkendor, wohlaaſinuter um Altr.; ſchauendar Mann helaunt; mutda. Menſehrer dich. meinen Buftenb: angelegen ſepnließ/ danon aibt eln eigen haͤn diges Gutachten - Zeuguniß, welches vom 17 Septbr. dieſes Jahrs unter mainen Papieren noch. mit Achtung vermahrt wird.

Doctar Galls ferneren Unterrbeht. ſollte Sch: denn auch nicht wermkflen;. ax.batte die: Gefalligkelt, den Apparat jeder Vorleſnug quf⸗mein Zimmer zu ſchaf⸗ fen and. mir/ der. ichn durch mein Aebel an höheren Beſchauung und Batracktung nicht ‚gehindert Wie, ſehr auslangenda Kayminiß und Ueberſicht feinen Ueborzrugungen mitutrheilen

Daoctor Galh war: abgegaugen und beſuchte Goͤt⸗ tingen, wir aber warden. durch die Ausſicht eines eigenen Abenteners angaessa. , Dar waudeyliche, in manchem Siuampiste Daher durch ichan.hefennte. prablemetäfche Mann. Hofrath Melreid.-Ia Helm⸗ ſtaͤdn, war mir ſchon ſo oft geuammt ,.. feine Umge- bung, feimmerimärbiger Betz/ ſein onderbares Betragen, fo wie bad Geheimniß, das uͤber ˖allam biefenewaltete, hatte ſchan laͤugſt auf mich und meine Freunde beunruhigend gewirkt, nah man mußte ſich

208 -

ſchelten, daß man eine fo einzig merkwuͤrdige Per⸗ fönlichteit, Die auf eine frühere vorübergehende - Epoche hindeutete, nicht mit Augen gefehen, nicht im Umgang einigermaßen erforfht habe, Profeſſor Wolf war in demfelbigen Falle, und wir beichloffen, _ da wir den Mann zu Haufe wußten, eine Fahrt nach - ihm, der wie ein geheinmißveller Greif über außer⸗ ordentlichen und kaum denkbaren Schaͤtzen waltete. Mein humoriſtiſcher Nekfegefährte erlaubte gern, daß mein vierzehnjähriger Sohn Aüguft Theil an diefer Fahrt nehmen durfte, und diefes gerieth zur beften gefelligen Erheiterung; denn Indem ber tüchtige ges Ichrte Mann ben Knaben unausgeſetzt zu neden fich zum Geſchaͤft machte, fo durfte diefer bes Rechts der Nothwehr, welche denn auch, wenn fie gelingen fol, offenſiv verfahren muß, fich zu bedienen, und wie der Angreifende aud wohl manchmal die Graͤnze überfchreiten zu koͤnnen glauben; wobei fih denn wohl mitunter die wörtlihen.Medereyen in Kitzeln und Balgen zu allgemeiner Heiterkeit, obgleich im Wagen etwas unbequem, zu feigern pflegten. Run machten wir Halt-in Weruburg, mo der würbige Freund gewiſſe "Eigenheiten in Kauf und Tauſch nicht unterließ, welche der iunge loſe Wogel, auf alle Handlungen feines Gegners gefpannt, zu bes merken, hervorzuheben und zu befcherzen nicht er⸗ mangelte. Der eben ſo treffliche als wunderliche Mann Hatte auf alle Zoͤllner einen entſchledenen Haß gewor⸗ fen

209

fen und konnte ſie, ſelbſt wenn fie ruhig und mit Nachſicht verfahren, : ia wohl eben deßhalb, nicht ungehudelt laſſen, woraus denn unangenehme Bege- benhetten beinahe entftanden wären.

"De nun aber auch dergfeichen Abneigungen mıd "Cigenheiten uns in Magdeburg vom Befuch einiger verdienten: Männer abhielten, To befchäftigte ich

mich vorzüglih mit den Alterthümern des Doms, betrachtete die plafiifhen Monumente, vorzuͤglich "die Grabmaͤler. Ich fpreche nur von drey bronze- nen derfeiben, welche für drey Ersbtfchöfe von Mag- deburg errichtet waren. Adelbert II nad 1403 ſteif and ftarr, aber forgfältig und einigermaßen natär- Uch, unter Lebensgröße. Friedrich nach 1464 über Rebensgröße, natur - und kunſtgemaͤßer. Ernſt mit der Yahrzahl 1499, ein unſchaͤtzbares Denkmal von Veter Biſcher, das wenigen zu vergleichen iſt. Hieran Tonnte ich mich nicht genug erfreuen: denn wer einmal auf die Zunahme der Kunft, auf deren Abnahme, Ausweihen zur Seite, Ruͤckkehr in den rechten Weg, Herrſchaft einer Hauptepoche, Ein⸗ wirkung der "Subivtdnatitäten gerichtet, Aug und - Sinn darnach gebildet hat, der finder fein Zwiege⸗ "Tpräch belehrender und unterhaltender als das ſchweig⸗ fame in’ einer Folge von folhen Monumenten. Ich verzeichnete meine Bemerkungen fowohl zur Hebung als Erinnerung, und finde die Blätter noch mit Ver- anägen unter meinen Papieren; doch wuͤnſchte Ich nihts mehr In biefen Stunden, als a“ eine ge⸗ Soetpe?6 Werte. XXXI. ©,

.

310

naue Nachbildung, beſonders des herrlichen Viſcher⸗ ſchen Monuments vorhanden ſeyn möge. (Ift-fpd- terhin lobenswuͤrdig mitgetheilt worden.)

Stadt, Feſtung und, von den Waͤllen aus, die Umgegend ward mit Aufmerkſamkeit und Theilnahme betrachtet; beſonders verweilte mein Blick Lange auf der großen Baumgruppe, welche nicht allzufern bie Fläche zu zieren ehrwuͤrdig daſtand. Sie beſchat⸗ - tete Klofter Bergen, einen Ort, der mancherlet Erinnerungen aufrief. Dort hatte Wieland im allen eoncentrirten jugendlichen Bartgefühlen gewan⸗ delt, zu höherer Literarifhen Bildung den Grund gelegt; dort wirkte Abt Steinmetz in frommem Sinne, vielleicht einfeitig, doch redlich und Eräftig. Und wohl bedarf die Welt, in ihrer unfrommen Einſeitigkeit, auch ſolcher Licht: und Wärmequellen um nicht durchaus im egofftifhen Irrſaale zu erfrie- ren und zu verdurften.

Bei wiederholten Befuchen des Doms bemerk⸗ ten wir einen lebhaften Franzoſen in gelſtlicher Klei⸗ dung, der von dem Kuͤſter umher gefuͤhrt ſich mit feinen Gefaͤhrten ſehr laut unterhielt, indeſſen wir als Eingewohnte unſere ſtillen Zwecke verfolgten. Wir erfuhren, es fen der Abbe Gregoirez, und ob Ich gleich ſehr neugierig war mich Ihm zu nähern und eine Bekanntſchaft anzuknäpfen, fo wollte doch . mein Freund, aus Abneigung gegen den Galler, nicht einwilligen, und wir begnügten ung in einiger Serne befchäftigt fein Betragen genauer zu bemer:

ken und ſeine urthelle, bie er laut ausſprach, zw vernehmen... ..

Mir verfolgten. unſern Weg, und da ber ueber⸗ gang aus einer Flußregion in die andere immer der Hauptaugenmerk mein des Geognoſten war, fe fielen mir die Sandftelnhöhen auf, die nun, ſtatt nach der Elbe, nad) der Wefer hindeuteten. Helm⸗ ſtaͤdt ſelbſt liegt ganz freundlich, der Sand iſt dort, wo ein geringes Waſſer flleßt, durch Gaͤrten und ſonſt anmuthige Umgebung gebaͤndigt. Wer nicht gerade den Begriff einer lebhaften Deutſchen Akade⸗ mie mitbringt, der wird angenehm uͤberraſcht ſeyn, in einer ſolchen Lage eine ältere beſchraͤnkte Studien⸗

anſtalt zu finden, wo auf dem Fundament eines fruͤhern Kloſterweſens Lehrſtuͤhle fpäterer Art ger gründet worden, wo gute Pfründen einen behagli⸗ hen Sitz barbieten, wo altraͤumliche Gebäude ei⸗ ‚nem anftäudigen Haushalt, bedeutenden Bibliothe⸗ ‚Ten, anſehnlichen Cabinetten hinreichenden Platz gewaͤhren, und eine ſtille Thaͤtigkeit deſto emſiger ſchriftſtelleriſch wirken kann, als eine geringe Ver⸗ ſaqmmlung von Studirenden nicht jene Haft. der ueberlieferung fordert, die. und auf beſuchten Aka⸗ demien nur übertaubt.

Das Perſonal ber Lehrer war auf alle Weiſe be— deuten; ich darf nur die Namen Henke, Pott, Lihtenftein, Crell, Brown und Bredom ‚nennen, fo weiß jederman den damaligen. Cirkel zu ſchaͤtzen, in welchem die Reiſenden ſich befanden.

2f2 RXruubliche Gelehrſamtelt, willige Mitthellungen, durch Immer nachwachſende Jugend erhaltene Hei— rittit des Vmgangs, frohe Vehagllchkeit bei ern⸗ te end? Abeckmuͤßigen VBeſchüftigungen, »bas alles wirkte ſolſchon In’ eittander, wozu noch die Frauen nitwirkten, aͤltere durch guſtfteie Haͤuslichkeit, juͤn⸗ der Gattinnen mit Amuth, Ebchter in aller Ae⸗ venswurdigkeit, faͤmmtltch mir einer allgemeinen oeknzigen Famille anzugehoͤren ſcheinend. Eben die größen Raͤume altherkoͤmmlicher Haͤuſer erlaubten zJahlreiche Gaſtmahle und die beſuchteſten Feſte. Bei 'eihem derſelben zeigte ſich auch der Unter⸗ ſchled zwiſchen mir nid meinem Freunde. Am Ende einer reichlkchen Abendtafel hatte man uns beiden Soon ſchongeflochtene "range zugedacht; Ich hatte dem ſchdnen Kinde, Bas mit ihn vufſetzte, mit ’ei- ent tehhäft erwiberten Kuß gedankt und mich eitel genng gefreut, als ich in ihren Augen bas Bekennt⸗ shi zu teten fühlen, daß ich-ihr fo geſchmuͤckt nicht mißfalle. Indeſſen ſtraͤubte ſich mir gegenuͤber· der elgenfinnige Gaſt gegen feine kebenssmuthige Goͤnne⸗ rin gar widerſpenſtig, und wenn auch der Kranz un⸗ “fer ſolchem Ziehen und Zerren nicht ganz euntſteillt wurde, fo mußte doch das klebe Kind ſich einkger⸗ maßen vbeſchaͤmt zirůckztehen, daß fie ihn nicht los⸗ gewerden war. neber ſo' vieles Anmuthige Hätten wir nun faft "ben Zweck bergeffen Hiunen, ber ung eigentlich hle⸗ ber geführt Hatte: allein Beireis belebte durch

245 J

ſeine heitere Gegenwart: jebeg, Feſt. Nicht auge wohl und bewaglich gehaut, konnte man eben. Dig, Legenden ſeiner Fechterkuͤnſte gelten lagen; eine Aue: - glonhiich. hohe „und gewolbte Stirn, gatz in Mißtt nis der antern jeinfammen geſaaenen Theke. le, deutete auf; einen Mann von beſondern Geiſtos⸗ kraͤften, und, in ſo hohen Jahren Lonne et ſich fürn wahr. einer heſonders, muntsrv, und eungtheuchtlten⸗ Thaͤtigkeit erfrenen. |

In Belelfchaftenn., beſendars abey hei Tifcker- gab er feiner Galantaxie Die gan eigene Wenduna. daß er ſich als ehemgiager Verghrerx-der Miteca. al; jetziaer Fretzur der Fochter ader Nichto unge⸗ zungen. daxzuſtelen wußte; und; mandieh lich dies ſes oft. wiederhoitze Maͤhrchem gern gefallen... zwar niemand auf den Beſitz ſeiner Hand, wohl. aber mancher gern aufeigen Ayheil: at ſeinem Nachlaß Aufpruch gamacht haͤtt o

Ansemeldet wie wie, Waren, bot, er uns alle, aſtfreundſchaſtz ans. enasuyfuahne in ſein Han⸗ lehuton mein ab... Aankbae ber: lleßen wir uns einen

Roßen Theil des Sach bei Ahm anter ſeinta gab wuͤrdigleiten gefollen.

Gar manche open feinen fruͤhe ben ‚Befltingen, das ih ‚Den Mmsaen-unk Dom -ARnsne- na: noch; le⸗ hendig erhalten hatte, wer Inden: jaͤmmaplich ſtan Unſtaͤnden die Vanaanſoniſchar Automaten fanden, wir · durch ans paralyſire⸗ In einem alten. Garton⸗ hauſe IR: ber -Slätenspiehen in fehe: unlhelabsien

es

214-

Klekbern; aber er flötete nicht mehr, und Beirets zeigte die urfprüngliche Walge vor, deren erfte ein: fache Stuͤckchen Ihm nicht genügt hatten. Dagegen’ lleß er eine. zweyte Walze fehen, die er von jahre⸗ Tang im Haufe unterhaltenen Orgelkuͤuſtlern unter⸗ nehmen Ldifen, welche aber, da-jene zu fruͤh geſchte⸗ den, nicht vollendet noch an die Stelle geſetzt wer⸗ den können, weßhalb denn der Floͤtenſpreler gleich anfangs verfiummte. Die Ente, unbefiedert, ſtand als Gerippe da, fraß den Haber noch ganz munter, verdaute jedych nicht mehr: an allem ben warb er aber keinesweges irre, fondern ſpraͤch von dieſen „verafteten halbzerſtoͤrten Bingen mit ſoͤlchem Beha⸗ gen und fe wichtlgem Ausdruck, als wenn ſeit jenet Zeit die Höhere Mechauik nichts friſches Bedeutende⸗ res hervorgebracht haͤtte. To man In einem großen Saale, der Naturgeſchichte ge⸗ widmet, wurde gleichfalls die Bemetkung rege, daß Alles was ſich ſelbſt erhaͤlt, bei ihm gut aufgeho⸗ sen Ten; So zeigte er einen ſehr feinen: Magnet⸗ Kein vor, ber ein großes Gewlcht trus, ekien aͤchten Phrenlten vom Gap von groͤßter Schönheit," mb: gonftige Minerallen in vorzäglihen Evemtplafen. Aber eine In der Mitte des Saalt gedraͤngt ſte⸗ hende Reihe andgeftopfter' Vögel zerfielen unmittel⸗ Bar durch ‘Mottenfraß, fedap Gewuͤrm and Fedetn auf den Geſtellen ſelbſt anfgehäufl lager; er be⸗ merkte dieß auch und verſichorte, 68-fey'eite Kriege⸗ Alk: denn alle Motten des Hacfes zoͤgen hieher,

215

und die übrigen Zimmer biieben von biefem Ge⸗ ſchmeiße rein. In geordneter Folge kamen benn nah und nach die ſieben Wunder von Helmftädt zu Tage; die Lieberkfühnifchen Präparate, fo wie die Hahniſche Rechenmaſchine. Won jenen wurden ei: nige wirklich bewundernswuͤrdige Belfpiele vorgemie- fen, an dieſem complichtte Exempel einiger Species durchgeführt. Das magifche Orakel jedoch war vers fummt; Beireis hatte gefhworen, bie gehorfame Uhr nicht wieder aufzuziehn, die auf feine, des Entferntitehenden, Befehle bald ſtill hielt, bald fortging. Ein Officer, den man wegen Erzaͤhlung ſolcher Wunder Lügen geftraft, fey im Duell erfto- hen-worden, und feit der Seit habe er ſich feft vor- genommen, feine Bewunderer nie folher Gefahr wieder anszufehen, noch bie Ungläubigen zu fo Aber- ellten Sräuelthaten zu veranlaflen.

Nach dem bisher Erzählten darf man num wohl fih einige ‚Bemerkungen erlauben. Belreis im Jahre 1750 geboren fühlte ſich ale treffliher Kopf eines weit umfaflenden Wilfeng fähig und zu viel⸗ feitiger Ausübung geſchiẽet. Den Anregungen fel- ner Zeit zufolge ‚bildete er fih zum Polyhiſtor, feine Thätigkeit widmete er ber Heilkunde, aber det dem gluͤcklichſten alles‘ feſthaltenden Gedächtnig konnte er ſich anmaßen, In den fämmtlichen Facultd- ten zu. Haufe zu ſeyn, jeden Lehrftuhl mit Ehre zu betreten. Seine Unterſchrift in meines a Stammbuch lautet folgendermaßen:

‘216.

GODOFREDUS CHURISTOPHORUS BBIREIS. Primarius Professor Medicinae, Chemiae, Chi- rurgiae, Pharmaceutices, Physiees, Botanices

et reliquae Historiae naturalis. Helmstadii a. d. XVII Augusti MDce66v.

Aus dem bisher Vorgezeigtan je doch ließ ſich ein⸗ ſehen, daß feine Sammlungen, dem naturhiſtori⸗ ſchen Theile yach, einen eigentlichen Zwec haben konnten, daß hingegen dad, worauf er den meiſten Werth legte, eigentlich Curioſitaͤten waren, die durch : den hohen Kaufpreis Aufmerkſamkelt und Bewus« derumy erregen follten; wobei denn nicht vergeffen, wurde, daß bei Anlaufücheiten Kaiſer und Könige: : überboten worden.

Dem fep nun wie ihm ler anfehniie Sum⸗ men mußten ihm zu Gebote ſtehn; denn or hatte, wie man wohl bemerken kounte, eben fo fehr eine. gelegene Zeit zu ſolchen ˖ Ankaͤufen 'abgemartet, ale auch mehr denn -andere- vieleicht. fie ſogleich zahe lungsfaͤhig erwielen, Obgenannte Gegenſtaͤnde zeigte er zwar mit Autheil und Behagen umſtaͤndlich vor, allein · die Freude daran ſchien ſelbſt gewiſſermaßen nur hiſtoriſch gu ſeyng mo er ſich aber lebhaft, Idie- doeufchaftlich aͤberre dend und zudringlich bewies, wen bei Vorzeigen feiner Gemaͤhlde, ſeiner neneſten Lieb⸗ haberey, in die er ſich ohne die mindeſte Kenntaiße eingelaſſen hatte. Bis ins Unbesreifliche ging. der Grad, womit er ſich hieruͤber getaͤuſcht Hatte, oder und zu taͤuſchen ſuchte, da er denn dach auch ver als

217

len Dingen gewiſſe Curioſa vorguftellen. pflegt. Hier. war ein Chriftus, bei deifen Aublick ein Göttinger

Profeſſor in den bitterften Thraͤnenguß ſollte ausge⸗

brochen ſeyn, ſogleich darauf ein von einer Englifchen

Dogge angebelltes natürlich genug gemahltes Brot

anf dem Tiſche der Juͤnger zu Emaus, ein anderes aus dem Feuer wunberwärbig geretteteg Heligenbild und was bergleihen mehr feyn wochte.

Die Art feine Bilder vorzumelfen war feltfam genug, und ſchlengewiffetmaßen abfichtitchz fie Kine gen naͤmlich nicht. etwa anıben hellen breiten Lade den feiner vbevew: Stockwerke wollgenteßbur nebene- einander, fie: ſtanden vbelmchr in’ ſeireen Schlafzim⸗ mer uns das große Thronhimmelbette aw Deu Gane den geſchichtet ᷣberetnanber, von wo er, alle. Huͤlf⸗ leiſtung ablehnendb, fie ſelbſt horholde unddahin taten: bee zuruͤckbrachte. Eiunlges bitch’ tu dem Zimmer . um die Beſchauer hetrumgeftellt, immret engerrund:

enger z0g?fich ber Kreis zuſammon, ſo daß freilich bie Ungeduld unferes Melſegefaͤhrten allzuſtark er⸗ regt, pls: auebrache und fein . @ntfernen vous: anlaßte.

Es war mir wirtikh augrnehm, denn ſolcht Quaui len der Unvernunft ertragen ſich ˖lelchter ullein ie: in Goſellſchaft eines. einfichtigen. Freundes, wo man bet geftelgertem : Unwillen :jeden. Augenblid einen Ausbruch von; einer. oder der andern m befuͤrch⸗

ten muß.

Und wirklich mar es q.· u ſlaci, was Beireis

ı

218

ſeinen Gaͤſten zumuthete; er wußte ſich naͤmlich da⸗ mit am meiſten, daß er von den groͤßten namhaften Kuͤnſtlern drey Stuͤcke beſitze, yon der erſten, zwey- ten und letzten Manier, und wie er fie vorſtellte und vortrug, war jede Art von Faffung, die dem Menfhen zu Gebot ftehen fol, kaum hinreichend, denn die Ecene war lächerlich und ärgerlich beleidi⸗ gend und wahnſinnig zugleich.

Die erſten Lehrlingsproben eines Rafael, Ti⸗— zian, Carracci, Correggio, Dominichin, Guido und von wen nicht ſonſt waren nichts wei⸗ ter als ſchwache, von maͤßigen Kuͤnſtlern gefertigte, auch wohl copirte Bilder. Hier verlangte er num jederzeit Nachſicht gegen dergleichen Anfaͤnge, ruͤhmte aber mit Bewunderung in den folgenden die außer⸗ ordentlichſten Fortſchritte. Unter ſolchen ber zwep⸗ ten Epoche zugeſchriebenen fand ſich wohl manches Gute, aber von dem Namen, dem ed zugeeignet worden, ſowohl dem Talent als der Zeit nach him⸗

melweit entfernt. Eben fo verhielt es ſich mit den

letzten, wo denn auch die Teerften Phrafen, deren an⸗ maßliche Unkenner ſich bebienen,. gar wohlsefaͤllig vom Munde floſſen.

Zum Beweis der Aechtheit ſolcher und anderer Bilder zeigte er die Auctions Katalogen vor, und freute fich der gedruckten Kobpreifung jeder von ihm erftandenen Nummer. Darunter befanden ſich zwar aͤchte aber ſtark reftaurirte Originale; genug, am ir⸗

219°

gend eine Art von Kritik war bei biefem fonft were then und würdigen Mamne gar nicht zu denken.

Hatte man mini die meiſte Zeit alle Geduld und Zuruͤchaltung wöthlg, ‘To ward man denn doch mit⸗ unter dutch den wolue kee gucher Bilder getroͤſtet und delohnt· a ee

nſchatz bar Arbrecht —— vor⸗ trait, Von ihm ſelbſt zemahlt mit der Jahrzahl 1493, alſo in ſeinem zwey und zwanzigſten Jahre, halbe Lebensgtoͤße, Bruftſtuͤck, zwey Hände, die Ellenbo⸗ gen abgeſtutzt, purpurrothes Muͤtzchen mit kurzen ſchmalen Neſtein, Hals blo unter die Säfäffelbeine bloß/ am Hembe geftidter Obkrſaum, die Falten der Aermel mit pfirſichrothen Bänbern witerbunden; Mangraner mit gelben Schnürer verbraͤmter ueber⸗ wurf, wle Nic ein feiner Juͤngling gar zierlich her⸗ ausgeputzt haͤtte, in der Hand bedeutſam ein blau⸗ blahendes Erynglum, im Deutſchen Mannstreue genannt,‘ ein ernfted- Yangiingsgefiht, feimende Barthaurr wi Mund und Riem, das Ganze herr⸗

uqhgezrichnet, veich andꝰ unſchuldig, harmoniſch in ſeinen Thesen, von ber! hoͤchſten Ausfüͤhrnng, ventonimen Duͤrers wuͤrbig, obgleich mit ſeht duͤn⸗

J ner Farbe gemadhlt, die ſich an einigen Stellen zuſam⸗

mengezogen hatte.

Dieſes yreiswärbige, durchaus unfätbate Bi, ya wahrer Kunſtfreund Im goldenem Rahmen eiagefaßt um godnſren Schraͤnkchen aufbewahrtboat ie, ließ er dos auf ein dannes Bret gemahlte,

299:

ohne.irgend einen: Rahmen und MWerwahnungs. Je⸗ den Augenblick fih zu ſpalten drohend, ward es unporſichtiger als jedes. andare hexvorgeholt, auf=

und. wieder beh Seite geſtelltvicht weniges dier dringende Thelinghme des Ballet, ‚bie 4 Sch nung und Sicherung eines ſolchen Kleſnade Aehe te, gleichsuͤltig ghasichuts en Ichlem ſich pie of⸗

rath Buͤttner. In- einem Bee genfinnig zu: gefalleg.:

Ferner gedenl ich eines geihtoigh frei gemablteu Bildes. von Rubens, laͤugliſch,nicht allzuaroß, wie er fie fuͤp/ſolche nausgefaͤhrte Staen Ugbte. Eine Hoͤckenfrau figemd ta der Fuͤlle eines mohlvaz-- ſorgten Gemuͤskrams, Kohlhaͤupten und Salat. alex. Arten, Wurzeln, Zwiebelus allen. ‚Farben yud- Ges falten; ſie aͤſt eben: im Handel mitz einer ſtattlichan Buͤrgersfrau begriffen/ dexenbehaglicho Wuͤrde ſich gar aut ausnimmt neben dem ruhig anbletenden es ; ſen der Werkaͤuferin,hinter welcher zein Knahe, fo: eben. im Begriff. inlgaſ Obſtzu fichlenn vone hhrere Magdanit olnem nvorgeſe henen Achlag bedroht wird An der andern Gpite, hiuter der augeiehenen Maͤr⸗ gerafrau, ſieht man dbre Magdeeinen wohlsafiocheee nen, mit Markteaanen ſchan einigermoßen venſehen nen Korb tragen, aber auch fie iſt nicht mäßige. Her blict nad onen Bunichen: und ſeheint deſſen Finger: seis- mie: einem cfreunbäiken: Mlick zwi: erwähetund Mefler ;- gelacht: und ausifiarkaftar ceigeählueh: mar niche leicſs EEE zu ſcuen Fr

2241 unere jaͤhrlichen Ausſtetltangen abzuſchließen feftge⸗ ſtellt fo wuͤrben wir dieſen Gegenſtand, wie er hier Seſchrieben!iſt, als Prekſsaufgabe geſetzt haben, wm die Kaͤnſtler kennen ˖zu lernen, bie, von ber aͤber⸗ handnehmenden Verirrung auf Soldgrund noch un⸗ angeſtkeckt, insd derbe friſche Leben Blick und Talent zu wenden geneigt waͤren.

Zn unſtgeſchkchtikchen Sinne Inte denn auch Belreis, bei Aufhebung der Kloͤſter, mehr als Ein bedentendes Bid gewonnen; ich betrachtete fie-mit

Auctheil unb bemerkte manches in mein Taſchenbuch. Hier find' ich mım verzgeichnet, daß außer dem erſten vorgewieſenen, welches für Acht Byzantiniſch zu hal⸗ tem wäre, die Abrigen alle ins funfzehnte, vielleicht Ans fechzehnte Jahrhandert fallen möchten. Zu el- ner genaneren Wuͤrbigung mangelte es mir an durch⸗ - geeffender' Kenntuiß und bei einigem was ich allen⸗ tags noch Witte näher: beſtimmen Tönnen, brachte mich Deitrehmung ‚und Nomenklatur unferes wun⸗

derltchen Sammlers Schritt oe Schritt aus der

Richte.

Denn er wollte nunein⸗fuͤr allemal, wie per⸗ aſonlich · ſo auch Ir feinen: Beſſtyemgen, einzig fedn, ah wie er jenes erſte Brzautidiſche Stuͤck dem vber⸗ ten Jahrhundert zufchrieb, Teinles er ferner eine ununterbrochene Reihe aus dem fünften, ſechs⸗ :ten u; f. wetbis ins funfzehnte mit einer Stcherheit and Ueberzeugung vor, daß einem bie Gedanken ver⸗ singen, wie es zu geſchehen pflegt, wenn und das

222

handgreiflich Unmahre, ats etwas bas:fich von ſelbſt verſteht, zutraulich vorgeſprochen wird, wo man denn

. weder ben Seilbftbetrug noch die, Unverſchaͤmtheit im ſolchem Grade für moͤglich Bil.

Ein ſolches Beſchauen und-Betrachten ward le dann durch feſtliche Gaſtmahle gar angenehm unter⸗ brochen. Hier ſpielte der ſeltſame Mann ſeine ju— gendliche Rolle mit Behagen fort, er ſcherzte mit

den Müttern, als: wenn fie ihm auch wohl fruͤher . hätten geneigt feyn mögen, mit den Töchtern, als wenn er im Begriff märe ihnen feine Hand anzubie= ‚ten. Niemand erwiberte bergleihen Aeußerungen und Anträge mit irgend einem Befremden, feibft bie geiftreihen männlichen Glieder der Geſellſchaft behandelten feine Chorheiten mit einiger Achtung, und aus allem ging hervor, daß fein Haus, feine Natur- und Kunftihäge, feine Baarſchaften unb - Sapitalien, fein Reihthum, wirklich oder durch Großthun geſteigert, vielen Ind Auge ſtach, weß⸗ halb denn die. Achtung für ſeine Verdienſte auch ſei⸗ nen Seltſamkeiten das Wort zu reden ſchien.

Und gewiß es war niemand geſchickter und ge-

wandter Erbſchleicherey zu erzeugen als er, ja es ſchien Maxime zu ſepn, ſich dadurch eine nene kuͤnſt⸗ liche Famille und. dir unftomme einee Anzahl Menſchen su verſchaffen.

In ſeinem Schlafzimmer hing —* Vud eines jungen Manned,: von der Art wie.mau bunberte fieht, nicht anggezeichnet, weder anziehend nach ab-

223

ftoßend; dieſen ließ er feine Säfte gewöhnlich be- fhauen und bejammerte dabei dad Ereigniß, daß diefer junge Mann, an dem er vieles gewendet, dem er fein ganzes Vermögen zugedacht, fi) gegen ihn untreu und undenkbar beiwiefen, daß er ihn habe müffen fahren laffen und nun vergebens nach einem zweyten fih umfehe, mit dem er ein gleiches und gluͤcklicheres Verhaͤltniß anknüpfen könne.

In dieſem Vortrag war irgend etwas Schelmi- ſches; denn wie jeder bei Exrblidung eines Lotterie= plans das große Loos auf fich bezieht, fo ſchlen auch jebem Zuhörer, wenigftens in dem Augenblick, ein Hoffnungsgeftiru zu leuchten; ja ich babe kluge Men- ſchen gelannt, die fich eine Zeit lang von diefem Irr⸗ licht nachziehen Tiefen.

Den größten Theil bes Tages brachten wir bei ihm zu, und Abends bewirthete er und auf Chineſi⸗ ſchem Porcellan und Silber mit fetter Schafmilch, bie er als hoͤchſt geſunde Nahrung pries und auf- nöthigte. Hatte man biefer ungewohnten Speife erft einigen Geſchmack abgewonnen, fo iſt nicht zu läugnen, daß man fie gern genoß, und fie auch woͤhl als gefund anfprechen durfte.

‚Und fo beſah man denn auch feine aͤltern Samm⸗ lungen, zu deren glädtihem Beiſchaffen hiſtoriſche Kenntniß genuͤgt, ohne Geſchmack zu verlangen. Die goldenen Münzen Roͤmiſcher Kalfer und ihrer Familien hatte er aufs vollftändigfte sufanmenge- bracht, welches er durch die Katalogen bes Parifer

2

und Gothalſchen Sablinets eifrig zu belegen und da⸗

bei zugleich ſein Uebergewicht durch mehrere dort fehlende Exemplare zu bezeugen wußte. Was jedoch

an diefer Sammlung am hoͤchſten zu "bewundern, war die Volllommenheit der Abdruͤcke, welche ſaͤmmt⸗ Ach als kaͤmen fie aus der Münze vorlagen. Dieſe Bemerkung nahm er wohl auf, ımd verficherte, daß

er die einzelnen erſt nach and nach eingetaufcht und -mit-fehmwerer Zubuße gufeht erhatten und Doch noch immer vor Bluͤck zu fagen babe.

- Beachte nun- der geſchaͤftige Befiher aus einem nebenſtehenden Schrank neue "Schieber zum An⸗ ſchauen, fo warb man fogtelch der Zeit und dem Ort nach anders wohln verſetzt. Sehr ſchoͤne Silbermuͤn⸗

zen Griechiſcher Staͤdte lagen vor, die, weil fie lange genug in feunchter verſchloſſener Luft aufbewahrt wor⸗ . den, - dble-wohlerhaftenen- Gepraͤge mit einem blaͤu⸗ Aichen Anhauch darmiefen. Eben fo wenig fehlte es ſodann an goldenen Mofenobfen, paͤpſtlichen diteren "Münzen, an Bractenten, verfänglichen fatyrifchen »Geprägen und was man nur merkwuͤrdig Seltfames vei einer fo zahlreichen althertommtichen Sammlung

ermarten konnte. nun war aber weht zu laͤngnen, daß er tn die⸗ {em Fache unterrichtet und In gewiſſem Sinne ein Kenner war: denn er hatte ja fchom in früheren Jah⸗ ‚ven eine kleine Abhandlung, wie aͤchte und falſche Maͤnzen zu unterſcheiden ſeyen, heransgegeben. Indeſſen ſcheint er auch Her wie in andern Dingen fih

285

fo vinige Wifſtuͤr vorbehalten zu haben, dent er behauptete, ‚Iartnädig und Aber «Be Muͤnzkeuner triumphirend: die goldnen Lyfimachen feyen durch⸗ u fafch, und behandelte deßhalb einige vorllegende ſhoͤne Exemplare hoͤchſt veraͤchtlich. Auch dieſes AUeßen wir, wie manches andere, hingehen und er⸗ sösten und mit Belehrung an biefen wirklich felte- wen Schäden. Neben alten diefen Merkwuͤrdigkeiten, zwiſchen fo vieler Zeit, bie und Beireis wibmete, trat im⸗ mer sugleich feine aͤrztliche Thaͤtigkeit hervor; bald war er Morgens früh ſchon vom Laube, wo er eine Baueroftau entbunden, zuruͤckgelehrt, bald Hatten tg verwicelte Eonfaltationen beichäftigt und feft- gehalton. Wie er nun aber zu ſolchen Geſchaften Tag und Nacht bereit ſeyn könne, und fie doch mit immer glehiger aͤußerer Würde zu vollbringen im Stande Sey, machte er auf feine Friſur aufmerkſam; er trug admlich rolenartige Locken, laͤnglich, mit Nubeln geſteckt, feſt gepicht Aber beiben Ohren. Das Vor⸗ Deshaupt war: mit einem Toupee gefhmädt, alles feſt, glatt und tächtig gepubert. Auf diefe Meike, fagte er, laſſe er fih ale Abend frifiren, lege fi, "die Haare feftgebunden, zw Bette, und weihe Stunde er denn auch zu einem Kranlen gerufen werde, erſcheine er doch fo anftäubig, eben als wie er in, jede Geſellſchaft komme. Und es iſt wahr, man ſah Ihn in feiner hellblaugrauen vollftändigen Seethe's Werte. XXXI. 9». 45

226

Steldung, in ſchwarzen Strämpfen und Schuber mit großen Schnallen, überall ein- wie dad an⸗ . deremal. ' i ' Während folcher belebten Unterhaltung und fort- dauernder Serftreuung hatte er eigentlich von un⸗ glaublihen Dingen noch wenig vorgebracht; allein in der Zolge tonnte er nicht ganz unterlaffen die Li⸗ taney feiner Legenden nach und nad mitzuthellen. Als er und nun eines Tags mit einem ganz wohl⸗ ‚beftellten Saftmahle bewirtbete, fo mußte man eine reihlihe Schuͤſſel befonders großer Krebſe in einer fo bach⸗- und waflerarmen Gegend höchft merkwuͤrdig finden; worauf ET denn verfiherte, fein Fiſchkaſten dürfe niemals ohne dergleihen Vorrath gefunden werden; er fey dieſen Geſchoͤpfen fo viel ſchuldig, er achte den Genuß derfelben für fo hellſam, daß er fie nicht nur ale ſchmackhaftes Gericht für werthe Säfte, fondern als das wirkfamfte Arzeneimittel in Außerften Fällen immerfort bereit halte. - Run aber ſchritt er zu einigen geheimnißvollen Einleitungen, er fprach von gänzliher Erſchoͤpfung, Indie er ſich durch ununterbrochene hoͤchſt wichtige, «aber auch höchft gefaͤhrliche Arbeit verſetzt geſehen, und wollte dadurch den fhwierigen Proceß der hoͤchſten Wiſſen⸗ ſchaft verſtanden wiſſen. In einem ſolchen Zuſtande habe er nun ohne Be⸗ wußtfeyn, in legten Zügen, hoffnungslos dagelegen, als ein junger ihm herzlich verbundener Schuͤler and Waͤrter, Durch inſpirationsmaͤßigen Inſtinct au⸗

227.

getrieben, eine Schüffel großer gefottener Krebſe feinem Herrn und Meiſter dargebracht und davon genugſam zu fich zunehmen genöthigt; worauf denn diefer wunberfam Ind Leben zuruͤckgekehrt, und die hohe Verehrung für biefes Gericht behalten habe, Schalkhafte Freunde behaupteten, Beireis habe fonft auch wohl gelegentlich zu verftchen gegeben, er wüßte, durch bag Univerfale, ausgefuchte May⸗ täfer in junge Krebfe zu verwandeln, die er denn auch nachher durch befondere fpagirifhe Nahrung zu merfwürbiger Größe beraufzufüttern verfiehe. Wie hielten dieß wie billig für eine im Geiſt und Ge⸗ fchmad des alten Wundertbäterd erfundene Legende, _ dergleichen mehr auf feine Rechnung herumgehen, und die er, wie ja wohl Tafchenfpieler und fonftige Thaumaturgen auch gerathen finden, keineswegs abzuläugnen geneigt war.

Hofrath Beireiſens aͤrztliches Anſehen war im der ganzen Gegend wohl gegründet, wie ihn denn auch die grafiih Veltheimiſche Familie zu Harbke als Hausarzt wiltommen hieß, in die er und daher einzuführen fich ſogleich geneigt erklärte. Angemel⸗ det traten wir dort ein, ftattlihe Wirthſchaftsge⸗ baͤude bildeten vor dem hohen aͤltlichen Schloffe ei⸗ nen geräumigen Gutshof. Der Graf hieß und will⸗ tommen und freute fih an mir einen alten Freund feines Vaters kennen zu Ternen, benn mit biefem hatte ung andere durch mehrere Fahre das Studium des Bergweſens verbunden, nur daß er verfuchte,

“228

Jene Naturlenntniſſe au Aufllaͤrung xroblematiſcher ‚Stellen alter Autoren zu benutzen. Mochte man ihm bei dieſem Geſchaͤft auch allzugroßer Kuͤhnheit beſchuldigon, fo konnte mau aͤhm einen geiſtreichan Gegen den Garten Hin mar das alterthuͤmlich⸗ aufgeſchmuͤcte anſe hnliche Schloß vorzuͤglich ſchoͤn ‚gelegen. Unmittelbar aus demſelben trat man auf ebene reinliche Flaͤchen, woran fish ſauft aufſteigende, son Buͤſchen und Blumen uͤberſchattete Huͤgel an⸗ ſchloſſen. Bequeme Wege führten ſodann anfwaͤrts ‚zu heiteren Ausſichten ‚gegen benachbarte Höhen, and man ward mit Dam meiten Umkreis der Herr⸗ ſchaft, befonders auch mit den wohlbeſtandenen Waͤldern, immer mehr bekannt. Den Sraßnater des Grafen hatte vor funfzig Jahren die Forſtcultur ernſtlich befchiftigt, wobei erbeun Mordamericaniſche Sewaͤchſe ber Deutſchen Landes art anzueignen trach⸗ tete. Wan, führte man ung in einen wohlbeſtande⸗ on Wald von Weypmonths⸗Klefern, anſehnlich ſtark und hoch gewachſen, In deren ſtattlichen Be⸗ ‚set wir ung, wie ſonſt in ben Forſten des Thaͤrin⸗ ger Waldes, auf Moos gelagert an einam guten Fruͤhſtuͤck enauidten, und beſonders an ber zegal- mäßigen Pflanzung ergoͤtzten. Denn dieſer großvaͤ⸗ geriiche Forſt zeigte aoch bie Wſichtlichkeit der er⸗ ſten Anlage, Indem die ſaͤmmtlichen Baͤume reihen⸗ Mois geſtellt ſich überall Ind Gevierte fehen Lehen. Eben fo lonnte man In jeder Eorttabtheitung bei-ie-

299"

ber Baumzattung die Abſicht des vorſergenden Ahu⸗ herrn gar deurlich wahrnehmen.

Die imige Gruͤfta, fo eben ihrer Entbludung mıhe, belleb leiber unſtchtber, da wie von ihrer ge- raͤhmten Schoͤnhrit ſelbſt doch gern Zeugniß abgelegt bitten: Judeſſen wußken wir uns mit ihrer Frau Mutter, einer verwittibten Fran von Lauterbach aus Frankfirrt am Mayn, von alter Relchſtaͤdtſſchen Familienverhaͤltniſſen angenehm zw unterhalten.

Die beſte Bewttthung, ber anmıuthlnfte iftkt- gang, beichrendes Geſpraͤch, worin und nach und‘ nach die Vortheile einer fo großen Befttzung im Ein: zelnen deutliher wurden, befonbers da hier ſoviel für bie Unkerthanen gefhelfen war, erregten den ſtilleir Wunſch laͤnger zu verwellen, dem denn eine- fteundlich dringenbe Einladung unverhofft- entgegen kam: Aber ımfer theurer Gefaͤhrte, der fuͤttreff⸗ Ihe, ber hier für feine Neigung Feine Un⸗ terhaltä fand und defto cher und heftiger von fel- ner gewoͤhnlichen Ungeduld ergriffen warb, verlangte ſo Dringend: wieder in ’Helmftädt gu. ſeyn, daß wir mis entfchlleßen müßten, aus einem fo angenehmen: Keelfe zu ſcheiden; doch ſollte fich bet unferer Treue many noch ein wechſelſeitiges Verhaͤlraiß entwittelh. Der freundliche Wirth verehtte aus ſeinen foſſilen Shäsen einen koͤſtlichen Enkriniten meinem: Sohn, md: wir glaubten kaum etwas Gleichgefaͤlliges erwi⸗ dern zu koͤnnen, als ein forſtmuaͤnniſches Problem zur Sprache kam. Im Ettersderg naͤmlich bei Wei⸗

250.

mar folle, nach Ausweis eines beliebten Journals, eine Buche gefunden werden, weiche fih An Geſtalt und fonftigen Eigenſchaften offenbar der Eiche nd- here. Der Graf, mit angeerbter Neigung zur Forſt⸗ cultur, wuͤnſchte davan ‚eingelegte Zweige und was fonft noch zu genauerer Kenntniß beitragen Tonne, befonders aber wormöglich einige lebendige Pflanzen. In der Folge waren wir fo gluͤcklich dieß Gewuͤnſchte zu verfhaffen, unfer Verſprechen wirktich halten zu . Eönuen, und hatten dad Vergnügen von dem zwep⸗ deutigen Baume lebendige Abkoͤmmllge zu überfeu- den, auch nah Fahren von dem Gedeihen derſelben erfreuliche Nachricht zu dernehmen.

Auf dem Ruͤckwage nun wie auf dem Hiuwege hatten wir deun mancherlei von des alten ung gelei⸗ tenden Zauberers Großthaten zu hören. ‚Run ver: nahmen wir aus deffen Munde, was. und [dom aug - feinen frühern Tagen durch Ueberlieferunggugefons, men war; doch genau befehen fand ſich in der Le— gende dieſes Heiligen eine mestlihe Monotonie. Als Knabe jugendlich muthiger Entſchluß, als Schuͤ⸗ ler raſche Selbſtvertheidigung; abademiſche Haͤndel, Roppierfertigleit,. kunſtmaͤßige Geſchicklichkeit im Reiten, und ſonſtige koͤrperliche Vorzuͤge, Muth und Gewandtheit, Kraft und Ausdauer, Veſtaͤn⸗ digkeit und. Thatluſt; alles dieſes lag rüdwärtg in dunklen Zeiten; dreyjaͤhrige Reiſen blieben geheim⸗ nißvoll, und. ſonſt noch manches im Vortrug, un aber in ber Erörterung unbeſtimmt.

7

251

"Weit jedoch das auffallende Reſultat feines Le⸗ bensganges ein unüberfehlicher Beſitz von Koftbarz teiten, ein unſchaͤtzbarer Geldreichthum zu ſeyn ſchien; fo Eonnte es ihm an Gläubigen, an Ver⸗ ehrern gar nicht fehlen. Jene beiden find eine Art von Hausgoͤttern, nach welchen bie Menge andaͤch⸗ tig unb gierig die Augen wendet. Iſt nun ein fol- cher Befiß nicht etwa ererbt und offenbaren Herkom⸗ mens, fondern im Geheimniß felbft erworben; fo gibt man im Dunkeln alles übrige Wunderbare zu, man laßt ihn fein mährchenhaftes Wefen treiben: denn eine Maffe gemünztes Gold und Siiber ver- leiht feibft dem Unwahren Anſehen und Gewidt; man läßt die Lüge gelten, Indem man bie Baar⸗ ſchaft beneidet. -

Die möglichen ober wahrfcheinlichen Mittei, wie Beireis zu ſolchen Gütern gelangt, werden einſtim⸗ mig und einfach angegeben. Er folle eine Farbe erfunden haben, die fih an die Stelle der Cochenille ſetzen konnte; er folle vortheilhaftere Gaͤhrungspro⸗ ceſſe als die damals befannten an Fabrikherren mit- getheilt haben. Wer In der Geſchichte der Chemie bewanbert iſt, wird beurtheilen, ob in der Hälfte des vorigen Jahrhunderts dergleichen Necepte um⸗ Herfchleichen konnten, er wird willen, in wiefern fe in der neuern Zeit dffenbar und allgemein befannt geworden. Sollte Beireis 3. B. nicht etwa zeitig auf die Veredlung des Krapps gekommen ſeyn?

Nach allem diefem aber iſt das firtliche Element

232

"zu. bedeuten, worin und worauf eu gewirkt bat, ich meine. die Zeit, den eigentlichen Stan, bad. Veduͤrf⸗ niß derfelben. Die Commumication ber Weltbuͤrger ging noch nicht fo ſchaell wie gegenwaͤrtig, nach Eonnte- jemand, der an entfernten Orten wie Swedenborg, ober: auf einer beſchraͤnkten Iniwerfikkt wie Belrois feinen Aufenthalt nahe, immer die beſte Gebegen⸗ heit finden, ſich in geheimnißvolles Dunkel zu hl: len, Geiſter zu berufen, und am: Stein der Weiſen zw arbeiten. Haben wir nicht In ben neuern Tagen Sagiiefteo gefehen, wie er große Raͤume eilig durch⸗ ſtreifend, wechſelsweiſe im Süden, Nordon, Wer fien feine Tafchenfplelereien treiben, und uͤberall Anhänger finden konnte? Iſt ed denn zuviel geſagt, daß ein gewiffer Aberglaube an damenifhe Meu— Then niemals: aufhoͤren, ja daB zu jeder: Zoit ſich immer ein Local finden wird, wo das problematiſch Wahre, vor dem wir In ber Theorie allein Reſpect haben, ſich in der Ausuͤbung mit der euͤge anf das allerbequemſte begatten fan:

Länger als wir gebucht hatte nus die anmuthtge: Geſellſchaft in Helmſtaͤdt aufgehalten. Hofrath Beireis betrug ſich In jedem Sinne wohlwollend und mittheilond, doch von feinem: Hamptichap- dem Dies manten hatte er noch nicht geſprochen, geſchweige denſelben vorgewieſen. Niemand der Helmſtaͤdter Alademieverwandten hatte denſelben geſehen, und ein oft wiederholtes Maͤhrchen, daß dieſer unfchäße bare Stein nicht am Orte ſey, diente ihm, wie wir

283

hösten, andı gegen Fremde zur Eutfchaldigung. Er pflegte namlich ſcheinbar vertraulich zu aͤußern, daß er. zwölf vollkommen gleiche verſſegelte Kaͤſtchen ein⸗ gerichtet habe, in deren einem. ber Edelſbein befind⸗ Ikh:fey. Dieſe zwoͤlf Kaͤſtchen un vertheile er an auewaͤrrtge Freunde, deren jeder einen Schat zu beſttzen glaube; er aber woͤſſe nur allein, wo er be⸗ findiich fey. Daher mußten: wir: befünhten,, daß er auf: Anfragen biefes: Naturwunder gleichſalls ver- läugnen. werbe. Gluͤcklicherwoiſe jedoch kurz vor un⸗ ſerm Abſchiede begegnete folgendes.

Eines. Morgens zeigte er in enem Bunde ber: Reiſe Tonupneforts die Abbildung einiger natuͤrlichen Diamanten, bie ſich in Eyform mit theilweiſer Ab⸗ weichung Ins Nieren: und Zitzonfoͤrmige unter den Schaͤren dor Judier gefunden hatten. Nachdem er: ms die Geſtalt wohl eingepraͤgt, brachte er ohne weitere Eeremonien aus der rochten Hoſentaſche das bedeutende Naturerzeugniß. In der Groͤße eines maͤßlgen Gaͤnſoeyes war es volllommen Mar, durch⸗ ſichtig, doch ohne Spur, daß daran gefhitflen wor⸗ den; an der Seite bemerkte man einen ſchwachen Hoͤcker, einen nierenfoͤrmigen Anuswuchs, wedurch der: Stein jenen Abbildungen vollkdinmen aͤhnllch ward,

Mit feiner gewöhnlichen ruhigen Haltung: zeigte’ et darauf einige zweydeutige Verfuche, weiche bie: Egenſchaften eines Dienmuten bethaͤtigen follten: af: mäßiges Reiben zog ber Stein Papterfchnigchee

254

„on; bie englifhe Selle fehlen ihm nichts anzuhaben; doch ging er eilig über diefe Beweisthümer hinweg, und erzählte die oft wiederholte Geſchichte: wie er den Stein unter einer Muffel geprüft und über das herrliche - Schaufpiel der fih entwidelnden Flamme das Feuer zu mildern und auszuloͤſchen vergeflen, fo daß der Stein über eine Million Thaler an Werth {a Kurzem verloren babe. Demungeachtet aber pries er fih glüdlich, daß er ein Feuerwerk geſehen, welches Kalfern und Königen verfagt worden.

Indeſſen er nun ſich weitläufigibarüder heraus⸗ Ueß, Hatte ich, chromatifcher Prüfungen eingedenk, das Wunderep vor die Augen genomnten, um bie horlzontalen Genfterftäbe dadurch zu betrachten, fand aber die Karbenfäume nicht breiter, ale ein Berg- krpſtall fie auch gegeben hätte; weßhalb ich im Stil⸗ len wohl einige Zweifel gegen die Aechtheit dieſes gefeyerten Schaßes fernerhin nähren durfte. Und fo war denn unfer Nufenthait durch die größte Rodo⸗ montade unferes wunderlichen Freundes ganz ei- Zentlich gekrönt.

Bei heiteen vertraulichen Unterhaltungen in Helmſtaͤdt, wo, denn vorzäglich bie Velreiſiſchen Ei- genheliten zur Sprache kamen, ward auch mehrmals eines höchft mwunderlihen Edelmanns gedacht, wel- den man, ba unfer Ruͤckweg über Halberftadt ge⸗ sommen werben follte, als unfern vom Wege woh⸗ end, auf ber Reife gar wohl befuchen und fomit De Kenntnis feltfamer Sharaktere erweitern könne.

2 2% 235 . Man war zu einer folhen Erpebition deſto eher ge- 2 neigt, als der heitere geiſtreiche Probſt Hende ung dorthin zu begleiten verſprach; woraus wenigſtens hervorzugehen fehlen, daß man über die Unarten und Unſchicklichkeiten jenes berufenen Mannes noch allenfalls hinauskommen werde.

So .ſaßen wir denn zu, vier im Wagen, Probft Hende mit einer langen weißen Thonpfeife, die er, weil ihn jede andere Art zu rauhen anwiderte, ſo⸗ gar im Wagen, felbft, wie er verfiherte, anf wei- teren Reifen, mit befonderer Worfiht ganz und un: . zerftüdt zu erhalten wußte. .

In fo froher ald beichrender Unterhaltung leg⸗ ten wir den Weg zurüd, und langten ‚endlih an dem Gute bed Mannes an, der, unter dem Namen des tollen Hagen, weit und breit bekannt, wie _ eine Art ‚von gefährlihem Cyclopen auf einer ſchoͤ⸗ nen Behpung bauf’te. Der Empfang wur fchon harafterifiiih genug. Er machte und aufmerkſam anf das an tüchtigem Schmiedewerk hangende Schild feines neuerbauten Gaſthofes, das den Gaͤſten zur Locung dienen follte, ‚Bir waren jedoch nicht we⸗ wig verwundert, bier, von einem nicht -ungefchletten Kuͤnſtler ein Bild ausgeführt zu fehen, welches das Gegenſſuͤck jenes Schildes vorſtellt, an welchem der Reiſende in das ſuͤdliche Frankreich ſich fo umſtaͤndlich ergeht und ergoͤtzt; man fah auch hier ein Wirthshaus mit dem bedenklichen Zeichen und umſtehende Betrachter vorgeſtellt,

%

eu

.

2 256-

Ein ſoccher Empfang ließ une: freiiihi das Schlinmſte vermuthen und ich ward aufmerkſauer, indem mich die Ahnung auflog als ae then neuen Freunde, mad: dem edten: Helmſtaͤdter Drama, uns zu biefem Abenteuer beredet, mw - uns als Mitfpieler in einer leidigen Satyrpoſſe ver⸗ witelt zu ſehen. Sollten: fie nicht, wenn: wir die- fen Joeus unwilllg aufnahmen , nr mit einer ſtil⸗ len Schadenfreude kitzeln.

Doch ich verſcheuchte ſolchen Argwehn· als wir das ganz anfehnliche Gehofte betraten. Die Wirth⸗ ſchaftsgebaͤude befanden ſich im beſten Zuſtand, die Höfe in zweckmuͤßtger Ordnung, obgkeich ohne Spur irgend einer aͤſthetiſchen Abfiht. Des Herren‘ ge⸗ legentliche Behandlung der Wirthſchaftsleute mußte man rauh und hart nennen, aber ein guter Diner: ber durchblickte machte fie ertraͤglich; auch ſchlenen⸗ die guten Leute an dieſe Weiſe ſchon ſo gewoͤhnt zu ſeyn, da fie ganz ruhtg, als hätte man: ſie ſanft angeſprochen, Ihren Gefchäft weiter oblagen.

In dem großen reinlichen hellen Tafeljiminer' fanden wir die Hausfrau, eine ſchlanke wohlgebtle dete Dame, bie fi aber in ftummer Leidendgeſtalt ganz unthelfnehmend erwies und nnd die ſchwere Duldung bie ſie zu übertragen hatte, unmittelbat zu erfennen’gab. Ferner zwey Kinder, ein preußiſchet Fahndrich auf Urkaub, und eine TDochter aus der Braunſchweigiſchen Penfion zum Befudre da, beide

noch nicht zwanzig, ſtumm wie die Mutrter, milß

837

Ainer Niet mon Merwunderung drein ſehend, wenn die ide jegernehn vielfaches Leiden ausſprachen. Die Untexheltung war ſogleich einigermaßen ſol⸗ datiſch derb; der Burgunder, von Braunfchweig be⸗ BR, ganz vortrefflich; bie Hausfrau machte ſich Buch ‚eine ſo · wohlbediente als vohlbeſtellte Tafel „Bhre ;. daher maͤre denn bis deut alles ganz leidlich „Begapgen, nur durfte wan ſch nicht weit umſehen Ohne has Faune nohr gu erblicken, das durch bie haͤus⸗ ‚Mes Zucht eines wohlhabenden Landedelmanns durch⸗ Zub. Ta den Eden des Saales ſtanden ſaubere Magie des Apollin und aͤhnlicher Statuen, wun⸗ derlich aber ſah an fe aufgeputzt: denn er hatte fie: wit Manfchesten,, von felnen abgelegten, wie auit Feigenblaͤttern der guten Geſellſchaft zu acco- modiren gegiauht. Ein folder Aublick gab nur um ſo mehr Anprehenſion, da man verfihert ſeyn lann, daß ein; Age ſchmacktes gewiß auf ein anderes hin⸗ deutet, und ſo faud ſichs auch. Das Geſpraͤch war ‚ao immer mit einiger Maͤßlgung, wenigſtens von ‚anfeser Seite, gefuͤhrt, aber doch auf alle Fälle in egenwart der heran vachſenden Kinder unſchicklich gerug. Als man ſie aber während des Nachtliſches fertgeſchickt hatte, fand unfer wunderlicher Wirth anuz:felesiih auf, nahm bie Manfchetihen non Den /Statuen weg, und meinte nun ſey es Zeit Äh etwas natuͤrlicher und freier zu beuchmen. Mir hatten indeſſen ber bebaueruswerthen Lei⸗ denggeſtalt sinferer Wirthin hurh einen Schwant

"938

gleichfalls Urlaub verfchafft; denn wir bemerkten worauf unfer Wirth ausgeheh mochte, Inden er noch ſchmackhafteren Burgunder vorfehte, dem wir uns nicht abhold bewiefen. Dennoch wurden wir nicht gehindert nach aufgehobener Tafel einen Spa- ziergang vorzufchlagen. Dazu wollte er aber keinen Gaſt zulaffen, wenn er nicht vorher einen gewiſſen Ort befucht hätte. Diefer gehörte freilich auch zum Ganzen. Man fand in einem reinlihen Gabinet einen gepoffterten Großvaterfeffel, und um zu einem längeren Aufenthalt einzuladen, eine mannichfal⸗ tige Unzahl bunter ringsumher aufgeklebter Aupfer- ftihe, fatyrifchen pasquillantifhen, unfauberen In- halte, nedifch genng. Dieſe Beifplele genügen wohl die wunderliche Lage anzudeuten in der wir ung be- fanden. Bet eintretender Naht wörbigte er feine bedrängte Hausfrau einige Lieder nad) eigener Wahl zum Flügel zu fingen, wodurch fie ung bei gutem Vortrag allerdings Vergnügen machte; zulcht aber enthielt er fich nicht fein Mipfallen an ſolchen faden Sefängen zu bezeugen, mit der Anmaßung ein tüchtigeres vorzutragen, worauf fih denn bie gute Dame gemuͤßigt fah eine Höchft unſchickliche und ab⸗ furde Strophe mit dem Flügel zu begleiten. Nun fühlte ih, indignirt durch das Widerwärtige, in⸗ fpirirt durch den Burgunder, es fey Zeit meine Ju⸗ gend: Pferde zu befteigen, auf denen ich mic fonft übermüthig gerne herumgetummelt hatte.

Nachdem er auf mein Erſuchen die beteftable

| 239

;. Strophe noch einige Male wiederholt hatte, ver: fiherte ih ihm das Gedicht ſey vortrefflih, nur muͤſſe er ſuchen duch Tünftlichen Vortrag fih dem örtlichen Inhalt gleich zu ftellen, ia ihn durch den _ rechten Ausdruck erft zu erhöhen. Nun war zuvoͤr⸗ derft von Forte und Piano die Rede, fodbann aber von feineren Abfchattirungen,, von Accenten, und fo mußte gar zuletzt ein Gegenſatz von Lifpeln und Ausſchrey zur Sprache kommen. Hinter biefer Toll⸗ Ne lag jedoch eine Art von Didaskalie verborgen,

e mir denn auch eine große Mannichfaltigkeit von Forderungen an ihn verfchaffte, woran er fich als ein geiftreih baroder Mann zu unterhalten fchien. Doch fuhte er diefe Läftigen Sumuthungen manch⸗ mal zu unterbrehen, indem er Burgunder ein⸗ fchenkte und Badwerk anbot. Unſer Wolf hatte fi, unendlih gelangweilt, “fchon zurädgezogen; Abe Heucke ging mit feiner langen thönernen Pfeife auf und ab, und fchättete den ihm aufgedrungenen Bur⸗ gunder, feine Zeit erfehend, zum Fenſter hinaus, mit der größten Gemuͤthsruhe den Verlauf dieſes Unfinnes abzumarten. Dieß aber war Fein Gerin⸗ ges: denn ich forderte Immer mehr, nach Immer einen wunderliheren Ausbrud von meinem humo⸗ riftifch gelehrigen Schüler, und verwarf zulebt gegen Mitternacht alles Bisherige. Das fey nur einges lernt, fagte Ich, und gar nichts wertb. Nun müffe er erft aus elgnem Geiſt und Sinn das Wahre was bisher verborgen geblieben ſelbſt erfinden, und da=

200

burch kt Dichter umb Wünfiter als Original wett⸗ eifern.

Hamm war er gewandt genug um einlger aaßen gu gewahren daß hinter dieſen Tollheiten ein gewlffer Stun verborgen ſey, in er ſchien ſich an einem fo freventlichen Mſbrauch eigentlich reſpectabler Leh⸗ ten zu ergößen; doch war er iadeſſen ſelbſt muͤde, and fo gu fangen muͤrbe geworden, uud als Ich eub- th ben Schluß zog, er muͤſſe nun erfi der Rabe siegen und abwarten, ob ihm nicht vielleicht Im Traum eine Aufklärung komme, gab er gerne nach amd entlieh md zu Bette.

Den andern Morgen waren wir fruͤh mieder bei der Haud und zur Abreiſe bereit. Beim Fruͤhſtück eing es ganz menichlich zu, es fchlen ale wolle er und nicht mit ganz unguͤnſtigen Begriffen entiaffen. As Landrath wußte er vom Zuſtand und den An⸗ gelegenheiten der Provinz fehr treffende, Bach feiner Art bazode Nechenſchaft zu geben. Wir ſchieden frenndlich und Eounten dem nach Helwuſtaͤdt mit um- zerbrochener langen Pfeife zuruͤckkehrenden Freunde für fein Geleit bei dieſem bedenllichen Abentener nuͤcht genugſam Dank ſagen.

Vollkoammen friedlich und vernunftgemaͤß warb und Dagegen ein laͤngerer Aufenthalt in Halberſtadt beſchert. Schon war vor. einigen Jahren ber edle Gle im zu ſelnen frühften Freunden hinuͤbergegan⸗ gen; ein Veſuch, dem ich Ihn vor geraumer Zeit abſtattete, batte nur einen dunklen Eindruck zuruͤk⸗ ge⸗

244

gelaſſen, Indem. eindaz wiſcheneraufchenbes man⸗ nichfaltiges Leben mir bie: Eigenheiten: feiner Perſon und Umgebung beinahe verloͤſchte. Auch konnde Ich, damalswie in der Folge, kein Verhaͤltniß zuıfbnz gewinnen, aber: feine Thaͤtigleſt war mir nlemalg frembigeworden 5 ich hoͤrte viel von ihm duch Wie⸗ land: und: Herber, mit Demanset Immer: in: Brief⸗ wochſel und: Bezug blleb.

Dießmal wurdenc wir ſeiner Wohnung yon: Herrn⸗ Koͤvt e ar ferundikh:empfangen, fie deutote auf reinliche Wohlhaͤbigkelt, auf ein froedliches Le⸗ ben amd ſtilles geſelliges Behagen. Sein voruͤber⸗ gegangenes Wirken feierten: wir an ſeiner Verlaſe ſenſchaft; viel ward von ihm⸗erzaͤhlt, manches vor⸗ gewleſen, und Herr Koͤrte verſprach durchneine and: fuͤtzeliche Lebensbeſchrelbung und Heraus gabe ſeines Brisfwehfels “einem: jeden Aalaß genug: zu ver⸗ Hafen, auf feine Weiſe⸗ ein ſo merkwichiges In⸗ Desidunm ſich wleder hervorzurufen.

Denn allgemeinen ⸗Deutſchon Melon. war Gleim durch ſeine Gedichte am meiſten verwandt, werke: er als ein vorzuͤglich llebender und liebeuswuͤrdiger Mann evſcheint. Seine Pooſie von der techniſchen Seite beſeten iſt rhothmlſchy nicht molodiſch, woß⸗ habb er ſich denn / auch meiſtens freier Spibenmaße bedient; und: fo gewähren: Bere: und Reim, Brief und Abhandkung durcheinander verſchlungen ben Aasdreuck eines gemuͤthlichen Menſchenverſtandes, innerhalbe einer wohlgeſinnten Beſchraͤnkung.

Soethes Werte, XXXI. Bd 16

242

Vor allem aber war und anziehend ber Freund: Ichaftstempel, eine Semmlung von Bildniſſen di- geser und neuerer Angehbrigen. Sie gab ein fchönes Zeugniß wie er die Mitlebenden gefchäßt, und ung eine angenehme Recapitulatlon fo vieler ausgezeich- neter GSeftalten, eine Erinnerung an die bedeuten- den einwohnenden Geiſter, an die Bezüge dieſer Perfonen unter einander, nnd zu dem wertben Manne, ber fie meiftens eine Zeitlang um fich ver- fammelte, und die Scheldenden, die Abweſenden wenigſtens im Bilde feftzubalten Sorge trug. Bel foihem Betrachten ward gar manches Bedenken beroorgerufen, nur eines ſprech' ich aus: man fah aber hundert Poeten und Literatoren, aber unter biefen keinen einzigen Mufiter and. Componiſten. Wie? follte jener Greis, der, feinen Aeußerungen nah, nur im Singen zu leben und zu athmen. ſchien, keine Ahnung von dem eigentlichen Gefang gehabt haben? von der Tonkunſt, dem wahren Ele⸗

ment woher alle Dichtungen entfpringea aan wohin fe zuruͤckehren?

Suchte man nun aber in einen VBeerif fangen su faſſen was und von dem edlen Manne vorſchwebt, fo könnte man fagen: ein leidenſchaftliches Wohl⸗

wollen lag feinem Cheralter gu Grunde, das er durch Wort und That wirkfem zu machen ſuchte. Durch Rede und Schrift aufmunternd, ein allge= - meines rein menfchliches Gefühl zu verbreiten be= müht zeigte er ſich, als Freund von jederman,

"243

hälfreich dem Darbenden, armer Tugend aber be- fonders förderiih. Ihm, ale gutem Haushalter,- ſcheint Wopithätig‘eit die einzige Liebhaberei gewe- fen zu feyn, auf bie er feinen Ueberſchuß verwendet. Das Metite thut er aus eigenen Kräften; ſeltener und erſt in fpäteren Jahren bebient er fich feines Kamend, feines Ruhms, um bei Königen und Minifterk einigen Einfluß zu gewinnen, ohne ſich dadurch ſehr gefördert zu fehen. Man behandelt ihn ehrenvoll, duldet und belobt feine Thaͤtigkeit, Hilft ihm auch wohl nach, trägt aber gewöhnlich Be⸗ denken in feine Abfichten Eräftig einzugehen.

Alles jedoch zufanimengenommen, muß ma ihm ben eigentlichiten Bärgerfinn in jedem Betracht . zugeftehen; er ruht als Menfch auf fih ſelbſt, ver- mwaltet ein bedeutendes dffentlihes Amt, und be- weiſſt Ah übrigens gegen Stadt und Provinz und Sönigreich als Patriot, gegen Deutfches Vaterland und Welt al& Achten Liberalen. Alles Nevolatio- nafre dagegen , das In feinen diteren Tagen hervor: tritt, iſt ihm hoͤchlich verhaßt, fo wie alles was früher Preußens großem Könige und feinem Reiche ſich feindſelig entgegenftellt.

Da nun ferner eine jede Religion das reine ruhige Verkehr der Menfchen unter einander be⸗ fördern fol, die chriſtlich evangelifche jedoch hiezu weſonders geeignet Sft5 fo Eonnte er bie Religion des techtfchaffenen: Mannes, die Ihm angeboren und ſeiner Natur norhwendig war, immerfort ausuͤbend,

m

"244

Aſch far den rechtslaubigſten „aller Menkhen- halten

md :anıdem ererbten Belewntniß, -fo -wie-bei dem herkoͤmmlichen einfachen Cultus der peobeftanstagen Kirche, gar wohl beembigen.

Nah allen dieſen tebhaften Vergegenmärtigen- gen -follten wir noch ein Bild des MWergänglichen: er- „bilden, denn auf ihrem Siechbette begräfiten wir

die ablebende Nichte Gleims, bie unten: dam. Ma-

men Qleminde viele Jahre die Bierbe eines dich⸗ teriſchen Kreiſes geweſen. Zu Ihrer aummtbigen obſchon kraͤnklichen Bildung, ſtimmte gar fein die große Reinlichkeit Ihrer. Umgebung, unde wir unter⸗ ‚hielten ung gern mit ihr von vergangenen guten Ta⸗ gen, bie ihr nik dem Wandeln und Wirken Ihres trefflichen Oheims Immer gegenwaͤttjs geblieben waren. Heletzt um unſere Wallfahrt ernſt amd wirdig «buufchließen, traten wir in den Garten um das ‚Grab des edlen Greiſes, den nach vleljaͤhrigen Rei: den und Schmerzen, Thaͤtigleit and Erdulden, mi- geben von Denkmalen vergangener Fremde, wider ihm gemuͤthlichen Stelle. gegönnt - mar aus zuruhen. Die oͤden feuchten Raͤume des Doms befuchten wir zu wiederholten Malen; er ſtand, ebglekh ſei⸗ nes fruͤhern religiofen Lebens beraubt, dach noch anerſchuͤttert In urſpruͤnglicher Würde. Dergleichen „Gebäude Haben etwas eigen Anziehendes, fie ver: ‚gege awaͤrtigen uns tüchtige. aber duͤſtere Huſtaͤnde,

and weil wir und manchmal gern: ind Hnlbdamkel

‘245

ger Bergengenbeit efihäten, fo finden wir ed wil- rkommen, wenn eine ahnungsvolle Beſchraͤnkung ung mit gewiſſen Schauern ergreift, koͤrverlich, phy⸗ rg, geiſtig auf Gofuͤhl, Einbildangskraft und Semtth wie, und ſomlt ſittliche, poetiſche und teligiofe Stinammg anregt.

Die Spieguiberge, unſchuldig buſchig bewachſene Auhdhen, dem nachburlichen Harze vorllegend, jetzt durch bie ſeltfamſten Gebllde ein Tummelplatz haͤß⸗ licher Creuturen, eben als wenn eine vermaledeite Gefellſchaft, vom Blocsberge wiederkehrend, durch Gottes unergruͤndlichen Rathſchluß hier wäre ver⸗ ſteinert worden. Am Fuße des Aufſtlegs dient ein ungehenres Kap abſcheulichem Zwergengeſchlecht zum Hochzeftſaal; undvon ba, durch alle Gaͤnge ber An⸗ Ingen, lauern Mißgeburten jeder Art, fo daß ber Mißgeſtalten Hebende Praͤtorlus feinen mundas anthropodemicus 'hler vollkommen realiſtrt erbiiden Tunte. Da fiel es denn recht auf, wie noͤthig es ſey in Der Erziehung die Elnbildungskraft nicht zu befeitigen ſondern zu regefn, ihr burch zeitig vorgeführte edle ‚Bilder Luſt am Schönen, Beduͤrfniß bes Mortreff- Achen zu geben. Was hilift es bie Sinnlichkeit zu zaͤhmen, den Verſtand zu bilden, der Vernunft Ihre Horrſthuft zu fihern, die Einblldungskraft lauert als ber maͤchtigſte Feind, fie Hat von Natur einen Anwiderſtehllchen Trieb. zum Abſurden, ber ſelbſt in gebildeten Menſchen mächtig wirtt und gegen alle

246 |

Cultur die angeftammte Rohheit fragenlichenber Bilden mitten in ber anfiänbigften Welt wieder zum Vorſchein bringt,

Bon ber übrigen Ruͤckreiſe darf ich nur voräber- eilend fprehen. Wir fuchten dad Budethal und den Längft befannten Hammer; von bier ging ih, nun zum dritten Male in meinem Leben, das von Gra- nitfelfen eingefchloffene raufhende Waſſer hinan, und bier fiel mir wiederum auf, daß wir durch nichts fo ſehr veranlaßt werben über ung felbft zu denken, als wenn wir höchft bedeutende Gegenftände, befon- ders entfchiedene charakteriftifche Naturfcenen, nad langen Zwifchenräumen endlich wiederfehen und ben. zurädgebliebenen Eindrud mit der gegenmwärtigem Einwirkung: vergleihen. Da werden wir denn im

Ganzen bemerken, daß das Object immer mehr ber-

vortritt, daß wenn wir uns früher an den Gegen- ftänden empfanden, Freud’ und Leid, Heiterkeit und Verwirrung auf fie übertrugen, wir nunmehr bei gebändigter Selbftigkeit ihnen das gebährende Recht widerfahren laſſen, ihre Eigenheiten. zu er- fennen und ihre Eigenfchaften, fofern wir fie durch⸗ dringen, In einem höhern Grade zu ſchaͤtzen willen. Jene Art des Anfchauens gewahrt dere Fünftlerifche Blick, diefe eignet fih dem Naturforfher, und ich mußte mich, zwar anfangs nicht ohne Schmerzen, zuletzt doch glüdlich preifen daß, Indem jener Siun mich nach und-.nach zu verlaffen drohte, dieſer fi in Aug’ und Geiſt defto Eräftiger entwicelte.

