N „i Fi RR? ER | « u] m u - € vr y Y x T . > | , ; | b » h [nz J / z rn 5, vr Am: 53 4 | L r E Sal \ ) d . \ \ > { AN \ vr f . < x } { f a 2 IR - 2 % > > \ f 2 Y x h ‘ \ AN 7% | N \ 5 f y | Mn / x | f} i % x y z | I“ \ ’ | ! nn nn en Grundlinien einer neuen Forstwirtschaftsphilosophie Heinrich ‚Weber essischem Forstassessor Mit 3 Abbildungen ! b 5 3 5 $:: b: OR 2. EIRENE UNIVERSITY OF TORONTO Tübingen Verlag der H. Laupp’schen Buchhandlung 1919. Alle Rechte vorbehalten. ®. u 7 f } / j De } ' , Br if J + a j ELEL is VERON AVAILABLE NO. D! nn Druck von II. Laupp jr in Tübingen, A | Inhalt. { Seite {r Einleitung ; 1 R ETDeil Die ndleeune Hero nelmeoteche ee e LERNTEN DEN Re ee a MO EN TR 8 Einleitung. . . PET 8 1. Kapitel. Was ist Wissenschaft im Seien re 2. Kapitel. Was ist Gegenstand unsrer Wissenschaft? . 21 3. Kapitel. Was ist Forstwirtschafts-Wissenschaft? . . 24 I. Teil. Das System der Forstwirtschafts- Wis- senschaft. VE EEE WE BREITER N er N ae ee SE I. Abschnitt. Die Forstwirtschafts-Wissenschaft in ihrer £ Gegenwärtigkeit . . . . 33 1. Kapitel. Die theoretischen ae a ee forstwirtschaftlichen Handelns . . . . 33 2. Kapitel. Die Norm oder die keiskrickichail ee Eh 58 N 3. Kapitel. Die Forstwirtschaft der Praxis . . . 74 u II. Abschnitt. Die Geschichte der Forstwirtschafts- Wien 1 RChakl Zr .% ER > 7 > Schluß. Die Stellung De Forstwärtschäfts. Philosophie N "ER Anhang. Uebersichtliches Einteilungsschema der Forstwirt- £ schafts-Wissenschaft. . . . 87 II. Teil. DieMethodologie der Worsteirteona ee EHER Ward. een re en ee ER ee Einleitung. . . 96 I. Abschnitt. Die Forschungsmetho den de Forstairtechafe Wissenschaft in ihrer Gegenwärtigkeit . . . » 2.9 1. Kapitel. Die Forschungsmethoden der Grundlagen. . 99 2. Kapitel. Die Forschungsmethode der Norm . . . 105 3. Kapitel. Die Forschungsmethode der Betrachtung Be % Forstwirtschaft der Praxis . . 108 < II. Abschnitt. Die Forschungsmethoden = Geschicke De E Forstwirtschafts-Wissenschaft . . . 2» 2.2..2....109 ON Een er ER Sa "ia Lu Ir ae „Die Wissenschaft mıß begreifen lernen, da&ß sie auf dem Grunde philosophischer Grund- lagen stebt.*“ Hermann CoHen, „Logik der reinen Er- kenntnis“. (2. Aufl. Berlin 1914 S. 599.) Bil: Eine „Forstwirtschafts - Philosophie“ oder „Allgemeine N _Forstwirtschaftslehret, deren Schafiung AUGUST BERNHARDT „eine Aufgabe der Zukunft“ bezeichnet, ist auch uns heute noch eine Aufgabe und ein Problem. Das bescheiden’ Teil von Eigenem, das ich hiermit über _ diesen Gegenstand veröffentliche, will nicht nur die schweben- Br, den Probleme klären und lösen helfen, es will vor allem auch dazu beitragen, das Bewußtsein von der Notwendigkeit und dem Nutzen einer streng logischen Begründung unserer Wissen- en in immer weitere Kreise der grünen Gilde hineinzu- EN tragen. Der Leser betritt hier Jagdgründe, die weit abseits liegen von den gewohnten Birschpfaden unserer Wissenschaft. Denn wie einst vor 150 Jahren die hirsch- und holzgerechten Jäger lles naturforschende Wissen für eitle Spielerei der Gelehrten erklärten, so sieht man heute noch auf forstwirtschafts- philo- sophische Studien als auf ein nutzlos müßig Treiben herab. " \ Schon der Titel „Forstwirtschafts-Philosophie“ wird Be- _ fremden erregen. „Was hat unsere Wissenschaft mit Philo- A, _ _ sophie zu tun?“, so wird man sicherlich fragen. Der Ausdruck „Forstwirtschafts-Philosophie“ soll die Grundlegung, die Systematik und Methodik unserer Wissen- Weber, Grundlinien einer neuen Forstwirtschafts-Philosophie. 1 ET a EL a u TE TE. A Ze ARTE 1 he; PR RR En ER a MIST PER En ‘ b ’ p. ’ iE EN ot schaft zu einer Einheit zusammenschweißen. Es gab bisher noch keinen durchaus zulänglichen Sammelnamen für diese drei über oder vor unserer Wissenschaft stehenden Sonder- disziplinen. Weder die Bezeichnung „Systematik“, unter der WAPPES seine „Grundlegung“, „Gliederung“, (so nennt er die Systematik im eigentlichen Sinne) und „Methodik“ zu- sammenfaßt, noch der Ausdruck „Methodologie“, mit dem KATZER sie unter einen Hut bringen will, sind passend und zutreffend für den Gegenstand, den sie anzeigen sollen; beide begreifen ja nur einen Teil von dem in sich, das sie bezeichnen sollen. Dasselbe gilt von dem Ausdruck „Fundamentaldiszipli- nen“, den ich seinerzeit einmal vorgeschlagen habe. Auch er deutet zu sehr auf die Grundlegung allein hin. Und zudem hat man mit Recht gegen ihn geltend gemacht, daß er unwillkürlich an die „forstlichen (Grundwissenschaften“, die „Grundlagen unserer Wissenschaft“, wie sie im Folgenden genannt werden sollen, erinnert und so leicht zu Mißverständnissen Anlaß geben kann. Anders steht es in dieser Hinsicht mit der schon er- wähnten, von BERNHARDT geprägten Bezeichnung „Allgemeine Forstwirtschaftslehre*, die man als Sammelname für die be- wußten Sonderbezeichnungen sehr wohl gelten lassen könnte. Sie ist jedoch zu blaß, zu farblos, sie sagt zu wenig über das besondere Wesen des Wissenskomplexes, den sie ver- treten soll und vor allem nichts über dessen Beziehung zur Philosophie. Das Symbol „Forstwirtschafts-Philosophie* hingegen ist nicht nur eine dem anzuzeigenden Gegenstande durchaus adäquate Bezeichnung, es bringt auch dessen Abhängigkeits- verhältnis zur Philosophie deutlich zum Ausdruck und dürfte sich deshalb als Sammelname für die genannten Sonderdis- ziplinen wohl am besten eignen. Die Philosophie steht in einer sehr innigen Wechselbe- ziehung zu den Einzelwissenschaften und ist nichts weniger e; Wissenschaftliche Erkenntnis ist nur möglich auf Grund gewisser — nicht aus der Erfahrung fließender — Denkge- ' setze und Urteilsarten. Die Entwicklung und Darstellung der- ’ selben ist Aufgabe der Philosophie. Sie gelten für die gesamte 3 menschliche Erkenntnis. Darum brauchen alle Wissenschaften, sie mögen heißen, wie sie wollen, sie mögen mehr theoretisch be oder mehr praktisch gerichtet sein, darum brauchen alle _ Wissenschaften notgedrungen Philosophie. „Die Philosophie is “ wie PAULSEN einmal trefiend ausführt, „das zentrale E der Sonne, von der die belebende Wärme auf alle Wissenschaften ausstrahlt. Der Boden der Forschung wird überall nur dadurch anbaufähig, daß er von diesen Strahlen 3 _ durchdrungen wird. Und die einzelne Arbeit wird um so größere und reifere Frucht tragen, je mehr des belebenden _ Sonnenscheins sie ihrem Boden zuzuleiten weiß. Hingegen wer unbekümmert um Licht und Wärme aufs Geratewohl den Boden hackt und gräbt, wo er gerade einen Platz findet, der wird dürftige und harte Früchte ernten. Eine Wissenschaft ab: er, der die Beziehung zur Philosophie oder der Einheit des Wissens überhaupt verloren ginge, die müßte wie ein Garten, r.. das Sonnenlicht abgeschnitten ist, ins Kraut schießen Ex eine es zum Blühen und Früchtetragen zu bringen, ohne Bild, sie müßte an fruchtloser Spitzfindigkeit oder sinnloser _ Stoffanhäufung untergehen. KANT nennt einmal eine solche jo elehrsamkeit eine cyklopische, ihr fehle ein Auge: ‚das A uge nämlich der wahren Philosophie, um die Menge des j " ‚historischen Wissens, die Fracht von hundert Kamelen, zweck- de: _ mäßig zu benutzen’ (Anthropologie $ 58).“ Die Philosophie ist der Kern und das Rückgrat aller 2; menschlichen Kultur. Die drei Richtungen des Bewußtseins, Denken, Wollen und Fühlen fließen aus einem Grunde, “ dem Grunde des menschlichen Bewußtsein überhaupt, und j 5 BR of Ku ihre Ergebnisse sind aufeinander angewiesen und durchdringen sich. Hierin liegt es begründet, daß die Einzelwissenschaften ihre letzten großen Fragen nie selbst beantworten können, zu diesem Zweck vielmehr der Philosophie bedürfen. Darum muß, wer über den Charakter einer Spezialwissenschaft ur- teilen will, die engen Grenzen dieser Wissenschaft überschrei- ten, er muß sich einen Platz außerhalb ihrer Schranken suchen, von dem aus er einen Ausblick über das Ganze aller Wissenschaften hat. Er will ja nichts anderes, als seine Sonderwissenschaft fixieren und fest verankern im Meer der Erkenntnis. Zu diesem Ende aber muß er Zuflucht suchen bei der Philosophie, welche die Sachwalterin der Prinzipien aller menschlichen Erkenntnis ist. „Viele unserer besten Männer“, so sagt HousToX STE- WART ÜHAMBERLAIN einmal in seinem „Immanuel Kant“ (3. Aufl. München 1916, S. 799), „wollen schon denken, aber nicht über das Denken denken, nicht philosophieren.