“s u - 7 “ £ a a re ; 4 LEN v Hanerz werıee =. Ä Y ange EB ae „n | E | 5 z N ER Ar A - “ \ rg | | - | & ne Ann B e on 2 - - y Be 2. Ya Ne w we Br .e % Pflanzei-deratologie . Dr. Albert Wigand. Marburg Elwert’sche Universitäts-Buchhandlung. 1850. ee Grundlegung Pflanzen-Teratologie, Gesichtspuncete für die wissenschaftliche Betrachtung der Bildungsabweichungen im Pflanzenreiche. Nebst einem Excurs über die morphologische Bedeutung des Pistills der Leguminosen, Liliaceen, Primulaceen und über den Begriff des Blattes. LIBRARY NEW york Von BOTANICAL \ G & R D E IN h Dr. Albert Wigand, Privatdocent an der Universität Marburg. Marburg. Elwert’sche Universitäts-Buchhandlung. 1850. LIBRARY NEW YORK BOTANICAL I n h da l .i GÄARDEN Seite ee a Pe Bee Erstes Capitel. Ueber das Verhältniss der Bildungsabweichungen zu der Gesetzmässigkeit in der Natur und die Bedeu- tung derselben für morphologische Fragen im All- Bemzmen. "ur . ma he Zweites Capitel. Ueber das Verhältniss der Bildungsabweichungen zu bestimmten morphologischen Gesetzen. — Beurthei- lung und Classification i A. Gesetz der Vertheilung licher Blü- thentheile an die zwei Hauptsysteme der Pflanzengestalt. — Morphologische Deu- tung der einzelnen Organe Blüthendecke Staubfaden Nebenblumen Pistill . Placenta Saamenknospe . Appendiculare Organe B. Die Gesetzmässigkeit nee a we tamorphose selbst . I. Stufenartiges Fortschreiten der ER NL II. Anzahl der Metamorphosenstufen 14 19 26 26 26 27 34 36 40 42 48 50 IV Seite II. Anzahl der Organe für die einzelnen Meta- morphosenstufen Zum. 2225 en.» IV. Stellungsverhältnisse der Blüthentheile, Falle gesetz, Regelmässigkeit und Verwachsung in- nerhalb der Wirtel Bi ee ee, V. Das stufenartige Fortschreiten der Metamor- phose im Verhältniss zu der Stellungsweise der Organe . . . N VI. Reihenfolge der Heiler 64 VII. Ueber das Gesetz der Einheit unter den Metamorphosenstufen . 2 222 20.2..68 VIH. Ueber die nähere Beziehung je zweier Meta- morphosentufen . . 2 2 2.02... 81 C. Die Metamorphose des Axensystems. . . 84 a. Entwickelung der Stengelglieder . . . . 8 - b, Fortbildung. der Hauptaxe - .. ........ 86 e. Entwickelung der Seitenxen . ....69 d. Entwickelung der Adventivknospen . . . 94 D. Die Metamorphose im Blüthenstand . . . 95 E. Die Metamorphose bei den niederen Ge- wächsen Wr... sowbladliesh a ee Drittes Capitel. Das Maass der Gesetzmässigkeit der Metamorphose nachweisbar an den Bildungsabweichungen . . . 100 Anhang. I. Ueber die morphologische Bedeutung des Pistills bei den Leguminosen, Liliaceen und Primulaceen . . . . 114 II. Ueber den Begriff des Blattes . » 2 2 0 .2...127 Qui enim vias naturae noverit, is devia- tiones facilius observabit; at rursus, qui de- viationes noverit, is accuratius vias desecribit. Baco, Nov. org. Lib. II. n. 29. EDen Bildungsabweichungen der Gewächse hat man sich von jeher mit einem allgemeinen und lebhaften aber zu- gleich sehr verschiedenartigen Interesse zugewandt. Anders scheinen diese Bildungen im Auge des Blumisten und des Landwirths, anders in dem des Systematikers, wiederum anders in dem des Morphologen. Wenn für sie unsere Ziergärten recht eigentlich Pflegestätten sind, wenn es die Lust ihres. Pflegers ist, die Natur zu drängen und zu schrau- ben, um ihr zum Kitzel des Auges und des Geruchs mehr abzugewinnen, als sie freiwillig gibt, während die Einfalt der ungekünstelten Blume verachtet wird, — so stehen in den Augen eines Menschen, der mit unverdorbenem Ge- schmack noch seine Freude an den ursprünglichen, freiwil- ligen, einfach schönen Bildungen der Natur bewahrt hat, jene Künste des Blumisten, so weit es auf Naturgenuss ankommt, nicht höher als die des Landwirths, der sich darin gefällt, möglichst fleischige Kohlköpfe tür die Küche zu erzielen. Anders denkt der Systematiker; er hasst die misgebildete Blume, wäre sie auch noch so schön, weil‘ 1 2 sie ihn (wie Wildenow sagt) — bei Bestimmung der Gattung im Stiche lässt. — Dagegen gibt es Andere, welche, indem sie den Monstrosiläten eifrig nachjagen,, zwar durch keine materiellen Rücksichten bestimmt werden, vielmehr , als wären sie an den normalen Formen halb gesätligt, eben nur ihr Vergnügen daran haben, zusehen, „wie doch die Natur spiele“; aber diese Art der Betrachlung ist selbst ein müssiges Spiel, wenigstens kommt dabei der Grund, warum dieses Spielen der Natur wirklich von Interesse ist, kaum zum Bewusstsein; es dünkt mich, dass diese An- sicht gröstentheils der grossen Aufmerksamkeit, die man heutigen Tags den Misbildungen schenkt, zu Grunde liege, dass selbst die vielen Sammlungen von Beschreibungen der- selben jene unbewusste Curiositätenliebhaberei im Hinter- ‚grund haben. — Daneben kann aber auch eine würdigere Ansicht nicht verkannt werden, die auf wissenchaft- lichem Gebiet sich in unserer Zeit immer mehr Geltung zu verschaffen im Begriff ist, und die in jenen Bildungen Weg- weiser sieht, um die Gestaltungsgesetze zu erkennen, indem durch sie die Hüllen, mit welchen bei den normalen Er- scheinungen so häufig das ursprüngliche Wesen verdeckt ist, zu heben im Stande seien. Es scheint jedoch, als ob diese Ansicht unserer grösten Botaniker, eben weil man sich nicht genügende Rechenschaft darüber gegeben hat, was man im Allgemeinen von Misbildungen zur Erforschung morphologischer Gesetze, namentlich gegenüber andern Me- thoden, erwarten dürfe, fast durchgängig eine einseilige Ueberschätzung jener Bildungen zur Folge gehabt hat, wäh- rend andere Seiten mehr oder weniger unbeachtet geblieben sind. Es möchte unter solchen Umständen nicht überflüssig sein, jene Frage einmal nach möglichst vielen Seiten in Betracht zu ziehen; indem ich diess auf den folgenden Blättern versuchen will, lasse ich natürlich alle anderen In- teressen, welche sich auf die Misbildungen um ihrer selbst ‘willen beziehen, bei Seite liegen, und gehe aus von der 3 auf wissenschaftlichen Gebiet allein berechtigten Würdigung derselben in ihrem Verhältniss zu den Geselzen des nor- malen Pflanzenlebens. Die Frage ist die: was ist Misbil- dung ? was lässt sich im Allgemeinen von ihrer Betrach- tung für die Erkennntniss des Pflanzenlebens erwar- ten? was können wir im Besonderen wirklich daraus lernen und was nicht lernen? Es handelt sich darum, im Gebiet der Misbildungen die für die Morphologie fruchtbaren Punkte aufzusuchen. Eine vollständige Ausführung hiervon und eine Zusammenstellung der beobachteten Fälle indiesem Sinne würde den Namen einer wissenschafllichen Disciplin verdienen, während derselbe den bisherigen Büchern über diesen Gegenstand , weil sie die Misbildungen meist nur an und für sich betrachtet nach künstlichen Gesichtspunkten zusanımentragen, nicht zukommen kann, auch dann nicht, wenn wie in M. Tandons Pfllanzenteratologie die vortrefllich- sten allgemeinen morphologischen Grundsätze an die Spitze eines jener Principien selbst fast gänzlich entbehrenden Curiositätenverzeichnisses gestellt sind. Am bestimmtesten hat Bischoff, auch bei der Behandlung der Beispiele selbst, morphologische Ansichten festgehalten; Aehnliches habe ich bei Hamdurger an einem andern Orte anerkannt. Durch- greifender,, hoffe ich , ist die folgende Darstellung, worin ich mich indess darauf beschränken muss, nur Gesichis- puncte namhaft zu machen, nach welchen mir die Misbil- dungen von der Ansicht der normalen Bildungen aus beo- bachtet, gewürdigt und wissenschaftlich behandelt werden zu müssen scheinen. Eine Aufzählung der einzelnen Fälle selbst liegt ausser meinem Zweck, und ich brauche in dieser Beziehung nur auf die reichen, wenn auch für die leizte Zeit nicht mehr vollständigen Sammlungen von Jäger, De- candolle, Engelmann , Moquin-Tandon u. A. zu verweisen; nur einzelne Puncte werde ich etwas ausführen und dabei entscheidende und sonst bemerkenswerthe Fälle hervor- heben. — Die vorstehende Abhandlung steht in Beziehung zu 4* . 4 einer früher von mir erschienenen Schrift *), indem einige hier auszuführende Punkte dort bereits angedeutet sind, bei andern von hier auf die dortige Ausführung zu verweisen ist. Erstes Capitel. Ueber das Verhältniss der Bildungsabweichungen zu der Gesetzmässigkeit in der Natur und die Bedeutung derselben für morphologische Fragen im Allgemeinen, Naturgesetz ist die unabänderliche Nothwendigkeit, mit welcher unter bestimmten Bedingungen die Naturkräfte sich in bestimmter Form äussern. Je einfacher diese Bedingungen sind, d. h. eine je geringere Zahl von Kräften gleichzeitig aufeinander wirken, desto allgemeiner ist das Gesetz, wäh- rend dasselbe um so specieller wird, je mehr Kräfte vor- handen sind, die einander zum Theil entgegenwirken. In der organischen Natur, insbesondere in der Gestaltenbil- dung herrschen so gut Naturgesetze als im kosmischen Leben, sie sind aber durch die complicierten Bedingungen selbst so compliciert, dass wir kaum von einem derselben eine theoretische Erkenntniss haben, und dieselben uns zu- nächst kaum mehr als blosse Regeln sind. Es giebt auch hier allgemeinere (primäre) und speciellere (secundäre) Gesetze, die nur für gewisse Gruppen von Formen, sei es innerhalb der Gesammtheit der Individuen oder an ein- . zelnen Individuen, gelten. Die Typen der verschiedenen Gruppen sind eben die Träger, die Formen dieser spe- ciellen Gesetze. Der individuelle Typus ist der Ausdruck *) Kritik u. Geschichte der Lehre von der Metamorphose der Pflanze. Leipzig 1846. 5 eines organischen Gesetzes, nämlich das Product der in grossen Compliciertheit aber in einem bestimmten Verhältniss zu einander wirkenden Kräfte des kosmischen Lebens. Das Constantbleiben dieses Verhältnisses hat die Wiederholung derselben individuellen Form zur Folge, welche uns dess- halb normal erscheint. — So lange man eine Gesetz- mässigkeit in der Natur annimmt, wozu uns Alles nöthigt, so lange kann man nicht von Ausnahmen von einem Gesetz reden; dies wäre entweder logisch unrichtig, weil das Gesetz seinem Begriff nach unabänderlich ist, oder die Ausnahme wäre als Wunder zu fassen und läge dann ausser dem Bereich der Wissenschaft. Vor Allem müssen wir die Art, wie wir zur Kenntniss eines Gesetzes gelangen, fest- halten, und dass dies lediglich durch vernunftmässige Er- fassung empirisch wahrgenommener Thatsachen geschieht; es muss deshalb alles Gegebene, auch das, was uns nach der bisherigen Erkenntniss als Abweichung erscheint, unter das Gesetz subsumiert werden. Wenn uns Formen begeg- nen, welche von dem Typus als dem Ausdruck eines Ge-. setzes abweichen, so ist das kein Zuwiderlaufen gegen das letztere, sondern eben nur ein Beweis, dass wir diesen Typus, das Gesetz noch nicht in der gehörigen Allgemein- heit gefasst haben. Wenn. man die sog. Misbildungen, d. h. solche bei einzelnen Pflanzen-Individuen beobachtete Bildungen, welche von dem bei verwandten, in allen üb- rigen Stücken übereinstimmenden Individuen erkannten Typus abweichen, gegenüber diesen andern Individuen be- trachtet, dann lehren sie uns die weitesten Grenzen der Gestaltungsgesetze. bei den Pflanzen und die Beweglichkeit der Natur innerhalb dieser Grenzen kennen, während die verwandten normalen Bildungen engere Grenzen einhalten, sie leisten uns auf diese Weise ungefähr dasselbe, was die vergleichende Betrachtung der normalen Formen leistet, zum Theil in einem höhern Grade, weil sie jene Grenzen oft noch weiter öffnen als die letziern. Damit stimmt der 6 von M.-Tandon (Pflanzenteratologie übers. von Schauer p. 175) ausgesprochene Satz überein : dass die Abweichung eines Gewächses vom Typus seiner Art den habituellen Bildungszustand eines andern Gewächses darstelle, Ja es lässt sich denken, obgleich es nicht nachzuweisen ist, dass alle die verschiedenen Pflanzenformen auf dieselbe Art wie die Monstrosiläten entstanden und nur beständig geworden sind. — Bestimmter stellt sich die Bedeutung und das In- teresse der Misbildungen heraus, wenn man dieselben nicht mit andern verwandten Individuen und dem aus den letz- tern abstrahierten normalen Typus vergleicht, sondern in Beziehung zudem Wesen, dem Bildungsgesetze desselben Individuums betrachtet, an welchem sie beobachtet wer- den, indem man annimmt, dass dieses als misgebildet wahr- genommene Individuum unter andern und zwar unter den normalen Bedingungen eine andere und zwar eine nor- male Entwickelnng erfahren haben würde. Dann ist schein- bar ein Gesetz gestört; in der That aber nicht, sondern ‚jenes Geselz war an bestimmte Bedingungen gebunden, und durch Veränderung der letztern muss auch das Gesetz mit- hin jener individuelle Typus in einer andern For erscheinen. Hier sind nur zwei Fälle möglich. Entweder, es fallen ge- wisse Bedingungen weg, und damit wird die durch dieselben bedingte Beschränkung eines allgemeinen Gesetzes aufge- hoben, so dass dieses letztere wieder frei hervortritt, — oder es kommen neue Verhältnisse zu den alten hinzu und machen, dass das an dieselben gebundene Gesetz noch specieller wird, sich noch weiter von einem allgemeinern Gesetz entfernt. Ein Beispiel möge zunächst den ersten Fall verdeutlichen. Dass jeder Körper von der Erde an- gezogen wird, ist ein allgemeines Gesetz; zugleich aber ist die Erde von einer schweren Athmosphäre umge- ben; wenn nun Körper, die leichter als Luft sind, dem Zug der Erde nicht folgen, so ist das eine compliciertere (se- kundäre) Gesetzmässigkeit. Wird aber jene Beschränkung, 7 die schwere Luft (z. B. unter der Glocke der Luftpumpe) aufgehoben, so tritt das allgemeine Gesetz der Anziehung wieder in Kraft, der Körper fällt nieder, — eine Erschei- nung, welche dem, der an jene Beschränkung gewöhnt ist und von der Aufhebung derselben nichts weiss, als ein Gesetzwidrigkeit. vorkommt, was sie doch keineswegs ist. Noch leichter ist diese Täuschung in der organischen Nalur, wo jene Bedingungen noch viel complicierter mithin die entsprechenden sekundären Gesetze von viel zahlreicheren Graden, beide deshalb viel schwieriger zu erkennen sind. Bei einem hierher gehörigen Beispiel aus der organischen Welt können wir deshalb nur die Gesetze aussprechen, die Bedingungen müssen einstweilen suppliert werden. Ein allgemeines Gesetz der höhern Pflanzenwelt ist, dass aus ‚den Winkeln der Blätter Knospen entspringen; durch irgend welche Umstände beschränkt erscheint dieses Gesetz in der Blüthe, deren Blattorgane keine Axillarknospen erzeugen, als ein secundäres; fällt die beschränkende Bedingung hin- weg, so lritt das Gesetz der Knospenbildung wieder frei hervor. — Oder, die Entwickelung gewisser Formen er- leidet in Folge eines secundären Gesetzes gewisse Modi- ficationen, wodurch das Product von der ursprünglichen "Anlage abweicht (Stengelblatt-Staubfaden), in gewissen ab- normen Fällen bleibt aber die abändernde Bedingung aus, und das Product entspricht der ursprünglichen Anlage als Ausdruck jenes allgemeinen Gesetzes. In der Wissenschaft handelt es sich nun darum, dieses allgemeine Gesetz kennen zu lernen, und in der That ist deshalb von den abnormen Bildungen, insofern dieselben auf einer ungewöhnlichen Aufhebung gewisser sekundären Umstände beruhen, über wichtige Fragen Licht zu erwar- ten. Sie zeigen verwandte Formen, die durch complicierte Bedingungen ein in hohem Grade unter einander abweichen- des Ansehn "gewonnen haben, in ihrer ursprünglichen Uebereinstimmung und geben Veranlassung , in einer Menge 8 von Bildungen, die oberflächlich angeschaut durchaus ver- schieden sind, eine einzige Grundform wieder zu erkennen; sie lassen Theile, welche durch beschränkende Bedingungen normal in ihrer Entwicklung zurükgeblieben und deshalb in ihrer Existenz kaum zu erkennen sind, in grossen Um- rissen hervortreten; sie offenbaren das nur in der Anlage existierende Verhältniss mehrerer Theile zu einander, wel- ches im Lauf der normalen Entwickelung vielfach verschoben und abgeändert ist, in seiner ursprünglichen Reinheit; sie sind lehrreich, indem sie auf diese Weise dem blossen Auge das in grossen derben Zügen vorführen, was sonst nur die schwierige Beobachtung der Entwickelungsgeschichte nachweist, ja sie leisten zuweilen mehr als diese, indem sie durch. Verwirklichung solcher Bildungen, die in der Regel potentia vorhanden sind (durch Beschränkung des allgemeinen Gesetzes vor dem Auftreten derselben), welche deshalb nicht durch die directe Beobachtung nachgewiesen sondern ihrer potentia nach nur durch Analogie aus dem allgemeinen Bau der Pflanze geschlossen werden können. Dafür gibt aber folgende Betrachtung nicht unwesentliche Einschränkungen. Kehren wir noch einmal zu dem oben angeführten physikalischen Beispiel zurück, so ist es wahr, dass unter den dorligen Annahmen der leichte Körper in Felge der frei wirkenden Erdanziehung niederfällt, desshalb ist aber noch nicht allgemein der Schluss giltig, dass die . auffallende Erscheinung, wenn man irgend einen Körper, der leichter als Luft ist, niederfallen sieht, nothwendig dem Fehlen der hemmenden Athmosphäre, dem Wirken der allgemeinen Schwere zuzuschreiben, indem der Körper ja wohl auch durch einen andern Umstand ein Anstoss be- kommen haben. könnte. ‚Diess war der oben angedeutete zweite Fall. Im ersten Fall sind die Bedingungen einfacher, im zweiten complicierter, im ersten ist das- Gesetz allge- meiner, im zweiten specieller. Welcher von® beiden Fällen wirklich stattfinde, lässt sich aus der blossen Wahrnehmung 9 des Niederfallens und aus der Kenntniss der gewöhnlichen Bedingungen nicht erischeiden. Dies ist wohl zu merken für die organischen Formen; denn die denselben zu Grunde liegenden Gesetze sind nicht allein ungleich complicierter als die der kosmischen Erscheinungen, sondern sie sind auch noch gar nicht einmal so bekannt, dass wir darin die verschiedenen Momente sondern könnten. Kennen wir doch weder das Bildungsgesetz des urspünglichen Typus, noch das der Modification des letzteren, noch die Bedingung, welche die Modification hervorgerufen hat, resp. durch ihre Aufhebung jenen Typus wieder hervortreten lässt; andrer- seits ist es wieder eine ganze Menge gänzlich unbekann- - ter Einflüsse, welche die abnorme Bildung veranlasst haben könnten, so dass wir durchaus nicht mit Sicherheit die Ur- sache derselben in dem Freiwerden eines primären Ge- setzes suchen dürfen. Könnten nicht stalt des letziern Falles vielmehr im Gegentheil neue das alte Gesetz be- schränkende Umstände hinzugekonmen und so das secundäre Gesetz.nicht dem primären sondern einem tertiären ge- wichen sein, indem die abnorme Form sich als Modifica- tion ähnlich zu der normalen wie diese häufig zu der ur- sprünglichen Anlage verhielte, und zwar so, dass beide Modificationen in einerlei Richtung erfolgend einander verstärkten anstatt sich aufzuheben? — Es ist schon hie- raus klar, dass hei morphologischen Fragen die Betrachtung der Bildungsabweichungen keine absolute Entscheidung geben können. Zu dieser Einschränkung für die Anwen- dung der Misbildungen in der Morphologie kommt aber von anderer Seite her eine andere hinzu. Gesteht man nämiich einstweilen dieser Anwendung eine Berechtigung zu, so muss man doch nolhwendig von der Beobachtung der ab- normen Bildungen fordern, dass sie gründlich, der Natur angemessen sei; nun gilt aber offenbar für dieselben die gleiche Regel, wie für das Verständniss der Pflanzen-Formen überhaupt : dass nämlich (bei der grossen Mannigialtigkeit 10 und Beweglichkeit der vegetabilischen Gestalten und bei den vielen Ursachen, welche dieselben undeutlich machen können) die Natur eines bestimmten Formtypus nur durch die Betrachtung seines Bildungsprocesses offenbar wird, — dass man sich überzeugen muss, ob dieses Wesen sich von Anfang an gleich geblieben, oder im Laufe der Entwicke- lung abgeändert ist. Diess gilt für die Natur eines einzel- nen Organs wie für das Verhältniss mehrerer Organe. Will man z. B- aus der abnormer Weise vorkommenden Regel- mässigkeit einer gewöhnlich unregelmässigen Blüthenform auf einen ursprünglich regelmässigen Bau schliessen, so muss man doch zuerst gewiss sein, dass: die Abnormität nicht selbst erst während ihrer Ausbildung regelmässig ge- worden , aber unregelmässig angelegt sei; man muss also auf ihre ersten Anfänge zurückgehen. Abgesehen aber da- von, dass sich Misbildungen streng genommen gar nicht in ihrer Entwickelung beobachten lassen, so ist auch klar, dass man auf demselben Wege durch die Eniwickelungs- geschichte der normalen Bildung zum Ziele selbst und zwar viel sicherer hätte kommen können. Denn zum Ziele selbst, zur Einsicht des allgemeinen Bildungsgesetzes führt auch die gründlichste Beobachtung der Misbildung dennoch nicht, weil nun erst noch die oben ‘dargestellte Einschränkung sich geltend macht: dass nämlich nicht blos innerhalb des Entwickelungsganges jener bestimmten „Organe sondern, nach dem Obigen, in dem gesammten Lebensprocess der Pflanze ungewöhnliche Momente eine Abweichung her- vorgerufen haben könnten, wodurch eine Abnormität selbst in der Anlage jener Organe bedingt würde. — Nähere Bestimmungen dieser allgemeinen Andeutungen werden sich unten bei der speciellen Ausführung selbst ergeben. Die obige Betrachtung beschränkt, wie man sieht, nur die absolute Entscheidungsfähigkeit der Bildungsabweichungen in der Morphologie , keineswegs aber kann der Anwendung derselben überhaupt ihre Bedeutung abgesprochen werden. 11 Erste Bedingung für eine vernünftige Beurtheilung ist aber die: das Verhältniss jener Bildungen zur Gesetzmässigkeit der Natur bestimmt aufzufassen und insbesondere anzuer- kennen, dass dieselben nicht Abweichungen von Naturge- setzen *), sondern nur von bestimmten Typen sind, denen aber nur relative Gesetzmässigkeit zukommt, und dass, wol ein Naturgesetz verallgemeinert und beschränkt, nie aber eigentlich gestört werden kann, jene Bildungen stets innerhalb der allgemeinen Bildungsgesetze verharren. Des- halb müssen für die vollständige Erkenntniss dieser letztern die Misbildungen, wenn einmal deren specielle Bildungsge- setze nebst ihren Bedingungen vollständig bekannt sein werden, von hoher Bedeutung sein. Für jetzt beschränkt sich diese Bedeutung noch darauf, dassinihnen ein allge- meines Bildungsgesetz wenigstens in seiner äussern Er- scheinung hervortreten kann, und dass, wenn diess auch nicht gerade nolhwendig der Fallist, dieselben, eben *) Mit den üblichen Benennungen: Misbildung, Monstrosität u. dergl., welche ihre Entstehung lediglich einer Auffassung jener Bildungen als Naturwidrigkeiten verdanken, verbindet sich freilich auch noch jetzt sehr leicht eine ähnliche falsche Vor- stellungsweise ‚ es wäre deshalb zu wünschen, dass nicht, wie Linne will (Phil. bot.pag. 271 ), die abnormen Bildungen selbst, son- dern nur jene falsche AuffassungsWeise und demgemäss jene un- passenden Bezeichnungen aus der Botanik entfernt und durch an- dere, welche nicht wie die oben genannten eine subjective Beziehung zum Betrachtenden sondern ihr Verhältniss zu den Naturgesetzen characterisieren, erselzt werden möchten. Viel weniger ist gegen: Bildungsabweichung, Abnormität und dergl. einzuwenden. Von einer würdigern Ansicht zeugen verschiedene Aussprüche, die man bei Jäger (Misbildungen pag. 283) und Tandon (Te- ratologie p. 19 fi.) findet. 12 weil die Formen zwar vielfach ihr äusseres Ansehn, nie- ‘mals aber ihr Bildungsgesetz aufgeben können, richtig und mit der nöthigen Vorsicht beobachtet, mindestens nicht irre leiten können, ja. vielmehr für die Forschung leitende Gedanken zu gewähren im Stande sind. Wir kön- nen nach dem Gesagten schon jetzt den Satz, der sich in der Ausführung unseres Gegenstandes bestimmter bewähren wird, hinstellen : dass die Bildungsabweichungen nicht so- wohl die Metamorphose erklären (wie man gewöhnlich an- nimmt), als vielmehr von dieser selbst erst erklärt wer-' den. Gerade weil sie uns nur die äussere Erscheinungs- weise der Bildungsgesetze, nicht aber das. innere Wesen selbst offenbaren, sind sie bis jetzt nicht geeignet, die Wissen- schaft mit neuen Thatsachen zu bereichern, haben also, abgesehen von dem erwähnten methodologischen Interesse, eigentlich keinen objectiven Werth, wohl aber einen subjectiven, indem sie dem Einzelnen das, was er anders woher weiss oder wissen kann, in groben Zügen anschaulich machen und der Veberzeugung näher bringen. Das im Obigen Gesagte muss im Allgemeinen giltig sein für alle Bildungsabweichungen, ‘welche irgend im Pflanzenreiche vorkommen können. In der folgenden Dar- stellung wollen wir aber das Gebiet enger begrenzen, und zwar zunächst alle krankhaften Zustände, nämlich Stö- rungen des normalen Lebensprocesses insbesondere durch einseitige Einwirkung schädlicher Agentien auf grössere oder kleinere Regionen des Individuums , ohne dass dadurch der Gestaltungsprocess modificiert würde, ausschliessen ; ebenso diejenigen Abänderungen, welche in dem ge- sammten Lebensprocess beruhen, deshalb alle Theile gleich- mässig betreffen und den Typus der Pflanze nicht wesent- lich beeinträchtigen, und durch welche, wenn sie in ein- zelnen Theilen vorzugsweise staitfinden, wenigstens keine bestimmten organischen Gesetze in ihren Grenzen modifi- ciert werden, — kurz, welche sich entweder auf die u us 13 Structurverhältnisse oder in Belreff der äussern Gestalten nur auf ein Mehr oder Weniger in der Entwickelung beziehen (z.B. Verriesung , Verkümmerung, Anschwellung, Streckung, Verbänderung, ae. Fleischigwerden, Ver- wachsung etc.). Morphologisch und physiologisch interes- sant sind alle diese Bildungen einstweilen nur dadurch, dass wir lernen, ‚wie auch diese Verhältnisse in der Pflanzen- welt möglich sind (was uns aber zugleich auch die nor-. malen Bildungen zeigen); in höherem Grade werden sie es aber erst dann, wenn wir ihre Beziehung zur Pflanze selbst nämlich das Gesetz ihrer Bildung kennen werden. Anders ist es mit den Bildungsabweichungen, auf deren Betrach- tung wir uns ausschliesslich beschränken, nämlich den- jenigen, in welchen bestimmte Formgesetze, namentlich das Verhältnis der Organe zu einander, der Bauplan oder die Metamorphose der Pflanze modificiert werden. Obgleich uns auch hierbei der eigentliche Vorgang fremd ist, so sind uns wenigstens die Formen der Gesetze (die Er- scheinungen in ihrer Gesetzlichkeit) bekannt, und die Be- trachtung dieser Abnormitäten ist dadurch erspriesslicher, weil sie uns nach den gegebenen allgemeinen Andeutungen Aufschlüsse über die Abgrenzung, also über die formelle Wichtigkeit jener Gesetze er Er In Betreff der Wahl von Gesichtspunkten für die fol- gende Behandlung wird es fast überflüssig sein zu bemer-. ken, dass dieselben, sollen sie anders nicht künstlich sondern natürlich d. h. wissenschaftlich sein, nicht der Betrachtung der Misbildungen an und für sich sondern lediglich denjenigen Gesetzen der normalen Bildungen welche eben in den abnormen modificiert erscheinen, ent- lehnt werden müssen. Wir gehen demgemäss aus von dem Ge- setz der Metamorphose und zwar der Einfachheit halber: sofern sich dasselbe in der Erscheinug der Blüthe offenbart, — zerlegen dieses Gesetz in seine einzelnen Momente und bilden nach diesen die verschiedenen Gruppen der Misbildungen. — J s 14 Zweites Capitel. Ueber das Verhältniss der Bildungsabweichungen zu bestimmten morphologischen Gesetzen. Beurtheilung und Classification. Wenn wir ein blühendes Pflanzenindividuum mit einem nicht blühenden vergleichen, so tritt uns eine Reihe von Unterschieden entgegen, welche wir unter folgenden Ka- tegorien auffassen können: 1) Gestalt, Farbe, Structur und die dadurch Bödinöte physiologische Foulchön der einzelnen Theile; 2) Zahlenverhältniss in der Richtung der Axe; 3) Zahlenverhältniss, Getrenntheit der Verwachsung und Verhältniss in Gestalt und Grösse in horizontaler Richtung ; 4) Entwickelungszustand der Haupt- und Nebenaxen. Die Blüthe besteht nun aus einer gewissen bei ver- schiedenen Pflanzen verschiedenen Anzahl neben- und über- einander stehenden Organen, welche durch das abweichende Verhalten in den genannten Beziehungen eine Reihe von in bestimmter Folge und meistens in scharfer Abgrenzung (sprungweise) auftretenden Ordnungen darstellen; diese sind im Allgemeinen: Kelch, Blumenkrone, Nebenblumen- krone, Staubfäden, Nebenstaubfäden, Pistill mit der Pla- centa und den Saamenknospen. Das Verhältniss dieser Ordnungen zu einander und zu der ganzen Pflanze nennen wir die Metamorphose und die einzelnen Ordnungen : die Metamorphosenstufen, wohl zu unterscheiden von den Blatt- und Axen-Organen als solchen, welche die Träger derselben sind. — Für die wissenschaftliche Betrachtung legen wir der Pflanze einen Bildungstrieb *) *) Eine unschädliche Bezeichnung , wodurch am wenigsten - eiwas in die Natur hineingetragen, vielmehr das Feld für jede sich ergebende Ansicht offen gehalten wird. 15 unter, als vorläufigen Ausdruck für den Complex der uns noch unbekannten Ursachen jener Erscheinungen; und in- dem wir in den obengenannten Verhältnissen die Formen ‚erkennen, in welchen sich dieser Bildungstrieb in der Blüthe äussert, führen wir das Verhältniss und den Fort- schritt der verschiedenen Ordnungen in aufsteigender Folge auf eine Modification (Metamorphose) des Bildungstriebes in gesetzmässig aufeinander folgenden, meistens scharf abgegrenzten Stufen (die Metamorphosenstufen) zurück. Unter gewissen abnormen Umständen erleidet nun die- ser Bildungstrieb eine Ablenkung von seiner regelmässigen Richtung, indem die genannten Aeusserungen desselben entweder nur theilweise oder in einem andern. Verhältniss zu den die Blüthe bildenden Organen auftreten und sich dabei auf verschiedene Weise untereinander combinieren. Dadurch kommen denn Mittelbildungen zwischen dem schar- fen Gepräge der normalen Blüthe und der nicht blühenden Pflanze zum Vorschein, welche als Störungen oder Auf- lösungen der Blüthenbildung (ausschlieslich der sogen. Hemmungsbildungen ) nach Engelmann „Antholysen“ heissen Diese Mitielbildungen sind nicht etwa als Stufen einer im Lauf der Zeit stattfindenden Umwandlung der Blattknospe in eine Blüthe, der einzelnen Blätter und Zweige in Blüthen- theile anzusehen, und die Wahrnehmung, dass an derselben Stelle, wo gewöhnlich eine gewisse Form erscheint, jetzt eine andere auftritt, berechligt uns zwar, beide Formen in eine gewisse Beziehung zu einander zu setzen, welches aber eine ganz andere ist als die zwischen zwei Alters- stufen. Wir bedürfen aber zur Erklärung der Blüthe sol- cher Mittelstufen, weil sie als Brücke zwischen Blüthen- und gewöhnlicher Zweigbildung eine Verwandtschaft zwischen beiden offenbaren. | Wir wollen nun sehen, wie sich jene Ablenkungen des Bildungstriebes im Einzelnen darstellen, — und als- dann, in welcher Beziehung dieselben zu morphologischen 16 Gesetzen stehen, was wir deshalb für die Morphologie aus ihnen lernen können. Indem wir zunächst von den Antholysen handeln wollen, welche sich auf die einzelnen Organe, auf die längs der Axe aufeinanderfolgenden ‚Metamorphosenstufen beziehen, fassen wir als erste Gruppe diejenigen Abänderungen zu- sammen, welche auf einem Streben einzelner oder aller jener Stufen beruhen, sich ihrer Eigenthümlichkeit zu ent- kleiden und mehr oder weniger den Stengelblättern anzu- nähern. Diese Annäherung besteht darin, dass die Blüthen- theile entweder nur die grüne Farbe und krautartige Consi- stenz neben ihrer bleibenden übrigen Eigenthümlichkeit annehmen (Vergrünung), oder, wie gewöhnlich, zu- gleich eine den Stengelblättern und Zweigen nahe kom- mende Gestalt darbieten (Verlaubung). Würden hierbei zu gleicher Zeit die der Blüthe eigenen Stellungsverhältnisse und das Verhalten der Hauptaxe aufgehoben, so wäre kein Grund, das Gebilde für eiwas von einer gewöhnlichen Blatiknospe oder einem beblätterten Zweig verschiedenes anzusehen. Beispiele finden sich zahlreich sowohl für Ver- grünung als Verlaubung der ganzen Blüthe als auch ein- zelner Kreise, Deckblätter, Keleh, Corolle, Staubfäden, Pistill, Placenta, Saamenknospe. Es scheint sich die Regel zu ergeben, dass dieser Umwandlungsprocess von den un- tern Ordnungen beginnt, oder richtiger im Sinne der Me- tamorphose ausgedrückt, dass die unteren Stufen leichter von der letztern unberührt bleiben, übersprungen werden. Wie die untern Kreise, so verhalten sich aber auch die Carpelle, und es tritt hier demnach ein Zurücksinken der Metamorphose ein. — Solche Fälle, wo die Blüthentheile ihre in Folge der Metamorphose eigenthümliche Form ab- legend den Bildungen der vegetativen Periode ähnlicher werden , können für die morphologische Bedeutung derselben Fingerzeige geben, jedoch eben nur Fingerzeige, keines- wegs aber Gewissheit, weil die Form der Organe nicht 17 das Wesen derselben einschliesst, — weil im Allgemeinen jeder Pflanzentheil, sei dessen Natur welche sie wolle, jede denkbare Form darbieten kann, — weil wir aus der Wahr- nehmung,, dass das Wesen der Organe in den meisten Fällen von einem gewissen äussern Formgepräge begleitet ist, nicht schliessen dürfen, dass wo ein Pflanzentheil diese äussere Form zeigt, damit zugleich die wahre Bedeutung desselben offenbart sei. Die specielle Anwendung weiter unten im Einzelnen. — In anderen Fällen bemächtigt sich die Metamorphose zwar der ganzen Blüthe in allen jenen Beziehungen : Ge- stalt, Farbe, Stellung, aber der gesetzmässige Fort- schritt zwischen den verschiedenen Stufen ist zerstört, Statt einer einzigen Ordnung (sie bestehe aus einem oder mehrern wirteln) werden mehrere von einer und der- selben Metamorphosenstufe_ ergriffen, und zwar am häufig- sten in der Weise, dass eineniedere Metamorphosenstufe eine oder mehrere höhere Ordnungen in Besitz nimmt, so dass dadurch ein Herabsinken (eigentlich nur ein Zu- rückbleiben) des Bildungstriebes sichtbar wird *), und häufig dadurch die höheren Metamorphosen-Stufen gar nicht zur Verwirklichung kommen ; dies ist die sogenannte rück- schreitende Metamorphose“ (wozu im weitern Sinne auch die Vergrünung gehört). Umgekehrt kann eine im gewöhnlichen Verlaufe erst später auftretende Stufe z. B. die Antherenbildung, schon bei einer niedern Ordnung, z. B. bei den Blumenblättern , beginnen , wodurch sich eine abnorme Beschleunigung des Bildungstreibes kund gibt. Hierdurch werden also die niedern Stufen übersprungen. “Die verschiedenen Metamorphosen-Stufen treten in die- sen Fällen eniweder rein auf, nehmen von gewissen Or- *) wenn sich z. B. die Corollenbildung ausser den in der Regel dazu bestimmten Wirteln auch über die gewöhnlich als Staubfäden erscheinenden Organe erstreckt. 17° 15 ganen vollkommen Besitz, oder zwei derselben theilen sich in ein Organ in verschiedenen Verhältnissen, so dass Mit- telbildungen, wie jene zwischen Blumenblatt und Staub- faden schwankenden Gebilde , zu Stande kommen. — Welchen Sinn der Ausdruck Verwandlungfür die Aufeinanderfolge zweier Stufen beidem regelmässigen Metamorphosen- gang haben kann, habe ich früher (a. a. O. pag. 4. 