%

| |

247

18.0 ©

Die Interims-Hoffnungen mit denen wir uns phitifterhaft ſchon mande Jahre hingehalten, wur- den fo abermals im Gegenwärtigen gendhrt. Zwar brannte die Welt In allen Eden und Enden, Europe hatte eine andere Geftalt genommen, zu Lande und See gingen Städte und Flotten zu Trümmern, aber das mittlere, das nördliche Deutfchland genoß. noch eines gewiſſen fieberhaften. Friedens, In wel- hem wie uns einer problematifhen Sicherheit hin- saben. Das große Reich in Welten war gegründet, es trieb Wurzeln und Zweige nad allen Selten hin. Indeſſen fhien Preußen das Vorrecht gegönnt ſich Im Norden zu befeftigen. Zunaͤchſt befaß es Erfurt, einen fehr wichtigen Haltepunct, und wir ließen ung in dieſem Sinne gefallen, daß von Anfang des Jahrs Preußifche Truppen bei uns einkehrten. Dem Regiment Oſtin folgten, Anfangs Februar, Fuͤ⸗ fetiere , fodann trafen ein die Negimenter Bork, Arnim, Pirſch; man hatte fh ſchon an Diele Unruhe gewöhnt.

Der Geburtetag unferer verehrten Herzogin, der 30 Jannar, ward für dießmal zwar pomphaft genug, aber doch mit unerfreulihen Vorahnungen gefeiert. Das Regiment Oftin rühmte fich eines Chords Trompeter das feines Gleichen nicht hätte; fie traten in einem Halbkreis zum Willtommen auf das Theater, gaben Proben Ihrer außerordentliche

348

Geſchicklichkeit, und begleiteten gulent einen Geſang, deſſen allgemein befannte Melodie, einem Inſel⸗ tönig gewidmet ‚und noch keineswegs von dem pa- triotifhen Feſtland überboten, ihre vollkommen herzerhebende Wirkung that.

Eine Ueberſetzung oder Umbildung des Cid von Corneille ward hiernach aufgeführt, fo wie aud Stella, zum erftienmal mit tragifcher Kataftrophe, Goͤtz von Berlichingen kam wieder an die Reihe, nicht weniger Egmont. Schillers Glode mit allem ‚Apparat des Gießens und der fertigen Darftelang, bie wir als Didaskalie ſchon längft verfacht hatten, ‚ward gegeben, und fo daß die fämmtliche Gefell: fhaft mitwirkte, Indem der eigentliche dramatiſche Kuuſt- und Handwerkstheil dem Meifter und ben Sefellen anheim fiel, das übrige Lyrifche ‚aber an die männlichen und weiblichen Glieder, von den aͤl⸗ teften bis zu den jüngften, verteilt und jebem sharakteriftifch angeeignet ward.

Aufmerkſamkeit erregte im Ganzen der von Sff- land zur Vorftellung gebrachte Doctor Luther, od wir gleich gauderten, henfelden gleichfalls aufzu- - nehmen.

Bel bem verlängerten Aufenthalt in Earlbbad

gebachte man ber nächften Theaterzeit, und ver: :fachte Oehlenſchlaͤgers verbieuftliche Tragödle Hu: ton Jarl'umferer Bühne umzuelgnen, ja es wur⸗ ‚sen fogar. ſchon Kleider und Decorationen aufge: fat und gefunden. Allein ſpaͤterhin fehlen es be⸗

.

‚289

den uch, zu ˖ einer Zeit · da mit Armen im. Emil ge- ‚Setelt: wurde, mit diefer- Heiligen Zierde ſich ſchetz⸗ waft au gebaͤrden. Im vergangenen Fruͤbjabr hatte mwan ⸗nicht mehr thun koͤnnen als das beſteheunde Mepertorium ˖ gu erhalten und einigermaßen: zu ver⸗ zmehren. Im Spaͤtjahr ats der Kriegsdrang jedes Werhaͤltniß aufzruldſen drohte, hielt man für Pflicht bie Füheateranfintt , als einen offeutlichen Schatz, Als ein Gemeingut der Stadt zu bewahren. Nur zwey Monate blieben die Vorſtellungen unterbro⸗ chen, die wiſſenſchaftlichen Bemuͤhungen nur wenige Fage, mnd Ifflande Theaterkalender gab der Deut⸗ ſehen; Buͤhne eine ſchwunghafte Aufmunterung. | Die projertirte ımeue Auſsgabe meiner Werke „miete mich fe faͤmmtlich wieber durchgugehen, und ich widmete jeder eiagelnen Production die ge- ‚hörige Ainfmeerffamteit, ob ich gleich bei meinen „alten Vorſatze blieb nichts eigentlich umgufchreiben, ° :sder auf-einen hohen Grad zu verändern. Mie gwep Mibtheilungen: der Elegien wie ſie noch vorliegen, wurden eingerichtet und Fauſt in ſeiner Aetigen Geſtalt fragmentariſch behandelt. So ge⸗ Aangte nich dieſes Jahr bis zum vierten Theil ein⸗ - fchlteßtich., aber mich beſchaͤftigte ein wichtigeres Werk. Der epiſche Kell kam wieder zur Sprache wie ·ich ihn 1797 in der Schweiz conckpirt, und nach⸗ ‚her aem dramatiſchen Tell Schillers zu Liebe bei Seite gelegt. Beide lhonaten recht gut neben ein⸗ ander beſtehen; Schlllern war mein Plan gar wohl

250

Bekannt, und ich war zuſrieden, daß er den Haupt⸗ begriff eines feibftftändigen von ben übrigen Mer-

ſchwornen unabhängigen Teil benutzte; in der Aus-

führımg aber mußte er, der Richtung feines Ta⸗

lents zu Folge fo wie.nach den Dentichen Theater:

bedürfniffen, einen ganz anderen Weg nehmen, amd

mir bileb das Epiſch⸗ruhig⸗grandioſe noch Immer zu

Gebot, fo wie die ſaͤmmtlichen Motive, wo ſie ſich

auch berührten, in beiden Bearbeitungen durchaus

eine andere Geftalt nahmen,

Ich hatte Zuft wieder einmal Herameter zu ſchrei⸗ ben, und mein gutes Verbättwiß zu Voß, Vater und Sohn, ließ mich hoffen auch in biefer herrlichen

Versart Immer fiherer vorzuſchrelten. Aber die

Tage ımd Wochen waren fo ahnungsvoll, die lehten

Monate fo ſtuͤrmiſch nud ſo wenig Hoffnung zu einem freieren Athemholen, daß ein Plan, auf dem Dierwaldftädter See und auf dem Wege nad Altorf, In der freien Natur concipirt, in dem be-

ängftigten he nicht wohl ware enre

geweſen.

Weann wir nun auch ſchon unfer Ver⸗ haͤltniß zur bildenden Kunſt aufgegeben hatten, fo blieb fie une doch im Innern ſtets lieb und werth. Bildhauer Welffer, ein Kunftgenofte von Sriedrich Tteck, bearbettete mit Gluͤck bie Buͤſte bes hier ver-

florbenen Herzogs von Braunſchweig, weihe, in

der Öffentlichen Blbliothet aufgeſtellt, einen ſchoͤnen Beweis feines vielverſprechenden Talents abgibt.

251

Kupferſtiche find Überhaupt das Kunſtmittel durch welches Kenner und Liebhaber fih am meiften unb bequemften unterhalten, und fo empfingen wir aus Rom von Smelin das vorzügliche Blatt, unter- zeichnet der Tempel der Venus, nad Claude. Es war mir um fo viel mehr werth, als das Original erit nach meinem Abgang von Rom befaunt gewor- den und ich mich alfo zum erſtenmal von den Vor⸗ zügen deſſelben aus dieſer Funftreichen Nachbildung überzeugen follte.

Ganz in einem andern Face, aber heiter und geiftreih genug, erſchlenen die Riepenhauſiſchen Blätter zur Genoveva, deren Original» Zeichnungen wir ſchon früher gefannt. Auch diefe jungen Maͤn⸗ ner, die ſich zuvor an Polygnot geübt hatten, wand⸗ ten fih nun gegen die Romantik, welche. fich durch ſchriftſtelleriſche Talente bei'm Publicum einges ſchmeichelt hatte, und ſo die Bemerkung wahr machte: daß mehr als man denkt der bildende Kuͤnſt⸗ ler vom Dichter und Schriftſteller abhaͤngt.

In Carlsbad unterhielt mich belchrend eine Sammlung Kupfer, weldhe Graf Löper mit ſich führte; nicht weniger große mit der Geber gezeich- nete, aquarellirte Blätter von Ramberg bewaͤhr⸗ ten das heitere gluͤcklich auffaſſende mitunter extem⸗ porirende, Talent des, genannten Kuͤnſtlers. Graf. Eormeltlan befaß dieſelben und nehft-eigenen Ar⸗ beiten noch ˖ſehr fhöne Landfchaften In Deckfarben.

. Die hiefigen Sammlungen vermehrten fich durch

v

258 -

einen Schatz von⸗Zeichnungen im hoͤhern Sinne. Karſtens kunſtlerlſche⸗Vorlaffenſchaft war an⸗ſei⸗ nen Freund’ Fer wo wevererbt, man⸗traf miti die⸗ ſem eine billkze Uobereinkanft, und fo wurden⸗ moh⸗ tere Zeichnungendes vorſchiedenſten Formats? gre ßere Cartone und kleinere Blider, Studien: in ſchwarzer Kreide, in Rothſtein, aquarellirte Feder⸗ zeichnungen und ſo vieles andere, was dem Klimſt⸗ ler: das: jedesmalige Studium Bedütfniß oder Tunes mannichfaltig ergreifen laͤßt, fuͤr unfer Muſeum erworben.

Withelm Tuiſchbein der nach ‚feiner Entfer⸗ nung von Neapel, von dem Herzog von OAbenburg beguͤnſtigt, ſich in einer friediichen gluͤckllhen Lage: befand, ließ auch gelegentlich von ſich hoͤren, und ſendete dieß Fruͤhjahr anches Aiigenohmo.

Er theikte zuerſt die Bemerkung mit, daß idie fluͤchtigſten Wider oft die gluͤckchſten Gedanken⸗ha⸗ ben: eine⸗Beobachtung, die er: gemacht; als: Uimn: viele hundert Gemaͤhlde von trefftichen Meiſtern, herrlich gedacht aber: nichb: ſonderlich andgeführt, vor die Augen zekommen; und es bewuͤhrt ſichfrei⸗ lich daßa dte ausgeführseften :BKber der miedertän⸗ diſthen Schule, bet allem: großen Rilchthuum wornlta fie-ausgefimter: Andi, doch manchmal erwus / an⸗goiſt⸗ reiher Erfindung. zu wuͤuſchen uͤbtig laſſenEs. ſcheint · alt: wenn die Gewiſſenhaßtigkeit des: Knnſt⸗⸗ lers, dem Aebhaber und Kenner etwas wollbommen Würdiges. uͤborllefern zu wollen, ‚beu: Aufflug des

253

Selfies einigermaßen befchränfe; dahlagegen eine geiſtreich gefaßte flüchtig hingeworfene Skizze außer aller Berantwortung das vigenfte Talent des Kuͤnſt⸗ lers offenbare. Cr .fendete einige aquarellirte Co⸗ pien, von welchen uns zwey geblieben find: Schatz⸗ gräber In einem tiefen Stabtgraben und Safemat- ten, bei Nachtzeit duch unzulaͤngliche Beſchwoͤrnu⸗ sen ſich bie böfen Geiſter auf ben Hals ziehenb, der entbedten und fchon halbergriffenen Schäße ver⸗ Inftig. Der Anftand Eft bei biefer Gelegenheit nicht durchaus beobachtet, Vorgeſtelltes und Ausführung einen Gehetmbilde angemeilen; das zweyte Bild vieleicht noch mehr. Eine graͤuliche Kriegsſcene, erfchlagene beraubte Männer, troftlofe Weiber und Kinder, im Hintergrunde ein Klofter in vollen Flammen, im Vordergrund mißhandelte Mönde; gleichfalls ein Bild welches im Schraͤnkchen muͤßte aufbewahrt werden.

Serner fendete Tiſchbein an Herzogin Amalle einen mäßigen Folioband aquarellirter Federzeich⸗ nungen. Hierin ift nun Tiſchbein ganz beſonders gluͤcklich, weit auf diefe leichte Welfe ein geübtes Talent Gedanken, Einfälle, Grillen ohne großen Aufwand und ohne, Gefahr feine Seit zu verlieren ausſpricht. Solche Blätter find fertig wie gedacht.

Thiere darzuftellen war immer Tiſchbeins Lieb⸗ haberei; fo erinnern wir ung bier auch eines Eſels, der mit großem Behagen Ananas ftatt Difteln fraß.

Auf einem andern Bilde blickt man über die

Goethe's Werte, XXXI. 8% 17

* 254

Daͤcher einer großen Stadt gegen die aufgehenite Ganue; ganz nah an bem Beſchauer, Im vorderſten Vordergrunde, ſitzt ein fchwarger Deffeniunge un⸗ mittelbar au dem Schornſteia. Was an ihm noch Farbe annehmen Tomte, war von ber Senne vergäls det, und mau mußte den Gedanken allerliebſt finden, daß der letzte Sohn bei jammervollſten Gewerbes unter viel Tauſenden der Einzige ſey, der eines ſol⸗ hen herzerhehenben Naturanblicks genoͤſſe. Dersgleichen Mittgelluugen geſchahen von Tiſch⸗ bein immer unter der Bebingung, daß man ihen - eine poetifche ober profalfhe Auslegung feiner fitt- lich kuͤnſtleriſchen Träume möge zukommen laſſen.

Die kleinen Gedichte, die man ihm zur Erwiderung ſendete, finden ſich unter den meinigen. Herzogin Amalle und ihre Umgebung theilten ſich darin nach Stand und Wuͤrden, und erwiderten fo eigenhaͤn⸗ dig die Freundlichkeit des Gebers.

Auch Ich warb in Carlsbad angetrieben, bie be⸗ deutend abwechfelnden Gegenſtaͤnde mir durch Nach⸗ bildung beffer einguprägen; die volllommmern Skiz⸗ sen behielten einigen Werth für mich, und ich fing an fie zu ſammeln.

. Ein Meballlen: Sabiuet, weldes von ber zwey: ten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts an, Aber den Weg, ben die Bildhauerkunft genommen, bin- laͤnglichen Aufſchluß zu geben, fchon reich genug war, vermehrte fih anſehnlich und Ileferte Immer voll ſtaͤndigere Begriffe.

255

Eben fo wurde die Sammlung von eigenhändig geſchriebenen Blättern vorzügliher Männer beträcht- ih vermehrt. Ein Stammbuch der Walchiſchen Fa⸗ mitte, feit etwa den Anfängen des achtzehnten Jahr⸗ hunderts, worin Maffei vorausfteht, war hoͤchſt Thäßenswerth, und Ich danfte fehr verpflichtet den fteundlihen Gebern. Ein alphabetifches Verzeich⸗ niß des handfchriftlihen Beſitzes war gedruckt, ich legte folhes jedem Brief an Freunde bei, und - erhielt dadurch nach und nad fortbauernde Ver⸗ mehrung.

Von Kuͤnſtlern beſuchte uns nun abermals Raabe von Berlin, und empfahl ſich eben fo durch fein Talent wie durch feine Gefaͤlligkeit.

Aber betrüben mußte mih ein Brief von Ha- ckert; diefer trefflihe Mann hatte fih von einem apopiektifhen Anfall nur Infofern erholt, daß er einen Brief dicttren und unterfchreiben konnte. Es jammerte mich die Hand, die fo viel fihre Charak⸗ terftrfhe geführt, nun zitternd und unvollftändig, ben eigenen, fo oft mit Freude und Vortheil un: terzeidmeten berühmten Namen blog andeuten zu - fehen.

Bei den Jenaiſchen Mufeen drangen Immer neue Gegenftände zu, und man mußte befhalb Erweite- rungen vornehmen und in der Anordnung eine ver- änderte Methode befolgen.

Der Nachlaß von Batfch brachte neue Mühe and Unbequemlichkeit. Er hatte die naturforfhende

256

Geſellſchaft geftiftet, auch In einer Reihe von Jah⸗ ten durch und für fie ein unterrihtendes Muſeum aller Art zuſammengebracht, welches dadurch an⸗ fehnlicher und wichtiger geworben, daß er bemfelben feine eigene Sammlung methodiſch eingefchaltet. Rah feinem Hintritt reclamirten die Directoren unb anmwefenden Glieder jener Geſellſchaft einen Theil des Nachlaſſes, befonders das ihr zuſtehende Mufeum; die Erben forderten den Reit, welchen man ihnen, da eine Schenkung bes bieherigen Di⸗ rectors nur mutbmaßlih war, nicht vorenthalten konnte. Bon Seiten herzoglicher Commiſſion ent⸗ ſchloß man ſich auch hier einzugreifen, und da man mit den Erben nicht einig werden konnte, ſo ſchritt man zu dem unangenehmen Geſchaͤft der Sonderung und Theilung. Was dabei an Ruͤckſtaͤnden zu zah⸗ len war, glich man aus und gab der naturforſchen⸗ den Geſellſchaft ein Zimmer im Schloſſe, wo die ihr zugehörigen Naturallen abgeſondert ſtehen konn⸗ ten. Man verpflichtete ſich, die Erhaltung und Vermehrung zu beguͤnſtigen, und ſo ruhte auch die⸗ fer Gegenſtand ohne abzuſterben.

Als ich von Carlsbad im September zuruͤckkam, fand ich das mineralogiſche Cabinet in der ſchoͤnſten Ordnung, auch das zoologiſche reinlich aufgeflelt.

Dr. See beck brachte das ganze Jahr in Jena zu und foͤrderte nicht wenig unſere Einſicht in die Phyſik uͤberhaupt, und beſonders in die Farbenlehre. Wenn er zu jenen Zwecken ſich um den Galvanlsmus

957 bemühte, To waren feine äbrigen Verſuche auf Ory- Bation und Desorpdation, auf Erwarmen und Er⸗ falten, Entzünden und Ausloͤſchen für mic Im chro⸗ matifchen Sinne von der größten Bedeutung.

Sn Berfuh, Glasſcheiben trübe zu machen, wollte unferm wadern Goͤttling nicht gelingen, eigentlich aber nur deßhalb, weil er bie Sache zu ernft nahm, da doch diefe chemifche Wirkung, wie alle Wirkungen ber Natur, aus einem Hauch, aus der mindeften Bedingung hervorgehen. Mit Pro-

feſſor Schelver ließen fi gar ſchoͤne Betrachtun⸗ ‚gen wechſeln; das Zarte und Gruͤndliche feiner Na=

tur gab fich im Gefpräc gar liebenswuͤrdig hersor, wo es dem Mitredenden fih mehr anbequemte als fonft dem Xefer, der ſich immer, wie bei allzutief gegriffenen Monologen, entfremdet fühlte, Soͤmmerings Gehörwerkzeuge führten ung zur Anatomie zurüd; Alexander von Humboldts freundlihe Sendungen riefen uns in die weit und breite Welt; Steffens Grundzüge ber phllofo- phiſchen Naturwiffenfchaften gaben genug zu benfen, indem man gewöhnlich mit ihm in uneiniger Einig- keit lebte. Sen um fo viel als mir gegeben feyn möchte, an bie Mathematik heranzugehen, las ih Montuclas Hi- stoire des Mathematiques, nnd nachdem ich die höheren Anfichten, woraus das Einzelne fi herleitet, abermals bei mir moͤglichſt aufgeklärt und mic in die Mitte des Reichs ber Natur und ber

258

Freiheit zu ſteſlen gefucht, Tchrieb ich das Schema ber allgemeinen Naturlehre, um für bie befondere Chromatik einen fiheren Standpunct zu finden.

Ans ber alten Zeit, in die Ich fo gern zuruͤck⸗ trete, um die Mutter einer menfchenverftändigen Anſchauung mir abermals zu vergegenmwärtigen, las ih Agricola de ortu et causis subterraneorum und bemerkte hiebel, daß ich auf eben einer folchen Wanderung Ind Vergangene bleglaubwüärdigfte Nach⸗ riht von einem Meteorftein in der Thüringer Chros nit fand. j

Und fo darf ich denn am Schluffe nicht vergeffen, daß ich In der Pflanzenkunde zwey fchöne Anregun⸗ gen erlebte:. bie große Charte botanique d’apres Ventenat machte nılr die Familienverhaͤltniſſe au⸗

genfälliger und eindruͤcklicher. Sie bing in einem -

großen Zimmer des Jenaiſchen Schloffes, welches ich im erſten Stod bewohnte, und blieb, als ich eilig dem Fürften Hohenlohe Platz machte, an der Wand zuruͤck. Nun gab fie feinem unterrichteten Gene: ralſtab, fo wie nachher dem Napoleon'ſchen gele- gentliche Unterhaltung, und ich fand fie daſelbſt noch unverfehrt, als ich nach fo viel Sturm und lnges thuͤm meine fonft fo friedliche Wohnung wieder bezog.

Cotta's Naturbetrahtung über dag Wachsſthum ber Pflanzen, nebſt beigefügten Mufterftüden von durchichnittenen Hölgern, waren mir eine ſehr an: genehme Gabe. Abermals regte fie jene Betrach⸗

tungen auf, denen ich fo viele Jahre durch nach

1

259°

Ging, und war die Hauptverauleffung, daß ich von aeuem zur Morphologie mich wendend ben Worfab faßte, fowehl die Metamorphoſe der Pflanzen als fenſt fich anfchließenbes wieber abbeucken zu laffen. Die Vorarbelten zur Farbenlehre, mit denen fi mich feit: zwoͤtf Fahren ohne Unterbrechnug befahif- Sigte, wesen fo weit ‚gebiehen, daß fin& bie Thelle ummeu:mehr zu vanben anfingen und dad Ganze baſd ſelbſt eine Conſiſtenz zu gewinnen verfprah. Was uch nach meiner Weiſe an den: phyſiologiſchen Farben thun konnte und wollte, war gethan, eben fo lagen

bie Anfaͤnge bed: Geichichtlichen bereits dor, mb mian konnte Saher ben Druck des erfien und zweyten

weils zagleich anfangen. Ich wendete mie nım u Sen pathologiſchen Farben; und. Im Geſchichtlichen

* unkerſucht, was Plinins von den Farben moch⸗ te geſagt haben.

Waͤhrend nun das Einzelne vorſchritt, ward ein Schewa bes ganzen Lehre Immer burdhyearbeitet. Dee .phofiſchen Farben verlangten nun ber Ord⸗ wung:auth meine ganze Aufmerkſamkeit. Die Be⸗ trachtung ihrer Etſchelnungs mittel und Bediugun⸗ gen wahen ale: meine Gelfteskraͤfte in Aufpruch. Hier naht" ich nan meine laͤngſt befeſtlgte Keberzeu⸗ gung ausſprechen, daß, da wie alle Farben nur durch Mittel und an Mitreln ſehen, bie Lehre vom Truͤben, als dem allerzartefen: und: reinſten Mate⸗

Aelen, derjenige Beglun ſep, ou die ganze

entwilckole.

14

FO | |

260

Ueberzengt daß ruͤfwaͤrts, Innerhalb dem Kreife ber phyſiologiſchen Farben, fich auch ohne mein Mit⸗ wirken eben daſſelbe nothwendig offenbaren muͤſſe, ging ich vorwärts und rebigirte, was ich alles Aber Reftaction mit mir felbft und andern verhandelt hatte. Denn bier war eigentlich der AufentBait jener bezaubernden Prinzeffin, welche im ficbenfar- ‚digen Schmud die ganze Welt sum. Belten hatte. Hier lag der grimmig fophiftifhe Drache, einem jeden bebrohlih, ber fih-unterftehen wollte, das Abentener mit diefen Irrſalen gu wagen. Die Bes ‚bentfamteit dieſer Abtheilung und der dazu ge- ‚börigen Eapitel war groß, ich ſuchte ihr durch Ausführlichteit genug zu thun und ich fürchte nicht, daß etwas verfäumt worden ſey. Daß, wenn bei der Mefraction Farben erfcheinen fohen, ein. Bild, eine Graͤnze verrädt werben- mäffe, warb feſtgeſtellt. Wie fih bei fubiestiven Merfischen ſchwarz und weiße Bilder aller Art: durchs Yridıma an ihren Mänbern verhalten, wie das Gleiche ge- ſchieht an grauen Bildern aller Schattienngen, am bunten jeder Zarbe und Abfiufung, bei ftärkerer oder geringerer Refraction, alles ward fireng auds einander geſetzt, und ich bin überzengt, daß der Leb- rer, bie ſaͤmmtlichen Erfcheinungen in Derfuchen vorlegend, weder an dem Phänomen noch am Vor⸗ trag etwas verueiten wird, _

Die katoptriſchen unb paroptiſchen Farben folg: ten darauf, und es war in Betreff jener zu bemer

'261

ten, daß bei det Spiegelung nur alsdann Farben erfheinen, wenn ber fplegelnde Kötper gerist oder fabenartig glänzend angenommen wird. Dei ben paroptiſchen Idugnete man bie Bengung und leitete bie farbigen Streifen von Doppellichtern ber. Daß die Ränder der Sonne jeder für fich einen eigenen Schatten werfen, kam bei einer ringfoͤrmigen Son⸗ nenfinfterniß gar befräftigend zum Vorſchein.

Die finnlich fittlihe Wirkung ber Farbe warb darauf ausgeführt; und Im Gefchichtlichen nebenher Gauthiers Chroageneſie betrachtet.

Mit dem Abdruck waren wir bis zum dreyzehn⸗ ten Bogen des erften Theils und bis zum vierten . bes zweyten gelangt, als mit dem vierzehnten Oc⸗ - tober das grimmigfte Unheil über ung hereinbrach, und die überelit gelüchteten Papiere unwieberbring- (ich zu vernichten broßte.

Glauͤcklich genug vermochten wir, bald wieder er- mannt, mit andern Gefchäften auch biefes von nenem zu ergreifen und. in gefaßter Thaͤtigkeit unfer Tage- wert welter zu fördern.

Nun wurden vor allen Dingen bie nöthigen Ta⸗ fein forgfältig bearbeitet. "Cine mit dem guten und werthen Munge fortgefeste Correſpondenz gab uns Gelegenheit, feinen Brief dem Schluß ber Far⸗ benlehre beisufügen, wie denn auch Seebecks geſtei⸗ gerte Verſuche dem Ganzen zu Gute kamen.

Mit befreiter Bruſt dankten wir den Muſen fhr fo offenbar zegdunten Betftand; aber Tann hatten

wie einigermaßen friſchen Athem geſchoͤpft, fo fa⸗ hen wir und genoͤthigt, um nicht zu ſtocken, alfo⸗ gleich den widermärtigen polenciſchen Theil anze- faffen, und unfere Bemuͤhungen um Newtous Op⸗ u, fo wie die Prüfung feiner Werfuche und ber daraus gezogenen Beweife, auch Ind Enge | durch endlich zum Abfchluß zu bringen. Die Ein- leitung des polemiſchen Theils gelang mit Aus zang

An fremden poetifhem Verdlenſt war, wo nicht ausgedehnte aber doch innig eifreulihe Thellnapme. Dos Wunderhorn alterthuͤmlich und phantaftifch, ward feinem Verdienfte gemäß geſchaͤtzt, und eine Mecenfion deffelben mit freundlicher Behaglichkeit ausgefertigt.. Hil lers Naturbihtungen, gerade im SGegenfaß, ganz gegenwärtig und der Wirklich- keit angehörtig, wurden nad ihrer Art mit billlgem Urtheil empfangen. Aladdin von Oehlenſchlaͤ— ger warnicht weniger wohl aufgenommen, ließ aud nicht alles, beſonders im Werlauf ber Kabel, ſich gut heißen. Und wenn ich unter ben Stubien frü- herer Zeit die Perfer. bed Aeſchylus bemerkt finde, fo fcheint mir ald wenn eine Vorahnung deſſen, was wir zu erwarten hatten, mid dahln getrieben habe.

Aber einen eigentlichen: Natlonalanthebl hatten doch die Nie belungen gewowienz fie ſich anzu⸗ eignen, ſich Ihnen hingugelen, war bie Snfk-mehre:

%

263

zer verblenter Männer, bie mit uns gleiche Vor⸗ liebe theilten.

Schillers Verlaſſenſchaft blieb ein Hauptaugen⸗ merk, ob ich gleich jenes fruͤhern Verſuchs ſchmerzlich gedenkend allem Antheil an einer Herausgabe und einer biographiſchen Skizze des trefilihen Freundes ſtandhaft entſagte.

Adam Muͤllers Vorleſungen kamen mir in die Haͤnde. Ich las, ja ſtudirte ſie, jedoch mit ge⸗ theilter Empfindung: denn wenn man wirklich darin einen vorzuͤglichen Geiſt erblickkte, ſo ward man auch mancher unſichern Schritte gewahr, welche nach und nach folgerecht das beſte Naturell auf falſche Wege fuͤhren mußten.

Hamanns Schriften wurden von Zeit zu Zeit aus dem myftifhen Gewölbe wo fie ruhten, her⸗ vorgesogen. Der durch die fonderbare Sprachhülle hindurch wirkende rein Fräftige Geiſt 309 Immer bie Bildungsluſtigen wieder an, bis man, an fo viel Räthfeln müde und tere, fie bei Seite legte und boch jedesmal eine vollftändige Ausgabe zu. wuͤnſchen nicht unterlaſſen konnte.

Wielands Ueberſetzung der Horaziſchen Epi⸗ ſtel an die Piſonen leitete mich wirklich auf eine

Zeit lang von andern Beſchaͤftigungen ab. Dieſes

problematifhe Werk wird dem einen anders vor- kommen ald dem andern, und jedem alle zehn

Jahre auch wieder anders. Ich unternahm bag Wagniß kuͤhner und wunderlicher Auslegungen des

3

264

Sanzen fowohl ald des Cinzelnen, die Ich wohl aufgezeichnet wünfchte, und wenn auch nur um ber humoriſtiſchen Anfiht willen: «Hein dieſe Gchanten und Grillen, gleich fo vielen taufend andern in freundfdaftlicher Converſation ausgeſprochen, gin⸗ gen ins Nichts der Luͤfte.

Der große Vortheil mit einem Manne zu woh⸗ nen, der ſich aus dem Grunde irgend einem Gegen⸗ ſtande widmet, warb ung reichlich durch Fern o ws dauernde Gegenwart. Auch in dieſem Jahre brachte er uns durch feine Abhandlung uͤber die Itallaͤni⸗ ſchen Dialekte mitten Ind Leben jenes merkwürdigen Landes.

Auch die Geſchichte der neuern Deutſchen Litera⸗ tur gewann gar manches Licht; durch Johannes Muͤller in ſeiner Selbſtbiographie, die wir mit einer Recenſion begruͤßten; ferner durch den Druck ber Gleimtſchen Briefe, bie wir dem einge⸗ weihten Körte, Hubers Lebensjahre, die wir feiner treuen und in fo vieler Hinficht hoͤchſt ſchaͤtze ns⸗ werthen Gattin verdanken.

Von aͤlteren geſchichtlichen Studien findet ſich nichts bemerkt, als daß ich des Lampridius Katſer⸗ gefchichte gelefen, und ich erinnere mich noch gar wohl des Grauſens, das bei Betrachtung jenes Un⸗ regiments mic, befiel.

An dem hoͤhern Sittlichreligloſen Theil zu nehmen, riefen mich die Studien von Daub und Kreuzer auf, nicht weniger der Halliſchen Mif⸗

"265

: onsberichte zwey und ſiebzigſtes Stuͤck, das ich wie bie vorigen ber Geneigtheit des Herrn Doctor Knapp verbantte, weicher von meiner anfrichtigen Thellnahme an der Verbreitung des fittliden Ge⸗ fühle durch religtöfe Mittel überzeugt, mir ſchon ſeit Jahren die Nachrichten von ben gefegneten Fortſchritten einer immer lebendigen Anftalt nicht borenthielt.

Don anderer Seite ward ich zu ber Senntniß bed ‚gegenwärtig Politiſchen geführt buch die Segen: gewaichte von Benz; fo wie mir von Auflldrung einzelner Zeitereigniffe noch wohl erinnerlich iſt, daß ein bei und wohnender Engländer von Bedeutung, Herr Osborn, die Strategie der Schlacht von Trafalgar, ihrem großen Sinn und kühner Aus: führung nach, umſtaͤndlich graphiich erflärte.

Seit 1801 wo ih nah uͤberſtandener großer Krankheit Pyrmont befucht hatte, war ich eigentlich meiner Geſundheit wegen in kein Bad gekommen; in Lauchſtaͤdt hatt' ich dem Theater zu Liebe manche Zeit zugebracht, und in Weimar der Kunſtausſtel⸗ lung wegen. Allein es meldeten ſich dazwiſchen gar manche Gebrechen, die eine duldende Indolenz eine Zeitlang hingehen ließ; endlich aber von Freunden und Aerzten beſtimmt, entſchloß ich mich Carlsbad zu beſuchen, um ſo mehr, als ein thaͤtiger und be⸗ hender Freund, Major von Hendrich, die ganze Reiſeſorge zu uͤbernehmen geneigt war. Ich fuhr alſo mit ihm und Riemer Ende Map's ab. Unter⸗

266

wegs beſtanden wir erft daB Abenteuer, den Huf- fiten vor Naumburg beizumohnen, und fu eine Ver⸗ legenheit anderer Art geriethen wir in Eger, als wir bemerften daß ung die Pälfe fehlten, die, vor lauter Geſchaͤftigkelt und Melfeanftalt vergeffen, durch eine wunderlihe Complication von Itmftänden auch an der Graͤnze nicht waren abgefordert worden. Die Pollzepbeamten in Eger fanden eine Form die- fem Mangel abzuhelfen, wie denn dergleichen Fälle die ſchoͤnſte Gelegenheit barbieten, wo eine Behörde ihre Competenz und Gewandtheit bethätigen Kann; fie gaben ung einen Geleitſchein nach Carlsbad gegen Merfprechen die Paͤſſe nachzuliefern.

An diefem Eurorte, wo man fi um zu genefen. aller Sorgen entfchlagen ſollte, kam man dagegen recht In die Mitte von Angft und Bekuͤmmernliß.

Fuͤrſt Neuß XIII., der mir immer ein gnaͤdl⸗ ger Herr gewefen, befand ſich daſelbſt, und war ge- neigt mir mit diplomatifcher Gewandtheit das Un— beit zu entfalten das unſern Zuſtand bebrohte. Glei⸗ ches Zutrauen hegte General Richter zu mit, der mid ind Vergangene gar manchen Blick thun ließ. Er hatte die harten Schickſale von Ulm mit erlebt, und mie warb ein Tagebuch vom dritten October 4805 bis zum fiebzehnten, als dem Tage der eber- gabe gedachter Feftung, mitgetheilt. So Fam der Julius heran, eine bedeutende Nachricht verbrängte bie andere. | Zu Foͤrderniß geologifcher Studien hatte, in den

89

uhren be: ich Carlobad nit beſacht, Joſeph Muͤller trenlich vorzearbeitet. Diefer wackere Mann, vom Turnau gebuͤrtig, aid Steinſchne lder erzogen, hatte ſich in dev. Welt mauncherlei verfacht, unb wer zuletzt in Carisbad einheimiſch geworben Dort beſchaͤſtigte er füh mit feiner Kunft mb. ger riet; auf den Gebanken bie Carlsbader Sprubdel⸗ ſreine in Tafeln zu ſchneiden und rekalich zu pellven, wodarch denn dieſe nusgeschhneten: Siater nach un nach der naturliebenden Welt beſlannt wurden. Von dieſen Prodnetionen ber heißen Quellen wenbete er ſich zn andern auffallenden Gebirgserzeugniſſen, ſammelte bie Zwillingskryſtalle des Feldſpathes, welche die dortige Umgegend vereinzelt finden laͤßt. Schon vor Jahren hatte er au unſern Syapter- gingen Theil genommen, als ich mit Baron von

" Madnis und andern Naturfreunben bebsutenden

Gebirgsarten nachging, und in der Folge hatte er Seit unb Muͤhe nicht gefpart, um eine mannichfaltige charakte riſtiſche Sammlung aufzuitellen, fie zu nu⸗ meriren und nach ſeiner Art zu beſchreiben. Da er nun dem Gebirg gefolgt war, ſo hatte ſich ziemlich, was zuſammengehoͤrte, auch zuſammengefunden, und es bedurfte nur. weniges, um fie wiſſenſchaft⸗ lichen Sweden näher zu führen, welches er fi beum auch, obgleich hie und da mit einigem Wliderſtreben gefallen ließ. Was von feinen unterſuchungen mir den groͤßten Gewinn verſprach war die Aufmerkſamkeit, die er

-

- 268

dem Uehergangsgeſtein gefhentt hatte, das fich dem Sranuit des Hirſchenſprungs vorlegt, einen ft Horuſtein durchzogenen Granit darſtelt, Schwe⸗ felkies und auch endlich Kalkſpath enthält. Die hei⸗ fen Quellen entſpringen unmittelbar hierans, und man war nicht abgeneigt In biefer auffallenden geo⸗ Iogifchen Differenz, durch den Zutritt des Waſſers, Exchieung und Aufloͤſung und fo das gehelmulßvolle Naͤthſel der wunberbaren Waſſer aufgcheiit zu ſehen.

Er zeigte mie ſorgfaͤlklig die Spuren obgedachten Geſteins, welches nicht leicht zu finden iſt, weil die Gebaͤnde des Schloßbergs darauf laſten. Wir zo: gen ſodann zuſammen durch die Gegend, befuchten bie auf dem Granit auffigenden Baſalte Aber dem Sammer, nahe dabei einen Ader, wo bie 3willinge- kryſtalle fich ausgepflügt finden. Wir fuhren nach Engelhaus, bemerkten im Drte felbft den Schrift: granit und anderes vom Granit nur wenig abweis chendes Geſtein. Der Klingftelnfelfen ward beftie- gen und beklopft, und von ber weiten, obgleich nicht erheiternden Ausſicht, ber Charakter gewon⸗ nen.

Su allem dieſem kam der günftige Umſtand binze, daß Herr Legationsrath von Struve, in biefem Fache fo unterrichtet als mitthellend und gefällig, feine fhönen mitgeführten Stufen belehrend fehen ließ, auch an unfern geologifhen Betrachtungen vies len Theil nahm und felbft einen ibeellen Durch⸗ ſchnitt des Leffauer und Hohdorfer Gebirges zeich⸗

j

2069 no nete, wodurch ber Zuſammenhang der Erbbrände

mit dem unter wmd: neben Ibegenden Gebirg deut:

lich dargeſtellt unb vermittelft vorltegender: Muſter,

ſowohl bed Orundgeſteins als ſeiner Veränderung Dad Feuer, belegt werben konnte.

Spazierfahrten, zu biefem Smwede angeftellt, weten zugleich beichrend, erheiternd und von * :Angelesenhelten des Tags ablenkend.

Spaͤterhin traten Bergrath Werner und Au⸗

uf von Herder, jener auf ddngene, bitfer auf

kuͤrzere Bett, an und heran. Wenn num auch, wie bei willenfchaftlichen Unterhaltungen inmer geſchleht, abweichende, ja emtraftitende Vorftellungkarten an

den Tag kommen, ſo iſt doch, wenn man bas Ge: ſpraͤch anf bie Erfahrung binzumenden weiß, gar ‚vieles zu lernen. Werners Ableitung bes Spru-

beis von: fortbrennenden Steintohlen - Flößen war

mir zu befannt, als daß ich hätte wagen ſollen ihm melne neuften Ueberzeugungen mitzutheilen, auch

gab er der Uebergangsgebirgsart vom Schloßberge,

‚die ich fo wichtig fand, nur einen untergeordneten

Werth. . Augufi von Herder tbeilte mir einige fhöne Erfahrungen. von bem Gehalt der Gebirgs⸗

-gänge mit, der verfchleben ift, indem fie nach ver-

ſchiedenen Himmelsgegenden ftreihen. Es iſt im⸗ mer ſchoͤn, wenn man das unbegrelfliche als⸗wirk⸗ lich vor ſich ſieht.

Ueber eine: pädagogifch-milktärkfche Anſtalt Bei

der Franzoͤfifchen Armee gab uns ein trefflicher aus

Seite! Werie. XXXI. Bd, 418

270

Bayern kommender Geiſftlicher genane Nachricht. Es werbe wimiih von Offickeren und tnbersffirionen am Sonntage eine Art von Katrchiſatlon gehalten, worin der Soldat über feine Pflichten fewohl ai auch über ein sewiffes Erkennen, fo weit es ihn in fſeinem Kreife fürbert, beichrt werbe. Man fah wohl bad bie Abiiht wear, durchaus Enge und ge⸗ wandte, fich ſeibſt vertraneude Menſchen zu Bisben; SHeh-aber ſetzte freitich voraus, daß ber fe an. führende araße Geiſt demungeachtet über jeden und ale herrorragend biich und von Naiſonncurs nichts gu fürhten hatte.

Ansft und Gefahr jedsch vermehrte ber Brave tuͤchtige Wähle aͤchter Deutfcher Patrioten, welche in der ganz; ernſtlichen und nicht einmal verhohlnen Abſicht einen Volkoaufftand zu organtſtren und zu bewirken, über bie Drittel dagı fich leibenfchaftiiih beſprachen, fo daß während wir von fernen Gewit- tern uns bedroht fahen, auch in ber naͤchſten Rüge ſich Nebel und Dunft zu bilden. anfing.

Indeffen war ber Deutihe Rheinbund. geſchlof⸗ fen und feine Folgen leicht zu uͤberſehen; auch fan: ben wir bei unferer Ruͤckreiſe durch Hof in den Zei⸗ die Nachricht: das Deutſche Reich fey aufs geloͤſt.

Bwiſchen biefe beunruhigenden Geſpraͤche jedoch traten manche ableitende. Landgraf Carl von Heſſen, tieferen Studien von jeher zugethan, unter: hielt ſich gern uͤber die Urgeſchichte der Menſchheit

371

eb war nicht absgeneist hoͤhere Anſichten anzuer⸗ kennen, ob man gleih.mit ihm eihtimmig anf einen folgerechten Weg nicht gelangen konnte.

Carlabad gab damals das Befähl, als wäre man im Lande Goſen; Defterreih war au einem ſchein⸗ bayen Frieden mit Frankreſch genoͤthigt und in Boͤh⸗ men ward man wenigſtens nicht, wie in Thuͤringen, durch Märfche unb Wiedermärfche jeden Augenblick aufgeregt. Allein kaum war man su Haufe, ale man das bedrohende Gemitter wirklich heraurollen ſah, bie entfchlebenfte Kriegserklaͤrung durch Heran⸗ marſch unuͤberſehlicher Truppen,

me leidenuſchaftliche Bewernug ber Gemuͤther Vffenbarte ſich nach ihrem verſchiedenen Verhaͤltniß und, wie ſich in ſolcher Stimmung jederzeit Maͤhr⸗ chen erzeugen, fo verbreitete ſich auch ein Geruͤcht von dem Tode des Grafen Hangwitz, eines alten Jugenbfreunbes, fräher als thätiger und gefälliger Minifter anerkannt, jebt der ganzen Welt verhaßt, ba ex den Unwillen der Deutſchen durch abgedrun⸗ gene Hinnelgung gu dem Srangdfifgen uehergewicht auf ſich geladen.

Die: Preußen fahren fort Erfſurt zu befeſtigen; ui; waere Farſt als Preußiſcher General, bereitet: ih zum Abzuge. Welche ſorgenvolle Verhandlua⸗ gon Ich mit aeinom treuen und -owig wunerbeftihen GSeſchaſtoſreunde dem Scuatoiniſter von Wotst danrate gewochſelt, möchte ſchwer auszufprechen

272

feun; eben fo wenig die ptaͤgnante Unterhaitung mit meinem Särten im PANpIABBERNET Nieder: roßla.

Die Herzogin Mutter bewohnte Tiefutt, Ca⸗ pellmeiſter Hummel war gegenwärtig, und man mufteiete mit ſchwerem Herzen; es iſt aber in ſol⸗ chen bedenklichen Momenten das Herkoͤnnnliche, daß Vergnägungen und Arbeiten, - gut -wie fen, Trinten,” Schlafen, in ——— Folge ERON der fortschen.

Die Sarlsbader Gebirgefolge war in Jena ange⸗ langt, ich begab mich am ſechs und zwanzigſten Sep- tember fie auszupaden und unter Beiftand des DI- rectors Lenz vorläufig zu katalogiren; auch ward ein ſolches Verzeichniß fuͤr das Jenaiſche Literatur⸗ Intelligenzblatt fertig geſchrieben und in die tey gegeben.

Indeſſen war ich in den Seitenligel des er ſes gezogen, um dem Fürften Hohenlohe Platz zu machen, der, mit feiner Truppenabtheilung wider⸗ willig heranrüdend, lieber auf der Straße nach Hof dem Feind entgegen zu gehen gewänfcht hätte, Die⸗ fer trüben; Unfihten ungeachtet, wand nach alter akademiſcher Weiſe mit Hegel manches phllofen phiſche Garitel Durchgeipronen. Schelling gab eire ;Erflärumg hexaus von Ths Beantwortet... Ich war bei Fuͤrſt Hohenlohe zu Tafel, ſah manche bes deutende Männer wieder, machte neue Belnunt-

275

ſchaften; niemanden war wohl, alle fühlten ſich in Verzweiflung, bie keiner umhin Eonnte, wo nicht durch Werte doch durch Betragen zu verrathen. Mir Obriſt von Maſſenb ach, dem Helßtenfe,: hatte ich eine wunderliche Scene. Auch bei ihm Im die Neigung zu ſchriftſtellern des politiſchen Klugheit und militairiſchen CThaͤtigkeit in den Weg. Er hatte ein ſeltſames Opus verfaßt, nichts Gerin⸗ geres als ein moraliſches Manifeſt gesen Napoleon. Jederman ahnete, fuͤrchtete die Uebergewalt ber Fraunzoſen, und fo geſchah es denn daß der Drucer begleitet von einigen Rathsperſonen ich ausiug, nnd fie ſaͤmmtlich mich dringenb baten, den Drud des vorgelegten Manuferiptes abzuwenden, welchen beim Einrügen des Franzoͤſiſcher Heeres ber ‚Stadt: nothwendig Verderben bringen muͤſſe. Ich lleß mir ed übergeben und fand eine Folge von Perboden, deren erſte mit ben Worten anfing: „Napoleon, ich liebte dich!” die letzte chen: ‚Ach dafte dich!“ Dezwiſchen waren alle Hoffnungen m Ermartuugen auege fyprochen, Die man anfengs ven ber Großheit bes: Mapoleon ſchen Charakters hegte, indem man bee außerordentlichen anne ſittilche menfchliche Zwecke unterlegen zu muͤſſen waͤhnte/ mad ‚sulent ward alles das Boͤſe was wen: in:der nee :Beit von ihm erdulden mülen., ihr, geſchaͤri⸗ ten. Auedruͤden vorgemorfen. ı Mit wenigen Beräir demmgm .hätte-man es ˖ in den Wrdruß⸗ aines ee trorenen: Aabhabexs über ſeine treue: Weltehte:

274

AMerfetzen Können, und ſo erſchlen deeſer weite: eben ſo daͤchorlich als yefährikth,

Durch dab Undriagen-ber wadern Jewenfer, mit denen ich fo viele Jahre Ger in zutem Verhaͤlkktniß geſtanden, uverſchritt ich das mir ſeibſt gegebene Gefetz, mich nicht in oͤffentliche Haͤrdel zu miſchen; Ich nahm das Heft und fand ben Autor in don weit⸗ laͤuftzen autiteu Ammern der Wilheimifken Apo⸗ ‚tele. Nach ornenerter Bekanntſchaft rüdte Ich mit meiner Yunteftation hervor, und hatte, wie zu etc warten, mit einem beharrlichen Autor gu than. aber Witch ein chen fo beharrlicher Buͤrger, usb ment bie: Arzumente, die frellich Gewicht gemug hatton, mit beredter Hefistelt:aud, To daß er zub- U nachgab. Jeh eriunere nich noch bad ein lauger fituter Preuße, dem Aufchn nach ein Mutant, in unbewegter. Stelung unb imveräuberten Oefchts zaͤyen dabel ſtand und fi wohl Aber He -Kühuhene eines Buͤrgers anerlich Verwundern mochte. Go⸗ was: ich· ſchled von Sem Obstfien im beſten Verneh⸗ men / verftunht': in meinen Banttalte perfanforiiiben @ehnde , die eigentlich am fir hinrrichend geweſen wien, on ber ein⸗ invr ——— beat: boaikten,

Minds tefehten mattce ich auf; es wre a Freitag den deltben Ortober. Din ale u Ceubs Ferdinand uf ich wa ſeluer Wwe wahtig inbifeemnlfich; Graerallleute aaut von Era⸗

OD von Malte, :Dinpinitun Wi

275

menftein, lehterer jung, Halbfranzos, freunb- ch und zutraulih. Su Mittag mit allen bei Fuͤrſt Hohenlohe zur Tafel.

Verwunderlich ſchienen mir bei dem großen Zu⸗ trauen auf Preußiiche Macht und Kriegsgewandtheit, Barnungen bie hie und ba an meinen Ohren vor⸗ übergingen: man ſolle doch bie befien Sachen, bie wichtigften Papiere zu verbergen ſuchen; ic aber, unter folhen Umſtaͤnden aller Hoffuung quitt, rief, als man eben die erſten Lerchen ſpeiſte: nun, wenn ber Himmel einfällt, fo werben Ihrer viel ge= fangen werben.

Den Sechften fanb ich in Weimar alles in voller Unruhe und Beſtuͤrzung. Die großen Charattere waren gefaßt und entichleden, man fuhr fort zum überlegen, zu befchließen: Verbleiben, wer fi entfernen follte? das war die Frage.

2 3 aU6 1982 OFOMORD X

u

-

Goethe’s

Vollſtaͤndige Ausgabe letzter Hand. j

-

}

Zweyunddreyßigſter Band.

Unter des durchlauchtigſten deutſchen Bundes ſchuͤtzenden Privilegien.

Stuttgart und Tuͤbingen, in der 9. ©. ECotta’fhen Buchhandlung. -: 185350

——

Iahalr i

Tags und Jahres: Sefte als Ergänzung meiner fen gen Belenntuiſſe, von 1807 bis 1822. Zum Andenken der Durchlauchtigſten Herzogin Anna Amalia. Zum Andenken des edlen Dichters, Bruders und Freun⸗ des Wieland.

u.

.

u...

nd und Sahres: Hefte ats ana

meiner

fonfiigen Bekenntniſſe.

Geethero Werte. XXXII. Sd.

1807.

Zu Ende des vorigen Jahrs war ˖das Theater (don wieder eroͤffnet, Balcon und Logen, Parterre und Galerie bevoͤllerten ſich gar bald wieder, als Wahrzeichen und Gleichniß, daß in Stadt und Staat: alles die alte Nichtung angenommen. Freillch hat⸗ ten wir von Gluͤck zu ſagen, daß der Kaiſer feiner Hauptmaxime getreu blieb, mit allem. was den Saͤchſiſchen Namen führte in Frieden und gutem Willen zu leben, ohne fich durch irgend einen Nas benumftand irre machen zu laffen. General Denzel, der in Jena vor fo viel Jahren Theologie ftudirt hatte, und wegen feiner Locallerintaiffe zu jener großen Erz pebdition berufen ward, zeigte fi ald Commandant zu freundlicher Behandiung gar geneigt. Der jün« gere Mounter, bei uns erzogen, mit Freundſchaft an manches Haus geknuͤpft, war ald Commiſſaire⸗ Drdonnatent angeitelt und ein gelindes Merfahren beſchwichtigte nach :und nach. die. beunruhlgten Ge⸗ mäther. Jeder⸗hatte von den fhlimmen Tagen ber etwas zu erzählen und gefiel fih In Erinnerung uͤderſtandenen Unheild, auch ertrug man gar manche Laft willig, als die aus dem Stegreif einbrechenden Schrecniſſe nicht mehr zu. fürchten waren.

Ich und meine Naͤchſten fuchten alfo dem Thea⸗

4

ter feine alte Conſiſtenz wieder zu geben, und es gelangte, zwar vorbereitet aber doch zufällig, zw. einem neuen Glanz, buch eine freundliche dem in⸗ nigften Frieden herftellende Kunfterfhelunng. Taffo ward aufgeführt , allerdings nicht erft unter ſolchen Stürmen, vielmehr laͤngſt Im Stillen eingelerut: denn wie bei und antretenbe jüngere Schauſpieler ſich in manchen Rollen uͤbten, die ſie nicht alſobald übernehmen ſollten, fo verfuhren auch bie aͤlteren,

indem fie manchmal ein Stüd einzulernen unter-

nahmen, das zur Anfführung nicht eben gleich ges eignet ſchien. Hiernach hatten fie auch Taſſo feit geraumer Zeit unter fich verabredet, vertheilt und einſtudirt, auch wohl in meiner Gegenwart gelefen, ohne daß ich jedoch, aus verzeiblihem Unglauben und daran geknuͤpftem Gigenfinn, die Vorſtellung hätte anfagen und entfcheiden wollen. Nun, ba manches zu ftoden fehlen, da fich zu anderem Neuen. weder Gelegenheit noch Muth fand, nothwendig zu felernde Feſttage fih drängten, da regte fih bie freundliche Zudringlichkeit meiner lieben Zöglinge, fo daß ich zuletzt dasjenige halb unwillig zugeftand was ich eifrig hätte wünfchen, befördern und mit Danf anertennen follen. - Der Beifall ben dag Stud genoß war volllommen ber Meife glei, bie- es durch ein liebevolles anhaltendes Stubium ges wonnen batte, und ich ließ mic gern beſchaͤmen, indem fie dasjenige als möglich zeigten was Ich

hartuddig als unmöglich abgewiefen hatte. -

5

Mit beharrlicher frener Sorgfalt. ward auch bie nächften Monate das Theater behandelt, und junge Schauſpieler in allem was ihnen nöthig war, befon- ders in einer gewiſſen natürlichen Geſetztheit, und ‚eigener perfönlichen Ausbildung, die alle Manier ausſchließt, geleitet und unterrichtet. Cine höhere Bedeutung für die Zukunft gab fodann der ſt an d⸗ hafte Prinz, ber, wie er einmal zur Sprade gelommen, im Stillen unaufhaltfam fortwirkte. Auf ein anderes, freilich In anderem Sinne, proble- matifches Theaterſtuͤck hatte man gleichfalls ein Auge geworfen, es war der zerbrochene Krug, der gar manderlei Bedenken erregte, und eine hoͤchſt üngünftige Aufnahme zu erleben hatte. Uber ei- gentlich erholte fih das MWeimarifhe Theater erft durch einen längeren Aufenthalt in Halle und Lauch⸗ ftädt, wo man, vor einem gleichfalls gebildeten, zu böhern Forderungen berechtigten Publicum, das Beſte was man liefern konnte zu leiſten genöthigt war. Das Mepertorium biefer Sommervoritellun- gen iſt vielleiht das bedeutendfte was die Wei⸗ marifhe Bühne, wie nicht Leicht eine andere, in fo kurzer Zeit gedrängt aufzumelfen hat.

Gar bald nach Aufführung des Taffo, einer fo reinen Darftellung zarter, geift- und Tiebevoller Hof: und Weltfcenen, verließ Herzogin Amaile den für fe im tiefften Grund erfchätterten, ia zerftör- ten Daterlandeboden, allen zur Trauer, mir zum befonderen Kummer. Ein elliger Auffag, mehriin

6 Geſchaͤftsform als in höherem inneren inne abge- faßt, follte nur Bekenntuiß bleiben, wie viel mehr ihrem Andenken id zu wibmen verpflichtet ſey. Indeſſen wird man jene Skizze zunaͤchſt mitgerheilt finden.

Um mid aber von allen biefen Bedraͤugniſſen loszureißen und meine Gelfter Ind Freie su wenden, kehrte th an die Betrachtung organifher Naturen zuräd. Schon waren mehrmals Anllänge bis zu mir gebrungen, daß die frühere Dentweife die mich gluͤcklich gemacht auch in verwandten Gemäthern fi entwidie; daher fühlt ich mich bewogen die Metemorphofe der Pflanzen wieder abdruden gu laffen, manchen alten Heft und Papierbuͤndel durchzuſehen, um etwas ben Naturfreunden-Ange- nehmes und Nuͤtzliches daraus zu ſchoͤpfen. Ich glaubte bes Gelingens dergeſtalt ſicher zu ſeyn, daß bereits im Meßkatalog Oſtern dieſes Jahres, eine Ankuͤndigung unter dem Titel: Goethe's Ideen über organiſche Bildung dieſerne⸗ gen auftrat, als koͤnnte zunaͤchſt ein ſolches Heft ausgegeben werden. Die tieferen, hierauf bezuͤg⸗ lichen Betrachtungen und Studien wurden deßhalb ernſtlicher vorgenommen als je; beſonders ſuchte ‚man von Casp. Ft. Wolfs Theorie der Genera⸗ tion ſich Immer mehr zu darchdringen. Die aͤlteren oſteologiſchen Anfihten, vorzuͤglich bie im Jahre 1791 in Venedig von mir gemachte Entdeckung, daß der Schädel and Ruͤcenwirbeln gebildet ſey, warb

7 naͤher belerchtet, und mit zwey theilnehmenden Freunden, Wotgt dem Juͤngeren, und Riemer, verhandelt, welche beide mir mit Erſtaunen bie Nachricht brachten, daß fo eben dleſe Bedentung der Schaͤdelknochen durch ein alademiſches Programm Ins Publicum geſprungen fey, wie fie, da ſie noch leben, Zeugniß geben koͤnnen. Ich er⸗ Fuchte ſie ſich ſtile zu halten, denn daß Im eben ge⸗ dachtem Programm die Sache nicht geiſtreich durch⸗ drungen, nicht aus der Quelle geſchoͤpft war, fiel dem Wiſſenden nur allzuſehr in die Augen. Es geſchahen mancherlel Verſuche mich reden zu machen, aAllein·ich wußte zu ſchweigen. |

Naͤchſtdem wurden bie verfanmmelten Freunde der orzaniſchen Metamorphoſen⸗Lehre buch einen

Zufall boguͤnſtigt: es zeigt ſich nämlich der mono- ceulus apas manchmal, obgleich ſelten, in ſtehen⸗ den Waſſern der Tennifchen Gegend; dergleichen ward mtr dießmal gebracht, und nirgends iſt wohl dle Verwandlung eines Glieds, das Immer baffel- vige bleibt‘, in eine andere Geſtalt deutlicher vor Augen zu fehen als bei dieſem Geſchoͤpfe.

Da wan ferner feit fo viel Fahren Bergum Berg beftiegen,, Fels um Fels beklettert und beklopft, auch uhr verfdumt wurde Stellen und Schädite

zu befahren, fo Hatte ich auch die Naturerfcheinun- tler Yet ſelbſt gesetchnet und ihre Welfe und Weſen mir einzudruͤcken, theils zeichnen laffen, um richtigere UNbbildungen an gewinnen und feſtzuhal⸗

-

1

‚8

ten. Bel allem diefem ſchwebte mir immer ein Mo⸗ del im Sinne, wodurd das anfchaylicher zu mache wäre, wovon man fid) in der Natur überzeugt hatte. Es folte auf der Oberfläche eine Landſchaft vorftel=

len, die aus dem flahen Lande bis in das hoͤchſte

Gebirg fih erhob. - Hatte man die, Durchſchnitts⸗ theile auseinander gerüdt, fo zeigte. fih an den in- nern Profilen das Fallen, Streihen und was fonfk

“verlangt werden mochte. Diefen erften Verſuch be-

wahrte ich lange, und bemühte mich Ihm von Zeit zu Zeit mehr Vollſtaͤndigkeit zu „geben. Freilich

‚aber ſtieß Ich dabei auf Probleme die fo leicht nicht

zu löfen waren. Hoͤchſt erwuͤnſcht begegnete mir daher ein Antrag Des wadern Naturforſchers Ha⸗

berie, den Kegationsrath Vertuch bei mir einge-

führt hatte. Ich legte ihm meine Arbeit vor mit dem Wunfch, daß er fie weiter bringen möge; allein bei einiger Berathung darüber ward ich nur allzu⸗

bald gewahr, daß wir in der Behandiungsart nicht ‚übereinftiimmen dürften. Sch überließ ihm jedoch

bie Anlage, auf feine weitere Bearbeitung hoflend, babe fie aber, da er wegen meteorologifher Miß⸗ lehren fih von Weimar verdrießlich entferute, nie= . mals wiedergefehen.

Hochgeehrt fand ih mich auch in der erſten Haͤlfte des Jahrs, durch ein, von Herrn Alexander von Humboldt, in blidlicher Darſtellung mir, auf fo bedeutende Weiſe, gewidmetes gebaltvolles Werk: Ideen zu einer Geographie ber Pflan⸗

9 = zen, nehft einem Naturgemahlde der Tropen⸗ laͤnder.

Aus fruͤhſter und immer erneuter Freundſchaft für den edlen Verfaſſer und durch dieſen neuften, mir fo ſchmeichelhaften Anklang aufgerufen, eilte Ih das Werk zu findiren; allein die Profilcharte dazu follte, wie gemeldet ward, erft nachkommen. Ungeduldig meine völlige Erkenntniß eines folhen Werkes aufgehalten zu feben, unternahm ich gleich, nach feinen Angaben, einen gewiſſen Raum, mit Höhenmaßen an der Selte, in ein landſchaftliches Bild zu verwandeln. Nachdem ich, der Vorſchrift gemäß, die tropifche rechte Seite mir ausgebildet, und fie als die Licht: und Sonnenfeite dargeftellt hatte, fo ſetzt' ich zur linken an bie Stelle der Schattenſeite die Europdlihen Höhen, und fo ent- ftand eine ſymboliſche Landſchaft, nicht unangenehm dem Anblick. Diefe zufällige Arbeit widmete ih Infchriftlich dem Freunde, dem ich fie ſchuldis ger worden war.

Das Induſtrie⸗Comptoir gab eine Abbildung mit einigem Text heraus, welche auch auswärts fo viel Gunſt erwarb, daß ein Nachſtich davon in vn erſchien.

Zu der Farbenlehre wurden, mit Genanigkeit . and Mühe, die laͤngſt vorbereiteten Tafeln nach und nach ind Reine gebracht und geftochen, indeſſen der Abdeud des Entwurfs immer vorwärts rädte und zu Ende des Januars vollendet ward, Nun

40

Tomte man fih mit mehr Freiheit an bie YolemiE ‚wenden. Da Newton burch Verknüpfung mehrerer Werlzenge und Vorrihtungen einen erperimentalen Unfug getrieben hatte, fo wurden befonders die Phaͤnsmene, wenn Priemen und Linſen anfeinander werten, entwickelt und überhaupt. Die Newtoniſchen Erperimente eins nach bem andern genauer unter⸗ ſucht. Somit konnte denn der Anfang des polemi⸗ fhen Theils zum Drud gegeben werben; das Ge⸗ ſchichtliche Kehlelt man zugiefh immer im Auge. Nuguet über bie Farben aus bem Journal de Tre- voux war höchft willkommen. Auch wandte man ſich zuruͤck in die mittlere: Zeit; Roget Bacon Yam wieder zur Sprache und zur Vorbereitung fſchrleb man das Schema bes funfzehnten Jahrhunderte. Freund Meyer ſtudirte das Eolorit der Alten and. fing an einen Aufſatz daruͤber auszuarbeiten; bie Berbbenfte diefer nie genug gu ſchaͤtzenden claf- iſchen Altvordern wurden In ihrer reinen Natuͤrlich⸗ keit redlich geachtet. Eine Einleitung zur Farben⸗ Aehre, dazu ein Vorwort, war geſchrieben; auch verſuchte ein theilnehmender Freund eine Ueber⸗ ſetzung ins Franzoͤſiſche, wovon mic bie bie jetzt erhaltenen Blätter noch immer an die ſchoͤnſten " Stunten erimmern. Indeſſen mußte die Polemik ‘immer fortgefegt und die gedbrudten Bogen beider Thelle berihtigt werten. Am Ende bes Jahre waren dreyßig Aushängebogen des erſten, umb fünfe des zweyten Theile in mrinen Händen,

11 Wie ed.nun geht, wenn man ſich mit Gegen⸗

ſtarren lauge beſcaftigt und fie und. fa bekannt und |

eigen werden, daß fie uns bei jeder Gelegenheit Sorfchweben, fo gebraucht man ſie auch g lei chniß⸗ weife tm Scherz und Craft; wie ih denn ein naar gluͤckliche Einfälle heiterer Freunde in unfern lite⸗ rariſchen Mitthellungen anführen werde.

: Das Manufeript zu meinen Schriften wirb nach

und nach abgefendet, die erfte Lieferung. kommt ge: druckt an.

ch vernehme Haderts Tod, man äßerfendet

mir nach ſeiner Anordnung biegraphiſche Aufſaͤtze und Stlzzen, ic). ſchreibe fein Leben im Auszuse/ guerft fuͤrs Morgeunblatt.

Der workährige Aufenthalt In Carlsbad hatte mein Befinden dergeſtalt verbeffert, daß ich wohl das Sluͤck, dem großen hereinbrechenden Kriegsun⸗ heil nicht unterlegen zu ſeyn, ungezweifelt jener forgfäftig gebrauchten Eur zuſchreiben durfte. Ich entſchloß mid daher zu einer abermaligen Retſe und zwar einer baldigen, mund ſchon in ber zweyten Hälfte bes Man's war Ich dafſelbſt angelaugt. An

Hieineren Beſchichten, erfonnen , angefangen, fort.

geſetzt, ausgefaͤhrt, war” biefe Jahreszeit reich; fie ſollten alle durch einen romantiſchen Faden unter

sen Titel: Wilhelm Meiſters Wander: .

.iahre zuſammengeſchlungen, ein wuaderlich an- ziehendes Ganze bilden. Zu dieſem Hweck finden

42

fich bemerkt; Schluß der neuen Melufine, - der

1 *

Manu von fänfjig Jahren, die pilgernde Thoͤrin. Gluͤcklich war ich nicht weniger mit Joſeph Muͤl⸗

ders Carlsbader Sammlung. Die Vorbereitungen |

bes verfloffenen Jahres waren forgfältig und hin- reichend; ich hatte Beifpiele der darin aufzuführen- Sebirgsarten zur Genuͤge mitgenommen und bie- felben, meine Zwede hartnädig verfolgend, in dem Senaifhen Mufeum niedergelegt, mit DBergrath Lenz ihre Charakteriftit und dem Vorkommen ge-

maͤße Anordnung beſprochen.

Alſo ausgeruͤſtet gelangt' ich dießmal nach Carls⸗ bad in die Fuͤlle des Muͤlleriſchen Steinvorraths. Mit weniger Abweichung von der vorjaͤhrigen Ord⸗ nung, in welcher ich eine Muſterſammlung noch beiſammen fand, wurde, mit gutem Willen und Veberzeugung des alten Steinfreundes, bie ent- fchledene neue Ordnung beliebt, fogleich ein Auf: faß gefertigt und wiederholt mit Sorgfalt darchte⸗ gangen.

Ehe der kleine Aufſatz nun abgedruckt werden konnted mußte die Billigung ber obern Prager Be⸗

hoͤrde eingeholt werben, und fo hab’ ich bad Ver⸗

gnügen auf einem meiner Manuferipte das Vidi ‘der Prager Cenſur zu erkliden. Diefe wenigen Bogen folten mir und andern in der Folge zum

" Leitfaden dienen und zu mehr fpecieller Unterfuchung

Anlaß geben.

N

13

Zugleich war die Abficht gewiſſe geolagifche Ueber⸗ zeugungen in die Wiſſenſchaft einzuſchwaͤrzen.

Fuͤr den guten Jeſeph Müller aber war die er⸗ freuliche Folge daß bie Aufmerkſamkeit auf ſeine Sammlung gerichtet und mehrere Beſtellungen darauf gegeben wurden. Doch ſo eingewurzelt war ihm die, freilich wegen der Concurrenz fo noͤthige Geheimnißluſt, daß er mir den Fundort von eini- gen Nummern niemals entdecken wollte, vielmehr die feltfamften Ausflüchte erfann um feine Steunde "und Gönner irre zu führen.

In reiferen Jahren, wo man nicht mebr fo bef: tig wie fonft durch Zerſtreuungen In die Weite ge- trieben, durch Leidenichaften in bie Enge gezogen wird, hat eine Badezeit große Vortheile, indem die Mannichfaltigkeit fo vieler bedeutender Perfonen von allen Seiten Lebendbelehrung zuführt. So war diefes Fahr in Carlsbad mir Höchit günftig, in⸗ dem nicht nur bie reichfte und angenehmfte Unter: haltung mir ward, (ondern fich auch ein Verhaͤltniß antnüpfte, welches ſich in ber Folge fehr fruchtbar auebiidete. Ich traf mit dem Mefidenten von Meindard zuſammen, der mit Gattin und Kin: dern diefen Aufenthalt wählte, um yon harten Scickſalen fih zu erholen und auszuruben. In fruͤheren Jahren mit in die Franzoͤſiſche Revolution verflochten, ‚hatte er ſich einer Folge von Genera⸗ tionen angeähnlicht, war durch miniſterlelle und diplomatifhe Dienfte hoch empor gelommen. Na⸗

18

poleon-, der⸗ihn nicht lleben · konnte, mußte ihn doch zu gebrauchen, ſendete ihn aber zulezt an einen me erfreutktchen und -gefäßriihen Poſten, nah Jaſſi, “mo er feiner Pflicht treulich vorſtehend eine Zeit lang verweitte, ſodann aber von den Ruffen aufge⸗ hoben, durch manche Länderftreden mit ben Setnts" gen geführt, endlich auf bienfame Mörftellungen: wieder Iosgegeben wurde. Hlevon hatte feine hoͤchſt . gebildete Gattin, eine Hamburgerin, Reimarus Tochter, eine treffliche Beſchreibung aufgefetzt, wo⸗ durch man die verwidelten, aͤngſtlichen Zuſtaͤnde . genauer einfah und zu wahrer Thellnahime hinge- noͤthigt wurde. | Schon ber Moment, in welchem ſich efu‘ neuer wuͤrdtger Landsmann von Schiller und Euvier dar⸗ ſtellte, war bedentend genug um alſobald eine nd» here Verbindung gu bewirken. Weide Gatten, wahr: haft aufrichtig nnd deutſch geſinnt, nach allen Get- teh gebildet, Sohn und Tochter anmuthig und lie⸗ benswuͤrdig, hatten mich bald in ihren Kreis ge⸗ zogen. Det trefftiche Mann ſchloß ſich um fo mehr am mich, als er, Nepräfentant einer Nation die im Augenbiick fo vielen Menfchen wehe that, von der übrigen geſelligen Welt nicht wohlwellend angeſehen werden kowte. 3 Ein Mann vom Geſchaͤftsfache, gewohnt ſtch bie

fremdeſten Angelegenheiten vortragen am laffen, um

ſolche alsbald zurecht gelegt in klarer Ordnung zu

erkennen, leiht einem jeden fein Ohr, md fe

1

> 45: goͤnnte mir auc-birfen. neue: Freund aubaltenbe Naf⸗ mertſamkeit, als Ach ihm meine: Farbenehre vorr zutragen nicht untenlaffen -Ionste. Er werd ſehr bald damit; vertraut, uͤbernahm die Ueberſetzung einiger: Stellen, ja wir machten ben: Verſuch einer ſonderbaren wechſelſeitigen Wiittkeitung , indem ich ihm Geſchichte und Schiectſele der Farbenlehre, voa/

den aͤlteſten Zeiten his auf bie-nenften,. und auch meine. Bemuhnngen, eines Morgens: aus dem Stegreif vorarug, und. er Dagegen: ſeine Lebensge⸗ ſchichte am andern; Zage- gleichfale ſummarifche err aͤhlta. So wurden, mir dem, Ic mit. dem: was ihm Sagegnet, er mit. dem wasmiuch auf. das leb⸗ hafteſte beſchaͤftigte, zugleich bekannt, und ein in⸗ nigeres Eingreifen in die wartete Intereſſen erlaichtett.