* „Wie oft hört man nicht: ‚Ach, reden Sie mir nicht von Philo- sophie! Davon habe ich nie ein Wort verstanden; es hat auch gar keinen Zweck und macht nur konfus !“* „Daß es nötig oder zum mindesten nützlich sein müsse, die Beglaubigung, den Umfang, die Bedeutung unseres Denk- vermögens zu prüfen und wissenschaftlich genau festzustellen. des Vermögens, das wir doch überall ununterbrochen an- wenden — das will selbst begabten Köpfen nicht in den Sinn.“ Auch bei uns hat man die Notwendigkeit dieser Relation der Philosophie zu unserer Wissenschaft noch nicht in ihrer ganzen Tragweite erfaßt. Die forstwirtschaftliche Welt scheint noch kein rechtes Aufnahmevermögen für derartige Probleme zu haben. In vielen Einzelwissenschaften ist aber die Brücke zur Philosophie in letzter Zeit wieder geschlagen worden. Dort zeigt sich überall ein neues Sprießen und Blühen. 5 r er h f „ . 2 [4 2 ds > 6 Dr er Formvollendung anlangt, nicht länger mehr im Hinter- IR RUE Und auch unsre Wissenschaft darf, was Klarheit und treffen bleiben. Der Wissenskomplex, der von der Forstwirt- schaft heute existiert, macht mit Recht den Anspruch eine „Wissenschaft“ zu sein. Es gibt eine „Forstwirt- schafts-Wissenschaft“! Wer das zugibt — und wer wollte es heute noch ernsthaft bestreiten —, der muß auch die grobe Bedeutung der Philosophie für diese Wissenschaft da- mit ohne Weiteres anerkennen. Auch die „Forstwirtschafts- Wissenschaft“ braucht Philosophie. Wenn sie den Namen einer Wissenschaft in Ehren tragen will, dann muß auch sie das tun, was-die Mehrzahl ihrer Geschwister schon längst getan hat, sie muß Anschluß suchen an die Philosophie. Diese ist die hohe Warte, von der aus auch unserer Wissenschaft Grenze und Machtbereich abgesteckt werden muß, Blasse Spuren dieser Erkenntnis finden wir schon in der älteren Literatur unsrer Wissenschaft. Schon gegen Ende des achzehnten Jahrhunderts hat ein württembergischer Forst- man, JEITTER, der ein Schulkamerad SCHILLERs auf der Soli- tude und in der Karlsschule zu Stuttgart war, auf den Wert der Philosophie für unsere Wissenschaft hingewiesen. Im - Vorwort zu seinem 1789 erschienenen „Systematischen Hand- buch der theoretischen und praktischen Forstwirtschaft“ sagt er: „Die Forstwirtschaft ist erst in neueren Zeiten, als man sich von der Wichtigkeit des Gegenstandes näher überzeugte, zum Range einer Wissenschaft erhoben worden. Allein, weil die Gelehrten, welche das Lehrgebäude aufführten, keine Praktiker waren, und die Praktiker keine Philosophen, so mußte das System Mängel haben. Ich hörte Philosophie und Forstwissenschaft.... .“ Und auch im weiteren Entwicklungsverlaufe unsrer Wis- senschaft machen sich hie und da schwache Einwirkungen der Philosophie bemerkbar. So tritt bei JoH. HcH. JUNG, gen. STILLING, dem be- Ba kannten Dichter und Augenarzt, der als Cameralist auch Forstwissenschaft lehrte, und dessen System unserer Wissen- schaft alle älteren Systeme durch seine Logik in den Schatten stellt, sein philosophisches Wissen deutlich zu Tage. Auch Jon. PHILIPP WITTWER zeigt sich in seiner Schrift: „Beiträge und Erläuterungen zu des Herrn Staatsraths ete. G. L. HAartıs Lehrbuch für Förster“ von philosophischen Grundsätzen beeinflußt. Eine besonders klärende und för- dernde Wirkung haben diese aber auf seine methodologischen Studien nicht ausgeübt. Letztere zeichnen sich vielmehr, wie BERNHARDT treffend bemerkt, dadurch aus, dab sie dem Forstmann eine Polyhistorie zumuten, welche geradezu er- schreckend ist. Jos. Anpam REUM studierte in Jena nicht nur Theologie, sondern auch Naturwissenschaften und Philosophie und hatte gerade für diese eine solche Vorliebe, daß er nach bestandenem Examen noch ein Semester in Würzburg studierte, nur um SCHELLING noch einmal zu hören, der 1803 an die dortige neugegründete Universität berufen worden war. Der Einfluß seines philosophischen Studiums läßt sich in seinem System unsrer Wissenschaft, das sich durch Scharfsinn und Orgina- lität auszeichnet, nicht verkennen. Auch BLONDEIN sucht bei der Aufstellung seiner „Grund- linien einer forstwissenschaftlichen Methodenlehre“* Fühlung mit der Philosophie zu nehmen. Ein wahrhafter Nutzen ist aber unsrer Wissenschaft durch all’ diese schwachen Versuche einer Anknüpfung an philo- sophische Lehren nicht erwachsen. Eine feste Brücke von unserer Wissenschaft hinüber zur Philosophie hat erst in allerneuester Zeit WAPPES geschlagen. Er war der Erste, welcher die Probleme der Grund- legung, Systematik und Methodologie unserer Wissenschaft von der sicheren Grundlage einer philosophischen Weltan- schauung aus zu lösen versuchte. Und er ist richt müde ge- a a TEE worden, immer und immer wieder auf die große Bedeutung forstwirtschaftsphilosophischer Studien hinzuweisen. Dafür können wir ihm nicht dankbar genug sein. WAPPES stützt sich in der Hauptsache auf die Philo- sophie des bekannten Leipziger Philosophen und Psychologen 'WunxDT, den man als einen Vertreter des sogen. „Kriti- schen Realismus“ bezeichnen kann. Ich gehe hier ganz andere Wege. Meine „Grundlinien einer neuen Forstwirtschafts-Philosophie“ bauen sich in ihren wesentlichen Punkten auf einer ganz anders gearteten Welt- anschauung, der Philosophie des kritischen oder transzenden- talen Idealismus auf. Hie Idealismus, dort Realismus. Es ist also letzten Endes ein Wettstreit dieser beiden Weltanschauungen, der im Kampfe dieser beiden Arten von Forstwirtschafts-Philosophie zum Ausdruck kommt. T:4 Iren: Die Grundlegung der Forstwirtschafts-Wissenschaft. Einleitung. „Alle wissenschaftliche Untersuchung, alles Denken und Erkennen, welches auf alle Tat- sachen der Kultur gerichtet sein muß, jede einzelne Untersuchung, wie alle Forschung im Allgemeinen, hat zu ihrer methodischen Vor- aussetzung nicht sowohl eine Grundlage als vielmehr eine Grundlegung.* (Hermann CoHEn, „Aesthetik des reinen Gefühls“. I. Band, Berlin 1912, S. 73.) Grundlegung bedeutet Fundamentierung und die Grund- legung einer Wissenschaft schreiben, heißt dieser Wissenschaft ein Fundament errichten. Der Forstwirtschafts- Wissenschaft soll hier ein neues Fun- dament errichtet werden. Gegen dieses Unterfangen wird man vielleicht einwenden: Es gibt ja doch eine Forstwirtschafts- Wissenschaft, ihr Bau existiert doch. Wenn er aber existiert, dann muß er doch auch ein Fundament haben. Wozu also das ganze Bemühen, ihr ein neues Fundament zu schaffen ? (zewiß an der Existenz einer Forstwirtschafts- Wissenschaft ist nicht zu zweifeln. Außer den Anhängern der reinen Em- pirie, die ja bekanntlich als Feinde alles dessen, was Wissen- schaft sein und heißen will, nicht müde werden, diese zu ver- kleinern und zu bezweifeln, wird sich wohl kaum jemand fin- PRO RLSL den, der unserer fachlichen Erkenntnis den Charakter einer Wissenschaft streitig macht. Sie existiert wohl, die Forstwirtschafts- Wissenschaft, aber ihr System und ihre Methode haben sich noch nicht zu der Vollkommenheit einer wahren Wissenschaft emporgereckt. Unsere Wissenschaft stellt leider in ihrem jetzigen Gewande nur eine inexakte Sammelwissenschaft dar, der die geschlos- sene Einheit eines führenden Prinzipes abgeht. Man hat bisher in unserer Wissenschaft mehr oder we- niger unbewußt gearbeitet und gebaut, und so ist denn ein gar wunderliches Bauwerk entstanden mit vielerlei Erkern und Türmchen und künstlichen Anbauten, die zu dem Ganzen des Baues in keinem rechten Verhältnis