115.) besprochen. Mit grösserem Rechte glaubt man denselben bei den erwähnten Abweichungen anzuwenden, wenn an derselben Stelle, welcher in der Regel die eine Bildung eigen ist, ausnahmsweise eine andere erscheint, und das Vorkommen von solchen Mittelstufen scheint diese Ansicht noch mehr zu bekräftigen; die Berechtigung des Ausdrucks Verwandlung verschwindet aber, sobald man sich be- wusst wird, dass hier von keinen zeitlichen Entwicke- lungsstufen die Rede sein kann. Es ist nicht anders, als wenn wir darin, dass uns Mi Gegenstand, der in der Regel weiss ist, einmal mit einem schwarzen Ge- wand begegnet, und zumal wenn noch andere Exemplare die verschiedenen Nüancen von Grau tragen, eine Ver- wandlung von Weiss in Schwarz erkennen, — oder als wenn wir Kupfer und Silber wegen einer dazwischen liegenden Reihe von Legierungen als in einander. ver- wandelt betrachten wollten. Aus den zahlreichen hierher gehörigen Fällen ergibt sich im Allgemeinen, dass jede Ordnung von Blüthentheilen die Beschaffenheit (die Metamorphosen-Stufe) der zunächst angrenzenden oder auch einer entfernteren annehmen kann. Die nähere Bestimmung dieser Regel siehe unten. Auch auf die übrigen Erscheinungen, in welcher sich die Awıf- lösung der normalen Blüthe äussert, insbesondere auch die Abänderungen, welehe das Axensystem dabei erleidet, ver- weise ich auf das Folgende. Ä Wir wollen nun alle diese Erscheinungen unter eini- gen bestimmten Gesichtspunkten betrachten und daraus den- 19 selben die möglichen Belehrungen für die Morphologie ab- zugewinnen suchen. A. Gesetz der Vertheilung sämmtlicher Blü- thentheile an die zwei Hauptsysteme der Pfianzengestalt. — Worpholegische Deutung der einzelnen Organe. Wenn man erkannt hat, dass die Gliederung der Pflanzengestalf einerseits in einer W iederholung ihrer selbst in Knospen und Zweigen besteht, dass aber der ein- fachen Pflanze ein sehr bestimmter einfacher Typus in der Verbindung der beiden Grundorgane zu Grunde. liegt, dass die bildende Kraft an der Pflanze sich in zwei verschiede- “nen Richtungen äussert, ‘dann drängt sich die Frage auf, ob sich nichtauch die Blüthe diesem einfachen Typus un- terordne, ob sich nicht an den verschiedenen Gliedern der- selben dasselbe Gesetz der Einheit erkennen lasse. Da sich aber sofort ein Gegensatz zwischen einer centralen Axe, als der unmittelbaren Fortsetzung des Stengels, und appen- dieularen Organen ergibt, so handelt es sich gerade um die letzteren: ob unter denselben neue eigenthümliche Gesetze auftreten, oder wenn nicht: welchen der beiden Arten von Seitenorgen, Zweig oder Blatt, sich dieselben unter- ordnen. Wenn man für diese Untersuchung die Störungen der Blüthen benutzen will, so ist nach dem Obigen klar, dass in der Antholyse nicht etwa eine Verwandlung von Blüthentheilen ineinander vorkommt, von der Art, dass sich daraus unmittelbar die Indentität untereinander resp. mit anderen Organen der Pflanze ergäbe. Dagegen führt uns zu der Erkenntniss der letztern die rückschreitende Metamorphose, wenn wir die Voraus- setzung obenan stellen : dass die Metamorphose aufs inn- igste mit der morphologischen Natur in Verbindung stehe, — dass eine gewisse durch ein bestimmtes Verhältniss jener Aeusserungen des Bildungstriebes nach Farbe, Structur, 20 Form etc. bedingte Metamorphosenstufe sich nothwendig nur an einem Organ von gewisser morphologischer Bedeu- tung offenbaren könne. Alsdann muss der Staubfaden, weil er in gewissen Fällen durch die vorhergehende Stufe , die Corollenbildung, vertreten wird, nothwendig dieselbe Be- deutung wie das Blumenblatt haben; und da durch die ver- und rückschreitende Metamorphose dieser Schluss von einer Stufe auf ‚die andere auf- und abwärts fortgesetzt werden kann, so würde uns auf diesem Wege durch die Misbil- dungen ein Mittel geboten, die Identität der Blüthentheile untereinander und mit den Stengelblättern zu erkennen. Dabei dürfen wir aber nicht übersehen, dass eben nur die Identität der Seitenorgane schlechthin, nicht aber die mor- phologische Natur derselben, das Wesen selbst an den Tag kommt, sondern erst auf einem weitläufigen Umweg er- schlossen wird, während dieselbe bei der Beobachtung der Entwickelungsgeschichle für jeden beliebigen Pflanzentheil unmittelbar kund wird. Immerhin kommt aber jener An- wendung der Misbildungen eine grosse Nützlichkeit zu. Vorher aber ist noch die erwähnte dabei zu Grunde ge- legte Voraussetzung einer Prüfung zu unterwerfen. Die Glieder jeder der beiden Reihen, Blatt und Stengel, haben gleiche Anfänge und Bildungsweise; alle blattartigen Blüthen- theile erscheinen Anfangs gleich und folgen einem Gesetz der Entwickelung; während der letztern erleiden sie aber in ihrer äussern Beschaffenheit verschiedene Modificationen. Wenn man die gleiche Entstehungs- und Entiwickelungs- weise als das Allen Gemeinsame und gleichsam Ursprüng- liche ansieht, so kann man für die verschiedenen Metamor- phosenstufen gleichsam ein Hinzutreten von verschiedenen Factoren zu dem ursprünglichen Typus annehmen. Im All-- gemeinen entsprechen zwar für den regelmässigen Gang bestimmten Ordnungen (von Organen) auch bestimmte Mo- dificationen (Melamorphosen), jedoch ist von vornherein gar nicht einzusehen, dass- dieser Connex z. B. der Corol- 21 lenbildung mit dem zweiten Blattwirtel durchaus gesetzmässig ist, und dass nicht unter Umständen jede Metamorphosen- stufe jeden beliebigen Pflanzentheil ergreifen könnte. Hierin werden wir aber durch die Betrachtung der Antholysen bestärkt. Schon der Umstand, dass zwei Stufen auf einem Organ gemischt vorkommen, spricht gegen ein Zusammen- fallen des morphologisch bestimmten Organs mit einer ge- wissen Metamorphosenform. Insbesondere tritt dies hervor bei den höchsten Stufen, der Pollen- und Saamenknospen- bildung, wo durch Form und Structur zugleich eine ge- wisseFunction bedingt wird. Pollenbildung ist zwar in der Regel an die Staubfäden geknüpft, kann aber auch jedes andere Blattorgan ganz oder theilweise ergreifen, öhne dass dabei eine gänzliche Umbildung der Form zu einer vier- fächerigen Anthere stattfände. Diess zeigt schon der nor- male Bau mancher Pflanzen, z. B. Canna, mehr noch die rückschreitende Metamorphose, wenn einzelne Pollen erzeu- gende Stellen unregelmässig an beliebigen Punkten der Blumenblätter,, Carpelle etc. vorkommen. *) *) Bei den Primulaceen scheint mir nach meiner Beobach- tung der Blüthenentwickelung von Premula chinensis das normale Verhältniss so zu sein, dass gar kein Staubfadenkreiss als eigner Blattkreiss vorhanden ist, sondern die vollkommenen Antlheren als blosse Anhängsel auf der innern Fläche der Corolle auf- _ sitzen, womit denn auch das so auffallende Opponiertsein der Staubfaden und Corollenzipfel seine Erklärung findet. Ich kann mit Duchartres Beobachtungen (die ich übrigens nur aus den Berichten in der bot. Zeit. 1844, p. 732 und Link’s Jahresbe- richt f. 1844—45 kenne), namentlich mit, seiner Deutung des Gesehenen nicht ganz übereinstimmen. Innerhalb des Kelchs, alter- nierend mit dessen Zipfeln erheben sich im Kreis 5 rundliche Warzen, welche jedoch gegeneinander und nach innen nicht . scharf abgegrenzt mehr eine 5lappige ausgeschweifte Scheibe bilden, die sich nach der Mitte zu flach vertieft. Später er- scheinen auf den Lappen 5 convexere Erhabenheiten, so dass jede der letzern nach aussen einen, wie mir scheint, von Be Me Dass die Function der Saamenknospe von irgend einer Stelle der Axe übernommen werden kann, ohne dass es zur Bildung eines eigenen Organs kommt, lehren die Loranthaceen mit den Embryosäcken in dem unveränderten Stengelende; auch zeigt die Vergleichung der normalen Bildungen, dass Saamenknospenbildung‘ sowohl an der Hauptaxe als an Nebenaxen stattfindet; und aus den Mis- bildungen lernen wir, dass sich diess nicht bloss auf die Axillarzweige der Carpelle beschränkt, sondern Placenten- bildung auch an Staubfäden, Blumenblättern, Deckblättern möglich ist. Bei all dieser Freiheit wird aber eine Schranke eingehalten. Pollen und Saamenknospenbildung. sind nämlich für die Phanerogamen an die beiden morphologischen Or- jener Scheibe gebildeten Rand hat. Dieser Rand entwickelt sich später zur einblättrigen 5 theiligen Corolle, die fünf Convexitäten zu Antheren , welche jener stark voraneilen. Duchartre hält nun schon die ersten Erhebungen für die zukünftigen Staubfäden und lässt den Corollenrand erst später entstehen. Mit meiner Deutung stimmt ausser der freilich ziem- lich subtilen Beobachtung, dass der flache Rand eher da war als die innern Warzen entstanden, noch die Ansicht eines vertikalen Durchschnitts, wonach mir die junge Corolle nicht sowohl ge- nau die Basıs der Antheren zu umgeben schien, (wie D. will), und auch die letztern nicht ganz an der Basis auf der innern Seite der Corolle, als vielmehr etwas oberhalb derselben als An- hängsel (nicht als selbstständige Blattorgane) zu entspringen schienen, woraus, wollte ich auch einräumen , dass die Antheren früher entstanden sind, hervorgeht, dass jedenfalls dann die Co- rolle, weil sie aus der Substanz der Staubfäden entspringt, bloss als Ausbreitung der letztern anzusehen wäre. Es kommt noch hinzu, dass Duchartre’s Annahme einer spätern Entstehung der Corolle unterhalb der Staubfäden, falls er die erstere ‚als Blatt- organe betrachtet, einem der allgemeinsten Gesetze der Pflan- zenwelt widerspricht. — Ich muss vielmehr einstweilen meine Ansicht behaupten, dass hier die beiden Metamorphosenstufen, Staubfaden und Corolle durch einen einzigen Blattwirtel vertreten werden, was jaauch an sich nichts Ungereimtes in sich schliesst. 23 gane, Blatt und Axe, streng vertheilt. Dass aber auch diess nur ein secundäres, daher keineswegs unabänderliches Gesetz ist, worauf schon die niedern Gruppen: Rhizokar- peen, Moose, Lebermoose hindeuten, scheint sogar bei den höhern Gewächsen durch gewisse Bildungsabweichungen angezeigt zu werden, wenn die placentae von Hyaeinthus orientalis in Staubfäden verwandelt waren *), — wenn Pollen auf der innern Wand des (wie unten dargethan wird) stengelartigen Ovariums von Primula acaulis ge- sehen ward **). Auch die Saamenknospenbildung scheint in einzelnen Fällen das Stengelsystem verlassend auf Blät- tern vorzukommen; wenigstens ist in gewissen Bildungs- abweichungen ,wo Saamenknospen an Staubfäden, Blüthen- decken und selbst Deckblättern entspringen, die Annahme eine Placenta künstlich und nicht durchaus nothwendig, zu- mal da aus dem Verhalten von Bryophyllum calycinum hervorgeht, dass unter gewissen Umständen Knospen un- mittelbar aus dem Blattrand hervorgehen können. — Das- selbe gilt für das Verhältniss der übrigen Metamorphosen- stufen zu gewissen Ordnungen der Blüthentheile. Es scheint mir durch diese Betrachtung der Bildungs- abweichungen die Ansicht begründet zu sein, dass die Metamorphosenstufen im Allgemeinen unabhängig sind von der morphologischen Bedeutung der Organe, mit denen sie in der Regel verbunden sind; dass zwar die Metamorphose der Phanerogamen als ein secundäres Gesetz die erstern sowohl an bestimmte morphologische Systeme als auch an *) Agardh Vezternes Organografi p. 379. Note (nach Tandon ). **) C. Schimper in Flora 1829, p. 424. — Noch schla- gender würde der weiter unten zu erwähnende Fall, wo der Pollen über den Blüthenstiel und die Saamenkapseln zerstreut war, sein, wenn die Pollennatur des beobachteten Staubes ausser Zweifel gesetzt wäre. - 24 bestimmte Ordnungen der Blüthentheile bindet, indem sogar die bildende Thätigkeit diesen physiologischen Bestimmungen durch gewisse Formen z. B. die Anthere entgegenkommt, — dass aber dieses Band bei einer Störung des Blüthen- baues wieder lose werden kann. Die Metamorphosen-Stufen gleichen verschiedenen Gewändern, mit welchen sich zwar nach einer allgemeinen Regel ganz bestimmte Theile um- kleiden, welche aber von diesen Theilen getrennt gedacht - und durch Störung der allgemeinen Ordnung wirklich ver- tauscht werden können. Besonders kann diese Betrachtung als Regulativ für die Benutzung von Uebergangsbildungen erfolgreich sein. Denn wenn zwei verschiedene Formen in der Weise durch eine Reihe von Uebergängen vermittell werden, dass in der letztern nirgends eine Stufe erscheint, in welcher ein wesentliches Stück der einen Form ver- schwindet oder ein wesentliches Stück der andern Form plötzlich auftritt, kurz wenn eine wahrhafte Vermitteluug stattfindet, so ist die Annahme einer Identität jener ver- schiedenen Formen, eine Unterordnung derselben unter einen gemeinschaftlichen Begriff nach den Grundsätzen der Naturforschung vollkommen gerechtfertigt und damit ein Mittel geboten, aus der bekannten Natur eines gewissen Organs auf die Bedeutung eines andern unbekannten; aber auf die genannte Weise mit jenem vermittelten Organs zu schliessen. Hauptbedingung für diesen Schluss ist aber, dass sich hier zwei wirklich morphologisch bestimmte oder bestimmbare Organe gegenüberstehen; und weil nach dem Obigen weder der Staubfaden als solcher ein morphologisch durchaus bestimmtes Organ, noch auch blosse Pollenbildung ein allgemeines sicheres Merkmal einer bestimmten mor- phologischen Bedeutung ist, so würde z. B. eine Ver- knüpfung eines fraglichen Organs mit einem Staubfaden durch Uebergänge keineswegs die obige Bedingung erfüllen und den darauf gegründeten Schluss rechtfertigen; und so in anderen Fällen. — Es ist demnach die oben für die 25 Anwendung der rückschreitenden Metamorphose zur Deu- tung der Organe gemachte Voraussetzung nicht so allge- mein richiig, dass darauf mit Sicherheit ein Schluss auf die Identität der Blüthentheile gegründet werden könnte. Der Schluss könnte aber auch so gefasst werden, dass der Obersatz nicht von dem Verhältniss der physiologischen zur morphologischen Bedeutung, sondern von der relativen Stellung hergenommen würde, was etwa in dieser Weise auszusprechen wäre: Einer bestimmten Stelle kann nur ein Pflanzentheil von einer bestimmten Bedeutung ent- sprechen; wird an jener ein Organ durch eine andere Form vertreten, so muss letztere mit ersterer gleiche Be- deutung haben; finden sich da, wo gewöhnlich Staubfäden stehen, Blumenblätter,, so müssen jene so gut Blatibedeu- tung haben als diese. — Müssen sich denn aber, wende ich ein, hier Staubfaden. und Blumenblatt wirklich ver- treten haben? Blatt und Zweig haben bei ihrem regel- mässigen Auftreten gleiche: Stellung, könnte nicht der Staub- faden Zweignatur haben und jene Vertretung durch das Blumenblatt nur scheinbar sein, indem etwa in diesem Falı der Zweig unentwickelt geblieben und dafür das Blatt, das in der Regel an dieser Stelle abortirt sein könnte, her- vorgetreten sein? — Und so in vielen andern Fällen. Sodann gibt die Wahrnehmung, dass an derselben Stelle eine andere Form erscheint als ein anderes Mal, des- halb keine Gewisheit über die Identität beider Formen, weil an jedem Stengelgebilde ein Blatt sitzen, diess aber auf Kosten von jenem so stark entwickelt werden kann, dass für die unmittelbare Ansicht geradezu jenes durch dieses vertreten, ja in dieses verwandelt erscheinen kann, ohne dass damit ein anderes Gesetz als ein Dimensionsverhältniss modificiert worden wäre. Also auch von dieser Seite her ergibt sich für die Ent- scheidung morphologischer Fragen aus der Beirachtung der fertigen Bildungsabweichungen die Nothwendigkeit einer | 2 25 grossen Vorsicht; wird diese angewandt, so können jene von grossem Interesse werden, und wir wollen jetzt kurz im Einzelnen für die Deutung der Pflanzentheile aus den Ab- weichungen von der regelmässigen Metamorphose Belehrung suchen, wobei wir die vorangestellten Einschränkungen nicht aus dem Auge verlieren. 1) Die Verwandtschaft der Blüthendecke: Kelch, Corolia, Perigon, mit den Blättern wird sowohl durch die häufigen Verlaubungen als durch die Uebergänge dieser Theile ineinander angezeigt. Beispiele in Menge bei Jae- ger, Engelmann, Tanıdon etc. Bemerkenswerth ist die Verwandlung des pappus bei einigen Compositeen: Senecio vulgaris (Engelm.), Podospermum laciniatum (Decand.), Tragopogon pratensis (Kirschleger) in fünf gewöhnliche Blätter. | 2) Staubfaden. Ausser der Verlaubung kommt ins- besondere eine häufige Vertretung durch die Blumenblätter vor, und diess nebst der Verbreitung der Pollen- und An- therenbildung auch auf andern Blaltorganen beweist, so sicher diess nach dem Obigen möglich ist, die Blatinatur der Staubfäden, | 3) Die Bedeutung der so wenig gekannten Neben- blumentheile wird uns auch durch Misbildungen nur selten angedeutet, wenn man nicht eiwa gerade aus dieser negaliven Erscheinung einen Schluss machen will, wie Link aus dem Mangel an gefüllten Biumen bei Passiflora der Corona die Blatinatur abspricht *), wofür aber der directe Beweis, wie ihn ‚Schleiden **) liefert, jedenfalls vorzuzie- hen ist. Der von M.-Tandon erwähnte ***) Fall von Pas- siflera holosericea, deren Fadenkranz zum Theil in An- theren verwandelt war, kann nach dem oben Gesagten nicht *) El. phil: bot. Ed. I. B. II. pag. 145. **) Grundzüge d. Bot. U. Tab. II. =) Pflanzenteratologie pag. 209. Pi Sn 27 für die Blatibedeutung dieser Fäden sprechen, ist vielmehr ein neues Beispiel für die durch die morphologische Bedeu- tung nicht bedingte Verbreitung der Antherenbildung. — Die Verwandlung einer Abtheilung der Scheibe bei Paeonia Moutan in eine Anihere und das ungewöhnliche Vorkommen einer vollkommenen Anthere an dem offenbar gleichbe- deutenden Organ bei Aguilegia könnte für die morpholo- gische Seibständigkeit desselben sprechen, wenn dieser Beweis nicht, wie gesagt, unzugänglich wäre, und wenn nicht für Paeonia durch die Gegenüberstellung der Schei- benabtheilungen gegen die Fruchtknoten und durch die Beobachtung, dass durch das Hinzukommen einer oder mehrerer Reihen von Stempeln auch die Anlage ähnlicher Scheiben im Umfange jeder neu hinzugekommenen Reihe wiederholt wird, das Gegentheil wahrscheinlicher würde *). — Die taren von Semperrirum lectorum sollen in die Analoga von Staubfaden und Carpell verwandelt wer- den #**), was aber ebenfalls nicht absolut über die Blatt- natur der erstern entscheidet. 4) Dass das Pistill aus einem oder mehrern Blatt- organen gebildet sei, wird durch Misbildungen auf ver- schiedene Weise angedeutet, sowohl durch Auflösung des- selben in blattförmige Gebilde, als dadurch dass die übrigen Metamorphosenstufen (deren engere Beziehung zum Blatt- ‚system ausgemacht ist) ganz oder theilweise an dessen Stelle treten, so der Kelch, Biumenblatt, Staubfaden , — endlich dadurch, dass die das Carpell characterisirende Saamenknospenbildung sich an allen übrigen blattartigen Blüthentheilen, vom Deckblatt bis zum Siaubfaden, findet. Diess gilt für eine grosse Reihe von Familien, und wenn auch darin aus allgemeinen Gründen noch keine Gewiss- *) R. Brown, Verm. Schr. II. pag. 599. =) (Müller in d. Abh. der Gesellschaft für Industrie EN Naturkunde Schlesiens I. 1. Stück.) 2* 23 heit gegeben ist, so stimmt doch für die meisten Fälle die Entwickelungsgeschichte, sofern dieselbe beobachtet ist, damit überein, und der Ursprung des Pistills aus Blättern gilt uns für diese Fälle als ausgemacht. Dagegen treffen wir bei andern Familien auf Widerspruch der Antholysen mit der Entwickelungsgeschichte. Die letztere weist nämlich nach, dass das Pisiill der Leguminosen, Liliaceen und Pri- mulaceen ein Stengelgebilde ist. Möge diess wenigstens einstweilen als ausgemachte Sache gelten, indem ich in Betreff der nähern Begründung namentlich gegenüber den dieser Nachweisung enigegengesetzten Ansichten auf eine besondere Darstellung am Ende dieser Schrift verweise. Nun hat man aber unter den Primulaceen Bildungsab- weichungen von Primula acaulis, Anagallis phoenicea, Lysimachia Ephemerum, welche durch Auflösung des Pi- stills zum Theil in fünf regelmässige Blätter (?) eine ganz andere Ansicht für diese Familie zu begründen scheinen. Dieser Widerspruch fällt aber weg, wenn man beobachtet, dass das Pistill bei Prömula ganz unzweifelhaft als ein einfaches Gebilde entsteht, dass also, wäre es dennoch nicht ein Axen-, sondern ein Blatiorgan, und sollte in den Misbildnngen wirklich die wahre Natur desselben an den Tag treten, jedenfalls nur ein einfaches Blatt, nicht aber f ER zum Vorschein kommen können, dass mithin diese beobachtete Auflösung in fünf Theile dd gedeutet werden muss. — Gegenüber Schleidens Ansicht von den beiden andern Fa- milien wird ein Fall von Lathyrus latifolius mit einem flach ausgebreitetem Pisüll erwähnt, bei Trifolium repens hatte dasselbe sogar die Form eines dreizähligen Stengel- blattes; auch Misbildungen von Tulipa, Fritillaria impe- rielis, Lilium candidum, L. Pomponium zeigten die Pistille in Blätter aufgelöst. — Welche der beiden hier in Streit kommenden Methoden den Vorrang behalten soll, ist keinem Zweifel unterworfen. Die: Entwickelungsgeschichte enthält die höchste Entscheidungsnorm und zwar dergestalt, dass 29 Te — nn dadurch nicht nur die genannten fraglichen Fälle ins Reine gebracht werden, sondern dass von hier aus auch gegen jede Belehrung durch Misbildungen in andern Fällen ein gerechtes Mistrauen erweckt wird. Die Einschränkung, welche wir oben für die Anwendungen der Blüthenantho- Iysen a priori gemacht haben, hat sich nun in der That selbst gerechtfertigt. Nicht aber die Misbildungen selbst, sondern nur deren Auslegung hat der Eni- wickelungsgeschichte d. h. der Wahrheit widersprochen; die morphologische Bedeutung des Pistills ist für die ein- zelnen Familien ein Gesetz, welches durch Ablenkungen nicht so leicht aufgehoben werden wird, und wäre diess, so gälte es doch nur für den speciellen Fall, ohne einen Aufschluss über das gewöhnliche Verhältniss zu geben. Jener Widerspruch ist aber nur scheinbar; denn dass ein einfaches im Lauf der Entwickelung geschlossenes Gebilde sich auch einmal ausbreiten oder in eine gewisse Zahl von Theilen auflösen kann, welche wirklich oder nur dem von Vorurtheil befangenen Auge die Form von wahren Blättern darbieten, ist aus der allgemeinen Beweglichkeit der Ge- stalten leicht erklärlich. Wir können demnach hei dieser Gelegenheit Vorsicht für die Beobachtung und Deutung der Misbildungen überhaupt lernen, und zwar zunächst: dass die blosse Annahme irgend einer Gestalt noch nicht über den Ursprung eines Organs entscheidet; insbesondere lernen wir hierdurch auch den Werth des Arguments schätzen, welches, wie oben erwähnt, aus der relativen Stellung eines Organs für dessen Identität mit dem vertretenen Or- gan genommen werden könnte; denn wenn De Candolle aus dem Auftreten des als solchen ausgemachten Stempel- pistills von Tulipa gesneriana an der Stelle des innern Staubfadenkreises auf die Blattnatur des erstern schliesst und darin eine grosse Stütze für die Metamorphose sieht *), *) Organographie Art. 18. 30 anstatt einfach das Ausfallen des innern Staubfaden- kreisses anzunehmen, so muss uns diess zur Warnung vor ähnlichen Irrtkümern ‚dienen. — Insbesondere ist hier das unterständige Ovarium zu betrachten, über dessen Bedeutung man ganz besonders bei den Misbildungen Auf- schluss gesucht und, ausgerüstet mit dem gehörigen Vor- urtheil, auch gefunden hat. Bei einer Reihe von Umbelli- feren *), bei Campanıtlaceen **), Compositeen ***), und Philadelphus 7) sah man "die Kelchtheile vom Frucht- knoten gelöst, aus ihren Winkeln neue Blüthen sprossend, den Fruchtknoten selbst aber bei den meisten in zwei oder auch mehrern Fruchtblätter aufgelöst und die Corolle un- terhalb derselben entspringend, — und so sah sich die vorgefasste Ansicht, dass Pistillbildung nur durch Blätter geschehen könne, hinreichend unterstützt. Die Entwicke- lungsgeschichte bestätigt nun zwar ganz bestimmt die un- mittelbare Anschauung, nämlich dass das unterständige Ova- rium nur eine Ausbildung ‘des Stengels, und wirklich und ursprünglich unterständig ist, aber auch in jenen Misbil- dungen sieht das unbefangene Auge nicht sowohl Wider- spruch hiergegen als vielmehr Bestätigung. Wenn dicht un- terhalb des Ovariums bei gewissen Umbelliferen ein Blätt- chen sitzt mit einer gestielten Blüthe im Winkel, — wer könnte da eine Loslösung eines Kelchzipfels von dem (doch ganz unversehrt erscheinenden) Ovarium statt ganz einfach ein Auftreten einer dracteola mit Knospenbildung anneh- men? — und wenn bei den genannten Familien mehrfach das unterständige Ovarium kleiner oder gar verschwunden, _ *) C. Schimper in Flora 1829. pag. 425. Derselbe in Gei- ger’s Magazın für Pharm. 1830 Jan. Tab. VI. Fig. 10—15. 24.25. Engelmann de antholysi prodomus, pag. 41. Tab. V. Fig. 6. 15—17. **) ib. Tab, II. Fie. 13. 15. Tab. IL Orese ==) Kirschleger in L’institut 1841. n.. 415. pag. 421 bei Tragopogon pratensis. 7) Kunth, Lehrbuch der Botanik 1847. pag. 305. By — zugleich aber die Styli vergrössert und in. Blätter aufgelöst gesehen worden sind, so ist sicher viel einfacher die An- nahme, dass das Ovarium, zumal wenn auch die Saamen- knospen verkümmert sind, sich eben nur . weniger ausge- bildet habe (wie ja jeder Stengeltheil in seiner Ausdelmung unbestimmt ist, und so gut wie dasselbe in andern Fällen *) ungewöhnlich verlängert sein kann), und dass die Styli bei der Vergrünung etwa auf Kosten des verschwindenden Ovariums etwas zugenommen haben, als dass letzteres sich in zwei Carpellblätter getrennt haben sollte. Insbesondere erklärt sich der bei Engelmann **) dargestellte Fall von Athamenta Cervaria ganz einfach so, dass die sonst zur Bildung des Ovariums dienende becherartige Stengelaus- breitung sich beim Mangel an Eichen noch erweitert hat; die Styli können nun ebenso gut im Grunde der Höhle, als wie gewöhnlich oben auf der geschlossenen Höhle befestigt . sein (ob in ihrem untern Theile orula eingeschlossen wa- ren, wird nicht gesagt, ist aber keineswegs undenkbar); dass die Höhlenwand, welche dadurch die beiden Styli einschliesst, nicht der losgelösie Kelch, sondern nur Sten- ‘ gelbildung sein kann, folgt schon aus dem Ursprung einer Blüthe am Rand derselben, und zwar im Winkel eines an diesem Rand wie gewöhnlich entspringenden Kelchblätt- chens. — Was den oben erwähnten Fall von Phöadelphus coronurius, welchen ich selbst zu sehen Gelegenheit hatte, betrifft, und bei welchem nach Kunth’s Angabe aus der Achsel des einen Kelchblatts, das sich zu dem Ende seit- lich bis zu seinem Ursprung vom Fruchtknoten. gelöst hat, eine zweite etwas kleinere Blüthe hervorkommt, — so erkenne ich darin ebenso wenig einen Beweis der daraus abgeleiteten Ansicht; denn möge nun die zweite Blüthe *) Geiger’s Magazin für Pharm. 1830. Jan. Tab. Vi. Fig. 24. 45. +), We Tab: VARIE... 17: 32 aus dem Innern des Ovariums herauskommen, oder wie der Verfasser gesehen haben muss, im Innern von der äussern Wand getrennt noch ein besonderes Ovarium ste- hen, so liesse sich dieser zweite Fall so denken, dass ein Stylus den Grund der Höhle eingenommen und die Function des Ovariums übernommen hätte, oder auf verschiedene andere Weise erklären, ohne dass dadurch die Misbildung eine Aufhebung der wesentlichen Verhältnisse, vielmehr nur ein Mehr oder Weniger derselben darstellte; jedenfalls hat dieses Beispiel keine allgemeinere Bedeutung, dem Ova- rium kann dadurch die Stengelnatur nicht streitig gemacht werden, und zumal jener seitlichen Spalte kommt gar keine morphologische Bedeutung zu. — Ich will von einer ab- normen Campanula Trachelium bei dieser Gelegenheit we- nigstens das anführen, was die Bedeutung des Ovariums aulzuhellen geeignet ist, um eine ausführlichere Beschrei- bung ‘der mannigfachen Antholysen an den von mir ge- fundenen Exemplaren im Zusammenhang an einem andern Orte zu geben. Der allgemeine Character dieser Bildungs- abweichungen Desteht in einer Ve rgrünung der Blüthen, welche gröstentheils als kleine blattreiche Knöspchen knäulartig zusammengcehäuft sind. Und zwar finden sich unter den leiztern sowohl, als auch zwischen ihnen und den normalen Blüthen alle möglichen Abstufungen der rückschreitenden Metamorphose. Dieselbe beginnt überall damit, dass das unterständige Ovarium sich beblättert und seine Eigenthümlichkeit aufgebend in die blosse Axe einer Blattknospe oder eines beblätterten Zweigs übergeht. Die ersie Spur dieser rückschreitenden Metamorphose des Ovariums zeigt sich bereits an der übrigens noch ganz oder fast ganz normal gebildeten Blüthe in dem Auftreten eines zweiten Kelches unter dem gewöhnlichen, zumal wenn dabei zugleich eine Verschiebung der rein wirteligen Stellung stattfindet, — andrerseits ‘in einer dichten Be- setzung des Blüthenstiels mit Deckblättichen, wobei. häufig ) 33 bereits zugleich an dem Ovarium einzelne Blätichen zer- streut auftreten. Indem letztere Erscheinung zunimmt, ver- schwindet allmählich auch die eigenthümliche äussere Form des Ovariums, und dasselbe ist entweder in die verkürzte Axe einer beblätterten Knospe, oder in einen verlängerten mit kleinen, in ihren Winkeln mit Knöspchen versehenen, Blättchen dicht besetzten Zweig übergegangen, an dessen Spitze noch Spuren von Blüthenbildung, nämlich eine kleine Corolle und Eichen, auftreten. Parallel mit dieser Be- setzung mit Blättern verändert sich auch der innere Bau des Ovariums; zuerst hört dasselbe auf, oben durch die Verbreitung der Griffelbläiter geschlossen zu sein, die Eichen liegen mehr oder weniger offen und ragen bis in die Blüthe hinauf, -—— sodann verschwindet die innere Höhle ganz, und bei den leizten Stufen der Vergrünung liegen nur einzelne Eichen, zuweilen mit Spuren von Griffeln vermischt, innerhalb der Knospe auf dem Axen- ende. — Wenn hier einerseits dem unbefangenen Betrach- ter durch die mannigfaliigen und ununterbrochenen Ueber- gänge, durch welche er an die Stelle des Ovariums all- mählich eine ganz unzweideutige beblätterte Axe treten sieht, auch nicht der geringste Zweifel über die Axenbedeutung des unterständigen Fruchtknotens entstehen kann, so würde ‘ andrerseits die Ansicht von einem ursprünglich oberstän- digen, erst durch Verwachsung mit den Blüthentheilen unterständig gewordenen, aus Carpellblättern gebildeten Ovarium vergeblich nach einer Unterstützung oder nur nach einem Anhaltepunct bei diesen Antholysen suchen; nirgends bietet sich auch nur der Schein dar von einer Loslösung eines Kelchblattes von dem noch durch die übrigen Kelch- und Blumenblätter gebildeten Becher, nir- gends findet sich etwa ein dem Kelchblatt an Länge und Gestalt ähnliches Blatt am Grunde der Verdickung; die Blätichen, womit das Ovarium der Länge nach besetzt ist, erinnern weder durch ihre Grösse, Gestalt, noch Stellungs- 34 verhältnisse an eine Identität mit dem Kelch. Insbesondere zeigt sich innerhalb der unzähligen Stufen der vollstän- digen Auflösung der ganzen Blüthe keinmal die Stufe, wo eine von Kelch, Corolle und Staubfäden befreite Frucht- höhle von einer Fortsetzung der Griilel als von Garpellen gebildet würde. — Wollte man endlich die oben erwähn- ten länglichen beblätterten, an der Spitze mit einer ver- kümmerten Blüthe gekrönten Zweige, welchen der Stellung nach an der normalen Pflanze Blüthen entsprechen, im Sinn jener Ansicht zu erklären versuchen, so müsste man annehmen, dass nicht nur die Carpellblätter vor der Corolle fehlgeschlagen seien, sondern sogar, dass diess geschehen sei, während die Corolle noch mit den ersteren verwachsen ist, und man würde ausser diesem Absurdum überdiess auf die Schwierigkeit stossen, dass die Eichen noch vorhanden sind, während die Carpelle, von denen sie getragen sein sollen, verschwunden sind. — Anstatt bei der Benutzung der Blüthenantholysen zur obersten Voraussetzung zu machen, dass Pistillbildung nur durch eins der beiden morphologischen Systeme vertreten werden könne, und dieses System aus der rückschreiten- den Metamorphose zu bestimmen, sollte uns vielmehr die Betrachtung der einzelnen Fälle zu der Einsicht führen, dass die Pistillbildung als unwesentliches Moment in der Blüthe weder innerhalb des Pflanzenreichs, noch selbst innerhalb der einzelnen Pflanze (wenn man bemerkt, wie auch die übrigen Blüthentheile diese Function statt des Stengelpistills übernehmen können) einem einfachen all- gemeinen Gesetz unterworfen ist. 5) Was die Natur der Placenta betrifft, so schei- nen äuf der einen Seite gewisse abnorme Bildungen dafür zu sprechen, dass dieselbe ein Theil des Carpellblaties sei, oder dass die Saamenknospen unmittelbar aus dem Blatt entspringen. Hierher gehört das Vorkommen von Saamen- knospen in ungewöhnlichen Fällen auf allen Blattorganen re FD ee ee nem 2a En a Ze l hae_ — "al 2 1, a Bu nn ne Sue 3) : “ der Blüthe *), häufig in einer Weise, dass wirklich ein unmittelbarer Ursprung der erstern aus diesen stattzufinden scheint **), welcher indess wegen Unzugänglichkeit der Entwickelungsgeschichte keineswegs als ausgemacht gelten darf. Wäre aber auch diess der Fall, so würde es zwar nicht allgemein morphologisch ungesetzlich, aber dennoch nicht geeignet sein, uns ein Gesetz für die Blüthe zu offenbaren. Dagegen liegen für die Bedeutung der Pla- centa als selbständige und zwar Axen-Bildung, abgesehen davon, was die Entwickelungsgeschichte, die Analogie mit der centralen und der Placentation an Sten- gelpistillen, sowie was die Natur der Saamenknospe selbst schliessen lässt, gerade unter den Misbildungen viel directere Andeutungen als die obigen vor, nämlich Bei- spiele, wo die Placenta hier mehr oder weniger verästelt, dort sich von dem Carpellblatt löst und als zweigartiges Gebilde im Winkel des letztern sitzt, oder gar durch Veränderung der Eichen endlich als reiner beblätterter Zweig erscheint. Für die Axennatur der Placenta spricht auch eine abnorme Bildung von Cheiranthus Cheiri, wo aus der Mitte der sogenannten placenta centralis eine vollkommene Blüthe entsprossen war ##*), — *) Beispiele s. bei Schimper, Flora 1829. pag. 423. *®) Hierher gehört das von Schimper 1. c. pag. 427 er- wähnte schwierig zu erklärende Auftreten einer Placenta mit Eichen auf der äussern Seite der bei Papaver somniferum innerhalb des Staubfadenkreises vorkommenden getrennten Car- pelle, — ferner der von Mohl (Verm. Schr. pag. 34 ff. Tab. I. . Fig. 12—25)) dargestellte Fall, wo Saamenknospen an der Ober- fläche der Anthere- zerstreut, und ein anderer (1. c. Fig. 26—29), wo dieselben an Blumenblättern entspringen, — sowie die von Ad. Brongniart (Verh. der Par. Akad. Jan. — Juni 1844, nach der bot. Zeitg. 1844 pag. 697) beschriebene Bildung an Del- phinium elatum, wo die geöffneten Carpellblätter unmittelbar an den Rändern verschiedene Stufen von Eibildung trugen. *=*) Schimper, Flora 1829. pag. 437. 36 6) Welche Aufschlüsse geben uns endlich die Mis- bildungen über die Bedeutung des Eichens? inwiefern werden in denselben die für dieses Organ bestehenden Gesetze modificirt, und was ergibt sich aus diesen Modi- ficationen? Die Entwickelungsgeschichte weist als gesetz- mässig die Knospennatur desselben nach, und unzweifelhaft tritt dieselbe auch in einigen Fällen hervor, wo das Eichen in eine Blattknospe, Zweig, Blüthe oder Blüthenstand verwandelt ist: bei Polygonum Fagopyrum *), Scabiosa Columbaria ?*), Tragopogon pratensis ***), Liliaceae 7), Primula chinensis 7}), sowie auch in der unten zu er- wähnenden Misbildung von Reseda alba, wo die sehr ver- längerten /uniculi der mehr oder weniger geöffneten Eichen häufig in der Mitte mit einem kleinen grünen, mit der Spitze abstehenden Blättchen versehen sind und da- durch sich und zugleich die Eichen als Stengelgebilde kund geben. — Was aber nun die zahlreichen, theils bloss beschriebenen, theils abgebildeten Beispiele betrifft, bei denen man im Gegentheil eine Verwandlung der Saamen- knospe in ein Blatt deutlich zu schen glaubte, so müssen hier folgende Fälle wohl unterschieden werden: a) Wenn das Pistill sich in ein oder mehrere Carpell- blätter auflöst, so nehmen dieselben in demselben Grade, wie zugleich Unfruchtbarkeit d. h. Mangel an Eichen, stattfindet, die reine Blaltform an, z. B. mit geliederter oder gesägter Biattscheibe; alsdann hat man — aber natür- lich sehr mit Unrecht — die Fiederchen. oder Zähne als Umwandlungsproducte der Eichen angesehen, blos weil ihr Auftreten das der ersten abgelöst hat. Beispiele: @ilia ) Turpin, Atlas de Goethe. Fig. 10. 