Zunachſt: hab ich nun der Günkin. Solme einer gebornen Prinzeſſin von Dendienhurs. zu gedrafen, : die mir Immer, wo ich ihr auch begegnete, ein gnaͤ⸗ diges Wohlwollen erwies. Sie veranlaßte mich jederzeit ihr etwas vorzul. ma, und Ich. mählte ſtete das Neuſte was mir aus Siun unk Herz: berwergen quollen war, wodurch denn Pie Di vtuug edeomal als der Ausdruck eines wahren Gefahls audr wahr erſchlen und, weil fie: aus dem Innern ‚beruortrat,. wieder aufs Innerſte ihre Wirkung ausübte. Eine freundlich. finnige Hofdame, Froaͤnlein Leſtecq, war ed, welde mit gutem Geifee dieſen vertraulichen

|

16 „,

Sodann foßte mir der Name Reinhard nod einmal thener werben. Der Königl. Saͤchſiſche Oberhofprediger ſuchte feine ſchon ſehr serrüttete Geſundheit an der heißen Quelle wieder aufzubauen. So leid es that, dieſen Wackern in bedenklichen Krankheitsumſtaͤnden zu ſehen, ſo erfreulich war die Unterhaltung mit ihm. Selne ſchoͤne ſittliche Natur, fein ausgebildeter Geiſt, fein redliches Wollen, fo. wie feine prattifche Einficht was zu wuͤnſchen und zu erfireben ſey, traten überall, in ehrwuͤrdiger Lies benswärbigteit hervor. Ob er gleich mit meiner Art mich uͤber das Vorliegende zu Außern fich nicht ganz befreunben konnte, ſo hatt' ich doch die Freude in einigen Hauptpuncten gegen bie berrihende Mei⸗ nung mit ibm vollkommen überein zu ftimmen, - woraus er einfehen mochte, daß mein ſcheinbarer liberaliſtiſcher Indifferentismus, im tiefiten Ernſte mit ihm praktiſch zuſammen treffend, dech nur eine Maske feyn dürfte, hinter der ich mich fonft gegen Yedanterie und Dünfel zu fhäßen fuchte. Auch ges wann ich in. einem Hohen Grade ſein Vertrauen, wodurch mir manches Treffliche zu Theil ward. Und ſo waren es fittliche, das Unvergängliche beruͤhrende Geſpraͤche welche das Gewaltſame der aufelnander folgenden Kriegsnachrichten ablehnten ober. ‚mil: derten.

Die erneuerte Bekanntſchaft mit dem Kreishanptmann von Schiller gewährte gleich falls, ungeachtet der enden Arbeiten diefes äber-

haͤuf⸗

17

haͤuften Gefhäftömannes,, gar manche angenehme Stunde. Auch aberrafchte mich durch feine Gegen: . wart Hauptmann Blamenſtein, den ih vor einem Jahr in Jena, am furdtbaren Worabend un: ferer Ungläddtage, tbeiluehmend und aufrichtig ge- " fanden. Voller Einſicht, Heiterkeit und gluͤcklicher Einfaͤlle war er ber befte Gefelfchafter, und wir trieben manden Schwant zuſammen; doch konnte er, als leidenſchaftlicher Preuße mir nicht verzeihen, daß ich mit einem Franzoͤſiſchen Diplomaten zu ver- traulich umgehe. Aber auch biefed warb durch ein paar Iuftige Einfälle bald zwiſchen uns in Freund⸗ ſchaft abgethan.

Nun aber ſchloß fich mir ein neuer Kreis auf: Fürftin Bagration, ſchoͤn, relzend, anziehend, verſammelte um ſich eine bedeutende Gefellfchaft. Hier warb ich dem Fuͤrſten Ligne vorgeftellt, deſſen Name mir. fchon fo viele Jahre befannt, deſſen Perfoͤnlichteilt mir. durch Werhältniffe zu meinen Freunden höchft merhwürbig geworben. Seine Ge⸗ genwart beftitigte feinen Ruf; er zeigte fi Immer heiter, geiftreich, allen Vorfaͤllen gewachſen und als Welt: und Lebemann überall willfommen und zu’ Kaufe. Der Herzog von Koburg zeichnete ſich aus durch ſchoͤne Geftait und anmuthig wuͤrdiges Be⸗ tragen. Der Herzog von Weimar, den ich in Be⸗ zug auf mich zuerft ‚hätte nennen follen, weil ich ihm bie ehremvolle Aufnahme in biefen Kreis gu : serbanten hatte, beliebte benfelben durch ſeine Ge⸗ Goethe) Werte. XXXII. Bd. 2

m

7

18

genwart vorzüglich. Graf Corneillan war auch

hier, durch ſein ernſtes ruhlges Betragen und da⸗ durch daß er angenehme Kunſtwerke zur Unterhal⸗ tung brachte, immer willlommen. Vor der Woh⸗ nung der Fuͤrſtin, mitten auf der Wieſe, fanden

ſich ſtets einige Glieder dieſer Kette zuſammen;

unter dieſen auch Hofrath von Genz, der mit großer Einſicht und Ueberſicht der kurzvergangenen Kriegsereigniſſe mir gar oft ſeine Gedanken vertrau⸗ ih eröffnete, die Stellungen der Armeen, den Er⸗ folg der Schlachten und endlich fogar die erſte Nach⸗

richt von dem Frieden zu Tilſit mittheilte,

An Aerzten war dießmal Carlsbad gleichfalls ge: ſegnet. Dr. Kappe von Dresden nenne ich zuerſt, deſſen Anweſenheit im Bade mich immer gluͤcklich

machte, weil feine Unterhaltung uͤberaus lehrreich

“and feine Sorgfalt für den der ſich Ihm anvertraute

hoͤchſt sewiffenhaft war. Hofrath Sulzer von Ronneburg, ein treuer Naturforfcher. und emſiger Mineralog, ſchloß ih an; Dr. Mitterbacher, fofern feine Gefchäfte erlaubten, war aud bei: räthig. Dr. Florian, ein Böhme von Mamen:

- tin, trat gleichfalld hinzu, und fo hatte man Ges

legenheit mehr. als eine der Arztlihen Dent:k und Behandiungswelfen gewahr zu werden.

Auch von Seiten der Stadt und Reglerung fchien man geneigt, Anftalt zu treffen, dieſe heißen Quel⸗ len beffer ale bisher zu ehren; und den herangelod: ten Fremden eine angenehmere Localität zu berei-

419

‚ten. Ein zur Selte bes Beruhardfelſens angeleg- tes Hofpital gab Hoffnungen für die unvermögende -

Stoffe, und die. höheren Stände freuten ih ſchon zum Voraus, dereinft am Neubrunnen einen be- quemern und ſchicklichern Spaziergang zu finden. Man zeigte mir die Plane vor, die nicht anders als zu billigen waren; man hatte die Sache wirklich

im Großen überdacht, und ich frente mich gleich⸗ falls der nähen Ausfiht, mir fo viel taufend an

deren aus dem möglichft unanftändigen Gedränge in eine würdig geräumige Säulenhalle verfept zu fepn.

Meiner Neigung zur Mineralogie war noch

manches andere fördert. Die Porcellanfadrik in Dalwitz beftätigte mich abermals in meiner Ueber: zeuzung daß geognoftifche Kenntniß im Großen und im Kleinen jedem praftifhen Unternehmen von ber größten Wichtigkeit ſey. Was wir fonft nur diefem . oder jenem Lande zugeeignet glaubten, wiſſen wir jetzt an hundert Orten zu finden: man ‚erinnere fi der vormals wie ein Kleinod geachteten Saͤchſiſchen Porzellanerde, die fi jetzt überall hervorthnt.

Fuͤr ein näheres Verftändniß der Edelſteine war

mir die Gegenwart eines Juweliers, Zoͤldner von Prag, hoͤchſt intereffant: denn ob ich Ihm gleich nur weniges abfaufte, fo machte er mich-mit fo vie- ‚lem befaunt was mir im Angenblid zur Freude und in der Folge zum Naben gereichte.

Uebergehen will ich nicht, Daß Ich in meinen Tage⸗ buͤchern angemerit finde, wie ‚bes Dr. Haus:

Z 30

mann und feiner Reiſe nach Norwegen -mit Ehren und Zutrauen in der: Befelpsait gedacht worden.

Und ſo wurde mir auch noch, wie gewdhnlich in den ſpaͤteſten Tagen des Carlsbader Aufenthalts, Bergrath Werners Anweſenheit hoͤchſt belebend. Wir Lannten einander ſeit vielen Jahren, und har⸗ monirten, vielleicht mehr durch wechſelſeitige Nach⸗ ſicht, als durch uͤbereinſtimmende Grundſaͤtze. Ich vermied feinen Sprudelurſprung aus Kohlenfloͤtzen zu beruͤhren, war aber In andern Dingen aufrichtig und mittheilend, und er, mit wirklich mufterhafter Gefaͤlligkeit, mochte gerirmeinen dynamiſchen Che: fen, wenn er fie audı für: Brillen hielt, aus reicher Erfahrung beichrend nachhelfen.

Es dag mir damals mehr als je am Herzen, bie porphyrartige Blidung gegen conglomeratiſche her⸗ vor zu heben, und ob ihm gleich das Princip nicht zuſagte, fo machte er mich doch in Gefolg meiner Fragen mit einem höchft wichtigen Geſtein befannt; er nannte es nach trefflicher eigenartiger Beſtim⸗ mung, dattelfoͤrmig koͤrnigen Quarz, der bei Prie⸗ born in Schleflen gefunden werde. Er zeichnete mir fogleich die Art und Weife des Erſcheinens, und

veranlaßte daburch vielidhrige Nachforfehungen.

88 begegnet und auf Reifen, wo: wir entweder mit fremden oder doc Lange nicht. gefehenen Per⸗ onen, es fey nun an ihrem Wohnort oder aud unterwegs, zuſammentreffen, da wir fie ganz an-

21

ders finden;. als wir ſie zu denken gewohnt ware, Wir erinnern uns, daß dieſer oder jener namhafte Mann einem ober dem andere Wiſſen mit Neigung nnd Leidenſchaft zugethan iſt; wir treffen ihn und wuͤnſchen und gerade in dieſem Fache gu betehren, und ſiehe da, er hat ſich ganz wo anders hingewenz bet, uud das was wir bei ihm ſuchen iſt ihm voͤlliz aus den Augen gekommen. So ginges mir dieß- mal mit Bergrath Werner, welcher oryktognoſtiſche und. geognoſtiſche Geſpraͤche lieber vermied und un⸗ ſere Aufmertſamkeit für ganz andere Gegenſtaͤnde forderte.

Der Sprachforſchung war er dießsmal ganz eigente lich ergeben; Deren Urſprung, Ableitung, Verwandt⸗ > Schaft gab feinem: ſcharfſinnigen Fleiß hinreichende Beidäftigung, und es bedurfte nicht viel Seit, fo: hatte. er und. audy für diefe Studien gewonnen; Cr führte eine. Bibliothet von Pappentaften mit fich, worin er alles was hierher gehörte, ordnungsgemäß, wie es einem ſolchen Maun geziemt, verwahrte und dadurch eine freie, geiftrehhe Mittheilung erleich⸗

terte: ji Damit aber dieſes nicht allzu parador erſcheine, fo denke man an die Noͤthigung, wodurch dieſer Treffliche in ein ſolches Fach hingedraͤngt worden. | Jedes Wiſſen fordert ein zweytes, ein drittes und Immer fofort; wir mögen den Baum in feinen Wurzeln oder in feinen Aeſten und Zweigen verfol- gen, eins exglbt fi Immer aus dem. andern, und.

22

je lebendiger irgend ein Wiffen in und wird, defte mehr fehen wir und getrieben, es In feinem Zufam- menbhange auf: und abwärts zu verfolgen. Werner hatte fich in feinem Zach, wie er herankam, für bie Einzelheiten foiher Namen bebient, wie fie feinem Vorgänger beliebt; da er aber zu unterfcheiben an- fing, ba fi täglich neue Gegenſtaͤnde aufdrangen, fo fühlte er die Nothwendigleit ſelbſt Namen zu er⸗ theilen.

Namen zu geben iſt nicht ſo leicht wie man denkt, und ein recht gruͤndlicher Sprachforſcher wuͤrde zu manchen ſonderbaren Betrachtungen aufgeregt wer⸗ den, wenn er eine Kritik der vorliegenden orvkto⸗ gnoſtiſchen Nomenclatur ſchreiben wollte. Werner fühlte das gar wohl, und holte freilich weit aus, indem er, um Gegenftände eines gewiſſen Fachs zu benennen, die Sprachen überhaupt In ihrem Ent- ftehen, Entwidiungs- und Blidungsfinne betrach- ten und ihnen das was gu feinem Zwecke gefordert ward, ablernen wollte.

Niemand hat das Recht einem geiftreichen Manne vorzuſchreiben, womit er ſich beſchaͤftigen ſoll. Der Geiſt ſchießt aus dem Centrum ſeine Radien nach ber Peripherle, ſtoͤßt er dort an, fo laͤßt ers auf ſich beruhen, und treibt wieder neue Verſuchslinien aus der Mitte, auf daß er, wenn ihm nicht gegeben iſt ſeinen Kreis zu uͤberſchreiten, er ihn doch moͤg⸗ lichſt erlennen und ausfuͤllen moͤge. Und wenn auch Werner uͤber dem Mittel den vergeſſen haͤtte,

N

| f

23

welches wir doch kelneswegs behanpten dürfen, fo’ waren wir boch Zeugen ber Freudigleit, womit er das Geſchaͤft betrieb, und wir lernten von ihm und lernten ihm ab, wie man verfährt, um fich in einem - Unternehmen zu befchränfen, und darin eine Seit lang Gluͤck und Befriedigung zu finden

. Sonft ward mir weder Muße noch Gelegenheit In ditere Bebandlungen der Naturgefchichte einzu- geben. Ich ftudirte den Albertus Magnus, aber mit wenigem Erfolg. Dean müßte fi) den Zuftand feines Jahrhunderts vergegenwärtigen, um nur : einigermaßen zu begreifen was hier gemeint und ge⸗ than fey.

Gegen das Ende der Enr kam mein Sohn nach Sorisbad, dem ich den Anblick des Ortes, wovon fo oft zu Haufe bie Rede war, auch gönnen wollte. Dieß gab Gelegenheit zu einigen Abenteuern, welche den innern unruhigen Suftand der Geſellſchaft offen harten, Es war zu jener Zeit eine Art von Pele: . Shen Mode, grün, mit Schnären von gleicher Farbe vielfach befeht, beim Meitem und auf der Jagd ſehr bequem, und deßhalb ihr Gebrauch fehr verbreitet: Diefe Hülle hatten fi mehrere durch den Krieg verfprengte preußiſche Officiere, zu einer Interimsuniform beliebt, und konnten überall unter Päctern, Sutsbefisern, Jaͤgern, Pferdehändlern und. Studenten unerlannt umhergehen. Mein Sohn trug dergieihen. Indeſſen hatte man. in Carlsbad einige dieſer verfappten Officdere ausgewittert, und

%

24

nun deutete gar bald diefes ausgezeichnete Coſtuͤm - auf einen Preußen.

Niemand wußte von der Ankunft meines Soh⸗ ned. Ich ftand mit Fräulein Leſtoeq an der Tepel⸗ mauer vor dem - Sächfifhen Saale; er geht vorbek und grüßt; fie zieht mich bei Seite und ſagt' mit Heftigtelt: Dieß tft ein preußifher Officier, und was mich erichredt, er fieht meinem Bruder . äbulih. Ich will ihn Herrufen, verſetzte Ih, will ihn eraminiren. Ich war fhon weg als fie mir nachrief: Um Gottes willen, machen Ste‘ keine Streihe! Ich brachte ihn zuräd, ſtellte ihn vor und fagte: Diefe Dame, mein Herr, wuͤnſcht einige Auskunft, mögen Ste und wohl entdeden woher Ste kommen und wer Sie find? Beide junge Per: fonen waren verlegen, eins wie das andere. Da mein Sohn ſchwleg und nicht wußte was ed beden⸗ ten. fole, und das Fraͤulein ſchweigend auf einem ſchicklichen Nüdzug zu denken ſchien, nahm Ih das Wort und erklärte mit einer fcherzhaften Wendung, daß es mein Sohn fey,, und wir müßten es für ein Samtiliengläd halten, wenn er ihrem Bruder einl⸗ germaßen ähnlich Tehen Könnte. Sie glaubte es nicht, bis das Mähren eublih in Wahrſcheinlich⸗ keit und zuletzt In Wirklichkeit überging.

Dad zweyte Abentener war nit fo ergoͤtzlich. Wir waren Ihon in den September gelangt, zu der Jahrszeit, in welcher die Polen häufiger fih In Carls⸗ bad zu verfammeln pflegen. Ihr Haß gegen bie

*

25

Preußen war ſchon felt langer Beit groß, und nadp: den letzten Unfaͤlen in Beratung. übergegangen. Sie mochten: unten der gruͤnen, als polniſchen Ur⸗ ſprumgs, recht eigentlich polniſchen Jace, dießmat auch einen Preußen wittern. Er geht auf dem Platz umher, vor den Häufern der Wieſe, vier Polen bes gegnen ihm auf der Mitte des Sandweges herge⸗ hend; einer loͤſ't fih ab, geht au ihm vorbei, ſieht ihm ins Geſicht und geſellt ſich wieder zu den andern. Mein Sohn weiß fo au manoͤnvriren, daß er ihnen nochmals: begegnet, . in der Witte

des Sandwegs auf ſie losgeht, und die Viere durch⸗

ſchneidet, dabei ſich auch ganz kurz erklärt, wieer heiße, wo er wohne und zugleich daß ſeine Abreiſe auf morgen früh beſtimmt ſey und daß wer mas an ihn zu fuchen babe, es dieſen Abend noch thun könne, Wir verbrachten den Abend ohne beuyruhigt zu ſeyn,

.und fo teiften wir auch dem andern Morgen ab, Es war als könnte diefe Komoͤdie von vielen Acten wie ein: Englifches Luftfpiel nicht endigen ohne Eh⸗ renhänbel,

Bei meiner Ruͤckunft von Carlsbad brachten mir die Sänger ein Staͤndchen, woraus ich zugleich Nei⸗ gung, guten Willen, Fortſchreiten in ber Kunſt und mand anderes Erfreuliche gewahr werden konnte. Ich verguägte mich nunmehr bekannten Melodien neue aus der Gegenwart geſchoͤpfte Lieder zu heite⸗ ter Geſelligkeit unterzulegen; Demolſelle Engels. trug fie mit Seiſt und Leben war, und fo eigueten

26

wir uns die beliebteſten Sangweiſen nach und nach dergeſtalt an, als wenn fie für unſern Kreis wären gebichter worden. Muſikaliſche, mehrfiimmige Vor⸗ Abungen fanden fleißig ftatt und am dreyßigſten De⸗ cember Eonnte der erfie Sonntag vor großer Gefell- ſchaft gefeyert werben. _ x

Das Weimariihe Theater gewann zu Michael einen angenehmen and hoffnungsvollen Tenoriften, Murrhard. Seine Ausbildung befdrderte ein älterer mufltslifher Freund, dem eine gewiſſe con⸗ certmeifterlihe Sefchidlichkelt eigen war, mit der: Bioline dem Geſang nachzuhelfen, und dem Sänger Sicherheit, Muth und Luft einzufidßen. Dieb gab Veranlaſſung zu mufltalifchen Didastallen nad, Art ‚jener dramatifhen zu halten,. als Voräbung, um den Sänger in Rollen einzuleiten, die Ihm vielleicht nur fpäter zugetheilt würden. Zugleich war die Ab⸗ fiht Perfonen von weniger Stimme In leichten faß- lihen Dpern, die als Einſchub Immer willkommen find, brauchbar und angenehm zu mahen. Hleraus ‚entiprang fernerhin eine Hebung mebrftimmigen Ge⸗ fanges, welches denn früher oder fpäter dem Thea⸗ ter zum Nutzen zu Gute fommen mußte.

Auch ale Dichter wollte I für bie Bühne nicht unthätig bleiben. Ich fchrieb einen Prolog für Leip⸗ zig, wo unfere Schaufpleler eine Zeit lang auftreten folten; ferner einen Prolog zum drevßigſten Sep⸗ tember, um die Wiedervereinigumg der Färftlidien Fax . milie nach jener widerwärtigen Trennung zu feyern.

u

Als das wictigfte interwehien bemerle ich je: bob, daß ih Pandorens Wiederkunft zu bearbeiten anfing. Ich that ed zwey jungen Män- nern, vieljährigen Freunden, zu Liebe, Leo von Sedendorf und Dr. Stoll, beide von Ikterariihem Beſtreben, dachten einen Muſenalma⸗ nach in Wien heraus zu fördern; er follte den Titel Pandora führen, und da der mythologifche Punct, wo Prometheus auftritt, mir Immer gegenwärtig und zur. belebten Fixidee geworden, fo griffich ein, - nicht ohne die ernftlichften Intentionen, wie ein jeder fi uͤberzeugen wird, der dad Stüd fo weites _ vorliegt aufmerffam betrachten mag.

Dem Bande meiner epifhen Gedichte follte Ahiltets binzugefüstwerden; ich nahm das Ganze wieder vor, hatte jedoch genug zu thun, mur bie beiden erften Gefänge weit zu führen, um fie . anfügen zu koͤnnen. -

Gedenken muß ich auch noch einer ebenfalld aus feeundfchaftlihem Sinne unternummenen Arbeit. Johannes von Müller hatte mit Anfang des Jahres zum Andenten König Friedrichs des Zwep⸗ ten eine atabemifhe Rede gefchrieden, und wurde deßhalb heftig angefochten. Nun hatte er felt den erften Jahren unferer Bekanntfchaft mir viele Liebe und Treue erwiefen und wefentlide Dienfte gelef- ftet; ich dachte, daher Ihm wieder etwas Gefälliges zu erzeigen, und glaubte es würde ihm angenehm ſeyn, wenn er von irgend einer Seite her fein Un=

28 ternehmen gebilligt ſaͤhe. Eln freundiicher Wiber-

hall durch eine harmloſe Ueberſetzung fehlen: mir das

geeignetſte; fie trat im Morgenblatt hervor, und er wußte mir's Dank, ob an Sage gleich wichts ges beffert wurbe.

Pandora's Wieberkunft war ſchematiſirt, und die

Ausführung geſchah nah und nach. Nur ber erſte

Theil warb fertig, zeigt aber ſchon wie abſichtiich dDiefes Werk unteruommen und fortgeführt worden.

Die bereits zum dftern genannten Meinen Exrzäh-

| lungen befchäftigten mich in heitern Stunden, und auch die Wahlyerwandtfchaften: follten in der Ark Zur; behandelt werden. Allein fie dehnten ſich bald

ans, ber Stoff war allgubedeutend „nnd zu-tief in

mir gewurzelt, als daß ich ihn auf eine ſe leichte Weiſe hätte befeitigen können. Pandora ſowohl als die Wahtverwanbtigeften druͤcken das fchmerzlihe Gefuͤhl der Cutbehrung aus, und konnten alfo nebeneinander gar wohl gedeihen. Pandorens erſter Theil gelangte zu rechter Zeit ge⸗ gen Ende des Jahrs nach Wien; das Schema der Wahlverwandtſchaften war weit gediehen, und man⸗ che Vorarbeiten theilweiſe vollbracht. Eln anderes Intereſſe that ſich im letzten Viertel des Jahres her⸗ vor; ich wendete mich an die Nibelungen, woven woven· wohl manches zu ſagen waͤre. Ich kannte laͤngſt das Daſeyn dieſes Gedichts aus Bodmers Bemuͤhungen. Chriſtian Heiurich⸗ Müller ſendete mir feine Ausgabe leider ungehef⸗

29 tet, das koͤſtliche Werk blieb roh bei mir liegen und ich, in anderem Sefhäft, Neigung und Sorge be- fangen, biieb fo ſtumpf dagegen wie bie übrige Deut- ſche Welt; nur Ins ich zufällig eine Seite die nach außen gekehrt war, und fand bie Stelle, wo die Meerfenuen dem kuͤhnen Helden weiffagen. Dieb traf mich, ohne daß ich wäre gereizt worden, ing Ganze tiefer einzugehen; ich phantafirte mir viel- mehr eine für ſich beftehende Ballade des Inhalte, ‚die mich fin der Einbildungskraft oft befchäfsigte, ‚obfiben ich es möcht dazu brachte ſie aeueges und zu vollenden.

Nun aber ward, wie alles feine Meife haben will, durch patrietifche Thaͤtigkeit die Theilnahme an dieſem wichtigen Alterthum allgemeiner und ber Bugang bequemer. Die Damen, denen ich das Gluͤck hatte nach Immer am Mittwoche Vorträge zu than, erkundigten fih darnach, und ich fäumte nicht ihnen davon gewänfchte Kenntniß zu geben. Unmittelbar ergriff ich das Original und arbeitete mich bald der- maßen hinein, „daß ich, den Tert vor mir habend, Belle für Zeile eine verftändiiche Ueberſetzung vorle- . Ten konnte, Es bileb der Ton, der Gang und vom

"Inhalt ging auch nichts verloren. Am beften gluͤckt rin ſolcher Vortrag ganz aus dem GStegreife, weil der Stun fih beifammen halten und der Geiſt leben⸗

dig kraͤftig wirken mn, indem es eine Art von Im⸗

vroviſiren iſt. Dach Indem ich in das Ganze des poe⸗ Werls auf dieſe Weife einzubringen dachte,

U

50 Z

‘fo verfäumte ich nicht mich auch bergeftalt vorzube⸗ reiten, daß ich auf Befragen über das Einzelne ein: , germaßen Rechenſchaft zu geben im Stande wäre. Ich verfertigte mir ein Verzeichniß ber Perfonen. | und Charaktere, Adchtige: Auffäge über Localität und Geſchichtliches, Sitten und Leidenſchaften, Har⸗ monie und Jacongrultaͤten, und entwarf zugleich zum erften Theil eine hypothetiſche Charte. Hle⸗ durch gewann fch viel für ben Augenblick, mehr für die Folge, Indem ich nachher bie ernften anhaltenden Bemuͤbungen Deutſcher Sprach- und Alterthums- Freunde beſſer zu zu genleßen und zu benußen wußte.

Zwey weit ee Werte wurden durch Doctor Nlethammer angeregt von Muͤnchen her; ein hiſtoriſch rellgtofes Volksbuch und eine allge⸗ meine Liederfammlung zu Erbauung und Ergoͤtzung der Deutfhen. Beides wurde eine Zeit lang durch⸗ gedacht und ſchematiſirt, das Unternehmen jedoch, wegen mancher Bedenklichkeit aufgegeben. Iubeffen wurden von beiden, weil doch In ber Folge etwas Aehnliches unternommen werben konnte bie gefam- melten Papiere zurüdgelegt.

Zu Hackerts Biographie wurde die Vorarbeit ernfttich betrieben. Es war eine fehwierige Auf: gabe; denn bie mir überlieferten Papiere waren weder ganz ale Stoff noch ganz als Bearbeitung an- zufeben. Das Gegebene war nicht ganz aufzuldfen, _ and wie ed lag nicht völlig zu gebrauchen. Es ver:

e 31

langte daher diefe Arbeit mehr Sorgfalt und Mühe als ein eigenes aus mir ſelbſt entfprungengs Wer, und es gehörte einige Beharrlichkeit und die ganze, dem abgefchledenen Freunde gewidmete Liebe und Hochachtung dazu, um nicht die Unternehmung auf⸗ zugeben, da die Erben des edlen Mannes, welche ſich den Werth der Manuſcripte ſehr hoch vorſtellten, mir nicht aaf das allerfreundlichſte begegneten.

Sowohl der polemiſche als der hiſtoriſche Theit der Farbenlehre ruͤcken zwar langſam aber doch gleich⸗ maͤßig fort; von geſchichtlichen Studien bleiben Ro⸗ ger Bacon, Aquilonius und Boyle die Hauptſchrift⸗ fteller, am Ende bes Jahre iſt der erfte Theil meiſt vollendet, der zweyte nur zum neunten Nevifions- bogen gelangt.

Die Jenaiſchen Anftalten hatten ſich nad den Triegerifchen Stuͤrmen, aus denen fie glüdtich und wie durch ein Wunder gerettet worden, völlig wie⸗ der erholt, alle Theilnehmenden hatten eifrig einge- griffen, und als man Im September tie ſaͤmmtlich re- vidirte, ließ ſich dem Schöpfer derfelben, unferm gnaͤdigſten Herren, „bet feiner gluͤclichen Ruͤctehr da⸗ von Vortrag abſtatten.

J ——

1808.

Di⸗ geſelligen Perſoͤnlichkeiten in Carlsbad hat⸗ ten dieſen Sommer fuͤr mich ein ganz ander Weſen;

32 die Herzogin von Curland, immer ſelbſt anmuthig mit anmuthiger Umgebung, Frau von der Recke, begieltet von Tiedge und was ſich daran anfchlof, bildeten hoͤchſt erfreulih eine berkimmiihe Mitte der dortigen Zuftände. Man hatte ſich fo oft gefe- hen, an derfelben Stelle, in denfelbeu Verbindun- sen, ‚man harte fih in feinet Art und Welſe im⸗ mer als diefeibigen gefumben ; es war als hätte man viele Jahre miteinander gelebt, man-vertraute ein-

‚ander ohne ſich eigentlich zu lennen.

Sür mid. machte die Familie Zigeſar einen andern mehr entfchledenen, nothwendigern Kreis. Ich kannte Eltern und Nachkommen bis in alle Ver- gweilsungen, für den Vater Imtte Ich immer Hoch⸗ achtung, Ich darf wohl fagen Verehrung empfunden. . Die unverwüftbar behagliche Chätigtelt der Mut⸗ ter ieh in Ihrer Umgebung wiemand unbefriedigt; Kinder, bei meinem erſten Eintritt in Dradendorf noch nicht geboren, kamen mir ftattlich und liebens⸗ - würdig berangewachfen bier entgegen; Bekannte und

Verwandte ichloffen ſich an, einiger und zufam⸗ menſtimmender wäre kein. Cirkel zu finden. Frau von Sedendorf, geborne von Uechtritz, und Pauline Gotter waren nicht geringe Sierden dieſes Verhaͤltniſſes. Alles ſuchte zu gefallen und . jedes gefiel fih mit dem andern, weil die Gefell- ‚fchaft ſich paarweiſe bildete, und Schelfuht und Mißhelligkeit zugleich ausſchloß. Diefe ungeſuchten Werhaͤltuiſſe brachten eine Lebensweiſe hervor, die

bei

- 33

bei bebeutendern Intereſſen eine Novelle nicht über gekleidet hätte.

Dei einem in der Fremde miethwelfe geführten

Haushalt erſcheinen ſolche Zuftände ganz natuͤrlich und bei geſellſchaftlichen Wanderungen ſind ſie ganz unvermeidlich. Das Leben zwiſchen Carlsbad und Franzenbrunnen, im Ganzen nach gemeſſener Vor⸗ ſchrift, im Einzelnen immer zufaͤllig, veranlaßt,

von ber Klugheit ber Aelteren zuerſt angeordnet,

von Leidenfchaftlichkeit der Sängern am Ende body

geformt, machte auch die aus ſolchem Conflict her⸗ vorgehenden Unbilden Immer noch ergoͤtzlich, fo wie.

in der Erinnerung hoͤchſt angenehm, well bocd zus

Iekt. alles ausgeglichen und überwunden war.

Von jeher und noch mehr feit einigen Jahren überzeugt, daß die Zeitungen eigentlich nur da find, um bie Menge binznhalten und über den Augenblick zu verbienden, es fey nun daß den Mebacteur eine Außere Gewalt hindere das Wahre zu fagen, oder daß ein innerer Parteyſinn ihm ebendaſſelbe verbiete,

las ich keine mehr: denn von den Hanptereigniffen -

benadrichtigten mich nenigleltstuftige Krennde, und -

fonft hatse ich im Laufe diefer Zeit nichts zu fuchen. Die Allgemeine Zeitung jedoch durch Freundlichkeit

des Herrn Cotta regelmaͤßig zugeſendet, haͤufte ſich bei mir an, und fo fand ich durch die Ordnungsliebe

eines Sanzlepgenofien die Jahre 1806 und 1807 rein-

lich gebunden, eben als ich nach Carlsbad abreifen

wollte, Ob ich nun gleich, der Erfahrung gemäß, Goeiperd Werte. XXXI. 20. 3

54 wenig Buͤcher bei fokhen Gelegenheiten mit ne nahm, indem man die mitgenommenen ud vorhan⸗ denen nicht benußt, wohl aber ſolche Ikeft, die ans zufällig von Freunden mitgetheitt werben, ſo fand ich bequem und erfreulich diefe polltiſche Bibtiothek mit mir zu führen, und fie gab nicht allein mir un, erwarteten Unterricht und Imterhaltung, ſondern auch Freunde, weihe dieſe Bände bei mir gewaie wurden, erfuchten mich abwechfelnd barum, fo daß ih fie am Ende gar nicht wicher zur Hand Yrhıgem konnte; und vieleicht zeigte dieſes Blatt eben darin fein beſonderes Verdienft, daß es mit Huger: dietar⸗ dation zwar bie und da. zurüdhieit, aber doch mt Gewiſſenhaftigkelt nah und nach mitzutheilen nicht: verfäumte, was dem finuigen Beobachter: Hug geben follte.

Indeſſen war die Lage des Yugenbiits noch im- met baͤngllch genug, fo daß die verſchlebenan Voͤl⸗ kerſchaften, welche an einem ſolchen Heilork zuſam⸗ mentreffen, gegen einander eine gewiſſe Apprehen⸗ fion empfanden und deßhalb ſich auch alles politi⸗ ſchen Geſpraͤchs enthielten. tm fo mehr aber mußte die Kectüre folcher Schriften als ein Surrogat beffels- ben lebhaftes Beduͤrfniß merken.

Des regierenden Herzogs Auguſt von St be darf Ich nicht vergeffen, ber ſich, als problemdtiſch darzuſtellen und, unter einer gewbſſen welchllchen Form, angenehm und widerwärtig zu ſeyn bellebte. Ich Habe mich nicht über ihn zu beklagen; aber es

36 _ V war Immer aͤugſtlich eine Einladung zu ſeiner Tafel anzunehmen, weil man nicht verausſehen fFounte, weihen der Ehrengäfte er ſchonungslos zu behan⸗ dein zufällig genetgt feyn möchte.

Sodahn will Ich noch des Fuͤrſt⸗Viſchofs von. Breslau und eines geheimnißvollen Schweden, in der Badeliſte von Reiterholm genannt, eriwäße nen. Erſterer war leidend, aber freundlich und zu⸗ thunlich, ' bei einer wahrheit perſoͤnlichen Wuͤrde. Mit letzterem war die Unterhaltung immer beden⸗ tend, aber weil man fen Geheimniß fdronte umb doch es zufällig zu berühren immer fürchten mnfte, ſo fam man wenig mit ihm sufammen, da wir ihn nicht ſuchten und er uns vermied.

Kreishauptmann von Schiller zeigte ſich wie immer, cher den Surgäften ausweichend als fich ihnen anfcehließend, ein am feiner Stelle fehr neth- wendiged Betragen, da er bei vorkommenden poll: teylichen Faͤllen Ale, nur infofern fie Recht oder Unrecht hatten ; betrachten Tonnte und Fehr anderes . Verhaͤltniß, welches perſoͤnlich fo keicht günftig odet ungunfttg ſtimmt, hier obwalten durfte.

Mit Bergrath von Herder feste Ich bie her⸗ koͤmmlichen Gefpräcdhe fort, als wären wir nur ' eben vor Eurzem gefchichen, fo auch mit Wilhelm . vor Suͤtz, welcher, wie ſich bald bemerken ließ, auf feinem Wege gleichfalls treullch fortſchreiten morhte.

Auch BVerprath Werner trat nach feiner Ger

6

wohnheit erſt fpät Herzu. Seine Gegenwart be- lehrte jederzeit, man mochte ihn und feine Denk: . weiſe betrachten, oder die Gegenftände mit denen er fih abgab, durch ihn Tennen lernen,

Ein längerer Aufenthalt in Franzenbrunnen laͤßt mich ben problematifhen Kammerberg bei Eger oͤf⸗ terd befuhen. Ich ſammle deſſen Producte, be= trachte Ihn genau, befchreibe und zeichne ihn. Ich finde mich veranlaßt von der Reußiſchen Meinung, die ihn als pſeudovnlcaniſch anfpricht, abzugeben und ihn für vulcanifch zu erklären. In diefem Sinne fchreib’ ich einen Auffaß, welcher für fich felber ſpre⸗ den mag; vollkommen möcte die Aufgabe dadurch wohl nicht gelöft, und eine Ruͤckkehr zu der Reußi⸗ {hen Auslegung gar wohl räthiih fun. _

In Carlsbad war erfreulich zu ſehen, baß die Joſeph Muͤlleriſchen Samminngen Gunſt gewannen,

obgleich die immerfort bewegten Kriegslaͤufte alle eigentlich wiſſenſchaftlichen Bemuͤhungen mit Ungunſt verfolgten. Doch war Muͤller gutes Muthes, trug haͤufige Steine zuſammen und, an die neue Ord⸗ nung gewöhnt, wußte er ſie ſo zierlich zurecht zu ſchlagen, daß bei Saͤmmlungen groͤßeren oder kleine⸗ ren Formats alle Stuͤcke von gleichem Maße ſauber und inſtructiv vor uns lagen. Denn weil aus den un⸗ ter dem Hammer zerſprungenen Steinen immer der paſſende oder bedeutende ſich auswaͤhlen lleß und das Weggeworfene nicht von Werthe war, ſo konnte er immer den Liebhaber aufs beſte und treulichſte ver⸗

57

forgen. Aber zu bewegen war er nicht feinen rohen Vorrath zu ordnen; die Sorge fein Monopol zu ver-

Hleren und Gewohnheit der Unordnung machten ihn allem guten Rath unzugänglih. Bei jeder frifchen- Sammlung fing er an aus dem chaotifhen Vorrath- auszuklanben und nach der neuen Einrichtung, auf

Bretern, die duch ſchwache Bretchen In Vlerecke

getheilt waren und dadurch die Groͤße des Exem⸗

plars angaben, in der Nummerfolge die Steine zu

vertheilen und ſo die Caſen des Bretes nach und

nach auszufüllen. Ich beſuchte Ihn täglich auf dem

Wege nah dem Neubrunnen zu einer immer er-

freulichen belehrenden Unterhaltung; benn ein fol-

her Naturkreis möge noch fo beſchraͤnkt ſeyn, es

wird immer darin etwas Neues oder and bem Alten

‚etwas hervorſtehend erſcheinen.

Nah ſolchen vielleicht allzutrocken und materiell erſchelnenden Gegenſtaͤnden ſollten mich erneuerte Verhaͤltnuiſſe mit wackern Kuͤnſtlern auf eine eigne Welſe anregen und beleben.

Die Gegenwart Kaazens, bes vorzuͤglichen Dresdener Landfchaftsmahlere, brachte mir viel - Steude und Belehrung, befonders da er meifterhaft meine’ bilettantifhen Skizzen fogleih In ein wohl erfheinendes Bild zu verwandeln wußte. Indem er dabei eine, Aquarell- und Dedfarben leicht ver⸗ bindende Manier gebrauchte, rief er auch mich aus meinem-phantafttfhen Kritzeln zu einer reineten Bes handlung. Und zum Belege, wie und die Nähe

FE ui

- = * ' *

bes Meiſters gleich einem Elemente hebt und trägt, bewabre Ih noch aus jener Zeit einige Bidtter die, gleich Lichtpunsten, anbenten: daB man unter fol den Umfänben etwas vermag, was vor⸗ und nach⸗ her als unmöglich erfchlenen wäre.

Sodann hatte Ich die angenehme Ueberraſchung yon einem vieliährigen Freunde und Angeeigneten, nad) altem Herkommen, mic leidenfchaftlich angegan⸗ gen zufehen. Es war ber gute, talentvolle Bury, der, im Gefolg ber Frau Erbprinzeß von Heſſen⸗ Saffel, in und um Dresden, zu Kunft: und Natur: genuß, ſich eine Zeit lang aufgehalten hatte und nun, beurlaubt, auf einige Tage bierber kam. _

Ich ſchrleb ein Gedicht zu Ehren und Freuden dieſer wuͤrdigen, auch mir gewogenen Dame, wel⸗

ches, fin der Mitte eines großen Blattes kaligrae⸗

phirt, mit dem bilderreichſten Nahmen eingefaßt werben ſollte, die Gegenden darſtellend, durch wel⸗ che fie gereif't, die Gegenſtaͤnde denen fie bie meiſte Aufmerkſamkeit, zugewenbet, die Ihe den meiſten Genuß gewährt hatten. Eine andführlihe Skizze _ ward erfunden und gezeichnet und alles dergeſtalt mit Eifer-vorbereitet, daß au glüdlicher Ausfuͤh⸗ rung nit zu zweifela war. Das Gedicht feibft findet fih unter ben meinigen, jedoch nur mit ben Anfangs buchſtaben bezeichnet, abgedrudt. Bel die⸗ fer Gelegenheit zeichnete Bury abermals mein Por⸗ trait in Heinem Format und Umriß, welches .meine Familie ‚als erfrenliches Denkmal jener Zelt in der

3

Folge zu ſchaͤten wußte. So bereicerte ſich denn yon Selten der bildenden Kunſt dieſer Sommerauf⸗ enthalt, welcher einen ganz andern Charakter als Der vorige, Dec aber auch einen werthen und folge= . reilchen angenommen hatte.

- Rah. meiner, Ruͤckkunft ward Ich zu noch höherer Sungbetrachtung aufyefordert. Die unfhäsbaren Mionettiihen Paſten nach Griechiſchen Münzen wa⸗ zen angelommen. Man fah in einen Abgrund der Wergangenheit und erftaunte über die herrlicften Gebllde. Man bemühte ſich In diefem Reichthum gu elner wahren Sdaͤtzung zu gelangen und fühlte voraus, daß man für viele Jahre Unterricht umd Auferbanung baber zu erwarten babe. Gefchnittene Steine von Bedeutung vermehrten meine Ring⸗ Sammlung. Albrecht Dürers Federzeihnungen In Steindruck kamen wiederholt und vermehrt zu ung.

unge, deſſen zarte, fromme, liebenswuͤrdige Bewuͤhungen bei ung guten Eingang gefunden hat- ven, ſendete mir die Driginalzeichnungen feiner gedan- ken⸗ und blumenreichen Tageszeiten, welche, obgleich fo treu und forgfältig In Kupfer ausgeführt, doch an antärtichem unmittelbarem Ausdruck große Borzüge bewiefen. Auch andere, meiſt balb vollendete Um⸗ rißzeichnungen von nicht geringerem Werthe waren beigelegt. Alles wurde dankbar zurüdgefandt, ob man gleich manches, wäre es. ohne Indiscretion zu thun gewefen, gern bei unfern Sammlungen, zum Aundenken eines vorzäglihen Talents, behalten hätte.

40

Auch wurden uns im Spätiahr eine Anzahl lanb- ſchaftilcher Zeichnungen von Friedrich die ange nehmfte Betrachtung und Unterhaltung, Sein ſchoͤ— nes Talent war bei ung gelannt und gefhäßt, ‚bie. Gedanken feiner Arbeiten zart, ja fromm, aber in einem firengern Kunftfinne nicht durchgaͤngig gu bil⸗ ligen. Wie dem auch fey, manche fchöne Zengniſſe feines Verdienſtes find bei ung einheimifch gewor⸗ den. Am Schluſſe des Jahrs befuchte uns ber überall wilfommene Kuͤgelchen, er mablte mein Portralt, und feine Perfönlichkeit mußte nothwendig anf den gebildet gefeligen Kreis die zartefte Ein⸗ wirkung ausüben.

Ein Ständen das mir die Sänger vor meiner Abreiſe nah Carlsbad braten, verfiderte mic damals ihrer Neigung und beharrlichen Fleißes

auch während meiner Abweſenheit, und dem gemäß fand ich auch bei meiner Wiederkehr alles in bem- felben Gange. Die muſikaliſchen Privatuͤbungen wurden fortgefegt, und das gefellige Lehen gewann dadurch einen höchft erfreulichen Anklang.

- Gegen Ende bes Jahres ergaben fih beim Chea⸗ ter mancherlei Mißhelligkeiten, welde, zwar ohne den Gang ber Vorftellungen zu unterbrechen, doch ben December verfümmerten. Nah mancherlei Discuffionen vereinigte man fih über eine neue Ein⸗ richtung, in Hoffnung auch diefe werde eine Zeit Jang dauern können.

Des perfönlich Erfreullchen begegnete mir in dies

x

4

fem Jahre manches: Unſern jungen Herrſchaften ward Prinzeß Marie geboren, allen zur Frende,

und befondere auch mir, der ih einen neuen Zweig -

des fürftiichen Baumes, dem ich mein ganzes Leben gewidmet hatte, hervorfproflen fab. -

Mein Sohn Auguft zog rüftig und wohlgemuth auf die Akademie Heidelberg, mein Segen, meine Sorgen und Hoffäungen folgten ihm dabin. An wichtige, vormals Jenalfhe Freunde, Voß und Thi⸗ baut, von Ingend auf empfohlen, konnte er wie {m elterlichen Haufe betrachtet werben.

- Bei der Durchreife durch Frankfurt begrüßte er feine gute Großmutter, noch eben zur rechten Selt, da fie fpäter Im September ung leider entriffen ward. Auch gegen Ende des Jahres ereignete fi ber Tod eines jüngern Mannes, ben wir jedoch mit Bes dauern fegueten. Fernow ftarb, mad. viel be- ſchwerlichem Leiden; die Erweiterung der Halsarte- tie quälte Ihn lange bedrängte Tage und Näcte, bis ex endlich eines Morgens, aufrecht ſitzend, ploͤtz⸗ lich, wie es bei foihen Uebeln gu gefchehen pflegt, entfeelt gefunden warb.

Sein Verluft wear groß für uns, denn die Duelle der Itallaͤniſchen Literatur, die ſich ſeit Jagemanns Abſcheiden kaum wieder hervorgethan hatte, ver⸗ ſiegte zum zweytenmale; denn alles fremde Literarf- ſche muß gebracht, ja aufgedrungen werden, ed muß

wohlfeil, mit weniger Bemuͤhung zu haben ſeyn, Wenn wir daraach greifen ſollen, um es bequem zu

*

en

42

arniehen. & fehen wir im atliaen Deuntſchland das Itallaͤniſche, im weſtlichen das Franz oͤſiſche, Im noͤrdlichen das Englifſche wegen einer nachbarlichen oder ſonſtiger Einwirkung voewmaiten. -

Der im September erft in ber Naͤhe verfam- meite, dann bis zu uns heranruoͤckkende Congreß zu Erfurt iſt von fo großer Bedeutung, auch der Ein⸗ Auß dieſer Epoche auf meine Zuftände fo wichtig, daß eine beſondere Darftellung diefer wenigen Tage wohl unternommen werben Tollte.

e 1809. Dieſes Jahr muß mir in ber Erinnerung, fchb- mer Nefultate wegen, immer lieb und theuer blei⸗ den; ich brachte ſolches ohne Auswärtigen Aufent⸗ halt, theils in Weimar, theils ia Jena zu, wo⸗ Durch es mehr Einheit und Geſchloſſenheit gewann als andere, die, meiſt in der Hälfte durch eine Ba⸗ dereife zerfchnitten, an mannichfaltiger Zerſtreunng zu leiden hatten.

Mas ih mir aber in Jena zu leiften vorgenom⸗ men, foßte eigentlich durch einen ganz ununterbro- denen Aufenthalt begünftigt feyn; dieſer war mir jedoch uicht gegönnt, unerwartete Kriegslaͤufte bran- gen zu und nöthigten zu einem mehrmaligen Orts⸗ wechſel.

Die ferneren und naͤheren Kriesebewe gungen in

43 Spanten und Oeſterreich mußten ſchon jeberman in Furcht und Sorgen fehen. Der Abmarſch unferer . Jaͤger, den 14 März mad Tyrol, war traurig und _ bedenklich; gleich barauf zeigte fi Einquartierung;

‚der Prinz von Ponte-Corvo, als Anführer des Saͤchfiſchen Armeecorps, wendete fich nach ber Sränge

son Böhmen und zog von Weimar ben 25 April nach Kranichfeld. Ich aber laͤngſt, und befonders ſchon ſeit den letzten Jahren, gewohnt mich von der Außenwelt voͤllig abzuſchließen, meinen Geſchaͤften nachzubangen, Geiſtesproductionen zu foͤrdern, be⸗

gab mich fhen am 29 April nach Jena. Dort bear⸗ beitete-ich die Geſchichte ber Farbenlehre, holte das - funfzehnte und ſechszehnte Jahrhundert nach und ſchrieb die Geſchichte meiner eigenen chromatifchen Belehrung und fortfchreiteuder Studien, welche Ar-

. "beit ih am vier und zwanzigften May, vorläufig abe sefhloffen, bei Seite legte, und fie auch nur erſt gegen Enbe des Jahre wieder aufnahm, ale Nuns gens Farbenkugel unſere chromatiſchen Betrachtun- gen aufs neue in Bewegung ſetzte.

In dieſer Epoche fuͤhrte ich die Farbenlehre bis zu Ende bes achtzehnten Jahrhunderts, wie denn auch zu gleicher Zeit der Druck des zweyten Theils ununterbrochen fortging und die Aufmerkſamkeit zu⸗ naͤchſt ſich auf die Controvers mit Newton richtete. Bei allem dieſem war Dr. Seebeck theilnehmend und huͤlfreich.

Um von poetiſchen Arbeiten nunmehr zu fees,

*

in 2

fo hatte ich von Ende May’s an die Wahlverwandtz - fhaften, deren erſte Eonception mic ſchon Längft beſchaͤftigte, nicht wieder aus dem Sinne gelaffen. Niemand verfennt an diefem Roman eine tief lei⸗ denſchaftliche Wunde, bie im Heilen fi zu ſchlie⸗ Ben fhent, ein Herz das zu genefen fürchtet. Schon vor einigen Jahren war ber Hauptgedanke gefaßt, nur bie Ausführung erweiterte, vermannichfaltigte ih immerfort und drohte die Kunftgränge zu über ſchreiten. Endlih nach ſo vielen Vorarbeiten beftd- tigte fih der Entfhluß, man wolle ben Drud be⸗ ginnen, über manden Zweifel hinausgehen, das eine fefthalten, dus andere endlich beſilmmen. In dlefem raſchen Vorſchtitt warb Ich jedoch auf ‘einmal geftört, denn Indem man bie Nachrichten des gewaltfamen Vordringens der Franzofen in Defterreih mit Bangigkeit vernommen hatte, bes gann ber König von Weftphalen einen Zug gegen Böhmen, weßhalb ic den 13 Juny nad Weimar gurädging. Die Nachrichten von biefer ſonderba⸗ ren Eipedition waren fehr ungewiß, als zwey, dem Hauptquartier folgende diplomatiſche Freunde, von Reinhard und Wangenheim, mic uner- wartet befuchten, einen merklaͤrlichen Rüdyug raͤth⸗ felhaft anfündigend. Schon am 15 July fommt ber König nah Weimar, der Nüdzug ſcheint im Flucht auszuarten und gleih am zwanzigſten dngftigt das umherſtreifende Delfifhe Corps uns und die Nachbarſchaft. Aber auch dieſes Gewitter zieht

45

= fänet in nordweſtlicher michtung und

ſaͤume nicht am 23 Julv wieder nach Jena zu gehen.

Unmittelbar werden die Wahlverwandt⸗ ſchaften in die Druckerey gegeben, und Indem dlieſe fleißig fördert, fo reinigt und ründet ſich aud nad and nach die Handichrift, und der dritte Detober be= freit mich von dem Werke, ohne daf die Empfin⸗ dung bes Inhalte ſich ganz hätte verlieren koͤnnen.

In gefellger Unterhaltung wandte fih das In⸗

tereffe faſt ausſchließlich gegen nordifhe und übers

Haupt tomantiſche Worzeit. Die, nad dem Dilgl:-

nal, aus dem Stegreif vorgefragene, und immer

beffer gelingende Ueberſetzung der Nibelungen hielt durchaus bie Aufmertfamteit einer ebeln Sefelfhaft _

fe, die fih fortwährend Mittwochs In meiner Woh- sung verfammelte. Fierabras und andere dhnliche Heidenfagen und Gedichte, König Rother, Triſtan und Iſelde folgten und begünftigten einander; be- fonders aber wurde die Aufmerkſamkeit auf Wilkina Saga und fonftige nordifhe Verhaͤltniſſe und Pro- ductionen gelenkt, als der wunderlihe Fußreiſende

Nunen: Antiguar Arndt bei und eintehrte, durch

perſoͤnliche Mirtheitungen und Vorträge bie Gefells ſchaft wo nicht für ſich einnahın, doch fich Ihr erträg- lich zu machen ſuchte. Dr. Majers nordifhe Sa⸗ gen trugen das Ihrige bei, uns unter dem duͤſtern Himmel wohlbehaglich zu erhalten; zugleich war nichts natürlicher als daß man Deutfhe Sprachal⸗

-

46

terthämer hetyorhob und Immer mehr ſchaͤtzen lern⸗ te, wozu Grimms Aufenthalt unter und mitwirk⸗

te, indeß ein gründlich grammatifcher Ernit burg

des Knaben Wunderhorn lieblich aufgefriſcht warde. Die Ausgabe meiner Werte bei Cotta forderte

. gleichfalls manchen Zeitaufwand, fie erfchien und

gab mir Gelegenheit durch Verſendung mander Eremplare mich Goͤnnern und Freunden ins Gedaͤcht⸗ niß zu rufen. Mon derſelben wird an ehem andern

Orte die Dede ſeyn.

Was aber bei meinen dießjaͤhrigen Bemühungen am entfchledenften auf das Künftige hinwies, wa⸗ ren Vorarbeiten gu jenem bedentenden Unternehmen einer Selbſtbiographie, denn es mußte mit Sorg⸗ falt und Umſicht verfahren werben, ba es bedenfiich ſchien, fich lange verfloffener Jugendzeiten erinnern zu wollen. Doch ward enbdlich der Vorfab dazu ges faßt, mit dem Entſchluß gegen fih und andere unfe richtig zu ſeyn und ſich ber Wahrheit moͤglichſt zu

naͤhern, in ſoweit bie Erinnerung wur kumer days

behuͤlflich ſeyn wollte.

Meinen dießjaͤhrigen laͤngern Aufenthalt in Tone forderte auch bie neue Giuriätung, weiche in Ab⸗ fiht des Hauptgeſchaͤftes das mir oblag untängk be⸗ Hebs wurde; Unſer gnaͤdigſter Herr nämlich Hatte angeordnet, daß alle immittelbaren Anſtalten füs Wiſſenſchaft und Kunft unter Eine Oberaufſecht ver⸗ fammelt, ans Einer Caſſe befiristen und in Einem Sinne verhaͤltatßmaͤßig fortgeführk werben. ſolltes.

47

Hoͤchſtbieſelben hatten das Zutrauen zu Geh. Rath von Wolgt und mir, daß Mir dieſe Abſichten tren und zweckmaͤßlg erfüllen wärben. Zu diefen Anſtal⸗ ten aber, welche, ohne mit aͤhnlichen Inftituten ver- knuͤpft, und In ditere Verhaͤltniſſe verflochten zw feyn, bloß von dem Willen des Firften abhingen, Indem er auch den Aufwand derfelben ans eigenen Mitteln beftritt, gehörte In Weiner die Bibliothek und das Muͤnzcabinet, ingleichen die freie Zeichen⸗ ſchule; In Jena die verschiedenen feit dem Regie⸗ rungsamtritt Bes Herzogs erfi gegrändeten und ohne Mitwirtang der. uͤbrigen hoͤchſten Herren Erhulter der Akademie, errichteten Muſeen und fonftigen wiſſenſchaftlichen Einrichtungen. Bel nunmehrigem Verein alter dieſer Inſtitute, die bieher befondere - Etats gehabt, hing es vorn ben Vorgeſetzten ab, zu ermeſſen wo jedesmal, nach Vorkommaiß ber Um— ſtaͤnde, Gelder verwendet und diefem und jenem Zweige nachgeholfen werden ſollte; welches bt le⸗ bendiget Ueberficht and vorurtheilsfreien Geſinaun⸗ gen um deſto moͤglicher war, ba ber Fuͤrſt wicht ſo⸗ wohl Vorſchlaͤge zu dem was geſchehen ſollte ver⸗ langte, als vielmehr gern von dem was geſchehen war berichtllich und perſoͤnllch Kennkulß nahm.

Da die gedachten Jenaiſchen Anftalten, ſeit drey⸗ Pla Jahren gedruͤndet und fortgeführt, bei ber Franzoͤſiſchen Invaſion nur wenig gellften Hatten, - ſo fuchte man fie um defto muchiger vonkemmen her- Due 1.2 LU 2 andere net damit sa verniien,

48

Weil aber wegen Erweiterung beſchraͤnkter Locall⸗ täten und zweckmaͤßiger Umftellung des vorhande⸗ nen, alles diefed eine gewiſſe durchdringende indi⸗ vlduelle Einficht verlangte; ſo wurde die yerföulihe Gegenwart desienigen der zu entſcheiden berechtigt. war, um fo mehr erfordert, als hier kein Plan ſich denten ließ, und nur eine, bie augenblidlichen Um: fände benutzende Gewandthelt zum Ziele führen. Eounte, J

Für Weimar dagegen machte ſich eine Baulich⸗ keit von Bedeutung noͤthig, ein Anbau nämlich an Herzogliche Bibliothek, wodurch ſowohl Erpeditions⸗ zimmer als andere Raͤume zu dem, ſich immer ver- mehrenden Vorrath an Büchern, Kupferſtichen und andern Kunftfahen gewonnen wurden, Die wegen Ausbau des Schloffes anweſenden Preußiſchen Archl⸗ tetten Genz und Raabe waren bejrätbig, und fo entitand ein fo nuͤtzliches als erfreuliches auch inner⸗ Halb wohl verzierted Gebäude. - - :

. Doc nicht für Räume und, Sammlungen allein werd geforgt, eine durch Sparfamteit in gutem Zuftand erhaltene Caſſe erlaubte gerade zur rechten Seit einen jungen Naturforfber, den Prokeſſor Woigt, nach Frankreich zu ſenden, der gut vorbe⸗ reitet, in Parts und andern Orten, felgen; Aufent⸗ halt forgfältig zu nuken wußte, und in ſedem Sinne wohlausgeftattet zurüdkebrte.

Das Theater ging, nach überitandenen leichten Stuͤrmen, rubig ſeinen Opng. Vei dergleichen Er⸗ re⸗

49

regungen iſt niemals bie Frage wer etwas leiften, fondern ‚wet einwirken und befeblen fol; find bie _ Mifverhättuiffe ausgeglichen, fo bleibt alles wie vorher uud iſt nicht beſſer wo wicht ſchlimmer. Das _ Mepertorium mar wohl ausgeftattet, und man wie- derholte die Stüde, bergeftalt bab das Publicum an fie gewöhnt blieb, ohne Ihrer überbräffig zu wer- den. Die neuſten Erzeugniffe: Antigene von Rochlitz, Knebels Ueberſezung von Saul des Alfieri, die Tochter Jepht a von Robert, wur- den der Reihe nach gut aufgenoumen. Werners bedeutendes Talent zu begünftigen bereitete man eine Aufführung bes 2a Februars mit großer Sorg⸗ falt vor, indeſſen bie gefaͤlligen helteren Stuͤcke von Steigenteſch ſich Im Publicum einſchmeichelten.

Demoiſelle Haͤsler als vielverſprechende Saͤn⸗ gerin, Moltke als hoͤchſt angenehmer Tenor, tra⸗ ten zu unſerer Buͤhne und nahmen Theil an den Didastalten welche treulich und eifrig fortgeſetzt wurden. Werner verſuchte große und kleine Tra⸗ gödien, ohne daß man hoffen konnte fie für das . Theater brauchbar zu. fehen.

_ Die häustihen mufitalifchen Unterhaltungen ge⸗ wannen durch ernfiere Einrichtungen Immer mehr an Werth. Das Sängerhor unter Anleitung Eber- weins Teiftete Immer mehr. - Donnerflag Abends. war Probe, nach ber man meiſtens zu einem fröh- chen Mahl zufammenblich. Sonntags Aufführung ‚vor großer guter Gefellfchaft, begleitet von irgend

Goethes Werke, XXXII. w. | 4

50 v

einem Fruͤhſtuͤk. Diefe durch den Sommer einiger: - maßen unterbrochenen Privatübungen wurden im Spätherbft fogleich wieder aufgenommen, indeſſen Theater und Öffentlihe Muſik durch den antretenben Capellmeiſter Müller belebt und geregelt wurden. Auch iſt nicht zu vergeffen, daB im Laufe des Jahre Sränlein aus dem Winkel uns durch bie man⸗ nichfaltigften Talente zu ergögen wußte,

Auch die bildende Kunft,. die wir freilich Immer- fort auf das herzlichfte pflegten, brachte uns biefes Jahr die ſchoͤnſten Fruͤchte.

In Muͤnchen wurden die Handzeichnungen Al⸗ brecht Duͤrers herausgegeben, und man durfte wohl ſagen, daß man erſt jetzt das Talent des ſo hoch ver⸗ ehrten Meiſters erkenne. Aus der gewiſſenhaften Peinlichkeit, die ſowohl feine Gemaͤhlde als Holz- ſchnitte beſchraͤnkt, trat er heraus bei einem Werke wo ſeine Arbeit nur ein Beiweſen bleiben, wo er mannichfaltig gegebene Raͤume verzleren ſollte. Hier erſchien fein herrliches Naturell völlig heiter und humoriſtiſch; es war das fhönfte Geſchenk des auf zeimenden Steindruds.

Bon ber Mahlerey wurben wir auch gar freund: lich theilnehmend heimgeſucht; Kagelchen der gute, Alta Umgang allen fo werthe Künftler verweilte meh⸗

rere Wochen bei und, ex mahlte Wielands Portrait - und meins nach der Perſon, Herderd und Schillers nach der Heberlieferung. Menſch und Mahler waren

51 | *

eins in ihm, und daher werden jene Bilder Immer einen doppelten Werth behalten. |

. Wie nun er burch Menfchengeftalt die Aufmerk⸗ ſamkeit ſowohl auf ſeine Arbeit als auf die Gegen- ſtaͤnde hinzog, fo zeigte Kaaz mehrere landſchaft⸗ Uche Gemaͤhlde vor, theils nach der Natur eigens erfunden, theils den beiten Vorgängern nachgebil- det. Die Ausftellung fowohl hier als In Jena gab zu finnig gefelligen Vereinen den heiterften Anlaß, und brachte auch folhe Perfonen zufammen bie ſich ſonſt weniger zu naͤhern pflegten.

Hirts Wert über die Baukunſt forderte zu

- neuer Aufmerkfamteit und Theilnahme in diefem

Sache, fodann nöthigte er uns durch bie Reſtaura⸗ tionen bes Tempels ber Diana zu Ephefus, Inglei- hen des Salomonifchen, Ins Altertum zuräd, Su

Gerichte und-trümmerhafter Anfhauung mußte bie \

Einbildungskraft fih gefelen; wir nahmen lebhaft

Theil, umd AUENeN: zu aͤhnlichen Verſuchen auf: -

geregt.

Ein vorzuͤgliches für alterthuͤmliche Kunſt hoͤchſt wichtiges Geſchenk erthellte uns Herr Dr. Stieg⸗ lütz, indem er Schwefelabgäffe feiner anfehnlichen Muͤnzſammlung verehrte und fowohl dadurch als durch das beigefügte Verzelchniß den Forfchungen in den Felde alterthuͤmlicher Kunft nicht geringen Vor⸗ ſchnub leiſtete. a

Zugleich vermehrten ſich unfere Münzfächer durch Medaillen des funfzehnten und fehzehnten Jahr⸗

\

* 3572 hunderts. Betrachtungen daruͤber wurden zu Pro⸗

grammen ber allgemeinen Jenalſchen Literaturzei⸗ tung beſtimmt; der kunſtreiche Schwerdgeburt,

mit gewiſſenhafter Genauigkeit, ſtach dazu einige

Umrißtafeln. u Zu allen dieſen fügte fih noch eine Saumlung Aöfteiger Ausgrabungen metellner Geräthe von uns -helansıten Formen, denen ih viel Aufmerkſamkeit ſchenkte. Ich forſchte manches darüber In ber ältern Geldhihte, befonders jener Epoche wo Heiden und Chriſtenthum in Frauken und Thüringen gegen eins ander ſchwankten. Unter ben Bädern bie ich da⸗ mals auffchlug waren mir bie Antiquitates Nord- gavienses befonderd merkwürdig, und veranlaßten - eine geuane Betrachtung ber Paganien, b. h. per beibnifhen Gebräuche, melde durch bie erſten Fraͤnkiſchen · Concillen verbaunt wurden. Ich über: zeugte mich aufs neue daß unſere heidniſchen Ur⸗ vaͤter zwar viele auf Naturahnungen ſich beziehende duͤſter aberglaͤubiſche Gewohnheiten, aber keine fra⸗ tzeuhaften Goͤtenbilder gehabt. Ein ſchriftlicher Auf⸗ fatz über dieſe Gegenſtaͤnde ward nom dem Fuͤrſtlich Reußiſchen Beſitzer freundlich aufgenommen wnd mir dagegen ein Eremplar ber gefundenen raͤthſel⸗ haften Alterthuͤmer verehrt. Auch eine Sammlung von eigenen Handfchriften Hedentender Perſonen ward diefes Jahr Buch Freun⸗ desgunſt anfehulich vermehrt, und. fo beitärkte fi der Glaube daß die Handſchrift auf den Charakter

53

des Schreibenden und feine jedesmaligen Zuftaͤnde

entſchieden hinweiſe, wenn man auch mehr durch

Ahnung als durch Haren Begriff fih ımb andern davon Nechenfchaft geben könne; wie ed ja bei aller Phyſiognomik der Fan iſt, welde bei Ihrem aͤchten Naturgrunde nur dadurch außer Credit kam, daß man ſie zu einer Wiſſenſchaft machen wollte.

Von Naturereigniſſen erwaͤhne ich des gewalt⸗ famen Sturms in der Nacht vom 30 auf den 31

Januar, weicher weit und breit wuͤthete, und auch

mir einen empfindlichen Schaden brachte, indem er einen alten ehrwuͤrdigen Wachholderbaum in mei⸗ nem Garten am Sterne niederwarf und fo einen freuen Zeugen slädliher Tage von meiner Seite riß. Diefer Baum, ber einzige In der ganzen Ge⸗ gend, wo ber Wacholder faft nur als Geſtruͤppe vorkommt, hatte fi wahrſcheinlich aus jenen Zei⸗ ten erhalten wo hier noch keine Gartencultur ge=

wefen. Es hatten ſich allerlei Fabeln von ihm verz'

breitet: ein ehemaliger. Beſitzer, ein Schumann, ſollte darunter begraben feyn, zwiſchen ihm und dem alten Haufe, in deſſen Nähe er fand, wollte man geſpenſterhafte Mädchen, die den Plab reine fchrten, gefehen haben; genng er gehörte zu dem abenteuerlichen Compiler jenes Aufenthalts, In wel⸗ hem fo manche Tahre meines Lebens hingefloffen, und der mir und andern dur Neigung und Ge- wohnheit, durch Dichtung - und Wahn fo herzlich lieb geworden.

S

. 54

Den umgeltürsten Baum ließ ich durch einen jungen Künftler zeichnen, wie.er noch auf Herzog⸗ licher Bibliothek zu: fehen iſt; die unterſchrift ſagt von ihm folgendes:

„Oben gezeihneter Wachholderbaum ſtand in dem Garten des Herrn Geheim. Raths von Gdethe, am Stern. Die Hoͤhe vom Boden bis da⸗ bin wo er ſich in zwey Aeſte theilte, war zwoͤtf hie⸗ ſige Fuß, die ganze Höhe 43 Fuß. Unten an ber Erde hielt er 17 Zoll im Durchmeſſer, dba wo er fih in die beiden Aeſte theilte, 15 Zoll. Jeder Aft 11 300, und nachher fiel es ab, bie fich die Spisen ganz zart verzweigten.

Bon feinem Außerft hohen Alter wagt man nichts zu fagen. Der Stamm war inwendig vertrodnet, das Holz or mit horizontalen Riſſen durch⸗ fohnitten, wie man fie an den Kohlen zu fehen pflegt, von gelbliher” Farbe und von Würmern zerfreffen.

Der große Sturm, weicher In der Nacht vom 30 zum 31 Januar wüthete Im Jahr 1809, riß Ihn um; ohne dieſes außerordentliche Ereigniß hätte er noch . Lange. ftehen tönnen. Die Gipfel der Aeſte fo wie

die Enden ber Zweige waren durchaus grün und J lebendig.“

55 181

Ein bedeutendes Jahr, abwechſelnd am Thätlg- keit, Genuß und Gewinn; fo daß ich mic bei einem- überreichen Ganzen in Verlegenheit fühle, wie ih die Theile gehörig orbuungsgemäß barftellen fol. 2er allen Dingen verdient wohl das Wiſſen⸗ ſchaftliche einer nähern Erwähnung. Hier war ber Anfang dee Jahrs mühfam genug; man war mit dem Abdrud der Zarbenichre fo weit vorgerüdt,

daB man den Abſchluß vor Jubilate zu bewirken .. nicht für unmöglich hielt; ich Ichloß den polemifhen Theil, fo wie die Geſchichte des achtzehnten Jahr Hundert: die nach meinen forgfältigen Zeichnungen geftochenen Tafeln wurden illuminirt, die Recapitu⸗ lation des Ganzen vollbradt, und man fah das letzte Blatt mit Vergnügen in die Druderey wandern.

- Dieb geſchah achtzehn Jahre nach dem Gewahr⸗ werden eines uralten Irrthums, In Gefolg von un= abläffigen Bemähnungen und dem endlich gefundenen Yuncte worum fick alles nerfammeln mußte. Die bisher getragene Laft war fo groß, daß ich ben 16 May als gluͤchlichen Befreiungstag anfah, an wel- chem ich mich In den Wagen fehte, um nach Böhmen zu fahren. Um die Wirkung war Ich wenig befüm- mert, und that wohl. Einer fo volllommenen Un⸗ theilnahme und abweifenden Unfrenndiichleit wat‘ - ih aber doch wicht gewärtig; Ich Ichweige davon und exwähne tieber mie viel ich bei diefer und bei: mels

nen uͤbrigen wiſſenſchaftlichen und literariſchen Ar⸗ beiten einen mehrjaͤhrigen Hausgenoſſen, Reiſege⸗ faͤhrten, ſo gelehrten als gewandten und freundlichen Mitarbeiter Dr. Frledrich Wilhelm Riemer ſchul⸗ dig geworden.

Weil man aber einmal des Muͤhens und Be⸗ muͤhens gewohnt, ſich immer ſehr gern und leicht neue Laſten auflegt, ſo entwickelte ſich, bei nochma⸗ liger ſchematiſcher Ueberſicht der Farbenlehre, der verwandte Gedanke: ob man nicht auch die Ton⸗ lehre unter aͤhnlicher Anſicht auffaſſen koͤnnte, und fo entſprang eine ausführliche Tabelle, wo In drey Solumnen, Subject, Object und Wermittelung aufe geftellt worden.

Und wie Feine unferer Gemuͤthskraͤfte ſich auf dem einmal eingefchlagenen Wege leicht irre machen läßt, es fey num daß man zum Wahren oder zum Falſchen hinſchreite; fo wurbe jewe Vorſtellungs art auf die ganze Phyſik angewandt: das Subjert im ges nauer Erwägung feiner auffaffenden und erfennens den Drgane, das Objeet ats ein allenfalls Erkenn⸗ bares gegenüber, bie Erſcheinung, durch Verſuche wiederholt und vermannichfaltist, in ber Mitte; wodurch denn eine ganz eigene Art von Eerfhung bereitet wurde.