stehen. Es sei hier nur an die Anbauten der sog. „Forstgeschichte“* und der unser Handeln beeinflussenden staatswissenschaftlichen und kunstwissenschaftlichen Erkenntniskomplexe erinnert, deren Eigenart man bisher gänzlich verkannt, und die man bisher auch vergeblich mit dem Ganzen des Gebäudes zu verschmel- zen und in einen harmonischen Einklang zu bringen ver- sucht hat. Wäre man sich des wahren Wesens unsrer Wissenschaft bewußt gewesen, dann hätte man auch für diese, den Gesamt- bau unsrer Wissenschaft verunstaltenden, nicht fest mit ihr verbundenen, sondern nur angeklebten Anhängsel den ihnen gebührenden Platz finden müssen. Es ist deshalb auch garnicht so unerhört, vielmehr dringend erforderlich, daß dieses Stück- und Flickwerk, das der. Auf- bau unsrer Wissenschaft heute leider noch darstellt, endlich einmal bis auf seine wankenden Grundmauern gänzlich nieder- gelegt und ein neues Fundament errichtet wird, das stark und fest genug ist, den unter Benutzung des alten wertvollen Baumaterials auf ihm zu errichtenden neuen, einheitlichen und bis in seine kleinsten Teilchen hinein harmonischen, ge- schlossenen Bau einer neuen Forstwirtschafts- Wissenschaft EA zu tragen. „Altes Fundament ehrt man“, so hat Goethe ein- mal gesagt, „darf aber das Recht nicht aufgeben, irgendwo wieder einmal von vorn zu gründen.“ Es soll durchaus nicht behauptet werden, daß der hier eingeschlagene Weg der einzig richtige sei. Es sind ja viele Wege, die nach Rom führen. Und viele mögliche Wege mag es auch hier geben. Viele Wege wohl, aber nur ein Ziel, das unverrückbar feststeht. Dies Ziel aber leuchtet uns so klar voran, und der zu seiner Erreichung einzuschlagende Weg ist so schlicht und einfach, daß man sich eigentlich darüber wundern muß, daß bisher noch niemand die Richtung nach diesem Ziele eingeschlagen hat, das fest verankert liegt, in dem, zwar vom Menschen gesetzten, aber durch die Geschichte unsrer Wissen- schaft beglaubigten, Zweck derselben. So dankenswert die Bemühungen von WAPPES um die Klärung der forstwirtschaftsphilosophischen Probleme auch sein mögen, der Weg, den er gegangen ist, ist leider nicht nur ein Umweg, sondern ein Irrweg mit falschem Ausgangs- punkt und falschem Ziel, ein Irrweg, dem wie allen Nega- tionen und Antithesen, die durch den Widerspruch, den sie hervorrufen, anregend und befruchtend wirken, eine gewisse Bedeutung nicht abgesprochen werden kann, der aber genau besehen unsere allmählich zur Erkenntnis ihrer Eigenart er- wachende Wissenschaft noch weiter von dem rechten Pfade abgelenkt hat. Unsre Wissenschaft ist sich ihrer wahren Eigenart noch nicht bewußt geworden. Sie zu diesem Bewußtsein ihrer selbst hinzuleiten, das ist der vornehmlichste Zweck der hier entstehenden Arbeit. Man unterscheidet gewöhnlich zwei Arten der Grund- legung, die historische und die logische. Diese leitet den Begriff einer Wissenschaft ab, indem sie den hypothetischen Begriff, von dem sie ausgeht, in seine Elemente zerlegt und AU EE n nach deren Definition durch ihre Zusammensetzung das Wesen desselben zu erschließen versucht. ‚Jene dagegen sucht alle in der Literaturgeschichte der betreffenden Wissenschaft vor- kommenden begrifflichen Fassungen des in Frage kommenden Wissenskomplexes zu ermitteln und dessen wahre Bedeutung aus der vergleichenden Betrachtung all’ dieser nebeneinander gestellten Anwendungen zu erklären. Beide Methoden der Grundlagen bedingen sich indes ge- genseitig. Denn die historische Grundlegung geht bei ihrer Untersuchung aller vorhandenen Anwendungen immer schon von einem a priori festgelegten Begriffe aus. Auf der ande- ren Seite ist das „hypothetische Bild“, das die logische Grund- legung zum Ausgangspunkt nimmt, immer schon ein, wenn auch mehr oder weniger unbewußtes, Produkt historischer Erwägungen. Einseitig ist sowohl die rein logische als auch die rein historische Grundlegung. Beide müssen sich einander ergänzen. Das gilt auch für die Grundlegung unsrer Wissenschaft. Für eine historische Grundlegung derselben fehlt es aber bis heute noch an den notwendigen Unterlagen und Vorarbeiten. Seit den Anfängen einer forstwirtschaftswissenschaftlichen Literatur ist schon Manches über das Wesen der Forstwirt- schafts- Wissenschaft geschrieben worden. Es ist aber zer- streut in vielen Schriften, die kaum jemand liest, und könnte nur dann wieder lebendige Wirkungskraft erlangen, wenn es in systematischer Gebundenheit auf die Gegenwart hinüber- gerettet würde, d. h. wenn man eine Geschichte davon schrei- ben wollte. Ein sorgfältiges Durchsieben unsrer älteren Tite- ratur ist schon deshalb vonnöten, weil sich bei der immer intensiver werdenden Weiterarbeit allmählich eine solche Ueber- fülle von Reichtümern anhäufen würde, daß wir mit der Zeit darin ersticken müßten. Die wertvollen Gedanken der Alten bleiben tot und fallen allmählich ganz der Vergessenheit an- heim, wenn wir sie uns nicht immer wieder von Neuem er- ringen und ans Licht ziehen und in Beziehung setzen zum Lebendigen und Werdenden. AUGUST BERNHARDT hat uns zwar in seinem bekannten historischen Werke auch eine ganz glänzende Darstellung der Geschichte unsrer Wissenschaft geliefert, seit ihm aber ist dieser Spezialteil der sogen. „Forstgeschichte* nicht mehr sonderlich gefördert worden. Eine Entwicklungsgeschichte der Grundlegung, Systematik und Methodologie unsrer Wis- senschaft im Besonderen gibt BERNHARDT in Band IL, & 18, 22 und 42 und in Band III, $ 25, allerdings nur in großen Umrissen. Später hat man mehr die anderen Teile der sogen. „Forst- geschichte“ ausgebaut, der Geschichte dieser wichtigen Son- derdisziplinen aber nicht die geringste Beachtung mehr ge- schenkt. SCHWAPPACH hat diese Seite der sogen. „Forstge- schichte“ in seinem sonst so verdienstvollen „Handbuch der Forst- und Jagdgeschichte Deutschlands“ leider garnicht be- rücksichtigt. Eine umfassende Darstellung der Forstwirtschafts-Philo- sophie auch in ihrer historischen Entwicklung ist aber von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Hier harrt noch ein weites Feld der Bearbeitung. Ohne die Grundlage einer solchen Entwicklungsgeschichte ist eine historische Grundlegung unsrer Wissenschaft schlechter- dings unmöglich. Auch ich muß mich hier, da ich in meinem Studium der historischen Entwicklung der Forstwirtschafts- Philosophie bis jetzt noch nicht zu einem abschließenden Er- gebnis gelangt bin, in der Hauptsache auf eine logische Grundlegung beschränken. So weit es möglich ist, werde ich aber auch die historische Grundlegung schon mitheranziehen. Welches hypothetische Bild müssen wir unsrer Unter- suchung als Ausgangspunkt zugrunde legen? Das ist die Frage, deren Beantwortung uns zunächst obliegt. Wir kommen der Beantwortung dieser Frage näher, wenn wir uns über den are Zweck unsrer Wissenschaft klar zu werden versuchen. Wir müssen feststellen, was denn das ureigentliche Wesen unsrer Wissenschaft ausmacht, durch das sie sich von allen anderen Wissenschaften unterscheidet. Darauf kommt es an. Spitz- findige Begriffstüfteleien bringen uns hier nicht weiter. Was ist der Zweck unsrer Wissenschaft? Was wollen wir mit der Schaffung unsrer Wissenschaft erreichen ? Ein Blick auf die Literaturgeschichte unsrer Wissen- schaft zeigt uns deutlich, daß man seit den ersten Anfängen forstwirtschaftswissenschaftlicher Betätigung bis in die un- mittelbare Gegenwart hinein den alleinigen Zweck unsrer Wissenschaft immer in der Schaffung einer Norm, einer An- weisung für den, die Forstwirtschaft ausübenden, Praktiker erblickt hat. Das ganze Streben unsrer Wissenschaft war bisher darauf gerichtet, für die praktische Ausübung der Forstwirtschaft eine Norm auszubauen, eine Anweisung zu geben. Erst in neuester Zeit ist dieser lehrhaften, normativen, praktischen Auffassung unsrer Wissenschaft in WAPPES ein Gegner erstanden. Esist erstaunlich, daß