11. Cassini opuse. phyt. II. pag. 549 (nach Tandon). =) Kirschleger, L’institut IX. pag. 420. Engelmann .de anth. pag. 38. +7) Tydschrift voor natuurl. Geschieden. en Physiol. X. 355 (nach Link). ee Dr a a m a nn m 37 glomerifolia *), Torilis Anthrisceus **), Delphinium crassi- caule #**). Vermittelungsstufen zwischen den Fie- dern ete. und wirklichen Eichen sehe ich nirgends dar- gestellt, ausser bei Brongniart an Delphinium elatum (ef. pag. 35), wo jedoch der nueleus ohne Zweifel als Knospe auf der Blattfläche betrachtet werden muss. Es ist auf- fallend, dass Brongniart an demselben Ort aus einer Blüthenantholyse von Brassica Napus, in deren Pistill sowohl ‚die beiden Placenten als die Hauptaxe als freie Axen entwickelt waren, während an den Rändern der Carpelle die Eichen natürlich fehlten, dafür aber die Rän- der mit Fiederläppchen versehen waren, — hieraus den Ursprung der Eichen aus den Carpellblättern folgert, ob- gleich doch hier gerade die Axennatur der Placenta am deutlichsten hervortritt, die Fiederläppchen aber als ver- wandelte Eichen anzusehen gar kein Grund vorhanden ist. 6) Es ist ferner einleuchtend, dass die Saamenknospe, sobald sie bei einer die ganze Blüthe ergreifenden Mis- bildung ihre physiologische Bestimmung verloren hat, so gut als jeder andere Pflanzentheil jede beliebige Form annehmen kann, dass sie tutenförmig, ohrförmig oder flächenförmig wie ein Blatt ausgebreitet sein kann, ohne dass man aus allen diesen Formen ein Recht bekäme, auf ihre morphologische Bedeutung zu schliessen; am wenig- sten darf man aber die Flächenform da als Beweis für die Blattnatur benutzen, wo die Fläche nicht horizontal, son- dern vertikal, in einer Ebene mit der Axe, der Placenta liegt; im Gegentheil hat sich die Form hier am weitesten von der gewöhnlichen Blatiform entfernt, weil zwischen beiden Formen, bei denen gerade die enii edeiieeer Dimensionen (beim Blatt die horizontale, bei den fraglichen - *) Engelmann de anth. Tab. I. Fig. 13. *=) jb Tab. V. Fig. 1—6. **=*) Röper, Enumeratio Euphorbiarum. pag 44. Anm. 38 Gebilden die verlikale) vorwiegen, die ganze Reihe der Körperformen liegen. Hiernach mögen folgende Beispiele beurtheilt werden: Anagallis phoenicea bei Engelmann de anth. pag. 39. Tab. U. Fig. 2—5; Aguilegia vulgaris bei Turpin, Allas de Goethe. Fig. 19; (Angelica sylvestris) bei Schimper in Geiger’s Magazin für Pharmacie, 1830 Jan. Tab. VI. Fig. 10 ff. ce) In gewissen Fällen kann aber Das, was man für ein verwandeltes Eichen ansieht, in der That ein Blatt und zwar ein selbständiges Blatt sein. Wenn die Placenta ein Zweig ist, und wenn im normalen Zustand die Seiten- zweige derselben in Gestalt von Eichen auftreien, so kön- nen ebenso gut bei einer Auflösung des Blüthenbaues statt der Zweige die Stützblätter entwickelt sein, die Placenta erscheint als ein freier beblätterter Zweig, und es ist keine Veranlassung, die Blätter desselben als Umwandlungspro- ucte der Eichen, die sich dazu vielmehr als Axillarknos- pen verhalten, anzusehen. Beispiele: Lysimachia Ephe- merum nach Valentin in den N. Act. Ac. C.L. C. N. C. XIX. I. pag. 229. und Primulaceen nach Brongniart (a. a. 0. pag. 699.). d) Es würde aber auch ganz mit der Zweignatur übereinstimmen, wenn wirklich an der Stelle der Saa- menknospe ein Blatt aufträte, alsdann nämlich, wenn sich, was bei dem gewöhnlichen Bau nicht der Fall ist, ein Blatt der Knospe entwickelte, die übrige Knospe aber gleichzeitig mehr oder weniger zurückbliebe. Hierher ge- hören wahrscheinlich die misgestalteten Eichen von con- caver, ohrförmiger Bildung, und es würde sich gewiss am Grund derselben das Knospenrudiment finden, wenn man frei von dem Vorurtheil für die Blattnatur auf die- selben geachtet hätte. Ueberhaupt können die Misbildun- gen, insbesondere für die Aufklärung der Bedeutung des Eichens, erst dann erspriesslich sein, wenn man bei den zukünftigen Beobachtungen die hier bezeichneten möglichen 39 Fälle scharf sondern und im Auge behalten wird. Die. grosse Zahl von bisher beobachteten Umgestaltungen jenes Organs ist dagegen fast gänzlich ohne Werth. — Sehr viel Licht gibt über die besprochenen Verhältnisse eine Reihe von Blüthenantholysen der Reseda alba *), von denen ich, so interessant sie auch nach anderer Beziehung, namentlich wegen der Durchwachsungserscheinungen sind, statt einer ausführlichen Beschreibung hier nur diejenigen Puncte, welche sich auf die Umwandlung der Saamenknospe be- ziehen, kurz hervorheben will. Zunächst finden wir an diesen Gebilden die Saamenknospe in- allen Stufen der Zweigbildung, wobei manche ziemlich verlängerten Zweige sogar ‚oben mit Antheren versehen eine Andeutung zur Blüthenbildung zeigen. An andern Exemplaren findet das oben erwähnte Verhältniss, die flächenartige Ausbreitung der Saamenknospe statt, wobei aber deutlich die Fläche vertikal in einer Ebene mit der Placenta liegt. Zugleich kommt hierbei ein Umstand vor, der die morphologische Bedeutung jenes Organs sehr aufhellt; während nämlich ein Theil dieser flächenartigen Ausbreitungen Blättern von einfachem Umriss gleicht, so erscheint bei andern an der Spitze in einer Einbuchtung ein Knöspchen, welches in allen möglichen Stufen endlich übergeht zu einer sehr entwickelten, aus dichtgedrängten den Stengelblättern ähn- lich fiederspalligen blättern bestehenden Blatiknospe, deren Stiel in der Ebene der Placenta bandartig verbreitert offen- bar gleichbedeutend ist mit jenen flächenförmigen von An- dern für Blätter erkannten Umwandlungsformen der Saa- menknospe. — Auch die oben als möglich. dargestellte Umbildung dieses Organs in ein Blatt durch Abort der eigentlichen Knospe findet sich bei unsern Misbildungen aufs augenfälligsie verwirklicht. Am funieulus, unmittelbar *) welche schon Schleiden, durch dessen Güte ich die- selben besitze, Botanik Ed. I. B. II. pag. 334 erwähnt hat. 40 unter der Saamenknospe, welche mehr oder weniger ihre gewöhnliche Gestalt verliert, tritt ein Blatt auf, das im umgekehrten Verhältniss wie die Knospe zunimmt, bald die letztere als eine ohrförmige spatha umgibt, bis zuletzt von der Knospe kaum noch eine Spur zu sehen ist. — Endlich will ich noch eine für die Bedeutung der Saamen- knospe lehrreiche Betrachtung anführen, die ich an einer der oben erwähnten Antholysen von Campanula Trachelium machte; an einer dieser Blüthen nämlich, deren Ovarium Aussen mit Blättern besetzt, nach oben aber offen war, so dass die Eichen frei in der Blüthe lagen, fand ich zwi- schen letzteren mehrere, meistens fünf, schmale längliche, offenbar den Griffeln entsprechende Blättchen mit einer der Narbe ähnlichen Oberfläche; und zwar standen dieselben in einem bestimmten Verhältniss za den Eichen, nämlich in dem Winkel je eines Blälichens sass ein Eichen wie die Knospe in dem Blatiwinkel und erwies sich dadurch als ein knospenarliges Gebilde; denn das Geseiz, dass in dem Winkel eines Blattes kein Blalt, sondern nur ein Zweig oder Knospe sitzen kann, vermag selbst in den Misbildungen nicht modificirt zu werden. — 7) Zum Schluss der vorstehenden Untersuchung über die Aufschlüsse, welche durch die abnormen Bildungen über die wahre Bedeutung der durch die regelmässige Metamorphose mannigfach abgeänderten, in ihrer morpho- logischen Natur undeutlich gewordenen Organe dargeboten werden, wollen wir noch die Wichtigkeit der Misbildungen für die Erklärung einer andern Reihe von Pflanzentheilen erwähnen, welche zwar keine noihwendigen Glieder in dem gesetzmässigen Metamorphosencyklus sind, wie die, oben betrachteten, aber wohl durch eine Metamorphose anderer Art und zwar ebenfalls habituell eine Unter- drückung ihrer wesentlichen Gestalt erleiden. Ich meine die sogenannten appendiceularen Organe: Dornen, Sta- cheln, Ranken, Drüsen, Haare, welche entweder 41 blosse Epidermidalgebilde oder aber Producte einer ge- hemmten Ausbildung, Verholzung oder Verkümmerung sind. Welches Organ nun im letztern Falle zu Grunde liege, ob Zweig oder Blatt, darüber geben häufige Bei- spiele abnormer Entwickelungen der normal gestörten Bil- dungen zu Zweig oder Blatt Auskunft, oder unterstützen vielmehr nur das, was Entwickelungsgeschichte und Stel- lungsverhältnisse bereits gelehrt haben. Hierher gehört der von De Candolle*) beobachtete Fall von Laurus no- bilis, wo die beiden über dem Grund eines jeden Staub- fadens kurz gestielt sitzenden Drüsen in vollkommen freie Staubfäden verwandelt waren, woraus es wahrscheinlich wird, dass dieselben normal verkümmerte Staubgefässe sind, deren Filamente zu zweien jedesmal mit. dem eines vollständigen Staubfadens verwachsen sind. — Ein ähn- licher Fall ward an Ophrys aranifera beobachtet **), wo sich ausser dem einen Staubgefäss auch die beiden andern in der Regel als Rudimente erscheinende entwickeln und dadurch die ursprüngliche Dreizahl der Staubgefässe be- urkunden. Auch für diese Verhältnisse ist als Warnung auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass bei der abnormen Ent- wickelung Blatt und Knospe, von denen eins dem frag- lichen Organ zu Grunde liegt, einander ablösen können, wodurch man in die Gefahr käme, das neue Gebilde mit demjenigen der beiden Organe zu identificiren, welches in der normalen Pflanze gar nicht vorhanden war, und somit geradezu irregeführt zu werden. — *) Organographie veget. I. pag. 510. ”*) Wydler in Archive de Bot. II. pag. 310—315. Tab. 16. Fig. A. 1. (beide Citate nach Bischoff). 2*8 42 B. Die Gesetzmässigkeit innerhaib der Metamorphose selbst. Die Blüthe ist zwar nach dem. Vorhergehenden eines- theils nur die Fortsetzung der unteren Pflanze, ihre Glieder sind nur Wiederholungen der Glieder der letzteren, nämlich der einfachen Grundorgane, — das erste Gesetz für die Blüthe ist: dass in ihr das bisherige Bildungsgesetz der Pflanze bestehen bleibt, — aber es kommt etwas Neues hinzu: eine Reihe von den übrigen Pflanzen und untereinander abweichender Formen; aber nicht allein, dass der Ver- schiedenheit ein Gesetz der Einfachheit zu Grunde liegt, nach welchem sich das Element zwar mehrfach modificiert, aber doch nur wiederholt, — in dieser Verschiedenheit selbst wird sich wieder ein neues Gesetz, eine neue Ord- nung als ein zweiter Factor der Metamorphose offenbaren. Das Allgemeine, der Bauplan dieses complicirten Appa- rals, der Blüthe, liegt vor uns, aber auch der Ausbau im Einzelnen fordert zur Betrachtung auf. Die Astrono- mie, diese Vorgängerin unter den Naturwissenschaften, ist nicht dabei stehen geblieben, nachzuweisen, dass alle Pla- neten unseres Sonnensystems im Wesentlichen gleichartige Naturkörper sind, die in demselben Verhältniss zur Sonne stehen, die sich alle nach einem und demselben allgemei- nen Gesez um dieselbe bewegen, und dass dieses Gesetz in der Gravitation, dem mathematischen Ausdruck für die aller Materie als solcher innewohnenden Eigenschaft der Segenseiligen Anziehung besteht, — sie hat auch, wie die Planeten jeder seine eigene Bahn, seine eigene Ent- fernung vom Cenlrum, seine besondere Grösse, Masse und Gestalt hat, diese besondern Züge in jenes allgemeine Schema in Form mathematischer Gesetze hineingezeichnet und so das Sonnensystem als ein einheitliches in sich eigenthümlich gegliedertes Ganzes mit seinem besondern individuellen Gepräge darzustellen gewusst. Gerade so % 45 stellt sich die Aufgabe für die organische Morphologie gegenüber der Pflanze. Auch sie hat in der Mamnigfaltig- keit der Formglieder ein, wenn gleich nur empirisches, doch nicht minder durchgreifendes, ein weites Gebiet von Erscheinungen umfassendes und beleuchtendes Gesetz, eben durch die Nachweisung des einfachen Bauelements der höheren Pflanze festgestellt, — auch sie hat die Pflanze als Aggregat der gleichen Elemente nunmehr ‚auch als ein individuelles Ganzes sich vorzulegen, die Besonderheiten, mit denen die Elemente der Gestalt innerhalb des Ge- samnıtumrisses der letzteren, zumal an deren Spitze, be- kleidet auftreten, als Erscheinungen einer weitern Ordnung und Geselzmässigkeit nachzuweisen und diese Gesetz- mässigkeit wiederum ins Einzelne durchzuführen. Es ist leicht, diese Ordnung in der Eigenthümlichkeit und Verschiedenheit der Blüthe gegenüber der übrigen Pflanze vorläufig in den allgemeinsten Zügen aufzufassen und in ihre einzelnen Puncte zu zerlegen; die Kategorien, unter welche sie fallen, habe ich oben (S. 14) bereits genannt, die Erscheinungen selbst lassen sich so aus- sprechen Am Ende der Axe befinden sich nach bestimm- ten, von denen der untern Pflanze abweichenden Zahlen- gesetzen mehr oder weniger allgemein wirtelartig gestellte Blattorgane, welche von denen des untern Stengels meist bedeutend unterschieden sich nach Form - und Structur- verhältnissen in eine gewisse Zahl von Gruppen: Kelch, Corolle, Staubfaden, Carpelle etc., sondern. In diesen phy- siologisch characterisirten Gruppen (Metamorphosenstufen) herrschen bestimmte Gesetze sowohl für ihre eigene An- zahl, als für die darin enthaltenen Blattkreise, insbesondere aber das allgemeine Gesetz einer bestimmten Reihenfolge. Parallel mit diesen Stufen der Blattorgane geht eine Meta- morphose der Axe, zunächst der Hauptaxe der Blüthe, insofern die den metamorphosirten Blattorganen zugehöri- gen Stengelglieder verkürzt sind und für die gewöhnliche 44 Anschauung verschwinden, und insofern die Axe gleich- zeitig mit den Ablauf des obigen Cyklus von Metamor- phosenstufen einen Abschluss erfährt, — zugleich ver- schwindet die Entwickelung von Nebenaxen aus den Winkeln der Blattorgane oder dieselben treten ebenfalls in Folge der Metamorphose in einer eigenthümlichen physiologisch bestimmten Form auf. | Alle diese Puncte ergeben sich wie gesagt sehr leicht durch einfache Reflexion, so wie man das obige Schema der Pflanzengestalt mit den Eigenthümlichkeiten der Blüthe vergleicht. Wenn wir nun im Folgenden die Bildungsabweichun- gen, wie wir sie oben in Beziehung zu der Identität der Blüthenorganen mit den Grundorganen der ganzen Pflanze behandelten, nunmehr auch von dem oben bezeichneten Gesichtspunct der Gesetzmässigkeit innerhalb der Ver- schiedenheit der Blüthentheile ins Auge fassen, so wird diess um so nützlicher sein, als dieselben, wie sie als Mittel für die. morphologische Deutung der Organe eine Ueber- schätzung, in letzterer Beziehung in demselben Maasse bis- her zu wenig Beachtung gefunden zu haben scheinen. Es werden uns nämlich durch die Bildungsabweichungen nicht nur die oben genannten einzelnen Gesetze der Metamor- phose bestätigt oder vielmehr veranschaulicht, sondern wir können dadurch in der Einsicht in jene innere Gliederung des Meiamorphosenganges selbst um einen Schritt weiter geführt werden, als durch die Untersuchung der normalen Bildungen. Ich meine nämlich, wenn wir der bereits im Cap. I. bezeichneten und an die Spitze unserer Unter- suchnng gestellten Betrachtungsweise getreu die organi- schen Gestaltungsverhältnisse unter den Gesichtspunch der Gesetzmässigkeit innerhalb der übrigen Natur stellen, — und ich zweifle nicht, dass diese Methode richtig ist und ‚lass dadurch das Wesen des Organischen, dessen Gesetze zwar andere aber darum nicht minder Naturgeseize sind ) 45 als die der kosmischen Erscheinungen, ‘keineswegs ver- leugnet wird —, so müssen wir in der bereits oben Cap. I. angegebenen Weise wie in jeder complicirten Na- turerscheinung, so auch in der Gestalt der blühenden Pflanze verschiedene Factoren von höherer und niederer Ordnung annehmen, nämlich allgemeinere und speciellere Gesetze, welche letztere die allgemeinen voraussetzen, und nur dadurch, dass neue Bedingungen die Wirkung modifi- cieren, sich in besonderen zu den allgemeinen hinzukom- menden Erscheinungen äussern, eine Abstufung von höhe- ren und niederen Ordnungen der Gesetze, welche eben mit der Vervielfältigung der Bedingungen gleichen Schritt geht. So erfolgt die Erscheinung der Blüthe, die Meta- morphose der blühenden Pflanze nach einem secundären Gesetz, durch welches das allgemeine Gesetz der höheren Pflanzengestalt, die zweifache Richtung des Gestaltungs- ireibens nach Axe und Blatt eben nur potenziert wird. Ebenso werden aber auch jene Factoren, in welche man die Metamorphose sich zerlegt denken kann, wiederum innerhalb dieser von verschiedener Ordnung sein, wie- derum in primäre und secundäre des ersten, letztere wieder in primäre und secundäre des zweiten Grades u. s. £. zerfallen, — mit andern Worten, die Art der Reihenfolge der Metamorphosensiufen wird in einem andern Verhältniss zu dem allgemeinen Wesen der Pflanze, in einem näheren oder entfernteren Zusammenhang mit den Grundgesetzen der Gestalt stehen als z. B. die Zahl der Metamorphosen- stufen an der einzelnen Pflanze, oder als die eigenthüm- liche Modification der Hauptaxe u. s. w. Andrerseits wer- den aber auch diese einzelnen Factoren untereinander nicht gerade alle im Verhältniss der Ueber- und Unter- ordnung, oder der Nebenordnung, sondern auch in dem einer gegenseitigen Abhängigkeit stehen. Wenn wir nun ferner annehmen dürfen, dass ein Gesetz, je allgemeiner es ist, um so schwerer, mithin 46 _— ceteris paribus um Sö seltener, — je specieller, desto leichter und häufiger modificiert werden, oder vielmehr nicht dass das Gesetz, sondern die dessen Aeusserung hervor- rufenden Bedingungen um so seltener resp. häufiger mo- dificiert werden, — wenn man ferner zwischen zwei einzelnen Erscheinungen, welche bei der Aufhebung des Zusammenhangs eines Ganzen stets mit einander verbunden auftreten, und ebenso gleichzeitig verschwinden, ein bestimm- tes Causalverhältniss anzunehmen berechtigt ist, — so sind es gerade die Bildungsabweichungen, die Fälle von rück- schreitender und _beschleunigter Metamorphose, welche dadurch, dass man die einzelnen Factoren sowohl in Be- ziehung auf die relative Beständigkeit, als auch in ihrer gegenseitigen Verknüpfung beobachtet, jene Aufschlüsse über den inneren Zusammenhang, die innere Gliederung der Gesetzmässigkeit der Metamorphose, in Ermangelung des rationellen Verständnisses dieses Zusammenhanges selbst, wenigstens mit empirischer Gewissheit zu leisten versprechen. Die Physik bedient sich zu dieser Art Ana- lyse der zusammengesetzten Erscheinungen des Experi- ments; so sind die Bildungsabweichungen der Pflanzen gleichsam Experimente, welche die Natur selbst anstellt, indem sie durch mannigfache Abänderung der Bedingungen jedesmal einen andern Complex von Factoren zum Vor- schein bringt. Der Unterschied für die Erforschung des innern Zusammenhangs liegt nur darin, dass man bei dem künstlichen Experiment, nachdem die natürlichen Bedin- gungen der zu erklärenden Erscheinung nach Maassgabe einer leitenden Idee, nämlich der Hypothese einer Ursache, willkürlich abgeändert worden sind, aus dem Erfolg zu einen Schluss auf den Zusammenhang der Erscheinung und der Bedingungen, d. h. zur Kenntniss der Ursache gelangt, — dass dagegen bei jenem natürlichen Experiment nur die Erfolge sichtbar sind, die Bedingungen aber verborgen bleiben, weshalb uns auf diesem Weg kein Verständniss TE EEE LER 47 der Erscheinungen aus den. Naturkräften oder aus dem Wesen der Pflanze zukommt, sondern nur eine Einsicht in die Beziehungen der verschiedenen Factoren untereinander, und auch diess unter der Voransseizung, dass wir wissen, ob das natürliche Experiment in einer Potenzierung oder Depotenzierung der gewöhnlichen Bedingungen besteht. Was hier von der Benutzung der abnormen Bildungen gesagt wird, gilt im Grund in derselben Weise auch für, die vergleichende Betrachtung der verschieden nebenein- ander bestehenden normalen Erscheinungen der Pflanzen- gestali, nur dass sich hier die Natur wenigstens in Be- ziehung auf die hier in Betracht kommenden Verhältnisse innerhalb engerer Grenzen bewegt, keine so auffallenden und lehrreichen Experimente wie in den Bildungsabwei- chungen uns vorführt. Bevor wir nun auf die hier bezeichnete Aufgabe näher ‚eingehen, muss ich eine Ansicht, welche bereits oben pag. 21 ff. als Grundlage für die Benutzung der Bildungs- abweichungen zur merphologischen Deutung begründet worden ist, als sireng genommen hierher gehörig, wie- derholen. Es liegt nämlich eigentlich schon im Begriff: Metamorphose, dass ein Substrat vorhanden ist, welches die Metamorphose erleidet, aber wir haben auch oben (pag. 20—23) durch Vergleichung theils normaler, theils abnormer Verhältnisse nachgewiesen, dass die Erschei- nungen der Metamorphose in der Blüthe, z. B. Corollen-, Pollen-, Saamenknospenbildung, nur secundäre Erscheinun- gen an gewissen Blatt- und Stengelorganen sind, dass die ganze Metamorphose zwar nicht erst zeitlich, wohl aber dem Begriff nach als etwas zu der nach morphologischen Gesetzen gebildeten Unterlage Hinzutretendes gedacht wer- den muss, gleichsam als ein Gewand, womit sich das Ende der beblätterten Axe bekleidet, in der Weise, dass die einzelnen Glieder dieses Gewandes zwar gewissen Gliedern der zu Grunde liegenden Gestalt sich nach einem bestimmten 48 Gesetze anpassen, jedoch nicht so, dass nicht eine gewisse Verschiebung möglich wäre. Wir müssen jedoch zwei verschiedene Seiten in der Metamorphose unterscheiden; das eben Gesagte bezieht sich auf die Modilication der Organe nach Farbe, Structur und äusserer Form, aber jenes Substrat selbst ist keine reine Fortsetzung der übrigen Pflanze, die rein morpho- logischen Verhältnisse der Blüthe sind selbst ein Product einer Metamorphose, und zwar offenbart “ich dieselbe in einer Modification der Stellungs- und Zahlenverhältnisse der Blattorgane gegenüber denen der Siengelblätter, näm- lich in dem Auftreten einer reinen Wirtelstellung auch da, wo die untern Blätter zerstreut stehen, in einer für die Species geseizmässigen Anzahl dieser Wirtel, sowie in einer ebenso gesetzmässigen Anzahl der Glieder eines jeden Wirtels. Wenn wir indess diese morphologische von jener, gleichsam physiologischen, Metamorphose unter- scheiden, so ist damit noch nicht gesagt, dass die erstere ähnlich wie das Grundgesetz der Metamorphose, die Ver- theilung der Blüthenorgane an Axe und Blatt, sich im Verhältniss zur zweiten als primärer Factor verhalte, viel- mehr bedarf es hierfür erst der Nachweisung vermittelst der Bildungsabweichungen, ebenso wie für die oben an- gedeuteten Fragen, und wir werden dieselbe in der fol- genden Behandlung deshalb nicht weiter von der letzteren trennen. Folgendes sind die Gesetze, in welche wir die Meta- morphose nach Maassgabe der vergleichenden Betrachtung der normalen Bildungen zergliedern können, wie wir sie bereits oben namhaft gemacht haben, nun aber, mit Hülfe der Bildungsabweichungen näher bestimmen wollen. I. Die Metamorphose äussert sich nicht etwa in einer allmählichen und unbestimmten nach oben fortschreitenden 19 Veränderung der Organe nach Gestalt, Farbe, Structur, vielmehr treten diese Eigenthümlichkeiten nicht nur scharf gegen die unteren Theile abgesetzt auf, sondern jene Be- ziehungen sind auch in einer Reihe von ganz bestimmten Formen combiniert, und die letzteren, wenn sie auch im- mer noch eine wahrhaft unbegrenzte Mannichfaltigkeit zu- lassen, sind doch in dem Grade gegeneinander abgegrenzt, dass man sie mit constanten Benennungen bezeichnet und scharf zu definieren vermag, und sie kehren in dieser scharfen Bestimmung durch das ganze Reich der Pflanzen- organe in jeder Blüthe wieder. Sie verdienen demgemäss und weil in ihrer Verbindung die Metamorphose besteht, die oben (pag.-14) eingeführte Bezeichnung: Metamor- phosensiufen; und zwar unterscheidet man darunter folgende: «1) die Blüthendecke, sei es als einfache, Perianthium, oder selbst wieder in zwei anschauliche Formen, Kelch und Blumenkrone, oder in drei, Aussenkelch, Kelch, Blumenkrone, oder ausser- dem in die Nebenblumenkrone gesondert; 2) der Siaubfaden, zuweilen in Begleitung einer besonderen Form, des Nebenstaubfaden; 3) das Carpell resp. ein eigenthümliches Axenorgan mit der Placenta und den Saamenknospen. — Dieses Gesetz des stufenartigen Fortschrittes der Metamorphose erleidet aber bereits inner- halb der normalen Bildungen, z. B. bei den Ranuneulaceen (Uebergänge zwischen Kelch und Corolla) und den Nym- phaeaceen (Uebergänge zwischen Corolla und Staubfäden ) eine Beschränkung, noch häufiger aber verwischen sich diese Grenzen in den Antholysen: bei der rückschreiten- den und beschleunigten Metamorphose, wo nicht nur zwei Stufen, z. B. Staubfaden und Corolla, durch zahlreiche und allmähliche Uebergangsbildungen vermittelt werden, sondern wo, wie schon oben bemerkt, das Characteristische einer gewissen Stufe ganz unregelmässig an zufälligen Stellen ganz anderer Blüthentheile auftritt, z. B. Antherenbildung 3 50 am Sligma von Carew caespitosa (nach Paasch), auf der innern Wand des Ovariums bei Primula acaulis (Schimper ), am Griffel von Salör babylonica, während das Ovarium und die Narbe unverändert sind, am Fadenkranz von Passi- flora holosericea, — Eibildung an Blumenblättern (Paeonia Mutan) etc. 1. Hinsichtlich der Anzahl der Metamorphosen- stufen an einer und derselben Pflanze herrscht zwar kein allgemeines Gesetz, sondern meistens ist nur ein Theil der im Allgemeinen vorkommenden vorhanden, und zwar zeigen sich die beiden wesentlichen Stufen: die Anthere und die Saamenknospe, mit ihrem Trag- und S$chutzorgan am constantesten, indem der Hermaphroditismus in der Pflanzenweit vorherrschend ist; — dagegen ist für jede Species diese Zahl gesetzmässig, und die Fälle, wo an einer Art neben Zwitterblüthen auch eingeschlechtige vor- kommen, sind verhältnissmässig sehr selten. Es kann sich also nur darum handeln, inwiefern dieses Gesetz der Art, dieser specifische Typus durch die abnormen Fälle alteriert wird. Eine solche Abweichung von der normalen Anzahl von Metamorphosensiufen an einer gewissen Blüthe kann zunächst Folge einer Hemmung sein, welche die Meta- morphose als eine nach oben fortschreitende Wirkung er- fährt; und zwar würde, wenn diese Hemmung die ganze Reihe der Stufen gleichmässig träfe, so dass von der un- tersten an jede um einen Grad später als im normalen Zustand d. h. bei einem nächst höheren Blatteyklus zum Vorschein käme, oder, mit andern Worten, wenn jede Art der Blüthentheile durch die nächst vorhergehende ersetzt würde, natürlich die oberste Stufe, das Pistill ausfallen; dieser Fall kommt indess meines Wissens nicht vor, oder die Erklärung eines Verschwindens des Pistills durch eine solche. Hemmung der ganzen Blüthe möchte sich schwerlich begründen lassen, — vielmehr äussert sich die Hemmung E darin, dass entweder sämmtliche oberen Blüthentheile bis auf eine gewisse niedere Stufe her abgedrückt werden, nämlich bei den vollkommen vergrünten oder emhion Blüthen, wo die Metamorphose sich nicht über die Stufe des Stengelblattes erhebt, — und bei den vollkommen ge- füllten Blüthen, wo die Hemmung erst bei dem Perianthium oder der Corolla eintritt und alle höheren Blattkreise in dieser Bildungsstufe gefesselt bleiben; — oder die rück- schreitende Metamorphose erstreckt sich nur auf eine Stufe, so dass diese durch eine gewisse niedere Stufe ver- treten wird, während die übrigen, sowohl vorhergehenden als folgenden Ordnungen unverändert bleiben. Beispiele: nur die Corolla (und nicht zugleich der Kelch) vergrünt wurde an Tropaeolum majus beobachtet, — nur die Staub- faden (und nicht zugleich die Corolla) an derselben Pflanze, — nur die Pistille in Blumenblätter verwandelt, alle übri- gen DBlüthentheile ‘unverändert bei Anemone nemorosa (De Cand.), — nur die Carpellblätter in Staubfaden ver- wandelt bei Chamaerops humilis (nach Mohl), Balsamina (Röper), Hyacinthus orientalis, Colchieum autumnale (Gay), Zea Mais (Tandon), Carex acuta (R. Brown), Salie, Primula acaulis, Gentiana campestris, Cheiranthus Cheiri, Campanula persicifolia und rapunculoides, das Stigma in Anthere: Carex caespitosa (Paasch), die Pla- centa in Anthere: Hyaecinthus orientalis (Agardh), — nur die Staubfäden in Blumenblätter verwandelt (die gewöhn- lichste Erscheinung bei halbgefüllten Blüthen), — die Co- rolla in den Kelch bei Hesperis matronalis, Dianthus Caryophyllus. Auf ähnliche Weise kann die Zahl der Metamorpho- senstufen durch eine abnorme Beschleunigung der Metamorphose vermindert werden, z. B. bei der Verwand- lung der Blumenblätter in Staubfäden bei Capsella bursa pastoris, Digitalis purpurea (Chamisso), Asphodelus ra- mosus er. de Jussieu), Monarda fistulosa, — der Staub- 3% 92 fäden in Carpelle, wie diess bei Ruta chalepensis (Röper), Magnolia fusca (A. De Candolle), Papaver somniferum (Göppert), Pıbracteatum (Turpin), P. orientale (Mohl), P. nudicaule (R. Brown), Rumex crispus (Dunal), Saliz alba (Kirschleger), S. oleifera (R:> Brown) und andern Salir-Arten (De Candolle), Tulipa Gesneriana (De Can- dolle), Cürus Aurantium ( Turpin), Sempervivum tecto- rum (R. Brown u. Mohl etc.), S. montanum (Schmidel), Tr opaeolum majus (R. Brown), Cheiranthus Cheiri (R. Brown), Cochlearia Armoracia (R. Brown), Malus 02 tala (Poiteau et Turpin), beobachtet wurde. Endlich findet eine Verminderung der gesctmässigen Stufenzahl auch dadurch statt, dass zugleich ein für e gewisse Metamorphosenstufe bekkiimiö Blatteyklus unter- drückt wir d,©wie z. B. bei übrigens normalem Blüthenbau an den Tee von Viola odorata, canina und einigen Campanula-Arten oft die Corolla fehlt. IM. Hiermit kommen wir auf das Gesetz, nach welchem die Zahl der zu Trägern einer gewissen Meta- morphosenstufe bestimmten Organe oder Wir- tel zwar bei verschiedenen Pflanzen verschieden ist, inner- halb der Species aber constant bleibt. Beispiele einerabnormen Verminderung dieser Zahl, womit zugleich die Meta- morphosensiufe selbst ausfällt, wurden so eben erwähnt; häufiger findet eine Steigerung dieser Zahl statt, indem anstatt des einer gewissen Stufe z. B. der Corolle normal zukommenden einfachen Wirtels deren zwei oder meh- rere auftreten. Die Störung des normalen Fortschrittes besteht hier darin, dass die betreffende Metamorphosen- stufe an Aubbreituil gewinnt, aber nicht wie oben auf Kosten der nächst höheren Stufen, sondern durch Besitz- nahme der überzähligen Organe, welche sie einer mit ihrer eigenen Steigerung zusammenfallenden Erhöhung der © ” d | j L h ' 1 59 productiven Kraft der Pflanze verdankt. Beide Wir- kungen, diese produclive und die der physiologischen Me- tamorphose gehen in der Regel parallel, stehen im Gleich- gewicht, und behaupten dasselbe, wie wir hier sehen, auch alsdann,, wenn eine Modification ihres regelmässigen Fort- schrittes eintritt, in dieser Störung selbst, während dasselbe bei der eigentlichen rückschreitenden und beschleunigten Metamorphose insofern aufgehoben wird, als die. erstere und nicht zugleich die andere jenen Parallelismus verlässt. Oder die Erscheinung lässt sich auch so auffassen: inner- halb der Blüthe herrscht eine gewisse Oekonomie zwischen der Metamorphose und ihrem’ Substrat, durch die Vermeh- rung der einer gewissen Slufe zugehörigen Wirtel wird diese innere Oekonomie abgeändert; die Metamorphose bekommt auf einer gewissen Stufe einen abnormen Schwer- punct, oder als eine fortschreitende Wirkung aufgefasst erleidet sie an dieser Stufe einen Aufenthalt. Dieser Schwerpunct wird noch verstärkt dadurch, dass mit der Vermehrung der Wirtel ‚zugleich eine Vermehrung der Wirtelglieder und überälßss eine ungewöhnliche .Ver- grösserung der Organe verbunden ist, und ‘diese Bildungen sind. die bei den Schriftstellern sogenannten Hemmungs- bildungen, und wenn dazu noch eine rückschreitende Metamorphose kommt, d. h. wenn sich die hemmende Wirkung auch auf die folgenden, eigentlich den höheren Stufen zugehörigen Organe erstreckt, .so entsteht dadurch die vollkommen gefüllte Blüthe. Es ist bemerkenswerth, dass sich in dieser Beziehung nicht alle Stufen gleich CE. sondern dass vorzugs- weise die niedern Stufen der Metamorphose und insbeson- dere. die Corolle die Stufe ist, wo die Metamorphose Halt macht, gleichsam ausruht, Ks wo ihr zugleich von der produetiven Seite her willigen die Hand geboten wird; und wenn wir bedenken, was ja allgemein anerkannt ist, dass die productive Kraft als dem vegetativen Leben der Pflanze 54 angehörig im umgekehrten Verhältniss steht mit der Meta- morphose, so findet sich daraus jener Parallelismus erklär- _ lich; eine Hemmung oder Stillstand in dem nach oben drängenden Fortschritt der Metamorphose ist ihrem Wesen nach bereits gleichbedeutend mit der Erzeugung neuer Organe, beides sind besondere Formen, in welchen. ‚sich das gesteigerte vegetative Leben äussert. ı Dass eine Vermehrung der gleichartigen Glieder na leichter bei denjenigen Pflanzen erfolgt, deren Blüthen- theile zerstreut (spiralig) an der Axe siehen, als bei reiner Wirtelstellung, stimmt ganz überein mit der Beobachtung, dass hier auch bei den normalen Fällen das Zahlenverhält- niss nicht so scharf bestimmt ist (z. B. Rosaceen, Ranun- culaceen); — und ganz natürlich, denn die kleinen ein- fachen Zahlen stehen in der Natur überhaupt fester als die grossen, und ausserdem wird ein einzelnes neues Blatt leichter hervorgerufen als ein ganzer Wirtel. i . IV. Stellungsverhältnisse der appendiculären Blü- thentheile, — Zahlengesetze und andere Erschei- nungen innerhalb des einzelnen Wirtels. — Auch die hier genannten Punete gehören wie der vorher- gehende der morphologischen Seite der Metamorphose an. Eine der ausgezeichnetesten Erscheinungen der Blüthe gegenüber der übrigen Pflanze ist die, dass die Blattorgane der Blüthe auch da, wo die Stengelblätter zerstreut stehen, plötzlich in Wirteln auftreten, [so dass gerade diess das beste Mittel für die Bezeichnung der Grenze zwischen der Blüthendecke und den benachbarten in den übrigen ‚Be- ziehungen sich oft der Blüthe annähernden Stengelblättern abgibt. Und zwar herrscht diese Wirtelstellung entweder in der ganzen Blüthe, oder nur in den Blüthendecken (Rosaceae), oder bei manchen Familien (Magnoliaceae) zeigen sämmtliche Blattorgane die spiralige Anordnung, 5) so dass also dieses Gesetz bereits innerhalb der einzelnen Blüthe, sowie innerhalb des Pflanzenreichs seine Beschrän- kung. bekommt. Unzweifelhafte Gewissheit darüber, dass die Stellung, welche man auch gewöhnlich als solche be- trachtet, eine wahre Wirtelstellung sei, gewährt die Beobachtung der Entwickelungsgeschichte der Blüthe, indem man die Glieder eines Kreises, z. B. die Corolle, rings um das convexe punetum vegetationis auf gleicher Höhe und durchaus gleichzeitig als kleine Wärzchen entsprin- gen sieht, wovon sich das successive Auftreten der Blatt- organe in einer spiralig gebauten Blüthe oder Blattknospe sehr deutlich unterscheiden lässt. Und es ist ein grosser noch hier und da herrschender Irrithum, den scharfen Un- terschied zwischen Blättern, die auf ganz gleicher Höhe an der Axe entspringen, und solchen, welche nur durch Verkürzung der Stengelglieder einander sehr genähert sind, zu verkennen, indem man einen Wirtel als zusammen- gerückte Spirale betrachtet, wie z. B. Tandon die Ent- stehung der Wirtelstellung durch Nichtentwickelung der Axe an einem Weidenzweig gesehen haben will*), — oder wenn man umgekehrt die zerstreuie Blattstellung an der verlängerten Axe aus dem ursprünglichen Wirtel, wie er in den Cotyledonen auftritt, abzuleiten sucht. Blätter, die man von Anfang an auf verschiedener Höhe sieht, können nicht darum als ursprünglich wirtelig betrachtet werden, weil die vorhergehenden Cotyledonen diese Stel- lung zeigen, es ist diess die so vielen falschen Ansichten, besonders auf dem Gebiet der Morphologie, zu Grunde liegende Verwechselung zwischen der Modifieation, welche die ursprüngliche Form einer einzelnen Erscheinung im Laufe der‘ zeitlichen Entwickelung erfahren kann, und zwischen der Modification, welche bei zwei verschiedenen aber durch eine höhere Einheit verbundenen Formen nicht *) Bflanzenteratologie pag. 296. 