Der Verſuch, als Beweis irgend 5 tiven Ansſpruches, ward verworfen; es eutſtand was man ſchon laͤngſt Anfrage an bie Natur ge⸗ nannt hat. Und wie denn alles Crfinden als elite

‚57 wetfe Antwort auf eine vernünftige Frage augefehen werben kann, fo konnte man fich bei jedem Schrift überzeugen, daß man auf dem rechten Wege fey, indem man überall im Einzelnen und Ganzen nur Gewinne zur Seite fab,

Wie fehr ich aber auch durch glädiiche Umgebung in dieſem Fache feftgebalten wurde, geht daraus herz vor, daß Doctor Seebeck ſowohl zu Haufe als auswärts faſt Immer in meiner Nähe blieb. Pro⸗ feſſor Boigt kam ans Frankreich zuräd und theilte

gar manche fhöne Erfahrung und Anfiht mit; die ‚wiffenfchaftlihen Zuftände in Paris wurden und duch einen Deutfchen nach unferer Spradh- und Denkweiſe näher gebracht, und ‘wir bekannten mit _ Vergnügen, daß er feine Zeit ſowohl für fih als “für und gut angewendet hatte,

Was für Muflt im Theater, fowohl in ben eriten ald letzten Monaten des Jahrs geſchah, ver⸗ melde kürzlich: die Uebungen ber freimilfigen Haus⸗ capelle wurden regelmäßig fortgefeht; Donnerſtags Abends Probe vor einigen Freunden gehaiten, Sonne tags Früh Aufführung vor großer Geſellſchaft. Ael⸗ tere und jüngere Theaterſaͤnger, Choriſten und -

- Kebhaber nahmen Theil; Ebermein dirigirte meiſterhaft. Mehrſtimmige Sachen von Zelter und andern Stallänifchen Großen wurben Ins Leben ge: fuͤhrt und Ihr Andenken yegrändet, Vergnügen und Nutzen, Anwendung und dortfchreiten in Eins ver⸗ banden.

Dadurch daß die Probe von der Ausführung vollkommen getrennt. bileb, ward das dilettantifche Pfuſchen völlig entfernt, das gewöhnlich erft im Augenblick der Aufführung no probirt, ia bis ben lehten Augenblick nnausgemacht laͤßt, was denn eigentlich aufgeführt werden kann und ſoll.

Die Donnerftage waren kritiſch und bibaktifc, bie Sonntage für jeden empfänglich und genußreich.

Gegen Ende des Jahre konnten von diefer Ge⸗ ſellſchaft Öffentliche Unterhaltungen Im Theater ge- geben werben; man führte folde Muſikſtuͤcke auf, welhe zu hören das Publicum fonft keine Gelegen⸗ beit findet, und woran jeder Gebildete fi wenig: ſtens einmal im Leben follte erquickt und erfreut haben. Als Beiſpiel nenne ich bier Johanna Sebus, componirt von Zelter, die einen unaus- —ͤſchlichen Eindruck In allen Gemuͤtherw zurüd ließ.

| Ebenmäßig wurden mit dem recitirenden Schau: fpielern die: Didastalien fortgefegt, mit ben ge: uuͤbteſten nur beinenen Stüden, mit ben Jüngeren bei frifher Beſetzung Älterer Rollen. Diefe legte - Bemühung iſt elgentlih der wichtigfte Theil dee Unterrichts, ganz allein durch ſolches Nachholen und Nacarbeiten wird ein ungefiörted Enfemble erhalten. Zalre, überfegt von Pencer, bewies aber: mals die Fertigkeit unferes Perſonals Im reinen Re⸗ eitiven. und Declamiren. Die erfte Lefeprabe war '

N

59 fo voltommen, daß ein gebitdetes Yublicum durch⸗ aus dabei hätte gegenwärtig feyn können.

- Der vierundzwanzigite Gebruar von Werner, an feinem Tage aufgeführt, war vols lends ein Triumph vollkommener Darſtellung. Das Schredlihe des Stoffe verſchwand vor der Reinheit und Sicherheit der Ausführungz dem aufmerkſam⸗ ften Kenner blieb nichts zu wuͤnſchen übrig.

Bewegte Plaſtik ward und durch das ausgezeich⸗ nete Talent der Fran Hendel Schäß vorgeführt; dffenttiche ernfte Darftellung, heitere ſcherzhafte ia Tomifhe Simmerunterhaltung gewährte nene Kunft- anfichten und vielen Genuß.

Die Vorftellung der Oper Achill durch Brizzi in Staltänifher Sprache eröffnete gegen Ende des Jahrs ein neues Feld, und zu gleicher Zeit näherte - fih , unter den ernfteften und treuften Bemähun gen, bei hochgeſteigertem Talent des Schaufpielere Wolf, ber ftandhafte Prinz der erfehnten Aufführung.

Bezüglich auf bildende Kunft ergab fich gleichfalls eine merkwürdige Epoche. Die Gebräter Boiſ⸗ ferde fandten mir durch ben auf die Leipziger Meſſe reifenden Buchhändler Zimmer von Heidel-

berg ihre koͤſtlichen ausgeführten Zeichnungen des Domgebäudes. Gern rief ich bie Gefühle jener - Jahre zuräd, als der Straßburger Muͤnſter mie Bewunderung abnöthigte, und mid. zu ſeltſamen aber tief empfundenen enthufiaſtiſchen Aeuferungen

68

veranlaßte. Nun ward das Gtublam jener aͤlteren .. befonderen Baukunſt abermuls ernſtlich und gruͤnd⸗ lich aufgeregt, und dieſer wichtige Gegeuſtand von ben Weimariſchen Kunſtfreunden theilnehmend im Betrachtung gezogen.

Eine Anwandlung landſchaftliche Skizzen zu zeich⸗ nen wies ich nicht ab; bei Spazlergaͤngen Im Fruͤh⸗ ling, befonders nahe bei Jena, fat’ ich irgend einen Segenftand auf, ber fih zum Blild qualiftciren weite, mad ſuchte Ihn zu Haufe alsdann zu Paplet zu bringen. Gleichermaßen werd weine Einbil- dungskraft durch Erzählungen leicht erregt, fo daß ich Gegenden. von denen im Gefpräh die Rede war, alfobald zu entwerfen trachtete. Diefer wun- derfame. Trieb erhielt fi lebhaft auf meiner ganzen Reife, und verließ mich nur bei meiner Ruͤckttehr, am nicht wieder hervorzutreten.

Auch fehlte es nicht Im Laufe bed Jahrs an Ge⸗ legenheit fefllihen Tagen manches Gedicht und mande Darftellung zu widmen. Die romens tifhe Poeſie, ein großer Redontenaufzug war bem dreyßigſten Jauuar gewibmet, zum 16 Februar wiederholt, wobei zugleih eine charakterkitifche Reihe Ruſſiſcher Voͤlkerſchaften ſich auſchloß, gleiche falls von Gedicht und Geſang begleitet. Die Gegen⸗ wart der Kaiſerin von Oeſterreich Majeſtaͤt in Carls⸗ bad rief gleich angenehme Pfllchten hervor, und manches andere Heinere Gedicht entwidelte fich im Stillen.

61

Hackerts Biographie ward indeſſen ernſtlich au- gegriffen, eine Arbeit die viel Zeit und Muͤhe ko⸗ ſtete; wobei uns das Audenlen an ben verewigten Freund zu Huͤlfe kemmen mußte. Denn obgleich die vorliegenden Papiere van Bebentung waren und genugfamen Gehalt lieferten, To blieb doch bie ver- ſchiedenartige Form deſſelben ſchwer zu gewältigen und in irgend ein congruentes Ganzes zuſammen⸗ zufuͤgen. I

Zerſtreuungen ber Reiſe, vorübergehende Theil⸗

nahme begegnender Freunde an kleineren Aufſaͤtzen erinnerte mich an die mancherlei Einzelnheiten, die auf eine Verbindung warteten, um dem Publicum ſich, theils neu theils zum zweytenmale, wieder vorzuſtellen. Der Gedanke ber Wanderjahre, der den Lehrfahren fo natuͤrlich folgte, bildete ſich

mehr und mehr ans, und befchäftigte mic In eiu:-

zelnen Stunden bie auf andere Welfe nicht genußt werden lkonnten.

Bezüglich auf die Rechte des Autors mußte man merkwuͤrdig finden, daß Minifter Portalis bei wie anfragte: ob es mit meiner Bewilligung ges ſchehen koͤnne, daß ein Koͤlniſcher Buchhändler die Mahlverwandtichaften : abdrude? Ich antwortete dankbar in Betreff meiner, verwied aber bie Ange⸗ legenheit an den rechtmäßigen Verleger, So viel höher ftanden fchon die Franzoſen im Begriff don geiſtigem Befig uud gleichem Recht des Höheru und

63

Nedern, wozu ſich die guten Deutfchen wohl ſobald nicht erheben werden.

In Carlsbad betrachtete ich bie Verwuͤſtung die der Sprudel angerichtet mit großem Intereſſe. Aus den hinteren Fenſtern des weißen Hirſches zeichnete ich dieſen ſeltfamen Zuſtand ſorgfaͤltig nach der Wirk⸗

lichkeit, und überließ mich der Erinnerung viel-

jähriger Betrachtungen und Zolgerungen, deren id bier nur Fürzlich erwähnen darf.

u, ® 18114 - Diefes Jahr zeichnet ſich durch anhaltende äußere

Thaͤtigkelt befondere aus. Das Leben Philipp

Haderts ward abgebrudt und bie vorliegenden Pa⸗ piere nach jedesmaligem Beduͤrfniß forgfältig redi⸗ girt. Durch dieſe Arbeit wurd’ ih nun abermals nah Süden gelodt; die Ereigniffe die ich jener Seit in Hackerts Gegenwart ober doch in ſeiner Nähe er:

. fahren hatte, wurden In ber Einbildungskraft le⸗

14

bendig; ich hatte Urfache mich zu fragen, warum

ich dasjenige. was Ich für einen andern thue nicht für mich ſelbſt zu leiſten unternehme? Ich wandte mid

‚daher noch vor Vollendung jenes Bandes an meine

‚eigene frübfte Lebensgeſchichte; bier fand fih num

freilich daß ich zu lange gezaudert hatte. Bei mei⸗

ner Mutter Lebzeiten hätt’ ich das Werk unterneb- men folen, damals hätte ich ſelbſt noch jenen Kinz

x Ü + \

_

63

derſcenen naͤher geſtanden, und waͤre durch die hohe Kraft ihrer Erinnerungsgabe voͤllig dahin ver⸗ ſetzt worden. Nun aber mußte ich dieſe entſchwun⸗ denen Geiſter in mir ſelbſt hervorrufen und manche Erinnerungsmittel gleich einem nothwendigen Zau⸗ berapparat muͤhſam und kunſtreich zuſammenſchaffen. Ich hatte die Entwicklung eines bedeutend gewor⸗ denen Kindes, wie ſie ſich unter gegebenen Umſtaͤn⸗ den hervorgethan, aber doch wie ſie im allgemeinen dem Menſchenkenner und deſſen Einſichten gemaͤß waͤre, darzuſtellen.

In dieſem Sinne nannt' ich beſcheiden genug ein folhes mit forgfältiger Treue bebandeltes Wert: Wahrheit und Dichtung, innigſt überzeugt, daß der Menſch in der Gegenwart is vielmehr noch in der Erinnerung die Außenwelt nah feinen Eigen- beiten biidend modele.

Diefes Geſchaͤft, inſofern Ich durch gefchichtlihe Studien und fonftige. Local: und Perfonen- Verge- ‚genwärtigung viel Zeit aufzuwenden hatte, befchäf- tigte mich wo Ich ging und fiand, zu Haufe wie auswaͤrts, bergeftalt daß mein wirklicher Zuſtand den Charakter einer Rebenſache annahm, ob Ih gleich übera wo ich durch's Leben hingefordert wurde, gleich wieder mit ganzer Kraft und vollem Sinne mich gegenwaͤrtig erwies. J

Für das Theater geſchah ſehr viel, wobei des trefflichen Wolf ſich immer ſteigerndes Talent im beſten Sinne hervortrat. Der ſtandhafte Prinz

|

64 a ward mit algemeinem Veifalle aufgefuͤhrt, und fo der Bühne eine ganz neue Provinz erobert. Auch erſchien Wolf ald Pygmallon, mund -felne Dar: ſtellung machte vergeffen, wie unzuläßlic und uner: freulich dieß Stud eigentlich fey.

Bon Kucbels überfester Saul Aifieri's, die

tochter Jephta, Taſſo wurden wiederholt,

NRomeo und Julie fürs Theater bearbeitet; wobei fewohl Riemer als Wolf eifrig mitwirkten; und fo ward auch für bie nächfte Folge Ealderong Leben ein Traum vorbereitet.

Demoifele Frank aus Mannheim erntete als Emmeline und Fanchon großen Beifall; Brizzi wicberholte feinen Beſuch, die Vorſtellung von Achill nahm wieder ihren glänzenden Gang. Die zweyte große Oper Ginevra Tonnte fih jener nicht gleich ſtellen; auch bier bewahrheitete fih die alte Lehre, daß ein verfehlter Text der Muſik und Dar⸗ ftellung Insgehelm dem Iintergang vorbereite. Ein Boͤſewicht und Verraͤther nimmt fih am Ende über- au Ihiecht and, am fchlechteften auf dem Chester, wo ber Verlauf feiner Niederträchtigleiten abge fponnen und und vor bie Augen geführt wird.

Das neuerbaute Schaufplelhaus gu Halle ver: Ich die ſaͤmmtlichen Vortheile ber Lauchftädter Bühne; die Einweihung deſſelben gab Gelegenheit zu einem Prolog, welchem freundliche Theilnahme zu Theil ward.

Mit dee Muſik gelang es wit aid fo

65

- was ich vor einem Jahre meine Hauscapelle zu nennen wagte, fühlte ih im Junerſten bedroht. Niemand merkte einige Weränderung, aber es hat- ten ſich gewiſſe Wahlverwandtichaften eingefunden, die mir fogleich gefährlich fehlenen, ohne daß ich Ihren Einfluß hätte hindern Finnen. Noch zu Anz fang des Jahres ward nad herkömmlicher Weife verfahren, doch ſchon nicht mehr In fo regelmäßiger wöchentliher Folge. Noch.trugen wir aͤchte alte Sachen vor, mehrere neue Canons von Ferrari belebten die Luft der Sänger und den Beifall der Zuhörer; ich aber hatte mich fchon in dieſen Vers Inft ergeben, und als bei meiner bevorstehenden Sommerreife zu Ende Aprils eime Yanfe eintreten mußte, fo war ſchon mein Entſchluß gefaßt nie wie- der zu beginnen: ich verlor dabei fehr viel, und mußte deßhalb ernftlih bedacht ſeyn mich ander⸗ waͤrts zu entſchaͤdigen.

Noch während dieſer anferbaulichen Unterhal⸗ tung ſchrieb ich die Cantate Rinaldo fuͤr des Prinzen Friedrich von Gotha Durchlaucht; ſie ward Durch den verdienſtvollen Capellmeiſter Winter componirt, und gewaͤhrte, durch des Prinzen an⸗ muthige Tenorſtimme vorgetragen, von Choͤren be⸗ gleitet, einen ſchoͤnen Genuß. Fa

Was fih auf Kitere bildende Kunſt bezog warb vorzüglich geachtet. Meyer bearbeitete unabläffig die Kunſtgeſchichte, und alle deßhalb gepflogenen Un— terfahungen gaben Stoff zu belehrendem Geſpraͤch.

Gorthe's Werte. xxxu. m 5

66 | mMionetiſche Yale Wisgriechifcher Drängen hat⸗ "ten, als bie wärblsften Documente jener un die entſchie denſten Ausſſchten eröffnet.

Die Luſt ſich Vergangenes zu vergegenwaͤrtigen wirkte fort, und wir ſuchten mit Huͤlfe eines guten Nechners den Rogus des Hephaͤſtion, beſonders aber das ungeheure Amphitheater wieder herzuſtel⸗ Ien, in befien Mitte er aufgeführt war, und wozu die Mauer von Babylon Erde und Schutt hatte hergeben müffen, wie zum Rogus die Ziegeln. Das ganze Griechiſche Heer fah mit Bequemlichkeit der Geier zu.

Viele Jahrhunderte waren Dagegen zu überfchref- ten, ald Dr. Sulpiz Boifferde mit einer wid- tigen Folge von Zeihnungen und Kupfern bei ung eintraf, und unfere Kunfibetrachtungen ind Mittel- alter hinlenkte. Hier verweilten wir fo. gern, weil eine wohl überdachte Folge übereinftimmenber Mo- numente vor und lag, die und In eine zwar büftere aber durchaus ehren und antheilwerthe Zeit ver- feste. Das Lebhafte Intereffe des Vorzeigenden, die gründiihe Erkenntniß jener Zuftände und. Ab⸗ - fihten, alles theilte ſich mit, und man ließ fi, wie bei einer veränderten Thegterdecoration, aber mals gern In Zeiten und Localitäten verfeßen, zu . denen man in ber Wirklichkeit ar wieder gelan⸗ gen follte,

Und ſo ward ein treuer Sinnes⸗ und Herzens⸗

FR 67 - band mit dem chlen Gaſte geſchloſſen, ber für bie übrige Lebenszeit folgereich zn werden verſprach.

Ferner hatte berfelbe Sederzeichnungen nach dem

‚Sedihte: die Nibelungen, von Cornelius

- mitgebracht, deren alterthuͤmlich tapferen Sinn, mit

unglaubliher technifher Kertigkeit ansgeſprochen,

man höchlich bewundern mußte, i

Als Nachllang jener früheren Weimariſchen Kunſtaus ſtellung, in Gefolg guter daraus ſich here leitender Verhaͤltniſſe mit lebenden Kuͤnſtlexn, ward gar manches eingeſendet. Der verdienſtvolle Nau⸗ werck zu Ratzeburg ſchickte Zeichumgen und Ge⸗ maͤhlde; des allzuftuͤh abgeſchledenen Landſchafts⸗ mahlers Kaaz hinterlaſſene Zeichnungen wurden vorgelegt. Prinzeß Caroline von Medienburg, ſelbſt einen ſchoͤnen Sinn fuͤr landſchaftliche Zeich⸗ ‚unngen beſitzend, fo wie anmuthig ausführend, ver: Ihaffte ſich von beiden eine Auswahl.

. Sp wurben wir. auch mit einem hoffnungéevollen "Ralente eines iung abgefchiebenen Mannes Namens Wehle zum erfienmal befaunt, deſſen Verlaſ⸗ fenfhaft Barın Schönberg: MRothfhänberg kaͤuflich an ſich gebracht hatte. Sowohl in Skizzen als ausgeführten Blaͤttern nad Ber Natur offen- barte fih ein gluͤcklich kuͤnſtleriſcher Bild in De - Welt, und das Jutereſſe an dieſen Blaͤttern war durch fremdartige ſeltſanliche Localitaͤt erhöht. Cr war bis Tifflis vorgedrungen, und hatte Fernes fo

68

wie Nahes mit charakteriſtiſcher geichtigteit ben Pa⸗ pier anvertraut. Bor ber Naturbetrahtung war. man einiger-

maßen auf der Hnt;, doch findirte Ich zwiſchendurch

die Geſchichte der Phyfit, um dad Heranfommen biefer höchften Wilfenfchaft mir möglichft zu verge- genwärtigen: denn ganz allein durch Aufklärung ber Vergangenheit laͤßt ſich die Gegenwart_ begreifen. Eine Wiſſenſchaft ift, wie jede menſchliche Anftalt

und Einrichtung, eine ungeheure Gontignation von

Wahrem und Kalfhem, von Freiwilligen und Noth⸗ mendigem, von Gefundem und Kraukhaftem; alles was wir tagtäglich gewahr werben, dürfen wir am Ende doh nur ale Symptome anfehen, die wenn wir ung wahrhaft ausbilden wollen, auf ihre phys fiologifhen und pathologifchen drineire surädzufüß- ren find.

Ich enthlelt mich perfönlih von Verſuchen aller Yet, aber ein Indianiſches Welßfener auf dem Land⸗

-grafenberg, von Profeſſor Döbereiner abge⸗

brannt, gab durch Erleuchtung des Thales, befon- ders der gegenüber liegenden Berge, eine hoͤchſt überrafhende Erfcheinung.

Nach dleſem' aufblidenden Lichtglanze durfte ſich der herrliche langverweilende Komet wohl auch noch fehen laſſen, unfere Augen entzüden und unfern in⸗

nern Sinn In das Weltall hinausforbern.

-

Mein dießjaͤhriger Aufenthait in Carlsbad nahm

einen ganz eigenen Charakter an; die Luft des Haf⸗

% *7

F .- 69 ö

tens an ber Natur, des Zeichnens und Nachbildens hatte mich ganz und gar verlaffen; nichts ber Art

wollte weiter gelingen, und fo war ich auch des Durch⸗ ſtoͤberns und Durchklopfens der allzubekannten Fels: maſſen völlig muͤde. Müller, in hoben Sahren, war nicht mehr anregend, und fo fah’ ich benn auch die Bemühungen, dem Sprubel feinen alten Weg wieder zu weifen, - mit Gleichgültigkeit, getröftet durch Die Bemerkung, daß man zwar althergebradh-

ten VorurtHellen zu fhmeicheln, aber‘ bo einem _

ähnlichen Uebel zuvor zu kommen trachtete.

In Geſellſchaft von lebensluſtigen Freunden und Freundinnen übergab ich mich einer tagverzehrenden Zerftreuung. Die herkoͤmmlichen Promenaden zu Sub und Wagen gaben Raum genug fich nach allen Selten zu bewegen; die näheren fowohl als die ent: fernten Luftorte wurden befucht, zu welchen fich noch ein neuer auf eine faft Lächerliche Weiſe gefellt hatte.

- Su Wehedisg, einem Dorfe über der Eger gegen

Dalwitz gelegen, hatte fih ein Bauer, der ald Fuhr⸗ mann bis Uagarn frachtete, auf dem Ruͤckwege mit jungen geiftig wohlfhmedenden Weinen beladen und In Hof und Haus eine Kleine Wirthſchaft errichtet. Bei dem niedrigen Stande des Papiergeldes, fat wie Zehn gegen Eins, trank man eine anmuthige Flaſche Ungerwein für den Betrag von wenig Sil- bergroſchen. Die Neuheit, dag Seltfame, ia bie Unbequemlichkeit des Aufenthalte, fügten zur Wohl: feilheit einen gewiffen Reiz; man 309 hinaus, man

70

lachte, fyettete Aber fit und andere und hatte fın- mer mehr bed einſchmeichelnden Weins genoffer «is Hikig war. Man trug fi über eine ſolche Wall⸗ fahrt mic folgender Auekdote: Drey beiahrte Din wer gingen nach Weheditz zum Weine:

- Drift Dtto, alt - 87 Jahr,

Stenfhneiter Mile 8 Ein fat . . 32°

255 Jahr. ©trzechten wader, und wur der letzte zeigte bei Nach⸗ haufegeben einige Spuren von Beſpitzung, bie bei- ben andern griffen dem Juͤngeren unter bie Weme und braten ihn gluͤcklich zurüd in feine Wohnung.

Einen ſolchen «allgemeinen Leihtfinn beghaftigte jener niedere Stand des Papiers. in ergangenes Patent hatte’ alle Welt verwirrt gemacht, bie vor⸗ handenen Zettel hatten allen Werth verloren, man erwartete die neuen fogenaumten Antteipationsfcheis ne. Die Verkäufer und Empfänger konnten dem ſiakenden Papierwerth nicht genug nachruͤcken, ben Käufern und Ausgebenden gerteth ed auch nicht zum Vorthelt; fie verfchleuberten Groſchen und wurden ſo allmaͤhlich Ihre Thaler los. Der Zuſtand war von der Art, daß er auch ben Seſoanenten zur Ver⸗ rädtheit hinriß.

Doch tft dei Tag folang, daß er ſich ohne nuͤtz⸗ liche Beſchaͤftigung nicht hinbringen läßt, und fo fente ich mit Riemers Beiſtand unter fortwähren-

dem Beſprechen die Arbeit an der Biographie fort,

gi

dad Räte ansfährend, das Fernere ſchematiſirend. un“ waren zum fortgefeßten Lefen und Betrachten die kletneren Schriften Plutarchs jederzeit bei der Hand, wie es benn au, an manderlei Erfahrung amd Belehrung in einem fo großen Zufammenfiuß von- bebeutenden Menſchen, die In gefchäftsiofer Freiheit fi gern von dem was ihnen lleb und werth Efk unterhalten, keineswegs fehlen konnte.

Don Perfonen, bie dieſes Jahr in Weimar ein-

geſprochen, find‘ ich folgende bemerft! Engels hardt, Architekt von Kaffel, auf feiner Dutchreife nach Stallen. Man wollte behaupten, ich babe ihn in frühereg Zeit als Mufterbild feines Kunftgenoffen in den Wahlverwandtfchaften Im Auge gehabt. Der fo geſchickte als gefälige Raabe hielt ſich einige Zeit bei uns auf, mahlte mein Bildniß in Del auf Kupfer. Ritter Dhara, ein treffliher Geſell⸗ fhafter, guter Wirth und Ehrenmann, wählte Welmar fuͤr einige Zeit zu feinem Wohnort. Die

Gefchichten feiner viefiähtigen Irrfahrten, die er

mir einigem Scherz über ich felbit zu würjen ver- ſtand, verbreiteten über feine Tafel einen angeneh⸗ men vertraulichen Ton. Daß feine Köchin bie treff- lichſten Beefſteaks zu bereiten wußte, auch daß er mie dem aͤchteſten Molla- Kaffe feine Gaftmahle ſchkoß, warb ihm nicht zum geringen Verdlenſt ans pereämet. :

Lefevre, Fraunzoͤſiſcher Legationsſecretair von Kaſſel kammend, durch Baron Reinhard angemel⸗

“= 72

bet, regte im lebhaften Geſpraͤch Franzoͤſiſche Rede, Poeſie und Geſchichte wieder auf, zu angenehmſter Unterhaltung. Profeſſor Thierfc ging, gute Ein⸗ druͤcke zuruͤcklaſſend und Hoffentlich mituehmend, bei - ung vorüber, Das Ehepaar von Arnim- bielt fih eine Zeit lang bei ung auf; ein altes Wertrauen hatte fich fogleich eingefunden; aber eben durch folche freie unbedingte Mittheilungen erfchien erft die Dif- ferenz, in die fih ehemalige Uebereinftimmung auf- gelöftt hatte. . Wir fchieden in Hoffnung einer - tigen glüdlihern Annäherung.

Don wichtigen Büchern, deren Einfluß —— war, las ich St. Croix Examen des Historiens d’Alexandre; Heerend Ideen über die Geſchichte bed Handel; Degerando histoire de la philo- sophie; fie verlangten ſaͤmmtlich, daß man feine -Umfiht Innerhalb der vergangenen Zelten auszu⸗ behnen und zu erweitern fich entfchließe.

Jakobi ‚von den göttlihen Dingen” machte mir nicht wohl; wie konnte mir das Buch eines fo herzlich gellebten Freundes willfommen feya, worin ich die Theſe durchgeführt fehen follte: die Natur verberge Gott. Mußte, bei meiner reinen tiefen angebornen und geübten Auſchauungsweiſe, die mid Gott In der Natur, die Natur in Gott zu ſehen nu⸗ verbruͤchlich gelehrt hatte, To daß dieſe Vorſtellungs⸗ art ben Grund meiner ganzen Exiſtenz machte, mußte nicht ein fo feltfamer, einfeitig-befchränfter Aus⸗

73

ſpruch mich dem Seiſte nach von bem ebelften Wanne, beffen Herz ich verehrend liebte, für ewig entfernen? Doch ih hing meinem ſchmerzlichen Verdruſſe nicht nah, ich rettete mich vielmehr zu meinen alten’ Aſyl, und fand in Spinoza's Ethik auf mehrere Wochen meine tägliche Unterhaltung, nnd da fich indeß meine Bildung gefteigert hatte, warb ih, im _ ſchon Bekannten, gar manches das ſich neu und an⸗ ders hervorthat, auch ganz eigen friſch auf mich ein⸗ wirkte, zu meiner Verwunderung, gewahr. Ouwarows Project einer Aſiatiſchen Akademie loctte mich in jene Regionen, wohin ich auf längere Zeit zu wandern ohnedem geneigt war. Hebels abermalige alemannifche Gedichte gaben mir den an⸗ genehmen Eindrud, den wir bei Annäherung von Stammverwandten immer empfinden. Nicht fo von Hagens Heldenbuch; hier hatte ſich eine alles ver⸗ wanbdelnde Zeit dazwifchen gelegt. Eben fo brachte mir Buͤſchings armer Heinrich, ein an und für ſich betrachtet hoͤchſt ſchaͤzenswerthes Gedicht, phy⸗ ſiſch⸗aͤſthetiſchen Schmerz. Den Ekel gegen einen aus ſaͤtzigen Herrn, für den fi das waderfte Mäb- chen aufopfert, wirb man ſchwerlich los; wie denn durchaus ein Jahrhundert, wo Die widerwärtigfte Krankheit in einemfort Motive zu leidenfchaftlihen Liebes = und Nitterthaten reihen muß, und mit Ab⸗ ſcheu erfült. Die dort einem Heroismus zum Grunde liegende ſchreckliche Krankheit wirkt wenig⸗ ſtens auf mie fo gewaltſam, daß ich mich vom blo⸗

72

fen Berühren eis ſoichen Buchs ſchon angeſteckt glaube,

Durch einen befoubern Zufnll kam mir ſobann ein Wert zur Hand, von welchem man dagegen eime unfittiiche Anftedung hätte befürdkten koͤnnen; weil. men fich aber vor geiſtigen Einwirkungen, aus einem sewiffen frevelhaften Düntel immer ſicherer Hält ald

vor körperlichen, fo las ich die Baͤndchen mit Ber: gnägen und Eile, ba fie mir nicht Tamge vergdumt waren; es find 'bie Novelle galanti vor Verocchio: ſie ſtehen denen bes Abbate Eaftt an poetiſchem und rhetoriſchem Werth ziemlich nahe, wur iſt Caſti kuͤnſtleriſch mehr zuſammen genommen und behertſcht feinen Stoff meifterhafter. Auf Erlanetang eines Freundes ſchloß ich die Novelle del Bandeli unnstts telbar an. Die Abentener des Rittet Srelewr mid Manon lEscot wurden als nahe verwandt het⸗ beigerufen; doch muß Ih mir zaletzt das Zeuguiß

geben, daß ich nach allem diefem endlich zum Laud⸗

prediger von Walefleid mit unſchutdigem Beragen ———

1812

Se Samilte Kobler erbffnete mie hiot aumu⸗ | thigen Balletten das Jahr. Romed und Julle, für Daun Turandot'werben wiederholt; die Aufführung von: Leben ein Traum vorbereitite. Die zw

Tee EHE, SEE Mm Th. SE U TUE WER RE, .

9

75 wurdiger Darſtellaug ſolcher Stuͤcke erforderlichen Aufſtrenguagen gaben neus. Gelegenheit yum tiefer eindringenden Studium ımb Dee ganzen Behandlung einen friſthen Schwung. Ein junger Schaufpleler trat Heap, Namens Durand, mit allen Vorzuͤ⸗ gen bie man im allgemeinen am einem jungen ſoge⸗ namıten Liebhaber wünfhen kann, nur vermißte man am ihm ein gewilles inneres Teuer, oder auch nut jene Art von Enthuſiasmus, ber Ihn aus fi ſelbſt heransgetrieben, womit er fih bem Publicum aufgedrungen hätte, daß es Ihn fühlen und anerfen- nen mußte. Man hoffte jedoch, daß er dieß Pe⸗ därfniß bald ſelbſt empfinden werde.

CTheodot Körner war als Theaterdichter her- vorgetreten; deſſen Tony, Zrini und Rofa-

munde, als Nachklaͤnge einer kurz vergangenen.

Epoche, von den Schauſpielern leicht aufgefaßt und wiedergegeben und eben fo dem Publicum ſinn- und artverwandt von ihm günftig aufgenommen wurden.

Zu böyeren Zwecken ward die große Zenobia von

Calderon fendirt und der wunderbare Magus durch Sriefens Ueberſetzung uns angendähert. Wolf md Nlemer machten einen Plan zu Auf⸗ führung des Fauſt, wodurch der Dichter verleitet ward mit dieſem Gegenſtand ſſch abermals zu be- fchaͤftkgen, manche Swifchenfeenen zn bedenken, ja ſogar Decorationen und ſonſtiges Erforderniß zu entwerfen. Zee genannten, immer thaͤtigen Freun⸗ be entwaktfen gleichfalls den Verſach einer neuen

76 NRedaction des Egmont mit Wiederherſtellung ber

Herzogin von Parma, die ſie nicht entbehren woll⸗

ten. Die Anweſenheit der Madame Schönber- ger veranlaßte die erfreulichften Darftellungen. Iffland ſchloß das Jahr auf dad erwuͤnſchteſte, indem er mehrmals auftrat; vom 20 Dechr. an ſehen wir folgende Vorftellungen: Clementine, Selbſt⸗ beberrfchung, ber Zube, Künftlers Erdewallen, Don Ranndo und der arme Poet; der Kaufmann von Ve⸗ nedig, der gutherzige Polterer.

Neben ihm traten von unferm wohlbeftellten Theater folgende Schaufpieler auf, deren Gemein: fhaft er feiner hohen Kunſt nicht unwuͤrdig fand. Es fheint uns der Sache gemäß Ihre Namen bier aufzufüsren, die Herren: Durand, Deny, Graff, Genaſt, Haide, Lorzing, Malkolmi, Oels, Unzel: mann, Wolf; ſodann die Damen: Bed, Eber⸗ wein, Engels, Lorzing, Wolf.

Der Biographlie zweyter Band wurde gearbeitet und abgefhloffen, auch der dritte Band eingeleitet, im Ganzen entworfen, im Cinzelnen ausgeführt. In Gefolg der Darftelung Mofalfcher Sefchichte im ertten Bande nahm ich den Irrgang der Kinber Iſtael durch die Wuͤſte aus alten Papieren wieder dor, die Arbeit feibft aber wurde zu andern Sweden zurüdgelegt.

Drey Gedichte für Kaiſerliche Dojeftäten, im Namen der Carlsbader Buͤrger, gaben mir eine che

x

m

ı tenvoll angenehme Gele zenheit zu verſachen, ob noch einiger poetiſcher Geiſt in mir walte. |

In der bildenden Kunſt ereignete fi manches Guͤnſtige: bie Nachricht von dem Fund auf Aegina eröffnete der Kunftgefchichte neue Ausfihten, an weichen wir und mit Freund Meyer, der in feinen Bemühungen Immer vorwärte sing , erbauten und ergösten.

Der Gedanke ans vorliegenden alten Münzen dad Andenken verlorner Kunſtwerke zu ergänzen, war zu reizend und hatte einen bergeftalt Toliden Grund, daB man nah dem Auffab über Mprons Kuh in bergleihen Betrachtungen fortfuhr, ben Dlympifhen Supiter, die Polpkletifhe Zune, und manches andere wuͤrdige Bild auf diefe Welfe wie: der herzuftellen trachtete.

‚Ein Heiner Sentaur von Silber, etwa ſpannen⸗ lang und bewundernswuͤrdig gearbeitet, rief eine lebhafte Streitigkeit hervor, ob er antik oder mo⸗ dern ſey. Die Weimariſchen Kunſtfreunde, uͤber⸗ zeugt daß in ſolchen Dingen niemals an Ueberein⸗ ſtimmung und Entſcheidung zu denken ſey, bewun⸗ derten ihn, belehrten ſich daran und traten zu der⸗ jenigen Partey, die ihn fuͤr alt und aus den erſten Kaiſerzeiten hielt. 4

Ich acquirirte eine nicht gar ellenhohe altfloren⸗ tiniſche Copie des ſitzenden Moſes von Michelangelo, in Bronze gegoſſen und im Einzelnen durch Grab⸗ ſtichel und andere ciſellrende Juſtrumente fleißigſt

\

78

vollendet: ein ſchoͤnes Dentmal forgfältiser, beinahe gleichzeitiger Nachbildung eines hoͤchſt geſchaͤtzten Kunftwertes jener Epoche, und ein Beiſplel wie man - dem kleinen Blide, weiches natuͤrlich die Sroßheit des Originals nicht darſtellen kounte, durch-eine-ge- wiſſe Ausfuͤhrlichkeit im Einzelnen, onen eigenthän: Usen Werth zu geben wußte.

Die Naturwiffenfhaft erfreute fich menden Be:

mwinnes; Ramdor „von den Berbaunngswerkzeugen ‚der Inſecten“ beſtaͤtigte mſere Denkweife über bie allmaͤhliche Steigerung organiſcher Weſen. Uebri⸗ gens aber wandte ſich die Aufmerkſamleit mehr ge⸗ gen allgemeine Naturforſchung.

Doctor Seebed, der chromatiſchen Angelegen⸗ heit immerfort mit gewohnten Fleiße folgend, be⸗ muͤhte ſich lum den zweyten Newtoniſchen Verſuch, den ich in meiner Polemit nur fo viel als wötbig berührt hatte; er-bearheitete ihn In meiner Segen: wart und es ergaben fi wichtige Mefultate, wie

jene Lehre, ſobald man anfatt ber anfaͤngtichen

_ Srismen zu Linfen übergeht, in eine faſt unnuflds- liche Verfitzung verwidelt werbe. Zu allgemeiner Wetrachtung und Erhebung bes Geiſtes eigmeten ſich die Schriften des Jordenus Brunus von Nola, aber freilich das geblegene Geld and Siiber aus der Maſſe jener ſo ungleich begab- ten Erzgaͤuge auszuſchelden und unter den: Hammer zu bringen, erfordert faft ‚mehr als menſchliche Kräfte vermögen, und ein jeder dem ein abalicet

| 79 ee eich eingebsren iſt thut beſſer, ſich unmittelbar

an die Natur zu wenden, als ſich mit den Gangar ·

ten, vielleicht mit Solagenhalden detgangeaet Zehrhunderte herumzumuͤhen.

In Carlsbad fand man ſich wieder zu hertdum⸗ | Shen geologiſchen Vetrachtungen gendthigt. Die Erwelterung bed Raumes um deu Neubrunnen, ein kuͤhnes vielleicht in früherer Zeit nicht denkbares Bornehmen, beitärkte in ben bisherigen Vorſtellun⸗ gen; ein merkwärbiges Geſtein ward daſelbſt gewon- nen, Started Walter ber Tepl und heftiges: Aufbrau⸗ fen ber heißen Quellen trafen zuſammen, Umfände . welche auf die Hppotheſe hinzubeuten fchlenen: dieſe gpoeße Naturwirlung ſey als ein ungeheures sr fches Erperiment angufehen.

Bon Töplis aus befuchte man Doctor Stolz in Außig und belehrte fich an deffen trefflihen Kennt- niffen und Sammlungen. Zoffile Knochen in Boͤh⸗ men waren auch zur Sprache gefommen. :

‚Rah. Haufe zuruͤcktekehrt verweilte man zuerſt in Jena, am den dortigen Muſeen im Augenblick einer eintretenden guͤnſtigen Epoche eine fteubige Aufuterkſamkeit zu widmen. Ihro Kaiſerliche Ho⸗ heit, bie Frau Erbprinzeß beſtimmten eine -anfohe-. liche Summe zu dleſem Zwecke, und Mechanicus Rörmer verfertigte eine Luftpumpe: für ‚bad phy⸗ Mealiſche Cabinet. Sonftige Inſtrumente und anu⸗ dere Anſchaffungen dorthin werden gleichfalls einge⸗ leitet, und am des Raumes mehr. zu gewinnen,

80

die oberen Zimmer im Jenaiſchen Schloß für die .

Aufnahme eines Theils der Muſeen eingerichtet.

Bon Trebra verehrte merkwürdige Granitüber-

gangsplatten als Documente früherer gesgnoftifcher Wanderungen aufdem Harze; fein Werl vom In⸗ uern ber Gebirge wird aufs Neue vorgenommen und dabei Ältere und jüngere Berfiellungsarten. be: ſprochen.

Sogenanute Schwefelquellen in Verla an der Ilm, oberhalb Weimar gelegen, die Austrocknung des Teichs, worin ſie ſich manchmal zeigten, und Benutzung derſelben zum Heilbade, gab Gelegen⸗ heit geoguoftifhe und chemiſche Betrachtungen her⸗ vorzurufen. Hliebei zeigte ſich Profeſſor Döbereiner auf das lebhafteſte thellnehmend und einwirkend.

1813. Die ernenerte Gegenwart Brizzi's hatte der Oper einen eigenen Schwung gegeben, auch die Auf: führung derfeiben Itallaͤniſch möglich gemacht. Kei⸗ nem Sänger iſt diefe Sprache ganz. fremd: denn er ang fein Talent mehrentheils in felbiger produci⸗ ten; fie ift überhaupt für den, dem bie Natur ein

gluͤckliches Ohr gegönnt, Leicht zu erlernen. _Zu groͤ⸗

)

|

ßerer Bequemlichkeit und fchnellerer Wirkung werd

ein Sprachmeifter angeftellt.: Eben fo hatte Ifflanbs

Gegenwart alle Aufmerkfamteit unferer Schaufpielet : au:

|

8

augerent, und fie wettelferten allzufanımt wuͤrdig sehen Ihm zu fiehen. Wer In bie Sache tief genug hinelnfah,, kounte wohl erfennen, daß die Ueberein⸗ ſtlinmung, die Einheit unferer Buͤhne dieſem gro⸗ Gen Schauſpieler volllonsmene- Leichtigkeit und Be⸗ quemlichkeit gab, ſich wie auf einem reinen Element nach Gefallen zu bewegen. Nach ſeiner Abreiſe wurde alles wieder ernſtlich und treulich fortgeſetzt; aber jedes kuͤnſtleriſche Beſtreben durch Furcht vor immer naͤher herandringenden Kriegsereigniſſen der⸗ geſtalt gelaͤhmt, daß man ſich begnuͤgen mußte mit "Don Vorraͤthen auszulangen.

Poetiſcher Gewinn war dieſes Jahr nicht reich⸗ lUch; drey Romanzen: dee Todtenkranz, der ge: treue Eckhard und die wandelnde Glocke verdienten einige Erwaͤhnung. Der Loͤwenuſtuhl, eine Oper, gegruͤndet auf bie alte Ueberlleſerung, de ich nachher In der Ballade „„die Kinder bie hoͤ⸗ ren es gerne” ausgeführt, gerleth Ins Stocken und

verharrte darin. Der Epliog zum Eſſer darf wohl - '

auch eswähnt werben.

Der dritte Band meiner Blographle warb redf- giet und abgedruckt und erfreute ſich, ungeachtet an mißlicher Umftände, einer guten Wirkung. .

Das Itallaͤniſche Tagebuch ward näher beleuchtet ‚und zu beffien Behandlung Anftalt gemacht; ein Aufſatz zu Wielands Andenken in der Trauerloge vorgelefen und zu vertraulicher Mitrheilang dem Drud. aͤbergeben. Goethedb Werte. XXXII. Bbv. 6

82.

Im Felde der Literatur warb - manches Aeltere, Neuere und Berwandte vorgenommen und mehr ober weniger durch Fortſetzung ber Arbeit irgend einem Ziele näher gebracht, beſonders ift das Stu⸗ dium zu erwäßnen, das män Shafeipeate'n in Be⸗ zug auf feine Vorgänger widmete, ä

Seographifhe Charten zu finnliher Darſtellung der über bie Welt vertheilten Spraden wurben mit Wilhelm von Humboldts Thellnahme bear- heitet, begränzt und illuminirt; eben fo warb von Alexander von Humboldt veranlaßt, die Berghoͤhen der alten und neuen Welt in ein verglei-

chendes landſchaftliches Bild zu bringen. Hier iſt nun am Platze mit wenigem auszuſpre⸗ hen, wie ih das Gluͤck gleichzeitig mit den vorzuͤg⸗ lichſten Männern zu leben mir zu verdienen fuchte. Bon dem Standpuncte aus, worauf ed Gott und der Natur mich zu feßen bellebt und mo ich zunaͤchſt den Umftänden gemäß zu wirken nicht unterlieh, fab ih mich überall um, wo große Beſtrebungen fi hervorthaten und andauernd wirkten. Ich meines Theils war bemüht durh Studien, eigene Leiftun-

gen, Sammlungen und Verſuche ihnen entgegen zu kommen und ſo, auf den Gewinn deſſen was ich nie ſelbſt erreicht hätte, treulich vorbereitet, es zu ver⸗ dienen, daß ich unbefangen ohne Rivallitaͤt oder Neid ganz frifh und Ichendig dasjenige mir zueignen durfte, was von den beiten Geiftern dem Jahrhun⸗ dert geboten ward, Und fo 508 fih mein Weg gar

Ri 83

manden fhönen Unternehmungen parallel, nahm feine Richtung grad auf andere zu; das Neue war mir deshalb niemals fremd und Ih Fam nicht in Ge⸗ fahr, es mit Heberrafhung aufzunehmen, oder we⸗ gen veralteten Vorurtheils zu verwerfen.

Als Zeichen der Aufmerkſamkeit auf das allerbes. fonderfte brachte id/ Durchgeichnungen von Bildern: aus einer alten Handfchrift des Sachfenfplegels Ken: nern und Mebhabern In bie Hände, welche denn auch davon den Löhlichiten Gebrauch machten, ‚und die Symbolit eines, In Abficht auf bildende Kunft, voͤl⸗ Ha Eindifchen Beitalters gar finnig und überzeugend auslegten.

Des Allerneneften * zu erwaͤhnen ſendete mir Abbate Monti, fruͤherer Verhaͤltniſſe echenn ſeine Ueberſetzung der Zitas.

Als Kunſtſchaͤtze kamen mir ins Haus: Gypeab guß von Jupiters Koloſſal⸗Buͤſte, Heine Herme eines Indiſchen Bachus von rothem antiken Marmor, Gyps⸗ abguͤſſe von Peter Viſchers Statuen der Apoſtel am

Grabmal des heiligen Sebaldus zu Nürnberg. Vor⸗ züglich bereicherten eine meiner liebwertheſten Samm-

lungen Papftliche Mängen, doppelt erwunſcht thelle

wegen Ausfuͤllung gewiffer Luͤcken, theils weit fie die - Einfihten in die. Sefhichte der Plaftit und der bil: - denden Kunft überhaupt vorzüglich beförderten, .

Freund Meyer fepte feine Kunftgefchichte fort; Phi⸗

loſtrats Gemähibe belebten fih wieder, man ftudirte Heypynes Arbeiten darüber; die koloſſale Statue Do⸗

84:

mitiaus, von Statius befchrieben, finbte man fich gleichfalls zu vergegenwärtigen, zu reſtautiren und an Drt wub Stelle zu ſetzen. Die Philologen Ries mer und Haud waren wit Gefaͤlligkeit beiräthig: Viscontl's Teonpgraphie grecque ward wieber auf⸗ genommen, und in jene alten Seiten führte mich un- mittelbar ein hoͤchſt willlommenes Geſchenk. Here Börnftett befchentte mich im Namen ber zu fo- bedeutenden Sweden nach Griechenland Gereiften

mit einem sum Spaylerfiabe umgeformten Palmen zweig von der Akropolis; eine bebeutenbe Grkechtſche Silbermuͤnze vertrat die Stelle bed Knopfes.

Damit man ja recht an folhen Betrachtungen feſigehalten werde, fand fich Gelegenheit die Dres de⸗ wer Sammlung der Originallen ſowohl «ld ber: Ab⸗ guͤſſe mit Muße zu betrachten.

Indeſſen sog deun doch auch de Meiſterſchaft mancher Art, die den Neuern vorzüglich zu Theil geworden, eine gefühlte Aufmerkſamkeit an ſich. Bei Betrachtung Ruis daliſcher Arbeiten entſtand ein Heiner Aufſatz: der Laudſchaftsmahler als Dichter.

Won Mittebendben hatte man Gelegenheit bie Arbeiten Kerfiings kennen gu lernen und Urſache fie werth zu ſchaͤtzen.

Naturwiſſen ſchaften, befonbers Geologie, erhlel⸗ ten ſich gleichfalls in der Reihe; von Thpiin aus be⸗ ſuchte ich die Zinnwerke von Graupen, Zinnwalde und Altenberge; in Bilin erfreute Ich mich ber vel tung des erfahrnen klar denkeuden Dr. Reuß; ich

gelangte unter feiner Führung bis an ben Fuß bes Btliner Felſens, wo anf dem Klinsfiein In Maffe der fäulenförmige unmittelbar anffteht; sine geringe Veränderung ber Bedingungen mag bie Veraͤnde⸗ ung dieſes Geſtaltens leicht bewirkt haben.

Die in ber Naͤhe von Bilin ſich befindenben Gra⸗ naten, deren Sortiren und Behaudlung aͤberhaupt, ward mir gleichfalls ausführlich bekannt.

Eben fo viel wäre von anderer Seite ein Veſuch son Dr. Stolz in Außig zu rügmen; auch bier er= ſchien das große Verdienſt eines Mannes, ber fe nen Kreis zunaͤchſt durchpruͤft, und bem ankommen⸗ den Gaſt gleich ſo viel Kenntniſſe mittheilt, als ihm ein laͤngerer Aufenthalt kaum haͤtte gewaͤhren koͤnnen. Aus dem mannichfaltigen Buͤcherſtudium ſind Hier. abermals Trebra's Erfahrungen vom Innern ber Ge⸗ birge und Charpentiers Werte zu nennen. Ei war meine Art auf Anſichten und Heberzeugungen mitle- bender Männer vorzuͤglich zu achten, befonbers wenn fie nicht gerade der Schnurre des Tags angemeffene Bewegung maden konnten.

Das Intentionitte Schwefelbad zu Berka gab zu wancherlei Discuſfionen Gelegenheit; man verfucte, was man vorausichen keunte und Lich bewenden, was man wicht hätte beabfichtigen follen.

Die entoptiihen Farbes erregten Aufmerkſam⸗ keit; unabhängig hievon hatte ich einen Aufſatz über den Doppelfpath gefchrieben.

Und ſo bemerke ich am Schiufle, daß die Iuſtru⸗

86 mente fuͤr die Jenaiſche Sternwarte beſtellt und Klugens Werk uͤber den animaliſchen Magnetis⸗ mus beachtet wurde.

Bedeutende Perſonen wurden von mir geſehen. In Tharand Forſtmeiſter Cotta, in Toͤplitz Dr. Kap⸗ pe, Graf Bruͤhl, General Thielemann, Rittmeiſter von Schwanenfeld, Profeſſor Dietrich vom Gymna⸗ ſium zu Commotau, Großfuͤrſtinnen Katharina und Maria.

Nach der Schlacht von Leipzig in Weimar geſe⸗ hen: Wilhelm von Humboldt; Graf Metternich; Staatskanzler von Hardenberg; Prinz VPaul von Wuͤrtemberg; Prinz Auguſt von Preußen; Kur⸗ prinzeß von Heſſen; Profeſfor John, SERIE; Hofrath Rochlitz. |

Hier muß ich noch einer Eigenthamlichteit mel- ner Handlungsweiſe gedenken. Wie fich in der po⸗ litiſchen Welt irgend ein ungeheures Bedrohliches hervorthat, fo warf ich mic eigenfinnig auf das Ent: ferntefte. Dahin iſt denn zu rechnen, daß ich von meiner Ruͤckkehr and Carlsbad an mic mit ernſtlich⸗ fen Stublum dem Chinefifchen eich widmete, und dazwiſchen, eine nothgedrungene unerfreulihe Auf⸗ führung des Eſſex im Auge, der Schaufpfelerin Wolf zu Liebe und um ihre fatale Nolle zuletzt noch eini⸗ germaßen glänzend zu machen, den Epilog zu Eifer ſchrieb, gerade an dem Tage der Schlaht von

Leipzig. | Zum Behnf meiner eigenen Biographie zog ich

F 87

aus ben Frankfurter gelehrten Zeitungen vom Jahr -4772 und 1773 bie Necenfionen aus, welde ganz ‚oder zum Theil mir gehörten. lm in iene Zeiten mich: noch mehr zu verſetzen fiudirte ih Möfer 6 . Mhantafien, ſodann aber auh Klingers Werte, die mich an die unverwuͤſtliche Thaͤtigkeit nach einem ‚befondern eigenthämlichen Weſen gar harakteriftiich -erimerten. In Abficht auf allgemeineren Sinn in Begruͤndung Afthetifhen Urtheils hielt ich mid

immerfort an Erneſti's Technologie Sriedl-

ſcher und Roͤmiſcher Redekunſt, und beſplegelte mich darinnen ſcherz⸗ und ernſthaft, mit nicht weniger Beruhigung, daß ich Tugenden und Maͤngel nach ein

paar tauſend Jahren als einen großen Beweis

menſchlicher Beſchraͤnktheit in meinen eigenen Schriften unausweichlich wieder zuruͤckkehren ſah. Von Ereigniſſen bemerke vorlaͤufig: der Fran⸗ zoͤſiſche Geſandte wird in Gotha uͤberrumpelt und enttommt. Ein geringes Corps Preußen beſetzt Weimar, und will und glauben machen, wir feyen unter feinem Schuge fiher. Die Sreimilligen bes . tragen ſich umartig und nehmen nicht für fi ein. Ich reife ab, DBegegniffe unterwegs. In Dresden iuffifche Einquartierung, Nachts mit Fadeln. In⸗ gleichen der König von Preußen. In Löplig Ver⸗ traulichkelten. Borläufige Andeutungen einer all „gemeinen Verbindung gegen Napoleon. Schlacht von Lünen. Franzoſen in Dresden. Waffenftili- ftand. Aufenthalt in Böhmen. Luſtmandͤuvre zwi-

An

_

/

J 8 eigniſſe in Dresden. Ruͤcktehr nad Weiner. Se jüngfte Franzoͤſiſche Garde zieht ein. General

Travers, ben Ich als jenen Begleiter des Königs .

von Holland kennen gelernt, wird bei mir.gu: ſei⸗ ner hoͤchſten Berwunderung einquartiert. Die Frau⸗ ⸗oſen ziehen alle vorwärts, Schlacht von Seipzig. Die Kofaten ſchleichen heran, der Franzoͤſiſche Ge⸗

ſandte wird bier. genommen, die Franzoſen von

Apolda und Umpferſtedt her andraͤngend. Die Stadt wird vom Eiterdberg. her überfallen, : Die Oeſtectelchet nruͤcken ein.

\

181%

Auf dem Theater fah man bie Schulb von

Muͤllner. Ein ſolches Städ, man denke uͤbrigens davon wie man wolle, bringt der Buͤhne den gre- Jen Vortheil, daß jedes Mitglied ſich zuſammen

nehmen, ſein Moͤglichſtes thun muß; um feiner

Molle nur einigermaßen gemaͤß zu erſcheinen. Die Loͤſung dieſer Aufgabe bewirkte . mehrere treffliche Worftellungen von Romeo und Julie,

Egmont, Wallenfteins Lager. und Tod,

Alle Rolleuveräuderungen die in dieſen Städten vor-

fielen, wurden benußt zu forgfältigen -Didassakten,

um geäbte und ungeäbte Schauſpleler mit. mm: in Harmonie zu feben.

.” > \ \ *

Indem men: ih nun 16 eiwae Neuen, Frem⸗ dem und zugleich Bedeutendem umſah, glaubte man and den Schauſpielen Fouque's, Arnims und. anderer Humsriſten einigen Mostheil zichen an koͤn⸗ wen, und durch theatermaͤßige Bearbeitung ihrer, .:äfterd fahr glüdtichen uud - bie auf einen gewiflen Grad gäuftigen. Gegenfidude fie buͤhnengerecht au ‚machen: eiu Unternehmen welches jedoch nicht durch⸗ zufuͤhren mer, fo wenig als bei den früheren Ar- beiten von. Ried und Brentane,

Der Beſuch des Füriten Radzivil erregte gleichfalls eine ſchwer zu befriedigende Sehnſucht; feine gentaltfhe ung glädtich mit fortreißende Som- pofition zu Fauft ließ uns doch nur entfernte Hoff: nung fehen, das feltfame Stüd auf das Et su Bringen, °

Unfere Schauſpielergeſellſchaft folite wie bioher wach dießmal der Gunſt genteßen in Halle den Som⸗ :mer durch Worſtellungen zu geben. Der wadere

Reil, dem die dortige Buͤhne ihre Entſternung ver⸗ dankte, war geſtorben; man: wuͤnſchte ein Vorfpiel, das zugleich als Tadtenfeier für den trefflichen Mann gelten Hönnte;-ich entwarf es beim Fruͤhlingsaufent⸗ halte zu Berka an der Ilm. Mid ich aber, durch Sffland unerwartet aufgefordert, bad Erwadhen bes Gpimenides. unternahm, fo wurde jenes durch . Riemer mach: Werabredung : ausgearbeitet. Capellmeiſter Weber beſuchte mich wegen ber

z .

M 09

Compoſition des Epimenides über die wir und ver: glichen.

Das Monodram Profſerpina, wurde, nach Eberweins Compoſition, mit Mabame Wolf einge⸗ lernt, und eine kurze, aber hoͤchſt bedeutende SBor- ſtellung vorbereitet, in welcher Recitation, Decla⸗ mation, Mimitk und edelbewegte plaſtiſche Dar⸗ Itellung wetteiferten, und zuletzt ein großes Tablean,

Pluto's Reich vorſtellend und das. Ganze kroͤnend,

einen ſehr guͤnſtigen Eindruck hinterlleß.

Das Gaſtmahl der Weiſen, ein dramatiſch Iprifcher Scherz, worte bie verfchiebenen Philoſophen jene zudringlichen metaphpfifchen Stagen, womit das Volk fie oft beläftigt, auf heitere Weiſe beant- worten, oder vielmehr ablehnen, war, wohl nicht fürs Theater, doch für geſellſchaftliche Muſik be- ftimmt, mußte aber, wegen Anzüglichfeit, unter die Paraltpomena gelegt werben.

Muflfalifhe Aufmunterung buch Zelters Ge⸗ genwart und buch Inſpector Schus end Vortrag der Bachiſchen Sonaten.

Die Feierlichkeiten zur Ankunft des Herzogs aus dem glädtichen Feldzug erregten Worbereitungen zu architektonifher Zterbe ber Strafen. Nebaction einer Gedichtſammlung nachher unter dem Titel:

Willkommen herausgegeben.

Indeſſen war bie neue Ausgabe meiner Werte vorbereitet; der biographiſhe dritte Wand gelangte zu Iubllate ins Publicum. "Die Itallaͤniſche Reiſe

91

rüdte vor, ber weſtoͤſtliche Divan ward ge- gründet; die Meife nach den Rhein⸗, Main: und Neckargegenden gewährte eine große Ausbeute und- reihlihen Stoff an Perſoͤnlichleiten, Localitaͤten, Kunſtwerken und Kunſtreſten.

In Heidelberg bei Boiſſerée's, Studium der Niederlaͤndiſchen Schule In Gefolg Ihrer Sammlung. Studium des Koͤlner Doms und anderer alten Bau⸗ lichkeiten nah Riſſen und Planen. Letzteres fort⸗ geſetzt in Darmſtadt bei Moller. Alte Ober: deutſche Schule in Frankfurt bei Schuͤtz. Von die⸗ fer Ausbeute und reichlichem Stoff an Menfchen- Tenntnfg, Gegenden, Kunftwerken und Kunftreften

mitgetheilt in der Zeitfhrift Rheln und Malin.

Naturwiffenfhaft wurde fehr gefördert durch ge⸗

fällige Mittheilung des Bergrath Cramer zw. Wiesbaden an Mineralien und Notizen des DBerg- wefens auf dem Wefterwalde. Das Darmftäbter Mufeum, bie Frankfurter Mufeen, Aufenthalt bei Geheimerath von Leonharb In Hanau Nach meiner Ruͤcktunft Sorge für Jena.

"Bon öffentlichen Ereigniſſen bemerke ich die Ein⸗

nahme von Paris, und daß ich ber erſten Feier bes achtzehnten Octobers In Frankfurt beimohnte, _

)

1815

Schon im vorigen Jahre waren mir bie ſaͤmmt⸗ lihen Gedichte. Hafis In ber von Hammerfchen

"Ueberfegung zugelommen, und wenn ich früher ben

bier und da In Zeitſchriften überfegt mitgetheilten einzelnen Stuͤcken dieſes herrlichen Poeten nichts abgewinnen kounte, fo mirkten ſie doch jetzt zuſam⸗ men deſto lebhafter auf mich ein, und ich mußte mic dagegen productiv verhalten, weil ich ſonſt vor der mächtigen Erſcheinung nicht haͤtte beſtehen können. Die Einwirkung war zu lebhaft, die Deutſche Ueber⸗ ſetzung lag vor, und ich mußte alſo hier Veranlaſ⸗ fung finden zu eigener Theilnahme, Alles was den

. Stoff und dem Sinne nach bei mir Aehnliches ver- wahrt und gebegt worben, that ſich hervor, und dieß mit um fo mehr Heftigleit als ich hoͤchſt noͤthig

fühlte mich aus der wirklihen Welt, bie ſich ſelbſt offenbar und im Stillen bedrohte, In eine ideelle zu guͤchten, an welcher vergnüglichen Theil zu nehmen meiner Luft, Fähigkeit und Willen überlafen war.

- Nicht gamı fremd mit ben Elgenthuͤmlichkeiten des Oſtens wandt' ih wid zur Sprache, inſofern \e8 unertäßti war jene Luft zu athmen, ſogar zur Schrift mit ihren, Eigenheiten und Verzierungen. Ich rief die Moallafatd hervor, deren ich einige gleich nach ihrer Erfheinung überfeßt hatte, Den

Beduinen⸗Zuſtand bracht' ich mir vor die Einbildungs⸗

Kraft; Mahomets Leben von Delsner, mit dem

95:

ich mich ſchon laͤngſt befreundet hatte, förberte mid aufs neue, Das-Derhättutb zu v. Diez befefligte ſich; das Buch Cabus eröffnete mir den Schau: platz jener Sitten in einer hoͤchſt bedeutenden Zeit ber unſrizen gleich, wo ein Fuͤrſt gar wohl Urſache

hatte feinen Sohn in einem weitiäufigen Werke zu belehren, wie er allenfalls bei trautigftem Schick⸗ fale ſich doch noch In einem Geſchaͤft und Gewerbe durch die Welt bringen könne: Metſchnun und

Leite, als Muſter einer grängenlofen Liebe, war _

- wieder dem Gefühl und bes Einbildungsfraft, zus geeiguet; bie reine Religion der Parfen aus dem fpäteren Verfall hervorgehoben und zu Ihrer ſchoͤ⸗ nen Einfalt zuruͤckgefuͤhrt; die Längft ſtudtrten Rei⸗

ſenden, Andrea bella Valle, Tavernier, Char⸗

din abſichtlich durchgeleſen, und fo haͤufte ſich der Stoff, bereicherte ſich der Gehalt, daß ih nur ohne Bebenfen zulangen konnte, um das augen⸗

blicktlich Bedurfte · ſogleich zu ergreifen und anzuwen⸗

den. Diez war die Gefältigkeit ſelbſt, meine wunderlichen Sragen zu beantworten; Lorsbach

hoͤchſt theilnehmend und hiufreich; auch blieb ich

durch ihn nicht ohne Veruͤhrung mit Splveſtre de Sacy; und obgleich dieſe Maͤnner kaum ahnen

noch weniger begreifen konnten was ich eigentlich

wolle, ſo trug doch ein jeder dazu bei mich aufs elliſte in einem Felbe aufzuklaͤren In dem ich mich

manchmal geuͤbt, aber: niemals ernſtlich umgeſehen

hatte. Und wie mir bie von Hammerſche Ueber⸗

il

94

ſetzung täglich zur Hand war, umd mir zum Buch

ber Bücher wurde, fo verfehlte Ich nicht aus feinen Zundgruben mir manches Kleinod zuzuelgnen. Indeſſen ſchien der politifhe Himmel ſich nach

“+ and nach aufzuklaͤren, der Wunſch In bie freie Weit,

beſonders aber ins freie Geburtsland, zu dem id - wieder Luft und Antheil faſſen konnte, drängte mic zu einer Reife. Heitere Luft.und rafche Bewegung gaben fogleich mehreren Probuctionen im neuen oͤſt⸗ lichen Sinne Raum. Ein heilfamer Badeaufenthalt, ländliche Wohnung in bekannter von Tugend auf be- tretener Gegend, Theilnahme geiftreicher, lieben⸗ ‚der Sreunde, gedieh zur Belebung und Steigerntg eines gluͤclichen Zuftandes, der fich einem jedem Neinfühlenden aus dem Divan barbieten muß.

Gegen Ende diefer Wallfahrt fand ich meine Sanfmlung fo bereichert, daß ich fie ſchon nach ge: wiffer Werwandtfchaft fondern, in Bücher einthei⸗ fen, die Verhaͤltniſſe der verfchtedenen Zweige er⸗ meffen, und das Ganze, wo nicht der Vollendung, doch dem Abſchluß näher bringen konnte. Und fo hatt’ ich In diefer Zerſtreuung mehr gewonnen und gefunden, als mic eine gleiche Zeit In den ruhvoll⸗ fien Tagen hätte gewähren können.

Kor meiner Abreife. waren vier Bände der neuen Auflage meiner Werke fortgefenbet; ich fing an bie Steiltanifche Neife zu rebigiren, doch riß das orten- tatifhe Intereffe meln ganzes Vermögen mit fih fort ;. gluͤclich genug! denn wäre Trieb aufge⸗

95

m, abgelenkt werben, ich hätte ben Weg zu m Paradieſe nie wieder zu finden gewußt. Wenig Fremdes berährte mich; doch nahm. ich en Antheil,an Griechifchen Liedern neuerer Zeit, In Original und Neberfegung mitgetheilt wur= und die ich bald gedrudt zu fehen wuͤnſchte. Herren von Natzmer und Harthaufen en dieſe ſchoͤne Arbeit übernommen. In literariſcher Hinfiht förberten mih nicht ig Göttinger. Anzeigen, deren ich viele Bände ber Wiesbadner Bibliothek anfraf, und fie, dee nung nah, mit gemüthliher -Aufmerkfamteit blad. Hier ward man erft gewahr, was man. bt und bdurchlebt hatte, und was ein ſolches k bedeute, das mit Umfiht aus dem Tage ent⸗ ngen in die Zeiten fortwirkt. Es iſt höchft an= hm in diefem Sinne das laͤngſt Gefchehene zu achten. Man fieht dag Wirfende und Gewirfte ı im Sufammenhange,“aller mindere Werth iſt ı zerftoben,- der falfche Antheil des AugenblidE erfhwunden, die Stimme der Menge verhallt, das uͤberbliebene Wuͤrdige iſt nicht genug zu zen. Zunaͤchſt waͤre ſodann ber aͤlteren Deutfchen Bau= t zu gebenten, berem Begriff fih mir Immer e und mehr erweiterte und reinigte.

Eine Fahrt nah Köln In der ehrenden Gefel- t bes Herrn Staatsminiſters von Stein, druͤckte mf das Siegel, Ih ſah mit vorbereiteten

R 96.

Erftaımen das ſchmerzenvolle Deutmal Ger Unrollea⸗ Dung , nnd konnte doch mit Augen Das Maß faſſen, von dem was 06. hätte werden follen, ob es gleich dem angeftrengteften Sinne noch immer umbegreif: Uch ablieb. Auch von alterthuͤmlicher Miahterey: fanb ſich in Profeffor Wallraffs Summinng und an⸗ derer Privaten gar viel zu ſchauen, gar mancher Werth zu erkennen, und-der Aufentbalt, fo kurz ex geweſen, Heß doch unvergängkihe Wirkungen zuruͤck. - Diefe wurden gehegt und erhöht durch die geſellige Näbe von Suipis Boiſſerée, mit bem ich von Wlesbaden über Mainz, Frankfurt, Barmftadt - refs fend faft nur folhe Gefprähe führte In Heidel⸗ berg angelangt, fand ich die: gaſtfreundlichſte Auf⸗ nahme, nnd hatte die fchönfte- Gelegenheit bie um: ſchaͤtzbare Sammlung mehrere Tage zu betrachten, mich von ihrer charakteriſtiſchen Vortrefflichkeit tm Einzeinen zw überzeugen, und in chen dem Maße hiſtoriſch wie artiftifch zus beiehren. Aufgezeichnet ward manches Bemerfte, dem Gedaͤchtniß zu Hulfe und kuͤnftigem Gebrauche sum Beſten. Hinſichtlich auf Baukruſt, im Bezug auf meine Kölner Fahrt, warb gar manches, im Gegenwart von Grund und Aufrkſſen aͤlterer Deutfcher, Nieder⸗ laͤndiſcher und: Franzöffidier Gebäude, beſprochen und verhandelt, wodurh man dena ſich nach unb nach faͤhig fühlte aus einer großen, oft wunber- fihen und verwirrenden Maſſe das Meine und ea wohin der menſchliche Seift unter jeber Form

x

B '97

em ſtrebt, beransjufinden und fich zuzueignen. e zwey Mollerfchen erſten Hefte, In dem Au⸗ blick erſcheinend, gewährten hierbei erwänfdte fe. Das Technifche anlangend, gab ein altes rucktes Exemplar „der Steinmeben Bruͤder⸗ aft“ von der hohen Bedeutſamkeit dieſer Gilde merkwuͤrdiges Zeugniß. Wie Handwerk und ft hier zuſammen traf, ließ ſich recht gut ein- en.

So wurd' ich denn auch auf dieſer Reiſe ge⸗

hr, wie viel ich bisher, durch das unſelige iegs⸗ und Knechtſchaftsweſen auf einen kleinen ſeil des Vaterlandes eingeſchraͤnkt, leider ver⸗

ßt und fuͤr eine fortſchreitende Bildung verloren

tte. In Frankfurt konnte ich die Staͤdeliſchen

haͤtze abermals bewundern, auch ber patriotiſchen

ſichten bed Sammlers mid erfreuen; nur uͤber⸗

( mich die Ungebuld fo viel Kräfte ungenutzt zu

en: denn meinem Sinne nah hätte man bei

{ geringerem Vermoͤgen bie Auſtalt gründen,

richten und die Künftler ins Leben führen Eöns

n. Dann .bätte bie Kunft Thon feit Sahren

öne Früchte getragen, und dasjenige hinreichend

ſetzt, was dem Eapital an Intereſſen Bat segangen wäre.

Die Brentano'ſche Sammlung an Gemaͤhl⸗ n.und Kupferſtichen und anderen Kunſtwerken gab ppelten Genuß, bei dem lebhaften Antheil der Goetheb Werke. XXXII. Bd. 7

98

Beſitzer und ihrer freundlichen Anffotberung ſo vlel Gutes mit zu genleßen.

Dr. Grambs, der ſeine Kunſtſchaͤze den Stä- beitfchen anzuſchließen bedacht wer, ließz mehrmals feine treffiichen Beſitzungen theilwelſe beſchanen; wobei denn gar manche Betrachtung einer gruͤub⸗ liheren Keuntniß den Weg bahute. Hofrath Be: der in Offenbach zeigte bedeutende Gemaͤhlde, Münzen und Gemmen vor, nicht abgeneigt dem Liebhaber eins und das andere Wuͤnſcheuswerthe zu überlaflen.

Auf Naturgeſchichte bezüglich ſahen wir bie Sammlung von Bögeln bei Hofrath Meyer, nicht oßne neue Bolehrung über diefen herrlichen Zweig. der Naturkunde. nes:

Das Senkenberguͤſche Stift: ia. Frankfurt fand man in deu beften Händen; bie Chätigleit des Augenblicks ließ vorausſehen, daß eine neue. Epoche dieſer ſchoͤnen Anſtalt unmittelbar zu erwarten fey.

In Carloruhe ward ung, durch Geneigtheit des Herrn Gmelin, eine zwar fluͤchtige aber hinrel- chende Ueberſicht des hoͤchſt bedeutenden Cabinets; wie wir denn uͤberhaupt die kurze dort vergoͤnnte Zeit eben ſo nuͤtzlich als vergnuͤglich anwendeten.

Bei fo manchen Hin⸗ und Wiederfahrten konnte die Geognoſie auch nicht leer ausgehen. Von Hoͤ⸗ vels. Gebitge der Sraffchaft Mark wurden, befon- ders mit Beihuͤlfe dortiger Beamten, auch in der Serne beiehrend. In Holzapfel, bei Gelegenhelt

99

des bortigen hoͤchſt ˖· merkwuͤrdigen Ganges, kam Werners Gang⸗Theorie (von 1791) zur Sprache, ingleſchen des dort angeſtellten Schmidt Werſchie⸗ bung der Gänge (von 1810). Dieſe wichtige, von mir ſo oft betrachtete und immer gehrimmißvollblei⸗ bende Erſcheinung · trat mie: abermals vor bie Seele, und ich hatte dad Oi Im: Lahnthal einer anfgeho:- denen Abtey ungefaͤhr gegenfiber, auf ehter verlaſ⸗ fenen Hatbe Thenſchieferplatten mit kreuzwelskau⸗ fenden ſich mehr oder wenkger verfchkebenden Quarz⸗ gaͤngen zu finden, wo des Grundphaͤnomen mit Au⸗ gen geſehen, wenn auch nicht begriffen noch ausgeſprochen werben kann.