dieser, um die Förde- rung unsrer Wissenschaft und Wirtschaft sonst so überaus ver- diente Forscher nicht davor zurückschreckt, die ganze methodi- sche Orientierung unsrer bisherigen Wissenschaft irrig und ihren ganzen bisherigen Entwicklungsgang als einen Sack- und Irr- weg zu bezeichnen. Es ist zu verwundern, daß er sich der Ungeheuerlichkeit dieser Behauptung, mit der er die historisch beglaubigte methodische Arbeit von anderthalb Jahrhunderten in die Plunderkammer wirft, nicht bewußt geworden ist. Er will von einer Norm und von einer praktischen, nor- mativen Forstwirtschaftswissenschaft nichts wissen. Er be- streitet überhaupt die Existenz aller praktischen normativen Wissenschaften und erkennt nur die theoretischen Wissen- schaften als Wissenschaften an. So erklärt es sich, daß er auch unsre Wissenschaft, die seit ihren Anfängen eine prak- A, U: tische Wissenschaft war und sein wollte, in eine theoretische und zwar eine theoretische (eisteswissenschaft umwandeln zu müssen glaubt. Diese Umwandlung aber machte eine Ver- bannung nicht nur der naturwissenschaftlichen Grundlagen unsrer Wissenschaft, die im Rahmen einer theoretischen Gei- steswissenschaft natürlich keine Daseinsberechtigung haben können, sondern auch aller normativen praktischen Elemente aus dem Gefüge unsrer überkommenen Wissenschaft erforder- lich. WAPPES verfehlte auch nicht in konsequenter Verfol- gung seines einmal gefalsten Vorurteils, diese Ausscheidung tatsächlich vorzunehmen und so blieb ihm denn als „Forst- wissenschaft in seinem Sinne“ nur ein kleines Stümpflein von dem stolzen Baum unsrer überkommenen Wissenschaft übrig. Die psychologische Erforschung „der auf den Wald sich beziehenden Tätigkeit des, einer isolierten Betrachtung unter- zogenen, homo foresticus“ ist seine ganze Foorstwissenschaft. In ihr sucht er sein ganzes Heil. Die naturwissenschaftliche Erforschung des Waldes aber, des unentbehrlichen Produktionsmittels unsrer Wirtschaft, die unstreitig eine der notwendigsten Grundlagen aller forstwirt- schaftlichen Tätigkeit ausmacht, wirft er weg. Und gerade das, was die innere Wesenheit unsrer Wissenschaft ausmacht, ja diese erst recht eigentlich bedingt, das Normative, Prak- tische scheidet er aus. Was der isolierte, die verschiedenen Sonderarten des forstlichen Unternehmers in sich verkörpernde und umspan- nende „homo foresticus“ in bezug auf den Wald, besser ge- sagt in seiner Forstwirtschaft, tatsächlich, also in concreto tut, d. h. also der in der Tätigkeit dieses „homo foresticus* „zusammengefaßte Inbegriff aller derjenigen wirtschaftlichen Erscheinungen, welche in der durch vorsorgliche Arbeit zu erreichenden Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse* durch Produktion von forstwirtschaftlichen Gütern und deren Um- tausch gegen Geld ihre Quellen haben, das bildet den allei- ET EN nigen Gegenstand der Warpes’schen Forstwissenschaft. Aus diesem Inbegriff von geistigen Erscheinungen glaubt er das Wesen der „Forstwissenschaft“ erschließen zu können, indem er mit Hilfe der Psychologie die Gesetze, die seiner Ansicht nach das ganze Tun seines „homo foresticus“ festlegen und bestimmen, zu erforschen sucht. Er räumt also dem Forst- wirt nicht das Recht der freien Entschließung ein, er glaubt nicht an die Freiheit des menschlichen Willens, sondern buldigt der Auffassung, daß das ganze Tun des „forstlichen Unternehmers“ nach festen unabänderlichen, in der Natur seiner Psyche gelegenen, geistigen Gesetzen erfolgen und sich abwickeln müsse. Ein Blick auf die Geschichte unsrer Wissenschaft genügt, uns von der Unhaltbarkeit dieser psychologistischen Auffas- sung unsrer Wissenschaft zu überzeugen. Prüfen wir beispielsweise einmal die verschiedenen „Forst- einrichtungsmethoden“, d. h. die Methoden, nach denen der Forstwirt den Naturwald in ein brauchbares Mittel seines produktiven Handelns umzuwandeln bestrebt ist, darauf hin. Kann man von diesen Methoden behaupten, daß sie der Aus- fHuß einer notwendigen psychischen Veranlagung des „homo foresticus“ seien ? Lassen sie sich aus der konkreten forst- wirtschaftlichen Betätigung des „homo foresticus“ ableiten ? Nein! Sie sind nichts anderes als Normen, als Anweisungen, auf dem Studium theoretischer Grundlagen aufgebaute, der freien Schöpferkraft des Menschen entspringerde Ideen. Der normative Charakter läßt sich für alle diese Methoden nach- weisen, welche man auch immer herausgreifen mag. Sehen wir uns zur besseren Veranschaulichung des Gesagten bei- spielsweise die Blendersaumschlag-Methode Ü©. WAGNERSs ein- mal daraufhin an. Sie stammt doch gewiß nicht aus der Er- fahrung, sie ist doch gewiß kein Produkt der psychischen Veranlagung des „homo foresticus“. Sie ist nichts anderes als die auf grundlegenden naturwissenschaftlichen und wirt- Ser N schaftswissenschaftlichen Studien aufgebaute Forsteinrichtungs- Idee WAGNERs. Sie ist kein aus der Forstwirtschaft in con- creto herausgelesenes Gesetz, sondern reines Erzeugnis der auf der Freiheit des Willens beruhenden menschlichen Zweck- setzung. Kein dem Forstwirt von seiner Veranlagung aufge- drungenes Gesetz, sondern eine von ihm selbst gesetzte Norm für die konkrete Einrichtung des Forstes. Was wir hier für die sogen. „Forsteinrichtungsmethoden“ dargetan haben, das gilt für den Kern unsrer ganzen Wissen- schaft. Die Konstruktion einer Norm ist die Spitze, ın der unsre ganze Wissenschaft gipfeln muß, sie ist die Krone, der eigentliche Zweck des Ganzen. In unsrer Wissenschaft wollen wir dem praktischen Forst- wirt eine Anweisung, eine Norm an die Hand geben, nach der er sich bei der Ausübung seiner Wirtschaft, d. h. der Erzeugung und Verwertung der forstwirtschaftlichen Güter richten soll. Diesen und keinen anderen Zweck verfolgen wir mit unsrer Wissenschaft. Unsre Wissenschaft ist also nichts anderes, als die Wissenschaft von der normativen Forstwirtschaft, d. h. eine normative, praktische „Forstwirtschafts- Wissen- schaft“. Eine Grundlage unsrer Wissenschaft, die nur aufzusuchen und zu entdecken wäre, gibt es nicht. Wir müssen uns selbst die Einheitlichkeit einer methodischen Grundlegung für unsre Wissenschaft schaffen. Und das tun wir Kraft der Hypothesis, welche die Schaffung einer systematischen Gesetzlichkeit für unser Handeln fordert. Die Stellung dieser hypothetischen Forderung ist der erste Schritt der Grund- legung. In dem Ausdruck „Forstwirtschafts- Wissen- schaft“ haben wir das hypothetische Bild gefunden, das wir zum Ausgangspunkt unsrer logischen Grundlegung nehmen. Der Ausdruck „Forst-Wissenschaft“ mit dem man bisher unsre Wissenschaft zu bezeichnen pflegte, ent- a et spricht nicht dem Gegenstand, den er bezeichnen soll, und eignet sich deshalb auch nicht als Ausgangspunkt. Er könnte sich nur dann hierfür eignen, wenn der „Forst“, d. h. die wissenschaftliche Erforschung des Forstes der ausschließliche Gegenstand unsrer Bemühungen wäre. Unsre Wissenschaft erschöpft sich aber durchaus nicht in der wissenschaftlichen Betrachtung des Forstes. Diese ist vielmehr nur eine not- wendige Vorbedingung unsrer Wissenschaft. Es ist an der Zeit, daß wir das Symbol „Forst- Wissen- schaft“, diese Eierschale einer überwundenen Ansicht, endlich einmal von uns abschütteln. Denn es gilt nicht nur die Idee unsrer Wissenschaft klar und scharf zu umreißen, wir müssen ihr auch einen, ihrem Sinn und Wesen durchaus entsprechen- den Namen geben. Es wäre überhaupt im Interesse der Weiterentwicklung unsrer Wissenschaft sehr angebracht, wenn wir etwas mehr Wert auf die Richtigkeit und Prägnanz der Begriffs-Bezeich- nungen legen würden. Der laxen Auffassung, dab es „auf den Titel nicht ankomme“, kann nicht energisch genug ent- gegengetreten werden. In dem hypothetischen Bilde „Forstwirtschafts- Wissen- schaft“, das wir unsrer Untersuchung zugrunde legen, sind die Begriffe „Wissenschaft“ und „Forstwirtschaft“ enthalten. Daraus ergibt sich der logische Weg der Ablei- tung des Begriffes. „Forstwirtschafts-Wissenschaft“: Man er- läutert die Begriffe: „Wissenschaft“ und „Forstwirtschaft“ und erhält durch ihr Zusammenfügen eine Definition für den umfassenden Begriff. Mit anderen Worten: Man muß sich klar werden über den Begriff der Wissenschaft im allgemeinen einerseits und den besonderen Gegenstand unsrer Wissenschaft andererseits. Aus dem Zusammenhalten dieser beiden resul- tiert dann die dadurch bedingte Art des besonderen Charak- ters unsrer Wissenschaft. Solange noch keine Klarheit über das Wesen der Wissenschaft im allgemeinen und über den Weber, Grundlinien einer neuen Forstwirtschafts-Philosophie. 