56 “ diese Formen selbst, sondern das Gesetz, welche beide verbindet, erleidet. — Eine grössere Berechtigung. bekom- men die Ausdrücke: „Verrückung ursprünglich gleich- gestellter Theile“, „Auflösung von Wirteln in Spiralen“ etc., wenn die in der Regel wirtelig gestellten Blätter an ein- zeinen Exemplaren abnormer Weise zerstreut erschei- nen. Solche Fälle kommen vor sowohl an dem vegetativen Theil der Pflanze — und die Verrückung der Blätter ist hier Folge einer sich auch zugleich in anderer Weise, z. B. in bandarliger Verbreiterung, äussernden ‚monströsen Entwickelung der Axe, — als auch innerhalb der mit nor- maler Wirtelstellung versehenen Blüthe; hier zeigt sich alsdann meistens zugleich eine Verlängerung der normal unentwickelten Blüthenaxe, an welcher entweder sämmtliche normal gleichgestellte oder nur -einzelne Glieder in die 'Höhe gehoben und auseinander geschoben erscheinen. In vielen Fällen ist indess diese Auflösung. der Wirtel nur scheinbar, nämlich: in denjenigen Blüthen, bei welchen, wie bei Caltha palustris (eines der für diese Erscheinung, angeführten Beispiele) schon in dem normalen Zustand gar keine wahre Wirtelstellung existiert. Was die Fälle einer wirklichen Aufhebung dieses Stellungsverhältnisses betrifft, so können ieselbäiih weit entfernt einen Beweis , für die Nichtexistenz wahrer Wirtel zu liefern, wozu man sie hat benutzen wollen, vielmehr Gelegenheit geben, das Ungenü- gende und Fehlerhafte dieses wie aller jener Schlüsse, die man aus abnormen Bildungen auf die ursprüngliche Form gewisser Verhältnisse maß, recht ins: Licht zu stellen. Denn entweder ist diese aloe Verschiebung, z. B. der Blumenblätter, Folge eines Rückschreitens her Metamor- phose auf Fu Stufe des Stengelblattes, insofern hier Spi- ralstellung herrscht, — alsdann lehrt aber die Abnormität nichts weiter, als dass ein in der Blüthe potenziertes Gesetz wieder in einer primären Form zum Vorschein gekommen ist, eine Belehrung, die man übrigens durch 57 die Beobachtung der Stengelblätter an tausend gesunden Pflanzen bequemer und sicherer haben kann als durch die zufällige Wahrnehmung einer Abweichung innerhalb der Blüthe, — oder die abnorme Verschiebung der Blumen- blätter beruht auf einer Steigerung, einem Fortschritt der Metamorphose, z. B. wenn die Stengelblätter selbst schon wirtelig angeordnet sind, ‚sie steht zu der Wirtelstellung des Kelches in einem ähnlichen Verhältnisse wie die letz- tere zu der Spiralstellung der Stengelblätter, oder wie diese zu der Wirtelstellung der Cotyledonen, und alsdann würde jener Schluss geradezu ein Fehlschluss sein. Räume man doch endlich der einzelnen Erscheinung das Recht ein, etwas für sich zu sein, etwas Ursprüngliches, nämlich der wahre und treue, wenn auch nur endliche Ausdruck des wahren Wesens und nicht bloss die täuschende Hülle zu sein, hinter welcher sich das wahre Wesen, „der wahre Typus“ nach einer nalurwidrigen Verdrehung verberge, um erst alsdann ans Licht zu treten, wenn die Kunst des Gärtners durch zärtliche Pflege den bergenden Schleier gelöst hat, womit sich der wahre Typus unter den rauhen Einflüssen des normalen Naturlebens verhüllte. Wenn auf die opponierten Saamenlappen längs des Stengels eine Reihe zerstreut stehender Blätter, hierauf plötzlich Kelch- und Blumenbläiter in vollkommenen Wirteln folgen, die. Staubfäden wiederum sich spiralig stellen und endlich ein Wirtel von Carpellen die Axe beschliesst, — und wenn bei den Monocotyledanen die Reihe der Blattorgane umgekehrt mit der zerstreuten Ordnung beginnt und mit dem Wirtel ‚schliesst, — wer möchte da wagen, das eine dieser Stel- lungsverhältnisse, die bald in dieser Ordnung, bald in der umgekehrten miteinander wechseln, für das ursprüng- liche und das andere für abgeleitet zu erklären? Lasse man vielmehr jeder ihre‘ Ursprünglichkeit und er- kenne in diesem für jede Pflanzengruppe eigenthümlichen Wechsel beider eine Gesetzmässigkeit an, wodurch eben 58 die verschiedenen Ordnungen von Blattorganen an einer Axe zu einem Ganzen von eigenthümlichem Gepräge ver- einigt werden. Jener abnormen Auflösung der Blüthenwirtel steht übrigens eine grössere Zahl von Beispielen gegenüber, wo zwei Wirtel, während sie durch die zufällige Streckung des dazwischen liegenden Axentheils auseinander gehoben werden, ihre vollkommene Integrität bewahren, und wenn wir in solchen Fällen auch nicht den Beweis für die Existenz‘ wahrer Wirtelstellung zu suchen haben, den vielmehr die Beobachtung der Entwickelungsgeschichie allein genügend liefert, so können dieselben doch dieses Gesetz auf den ersten Blick anschaulich und augenfällig machen, auch wohl die sich gegen die Annahme einer wahren Wirtelstellung Sträubenden vorläufig bekehren; vor Allem aber können wir davon lernen, mit welcher Festigkeit sich dieses Gesetz der Stellung in dör Blüthe behauptet, selbst wenn die Axe durch ihre abnorme Ausdehnung von dem Gesetz der Meta- morphose abgefallen ist; und es fehlt selbst nicht an Bei- spielen, wo durch rückschreitende Metamorphose oder Vergrünung die Metamorphose der Blattorgane selbst ganz oder zum Theil von der Blüthe gewichen ist, während die Wirtelstellung derselben unverrückt stehen blieb. — Dieses Gesetz der Wirtelstellung bekommt bekanntlich noch die nähere Bestimmung, dass die aufeinander folgen- den Wirtel mit einander alternieren; und zwar. scheint dieselbe so tief und fest gegründet, dass mir wenigstens kein Beispiel bekannt ist, wo abnormer Weise gleichsam eine Drehung eines Wirtels und dadurch /eine Arpobienig,. Stellung der einzelnen Glieder je zweier benachbarter Wir- tel beobachtet worden wäre, und wenn letztere Anordnung im normalen Zustand bei manchen Familien vorzukommen scheint, so erklärt sich diese Abweichung auf verschiedene Weise als nur scheinbar *), wie z. B. aus der schon oben ; *) cf. Schleiden, Botanik B. II. Ed. I. pag. 259. 59 — (pag. 21) für die Primulaceen nachgewiesenen Bedeutung der Staubfaden als blosses Anhängsel der Blumenblätter. — Eine andere der Gestaltbildung angehörige Gesetz- mässigkeit innerhalb der Blüthe bieten die Zahlenver- hältnisse der Glieder sowohl je eines Wirtels, als auch bei spiraliger Stellung je eines Cyklus der Spirale. Ein allen Pflanzen gemeinschaftliches Zahlengesetz existiert zwar nicht, sondern man kann die Zahlen 3 und 5 nur als die vorherrschend die beiden Abtheilungen der Phanero- gamen: Monocotyledonen und Dicotyledonen bezeichnen; dagegen zeigen sich für die einzelnen Gruppen: Arten, Gat- tungen, Familien, gewisse Zahlen constant und gesetzmässig. Und zwar stimmen entweder sämmtliche Wirtel einer Blüthe in der Gliederzahl überein, und es zeigt sich alsdann auch insofern die Blüthe als Fortsetzung des unteren Stengels, als sich die Blattstellungsverhältnisse des letzteren auch in jener erhalten, — oder die Gliederzahl der verschiedenen Wirtel resp. Cyklen einer Blüthe wechseln, und zwar wie- derum nach einem für jede Gruppe eigenthümlichen Ge- setz, nämlich abwechselnd abnehmend und wachsend, so dass die Abnahme meist im Kelch- und Carpellwirtel, das Maximum aber bald in der Corolle (Valeriana), bald in dem Staubfadenkreis (Po/ygonum) stattfindet. Und so er- gibt sich die Blüthe auch von dieser Seite, wenn auch im Wesentlichen mit der übrigen Pflanze Eins, doch als ein eben durch dieses Öscillieren individuell ausgeprägtes Ganzes. Die Störung dieser Zahlenverhältnisse ist nun eine der häufigsten Erscheinungen unter den Bildungsabweichungen, indem entweder eine grössere oder eine kleinere Zahl von Wirtelgliedern auftritt, als die Regel fordert,“ wovon aber diejenigen Fälle zu unterscheiden sind, in welcher diese Abweichung in der Zahl nicht der ursprünglichen Production der Organe, sondern einer später eintretenden Verkümmerung, oder andrerseits einer Theilung vorhandener 60 Glieder zuzuschreiben ist *). Auch als typisches Ver- hältniss kommt eine solche Verkümmerung oder Abortus gewisser Glieder und dadurch eine Abweichung der ur- sprünglichen Zahl bei vielen Pflanzenabtheilungen vor, kann aber wiederum in einzelnen Fällen durch abnorme Entwickelung der normal verkümmerten-Theile aufgehoben werden, und umgekehrt. In solchen Fällen kann. die Beobachtung der Bildungsabweichung das ärsprüng- liche Zahlenverhältniss offenbaren, ist aber deshalb kein absolutes Entscheidungsmittel, weil die abnorme Zahl nicht blos die Wiederherstellung der ursprünglichen d.h. in der Anlage wirklich vorhandenen, deshalb auch durch Beobach- : tung der Entwickelungsgeschichte bestimmt nachweisbaren Zahlen, sondern auch selbst eine secundäre (zufällige) Er- scheinung sein kann, — so gut wie die Abweichung der normalen Gliederzahl irgend eines Blüthenwirtels von der des vorhergehenden etwas Secundäres ist, — und weil man kein Mittel hat, zu entscheiden, ob bei der vorliegenden Misbildung der erste oder zweite Fall Statt habe. Dass eine abnorme Vermehrung der Glieder nicht gerade auf einer Wiederherstellung ursprünglich factisch oder typisch vorhandener, in der Folge abortierter Organe beruhen *) wenn nämlich eine solche in der Natur wirklich vor- kommt. M.-Tandon, der in dem diese Verhältnisse behandeln- den Abschnitte überhaupt, wie dann freilich im ganzen Buch, die allerverschiedenartigsten Dinge durcheinander wirft, fasst auch den oben angeführten Unterschied nichts weniger als „scharf „.ja® die Vermehrung der Wirtelglieder wird hier EA Umstände durchweg aus einer Spaltung erklärt; es ist. zwar überhaupt nicht leicht zu denken, dass sich ein Organ in zwei oder meh- rere demselben gleiche spalten sollte, in einem Falle (bei Pri- mula chinensis) aber wenigstens habe ich an dem allerersten Anfang der Blüthe gesehen, dass Vermehrung der Glieder durch ursprünglich mehrzählige Anlage der Blüthentheile (hi 1 waren es sechs von Anfang an deutlich getrennte Blumenblätter), also nicht durch Spaltung bereits angelegter Organe vorkommt. 61 muss, lehren die oben besprochenen Hemmungsbildungen, deren Wesen, wie wir sahen, vielmehr in einem Zurück- sinken von dem höhern Gesetz der Blüthe auf das vege- tative Gebiet besteht. Als allgemeine Regel stellt sich heraus, dass die abnormen Zahlenabänderungen der Wirtel- glieder um so leichter. eintreten, je grösser die normale Zahl ist, während mit einer kleinern Zahl auch eine grös- sere Festigkeit dieses Verhältnisses verbunden ist. Ferner äussert sich die regelmässige Metamorphose innerhalb des einzelnen Wirtels durch die® sehr gewöhnliche Erscheinung, dass die Glieder eines Wirtels untereinander verwachsen. (Beispiele liefern alle Wirtel). Dieselben 2 Bedingungen, welche diese Verwachsung als habituell ver- anlassen, können aber auch abnormer Weise eintreten, und Wirtelglieder untereinander verwachsen lassen, welche normal getrennt sind; — und umgekehrt kann durch aus- nahmsweises Fehlen jener Bedingungen die habituelle Ver- wachsung aufgehoben werden. Eben deshalb gilt aber für die Anwendung solcher Misbildungen zur Entscheidung über die ursprüngliche Getrenntheit gewisser Organe eine ähn- liche. Beschränkung wie oben; diese Bildungen müssen nicht gerade auf Wiederherstellung des ursprünglichen Verhältnisses beruhen, sondern können möglicherweise auch abnorme Störungen normaler und zugleich ursprünglicher Ungetrenntheit sein. Absolute Gewisheit gibt die An- schauung der ursprünglichen Verhältnisse selbst. — Die Verwachsung zweier Wirtel untereinander hat innerhalb der Metamorphose kein besonderes Interesse. Endlich müssen wir es als ein Gesetz der Metamor- phose, wie sie sich mnerhalb des einzelnen Wirtels kund gibt, ansehen, wenn zwischen den ursprünglich gleichen Wirtelgliedern in Beziehung auf Grösse und Form im Laufe der Entwickelung ein ungleiches Verhältniss auftritt. Die dadurch bedingte unregelmässige (symmetrische) Gestalt der Blüthe ist häufig habiluell; und eben dasselbe kann 62 als Abnormität vorkommen. Weit häufiger wird durch Misbildung die normal unregelmässige Form regelmässig (Pelorien). Zu einem sichern Schluss auf die regel- mässige Anlage des Blüthenbaus berechtigen diese Fälle ebenfalls erst dann, wenn man sich überzeugt hat, dass sie wirklich mit jener Anlage übereinstimmen und nicht selbst Abweichungen von derselben sind. — Aus’ den Ur- sachen, welche im Allgemeinen die symmetrischen Blü- thenformen zu bedingen scheinen, nämlich dem einseitigen Einflusse benachbarter Theile, ist es erklärlich, dass Pelo- rienbildung häufiger an endständigen als an seitenstän- digen Blüthen vorkommt. V. ’ Ein weiteres Gesetz, welches zwar im Bisherigen bereits mehrfach vorausgesetzt wurde, hier aber besonders hervorgehoben werden muss, betrifft das Verhältniss des stufenartigen Fortschreitens der Meta- morphose zu der Stellungsweise der Organe. Dass die Metamorphose in bestimmten unterscheidbaren Stufen auftritt, haben wir oben gesehen, und ebenso nach- gewiesen, wie zwar einerseits eine geseizmässige Bezie- hung zwischen diesen Metamorphosensiufen und den als Substrat dienenden Organen in der Weise stattfindet, dass die Blüthendecke und Staubfaden mit dem einen morpho- logischen System der Blüthenorgane, dem Blattsystem, die Saamenknospe nebst Placenta aber dem Axensystem zu- - sammenfällt, während das Pistill an beiderlei Organe ge- theilt ist, wie aber andrerseits das Gesetz, wonach gewisse Metamorphosenstufen an gewisse der relativen Stellung nach bestimmte Blattorgane geknüpft sind, nur bis zu einem gewissen Grade Geltung hat, so dass die Verschie- bung dieser Verhältnisse eine der gewöhnlichsten Erschei- nungen bei den abnormen Bildungen ist. Die Metamor- phose ist als etwas gleichsam von Aussen die Organe in 63 Besitz Nehmendes vorzustellen, und dass in der Regel gewisse Organe von einer Metamorphosenstufe ganz und nur von dieser ergriffen werden, erklärt sich nicht sowohl aus einem tiefen inneren Zusammenhange, als vielmehr aus einem äusseren Parallelismus in der räumlichen Ausbrei- tung, wodurch gerade ein oder mehrere Blatiwirtel mit «dem durch eine gewisse Metamorphosenstufe gebildeten Gürtel zusammenfallen, in andern Fällen aber dient ein und dasselbe Organ oder ein und derselbe Blattwirtel zwei verschiedenen Stufen, wie ich diess z. B. für die Corolle und den Staubfaden bei den Primulaceen oben gezeigt habe. Stets-aber, — und diess ist das. Gesetz, welches ich hier hervorheben wollte, — stellen hier die einzelnen Stufen ringsum geschlossene Zonen oder Ringe dar, welche, in Uebereinstimmung mit dem der Pflanze im Allgemeinen eigenthümlichen Gesetz der concentrischen Bildung, ebenso senkrecht auf der Blüthenaxe und parallel miteinander fort- schreiten wie die Blattwirtel; ja selbst da, wo die Blatt- organe zerstreut in einer Spirale um die Axe herum an- geordnet sind, z. B. bei den Maynoliaceen, überhaupt bei den Blüthen mit sogenannten partibus indefinitis, behauptet die Metamorphose diese Ringform und horizontale Stellung ihrer Stufen, so dass die Anzahl der Blüthentheile einer gewissen Ordnung, z. B. Staubfäden, bedingt wird durch die Anzahl der Glieder der Blatispirale, welche zufällig innerhalb der Antherenzone fallen. Dass aber gerade bei diesem Verhältniss die Metamorphosenstufen am meisten geneigt sind, ihre scharfe Abgrenzung durch Uebergangs- formen einzubüssen, haben wir oben erwähnt. — Wie aber hier einerseils das Gesetz der Ringform und der horizontalen Stellung für die Metamorphose weiter greift als für deren Substrat, die Blattorgane, — so erleidet das- selbe andrerseits in.gewissen normalen Fällen insofern die umgekehrte Beschränkung, als nicht nur die Glieder eines vollkommenen Wirtels in Beziehung auf Grösse, Form, 64 ’ Farbe etc, eine ungleiche Metamorphose erleiden, ‚sondern als sogar die auf gleicher Höhe der Axe entspringenden Blattorgane verschiedenen scharf getrennten Metamorpho- senstufen als Substrate dienen, z. B. bei den Cannaceen und Musaceen der höchste Wirtel aus einem Carpell, einem halb als Blumenblatt, halb als Anthere ausgebildeten und aus einem A ortierenl Blatt zusammengesetzt ist, oder wenn bei den Orchideen von den drei Gelenk des höchsten Wirtels nur eins resp. zwei von der Antherenbildung er- griffen werden, die andern aber steril bleiben. Dasselbe kommt nun auch bei den Bildungsabweichungen vor, "wenn bei regelmässigem, streng concentrischem Habitus der Meta- morphose das Ebenmaass der Glieder eines Wirtels dadurch abgeändert wird, dass sich die rückschreitende Metamor- phose nur auf einzelne dieser Glieder erstreckt, — ja es gibt Fälle, wo ein bestimmtes Glied des Wirtels durchweg eine grössere Neigung zeigt, einer fremden Metamorpho- senstufe anheimzufallen als die übrigen, wie z. B. nach Röper das fünfte Carpell bei den Balsamineen sich leich- ter als die anderen vier in einen Staubfaden verwandelt, — gleich als bilde die Stufe der Anthere an einem Punct einen Vorsprung in die folgende, dadurch dass ein Glied des folgenden Wirtels sich, wenn auch nur der Disposition nach, der Antherenbildung nähert. ‘ < VL Die oben genannten Metamorphosenstufen, mögen sie alle oder nur zum Theil zum Vorschein kommen, be- haupten stets die angegebene/Reihenfolge, und es ist diess wohl das durchgreifendste unbeweglichste Gesetz innerhalb der Metamorphose, welches weder unter den normalen Blüthen, noch unter den Bildungsabwei- chungen eine Einschränkung erleidet. Zwar könnte man eine Lockerung desselben a finden, dass z. B. bei Tropaeolum majus, wie oben erwähnt, auf einen normalen e. © Kelch eine vergrünte Corolle, und in einem andern Falle - auf eine normale Corolle vergrünte Staubfaden folgten, — 5 ’ oder wenn sich an den unteren Blüthentheilen Eibildung (z. B. Tulipa Gesneriana) zeigte, oder das Pistill von Anemone nemorosa (nach De Candolle), Rosa (nach mei- ner Beobachtung) in Blumenblätter verwandelt waren, ohne dass die Staubfaden zugleich diese rückschreitende Metamorphose theilien, — indess sind diess nur Beispiele dafür, dass durch Hemmung oder Beschleunigung irgend eine Metamorphosenstufe an einer solchen Stelle der Blüthe, und zwar auch nur in unvollkommener Form, auf- treten kann, welcher sie normal nicht zukommt, — eine eigentliche Verkehrung der Ordnung, eine Ver- tauschung der Corollen und des Staubfadeneyklus unter- einander oder der leizteren mit den Carpellen u. s. w. kommt im Bereich der bisher beobachteten Misbildungen nicht vor., Auch unter den normalen Bildungen findet für die oberflächliche Betrachtung eine Beschränkung jenes Ge- seizes der Aufeinanderfolge statt, nämlich bei dem unter- ständigen Ovarium und bei der Blüthe von Rosa und Pyrus, wo die nach obiger Ordnung die höchste Stufe einneh- menden Carpelle unterhalb des Kelches auftreten. Auf dem Wunsche, diese Ausnahme eines sonst so allgemeinen Ge- setzes zu beseitigen, beruht grossentheils jene Erklärungs- weise des unterständigen Ovariums, als sei dasselbe erst durch Verwachsung mit den übrigen Blüthentheilen schein- bar unterständig geworden. Die Schwierigkeit fällt übri- gens auch ohne diesen Aushelfeversuch weg, so wie man den Unterschied zwischen räumlichen und organischen Höhenverhältnissen festhält, und dass die innere, Placenten oder Carpelle tragende Fläche, auch wenn sie durch die zufällige Form der Blüthenaxe räumlich nach unten gedrängt ist, dennoch ‚morphologisch ebenso gut die Spitze der Blüthe bildet wie der kegelförmig erhabene Blumen- 3*#* 66 u boden bei Ranunculus etc. Besonders anschaulich wurde diese untergeordnete Bedeutung der Höhe der Carpelle bei einer Durchwachsung, die ich an Rosa beobachtete. Der unterhalb des normalen fünftheiligen Kelchwirtels be- findlichen Anschwellung des Blüthenstiels entsprach keine innere Höhle; dagegen war die Axe über dem Kelche be- trächtlich verlängert und verdickt, und aussen mit zerstreu- ten Blumenblättern besetzt, innen aber hohl und an dieser innern Wand von zahlreichen Pistillen mit langen Griffeln, und nach oben mit Staubfaden und Blumenblättern bedeckt. An einem andern Exemplar war die oberhalb des hier ebenfalls abnormen Kelches verlängerte Axe nur am obe- ren Ende kurz erweitert und daselbst innen mit Carpellen besetzt. Beide Beispiele zeigen aufs deutlichste, dass die krugförmige Erweiterung des diseus und somit auch die Stellung der innerhalb desselben angehefteten Carpelle keineswegs an eine gewisse durch einen bestimmten Blü- ihenwirtel bezeichnete Höhe gebunden ist, sondern dass es lediglich von der Längen-Ausdehnung der Blüthenaxe abhängt, ob die Carpellhöhle unter dem Kelch oder über demselben ihren Platz bekommt. Mit anderen Worten, das öben ausgesprochene Gesetz der Anordnung der Metamor- phosenstufen bezieht sich nicht auf die Gestalt und Aus- dehnung der Axe, sondern nur auf die Anordnung der appendicularen Blüthenorgane an dieser Axe. Bringen wir dieses Gesetz der Aufeinanderfolge der verschiedenen Metamorphosenstufen in Verbindung mit dem früher ausgesprochenen und genauer abgegrenzten Geselz, dass es im Allgemeinen eine ganz bestimmte Anzahl von Stufen ist, in welcher die Metamorphose sich äussert, so haben wir damit das Bewustsein von einer der wichtigsten Eigenthümlichkeiten der Metamorphose, von dem inneren Abschluss, von der Einheit oder Individualität, worin sich die abweichenden, das Ende der einfachen Pflanze aus- zeichnenden Formen, abrunden. 67 Aber nicht nur die Blüthe an und für sich trägt diesen Character der Individualität, sondern auch der untere Theil der Pflanze gehört mit dazu und stellt mit der Blüthe zu- sammengenommen ein einheitliches Ganzes dar, und erst wenn wir den eigenthümlichen Fortschritt, welcher sich von den einfachen ungegliederten Saamenlappen durch die Reihe der Stengelblätter als eine bis zu einem gewissen Punct zunehmende und von da an bis zum Kelch abneh- mende Ausbildung der Grösse, Gliederung und Zweig- production mehr oder weniger deutlich kund gibt, zugleich in die Vorstellung aufnehmen, sind wir im Besitz der rechten Einsicht in das Wesen der Metamorphose im wei- tern Sinne, nämlich des Gesetzes, dass die Seitenorgane der ganzen Pflanze nicht nur im Wesentlichen identische, sondern auch in ihrer Ungleichheit zu einem Cyklus, zu einem einheitlichen Ganzen zusammenschliesende Glie- der sind. Dieser Cyklus ist nun wesentlich ein einfacher; nur einmal schreitet die Metamorphose als die den Ver- schiedenheiten der aufeinander folgenden Glieder zu Grunde “ liegende Kraft durch die einfache Pflanze hin, ihren eigen- thümlichen Kreislauf vollendend, — ein Gesetz, ‘welches innerhalb der normalen Pflanzenwelt ohne Einschränkung gilt. Dagegen ist es unter den Bildungsabweichungen eine sehr häufige Erscheinung, dass, besonders wenn die Blü- thenaxe über einem gewissen Blattkreise sich stielartig in die Länge entwickelt und dadurch die folgenden Wirtel über die unteren um ein beträchtliches ‚Stück in die Höhe hebt, die letzteren nicht immer diejenigen Metamorphosen- stufen darstellen, welche jenem Gesetz der Reihenfolge gemäss der Stufe unterhalb des entwickelten Stengelgliedes folgen sollten, dass vielmehr der Cyklus der Blüthe über diesem Stengelglied von vorn, also mit dem Kelch beginnt, und sich nun in der normalen Weise als vollkommene Blüthe vollendet oder auch dieses Abbrechen und Wieder- — 68 aufnehmen noch ein oder mehrere Male wiederholt. Eine andere Art, wie der normale Fortschritt der Metamorphose gestört erscheint, haben wir oben (pag. 50) bei den so- genannten Hemmungsbildungen betrachtet; dort bleibt die Metamorphose auf einer gewissen Stufe ganz oder verhält- nissmässig lange verweilend stehen, hier kehrt sie, gleich als wäre sie durch die räumliche Entfernung der Organe, durch die Unterbrechung ihres Substrates vermittelst der verlängerten Axe, gestört worden, zu ihrem Anfange zu- rück, um einen neuen, zuweilen ebenso unglücklichen, am Ende aber doch gelingenden Versuch zu machen. ‘Bemer- kenswerth aber ist, dass dieses Wiederaufnehmen des Anfangsgliedes nicht etwa mit den Saamenlappen oder Stengelblättern, sondern stets mit der Blüthendecke ge- schieht, wodurch sich die Blüthe als ein in gewissem Grade ‚selbständiger Cyklus innerhalb des grossen Gyklus der ganzen Pflanze offenbart. Yı. Wir sind nunmehr zu einem Punct unserer Unter- suchung gelangt, bei welchem es sich nicht wie im Bis- herigen : um die genauere Bestimmung. und Abgrenzung eines bereits durch Reflexion über die normalen Bildungen erkannten Gesetzes, sondern um die annähernde Beant- wortung einer sich nach der vorhergehenden Darstellung darbietenden bis jetzt unerledigten Frage handelt. Wenn wir nämlich von der Beziehung der Metamorphose zu den Gestaltungsverhältnissen, von der morphologischen Bedeu- tung, der Zahl und Stellung der Organe, von der Zahl und der Oekonomie der Metamorphosenstufen absehen, und nur den Character und die Reihenfolge dieser Stufen vor Au- gen behalten, so entsteht die Frage nach dem inneren Zusammenhang, nach dem Gesetz, wodurch diese verschie- denen Formen, in denen sich schrittweise die Metamor- phose offenbart, untereinander verknüpft sind, es handelt 69 sich, nachdem wir im vorigen Abschnitte‘ die Einheit der Metamorphose ihrer Existenz nach erkannt haben, nunmehr auch um die Einsicht in das Wesen dieser Einheit. Dass es nicht etwa der einfache Entwickelungsgang, die Umwandlung des einen Blüthentheils in den folgenden im Laufe der Zeit ist, wodurch die verschiedenen Meta- morphosenstufen zu einer Einheit verknüpft werden, ist für sich klar, da Corolle so gut als Kelch, Staubfaden so gut als Corolle u. s. w. von Anfang an als eigenthümliche von einander unabhängige Erscheinungsformen des Blattes auf- treten und. ihre Selbständigkeit bis zu Ende bewahren; nicht die Organe selbst erleiden jene von unten nach oben fortschreitend zu beobachtende Modification, sondern nur die den verschiedenen Stufen zu Grunde liegende Ursache erfährt während der Entwickelung der Blüthe von unten ' nach oben eine Umwandlung, Metamorphose, in der Weise, dass der eine Blattkreis in der besonderen Form als Kelch, die folgenden als Corolle, Staubfaden etc. hervortreten. Die innere Beziehung zwischen den sämmtlichen Stufen dieser Metamorphose ist also der in Frage stehende Punct. Dieses Problem kommt in der Geschichte bereits sehr früh zum Vorschein; denn was jenen Versuchen ‚von Cesalpini, Malpighi und besonders von Linne in seiner „Metamorphosis“ *), die aufeinander folgenden Blüthen- cyklen auf die von der Rinde bis zum Mark folgenden anatomischen Systeme. des Stengels zurückzuführen, zu Grunde lag, war, so willkürlich und naturwidrig die Deu- tungen selbst auch sind, eben das Bedürfniss, den geahnten inneren Zusammenhang der verschiedenen Blüthenorgane nachzuweisen, was man gerade durch jenen Parallelismus, nämlich durch das Vorgebildetsein des Metamorphosenganges *) Ueber das Nähere dieser Ansichten vergl. meine Ge- schichte der Metamorphosenlehre pag. 25. 28. 33. 70 — m der Blüthe in der Metamorphose des inneren Stengelbaues erreicht zu haben glaubte. Andere glaubten das Gesetz der Metamorphose in einer Contraction und Expansion, welche zwischen den Saamenlappen, Stengelblättern, Kelch, Corolla, Staubfaden, Pistill, Saamen in. dreimaliger Wiederholung miteinander wechseln, gefunden zu haben *). Es ist aber klar, dass selbst wenn ein solcher Wechsel in.der räumlichen Aus- dehnung, wie er in der Reihe der Stengelblätter von den Saamenlappen bis zum Kelch allerdings stattfindet, auch zwischen den aufeinander folgenden Ordnungen der Blü- thentheile eine allgemeine Erscheinung wäre (was sie nicht ist), so käme derselben doch keine höhere Bedeutung zu als jedem anderen einzelnen Factor der Metamorphose, z. B. der Wirtelstellung ; der wesentliche Unterschied zwi- ‘schen Staubfaden und Blumenblatt liegt tiefer als in einer blossen Dimensionsverschiedenheit. Noch weniger findet das Wesen der Metamorphose seinen richtigen oder auch nur annähernd genügenden Ausdruck in der Woiff’schen Annahme **) einer „Vegelatio languescens et evanescens“ als Character der Blüthen- erscheinung. Wenn dagegen Göthe das Verhältniss der Metamor- phosenstufen zu einander als eine von unten nach oben zunehmende Verfeinerung und Vergeistigung auffasst ***), so gibt uns diess, weil dabei die Stufen als einfach neben- geordnete Glieder vorausgesetzt werden, Veranlassung, bei diesem Puncte zu verweilen und eben diese Voraussetzung genauer zu prüfen, indem gerade die Bildungsabweichungen der Blüthe geeignet sind, hierüber einigen Aufschluss zu liefern. pag. 35. 40. *”) a.-a. O. pag. 43. 51. 71. 0 Ma U a. a. 0. pag. 44. 71 Fasst man nämlich die Aufeinanderfolge der Metamor- phosenstufen als eine gleichmässige Steigerung auf, so folgt daraus, dass bei einer Störung der Metamorphose durch abnorme Einflüsse leichter ein Rückfall, ein Herab- sinken der höheren Organe zu der Form von niederen, als eine erhöhte Steigerung des normalen Fortschrittes ein- ireten wird; und durch Vergleichung der beobachteten Abweichungsfälle scheint sich diess auch wirklich zu be- stätigen. Wenn aber mit jener Annahme ebenso zusam- menhängen würde, dass das Zurücksinken ebenso gleich- mässig von Stufe zu Stufe erfolgen müsse wie die Steigerung selbst, so dass auf einer gewissen Stufe keine rückschrei- tende Metamorphose eintreten kann, ohne dass auch die vorhergehenden Stufen eine gleiche erlitten haben, und dass andrerseits ein gewisses Organ nur durch ein benach- bartes vertreten werden kann, — so steht hiermit die Wirklichkeit mehrfach im Widerspruch. Vielmehr lehrt die Betrachtung der Bildungsabweichungen Folgendes: Durch die rückschreitende Metamorphose ist zwar im Allgemeinen jede Metamorphosenstufe im Stande, die nächst höher stehende Ordnung zu ergreifen. Jedoch 1) kann eine Stufe die benachbarte nicht allein überspringen, son- dern in gewissen Fällen ist dieses sogar vorherrschend, d. h. gewisse Stufen werden leichter durch eine entfern- tere, als durch die benachbarte vertreten, z. B. das Pistill leichter durch kelchartige Bildung, als durch den Staub- faden. Schon hieraus folgt ein gewisser Nexus zweier Stufen; noch mehr daraus, dass 2) sich aus der Zählung der beobachteten Fälle ergibt, dass bei zwei gewissen benachbarten Metamorphosenstufen leichter eine rückschrei- tende Metamorphose eintritt als bei zwei andern, z. B. sinkt der Stanbfaden leichter iin Corolla, als Corolla in Kelch, — und auch leichter das Pistill in ‘Staubfaden herab. Wir sehen hieraus, dass der Metamorphosengang nicht so ganz ebenmässig fortschreitet, dass die verschiedenen 17 Stufen nicht bloss verschiedene Grade der Stei- gerung, sonst aber parallel und gleichwerthig sind, sondern dass eine andere Ordnung zwischen diesen Stufen herrscht als die der Aufeinanderfolge, nämlich eine nicht in der Stellung sondern in dem eigenen We- sen dieser Stufen begründete Ordnung, — dass gewisse Abhängigkeits- und Verwandtschaftsverhältnisse zwei Stu- fen verknüpfen, und zwar dass diess nicht gerade solche Stufen sind, die in Beziehung auf ihre Lage einander be- nachbart sind. Es ist wahr, bei der rückschreitenden Meta- morphose sinkt eine Stufe auf die ihr zunächst liegende herab, dieses Zunächstliegen gilt aber nicht sowohl im räumlichen Sinne, als vielmehr in dem der Qualität. Es scheint also, dass innerhalb des Metamorphosenganges gewisse Gruppirungen stattfinden, z. B. Corolla und Staub- faden, Pistill und Kelch. Hierzu kommt aber eine nähere Bestimmung, wenn wir zugleich‘ die beschleunigte Metamorphose berücksich- tigen, wodurch an die Stelle der einen Stufe eine höher stehende eintritt. Auch hier ist es im Allgemeinen mög- lich, dass die ganze Blüthe um einen oder mehrere Schritte gleichmässig gesteigert wird; wenn wir aber hiermit die Häufigkeit derjenigen Fälle vergleichen, welche für die rückschreitende Metamorphose jene Gruppirungen ergeben, so werden wir diese letzteren nicht bestätigt finden. Denn während der Staubfaden und die Corolle vorhin ein innig- stes Verwandtschaftsverhältniss offenbarten, weil weder Corolle in Kelch, noch Pistill so leicht in Staubfaden, als Staubfaden in Corolle übergeht, während dagegen Pistill und Kelch .einander näher stehen, so ist es nunmehr um- gekehrt. Der Kelch wird eher in Corollennatur, als die Corolle in Staubfäden gesteigert, der Staubfaden eher in Pistill, als die Corolle in Staubfaden, und leichter als Kelch in Pistil. — Wir sind demnach auf einen grossen Un- terschied im Verhalten der rückschreitenden und der 73 beschleunigten Metamorphose gekommen, und die Regel, dass die erstere leichter eintrete als letztere, findet ebenfalls ihre Einschränkung, so nämlich, dass sie zwar für gewisse Combinationen gilt (Staubfaden — Corolla; Pistill — Kelch), für andere aber nicht, indem die Corolle schwerer in den Kelch rückschreitet, als der Kelch in die Corolle gesteigert wird, das Pistill schwerer in den Staub- faden herabfällt, als der Staubfaden zum Pistill geho- ben wird. Gleichwie die neuere Chemie sich nicht mit der Kennt- niss der elementaren Zusammensetzung der organischen Verbindungen aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stick- stoff etc. in gewissen Gewichisverhältnissen begnügt, son- dern nach einer bestimmtern Einsicht in die Gruppierungs- weise der Alome in dieser Zusammensetzung sirebt, und wie sie sich hierzu der Zerseizungsproducte jener Stoffe bedient, um daraus anstatt der einfachen Elemente die näheren Bestandtheile derselben zu erkennen, — so bleibt auch die Morphologie der Pflanzen nicht dabei ste- hen, die Blüthe als eine nicht durch chemische Verwandt- schaft sondern durch die organische Kraft der Metamor- phose bedingte Verbindung in ihre einfachen Elemente, näm- lich in die beiden durch diese Wirkung der Metamorphose eigenthümlich modificierten und eigenthümlich zusammen- geordneten Grundorgane zu zerlegen, sondern auch sie findet, indem sie die, Zersetzungserscheinungen der Meta- morphose (denn die chemische Zersetzung ist ein Analogon für die Bildungsabweichungen der Blüthe ) beobachtet, dadurch eine Menge von Beziehungen der Metamorphosen- stufen untereinander, eine eigenthümliche Gruppierung der- selben, eine innere Gliederung der Gesammtmetamorphose aufgeschlossen, welche wir in dieser Form wenigstens der normalen Blüthe nicht so leicht ansehen. Indes sind wir in dieser Hinsicht nicht so aus- schliesslich wie die Chemiker auf die Zersetzungsproducte + 74 angewiesen, vielmehr setzt uns unsere genauere analomi- sche und morphologische Kenntniss der Metamorphosen- glieder bereits in den Stand, jene Gliederung schon von dieser Seite vorherzubestimmen, wenigstens die durch die Misbildungen eröffneten Beziehungen zu erklären. Es wird sich demnach, wenn wir jene Verhältnisse vom Gesichts- puncte der Anatomie und Morphologie genauer betrachten und zwar dabei, was überhaupt erspriesslicher ist als die gewöhnliche Anschauungsweise für die Metamorphosen- erscheinungen, die „Pflanze im Werden“ uns vorstellen, uns in die Entwickelung des Individuums selbst hinein- denken, für jene eigenthümlichen Beziehungen zwischen den Stufen der Metamorphose ein anderer Ausdruck er- geben, dabei das Ueberraschende und Räthselhafte weg- fallen, und insbesondere jene Verwandischafisverhältnisse, welche dadurch, dass sie unter verschiedenen Umständen sich ganz abweichend äussern, eine Schwierigkeit darbie- ten, in ein anderes Licht treten. Nehmen wir an, in einem Pflanzenindividuum habe der der regelmässigen Metamorphose zu Grunde liegende Bil- dungstrieb eine Ablenkung nach der einen oder andern Seite erlilten, so muss dieselbe offenbar eine rein natür- liche, sei es physikalische oder chemische, zwar die ge- sammte Lebensthätigkeit des Organismus ergreifende, jedoch lediglich von Aussen stammende Ursache haben, welche sich darin äussert, dass sie die bei der Bildung der ver- schiedenen Metamorphosenstufen thäligen Zellen in ihrem Lebensprocess modificiert. Wir nehmen zuerst eine ab- norme Hemmung, ein Rückschreiten des Metamorphosen- ganges an. Die Blüthenknospe besteht in ihrem frühsten Zustand aus dem convexen punetum vegelalionis, an dessen Seite zuerst der Kelch als ein Kreis von Rudimenten ent- springt, alsdann damit abwechselnd der Corolienwirtel. Diese Anfänge, sowie die der höhern Ordnungen sind sich ganz gleich in Form und Entstehungsweise, und erst im 75 weiltern Verlaufe unterscheiden sich die