Beſonderes Oki ereignete fh mir auch zu Bibrich, indem des Herrn Erzherzogs Earl K. H. die Gnade hatte, nach einem intereffamter Geſptaͤch, mir die Beſchreibung Ihrer Feldzuͤge mit den hoͤchſt genau und ſauber geſtochenen Charten zu verehren. Auf dieſen uͤberans ſchaͤdbaren Blaͤttern fand ſich gerade die umgebung ber Lahn von Wetz⸗ lar bis Neuwied, und, ich muchte die Bemerkung, daß eine gate Milltaͤrcharte zu: geognoſtiſchen Zwe⸗ den bie allerdiemichſte ſey. Denn weder Soldat noch Geognoft fragt, wem Fluß, Land’ und Gebirg „gehöre, fondern jener: inwiefern es ihm zu feinen Operationen vortheilhaft, und diefer: wie es für feine Erfahrungen ergaͤnzend und nochmals belegend ſepn moͤchte. Eine Fahrt in verfchtedene Gegenden ‚zu beiden Selten der Lahn, mit Bergrath Cramer

100°

begonnen und mit ihm größtentheils durchgefuͤhrt, gab manche fhöne Kenntniß und Elnſicht; auch ver- diente fie wohl unter die Heinen geognoftifchen Rei⸗ fen aufgenommen zu werden.

Auch meiner Mädreife werde Ich mid immer mit vorzüglihem Antheil erinnern. Non Helbel- berg auf Würzburg legte ich fie mit Sulpitz Boiſ⸗ ferde zuruͤk. Da uns ‚beiden der Abſchied wehe - that, fo war es beſſer auf frembem Grund und Bo- . den zu fcheiben, als auf dem heimifchen, Ich reiste fodann Aber Meiningen, ben Thüringeswald, auf

- Gotha, und kam den 11 October In Welmar an, nachdem Ich viele Wochen mich auswärts umgeſehen.

Zu Haufe erwaͤhn ich zuerſt den Beſuch bed Dr. Stolz, des wackern Arztes aus Toͤplitz, wobel mie neralogiſche und geognoſtiſche Unterhaltung, die uns früher in Böhmen belehrt und ergögt, mit Lei: benfchaft. erneuert wurde. Bei: bem nächfien Aufenthalte. in Jena leitete mich Profeſſor Döbe- reiner zuerft in die Geheimniſſe ber Stoͤchlometrie; . auch machte er zu gleicher Seit wiederholte Verſuche mit dem Weißfeuer, welches von bem Landgrafen herunter das Jenaiſche Thal erhellend einen magiſch überrafchenden Anblick gewährte.

In der Farbenichte warb fortichreitend einiges gethan; die entoptifchen Farben bleiben beftändiges Augenmerk Daß ih In Frankfurt Dr. Seebeck begegnet war, gerieth zu großem Gewinn, Indem er, außer allgemeiner, Ind Ganze greifender Unter:

= 104

haltung, beſonders die Lehre des Doppelſpaths, die er wohl durchdrungen hatte, und das Verhaͤltniß der Achſen ſolcher doppelt refrangirender Koͤrper Naturfreunden vor Augen zu bringen wußte. Die Tonlehre warb weiter mit ber Farbenlehre vergli⸗ chen; Profeſſor Voigt verfolgte ſeine Bemerkun⸗ gen bezuͤglich auf Farben organiſcher Koͤrper, und uͤber meiner ganzen naturhiſtoriſchen Beſchaͤftigung ſchwebte die Howardiſche Wolkenlehre. Nach ſo viel Natuͤrlichem iſt's doch wohl auch billig zur Kunſt zuruͤckzukehren! Auf dem Weimari⸗ ſchen Theater beſchaͤftigte man ſich immerfort mit Calderon; die große Zenobka ward aufgefuͤhrt. Die drey erſten Acte gerlethen trefflich, die zwey letzteren, auf natlonalsconventlonelled und tempo⸗ raͤres Intereſſe gegruͤndet, wußte niemand weder zu genießen noch zu beurtheilen, und nach dieſem letzten Verſuche verklang gewiſſermaßen der Beifall, der den erſten Stuͤcken ſo reichlich geworden war. ‚Das Monodram Proſerpina warb bei ung mit Ebermweins Compoſition gluͤcklich dargeſtellt; Epimenides für Berlin gearbeitet; zu Schil⸗ lers und Ifflands Andenken gemeinſchaftlich mit Peucer ein kleines Stuͤck gefchrieben. In dieſer Epoche durfte man wohl fagen, daß ſich das Wei: marifhe Theater, In Abficht auf reine Mecitation, träftige Declamation, natürliches zugleich und Eunft- reiches Darftellen auf einen bedeutenden Gipfel des inneren Werths erhoben hatte, Auch das Aeußere

4

- 10%

mußte ſich nach und yadı ſteigern; fo bie Garderobe durch Nacheiferung, zuerſt der Frauenzimmer, hier⸗ auf der Männer. Ganz zur rechten Zeit gewannen wir an dem Decorsteur Beuther einen vortreff⸗ Uchon, In ber Schule von Fuentes gebildeten Kuͤnſtler, det buch perſpectiviſche Mittel unfere Heinen Raͤume ind Gränzenlofe .zu-ermeitern, durch charakteriſtiſche Architeltur zu vermannichfaltigen, - und durch Geſchmack und Zierlichkeit hoͤchſt ange⸗ nehm zu machen wußte. Jede Art von Styl unter- warf er feiner perfpectivifchen Fertigkeit, ſtuditte auf der Welmarifchen Bibliothek bie Aegyptiſche fe wie bie Altdeutſche Bauart, und gab den fie for: dernden Städen dadurch neues Anſehn und eigen⸗ thuͤmlichen Glanz.

Und fo, kann man ſagen, das Weimariſche Theater war auf feinen hoͤchſten ihm erreichbaren Puuct zu Diefer Epoche gelangt, ber man eine -euwünfckte Dauer auch für bie nähe und falgende Zeit wer: fprechen durfte.

Don ber eingeihräntten Breterbuͤhne auf ben großen Weltſchauplatz hinaus zu treten, moͤge nun auch vessönnt ſeyn. Mapoleons Wiederkehr er: fhredte die Welt, hundert ſchicklalſchwangere Tage mußten wir Durchleben , :bie kaum entfernten Trup⸗ pen kehrten zuräd, in Wiesbaden fand ich die Preu⸗ Hifche Garde; Freiwillige waren ‚aufgerufen, und bie friedlich boſchaͤftigton, kaum zu Athem gelomme⸗ nen Buͤrger fuͤgten ſich wie der einem Zuſtande, dem

403

ihre phyßſchen Keaͤfte nicht zewachſen und ihre fitt- lichen naht einſtimmig waren; bie Schlacht von Waterloo, in Wiesbaden zu großem Schreien als verloren ‚gemeldet, fodann zu überrwfchender, is betaͤubender Frrude, als gewonnen - angekündigt. In Furcht vor fchneller Ansbreisung der Frauzöfl- ſchen Truppen, wie vormals über Provinzen und Laͤnder, machten Babesäfte ſchon Anftalten zum Einyaden, und fonnten fih vom Schrecken erholend die nunuͤtze Vorſicht leineswegs bedauern.

- Bon Perſonen babe noch mit Ehrfarcht und Danlbbarkeit zu nennen: Erzherzog Carl in Bibrich, Großfuͤrſtin Catharina in Wiesbaden, Herzog und Hergzogin von Cumberland bei Fraukfurt, deu Erb⸗ großherzog von Mecklenburg ebendaſelbſt; in Carls⸗ zuhe.die Grafen von Hochberg, Herrn Weinbrenner and Hebel; nach Haufe gelangt, Ihro ber regie- - ‚wenden Kaiſerin von Rußland Waieftät fämmtliche Umgebung; Graf Barclay de Tollp.

"Das mannichfaltig Bebeutende, das ich vor einen: Jahr im eigentiichen Mutterlaude geſehen, erlebt und gebacht hatte, mußte ſich aufirgenb eine Welfe wiederſplegeln. Ehr Heft „Kunſt und Alter⸗ um am Rhein und Mayn“ werd unternommen, nud bau am Ende vorigen Jahrs mehr als eine

408

Vorarbeit durchgefuͤhrt; die aͤlteren Nieberlaͤnder, van Eyck und was ſich von ihm herſchrieb, gruͤnd⸗ „lich erwogen; das fruͤhere problematiſche Bild Vero⸗ nica zu kuͤnftigem Gebrauch verkleinert und geſto—⸗ chen. Büfhings woͤchentliche Nachrichten arbei⸗ teten zu gleichem Zweck, und in dieſem Sinne wandte ſich bie Pietaͤt der Weimariſchen KRunft- freunde gegen alte Heiligenbilder, die wir von Heils⸗ berg am Thuͤringerwald kommen und unter unſern Augen repariren ließen. Weil aber immer in neuerer Zeit. Eins Ins Andere wirkt, ia ſogar Ge: genfeitiged durch Gegenſeitiges, fo-war auch ein Heldenbild, ale Gleichniß von Bluͤchers Perſoͤn⸗ lichkeit, in Gefolg feiner großen Thaten zur Sprache gekommen. Wenn der Held mit Gefahr ſeines Lebens md

Ruhms die Schiefale der Welt. aufs Spiel ſezt,

und der Erfolg ihm glädficherweife zuſagt, fo flaumt der Patriot und nimmt gern den Künftler zu Huͤlfe, um für fein Bewindern, fein Verehren irgend eine Sprache zu finden. In hergebrachter Denkweiſe der Vorzeit, he⸗ roiſche Geſtalt mit angenaͤhertem Coſtum der Neu⸗ welt heranzubringen, war nach vorgaͤngigem Schrift⸗ wechſel mit Herrn Director Schadow zuletzt die Aufgabe und Uebereinkunft. Wegen Beſchaͤdigung des erſten Modells brachte der Kuͤnſtler ein zweytes, woruͤber man, nach lehrreichen Geſpraͤchen, zufeßt bis auf Veraͤnderungen, welche das Vollenden immer

N

105 j

herbeifuͤhrt, fich tremlich vereinigte, . Und fo fleht dieſes Bild, wie auf dem Scheidepunct Alterer und neuerer Zeit, auf ber Graͤnze einer gewiſſen conven⸗ tionellen Sdealität, weldhe an Erinnerung und Ein⸗ bildungskraft ihre Forderungen richtet, und einer unbedingten Natürlichkeit, weiche, die Kunſt, felbft wider Willen, an eine oft beſchwerliche Wahrhaf⸗ tigkeit bindet.

Von Berlin erfreuten mic transparente Ge⸗ mählde nach meinem Hans Sachs. Denn wie mic früher Nachbildung der dlteren trenlich ernften cha⸗ gatteriftifhen Dichtkunſt lange Zeit erzoͤtzt hatte, fo war mir es angenehm fie wieder als vermittlend ‚gegen neuere Künftler auftreten zu fehen. Zeichnun⸗ . gen zum Fauſt von Cornelius und Netfch wirt

ten in ihrer Art das Aehnliche: denn ob man glei eine vergangene Vorftellungsweife weder zuruͤckru⸗ fen kann noch ſoll, fo ift es doch loͤblich fich hiſtoriſch praktiſch an ihr zu üben und durch neuere Kunſt das Andenken einer Afteren aufzufrifhen, damit man, ihre DVerbienfte erfennend, ſich alddann um fo lieber zu freieren Regionen erhebe.

In geſellſchaftlichen Kreifen hatte die euft zu Bilderfcenen immer zugenommen, und ward von mir, wenn auch nicht unmittelbar gefördert, doch gelegentlich mit einigen Strophen begleltet.

Im Nachklang der Rheiniſchen Eindrüde warb von dem Weimariſchen Kunſtfreunden das Bild des

heiligen Rochus, wie er als voͤllig ausgebeutelt vom

106

feinem Palaſt bie Pilgerſchaft antritt, erfunden sub Jtizzirt, hierauf ſorgfaͤltig sartonirt, und zuletzt von zarter Frauerzaͤmmerhand gomahlt, in ber freund⸗ Urhen RochasrCapelle gänftig aufgenommen. En

geftochener verkleinerter Umriß iſt in dem zweyten

Rhein⸗ und Mapnubeft wie billig vorgebunden.

Von Offenbach erhlelt ic ſchoͤne brorzene Did

zen, bie mich in den Anfang des ſechszebuten Jahr⸗ hunderts wieder zurktführten.-.. Graf Cicoguara's Sioria della Scultura Fam eben gu, rechter Zeit dieſen ſchoͤnen Studien zu Hülfe. In höhere Megie⸗ um führte uns der Olympiſche Jupiter von Quatre⸗ mere de Quincy; hier gab es viel gu lemen.umb ‚zu deuten, Die Antımit;der Elziniſchen Marmore erragte großes Verlangen unter allen Kuuſtlieb⸗ babern; indeſſen blieb auch Burtin Connaissance des Tableaux, das und Einſicht In ein. anderes be⸗ dentenbed Gelb gewährte, wicht unbeachtet.

Die Neftauration: ber Dresdner Gemaͤhlde kam in Anregung. Welch eine große Auſtalt hiegu er: forderikh; fey, einigermaßen barguftellen, erzählte

ich von der Reſtaurations⸗Akademie in Venedig, Die

aus einem Director amd zwölf Profeſſoren beftand, und große Räume einos Kloſters zu Ihren Arbeiten

bezogen hatte. Eine ſolche Wiederherſtellung und

Rettung iſt wichtiger als. man denkt, fie Tann nicht ms dem Stegreif unternommen werben.

+ Die Weimarifche Zeichenfchule Hatte fich in eine sroße Veränderung zu fügen. Da das alte Local za

. i 4 > E 407

aAndern Zwecken beftimmt, und kein gleich großes. für fie zu finden. war, fo muchen bie Elaffen ge⸗ £heilt, für die erfte ein Gebaͤude auf der Esplanade erkauft, bie beiden andern aber var dem Frauen⸗

chor im fogenannten Jägerhaus eingerichtet. Auch

. Diefe Beräuberung wie die vorhergehenden verdiente - wohl eine befondere Schilderung, indem ſie nicht oqhne gute Folgen für bie Anſtalt felbit bielben ſollte.

Glelchzeltig ward ein vorzuglicher Bildhauer Na-⸗

mens Kaufmann von Nom berufen, der auch

dDilieſe Kunſt wieder neu zum Leben brachte.

2 Sol id meiner eigenen Arbeiten gedenken, fo Hab’ ich wohl zuerſt ded Dinans zu erwähnen. | Er ward immer mehr fupplitt, geordnet und. einf- a⸗s bavan zum Damenlalender beftimmt. Für den hiſtoriſchen und erHlärenden Thell fammelte ich Immer mehr Vorarbeit. Bon Dieb Denkiwärdig- Zeiten, deſſen GStreitigkeit mit Hammer, deg letze teren orientaliſche Fundgruben, ſtudirte ich mit Aunfmerkfamtelt, und uͤberall ſchoͤpfte Ich frifche oͤſt⸗

- Sie Luft. Krox Zeilon kam zu rechter Seit mir In bie Hände; beſonders werth jedoch erfhlen mir Se yde.perfifche Religion; und wie denn, fobald ein bedeutender Stoff mir vor die. Seele trat, Ich den⸗ felben unwillkuͤrlich zu geftalten aufgefordert wurde, fo entwarf ich eine. Drientaltfhe Oper, und fing au fie zu bearbeiten. Sie wäre auch fertig geworben, da fie wirklich eine Zeitlang In mir lebte, hätte ich

-

"

408

"einen Muſiker zur Exite und ein großes Publienum vor mie gehabt, um genoͤthigt zu feyn den Faͤhlig⸗

Zeiten und Zertiglelten des einen, fo wie dem Ge⸗ (mad und den Fordbermigen des andern entgegen zu arbeiten.

Wunderliche Menfchen wie ed giebt, verlang⸗ ten, verführt dutch die Schillerſche Ausgabe in chronologiſcher Folge, das Gleiche von mir, umd haͤtten beinahe ben fchon eingeleiteten Abdruck In Verwirrung gebracht. Meine Gründe, dieſes ab- zulehnen, wurden indeß gebilligt, und das Geſchaͤſt ging unbehelligt feinen Gang. Der neunte und zehnte Band warb revibirt ; die Itallaͤniſche Reife, befonders nach Neapel und Sicillen, geftaltete ſich immer mehr, und wie eine Arbeit die andere jeder: zeit hervorruft, konnt' ich nicht unterlaffen an dem vierten, fo lange verzögerten und erwarteten Bande von Wahrheit und Dichtung wieder einige Haupt: momente zu verzeichnen. Das Rhein⸗ und Mayn⸗ beft zweytes Städ ward. gefördert, Reinecke Fuchs durchgefehen, und das Rochnsfeſt gefchrieben. |

Die zweyte Lleferung meiner Werte kommt an, die Paralipomena werben neuerdings beachtet, ein Lied für das Berliner Kınftlerfeft gefchrieben , wes gegen eine beabfichtigte große Santate zum Luther: feit, wegen Mangel an Zelt und Aufmunterung, bald- nad der Gonception, aufgeſtelltem Schema und geringer Bearbeitung liegen biteb, und für die Ausbildung verloren ging,

109

Mein Antheil an fremden Werken bezog ſich leb⸗ haft auf Byrons Gedichte, ber immer wichtiger ‚bervortrat, und mich nah und nah mehr anzog, da er mic früher buch hypochondriſche Leidenfchaft und heftigen Selbſthaß abgeſtoßen, und wenn ich mish feiner großen Perſoͤnlichkeit zu nähern wünfchte, von feiner Muſe mich voͤllig zu entfernen drohte. Ich leſe den Eorfaren und Lara, nicht ohne Bewun⸗ derung und Untbeil. Sm gleicher Zeit erfchlenen Nelſons Briefe mit feinem Leben, gaben viel zu denten und viel zu trauern. Grtes, dur bie Ausgabe des zweyten Theils feines Galderon, machte uns im Spanien des fiebzehnten Jahrhunderts immer einheimiſcher. Anatole verfeßte und nach einem nieuern Paris, und ließ uns einen fchönen Noman- . bewundern Die Friedensgefangenen von Lawrence, eine der feltfamften Productionen, noͤthigte uns alle Aufmerkſamkeit einem ganz ver: wuͤnſchten Buftand zu ſchenken. Reiſende Englaͤn⸗ der in Verdun feſtgehalten, nach neneren Voͤlker⸗ rechtsmaximen beim Ausbruch eines Krieges mit Albion; republicaniſche Franzoſen, beſonders Com⸗ mandant und Eommandantin, von geringem Stande während der Revolution einporgelommen; heim⸗

liche, für Engländer gehaltene Emigrirte, verkappte Vornehme und wer fonft noch zu bemerken wäre, machen ein barodes Bild, das auf bie Nachwelt zu tommen verdient, weil ed nur unter dieſer Bebins sung von. einem geiſtreich danſchauendem Leidensge⸗

N

J

440 nofſen concipirt und mehr mit Haß ‘als Liebe vollen⸗

det werden konnte.

Ruckſtuhl ſchrieb über die Deutfhe Sprache, und das nicht zu erfhhpfende Wert Erneſti's Tech- nologia rhetoriea Graecorum et Romanorum lag mir immer zus Hand: dem dadurch erfuhr kb wieberhoft, was. ich in meer fehrfftitellerffchen Laufbdahn recht und unrecht gemacht hatte. Noch aber muß ich einer hoͤchſt merkwuͤrdigen, vielleicht einzigen Datftellumg gedenten; es ift das Tag- und Stundenbuch der Leipziger Schlacht von Roqlie, wovon ich anderwo gehandelt habe.

Die Jenaiſchen unmittelbaren Anſtalten der

Naturlehre im Allgemeinen, der Naturgeſchichte im

Beſondern gewidmet, erfreuten ſich der aufmerk⸗ ſamſten Behandlung. Faſt im allen Abtheilungen war bie innere Thätigtelt fo herangemachfen, daß man ſie zwar durch gute Haushaltung ſaͤmmtlich be⸗ ſtreiten konnte, aber doch an einen neuen erhoͤhten

Maſeumsetat nothwendig denfen und einen neuer

Maß ſtab fefſtſtellen mußte. Doͤbereiners Wohnhaus

ward ausgebaut, ein Gartenſtuͤck dei der Gtem: "warte angekauft und: zu diefem Befitz hinzugefchta-⸗

gen: Die Veterinaͤranſtalt in Jena beſtaͤtigte ſich; Profeſſor Renner begann feinen Eurfus, und ich gab meine aͤlteren zerſaͤgten und ſonſt präperktten

- Merbefgädei zum didaktiſchen Anfang 'hinäber, da

ffe früher mir auch‘ zum "Anfang gebient hatten. Die lang unterbrochenen Ausgrabungen des ut⸗

!

444 alten: Grabhuͤgels bei Romſtedt wurden forbgefeht, - und gaben une mehrere Schidel; nicht wentzer wurde durch befonbere Aufmerkſamkeit nach Jene ein ganzes Stelett geſchufft und forgfkitig geordnet nie⸗ dergelegt. Ein durch Kaochenaufſchwellung merk⸗ wuͤrdig monſtroſer Schaͤdel kam in Gypsabguͤſſen von Darmftadt, durch die Gewogenheit des Herrn Schlicht egroll.

Ich if wir das Andenken Safpar Friebrich Wolfs wieder hervor, durchdachte Jaͤgers Miß⸗ bildung der Gewaͤchſe, ingleichen Philtpp N. . . . . Dflanzentrankheiten. Bon Humboldts Wer über Vertheitung ber Pflauzongeſtalten auf bem Erdboden war hoͤchſt willlommen, und Need von Eſenbeck ausfuͤhrlichſte Arbeit über Pilze und Schwaͤmme ließ mich ein treffitdhes: Mitkroſtop be⸗ dauern, das mir ein ſeltſames Schickſal in ben ans genehmſton Lebensaugenblicken zerfkört hatte.

Aus dem Thierteiche wurde uns ein Wunder⸗ geſchoͤpf, det proteus anguinus, durch Herrn Pto⸗ feſſor Confhigiachi vorgezelgt, der ihn, in einem Gkaſe mit Waſſer, auf⸗der Meiſe hoͤchſt ſorgfaͤltig im Buſen verwahrt, leboudig bis zu · uns gebracht hatte.

Im Mieraireiche waren wir ſehr begänftigt; Geheimerath Heims gu Meiningen. wichtige

" Sammlung gelangte durch fein Weohlwollen für we .fere Auſtalt nad: Jona, wo ſie nach fonem: Sinn geordnet aufgeſtellt wurde. Mon einzelnen Motk⸗ wuͤrdigkeiten verbient der Kugel⸗Sienit von Valllnes

\

442

and Corſica vorzüglich Erwähnung. In meine

Sammlung gelangten, in Gefolg eines voriährl- gen Meifebefuhs, Mineralien vom Weſterwald und Rhein, auch ein Hyalit von Frankfurt als Ueberzug vielleicht ber größeften Zlähe, am der er je ſich vor: gefunden, von fieben Zoll im Durhmefler. Geh. Kath von Leonhards „Bedeutung und Stand der Mineralien” bereicherte uns von theoretifche Seite.

Howard Wollenterminologie warb fleißig auf die atmofphärifhen Erfcheinungen angewenbet, unb man gelangte zu befonderer Sertigkeit fie mit bem Barometerſtand zu paralleltfiren.

Zu fonftigen phyfitalifchen Auftlaͤrungen war der Verſuch einer Gasbelenchtung In Jena verauftaltet; wie wir benn auch durch Dübereiner bie Ark durch Druck verfhiedene Stoffe zu extrahiren, kennen

Jernten.

Im Chrematiſchen waren bie entoptiſchen Phan⸗⸗ mene an der Tagesotdnung. Ich nahm zuſammen was ich bis jetzt erfahren hatte, und trug es tm els nem kurzen Aufſatz vor, deſſen bald gefühlte Unzu⸗

aͤnglichkeit mich zu weitern Forſchungen nöthigte und

mich immer nälter zu. dem Wahrbaften hindraͤngte. Profeſſor Pfaff fandte mir fein Wert gegen die Farbenlehre, nach einer ben Deutfchen angebot: gen unartigen Zubringlichleit. Ich legte es zur Seite bis auf känftige Tage, wo ich mit mir ſelbſt volltommen abgefhloffen haͤtte. Seinen eigenen Meg zu verfolgen bleibt immer das Vortheilhafte⸗ fte,

s 113

fie; donn .biefer Hat das -Gihcitihe uns von Jvrwe⸗ gen wieder auf und ſelbſt zurktzufähren.

Dr. Schopenhauer trat als wohlwollender Zrennd au meine Seite. Wir verhandelten man⸗ ed uͤbereinſtimnnend mit einander, doch ließ fi guletzt eine gewiffe Scheldung nicht vermeiden, wie wenn zwey Freunde, die bisher mit einander gegan⸗ sen, ſich die Hand geben, der eine jedoch nad Nor⸗ den, der andere nad Suͤden will, ba fie denn fehr ſchnell einander and dem Geſichte Iommen.

Varbenverſuche mit vegetabiilfchen Ertracten dien-

ten wisberheit bie hoͤchſte Conſequenz der. Farben:

lehre darzutbun Nm mins ih aber ein Zwiſchenſpiel tim Zuſam⸗

menhange vortragen, worin maucherlet vorkommt

vas Ich unter bie Rubriken nicht zerfplittern mochte. - Wei herannahender guter Witterung gedachte ich nach Wunſch und Neigung die Ihönen Tage des vo: eigen Jahrs im Mutterlande abermals zu genießen. Freund Meyer wollte mic begleiten, Natur amd Kunft ſollten ıms mit ihren Schaͤten überfälen. Borarbeiten waren gemacht, Plane entworfen wie alles zu genleßen und zu nutzen wäre; und fo faßen wir wohlgepadt and eingerichtet in einem bequemen Wagen; aber bie. Hälfte des Erfurter Weges war no wit erreicht, als wir umgeworfen wurben, bie Aqſe brach, der Freund ſich au ber Stirme beſchaͤ⸗ Ynte und wir umzukehren genöthigt wurden. Mus Uemuth und Aberglaube warb bie nr werte ©oethe3 Werte. XXXII. 2

414

vielleicht uͤberellt aufgegeben, und wir verfügten uns ohne langes Beſinnen nach Denftäbt, wo ein Thuͤ⸗ zinger Schwefelwafler gute Wirkung verſprach. Dort . Intereffirte mich nach melner Gewohnheit Localität . und Geſchichte: denn eigentlich bewegt fich die Cha: ringer Vorwelt viel an ber Unftrat. Ich las daher die Thäringifhe Chronik, die an Drt und Stelle “gar manches In deutlicher Localität erſcheinen Le. Die Lage der Stadt: an ihrem' Platz und in der Um⸗ gegend ward beachtet, und man Fonnte wohl begrek fen, wie bier in ber frühften Zelt ih Wohnungen geſammelt hatten. Wir befuchten- Herbsleben an der Unſtrut, Kteinwallhaufen und andere nabgele- ‚gene Orte, und fo fanden"wir in der Ebene ausge: trocknete Seen, Tufffteinbrüche und Konchplien des füßen Waſſers in Menge. Faſt bei allen Excurſio⸗ nen batten wir die Ruͤckſeite des Ettersbergs vor -Augen und konnten und Leicht nad) Haufe denken Die Menge verfammelte fi bei einem Vogelſchle⸗ Gen, nicht weniger bei einem Brunnenfeit, welches

- durch. einen Kinderaufzug recht gemuͤthlich wurde. Agamemnon uͤberſetzt von Humboldt, war mir ſo eben in die Haͤnde gekommen, und ver⸗ jfeh mir den bequemen Genuß eines Stuͤckes, das ih von jeher abgöttiih verehrt hatte. Iulins Fronto von Niebuhr fuchte mich auf; unerwar: - tet erfchlen Geheime Rath Wolf, die Unterhaltung war bedeutend und förderliih, und Meyer nahm daran ‚eingreifenden kuͤnſtleriſchen Antheil. Zufäl:

115

lig jedoch verließen mich beide Freunde am 27 Au⸗ guft, und fo.hatte Ich Zeit genug meinen Geburte- tag abermals in filler Sammlung zu feyern, und Den Werth der Kränze zu bedenten, womit ich mein Zimmer von ber wohlwollenden Wirthin aufge- ſchmuͤckt ſah. Uebrigens war ih ber mir an biefem Drte gegönnten Sammlung und Ruhe die ausführ: lihe Darftellung des Roch usfeſtes ſchuldis ge⸗ worden.

Ferner hab' ich zu ruͤhmen, welchen vorzůglichen Genuß mir ein Hermſtaͤdtiſches Concert und Privat: Exhibition gegeben, da, von muſikaliſchen Sreunden lange Zeit entfernt, ich diefem herrli⸗ hen Kunft: und Naturelement beinahe entfrembet worden.

Deffentlice Ereigniſſe, die mich in dieſem Jahr nah genug beruͤhrten, erwaͤhn' ich mit freudiger und trauriger Erinnerung. Am 30 Januar ward der

Saltenorden geftiftet und mir zugleich das Stoß: - -

Treuz ertheilt. Des Herzog Bernhards Ver: mählung gab die fchöuften Hoffnungen; Dagegen verfente mic der Tod der Kaiſerin von Defter- reich In einen Zuſtand, deſſen Nachgefühl mid ntemals wieder verlaffen hat. ‚Der Staatsminifter ‚von Voigt, ein theurer vieljägriger Mitarbeiter und Beförderer meiner wohlgemeinten Unterneh⸗ mungen, .. feyerte fein Dienftiubiläum, das ich mit einem Gedicht und den treuften Wünfchen begrüßt.

Bon Befuchen bemerk ich folgende, ſaͤmmtlich

446 i

Erinnerungen fruͤher und fruͤhſter Zetten erwecdend: von Melliſch, Dr. Hufeland, Mar Jalobi, von Laf⸗ fert, Dr. Chladni, Zeiter und Wüken, Graf un Gräfin Dbanel, Hofräthin Kaͤſtner aus Hennever.

@in folcher Innerer Friebe ward durch den aͤußern gIrleden der Weit beguͤnſtigt, als nach ausgeſproche⸗ ner Preßfreihelt die: Ankuͤndegnug ber Iſts erfchlen und jeber wohldenkende Weltkenner die Leicht zu berechnenden unmittelbaren, und bie nicht zu be rochnenden weiteren Felgen mit Schrechen und Be: dauevn vorausſah.

1,8 17.

Dieſes Jahr warb id auf mehr als Eins Welse zu einem laͤugern Aufent halt in Seua veranlaßt, ben ich vorausfah und beihalb.an eigenen Diannseriphen, Zeichnangen, Apparaten und Sammlangen manches Hinaͤber ſchaffte. Zuvoͤrderſt wurden die ſaͤmuttli⸗ chen Aufbalten durchgeſehen, und als ich gar man⸗ es für Bildung und Umblibung der Pllanzen erh wuͤrdiges vorfand, ein eigenes botauiſches Diufewm eingerichtet und darin ſowohl bedentende Sammlun⸗ gen getrockneter Pflanzen, Anfaͤnge einer Zuſam⸗ menſtellung von. Saͤmereyen, nicht weniger Bei⸗ ſpiele deſſen was ih auf Holzbildung bezog, auge⸗ legt und in Verbindung gebracht, Monſtroſitanen aber von beſonderer Wichtigkeit in einer sraßen deci· henfolge aufgeſtellt.

N WE GE US TUE TEE TE NEE TE le ie m EEE .

217

Be Berfogting des Hoſmechanicuß Koͤrner u von Weimar nach Jena bramte einen geſchickt: ge⸗

wandten, thaͤtzgen Manns deu dortigen Auſtatten in He Naͤhe. Ein noch in Weimar von demfelben ver:

- fertigte Paſſage⸗Juſtrument ward, wiegen. einiger

an- der Sternwarte zu beſorgenden Bauigteiten, zuerſt in dem Exhloffe: aufgeftellt. -

Serner de mannichfuitigen Gaben, welche Se⸗

reniſſtinuc von ber Drapländifben Reife mitgebracht, _ wurden in bie vorſchtedenen Faͤcher eingeordnet.

Die Ausgaben hatten fi; gemehrt, der @tat niußte abermals cwpttalwelfe darchgearbeitet wer ven; I ſchrieb einen umſtaͤrdtichen Auffatz deßhatb mid eine klare Ueberſicht —— hoͤchſten gar yorzulegen.

Allein es kam in dem venten Diortel des Jah⸗

res eine mehrjaͤhrig beſprochene und wegen großer Schwierigkeiten Immer verſchobene Angelegeuhelt

wleder In Anregung. Unter allen theils auf Sere⸗ niſſſimi Betrteb und Koften allein, theils mit Zu⸗ ziehung des’ Gothoalſchen Hofes, verbdeſſorten ober gar nen gegründeten Anſtalten konnte man: leider Die atademifche⸗: Bibllothek noch möcht zaͤhlen; ſie Lay hofftrangslos im Argen, ohne daß man deßhalb Je- mand eigentfidy bie Schuld haͤtte geben Können, Su

‚ben: vor drey hundert Fahren geſtiſteten Anfängen

hatte ſich nach und nah eine bedeutende Suhl von einzelnen ' Blcherſammlungen, durch Vermachtuiß, Ankauf und fonftige &ontrarte, 0 weniger ein⸗ |

118

—— Bücher, auf mannichfaltige Seife gehäuft, daß fie floͤhartig in dem ungänftigften Locale bei ber widerwärtigften, großentheils zufälligen Cinrichtung . über und nebenelnander gelagert fanden. Wie und wo men ein Buch finden ſollte, war beinahe ein ausſchließliches Geheimnis mehr des Bibllothekdie⸗ nors ale ber höheren Angeftellten. Die Räume lang- ten nicht mehr zu, die Buderifhe Bibilothek ſtand verfchloffen, kaum zugänglich; fie follte nach dem Willen des Stifterd ewig unangetaftet bleiben.

Aber nicht nur biefe fonderbaren Verhaͤltniſſe ſollten entwidelt und diefes Chaos geordnet werden, auch die im Schloß befindliche ehemals Buͤttneriſche Bibliethek wollte. man gleichfalls ber Hauptmaſſe einverleibt fehen. Ueberſchaute man die Sache im Sanzen, durhdrang man das Einzelne, fo burfte man fi nicht laͤugnen, daß bei völlig neu zu fchaf: fenden 2ocalitäten, vielleicht wenig Bände In ber alten Ordnung nebeneinander würden zu ſtehen kommen. Unter biefen Umſtaͤnden war wohl nie: mand zu verdenten, wenn ex den Angriff bed Ge: ſchaͤfts zu befchleunigen Anſtand nahm, „Endlich aber erhielt ih am 14 October durch gnaͤdigſtes Reſcript den Auftrag, bie Angelegenheit ungeſaͤumt zu. be: handeln. Hier blieb alfo nichts übrig ale die Sache nochmals durchzudenken, bie Hinderniſſe für Null

‚zu erfiären, wie man ja.bei jedem bedeutenden Un- ternehmen thun muß, befonders wenn ed unter ber Clauſul non obstantibus quibuscunque muthiq

-.

N

419 a anzugreifen ift. Und fo begann ich raſch und fuhr unaufhaltſam fort.

. Die Facchtigkeit des untern Saals hatte man jahrelang beiammert; Fein Vorfchlag aber warind Wert gefeht, noch weniger durchgeführt worden. Die war alfo zuerft Ind Auge zu fallen. Die bes Schräntende Mauer nach dem Graben zu wurbe, troß einer lebhaften fogar Intriguirenden Proteftation, abgetragen, bie vorliegende Erbe weggefchaflt, vor allen Dingen aber. die Expeditionszimmer fo einge- richtet, daß man darin gern arbeiten mochte. In⸗ deſſen andere Baulichkeiten vorbereitet und accordirt wurden, verfloß das Jahr.

Fuͤr bie Veterinaͤrſchule mußte nun vorzuͤglich geſorgt werden. Die Einrichtung berfelben ging Schritt vor Schritt. Bon willenfchaftliher Seite Brachte ih mein Portefenile der vergleihenden Ana= tomie nach Jena, und ftellte was von Zeichnungen am meiften bedeutend gefanden wurde unter Glas und Rahmen.

Profeffor Renner demouſtrirte mir verſchiede⸗ nes, beſonders bezuͤglich auf das lymphatiſche Sy⸗ ſtem. Eine verendete Phoca wird dem herumzie⸗ henden Thierwaͤrter abgekauft und ſecirt, bedeuten⸗ de Praͤparate werden verfertigt.

Spix Cephalogeneſis erſcheint: bei mannichfal⸗ tiger Benutzung derſelben ftoßt man auf unangeneh⸗ me Hinderniffe. Methode ber allgemeinen Darftels lung, Nomenclatur der einzelnen Theile, beides iſt

180

nicht zur Netfe gediehen; auch fieht man bene: Mer an, daß mehr Veberliefertes als Elgengebachtes vor: getragen werde. | ww

Heroid von Warburg macht une tuub Yes tomie der Raupen amd Schmetterlinge ein ungeneh- mes Sefchent. Wie viel weiter in finniger Betrach⸗ tung organischer Naturweren find wir nicht feit dem fleißigen und übergenanen Lionet gekommen!

Sch bearbeite mit Neigung bad: zweyte Heft ber Morphologie und betrachte gef@ichttich de: Einſtuß der Kantiſchen Lehre auf meine Stubien. | Geognoſie, Geologie, Mineralogie uni Mgehb⸗

riges war an ber. Tagesordnung. Ich uͤberdachte die Lehre von den Gaͤngen uͤberhaupt, vergegenwaͤr⸗ tigte mir Werners und Eharpentierd Ueberzeugun⸗ gen. Die merkwuͤrdigen Thonſchieferplatten aus dem Lahnnthal ſtellt' ich als Tableau zuſammen. Muſter bes Gerinnens ber. Felsmaffen fuchte Ich überall auf, und glaubte vieles zu finden was fuͤr die porphyrartige Entſtehung fo mancher Dreccien zeugte. Eine von Seventifimo angefſchaffte Suite von Chamouni ward im Mufeum folgemaͤßig aufge: fiedt, nicht weniger mamche-Schweiger Gebligs arten, Modelle und Panoramen jedes nach feiwer Weile aufbewahrt, benutzt und zur Evidenz gebracht.

Die Umgegenden Babend erregten brh Giͤm⸗ bernats Unterſuchung und Behandlung eln wach⸗ ſendes Intereſſe, und ſeine geologiſche Eharde jener Gegend, von hoher Haud mitgethelit, wer dem

- 41 e angenhikttichen Bedarfuiß unferer Studien uͤberans willkommen. Brocchi's Thal von Faffa forberte uns auf, die Wacenbildung nach ihm und andern: zu

Herr Kammerherr von Preen hatte auf einer Reife dorthin auch für mich bie, ſchoͤnſten Exemplare

ſtubiren.

beſorgt.

Mawe's Auffap.Aber Braßlien med bie horti gen Edelſteine gab und von dieſer Seite eine naͤ⸗ here Kenutniß jener Linder. IH aber trat in echt ammittelbares Verhaͤltniß zu ihm, und erkbelt durch feine Vorfſorge eine ſchoͤne Sammlung Englkſcher Harsitifen, wie immer, mmnittefbar vom Urgebtrg gewennen, nab zwar dießmal im Chloritge ſtein.

Geheimeraths von Leonhard große Tabellen⸗

Werte, in Gefelfhaft mit andern Naturfoeihern _

herausgegeben, erteichterten bie Ruorhmung meines

Nicht geringe Aafklaͤrungen in Geslogte wu Grographie jedoch verbantte Ich ber Enropältehen Ge⸗ blegscharte Seorriote. So ward mir, sum Bei⸗ fiel, Spaniens, für einen Feldherrn fo chicanofer, den Guerillae fo guͤnſtiger Grund. und Boden anf einmal deutiih. Ich zeichnete feine Hauptwäfler- fcheide auf meine Charte von Spanten, und fo warb mir jede Metferönte, fo wie jeber Feldzug, jedes regelmaͤßlge und unregelmaͤßtge Beglnnen dee Art Kar und begreifllch; und wer gedachte koloffale Charte ſelnen geoguoſtiſchen, geologiſchen, geogra⸗

. 132

yhifhen und topographifhen Stubien mit Sinn gu Grunde legt, wird fih dadurch aufs hoͤchſte geför- dert fehen.

Die Chromatik befchäftigte mich im Etifen un⸗ ausgeſetzt; ich ſuchte mir den Zuſtand derſelben in England, Frankreich, Deutſchland zu vergegenwaͤr⸗ tigen, ich ſtudirte vier Engliſche Schriftſteller, welche in dileſem Fache hervorgethan, ſuchte mir ihre Leiſtungen und Sinnesweiſen deutjih zu machen; 26 waren Bancroft, Sowerby, Dr. Neab und Bremfter. Einerſeits bemerkte Ich mit Ber:

gnuͤgen daß fie, durch reine Betrachtung der Phäno- mene, fih dem Naturwege genäbert, ja ihn fogar . manchmal berührt hatten; aber mit Bebauern wurde ich bald gewahr, daß fie fih von dem alten Itrthum, die Farbe ſey im Licht enthalten, nicht völlig be⸗ freien konnten, baß fie ſich der herkoͤmmlichen Ter⸗ minologie bedienten und deßhalb im die größte Ver⸗ wickelung geriethen. Auch fehlen beſonders Brew- ſter zu glauben, durch eine unendliche Ausfuͤhrlich⸗ keit der Verſuche werde die Sache gefoͤrdert, da vielmehr mannichfaltige und genaue Experimente nur Vorarbeiten der wahren Naturfreunde find, um ein reines, von allen Nebendingen befreites Real tat zuleht ausſprechen zu koͤnnen.

- Das Widerwärtigfte aber, was mir jemals vor "Augen gelommen, war Biots Eapitel über bie ‚entoptifhen Farben, dort Polarifation dei Lichte genannt, So hatte man beun, nad falfcher Ana⸗

423

logie eined Magnetſtabs, das Licht auch in zwey

Pole verzerrt und alſo, nicht weniger wie vorher,

die Farben aus einer Differenzirung des Unveraͤu⸗ derlichſten und Unantaftbarften erklären wollen.

Um. nun aber einen falfhen Sa mit Bewelfen zu verdeden, ward bier abermals bie fämmtliche mathematifhe Ruͤſtkammer in Bewegung gefeht, fo Daß die Natur ganz und gar vor dem dußern und innern Sinhe verfhwand. Ich mußte dad ganze Ereigniß als einen pathologifchen Fall anfehen, als wenn ein organifcher Körper einen Splitter finge und Ein ungefhidter Chirurg, anftatt diefen zu augenblidliher Heilung herauszuziehen, bie größte Sorgfalt auf die Gefhwulft verwendete, um folde zu mildern und gu vertheilen, indeffen das Geſchwuͤr innerlich bid zur Unheilbarkeit fortarbeitete.

Und fo war es mir denn auch ganz ſchrecklich, ale ein alabemifcher Lehrer, nach Anleitung eines Pro⸗ gramms bes Hofrath Meyer in Göttingen,_ mit unglaublicher Ruhe und Sicherheit, vor hohen und einfichtigen Verfonen, ben unftatthafteften Apparat auskramte; da man denn nach Schauen und Wieder-

ſchauen, nah Blinzen und Wiederblinzen, weder '

wußte was man gefehen hatte noch was man fehen ſollte. Ich war indeflen bei den erften Anitalten

auf und davon gegangen und hörte ben Verlauf die⸗ fer Demönftration, als vorausgefehen,. bei meiner -

Ruͤckkunft ohne Verwunderung.: Auch erfuhr man

bei dieſer Gelegenheit, unter Vorweiſung einiger

j D + -

424 Blllarbkugeln, daß bie runden Lihttäellden, wen fie mit den Polen aufs Glas treffen, durch un durch gehen, wie fie aber mit dem Aequatvr automi⸗ men, mit Yroteft zuruͤckgeſchiet werden.

Judeſſen vermamicfattigte ich die eutoptiſchen Verſuche Ins Graͤnzenloſe, da fih denn gulest dem einfachen atmoſphaͤriſchen Urſprung entdecken mußte. Zu völliger Ueberzeugung beſtaͤtigte ſich der Haupt⸗ begriff am ſiebzehuten Juny bei ganz kkarem Him⸗ mel, und ih machte num Auſtalt die vielen Einzel⸗ heiten als Schalen und Huͤllen wegzuwerfen, mb den Kern Natur: und Kunſtfreunden mändfih und ſchriftlich mitzutbellen. Dabei entdeckte ſich daß ein dem Mahler guͤnſtiges oder unguͤnftiges Licht von dem directen oder obllquen Widerſchein herruhre. Profeſſor Ronx hatte die Sefaͤlllgkeit mir genaue Nachbildungen ber entoptiſchen Farbenbitder zu lie⸗ fern. Beide Seiten, die heile ſowohl als die dunkle, ſuh man nun in geſteigerter Folge nebeneinauder, jeder Beſchauende rief aus, daß er bie Chtabnifchen Flguren gefärbt vor ſich ſehe.

Der Aufſatz Leonardo da Vinchs über die Br: ſache ber biauen Farbenerſcheinung an fernen ‘Bergen und Gegenftänden, machte mir wiederholt große N grande. Er Hatte als ein die Natur unmittelbar anfchauendb auffaffender an ber Erfhehrung feibit denkender fie durchdringender Künftler ohne weiters das Rechte getroffen. Nicht weniger kam die Theil⸗ nahme einzelner aufnrerfender und denkender Min:

25

ae. Staatsrath Schulz in Berlin überfandte mir beu zwepten Aufſatz über phyſiologe Farben, mo ich meine Hauptbegriffe Ind Leben geführt ſah. Eben ſo erbaute mich Profeſſor Hegels Zuftim- zunng. Seit Schillers Ableben hatte ih mich von aller Philoſophie im Stillen entfernt, ‚und ſuchte mar die mir eingeborne Methobit, indem ih fie . gegen Natur, Kunſt und Leben wendete, Immer zir

groͤßerer Sicherheit und Gewandtheit auszubilden.

Soßen Werth mußte deßhalb für mich haben, u

ſehen und. zu bebenten, wie ein Phllofoph von dem

was ich meinerſelts nad meiner Weiſe vorgelegt,

nach feiner Art Kenntniß nehmen und damit gebaren mögen Und hierdurch war mir volllommen ver⸗ goant das geheimnißvoll klare Licht, als bie hoͤchſte Energie, ewig, einzig und untheilbar zu betrachten. . Für bie bildende Kunſt näherten fich dieſes Jaht große Auffchliffe. Won Elgins Marmoren vernahm man immer mehr uud mehr, uud bie Begierde et- was dem Phidias Angehöriges-mit Augen zu fehen, ward fo lebhaft und heftig, daß ich an einem ſchoͤ⸗ non fonnigen. Morgen, ohle Abfiht aus dem Haufe fahrend, von meiner Leibenfchaft überrafcht, ohne - SBorbereitung aus dem Stegreife nah. Rudolſtadt lenkte, und mich dort, an ben erſtaunens wuͤrdigen Köpfen von Monte Cavallo, für lange Zeit her⸗ Sellte. Nähere Kenntnis der Neginetifhen Marmore mard mir gleichfalls durch Zeichnungen bed in Rom mit der Reſtaura tion Beauftragten; und zu. einem

126

der herzlichſten Erzengniffe neuerer Kunſt wendete ich mich durch eine gleiche Veranlaffung. Boſſi's Werk über das Abendmahl von Leo⸗ nardo da Vinci näher zu betrachten befaͤhigten mic die Durchzeichnungen, welche unfer Fürft aus May: land mitgebracht hatte; Stublum und Vergleichung derfelben befchäftigten mich lange, und fonft war noch manches und zur Betrachtung angendhert. Die architeftonifchen Ueberreite von Eleuſis, in Gefell- Schaft unferes Oberbaudirectord Coudrav betrad- tet, Tießen in eine unvergleichliche Zeit hinuͤber fe- hen. Schinke s große bewundernswärdige Feber: zeichnungen, bie neuften Münchner Steindräde, Thierfabeln von Mengden, eine KAupferftid- ſammlung aus einer Leipziger Auction, ein ſchaͤtzens⸗ werthes Oelbildchen von Rochlitz verehrt, hiek ten meine Betrachtung von vielen Seiten feft. Zu: lest fand ich Gelegenheit eine bedeutende Samm⸗ lung Majolika anzufchaffen, welche ihrem Verdienft nad) unter neueren Kunfkwerten fi allerdings jel: gen durften, - Bon elguen Arbeiten ſag' ich folgendes. Um des Divand willen feßte Ich meine Studien Ortenta: liſcher Eigenheiten immer fort, und wendete viele Zeit darauf; da aber bie Handſchrift im Orient von fo großer Bedeutung ift, fo wird man es kaum feltfam finden, daß Ih mich, ohne fonderliches Sprachſtudium, doch dem Schönfchreiben mit @ifer swibmete, und zu Scherz und Ernft Ortentallfhe mir

-427

vorliegende Manuſcripte fo nett ald möglich, ja mit mancherlei herkoͤmmlichen Zierrathen naczubilden ſuchte. Dem aufmerkſamen Leſer wird bie Einwir⸗ kung dieſer geiſtig techniſchen Bemühungen bei naͤ⸗ herer Betrachtung der Gedichte nicht entgehen.

Die dritte Lieferung meiner Werke, neunter bie zwölfter Band, erfcheint zu DOftern; das zweyte Rhein: und Maynheft wird abgeſchloſſen, das dritte angefangen und vollbraht. Die Reife nad Neapek ‚und Sicillen wird gedruckt, die Biographie über: "Hanpt wieder vorgenommen. Ich verzeikhne „die Meteore des literariſchen Himmels‘ und beſchaf⸗ tige mich „die Urthelldworte Franzoͤſiſcher Kritiker” aus der von Grimmiſchen Sorrefpondenz auszu⸗ ziehen; einen Auffaß über bie Hohlmuͤnzen, Regen⸗ bogen-Schüffelden genannt, theif’ ich den Freunden ſolcher Eurkofitäten mit. Die berühmte Hellsberger Inſchrift laſſe ih mit einer von Hammerſchen Er: klaͤrung abdruden, die jedoch kein Gluͤck macht.

Bon Poetiſchem wuͤßt' ich nichts vorzuzeigen als die Orphiſchen Worte in fünf Stanzen, und _ einen Irifhen Todtengefang aus Glenarvon uͤberſetzt.

Zur Naturkenntniß erwähne ich bier ein bedeus tendes Nordlicht im Februar. 2

Vebereinftimmung des Stoffs mit der Form der Pflanzen beiebte die Unterhaltung zwifchen mir und Hof. Voigt, deſſen Naturgefhihte, als dem Studium hoͤchſt förderlih, dankbar anzımehmen war. An die Verſtaͤubung der Berberishlume und

Pr

128 -

der dorthin beusenden gelben Audwäcfe diteser Zweigbiätter wendete ih mauche Betrachtung. Dur bie Gefäligkeit Hofrath Doͤbereiners Somnte ich much ber ſtoͤchlemetriſchen Lehre Im SER- gemeinen fersierweit aunähern. Zufaͤllig macht’ ich mir ein Geſchaͤft, eine alte Ansgabe des Thomas Campanella de sensu rerum von Drudfehlern zu reinigen:. eine Folge des hoͤchſt aufmerskſamen Le— ſens, das ich dieſem wichtigen Denkual feiner Zeit son neuem zumenbete: Graf Bonquoi erfreute auch feine abwefenden Freunde durch fernere gedruckte Mittheilungen, in welchen feine geiſtreiche Thaͤtig⸗ keit und um fo mehr aufprah, als fie und bie porſonliche Unterhaltung deſſelben wieber vergegen⸗ wärtigte.

Da ans näherer Betrachtung ber Höwarbifeken WBoltenformen hervorzugehen ſchien, daß ihre ver⸗ fchledenen Formen verſchiedenen atmoſphaͤriſchen Hoͤ⸗ ben eigneten, fo wurden fie verſucheweiſe auf jene frühere Hoͤhentafel forgfältig eingetragen, uwb fo die werhfelfeitigen Bezüge im allgemeinen verfinn- - Hit und dadurch einer Praͤfung angenähert.

Hier ſchließt fih nun, indem ich von Buͤchern zu reden gedenke, ganz natuͤrlich Die Ueberſetzung bes Jadiſchen Megha⸗Duhta freundlich an. Man hatte a nılt Wollen und Wolkenformen fo Iauge getta- gen, nnd Eomnte nun erſt biefem Wollenboten fu feinen tanfenbfikitig veränderten Geftalten wit deſto ——— im ER folgen.

Eng:

n 1

: & 5

4239

Poeſie und Literatur trat vor allen an⸗ dern dieſes Jahr beſonders in den Vordergrund; Lord Byrons Gedichte, je mehr man ſich mit ben Gigenheiten dieſes außersrdentlichen Geiſtes bekannt ‚machte, gewannen immer größere Thellnahme, fo daß Männer und Frauen, Mägblein und Jungge⸗ ſellen faſt aller Deutſchheit und Nationalitaͤt zu ver⸗ geſſen ſchienen. Bei erleichterter Gelegenheit ſeine Werke zu finden und zu beſitzen, ward es auch mir zur Gewohnheit mich mit ihm zu beſchaͤftigen. Er war mir ein theurer Zeitgenoß, und ich folgte ihm in Gedanken gern auf den Irrwegen ſeines Lebens.

Der Roman Slenarvon follte uns uͤber man⸗ ches Liebesabenteuer beffelben Auffchlüffe geben; allein das voluminofe Werk war an Intereſſe feiner Maſſe nicht gleich, es wiederholte ſich In Situatio- nen, befonders In unerträglihen; man mußte ihm einen gemwiffen Werth zugeftehen, den man aber mit mehr Freude belannt hätte, wenn er ung in zwey mäßigen Bänden wäre dargereicht worden. _

Ron Peter Pindar wänfht ih mir, nach⸗ dem Ich feinen Namen fo lange nennen gehört, end⸗ dich auch einen deutlihen Begriff; ich gelangte dazu, erinnere mic deſſen aber nur, daß er mir wie ein der Garricatur ſich zuneigendes Talent vorfam. Sohn Hunters Leben erſchien hoͤchſt wichtig, als. Denkmal eines herriichen Geiſtes, der fich bei ge- ringer Schulbildung an ber Natur edel und kräftig entwidelte. Das Leben Franklins ſprach Im All⸗

Goethes Werte XXXII. @& 9

“350

gemeinen benfelben: Stun aus, im Beſondern him⸗ melweit von jenen verfchleden. Bon fernen, bisker unsugänglihen Gegenden belehrte und El pyin⸗ ſtons Kabul; das bekanntere dagegen -verbewtihdgte Raffles Geſchichte von Java gang ungemein. Su: gleich traf das Prachtwerk Imbifcher Jagden, boforgt von Howett, bel-uns-an, und half durch teefiiihe Bilder einer Einbiidungslraft nah, die ſich, ohne gerade dieſen Punct der Wirklichkeit zu treffen, Ins Unbeſtimmte wuͤrde verloren baden. Auf Nord⸗ america bezuͤglich warb und Vielfaches zu Theil. Bon Buͤchern und ſonſtigen Deuckſchriften und

deren Einwirkung bemerke folgended: Hermann

über bie ditefte Griechiſche Mytholegie Intereffizte bie Weimariſchen Sprachftennde auf einen heben Grad. In einem verwandten Situne Raynouard Grammatik der Romantfhen Sprache. Manuserit venu de St. Helene beſchaͤftigte alle Welt. NMecht⸗ beit oder Unaͤchtheit, Halbe ober ganze Ueſpruͤuglich⸗

keit wurde durchgeſprochen und durchgefochten. Daß men dem Heroen gar manches abgehorcht hatte,

blieb offenbar und unzweifelhaft. Deutſchlaubs Ur⸗

geſchichte von Barth griff in untere Studien der Zeit nicht ein; dagegen war der Pfingſtmontag son Profeſſor Arnold in Straßburg eine hoͤchſt llebenswuͤrdige Erſchelnung. Es iſt ein. entſcheden anmuthiges Gefühl, von dem man wohl Wut: lich

nicht Mares Bewußtſeyn zu geben, wenn ſich eine

Nation. in den Eigenthuͤmlichkeiten ihrer Sueder

|

; ‘434, | beſplegelt: denn je nur im Beſondern effennt man,

dab man: Verwandte «hat, im Allgemelnen fuͤhlt

an Immermur die Stppfhaft von Adam her. Ich beſchaftigte mich niet mie gedachtem Stuck und ſpruch

mein Bebagen daran aufrichtig und tnmtänbikhy aus.

Won Ereigniſſen bemerfe Weniges aber für mich and andere Bedeutendes. Seit vierzig Jahren zu Wagen, Pferd and Fuß Dhuͤringen Treug und quer

parchwandernd wear! ih niemals nach Paulinzelle

gekonmmen, obgkeich wenige Stunden davon hin und ber mich bewegend. Es war damals no nicht

Mode dieſe kirchlkicehen Ruinen als hoͤchſt bedeutend

und ehrwuͤrdig zu betrachten; eudlich ader mußte ich

ſo viel davon hoͤren, die einhdeimlſche und retfende

junge Welt ruͤhmte⸗mir den ‚großartigen Aublick,

daß ich mich entichtoß meinen bießjährigen Webätte- :tag, den ich immer gern: im Stillen feyerte, eluſtim dort zuzubringen. Ein ſehr ſchoͤner Tag:begünfläte Das Unternehmen, aber auch hier bereitete mnirdie Sreundfehaft‘ ein unerwartetes Feſt. Oberfoͤrſtmei⸗ ſter von Fritfch hatte von Ylmenau her mit mei⸗ nem Sohne ein frohes Gaftmahl veranftaltet, wo⸗ het wir jenes von der Schwarzburg-Rudolſtaͤdt i⸗ ſchen Regierung aufgeraͤumte alte Bauwerkemit hei⸗ terer Muße beſchauen konnten. Seine Entſtehung faͤllt in den Anfang des zwoͤlften Jahrhunderts, wo tod, die Anwendung der Halbtitkelbogen ſtatt fand. ‚Die Mefdrmatkon verſetzte folches in die Wuͤſte

pr es eutſtanden wär; das geiſtliche Ziel war

. 433

verſchwunden, aber es blieb ein Mittelpunct welt⸗ licher Gerechtſame und Einnahme bis auf den he; Aigen Tag. „Zerfiört warb es nie, aber au oͤkone⸗ miſchen Zweden theils abgetragen, theils entſtelt; wie man denn auf dem Brauhauſe noch von den ur: alten Koloffalziegeln, einige hart gebrannt und gle firt, wahrnehmen Tan; ja ich zweifle nicht, daß man In den Amts: und andern Angebäuden noch einiges son bem urarten Gebaͤlke ber flahen Dede und fon ſtiger urfpränglichen Eontignation entdeden wuͤrde.

Aus der Zerne Fam und Nachricht von Zerſtoͤ⸗ zung und Wiederherfiellung. Das Berliner Schau: ſpielhans war niedergebrannt; ein neues ward ix Leipzig errichtet. Ein Symbol der Souverainetät ward und Weimaranern durch die Feyerlichkeit, als der Großherzog vom Thron den Fürften von Thurn und Taris, In feinem Abgeordneten, mit dem Pol: regal beiteh, wobei wir fämmtlihen Diener in ge: ziemendem Schmud, nah Rangesgebuͤhr erſchienen, and alſo auch unſrerſeits die Oberherrſchaft des Fuͤr⸗ dien anerkannten, indeſſen im Lauf deſſelben Jahrs eine allgemeine Geyer Deutſcher Studirender am 18 Juny zu Jena und noch bedeutender den 18 Dee töber auf der Wartburg eine ahnungsvolle Gegen: wirkung verkuͤndigten.

Das Meformationd.: Zubllaum verfhwand vor diefen frifhen jüngeren Bemühungen. Vor drey hundert Fahren hatten tüchtige Männer Großes um Lernommen ; nun fehlenen Ihre Großthaten veraltet

455

und mochte fih ganz anderes von ben neueften öf- fentlich geheimen Beftrebungen erwarten. Perſoͤnliche Erneuerung früherer Guuſt und Ge⸗ wogenheif ſollte mich auch dieſes Jahr öfter begläden- Die Frau Erbprinzeffin von Heffen wußte

nich niemals In Ihrer Nähe, ohne mir Gelegenheit

zu geben mic ihrer fortdauernden Gnade perſoͤnllch zu verfihern. Herr Staateminifter von Humboldt ſprach auch dießmal wie Immer belebend und anre⸗ gend bei mir ein. Eine ganz eigene Einwirkung je⸗ Doch auf längere Zeit empfand Ich von ber bedeuten den Anzahl in Jena und Leipzig ftudirender junger Griechen. Der Wunſch, ih beſonders Deutfche Bil⸗ dung anzueignen, war bei ihnen hoͤchſt lebhaft, To wie das Verlangen allen ſolchen Gewinn dereinſt zur Aufklärung, zum Hell ihres Vaterlandes zu ver- wenden. Ihr Fleiß glich Ihrem DBeftreben, nur war zu bemerten, daß fie, was den Hauptiiun des Le- bens betraf, mehr von Worten ale von Haren Be⸗ griffen und Zwecken regiert wurden. e

Yapadopulos, der mich In Jena öfters be-- ſuchte, rähmte mir einft im jugendlichen Enthuſias⸗ mus ben Lehrvortrag feines philoſophiſchen Mei- fters. Es Klingt, rief er aus, fo herrlich, wenn der vortrefflihe Mann von Tugend, Zreiheit und Vaterland fpriht. Als ih mic aber erkun⸗ digte, was denn biefer treffliche Lehrer eigentlich - von Tugend, Freiheit und Vaterland vermelde, ers hieft ich zur Antwort: das könne er fo eigentlich

f

Bi

t 6 414 wicht fagen, aber Berk und Ton-Hängen Ikan fets-

vor der Seele nad; Freihenn und Bes

terland.

Es Aſt derfeibe, weluer zu Zeit meins Inhl⸗ genle ins Neugriechiſche Überfehte, und wunderbar genug, wenn. man das Stuͤck in diefer Sprache: und

In dieſer Beziehnng beteachtet, fo druͤct es gaug

elgentlich die ſehnſaͤchtigen Gefuͤyle eines reiſenden, oder verbanuton ‚Griechen aus denn die allgemeine Sehnſucht nach dem. Vaterlande iſt hier unter ber Sehnſucht nach Griechenland, als dem einzig menſch⸗ lich gebildeten Lande, ganz ſpecifiſch:ausge druͤckt Eine neue angenehme Bekanatſchaft machte ich an einem Fellenbergiſchen Gehuͤlfen Namens Lippe, beffen. klare Rahe, Entſchiedenheit feiner Lebens⸗ zwecke, Sicherheit. von dem: guten Erfolg: feiner Wirkungen mie hoͤchſt (chäbhar entgegen traten, und mich zugleich: in. der guten Meinung.fo für iha wie für das: Inſtitut Dem. ee ſich gewidmet hatte beſtaͤrk⸗ ten. Gar mannichſaltig war. ein orwuͤnſchtes Wire ſehen. Wulhelnm von Schüß von Ziehingen er:

neuerte frühere Unterhaltusgen in Eruft:und Tiefe.

hit biefem Freunde erging es mir indeſſen ſehr

wunderliche bei dem Anfenge jedes Geſpraͤches tm -fen wir in allen Praͤmiſſen völlig zuſammenz im fort⸗ währender- Unterhaltung. jedoch kamen wie iurmer weiter auselnander, fo daß zuletzt an. feine. Vers ſtaͤndigung ‚mehr zu benten war, Gewöhnlich ereig⸗ nete fi dieß auch bei des Correſponden; und vper⸗

v⸗

-

135

urſachte mir manche Pein, bis ich mir dieſen felten

vortkommenden Widerſpruch endlich aufzuloͤſen das:

Gluͤck ball; Doch auch das Umgelebrte ſollte mir

begegnen, damit es ja an keiner Erfahrung fehle.

Hofrath Hirt, mit welchem ich mich, was die

Grundſaͤtze betraf, niemals hatte vereinigen können,

erfreute mich durch einen mehrtägigen Beſuch, bei”

welchem, fo im ganzen Verlauf als Im Einzelnen, \

auch nicht die geringfte Differenz vorfam. Betrach⸗ tete ih nun das angedeutete Verhaͤltniß zu bei⸗

. den Freunden genau, fo entfprang es daher, daß yon Schuͤh aus dem. Algemeinen, das mir gemäß war, Ind. Allgemeinere ging, wohin ih ihm .nicht fol⸗ gem konnte, Hirt dagegen bag beiberfeisige. Allge⸗ meine auf fich: beruben ließ, und ſich au das Ein⸗ zelne hielt, worin er: Herr und Meiſter war, wo

man ſeine Gedanken yern' vernahm und ihm mit

Uecberzengung zuſtimmte.

Der Beſuch von Berliner Freunden, Staatsrath Hufeland und. Langermanı, Varnhagen von: Exfe: bHeb mir, wie die Frommen fich audzu: druͤcken gewohnt find;, nicht ohne Segen: denn was kann ſegenreicher ſeyn als wohlwollende einſtimmende Zeitgenoſſen zu ſehen, die auf dem: Wege ſich und andere zu bilden unaufhaltſam fortſchreiten?

Eln junger Batfch, an ſeinen Vater durch freund⸗ liches: thaͤtiges Benehmen, fo wie durch uͤberelaſtim⸗

-mende gefällig geiftreihe Geſtalt erinnernd, kehrte von Caird zurüd, wohin er in Gefchäften Europdi-

136

fher Kaufleute gegangen war. Er hatte zwar treue aber keineswegs kunſtgemaͤße Zeichnungen von bor- tigen Gegenden mitgebracht, fo auch Keine Alter thuͤmer Aegyptiſcher und Griechlfcher Abkunft. Er fhien mit lebendiger Thaͤtigkelt dasjenige im prak⸗ tirhen Handel wirken zu wollen, was fein Water theoretifch in der Naturwiſſenſchaft geleitet hatte.

181 8%

Der Divan war auch den Winter über mit fo viel Neigung, Liebe, Leidenſchaft gehegt und ge- pflegt worden, daß man den Drud deſſelben im Mo⸗ nat März anzufangen nicht Sänger zauderte. Auch gingen die Studien Immerfort, damit man durch Noten, durch einzelne Aufſaͤtze, ein beſſeres Ver⸗ ſtaͤndniß zu erreichen hoffen durfte: denn freilich mußte der Deutſche ſtuhen, wenn man ihm etwas aus einer ganz andern Welt heruͤberzubringen unter⸗ nahm. Auch hatte die Probe in dem Damenkalen⸗ der das Publicum mehr irre gemacht als vorbereitet. ‚Die Zwerdeutigkeit: ob es Ueberſetzungen oder au⸗ geregte ober angeelgnete Nachbiidungen ſeyen, kam dem Unternehmen nicht zu Gute; ich ließ es «ber feinen Gang sehen, ſchon gewohnt das Deutſche Yublicam erſt ſtutzen zu ſehen, eh' es empfing und genoß. Vor allen Dingen ſchlen ſodann nothwendis *

437

. Charaktere der fieben Perſiſchen Hauptdichter und

ihre Leiftungen mir und andern klar zu machen. Dieb warb nur möglich, Indem ich mich der von Ham⸗ merifchen bedeutenden Arbeit mit Ernſt und Treue zu bedienen trachtete. Alles warb herangezogen, Anquetills Religionsgebraͤuche ber alten Par⸗ Ten, Bidpats Fabeln, Freptags Arabiſche Ges dichte, Michaelis Arabiſche Grammatik,‘ alles mußte dienen mich dort einheimiſcher zu machen. Indeſſen hatten bie von unferm Fuͤrſten aus Mal⸗ land mitgebrachten Seltenheiten, wovon ſich der grö= Bere Theil -auf Leonardo's Abendmahl bezog, im hoͤchſten Grad meine Aufmerkfamteit errest. Nach eiftigem Studium der Arbeit Boſſi's über dieſen Ge⸗ genſtand, nach Vergleichung der vorllegenden Durch⸗ zeichnungen, nach Betrachtung vieler andern gleich⸗ zeitigen Kunſtleiſtungen und Vorkommniſſe, warb endlich die Abhandlung geſchrieben wie ſie im Druck vorliegt, und zugleich ins Franzoͤſiſche uͤberſetzt, um den Mailänder Freunden verſtaͤudlich zu ſeyn. Zu gleicher Seit warb uns von dorther ein ähnlicher Widerſtreit des Antiten und Modernen, wie er fi auch in Deutſchland rührt und regt, gemeldet; man mußte von dorther auch Aber Claſſiſches und Ro⸗ mantifches polemifhe Nachrichten vernehmen. Zwiſchen allem diefem, bei irgend einer Pauſe, nach dem Griechiſchen hingezogen, verfolgte ich ei⸗ nen alten Liebllngsgedanken, daß Myrons Kuh

auf ben Muͤnzen Dyrrachiums dem Hauptſinne nad)

138

anfbehaiten ſey: was kanm erwaͤnſchter; ſeyn als entihledenes: Andenken des Hoͤchſten aus einer Zeit, die nicht wieber Tommi? Eben dieſer Stun lieh mich auch Philo ſt rats Gemaͤhlde wieber aufs nehenen, mit dee Vorſatz das trimmerhaft Ver⸗ gangene duvch einen Sun, ber ſich ihm gleichguhlk- den trachtet; wleder zu beleben. Womit ich mich fon noch. befchaͤſtigt, zeigt Kunſt und. Alterthum viertes Std:

Ein: wunderfamer Zuſtand bei hehrem Monden⸗ ſchein brachte mir das Lied Um Mitternacht, weiches mir deſto lieber und: werther iſt, da ich micht ſagen koͤnnte, woher ed kam und wohin es wollte, Aufgefordert, und deßhalb ‘tn ſeiner Catſtehung kla⸗ zer, aber doch eben fo wenig In. der Aus fuͤhrung berechenbar, erſchien mir. zu: Ende bes Jahrs ein Gedicht, in, kurger Zeit verlangt, erfunden, einge⸗ Jeitet und vellbracht. Zu Verehrung Ihre Majeſtaͤt deu: Kabferin Mutter ſollte ein Maslenzug bie viel⸗ jaͤnrigen: ppotiſchen Leiftungen bes Weimariſchen Nu⸗ ſenlkreiſes, in eingelnen Gruppen geſtalten und: biefe einem Angenblick in hoͤchſter Gegenwart verweilend, durch {bitte Sedichte fick ſelbſt erklaͤren. Er warb anz: 18, December: aufgeführt, und hatte ſich einer günftigen Aufnahme und: danernden Erinnern zu. . erfreuen.

Kurg vorber war: der A7te untriste. Wand neh ner: Werke bei: mir. angelangt... Mein Unfenthatt in Jena: war dießmal auf mehr als Eine Weiſe frucht⸗

. 8 . ®

120

Ban, Jqhahalte mich im Enter der- Kanne zu Cams⸗ Dorf einguartiest nad gene: mit Bequemlichkeit, bef freier nnd. fahrer Aus⸗- und Umſicht, beſonders der charakteriſtiſchen Wolkenerſchelnungen. Ich beach⸗ tete fie, nad Howard, In-Besug.auf.den Barome⸗ ter, und gewann ‚manderiet Einficht.

Zasleich war. das entoptiſche Farbencapitel au Der Tagasordnung. Brewſters Nerfuche, dem Glaſe Ds Dınd, wie ſonſt durch⸗Hitze, diefeibe- Aigen ſchaft des regelmäßigen Sarbenzeigens bei Spiege- Tuygg.zu ertheilen, gelangen gar wohl, unb Id: miles _ nerfelss , überzeugt vom Zufammenwirten bes Tech⸗ niſch⸗ Mecha niſchen mit dem. Dynamiſch⸗Ideellen, lieh die Seebeckiſchen Krenze auf Damaſtart ſilden und konntefie nun: nach belle bigem Scheinwechſel hell oder dunkel auf derſelben Flaͤche ſehen. Dr. Se4b eck beſuchte mid den 16 Juny, und feine Gegenwert förderte in dieſem Augonblick wie immer zur gelegenen Zeit.