2 un Br besonderen Gegenstand unsrer Wissenschaft herrscht, ist es ein müßiges und erfolgloses Beginnen über das Wesen unsrer Wissenschaft Erwägungen anzustellen. Je nach der ver- schiedenen Stellungnahme zu diesen beiden Grundbegriffen ergeben sich naturgemäß auch ganz verschiedene Arten der Grundlegung unsrer Wissenschaft. Hier liegen auch die Wurzeln der schon angedeuteten Meinungsverschiedenheiten zwischen WıPPEs und dem Verfasser über dieses bedeutsame Problem. 1. Kapitel. Was ist Wissenschaft im Allge- meinen. Von den Autoren, die in neuester Zeit über die Grund- legung unsrer Wissenschaft geschrieben haben, hat nur WAPPES einegenaue Definition dieses Allgemeinbegrifieszu geben versucht. „Wissenschaft entsteht“, nach !hm dann, „wenn Erschei- nungen realer oder idealer Natur nach ihrem kausalen Zu- sammenhang erforscht und begrifflich erfaßt werden.“ Der Begriff der „Wissenschaft“, der aus dieser Entstehungserklä- rung derselben resultiert, ist von WUNDT übernommen. Er umfaßt alle „reinen“, d. h. die „dem bloßen Erkenntnisbe- dürfnis dienenden“ Wissenschaften. Für die Klassifikation dieser „reinen“ Wissenschaften schlägt WUNDT in seiner Ein- leitung in die Philosophie (5. Aufl., Leipzig 1909, S. 76) folgendes Schema vor: "Reine Mathematik) Be ae Genetische (Kosmologie, Geo- logıe, Entwicklungsgeschichte der Organisusen) Systematische (Mineralogie, RE Winsen: System. Botanik und Zoologie 5 usw.) schaften Naturwissenschaften Phänomenologische (Psycho- logie) Genetische (Geschichte) Systematische (System. Rechts- wissenschaft, Nationalökono- l mie usw.) Geisteswissenschaften Ba nn 1 Wir haben ja oben schon gesehen, daß WAPPES nur diese „reinen“ oder theoretischen, d. h. die, von der Physik, Chemie und Physiologie einer- und der Psychologie anderer- seits ihren Inhalt beziehenden, Wissenschaften als Wissen- schaften ansieht, die normativen, praktischen oder Willens- wissenschaften aber, die auf dem Zweckbegriffe und den Prin- zipien der Ethik begründet sind und sich deshalb seinem „reinen“ Wissenschaftsbegriff nicht fügen können, nicht -als Wissenschaften gelten lassen will. Und wir wissen auch schon, daß diese Auffassung vom Wesen der „Wissenschaft im allgemeinen“ es war, die ihn zu dem ungeheuerlichen Schritt verleitete, auch unsre Wissenschaft, deren innerste Wesensart auf ihrem normativen praktischen Charakter be- ruht und ewig beruhen wird, in eine solche „reine“ oder theoretische Geisteswissenschaft im WunpTschen Sinne um- zubiegen. Er zog damit die notwendigen Konsequenzen seiner rea- listischen Weltanschauung, die ja die praktische Welt der Freiheit über der theoretischen Welt der Naturerscheinungen nicht anerkennen will, die vielmehr nicht nur das natürliche Sein, sondern auch das geistige menschliche Handeln als un- abwendbare Folgeerscheinung der Gesetze der Physik, Chemie und Physiologie bzw., der Psychologie betrachtet und sie aus diesen erklären zu können vorgibt. Der transzendentale Idealismus dagegen, auf den ich mich bier berufe, will weder die Natur noch die geistige Welt des menschlichen Handelns erklären, er will sie vielmehr nur begreifen lernen. Er kennt neben dem Reich der Natur auch noch die Welt der menschlichen Freiheit an und glaubt an eine freie menschliche Entschließung. Deshalb gibt es für ihn nicht nur Wissenschaften, die „dem reinen Erkennt- nisbedürfnis dienen“ — diese erschöpfen sich für ihn in den Naturwissenschaften —, sondern auch Norm- oder Willens- 9* N ur wissenschaften, die auf der menschlichen Zwecksetzung und den Prinzipien der Ethik gegründet sind. Unsre Erkenntnis hat sich nach unsrem Zweck zu richten und nicht umgekehrt. Und Wissenschaft im allge- meinen im KAnT’schen Sinne ist nichts anderes als die Erfassung der Beziehungen aller für ihren be- sonderen Zweck maßgebenden Erkenntnisse auf diesen selbst in einem einheitlichen systemati- schen Zusammenhang. Diese Einheit aber ist dem Er- kennenden nicht von außen gegeben, er muß sie sich viel- mehr selbst schaffen. Wir dürfen nicht „Vernunftkünstler*, sondern müssen „Gesetzgeber der Vernunft“ sein. „Man soll nicht“, so sagt KAnNT einmal, „nach einem absoluten Grunde, nach einem Prinzip suchen, das alles ist überflüssig, ist Zeit- verlust,“ es ist „eine an bloßen Begriffen klaubende Ver- nünftelei, gleichviel ob es Logiker, Mathematiker oder Natur- kundige unternehmen.“ Die Beziehungen aller für den Zweck der Wissenschaft in Betracht kommenden Erkenntnisse auf diesen selbst kann man aber als den „Gegenstand“ der Wissenschaft be- zeichnen. So daß man mit BENNO ERDMANN: Wissenschaft im allgemeinen auch definieren kann als: „Einen wohlgeordneten Inbegriff von zusammenhängenden wahren und (soweit die Be- dingungen dazu fehlen) wahrscheinlichen Urtei- len über die Gegenstände des Denkens und von Untersuchungen, die zu solchen Urteilen füh- Fan. Der Begriff „Wissenschaft“ in solchem Sinne schließt nicht nur die, dem reinen Erkenntnisbedürfnis dienenden, Naturwissenschaften, sondern auch die Willenswissenschaften, — und wie wir später noch sehen werden — auch die Kunst- wissenschaften in sich. Ein anderer Vorzug dieser Definition der Wissenschaft art VE liegt darin, daß sie so nachdrücklich betont, daß auch alle Untersuchungen, die zu den Urteilen einer Wissenschaft füh- ren, zu dieser selbst rechnen. Diese Mithereinbeziehung aller Voruntersuchungen einer. Wissenschaft in diese selbst, wie sie die genannte Definition vorsieht, ist gerade für den Aufbau der Willenswissenschaften und damit auch unsrer Wissen- schaft von großer Bedeutung. Das wird später noch deut- licher ersichtlich werden. 2. Kapitel. Wasist Gegenstand unsrer Wissen- schaft? Als Gegenstand einer Wissenschaft hatten wir oben die Beziehungen aller für den Zweck der Wissenschaft maß- gebenden Erkenntnisse auf diesen selbst bezeichet. Demnach bätten wir den Gegenstand unsrer Wissenschaft in den Be- ziehungen aller für den Zweck unsrer Wissenschaft maßge- benden Erkenntnisse auf diesen selbst zu suchen. Der Zweck unsrer Wissenschaft aber ist, wie wir gesehen haben, die Schaffung einer Norm für die Tätigkeit des konkreten Forst- wirtes, Es sind also die Beziehungen aller für die Aufstel- lung dieser Norm erforderlichen Erkenntnisse auf die Schaf- fung derselben, welche den Gegenstand unsrer Wissenschaft ausmachen. Alle diese Beziehungen aber fließen — wie wir später noch genauer sehen werden — zusammen und verei- nigen sich in der Norm, in der „Forstwirtschaft der Idee“, die wir dem ausübenden Praktiker als leuchtendes Ziel seiner Tätigkeit vor Augen halten wollen. Die „Forstwirtschaft der Idee“, die ideale Forstwirtschaftistesalso, welche den wah- ren Gegenstand unsrer Wissenschaft darstellt. Die Forstwirtschaft, aber wohlgemerkt nicht die prak- tische, tatsächlich ausgeübte Forstwirtschaft, sondern die ideale normative Forstwirtschaft ist Gegenstand unsrer Wissenschaft. Nicht das konkrete forstwirtschaftliche Tun, sondern das ideale BER 1 forstwirtschaftliche Handeln ist das Objekt unsrer wissen- schaftlichen Bemühungen. Daß die „Forstwirtschaft* schlechthin und nicht der „Forst“ den wahren Gegenstand unsrer