zuletzt so scharf gesonderten Organe; für diese Differenzierung kommt nicht erst innerhalb dieser Anfänge eine Ursache hinzu, sondern trotz jener allgemeinen Achnlichkeit der Rudimente müssen die Zellen der verschiedenen Oranungen bereits eine solche verschiedene Richtung ihrer bildenden Thätigkeit besitzen, wie sie später zur Erscheinung kommt; der Grund der verschiedenen Disposition dieser Zellenmassen liegt offen- bar in der ganzen Lebensgeschichte der vorhergehenden Zellen des Individuums und insbesondere in dem bis zu der betreffenden Stufe eigenlhümlich modificierten Nah- rungssaft. Realisiert sich nun jene ablenkende Ursache bei dem zweiten Blüthenwirtel, so unterbleibt die Er- scheinung einer höhern Form, die Rudimente entwickeln sich ebenso wie die Kelchblätter. In der Mehrzahl von solchen Fällen äussert sich aber die ablenkende Ursache bei dem zweilen Wirtel noch nicht, die Corollenrudimente halten ihre eigenthümliche Disposition mit einer gewissen Zähigkeit fest, die nur durch eine ungewöhnliche Intensität jener abnormen Ursache überwunden werden kann, weil jene Zellen zu der. den Kelchblättern eigenen Structur-, Stoff- und Formbildung nicht geneigt sind. Viel leichter äussert sich aber die ablenkende Kraft auf der folgenden Stufe; denn wenn die Slaubfadenzellen eine Ablenkung ihrer Thäligkeit nach einer niedern erleiden sollen, so werden sie sehr leicht die vorhergehende Form wie- derholen, weil zwischen Blumenblatt und Staubfaden in Structur und Stoffvertheilung kein so bedeutender Unter- schied ist, bei dem letztern vielmehr nur etwas, nämlich das auf eine eigenthümliche Weise zu einer bestimmten Function gesteigerte Leben der Parenchymzellen (grossen- theils zugleich Ursache der abweichenden Form) hinzu- kommt, so dass, wenn diese Steigerung verhindert wird, die Form des Blumenblatts fast unmittelbare Folge der Entwickelung jener Rudimente ist. Die Verwandlung der 4* 76 Staubfäden in Kelchblätter findet vorzugsweise dann stalt, wenn der Kelch der betreffenden Pflanze gefärbt und zar- ter gebaut, also, in einer Beziehung wenigstens, dem Blu- menblatte bereits ähnlich ist. — Anders verhält es sich aber wieder, wenn die ablenkende Ursache erst oder noch wäh- rend der Bildung des obersten Blüthenwirtels wirksam ist. Die Carpellblätter (um uns auf diesen Fall der Pistill- bildung zu beschränken) haben an sich keine Zellen von eigenthümlicher Lebensthätigkeit, sie dienen nur als Hülle und Anhaltspuncte für die Placenta mit den Eichen und werden deshalb durch eine Ablenkung von ihrem Typus nicht: so leicht die Form der benachbarten Staubfäden an- nehmen, theils weil ihre Zellen überhaupt nicht zu der den letzteren eigenthümlichen Siructur und Stoffproduction ge- eignet sind, insbesondere aber, weil in diesen Zellen zur Annäherung an die productiven Pollenzellen nicht sowohl eine Depression als vielmehr eine Erhöhung der Lebens- thätigkeit derselben erfordert würde; sie werden vielmehr dadurch, dass sie aus dem Verbande untereinander und mit der Placenta frei werden, eine den Kelch- oder Stengel- blättern ähnliche Gestalt annehmen; und nur seltener, un- ter bestimmten Verhältnissen, namentlich in bestimmten Pflanzenarten, kann das Leben dieser Zellenmassen so modificiert werden, dass sie an Farbe und Gefüge den Blumenblättern oder gar den Staubfäden gleich werden. — In der Placenta und der Saamenknospe wird die hem- mende Ursache natürlich zunächst die Folge haben, dass beide entweder ganz unterdrückt oder, mit Aufhebung ihrer eigenthümlichen Function als Fortpflanzungsorgane, die ihrer morphologischen Bedeutung entsprechende ge- wöhnliche Form von beblätterten Zweigen od. dergl. an- nehmen. Wir wollen nun noch dieser Vorstellung in Kurzem Raum geben für den Fall, dass der Bildungsstrieb eine umgekehrte Abweichung erleide, nämlich durch eine den FR Metamorphosengang ungewöhnlich beschleunigende Modification des gesammten Zellenlebens des Individuums, in der Art, dass dasselbe bestimmt wird, in einer gewissen Lebensstufe diejenige Modification des reinen Blattorgans zu verwirklichen, welche dem normalen Entwickelungs- gange gemäss erst später erfolgen würde; und wir haben hierbei zunächst den Umstand zu beleuchten, dass bei die- ser Störung der Entwickelung andere Beziehungen zwi- schen den einzelnen Metamorphosenstufen erscheinen als in dem vorigen Falle. Aus denselben Rudimenten, aus welchen im normalen Verlaufe Kelchblätter hervorgegangen wären, können nunmehr mit Leichtigkeit Blumenblätter werden. Eine Erklärung dieser Erscheinung steht uns natürlich nicht zu Gebote; aber aus der Erscheinung selbst schliessen wir: entweder sind Kelch und Blumenkrone nur quantitativ verschieden; dann ist aber die gegen- wärtige abnorme Wirkung der vorigen, hemmenden nicht als blosse beschleunigte entgegengesetzt, übrigens aber von gleicher Natur, sonst hätte im vorigen Fall ebenso leicht eine. Umbildung der Corollenrudimente in grüne Kelchblätter statifinden müssen; -—- oder jene beiden Wirkungen auf den ganzen Organismus sind wirklich von einerlei Natur und nur von entgegengesetz- ter Richtung (quantitativ verschieden); alsdann ist aber das Blumenblatt keine blosse Steigerung des Kelch- blattes, sondern ein qualitativ. Anderes, es sind alsdann im Metamorphosengange bei dem zweiten Wirtel chemische Modificationen des Zellenlebens eingetreten, welche nicht leicht durch eine entigegenwirkende Ursache aufgehoben werden können, während durch die normale, nur um einen Grad früher eintretende Ursache dieselbe Modification auch in den Kelchrudimenten bewirkt werden kann. Ueberdiess lehrt die Betrachtung der hierhergehörigen Abweichungs- fälle, dass die blumenblattartige Ausbildung der Kelch- blätter vorzugsweise da erscheint, wo der Kelch seiner 78 -— Beschaffenheit nach der Corolle bereits nahe steht, z. B. Aqguilegia, Delphinium (cf. Tandon pag. 196). Es kommt hierbei aber auch in Betracht, ob abnorme Modification des Zellenlebens erfolgt ist, ehe das Individuum die Blüthen- bildung erreicht hat, oder erst dann, als der später als verwandelt auftretende Wirtel schon angelegt war; denn im erstern Fall würde natürlich die Schwierigkeit, welche im zweiten Fall die bereits zu der einen Form disponier- ten Zellen des betreffenden Organs einer Umwandlung in eine andere Form entgegenseizen, wegfallen. — Dass der Kelch nicht ebenso leicht zur Pistillbildung gesteigert wer- den, als dieses in jenen zurücksinken kann, ist natürlich, weil hier nur das Carpell aus seinem Verbande mit der Placenta befreit zu werden braucht, dort aber in dem Win- kel des Kelchblattes eine Bildung eintreten muss, welche dieser Stufe keineswegs angemessen ist. In gleicher Weise wird der Umstand, dass im Gegensatz zu obigem Verhält- niss von Kelch und Corolla die letztere im Gegentheil schwerer vertreten wird durch die Staubfäden, als diese durch jene, dadurch deutlich, wenn man bedenkt, dass im letzten Falle eben nur die höhere Potenzierung der Paren- chymzellen zu Fortpflanzungszellen verhindert wird, im ersten Falle aber da, wo dieselbe normal nicht stattfindet, hervorgerufen werden müsste, wozu die Ursache speciel- lere Bedingungen erfordert, deshalb seltener eintritt als die Hemmung, wie denn überhaupt der Satz, dass beschleu- nigte Metamorphose seltener vorkommt als rückschreitende, seine Geltung behält, wenn man nur im Auge behält, dass die Stufenleiter der Metamorphose nicht zusammenfällt mit der räumlichen und zeitlichen Aufeinanderfolge der Blüthen- cyklen. — Ganz besonders müssen wir bei der Betrachtung der Fälle, wo sich Staubfäden und Pistill gegenseitig ver- ireten, die Vorstellung von uns abweisen, als sei die Pistillbildung, weil eine räumlich höhere Stufe einnehmend, auch darum eine qualitativ höhere Entwickelungsstufe; 79 Pollen- und Eibildung sind vielmehr zwei durchaus neben- geordnete Erscheinungen, und bei ihrer Vertretung unter- einander kann von Steigerung oder Hemmung nicht die Rede sein. Eibildung kann am Staubfaden entweder durch Placentarbildung in der Achsel des Staubfadenblattes, oder durch Adventivknospen am Rande des Staubfadens entste- hen, — Pollenbildung am Pistill kann entweder das Carpeli- blatt, oder das Stengelpistill, oder die Placenta ergreifen. Diese Fälle sind noch nicht gehörig unterschieden, können auch, wie oben gesagt, nach den bisherigen Beobachtungen nieht unterschieden werden, müssen es aber, wenn die Erscheinung aufgehellt werden soll: dass der Staubfaden leichter durch Eibildung, als das Pistill durch Pollenbildung ergriffen wird, — wenn nämlich sich überhaupt diese bis jetzt freilich sich aus der Zählung der Beispiele ergebende Regel in der Folge bestätigen sollte. Diese Betrachtungen lassen sich natürlich auch über die übrigen Blüthenverhältnisse, die hier nicht ‚berücksich- tigt wurden, ausdehnen. — Dass diese Darstellung keine Theorie der fraglichen Erscheinungen sein soll, versteht sich von selbst, denn sonst müsste ich vergessen haben, dass der bezeichnete Bildungstrieb eine rein unbekannte Grösse ist, dass wir die Abhängigkeit der Gestalt über- haupt und der Metamorphosenstufen insbesondere von den chemischen und physikalischen Bedingungen nicht im Ent- ferntesten kennen; aber theoretisch ist diese Vorstel- lungsweise allerdings, gewiss weit mehr als die üblichen Ausdrucksweisen in der Betrachtung der Misbildungen, weil sie, statt mit künstlichen Begriffen umzuspringen, den Erscheinungen selbst näher rückt und die natürlichen An- griffspuncte für die weitere Forschung aufzudecken ver- sucht. — Wir haben gesehen, dass die meisten Erschei- nungen, welche sich aus den Bildungsabweichungen ergeben, sich sehr leicht auf morphologische und anatomische Ver- hältnisse beziehen und dadurch einer Erklärung näher 50 bringen lassen; wir haben insbesondere gesehen, dass die nach der gewöhnlichen Betrachtungsweise sich nothwendig als eigenthümliche Verwandtschaften zwischen den ver- schiedenen Metamorphosenstufen aufdrängenden Beziehun- gen grossentheils sehr einfach in dem normalen Verhält- niss der Blüthentheile untereinander ihren Grund haben, und wir sind nur deswegen von jener mangelhaften Auf- fassungsweise ausgegangen, weil wir glaubten, die Erschei- nungen selbst durch die doppelte Angreifungsart deutlicher zu machen, und sodann um einem vielleicht von daher zu erwartenden Misbrauche vorzubeugen. — Es stellt sich heraus, dass die der individuellen Entwickelung der Pflanze eine abweichende Richtung gebende Ursache für die Ab- lenkung der verschiedenen Blüthencyklen einen verschie- denen Grad von Intensität, ja selbst eine verschiedene Qualität bedarf, — dass sich die hervorgebrachten Modificationen der einzelnen Wirtel nicht als eine blosse Herabstimmung oder Steigerung zu der Natur des nächst höheren oder nächst niedern zeigen, — dass der Metamor- phosengang nicht eigentlich ein Stufengang, sondern eine Entwickelung nach einem eigenen, auf der innersten Natur des Pflanzenlebens beruhenden Plane ist. Mit anderen Worten: ınan darf die Wirkungen, welche die Vertretung der Metamorphosenstufen bedingen, nicht allgemein auf zwei geradezu einander entgegengesetzte: eine rückschrei- tende und eine beschleunigte zurückführen. Für Staubfaden und Blumenblatt mag dieses der Fall sein; dagegen muss die Ursache, welche die Umwandlung des Carpells in ein Vegetationsblatt, und diejenige, welche die Vertretung des Pistills und des Staubfadens bewirkt, von wesentlich ver- schiedener Art sein, weil die Unterdrückung der Placentar- bildung am Carpell eme durchaus andere Wirkung ist, als die Verhinderung der Staubfadenzellen zu Fortpflanzungs- zellen zu werden; fasst man die Verwandlung des Staub- fadens in das Blumenblatt als eine Hemmung der Gesammt- si metamorphose, und die Umbildung des Blumenblattes in Staubfaden als eine Steigerung auf, so darf man für die Vertretung der andern Stufen dieses Verhältniss nicht mehr gelten lassen; ist die Aufhebung der Placentarbildung am Carpell eine hemmende, so ist die Placentarbildung am Kelchblatt eine Steigerung in einem ganz andern Sinne etc. Jeder Erscheinung in der Blüthenantholyse kommt eine eigenthümliche physiologische Ursache zu. Und eben weil damit zugleich die Beziehungen der normalen Metamor- phosenstufen untereinander offenbart werden, haben wir uns für die Erkenntniss jenes innern, der unmittelbaren Anschauung nicht sofort wahrnehmbaren Planes der Meta- morphose von der weitern Beobachtung der Bildungsabwei- chungen noch interessante Aufschlüsse zu versprechen, wenn dieselben auch, weil hier zunächst nur Zahlen ent- scheiden, einstweilen noch weit hinaus liegen. VIM. Endlich lässt sich die Vertauschung der Metamor- phosenstufen in den abweichenden Blüthenbildungen noch unter einem ‘andern Gesichtspuncte betrachten; nämlich wenn wir diese Erscheinungen benutzen, nicht sowohl um das Gesetz, durch welches die verschiedenen Blüthencyklen zu einer höheren Einheit verknüpft werden, zu erklären, sondern um die Beziehung je zweier einzelnen Metamor- phosenstufen zu einander noch näher zu bestimmen, als die blosse Vergleichung derselben in ihrer normalen Er- scheinung gestattet. Wollte man hierbei von der Vorstellung einer Ver- wandlung ausgehen, so würde sich folgende Frage dar- bieten: In welcher Art und Weise geht die Ver- wandlung des einen Blüthentheils in einen andern vor sich? nämlich welcher Theil des einen Organs verwandelt sich in welchen Theil des andern? — und in welcher Richtung geschieht diese Verwandlung, gleichzeitig in allen 82 Theilen oder von einer gewissen Stelle ausgehend, und von welcher? — Ueber dergleichen Fragen kann nicht ein vollständig umgewandeltes Organ, sondern allein jene häufig vorkommenden Beispiele theilweiser Umwandlung Aufschluss geben, wenn man dieselben nämlich als die zeitlichen Entwickelungsstufen des Verwandlungsactes auf- fasst. Das gewonnene Resultat wendet man nun (folge- recht) an, um nicht blos die abnorme Umwandlung, son- dern, indem man die letziere als den einfach umgekehrten Process der normalen Entwickelung annimmt, auch das Verhältniss zweier normaler Blüthentheile, nämlich die Art, wie der höher stehende aus dem untern z. B. der Staub- faden aus den DBlumenblättern durch die regelmässige Metamorphose entstanden ist, zu erklären. Gegen diese Anwendung der Misbildungen ist aber Folgendes einzuwen- den: 1) Die ganze Frage ist in dieser Weise unstalthaft, weil die Blüthenmetamorphose nicht der Insectenmetamor- phose entspricht, weil sich nicht die eine Form in eine andere verwandelt, sondern weil die Ursache, welche in der Regel die Ausbildung eines Blattrudiments in der Blüthenknospe zu der einen Form bedingt, sich auf einer andern Stufe so verändert hat, dass sie aus einer gleichen Anlage (Potenz) ein anderes Organ zu Stande bringt, also eine Verwandlung, welche ausserhalb des betreffenden Or- gans geschieht und der Ausbildung jener Form selbst zeil- lich vorhergcht. Deshalb kann auch von einer Art und Weise der Verwandlung, von einer bestimmten Richtung dieses Processes, insofern sie sich an dem Organ selbst offenbaren soll, nicht die Rede sein. Eine Vergleichung zweier Or$&ane hinsichtlich ihrer einzelnen Regionen im Sinne jener Verwandlung ist schon deswegen nicht statt- haft, weil zwei Organe, zZ. B. Staubfaden und Pistill, wie oben unter VII. nachgewiesen ward, gar nicht im Verhält- niss der einfachen Steigerung (von der zeillichen Ent- wickelung ganz abgesehen) stehen, sondern trotz ihrer 83 — nachbarlichen Stellung doch als zwei ganz verschieden- arlige nebengeordnete Bildungen zu betrachten sind. 2) Die genannten Zustände theilweiser Verwandlung sind blosse Mittelstufen, die mit der zeitlichen Entwickelung nichts zu ihun haben. Entschieden findet aber eine solche Um- wandlung nicht statt bei dem Metamorphosengang der nor- malen Blüthe, bei welcher, abgesehen von der anatomischen Schwierigkeit, die directe Beobachtung lehrt, dass der Staubfaden sich unmittelbar aus seinem allen übrigen Blattrudimenten gleichen Anfang entwickelt, ohne erst durch die Form des Blumenblatts hirdurch zu gehen. Selbst eine Zurückführung der einzelnen Blüthentheile aufeinander nach bestimmten Theilen (Blattstiel, Scheibe ete.), auch ohne dass dabei der Begriff der Verwandlung urgiert würde, ist bedenklich, weil diesen Theilen die dazu erforderliche Selbständigkeit nach frühern Erörterungen *) nicht zukommt. Die wiederholte Hervorhebung dieses Punctes könnte überflüssig erscheinen, wäre nicht gegen denselben von unsern grösten Botanikern bis auf die neueste Zeit: De Candolle, R. Brown, N. v. Esenbeck, Link, Bischoff, Röper, Mohl, Schleiden und andern Männern verstossen worden. Insbesondere berufe ich mich auf Moht’s Ab- handlung über die Umwandlung der Antheren in Carpelle 1836 (Verm. Schr. pag. 28), in welcher dieser Fehler an bestimmten Fällen im Einzelnen systematisch durchgeführt‘ ist, indem dort namentlich die Mittelstufen der Verwand- lung zur Erklärung des wahren Baus von Anthere und Carpell geradezu als zeitliche individuelle Entwickelungs- stufen benutzt worden sind. Abgesehen aber von dieser irrigen Auffassungsweise bleibt dennoch der Beobachtung der Misbildungen in der erwähnten Beziehung ein gewisses Interesse. Vielleicht *) Ci. oben pag. 32. — Vergl. auch meine Met.-Lehre pag. 116, 84 gelingt es dieser Beobachtung noch, Gesetze zu entdecken, nach welcher sich die ablenkende Kraft vorzugsweise an dieser oder jener Stelle des verwandelten Organs äussert, und welche, wenn mehrere Organe in. verschiedenem Maasse umgewandelt übereinander stehen, einen bestimmten Fort- schritt der Ablenkung nicht in der individuellen Entwicke- lung des einzelnen Organs, sondern in der ganzen Pflanze ausdrücken. Bis jetzt scheinen sich noch keine solche Gesetze ergeben zu haben; bald besteht die iheilweise Verwandlung eines Blüthentheils in einer allgemeinen Annäherung an eine andere Form, — bald werden bestimmte Stellen ganz modificiert, während die andern ihre normale Beschaffenheit behalten, — bald ist diese Stelle die Spitze, bald die Basis, z.B. an dem Staub- faden, bei welchem ohne bis jetzt bemerkbare Regelmässig- keit die Corollennatur bald nur die Anthere, bald das Fila- ment, bald mehr die Ränder, bald die Mitte einnimmt. — Einstweilen scheint mir die Gewinnung allgemeiner Gesetze hierüber zweifelhaft, vielmehr mögen wohl diese Verhält- nisse zufällig d. h. individuell verschieden sein. © Die Metamorphose des Axensystiems. Nicht nur die Blattorgane sondern auch die Axe oder vielmehr das Axensystem wird in der Blüthe von der Metamorphose ergriffen; und nachdem wir im vorigen Abschnitte besonders die ersteren, welche allerdings vor- zugsweise Träger der Metamorphose sind, betrachtet haben, wenden wir uns nun zu der Axe, um in gleicher Weise durch die Gesetze ihrer Metamorphose diejenigen Bildungs- abweichungen, welche in einer abnormen Entwickelung der Axengebilde in der Blüthe beruhen, zu beleuchten, so wie andrerseits diese Fälle für die nähere Bestimmung der Gesetzmässigkeit in der Metamorphose selbst zu benutzen. Dass die Metamorphose der Axengebilde zum Theil in der Erzeugung eigenthümlicher physiologisch bestimmter 85 Formen: Stengelpistill, Placenta, Saamenknospe besteht, haben wir früher untersucht, — gegenwärtig haben wir auf diejenigen Fälle einzugehen, welche sich auf das Ge- setz der normalen Metamorphose, nämlich die Unterdrückung der Entwickelung der Axe beziehen, und welche durch Wiederherstellung der ursprünglichen d. h. nicht von der Metamorphose berührten, sondern einem allgemeineren Ge- setze entsprechenden Verhältnisse lehrreich werden. — Folgende Hauptfälle sind hier zu unterscheiden: & Entwickelung der Stengelglieder. Ein Hauptpunci, worin sich die Blüthe gegenüber der übrigen Pflanze als eigenthümlich erweist, ist das dichte Aufeinandersitzen der blattartigen Blüthentheile, der Man- gel an entwickelten Interfoliartheilen. Denn dass diess auch in der Blatiknospe der Fall ist, kommt nicht in Betracht, weil die Blüthe als ein fertiges, aus- gewachsenes Gebilde in dieser Beziehung nicht mit der zu einem Zweig entwickelbaren Knospe zu verglei- chen ist. Nun zeigt uns zwar schon bei jeder Blüthe ein Längsschnitt, dass die Blüthentheile ebenso wenig unmittel- bar auseinander hervorgehen, wie in der Knospe der Fall ist, dass die Mittelaxe aus, wenn auch noch so kurzen, Stengelgliedern gebildet ist, und in manchen Blüthen, z. B. Passiflora, sind auch wirklich solche Stengelglieder aus- gebildet, die es bei den meisten übrigen Pflanzen nicht sind. Die hiernach schon ausser Zweifel gesetzte That- sache, dass die Stengelglieder der Blüthe unentwickelt sind, dass ihre Entwickelung der Anlage nach möglich und nur durch die eigenthümliche Wirkung der Metamorphose nicht verwirklicht ist, wird aber durch solche Misbildungen, in denen einzelne Blüthenwirtel auseinander gehoben sind („Apostasis“ Engelmann), nicht nur bestätigt, sondern auch dem Auge in grossen Zügen unmittelbar anschaulich ‘und. dadurch in hohem Grade einleuchtend 86 gemacht. Als Beispiele nenne ich das abnorme Geslieltsein des Ovarıums bei einer vergrünten Reseda-Blüthe, und eine Rosa mit gestreckter Blüthenaxe. — Wenn die aus- einander gehobenen Blüthentheile vergrünt oder durch Knospenbildung bereits in die Sphäre der Stengelblätter geireten sind, dann fällt das Interesse der Auseinander- hebung weg, weil dieselbe streng genommen nicht mehr als eine Abweichung von der Metamorphose, die in diesem Fall selbst. fehlt, angesehen werden kann. Hierher ge- hören wohl die von Engelmannn*) beschriebenen Fälle von Anagallis phoenicea und Veronica chamaedrys. — Als Regel stellt sich hierbei heraus, dass die Ausbildung der Stengelglieder häufiger zwischen den äussern als den innern Blüthenwirteln vorkommt, was damit übereinstimmt, dass die Modification des Bildungstriebes von unten nach oben immer tiefer durchdringt, immer, intensiver wird. Nicht nur das Vorhandensein von Stengelgliedern und die Wirtelstellung der Blüthentheile, sondern auch die Thalsache, dass die innern Blüthentheile organisch die höchsten sind, wird durch die Erscheinungen der Apostasis augenlällig gemacht, wie wir diess oben (pag. 66) an einem Beispiel, einer sogenannten durchwachsenen Rose näher dargestellt haben. db. Fortbildung der Hauptaxe. Eine zweite Form, in welcher sich die Metamorphose an der Axe äussert, ist der mit der Spitze der Blüthe zugleich eintretende Abschluss in der Fortbildung des Stengels. Wie in dem vorigen Fall, wo vorhan- dene Stengelglieder nur in der Entwickelung gehemmt waren, so treten auch hier, wo die Stengelbildung, die in der nichtblühenden Pflanze unbegrenzt ist, einen End- punct erreicht, in abweichenden Fällen ausnahmsweise die *) De antholysi prodr. pag. 42. Tab. IL. Fig. 6. 7. 87 ursprünglichen Verhältnisse wieder auf; man nennt diese Erscheinung: Sprossung. Es sind aber hierbei drei Erscheinungen streng zu sondern, die in den gewöhnlichen Beschreibungen und Abbildungen nicht gehörig auseinander gehalten werden; man wirft alle Bildungen, die über die Blüthe hinausragen, unter den Namen „Durchwachsung* zusammen, ohne genau zuzusehen, ob dabei eine Forl- setzung der Hauptaxe oder eine abnorme Entwickelung der Nebenaxe statlifindet. Wir halten uns an das Er- stere. Hier kommen wiederum zwei Fälle vor: 1) über irgend einem Blüthenwirtel (Kelch, Staubfäden etc.) erhebt sich ein Stiel, an welchem sich eine neue Blüthe, wieder vom Kelch beginnend, entwickelt. Diess grenzt offenbar an die vorige Erscheinung, nur dass die einzelnen Wirtel sich wiederholen, der Metamorphosengang abbricht und nach Auseinanderhebung wieder von vorn beginnt. Dieses Abbrechen kann mit jedem Kreis: Kelch, Corolle, Staub- fäden eintreten. Eine verwandte Erscheinung ist auch die, wo die Internodien zwischen den mittleren Blütheneyklen sich in die Länge strecken, während die höheren zugleich rückschreitend metamorphosiert werden, so dass ces ent- weder gar nicht oder erst später, meist nach Wiederholung der regelmässigen Blüthentheile zur Fruchtbildung kommt, 2) Durchwachsung im engern Sinne („Diaphysis“) ist eine Verlängerung der Haupiaxe an der Spitze, über die Blüthe hinaus, während dieselbe gewöhnlich mit der letzteren geschlossen ist. Es ist wichlig, dass man sich der verschiedenen Fälle, in welchen mit der Blüthenbildung ein Abschluss der Axe erfolgt, bewusst wird, weil der- selbe, wie man von vornherein erkennen kann, bei den verschiedenen Pflanzentypen einen verschiedenen Grad oder Intensität erreichen muss, je nach dem Grade der Voll- kommenheit, womit die Metamorphose das Ende der Axe beherrscht. Folgendes etwa (wobei wir von der nicht- blühenden Pflanze ausgehen und auch den Blüthenstand 88 mit hereinziehen) wird die Ordnung der Fälle sein, nach welcher der Abschluss der Axe dem Grade nach zunimmt: 1) Eine beblätterte nicht blühende Axe entwickelt sich im Allgemeinen ohne Ende fort; Ausnahmen bei solchen Pilanzen, wo das Axenende in einer bestimmten Form z.B. als Dorn modificiert ist, wie bei Prunus spinosa, Ruscus aculeatus etc. 2) Eine Axe, deren oberer Theil seitlich Blüthen trägt, ohne dass dieselben einen Blüthenstand bilden. 3) Eine in einen Blüthenstand metamorphosierte Ver- ästelung der Axe; hierbei zu unterscheiden a) Blüthenstand unbegrenzt, mit entwickelter Axe (Aehre, Traube). d) Blüthenstand mit beendetem Wachsthum, jedoch ohne Endblüthe (Dolde, Köpfchen). c) Blüthenstand durch eine Endblüthe geschlossen, fort- bildungsfähig durch Antholyse der Endblüthe oder durch: Vertretung der Blüthen durch Blüthenstände, wie es schon die zusammengeseizte Trugdolde zeigt. 4) Kein Blüthenstand, einzelne Endblüthe — die Pistille aber in der Mehrzahl, sei es auf einem Torus zerstreut oder miteinander verwachsen. 5) Endblüthe, — ein einziges Pistill, aus einem oder mehreren Carpellen gebildet — wandständige Pla- centa. Dadurch ist das Ende der Axe noch frei von der unmittelbaren Metamorphose geblieben und kann sich ohne Störung der übrigen Blüthe verlängern. 6) Endblülhe, — ein endständiges Pistill, — end- ständige Placenta, die aber nicht gerade an ihrer Spitze eine Saamenknospe trägt. Hierher gehört auch das unterstiändige Ovarium und das Stengelpistill mit wand- ständiger, centraler Placenta oder zersireuten Saamen- knospen. 7) Endblüthe, — endständiges Pistill, — endständige Placenta mit endständiger Saamenknospe, oder letztere u » . a . R 89 — grundständig. In diesem Fall erhält das Axenende eine bestimmte Formbegrenzung und kann nur dann fort- wachsen, wenn eine wirklich totale rückschreitende Meta- morphose, eine Aufhebung der physiologischen Bestim- mung der Saamenknospe eintritt, wenn dieses, anstatt seine bildende Thätigkeit (puneltum vegetationis) im Innern einzuschliessen, dieselbe an der Spitze des nueleus behält. | Wenn in diesen Fällen die Axe durchwächst, so kann die Fortsetzung entweder als beblälterter Zweig, oder als eine einfache oder mehrfache Wiederholung, sei es voli- kommener oder verschieden aufgelöster Blüthen, oder als beides zugleich auftreten. Fasst man die Blüthenbildung als eine Steigerung in dem einfachen Lebenslauf des In- dividuums auf, so sind diese Erscheinungen gleichsam als Oscillationen des Bildungstriebes anzusehen. — Meistens lösen sich für die Fälle 5) 6)7) gleichzeitig die Carpelle, damit der neue Trieb heraustreten kann, widrigenfalls bleibt derselbe in der Fruchthöhle eingeschlossen. Für alle jene Fälle haben wir Beispiele von abnormer Durchwachsung,, und weil sich in jener Ordnung eine zu- nehmende Beschränkung (Specialisierung) eines allgemeinen Gesetzes darstellt, die Leichtigkeit aber, womit eine ein allgemeines Gesetz zurückbringende Bildungsabweichung erfolgt, im umgekehrten Verhältniss mit dem Grade jener Beschränkung steht, so würde ohne Zweifel, wenn die Zahl hinreichend gross, vor Allem die Beobachtungen klarer, namentlich jene Verhältnisse von den Seitensprossungen gehörig unterschieden wären, sich jener Siufengang in der Abschliessung der Axe mit der Blüthenbildung wiederfinden auch in den Zahlenverhältnissen der Durchwachsungsbei- spiele, was bis jetzt freilich nur undeutlich zu erkennen ist. Es mögen hier die mir bekannt gewordenen Beispiele nach derselben Ordnung, wie die Fälle im Allgemeinen dargestellt sind, nach den blossen Namen folgen, wobei 4** 90 ich so viel als möglich die hierher gehörigen von denen der folgenden Gruppe gesondert habe. ad 1) ad ?) Die meisten nicht blühenden Axen. Zahlreiche normale Fälle, Misbildungen nicht be- kannt. ad 3) a) Triticum repens, Secale cereale, Phleum prat., ad 4) ad 5) ad 6) Alopecurus, Pinus Lariz (Willdenow); nor- male Beispiele: Fritillaria, Eucomis punctata, Metrosideros. R 5b) Euphorbia palustris, Primula, Umbelliferae (Engelmann ct.). Rosa (Engelmann, Kirschleger), Pyrus (Bonnet), Geum, Agrimonia, Caltha. Erysimum off., Cheiranthus Cheiri*), Cardamine prat., Sisymbrium, Hesperis, Bunias, Brassica Napus (Brongniart), Dietamnus, Reseda (alba, odorata, Phyteuma), Stachys sylv., Symphylum o/f., Scrophularineae, Genliana, Rumex. Caryophylleae, Lysimachia Ephemerum, Tulipa Gesneriana ( Schlechtendal), Cirsium Iriceph., Senecio, Calendula (Engelmann)?, Athamanta Cervaria, Torilis Anthriscus (Engelmann); hier ist die unterständige Fruchtbildung verhindert, und statt dessen setzt sich die Axe über die Blüthe hinaus fort; Ribes multiflorum (Kunth). Bei den genannten Pflanzen mit unterständigem Ovarium *) Bei dieser interessanten Misbildung einer Goldlackpflanze, welche Geh. M. R. Ullmann zu Marburg 1822 beobachtete, waren nach der von demselben mir mitgetheilten Beschreibung und Abbildung die ausgebildeten, auch noch mit einzelnen Saa- men versehenen Schoten gegen die Basis hin in der Naht mehr oder weniger geborsten, und aus dem Grunde derselben quollen vollkommene Früchte und keimfähige Saamen bildende Blüthen heraus. BR ee 91 scheint die Fortbildung der Axe von dem Ovarium, und nicht von dem Eichen auszugehen. ad 7) Phleum pratense (Engelmann), Hieracium fallax (Engelmann) [ad 6) ?], Tragopogon pratensis (Kirschleger). ‘ Was wir aus diesen Erscheinungen für die Erkennt- : niss der Gestaltungsgesetze gewinnen, ist die Bestätigung der Wahrheit, dass die Axe ihrer Natur nach, d. h. dem allgemeinen durch die Metamorphose nicht beschränkten Gesetze nach unbegrenzt ist, dass der mit der Blüthen- bildung regelmässig eintretende Abschluss nicht morpho- logisch _gesetzmässig, sondern nur zufällig, physiologisch, und zwar bei ungeschlossener, freier Spitze (No. 2—6) durch Erschöpfung der productiven Kraft (Nahrung?), — oder wo das Axenende ein Pistill mit centraler Placenta oder gar mit end- oder grundständiger Saamenknospe trägt (No. 7): durch die eigenthümliche Umwandlung der Spitze in ein durch die physiologische Bestimmung begrenztes Organ bedingt ist. e. Entwickelung der Seitenaxen. Der Begrenzung der Hauptaxe ganz analog ist die beim Auftreten der Blüthe durch die Metamorphose be- dingte Unfähigkeit der Blattorgane, Axillarknospen und Zweige zu erzeugen. Es gibt auch hier zahlreiche ab- norme Fälle, wo diese im normalen Zustand fehlenden Knospen in der That auftreten, und zwar so, dass entwe- der die Blüthentheile, in deren Achseln sie entspringen, unverändert bleiben oder gleichzeitig rückschreitend bis zur Stengelblaitform metamorphosiert werden, in welchem letztern Falle dann jene Erscheinung, weil sie durch die Darbietung der ursprünglichen Bedingungen eine ganz normale Folge ist, weniger auffallend und belehrend ist. Auch hier können die neuen Triebe entweder Blüthen oder Laubzweige oder beides gemischt sein; im ersten Fall 92 — [2-2 kommt eine Art von Blüthenständen zum Vorschein. Man bezeichnet diese Erscheinungen als „Seitensprossung* „Ecblastesis“. | Es wird durch diese Gruppe von Bildungsabweichungen offenbart, dass die den Blüthentheilen als Blattorganen ur- sprünglich zukommende Fähigkeit, Knospen zu erzeugen, nicht sowohl allgemein gesetzmässig verloren gegangen, als nur zufällig durch die physiologischen Verhältnisse der Blüthenbildung unterdrückt ist, — wohl aber zum Vor- schein kommen kann, sobald begünstigende Bedingungen eintreten. Andrerseits dient diese Seitensprossung auch als ein Beweis für die Blattnatur der Blüthentheile, ein Be- weis, den so leicht und anschaulich allerdings die Ent-. wickelungsgeschichte nicht geben kann, der aber, weil Knospenbildung nicht nothwendig an eine Blattachsel ge- bunden ist, auch nicht so streng ist als der, welchen die Beobachtung der Bildungsgeschichte der Organe selbst lie- fert. Es sind also auch aus dieser Gruppe von Misbildungen Beiträge zu der oben Cap. II. A. von einem andern Ge- sichtspuncte aus angestellten Untersuchung über die mor- phologische Bedeutung der Blüthentheile zu entnehmen. ‘Wenn man annimmt, dass die Metamorphose auf ihren verschiedenen Stufen einen ungleichen Grad von Intensität erreicht, so wird auch die Geneigtheit der verschiedenen Blüthenwirtel, die gesetzmässige Knospenbildung wieder zu erlangen, als ‘ein Moment der sich auflösenden Metamor- phose, verschieden gross sein; wir haben deshalb, wie oben, die einzelnen Fälle zu sondern, und zwar diessmal nach den Blüthenwirteln zusammenzustellen. Geordnet müssten dieselben werden nach dem zunehmenden Grad der Metamorphose, nach ihrer Intensität; und obgleich diese _ Ordnung nicht mit der räumlichen Anordnung der Blüthen- eyklen zusammenfällt, wie wir oben nachgewiesen haben, so ist die letztere, weil wir die wahre Ordnung doch noch nicht kennen, einstweilen bei der. folgenden Zusammen- 93 stellung der Beispiele beizubehalten, in welcher es eben- falls wegen der unzureichenden. Zahl der Fälle und wegen des Mangels an scharfer Sonderung von Seiten der Beob- achter einstweilen noch nicht möglich sein wird, in den Zahlenverhältniss ein Gesetz zu erkennen. 1) Jedes wahre Stengelblatt treibt im Allgemeinen eine Knospe, die sich unter günstigen Umständen zum Zweig entfalten kann; hierher sind auch diejenigen Fälle von Blüthenantholyse zu rechnen, wo Knospenbildung in den Winkeln von solchen Blüthentheilen vorkommt, die durch Vergrünung oder Verlaubung den Stengelblättern physiologisch vollkommen gleich geworden sind. 2) Involuerum: Tragopogon pratensis ( Kirsch- leger), Anemone coronaria (Tandon), Euphorbia Cypa- rissias. 3) Kelch: Arabis alpina, Brassica, Erysimum eff, Cheiranthus Cheiri, Cardamine hirsula, Rosen (Engel- mann), Melilotus, Medicago, Coronilla, Cleome, Aconilum, Delphinium, Rumezx obtusif., Veronica chamaedrys, Sola- num Lycopers., Gentiana camp., Campanula rapunculoi- des, Daucus Carota, Bupleurum falcatum, Torilis An- Ihriscus, Alhamanta Cervaria, Apium graveolens, Pastinaca, Heracleum Sphondylium, Angelica sylvestris, Arenaria trinervis, Agrostemma Githago, Lychnis fl. Cuculi, Lychnis sylv., Stellaria glauca, Silene, Gypsophila, Dianthus caryo- phyllus, Cerastium repens, Telragonia expansa, Diplolasis, Scabiosa (Aussenkelch), Reseda lutea. 4) Perianthium: Convallaria majalis, Hyacinthus botryoides, Caltha palustris, Clematis. 5) Corolla:. Nelke (Göthe ), Tropaeolum majus (Jaeger, N. v. Esenbeck), Brassica Napus, Erysimum cheiranthoides, Diplotaxis, Gypsophila Saxifr., Rosa (Choisy). — Aus Kelch- und Corollenwinkel entwickel- ten sich bei Solanum tuberosum Knollen (Knight, nach Tandon). 