In Carlsbad fah ich voll Bedauern ein ——— beitetes: meſſingenes Rohr mit Gradbogen, wodurch die Polariſation bes Lichtes. erwigfen werden ſollte. Es war in Paris gefertigt, man ſah aber: bier in des Beſſchraͤnkung nur -theilweite, was wir fon Idugfi.gauz.und völlig in freier. Luft darzuſtellen ver⸗ ſtanden. Deſto angenehmer war mir ein Apparat zu gleichem Zwede, verehrt zu meinem Geburtstage, vvn Profeſfor Schweiager, welcher alles leiſtet was.mas in dieſem Su verlangen a

1

m

140

Zur Geoguofle waren und auch bie ſchoͤnſten Bei⸗ träge gefommen,, wit bedenteuden Exemplaren and Stellen. Brochi’s Werk über Italiaͤniſche Foſſi⸗ lien, Sömmerings foſſile Eidechfen und Fle— dermäufe. Won ba erhuben wir und wieder in ältere Regionen, betrachteten Werners Gang- theorie und Freyslebens Saͤchſiſche Zinnforma⸗ tion. Eine angekuͤnbigte Mineralienſammlung aus Norden kommt an, Verſteinerungen von der Inſel Ruͤgen durch Kofegarten, Minerallen aus Sici⸗ lien und der Inſel Eiba durch Odeleben. Die Lage des Coͤleſtins bei Dornburg wird erforſcht. Durch beſondere Gelegenheit kommt die Geognoſie ber Vereinigten Staaten ım6 näher. Was für Vor⸗ theil daher entfpringt, wirb auf freundliche umd fo: ide Weite erwidert. |

In Boͤhmen war fogleich die allgemeine Geogno- fie um deſto ernfter gefördert, ald ein junger weit- fhreitender Bergfreund, Namens Neupel, auf kurze Zeit mit und zufammentraf, und eine Charte bes Koͤnigreichs mir zu illuminiren bie Gefaͤlligkelt hatte, des Vorſatzes in einer eigenen Schrift die⸗ ſes Beftreben welter zu führen und öffentlich be: kannt zu machen. Man befuhte Haidingers Dorcellanfabrit In Ellbogen, wo man außer dem SMaterlal bes reinen verwitterten Feldſpathes auch das ansgebreitete Brennumeterlal dee Braunkohlen kennen kernte, und von bem Fundort der Zwillinge: kryſtalle zugleich unterrichtet wurde. - Wir beſuch⸗

4

ten Bergmeiſter Beſchorner in Schladenwalbe, erfrenten und an deſſen inſtructiver Mineralien⸗ ſammlung, "und erlangten zugleih am Tage eine Art von Neberfiht der Xocalität des Stockwerks. Im Granit einbrechende, oder vielmehr im Sranit - enthaltene, und fi durch Verwitterung daraus. ab- löfende Theile, wie 3 B. Slimmerkugeln, wurden bemerkt und aufgehoben. So wurden mir aud ſehr belehrende kryſtallographiſche Unterhaltungen mit Profeffor Weiß. Er hatte einige kryſtalliſirte Diamente bei ſich, deren Entwidlungsfolge er nah feiner höheren Einfiht mich gewahr werden lief. Eine Heine Mülleriihe Sammlung, befonders in⸗ fiructio, ward “zurecht gelegt; Mofenquarz von Köz nigswart gelangte zu mir, fo wie ich einige Boͤh⸗ mifche Shryfolithe gelegentlih anſchaffte. g Bei meiner Ruͤckkehr fand ich zu Haufe Meines tallen von Coblenz und fonftiged Belehrendes bie- fer Art! Auf die Ulademie Jena war bie Auf- merkſamkeit der höcften Herren Erhalter ganz be= fonders gerichtet; fie follte aufs“ neue ausgeſtattet und befekt werden. Man unternahm die älteren Statuten der neuen Zeit. gemäß einzurichten, und auch ih, Infofern die unmittelbaren Anftaiten mit der Alabemie fih berührten, hatte das Meinige durch dienfame Worfchläge beigetragen. Das Bis bllotheksgeſchaͤft jedoch heiſchte ſeit Anfang des Jahres fortgeſetzte und erweiterte Thaͤtigkelt. Das Zoral wurde in genaue Betrachtung gezogen, und

RE 443

hanptſachlich was an Mänmiihkeiten, vhne großen Aufwand zu gewinnen ſey, artiiitfch and haud⸗ wertsmäßtg überlegt, wach in wlefern dvem gemäß die Arbeit ſelbſt begonnen und fortgefeßt "werben koͤnne, wohl uͤberdacht. Die Worfhiäge au ſicherem ©ang der Amyelegeirheit werden durch die hoͤrhſten Höfe gebilligt und’entfchteden, und Actorde ınttden Handwerkern fogleich geſchloſſen. Die Hanptfuche biteb :immer die Trodentegung des untern großen Saals. Wie man von Außen gegen Oraben md Garten zu Luft ‚gemacht hatte, ſo geſchah es man ‚andy von Innen durch Vertkefung des Hofes. Alles

andere was zur Sicherhelt und Trodut des Se- baͤudes dienen kennte, ward beraten und ausge fuͤhrt, daher die aͤnßere Betappung fogleih vorge

nommen. Nachdem auch im Innern -gewiffe Hin⸗ derniffe mit Lebhaftkigkeit beſeltigt waren, ward nunmehr die Schloßblbliothek transtockitt, welches mit beſonderer Sorgfalt und Vorſicht geſchah, indem man ſie In der bisherigen Ordnung wie⸗ der auffirlite, am bis zur neuen Anorbumg auch die Benutzung derfelben nicht zu untetbrechen. tteberhaupt iſt hier zu Ehren der Angeſtellten zu be⸗ merten, daß bei allem Umkehren des Ganzen wie des Einzelnen die Bibliothek nach wie vor, ja nurh

viel ſtaͤrker und lebhafter, benutzt werden konnte. Her finde Ih am eine Schald abpatragen, tu- dem Ich die Mäntrer mente ; welche mir In Yiefom hoͤchſt verteilten id verworrenen Sefajkfr "reits

443

- ich “und jeber Anorduung gemaͤß mitwirbend ſich erwiefen haben. -Profeffer Guͤldenapfel, Disgeriger . Yenalfcher Bibliothekar, sharte- unter bean ’sorigen Buftand ſo viel gelitten, daß er zu einer. Voraͤnde rung derfelben freudig die Send bot, und eine gewiſſe hvpochondriſche Sorgfalt auch auf die neue Veraͤu⸗ derung mit Raͤthlichleit hiunwendete. Rath VBul⸗ pius, Bibliothelar In Weimar, hatte bisher der

im Schloß verwahrten Buͤttneriſchen Vibliothek vor⸗

‚geftauden, und verſagte zu der Dwanslocation der⸗ ſelben feine Dienſte nicht, wie ex. denn auch nanche neune noͤthig werdende Verzeichniſſe mit großer Fer⸗ nigkelt zu liefern wußte. Dr. eher, ein junger kraͤftiger Mann, übernahm die Obforge Aber. die oft miß lichen Baulichteiten, indem ſowohl Lie Be⸗ nutzung der Localitaͤten zu neuen Zwerken als anch der Wiedergebrauch von Repoſitorien und andern Holzarbeiten eine ſowohl gewandte als forrdauernde Aufficht und Anleitung erforderten. Der Gangzliſt Compter, ber bisherige Cuſtos der Schloßbibliothek

Farber thaten jeder an ſetiner: Stelle und auf ſeine

Woelſe das Moͤgliche, fo daß ich In diefem Falle die Liebe zur Sache und die Anhaͤnglichteit an mich real. Angeſtellten nicht genug fam zu ruͤhmen wuͤßte.

Innerhalb dieſer arbeltſamen Zeit war der Pers $auf der Grunerſchon ſo hoͤchſt bedeutenden Biblio⸗ thek angelandigt, und ſogar der Antrag gethan ſoſlche im Ganzen anzutaufen und die. Dubledten in

4144 ber Folge wieder zu veräußern‘ Ich, als ein ab: gefagter Feind fotcher Operationen, bei denen nichts zu gewinnen iſt, ließ den Grunerſchen Katalog mit den Katalogen ſaͤmmtlicher Bibliotheken vergleichen und durch Buchflaben andeuten, was und wo es ſchon befeffen werde: Durch biefe muͤhſelige und in der Swifchengelt ‘oft getadelte Sorgfalt erfchien gulegt, wie viel Vorzuͤgliches die Öffentlichen An-

falten ſchon beſaßen; über bas andere was noch zu

acquiriren wäre, ward bie medichnifhe Facultaͤt gefragt, und wir gelangten dadurch mit mäßigem Aufwand zu dem Inhalt ber ganzen Grunerfchen Bibliothek. Schon aber konnte fih diefe neue nuꝛ eben erſt Beſtand gewinnende, in Gefolg ihres aka: demifchen Rufes, einer auswärtigen Aufmerkfam- teilt erfreuen, indem mit freundlicher Anmerkung der Herzog von Egreton bie von Ihm herausge⸗ sebenen Werke fämmtlich einfendete. Im Novem⸗ ber erftattete die Behörde einen Hauptbericht, wel- cher ſich hoͤchſten Belfals um fo mehr getröften ſollte, als ber umſichtige Fürft:perfönlih von dem ganzen Gefchäftögange Schritt vor Schritt Kennt: niß genommen hatte.

Die Oberaufficht über bie ſaͤmmtlichen unmittels baren Anftalten hatte fi Im Innern noch einer be: ſondern Pflicht zu entledigen. Die Thaͤtigkeit In einzeinen wiffenfchaftlihen Fächern hatte fich derge⸗ flalt vermehrt, die Zorderungen waren auf einen ſolchen/ Grad gewachſen, daß der bisherige Etat

nibqt

. 188

nicht meha hönreiihte. Dieß konute zwar Im Game. zen: bei guter Wirthacraft einigermaßen ausgeglichen. werden: allein das Unfihere mar zu. befeitigen, ja es mußten, mehrerer Kiarheit wegen, neue Rede nungscapitel unb eine neue Etatsordnung einge-. führt werden. In diefem Augenblit war der bie: herige Rechnungsfuͤhrer, als Rentbeamter, von Hexrjoglicher Kammer an eine andere Stelle befoͤr⸗ Dert, und bie beichwerlice Arbeit, die alte Rech⸗ nung abzuſchließen, bie. Gewährichaft los zu werben und eineg neuen Etat nebft Rechnungsformular aufs zuſtellen, Uieb mir dem Morgefehten, der wegen Eigenbelt ber Lage fi kaum der Mitwirkung eines Kunſtwerſtaͤndigen bedienen konnte.

Auch in dleſes Jahr fällt ein Unternehmen, Deſſen man fich vielleicht nicht Hätte unterzichen fol- len: das Abteagen bes Löherthore. Als nämlich. Das, heiter auch von außen hergefiellte Bibliotheks gehäude den Wunſch hervorrief, gleicherweiſe bie naͤchſte bisher vernachläffigte Umgebung gereinigt "und erheitert zu ſehen, fo that man den Vorſchlag, ſowobl das. äußere als Innere Loͤberthor abzutragen, zu gleicher Zeit die Gräben auszufällen und dadurch einen Marktplatz für Holz: und Fruchtwagen, nicht weniger ‚eine Verbindung ber Stadt in Feuersge⸗ fahr mit_ ben Teichen zu bewirken. Das Lehtere warb auch bald erreicht; als man aber an die in⸗ nern Gebäude kam, durch deren Wegräumung man einen Rettlichen Eingang. der Stadt wu gewinnen

Bar, XXI. ®, 19.

446

hoffte, that fi eine Gegenwirkung hervor, ge⸗ gründet auf die moderne Marime, baß ber. Ein zeiue durchaus ein Recht babe gegen ben Vorthell des Sanzen ben feinigen geltend zu machen. Und fo blieb ein hoͤchſt unſchicklicher Aubli ftehen, dem, wenn. es glädt, bie Folgezeit den Augen unferer Nachkommen entziehen wird.

Für die Einfiht in höhere bildende Kunſt bes gann dieſes Jahr ‚eine neue Epoche. Schon war Nachricht und Zeichnung der Aeginetifhen Marmore zu uns gefommen, bie Bildwerke von Phigalla ſahen wir in Selchuungen, Umriffen und ausgeführ- teren Blättern vor nnd, jedoch war das Hoͤchſte uns noch fern geblieben; daher forfchten wir dem Var⸗ thenon und feinen Glebelbildern, wie fie die Rei⸗ fenden bes fiebzehnten Jahrhunderts noch gefchen hatten, fleißig nach, und erhleften von Paris; jene Zeihnung copirt, bie damals zwar nur leicht gefer⸗ “tigt, doch einen beutlichern Begriff von ber Inten⸗ tion des Ganzen vesihaffte, als es in ber neuern Zeit bei fortgefehter Zerftörung möglih it. Aus. der Schule des Londner Mahlers Hapbon fanbte man uns die Sopien in ſchwarzer Kreide, glei geoß mit ben Marmoren, ba und denn der Hercu⸗ les und die im Schoos einer andern ruhende Figur, auch die dritte dazu gehörige Sidende, im Maßſtab, in ein würbiges Erſtaunen verfeßte. El⸗ nige Weimariſche Kunftfreunde hatten auch bie Gppsabgäife wiederholt geſehen, und beiräfiigtem,

147

daß man bier die hoͤchſte Stufe der nffrbete

Kunſt Im Altertum gewahr werbe. Zu gleicher Zeit ließ und eine koſtbare Sendung

von Kupferſtichen aus dem ſechzehnten Jahrhundert

in eine andere gleichfalls hoͤchſt ernſthaft gemeinte Kunſtepoche ſchauen. Die beiden Baͤnde von Bartſch

XIV und XV wurden bezuͤglich hierauf ſtudirt,

und was wir dahin gehoͤriges ſchon beſaßen durchge⸗

ſehen, und nur einiges, wegen ſehr hoher Preife,

‚mit befcheldener Liehhaberey angekauft. Gleichfalls hoͤchſt unterrichtend, in einer neuern

Sphäre jedoch, war eine große Kupferſtich-Sen⸗ dung aus einer Leipziger Auction. Sch fah Jack⸗

ſons holsgefchnittene Blätter beinahe vollftändig

zum erftenmal; ich ordnete und betrachtete biefe Acquiſition, und fand fie in mehr ale Einem Sinne bedeutend. Eine jede Technik wird merkwuͤrdig, wenn fie fih an vorzuͤgliche Gegenſtaͤnde, ja wohl gar an ſolche wagt, bie das ihr Vermoͤgen hinaus⸗ reichen.

Aus der Franzoͤſiſchen Säule erhielt ih lvlele |

gute Blätter um den geringften Preis. Die Nachbar- natton war bamald In dem Grabe verhaßt, daß man ihr kein Merdienft zugeftehen, und_fo wenig - irgend etwas das von ihr herfäme, an feinen Be— fiß herangiehen mochte. Und fo war mir fhon ſeit einigen Auctionen ‚gelangen, für. ein Spottzeld, bedeutende, ſogar in der und Kunfigefhihte

140

wohl gelannte, durch Aueldeten und Eigenheiten der Kuͤnſtler namhafte große wehlgeſtochene Blätter, eigenhaͤndige Madirungen mehrerer im achtzehnten Jahthundert beruͤhmter und beliebter Kuͤnſtler, das Stuͤck für zwey Groſchen anzuſchaffen. Das Gleiche gerieth mir mit Sebaftian Bourbons geäßten Blättern, und ich lernte bei diefer Gelegenheit einen Känftler, ben ih immer im Allgemeinen ge⸗ fhägt, auch im Einzelnen werth achten.

Eine Medaille, welhe die Mailänder zu Ehren unferes Zürften ald ein Andenken. feines dortigen Aufenthalts prägen laffen, gibt: mir Gelegenbeit zus: Plaſtik zurädzufcehsen. Ich acqulrirte zu glei⸗ cher Zeit eine vorzuͤglich fehbne Münze Ateranbers; mehrere kleine Bronzen von Bedeutung wurden mit in Carls bad thetie kaͤuflich, tyeils darch Freun⸗ decgeſchenb, gluͤclich zu eigen. Graf Tolfkofs Basreiiefe, deren ih: nur wenige kannte, über: ſchicte mir des wohtwollende Kuͤnſtler, durch einen voruͤbereilenden Courler, und daß ich noch einiges Zerſtreute zuſammenfaſſe, das Kupferwerk voru Sanyo Santo in Bife erneute das Stubbsn.iemer älsern Eyode, fo wie Im wanderbarſten Gegenſah dad Omaggio.della Provincia Veneta alla.S, M. ; YImperatrice d’Asstria, von bem- wunderlichen Sinnen und Denken gleichzeitiger Künfler ein Bel: fpiel-vor Augen bradte. Don dem in Paris beſtell⸗ ten zwey Pferbelöpfen, einem Venezlanbſchen und ı Atheniſchen, kam jener zuerſt und Ueß .und feine:

r ' : 449 Vortzage· empſiaden, chend der andere durch Aber⸗ ſchwengliche Großhelt dafaͤr ‚mempfängti gemaot Bi

L)

181%

vVon perfönfigen Verhältniffen waͤre " folgendes zu fagen: die König on Wuͤrtemberg ſtirbt zu Unfeng, Erbgroßherzog von’ Medienburg zu Ende »des Jahrs. Staatembniſter von Voigt verläßt meiden 22 März, fuͤr mich entſteht eine

große Luͤcke, und dem Kreiſe meiner Thaͤtigkeit

entgeht ein mitnirkendes Princip. Er fuͤhlte ſich in ider letzten Zeit ſehr angegriffen von den unaufhhalt⸗ ſam wirklenbden revolutiondren Potenzen, und isch ptles ihn deßhalb ſelig, daß er die Ermordung Kotzebne's, die am 23 März vorfiel, nicht mehr erfuhr, noch durch die. heftige Bewegung, weiche Deutſchland hlerauf ergriff, aͤngſtlich beunruhigt wurde. In dem ubrigens ganz ruhlgen Gang und Bug ‚der Weit trafen Ihrvo Meaieftdt die reglerende Kal⸗ ſerin von Nußland In Wetmar ein; ich fa in diefer .- Zeit den: Grafen Stourdza mb ben: Staaterath yon Köhler,

Erfreuliches begegnete dem: Fuͤrſtlichen Haufe, daß dem Herzog’ Bernhard ein Sohn geboren "war, An Eteigulß,⸗das allgemeine Heiterleit verbreitet⸗

*

: 150 \

Der Aufenthalt in Doraburg und Jena gab zu man- cherlei Dergnüglichleiten Anlaß. Die Prinzeffianen hatten ihren Garten in Jena bezogen, wodurch denn bin und her viele Bewegung entftand; auch wurde die hohe Geſellſchaft dadurch vermehrt, daß Herzog von Meiningen und Prinz Paul von Med⸗ fenburg, der Studien wegen, in Jena einige Zeit verweilten.

In Carlsbad ſah ich Fuͤriu Metternich und deffen diplomatifche Umgebung, und fand an ihm ‚wie fonft einen guädigen Herrn. Grafen Bern ſtorf lernt ich perfönlich Fennen, nachdem ich ihn . lange Jahre hatte vortheilhaft nennen hören, und Jhn wegen inniger treuer Verhaͤltniſſe zu werthen Steunden aud fhägen lernen. Auch fah ich Graf Kaunis und andere, die mit Kaiſer Franz in Mom geweſen waren, fand. aber feinen darunter, der non der deutihfrommen Ansftelung im Palaſte Eaffa- relli hätte ein Günftiges vermeiden mögen. Den Strafen. Sarl Harrach, den ich vor fo viel Jahren,

als er fib der Medicin zu widmen den Entſchluß

faßte, In Carlsbad genan kannte, fand ich, zu mei⸗ nem großen Vergnügen, gegen mic ‚wieder wie ich ihn verlaffen, und feinem Berufe nunmehr leiden:

Schaftlih tren. Seine ganz einfach lebhaften Er⸗

zählungen von der beweglichen Wiener Lebensweife verwirrten mir wirklich In den erſten Abenden Siune und Verſtand, doch in der Folge. giug es beſſer; theils ich die Darſtellung eines fo Ereifeihaften

8d

- 451

Treibens mehr gewohnt, theils befchräutte er fi auf die Schliderung feiner praktlihen Chaͤtigkeit, Ärztlicher Verhaͤltniſſe, merkwuͤrdiger Berübrungen und Einflüffe, Me eine Perſon der Art als Standes-, . Welt: und Hellmann erlebt, und ih erfuhr In die⸗ fen Puncte gar manches Neue und Srembartige,

Geheimerath Behrens von Berlin, ein fo- gleich Vertrauen erwedender Medicus, ward mir und meinem Begleiter dem Dr. Nebbein, einem jüngeren, vorzüglich einfichtigen und forgfältigen Arste, als Nachbar lieb und werth. Die verwitt- wete Fran Berghauptmann von Trebra erinnerte mid an ben großen Verluſt, ben ich vor kurzem In ihrem Gemahl, einem vieljährigen fo nachfichtigen als nachheilfenden Freund erlitten; und fo warb Ich auch im Geſpraͤch mit Profeffor Dietrich von Com⸗ motau an frühere Töpliger Momente bingewiefen,

alte Frende, altes Leid wieder hervorgerufen. |

Zu Haufe, fo wie In Jena, ward mir gar man⸗ ches Gute durch bleibende und vorübergehende Per⸗ fonen. Ih nenne bie Grafen Canikoff und Bombelles, und ſodann ditere und neuere Freun⸗ de, theilnehmend und belehrend. Nees von Eſenbeck, nah Berlin reifend und zuruͤckkehrend, von Stein aus Breslau. Mannichfeltige Mit- theilungen biefes thätigen räftigen Mannes und fräperen Zoͤglings erfreuten mich. Ein gleiches Verhaͤltniß -ernenerte ſich zu Bergrath yon. Herz

353

ber... Senornl- Ouyerintenbent Kraufe erfiblen als tieftranter Maun, und man mußte vielleiiht manche ſchwache Aeußerung einem Inwehnenden wu:

‚helibaren Uebel zuſchreiben. Er empfahl den oberen

Ciaffen des Sramaſſuas Tiedgens:Mranla als. ein Haffifhes Wert, wohl uliht bedenkend, daß Vie von dem treffiihen Dichter fo glädlih befämpfte Zweifelfuht ganz aus der Mode gelommen, daß niemand mehr an fich felbft zweifte, und ſich die Zeit gar nicht nehme an Gott zu zweifeln. Seine Gegenwart muthete mich nicht an; Ich habe Ihn nur einmal gefehen, und bedauert daß er feine gerähmte Einfiht und Thätigkeit nicht auch an Weimarifchen Kirchen und Schulen babe beweifen fönnen. Lebens⸗ beiterer war mir der Anblick ber zahlreichen See: beckiſchen Familie, die von Nürnberg nad Ber⸗ Im 309, den glüdlihen Aufenthalt an jenem Orte mit innigem Bedauern rühmend, früherer Je⸗ nalfher Verhaͤltniſſe an Ort und Stelle ſich leb⸗ Haft erinnernd, und nad Berlin mit freudiger Hoff- nung hiuſchauend. Ein Beſuch Dr. Schopen⸗ hauers, eines melft verfannten, aber auch fechwer zu fenmenden, verbienftvolen jungen Mannes, regte

mich auf und gedlieh zur wechſelſeitigen Belehrung.

Ein junger Angefieitter von Berlin, der ſich dur Calent, Maͤßigung und Fleiß ans bedenklichen An- ſtaͤnden zu einer anſehnlichen Stelle, eluem beque⸗ men haͤuslichen Zuſtande und einer ruͤbſchen jungen Stan geholfen hatte. Major von Luck, der Maln⸗

\

2 45 zer Humoriſt, der ganz nach ſeiner Welle zum Bes Such bei ‘mir unverſehens eintritt, fein Bleiben ohne Noth verkürzt und gerade aus Hebereilung die

- Meltegelegenheit verfäumt. Franz Ntcötoving, ein lieber Verwandter, hielt ſich länger auf, und gab Naum eine vielverfptechende Jugend zu Temren

- and zu ſchaͤtzen. Geheimerath von Willemer,

: ber bie Folgen einer für ihn Höchft traurigen Ange⸗ legenheit großmuͤthig abzulenfen ſuchte, reiftte nad) Berlin, um von Ihro Majeſtaͤt dem Köntg Ver⸗ zeitung Tür den Gegner feines Sohnes zu eiflehen. Der Siehe Gigas beſuchte mich bfters, auch hatte. ich feine Landsleute, bie um höhere Bildung zu gewinnen nah Dentfchland gekommen waren, immer freundlich aufgenommen. Praͤftdent von Belten and Bayreuth, fo fehr wie jeder Vorge- feßte von akademiſcher Turbulenz beunruhigt, "bes fügte mih, und man kounte ſich uͤber die damals fo dringeriden Angelegenheiten nichts Erfreuttches mittheilen. Die Weimar: und Gothaiſchen Megle- rungs bevollmaͤchtigten von Eonta and von Hof fprachen gleichfalls wegen afabemifcher Beſorgulſſe bei mir ein. Ein Sohn von Baggefen erfreute mic durch heitere Gegenwart und unbewundenes Geſpraͤch. Eruſt von Schiller, dem es Hier nicht giäden wollte, ging einer Auftellung im Preu⸗ Bifhen entgegen. Sodann lernte ich noch einen jungen Chemicus, Namens Runge, kennen, ber - mir auf gutem Wege au. feyn ſchlen.

4154 +

Des Antheils hab’ ich nunmehr zu erwähnen, ben- man meinem fiebzigfien Geburtstage an vielen | Drten und von vielen. Seiten ber zu ſchenken ge- | neigt war. Durch eine wunderlihe Grille eigenfie niger Verlegenheit fuchte ich der Zeyer meines Ge: burtstags jederzeit auszuweichen. Dießmal Hatte ich ihn zwiſchen Hof und Carlsbad auf der Reiſe zu gebracht; am letzten Orte kam ich Abends an, und in befchränftem Sinne glaubt’ id überwunden zu baden, Allein am 29 Auguft follte ih zu einem fhon befprohenen Gaſtmahl auf den Poſthof einge: laden werden, wovon ich mid, In Ruͤckſicht auf meine Sefundheit, nicht ohne Srund entichuldigen mußte. Auch überraichte mich aus ber Ferne noch gar mannichfaltiged Gute. In Frankfurt am Main hatte man am 28 Anguft ein ſchoͤnes und bedeuten des Zeit gefevert; die Geſellſchaft ber Deutſchen Geſchichtskunde hatte mich zum Ehrenmitgliede er: nannt, bie Ausfertigung befhalb erhielt Ih durch minifteriele Gelegenheit. Die Medlenburgifcen Herren Etände ‚verehrten mir zu dieſem Tage eine goldne Medaille, als Dankzeichen für den Kunſt⸗ antheil den ich bei Merfertigung der. Bluͤcheriſchen Statue genommen hatte.

46 168 2 0.

Nachdem wir den 29 Maͤrz eine Mondderdunt⸗ lung ‚beobachtet. hatten, blieb bie auf den 7 Sep⸗ tember angekuͤndigte ringfoͤrmige Sonnenfinſterniß unſer Augenmerk, Auf der Sternwarte zu Jena wurden vorläufige Zeichnungen derſelben verfertigt, Der Tag kam heran, aber leider mit ganz uͤberwoͤlk⸗ tem Himmel. In dem’ Garten der Prinzeffinnen waren Einrichtungen getroffen, daß mehrere Per- fonem zugleich eintreten konnten. Sereniſſimus be:

ſuchten Ihre eben Enkel zur guten Stunde, bag Gewoͤlk um die Sonne ward liter, Anfang und ”. Mitte Fonnten vollfommen beobachtet werben, und

den Austritt, dad Ende zu fehen begab man fi auf die Sternwarte, wo Profeffor Poſſelt mit an- bern Angefteiten befchäftigt war; Auch hier gelang die Betrahtung, und man konnte vollfonimen zu— frieden feyn, während in Weimar ein bedeckter Himmel jede Anficht vereitelte.

Auf einer Reife nach Carlsbad beobachtete ich

die Woelkenformen ununterbrochen, und redigirte - : bie: Bemerkungen daſelbſt. Ich ſetzte ein ſolches

Woltendiarium bie Ende: July und weiter fort, wo⸗

durch ich die Entwicklung der fichtbaren atmofphärl-

fhen Zuftände auseinander immer mehr kennen lernte, und endlih eine Zuſammenſtellung ber Woltenformen auf einer Tafel In verichledenen Zel-

‚dern unternehmen, fonnte, Nah Haufe äurüdge-

= x 456 r kehrt, beſprach Ich die Angelegenheit mit Profeſſot

Poſſelt, welcher daran ſehr verſtaͤndigen Theil nahm, Auch wurden nunmehr von Elſenach Wet:

terbeobachtungen. eingeſeudet. Mon Büchern för: derte mich am meiften Brandes Witterungs kunde und ſonſtige Bemuͤhungen in dieſem Fache. Ditt⸗ mars Arbeiten wurden benutzt, freillch nicht in dem Sinne wie es der gute Mann wuͤnſchen mochte.

Das Botaniſche ward nicht außer Augen gelaf⸗ fen; der Velvederiſche Katalog kam zu Stande, nad ‘ib ſah mich dadurch veranlaft die Geſchichte ber Belmariihen Botanik zu fhreiben. Ich kkeß bier: ‚auf ein Zranzdiifbes Heft überfehen, Das in. ga lontem Wortrag bie, Vermehrung der. Erifen au:

rieth und anleitete. Jäger über Mipbäidung der Pflanzen, Decandolle Arzueyktaͤfte derſeiben,

Henſchel gegen die Sexualität, Nees von Eſenbecks Haudbah, Robert Braum über bie Spngenefiften wurden fämmtlic beachtet, da ein Aufenthalt in dem botenlihen Garten zu Jena mir dalin die erwuͤnſchteſte Muße gab,

WBedeutender Honkathau wurde 'atfıber 'Erck beobachtet und beſchrieben; Herr Dostor‘Carnd thellte von einem Korchhof in Sachfen ein zartes Veflechte ‚von Lindenwurzan mit, weiche, zu ben Saͤrgen hinabgeſtiegen, dieſe ſowohl als die enthalde⸗

nen Leichname wie mit Fliigranarbelt unwickelt Wat:

ten. Jeh fuhr fort mich mit Wartung bes: Bryophyl- Aum sälychaum zu beſchaͤfſtigen, dieſer Yıkange · die

———_

Bu;

dem Teiumph- ber Metamorphoſe im. Offenbaren- feyert. Zabeflta war durch bie Reiſe Defterreichts ſcher und Baverliher Naturforfber nah Brafilien die lebhafteſte Hoffnung erre at. &

Auf meiner Meife nad Carlsbad nahm ih den De über Wunſiedel nach Alexandersbad, wo ich bio: ſeltſaman Trümmer eines. Granitgeblrges nad) olelen· Jahren feit 1785 zum erſtenmal wieder eobachtete. Mein Abichen- vor. gewaltſamen Er⸗ drangen‘, ‚die man. auch bier mit reichlichen Erd⸗ eben, Vulcanen, Waflerfiutben und andern Kita⸗ üſchen Ereignifion;geltend: zu. machen ſuchte, warb uf ber-Stelle vermehrt, da: mit. einem. rubigen glick ſicht gax wohl erkennen ließ, daß durch theil⸗ see Aufloͤſung wie theilmeife Beharrlichkeit des Ur⸗ eſteins, durch ein daraus exfolgendes Stehenblelben, Anden, Stuͤrgen, und zwar In ungehenern Maſſen, efe:flannensmütdige- Erfihelsung ganz naturgemäß h ergeben habe. Auch dieſer Gegenſtand ward Im einen wiſſenſchaftlichen Heften wörtiih und bildlich wubgteit; ich zwaifle jedych daß eine fo. ruhige An⸗ ei Dem turbulenten Keitalter genügen werde;

In Earls bad leste Ich hie alte gengnoftihe Folge eben tm. belehrenden Muftern zufammen, worunter oͤue Städerded Granits vom Schloßberge un eenhardtsfelſen, mit Hornſteinadern durchzogen, : wohl. in die Augen fielen. Eine neue fpecigliere: lge, auf Porcellan⸗ und Steingutgsfabricotion. fi iohend,. augleih die natürlichen unveränderten -

458 s Stüde enthaltend, warb angefügt. Cine ſolche voll⸗ ftändigfte Sammlung zeigte ih dem Fuͤrſten von Thurn und Tarid und feiner Umgebung vor, wels her bei theilnehmendem Beſuch mit dem Aufgewie⸗ fenen zufrieden ſchien.

Den pfenbovulcanifchen Gebirgen ſchenkte ich gleichfalls erneute Aufmerkſamkeit, wozu mir einige, Behufs des Wegebanes, neu aufgeſchloſſene Berg: raͤume in der Gegend von Dallwitz und Leſſau die beſte Gelegenheit gaben. Hler war ed augenfaͤlllg wie die urſpruͤnglichen Schichten bes früheren Fiäp- . gebirges, ehmals innigſt mit Steinfohlenmaffe ver: miſcht, nunmehr durchgegluͤht, als bunter Porcellan- jaſpis, in ihrer alten Lage verharrten, dba denn z. B. auch eine ganze Schicht: ftengtichen Eifenftelnd ſich dazwiſchen deutlich auszeithnete, und Veranlaſ⸗ fung gab, ſowohl die Muͤlleriſche Sammlung, als

die eigenen und Freundescabinette, mit großen und

beiehtenden Stüden zu bereichern. -

Als ich num hierauf den, duch ben Wegeban, immer. weiter aufgefchloffenen Kammerberg bei @ger beftieg, forgfältig abermals’ betrachtete und Lie regelmäßigen Schichten deſſelben zenau anfah, fo mußt’ ich freilich zu ber Ueberzengung bed Berg r Reuß wieder zuruͤckkehren, und dieſes proble⸗ matiſche Phaͤnomen fuͤr pſeudovulcaniſch anſprechen. Hier war ein mit Kohlen geſchichteter Glimmerſchie⸗ fer wie dort ſpaͤtere Thonflöhlager durchgluͤtzt, ger

ſchmolzen und dadurch mehr oder weniger verändert.

159

Diefe Üeberzeugung einem friſchen Anſchauen gemäß, Toftete mich nichts ſelbſt gegen ein eignes gebrudtes Heft anzunehmen; denn wo ein beden42 tendes Problem vorliegt, tft e6 Tein Wunder wenn ein redlicher Forfher In feiner Wreinung wechfelt.

Die kleinen Bafalte vom Horn, einem hohen Berge in der Nähe von Ellbogen, denen man bei der Groͤße einer Kinderfauft oft eine beftimmte Geſtalt abgewinnen kaun. Der Grundtypus, woraus alle die übrigen Formen fich zu entwideln fchlenen, ward in Thon nachgebildet, auch Mufterfläde an Herrn von Schreibers nach Wien gefendet.

Auf den Jenaiſchen Mufeen revidire fh die . Carlsbader Suite mit neuer Ueberfiht, und da man denn doch immer vorfäßliche Fener- und Gluthver⸗ ſuche anftelt, um zu den Naturbrändem parallele Erſcheinungen zu gewinnen, fo hatte ich In der Fla⸗ ſchenfabrik zu Zwaͤtzen dergleichen anftellen laſſen, und es betrübt mich die hemifchen Erfolge nicht Im ber eingelelteten Ordnung des Kataloge aufbewahrt zu haben, befonders da einige Gebirgsarten nad) dem beftigften Brande fich Augerft regelmäßig geftalteten. Sleiherweife fandte man von Coblenz aus natärlt- hen Thon und baraus übermäßig gebrannte Ziegeln, welche auch ſich ſchlacenartig und zugleich geftaltet erwleſen.

Jüngere Freunde verſorgten mich mit Mufter: ftüden von dem Urgeſchlebe bei Danzig, ingleichen bei Berlin, aus denen man eine völlig foftematifche

160

Sammlung Geſteinarten, und smar is ihnen haͤrte⸗ ſten Feld: und Bangtheilen anreihen kounte.

Das Beifpiel einer allerlezten Formation zeligte uns der Steinfchnelder Facius. Er hatte in einem Tufffteinconglomesat, weiches mancerlei abgerundete Geſchiebe enthielt, auch elgen geſchnittenen Chalce⸗ don gefunden, worauf ein Obelisk mit allerlei nicht Aegpptiſchen Zeichen, ein kaieend Betender an der el⸗ nen, ein ſtehend Opfernder au der andern Seite, von. leidliher Arbeit. Man ſuchte ih biefe offen dar zufällige Erfchelnmg aus vorwaltenden Umſtaͤn⸗ den zu erklaͤren, bie jedoch bier zu entwickeln nicht der Drt li. Der Medienburgifhe Kammerherr ‚Kerr von Preen verehrte mir von einer Reife

aus. Toro witgebrachte bedeutende Minexralien; Graf Bebemar, koͤniglich Dänifher Kammer: herr, ſchoͤne Opale von den Kerroe = Jufeln.

Au Büchern waren mir Fehr angenehm: Noofe Aber Bafaltgenefe, ein alter Sleichzeitiger, ber auch noch an alten Begriffen bielt; ferner defien Sym bdola; einen Auszug bes erſteren theitt! Ih Im Deude mit., ‚einer bed ledteren Legt noch unter meinen Va⸗ ‚pieren. Herrn uon Schreibers Aerslitben für

derten ung auc in biefem Capitel. Won England

waren ſehr willlommen The first Principles of

Geology, byG.B. Greenougbh. Lond. 4849.

Die Werneriſchen Anfihten, bie men. nun ſchon fo viele Jahre gewohnt mar, in einer fremden Spracht

wieder zu veruchmen, war aufregend ergöslicd.

Eine

-

7

ine große geologiſche Charte von England wer

ıcch befondere Ausführung und Meinlichleit einer nften Belehrung hoͤchſt foͤrderlich. Als ſelbſtthaͤ⸗

g lieferte ich zur Morphologie und Raturwiflene

haft des erfien Bandes drittes Heft.

Erifche Luft zu Bearbeitung ber Farbenlehre ga= en bie entoptifchen Zarben. Ich hatte mit großer sorgfalt meinen Aufſatz Im Auguſt dieſes Jahrs ab- eschloffen und dem Drud übergeben. Die Ablel- ing, ber ich in meiner Farbenlehre gefolgt, fand ch auch bier bewährt; ber entoptifche Apparat war mer mehr vereinfacht "worden. Glimmer- und zypsblaͤttchen wurden bei Verſuchen angewendet, nad ihre Wirkung ſorgfaͤltig verglichen. Ich hatte as Gluͤck mit Herrn Stanısrath Schulz diefe An- elegenheit nochmals durchzugehen, ſodann begab ch mich an verſchiedene Paralipomien« der Farben⸗ era Purkinje zur Kenntniß des Sehens warb usgegogen und die Widerfaher meiner Bemühun- en nah Fahren aufgeftelt.

Bon theilnehmenden Freunden wurd' ich auf ein Berk aufmerkſam gemacht: Nouvelle Chiroagene- ie par le Prince, weldes ald Wirkung und Beftätigung meiner Zarbenlehre angefehen werden Dane. . Bel näyerer Betrachtung fand ſich jedoch ein yedeutender Unterfhied. Der Verfafler war auf dem⸗ reiben Wege wie ich dem Irrthum Newtons auf die Spur gefommen, allein er foͤrderte weder fih noch andere, Indem er, wie Doctor Read auch gethän,

Seethes Werte. XXXII. Bo. 44

—8

etwas gleich uUnhalthares an NMe alte Etelle ſetzen

wollte. Es gab mir zu abermaliger Betrachtung Anlaß, wie der Menſchy von einer Erleuchtang er: griffen und aufgeklaͤrt, doch ſo ſchnen vieder in · die

Finſterniß ſelnes Indioldunms zuruͤckfaͤſt, wo er

ſich alsdann mit einem ſchwachen ——— kuͤm⸗ merlich fortzuhelfen ſucht.

Gar marcherlei Betrachtungen uͤber Das: Herkom⸗ men in den Wiſſenſchaften, über Vorſchritt und Retardation, ia Ruͤckſfchritt, werben angeſtellt. Der ſich immer mehr an den: Tag gebende, und doc im⸗

“mer geheimnißvollere Bezug aller phyſtkalifchen Phaͤ⸗

nomene auf einander ward mit Befcheibenheit be- trachtet und fo die Chladniſchen und Seebeckiſchen touren paralleliſirt, als auf-einmat in der Ent: deckung des Bezugs des Galvanismus auf die Mag⸗ netnadel, durch Prof. Derftedt, ſich und ein bei- nahe blendendes Licht aufthat. Dagegen betrachtete

ich ein Beiſpiel des fuͤrchterlichſten Obſeurantkiimns

mit Schrecken, indem ich die Arbeiten Biots uͤber die Polariſation des Lichtes näher ſtudirte. Man wird wirklich krank über. ein ſolches Verfahren; ders gleichen Theorien, Beweis- und Ausführungsarten "find wahrhafte Nekrofen, gegen werde die leben⸗ digfte Organtfation ſich nicht herſtellen kann.

Der untere große Jenaiſche Biblidthekſaal war

nun in der Hauptfache hetgeſtellt; die Mepofitoriem, . die fonft: der Länge nach der Raum verfinfterten; nahmen nummehr in der Quere dns Licht gehbrig-

168. En auf: En: buntes, yon-Serentfiimo: verchtied ait⸗

deutſches Fenſter ward eingeſetzt und Daneben die

Gypsbuͤſtun der beiden Herten Nutritoren aufge⸗ ſtellt, in dem oberen Saal ein geraͤumager Pult⸗ eingerichtet und: fo immer mehreren Erforderubffen Genuͤge geleiſtet. Um in den allzueisfachen, unver⸗ ziorten, dem Auge wenig Ergoͤtzliches bletenden Saͤ⸗ len: einige Erheiterung anzubringen, dachte: man auf ſymboliſche, bie verſchiedenen gaiſtigen Thaͤtig⸗ keiten bezeichnende Bilder, welche ſonſt fa beliebt, mis Sinnſpruͤchen begleitet, im allen wiſſenſchaftli⸗ chen Auſtalten dem Beſucher entgegen leuchteken.-- Einiges wurde ausgefuͤhrt, anderes durch Herrn Schinkels Gefaͤlligkeit vorbereitet, das Meiſte blieb als Skizze, in nur als bloßer Gedanke zuruͤck. Die Buderiſchen Deduetionen wurden durch Vul⸗ pius tatalegirt, ein Boͤhmiſches Manuſcript auf- Huſfſens Zeiten: bezuͤglich, ducch Pr. Wlo kar uͤber⸗ ſetzt, ein: Hauptbibliothels⸗Bericht erſtattet, eine uͤberſichtliche · Fortwirlung durch ausführliche. Tage buͤcher und Dr. Wellers perſoͤnliche ————— tung. moͤglich gemacht. | Bei der -botanifchen Anfait. befhäfsigte, und. bie. Aulage eines neuen Glashauſes, nach dem Befehl. Sereniſſimi, und unter deſſen beſonderer Mitwir⸗ kung. Riß und Auſchlag wurden geprüft, die Acc corde abge ſchloſſen und gu gehoͤriger Zeit, die Arbeit vollendet. Auch war ber Ankauf der Starkiſche n Praͤparatenfammleng: für das anatomiſche Cabinet

164

gebilligt und abgeſchloſſen, ber Rransport berfelben aber, welcher ein neues Local forderte, noch aufge- "fhoben. Der untere große Saat im Schloſſe, der feit Entfernung der Büttneriihen Bibliothek noch im Wufte lag, warb völlig wieber hergeſtellt, um verſchlede Euriofa darin aufzubewahren. Ein bebeu- tenbes Modell des Amfterdbamer Rathhauſes, Das bet mehrmaligem Umſtellen und Transpsrtiren hoͤchſt beſchaͤdigt worden war, ließ fih nun reparirt ruhig wieder aufrichten.

In Weimar ging alles feinen Bang; dad Münz- cabinet war an Vulpius zu endlicher Einorbunng uͤbergeben worden, auch kam die Actenrepoſitur voͤllig In Ordnung.

Zu meinem Geburtstagsfeſte hatte voriges Jahr die angefehene Geſellſchaft der Deutfchen Alterthuͤ—⸗ mer In Frankfurt am Main die Aufmerkfamteit, mich unter die Ehrenmitglieder aufzunehmen. In— dem ich nun ihre Forderungen näher betrachtete, und welche Thellnahme fie allenfalls auch von mir wänfchen Eönnte, fo ging.mir der Gedanke bei, es möchte wohl auch ein Vortheil ſeyn, in ſpaͤtern Jah⸗ ten, bei hoͤherer Ausbildung, in ein neues Fady ge⸗ rufen zu werden. Es lag auf der Jenaiſchen Biblio⸗ thek ein gefchästes Manufctipt von der Chronik des Dtto von Freyſingen, auch einige andere, melde nah dem Wunfch jener Gefellfchaft follten beſchrie⸗ ben werden. Nun batte ber Bibliothekfchreiber . Eompter ein befondered Talent zu dergleichen

N

165

Dingen, es glüdte Ihm die Nachahmung der alten Schriftzuͤge ganz befondere, deßwegen er auch bie ge= naueſte Aufmerkſamkeit auf fo etwas zu legen pflegte.

Ich verfertigte ein forgfältiges Schema, wornach bie Codices Punct für Punct verglichen werden follten. Hiernach fing er an gedachtes Manufcript des Otto

| von Frepſingen mit dem eriten Straßburger Ab⸗ = druc deffelben zu vergleichen; eine Arbeit die nicht | fortgefegt wurde. Im Ganzen warb jedoch die Be⸗ fhäftigung eine Zeit lang fortgefeht, fo wie bad Der: haͤltniß zu Herrn Bühler in Frankfurtunterhalten.

Zu gleicher Zeit erfaufte die Frau Erbgroßhergo=

gin aus der Auction des Sanonieus PIE zu Köln -eine wohlerhaltene filberne Schale, deren einge: grabene Darftelung ſowohl als Infchrift fih auf el-

nen Taufact Friedrich des Erften beziehen und auf einen Pathen Otto genannt. Es wurde In Stein: druck für Frankfurt copirt, dafelbft und an mehreren Drten commentirt; aber eben hieraus zeigte fich,

wie unmöglich es fey antiquariſche Meinungen zu vereinigen. Ein deßhalb geführtes Actenheft iſt ein merkwuͤrdiges Beiſplel eines folhen antiquariich- Eritifhen Diffenfus, und ich Idugne nicht, daß mir

nach folder Erfahrung weitere Luft und Muth zu diefem Studium ausging. Denn meiner guädigften. Sürftin hatte ich eine Erflärung der Schale ange- Fündigt, und da Immer ein Widerfprucd dem andern ‚folgte, fo ward die Sache bergeftalt ungewiß, daß man Kaum noch bie füberne Schafe In der Hand zu

166

halten glaubte und wirklich zwetfelte, ob man Bild and JInſchrift noch vor Augen habe. Der Triumphzug Mantegna’s, von Anbreas

Andreani in Holz gefehnitten, Hatte unter den Kunſtwerken des fechzehnten Jahrhunderts von jeher meine größte Aufmerkſamkeit an fi gezogen. Ich veſaß einzelne Blätter deſſelben, und ſah fie vell- ftändig in Feiner Sammlung ohne ihnen eine leb⸗ hafte Betrachtung ihrer Folge zu wibmen. Endtlich erhielt ich fie Teibft und konnte fie ruhig weben und hinter einander befchauen; ich ſtudirte den Waſari deßhalb, welcher mir aber nicht gufagen wollte. Wo ‚aber gegenwärtig die Orfginale feyen, da-fe, als auf Tafeln gemahlt, von Mantun-weggefährt wor⸗ den, blieb mir verbergen. Ich hatte meine Blaͤtter eines Morgens in bem Jenaiſchen Gartenhauſe vol: ſtaͤndig aufgelegt, um fie-genaner zu betrachten, ald

epder junge Mel liſch, ein Sohn meines alten Freun⸗

des, hereintrat und ſich alſobald In bekannter Ge⸗ ſellſchaft zu fi erklaͤrte, Indem er kurz vor ſei⸗ ner Abreiſe aus England fie zu Hamptoncontt wohl: erhalten in den’ koͤniglichen Zimmern verlaffen hatte. Die Nachforſchung ward leichter, ich erneuerte meine Verhaͤltniſſe zu Heren Dr. Nöhben, weicher. auf die freundlichſte Weiſe bemuͤht war allen meinen Wuͤnſchen entgegen zu kommen. Sahl, Maß, Su: -ftand, in die Geſchichte ihres Beſitzes von Carl dem Erken-her,' alles ward aufgeklärt, wie ich ſolches in - „Kunft und Altertum EV: Band 1IHeft umnſtand⸗

467

lich ausgeführt habe. ‚Die-son-Mantegna felbft in Aupfer geſtochenen Oxiginalblätter aus biefer. Folge Samen mir gleichfalls durch Freundesgunſt zur Hand, und ich konnte alle zuſammen mit den Nachweiſun⸗ gen von Bartſch vergikhen, nunmehr ausfuͤhrlich erkennen und mich uͤber einen ſo wichtigen Punct der Kunſteeſchichte ganz eigens aufklaͤren. | Bon Jrgend anf war: meine Freude mit bilden⸗ den Künftlern amzugeben. Durch freie leichte Be⸗ vuchang entſtand im Geipräc und aus dem Geſpraͤch atwias.vor unfern Augen; man ſah gleih, ob man „Sich verſtanden hatte und konnte fich um befto cher verſtaͤndigen. Diefed Vergnügen marb mir dießmal ‚dar hohem: Grade: Herr Staatsrath Schulz brachte smir-brey-wärdige Berliner Känftler nach Jona, wo aich igegen Ende ded Sommers in der gewöhnlichen Gartenwohaung mich aufhielt. Herr Geh. Rath -Schiufel machte mich mit den Abfichten feines aeuen. Theaterbaues bekannt und wies zugleich un⸗ ſchaͤtzbare landſchaftliche Federzeichnungen vor, die "ex auf einer Reife Ind. Tyrol gewonnen hatte. Die Herren Tie ckeund Rauch mobellitten meine Buͤſte, ‚erſterers zuglekch ein Profil von Freund Knebel. Gine lebtzafte ja leidenſchaftliche Kunſtrunterhaltung ergab ſich dabei, uud: ich burfte dieſe Tage unter die ſchoͤnſten bes Fahres Tednien: Nach vollbrachtem Modell An: chen: ſorgte Hofblidhauer Kaufmann far eine poſorm. Die Freunde⸗begaben ſich nach Meimar, wohin sch: nes folgte, und die angenehm⸗

1. fen Stunden wiederholt genof. Es hatte fi in | den wenigen Tagen ſo viel Productives Anlage und

Ausführung, Biene und Vorbereitung, Belehren-⸗ bes und Ergoͤtzliches zuſammengedraͤngt, daß bie

- Erinnerung. daran Immer wieder neu belebend ſich

erweiſen mußte.

Von den Berliniſchen Kunſtzuſtaͤnden ward ich nunmehr aufs vollſtaͤndigſte unterrichtet, als Hof⸗ rath Meyer mir das Tagebuch eines dortigen Aufenthaltes mittheilte; fo wie bie Betrachtung über

- Kunft und Kunftwerte im Allgemeinen, durch deſſen

Auffäpe in Bezug auf Kunftfchulen und Kunftfammes

Inugen, bis zu Ende bes Jahre lebendig erhalten "wurde. Von moderner Plaſtlk erhielt ih bie vol: ſtaͤndige Sammlung der Medalllons, welche Graf

Tolftot, zu Ehren des großen Befreiungskrieges, in Meffing gefchnitten hatte. Wie hoͤchlich lobens⸗ werth diefe Arbeit angefprochen werben mußte, feße ten die Weimariſchen Kunftfreunde in Kunft und Altertum mehr auselnander.

Leipziger Auctionen und ſonſtige Gelegenheiten verfchafften meiner Kupferſtichſammlung belehrende Beifpiele. Braundräre, nah Rafaelin da Regglo, einer Grablegung, wovon ich das Original ſchon eis nige Zeit befaß, gaben über bie Verfahrungs art der Kuͤnſtler und Nachbildner erfrenlichen Auffchiuf.

pie Sacramente von Youffin ließen tief in das

Nature! eines fo bedeutenden Künftlere hinein⸗ Schauen. Alles mar durch den Gehanfen gerechtfer:

„’

469 > nn

tigt, auf Kunftbegriff gegrändet; aber eine gewiſſe

Nalvetaͤt, die fich Teldft und die Herzen anderer.

auffchließt, fehlte faft durchaus, und in ſolchem

Sinne war eine Folge fe wichtiger und verehrier

Gegenſtaͤnde hoͤchſt förderlich. |

Auch kamen mir gute Abbräde zu von Hals enwangs Aquatinta nach forgfältigen Nahl i⸗

ſchen Zeichnungen ber vier Caſſeler Elaude Lo—⸗ rains.:- Diefe feßen Immerfort in Erſtaunen und.

erhalten um fo größeren Werth, als die Originale, aus unferer Nachbarſchaft enträdt, in dem hohen Norden nur wenigen zugänglich bleiben.

Der wadere, immer fleipige, den Deimartfhen

Kunftfreunden Immer geneigt gebliebene Friedrich Smelin fendete von felnen Kupfern zum Virgil der Herzogin von Devonfhire bie melften Probe⸗ abdräde. So fehr man aber auch hier feine Nabel bewunderte, ſo ſehr bedauerte man, daß er folden Originalen habe feine Hand leihen muͤſſen. Diefe Blätter, zur Begleitung einer Prachtausgabe ber

Aeneis von Unnibal Caro beſtimmt, geben ein _

tranriges Beiſplel von ber modernen realiftiihen Tendenz, welche fih hauptſaͤchlich bei den Englän= been wirkſam erweift. Denn was kann wohl trau tiger feyn, als einem Dichter aufhelfen zu wollen duch Darftellung wuͤſter Gegenden, welche bie leb⸗ haftefte Einbildungskraft nicht wieder anzubauen und su bevölfern wüßte? Muß man denn nicht ſchon an- ‚nehmen, dep zu gehn Mahe gebe: ſich

Ä

270

denen Umzuſid der ſateinſchen Meilt· zu. wergegen⸗ waͤrtigen, um die laͤngſt verlaſenen, verſchuunde⸗ nen, durchaus veraͤnderten Schloͤſſer mb Staͤdte ‚einigermaßen vor ben Voͤmern feiner Seit dichteriſch aufzuſtutzen? Und bedenkt man nicht, daß verwuͤſtete, der Erde gleich gemachte, verſumpfte Localitaͤten bie EAunbtidurgokraft vollig paralyſiren and fie alles Auf⸗ und Nachſchwungs, der allenfalls noch mäglich--wäre, fh: dem Dihter gleichzuſtellen, völlig berauben? Die Muͤnchener Steindruͤcke ließen uns die un⸗ aufhaltfamen Fortſchritte einer fo-bechwichtigen Tech⸗ nit von Zeit zu Zeit anſchaunen. Die Kupfer zum Fauſt, von Retich:gegeihnet, erſchienen im Nach⸗ Hd zu London, hoͤchſt reinlich und genan. Siu⸗hi⸗ Aſoriſches Blatt, die verſaumelten Miniſter beim Wälener Gongreffe darſtellend, ein Seſchenk der Frau Herzogin von Curlaud, nahm In den Porteferillen des groͤßten Formats feinen: Platz. Der alteſte Grundfatz ber Chromatik: die For: . pertiche Farbe fey: ein Durkles, das man mwr:bei durchſcheinendem "Lichte gewahr werde, bethaͤtigte fh an den trausparenten ˖Schweigerlandſchaften, welche Koͤnig von Schaffhauſen belans Auffbeilte. Ein kraftig Ourqhſchienenes fehter ſich ian· die Stelle des bebhaft Befchienenen und uͤbermannte Dad Auge :fo, daß auftatt bad entſchte denſten Menuſſes endlich ein peiavolles Gehählrchitwnt. Shüchlih habe dh noch danklarrrines Stein⸗ drucds. zu gedenken, welcher von Rain; at meinen

-

471

Hiehikgeigen Geburtstag fevernd, mit einem Gebicht freuudlich gefendet wurde. Auch laugte ber Riß an . zu einem Monument, welches meine theuren Lande-

:4eute mein zugebacht hatten. Als anmuthige Wergie- rung ſeiner idylliſchen Gartenfseme, : wie ber:ente Freundes⸗GSedanke die Abficht ausſprach, waͤr res

dankkbar anzuerkennen geweſen, aber als große archi⸗ teftentihbe ſelbſtſtaͤndige Prachtmaſſe war es wohl ge⸗ giemender fie beſcheiden zu verbitten.

Aber zu höheren, ja zu ben höchften Kuuſtbe⸗ trahtımgen wurden wir aufgefordert, : indem -bie

Bau⸗und Bilbwerte Stiechentands Lebhafter zur

„Sprache-tamen. Au das Parthenon wurden wir aufs neue. geführt, von dem Elginiſchen Marmoren

kam und nähere Kunde, nicht weniger von dem Phi⸗

‚gaitfihen. Die änferten Sränzenmenfchiliher Aunft- thaͤtigkeit im hoͤchſten Sinne. und mit aatuͤrlichſter Nachblidung wurden wir gewahr und prieſen uns

gkuͤcklich auch dieß erlebt zu haben.

ach ein gleichgeitiger Freund feffelte CTrieb und

Einbildungskraft am Alterthum; das neueſte Heft

von Diſchb eins Biidwerken zum Homergab zu man⸗ ‚hen Vergleichungen Anlaß. Der Mailaͤndiſche Codex

der Mind, obgleich aus ſpaͤterer Zeit, war für bie

Kunſtbetrachtungen von großem Belang, indem offen-

‚bar ältere herrliche Kunſtwerke darin nachgebildet und

deren Andenken Dadurch für und erhalten worden. Der Aufenthalt .Heren Rabe's in om und

.. Nmpelrwar. faͤr ums:miht ohne Wirkung geblieben.

172

Wir hatten auf höhere Veranlaffung bemfelbigen einige Aufgaben mitgethellt, wovon fehr fchöne Re faltste uns uͤberſendet wurden, Cine Copie ber UL dobrandiniſchen Hochzeit, wie ber Künftier fie vor fand, lleß fih mit einer aͤlteren, vor dreyßig Jah ren gleichfalls fehr forgfältig gefertisten, angenchm vergleihen. Auch hatten wir, um das Colorit ber Pompeilfhen Gemaͤhlde wieder Ind Gedaͤchtniß zu zufen, davon einige Gopien gewuͤnſcht, da ung denn der waere Künftler mit Nachbildung der befannten Sentauren unb Tänzerinnen höchlich erfreute. Das chromatiſche Zartgefühl der Alten zeigte fich Ihren übrigen Verdienſten voͤllig gleich, und wie folt’ es auch einer fo barmonifhen Menfhheit an biefem Sauptpuncte gerade gemangelt haben? wie follte, ftatt diefes großen Kunfterforberniffes, eine Lüde In ihrem vollftändigen Werfen geblieben ſeyn?

Als aber unfer werther Känftler bei der Näd- “reife nah Rom biefe feine Arbeit vorwies, erklaͤr⸗ ten fie die dortigen Nazarener für völlig uunks und zweckwidrig. Cr aber ließ ſich dadurch nicht irren, . Sondern zeichnete und colorirte, auf unſern Math, in Florenz einiges nach Peter von Cortona, woburd unfere Ueberzeugung, daß diefer Künftler beſonders für Farbe ein Schönes Naturgefühl gehabt habe, ſich abermals beftdtigte. Wäre ſeit Anfang des Jahr: hunderts unfer Einfluß auf Deutſche Künftler nicht ganz verloren gegangen, hätte fi ber durch Froͤm⸗ meley erfchlaffte Geiſt nicht auf ergrauten Moder

173

guräsgegogen, fo würden. wir gu einer Sammlung ber Art Gelegenheit gegeben haben, bie dem rei⸗ nen Natur- und Kunftblid eine Geſchichte älteren und neueren Colorits, wie fie fhon mit Worten verfaßt worden, in DBeifplelen vor Augen gelegt Hätte. Da es aber einmal nicht ſeyn follte, fo ſuch⸗ ten wir nur und und bie wenigen zunaͤchſt Verbuͤn⸗ deten in vernünftiger Ueberzeugung zu beflärken, inbeß jener wahnfinnige Seetengeift keine Schen trug bad Verwerfliche ald Grundmarxime alles kuͤnſt⸗ leriſchen Handelns aus zuſprechen.

Mit, eigenen kuͤnſtleriſchen Productionen waren wir in Weimar nicht gluͤcklich. Heinrich Müller, der ſich In München des Steindruck befleißigt hatte, ward aufgemuntert, verfchlebene bier vorhandene Zeihnungen, worunter auch Karftenfhe waren, auf Stein zu übertragen; fie gelangen ihm zwar nicht übel, allein das unter dem Namen Weimari- ſche Pinakothek ausgegebene erſte Heft gewann, bei überfühten Markt; mo noch dazu ſich vorgüglichere Waare fand, eine Käufer. Er verfuchte noch ei⸗ nige Platten, allein man ließ das. Geſchaͤft Inge hal⸗ : ten, in Hoffnung, bei verbeflerter Technik In der Folge daſſelbe wieder aufzunehmen,

Als mit bildender Kunit einigermaßen verwandt bemerkte ich bier, daß meine Aufmerkfamtelt auf eigenhaͤndige Schriftzäge vorzäglicher Perfonen die⸗ ſes Jahre auch wieder angeregt worben, indem eine Beſchrelbung bes Schloffes Friedland, mit Facſimi⸗

J

478°.

le's von bedeuteanben Mamen sand: bein —eepphgikäufe:

gen Kriege, herauskam , dbie.ih an meine Origlinal⸗

Doeumente ſogleich ergaͤngend auſchloß. Auch er ſchlen zu derfelben Zeit ein Portrait: des merkwuͤr⸗ digen: Maumes in ganzer Figur, von der leichtgeuͤb⸗ ten Hand des Directvr Langer in Prag, wodurch⸗ denn die Geiſter jenen: Tage zwiofach au nus wieder berungebaunt wurdent

Von gleicher Theilnahme an: Werten: mandgeer Art wäre fonlel zu ſagen. Hermanad Progaammen über das Wefen und. die Behandiung ber Mythelo⸗ gie empfing. ich mit der: Hochachtung, bie ich den Arbeiten dieſes vorzuͤglichen Mannes vom jeher ges. widmet hatte: denn was lann uns zu hoͤherem Vor⸗ theil gereichen, als in bie: Auſichten ſolcher Maͤn⸗ ner einzugehen, bie mit Tief: und-GScharffimm ihre

Aufmerkſamkelt auf. ein einziges. Ziel hhiurichten ?

Eine Bemerkung; konnte moͤr nicht entgehen, daß bie: ſpracherfindenden Utvoͤller, bei. Benamnug ber Na⸗ turerſcheknungen und deren Verehrutgals walten⸗ der Goethelnnon, mehr durch das Farchthare als durch das⸗Erfreullche dreſelben aufgeregt worden, ſo baß fie eigentlich mehritamuituariſch zerſtoͤrenbe als ru⸗ hig ſchaffende Gottheiten: gewahr wurden: Meier ſchkenen, da ſich denn doch diefes Menſchengeſchlecht in ſeinen Grundzaͤgen niemals veraͤndert, bie nene⸗ fien: geologiſchen Thooriſten von eben dem Schiage, bie ohne fenerfpefonde Berge, Erbboben/ Kluft⸗ riſſe, unterirbiſche Druck⸗ und Quetſchwerke Crudea

Aa: 5 = sure), ‚Shleme. und: Ghnbgathen time Weit. su er ſchaſſew wiſſen.

WEL fs. Prologemene-mwahen: Ich. abermals var. Dis Arbeiten: dieſes Mannes, mit dem⸗ ich in naͤt heran; perſoͤnlichenn Verhaͤuniſſen ſtand, hatten mir auch ſchon laͤugſt auf: meinem: Wege vorgeleuchtet. Beim Studiron des gedachten Merkes merk ich mir ſelbſt md: meinen: innern Geiſtesoperatisnen auf. Da gewahrt‘ ich denn, daß eine Spſtole und Dia⸗ ſtole immerwaͤhrend in mir vorgiug. Ich war ge⸗ wohne dierbeiden Homeriſchen Gedichte als ·Ganzhei⸗ ten anzuſchen, und hier: wurden ſie mir jedes: mit großer Kenntniß/ Scharffmu: und Geſchickuichleit ge⸗ trennt und :audsinenber gezegen, und indem ſich moein Verſtaud dieſer Vorſtellung willig hingab, ſo faßte gleich: Darauf. ein: herkoͤmmliches Gefuͤhl alles wieder auf einen Punet zuſammen, und eine geile: Laͤßlichkeit, die uns bete allen wahren poetiſchen Pro⸗ duetkenon ergretft, lleß mich die bekannt gewordenen Liten, Differenzen und Maͤntel wohlwollendruͤber⸗

ſehen. Reiſigs Bemerkungen über ben Ariſto⸗ phanes erſchbenen wᷣald darauf; ich eignote mir gleiche. falls was mir gehörte daraus zu, obgleich das Gram⸗ matiſchean ſich ſelbſt außerhaib meiner Sphaͤre Lag. Lebhufte Unterhaltungen mit dieſem tuͤchtigen jun⸗ gen Manne, geiftreich wechfelfeltige: Mitthellungen verllehen mir bel moinom dieß maligen Adageren Hufe:

enthalt· in Jena die angene huſten·Stunden.

Die Franzoͤftſche Literatar, Ältere und neuere,

—*

"476.

erregte auch dießmal vorzuͤglich mein Intereſſe. Den mir zum Leſen faſt aufgedrungenen Roman An a⸗ oje mußt' ich als genügend billigen. Die Werke der Madame Roland erregten bewunderndes Er⸗ ſtaunen. Daß ſolche Eharaftere und Talente zum Vorſchein kommen, wirb wohl ber Hauptvortheil bleiben, welchen unfelige Zeiten ber Nachwelt über: diefern. Sie find es denn auch, weiche ben abfchen- lichſten Tagen der Weitgeſchichte in unfern Augen einen fo hohen Werth geben. Die Gefchichte der Johanna von Drleans in ihrem ganzen Detail thut eine gleiche Wirkung, uur daß fie in der Entfernung “mehrerer Jahrhunderte noch ein gewilles abentener- Uches Helldunkel gewinnt. Eben fo werden bie Ge⸗ Dichte Mariens von Fraukteich durch den Duft der Jahre, der fih zwiſchen und und ihre Perſoͤnlichkeit hineinzieht, anmuthiger und Lieber. . Bon Deutfchen Probuctionen war mir Olfried und Lifen« eine hoͤchſt willlommene Exrfcheinung, worüber ih mich auch mit Autheil ausſprach. Das - "einzige Bedenken, was fih auch iu der Folge eint- germaßen rechtfertigte, war: der junge Mann ‚möchte fih in foldien Umfang zu früh ausgegeben Haben, Werners Maceabder und Houwalbs Bild traten mir, jedes in feiner Art, unerfreulid entgegen; fie kamen mir vor wie Ritter, weiche um ihre Worgänger zu überbleten den Dank außerhalb der Schranken ſuchen. Auch enthielt Ih mich von diefer Zeit an alles Neueren, -Senuß und Beur thei⸗

D . r 4

U. -497

4 heilung jüngeren, Sersnshern m. Geiſtern ‚Aberlaf-

‚fend, denen Sole Beeren, die mir nicht mehranun⸗ den, walten, uch fchmackheft fean;inmauten. Sn; eine frühere. Zeit. jedoch durch Blumaners

Aeneis verſetzt, erſchrack ich gauz eigentlich, indem

Ic mir. vergegauwaͤrtigen wollte, wie eine fo graͤn⸗

zaxloſe Ruͤchternheit und. Plattheit doch auch einmal

|

Bam; Tag willkommen und gemaß hatte ſeyn können. Koutisemeh von Jken zog mich unerwartet

vwieder · nach dem Selent. .: Meine Bemunderung je⸗

ner Maͤhrchen, beſonders nach der aͤlteren Redac⸗

tion, wopon Koſegarten in dem Auhange und Bei⸗ ſpiele gab, ‚erhöhte ſich, oder vielmehr fe friſchte ich an: lebendige Gegenwart des Unerforſchlichen und

Unglaunblichen iſtres, was nad hier ſo gewaltſam er⸗ frenlich anzieht. Wie laicht waͤren ſolche unſchaͤtzba⸗ ze naive Dinge duuch moſtiſche Symbolik für. Ge⸗ Kahl und Ginbildungstraft zu zerſtoͤren. Als voͤlli⸗

sen Gegenſatz erwaͤhne ich bier. einer ſchriftlichen

GSanunlung Lettiſcher Sieber, ı bie eben fo begraͤuzt, wie jene graͤnzenlos, fi in dem natürlichen, ein:

Ffachſten Kreiſe bewegten.

„In ferne Länder warb. mein Antheil hingezogen

‚amd in die AIchracklichſten Africaniſchen Zuſtaͤnde ver⸗

ſetzt, durch Dam ont In: Maroccaniſcher Sclaverey;

in Verhaͤltniſſe aͤlterer, und nenerer ſteigender und . Iinfender: Wüdung, durch Laborde's Reiſe nach ESpanien. An die Oſtſee fuͤhrte mich ein geſchriebe⸗

nes Reiſetagebuch von Zelter, das mir aufs neue Geetbe's Werte. XXXII. Bd. 12

. 178 -

die Ueberzengung bethätigte, daß die Neigung, die wir zum Neifenden hegen, uns aufs allerſicherſte entfernte Localitäten und Sitten vergegenwärtigt. Bebdeutende Yerfönlichkeiten, ferner und näper, forderten meine Theilnahme. Des Schwetzerhaupt: mann Landolt's- Biographie von Weiß, befon: ders mit einigen handſchriftlichen Zufäßen, ermener: ten Anfhauung und Begriff des wunderfamften Menfhenkindes, das viekeicht auch nurin der Schwei; geboren und groß werben konnte. Ich Hatte ben Mann Im Jahre 1779 perfönlich kennen gelernt, und als Liebhaber von Seltfamteiten und Excentri: eitäten, die tuͤchtige Wunberlichkeit deifelben auge: ſtaunt, auch mich an den Mähren, mit denen man ſich von ihm trug, nicht wenig ergößt. Hier fand ich nun jene früheren Tage wieder hervorgeho- ben und konnte ein ſolches pſychiſches Phänomen um fo eher begreifen, als ich ſeine perfönliche Gegen- wart und die Umgebung worin ich ihn kennen ge: lernt, ber Einbildungskraft und dem Nachdenken zu Huͤlfe rief Naͤher beruͤhrte mich die zwiſchen Voß und Stolberg ausbrechende Mishelligkeit, nicht ſo⸗ wohl der Ausbruch ſelbſt, als die Einſicht in ein vieljaͤhriges Mißverhaͤltniß, das kluͤgere Mienfchen fruͤher ausgeſprochen und aufgehoben hätten. Aber wer entfchließt ſich leicht zu einer folchen Operation? Eind doch Ortsverhaͤltniſſe, Famillenbezüge, Her: Noͤmmlichkelten und Gewohnheiten ſchon abſtumpfend

479

genug; fie machen in Geſchaͤften, im Eh⸗ und Hausftande, In gefelligen Verbindungen das Uner⸗ trägliche ertragbar. Auch hätte das Unvereinbare von Voſſens und Stolbergs Natur fih früher aus⸗ geſprochen und entichleden, Hätte nicht Agnes als Engel das irdiſche Unweſen befänftigt, und als Gra⸗ ziofo eine furchtbar drohende Tragödie mit aumu⸗ thiger Ironie duch die erften Ucte zu mildern ge- fuht. Kaum war fie abgetreten, fo that fi das Unverföhntihe hervor, und. wir haben daraus zu lernen, daß wir zwar nicht überelit, doch bald mögs lichſt ans Verhaͤltniſſen treten follen, die einen Mißklang in unfer Leben bringen, ober daß wir ung . ein für allemal entfchließen müffen, denfelben zu dulden und aus anberm Betracht mit Weisheit zu übertragen. Eins iſt freilich fo ſchwer ale das an⸗ bere, indeſſen ſchicke ſich jeder, fo gut er Tann, In das was Ihm begegnet in Sefolg von Ereiguiffen oder von Entſchluß.