Wissenschaft aus- macht, das haben einsichtige Forscher zwar schon vor langer Zeit erkannt. Daß es sich dabei aber nicht um die konkrete Forstwirtschaft, sondern um das ideale Gebilde der Forstwirt- schaft der Idee handelt, das hat man nicht eingesehen, oder wenigstens nicht wissentlich betont. Keiner der Forscher, die bisher für die Forstwirtschaft schlechthin als Gegenstand unsrer Wissenschaft eingetreten sind, hat es über sich gebracht, mit der falschen Objektsbe- stimmung „Forst“ auch das ihr entsprechende durchaus un- zulängliche Symbol „Forstwissenschaft“* von seinem brüchigen, zermürbten Throne hinunterzustoßen. Die Menschheit reißt sich nun einmal sehr ungern von alten überlieferten Symbolen los, auch wenn sie deren Unzu-. länglichkeit längst eingesehen hat. Solange man sich aber noch nicht dazu aufschwingen kann, dieses, wohl sehr ehr- würdige aber selbst zur Zeit seiner Prägung dem Charakter seines Gegenstandes schon durchaus inadäquate und unzurei- chende Symbol unsrer Wissenschaft endgiltig aufzugeben, so- lange wird auch der durch es ja gleichsam beglaubigte Spuk des Objektes „Forst“ noch weiter vegetieren und sein Unwesen treiben. Aber noch von einer anderen Seite her droht Gefahr. KATZER hat in einer kritischen Besprechung der Wappeschen „Systematik“ die Behauptung aufgestellt, unsre Wissenschaft . habe zwei Objekte, einmal die „Forstwirtschaft“ und dann den „Wald“. Die Forstwirtschaft selbst aber habe zum Gegenstand wiederum den „Wald“. In seiner Kritik der KATzerschen Aeußerungen hat der Verfasser auf die Unhalt- barkeit dieser Auffassung hingewiesen. Zum ersten ist es — angenommen, daß unsre Wissenschaft zwei Objekte haben kick _ BAL-NUN könne — ganz undenkbar, daß der eine von den zwei Gegen- ständen (nämlich die Forstwirtschaft) den anderen Gegenstand dieser Wissenschaft (nämlich den Wald) wieder selbst zum Gegenstand haben könne. Zum zweiten ist aber eine Wissen- schaft mit zwei Objekten ein Nonsens. Denn sobald man von dem „Objekt einer Wissenschaft“ redet, meint man damit den einen Oberbegriff, der alle Einzel-Urteile und Begriffe zu der systematischen Einheit zusammenschweißt, die eben „Wissenschaft“ genannt wird. Die doppelte Buchführung KATZERs versündigt sich an dem innersten Wesen der Wissenschaft, das auf Einheit und Einheitlichkeit, auf der „Einheit der Mannigfaltigkeit“ beruht. Unsre Wissenschaft hat weder zum Objekte den „Wald“, noch hat sie zwei Objekte („Wald“ und „Forstwirtschaft“). Eine Willenswissenschaft kann ja auch unmöglich ein „Sein“ zum Objekt haben. „Im Wollen ist die Handlung der Inhalt und das Ziel.“ Und das „Sein“, in unsrem Falle der „Wald“, „ist nichts als das Mittel, die Handlung zu erzeugen und zustande zu bringen“. „Gegenstand ist hier nur aus- schließlich die Handlung. Und nur die Handlung ist hier die Aufgabe.“ (HERMANN CoHEN, „Logik der reinen Erkenntnis*, 2. Aufl., Berlin 1914. S. 175 und 177). Nicht etwa das kon- 'krete Tun, sondern, das diesem als Ziel vorschwebende, Han- deln macht den Gegenstand der Willenswissenschaften aus. Ein Handeln, nämlich das forstwirtschaftliche Handeln, ist auch Gegenstand unsrer Wissenschaft. Die praktische Ausübung der Forstwirtschaft kann nicht Gegenstand unsrer Wissenschaft sein. Ihre beschauliche Betrachtung macht wohl einen Teil unsrer Wissenschaft aus. Sie bildet wohl — wie wir noch sehen werden — einen Inbegriff von Erkenntnissen, deren Beziehung zum Gegenstand unsrer Wissenschaft ihre Miteinrechnung in diese notwendig fordert. Mit ihr allein aber ist uns nicht gedient. Wir wollen ja nicht einer tat- sächlich ausgeübten Tätigkeit registrierend nachhinken, son- ERNST 7 Wf dern wir verfolgen das Ziel, der praktischen Ausführung der Forstwirtschaft durch das Vorhalten eines idealen forstwirt- schaftlichen Handelns voranzuleuchten. Das ideale forstwirt- schaftliche Handeln ist unsre Aufgabe, unser Ziel, es ist der Gegenstand unsrer Wissenschaft. Die Forstwirtschaft als Gegenstand unsrer Wissenschaft ist also nichts anderes als die geistige Zweckidee des idealen forstwirtschaftlichen Handelns, d. h. die ideale Forstwirtschaft, wie sie in ihrer allmählichen Entwicklung in der Literatur unsrer Wissenschaft ihren Niederschlag findet, und wie wir sie in immer näherer Anlehnung an ihre Grundlagen aus deren Zusammenwirken heraus zu konstruieren bemüht sind. Dieses ideale forstwirtschaftliche Handeln allein kann Objekt unsrer Wissenschaft sein. Die praktische Forstwirtschaft ist nichts als eine mehr oder weniger gelungene Anstrebung die- ser vom Willen gesetzten „Forstwirtschaft der Idee“. Die Setzung eines idealen Zweckes ist das Ursprüngliche. Sie war auch in den Zeiten, als sie noch nicht in das systema- tische Gewand einer bewußten Norm gekleidet war, schon un- bewußt das treibende und fördernde Moment. „Es ist nicht richtig“, so sagt CoHEN einmal sehr schön, „daß die Ideen verdampfte Einrichtungen sind; vielmehr sind die Einrichtungen geronnene Ideen.“ 3. Kapitel. Was ist „Forstwirtschafts- Wissen- schaft?* Unter Wissenschaft im allgemeinen hatten wir oben „die Erfassung der Beziehungen aller für ihren be- sonderen Zweck maßgebenden Erkenntnisse auf diesen selbst in einem einheitlichen systematischen Zusammenhang“ oder „einen wohlgeordneten Inbegriff von zusammenhängenden wah- ren und (soweit die Bedingungen dazu fehlen) wahrscheinlichen Urteilen über die Gegenstände des Denkens und von Unter- suchungen, die zu solchen Urteilen führen“ verstanden. EIERN Als Gegenstand unsrer Wissenschaft aber hatten wir „die Beziehungen aller für die Aufstellung unsrer Norm erforderlichen Erkenntnisse auf die Schaffung derselben“, oder die, alle diese Beziehungen umfassende und in sich schlie- Bende „Forstwirtschaft der Idee“ bezeichnet. Welche Erkenntnisse aber sind es, deren Beziehung auf die Erzeugung unsrer Norm für uns notwendig in Betracht kommen? Mit anderen Worten, welche Untersuchungen sind es, die zu den Urteilen der Norm führen? In den Zeiten, als eine Forstwirtschafts- Wissenschaft noch nicht existierte, war es ausschließlich die primitive, an engbegrenzte örtliche Verhältnisse gebundene, praktische Er- fahrung, welche die Tätigkeit des Forstwirtes bestimmte und leitete. Mit dem Entstehen unsrer Wissenschaft aber trat neben diese Quelle die normerzeugende Kraft der wissenschaft- lichen Grundlagen. Diese beiden aus verschiedenen Richtungen fließenden @Juellen waren es, die dann seit dem Bestehen unsrer Wissen- schaft deren Norm ständig nährten und speisten. Diese zwei von Grund aus verschiedenen Erkenntnisarten waren es, de- ren Beziehungen zu dem normschaffenden Zweck unsrer Wis- senschaft die Forstwirtschaft der Idee erzeugten. Auf der einen Seite die bei Ausübung der praktischen Forstwirtschaft ge- wonnene Erfahrung und auf der anderen Seite die wissen- schaftlichen Erkenntnisse nicht nur mathematischer, sondern auch natur- und willenswissenschaftlicher Forschung. Mit der, durch die rapide Entwicklung der Natur- und Willenswissen- schaften bedingten, zunehmenden Fortschreitung unsrer wissen- schaftlichen Grundlagen und ihrer Forschungsmethoden konnte die, durch subjektives Empfinden stets getrübte, praktische Erfahrung aber nicht gleichen Schritt halten. So wurde sie denn auch, was ihre erkenntnisliefernde, aufbauende Wirksam- keit anlangt, von den genauer und exakter arbeitenden, all- gemeingiltiges Wissen liefernden, theoretisch-wissenschaftlichen EDEN Grundlagen mit Recht immer mehr und schließlich ganz ver- drängt. Damit wurde sie aber durchaus nicht gänzlich aus- geschaltet; die wahre Bedeutung, die sie allerdings auf einem besonderen engbegrenzten Gebiet für die Norm immer haben wird, wurde dadurch erst klar umrissen und deutlich erkennbar. Die Erfahrung der praktischen Forstwirtschaft hat näm- lich — wie bald noch genauer ersichtlich sein wird — keine positive, sondern nur eine einschränkende Bedeutung für die Forstwirtschaft der Idee. Sie ist keine aufbauende erzeugende, vielmehr nur eine kontrollierende, korrigierende Kraftquelle der Norm. Normerzeugend und aufbauend sind ausschließlich die wissenschaftlichen Grundlagen. Sie allein machen die Vor- untersuchungen aus, die zur Bildung der Urteile über das ideale forstwirtschaftliche Handeln führen. „Forstwirtschafts-Wissenschaft“ ist also nichts anderes als „der wohlgeordnete Inbegriff derzusammenhängenden wahren und (soweit die Bedingungen dazu fehlen) wahrschein- lichen Urteile über dasideale forstwirtschaft- liche Handeln, der Voruntersuchung der wis- senschaftlichen Grundlagen, die zur Bildung dieser Urteile führt und der Betrachtungder Forstwirtschaft der Praxis, deren Erfahrung dierückwirkende Kontrollinstanz dieser Ur- teile darstellt.