94 6) Staubfäden: Alcaea (Engelmann), Brassica Napus, Rosa (?). Diejenigen Fälle, wo der Staubfaden Blumenblattform angenommen hatte, gehören natürlich unter 5). Y 7) Carpellblätter. Es können hier nur solche Fälle in Betracht kommen, bei welchen die Axillarzweige der Carpelle nicht‘ schon normal. entwickelt, nämlich‘ als Placenten vorhanden sind, sondern wo letztere durch die Hauptaxe gebildet werden. Sichere Beispiele sind mir nicht bekannt, da sich aus den Beschreibungen nicht entscheiden lässt, ob Gipfel- oder Seitensprossung stattfindet. — Diese Seitensprossung konmt häufig in Verbindung mit der centralen Durchwachsung und der Auseinander- hebung vor; auch sind übermässige oder mangelhafte Ent-. wickelung, Trennung, Verwandlung, Verwachsung‘ und Verkümmerung häufig dieselbe begleitende Erscheinungen. Bemerkenswerih ist noch, dass die Sprossung nicht allemal aus allen Gliedern eines Wirtels gleichmässig, son- dern oft nur aus einem oder einigen Blüthentheilen statt- findet. Nach Bischoff beruht die Durchwachsung der centri- fugalen Blüthenstände auf der Ausbildung eines Blüthen- standes anstatt einer Blüthe, mithin auf Seitensprossung aus den mehr oder weniger veränderten Blüthentheilen. d. Entwickelung von Adventivknospen. Das Auftreten von Adventivknospen ist zwar an der ganzen Pflanze nicht gesetzmässig, indess fehlen dieselben doch vorzugsweise innerhalb der Blüthe regelmässig, kön- nen sich aber auf abnorme Weise entwickeln. Hierher gehört vielleicht die Vervielfältigung der Blüthenstände, — und die Knospenbildung auf der Innen- und Aussenfläche des unterständigen Ovariums und des Discus, z. B. die Durchwachsung der Umbelliferenblüthe. — 95 D. Die Metamorphose im Blüthenstand. "Wenn Metamorphose die Wirkung bedeutet, welche die Organe der Pflanze, Stengel und Blatt, in der Richtung von unten nach oben in eigenthümlicher gesetzmässiger Weise und nach bestimmter Ordnung verändert auftreten lässt, so kann man nicht*nur der einfachen Blüthe, sondern auch dem Blüthenstand eine Metamorphose unterlegen, und Röper ®) bemerkt mit Recht: der Blüthenstand sei eine Blüthe der Pflanze im weitern Sinne, während die Blüthe dem einfachen Individuum angehört. Zu Grunde liegt auch hier ein Gesetz der Identität; wie es in der einfachen Metamorphose das Blatt und Stengelglied, so ist hier die Nebenaxe das Element der Wiederholung und die Wahrheit, dass jeder Zweig des Blüthenstandes und jede einzelne Blüthe in Beziehung auf den Gesammtbau der Pflanze mit jedem beblätterten Zweig identisch ist, das dem oben Cap. Il. A. dargestellten ent- sprechende Grundgesetz der zusammengesetzten Metamor- phose. Wie dort bei der Blüthe, so besteht auch hier das Eigenthümliche des Blüthenstandes in einer Unterwerfung der Vegetationsorgane unter besondere physiologische Be- stimmungen, nämlich unter die Fortpflanzungsfunction; die einzelnen Factoren dieser secundären Gesetzmässigkeit sind im Wesentlichen folgende. Was das Axensystem betrifft, w elchem hier zum Unter- schiede von der einfachen Blüthe eine grössere Bedeutung als den Blattorganen zukommt, so äussert sich die Meta- morphose zunächst in einem höheren Grade, insbesondere aber in einer eigenthümlichen Form der Verzweigung der Hauptaxe am Ende der Axe gegenüber der vegetaliven Region der Pflanze, indem nämlich, wie oben bei den Blattorganen in der Blüthe, das Zahlengesetz der Cyklen % — *) Observationes aliquot in florum inflorescentiarumque naluram. 96 sich steigert, oft indem auf eine zerstreute Anordnung der untern Zweige mit dem Blüthenstand eine Wirtelstellung folgt; weiter wird das Gepräge der verzweigten Axe bestimmt durch das Verhältniss der Länge zwischen der Hauptaxe und den Nebenaxen, durch das Verhältniss der Dicke und der Länge und durch die Richtung der Axen, sowie insbesondere durch den Grad der Verästelung, nämlich einestheils durch die Zahl der entwickelten Zweige an einer Axe, anderntheils durch die Anzahl der aufein- ander folgenden Generationen. Hierzu kommt eine alle Zweige ergreifende Verfeinerung, eine Annäherung der Structur und Farbe an die Blüthenbildung. Das wichtigste Gesetz des Blüthenstandes aber ist der Abschluss der Hauptaxe entweder durch Blüthenbildung oder durch Erschöpfung der reproducliven Kraft, die Um- bildung sämmtlicher Zweigenden zu Blülhen, nälhen die Unterdrückung aller vegetativen Weiterbildung innerhalb des von: dieser allgemeineren Metamorphose alter nen Gebietes. Die Metamorphose der Blationsnae besteht theils in einer gänzlichen Unterdrückung derselben, auch da wo Zweige entspringen, theils in einer den Blüthenblättern sich nähernden Modification in Farbe, Structur und Umriss als Deckblätter und Deckblättchen. 'Zuweilen rücken mehrere der Axillarbildung ermangelnde Blätter unterhalb des Blü- thenstandes mehf oder weniger wirtelarlig zusammen, gleichsam das Analogon einer Blüthendecke darstellend. Dadurch und durch Erhebung des Ganzen auf einem nack- ten Stiel bekommt der Blüthenstand eine individuelle Ab- grenzung und nähert sich auch in dieser Beziehung dem Gepräge der einfachen Blüthe, zumal wenn, wie bei den zusammengesetzten Blüthen, noch ein neues der Trennung in verschiedene aufeinander folgende Metamorphosenstufen entsprechendes Moment der Metamorphose, nämlich eine Differenzierung der Blüthen eines Blüthenzustandes in 97 Beziehung auf Gestalt, Geschlecht und Farbe hinzukomnt. Alsdann sind diese differenten Elemente nach einem ähn- lichen Gesetz wie die einfachen Organe in der Blüthe angeordnet. Der Rand mit seinen Zungenblumen von vor- zugsweise weiblichem Geschlecht und überdiess durch Grösse und Farbe ausgezeichnet und nach Innen die röhrenför- migen Scheibenblumen mit doppeliem oder blos männlichem Geschlecht erscheinen als zwei Metamorphosenstufen im weitern Sinne, ähnlich wie die Blumenkrone gegenüber dem Staubfadencyklus oder dieser gegenüber den Carpellen. Demgemäss zeigen nun auch die Misbildungen, welche aus einer Unterdrückung dieser allgemeinen Metamorphose, aus einer Zurückführung der modificierten Theile zum rein vegetativen Character hervorgehen, eine Menge von Er- scheinungen, welche denen bei der Antholyse der einfachen Pflanze analog sind, und können und müssen daher unter ähnlichen Gesichtspuncten betrachtet werden, wie sie für die einfache Metamorphose im Obigen aufgestellt worden sind. Eine totale rückschreitende Metamorphose würde hier in einer Umwandlung aller Deckblätter in Vegetationsblätter (und Entwickelung solcher, wo die Deckblätter fehlen), aller Blüthen in beblätterte Zweige und in einer Fort- bildung aller unterdrückten Axen bestehen ; tritt sie aber nur theilweise auf, so sind die wichtigsten einzelnen Mo- mente: Fortsetzung der Hauptaxe, Entwickelung von Axillar- knospen an den leeren Hüllblättern (und die erstere Er- scheinung wird hinsichtlich der Häufigkeit der Fälle im Verhältniss von dem verschiedenen Grade der Vollkom- menheit abhängen, womit die Axe bei den verschiedenen Blüthenständen einen Abschluss erleidet), — ferner Ab- änderung in Farbe, Structur und Form der Deckblätter, — Unterdrückung des Geschlechts der Blüthen oder Modificie- rung der Anordnung der eingeschlechtigen Blüthen; wo in der normalen Bildung eine solche Differenzierung stati- findet, wie bei den Compositae, da gilt die merkwürdige - 19) 93 Regel, dass das männliche Geschlecht mehr auf das Cen- trum, das weibliche mehr auf die Peripherie angewiesen ist (also, wenn man die weibliche Blüthe dem Pistill, die männliche oder hermaphroditische dem Staubfaden der ein- fachen Blüthe parallelisieren will: eine umgekehrte Ordnung wie in der letztern); in den rückschreitenden Metamor- phosen wiegt das Bestreben vor, die männlichen Blüthen durch weibliche zu vertreten (wie ja auch schon bei der einfachen Metamorphose als vorherrschend beobachtet wurde); die ganze Scheibe der Compositae wird zur weib- lichen. Demgemäss ändert sich aber auch die mit der Geschlechtsverschiedenheit verbundene Form und Farbe der Blüthen, in den Misbildungen nehmen die röhrigen Schei- benblumen die Zungenform und Farbe der anders gefärb- ten Randblumen an. (Aehnlich die rückschreitende Meta- morphose des Blüthenstandes von Viburnum Opulus, der sogenannte Schneeball). An diesen Uebergang der Ge- schlechter ineinander würden sich ähnliche Betrachtungen knüpfen wie oben an die Verwandlung der Metamorphosen- stufen. Ich muss aber hier aul ein näheres Eingehen in diesen Punct verzichten. E. Die Metamorphose bei den niederen Gewächsen. Bei den niederen Abtheilungen der Gewächse, bei den Algen, Pilzen und Flechten sehen wir ein Analogon der Metamorphose bei den Phanerogamen fast nur in der Er- zeugung eines Fortpflanzungsorgans, welches entweder wie bei den Pilzen das erste bestimmtere Formgepräge in die Entwickelung des Individuums einführt, oder nur eine Modification eines bereits vorhandenen Formgliedes durch Hinzutreten einer physiologischen Bestimmung oder zugleich einer eigenihümlichen äussern Gestalt darstellt. Bei den Flechten gehen die verschiedenen anatomischen Schichten des Thallus in die Sporenfrucht über und bilden, in ähnlicher 3 Weise wie Blatt und Axe bei der Blüthe, die der Meta- morphose als Träger dienenden Elemente. — Dass ınan bei diesen Gewächsen keine denen der Phanerogamen ent- sprechende Bildungsabweichungen kennt, hat seinen Grund in der unvollkommenen Erkenntniss des normalen Typus derselben, ohne welche natürlich die Abweichungen von demselben nicht wahrgenommen werden können; letzteres beruht aber wiederum darin, dass, je weiter wir in der Reihe der Gewächse herabsteigen, wir immer weniger scharf einen solchen einfachen normalen Typus ausgeprägt finden, weshalb der Unterschied zwischen den normalen Abänderungen der weniger fest abgegrenzten individuellen Gestalt und zwischen abnormen Bildungen verschwindet. Es lässt sich annehmen, dass je niedriger eine Pflanzen- gruppe steht, desto mehr die Bildungsabweichungen nicht sowohl die Gestaltungsgesetze betreffen, als vielmehr auf Abänderungen in den Elementartheilen, in der Structur beruhen. — Vielleicht darf man die bekannten abnormen Zustände des Thallus und der Sporenfrüchte der Flechten: den Leprarien-, Variolarien-, Isidienzustand ete. als Rück- schritt zu einer niederen, mehr vegetativen Bildungsstufe, deshalb als Analoga der rückschreitenden Metamorphose der höheren Pflanzen ansehen. Bei den Pflanzengruppen von den Moosen aufwärts bis zu den Rhizokarpeen äussert sich eine Metamorphose in doppelter Weise: 1) in der Aufeinanderfolge zweier verschiedener Lebensformen, von denen die erstere, der sogenannte Vorkeim, durch den Mangel an gesetzmässiger Abgrenzung und scharfer Gliederung mehr den Typus der vorhergehenden Abtheilungen repräsentiert, während mit der zweiten eine höhere Individualisierung der Gestalt, ins- besondere die Scheidung derselben in die beiden Organe: Axe und Blatt auftritt; — 2) in der Erzeugung eines der höheren Blüthe entsprechenden Foripflanzungsapparates, dessen morphologische Beziehung zu der Gliederung der .» » 1 A 100 übrigen Pflanze aber erst bei den Farn, Lykopodiaceen und Equisetaceen klar hervortritt, indem es hier das Blatt ist, welches die morphologische Grundlage der Metamor- phose bildet, und die letztere in einer ähnlichen anatomi- schen Modification dieses Organs beruht wie die Antheren- bildung der Phanerogamen. Erst bei den höheren Gliedern der genannten Gruppen, in vollkommener Weise eigentlich nur bei den Equiseta- ceen wird diese physiologische Metamorphose zugleich von einer eigenthümlichen Veränderung der Gestalt und An- ordnungsweise. des Blattes begleitet, weshalb auch nur hier von einer rückschreitenden Metamorphose wie die der höheren Metamorphosenstufen der phanerogamen Blüthe in niedere die Rede sein kann, so dass der von Röper und Mohl beobachtete Fall einer Verwandlung des Sporophylis von Equisetum Telmateja in ein Stengelblati ziemlich das einzige Beispiel einer Bildungsabweichung im obigen Sinne unter den Kryptogamen sein wird. Drittes Capitel. Das Maass der Gesetzmässigkeit der Metamorphose nach- weisbar an den Bildungsabweichungen. Haben wir in dem vorhergehenden Capitel die ein- zelnen Factoren der Metamorphose mehr für sich betrach- tet, und indem wir dieselben als Gesetze auffassten, die Bildungsabweichungen darauf bezogen, theils um die letz- teren verstehen zu lernen, theils um jene Gesetze bestätigt, offenbart oder genauer bestinmt zu sehen, so wollen wir nunmehr noch unser Auge auf die Frage nach dem Grade der Tiefe richten, womit das Gesetz der Metamorphose in dem Wesen der Pflanze gegründet ist, und dabei sowohl 101 die einzelnen Factoren vergleichen, als auch auf die verschiedenen Bedingungen , welche auf die Metamorphose Einfluss haben, Rücksicht nehmen. Dass uns auch gerade hierzu die Betrachtung der Bildungsabweichungen Gelegen- heit gibt, folgt aus dem schon oben ausgesprochenen Satze: je allgemeiner ein Gesetz, desto energischer, inten- siver die Erscheinung, desto seltener die Abweichungs- fälle. Wir sind schon in dem Bisherigen hier und da auf Betrachtungen in diesem Sinn eingegangen, in den fol- senden Andeutungen wollen wir jenen Punet mehr ins Ganze zu verfolgen suchen. — Wenn man die Metamorphose im engern Sinne als die gesammte Veränderung, welche innerhalb der Entwickelung des Individuums zu einer gewissen Zeit auftritt, und deren Product die Blüthe ist, auffasst, so muss man derselben eine gewisse Intensität, ein gewisses Maass der Nothwen- digkeit, mit welcher sie aus dem ganzen Wesen der Pflanze hervorgeht, zuschreiben. Das absolute Maass dieser Intensität können wir nicht eher wissen, als bis uns die übrigen Gesetze des Pflanzenlebens vor Augen liegen. Diejenigen Bildungsabweichungen, welche, wie. wir im Obigen gesehen haben, in theilweisen Störungen der nor- malen Metamorphose bestehen, lehren uns aber, was wir übrigens schon aus einer ralionellen Betrachtung der nor- malen Erscheinungen schliessen können, dass die Metamor- phose ein sehr complicierter Act ist, dass sie aus mehrern Factoren zusammengesetzt ist, von denen in jenen Mis- bildungen nur eine kleinere oder grössere Zahl zugleich auftritt; zugleich folgt aber aus diesem vereinzelten Auf- treten, dass jenen Factoren selbst ein verschiedenes Ver- hältniss der Intensität innerhalb des Pflanzenlebens zukomme, und es lässt sich erwarten, dass die Gesetzmässigkeit, welche in diesen Verhältnissen herrschen muss, durch die Beobachtung und Vergleichung der Misbildungen nach- gewiesen werden kann, weil die Intensität einer Metamor- 102 phosenerscheinung in umgekehrtem Verhältniss mit der Geneigtheit derselben, aufgehoben zu werden, steht, mithin durch die in Zahlen angebbare Häufigkeit der verschiede- nen Fälle dieser Aufhebung gemessen werden kann. Die Intensität der Metamorphose hat natürlich ihren Grund in bestimmten Ursachen, und wenn die einzelnen Factoren der Metamorphose verschiedene Intensitäten haben, so müssen die denselben unterliegenden Ursachen verschieden, und in Beziehung auf das Pflanzenleben von verschiedenem Werthe sein. Diese Ursachen oder Bedingungen sind aber theils im Gesammtbau der betreffenden Pflanzenart, theils in äussern Einflüssen, theils in dem Wesen der Metamor- phose selbst d. h. in den gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Factoren gegründet. Eine sorgfältige Beobach- tung der Misbildungen mit Berücksichtigung der Bedingun- gen, unter welchen die verschiedenen Formen der Bil- dungsabweichungen zum Vorschein kommen, sind daher geeignet, der Erkenntniss jener Gesetzmässigkeit näher zu führen, wenn diese auch im vollkommenen Maasse erst aus einer vollendeten physiologischen und morphologischen Einsicht des Pflanzenlebens hervorgehen kann. Im Fol- genden gebe ich nur Andeutungen zur Lösung der Auf- gabe, nebst einigen als Beispiele dienenden Resultaten der bisherigen Beobachtung. Die wichtigsten Factoren der Metamorphose fallen un- ter folgende Kategorien. In Betreff des Stengelsystems: Form und Function, Verkürzung der Stengelglieder und Verhinderung der Fortbildung der Haupt- und Neben- axen (welchen Puncten in der Antholyse entsprechen: Streckung der Internodien, Durchwachsung und Seitenspros- sung), — in Betreff der einzelnen Blattorgane und Wirtel: Farbe, Structur, Form, Function, Stellung, Zahlenverhältnisse, — in Betreff der gesammten Erscheinung: gesetzmässsige Aufemanderfolge und gesetzmässiger Fortschritt ( Antho- Iyse: rückschreitende Metamorphose, Hemmungsbildung)). 103 Was die aus dem Bau der Pflanze hervorgehenden Bedingungen für die Intensität der Metamorphose des Stengelsystems betrifft, so habe ich diesen Punct schon oben bei Gelegenheit der Apostasis, Diaphysis und Eecblastesis auszuführen versucht. Hiernach nimmt die Fortbildung der Hauptaxe um so mehr an Mög- lichkeit ab, je mehr das Ende der Axe in Folge eigen- ihümlicher physiologischer Modificationen abgeschlossen wird; andrerseits hängt auch wohl die Beständigkeit der Placenta und der Ovula in ihrer eigenthümlichen Metamor- phose von der Stellung und dem Verhältniss zum Axen- ende ab; — die Entwickelung der Seitenaxen scheint nach den bisherigen Beobachtungen nicht sowohl von der specifischen und generellen Eigenthümlichkeit der Pflanze, als vielmehr von der Natur der Metamorphosen- stufen abhängig zu sein, je nachdem dieselben der Siengel- blattnatur näher oder ferner stehen, oder je nachdem, da in der Regel mit der Seitensprossung jener Organe eine rückschreitende Verwandlung derselben gleichzeitig ist, die verschiedenen Blüthentheile leichter oder schwerer rück- schreitend metamorphosiert werden. — Mit der Streckung der Stengelglieder verhält es sich ebenso. — Wel- ches von beiden Momenten, die Entwickelung der Axe oder das dieselbe begleitende Rückschreiten der betreffen- den Blatiorgane, das Primäre und Secundäre sei, könnte durch eine. möglichst grosse Zahl von Beobachtungen er- mittelt werden; bis jetzt scheint die Mehrzahl der Fälle dafür zu sprechen, dass die Form des Blattorgans unab- hängig von der Erzeugung der Axillarknospe ist. Als allgemeine Regel für die Hauptpflanzengruppen stellt sich heraus, dass die Dieotyledonen mit ihrem complieierten Bau mehr geneigt zu Antholysen sind als die Monocotyledonen. Wenn das Gesetz des Fortschritts von einer Meta- morphosenstufe zur andern und das Zahlenverhältniss der 104 Wirtel und der Wirtelglieder eine Abänderung erleidet, wie in den gefüllten Blüthen, wo diese drei Momente fast immer zugleich gestört sind, so lehrt die Betrachtung, dass diese Hemmung vorzugsweise bei der Blumenblatt- bildung eintritt (gleich als wäre zur Erzeugung. der Staub- fäden und Pistille eine Kluft zu überschreiten, wozu der Bildungstrieb eines besondern Anstosses bedürfte) *); sie scheint aber ausserdem vorherrschend an gewisse Pflan- zengruppen gebunden zu sein, deren Eigenthümlichkeit, sei es in der morphologischen oder in der chemischen Anlage, demnach jenen Sprung des Bildungstriebes zur Hervorbringung physiologisch bestimmter Organe wenig befördert. Es gibt Familien, welche vorzugsweise zum Gefülltwerden geneigt sind, vor allen die Cruciferen, sodann die Rosaceen, Papaveraceen, Ranuncula- ceen, Caryophylleen; andere, wo dasselbe nur in einzelnen Fällen beobachtet ist, so unter den Papiliona- ceen nur bei Coronilla, Anthyllis, Clitoria, Spartium; andere, wo es noch gar nicht beobachtet zu sein scheint: Typhaceen, Palmen, Gräser, Cyperaceen, Jun- ceen, Alismaceen, Orchideen, Musaceen, Amen- taceen, Coniferen, Polygoneen, Halorageen, Najadeen, Ericeen, Euphorbiaceen, Stellaten, Umbelliferen, Asperifolieen, Labiaten, Scro- phularineen (sehr selten), Polygaleen **), Santa- laceen, Geranieen. Die Intensität der Metamorphose ist bei diesen Pflanzen so gross, dass z. B. bei Thesium *) Nach Willdenow verhalten sich Blüthen mit spornförmi- gen und kranzförmigen Nebenblumen verschieden, indem die Hemmungsbildung bei gewissen Pflanzen (Narcissus, Aquilegia) bald bei der Corolle auf Kosten der Nebenblume, bald bei der Nebenblume auf Kosten der Corolle stattfindet, bei anderen (Viola, Delphinium) nur auf die erste Art, ==) Willdenow, Kräuterkunde. 105 intermedium nach Reisseck *) die Staubfäden und Carpelle eher ganz eingehen, als ihre Natur umzuwandeln. Es ist einstweilen nicht einzusehen, wie dieses eigen- thümliche Verhalten der Pflanzenfamilien mit ihren übrigen Eigenschaften zusammenhängt. Man hat als Regel auf- gestellt, dass die Blüthen mit einblätteriger Corolle der Hemmungsbildung weniger unterworfen seien als die mit getrennten Blumenblältern (unter den letztern werden als die bekannten Fälle von Willdenow aufgeführt: Colchicum, Crocus, Hyacinthus, Polyanthes, Polygonatum); — ferner, dass eine geringere Anzahl von Staubfäden der Vertretung durch Blumenblätter fester widerstehe als eine grössere Zahl, und dass, wo diess nicht der Fall sei, die Hem- mungsbildung nur bei einblättriger Blumenkrone (Jasminum Sambac) statifinde ( Willdenow). Doch lassen sich diese Regeln wenigstens aus den oben aufgezählten Familien nicht. ableiten. — Dass Hemmungsbildung ( Vermehrung der Corollenwirtel) und rückschreitende Metamorphose der Staubfäden und Carpelle häufig verbunden sind, beruht wohl nicht sowohl auf der Abhängigkeit der einen von der andern Erscheinung, als vielmehr beide auf einer ge- meinschaftlichen Ursache. Dass hierbei die Umwandlung leichter die Staubfäden als die Carpelle ergreift, liegt zum Theil in der höheren Stellung der letztern, besonders aber in der oben erwähnten nähern Verwandtschaft der Staub- fäden mit den Blumenblättern. Wahrscheinlich leidet bei dieser Art von Bildungs- abweichung ausser dem regelmässigen Fortschritt der Meta- morphose auch die Wirtelstellung der Glieder. In noch höherem Grade wird die Metamorphose auf- gehoben in den sogenannten Vergrünungen, weil hier nicht blos die Erzeugung physiologischer Organe verhindert, sondern noch weniger als vorher zu irgend einer höheren *) Linnaea XVII. pag. 641. 106 Stufe aufgestiegen wird; auch Farbe und Structur erleiden keine Modification, die Blattorgane bleiben der Natur der Stengelblätter mehr oder weniger getreu. Dass diese Factoren bei verschiedenen Metamorphosenstufen eine un- gleiche Intensität besitzen, wie uns die Misbildungen be- lehren, haben wir schon oben erwähnt. Auch verhalten sie sich gerade wie die vorhin betrachteten Factoren (gesetzmässige Folge und Zahlenverhältniss der Stufen) bei verschiedenen Pflanzenfamilien verschieden; auch hier stehen die Cruciferen, was die Beweglichkeit der Metamorphose betrifft, oben an. Gleichzeitig mit der Modification in Farbe, Structur, Form und Function der Blätter in der Blüthe erfolgt in den normalen Bildungen auch die Unterdrückung der Axenbildung, doch entwickelt sich die letztere mit der Rückkehr der Stengelblattform nicht in gleichem Verhält- niss, sondern die Metamorphose der Blattorgane (insbeson- dere die Wirtelstellung), die Erzeugung von Axillarknospen und die Streckung der Internodien kommen in verschie- denen Fällen auf verschiedene Weise combiniert vor, d. h. es, steht ihnen als Factoren der Gesammtmetamorphose eine ungleiche Bedeutung zu. Diess beruht aber zum Theil auf einem Altläusickeiley erhältniss derselben untereinander, und das letztere scheint zwischen der Natur der Blätter und der Entwickelung von Knospen stärker zu sein als zwischen einem dieser beiden Momente und der Ausbil- dung der Stengelglieder, wie die Zahlen der betreffenden Misbildungsfälle lehren, was auch physiologisch leicht aus der näheren Beziehung des Blattes zu seiner Knospe als zur Hauptaxe zu denken ist. Da diese Verhältnisse bei verschiedenen Pffanzen und unter verschiedenen Umstän- den sehr verschieden sein können, so wird die verglei- chende Teratologie auch in diesem Puncte dereinst im Stande sein, Anhaltspuncte zur vollständigen Erklärung zu liefern. 107 Auch die Metamorphose der einzelnen Blüthen- theile, welche sich in einer Reihe selbständiger scharf gegeneinander abgegrenzter Stufen offenbart, ist als Pro- duct verschiedener Factoren zu denken. Dafür sprechen die so häufig vorkommenden Bildungen, in denen der eine oder der andere Factor zurücktrilt, wo Farbe, Structur, Form nicht in gleichem Schritt geblieben sind: die Mittel- bildungen zwischen zwei Stufen, zwischen Blumenblatt und Staubfaden, Staubfaden und Carpell eie. Man muss aber diese Erscheinung so ansehen, als ob jenen Factoren eine ungleiche Intensität innerhalb der vollständigen Metamor- phose zukomme, als ob sie ungleichwerthigen Bedingungen unterworfen seien. Zur Einsicht in diese verschiedenen Bedingungen gibt uns aber zunächst die Wahrnehmung Anhaltspuncte: dass jene Factoren bei theilweiser Metamor- phose. untereinander gewisse Combinationen bilden, welche ‘eine, durch Vergleichung der verschiedenen Fälle zu er- kennende, Gesetzmässigkeit besitzen müssen, und woraus dann auf eine Abhängigkeit der Factoren geschlossen wer- den kann (wie denn durch die Form und Structur jeden- falls die Function, aber auch wohl Farbe, Form, Structur in verschiedenen Verhältnissen untereinander bedingt sind). Die Gesetzmässigkeit dieser Abhängigkeit zeigt sich aber verschieden bei verschiedenen Metamorphosenstufen (bei dem Staubfaden steht Structur und Function, bei der Saamenkospe Form und Function in einer engern Bezie- hung u.s.w.). Sodann werden die Bedingungen für die Beständigkeit gewisser Factoren in den übrigen Verhält- nissen der Blüthe, wie früher erwähnt, in dem Metamor- phosenzustand des Axensystems und insbesondere in der Stellung der Seitenorgane an der Axe, — sowie in den Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Pflanzentypen , — und endlich in äusseren Potenzen zu suchen sein; es wird somit die Aufgabe sehr compliciert. 108 Endlich zeigen auch die verschiedenen Metamorphosen- stufen selbst, nicht blos hinsichtlich der einzelnen dieselben constituirenden Factoren, sondern in Bezug auf ihre Exi- stenz als solcher verschiedene Grade der Beständigkeit, und diess zwar sowohl gegenüber der Verwandlung, als auch gegenüber dem Fehlschlagen der dieselben tragenden Organe. Dass sich diese Stufen hinsichtlich der Vertretung untereinander verschieden verhalten, ist früher ausgeführt worden und gehört nicht hierher, da es sich hier vielmehr darum handelt, welche Stufe überhaupt leichter oder schwerer durch eine Ablenkung des Bildungs- triebes leidet als eine andere, wie diess, wenn auch im Allgemeinen das Erstere für die unwesentlicheren Hüll- organe gegenüber den physiologisch bestimmten gelten mag, doch noch speciellere Bestimmungen zulässt, welche bei verschiedenen Pflanzen andere sein werden. Dasselbe, was für die Ablenkung der Metamorphosenstufen, gilt auch für den Abortus des Organs. Das eine Organ unterliegt diesem Schicksal leichter als ein anderes, und zwar entspricht das beständigere Organ in der einen Pflanze demjenigen in einer andern, welches daran. das unbeständigere ist. Man hat den Satz ausgesprochen: dass von der grösseren Wichtigkeit eines Organs (d. h. von der höheren physiologischen Bestimmung) eine grössere Beständigkeit desselben abhänge. — Auch hier, sowohl was Verwandlung als Abortus betrifft, sind Gesetze der Coexistenz der Stufen (resp. Organe) erkennbar, so dass die Existenz derselben entweder von einander, oder von einer gemeinschaftlichen Bedingung abhängig ist, wie diess bereits oben unter der Darstellung der Gruppierung der Metamorphosenstufen angegeben ward; — oder die- selben stehen im Gegentheil in einem Wechselverhältniss der gegenseitigen Ausschliessung, so dass die Existenz der einen von einer Unterdrückung der andern begleitet ist. Hiervon und von der Wahrnehmung, dass in der Blüthe überhaupt das Vorwalten des einen Theils an Grösse und Ueppigkeit mit der Verkleinerung eines andern Theils im Verhältniss steht, ausgehend, hat M.-Tandon (?) das Geseiz der „organischen Ausgleichung“ aufgestellt, nach welchem zwischen den Gliedern der Blüthe eine Art Gleichgewicht existiert. Einen ähnlichen Sinn hat Jäger’s „virtuelle Metamorphose“ und das „Gesetz der Coexistenz“ *®). An einem Individuum zeigen die einzelnen Blüthen nicht alle gleiches Verhalten in Beziehung auf die Meta- morphose; bald sind alle Blüthen eines Individuums auf- gelöst, bald nur die eines Zweiges oder Astes, bald nur eine einzige. Diess kann von tausend Einflüssen abhängen; auf der Anordnung der Blüthen beruht es aber wohl, wenn bei Blüthenständen im Allgemeinen die rückschreitende Metamorphose leichter die untere, deshalb bei der Trug- dolde leichter die centrale Blüthe ergreift (Engelmann), weil sie der vegetativen Region überhaupt noch näher steht. — Die Intensität der Metamorphose wird nicht allein durch die Zahl der Antholysen fälle, sondern auch durch die Dauer innerhalb der Lebenszeit des Individuums oder der Art bestimmt. Im Allgemeinen beschränkt sich die Störung nur auf das Leben einer Generation, weil die Ursache meist nur zufällig ist; alsdann tritt die normale Metamorphose wieder ein; in andern Fällen haftet diese Störung fester an der Pflanze, so dass sich dieselbe bei perennierenden Gewächsen mehrere Jahre nacheinander wiederholt; bei der Fortpflanzung durch Saamen dagegen zeigt sich die Erblichkeit der Störung geringer, die nor- male Erscheinung also leichter hergestellt. Die Bedingungen für die Beständigkeit der Metamor- phose liegen, abgesehen von der Eigenthümlichkeit der *) C£. W’s. Geschichte der Metamorphosenlehre. pag. 57. 110 Pflanze selbst, wesentlich auch in den äussern Ein- flüssen, welche nach dieser oder jener Seite das Maass überschreitend Abweichungen in der Metamorphose hervor- rufen. Auf welche Weise diess geschieht, wird sich nicht eher erklären lassen, als bis wir die Metamorphose selbst aus dem normalen Lebensprocess verstehen; nichts desto weniger ist die Beobachtung der äussern Bedingungen, unter denen sich die Misbildungen zeigen, wichtig, um dadurch wenigstens Anhaltspuncte und Andeutungen zu bekommen, welche bei einer dereinstigen Lösung jener Aufgabe benutzt werden können. —- Als allgemeine Regel ist von jeher bekannt gewesen, dass ein Uebermaass von Nahrung und Feuchtigkeit den normalen Fortschritt der Metamorphose stört und insbesondere das Rückschreiten derselben bewirkt. Damit hängt denn auch zusammen, dass die Misbildungen, insbesondere die rückschreitende Metamorphose in solchen Jahren, z. B. 1829 *) und 1831, und solchen Jahreszeiten, wie Frühling und Herbst, welche sich durch feuchte Wiiterung auszeichnen, häufiger sind; und dass dieselben häufiger im cultivierten als im freien Zustande vorkommen. Es lässt sich aber leicht denken, dass die die Misbildungen begünstigenden Ursachen für verschiedene Pflanzen verschieden sein werden; so zeigen sich denn auch gewisse Pflanzen an bestimmten Orten vorzugsweise zu jenen Abweichungen geneigt (Beispiele s. bei Engelmann de anthol.). Endlich kann durch In- sectenstiche und durch Aecidienbildung ete. der Lebens- process so beeinträchtigt werden, dass in diesen Fällen die normale Metamorphose gewöhnlich Störungen erleidet. — Ich will nun noch auf ein unter den gegenwärtigen Gesichtspunct unserer Darstellung fallendes Problem auf- merksam machen. Wir sind fortwährend davon aus- *) nach Engelmann; in 1829 war nur das Frühjahr nass, der Sommer trocken. 111 gegangen, dass die Misbildungen innerhalb der allgemeinen Gesetzmässigkeit der Natur stehen; — sie sind notlıwen- dige Folge gewisser zufällig erscheinender, aber im all- gemeinen Naturleben begründeter Bedingungen. Dadurch werden gewisse Bildungen, insofern sie einer bestimmten Pflanzenart zu Grunde liegen, gestört, während die all- gemeinen Gesetze des Pflanzenlebens um so vielfältiger und anschaulichea offenbart werden. — Ganz ähnlich ver- hält es sich mit den verschiedenen Arten innerhalb der normalen Pflanzenwelt, welche sich als Abweichungen von allgemeineren Grundtypen betrachten lassen, wenn uns diese letzteren auch nicht in concreten Formen wie der specifische Typus gegenüber der individuellen Bil- dungsabweichung gegeben sind, und welche Arten eben- falls auf verschiedenen innerhalb des allgemeinen Natur- lebens zusammentretenden Bedingungen beruhen, nur dass diese Bedingungen nicht zufällig erscheinen, sondern sich als bestimmte, der Thätigkeit der Erde eigenthümliche Bildungs- triebe constant erhalten, und dadurch jene abweichenden Typen erblich sein lassen. Von diesem Unterschiede ab- gesehen, sind es zwei verschiedene Richtungen, näm- lich die Abweichungen von gewissen Grundtypen durch abnorme Bildungen, also eine mehr der Zeit angehö- rige, gleichsam verticale Richtung, — und die Entwicke- lung solcher Abweichungen in den nebeneinander bestehenden Formen, also eine mehr räumliche, gleichsam horizontale Richtung, — durch welche uns die Beweglich- keit der allgemeinen und gewisser. besonderer Bildungs- geseize und die Grenzen dieser Beweglichkeit offenbart werden. Auch haben wir im Einzelnen gesehen, wie die durch Misbildungen dargestellten Erscheinungsformen ge- wisser Gesetze gleichzeitig innerhalb der Reihe der nor- malen Gestalten sich wiederfinden, so dass sogar durch die ersteren gewisse normale Typen gleichsam nachgebil- det werden. .Es wäre interessant, auf diesen Punct tiefer 112 einzugehen und das Verhältniss dieser beiden analogen Richtungen näher zu bestimmen. Dazu würden sich aber etwa folgende Fragen aufwerfen. Gibt es Bildungsgeseltze, welche nach der einen jener Richtungen ähnliche Modifi- cationen, sei es durch Verallgemeinerung oder Beschrän- kung, erleiden wie nach der andern? Welche sind diese Gesetze? Beweisen sie innerhalb der einen Richtung oder in der andern eine grössere Constanz oder Intensität? Oder gibt es mehr Modificationen (durch die Zahl der Arten ausgedrückt) in der einen oder in der andern Rich- tung (durch Individuen ausgedrückt)? — und sind diese Modificationen in stärkeren Umrissen ausgeprägt in der einen oder in der andern Richtung? Sind die Bedingungen dieser Modificationen, sowohl die kosmischen als die phy- siologischen, in beiden Richtungen analog? — Hält die Pflanze überhaupt ihre Typen in der einen oder in der andern Richtung fester? — Welche Gesetze sind in der einen Richtung vorzugsweise beweglich und welche in der andern? — Sollte es sich durch diese Untersuchungen vielleicht herausstellen, dass die verschiedenen Pflanzen- arten. nicht blos nach einer bildlichen Vorstellungsweise, sondern wirklich durch ähnliche Umstände aus wenigen oder gar einem Hauptiiypus innerhalb der Zeit hervor- gegangen Seien, wie noch täglich solche neue Formen entstehen, nur dass diese Umstände dort in einer andern engern Beziehung zu dem Erdenleben stehen? Ich glaube, dass diese Fragen mit der Zeit immer bestimmter beantwortet werden könnten, je zahlreicher und genauer die Beobachtung und Sichtung der Misbil- dungen und die Vergleichung der Zahlenverhältnisse wer- den. Manches liesse sich vielleicht schon aus den jetzt vorliegenden Thatsachen entnehmen, doch wage ich es nicht selbst, einen derartigen Versuch zu machen. 