Mich befuhte Ernſt Sch u Barth, deſſen per⸗ ſoͤnliche Bekanntſchaft mir hoͤchſt angenehm war. Die Neigung womit er meine Arbeiten umfaßt hatte, mußte mir ihn lieb und werth machen, ſei⸗ ne ſinnige Gegenwart lehrte mich ihn noch höher ſchaͤzen, und ob mie zwar die Eigenheit ſeines Charakters einige Sorge für ihn gab, wie er ſich - In das bürgerlihe Wefen finden und fügen werde, ‚fo that ſich doch eine Ausſicht auf, in bie er mit

günftigem Geſchick einzutreten hoffen durfte,

/

180

‚@bgene ' Arbeiten und Vorarbeiten beſchafttigten mich nf einen hohen’ Grad. Ich nahm der gwer⸗

pen "Aufenthalt in Mom wieder: vor, ummder te

Wäniteen Reiſe einen nothwendigen Fortgaug anzu⸗ ſchlͤecßen; ſodam aber fundich⸗ mich befkkmemt-bie Eempagne von 7792 und die Belagernug von Bein; zu “behandeln. Ich machte deßhalb einen Acchnt ‚aus meinen Tugebuͤchern, las vmehrere auf jerne

Epechen bezuͤgliche: Werke, und Tuchtermeanche Erin

: wermugen: hervor. Ferner Tehrteb ich eine Fauna: riſche⸗Chronil ber’ Jahre 1797und· 98, und Ueferte

zwey Hefte von Kunſt und Alterthum, ald Abechluß

des zweyten Bandes, and bereitete das erſte des drteten vor, wobel ichs einer abermaligen ſorgfal⸗ tigen Entikelang bet Mottiver der Illas zur geden⸗ ten babe. Ich sfchefeb den Werräther ſein ferdit ‚bie‘ Fortfetzung bes nufbraunen Mäb- hens, und fürberter ben ideellen Bufemimenhang ver Wanderjahre. Die “freie Semuthlichkelt einer Meife erbaubte inte dem Divan wieber nahe za treten; ich erweiterte das Birch des Parabieſes, ‚ud fand anches in die vorhergehenden einzuſchal⸗ gen, “»Die Tor freundlich von vieben "Selten her be⸗ gangene Feyer- meines Geburtstages fuchte ich bank: ar durch rein ſpabolifches Gedicht gu erwidern. n Aufgeregt durch thefinehmende Anfrage Tehrieh ic eigen Gommenter su dem abſtruſen ' Gedichte: AWHaryreiſe im Winter, eee Seeccur befdaftigte mich Graf

%

484°

Carmagnola. Der: wahrhaft: liebenswärbise. _ Verfaſſer Alerander Manzont, einsehemer Dice: ter, ward wegen theatraliſcher Ortsverletzung: von feinen Landeteuten des Romanticismus angektagt, von beffen Unarten doch nicht die geringe an ihm⸗ haftete. Er hielt ſich an einen hiſtoriſchen Gange, feine Dichtung hatte den Charalter einer volllom⸗ menen Humanitaͤt, und. ob - er: gleich wenig ſich in Tropen erging, ſo waren doch ſeins lyriſchen Aeu⸗ berungen hoͤchſt rühmenswerth, wie ſelbſt mißwel⸗ lende Kritiker anerkennen mußten... Unſere guten: Deutſchen Jünglinge-könnten: aun thm ein Beifpiel ſehen, wie man in einfacher Groͤße natuͤrlich wal⸗ tet; vlelleicht duͤrfte ſie das von dem durchaus fal- ſchen Tranfcendiren: zurkdibringen:

Muſik war: mie ſpaͤrlich aber doch lleblich zuge: meſſen. Ein Kinderlied zum Nepomucksfeſte Im Carlsbad gedichtet, und: einige andere von aͤhnlicher

. Nabvetät gab mir Freund Zelter In angemeffener Weiſe unb hohem. Sinne zuruͤck. Muſildtirecter Eberwe in wandte fein Talent dem Divan mit Gluͤck zu, und fo wurde mir durch den-alleritehften. Vortrag feiner Frau manche ergoͤtzliche ‚gefellige Stunde.

Einiges auf Perſonen Bezuͤgliche will ich, wie-

ichres bemerkt finde, ohne weiteren Zufammenhang: . außzeichnen. Der: Herzog von: Berry. wird. ermerdet, zum ESchrecken von gang. Fraukreich. Hofrath J a⸗ gemnnn ſtirbt zur: Bebamenng: von: Weimar,

a 482.

Herrn von Gagerns laͤngſt erfehnte Bekannt: ſchaft wird mir bei einem freundlichen Befuche,, wo mir bie elgenthämlihe Individnalltaͤt des vorzuͤg⸗ lichen Mannes entgegen tritt. Ihro Majeftät der König von Würtemberg beehren mich In Begleitung unferer jungen Herrſchaften mit Ihro Gegenwart. Hierauf habe Ich das Wergnügen auch felne.beglef- tenden -Savallere, werthe Männer, kennen zu ler: sen. In Carlsbad treff ich mit Sönnern und Sreunden zufammen. Graͤfin von ber Rede und Herzogin von Eurlamd find’ Ich wie fonft an und theilnehmend gewogen. Mit Dr.

Schuͤtz werden Iiterarifhe Unterhaltungen fortge- ſetzt. Legationsrath Conta nimmt einfichtigen Theil an den geognoftifhen Ercurfionen. Die auf folhen Wanderungen und fonft zufammengebrachten Mufterftäde betrachtet ber Färft von Thurn und Taxis mit Antheil, fo wie auch beffen Begleitung fih dafür intereſſirt. Prinz Earl von Schwarz durg:Sondershaufen zeigt fich mir gewogen. Mit Profeffor Hermann ans Leipzig fährt mic das gute. Gluͤck zuſammen, und man gelangt wech⸗ ſelſeitig zu naͤherer Aufklaͤrung.

Und fo darf ih denn wohl auch zuletzt in Scher; und Ernft einer bärgerlihen Hochzeit gebeuten, bie auf dem Schleßhanfe, dem fogenannten kleinen Verſailles, gefepert wurde. Ein angenehmes Thal an der Seite des Schladenwalder Weges war von

. wohlgeffeibeten Bürgern überTäet, welche ſich thellg .

483 j f 2is Säfte des jungen Paars unter einer alle über- ſchallenden Tanımuflt mit einer.Pfeife Tabak luſt⸗ mandelnd, oder bei oft wieder gefüllten Glaͤſern und Blerkruͤglein ſitzend, gar traulich ergößten. Ich ge⸗ ſellte mich zu Ihnen, und gewann In wenigen Stun- ben einen beutlihern Begriff von dem eigentlich ſtaͤdtiſchen Suftande Carlsbads, als ich in vielen Jahren vorher mir nicht hatte zueignen können, da ich den Drt bloß als ein großed Wirthe: und Kran- kenhaus anzuſehen gewohnt war.

Mein nachheriger Aufenthalt in Sena wurde ba- - Durch fehr erheitert, daß die Herrfchaften einen Schell des Sommers In Dormburg zubrachten, wo⸗ durch eine lebhaftere Geſelligkelt entſtand, auh manches Unermwartete fih bervorthat; wie ich denn den berühmten Indiſchen Gaukler und Schwert- verfchluder Krtom Balabla feine außerordentlihen Künfte mit Erftaunen bei diefer Gelegenheit vor= tragen fah.

Gar mancherlei Befuche beglädten und erfreuten mich In dem alten Gartenhauſe und dem daran wohl- gelegenen wiſſenſchaftlich geordneten botanifchen Sorten: Madame Rodde, geborne Schlößer, bie ich vor vielen Jahren bei ihrem Water gefehen hatte, wo fie als das fchönfte hoffnungsvollſte Kind jur Srende des firengen fat mißmuthigen Mannes - gluͤcklich emporwuchs. Dort fab Ich auch Ihre Buͤſte, welche unfer Landemanı Trippel kurz vorher in Rom gearbeitet hatte, .ald Water und Tochter ſich

184°

dort befanden. - Ich ubchte weht wiſſen ob" ein Ab⸗ guß davon noch: uͤbrig iſt, mb wo er fi findet; er follte vervfeifäitigt werden? Water und: Tochter ver: dienen "daß ihr Audenbenr erhalte biete: Nom Both und Gemahlin us nett, ehr werthes Che: paar, duch Herrn von Preen mir naͤher verwandt und bekannt, brachten mir eis. Natur: ud Nutlo⸗ naldichters, D. G. BabſtsProductionen, welche ſich

neben den Arbelten ſeiner: gleichbuͤrtiger gac wohl

und loͤblich ausnehmen. Hoͤchſt ſchaͤzbar ſtud feine Gelegenheits gedichte, die uns einen althertonnn⸗

lichen Zuſtand in feſtlkichen Augenblicen new belebt

wieder darſtellen. Gtaf Paar, Abkatunt bes Fur⸗ ſten von Schwarzenderg, dem ich in Carlsbad mich freundſchaftlich verbuuben hatte, verſichrtte mie duch unerwartetes Erfiheinen und durch fortgefetzte vertrauliche Geſpraͤche feine uwwerbruͤchtiche Neigang. Anton Prokeſch, gleichfalls Adutant des Fuͤrſten/ ward mir durch ihn zugefuͤhrt. Beide von der Ha⸗ nemanniſchen Lehre durchdrungen, auf welche der hertliche Fuͤrſt fee Hoffnung geſetzt hatte, mach ten mich damit umſtaͤudikch bekannt, undamit ſchlen daraus hervorzugehen, daß, wer auf ſich ſelbſt anf: merkfam einer angemeffenen Diaͤt nachledt, beretts jener Methode ſich unbewußt amaͤhert. Herr von der Malsburg gab mir Gelege: . heit ihm für fo manches unfflärende Verzutgen und tiefere Einſicht in bie Spankſche Literatur” zu dan: ken. Ein Fellenberg'ſcher; Sohn brachte mir

485°

die menſchenfreundilch bildenden Benräfungen bes‘ Vaters beuitticherzu Otan uud See. Fam vor- Helwig, geborne vn Imhof, erauedte: bank: ihrer. Gegenwart angenehme 'Sriumerungen früherer Wer: - Hanne, ſo wie: ihrer Zeichnungen’ bestefan,: daß fie auf dem Grund immer fortbaute, den fie: in‘ Geſellſchaft der Kunfkfreunde vor Jahren in Weis. mar: gebeat hatte. Graf und Gräfin Hopfgarten, fo wie Foͤrſter und. Stau, braten: mir perfoͤn⸗ . Hd die Werfihermg befannten und unbekannten: treuen Antheils an meinem Daſeyn. Geheimeruth Rubolphi von Berlin, fo wie Profeſſor Weiß / gingen allzuſchnel voruͤber, und doch war ihre kurze Gezorwart mir zur aufmunternben Belehtaug. Er unſern Kreis erwarteten wir zu dieſer Zeit Herrn Generalfuperintendenten Roͤhr. Welche: große Vortheile durch ihn für uns ſich bereiteten, = war gleich bei ſelnem Eintritt zwar nicht zu berech nen, aber doch veraudsufehen. Me kam er zur gluͤcktichen Stunde; feine erſte geiſtlicht Handlung war die Tauſe meines zweyten Eukeis, beffen use entwickeltes Weſen mie ſchon manches Gute vorzu⸗ beuten ſchhen. Geh. Hoftath Blumenb ach und Zamitie erfreuten uns einige Tape: durch Ihre Ge⸗ genwart, er immer: der heiterr, umfichtige kennat⸗ nißrekche Mann von unerloſchnem Gedaͤchtniß/ felbfenänbig ; ein: wahrrer Repruͤſentant ber großen gelehrten Anſtalt, als deren hoͤchſt bebrutenbes⸗ Mitglied er ſo viele Jahre gewirkt hatte. Die lie⸗

4186

den Verwandten, Rath Schloffer mb Gattin, von Franffart am Main kommend, hielten ſich einige Tage bei und auf, und das viefiährig thaͤ⸗ tige freundfchaftliche Verhaͤltniß konnte ſich durch verfönliche Gegenwart nur zu höherem Vertrauen ftelgern. Geheimerath Wolf beliebte bie gruͤnd⸗ Then Iiterarifchen Studien duch feinen belehrenden Widerſpruchsgeiſt, und bei feiner Abreiſe traf. es fi zufällig, daß er den nad Halle berufenen Dr. .Reißig als Geſellſchafter mit dahin nehmen konnte, welchen jungen Mann ich nicht allein um meinetwil⸗ len ſehr ungern fcheiden fah. Dr. Kuͤchelbecker von Petersburg, von Quandt und Gemahlin, von Arnim und Mahler Ruhl braten durch die Intereffanteften Unterhaltungen große Mannich⸗ faltigkeit in unfere gefeligen Tage- i Bon Selten unferer fürftlihen Familie erfreute und die Gegenwart Herzog Bernhards mit Gemah⸗ Yin und Nachkommenſchaft; faft zu gleicher Zeit aber foßten durch eine unglädlihe Berhädigung- unferer Frau Großherzogin, indem fie bei einem unver ſehenen Audgleiten den Arm brach, die ſaͤmmtlichen Ihrigen in Kummer und Sorge verfeht werden. Nachtraͤglich will Ich noch bemerken, daß Ende ' Septembers die Revolution in Portugal ausbrach; daß ich perſoͤnlich einem Geſchaͤft entging, deſſen Uebernahme bei großer Verantwortlichkeit mich mit unuͤberſehbarem Verdruß bedrohte.

V

487 18 2 1. Zu eigenen Arbeiten fand fih manche Verau⸗ laffung. Wieljährige Neigung und Freundſchaft bes Grafen Brühl verlangte zu Eröffnung des neuen Berliner Schaufpielhaufes einen Prolog, der denn wegen dringender Seit gleichſam aus dem Stegreife erfunden und ausgeführt werden mußte. Die gute Wirkung war auch mir höchft erfreutlih: denn ich hatte die Gelegenheit erwünfht gefunden, dem wertben Berlin ein Zeihen meiner Thellnahme an bedeutenden Epochen feiner Zuftände zu geben.

Ih faßte darauf die Paralipomena wieder an. Unter diefer Rubrik verwahre Ich mir verfchledene

Zutterale, was noch: von meinen Gedichten unge: .

druckt oder ungefammelt vorhanden feyn mag. Sie zu ordnen, und ba viel Gelegenheitägedichte bar- unter find, fie zu commentiren, pflegte Ich von Zeit zu Seit, indem eine folge Arbeit in die Länge nicht anziehen Tann. -

Auch zahme Xenien bracht th zuſammen; denn ob man gleich feine Dichtungen überhaupt nicht duch Verdruß und Widerwärtiges entſtellen fol, fo wird man ſich doch Im Einzelnen manchmal Luft machen; von Heinen auf dleſe Weiſe entſtehenden Productionen fonderte ich die laͤßlichſten und ſtelte fie in Pappen zuſammen.

Schon ſeit einigen Jahren hatte mich die Wol⸗ tenbiidung nach Howard befihäftigt und große Vor⸗

„188;

theile bei Naturbetrachtungen gewährt. Ich ſchrleb ein Ehrengebähtniß fin. vier Strophen, welche bie Hauptworte feiner Terminologie enthielten; auf Anſuchen Londoner Freunde ſodann noch einem Eins gang von drey Strophen, zu beſſerer Vollſtaͤndigkeit und Verdentlichung des Sinnes.

Lord Bprons Invective gegen die Edimburger, bie mich In vielfachem Sinne intereſſirte, fing ich an zu überfehen, doch nöfhigten mich die Unkunde der vielen Yartirularien bald inne zu halten, Deſto leichter ſchrieb ich Gedichte zu einer Sendung von Tiihbeins Zeichnungen, und eben bergleichen zu Landihäften nach meinen Skizzen radirt.

Hierauf warb mir das unerwartete Gluͤck Ihro bes Großfuͤrſten Nicolaus und Gemahlin" Alerandra Kaliſerl. Hohelt, Im Selett unfrer anddfgften Herr:

ſchaften bei mir in Haus und Garten zu verehrten. Der Frau Großfürftin Talferl. Hoheit vergöunten einige poetifihe Betten in das zierlich⸗praͤchtige SE bum verebrend einzuzeichnen.

Auf Anuregung eines tbeilnehmenden Freundes ſuchte ich meine in Druck und Manuſcript zerfſteru⸗ ten naturwiffenſchaftlicher Gedichte zufemmmen, und ordnete: fie nach Bezug und Folge.

Endllch ward eine Indiſche, mir laͤngſt in Sace ſchwebende, von Zeit zu Zeit ergriffene Legende wie⸗ der lebendig, und ich ſuchte fie voͤllig zu gewtilgen.

SH’ ich mm von der Pdefie zur: Proſa binhber, fo Habe ich zu erzäßten: ba: die Wandetjehre nenen

—* ner Re ch 5

189

Anctheil erregten. Ich nahm dad Manuſcript vor,

"ans einzelnen zum Theil ſchon abgedruckten Heinen

e@szählungen beftehend,, weiche durch Wanderungen

einen vhalanuten· Geftglt verkaupft, zwar nicht aug Einom Stuͤck, aber dach in Einem Sinn erſcheinen

ſollden. Es war wenig daran zu thun, und ſelbſt ober bderſtreſende Gehult gab zu neuen Gedanken Anlaß, und ermuthigte zur Ausfuͤhrung. Der Druck. war :mit Januar angeſaugen, und in der Haͤffte May beendigt.

Kunſt und Alterthum III B. H. Bebanbelte ; man zu gleicher Zeit, und legte darin manches nie⸗ der was. gebildeten Freunden angenehm feyn fallte.

Ganderbaregenng ergriff: mic im Voruͤbergehen

‚ber: Trieb, am vierten: Bande von Wahrheit und MDichtung zn arbeiten; ein Dritthell Daran. ward

‚wefchriehen, «weiches freilich. einladen ſollte das

Mebriger nachabringen. Veſonbers mard ein ange⸗

ı nahe. Abentener von: Lillis «Geburtätagimit'Mel-

auns cheweagebeben, anderes bemerkt und audge-

gebchnet. :: Doch ſah: ich mich bald von; einer. ſolchen : Yebeit ‚bie nur durch liebevolle Vertraulichkeit ge⸗

alingen, kann, darch anderweitige Beſchaͤftigung zer⸗

AItreutund abgelenkt. Einige Novellen wurden proiectirt: bie gefaͤhr⸗ liche Nachlaͤſſigkeit, verderbliches Zutrauen auf Ge⸗

2 wohnheit ,und mehr ⸗dorgleichen ganz einfache Le⸗ 2vSensmomwente, and. herkoͤmmlicher Gleichguͤltigkeit

190

. heraus: u auf ihre bedeutende Höhe herven gehoben.

In der Mitte November ward an der Cam: pagne von 1792 angefangen. Die Sonberung me Verknuͤpfung des Vorliegenden erforderte ale Axf: merkſamkeit; man wollte durchaus wahr blelber und zugleich den gebührenden Eupbemismus mid verfäumen. Kunft und Alterthum III B. 3 Heft verfnigte gleichfalls feinen Weg; auch leichtere Be: mühungen, wie etwa bie Vorreden zum Deutſche⸗

Gil⸗Blas, Heinere Biographien zur Trauerloge

gelangen freundlich In ruhigen Zwiſchenzeiten.

Von außen, auf mih und meine Arbeiten be zuͤglich, erfchlen gar manches. Angenehme. Eine Ueberfeßung von Howards Ehreugedaͤchtniß zeigte mir daß ich auch den Sinn der Engländer getroffen und ihnen mit der Hochſchaͤtzung Ihres Landsmannes Freude gemadht. Dr. Noͤhden, bei dem Muſenm in London angeſtellt, überfehte commentirend meine Abhandlung über da Vinck's Abendmahl, die er In treffiicher Ausgabe auf dag zietlichfte gebunden über: fendet. Rameau's Neffe wird in Paris überfeht und einige Zeit für das Original gehalten, und fo ‚werden auch meine Theaterſtuͤcke uach und nad übertragen. Meine Cheilnahme an fremder wie

an Deutfäher Literatur kann ich folgendermaßen be:

währen. Man erinnert ch welch' ein ſchmerzliches Ge⸗ fühl über die Freunde der Dichtkunſt und des Ge:

N

191

nuvſſes an derſelbey ſich verbreitete, als die Perſon⸗ lichkeit des Homer, die Einheit des Urhebers jener weltberuͤhmten Gedichte, auf eine ſo kuͤhne und -täctige Weiſe beſtritten wurde. Die gebildete Menfhheit war im Tiefften aufgerest, und wenn. fie ſchon die Gründe des hoͤchſt bedeutenden Geg⸗ ners nicht zu entfräften vermochte, fo konnte fie doc ben alten Einn und Trieb fih Hier nur Eine Duelle zu denten, woher fo viel Köftliches.entfprun- gen, nicht ganz bei fih ausloͤſchen. Diefer Kampf mwährte num fchon über zwanzig Jahre, und es war eine Ummwälzung der ganzen Weltgefinnung nöthig, um der alten Vorftellungsart wieder einigermaßen Zuft zu machen. j

Aus dem- Zerſtoͤrten und Zerftädten wuͤnſchte die Mehrheit der claffifh Geblideten fi wieber berzuftellen, aus bem Unglanben zum Glauben, aus dem Sondern zum Vereinen, aus der Kritik zum Ge⸗ nuß wieder zu gelangen. Eine frifhe Jugend war herangewachfen, unterrichtet wie lebensluſtig, fie unternahm mit Muth und Freiheit den Vorthell zu gewinnen, deſſen wir in unſrer Jugend auch ge=- noffen hatten, ohne die fhärffte Unterfuchung ſelbſt den Schein eines wirkſamen Ganzen als ein Gau⸗ zes gelten zu laſſen. Die Jugend liebt das Zer⸗ ſtuͤckelte überhaupt nicht, die Zeit hatte ſich in man⸗ chem Sinne Eräftig hergeftellt, und fo fühlte man fhon den früheren Geiſt ber lien wiederum ‚walten,

192

Schubarths ren: uͤber Homer wurden Jet, ſeine geiſtreiche Behandlung, beſenders hie heraus⸗ gehobene Beguͤnſtigung der Trojaner, excegten ein nes Intereſſe, und man: fühlte ſich biefer Act die Sache angufehn. „geneigt. Ein Engliſcher Aufſat ‚über Hammer, worin man auch bie Einheit und Hu: theillbarkeit jener Gedichte auf eine : freundüche Weiſe zu behaupten ſuchte, kam zu galegener Zeit, und ich, in ber Ueberzeugrug daß, wie es. da bis ‚auf den heutigen Tag mit ſolchen Werken geſchieht,

der letzte Redacteur und ſtunige Abſchreiber; getrech⸗ tet.habe ein Ganges nach feiner Fählgkeit und Ueberengung hesguftellen und zwuberlisfern, ſuchte den Auszug der Yllas wieder vor, ben: ich zu fuel: Ierer. Ueberſicht derfelben :vor. visien Jahren, unter: aaonmen hatte.

„De Fragmente Phaſthons, waa Ritter He nmann ‚amitgetheilt, erregten meine Productivitaͤt. Ich ‚Ainbiste eilig: manches· Stuͤck des Euripides, um mit

den Siun dleſes außererdentlichen Mannes apleber

zu vergegenwaͤrtigen · Profeſſor Goͤttling aͤhberſetzte edie Fragmente, und aͤch beſchaͤftigte mich lange mit

‚eines moͤglichen Ergaͤnzung.

Asiftephanes. von · Voß ‚gab. mad neue Anſichten ‚and ein friſches Intereſſe amben ſaltſamſten aller cTheater dichter. Plutarchuund Appian werden ſtu⸗ dirt, diesmalum ber Xelamphaüge willen, in Ab⸗

ſicht Mant agnas Blaͤtter, deren Darſtellungen er offenbar and den Alten gefhöpft, beffer. wärkigen

zu

! 195

zu Eönnen. Bel diefem Anlaß warb man zugleich in den böchft wichtigen Greigniffen und Zuſtaͤnden . der Roͤmiſchen Geſchichte hin und hergeführt. Mon Knebels Ueberfeßung des Lucrez, welcher nad viel- fältigen Stubien und Bemühungen endlich heraus⸗ kam, nöthigte zu weiteren Betrachtungen und Stu- dlien in dbemfeiben Felde; man warb zu dem hoben Stande ber Roͤmiſchen Cultur ein. halbes Jahrhun⸗ dert vor Chriſti Geburt, und in das Werbältniß der Didt- und Nebeluäft zum Kriegs: und Staatswe⸗ fen genöthigt. Dionys von Halikarnaß konnte nicht verfäumt werben, und fo reizend war der Gegen- - Stand, daß mehrere Freunde ſich mit und an dem⸗ ſelben unterhielten.

Nun war der Antheil an der Engliſchen Literatur |

durch vielfahe Bücher und Schriften, befonders auch burch die Huͤttneriſchen hoͤchſt intereflanten handfchrift- Uichen Berichte von Londen gefendet, immer leben⸗ dig erhalten. Lord Byrons fruͤherer Kampf gegen feine ſchwachen und: unwuͤrdigen Recenſenten brad;- te mir die Namen mander felt dem Anfange des Jahrhunderts Merkwärbig gewordener Dichter und Hrofaiften vor die Seele, unb ich lad baher Jacob⸗ fons biographifhe Chreſtomathie mit Aufmerkſam⸗ keit, um von ihren Zuſtaͤnden und Kalenten das - Genauere zu erfahren. Lord Byrons Marino Fa: Gero, wie fein Manfred, In Dörings Ueberſetzung, hielten uns icnen werthen außerorbentiihen Mann immer vor Augen. Kenilworth von Walter Scott, Serie) Werte. XXXII. Dr. 45.

494 ftatt vieler andern feiner Romane :anfmerkfam ge: lefen, ließ mid feln vorzuͤgliches Talent, Hei: fches in lebendige Aufchauung zu verwandeln, bemet- ten und aͤberhaupt als hoͤchſt gewandt in dieſer Dicht⸗ und Schreibart anerkennen.

Unter Vermittlung bes ‚Englifhen, nach Anlei⸗ tung des werthen Profeſſor Koſegarten, enmdte.ih mid wieder eine Zeitlang nach Indien. Durch fee genaue Ueberſetzung bes Anfangs von .;Gamerıyı, am dieſes unſchaͤtzbare Gedicht mir mieder lebendie vor die Seele, und gewann ungemein durch eines treue Annäherung. Auch Nala ſtudirte ich mit Be: wundesung, und bedauerte nur, daß bei uns Em pfindung „Sitten und Denkweiſe fo verſchieden von jener öͤſtlichen Nation ſich ausgebilaet Haben, bh ein fo bedeutendes Wert ‚unter wid -ume wenige, vielleicht aur Leſer vom Fache, fichgewinsen:aräcte,

Non Spaniſchen Erzengniſſen nenne ich zuvor⸗ derft ein bedeutendes Werk: Spanien und» bie Revolution. Ein Bereifter, mit Zen :Sitrem der Helbinfel, den Staub: Bf: und Fiaau verhältniffen :gar- wohl bekannt, Eroͤſfnet uns me: thodiſch und zuverlaͤfſig wie es in den Jehren, me er ſelbſt Zeuge gewefen ‚mit:den Innern Verhaͤll⸗ niffen auggefchen, and gibt und einen: Begriff vn dem, was in einem ſolhen Lande Durch Unwäks: gen bewirkt wird. “Sehne Mrt:gm ſchauen und ya benten ſagt dem Zeitgeiſt nicht gu; daher feeretist diefer das Buch durch ein unverbruhtiches Schuti⸗·

495

‚sen, In weiher Art von Inauifitiondsenfur es De Dentichen weit gebracht haben. - ... 3wey Städe von Calderon machten mid fehr gluͤcklich: der abſurdeſte Gegenſtand In; Minzera von Copacabaua; ber vernunft⸗ :und maturgemaͤßeſte, bie Tochter ber Luft, beide mit ‚gleichem Geiſt und uͤberſchwenglichem Talent behandelt, daß die Macht des Genie's in Beherrſchung alles Widerſprechendan ‚Daraus aufs kraͤftigſte hervorleuchtet, und den hohen Werth fohher Productionen deppelt mad drepfach benckunde

t.

Eine Spanifche Blumanleſe, durch Gefaͤlligkrit des Herrn Perthes erhalten, war: mir hoͤchſt erfreu⸗ lich; ich eignete mir daraus zu was ich vormochte,

-shaleich meine geringe Sprachkenntuiß mich dabei manche Hinberung erfahren ließ.

Aus Italien gelangte nur wenig in meinen Kreis: Yldegonda von Groſſi ersegte meine ganze Aufmerkfamtelt, ob ich gleich niht Zeit geinaun oͤffentlich daraͤber etwas zu ſagen. Hier ſieht man die mannichlaltigſte Wirkſamleit eines vorzuͤglichen

Talents, das fſich großer Ahnherren ruͤhmen Ban, aber auf eine wunderſame Welle. Die Starzen Hund ganz fuͤrtrefflich, ber Gesenftanb modem uner- freullch, Die Aneführung hoͤchſt gebildet nach. bem Charakter großer Worgänger: Tafio'’d Anmush, Arioſts Gewandtheit, Dante!s widerwaͤrtige oft ab⸗ ſcheuliche Großheit, eins nach dem andern wirkelt Ah ab. Ich mochte das Werk nicht wieder leſen,

496

um es näher zu beurthellen, da ich genug zu thun batte die gefpenfterhaften Ungeheuer, bie mich bei der erften Leſung verſchuͤchterten, nach und nach aus der Einbiibungstraft zu vertiigen.

Deſto willkommener blieb mie Graf Carma— guola, Trauerſpiel von Manzoni, einem wahrbaf: ten, klarauffaſſenden, innig durchdringenden, menfe: ich fuͤhlenden gemuͤthlichen Dichter.

Von ber neuern Deutſchen Literatur durft' id wenig Kenntniß nehmen; meiſt nur was ſich unmit⸗ telbar auf mich bezog, konnt' ich in meine übrige Thaͤtigkelit mit aufnehmen. Zaupers Grundzüge einer Deutſchen theoretiſch⸗praktiſchen Poetik, brach⸗ ten mich mir ſelbſt entgegen, und gaben mir, wie us einem Spiegel, zu manchen Betrachtungen Anlaß. Ich fagte mir: da man ia doch zum Inter: richte ber Iugenb und zur Einleitung in eine Sprache Chreſtomathien anwendet , fo ift es gar nicht uͤbel gethan fih an einen Dichter zu halten, der mehr aAus Trieb und Schidfal, benn aus Wahl und Wor⸗ daß dahin gelangt, felbft eine Chreftomathie zu ſeyn: denn ba findet fih Im Ganzen boch Immer ein ans dem Stublum vieler Vorgänger geblideter Sim ‚und Geſchmack. Dieſes beſchraͤnkt keineswegs ben juͤngeren Mann, der einen ſolchen Gang nimmt, ſondern noͤthigt ihn, wenn er ſich Tange genug in einem gewiſſen Kreife eigenfinnig umher getrieben Het, sum Ausflug tn die weite Welt und im bie Serne ber Zeitalter, wie man an Schubarth

197

fehen Tann, ber fih eine ganze Welle In meinem - Bezirk enthielt und fih dadurch nur geftärkt fand, nunmehr die fhwierigiten Probleme des Alterthums anzugreifen und eine geiftreiche Loͤſung zu bewirken. Dem guten Zauper fagte Ich manches, was Ihm foͤr⸗ derlich ſeyn konnte, und beantwortete feine Apho- rifmen, die er mir im Manufeript zufendete, mit Eurzen Bemerkungen, für ihn und andere nicht ohne Nutzen.

Die Neigung womit Dr. Kannegießer meine Harzreiſe zu entziffern ſuchte, bewog mich in meine fruͤhſte Zeit zuruͤck zu gehen und einige Aufſchluͤſſe uͤber jene Epoche zu geben.

Ein Manuſcript aus dem funfzehnten Jahrhun⸗ dert, bie Legende der heiligen drey Koͤnige Ind Maͤhrchenhafteſte dehnend und ausmahlend, hatte mid, ba ich es zufällig gewann, in manchem Sinne intereſſirt. Ich befchäftigte mih damit, und ein geiftreicher junger Mann, Dr. Schwab, modte e& überfegen. Diefes Stublum gab Anlaß zu Be⸗— trahtung wie Mährhen und Geſchlchten epochen⸗ weife gegen und durcheinander arbeiten, fo daß fie . fhwer zu fundern find, und man fie durch ein wel- teres Trennen nur weiter zerftört.

Jedesmal bei meinem. Aufenthalt in Böhmen bemüht” ich mich einigerikaßen um Geſchichte und Sprache, wenn auch nur Im allgemeinften. Dieß- mal. las ich wieder Zacharias Theobaldus Huffiten= . krieg und warb mit Stransky respublica Bohe-

198.

mias, mit ber Geſchichte des Verfaſſers ſelbſt und bem Werthe bed Werts, zu Vergnügen und Be⸗ lehtung näher befaunt. Durch die Ordnung: ber alademiichen Bibliothek zu Jena, wurde auch eire Sammlung fliegenber Blätter des ſechzehnten Jahr⸗ hunderts dein Gebrauch zugänglich: einzelne Nach richten, bie man in Ermanselimg von Zeitungen dem Publicum mitthellte, wo man unmittelbar mit dem urfpränglihen Factum genauer befaunt wurde als jetzt, wo jedesmal eine Partey und dasjenige mittheilt, was ihren Geſinnungen und Abſichten gemäß tft, weßhalb man erſt hinterdrein die Tages- blaͤtter mit Nutzen und wahrer Einficht zu leſen in den Fall komut.

Die unfhänbare Boifferéeſche Sammlung, bie und einen nenen Begriff von früherer Nioderbeut« fer Kunftmahlerey gegeben und fo eine Zäde in ber Kunſtgeſchichte ziemlich ausgefuͤllt hat, ſollte deun ‚an darch treffliche Steindraͤcke dem Abweſenben bekannt und der Ferne foglekh angelockt werden, ſich diefen Schaͤtzen perſoͤnlich zu hähern. - Strixner, ſchon wegen feiner Muͤnchner Arbeiten laͤngſt ge⸗ ruͤhmt, zeigte ſich auch hier zu ſeinem großen Vor⸗ theil; und obgleich der auffallende Werth der Ori⸗ ginalbilder In glaͤnzender Faͤrbung boſteht, fo ler: nen wir body bier den Gedanken, ben Ausbruck, bie Zekchnung und Sufammenfehung fennen, und Wer: den, wie mit den Oberdeutſchen Kuͤnſtlern burd Kupferſtiche und Holzſchnitte, fo bier durch eine

- 499 wewerfundene Nachbitdungsweiſe auch mit ben bls⸗ ber unter uns kaum genaunten Meiftern des fanf- zehnten und fechzehhten Jahrkunderts vertraut. Jeder Kupferſtichfammler wird fick biefe Hefte germ anfhaffen, da in Betracht ihres innern Werthes der Preis für mäßig zu achten iſt

So erſchienen und denn auch die Hamburger Steindruͤcke, meiſt Portraits, Im Vortrefftichkeit vor zufammenlebenden und arbeitenden Kuͤnſtlern unternommen und ausgeführt. Wir wuͤnſchen einem jeden Liebhaber Gtäd zu guten Abdrüden derfelben.

Bieled- andere, was die Zeit hervorbrachte, und was wohl für graͤnzenlos angeſprochen werden kann, iſt an- anderem: Orte genannt und gewürdigt.

Nun wollen wir noch einer eigenen Bemühung gedenken, eines Weimariſch⸗lithographiſchen Heftes mit erffärendem Text, das wir unter dem Titel einer Pinatothet herausgaben. Die Abfiht war manches bei ung vorhandene Mittheilungswerthe ins Pubileum zu bringen. Wie es aber auch da⸗ mit mochte befhaffen ſeyn, biefer kleine Verſuch erwarb ſich zwar manche Goͤnner aber wenig Kaͤufer, und werd nur langſam und im Stillen fortgeſeht, um den wackeren Kuͤnſtler nicht ohne Uebung zu laſſen und eine Technik lebendig zu erhalten, welche zu fördermelm jeder Ort, groß ober klein, ſich zum Vortheil rechnen ſollte.

Nun aber brachte die Kupferſte cherkuuſt nach lan⸗ "gem Erwarten und ein Batt von der größten Be⸗

200

deutung. Hier wird und im fchönfter Klarheit und Reinlichkeit ein Bild Raphaels überliefert, aus den ſchoͤnſten Juͤnglingsjahren; bier iſt bereits ſoviel geleiſtet als noch zu hoffen. Die lange Zeit, welche der uͤberliefernde Kupferſtecher Longhi hierauf ver⸗ wendet, muß als gluͤcklich zugebracht angeſehen wer⸗ den, fo daß man fhm den dabei errungenen Ge⸗ winn gar wohl gönnen mag. Von Berlin kamen und faft zu gleicher Zeit

Mufterblätter für Handwerker, bie auch wohl einem

jeden Kuͤnſtler hoͤchſt willtommen ſeyn müßten. Der Zwed iſt edel und fchön, einer ganzen großen Nation das Gefühl des Schönen und Reinen auch an unbelebten Formen mitzutbeilen; daher iſt an biefen Muftern alles mufierhaft: Wahl der Gegen: flände,. Zufammenftellung, Folge und Vollftändig- feit, Tugenden welche zufammen, biefem Anfange

‘gemäß, fi in den zu wünfdhenden Heften Immer ‚mebr offenbaren werben,

Nah fo trefflihen ind Ganze reichenden Arbel- ten darf ich wohl eines einzelnen Blattes gebeufen, das ſich zunaͤchſt auf mich bezieht, doch ald Kunft- wert nicht ohne Verdienſt bleibt, man verdankt es der Bemühung, welche fi Dawe, ein Englifcher Mahler, bei feinen. längeren biefigen Aufenthalt

. um mein Portrait gegeben; es iſt in feiner Art ale

E

gelungen anzufpredhen, und war es wohl werth in England forgfältig geftochen zu werben, In die freie Welt wurden wir durch Landfchafte:

IE

201

zeichnungen des Herrn David Heß aus Zuͤrich hin⸗ ausgefuͤhrt. Eine ſehr ſchoͤn colorirte Aquatinten⸗ folge brachte und auf den Weg uͤber“ den Simplon, ein Koloffalbau, ber zu feiner Zeit viel Redens machte, 1 In ferne Regionen „verfesten und bie Zeichnun⸗

gen zu des Prinzen von Neuwied Durchlaucht Bra-

ſilianiſche Reife :- das Wunderfame der Gegenftände fhien mit ber kuͤnſtleriſchen Darftellung zu wett=

J eiſern.

Noch einer Kuͤnſteley muß ich gedenten, bie aber als rärhfelhaft jeden guten erfinderifhen Kopf in

Anſpruch nahm und beunruhigte: es. war-bie Erfin⸗

dung eine Kupfertafel nach Belleben größer oͤder Meiner abzudrucken. Sch ſah dergleichen Proben. blaͤtter bei einem Reiſenden, der folhe fo eben als

. eine große Seltenheit von Parts gebracht hatte, und

man mußte ſich, ungeachtet der Unwahrſcheinllchkeit,

. doch bei näherer Unterfuchung überzeugen: ber grö-

ßere und Heinere Abdrud feyen wirklich als Eines

Urſprungs anzuerkennen.

Unm nun auch von der Mahlerey einiges Beden4)⸗

tende zu melden, ſo verfehlen wir nicht zu eroͤffnen, daß, als auf hoͤhere Veranlaſſung dem talentreichen Hauptmann Raabe nach Italien bis Neapel zu gehen Mittel gegönnt waren, wir ihm den Auf⸗ trag geben konnten, verfchledenes zu copiren, wel⸗ ches zur Geſchichte des Eolerits merimärdig und für diefen wichtigen Kunſttheil ſelbſt förderlich wer⸗

202

den möchte. Was er während fälner Rekſe geleiftet und Ins Vaterland geſendet, ſo wie bad nach Wei: enbung feiner Wanberfihaft Mitgebrachte war gerade der lobenswardige Beitrag ben wir wänfdten. Die Aldobrandinifhe Hochzeit in ihrem nenften Zuſtande, die unſchaͤtzbaren Taͤnzeriimen und Bachifchen Gen: tauren, von deren Geſtalt md Zuſammen ſetzuug men: alueunfulls im Norden: durch Kupferſriche urter: richtet wird., ſah man jetzt gefaͤrbt, und konnte and bier den großen antiken Geſchmackſinn freudig be⸗ wundern. Solche Bennhung wollte freilich Deut⸗ ſchen, von modernem Jerfal befangenen Kunſtjuͤn⸗ gern nicht einfichtig werben, weßhalb man denn ſo⸗ wohl ſich ſelbſt als den verfhindigen Kinftler su be: ruhigen wußte.

Angenähert dem antiken Sinne erfhien uns darauf Mantegna's Teiumphaug abermals hoͤchſt willkommen; wir ließen, geflägt auf den eigenhaͤu⸗ digen. Rupferftich bes großen Künftlers, das zehnte hinter den Triumphwagen beſtinmte Biatt in glel> cher Yet und Größe zeichnen, und brachten. dadurch eine hoͤchſt lehrreich abgefhloffene Folge zur Ans ſchauung.

Mit größter Sorgfalt in Zeichmg umb Farbe nachgebilbete Copien alter Stapmahlereyen ber St. Gereond: Kirche in Koͤln fehten jeberman In Ber: wunberung, und gaben einen mertwärbigen Beleg, wie fi eine ans Ihren erfien Elementen auftretende

2303

Kuuſt u Erreichung ihrer Zweckt w benchmen gewußt ·

Anderes diefer Riederdeutſchen Saunle, weiter Yerauftommend und: ausgeblideter, ward und durch Die Freunbikhleit bes Boiſſereeſchen Kretſes zu Theil;

wie ah denn auch fpäter von Caffel ein neueres

zu dem Alten zuruͤckſtrebendes Kuuftbemäben vor: Augen am: drey fingenbe Engel von Ruhl, weiche wir wegen aus fuͤhrlicher Genanigkeit befonderer Auf: merkſamkelt werth zu achten Urſache hatten.

Im Gegenſatz jedoch von dieſer ſtrengen fich felbſt retarbirenden Kunft kam ung von Antwerpen: ein lebensluſtiges Gemaͤhlbe, Rubens als Juͤngling, von einer ſchoͤnen ſtattlichen Frau dem alternden Lipſius vorgeftelt, und zwar in bem unverändert aus jener Zeit het verbliebenen: Zimmer, worin dies - fet auf fehre Weife vorpiglihe Mann als Reviſor der Ylantintfchen: Offteln gearbeitet hatte,

Unmittelbar ſtimmte hiezu eine Eople nah dem Soͤhnen Rubens In Dresden, weiche Gräfin Julle von Egloffſtein vor kurzem lebhaft undgluͤcklich voll endet hatte. Wie bewunderten zu gleicher Zeit ihr hoͤchſt geüabtes und ansgebfidetes Talent in einem Zelchenbuche, worin fie Freundes⸗-Portraite fo wie Iandfchaftlihe Familienſitze mit fo großer Gemandt- beit als: Natuͤrlichkeit eingezeichnet:

Endlich Fam: auch mein eigenes ſtockendes Talent zur Sprache, indem bedeutende und wertbe Samm⸗ ler etwas von meiner Hand verlangten, denen ich

"208 denn mit einiger Schen willfahtte, zugleich aber eine ziemliche Anzahl von mehr ald gewohnt rein- lichen Blättern in Einen Band vereinigte: es waren die vom Sabre 1810, wo mich zum leßtenmale ber Trieb die Natur nady meiner. Art auszuſprechen Monate lang beliebte; fie durften für mi, bes fon- derbaren Umſtands halber, einlgen Werth haben.

Im Bezug auf die Baukunſt verhielt ich mic eigentlich nur hiſtoriſch, theoretisch und kritiſch. DHberbaubirector Soudray, grünblih, gewandt, fo

thaͤtig als geiftreich, geb mir Kenntniß von ben bei uns zu unternehmenben Bauten, amd das Geſpraͤch daräber war mir hoͤchſt förderiih. Wir gingen manche bedeutende Kupferwerke -zufammen durch; das neue von Durand: Partie graphique des Cours d’Architecture etc. an furz vergangene Zeit erinnernd; Richardson: The New Vitruvius Bri- tannicus, und im Einzelnen die ſtets muſterhaften Zierrathen Albertolli's und Moreau's.

Hoͤchſt vollkommen in dieſem Fache war eine Zeichnung, mir von Berlin durch das Wohlwollen des Herrn Theater: Intendanten zugeſendet, die Decoration innerhalb welcher bei Eroͤffnung des Theaters der von mir verfaßte Prolog gefprochen worden.

Bolfferde’s Abhandlung über den Kölner Dem tief mic in frühere Jahrhunderte zuräd; man be- durfte aber das Manufeript eher als mir lieb wer, and der mit augenblicklichem Interefle angefponmene

- . E i r 205, _ \

Gaben der Reflexionen zerriß, deſſen eben fo eifriges Antnüpfen jedoch manchen Zufälligkeiten unterwor⸗ fen ſeyn moͤchte.

Hatte man nun dort bie altdentſche Baukunſt ‚auf ihrem hoͤchſt geregelten Gipfel erblidt, fo lie⸗ Gen andere Darftelungen, wie 5. B. die alten Bau- bentmate im Denerreichifhen Kaiſerthume, nur. eine beim Hergebrachten ins Wilfärlihe auslau⸗ fende Kunſt ſehen.

Ax ine gute Zeit dieſer Bauart erinnerte jedoch | ‚eine uralte juͤdiſche Synagoge in Eger, einft zur chriſtlichen Capelle umgewandelt, jet verwaif’t vom Gottes dienſte bes alten und neuen KTeflamente. Die Jahrzahl einer alten Hebräifchen JInſchrift Hoch am Pfeller, war felbft einem bucchreifeuden ſtudir⸗ ten Inden nicht zu eutzifern. Diefelbe Zweydeutig- keit, welche ſowohl die Jahres: als Volks zahlen der Ebraͤer hoͤchſt unſicher laͤßt, waltet auch hier, und hieß und von fernerer Unterſuchung abſtehen.

In der Plaſtit zeigte ſich auch einige Thaͤtigkeit, wenn nicht im Vielen doch im Bebentenden; einige/ Düften In Gyps und Marmor vom Hofbildhauer Kaufmann erhalten Beifall, und eine Heinere Me: daille mit Sereniffimi Bild in Paris zu ie ward beſprochen und berathen.

. Theorie und Kritif, auch fonftiger Einfinß ver⸗ folgte feinen Gang, und müßte bald im Engeren ‚bald {m DBreiteren. Ein Anfſatz des Weimarifchen Kunftfreundes für Berlin, Kunſtſchulen und Alades

206

men betreff end, ein anberer uf Muſeen rädfichtiie,

acc leberzeusumg mitgetheilt, wenn auch wicht aller Orten mit Biligung aufgenommen; eine SE: hardlung aber den Steindruck, die Meier falder Aunſt beiobend, ihnen gewiß erftenlich: alles die⸗ ſes zeigte von dem Eruſt, womit men das Heil der Kunft von. ſeiner Seite zu fördern mannichfaltig ‚bebacht war.

Eine ſehr angenehme Unterhattung. mir amd: wärtigen Freunden gewährte, durch Bewmmitte: img von Kapferſlichen, manche Betrachtung ııber Konteptiou, ‚höhere fo mie techniſche Compofi⸗ don, Erfinden and Geltendmachen ber Motire. Der hehe Wenth der Kupferſtecherkunſt in biefem Yiloniichen Siane, warb zugleich hervregethoben And ſefuͤr din he gehalten. -

Die Ruf verſprach gleichfalls in meinem haͤut⸗ Uchen Kreiſe ſich wie der gu heben; Alexander Bau: cher und Frau, mit. Bioline und ‚Harfe, ſetzten qu⸗ erft einen Leinen Kreis verſammeilter Freunde In Verwunderung und Erſtannen, wie es ihnen nach⸗ Her mit amſeren und hem ſo zroßen und an «iss Zoeffiihe gewoͤhnten Berkiner -Yublicum gelang Director Elerwein und feiner Gattin muuiäuihihe productive und andfährende Tal ente wilotten. wilederholtem Genuß, wub in ber.päiite@ten.Zannte ſcheu ein groͤßeres Seucert gegeben: werben. - Merk tation umb thytheniſchen Vertrag. zu vernehmen mb arzuleiten, war eine .alte nie ganz erſlerbene Tel:

>

: - 907 denfheft. Zwed entſchiedene Talente dieſes Faches Graͤfin Julie Egloffſtein und. Fräulein Abele Scho⸗ penhauer, ergehten ſich deu Berliner. Prolog vor⸗ zutragen, jede nach ihrer Weile, jede bie Peeſte durchdringend und ihrem Charatter gemäß in lie⸗ benswuͤrdiger Verſchirdenheit darſtellend. Durch Die kenntnißreiche Sorgfalt eines laͤugſt bewährten Freundes, Hofrath Rochlitz, kam cin bedachtfam gepruͤfter Schreiberiſcher Flugel yon Leipzig an; gluͤcklicherweiſe: denn bald datauf baachte uns Bei- ter einen hoͤchſte Vermünberung erregenden Zoͤgling, Felix Mendelſohn, deſſen unglanbliches Dalent wir ohne eine ſolche vermittelnde Mechanik niemals bitten ;gemahr. werden koͤnuen. Und fo.lam denn auch ein großes bedeutendes Concert zu. Stande, wobei unfer wicht genug zunpetiſende Capellmeiſter Hommel ſich gleichfalls hoͤren ließ, der ſodann auch

von. Zeit zu Zeit durch die merlsuͤrdigſten Muss -⸗ß·

Adungen den Beſitz des vorghgikhen Inſtrumentes Ins Unſchaͤtzbare zu erheben verftaud.

Sch amnde mich ger Natarforſchnug, und da Ib’ sch vor allem zu ſagen, daß Parkineſs Wert iiber das ſubjective Sehen mich befondersraufnegte. Ih 608 es ans und fchrieb Moten dazu, und ließ, in Abſicht Gebwauch Devon in meinen Heften zumachen, die beigefaͤgte Tafel copivan, welche mähfemeunb _ ſchwierige Arbeit der. genaue: Kuͤnſftter gear anter⸗ maben, weil er in früherer Zeit durch uͤhnliche Er⸗ ſcheinungen geaͤngſtigt worden, mad nun mit; Ver⸗

208 gnuͤgen erfuhr, daß fie als naturgemäß kelnen kranl⸗ haften Zuſtand aıdeuteten.

Da anf dem reinen Begriff vom Trüben bie ganze Sarbenlehre beruht, indem wir durch ihn zur Anſchauung bed Urphänomens gelangen, und durch eine vorfichtige Entwicklung beffelben uns über die ganze ſichtbare Welt aufgeltärt finden, fo war es wohl der Muͤhe werth fich umzuſehen, wie Die ver: ſchiedenen Voͤlker fi bieräber ausgebrädt, von

wo fie ausgegangen und wie fie, roher ober zarter, in der Beziehung fich näherer oder entfernterer Analogien bedient. Man fuchte gewiſſe Wiener Trinkglaͤſer habhaft zu werben, auf welchen eine truͤbe Glaſur das Phaͤnomen ſchoͤner als irgendws darſtellte.

Werſchiedenes Chromatiſche wurde zum vierten Hefte aus fruͤheren Papieren hervorgeſucht; Ber⸗ narbinns Telefins ſowohl überhaupt als beſonders

der Farbe wegen ftabirt. Seebedd Worlefung über

die Wärme im prismatiihen Sounenbilde war hoͤchſt willfommen, und die früheren eigenen Vorſtellun⸗ ‚gen über biefe merkwürdigen Erfpeinungen et: wachten wieder.

Hofmechanicne’ Körner befaäftigte ſich Flintgiet zu fertigen, ſtellte in feiner. Werkſtatt nad, Frau⸗ zoͤſiſchen Vorſchriften ein Inftrument. auf, zu ben fogenannten Polariſationsverſuchen; das Mefultat

derfelben. war, wie man ſich fihon lange belehrt Hatte, kuͤmmerlich, und merkwuͤrdig genug ba

lei·

‚208

glelcher Zeit eine Fehde⸗zwlſchen Blot und Arrago laut zu werden anfing; woraus fuͤr den Wiſſendon die Nichtigkeit dieſer gangen Lehre noch mehe an den Tag kam.

Herr von Henning von Berlin beſuchte mich, er war in die Farbenlehre, dem zufolge was ich mit ihm ſyrach, volkemmen eingeweiht, und zeigte Muth oͤffentlich derſelben ſich arzunehmen. Ich theiklte ihm die Tabelle mit, woraus hervorgehen fokte, was für Phaͤnomene und. in welcher Orbuung

man: bei einem drematifehen Vertrag zu ſchauen | =

und su beachten habe.

In der Kenntnib ber Oberfläche unfred Erdbo⸗ dens wurden wir fehr geförbert durch Graf Steru⸗ bergs Flora der. Vorwelt und zwar deren erſtes nnd zweytes Stuͤck, Hlezu gefellte ſich die Pflanzenkunde von Rothe in Breslan. Huch des Urſtters, der ans dem Haßleber Torfbruch nach: Jena gebracht und dort aufgeſtellt wurde, iſt wohl als eines der neue⸗ ſten Zeugnifſe ber früheren Thiergeſtalten bier zu erwähnen. Das Archiv der Urwelt hatte ſchon oi⸗ nes gleichen gedacht, und mie ward das beſondere

muͤgen, mit Hömn Koͤrto In: Halberſtadt bei dieſer Gelegenheit ein früheres freundliches Ver⸗ haltniß zu ernenen.

Die Abſicht Kaͤferftolus einen geologiſchen Atlas fuͤr Deutſchland heraus zugeben, war mir hoͤchſt er⸗ wuͤnſcht, ich nahm eifrig Theil daran und war gern was die Farbung betrifft mit meiner Ueberzeugung

Goethes Werke. XXXII 88 414

wi

210

beiräthig. Leider Tonnte durch die Gleichguͤltigkeit der ausführenden Techniler gerade diefer Haupt: | punct nicht ganz gelingen, Wenn die Farbe zu Dar:

ſtellung weſentlicher Unterfchlede dienen fol, fo . mäßte man ihr die größte Aufmerkfamkeit widınen.

Die Marienbader Gebirgsarten fammelte man mit Sorgfalt, in Jena geordnet wurden fie dann verſuchs weiſe dem Publicum mitgetheilt, ſowohl am mic ſelbſt bei Wiederkehr eines Anhaltens zu verfihern ale auch Nachfolgern dergleihen an bie Hand zu geben. Sartorius übergab dem Jenaiſchen Mufeum eine Folge der Gebirgsarten von der Roͤhn ſich herſchreibend, als Beleg zu feiner dem Vulcan gewidmeten Abhandlung.

Auch in dieſem Jahre lenkte ich die Aufmerkſam⸗ keit meiner Schleſiſchen Freunde auf den Prieborner gegliederten Sandſtein, oder wie.man dieſe wun⸗ derſame Gebirgsart nennen will, fp wie auf bie in fruͤherer Zeit haͤufigen, aber nicht erfannten Blitz⸗ roͤhren bei Maſſel, an einem endlichen Gelingen nicht verzweifelnd.

Im Allgemeinſtlen wurbe ich geförhest durch d'Au⸗ biſſon de Voiſins Geognoſie und durch Sorliot Hoͤ⸗ hencharte von Europe,

Meteorologie ward. fleißig betrieben; Profeſſor Poſſelt that das Seinige; Eondurteur Schrön bil: dete ſein Talent Immer mehr aus; Hofmechanicus Körner war In allen technifchen Vorrichtungen auf

‚das ſorgfaͤltigſte behuͤlflich, und alles trug bei die Ab-

& 211

fihten und Anordnungen bes Fürften möglichit zu befördern. Eine Inſtruction für die fämmtlichen Beobachter im Großherzosthum" warb aufgefeßt, "neue Tabellen gezeichnet und gejtochen; die atmoſphaͤ⸗ rifhen Beobachtungen in der Mitte April waren merkwürdig, fo wie der Höherauch vom 27 Zuny. Der junge Preller brachte meine Woltenzeichnungen ind Reine, und damit ed an keinerlei Beobachtungen fehlen möge, beauftzggte man den Jenaiſchen Thuͤr⸗ mer auf gewiſſe Meteore aufmerkfam zu feyn. In⸗ deſſen gaben die Dittmarifchen Prophezeyungen viel zu reden, woraus aber weder Nußen noch Beifall hervorging.

Woollte man ausfuͤhrlicher von der Belrederiſchen Thaͤtigkeit in der Pflanzencultur ſprechen, ſo muͤßte man hiezu ein eigenes Heft verwenden. Erwaͤhnt fey nur daß ein Palmenhaus zu Stande fam, wel- ches zugleich bem Kenner genügen und den Geſchmack eines jeden DBefuchenden befriedigen muß. Das entgegengefebte Ende der tropifchen. Vegetation ga= ben getrocknete Pflangen- Exemplare von ber Infel Mellville, welche durch Kummer und Dürftigleit fih befonders auszeichneten uud das letzte Ner- fchwinden einer übrigens befannten Vegetation vor& Auge festen. Der Kloß eines beihädigten And wie⸗ der zufammengewachfenen Baumflammes gab zu manchen Unterfuchungen über die Wieberherftel- _ lungskraft der Natur Anlaß. -

In Jena fing der botanifhe Garten an fi neu⸗

212

betebt gu ber demſelben vorgeſetzte Hofrath Voigt, imgleichen der babet angeſtellte Kunſtgaͤrtner Baumaun, machten eine Reife nah Berlin, woher fie nit ohne Vortheil fuͤr ſich und die Anſtalt ze ricktehrten. Ich ließ mie augelegen ſeyn die beiden Bände mb Wiſfenfſchaftstehre durch das vierte Heft abzuſchließen, und behielt noch fo viel Borrath übrig, um auch wohl ein folgendes vorzubereiten.

18 22.

Zur altdentſchen Baukunſt, su Yräfung ihres Charakters, durch Schauͤtzung ihres Sinnes, zum Begriff der Seit worin fie entſtand, —— mie zwey bedeutende Werte. Mollers Deutihe Baus benttwate, beren erfied Heft nun geſchloſfen, lagen

uns vor. Nach mehreren Probedruͤcen erſchien auch das erſte Heft des Boiffereeſchen Domwerks. Ein großer Theil des Tertes, den ich vorher im Dann: fertpt ſtudirt Watte, lag bei, und die Ueberzeugung beftätigte ſich, daß zu richtiger Einſteht in biefer Sache, Zeit, Religten,; Sitte, Kunſtfolge, Bebhef: uiß, Umlage der Jahrhunderte, wo biefe Banart uͤberſchwenglich ausgedehnt im Anwendung biähte, alles zuſammen als eine große lebendige Einheit zu betrachten fey. Wie fih num an das. Kirchthum and Das Ritterthum anfhloh, gu anderm Beduͤrfulß in

—Nif PER

213 gleichen Einne, wollte —XX wohl erwegen feyr.

Die Piakit braute wenig aber Bedentenbes;

Ä bie Beinere Medaille mit Sereniſſimi Bild und: der

JInſchrift: Doctarum frontium praemia, warb in Paris von Barre geſchnitten. Min kleiner Vae⸗ chus von Bronze, Acht autik und von ber groͤßten Zierlichleit, ward mir buch bie Geuelstheit des Herrn Major von Staff. Er war auf dem Feld⸗ auge wach Italien durch Welſchland bie nach Cala- "wert anzufhaffen Gelegenheit. Deine Vorliebe für folche Werte lennend verehrte er mir das Keine Bud, weiches wie ich es anſehe nuͤch zu. erheitern - geeignet iſt.

Tiſchbein, aus alter guter. Neigung, über- raſchte mich durch eine Gemme mit Storch und Zube, die Arbeit roh, Gedanle und Compoſition ganz vortrefflich.

Kb erhalte Howards Klima von London, zwey Bände. Poffelt ſchreibt eine Necenfion. Die —2 Beobachtungen gehen nach allen Rubri⸗ Sen fort und werben regelmaͤßig in Tabellen ger bracht. Director Bifchoff von Dührenberge bringt auf vergleichende Barometer-Beobachtungen, benen man entgegen kommt, , Zeichnungen de’ Wollenge- . ftalten wurden gefammelt, mit Aufmerkſamleit fort: geſetzt. Beobachten und Ueberlegen gehen gleichen Schrittes, dabei wird durch ſymboliſch graphiſche

\

| Ballen des Queckſilbers innerhalb gewiſſer Gränzen | einer ftetig veränderten Anzlehungskraft der Erbe

2314

Darftelung der gieihförmige Gang fo vieler, wo nicht zu fagen aller Barometer, deren Beobachtun⸗ gen fi von ſelbſt parallel ftellten, zum Anlaß eine telluriſche Urſache zu finden und das Steigen und

zuzuſchreiben. Bet meinem dießmaligen Wufenthalt in Boͤh⸗ men ward die geologifhe Sammlung der Marienba⸗

der Gegend ‘wieder aufgenommen und vervollftdu- digt, in Bezug auf die Acten und das in ben Drad

gegebene Verzeichniß. In einem Schtanfe wurben foihe, wohlgeordnet, bei ber Abrelfe Dr. Heibler

übergeben, als Grundlage für kuͤnftige Naturfor:

(her, Das Töpler Mufeum verehrt mir fehönen Kalkſchiefer mit Fiſchen und Pflanzen, von ber Herr: Schaft Walſch. Angenehmes und lehrreiches Ein: Aprehen des Herrn von Bud. In Eger traf ih den, für Naturkunde aufmerkfamen Herrn Math Gruͤner, befhäftigt eine uralte koloſſale Eiche, die quer über das Flußbett im Tiefen gelegen hatte, Hervorziehen zu laffen. _Die Rinde war völlig braun⸗ tohlenartig. Sodann befuchten wir ben ehemaligen Kalkbruch von Dölig, wo der Mammuthszahn ſich berfchrieb, ber lange Zeit als merkwuͤrdiges Erbſtuͤc der befißende* Familie Torgfältig aufbewahrt, nur: mehr für das Prager Mufeum beftimmt wurde, Ich ließ ihn abgleßen, um ihn zur nähern Unterſu⸗ dung an Herrn D’Alton mitzutbellen,

215

- Mit dutchtreiſenden REN wurbe bas Geſam⸗ melte betrachtet, wie auch ber problematiſche Kam⸗ merberg wieder beſucht. Bei allem dieſem war Dlast Naturgeſchichte von Böhmen und behuͤlflich

Herr von Eſchwege kommt aus Srafilien, zeigt Juwelen, Metalle und Gebirgkarten vor. Se⸗

zeaiffimus machen bedeutenden Anlauf. Bei diefer Gelegenheit wirb mir die Edelſteinſammlung über: geben, welche fräher aus ber Bruckmanniſchen Erb⸗ ſchaft erfauft wurde. Mir war hoͤchſt Intereffant ‚eine ſolche, von einem früheren. pafionirten Liebha⸗

der und, ‚für feine Zeit, treuen und umfichtigen

Kenner, zufammengeftellte Folge zu revibiren, bag Fpäter Acqutrirte einzufchalten und dem Ganzen ein froͤhliches Anſehn zu geben. Cine Zahl don 50 ro⸗ ben Demantfrpftallen, merkwürdig einzeln, noch mehr der Reihe nah betrachtet, jebt von Herrn Soret nach ihrer Geſtaltung beihrieben und geord⸗ met, gab mir eine ganz neue Anſicht über dieſes wmerkwärbige.- und höchfte Naturereigniß. Ferner. theilte Herr von Eſchwege Brafilianiihe Gebirgs⸗ ‚arten mit, die abermals beiwiefen, daß die Gebirgs⸗ arten der neuen Welt mit denen der alten in ber ' erften Urerfheinung vollkommen übereinftiinmen; wie denn auch ſowohl feine gedrudten als handſchrift⸗ then Bemerkungen bierüber DRDEEMEEIDEN: Auf⸗ ſchluß verleihen.

Zur un verfertigte Ih das Schema zur

! z

a6

Yıimzenedtur Im Gteßherzogzthum Weimar. Ein wunderbar gezeichnetes Buchenholz gewann ich als pathologiſches Phaͤnemen. Ein geſpaltener Klet war es, von einem Buchſtamme, im weichem: ſich entdedte, daß vor mehreren Jahren die Rinde negek | mäßig mit einem eingeſchnittenen Kreuze begeichuet worden, weiches aber vornarbend uͤherwachſen in den GStamm eingeſchloſſen, ſich nuumehr in der :Bpal- tung als Form ud Abdruck wiederholt. |

Das Verhaͤltniß zu Era Meyer gab. mir aoned Leben und Anregung. Das Geſchlecht Junens, von demfelben adher befiimmmt and buschgeführs, bracht ich mir mit Beigälfe von KHoft-gramisa adstrreca zur Anſchauung.

Und fo muß Ich noch zam Schinß eines riefen⸗ hafter Cactus melo- Cactus, von Herrn Wahrk

au Frankfurt gefendet., dankbar erwaͤhnen.

Fuͤr das erſchienen mehrere beben⸗ sende Werke. Die große naturgefchchttlche Chatke yon Wilbraud und Mitgen, in Begug auf bas Element des Waſſers wıb auf Bergeshoͤhe, win ſich die Drganifation Überall verhalte. Ihr Werth warb fagleih anerkannt, Pie ſchoͤne augenfällige Darftel⸗ Jung an die Wand geheftet, zum taͤglichen Gebrauch vorgegeigt und commentirt in gefelligen : Werhälelfs

Kaͤferſtetas geognoſtiſches Dentſchland war in ſeiner Fortſetzung gleichfalls ſehr foͤrderlich vuud wire es bei genauerer Färbung noch mehr gewefen.

-.. ME (ED VW TE WE EEE

er

847

Man wird ſich's in ſolchen Faͤllen noch öfter wieber- holen maͤſſen, daß da mo man durch Farben unter- ſcheiden win, ſie doch auch unterſcheidbar ſeyn follten,

Das vierte Heft meiner morphologiſchen und na⸗ turwiſſonſchaftlichen Bemaͤhungen ward ſorgfaͤltig durchdacht · und ‚ausgeführt, da mit ihm Die beiden ‚Bände für dießmal geſchloſſen feya ſollten.

Die Veraͤndorung des Erboberftihe von Herrn 908 Hof gab neuen Reiz. Hier legt ein Schah, au welchem man immer etwas hinzuthun möchte, in⸗ dem man fich daran bereichert, ?

Ich exhlelt zu Aufriſchung der Berg: und Ge- ſeeinluſt bedeutende Pflanzenabdruͤke, in Kohlen: Fchlefer durch ben -fosgfältigen and diefen Studien ergebenen Rentaminmn Wahr, Fichtelbergiſche

Mineralien erhalte ich von -Rebwip, manches an:

dere von Tyrol, wogegen ich ben Freunden ver- fhledenes zuſende. Herr Soret vermehrt meine Sammlung durch) manches Bedeutende, ſowohl aus Savoyen als aud der Juſel Elba. nud fernern Gegen⸗ den. Seine kryſtallographifche Kenutniß war hoͤchſt foͤrderlich In Beſtimmung der Diamanten: und ande⸗ rer näher :zu bezeihnenden Mineralien; wobei er denn bie von ihm In Druck verfaßten: Auffaͤtze willig mittheilte und befprach.

Im Chromatiſchen ward mir greßer Gewinn, in: dem eudlich Die Hoffaung erfchten, daß ein Juͤngerer die Pacht über fh nehmen wolle biefes wichtige ‚Kapitel durchzufuͤhren und davchzufechten. Hetr

318

von Henning befuhte mih und brachte hoͤchſt gluͤclich gerathene entoptiſche Glaͤſer, auch ſchwarze Slasſpiegel mit, welche verbunden durchaus alle wuͤnſchenswerthen Phänomene ohne viel weitere Um: ftändlichkett vor die Augen- bringen. Die Unterhal⸗ tung war leicht, er hatte das Geſchaͤft durchbrungen, und manche Frage, die ihm übrig blieb, konnt' id ihm gar bald beantworten. Er erzählte von feinen Moriefungen, wie er es damit gehalten, und zu Venen er mir fhon ble Einleitung mitgetheilt. Wech⸗ felfeitig tanfhte man Anfiht und Verſuche; einen ‚älteren Aufſatz Aber Prismen In Verbindung mit Linſen, "bie man im biöherigen Vortrag zu falfchen

Zwecken angewendet, ‚überlieferte ih ihm, und er

Dagegen regte mic an, die hromatifchen Acten und

Papiere nunmehr vollkommener und fahgemäßer zu

orbnen. Dieſes alles geſchah Im Herbſt und gab mir

nicht wenig Beruhigung.

Ein entoptifher Apparat war für Berlin einge: richtet und fortgeſendet, indeſſen die einfachen en⸗ toptiſchen Glaͤſer mit ſchwatzen Glas ſpiegeln auf ei: nen neuen Weg leiteten, die Eutdeckungen vermehr⸗ ten, die Anficht erweiterten, und fodau zu der eu toptifchen Eigenſchaft des ſchmelzenden Eiſes Gele⸗ genheit gaben.

Die Farbentabelle wurde revidirt und abgebrudt; ein hoͤchſt forgfältiges Inſtrument, die Phänomene

“der Lichtpolarifation nach Franzoͤſiſchen Grunbfägen ſehen zu laffen, warb bei mir aufgeftelit, und id

A

, 219 / Hatte Gelegenheit deſſen Ban und zelftung men kennen zu lernen.

In der Zoologie foͤrderte mich Carus Urwirbel, nicht weniger eine Tabelle, in welcher die Filiation ſaͤmmtlicher Wirbelverwandlungen anſchaulich ver- zeichnet war.- Hier empfing ich num erſt den Lohn für meine früheren allgemeinen Bemühungen, in⸗ dem ich die von mir nur geahnete Ausführung bis ind Einzelne vor Augen fah. Ein Gleiches warb mir, indem ih D'Altons frühere Arbeit über bie pferde wieder durchnahm, und ſodann durch deſſen Dahpderme und Raubthiere belehrt: und erfreut - wurde.

. Der hinter dem Ettersberg im Torfbruche ges fundene Urftier befchäftigte mich eine Zeitlang. Er ward In Jena aufgeftellt, möglichft reftaurirt und zu einem Ganzen verbunden. Dadurch kam id wieder mit einem alten Woblmollenden in Be⸗ ruͤhrung, Herrn Dr. Körte, ber mit bei dieſer Gelegenheit manches Angenehme erwies. ;

Heinroths Anthropologie gab mir Aufſchluͤſſe uͤber meine Verfahrnngsart In Naturbetrachtungen, als Ich eben bemüht war mein naturwiſſenſchaftliches Heft zu Stande zu bringen,

Herr Purkinje befuchte uns und gewährte einen entſchiedenen Begriff von merkwuͤrdiger Per⸗ ſoͤnlichkeit und unerhoͤrter Anftrengung und Auf⸗ opferung.

Indem ich zu meiner eigenen Aufllaͤrung Kune

| | jeld Glaemacherkunſt, bie ich bisher in daſteren Vorurtheil und ohne wahre Schaͤtzung betvachtet

‚Herrn Dr. Döbereiner, weicher air die Erfahrungen und Entdocknugen mittheilte. Gegen Ende des Jahrs kam er nach Weimar, um vor Ge reniſſimo und einer gebiibeten Geſellſchaft bie wich tigen Verſuche galvaniſch magnetiſcher wedifelfel tiger Einwirkung mit Augen fehen zu laſſen and ex klaͤrende Bemerkungen angutnäpfen, bie bei tan vorher erfreuendem Beſuche des Herrn Prefeſor

Oerſtedt nur um deſto erwuͤnſchter ſeyn mußten.

Was geſellige Mittheilungen betrifft, wear bie ſes Jahr unferem Kreiſe gar wohl gerathen; gwey Kage ber Woche waten beſtimmt unſern gnaͤbdigſten Herrſchaften bei mir einiges Bedeutende vorzulegen md darüber bie nöthigen Aufklaͤrungen zu geben. Sega fand: fich denn jederzeit neuer Anlaß, und bie Mannichfaltiglelt war :geoß, indem Altes mb Neues, Kunſtreiches und Wiſſenſchaftliches jeder⸗ zeit wohl aufgenemmen wurde.

Geben Abend fand fich ein angerer Kreis bei mir

sufammen, unterrichtete - Verfonen beiderlei Ge⸗ ſchlechts; damit aber:auch ber Antheil fich erweitere, . feste man den Dienflag feſt, wo man ſicher war

eine gute Geſellſchaft an dem Chectiich gufamaımen

zu feben; auch vorzügliche Geiſt und Herz erquikende

R Muſik warh yon. Zeit zu Zeit vernommen. Gebil⸗

er >; 21.

dete , Eustiaber aiımen m biefen Unterhaltungen 4; M Fehlt, und da ich außerdem gegen Mittag gewoͤhn⸗ lich Frembe auf kurze Seit gern annahm, fo blieb id zwar auf mein Haus eingeſchraͤnft, doch immer

nme der Außenweit in Berkbrung; viellelcht inniger a gruͤnblicher, als nen nach außen be⸗ wert wnd zerfitemt hätte,

Ein. innger Bibliothek⸗ und Archiveverwandter macht ein Repertorium uͤber meine ſaͤmmtlichen Werke und ungedruckten Schriften, nachdem er alles fortirt und. geordnet hatte.