“ 1. Die aus allen Kulturgebieten herfließenden wissen- schaftlichen Grundlagen sind es, welche die Bausteine liefern zur Errichtung der Norm, in der sie zu einer eigenen Einheit zusammengeschmolzen werden. Aus allen Gebieten der menschlichen Lebensbetätigung müssen sie herangetragen werden. Zu den Grundlagen gehört nicht nur theoretisches Denken, sondern auch sittliches Handeln und ästhetisches Fühlen. Wir dürfen uns nicht isolieren und von der übrigen JRR, ra Kultur starr abschließen. Wir stehen mitten drin in dem Ganzen der Kultur und nach allen Seiten heißt es Fühlung aufnehmen und Verbindung suchen. Das ist unsere sittliche Verpflichtung der Allgemeinheit gegenüber. Von der besonderen Art und Zusammensetzung dieser Grundlagen wird im zweiten Teile dieser Schrift, der sich mit dem System unsrer Wissenschaft befaßt, noch ausführlicher die Rede sein. 2. Auf diesen Grundlagen allein baut sich, wie wir sahen, dieNorm, die Forstwirtschaft der Idee auf. Sie ist der Angelpunkt und Kern aller Forstwirtschafts- Wis- senschaft, ihr Ziel und ihre Aufgabe. Sie ist die geistige Zweckidee, welche dem Tun des Forstwirtes als leuchtendes Ziel vor Augen schweben soll, das von unsrer geistigen Schöpfer- kraft hervorgezauberte Sonnenlicht, das in dem Farbenspiel der verschiedenartigen praktischen Ausführung in sein äußer- liches, mit den Sinnen erfaßbares, Dasein tritt. Das Ideal der Norm soll aber kein starres unverrück- bares Prinzip sein, dem sich die praktische Forstwirtschaft unter allen Umständen auf Gnade oder Ungnade zu unter- werfen und zu fügen hätte. Es hat vielmehr den metho- dischen Charakter einer Hypothese, deren Anwend- barkeit in der Welt der Praxis erst ausprobiert werden muß, und die mit ihrer gelungenen Umsetzung in ihr äußeres Da- sein gleich wieder eine neue Aufgabe stellt, die durch eine neue hypothetische Idee gelöst werden muß. Dieser hypothetische Charakter unsrer Norm, die stets von neuem Rechenschaft über sich abzulegen hat in der Welt der forstwirtschaftlichen Praxis, gesteht somit auch dieser einen gewissen, allerdings nur kontrollierenden, Einfluß auf die Norm zu. 3. Durch die Tätigkeit des praktischen Forst- wirtes wird die Norm realisiert, ihre innere Zwecksetzung wird durch sie in das ihr äußere Dasein umgewandelt. Die forstwirtschaftliche Praxis ist der Probierstein der Norm und als Kontrollinstanz eine nachwirkende Quelle der Reinigung, ein Korrektionsfaktor derselben. Sie ist zwar nur etwas Se- kundäres, aus der vom Willen gesetzten Norm Herfließendes, aber dennoch macht ihre wissenschaftliche*Betracktung — wie oben schon kurz angedeutet wurde — ein durchaus not- wendiges Glied unsrer Wissenschaft aus. Denn nicht nur die Wege, welche zur Bildung der Urteile der Norm führen, son- dern auch der Weg, welcher durch ihre Kontrolle zu ihrer Reinigung führt, zählt ja nach der Definition unsrer Wissen- schaft zu dieser selbst. Darum muß auch dieser Weg ein immanentes Glied unsrer Wissenschaft sein. Theorie und Praxis stehen — wie wir gesehen haben — in ständiger, für beide Teile förderlicher, Wechselbeziehung. Die Norm wird von den Quellen der, in ihr zueinem Strome sich vereinigenden, Grundlagen gespeist und durch den rückwirkenden Einfluß der, wiederum einen Ausfluß von ihr bildenden, Forstwirtschaft der Praxis geläutert. Es sind also drei große Glieder, aus denen sich unsre Wissenschaft zusammensetzt: I. Grundlagen — NH. Norm -—— III. Forstwirtschaft | der Praxis. [2 I Mae a Die durch den einheitlichen Gegenstand „Forstwirtschaft der Idee“ gewährleistete und verbürgte große Einheit unsrer Wissenschaft besteht also in einer Dreiheit der Aus- wirkung. Diese Dreiheit zerreißt nicht etwa die Einheit unsrer Wissenschaft, im Gegenteil, dieser „eine Kopf mit den drei Gesichtern“ stellt erst ihre wahre Einheit dar. Mit dieser Einheit, in der alle für uns in Betracht kom- menden Sondererkenntnisse, welche teils dem Reiche der Na- tur-, teils dem der Willens- und Kunstwissenschaften ent- strömen, in der alle diese Erkenntnisse zu einem festen Ganzen verkettet sind, ist das schwierigste Problem der Grundlegung EEE ER ER unsrer Wissenschaft gelöst. In ihr wird unsre Wissenschaft, die bisher nur eine inexakte Sammelwissenschaft war, zu einer wahren echten Wissenschaft. Denn die Mannigfaltigkeit all dieser verschiedenen Sondererkenntnisse ist durch sie durch- aus gemeistert und überwunden. In ihr ist unsre Wissen- schaft auf eigene Füße gestellt, ihre Grenzen zu den Nachbar- wissenschaften sind festgesteckt, und ihre Aufgabe und ihre Arbeitsweise ist festbestimmt. In dieser Einheit wird jeder besonderen Erkenntnis ihr fester unverrückbarer Platz ange- wiesen. Jeder Fremdkörper, alles Fremdartige und nicht Hineingehörige aber wird durch diese Einheit gleichsam me- chanisch ausgeschieden. Das auf der Einheit dieser Grundlegung aufzubauende System ist also nicht nur eine bloß mechanische, künstliche Aneinanderreihung und Addition schon vorhandener Teile. Seine einzelnen Glieder werden vielmehr erst durch ihre Be- ziehung zum Ganzen und zur Einheit unsrer Wissenschaft zur Erzeugung gebracht. Erst durch ihre Einheit und in ihrer Einheit, die durchaus nichts Künstliches und nichts Aeußerliches, sondern der reine Ausdruck der inneren Not- wendigkeit unsrer Wissenschaft ist, kann das Problem unsrer Wissenschaft seine Lösung finden. Das sind in kurzen knappen Worten die Grundlinien einerneuen @Grundlegung unsrer Wissenschaft, und zwar — wie schon hervorgehoben wurde — einerin der Hauptsache logischen Grundlegung, der bei einem weiteren Ausbau der Forstwirtschafts-Philosophie als notwendige Ergänzung noch eine erschöpfende histo- rische Grundlegung, d. h. die vergleichende Betrach- tung aller bis jetzt versuchten Grundlegungen unsrer Wissen- schaft, die hier nur in beschränktem Maße berücksichtigt werden konnte, zur Seite zu stellen ist. IH. Teil. Das System der Forstwirtschafts-Wissenschaft. Einleitung. „Die systematische Einheit ist dasjenige, was gemeine Erkenntnis allererst zur Wissenschaft, d.i. aus einem bloßen Aggregat derselben ein System macht.* Immanuel Kant. „Die Ausbildung des Systems einer Wissenschaft“, so sagt AUGUST BERNHARDT einmal, „ist bezeichnend für den Gegen- stand derselben. Der Rahmen, in welchen der gesamte Wis- senstoff sich einfügt, die Art seiner Gliederung und Anord- nung pflegt erkennen zu lassen, bis zu welchem Grade der Vollständigkeit und Klarheit derselbe gediehen ist, und je schärfer die einzelnen Wissensobjekte sich sondern, jemehr jede Vermengung verschiedenartiger Elemente vermieden wird, umso klarer treten die jeder Wissenschaft eigenen Aufgaben hervor, umsomehr wird die Forschung an allen Punkten in die Tiefe gehen.