113 Hiermit schliesse ich den vorstehenden Versuch, den Bildungsabweichungen nach allgemeinen Grundsätzen ihre Stelle innerhalb der Naturerscheinungen anzuweisen und durch Anlehnung an bestimmte Gesetze Gesichtspuncte für eine theoretische Behandlung derselben zu geben. Obgleich ich wohl ziemlich alle bisher beobachteten und beschrie- benen Fälle vor Augen gehabt habe, so zweifle ich nicht, dass es einer künftigen ausführlicheren Bearbeitung der Lehre, für welche ich hier nur die Grundlage zu liefern denke, und welcher ich nicht durch Ausführung der mei- sten der angedeuteten Puncte ins Einzelne, durch Aufzäh- lung der bisher beobachteten Beispiele vorgreifen wollte, gelingen wird, die Gesichtspuncte weiter und vielfach rich- tiger zu stellen, überhaupt an systematischer Abrundung und logischer Durchbildung meinen Versuch zu übertreffen. Möge einstweilen die gegenwärtige Darstellung wenig- stens dadurch nützlich werden, dass sie für die Beobach- tung der Bildungsabweichungen, welche bisher verhältniss- mässig nur wenig genützt hat, weil die Fälle entweder nur dem Namen nach mitgetheili oder nur ungenügend beschrieben und meist mit unbrauchbaren oder gar keinen Abbildungen begleitet sind, oder weil sie ohne ein richtiges leitendes Princip, mit Vorurtheil aufgefasst und dadurch wichtige Verhältnisse willkürlich oder unwillkürlich ver- nachlässigt, andere hineingedichtet wurden, Andeutungen über diejenigen Puncte gibt, welche bei der Beobachtung der Bildungsabweichungen besonders zu berücksichtigen sind, wenn dieselbe für die Wissenschaft förderlich sein soll. 5** Ueber die morphologische Bedeutung des Pistills bei den Leguminosen, Liliaceen und Primulaceen — und über den Begriff des Blattes. Als Excurs zu der vorstehenden Schrift. Um Obigen (pag. 28) habe ich das Pistill der Legumi- nosen, Liliaceen und Primulaceen als ausgemachtes Axen- organ angenommen. Hiergegen erhebt sich jedoch von zwei verschiedenen Seiten her Widerspruch; es ist daher nöthig, weil die Feststellung des Gesetzes für jene Organe im Interesse der Lehre von den Bildungsabweichungen erfordert wird, jene Annahme gegenüber diesen Wider- sprüchen zu rechtferligen. I. Zunächst scheinen sich aus Grisebach’s *) und Mün- ter’s**) Beobachtungen über das Wachsthum der Pfllanzen- theile gegen Schleiden’s Ansicht vom Stengelpistill ***) Einwürfe zu ergeben und sind von Ersterem wirklich *) Wiegmann’s Archiv. B. X. pag. 134 ff.; vergl. auch B. IX. pag. 267 ff. =) Bot. Zeit. 1843. pag. 69 ff. 753 f. un} Schleiden und Vogel, Entwickelungsgeschichte der Legu- minosen-Blüthe in N. Act. Ac. €. L. N. €. XI. ı. pag. 69. Grundzüge d. Bot. Ed. II. B. II. pag. 312. ne ” 115 erhoben worden. Indem wir dieselben im Folgenden prü- fen wollen, bietet. sich zuerst die Frage dar: Existiert wirklich ein scharfer Unterschied zwischen Axen- und Blattorganen und worauf gründet sich derselbe? Dass ein von den äussern Umrissen hergenom- mener Unterschied nicht ‚durchgreifend ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung; bei der Betrachtung eines Juncus- Blattes und eines Zweiges von Ruscus verschwindet ein solcher. Dagegen erweisen sich, wenn man auf den Ur- sprung und das relative Stellungsverhältniss sieht, Stengel und Blatt als ein scharfer nicht zu vermittelnder Gegensatz. Das Blatt entspringt durchweg aus einer Axe, und zwar stets aus dem jüngsten Theile derselben in gesetzmässiger Anordnung, während der Stengel entweder einen primären Ursprung hat, oder wenn er aus einem andern Stengel entspringt, in seinem gesetzmässigen Vor- kommen an die Achsel eines Blattes gebunden ist. — Aber auch in der Natur des Organs an und für sich betrachtet, und zwar in der Entwickelungsgeschichte offenbart sich ein strenger Gegensatz zwischen. beiderlei Organen, und Schleiden hat denselben etwa in’ folgender Weise ausgesprochen. Beim Stengel wird die Zellenmasse, aus welcher sich später irgend wie eine bestimmte Form entfaltet, so angelegt, dass von den neu entstandenen Zel- len die nach Aussen liegenden die Mutterzellen bleiben, der Vegetationspunct also mit der gebildeten Zellenmasse forischreitet; beim Blatt übernehmen dagegen die an. der Stelle des Stengels, wo das Blatt entspringt, verharrenden Zellen vorzugsweise die Function der Mutterzellen, so dass dadurch der Vegetationspunct innerhalb des Stengels liegen bleibt, die jüngsten Theile sich also in der Nähe desselben befinden. Es lässt sich demnach der Unterschied auch so aussprechen, dass das Blatt seiner Entstehung nach ab- hängig ist vom Stengel, dieser aber nicht vom Blatt. Dem Stengel ein unbegrenzies, dem Blatt ein begrenztes Wachs- 116 ihum zuzuschreiben, halte ich nicht für angemessen. Denn wenn wir auch von der spätern Entfaltung absehen, welche im Blatt gewiss unabhängig vom Stengel vor sich geht, und einräumen, dass die eigentliche Anlegung des Blattes, die Bildung neuer Theile an der Basis begrenzt wird, dadurch dass bei der Verlängerung der Axe die Erzeu- gungsstätte des Blattes von dem punetum vegetationis, als dem eigentlichen Heerd der Neubildung, entfernt wird, so gibt dieses doch keinen scharfen Unterschied vom Stengel. Denn obgleich die Fortbildung der Gesammtaxe im All- gemeinen unbeschränkt ist, so muss man doch streng- genommen derselben nicht das einzelne Blatt, sondern vielmehr die Gesammtheit der Blätter an der Axe gegen- überstellen, und diese ist, weil hier nur die Zahl in Be- tracht kommt, ebenso unbegrenzt als die Axe. Vergleicht man aber mit dem einzelnen Blatt, wie es sich gehört, den andern Theil des einfachen Bauelements der Pflanzengestalt, das zugehörige Stengelglied, so erleidet dieses durch das Auftreten eines Blattes an demselben ebenfalls einen Ab- schluss, hat also ebenfalls ein beschränktes Wachsthum (im Sinne der ersten Anlegung), nur dass der Grund dieser Beschränkung ebenso wie der der Blatibildung in ihm selbst, dem Stengel liegt. — Immerhin ist nach dem Obigen ein nicht zu vermittelnder Gegensatz zwischen Stengel und Blait festgestellt, und es fragt sich nun, ob dieser Unter- schied auch formell richtig ist, d. h. ob nicht derselbe, auf denselben Verhältnissen beruhend, etwa auch zwischen andern Theilen der Pflanze, als zwischen Stengel und Blatt, vorkomme? Wollte man einen solchen zwischen den Thei- len des Blattes, zwischen Stiel und Scheibe suchen, so würde man denselben weder in der relativen Stellung in der Weise wie bei Stengel und Blatt, noch in den äussern Formverhältnissen, und zwar hier noch weniger durch- greifend als diess für Stengel und Blatt der Fall war, aus- gesprochen finden. Was aber die Entwickelungsgeschichte Rd betrifft, so gründet Grisebach einen Gegensatz zwischen Stiel und Scheibe auf seine und Münter’s Beobachtung: dass bei der spätern Ausbildung des Blattes der Stiel sich mehr an seiner Spitze, die Scheibe mehr an. ihrer Basis vergrössere. Prüfen wir, ob diese Ansicht berechtigt, ob insbesondere ein solcher Gegensatz dem zwischen den bei- den Hauptorganen der Pflanze analog sei. Lässt man für erst auch einmal jenen Gegensatz so stehen, wie er aus- gesprochen worden ist, so kann man denselben jedenfalls nicht dem zwischen den beiden Hauptorganen gegenüber- stellen, weil der letztere für zwei bestimmte Organe d. h. solche Pflanzentheile, welche anschaulich getrennt werden können und welche insbesondere durch zwei getrennte Thätigkeiten nebeneinander entstehen, der erstere dagegen nur zwischen den Regionen einer continuierlichen Zellen- masse, welche durch einerlei Process gebildet ist, also zwischen zwei keineswegs als Organe zu bezeichnenden Theilen stattfindet, — weil demnach die Glieder der beiden Gegensätze gar keine homologen Begriffe sind. — Sodann geht aber der erste Gegensatz von einem wesentlich an- dern Gesichtspuncte aus als der andere. Es ist nämlich gewiss und von Grisebach selbst bestimmt ausgesprochen, dass bei der Entwickelung eines Organs die Entstehung der ersten Zellenanlage scharf unterschieden werden muss von einem ganz andern Process, von der Art und Weise, wie sich die Gestalt jener Zellenmasse weiterhin verändert. Nun ist aber der Gesichtspunct für den Gegensatz zwischen Stengel und Blatt dem ersten Act entnommen, und wäh- rend desselben existiert die obige Trennung des Blattes noch gar nicht, der Blatistiel wird so gut als die Scheibe vom Stengel hervorgebracht, und zwar durch Zuwachs in einerlei Richtung, erst später, oder wenigstens unabhängig vom ersten Process, tritt die Scheidung beider Regionen nach Form und Wachsthumsweise ein. Ebenso wenig er- streckt sich der Unterschied zwischen Stengel und Blatt 118 auf den zweiten Entwickelungsact, da ja nach eben jenen Beobachtungen der Stengel in seiner spätern Ausbildung zum Theil ein ganz anderes Gesetz befolgt als in seiner Neubildung. Da demnach jene beiden Entgegensetzungen nicht von coordinierten, sondern subordinierten Gesichts- puncten ausgehen, so dürfen dieselben auch nicht in der Weise parallelisiert werden, wie es geschehen ist. — Wei- ter aber ist hervorzuheben, dass aus den Beobachtungen selbst der Gegensatz zwischen Blaitstiel und Scheibe, so wie er ausgesprochen worden ist, eigentlich gar nicht ein- mal hervorgeht. Die beobachtete Wachsthumserscheinung beim Blatt als terminales und basilares Wachsthum des Stiels und der Scheibe aufzufassen, scheint mit ganz will- kürlich und absichtlich, um eine Analogie mit Stengel und Blatt durchzuführen; ohne diese Absichtlichkeit würde sich nach der einfachen Anschauung jene Erscheinung weit natürlicher und unbefangener so ausdrücken lassen: dass der Zellenbildungsprocess in einer gewissen Region des Blattecontinuums länger fortdauerl, nachdem er in andern früher aufgehört hat (dass mit dieser Region zugleich ein Differenzpunct in den äussern Umrissen zusammenfällt, ist natürlich unwesentlich weil nicht‘ allgemein). Man sieht, dass ‘diese Auffassungsweise des gedachten Phänomens zu einer Unterscheidung zwischen Blattstiel und Scheibe keine Veranlassung gibt. Um diese Region zu bezeichnen, ist es vor Allem unpassend, von einer Spitze des Stiels zu reden, indem hier dem Wort Spitze ein ganz. anderer Sinn untergelegt wird als sonst in der Gestaltenlehre. Der genannte Punct ist eben nur die Grenze zwischen den beiden zusammenhängenden Blatttheilen, und beide unter- scheiden sich nicht etwa durch die Art und Weise, sondern blos durch die Richtung des Wachsthums, ein specifischer Gegensatz findet deshalb hier so wenig statt als zwischen den Radien eines Kreises, so wenig als zwi- schen Nord und Süd. Ja, wenn man sich die Blattform 119 in der gehörigen Allgemeinheit vorstellt und die erwähnten Beobachtungen gehörig im Auge behält, so stellt sich jener sogenannte Vegetationspunet nicht einmal als Grenze zweier Theile, sondern als Centrum eines Kreises dar, dessen Radien die Blattrippen und der Blattstiel sind; das Wachs- ihum lässt nunmehr nicht von der Spitze der Scheibe gegen die Basis hin, und von der Basis des Stiels gegen dessen Spitze hin, sondern von der Peripherie des Blattes con- cenirisch gegen das Centrum hin nach. Bei Blättern, wo ausser dem Blattstiel auch noch andere Radien der Spitze "mehr oder weniger gegenüber liegen (z. B. dem herz- förmigen), verhalten sich die letztern und überhaupt bei allen Blättern die Seitennerven, ja der Mittelnerv selbst gerade so wie der Stiel, sie wachsen gegen das Centrum am stärksten; soll also jener Gegensatz zwischen Stiel und Scheibe derjenige zwischen zwei Organen sein, so ist die Consequenz, dass diess auch von allen einzelnen Theilen der Scheibe gilt, dass die Scheibe im Ganzen nach einem entgegengesetzten Gesetz wächst als in ihren Theilen, ein Absurdum. Auch müssten, da ausser der Grenze zwischen Stiel und Scheibe auch noch andere solche Vegetationspuncte innerhalb des Blatteontinuums vorkommen, nach Grisebach’s Ansicht auch noch ebenso viele Gegensätze, z. B. zwischen jeder Serratur und der Scheibe bestehen, deren derselbe aber keine Erwähnung thut. — Kurz ich glaube, dass die Beobachtungen Grisebach’s und Münter’s weniger eine Scheidung des Blalles in Gegensätze, als vielmehr um- gekehrt gerade die individuelle Ganzheit desselben, eine Selbständigkeit gegenüber der Axe (hinsichtlich der Aus- bildung) bestimmter offenbaren, als wir diess anderswoher wissen können. Endlich ist noch zu bemerken, dass abgesehen von allen diesen Einwürfen, schon deswegen auf eine Differenz im Wachsthume innerhalb des Blattes kein Gewicht zu legen 120 ist, weil die Thatsache selbst noch nicht genügend bestimmt ist, indem die bisherigen Beobachtungen nur die äussere Form, nicht das Wesen der Erscheinung nachgewiesen, nämlich noch nicht beim Wachsthum die blosse Ausdeh- nung und die ‚Zellenbildung nach ihren Einflüssen unler- schieden haben, was zur Aufstellung eines Gesetzes die nächste Bediebunt wäre. Hieran wollen wir die Prüfung der Frage knüpfen, ob auf die vorhergenannten Beobachtungen über das Blatt- wachsthum die Annahme gegründet werden könne, dass an einem Blatt der Stiel oder die Scheibe fehlen könne („phyllodium“), wie diess von Grisebach geschieht. Dabei lassen wir einen Gegensatz zwischen Stiel. und Scheibe, wie er aus jenem Wachsthumsphänomen hervorgehen soll, einstweilen gelten, indem ohne einen solchen Unterschied natürlich von einem Fehlen des einen Theils keine Rede sein könnte. Unter dieser Voraussetzung ist es aber ge- wiss, dass das Fehlen eines Theils an einem Ganzen in zweierlei Sinne gedacht werden kann, zunächst in einem objectiven: d.h. das Fehlen ist an dem betreffenden Gegen- stand selbst nachweisbar; — in diesem Sinne kann nur ein solcher Theil als fehlend betrachtet werden, welcher zum Begriff des Ganzen noihwendig ist, weshalb nach- gewiesen werden muss, dass derselbe entweder ursprüng- lich vorhanden gewesen und im Laufe der Zeit zerstört ist, oder dass sein Mangel Folge einer Störung des indivi- duellen Lebens ist. Insofern können bei der Pflanze keine Bewegungsorgane als fehlend gedacht werden, weil sie gar nicht im Wesen der Pflanze begründet sind. Der andere Sinn jenes Ausdrucks ist ein subjectiver (relativer); demgemäss kann ich sagen, ein Theil fehle, wenn derselbe nur nach meinem Bedürfniss und meiner Vorstellung in Folge eines willkürlichen Vergleiches vermisst wird; wenn man die Pflanze mit dem Thier vergleicht, so lässt sich in diesem Sinne sagen: der Pflanze fehlen die Bewegungsorgane. 121 In derselben Weise wird dieser Ausdruck in der Systema- tik gebraucht und ganz besonders von Grisedach in Schutz genommen. Allerdings ist derselbe hier, wo es sich ledig- lich um Vergleichung handelt, ganz am Ort, nur darf man daraus nichts übertragen auf das ganz andere Gebiet, auf welchem die Natur des pflanzlichen Individuums erforscht wird, was mit Sicherheit nur aus der Betrachtung dieses selbst geschehen kann. Hierher gehört die „Me- ihode der Typen“, welcher Nägel in seiner Kritik von Röper’s: Zur Flora Meklenburgs, Heft II. das Wort redet. Soviel scheint mir wahr daran zu sein: Die Natur bildet nach Begriffen und nach Typen, d. h. eine gewisse Zahl von verschiedenen Formen (Individuen oder entsprechende Organe verschiedener Individuen) stimmen in einem wesent- lichen Puncte gegenüber allen. andern Formen miteinander überein, sie fallen unter einen Begriff. Die Natur hat aber diesen Begriff in verschiedenen Erscheinungs- fornyen wiederholt, die Gesammivorstellung dieser leiztern ist der Typus. Zur Erkenntniss des Begriffs eines Or- gans oder einer unter denselben Begriff fallenden Pflanzen- gruppe (Art, Gattung, Familie) gehört aber ausser der Erforschung des Gemeinsamen, Wesentlichen, welches an jedem einzelnen Individuum erkannt werden kann, auch noihwendig noch die Vorstellung von allen verschiedenen Erscheinungsformen. Erst dadurch wird der Begriff genau bestimmt, das abstracte Schema bekommt Zeichnung und Leben. Vom Blatte habe ich erst alsdann einen vollstän- digen Begriff, wenn ich nicht nur das alle Blätter von anderen Organen Uuterscheidende weiss, sondern auch den Formenkreis kenne, innerhalb dessen sich die Blätter des ganzen Pflanzenreichs bewegen. Der Typus gehört also streng genommen unter den Begriff, nicht neben denselben. Die Methode der Typen ist keine, von der Methode der Begriffe zu trennende. Die Darstellung eines Typus setzt voraus, dass alle einzelnen Formen durch Erforschung des 6 122 Wesentlichen, des Begriffs, zusammengeordnet werden. In der Naturwissenschaft führt ausschliesslich die Methode der Begriffe zu Resultaten. Die Natur bildet nach Begriffen und nach Typen, es eröffnen sich für die Wissenschaft zweierlei Betrachtungsweisen, die eine in der Morphologie und Physiologie, die andere in der Systematik (inclus. die vergleichende Organographie), nicht aber zwei Metho- den als verschiedene Wege, die zu einem Resultate füh- ren, die sich gegenseitig vertreten könnten. Nun ist es aber wahr, dass die Typen der Natur uns grossentheils nicht auf dem Wege der Begriffe durch Zusammenfassung aller der Formen, deren Uebereinstimmung im Begriff an den einzelnen vorher nachgewiesen ist, sondern vielmehr durch Anschauung und Einbildungskraft offenbar werden. Die natürliche Familie der Gräser ist lange vorher als solche erkannt worden, ehe man sich den diagnostischen Character derselben construiert halte. Auf dieses instinct- artige Erkennen des Gesammtgepräges eines Typus können wir ein solches Vertrauen setzen, dass wir eine gewisse individuelle Form schon blos weil sie sich uns ebenfalls durch unmittelbare Anschauung dem Typus anzureihen scheint, auch demselben Begriffe unterzuordnen geneigt sind. Und in der That gibt uns dieser natürliche durch Bildung nur gesteigerte Tact einen nicht unbedeutenden Vorschub, wir erhalten dadurch leitende Ideen für die Untersuchung, ja der Bestand unserer Kenntnisse beruht grösstentheils auf dieser stillschweigenden Voraussetzung, dass wir uns nicht täuschen, wenn wir ein an einem gewissen Indivi- duum erkanntes Gesetz ausdehnen auf eine ganze Gruppe, mit welcher jenes typisch zusammenzugehören scheint. Eiwas Anderes ist es aber, wenn die individuelle Na- tur irgend einer Form in Frage steht und dem Begriff nach bestimmt werden soll; alsdann müssen wir uns be- wusst sein, dass die Unterordnung derselben unter einen Typus, nur ein Werk der subjectiven Anschauung, keine 123 objective Geltung hat, dass vielmehr alsdann, wenn gleich uns auf diesem Wege der typischen Betrachtung Andeu- tungen gegeben werden, die absolute Entscheidung über den Begriff blos und allen aus der individuellen Untersuchung (für Pflanzenformen aus der Eniwickelungs- geschichte) kommen kann. Ich meine, wer diese Wahrheit vor Augen habend Röper’s Deutung der Grasblüthe gelesen hat, dem hätte es weit näher liegen müssen, diese Be- schränkung der Methode der Typen in Beziehung auf morphologische Deutung gegenüber dem bedenklichen Spiel, welches Röper damit treibt, hervorzuheben, als, wie Nägel, sich gerade an dieser Stelle in ein Lob dieser Methode auszulassen oder selbst auf Röper’s *) Misbrauch ein- zugehen. Denn wenn der Letztere allerhand Gesetze aus den Familien, deren Verwandtschaft ganz im Allgemeinen vorausgesetzt wird, auf die Gräser zu übertragen weiss, während erst durch Nachweisung dieser Uebereinstimmung in den Gesetzen jene Verwandtschaft festzustellen wäre, — so fühlt zwar Nägeli das Bedürfniss, bevor die Annahme eines abortierten Wirtels der Grasblüthe gemacht wird, die *) Was aber die Resultate von Röper’s Untersuchung betrifft, so stimme ich allerdings mit denselben in den wesent- lichsten Puncten überein. Auch ich hatte bereits vor dessen Aufforderung die Entwickelungsgeschichte der Blüthe von Poa nemoralis untersucht und später an Secale cereale und mehrern andern Gräsern wiederholt, und da es, um R. Brown und Schlei- den gegenüber der Wahrheit allgemeine Anerkennung zu ver- schaffen, sich um möglichst viele Zeugenaussagen handelt, so erwähne ich bei dieser Gelegenheit, dass mich die Beobachtung ganz entschieden belehrt hat, dass die palea inferior ein Deck- blatt an der Axe des Aehrchens ist (wie die gluma superior), aus dessen Achsel die Blüthe entspringt, deren Stiel mit der höher als die palea inferior, derselben gegenüberstehenden ganz un- zweifelhaft in ihrem Ursprung nach einfachen palea superior besetzt ist. Eine Darstellung der vollständigen Entwickelungs- geschichte gedenke ich demnächst an einem andern Orte zu geben. 6* 124 Stellung der Gräser im System zu erledigen, indem diese allein über den Typus der Gräser Aufschluss gebe, ver- kennt aber dabei ganz, dass uns das System nicht a prior: gegeben ist, sondern eben erst durch Erforschung des Typus der einzelnen Familien etc. zu Stande gebracht werden kann, dass es mithin keineswegs als ein Mittel, Gesetze des individuellen Wesens zu erkennen, dienen kann. Auf dieselbe Weise geht nun auch Grisebach zu Werke, wenn er das Pistill der Leguminosen für einen Blattstiel ohne Scheibe erklärt, weil sich in diesem Falle eine Analogie mit den Blättern vieler verwandter Pflanzen herausstellen würde. Eine Analogie besteht überhaupt erst dann, wenn die nöthigen Vergleichungspuncte an und für sich festgestellt sind, nicht aber dürfen dieselben aus einer willkürlich ersonnenen Analogie, wäre dieselbe auch noch so wünschenswerth, abgeleitet werden. Wie verhält es sich nun mit dem Phyllodium? Hält man den bisher üblichen Unterschied zwischen Stel und Scheibe, der sich nur auf die Form und die gegenseitige Lage bezieht, fest, so kann von dem Fehlen des einen oder andern Theils natürlich nur in jenem subjecliven Sinne d. h. nur uneigentlich die Rede sein, weil die Differenzierung in einen stielartigen und einen flächen- förmigen Theil nicht zum strengen Begriff: Blatt gehört. Legen wir aber Grisebach’s Ansicht von jenem Gegensatze zu Grunde, so findet ein Fehlen im ersten, objectiven, Sinne nur alsdann statt, wenn nachgewiesen wird, dass die Blattscheibe entweder im Laufe der Entwickelung weg- gefallen oder in Folge eines normalen secundären Ge- setzes ausgeblieben sei (ich weiss aber keinen Fall, wo dieser Nachweis geliefert worden wäre), — Oder dass das Fehlen auf einer abnormen Lebenserscheinung beruhe, also nicht in normalen Bildungen. Um aber jene Aus- drucksweise im subjecliven Sinne zu rechtfertigen, müsste ausgemacht sein, dass bei gewissen Blattorganen das 125 Wachsthum nur an der Spitze fortdauert, und zwar, damit diese Organe wirklich unter den Begriff Blatt fallen kön- nen, dass dieses Spitzenwachsthun erst auf ein solches an der Basis gefolgt ist. Solche Beispiele sind aber wohl ebenfalls noch nicht nachgewiesen. Wäre es aber doch der Fall, so würde ich mit eben demselben Rechte, wie Grisebach ein Fehlen der Scheibe annimmt, sagen können, es ergebe sich daraus das von demselben aufgestellte Ge- setz des Blattwachsthums als nicht allgemein gültig, der Vegetationspunct während der spätern Ausbildung liege nicht immer in der Mitte des Blattes, sondern zuweilen auch an der Spitze, und aus diesen Fällen gehe gerade die Unhaltbarkeit eines Gegensatzes zwischen Stiel und Scheibe hervor. Nun haben wir aber diesen Gegensatz oben bereits durch andere Gründe widerlegt, und so hat die Annahme eines Phyllodiums in Grisedach’s Sinn, weil sowohl die Vorausseizung nichtig, als auch die davon gemachte An- wendung an sich nach der letztern Auseinandersetzung unrichtig ist, ihre Berechtigung verloren. Wenn also nach dem Vorigen der Gegensatz zwischen Stengel und Blatt nicht allein als materiell vorhanden, son- dern auch als formell richtig, weil kein anderer demselben analoger Gegensatz innerhalb der Pflanze existiert, erkannt worden ist, so wird sich nunmehr die Frage, ob die oben genannten Pistille Stengel- oder Blattgebilde sind, beant- worten lassen. Schleiden hat das Pistill der Leguminosen und Liliaceen für Stengelgebilde erklärt, weil es von unten nach oben angelegt werde, weil der Heerd der Neubildung von dem Fruchtknoten bis zur Narbe fortschreite. Es ist übrigens nicht zu verkennen, dass diese Erklärung, weil man das Wachsthum an der Spitze nicht unmittelbar d. h. anatomisch nachgewiesen hat, eben nur hypothetisch ist, — dass die beobachtete Erscheinung: die nach oben fortschreitende Verengung des Pistills zum Griffel möglicher- 126 _ weise auch Folge einer spätern Ausbildung sein könnte, indem der zuerst aus dem punetum vegetationis heraus- tretende halbgeschlossene Wulst der Narbe entspräche und die spätere Verlängerung erst das Ovarium darstellte, wel- ches seine Form gegenüber dem sich verhältnissmässig weniger verdickenden Griffel einer später vorwiegenden Ausdehnung verdankte. Die obige Ansicht wird aber da- durch urgleich wahrscheinlicher, dass bei anderen, blatt- artigen Pistillen z. B. der Fumariaceen der zuerst ent- standene Theil durch die eigenthümliche Form sogleich als Narbe erkannt wird, dass man aber ein so verschiedenes Verhalten in der weiteren Ausbildung bei verschiedenen blattartigen Organen nicht mit Wahrscheinlichkeit an- nehmen kann. Grisebach dagegen hält jene Gebilde für Blattorgane und erklärt das Spitzenwachsthum dadurch, dass es Blattstiele seien, denen die Scheibe fehle. Hiergegen ist einzuwenden: 1) dass der Blattstiel von der Axe an- gelegt wird, und der Zellenbildungsprocess nur länger an dem Ende desselben anhält, dass diess aber für die frag- lichen Organe noch weit weniger nachgewiesen ist als Schleiden’s Annahme; 2) dass die Ansicht von einem Blattstiel mit fehlender Scheibe unrichtig ist, weil der Blalt- stiel nach den obigen Besprechungen nicht den Sinn haben kann, dass derselbe, der gar kein eigenes Organ, sondern nur eine anatomische Region ist, mit einem selbständigen Gebilde verglichen werden könnte, und dass, wäre auch dieses, das Fehlen der Scheibe und zwar ein Fehlen im objeetiven Sinne nachgewiesen werden müsste, wie diess von Grisebach für die genannten Familien keineswegs geschehen ist. Es ist aber von der andern Seite auch gar nicht einmal ein Grund vorhanden, Schleiden’s Ansicht zu bekämpfen; was Grisebach zu diesem Widerspruch be- stimmt, kann nichts Anderes sein als einestheils das ver- meintliche apriorische Gesetz, das Pistill müsse ein für allemal ein Blattorgan sein (wogegen die Fälle, wo es 127 entschieden nicht so ist, z. B. unterständiges Ovarium, Pistill bei Passiflora, und andere aus den Misbildungen zu eninehmende Gründe sprechen), — anderntheils die offen- bare Absicht, seinem scheinbar durch neue Gründe unter- stützten phyllodium practische Geltung zu verschaffen. Hiernach sind Grisebach’s Einwendungen, als ein Aus- wuchs der Methode der Entwickelungsgeschichte, abzuwei- sen und Schleiden’s Ansicht, dass das Pill der.Leguminosen und Liliaceen Stengelbildung sei, einstweilen festzuhalten. An diese Familien reihe ich die Primulaceen an, deren Pistill ich nach der mit Duchartre vollkommen überein- stimmenden Beobachtung der Entwickelungsgeschichte aus demselben Grunde für ein Stengelgebilde halte, wie das der vorher genannten Familien, nur dass dasselbe durch den ringförmigen vollkommen einfachen Ursprung, die ringsum steis gleichmässige Erhebung und die allmähliche flaschenförmige Verengung nach oben, noch mehr als das der Leguminosen. und Liliaceen analog ist den unzweifel- haften stengelartigen Pistillen, noch mehr aber als jene der Analogie mit den blattartigen Pistillen und den Blattorganen überhaupt entbehrt. HR. Seit der Zeit, wo das Voranstehende im Wesentlichen niedergeschrieben war, ist für die Lehre vom Stengelpistill eine neue Unterstützung nöthig geworden, und zwar han- delt es sich, während Grisebach die Methode, wonach das letztere gedeutet worden ist, nämlich das Bildungsgesetz für die Axen- und Blattorgane, welches der Methode zu Grunde liegt, anerkannte und nur in der Anwendung des- selben irrend zu einem falschen Resultate kam, nunmehr um nichts Geringeres als um das Princip der Methode selbst, — nicht um die Folgerungen, sondern um die ob- jective Wahrheit der Beobachtung. Während wir uns näm- lich der Freude, durch Schleöden’s Entdeckung nun endlich Bu den Gegensatz zwischen Axe und Blatt auf einen bestimm- ten durchgreifenden Ausdruck gebracht zu sehen, hingaben, und diese Entdeckung durch Benutzung der dadurch ver- liehenen Methode zur morphologischen Deutung schwieriger Formen ausbeuten, — da droht plötzlich ein gefährlicher Angriff, indem Nägeli im Heft I. IV. der „Zeitschrift für wissenschaftliche Botanik* in drei Aufsätzen: über das Wachsihum und den Begriff des Blattes (pag. 153), über Polysiphonia (pag. 207) und Herposiphonia (pag. 238) mit Schärfe nachzuweisen sucht: dass in Be- ziehung auf Wachsthum kein Unterschied zwischen Blatt und Stengel statlfinde, dagegen aber den Gegensatz beider Organe auf ein einem andern Gesichtspunete unterworfenes Gesetz gründen will. Dieser Angriff berührt die voran- stehende Abhandlung, welche den aus dem Wachsthum entlehnten Begriff des Blattes in mehr als einer Hinsicht voraussetzt, so unmittelbar, dass ich genöthigt war, die Schärfe dieser Waffen zu prüfen und zugleich das Resultat dieser Prüfung, weiches mich bestimmt, das Geschriebene unverändert zu lassen, offen darzulegen, wodurch man mich entschuldigen möge, wenn man für Schleiden’s Gesetz einen würdigern Vertreter, und für Nägeli einen würdigern Gegner erwarten sollte. Bevor ich mich aber zur Beweisführung Nägeli’s wende, scheint es nothwendig, der bisherigen Ansicht eine spe- ciellere und zum Theil bestimmtere Fassung zu geben, als sie bei Schleiden hat, und wie sie gegenüber der ungleich schärfern Auffassungsweise des Gegners gefordert wird. Schleiden fasst das Hervortreten des jungen Blattes dicht unterhalb der Axenspitze so auf, dass an dieser Stelle des Stengels eine stärkere Zellenbildung stattfinde, deren Product durch die immer neu innerhalb der Zellen des Stengels gebildeten Zellen nach Aussen gedrängt wird, und, indem diess in einer bestimmten Form geschieht, ein eigenes Organ darstellt, welches man Blatt nennt. Er 129 m nimmt an, dass diese Zellenbildung innerhalb des Stengels, an der Basis des Blattes nur eine begrenzte Zeit fortdaure, dass damit das Blatt im Wesentlichen fertig sei, und die in den Zellen des Blattes fortdauernde Vermehrung, sowie die Ausdehnung derselben nur dazu beitrage, das Volumen zu vergrössern, nicht aber die angelegte Form zu ver- ändern. Er fasst hiernach das Blatt gegenüber dem durch die ursprüngliche in einer Richtung unbegrenzt fortwirkende bildende Thätigkeit erzeugten Stengel als das Product einer zweiten, vom Stengel abhängigen, in ihrer eigenthümlichen Weise sich selbst begrenzenden Thätigkeit auf, und hebt insbesondere hervor, dass die Spitze des Blattes der älteste, die Basis der jüngste Theil desselben sei. Dass in der Beschränktheit des Wachs- thums der Unterschied des Blattes vom Stengel nicht liegt, folgt daraus, dass, wie ich oben (pag. 116) bemerkte, eine solche dem einzelnen Stengelgliede ebenfalls zukomme. Dagegen scheint mir Nägel’s Einwurf, wenn er den Blü- thenstiel als gleichfalls beschränkt anführt, die Sache nicht zu trelfen, weil einmal die Vergleichung eines einfachen Organs mit einer aus mehrern Internodien zusammen- gesetzten Axe unrichtig ist, sodann weil hier die Begren- zung der im Allgemeinen d. h. ihrer eigenen Natur nach unbegrenzten Axe durch eine anderweitige mit dem Wachs- ihum selbst nicht zusammenhängende physiologische Ursache die Blüthenbildung bedingt, durch theilweise Ver- hinderung der letzteren aber, wie die Durchwachsung zeigt, wegfällt. Schleiden meint dagegen jene Begrenzung des Blattes wohl so, dass die Ursache davon eine nothwendige Folge der eigenthümlichen Wachsthumsweise des Blattes und seines Verhältnisses zur Axe sei, und insofern ist diese Erscheinung allerdings dem Blatte eigenthümlich. Man pflegt ein grosses Gewicht darauf zu legen, dass in der gesammten Entwickelungsgeschichte des Blattes zwei wesentlich verschiedene Perioden zu unterscheiden seien: 130 die erste Anlage und die weitere Entfaltung. Ich weiss nicht, warum man hierüber so einig ist, da doch die Bil- dungsgeschichte des Blattes so continuierlich verläuft, dass man eine deutliche Epoche durchaus nicht wahrnehmen kann. Wenigstens würde diess gelten bei der Annahme, dass sich das Blait wie ein Zweig durch Vermehrung einer einzelnen Zelle und Wachsthum besonders in der Peri- pherie und der Spitze bis zur Erlangung seiner Form entwickelt, ausser welcher Zellenbildung dann noch die Ausdehnung der gebildeten entweder gleichzeitig mit derselben oder darauf folgend die Vergrösserung ver- ursachte. Dagegen stellt sich bei der oben dargestellten Ansicht in der That ein wesentlicher Unterschied heraus, indem das Blatt zum Theil aus den Zellen des Stengels hervorgeht, zum andern Theil aber durch Fortdauer der Zellenbildung in den durch den Stengel gebildeten, sowie durch Ausdehnung der einzelnen Zellen seine vollendete Form und Grösse erreicht. Der Zustand, in welchem das Blatt ist, wenn in den Zellen der Axe keine Tochterzellen mehr erzeugt werden, die sich als Formtheile dem Blatie anschliessen, ist die Anlage. Die weitere Zellenbildung kann in allen Zellen gleichzeitig oder in der einen oder in der andern Richtung fortschreitend erlöschen (im All- gemeinen findet diess von der Spitze nach der Basis hin statt, wo sie am längsten verharrt und auch am stärksten ist); ebenso kann die Zellenausdehnung entweder den vorigen Act unmittelbar ablösen oder nach einer bestimm- ten Zeit der Ruhe eintreten, in jedem Falle aber entweder bei allen Zellen gleichzeitig sein oder in gleicher oder in entgegengesetzter Richtung, in welcher jene Zellenbildung erloschen ist, fortschreiten. Begreift man die beiden letz- tern Vorgänge zusammen als Entfaltung, so ist es keineswegs wahrscheinlich, dass diese erst auf die Anle- gung aus dem Stengel folge, sondern beide greifen inein- ander, weshalb keine Perioden unterschieden werden Bet] können; wohl aber sind die Factoren, welche dem Blatt das Dasein geben, zwei wenn auch nicht der Zeit, doch dem Begriffe nach zu trennende Vorgänge. Was nun die Form des Blattes betrifft, so wird sie ebenso wie das Volumen durch jene beiden Factoren zu- gleich bedingt, aber in verschiedener Weise. Innerhalb der Formgeschichte sind zwei Perioden zu trennen: die erste, in welcher die allgemeinen Umrisse ‘und die Hauptformglieder gebildet werden, die zweite, wo sich die Umrisse schärfer ausbilden, die Dimensionen vergrössern, aber keine wesentlichen Glieder hinzukommen, so dass die Gestalt in dieser Periode im Ganzen der erstern ähnlich bleibt. Von diesen fällt nun das erste Stadium zusammen mit dem ersten Stadium der Massenbildung. Die Gesammtform wird dadurch zu Stande gebracht, dass ab- wechselnd ein kleinerer oder grösserer Theil des Stengel- umfangs an der Erzeugung von Blattzellen Theil nimmt; die Spitze geht aus einer oder wenigen Axenzellen her- vor; zur Bildung der Scheibe erstreckt sich die Zellen- bildung auch über die benachbarten, während sie sich um den Stiel zu bilden wieder auf eine kleinere Anzahl be- schränkt, bei dem zusammengesetzten Blatt findet ein Öscillieren im Stengelumfang statt, die Hauptabschnitte werden, wenn auch nur als leichte stumpfe Kerben, doch der Anlage nach durch die Form der. Axenthätigkeit selbst erzeugt. Die feinere Ausbildung der Umrisse gleich- zeitig mit der Vergrösserung fällt dem zweiten Factor, der Zellenbildung innerhalb der Blattmasse und der Aus- dehnung der einzelnen Zellen anheim. Der Unterschied des Blattes und des Stengels beruht darauf, dass bei letzterem die Hauptquelle der Blattsubsianz in dem Um- fang und der Spitze des Organs selbst liegt, daher auch die neu hinzukommenden Formglieder (die anschau- lich getrennten Regionen) nach der Spitze zu erzeugt werden. 