Bet dieſer Gelegenheit Fand ſich ein vorlaͤu⸗

figer Werfuch bie Ehronik meines Lehend zu redi⸗ giren, ber bisher vermißt war, wodurch ich mid: ganz beſonders gefoͤrdert ſah. Ib ſetzte glei: dar⸗ auf mit neuer Luft’die Arbeit fort, durch weitere Ausführung des Einzelnen.

Ban Bren aus Antwerpen fendete feine Hefte zur Lehre dee Zeichenkunſt. Tiſchbeins Homer VII Städt kam an. Die große Mafle lithographi-

- (her Zeichnungen von Strirner und Piloti fonderte ih nah Schulen und Meiftern, wodurch beun die Sammlung zuerft wahrhaften Werth ge- wann, Steindruͤcke von allen Seiten bauerten fort, und brachten manches gute Bild zu unfrer Kenntniß. Einem Freund zu Liebe erklärte ich ein paar proble- - matifche Kupfer, Polidors Manna und ein Tizia⸗ niſches Blatt, Landſchaft, St. Georg, mit dem Dra-

mn —— —— E& ma =; u w

322

hen und ber ausgefesten Schönheit; Mantegun’s TCriumphzug ward fernerweit redigirt.

Mahler Kolbe von Duͤſſeldorf ftellte bier einige Arbeiten aus, und vollendete verfchiedene Portraite; man freute fich diefen- wadern Mann, dem man ſchon felt ben Weimariſchen Kunftausftellungen ge: fannt, nunmehr perſdulich zu ſchaͤen und ſich fel: ned Talents zu freuen. Gräfin Julie Egtoffitelz machte bedeutende Vorfaritte in der Kunſt. Ich Heß die Radirungen nad) meinen Skizzen austufchen and ausmahlen, um fie an Freunde zu überlaffen.

Meyers Kunftgefhichte ward ſchließlich mundirt und dem Drud angendhert. -Dr. Carus gab einen ſehr wohlgebachten und wohlgefühlten Aufſatz über Landſchaftsmahlerey in dem fchönen Sinne feiner

eigenen Productionen.

Zum feyetlichen Andenken ge wu Durdlaudtigften Fürſtin und Frau anne Amalia, verwittweten Sera zu Sachfen-Weimar und Em) .. geborenen Herzogin von Braunſchweig und Liner.

1807.

%

Menn dad Leben ber Gteßen dieſer Welt, fo lange es Ihnen von Gott gegomt It, dem übrigen Menſchengeſchlecht als: ein Beiſpiel vorlenukten fell, damit Standhaftigkeit tm Ungii and: theilne hmen⸗ des Wirken im Gluͤck immer allgemeiner werbe, ift die Betrachtung eines bedeutenden vergangenen Lebens von gleich großer Wichtigkeit, Indem eine kurzgefaßte Meberfiht der Tugenden und Thaten . einem jeden zur Nacelferung, als eine große und unfhäßbare Gabe, überliefert werben kann.

Der Lebenslauf ber Fuͤrſtin, deren Andenken wir heute feyern, verdient mit und vor vielen. an-- dern. fib dem Gedaͤchtniß einzuprägen, beſonders berienigen, bie früher unter ihrer Regierung und fpäter unter Ihren immerfort Iandesmütterlichen Einfläffen, manches Guten theilhäft geworden, und ihre Huld, ihre. Freundlichkeit perſoͤnlich zu erfahren das Gluͤck Hatten

Entſproſſen aus. cinem Hauſe, das vom.-bem 4793. fräeften Voreltern am bedeutende wuͤrdige umb Zu tapfere Ahnherren zähle, "Nichte eines Koͤnigs, des größten Mannes feiner Zeit; vow Tugend auf umgehen von: Geſchwiſtern und Verwandten, Denen Großheit eigen war, . bie: sum: ein anber "Beftreben kannten, als ein ſolches, das anlm:

Speihe'3 Werte, XXXII. 8 45

*

226 voll und auch der Zukunft bewundernswuͤrdig wäre; is der Mitte eines regen, fih in manchem Stun weiter bildenden Hofes, einer Vaterſtadt, welche fih duch mancherlei Anftalten zur Cultur der Kunft und. Wiſſenſchaft auszeichnete, ward fie bald sewahr, daß auch in ihr ein folder Keim: liege, und freute fih der Ausbildung, die ihr durch die treflichften Männer, welche fpäterhbin in der Kirche und Im Meich der Gelehrſamkeit glänzten, gegeben wurde.

1756. Von dort wurde fie früh hinweg gerufen zur

‚Verbindung mit einem jungen Fuͤrſten, der mit ihr zugleich in ein heiteres Xeben einzutreten, feiner . ferbft und der DVortheile des Güde zu genießen

4757. begann. Cin Sohn entfprang aus diefer Vereini⸗

k

sung, auf ben fih alle Fteuden und Hoffnungen verfammelfen; aber der Mater fellte-fih wenig an ihm und an dem zweyten gar nicht erfreuen, ber erſt nach feinem Tode das Licht der Welt er: blickte.

ars. Vormuͤnderin von Unmuͤndigen, ſelbſt nod

minderiaͤhrig, fühlte fie ſich, bei. dem einbrechen⸗ den fiebeniährigen Kriege, In einer bedenklichen Lage. Als Reichsfuͤrſtin verpflichtet, auf der: jenigen Seite zu ſtehen, die fih gegen Ihren großen Oheint erklärt hatte, durch bie Nähe bee Kriegswirkungen fethft gedrängt, fand fie eine Bes enhigung in dem Befuh des‘ großen beerführenden

-227 -

Königs. Ihre Provinzen erfuhren viel ungemas, Doch kein Verberben erbrüdte fie.

Endlich zeigte fih der erwuͤnſchte Frieden, und ihre erften Sorgen waren bie einer zwiefahen Mut: - ter, für das Land und für ihre Söhne. Sie er⸗ muͤdete nicht mit Geduld und Milde das Gute umd Nuͤtzliche zu beförbern, felbft wo es nicht etwa gleich Grund faffen wollte. Sie erhielt und nährte ihr Bolt bei anhaltender furdtbarer Hungersnoth. Gerechtigkeit und freier Edelmuth bezeichneten 1772. alle ihre Regentenbeſchluͤſe und Anordnungen.

Ehen ſo war im Innern ihre herzlichſte Sorge auf die Soͤhne gewendet. Vortreffliche, verdienſt⸗ volle Lehrer wurden angeſiellt, wodurch fie zu einer Berfammlung vorzüglicher Männer den Anlaß gab, und alles dasjenige begründete, was fpäter für Diefes befondere Land, ja für das ganze Deutſche DBaterland, To lebhaft und bedeutend wirkte.

Alles Gefällige was das Leben zieren kann, fuchte ſie fogleih, nacı dem gegebenen Maß, um fich zu yerfammeln, und fie war im Begriff mit Sreude und Zutrauen das gemwiffenhaft Verwaltete ihrem | Durchlauchtigſten Sohn zu übergeben, als das 1774.

unerwartete Ungläd des Weimariſchen Schloßbran-

bes die gehoffte Freude. in Trauer und Sor⸗ gen verwandelte. Aber auch bier zeigte fie ben eiugeborhen Geiſt: denn unter großen Vorberel⸗ tungen zu Milderung fo wie zu Benußung her

% j a 228

Zeigen biefe® Ungluͤcks übergab fie ruhm⸗ und ehrenvoll Ihrem zur -Weltiähuiskelt. erwachſenen Erſtgebornen die Regierung feiner väterlichen Sta«- ten, und trat eine [orgenfreiete Abtheilung des Lebens an, &

ve Degentichaft Aeaqte dem Lande mannich. faltiges Oluͤck, ja das Ungluͤck felbſt gab Aulaß zu Verbefferungen. Wer bazm faͤhig war nahm fie au. Gerechtigkeit, Staatswirthſchaft, Policey befeſtig⸗ sen, entwickelten, beftätisten ſich. Ein ganz as: derer Seiſt war uͤber Hof nad Stadt gekommen. Bedeutende Fremde von Stande, Gelehrte, Kuͤnſt⸗ ler, wirkten befuchend oder bleibend. Der Gebraud einer großen Bibliothek wurde’ frei gegeben, ein gutes Theater unterhalten, und bie nene Generation zur Ausbildung des Geiſtes veranlaßt. Man unter: ſuchte den Zuftand ber Akademie Jena. Der Fuͤr⸗ ftin Freigebigkeit machte die vorgefchlagenen Einrich⸗ tungen möglich, und ſo wurde diefe Anftalt be: feftfgt und weiterer Verbefferung faͤhlg gemacht. Mit welcher frendigen Empfindung mußte fie nun, unter den’ Händen Ihres unermuͤdeten Sob⸗ nes, felbft über Hoffnung und Erwartung, alle ihre - früheren Wuͤnſche erfüllt fehen, um fo mehr, als nah und nah aus. ber glädlichtten Cheverbindung eine märdige frohe Nachkommenſchaft ſich entwickelte.

Das ruhige Bewußtſeyn ihre Pflicht gethan, ba⸗ was ihr oblag, geleiſtet zu haben,

229

fie zu einem ſtillen, mit Neigung gewählten Yrivat⸗ leben, wo fie fh, von Kunſt und Wiſſenſchaft, fo wie non ber fhönen Natur Ihres Ländlichen Aufent- halts umgeben, gluͤcklich fühlte, Sie gefiel fih im Umgang geiſtreicher Perſonen, und freute ſich Ver⸗ haͤltniſſe dieſer Axt anzulnuͤpfen, zu erhalten und nuͤtzlich zu machen; ja es iſt fein bebsutender Name von Welmar ausgegangen, des nicht in ihren Kreife früäher- ober fpaten gewirkt haͤtte. So bereitete fie fi vor zu elner-Nelfe, ienfelts der Alpen, um für ihre Geſundheit Bewegung und ein milderes Kllına 1788. zu außen: denun Zur; vorher erfuhr fie ‚einen Au⸗ fall ,. der das: Ende ihrer Tage herkeigusufen ſchlen. Aber einen hoͤhern Genuß hoffte fie von dem Auſchan⸗n deſſen, was fie in den Kuͤnſten fo lange geahnet hatte, veſonders von der Mufk, van der He ſich fruͤber gruͤndlich zu unterrichten wßte; eine: veue Erweiterung der Lobens anſich⸗ ten duxrch bie Bolanatſchaft edler und: gebildeter Meunſchen, die jene gluͤclichen Gegenden als Ein⸗ heimiſche und Fremde wenberzlichten, und jede . Stande: des Umgangs; zu: einem nenlmündigen Zeitz. meet erhähten,

Maude- Froude exwartate fie nach ihrer Buridh i Iuaft, als fie, mit mandenlei Schäten ber Kunſt undder Erfahrung gekchmäst, Ihre haͤusliche Schwelle betrat. Die Vermählung ihres bluͤhenden Eulels 1804. mit einer unvergleichlichen Prinzeſſin, bie erwuͤnſch⸗

tem ehelichen Folgen gaben zu Feſten Aulaß, wobel

| |

*

I)

230

fie fi des mit raſtloſem Eifer, tiefem Kunſtſiun und wählendem Geſchmack wieder aufgerichteten und ausgeſchmuͤckten Schloffes erfreuen konnte, und uns hoffen ließ, daß, zum Erſatz für fo manches frühe Leiden und Entbehren, ihr Leben fich in ie langes und rubiges Alter verlieren würde. Abet es war von dem Alles gentenden anders vorgefehen. Hatte fit während dieſes gezeichneten Lebensganges manches Ungemach tief empfunden, vor Jahren den Verluſt zweyer tapferen Bruͤder, die auf Heereszügen ihren Tod fanden, eines drit- ten, der ſich für andere aufopfernd, von ben Fluthen verſchlungen warb, eines geliebten entfernten Soh⸗ nes, TpAter eines verehrten, als Gaſt bei ihr ein Tehrenden Bruders, und eines hoffnungsvollen lieblichen Urenkels, fo hatte fie fi) mit inwohnen⸗ der Kraft immer wieder zu faſſen und den Kebens- faden wieder zu ergreifen gewußt, - Aber in dieſen legten Zelten, da der unbarmberzige Krieg, nach⸗ dem er unfer fo lange gefchont, uns endlich und fie . ergriff, da fie, um eine berziich ‚geliebte Tugend aus dem wilden Drange zu. retten, ihre Wohnung verließ, eingedent jener Stuüben, als die Flamme #e ans ihren Zimmern und Gälen verbrängte, num bei diefen Gefahren und Befchwerden der Reiſe, bei dem Unglätt, das fi über ein hohes verwandtes, über ihr eigenes Hans verbreitete, bei dem Tode des letzten einzig gellebten und verehrten Bruders, in dem Augenblick, da fie ale ihre auf den feſteſten

&

231

Beſitz, auf wohl erworbenen Familienruhm gebau- ten jugendlihen Hoffnungen, Erwartungen von

jener Seite verfchwinden fah: da ſcheint ihr Herz

nicht länger gehalten und ihr muthiger Geiſt gegen den Andrang irdiſcher Kräfte das Uebergewicht ver-

Toren zu haben. Doc) blieb fie noch immer fich ſelbſt

gleich, im Aeußern ruhig, gefällig, anmuthlg, theilnehmend und mitthellend, und niemand aus fhrer Umgebung konnte fürchten, ‚fie fo gefchwind aufgelöft zu fehen. Sie zauderte,. ſich fir Frank

zu erklaͤren, ihre Krankheit war kein Leiden, fie 1807. fhled ans ber Geſellſcaft der Ihrigen, wie fie 49,

gelebt hatte. Ihr Tod, ihre Verluſt follte nur fihmerzen, als nothwendig, unvermeidlich, nicht durch zufällige, baͤngliche, angſtvolle Nebenum⸗ ſtaͤnde.

Und wem von uns iſt in gegenwärtigen Augen-

genbliden, mo bie Erinnerung vergangener Uebel,

zu der Zurcht vor zukünftigen gefehlt, gar manches Gemuͤth beängftigt, nicht ein ſolches Bild ſtandhaft ruhiger Ergebung troͤſtlich und aufrichtend! Wer

von uns darf ſagen: meine Leiden waren ſo groß

als bie ihrigen; uud wenn jemand eine ſolche trau- rige Vergleichung anftellen koͤnnte, fo würde er fi an einem fo erhabenen Belſpiele geſtaͤrkt und er⸗

quickt fuͤhlen. Ja! wir kehren zu unſerer erſten Betrach⸗

tung zuruͤck das iſt der Vorzug edler Naturen,

daß ihr Sn in höhere Regionen ſegnend

-

232

wirkt, wie ihr Verweilen auf ber Erbe; daß fie und von dorther, gleih Sternen, entgegen leuchten, als Richtpimete, wohin wir unfern Lauf bei eiuer sur zu oft durch Stürme unterbrochenen Fahrt zu tihten haben; daß dieienigen, zu denen. wir und als zu Wohlwollenden und Hülfreihen im Leben hinwendeten, nun bie ſehnſuchtsvollen Blicke nach ſich ziehen, als Vollendete, Selige.

%

3u brußderlichem Andenken Wielands 1813.

E

Durchlauchtigſter Protector, Sehr Ehrwärbiger Meifter, Verehrungswärbigfte Anweſende!

Ob es gleich dem Einzelnen unter keiner Bedln- - gung geziemen will, alten ehrwürbigen Gebraͤuchen ſich entgegen zu ſtellen, und das, was unfere wei⸗

fen Vorfahren beliebt und angeordnet, eigenwilig zu verändern, fo würde ich doc, ftände mir der -Zauberftab wirklich zu Gebote, ben die Mufe unferm abgefchledenen Freunde geiftig anvertraut, ich würde diefe ganze büftere Umgebung augenblidlich In eine heitere verwandeln: dieſes Finſtere müßte ſich gleich vor Ihren Augen erhellen, amd ein feſtlich gefhmäd- ter Saal mit bunten Teppichen und munteren Kraͤn⸗ sen, fo froh und klar ale dad Leben unferes Freun⸗ des, ſollte vor Ihnen ericheinen. Da möchten bie Schoͤpfungen feiner blühenden Phantafie Ihre Yu’ . gen,. Ihren Gelft anziehn, ber Olymp mit feinen Göttern, eingeführt durch die Muſen, geſchmuͤct duch die Grazien, follte zum lebendigen Zeugniß dienen, daß derjenige, der in fo heitexer Umgebung ‚. gelebt, und. diefer Heiterkeit gemäß auch von ung |

236 geſchieden, unter die gluͤcklichſten Menfhen zu zaͤh⸗ Ien, und keinesweges mit Klage, ſondern mit Aus: druck der Freude und bed Jubels zu beftatten fey.

Was ih jedoch ben aͤußern Sinnen nicht bat: ftellen Tann, fey den Innern dargebracht. Achtzi, Jahre; wie viel in wenigen Sylben! Wer von ums wagt es, in der Gefhwindigtelt zu durchkaufen und ſich gu vergegemwärtigen., was To viste Jahre, wohl angewandt, bedenten? Wer von und: möchte behaup: ten, daß er ben Werth eines,“ in jedem Betradt

vorftändigen, Lebens ſogleich zu ermeffen und zu ſchaͤtzen wiffe?

Begtelten wir unſern Freund auf : dem Stufe: gange ſeiner Tage, fehen wir ſhn als Knaben, Juͤnz⸗ ling, Manm und Greis, To finden wie, daß Ibm das ungemeine Gkuͤck zu Theil werd, die Btuͤthe einer jeden dleſer Jahreszeiten zu: pfißkten; Dem andy das hohe Alter hat Feine Bluͤtche, und auch bie⸗ fer auf das heittrſte ſich zu freuen war Ihm gegoͤnnt. Mur wenig Men«ate ſind es, als die verbundenen Bruͤber fire geheimntßvolle · Sy hiny fuͤrlihn mit Ro⸗ fen betraͤnzten nr ausgabe hc," baß wenn Ant Meon, ver’ Sreis, ſeine erhoͤßte Slunlichkeit met keichten Roſenzweigen zu ſchmuͤcken unkernahm De ſittliche Sinulichkelt, die gemäßiste, geiſtreiche Lebensfreude Iunferes: Edken einen ven, gedrängt gewunbenen Kranz netten

Wenige Wechen mb es, daß Vifek’ treifiie Freund noch —— nicht nur ie

wohnte,

237.

wohnte, federn auch in khnen thaͤtig wirkte. Er Hat feinen Ansgang aus dem Irdiſchen durch unſern Kreis hindarch genommen; wir waren Ihm auch noch zuletzt De Naͤchſten, und wenn das Vaterland, ſo wie das Ausland, fein Andenten fehert, wo Tollte dieß fraͤher und kraͤftiger gefchehen, als bei nas! Den ehrwuͤrdigen Gebeten miferer Meiſter habe ich mich daher nicht entziehen daͤrfen, amib ſpreche in-biefer angeſehenen Berſammlang zu fehten An⸗ denken um fo lieber einige Worte, als fie fluͤchtige sBerläufer feyn Fönnen: deſſen, was tinftig- die Weit,

mas unfere Berbräberumg für Ihn thun wird. Diele

Geſinnung iſt's, diefe abfiet, um derentwiſlen ih - mir ein geneigtes Gehör erbitten darf; and wenn dasjenige, mad ich mehr amd einer faſt vierzig Jahre geprüften Reigimg, als aus rebmerifiher Ueberble⸗ gung, keineßwegs In gehöriger Verbinduug, ſondern vielmehr in kurzen Saͤhen, in ſprungweiſe vorbrage, weder des Gefeyerten, noch der Feyernden wuͤrdig erſcheinen duͤrfte, fo muß Ich bemerlen, daß bier nur eine Vorarbeit, ein Entwurf, ja nur der In⸗ halt aud wenn mem wi, Marginalien eines Tänf- tigen Werts gu erwarten feyen. Und fo werde denn, ohne weiteres Zaubern, zu bem und-fo lieben, wer⸗ ‚then, it heillgen Gegenſtand gefritten! Bleland war in der Nähe von Biberach, ei⸗

. ner Meinen Reichsſtabt in Schwaben, 1753 geboten.

Sein Bater, ein evangeliſcher Getftiicher, gab ihm

eine forgfältige Erztehung und legte bei ihm den er-

| Baer Werke, XXX. Br. 46

238

ſten Grund ber Schulkenntniſſe. Hierauf warb er nach Klofter Bergen an der Elbe geſendet, wo eine Srjichungs= und Lehranftalt, 'unter der Aufficht des wahrhaft frommen Abtes Steinmes, in gutem Rufe fand. Won da begab er fih auf die Univer⸗ fität zu Tübingen, fobann lebte er einige Zeit ale Hauslehrer in Bern, warb aber bald. nad Zürich zu Bodmern gezogen, den man in Süddeutfchlamd, wie Gleimen nachher in Norddeutſchland, die ‚Hebamme des Genies nennen konnte. Dort über: ‚ließ er fich ganz der Luft, welhe das Selbfthervor: Eringen der Jugend verfhafft, wenn dad Talent un: ter freundlicher Anleitung ſich ausbildet, ohne baf die höheren Forderungen der Kritik dabei zur Spra- ‚che fommen. Doc entwuchs er bald jenen erhält: niſſen, kehrte in feine Vaterſtadt zuräl, und warb von nun an fein eigner Lehrer und Bildner, indem er auf das raͤſtloſeſte feine literariſch poetifche er ‚gung fortſetzte. Die mechaniſchen Amtsgefchäfte ei: nes Vorſtehers der Canzley raubten ihm zwar Belt, aber nicht Luft und Muth, und bamit je fein Geiſt in fo engen Verhältniffen nicht verfümmerte, wurde “er dem in der Nähe begüterten Grafen Stablon, churfuͤrſtlich Mainziſchem Minifter, befannt. Iu dieſem angefehenen, wohleingerichteten Haufe weht ihn zuerſt die Welt- und Hofluft an; innere und äußere Staatsverhaͤltniſſe blieben ihm nicht fremd, und ein Gönner für das ganze Leben warb ihm der . Graf Hierdurch, blieb er dem Churfürften von

239

Mainz nicht umbetannt, und als unter Emmerich

Joſeph die Akademie zu Erfurt wieder belebt wer= . den follte, fo berief man unfern Freund dahin, und berhätigte dadurch die duldfamen Seflnnungen, wel⸗ che fich über alle chriſtllchen Religionsverwandten, ja über die ganze Menichheit, vom Anfange des Jahr: Hunderte her verbreitet.

Er konnte nicht lange In Erfurt wikten, ohne der Herzogin Megentin von Weimar befannt zu werden, wo ihn der für alles Gute. fo thätige Carl von Dalberg einzuführen nicht erman⸗ gelte. Ein auslangend bildender Unterricht ihrer fürftlihen Söhne war das Hauptaugenmerk einer zaͤrtlichen, Telbit höchlt gebildeten Mutter, und fo ward er herüber berufen, damit er feine literaris hen Talente, „feine fittlihen Vorzuͤge zum Beften des fürftlihen Haufes, zu unferm Wohl und zum Wohl des Ganzen verwendete.

Die ihm nach Vollendung des Erzlehungsgeſchaͤf⸗ tes zugefagte Ruhe wurde ihm fogleich gegeben, und: als ihm eine mehr als zugefagte Erleichterung ſei⸗ ner häuslihen Umftände zu Theil ward, führte er feit beinah vierzig Jahren ein, feiner Natur und feinen Wuͤnſchen völlig gemäßes Leben.

Die Wirkungen Wielands auf das Publicum wa⸗ ren ununterbrochen und bauernd. Er hat fein Zeit⸗ alter fi zugeblidet, dem Geſchmack feiner Jahres: genoſſen fo wie ihrem Urtheil eine entſchiedene Rich⸗ tung gegeben, bergeftalt, daß feine Verdienſte ſchon

240 F

genugfem erlanut, geſchaͤtzt, ja geſchildert find. Su nmnuchem Werke kber Deutſche Literatur tft fo ehren⸗ voll als finwig Aber thn geſprechen; Ich gedenke nur deſſen, was Kättner, Eſchenburg, Mauſo, Eich ho r n von thm geruͤhmt haben.

Und woher kam bie geoße Wirtung, weiche er auf die Deutfchen ausübte? Sle war eine Folge ber Tüchttgteht and ber Offenheit feines Weſens. Menſch und Schriftſteller hatten fig In ihm ganz durchbrun⸗ gen, er bichtete als ein Lebender und Ichte dichtend. Fa Werfen und Proſa verhehtte er niemals was ihm angenblidlich zu Sinne, wie es Ihm jfedesmal zu Muthe ſey, und fo ſchrieb er auch Urthetlend un) artheilte ſchreſbend. Nus ber Fruchtbarkeit ſeine⸗ Srifres emquoll die Fruchtbarteit ſeiuer Feder.

Ich bediene mich des Aus drucs Geber wicht ai einer vednerkſchen Phrafe; er gilt hier ganz eigemt: lich, und wenn eine freurme Verehrung manchem Sehrtftſteller dadurch heibiete, daß fie ſich eines Held, womit er eine Werte gebildet, zu bemaͤchti⸗ gen ſuchte, fo:bärfte ber Alel, drffen fh teilen bebtente, getetß vor vbelen biefer Auseichunng we: dig ſeyn. Denn daß er alles wit eiyewer Haud und ſehr ſchoͤn ſchrieb, zugleich mit Freiheit ub Veſonnruhelt, daß er das Seſchriebene Immer vor Augen hatte, ſorgfaͤltig pruͤfte, veraͤnderte, befferte, wuserbroffen bildete and umbilbete, ja wide mchbe ward, Werke von Umfang wieberholt cbſchrelben,

bieſes gab feinen Productionen das Zarde, Zierliche,

241 s Faßliche, das Natürlichelegante, welches nicht durch Bemühung, ſondern durch heitere, gemintifche Auf⸗ merkſamleit auf ein ‚(chen fertiges Werl hervorge⸗ bracht merden Tan. ;

Diefe ſorgfaͤltige Bearbeitung. feiner Schriften entiptang amd einer frohen Ueberzeugung, welche zu Ende feined Schweizeriſchen Aufenthaltes im ihm mag hervorgetreten feyn, als die. Ungeduld bes Her⸗ vorbeingene fich in etwas legte, umd der Wanſch, ein Wollendeted dem Gemeinweſen darzubringen, entſchiedener und deutlicher rege ward.

Da nun bei Ihm ber Mann und. der Dichter Eine Perſon ausmachten, fo werden. wir, wenn wir von jenem reden, auch biefen zugleich ſchildern. Reiz⸗ barkeit und Beweglichkeit, Begleiterinnen dichteri⸗

ſcher und redneriſcher Talente, beherrſchten ihn in

einem hohen Grade; aber eine mehr angeblldete als augeborne Maͤßigung hielt ihnen dad. Gleichge⸗ wicht. Unſer Freund war des Entäufiesmus im hoͤchſten Grade fühle, und in det Jugend gab er fich ihm ganz bin, und dieſes um fo lebhafter uud: anhaltender, als jene ſchͤne Zeit, in welher der - Jüngling den Werth und bie Würbe.bes Vortreff⸗ ichſten, es fey erreichbar oder unerteichbar, in ſich uͤhlt, für ihn ſich durch mehrere Jahre verlängerte. Jene frohen, reinen Gefilde der -galbenen Zeit, ene Paradiefe der Unſchuld, bewohnte er länger Id andere. Sein Geburtähans, mo: ein gebildeter Heiftlicher ald Water waltete, bad uralte, an ben

ö 242°

Ufern der Elbe lindenumgebene Kloſter Bergen, ‚wo ein frommer LXehrerpatriachalifh wirkte, das in feinen Grundformen noch Eöfterlihe Tübingen, jene einfahen Schweizerwohnungen,, umraufcht von Baͤchen, befpält von Seen, umfchloffen von Zelfen; überall fand er fein Delphi wieder; überall bie Haine, in denen er, ale ein ſchon erwachſener gebilbeter Süngling, noch immer ſchwelgte. Dort zogen ihn die Denkmale mächtig an, die uns von der männlt: chen Unſchuld der Griechen hinterlaffen find. Cprus, Araſpes und Panthea und gleich hohe Geftalten leb⸗ ten in ihm auf, er fühlte den Platoniihen Geiſt in ſich weben, er fühlte, daß er beffen bedurfte, um

jene Bilder für fih und für andere wiederherzuſtel⸗ . ten, und biefed um fo eher, als er nicht ſowohl dich⸗ terifhe Schattenbilder hervorrufen, _fondern viel: mehr wirklichen Weſen einen fittlihen Einfluß zu verfhaffen hoffte.

Aber gerade daß er 0 lange in dieſen höheren Regionen zu verweilen das Gluͤck hatte, daß er alled was er dachte, fühlte, in ſich bildete, traͤumte, wähnte, lange Zeit für die vollfommenfte Wirklich⸗ feit halten durfte, eben dieſes verbitterte ihm bie Frucht, die er von dem Baum bes Erkenntniffes zu pfluͤcken endlich genöthigt warb.

Wer kann dem Conflict mit der Außenwelt ent: gehen? Auch unfer Freund wirb in diefen Streit hineingezogen; ungern läßt er fih durch Erfahrung und Leben widerſprechen, und da ihm nach langem

\

243

Sträuben nicht gelingen will, jene herrlichen Ge- -

talten mit denen der gemeinen Welt, jenes hohe Wol⸗ en mit den Bedärfniffen des Tags zu vereinigen, entſchließt er ſich, das Wirtlihe für das Nothwens dige gelten zu Iaffen, und erklaͤrt das ihm bisher Wahrgefchlenene für Phantaſterey.

Aber auch bier zeigt fich die Eigenthuͤmlichkelt,

die Energie feines Geiſtes bewundernswuͤrdig. Bel aller Lebensfuͤlle, bei fo ſtarker Lebensluſt, bei herr

lichen Innern Anlagen, bei redlichen geiftigen Wuͤn⸗ ſchen und Abfichten, fühlt er fich von der Welt ver= letzt und um feine größten Schäße bevortheilt. Nir⸗ gende kann er nun mehr in der Erfahrung wieder- finden, was fo viele Jahre fein Gluͤck gemacht hatte, ja der innigfte Beftand feines Lebens gewefen war; aber er verzehrt fich nicht In eitlen Klagen, beren wir in Profa und Werfen von andern fo viele ken⸗ nen; fondern er entfchließt fich zur Gegenwirkung. Cr kündigt allem, was fich In ber Wirklichkeit nicht immer nachweiſen laͤßt, den Krieg an, zuvörberft alfo der Platonifhen Liebe, fobann aller bogmatl- Ärenden Phlloſophie, beſonders ben heiben Extre⸗ men, ber Stolfihen und Ppthagoreifchen. Inver- ſoͤhnlich arbeitet er ferner_dem religioͤſen Fanatis⸗ mus und allem, was dem Verſtande excentrifch er⸗ fheint, entgegen. -

- Aber. fogleich überfälitt ihn die Sorge, er möge:

zu weit gehn, er möge felbft phantaftifch handeln, und min heginnt er zugleich einen Kampf gegen bie

*

*

204

gemeine Dieniceit. Ex lehnt ſich auf gegen les, was wir unter dem Wort Phlliſte rey as be greifen gewohnt find, gegen ſtocen de Pedanterey, kleinſtaͤdti⸗ ſches Weſen, kuͤmmerliche dußere Sitte, beigranäte Kritik, falſche Spwoͤdigleit, platte Behnglichkelt, anmaßliche Würde, und wie biefe Ungeiften, derc Name Legen iſt, nur alle zu bezeichnen feyn mögen.

Hierbei verfährt er durchaus genialtſch, ohne Vorſatz und Selbſtbewußtſeyn. Cr findet fich in der Klemme zwifhen dem Dentbaren und bem Wirktt- hen, und indem er beide zu gewältigen ober zu verbinden Maͤßigung anrathen muß, fo muß er

feibft an fi Halten, und, Indem er gerecht ſeyn

win, vielſeltig werden.

Die verſtaͤndige reine Rechtlichkeit ehler Eugläus der und ihre Wirkung in ber fittlicken Welt, eines Addiſon, eines Steele, batten ihn ſchon laͤngſt angezagen; nun findet er aber. in dioſer Genoſſen ſchaft einen Mann, deſſon Slune / it ihm weitge⸗ maͤßer If, | Shaftesbuey, ben 9 Drake

&e, am jedem Geblibeten einen. trefftichen Deuter Ins Gedaͤchtniß zu rufen, Shaftesburd lebte zu einer Zeit, wo In: ber Roligien ſeines Waterlaubes manche Bewegung vorging; wo die herrſchende Kirche mit - Gewalt: die Andersgeſinnten zu bezaͤhmen dachte. Auch den East, bie Sitten bedrohte manche, was einen Werfiäubigen, Wohldenkenden in Sorge [eben

£ j 245 muß. Gegen alles dieſes, glaubte er, ſey am. bes ſten durch Frohßan zu wirlen; nur das, was man mit Heiterleit anſehe, werde man recht ſehn, war feine Dreinung. Wer mit Heltesseit in feinen eige⸗ usn Buſen ſchauen Töne, muͤſſe ein suter Mann ſeyn. Darauf komme alles an, und alles übrige Gute entiprings haben. Geiſt, Wis, Humor ſeven de Achten Organe, womit ein ſolches Gemuͤth die Weit anfaſſe. Ale Gegenſtaͤnde, ſelbſt die eruſteſten, müßten eine folche Klarheit und Freiheit vertragen, wenn fie nicht wit einer mar anmaßlichen Wuͤrde prunkten, fonbere einen aͤchten, die Probe nicht ſchemenden Werth im fich Selb enthielten, Bei die⸗ fem geiſtreichen Verſuch, bie Gegenflände zu ge⸗ mältigen, Tonnte man nicht umhin, fi nad) ent- fheidenden Behörden umzufehn, und fo warb einer: feits der Menfchenverftand über den Inhalt, und der Gefchmad über die Art des Vortrags zu Rich⸗ ter geſetzt.

An einem ſolchen Manne fand nun unfer Wie- land nit einen Vergaͤnger, dem er folgen, nit | einen Sencffen, mit Dem er webelten ſollte, ſondern einen wahrhaften aͤlteren Zwilllagebruder im GSeiſte, dem er vollfommen glich, ohne nach ihm gebildet zu ſeyn; wie man denn von Menaͤchmen wit fa⸗ gen koͤnnte, welcher dad Origkaal, und welcher die Copie ff.

Was jener, in einem hoͤheren Stande gebeten; an zeitlichen Mitteln mehr begabt, durch Reiſen,

Fr

246

Aemter, Weltumſicht mehr beguͤnſtigt, in einen weiteren Kreiſe, zu einer ernſteren Zeit, in dem meerumfloffenen England leiſtete, eben dieſes be: wirkte unfer Freund von einem anfangs fehr be:

ſchraͤnkten Yunct aus, durch eine beharrliche Tg 1

tigtelt, durch ein ftetiges Wirken in feinem, überall von Land und Bergen umgranzten Vaterlande, und das Reſultat davon war, damit wir ung bei unferm gedrängten Vortrage eines Eurzen, aber allgemein verſtaͤndlichen Wortes bedienen, jene Popularphilo⸗

fopbie, wodurch ein praktiſch geübter Sinn zum - Urtheil über den moralifchen Werth ber Dinge, ſo

wie uͤber ihren aͤſthetiſchen zum Richter beſtellt wird.

Dleſe, in England vorbereitet und auch Ir Deutfhland durch Umſtaͤnde gefordert, warb alſo durch, dichterifche und gelehrte Werke, ia durchs Le ben ſelbſt, von unferm Freunde, in Gefelfchaft von

unzähligen Wohlgefinnten verbreitet.

Haben wir jedoch, in fofern von Anſicht, Geſin⸗ unng, Ueberſicht die Rede ſeyn Tann, Shaftes⸗ burv und Wieland volltommen aͤhnlich gefunden, ſo war doch dieſer jenem an Talent weit uͤberle⸗ gen; denn was ber Englaͤnder verſtaͤndig lehrt und wuͤnſcht, das weiß der Deutihe, in Verfen und Proſa, dichteriih und redneriſch auszuführen.

Su biefer Ausführung aber mußte ihm. die Frau: zoͤſiſche Behandlungswelfe am meiften sufagen. Gel terleit, Wis, Gelſt, Eleganz iſt in Frankreich fchen

247

vorhanden; feine blühende Einbildungstraft, weiche fih jent nur mit leichten und frohen Gegenftänden ' befchäftigen will, wendet fi nach ben Feen- und Rittermaͤhrchen, welde ihm die größte Freiheit ge- währen. Auch bier reicht ihm Frankreich in der Tauſend und Einen Nacht, in der Romanenbiblio- thel fchom halb verarbeitete zugerichtete Stoffe, in⸗ deſſen die alten Schäe dieſes Fachs, welche Deutſch⸗ land befist, noch zoh und ungenleßbar dalagen.

Gerade dieſe Gedichte find es, welche Wielande Nuhm am melften verbreiteten und beftdtigten. Ihre Munterleit fand bei jederman Eingang, und feibft die ernſteren Deutichen ließen fie ſich gefallen! denn alle biefe Werte traten wirklich ‚zur rechten und günftigen Zeit hervor. Sie waren allein dem Sinne gefchrieben, ben wir oben entwidelt haben. Oft unternahm ber gluͤckliche Dichter das Kunſtſtuͤck, ganz gleichgültigen Stoffen durch die Bearbeitung einen hoben Werth zu geben, und wenn es nicht zu laͤugnen iſt, daß er bald den Verſtand über bie höheren Kräfte, bald die Sinnlichkeit über bie fitt- lichen triumphiren Idßt, fo muß man boch auch ge⸗ ftehn, daß am rechten Ort alles, was ſchoͤne See- len nur zieren mag, die Oberhand behalte.

Fruͤher, wo nicht als alle, doch als die meiſten die⸗ fer Arbeiten, war die Ueberſetzung Shakefpear's. Wieland fürchtete niht, durch Studien feiner Ori⸗ ginalitaͤt Eintrag zu thun, ja fchon früh war er über: zeugt, daß, wie burch Bearbeitung fchon bekannter

248

Stoffe, te auch darch Ueberſegung vorbanbene Werte, ein lebhafter reicher Geiſt bie beſte Erauk dung faͤnde.

Shakeſpearn zu uͤberſeßen, war in jenen Tag ein kuͤhner Gedanke, weil felbft. gebifbete Literete ten bie Moͤglichlelt Idugneten, daß ein ſolches Ue ternehmen gelingen koͤnne. Wieland überfegte mit Freiheit, erhafchte den Stun feines Autors, = bei Sefte, was thm nicht "übertragbar fehlen, fo gab er feiner Nation efnen allgemeinen von ben herrlichſten Werken einer andern, Teiwem Zeitalter die Einfiht In die hohe Bildung vergan⸗ gener Jahrhunderte.

Diefe Ueberfegung, To elus steße: Wirkung fie in Deutſchland hervorgebracht, ſcheint auf Wieland felbft wenig Einfuß gehabt zu haben. Er ſtand mit feinem Autor allzuſehr in Widerſtrelt, wie mas genunfam erlennt aus den übergangenen und ausge⸗ laſſenen Stellen, mehr noch aus ben hinzugefuͤgten Noten, aus welchen bie Franzoͤſche Simesart her⸗ vorblickt.

Anderſeits aber finb them die Griechen, in ihrer Maͤßigung und Reinheit, hoͤchſt ſchatzhare Muſter. Er fühle ſich mit ihnen durch Geſchmach verbun⸗ den; Religior, Sitten, Verfaſſung, alles gibt ibm Anlaß, ſeine Vielſeitigkeit zu üben, und da weder bie Goͤtter, noch bie Philoſophen, weder bad Walt noch bie Voͤlker, fo wenig als bie Staats.

+ . 249

und Kriegeleute fich unter einander verteagen, fo findet er überall die erwünfchterte Gelegenheit, in⸗ dem er zu zweifeln. und zu ſcherzen ſcheint, feine billige⸗ duldſame/ menſchliche Lehre wiederholt ein⸗ sufhätfen. |

Zugleich gefält er ſich, problematiſche Charaktere darzuſtellen, und es macht ihm z. B. Vergnuͤgen, ohne Ruͤckſicht auf weibliche Keufchheit‘, das Liebens⸗ wiürdige einer Muſarion, Lais und Phrpne hervor: zubeben, und ihre Lebenswelsheit über die Schul- weishelt der Philofophen zu erhöhen.

Aber auch unter biefen findet cr einen Mann, den er ald Nepräfentanten feiner Gefimumgen aus⸗ biiden mb darſtellen Tann, ch meine -Mirkfkippen. Hier find Phltofephle und Weitgenuß durch eine kluge Begränzung fo helter und waͤnſchens werth verbunden, daß man fich ats Mitlebender in einem fo ſchoͤnen Lande, in fo guter Eefellſchaft zu ſinden wuͤnſcht. Man tritt fo gera mit dieſen unterrich⸗ teten, wohldendenden, geblideten, frehen Menfchen in Verbindung, ja man glaubt, fa lange men in Godanken unter Ihnen wanbelt, auch wie fie geſtunt su ſeyn, wie fie zu denktin.

In dieſen Bezirken erhielt ſich mfer Freund Dura ſorgfuͤltige VBoruͤbungen, welche dem Ueber⸗ ſeter noch mehr als dem Dichter nothwendig ſind; und fo entſtand bet Deutſche Zuchen, ber uns ben Briehifhen um deſto lebhafter darſtellen mußte

. | 230.

als Verfaſſer und Ueberſetzer für wahrhafte Gi verwandte gelten können.

Ein Mann von folhen Talenten aber, prebie er auch noch fo fehr das Gebuͤhrende, wird fd doch manchmal verfacht fühlen, bie Linie des Ar: ftändigen und Schicklichen zu uͤberſchreiten, da von jeher das Sente ſolche Wagftüde unter feine Geredt: fame gesähit»hat. Diefen. Trieb befriebigte te: Iond, indem er fih dem kühnen, außerordentliche⸗ Ariſtophanes anzugleichen fuchte, und die eben fo verwegnen als geiftteihen Scherze durch eigne an: gebotne Grazie gemildert überzutragen wußte. Freilich war zu allen biefen Darftellungen and eine Einfiht in die höhere bildende. Kunſt nörhle, and da unferm Freund niemals dad Anfchauen jener überbliebenen alten- Meifterwerfe gegönnt ‚ward, fo ſuchte ex durch den Gedanken fich zu ihnes zu erheben, fie durch die Einbiibungsfraft zus ver: gegenwärtigen, bergeftalt, daß: man bewundern muß, wie ber vorzüglihe Geiſt fih auch von dem Entfernten einen Begriff zu machen weiß, ja es würde ihm volllommen gelungen feyn, hätte ihn

nicht eben ‚feine lobenswerthe Behutſamkeit abge: -

halten, entichledene Schritte zu thun; denn bie ‚Sunft überhaupt, befonder& aber die ber Alten, läßt fi ohne Enthufiasmus weder faffen noch bes sreifen. Wer nicht mit Erfiaunen und NBewun:

derung anfangen will, ber findet nicht den Iugang

in das IBAcIE Heiligthum. Unſer Freund aber war

/ i

Ü)

251

viel zu bebächtig, und wie hätte er auch In dieſem

einzigen Falle eine Ausnahme von feiner allgemei⸗

nen Lebensregel machen follen ? War er jedoch mit den Griechen durch Geſchmack

nah verwandt, ſo war er es mit. den Roͤmern noch

mehr durch Geſinnung. Nicht daß er fich Durch republi⸗ caniſchen oder patriotiſchen Eiſer haͤtte hinreißen laſ⸗

fen, ſondern er findet, wie er ſich den Griechen ge⸗ wilfermaßen nur andichtete, unter ben Römern wirklich ‚feines Gleichen. Horaz hat viel Aehnliches ‚von ihm; felöft Eunftreih, feibit Hof- und Welt- mann iſt ex ein verftändiger Beurtheller Des Lebens

und der Kunft; Cicero, Philofoph, Redner, Staats⸗

mann ,' thätiger Bürger, und beide aus unſchein⸗ baren Anfängen zu großen Würden und Ehren ge laungt. Fass Wie gern mag ſich unſer Freund, indem er ſich mit den Werken dieſer beiden Maͤnner beſchaͤftigt, in ihr Jahrhundert, in ihre Umgebungen, zu ihren

Zeitgenoſſen verſetzen, um uns ein anſchauliches

Bild jener Vergangenheit zu uͤbertragen, und es gelingt ihm zum Erſtaunen. Vielleicht Fönnte man im Ganzen mehr Wohlmwollen gegen die Menfchen verlangen, mit denen er fich befchäftigt, aber er fuͤrchtet fih fo fehr vor der Parteplickeit, daß er

lieber gegen fie als für fie Partep nehmen mag.

Es gibt zwey Ueberſetzungsmaximen: die eine verlangt, daß ber Autor einer fremden Nation zu and herüber gebracht werde, dergeſtalt, daß wir

*

/

a 252

ihn als den nnfrigen anfehen koͤnnen; bie andere hingegen macht an und die Fordermg, daß wir ung zu dem Sremben hinüber begeben und uns in feine Zuftände, felne Spronhmelfe, feine Eigenheiten finden folten. Die Vorzuͤge von beiten find durch muſterhafte Beiſpiele allen gebilbeten Menfchen ge: nugſam bekannt. Unfer Fremd, der auch bier den Mittelweg ſuchte, war beide zu verbinden beruͤht, doch zog er als Mann von Gefuͤhl und Geſchmuck in zweifelhaften Faͤllen die erſte Maxime vor.

Niemand bat vieleicht fo Iumig empfunden, welch verwickeltes Geſchaͤft eine Ueberfetzung fey, als er. Wie tief war er uͤberzengt, daß nicht das Wert, fondern ber Sinn belebe. Man betratite, wie er in feinen Einleitungen uns erſt in bie Beit zu ver- fegen und mit ben Perfonen vertrant zu machen be⸗ uräht it, wie er alsdann feinen Autor anf eine ung ſchon bekannte, unferem Shm und Ohr vermunbte Weiſe ſprechen kaͤßt, und zuletzt noch manche Ein⸗ zelheit, weiche dunkel biefden, Zweifel erregen, an: froͤßig werben konnte, in Noten awögnlegen und zu Hefeitigen ſucht. Durch dieſe dreyfache Bemuͤhnung fieht man recht wohl, hat er ſich etſt feines Gegen ſtandes bemaͤchtigt, und ſo glibt er ſich deun auch bie redlichſte Mühe, und in ben Fall zu ſetzen, daß feine Einſicht und mitgetheilt werde, auf def wir auch ben Genuß mit ihm theiten.

Ob er nun gleih mehrerer Sprachen mächtis war, ſo Br er fi bach feſt an die beiden, in denen

uns

ww | ——

=.

..

253

uns der Werth und die Würde der Morwelt am reinſten überliefert ift. Denn fo. wenig wir Iäugnen wollen, daß ans ben Fundgruben anderer alten Li⸗ teraturen mancher Schaß gefördert worden und noch zu fördern ift, fo wenig.wird man und mwiderfpre- chen, wenn wir behaupten, die Sprache ber Grie⸗ Ken und Römer habe und bi auf den heutigen "Tag köftlihe Gaben überliefert, die an Gehalt dem üdrigen Beften glei, der Form nad allem andern vorzuziehen find.

Die Deutſche Reichsverfaſſung, weide fo vlele Kleine Staaten in fi begriff, ähnlichte darin der Griechiſchen. Die geringfte, unfcheinbare, ia unſicht⸗ bare Stadt, weil fie ein eignes Sntereffe hatte, - ‚mußte folhes In fi hegen, erhalten und gegen die. Nachbarn vertheidigen. Daher war ihre Jugend fruͤhzeitig aufgewectt und aufgefordert über Staats: verhaͤltniſſe nachzudenken. Und fo war auch Wie- land, ald Sanzleyverwefer einer der kleinſten Reichs⸗ ftädte, In dem Fall, Patriot und im beffern Sinne Demagog zu ſeyn; wie er, denn einmal über einen ſolchen Gegenftand die zeitige Ungnade des benach⸗ barten Grafen Stadion, feines Goͤnners, Lieber auf fih zu ziehen, als unpatriotiſch nachzugeben, bie Entſchließung faßte.

Schon ſein Agathon belehrt uns, daß er auch in dieſem Fache geregelten Geſinnungen den Vorzug gab, indeß gewann er doch Gegenſtaͤnden fo viel An⸗

theil ab, daß alle feine Berhäftigungen und Nei⸗ Goethe's Werte. XXXII. æd. 17

254

gungen in ber Folge ihn nicht hinderten, über bie felben zu denken. Beſonders fühlte er fich aufi neue dazu aufgefordert, als er fih einen bedeuten: ben Elufluß auf die Bildung hoffuungsvoller Fuͤrſter verfprechen durfte. _ Aus allen den Werken, die er in biefer Art ge: liefert, tritt ein weltbärgerlicher Sign hervor, und da fie in einer Zeit gefchrieben find, wo die Macht der Alleinherrſchaft noch nicht erſchuͤttert war, fo If fein Hauptgefhäft, den Machthabern ihre Pflichten dringend vorzuftellen und fie auf das Gluͤck hinzu: weifen, das fie in dem Gluͤck der Ihrigen finden ſollten. Nun aber trat die Epoche ein, in der eine auf⸗ geregte Nation alles bisher Beſtandene niederriß und die Geiſter aller Erdbewohner zu einer allge- meinen Gefehgebung zu berufen fchlen. Auch hier: über erklärt er fi mit umfichtiger Beſcheidenheit und ſucht durch verftändige Vorſtellangen, Die er unter mancherlei Formen verkleidet, irgend efn Gleichgewicht in der bewegten Menge bervorzubrin⸗ sen. Da aber der Tumult der Anarchie Immer N her, wer wird, und eine freiwillige Vereinigung der Maſſe undenkbar erſcheint, fo iſt er der Erſte, der

die Ninberrſchaft wieder anraͤth und den Mann be⸗ zeichnet, ve das inder der Wiederherſtelluns a e ef, daß umfer Treund über

Bedentt man nn pn biefe nicht etwa dreterdrein 1 ſondern

mn

ns.

VLe

255 gleichzeitig geſchrieben, und als Herausgeber eines

vielgelefenen Journals Gelegenheit hatte, ja ge-

nöthigt war, ſich monatith aus dem Stegreife vernehmen zu laflen, fo wird derjenige, der feinem Lebensgange hronologifch zu folgen berufen iſt, nicht obne Bewunderung gewahr werden, mit welcher Aufmerkſamkeit er den rafhen Begebenheiten des Tags folgte und mit welcher Klugheit er fih abe ein Deutfher und ars ein denkender theilnehmenber Mann durchaus benommen hat. Und bier Ift es der Drt, der für Deutfchland fo wichtigen Zeitichrift, des Deutfhen Mercurd, zu gedenken. Diefes

Unternehmen war nicht dag erſte in feiner Art, aber

doch zu jener Zeit neu und bedeutend, Ihm ver- fhaffte fogtelh der Name bed Herausgebers. ein großes Zutrauen: denn daß ein Manu, der felbft dichtete, auch die Gedichte anderer Im die Welt einzuführen verfprah, daß ein Shriftflelfer, dem man fo berrlihe Werke verbanfte, ſelbſt urtheilen,

feine Meinung öÖffentlih bekennen wollte, dleß er-

regte die arößten Hoffnungen. Auch verfammelten fi) wertvolle Männer bald um Ihn her, und bie- fer Verein vorzuͤglicher Litcratoren wirkte fo viel, daß man dur mehrere Jahre hin ſich des Mercure

als Leitfadens in unferer eiterarge ſchlchte bedienen

ann. Auf das Publicum überhaupt bar die Mir- fung groß und bedeutend; denn wenn iauf ber einen

E ‚Seite das Leſen und Urtheilen aber etne größene

Maffe ſich verbreitete, fo ward auch Die Huf, fih

256

augenblicklich mitzutheilen, bei einem jeden rege, der irgend etwas zu geben hatte. Mehr als er er: wartete und verlangte, floß dem Herausgeber zu; fein Gluͤck wekte Nachahmer, ähnliche ne entſtanden, bie erft monatlih, daunn wochen = tagweife fih ins Publicum drängten unb jene Babploniſche Verwirrung hervorbrachten, von ber wir Zenge waren und find, und bie eigentlich daher entfpringt, daß jeberman reden uud mie: mand bören will.

Was ben Werth und die Würde des Deutfchen Merenrs vieie Jahre durch erhleit, war die dem Herausgeber deffelben angeborne Liberalität. Wie⸗ land war nicht zum Parteyhaupt gefchaffen; wer die „Maͤßlgung ald Hauptmarime. anerkennt, darf fih feiner Einſeitigkeit fchuldig mahen. Was feinen regen Gelft aufrelzte, fuchte er durch Menſchenver⸗ fiand und Geſchmack bei fih felbft in's Sleihe zu bringen, und fo behandelte er auch feine Mitarbei- ter, für die er ſich keineswegs enthufiasmirte; und wie er die von ihm fo hoch geachteten alten Autoren,

: Indem er fie mit Sorgfalt überfeßte, doch oͤfters in

den Noten zu befriegen pflegte, fo machte er auch oft gefchäßte, ja geliebte Mitarbeiter durch mißbil⸗ ligende Noten verdrleßlich, ja fogar abwendig.

- Schon früher hatte unfer Freund wegen größerer und fleinerer Schriften gar manche Anfechtung lel- den Ale ‚, um fo weniger konnte es ihm aid

25% Beraudgehet einer Zeitſchrift an literariſchen Feh⸗

den ermangeln. Aber auch hier beweiſ't er ſich als |

immer derfelbe. Ein folder Federkrieg darf ihm niemals lange dauern, und wie ſich's einigermaßen in die Länge ziehen will, fo läßt er dem Gegner Das letzte Wort, und geht feines gewohnten Pfades.

Ausländer haben Tcharflinnig bemerkt, . daß Deutſche Schriftfiellee weniger ald bie Autoren anderer Nationen auf das Publicum Ruͤckſicht neb⸗ men, und daß man daher in ihren Schriften, den Menſchen, der ſich felbit ausbildet, den Menfchen,

der ſich felbit etwas zu Dante machen will, und.

folglich den Charakter beflelben, gar bald abneh⸗

men koͤnne. Diefe Eigenihaft haben wir fchon oben _

Wielanden befonders zugefchrieben, und ed wird um fo intereffanter feyır, feine Schriften wie fein Leben in biefem Sinne zu reihen und zu verfolgen, als man’ früber und ſpaͤter den Charakter unferes Steundes aus eben diefen Schriften verdächtig zu machen fuchte. Gar viele Menfhen find noch jet an ihm irre, weil fie fih vorftellen, der Vielſeitige

muͤſſe gleichgültig und der Bewegliche wankelmuͤthig

feyn. Man bedenkt nicht, daß der Cherakter fich nur durchaus, aufs Praftifche beziehe. Nur in bem, was der Menſch thut, zu thun fortfährt, worauf er behartt, darin zeigt ee Charakter, und In dieſem Stune hat es keinen feitern, fih felbft immer glei⸗

dern Mann gegeben als Wieland. Wenn er fich

der Mannichfaltigfeit feiner Empfindungen, der

y I

‘. 258

Beweglichkeit feiner Gedanken überließ, feinem ein⸗ zelnen Eindruck Herrſchaft über fih erlauben wollte, fo zeigte er eben dadurch die Feſtigkelt und Sicher: beit feines Sinnes. Der gelftreihe Mann fpielte gern mit feinen Meinungen, aber, ich kann alle Mit⸗ lebenden als Zeugen auffordern, niemals mit feinen Gefinnungen. Und fo erwarb er fi viele Freunde und erhielt fie. _ Daß er irgend einen entfchledenen Feind gehabt, iſt mir nicht belannt geworden. Im Genuß feiner dichteriſchen Arbeiten lebte er viele Jahre in ftädtifcher, bürgerlicher, freundlichgefent: ger Umgebung, und erreichte die Anszeichnung eines vollftändigen Abdrucks feiner forgfältig durchgeſe⸗ henen Werte, ja einer Prachtausgabe derſelben. Aber er follte noch im Herbft feiner Jahre den Einfluß des Zeitgelftes empfinden und auf eine nicht vorzufehende Weife - ein neues Leben, eine neue Jugend beginnen. Der Segen des bolden Friedens hatte (ange Zeit über Deutfchland gewaltet, dußere allgemeine Sicherheit und Ruhe traf mit den in- nern, menſchlichen, weltbürgerlihen Gefinnungen gar fhön zufammen: Der friediihe Städter ſchien feiner Mauern nicht mehr zu bedürfen, man entjog fih ihnen, man fehnte ſich auf's Land. Die Sicher: heit des Grundbeſitzers gab jederman Vertrauen, das freie Naturleben zog jederman an, und wie ber gefellig geborne Mensch fich öfters den füßen Trug vorbilden kann, als lebe er beffer, bequemer, froher In der Abgefondertheit, fo fchlen auch Wie⸗

‚259

‚land, ben bereits die hoͤchſte ltterariſche Muße ge⸗ goͤnnt war, ſich nach einem noch muſenhaft ruhigern Aufenthalt umzuſehen; und als er gerade in der Naͤhe von Weimar ſich ein Landgut zuzueignen Ge⸗ legenheit und Kräfte fand, faßte er den Entſchluß, daſelbſt den Reſt feines Lebens zuzubringen. Und bier mögen die, welche ihn öfters befucht, welche mit ihm gelebt, umftändlich erzählen, wie er ge- tabe bier inefeiner ganzen Liebenswürbigleit er- fchien, als Haus- und Familienvater, als Freund und Gatte, befonders aber, weil er fi den Men⸗ fhen wohl entziehen, die Menſchen ihn aber nicht entbehren konnten, wie er als gafifreier Wirth feine gefelligen Tugenden am "anmuthigften ent: wickelte.

Indeß ich num jüngere Freunde zu dieſer idyl⸗ liſchen Darſtellung auffordere, ſo muß ich nur kurz und theilnehmend gedenken, wie dieſe laͤndliche Heiterkeit durch das Hinſcheiden einer theuern mit⸗ wohnenden Freundin und dann durch den Tod ſei⸗ ner werthen, ſorgſamen Lebensgefährtin getrübt worden. Er legt biefe theueren Mefte auf eignem Grund und Boden nieder, und Indem er fih ent ſchließt, die für ihm allzuſehr verflochtene landwirth⸗

ſchaſtliche Beſorgung aufzugeben, und fich des einige Jahre froh genoffenen Grundbeſitzes zu entäußern, -

«fo behält ex fich doch den Plab, den Raum zwiſchen beiden Geliebten vor, um dort auch feine ruhige Stätte zu finden. Und borthin haben denn die

260

verehrten Brüder ihn begleitet, ja gebracht, und

dadurch feinen Thönen und anmuthigen Willen er: fünt, daß die Nachkommen feinen Grabhuͤgel in einem lebendigeg Haine befuhen und heiter ver: ' ehren follten.

Nicht ohne Höhere Veranlaffung aber kehrte der Sreund nach der Stadt zuräd; denn das Merhäit: niß zu feiner großen Goͤnnerin, der Herzosin Mut⸗ ter, hatte ihm jenen Ländlichen Aufenthalt mehr als einmal verduͤſtert. Er fühlte aur zu fehr, was es ihm koſte, von Ihr entfernt zu ſeyn. Er konnte ih⸗

ren Umgang nicht entbehren, und deffelben doch nur mit Unbequemlichkeit und Unftatten genießen. Und

.fo, nachdem er feine Familie bald erweitert, bald

verengt, bald vermehrt, bald vermindert, balb verfammelt, bald zerftreut gefehen, zieht die erha- | bene Färftin ihn In ihren nadhften Kreis. Er kehrt zurüd, bezieht eine Wohnung ganz nahe der fuͤrſt⸗ lichen, nimmt Theil an dem Sommeraufenthalt in Tiefurt, und betrachtet fih nun ald Glied des Han: ſes und Hofes.

Wieland war ganz eigentlich für bie größere Ge⸗ feufhaft geboren, ja bie größte würde fein eigent: liches; Element gewefen feyn; denn weil er nirgends oben an ftehen, wohl aber gern an allem Theil neh⸗ men wollte, und über alles mit Maßigung ſich zu aͤußern geneigt war, fo mußte er nothwendig als angenehmer Geſellſchafter erſcheinen, ia er wäre es

r

m. m vr m

/

261

unter einer leichtern, nicht jede Unterhaltung al ernſt nehmenden Nation noch mehr geweſen.

Denn ſein dichteriſches, fo wie fein literariſch Streben war unmittelbar aufs Leben gerichtet, u wenn er auch nicht gerade immer einen praftifd Zweck fuhte, ein praftifhes Ziel hatte er doch i mer nah oder fern vor Augen. Daher waren fe Gedanken beftändig Har, fein Ausdrud deutlich,

meinfaßlich, und da er, bei ausgebreiteten Ken

niffen, ſtets an dem nterefle des Tags feſthie demfelben folgte, fich geiſtreich damit befchäftig fo war au feine Unterhaltung durchaus mannl faltig und belebend; wie ich denn auch nicht Iel

jemand gelannt habe, weldher das, was von |

dern Gluͤckliches in bie Mitte gebracht wurde, 1 mehr Freudigkeit aufgenommen und mit mehr bendigkeit erwidert hätte.

Beti dieſer Art zu denken, ſich und andere unterhalten, bei der redlichen Abſicht, auf fein 3 alter zu wirken, verargt man Ihin nun wohl ni: daß er genen die neuern philofophifhen Schulen nen Widerwillen faßte. Wenn früher Kant Heinen Schriften nur von feinen größern Anfich

prpraͤludirte, und in heitern Formen felbft über

wichtigſten Gegenftände. fih problematifch zu aͤuß ſchien, da ftand er unſerm Freunde noch nah nug; als aber das ungeheure Lehrgebäude errid war, fo mußten alle die, weiche fich bisher In frei Leben, bichtend fo wie philofophirend ergangen |

Berg 262

ten, fie-mußten eine Drobburg, eine Zwingfefte daran erbiiten, von woher ihre heitern Streif- zuͤge über dad Feld der Erfahrung befchränft wer: den ſollten. j Aber nicht allein für den Phlloſophen, auch für den Dichter war, bei der neuen Geiſtesrichtung, Tobald eine große Maffe fich von ihr hinziehen Ließ, viel, ja alles zu befürchten. Denn ob 28 gleich im Anfang fheinen wollte, als wäre bie Abficht über- Haupt nur auf Wiſſenſchaft, fodenn auf Sittenichre und was hievon zundchft abhängig iſt, gerichtet, fo war doch leicht. einzufehen, daß wenn man jene wid- tigen Angelegenheiten des höheren Willens und bes firtlihen Handelns, feiter als bisher gefhehen,, zu begründen dadte, wenn man dort ein firengereg, in fi mehr zufammenhängendes, aus den Tiefen Her Menschheit entwideltes Urtheil verlangte, daß man, fag’ ih, den Geſchmack auch bald auf ſolche Grundfäge hinweiſen, und deßhalb fuchen würde, Individuelles Gefallen, zufällige Bildung, Volks⸗ eigenheiten durchaug zu befeitigen, und ein allgemet- neres Gefeh zur Entſcheldungsnorm heroorzurufen. Dieß gefchah auch wirklich, und in der Poeſie that fh eine neue Epoche hervor, welde mit unferm Sreunde, fo wie er ‚mit Ihr In Wißerfpruch ſtehen mußte. Von diefer Zeit an erlebte er manches un⸗ billige Urtheil, ohne jedoch fehr davon gerährt zu werden, und ich erwähne biefes Umſtands hier aus: druͤcklich, weit der daraus in der Deutfhen Literatur

. Be

263

entftanbene Sonfict noch keineswegs beruhigt und ausgeglichen iſt, und well ein Wohlwollender, wenn er Wielands Verdienſt ſchaͤhen und fein Andenken kraͤftig aufrecht erhalten will, von der Lage der Dinge, von dem Herankommen ſo wie der Folge der Meinungen, von dem Charakter, den Talenten der mitwirkenden Perſonen genau unterrichtet ſeyn muͤßte, die ‚Kräfte, bie Verdlenſte beider Theile wohl kennen, und, um unpartepifch zu wirken, beiden Parteyen gewiffermaßen angehören.

Doc von jenen hieraus entforungenen, Hleineren oder größeren Senden zieht mich eine ernfle Betrach⸗ tung ab, der wir und nunmehr zu überlaflen haben.

Die zwiſchen Infern Bergen und Hügeln, In un fern anmuthig bewäflerten Thaͤlern viele Jahre gluͤcklich angeſiedelte Ruhe war ſchon längit durch Kriegs zuͤge wo nicht verſcheucht, doch bedroht. Als der folgenreiche Tag anbrach, der uns in Erſtaunen

und Schreden ſetzte, da das Schickſal der Welt in

unfern Spazlergängen entfchleben ward, auch In die⸗ fen fhredlihen Stunden, denen unfer Freund ſorg⸗ 108 entgegenlebte, verließ ihn dag Gluͤck nicht; denn er ward, erſt durch’ die Worforge eines jungen ent⸗ f&loffenen Freundes, dann durch bie. Aufmerkſam⸗ keit der Franzoͤſiſchen Gewalthaber gerettet, die in (hm den verbienten weltberühmten Schriftfteler und. zugleih ein Mitglied ihres großen

Juſtituts verehrten.

/

264

Er hatte bald hierauf mit und allen den ſchmerz⸗ lihen Verluſt Amaltens zu ertragen. Hof und Stadt waren eifrig bemuͤht, Ihm jeden Erfab zu rei: hen, und bald Darauf ward er: von zwey Kaiſern mit Ehrenzeihen begnadet, dergleichen er in feinem langen Leben nicht gefucht, ia nicht einmal erwar⸗ tet hatte.

Aber fo wie am trüben, fo auh am heitern Tage war er fich felbft gleih, und ef bethätigt hie: durch den Vorzug zartgebildeter Naturen, deren mittlere Cmpfänglichleit dem: guten wie dem böfen Geſchick mäßig zu begegnen verſteht.

Am bewunderungswuͤrdigſten jedoch erfchlen er, koͤrperlich und geiftig betrachtet, nach dem harten | Unfall, der ihn in fo-hohen Jahren betraf, als ee buch den Sturz des Wagens zugleich mit einer ger liebten Tochter höchlich verlegt ward. Die ſchmerz⸗ lichen Folgen des Falles, bie Langeweile der Gene- fung ertrug er mit dem größten Gleichmuth, und tröftete meht feine Freunde als fich ſelbſt durch die Aenßerung: es ſey ihm niemals ein dergleichen Un⸗ glück begegnet, und es möge den Göttern wehl bil⸗ ig gefchlenen haben, daß er auch auf dieſe Weife die Schuld der Menfchbeit abtrage. Run genas er ‚auch bald, Indem fich feine Natur wie bie eines Zünglinge ſchnell wieder herftellte, und ward uns dadurch zum Zeugnis, wie ber Sartheit und Rein⸗ heit auch eine hohe phyſiſche Kraft verliehen fey-

——— ——

965 F

Wie ſich nun ſeine Lebensphiloſophie auch bei die⸗ fer Prüfung bewährte, fo brachte ein ſolcher Unfall Seine Veränderung in der Geſinnung noch in feiner Lebensweife hervor. Nach feiner Genefung gefellig wie vorher, nahm er Theil an den herfümmtichen Unterhaltungen des umgänglihen Hof- und Stadt- Tebens, mit wahrer Neigung und anhaltenden Be⸗ muͤhen an den Arbeiten. der verbundenen Brüder. - So ſehr auch jederzeit fein Blick auf das Irdiſche, - auf die Erkenntniß, die Benußung deſſelben gerich- . tet fbien bes Außerweltlichen, des Heberfinnlichen konnte er doch, als ein vorzäglihbegabter Mann, keineswegs entbehren. Auch bier trat jener Con⸗ flict, den wir oben umſtaͤndlich zu ſchildern für Pflicht gehalten, mertwürdig hervor; denn Indem er alles abzulehnen fhlen, was außer den Gränzen ber all: gemeinen Erfenntniffe liegt, außer dem Kreiſe defs fen, was fih durdy Erfahrung bethätigen läßt, fo konnte er fich doch niemals enthalten, gleihfam ver⸗ ſuchsweiſe, über die fo ſcharf gesogenen ‚Linien wo nicht binauszufchreiten, doch hinüber zu bilden und fih eine außermweltiihe Welt, einen Zuftand, von bem ums alle angebornen Seelenträfte keine Kennt niß geben Fönnen, nach feiner Weiſe aufzuerbanen und darzuftellen.

Einzelne Züge feiner Schriften geben hiezu man⸗ nichfaltige Belege, befonderd aber darf ich mich auf- feinen Agathodaͤmon, auf feine Euthanafle berufen, ia auf jene ſchoͤnen, fo verftändigen als herzlichen

A

*

266

Aeußerungen, die er noch vor kurzem offen und un

bewunden diefer Verſammlung mitthellen mögen. Denn zu unferm Brüberverein hatte fi in Ihm eine vertrauensvolle Neigung aufgethan. Schon als

Juͤngling mit demjenigen befannt, was uns von ben,

Mofterien der Alten Hiftortfch überliefert worden, floh er zwar nach feiner heitern, Karen Siunesart jene trüben Geheimniſſe, aber verläugnete ſich nicht,

- daß gerade unter diefen, vielleicht feltfamen Häfen

—*

zuerſt unter die rohen und finnlihen Menſchen hoͤhere Begriffe eingefuͤhrt, durch ahnungsvolle Symbole maͤchtige, leuchtende Ideen erwedt, ber Glaube an einen uͤber alles waltenden Gott eingeleitet, die Tugend wiufhenswerther dargeſtellt, und die Hoffnung auf die Fortdauer unſers Daſeyns ſowohl von frifhen Schreduiffen eines trüben Aberglau- bens, als von den eben fo falfhen Forderungen ei⸗

‚ner lebendiuftigen Sinnlichkeit gereinigt werben.

Nun als Greis von fo vielen wertben Freunden und Seitgenoffen auf der Exrde-zurüdgelafien, ſich in, manchem Siune einſam füplend, näherte er ſich unferm theueren Bunde. Wie fro& er in denſelben

befucht, unfern Augelegenheiten feine Aufmetkſam⸗ keit gegönnt, fich der Aufnahme vorzäglicher junger

Männer erfreut, unfern ehrbaren Saftmahlen beige:

wohnt, und fih nicht enthalten, über manche wich⸗

‚tige Angelegenheit feine Gedanken zu erdffuen, da⸗

son find wir alle Zeugen, wir haben es freundlich

a ——

‚getreten, wie anhaltend er unſere Verſammlungen

267

und dankbar anerkannt. Ja wenn dieſer altgegruͤn⸗ dete und nach manchem Zeitwechſel oft wieder her⸗ geſtellte Bund eines Zeugniſſes beduͤrfte, fo würde hier das volllommenſte bereit ſeya, indem ein ta⸗ lentreicher Mann, verſtaͤndig, vorſichtig, umſichtig, erfahren, wohldenkend und mäßig, bei uns ſeines Gleichen zu finden glaubte, fih bei ung In einer Ge⸗ ſellſchaft fühlte, die er, der beften gewohnt, . ale Vollendung feiner menſchlichen and gefelligen Wün= ſche fo gern anerkannte.

Bor diefer fo merkwürdigen und hochgeſchaͤßten Verſammlung, obgleih von unfern Meiftern aufge- "fordert, über den Abgefchledenen wenige Worte zu fprehen, würde ich wohl haben ablehnen dürfen, in der Betrachtung, daß nicht eine flüchtige Stunde, Leichte, unzufammenhängende Blätter, ſondern ganze Jahre, ja manche wohl uͤberdachte und geordnete Bände nöthig find, um fein Andenken ruͤhmlich zu feyern, neben dem Monumente, das er fi) ſelbſt in feinen Werken und Wirkungen würdig errichtet hat. Auch übernahm ich dieſe ſchoͤne Prlicht nur in der Be- trachtung: es könne dad von mir Worgeträgene dem ‚zur Einleitung dienen, was künftig, bei wiederholter Feyer feines Andenkens, von andern befler zu leiſten wäre. Wird es unfern verehrten Meiftern gefallen, mit diefem Auffag in ihre Lade alle dasjenige nie- derzulegen, was öffentlich über unfern Freund er- ſcheinen wird, nod mehr aber dasjenige, was unfere Brüder, auf die er am meiften und am eigenften ge=

i 268 wirkt, welche eines ununterbrochenen nähern Um⸗

gangs mit ihm genoffen, vertraulich äußern und mit-

theilen möchten, fo würde biedurd ein Schaß von

Thatfahen, Nachrichten und Urtheilen gefammelt, |

welcher woht einzig in feiner Art ſeyn dürfte, und

- woraus denn unfere Nachkommen fhöpfen könnten,

um mit ftandhafter Neigung ein fo wuͤrdiges An- denken immerfort zu beſchuͤtzen, zu erhalten und zu verklaͤren.

41426174

“.