132 Auf welche Weise lassen sich nun diese Verhältnisse nachweisen ? Die Frage ist offenbar eine anatomische, das Gesetz der Formbildung kann vollständig erst durch die Beobachtung der Erscheinung an den Zellen erkannt wer- den, und in diesem Sinne ist es auch oben ausgesprochen. Nun sind wir aber einstweilen noch nicht fähig, die zeit- lichen Verhältnisse der Zellenvermehrung, an körperlichen Gebilden wenigstens, zu unterscheiden, und wenn wir zu einem indirecten Wege unsere Zuflucht‘ nehmen wollen, so bietet sich dazu die Beobachtung des Zustandes des Zellgewebes dar, indem Ausdehnung der Zellen, schär- fere Zeichnung und Verdickung der Wände, Umbildung des Inhalts in eine klare Flüssigkeit und feste Körper, mit einem Wort individuelle Ausbildung der Zellen ohne Zwei- fel ein Kriterium der erlöschenden Zellenbildung gibt. Da aber jener Zustand der Zelle nicht nothwendig an allen Theilen des Pflanzentheils gleich schnell auf den Zustand, wo die Zellenbildung aufhört, folgt, so ist daraus auf die Richtung, in welcher das Wachsthum erfolgt, nicht mit Sicherheit zu schliessen. So schreitet dieser Vorgang nach Nägeli bei den „Blättern“ der Algen, Florideen, Moose, Characeen, Lykopodiaceen und in der Regel bei den Pha- nerogamen in entgegengesetzter, bei manchen z. B. Utricularia in derselben Richtung fort, wie die (nach- trägliche) Zellenbildung. — Ein anderes ebenfalls indirectes Mittel liefert nun die Betrachtung blos der äussern Ge- stalt, insbesondere bei solchen Organen, deren obere und untere Regionen hinreichend anschaulich getrennt sind, um jede derselben von ihrem ersten Auftreten an ins Auge fassen und die relative Lage zu den andern verfolgen zu können; z. B. lässt das frühere Sichtbarwerden der Scheibe beim gestielten Blatt, der Anthere beim Staubfaden, der Narbe und des Griffels bei Pistillen mit erweitertem Ova- rium und das spätere des Stiels, des Filaments, des Ova- riums darauf schliessen, dass das Wachsthum der genannten 133 Organe an der Basis stattgefunden. Dabei liegt aber als- dann die Voraussetzung zu Grunde, dass ein solches Organ in den Dimensionsverhältnissen seiner verschiedenen Re- gionen im Ganzen gleich, “dass die Gesammtform sich in allen Stadien der Entwickelung ähnlich bleibe, eine Vor- aussetzung, welche wohl nur eine starke Skepsis nicht einräumen wird, indem sie sich auf die Möglichkeit berufen kann, dass jene Dimensionen an den verschiedenen Stellen des Organs auch durch die allgemeine, aber in ungleichem Maasse fortdauernde Zellenbildung und Ausdehnung ein anderes Verhältniss erhalten könnten. — Nächstdem bieten sich bei der Betrachtung der äussern Gestalt noch andere Fälle dar, welche auf das wahre Wesen des Wachsthums schliessen lassen, weil sie sich ausschliesslich oder am natürlichsten durch die Annahme eines bestimmten anatomi- schen Vorgangs erklären lassen; insbesondere eignet sich die Untersuchung des zusammengesetzten Blattes, nämlich die Beöbachtung, dass je mehr. Blätichen-Paare angelegt werden, ein um so grösserer Theil des Stengelumfangs als Basis des entstehenden Blattes dient, dazu, sich von dem Ursprung des letzteren aus den Axenzellen zu überzeugen. Weitere Belege für die Wichtigkeit des angegebenen Ge- setzes findet man in Merklin: Zur Entwickelungsgeschichte der Blattgestalten. 1846. In den neuesten Untersuchungen über diesen Gegenstand: Benjamin, Morphologische Ent- wickelungsgeschichte des Blattes von Aesculus Hippoca- stanum. Bot. Zeit. 1849 pag. 449 ff. wird zwar die Frage, ob die Entwickelung des Blattes von der Spitze zur Basis . oder umgekehrt fortschreite? nicht direct beantwortet, ‘jedoch lässt sich das Erstere aus der Angabe entnehmen, dass von den Blättchen des handförmig getheilten Blattes, das erste Paar unter der Spitze des ersten Blättchens an jeder Seite desselben, das zweite Paar an dem unteren Rande jedes der beiden seitlichen Blättchen etc. entspringt, wobei es sogar aus der Beschreibung wahrscheinlich wird, dass 134 jener Ursprung nicht am Rande der untern Blättchen, son- dern aus der Axe selbst stattfindet. Während man also mittelst dieser leiztern indirecten Methode, der Beobachtung der äusseren Form, zu dem oben dargestellten Begriffe des Blattes gelangt ist, tritt nun hier- gegen MNägek anf und behauptet zunächst im Gegensatz gegen Schleiden: dass das normale Wachsthum des Blattes nicht an der Basis, sondern an der Peripherie und Spitze stattfinde, — dass die Glieder der Form an der Spitze fortschreitend neu gebildet werden, — dass die Form des Blattes unbhängig vom Stengel durch das Blatt selbst be- stimmt sei, — dass mithin, da diess auch für den Stengel gelte, der darauf gegründete Begriff des Blattes falsch sei. Statt dessen versucht derselbe ein anderes nicht auf das Wachsthum gegründetes Gesetz für das Blatt auf- zustellen. Wir wollen Nägeli’s Ansichten näher betrachten und seine Gründe prüfen. Dabei wird es am besten sein, nicht sowohl auf Bestreitung der angeführten Thatsachen ein-- zugehen, sondern die Beobachtungen in Ehren zu halten und nur die Form der Beweisführung zu berücksichtigen, theils weil ich nicht im Stande bin, allen einzelnen Beob- achtungen eigene gegenüberzustellen, theils weil schon’ das Letztere hinreichen wird, die Bedeutung dieser Angriffe zu würdigen. Was die Methode betrifft, nach welcher Nägel den Entwickelungsprocess zu erforschen sucht, so hält derselbe fast durchgängig an der Untersuchung der anatomischen oder innern Entwickelungsgeschichte fest, eine Methode, die zuerst er bereits an einigen niedern Pflanzenformen mit so überraschend schönen Resultaten angewandt und damit deren bedeutende Zukunft eröffnet hatte. Dafür, dass die Bildung neuer Zellen beim Blatt (es handelt sich natürlich bei uns um das Blatt der Phanero- gamen) von unten nach oben, von innen nach aussen 135 fortschreite, werden die Algen, Florideen, Characeen, Moose, wo dieses direct beobachtet sein soll, sowie die Lykopo- diaceen und Equisetaceen angeführt, bei welchen wenigstens die Zellenbildung an der Spitze durch Theilung einer ein- zigen Scheitelzelle von Nägeli gesehen ward, wogegen ich in dem entstehenden Blatt von Eguisetum limosum den Inhalt der Endzellen ganz hell, den der übrigen trübe und insbesondere die Zellen des punctum vegetationis alle klei- ner und trüber sah. Was für die Phanerogamen direct angeführt wird, ist iheils aus der Vergrösserung der Zellen und Umbildung des Inhalts, theils aus Beobachtung von Scheidewänden in den Rand- und Endzellen geschlossen, womit indes keineswegs ausgeschlossen ist, dass nicht auch in dem innern Gewebe Zellenbildung stattfinde, die sich natürlich dem Auge mehr entzieht. Jedenfalls folgt aber aus einer Theilung der Scheitelzelle noch nicht, dass da- durch auch der wesentliche Zuwachs und die Formver- änderung des Blattes geschehe. Wenn ausserdem aus der äussern Form eines gefiederien Blattes das peripherische Wachsthum gefolgert wird, so lässt die gegebene Dar- stellung mit gleichem Rechte auch, die tg Deutung zu. Vollkommen ins Unklare geräth aber die Untersuchung durch die seltsame Unterscheidung zwischen einem „nor- malen (peripherischen )* und einem „nachträglichen“, „ab- normen“, „allseitigen“ Wachsthum, welches nach dem erstern noch foridauernd entweder in allen Zellen gleich- zeitig oder in der einen oder andern Richtung aufhören soll. — Woher diese Trennung? fragt man sich unwillkür- lich, — woran erkennt man die normale und die abnormale Zellenbildung? — woran erkennt man, dass die eine an die Stelle der andern getreten ist? In der That hat Näyeli keinen Unterschied in der Zellenbildung selbst angege- ben. Oder er hätte doch wenigstens nachweisen müssen, dass zwischen dem Erlöschen des peripherischen Wachs- 136 thums Stufen vorhanden seien, wo alle Zellenbildung ruht, und dass nachher wieder eine solche eintrete. Wenn die Beobachtungen, die hierbei zu Grunde liegen, richtig sind, so können sie ohne eigene Zulhat nur so ausgespro- chen werden: die im Blatt thätige Zellenbildung erlischt entweder von unten nach oben (Utrieularia), oder allent- halben zu gleicher Zeit, oder allmählich nach der Basis zu. Warum sich aber Nägeli dieser Unterscheidung bedient, kann ich mir nicht anders erklären als aus einer vor- gefassten Meinung und dem Wunsche, dieselbe geltend zu machen. Peripherisches Wachsthum soll Gesetz für das Blatt sein; nun gibt es aber Fälle, wo diess nicht wahr- zunehmen ist, es wird deshalb das ganze Wachsihum in Gedanken in zwei Factoren zerlegt, von denen der erste peripherisches Wachsthum ist; der übrig bleibende Factor, welcher das eine Mal ein 'allseitiges, das andere Mal ein nach unten, das dritte Mal nach oben fortschreitendes Wachsthum ist, ist es, der die Allgemeinheit des peripheri- schen aufhebt, man betrachtet ihn deshalb als „abnormal* und wirft ihn als „unwesentlich“ zur Seite, — ein Ge- dankengang, in welchem mir eine grosse Willkür zu lie- gen scheint. ä Als ein dritter Vorgang in der Blattentwickelung wird die Zellenausdehnung angesehen, die wiederum ihrem eigenen Gesetze folgt. Da nach Schteiden’s Ansicht die spätere Zellenbildung ein zweiter Act ist, welcher das eigenthümliche Gesetz des Blattes nicht in sich schliesst, so kommt diese Ansicht bei diesem Puncte auch gar nicht in Collision mit der von Nägeli, vielmehr tritt der eigentliche Streitpunct erst her- vor bei der Frage nach dem ersten Stadium der Blatt- entwickelung. Ich habe schon oben. erwähnt, dass bei der Ansicht von Nägeli durchaus nicht von einem ersten und zweiten Stadium in dem Sinne die Rede sein kann, dass zu einer gewissen Zeit mit einer wesentlichen Aenderung 137 im Process eine Epoche eintritt, wie diess bei der andern Ansicht der Fall ist. Wenn also Nägeli von dem ersten Stadium spricht, so meint er damit eben nur den Zustand, in welchem das Blalt zuerst in die Erscheinung tritt. Er findet diesen Zustand aber in der ersten Zelle, welche . ausserhalb des Stengels tritt, und eben dadurch, dass er in dieser Zelle bereits den Begriff des Blattes als gegeben, die weitere Entwickelung als eben nur innerhalb dieser Zelle ohne Hinzukommen von Aussen geschehend ansieht, tritt er in einen Widerspruch gegen die andere Ansicht, nach welcher die erste Zelle nur ein Stück des Blattes, den Begriff des ganzen Blattes noch nicht an sich trägt. Die Frage ist demnach die: Entsteht das ganze Ge- webe des Blattes innerhalb einer einzigen Zelle in aufeinanderfolgenden Generationen? Wenn Nägeli aber die Frage so stellt: „Erheben sich mehrere Zellen über die Oberfläche und bilden das Blatt — oder tritt dasselbe zuerst als einzige Zelle auf?* — so ist dieselbe ganz schief, dem Standpunct unserer Lehre gar nicht ent- sprechend. Denn zunächst ist der erste Theil der Frage gar nicht im Sinne der bestrittenen Ansicht. Das von Schleiden so genannte „Hervorschieben“* des Blattes aus dem Stengel kann nicht so gemeint sein, dass die Zellen des Stengelumfangs selbst hernach das Blatt aus- machen, sondern so, dass innerhalb der Axenzellen Toch- terzellen entstehen, welche sich selbst durch ihre Masse nach Aussen treiben. Dieser Process kann aber nun im Allgemeinen ebensowohl mit einer einzigen Zelle beginnen, als mit mehrern zugleich; im erstern Falle bleibt diese Zelle später die Endzelle, in welcher natürlich so gut wie in allen übrigen Zellenbildung fortdauern kann, ohne. dass daraus folgte, dass die Hauptmasse nicht aus der Axe hervorgebildet werde. Es folgt hieraus aber auch, dass in jener Frage gar keine Alternative gestellt ist. — Sehen wir indes die Gründe an, welche Nägeli für seine Ansicht, 6** 198 dass das Blatt zuerst als einzige Zelle auftrete, vorbringt. Den ersten aus der Analogie mit den Algen, Florideen, Moosen, Characeen, für welche das Gesetz als ausgemacht silt, eninommenen Grund wollen wir einstweilen auf sich beruhen lassen, um später die Berechtigung eines hier anzuwendenden Analogieschlusses zu prüfen. Ein anderer Grund, der Beobachtung der höheren Pflanzen selbst entnommen, kommt hier allein in Betracht. Beobachtet ist aber hier nicht nur nicht die Bildung der ganzen Blatt- substanz aus einer einzelnen Zelle durch successive Ver- mehrung (und Nägel glaubt pag. 271 sehr mit Unrecht, dieses nachgewiesen zu haben), sondern nicht einmal die Thatsache, dass das Blatt zuerst mit einer einfachen Zelle am Stengel hervortritt (was doch, wie gesagt, mit der anderen Ansicht nicht einmal in Widerspruch stehen würde), ist nachgewiesen, vielmehr beschränkt sich die ganze Be- obachtung (ausgenommen einzelne Fälle, wo bei Equise- tum eine einfache Zelle am Stengel hervortretend gesehen wurde, obgleich ich diess trotz vieler Bemühung nicht habe bestätigt gefunden) allein darauf, dass bei Lykopodiaceen und einigen Phanerogamen das Blatt später mit einer Zelle an der Spitze wuchs, was wiederum so wenig mil der andern Ansicht in Widerspruch steht, dass wir, so lange bis Nägeli den versprochenen Beweis, dass daraus die ursprüngliche Existenz des Organs aus einer Zelle folge, geliefert hat, kein Gewicht, darauf legen können. — Die Sache steht so: wenn es sich herausstellt, dass in einzelnen Fällen das Blatt mit einer einzelnen Zelle auftritt, so thut diess dem Schleiden’schen Gesetz keinen Ein- trag, — ergibt sich aber ein Fall, wo das Blatt mit meh- rern Zellen zugleich beginnt, so ist damit Nägel’s Ansicht, dass das Blatt zuerst eine einfache Zelle darstelle, geradezu widerlegt. Eine solche Beobachtung bietet aber das Axenende der Gräser (Secale cereale). Hier sieht man an der nach oben ganz glatten Axe in einem fast geschlossenen 139 Ring durch Vermehrung der Axenzellen sowohl in vertika- ler als seitlicher Richtung ganz allmählich eine Zellenmasse entstehen, welche ganz augenscheinlich in allen seitlichen Puncten gleichzeitig hervortritt und den ältesten Theil des Blattes darstellt. — Nachdem Nägeli nachgewiesen zu haben glaubt, dass die bisherige Ansicht vom Wachsthum des Blattes unrich- tig sei und in dieser Beziehung überhaupt kein Gegensatz zwischen Stengel und Blatt existiere (dass diese Nach- weisung wenigstens innerhalb des Gebietes, warum es sich handelt, nicht geliefert worden ist, wird aus dem Vorher- gehenden einleuchten ), — so stellt er dagegen einen neuen Begriff auf, der einem andern Gesichtspuncte, nämlich dem . Verhältniss des Blattes zum erzeugenden Organ ent- lehnt ist. Zuerst wollen wir ein Gesetz, welches für den Begriff des Blattes wichtig sein soll, auf welches der Verfasser indess selbst geringeren Werth zu legen scheint, mit wenigen Worten erwähnen. Hiernach ist es für das Blatt eigenthümlich, dass es seitlich an jeder Stammaxe aber nur an Stammaxen, — Siammaxen dagegen nur seitlich an Stammaxen der gleichen oder nächst vorhergehenden Ordnung, die Haare etc. aber seitlich an allen Stammaxen und an den Blättern stehen können. So ausgesprochen zeigt indes dieses Gesetz gar keine der Natur des Blattes selbst entnommene Eigenthünlichkeit. Dass die Stammaxe nter Ordnung nur an Stammaxen n-1ter Ordnung stehen kann, liegt zunächst gar nicht in ihrem eigenen Wesen, sondern in der Natur einer Reihe, wo ein Glied immer nur neben dem nächsten stehen kann, und ist die einfache Folge der Eigenthümlichkeit der Axe, sich verzweigen zu können; — ebenso lässt sich die Eigen- thümlichkeit des Blattes, nur an Stammaxen und nicht, wie diese, an Seinesgleichen zu entspringen, weit einfacher so aussprechen: das Blatt erzeugt keine neue Blätter aus sich, 140 ist in seiner Fortbildung begrenzt. Die Möglichkeit, dass das Blatt an den Stammaxen jeder Ordnung stehen kann (wodurch es sich von den letztern unterscheiden soll), beruht eben darauf, dass es das zweite Grundorgan der Pflanze ist, und dass die Stammaxen jeder Ordnung sich im Verhältniss zum Blatt gleich verhalten. Eigentlich aber hätte, wenn man die Stammaxen der verschiedenen Ordnungen: Blüthenstielchen, Blüthenstiel, Rispenast ete. unterscheiden will, auch das Blatt, statt es als allgemeinen Begriff den einzelnen Erscheinungsformen des Stengels gegenüberzustellen, ebenso in Deckblättchen, Deckblatt, Stengelblatt etc. unterschieden werden müssen; und als- dann gilt ja auch für das Blalt das Gesetz, dass es immer nur an einer Stammaxe derselben Ordnung stehen kann. Ich glaube nicht, dass durch diese neue Ausdrucksweise sehr einfacher Eigenthümlichkeiten beider Organe, welche eben nur unter andern der Natur keineswegs näher führen- den Gesichtspuncten aufgefasst und verschoben worden sind, etwas gewonnen sein wird. Ungleich wichtiger erscheint als Ersatz für das an- geblich widerlegte dem Wachsthum entnommene Gesetz folgendes den Ursprung der Seitenorgane aus dem er- zeugenden Organ betreffende: „Das Blatt entsteht dicht unterhalb des punetum vegetationis des Stammes, ehe die Gewebebildung in Dicke und Breite begonnen hat, nämlich an der Oberfläche einer ungetheilten Gliederzelle (secundäre Zelle des ersten Gra- des). Der Stamm (Ast) entsteht erst, nachdem die Ge- webezellbildung in die Dicke an der Mutteraxe wenigstens begonnen hat, gewöhnlich nachdem sie auch schon beendigt ist, im Innern des Zellgewebes derselben, nämlich aus einer Centralzelle. Das appendiculäre Organ (Haar) entsteht erst, nachdem die Gewebezellbildung in die Dicke vollendet ist, an der Oberfläche der Rinde.* 141 Er Die Gültigkeit dieses Gesetzes wird für die Flori- deen, Characeen und Moose als unmittelbar durch Beob- achtung nachgewiesen angenommen, — auf die Eqwi- setaceen sodann ausgedehnt durch blosse Analogie mit den Moosen, obgleich dafür keine andere Grundlage be- steht als die Beobachtung, dass bei ersteren das Blatt sichtbar wird, während der Stamm noch in die Dicke wächst. Weiterhin soll dieses Gesetz aber auch für die Lykopodiacen und Phanerogamen gelten. Zum Beweis liegt nach des Verfassers eigenem Geständnisse keine einzige directe Thatsache vor, als dass das Blatt als Höckerchen sichtbar wird, während das Wachs- Ihum des Stammes in die Dicke noch nicht beendigt ist *). Vielmehr ruht die Wichtigkeit des Gesetzes mit ihrem gan- zen Gewicht auf der Analogie mit den Eqguisetaceen, oder vielmehr, da die letztern durchaus kein einziges Argument geliefert haben, allein auf der Analogie mit den niedern Pflanzengruppen. Um von diesen einen Schluss auf die Phanerogamen machen zu können, liegen von Seiten der letztern folgende Prämissen vor: „1) Der Stamm derselben wächst wie der der niedern Pflanzen mit einer einfachen Scheitelzelle in die Länge, welche sich immer in eine neue Scheitelzelle und in eine secundäre Zelle des ersten Grades theilt.“* Diese Thatsache ist offenbar‘ die erste Bedingung, wenn jenes Gesetz gelten soll, leider liegt aber auch nicht eine einzige Beobachtung vor, welche dieselbe direct be- weisen oder auch nur einen Analogieschluss aus den nie- dern Pflanzen begründen könnte. Das zweite sine qua non für jene Art des Ursprungs vom Blatt ist die anfängliche *) Hiergegen bemerke ich übrigens, dass man das frühere Auftreten von Zweigen z. B. von der Grasblüthe in der Achsel der palea inferior wie es scheint gleichzeitig mit dem Blatte und während die Spindel sich A verdickt beobachten kann. 142 Existenz desselben aus einer einzigen Zelle; aber auch diess entbehrt, wie oben pag. 138 gezeigt wurde, durchaus jedes objecliven Grundes. Wenn demnach die Phanerogamen selbst gar nichts zur Begründung jenes Gesetzes liefern, so müssen wir mit nicht geringer Spannung uns zu den niedern Pflanzen und zwar zu den Florideen, an deren Untersuchung sich die Ausführung desselben namentlich anknüpft, wenden, und wollen sowohl die Nachweisung an diesen selbst, als auch die Berechtigung eines Schlusses von da auf die Phanero- gamen einer Prüfung unterwerfen, was ja ohnehin auch zur Würdigung von Nägel’s Ansicht über die Entwicke- lung des ‚Blattes noch übrig war. Wir setzen zunächst voraus, das Gesetz der Ent- wickelung sowohl als des Ursprungs, wie es Nägeli nach dem Obigen fasst, sei für gewisse Seitenorgane der Hlori- deen festgestellt, so bedarf es einer Vermittelung der letztern mit den Phanerogamen. Nach Gründen der Logik setzt das Recht, die Gesetze des einen Gebietes auf das der schwieriger zu beebachtenden höheren Pflanzen zu übertragen, in unserem Falle voraus: 1) dass bei den Florideen ebenfalls wie bei den Phanerogamen ein scharfer Gegensatz zwischen zwei die Pflanze constituierenden Or- ganen staltfinde; — 2) ausserdem muss aber derselbe auch dem zwischen Blatt und Axe parallel, analog sein, ' d. h. die beiden Organe müssen in demselben Verhält- niss zur ganzen Pflanzengestalt oder zu einander stehen wie Blatt und Axe (dieses ist für die leiztern, wie all- gemein anerkannt wird: die Stellung des Blattes an der Axe, die Verästelungsfähigkeit der letzteren, welche jenem abgeht, und die bestimmte Weise, wie beide im nor- malen Zustande mit einander verbunden sind); der Be- griff beider Organe muss dem von Axe und Blatt be- ziehungsweise entsprechen. So wenig wie, wenn zwischen oberer und unterer Extremität am menschlichen Körper 143 ein scharfer Gegensatz besteht, darum auch auf den Arm der Begriff des vegetabilischen Blattes, auf das Bein der eines Astes übertragen werden kann, so wenig kann eine solche Uebertragung von den zweierlei Seitenorganen der Florideen auf die der Phanerogamen von vornherein ohne weitere Grundlage einer Analogie gut geheissen werden. Und wenn Nägel diess dennoch thut, indem er stillschwei- gend ohne Weiteres die Namen: Blatt und Ast den Seiten- organen der Florideen vindiciert, so ist es wenigstens unsere Sache, statt seiner die Rechtfertigung dafür zu versuchen. Zunächst also: Existiert überhaupt zwischen den Seitenorganen der Florideen ein scharfer Unterschied? 1) Hinsichtlich des anatomischen Baues zeigt sich ein Unterschied zwischen den Seitenorganen bei der Gattung Polysiphonia, indem das eine („Blatt“) aus ein- fachen (verästelten) Zellenreihen, das andere („Stamm“) aus Axenzellen und dieselben umgebenden peripherischen Zellen zusammengeselzt ist. Dieser Unterschied ist indes nicht durchgreifend, indem sowohl eine eigenthümliche Modification des „Blattes“: das „Antheridium“ an derselben Pflanze dieselbe Complication des Gewebes wie der „Stamm“ zeigt, als auch bei der verwandten Gattung Herposiphonia die „Blätter* ganz mit dem „Stamme* im Bau überein- stimmen. Wie wenig überdiess für die morphologische und physiologische Bedeutung eines Organs der anatomi- sche Bau von Bedeutung ist, hat Nägeli selbst bestimmt genug zugestanden (Bot. Zeitg. 1849. pag. 570). 2) Dem Wachsthum nach verhalten sich nach Nä- geli, was den einen und zwar wichtigsten Factor: die Zellenbildung betrifft, beide Organe gleich, beide wachsen an der Spitze fort; was aber die Ausdehnung der Zellen betrifft, so schreitet dieselbe zwar bei dem „Ast“ von der Basis nach oben, bei den „Blättern“ in 144 entgegengesetzter Richtung fort, offenbar ist diess aber kein durchgreifender Unterschied , da Nägeli selbst das Schwankende der Richtung behauptet. 3) Selbst der Unterschied, dass das Wachsthum des „Stammes“ unbegrenzt, das des „Blattes* begrenzt ist, scheint unwesentlich, weil bei dem beiderseitigen Spitzenwachsthum die Begrenzung nicht in dem Wesen der Entwickelung begründet, sondern mehr zufällig ist (etwa wie die des Blüthenstiels), zumal da dieselbe beim Blatt an keine bestimmte Zahl der Zellen gebunden ist. 4) Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die „Blätter“ endlich am Grunde abfallen. 5) Der „Ast“ entwickelt sich langsamer als das „Blatt“. 6) Bei Polysiphonia ist das Antheridium an das „Blatt“, die Sporenbildung an den „Stamm“, bei Herposiphonia dagegen an das „Blatt“ gebunden. Wie verhält sich nun der aus diesen Unter- schieden sich ergebende Gegensatz der beiden Seitenorgane der Florideen zu dem Stamm und Blatt der Phanerogamen? Erscheint der zwischen den beiden Seitenorganen der Florideen beobachtete Unter- schied schon an sich vielfach verwischt, so wird er noch mehr seine Bedeutung einbüssen, wenn wir ihn neben den Stengel und das Blatt der Phanerogamen halten. Eine Analogie können wir fast allein in dem Abfallen des „Blattes“ finden, wenn wir nicht noch die Begren- zung des Wachsthums bei demselben Organe hinzufügen wollen, die aber gewiss einen andern Grund hat als bei dem phanerogamen Blatt. Wichtiger aber ist die Frage: Wenn wirklich ein scharfer Unterschied zwischen „Blatt“ und „Ast“ existiert, stimmt dann derselbe auch darin mit dem bei den Phanerogamen überein, dass der „Ast* eine einfache Wiederholung der Hauptaxe ist? In der That scheint mir aber diess durch Nichts bestätigt zu sein, 145 so wie auch die Verästelung des „Blattes“ mehr derjenigen der Axe als derjenigen des phanerogamischen Blattes gleicht. Einer der wichtigsten Momente im Typus der höheren Gewächse ist die relative Stellung des Blattes zum Zweie; ein solches Gesetz fehlt aber gerade bei den Florideen fast ganz, denn die allenfalls an ein solches erinnernde Aufeinanderfolge der beiden Organe bei Herposiphonia ist doch wiederum zu unbestimmt, und insbesondere scheint die Anordnung der „Blätter“ in einer geraden Linie auf der obern Seite und die der „Aeste* in zwei oppo- nierten Reihen an den Seiten des kriechenden Stengels weit mehr von der äussern Lage der Pflanze abzuhängen, als von einem innern Gesetz, und vielleicht sind gerade hierauf die übrigen Unterschiede zurückzuführen; — bei Polysiphonia, wo „Blätter“ und „Aeste* als gleichwerthige Glieder ohne bestimmte numerische Verhältnisse neben- einander stehend eine fortlaufende Spirale bilden, findet keine Andeutung jenes wichtigen ne.rus zwischen Blatt und Zweig statt. Insbesondere zeigt sich aber ein gänzlicher Mangel an Analogie zwischen den Florideen und Phanero- yamen in Beziehung auf die physiologische Bestim- mung der beiden Organe. Spore und Antheridium (resp. Pollen und Saamenknospe) einerseits und Blatt und Axe andrerseils sind zwei so wichtige Gegensätze, dass man das Gebundensein der einen Function an ein bestimmtes Organ unmöglich als ein so zufälliges Moment anschen kann, zumal da sich von den Krypiogamen an bis zu den Phanerogamen ein bestimmtes Verhältniss heranbildet und bei den letztern so höchst constant erhäli. Nun lässt sich wohl denken, dass ein Gesetz bei einer gewissen Abthei- lung noch nicht so bestimmt ausgeprägt sei als bei einer andern, nicht aber dass innerhalb desselben eine Umkeh- rung eintrete. Eine solche findet aber stait, wenn bei den Florideen das Antheridium an das Blatt und die Spo- renbildung an den Stamm gebunden ist. Noch unglaublicher, 2 ‘ 146 noch mehr mit der Idee einer Einheit in der Natur im Widerspruch wäre es, wenn jene Umkehrung des bei den höheren Pflanzen so constanten Gesetzes ganz plötzlich zwischen zwei so nahe verwandten Gattungen wie Polysi- phonia und Herposiphonia (cf. oben Nr. 6) geschähe. Es spricht vielmehr schon die Sporenbildung an dem „Blati* von Herposiphonia sehr stark für eine tiefere Gleicharlig- keit zwischen diesem und dem „Stamm“. Und haben wir schon oben nirgends einen durchgreifenden, wenigstens sich an Bedeutsamkeit mit den Unterschieden zwischen Blatt und Stengel messenden Gegensatz gefunden, so wer- den wir nunmehr noch entschiedener auf die Ansicht hin- geführt, dass die beiden besprochenen Organe der Florideen gar nicht wesentlich verschieden, sondern nur verschiedene Erscheinungsformen eines und desselben Dinges, dass die „Blätter“ modificierte „Aeste“ sind, wie die leizten Enden der Aeste der höheren Pflanzen so oft von der Axe ab- weichen (Blüthe, Zweige von Ruseus, Ranken, Dornen); insbesondere deutet auch jener Uebergang im anatomischen Bau zwischen beiden Organen, sowie die Erzeugung von Blättchen an den Blättern bei Herposiphonia, welche erste- ren den Blättern bei Polysiphonia gleichen, darauf hin, dass nichts als eine einfache Verästelung stattfindet, und in dieser Verästelung eine Metamorphose, nämlich eine Vereinfachung des Baues, welche bei Polysiphonia schnel- ler, bei Herposiphonia langsamer (eine Generation mehr ergreifend) nach den Enden hin fortschreitet. Diese An- sicht entnehme ich lediglich aus Nägeli’s eigenen Angaben; was meine eigene Beobachtung betrifft, so standen mir zwar keine frischen Exemplare von Florideen zu Gebote, um daran den Entwickelungsprocess der Gestalt unter- suchen zu können; dagegen habe ich unter den Verhält- nissen, welche sich an aufgeweichten Exemplaren beob- achten lassen, bei keiner Floridee irgend einen Umstand angetroffen, der mir zu einer Unterscheidung der appen- 147 dicularen Organe in Blätter und Zweige irgend eine Ver- anlassung hätte geben können. Nur bei einer der mir zugänglichen Polysiphonia-Arten boten die kurzen borsten- förmigen, an der Axe zerstreut stehenden Aeste durch ihre Gestalt, ihre Kleinheit und ihren einfachen Bau aus einer Zellenreihe gegenüber dem zusammengesetzten Bau der Hauptaxe und der grösseren Aeste allenfalls den Anschein von Blättern dar. Es kann indes kein Zweifel sein, dass dasselbe nichts anderes als Zweige sind und nur darum einfacher und kleiner erscheinen, weil es die jüngsten Verzweigungen sind. Denn die angegebene Form kann, wie ja überhaupt die äusseren Umrisse über die morpho- logische Bedeutung nicht entscheiden, hier um so weniger in Betracht kommen, als auch die grösseren Zweige und ‚die mittlere Axe selbst sich am Ende dornförmig zuspitzen. Ebenso ist das einzige Unterscheidende dieser Organe: die Einfachheit des anatomischen Baues, sowie die relative Kleinheit nicht nur an sich unwesentliche Verhältnisse, sondern es zeigen sich überdiess in beiderlei Hinsicht deutliche Uebergänge zwischen den vermeintlichen Blättern und den entschiedenen Zweigen. Namentlich besteht zwi- schen den ersteren und den letzteren durchaus nicht ein solches Verhältniss der gegenseitigen Anordnung wie zwi- schen Blait und Zweig der höheren Gewächse, vielmehr alternieren sie untereinander, die „Blätter“ tragen keine Zweige in ihren Achseln und nirgends wo ein Zweig ent- springt, findet man am Grunde desselben ein Stützblatt. Gerade so verhält sich der Habitus von Fucus aculea- tus L., wo die letzten Verzweigungen dasselbe borsten- förmige oder blattartige Ansehen haben, und an den älteren Aesten ebenso zersireut stehen wie bei der oben genann- ten Floridee. Kurz, — der eigenthümliche so ausgezeichnete Typus, welcher sich von den Ledermoosen aufwärts immer schärfer entwickelt, scheint mir bei jenen Algen kaum mehr angedeutet zu sein, als er es bei dem säulen- 1* 148 förmigen Thallus der Flechten ist. Es fehlt hier jedes Analogon von Blatt und Stengel, und wie es deshalb Willkür von Nägeli ist, diesen Gegensatz aus dem höhern Gebiet auf das fern liegende niedere zu übertragen, so ist es in demselben Grade unstatthaft, Resultate, auf dem letzteren gewonnen, auf jenes zu verpflanzen, zumal wenn hier, wie wir diess früher gezeigt haben, durch die directe Beobachtung so wenig sichere Anknüpfungspuncte festgestellt sind. Wir wollen indes noch einen Schritt weiter in diese Sache eingehen und prüfen, ob bei den Florideen wirklich ein Gesetz nachgewiesen worden ist, welches, einen solchen Analogieschluss als berechtigt angenommen, zugleich den Begriff der Hauptorgane der Phanerogamen offenbaren könnte. Diess Gesetz ist einerseits das erste Auftreten des Blattes als einzige Zelle, in welcher bereits der Begriff des Blattes vollständig liege, und das peripherische Wachs- thum desselben, — andrerseits der oben genannte Unter- schied von Blatt und Ast hinsichtlich des Ursprungs aus dem erzeugenden Organ. Wenn das ursprüngliche Auf- treten einer einfachen Zelle als Anfang des Blattes beob- tet wurde, so ist doch die Richtung des Wachsthums, falls sie aus der Ausdehnung der Zellen, der Umbildung des Inhalts eic. geschlossen werden soll, nicht von unten nach oben, da die letztere als von oben nach unten fort- schreitend beobachtet ist, — oder vielmehr es ist, da hierin, wie früher nachgewiesen, kein Kriterium für die Richtung der Zellenvermehrung liegt, die letztere nicht ausser Zwei- fel gesetzt. Was dagegen den anderen Punct betrifft, so ist zwar das Auftreten des Blattes unmittelbar unter der Spitze aus einer Stammzelle, ehe noch die Bildung des Gewebes in die Dicke begonnen hat, durch directe Beobachtung festgestellt und allgemein anerkannt, keineswegs aber die andere Hälfte jenes Gesetzes, indem für den Ursprung des Astes bei Polysiphonia gar keine Beobachtung, bei 149 Herposiphonia aber nur die mitgetheilt wird, dass der Ast über der Oberfläche sichtbar wird, nicht aber dass er nach Beendigung des Dickenwachsthums aus der Gentralzelle enlispringt. Es mangelt also die Begründung jenes Gesetzes sogar auf dem Gebiete, auf welchem Nägeö sein Gebäude auf- geführt hat. Aber, fragen wir uns endlich: gesetzt die Thatsachen seien festgestellt, die Uebertragung auf das übrige Pflanzenreich berechtigt, ist dann von vornherein dem Ursprung eines Organs aus einer innern oder äussern Zelle ein so grosses Gewicht beizulegen? Am Ende sind doch alle Zellen des Stammes ihrer Natur nach gleichbedeutend, und ob eine Zellenbildung in der einen oder in der andern stattfindet, d. h. in einem etwas frühe- ren oder späteren Zeitpuncte im Verlauf des Dickenwachs- thums der Axe beginnt, kann unmöglich einen so strengen morphologischen Gegensatz in den Producten dieser Zellen- bildung hervorrufen, wie man einen solchen zwischen Blatt und Stengel in allen Erscheinungen wahrnimmt. — Nägeli hat mit Heftigkeit an dem bisherigen Grund- pfeiler der Morphologie gerüttelt und zugleich einen neuen in Bereitschaft gestellt in jenem dem Ursprung der beiden Organe entlehnten Gesetz, dessen Fertigkeit und Rundheit uns überraschen muss. Aber wie nun, wenn uns die Analyse seiner Ausführung belehrt hat, dass diesem Gesetze nicht eine einzige durch directe Beobachtung bewiesene Thatsache zu Grunde liegt, dass dasselbe aus einem durch- aus fremden Gebiete ohne Vermittelung einer richtigen Analogie herübergeholt ist, dass selbst auf diesem fremden Gebiete das Gesetz in keiner Weise überzeugend nach- gewiesen worden ist, dass vielmehr Alles, was zu einem Beweise zusammengestellt ist, von einem Unbefangenen ebenso für das Gegentheil benutzt werden kann, dass der ganze Beweis kaum etwas Anderes ist als ein künstliches 150 Gebäude von Schlüssen, die sich gegenseitig auf den Schultern stehen? Was halten wir von einer Natur- forschung, welcher es möglich ist, auch ohne objectiven Thatbestand ein so glänzendes, reizendes Gebäude wie dieses Gesetz über Blatt und Stamm in die Luft zu bauen? Möchte doch das, was wir von der Logik des Verfassers, welcher wir haben folgen können, denken müssen, nicht auch für dessen Beobachtung, der wir nicht durchweg haben folgen können, gelten: dass sie sich durch ein sinn- reich construiertes Bild der Phantasie habe regieren lassen, — möchte insbesondere die hier gemachte Erfahrung keine Anwendung leiden auf die anderen schönen Resultate von Nägeli’s Untersuchungen der anatomischen Entwickelungs- geschichte, und unsere Freude über den kühnen Schritt, den mit derselben die Wissenschaft vorwärts gethan, nicht vereitelt werden! Nägeli, wohl wissend, dass die- Beobachtung der äussern Gestalt doch nur indirecte Schlüsse über die Ge- setze der Entwickelung liefert, hat die anatomische Me- thode vorgezogen; sehen wir aber, wie seine Schlüsse noch viel indirecter sind, so werden wir geneigt zu glau- ben, unsere Zeit sei noch nicht reif für die letztere, und wir kehren einstweilen zu der Methode der äussern Ge- stalt als zu einem Mittel zurück, welches, wenn auf absolute Gewissheit verzichtet wird, richtig gehandhabt dennoch weiter führen mag als jene andere. — Vielleicht wäre Nägeli bei der Bestreitung der Schleiden’schen An- sicht weiter in der Wahrheit gekommen, wenn er statt seines positiven Versuchs kritisch verfahren und die für die bisherige Ansicht angeführten Thatsachen und Gründe, die er auffallenderweise ignorirt, widerlegt resp. aner- kannt hätte. Mir scheinen diese Thatsachen der äussern Entwicke- lungsgeschichte bestimmend, vorbehaltlich der für diese 151 Methode geltende Einschränkung, an dem durch Schleiden aufgestellten Gesetze der phanerogamischen Pflanzengestalt festzuhalten; und dass wenigstens durch Nägel’s Bestrei- tung keine Veranlassung gekommen ist, davon abzugehen, hoffe ich im Voranstehenden hinreichend begründet zu haben. In unserem Verlage ist erschienen und in allen Buch- handlungen zu haben: Danz, G FR. und Dr. G F, Fuchs, physisch- medicinische Topographie des Kreises Schmaikalden. Eine Preisschrift. Mit einem Kupferheft. br. Rthl. 2. 15 Sgr. = Fl. 4. 30 kr. Hessel, Dr. J. F. C, Löthrohr-Tabellen für mineralogische und chemische Zwecke. 4. br. 10 Sgr. = 36 kr. Landgrebe, Dr, 6, über die chemischen und physiologischen Wirkungen des Lichtes. geb. Rthl. 3. = Fl. 5. 24 kr. Ritter, Dr. F. C. 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