“ Die Addition der einzelnen Tatsachen des Wissens er- gibt durchaus noch nicht die notwendige Einheit der Wissen- schaft. Diese ist vielmehr der Plan, dessen Entwurf allem Einzelforschen notwendig vorausgehen muß. Wie noch so viele Maurer ein Haus nicht ordentlich auf- bauen können ohne einen genauen Bauplan, so können auch alle in einer Wissenschaft tätigen Einzelforscher nicht auf gut’ EST, Glück eine Wissenschaft zimmern. Denn mit dem bloßen Aufeinanderhäufen des Materials ist es nicht getan. Ganz unentbehrlich ist das System für die Lehrer und Jünger unsrer Wissenschaft. Was wären denn alle Einzel- daten ohne die umfassende und ordnende Gedankenklammer des Systems, in der jedes einzelne seinen bestimmten Platz hat, von dem aus es zu allen anderen in feste Beziehung tritt!? Wahllos nebeneinandergestellt wären sie ohne wirkende Kraft. Erst das feste Band des Systems in seiner geschlossenen Ein- heit ermöglicht ein Verständnis der vielartigen Einzelerkennt- nisse. Es wäre ein vergebliches Bemühen, wollte man die gesammelten Erkenntnisse, die ja, wie wir aus der Grund- legung wissen, ohne die hypothetische Leitidee des Zweckes unsrer Wissenschaft überhaupt nicht zustandekommen können, ohne eine bindende Form blindlings aufgehäuft lehren und auf die Nachwelt verpflanzen. Man stelle sich einen Studieren- den der Forstwirtschafts- Wissenschaft vor, der aus dem Fürst- schen oder sagen wir aus dem Dombrowskischen alphabetisch geordneten Lexikon seine Wissenschaft erlernen will. Und wenn es ihm gelänge die beiden Lexica so gut auswendig zu lernen, daß er ihren Inhalt hersagen könnte, was hilft esihm!? Er tappt trotz alledem im Dunkeln und hat noch lange keinen Begriff von dem, was Forstwirtschafts- Wissenschaft ist. Er vermag ja nicht die gewaltige Menge des Erkenntnisstoffes zu verdauen und zu bändigen. In ihm ist ein formloses Chaos, das erst Sinn und Bedeutung erlangen kann durch die Ein- heit, durch das System. Das Chaos der einzelnen Erkennt- nisse wird erst in der Einheit des Systems zu wahrer Wissen- schaft. Es ist unverständlich, wie Forscher, die selbst an der Schaffung eines Systems unsrer Wissenschaft arbeiten, die Bedeutung des Systems geringer einschätzen können als die des Erkenntnismaterials. So hat KATZER einmal in einer Erwiderung auf einen Angriff des Verfassers auf sein „System“ NORDEN unsrer Wissenschaft die Ansicht geäußert, der Wert einer Wissenschaft sei nicht nach ihrer Form, sondern nach ihrem Inhalt zu beurteilen (siehe Silva, Jahrg. 1915 Nr. 45 S. 167). Es ist auffallend, daß er, obwohl ihm angeblich nichts an der Form liegt, sich doch so viel Mühe um die Prägung einer Form macht. Stoff und System sind vollständig gleichwertig, sie stehen zueinander in Wechselbeziehung, wie Denken und Anschauung, wie Ich und Welt. Keines von beiden ist Hauptsache und keines ist Nebensache. Das System ist nichts ohne Stoff, und was wäre der Stoff ohne System? Unsre wissenschaftliche Er- kenntnis ist eben ein Erzeugnis aus Stoff und System. Ohne Erkenntnisstoff ist systematisches Denken und ohne System ist eine Bewältigung und Erfassung des Stoffes nicht möglich. Ohne System kein Stoff und ohne Stoff kein System! Die Grundlegung gipfelte in der Erkenntnis, daß sich unsre Wissenschaft aus drei Hauptgliedern zusammensetzt. Dies sind: I. Grundlagen. —- U. Norm. —- II. Forstwirtschaft | ın Me: Es soll kurz noch einmal erinnert werden an die Relation, in der diese drei Glieder unsrer Wissenschaft zueinander- stehen und durch die sie zu einem festen Ganzen verkettet werden. Auf den Grundlagen baut sich die Norm auf und auf dieser die praktische Forstwirtschaft, welche ihrerseits wieder einen rückwirkenden, kontrollierenden Einfluß auf die Norm ausübt. Die Norm ist die Krönung des ganzen Baues. Die wissen- schaftlichen Grundlagen sind ihre notwendigen Vorbedingungen und die Forstwirtschaft der Praxis ist ihr Ausfluß und gleich- zeitig ihre Kontrollinstanz. Die Einheiten der einzelnen Glieder sind die notwendigen er Wurzeln der umfassenden Einheit der Forstwirtschafts- Wis- senschaft. Ihre hier eingehaltene Folge ergibt sich aus der Natur der Sache. I. Abschnitt. Die Forstwirtschafts-Wissenschaft in ihrer Gegenwärtig- keit im Gegensatz zu ihrer Geschichte. 1. Kapitel. Die theoretischen Grundlagen des idealen forstwirtschaftlichen Handelns, Die Grundlagen des idealen forstwirtschaftlichen Handelns sind das erste Glied des Systems unsrer Wissenschaft. Es ist zu verwundern, daß bis auf den heutigen Tag noch kein Systematiker unsrer Wissenschaft es gewagt hat, diesem für uns so bedeutsamen Erkenntniskomplexe in seinem ganzen Umfange die Tore zu öffnen in das Innere des eigentlichen Systems unsrer Wissenschaft. Diese erschöpft sich ja nicht — um es noch einmal zu wiederholen — in dem Inbegriff aller über ihren Gegenstand möglichen Urteile, sondern auch alle Untersuchungen, die zur Bildung und Reinigung dieser Urteile führen, gehören zu ihr selbst. Die wissenschaftlichen Grund- lagen sind aber, wenn man von dem kontrollierenden Ein- fluß der praktischen Erfahrung absieht, die wahrhaft erzeugen- den Quellen der Norm. Und diese Quellen, die unsre Wissen- schaft nähren, ja die sie iiberhaupt erst ermöglichen, die sollte man nicht in ihr dulden wollen, die sollte man des Landes verweisen!? Das was unsre Wissenschaft allererst bildet, was die Norm allein erschließt und aufbaut, das sollte keine Daseinsberechtigung haben im System unsrer Wissenschaft!? Das sollte abseits stehen bleiben wie etwas Fremdes, dem Wesen unsrer Wissenschaft Unzuträgliches?! Ja, hat man gesagt, wenn wir solche fremdartigen, den _ verschiedenartigsten Wissenschaften angehörigen Elemente in Weber, Grundlinien einer neuen Forstwirtschafts-Philosophie. 3 BRRBROD NR azt unsre Wissenschaft aufnehmen, dann ist sie keine wahre echte Wissenschaft mehr. Diese Erwägung war es, die vor allem auch WAPpes be- stimmt hat, seine sog. „Grundwissenschaften“ außerhalb seines „organischen Systems“ zu stellen. Ihm blieb ja auch schließ- lich nichts anderes übrig. Seine Forstwissenschaft soll ja, wie wir schon sahen, eine rein theoretische Geisteswissenschaft im Sinne WUNDTs sein und will und darf als solche keine naturwissenschaftlichen Elemente in sich dulden. Ihre Quellen sind überdies auch ganz anderer Natur. Ihre einzige Quelle ist ja, wie wir wissen, die psychologische Erforschung der kon- kreten Tätigkeit des „homo foresticus“. Damit müßten für WAPPES die „Grundwissenschaften“ als ein durchaus über- flüssiger Ballast eigentlich ganz ausfallen. Daß er sie den- noch, wenn auch außerhalb seines Systems stehend, heran- gezogen wissen will, muß entschieden als widerspruchsvoll be- zeichnet werden. Doch dies nur nebenbei. Unsre Wissenschaft büßt von ihrem Charakter als Wissen- schaft auch nicht das Geringste ein, wenn sie ihre notwendigen Quellen und Grundlagen, ohne die sie überhaupt nicht exi- stenzfähig wäre, in sich aufnimmt. Auf die gegenseitige Ab- hängigkeit, in der alle Wissenschaften zu einander stehen, wurde schon im I. Teile dieser Schrift hingewiesen. Gibt es denn überhaupt eine Wissenschaft, die allein auf sich gestellt bestehen könnte, ohne daß sie mit der ganzen menschlichen Kultur Verbindung aufnähme? Wer den Einwurf macht, unsre Wissenschaft würde durch die Aufnahme ihrer Grundlagen in ihr System an Reinheit verlieren, der übersieht völlig, daß es nicht eine einzige Naturwissenschaft gibt, die ohne Hilfe der Mathematik auskäme, und, wie wir später noch sehen werden, keine Willens-Wissenschaft, die ohne die Grundlage der Naturwissenschaften Bestand haben könnte. Die Kunst- wissenschaften aber bauen sich gleichermaßen auf die Vorbe- nn ur nn u a U a 2 dingungen der Naturwissenschaften einer- und der Willens- wissenschaften andererseits auf. Wahrhaft reine Wissenschaften sind nur Logik und Ma- thematik. Diese aber machen, wie noch gezeigt werden wird, das notwendige Fundament aller Wissenschaften aus. Der besagte Einwurf ist also ganz und gar nicht berech- tigt. Und es liegt auf der Hand, daß eine Willens- Wissen- schaft, wie die Forstwirtschaftswissenschaft, viel mehr Grund- lagen haben muß als eine Naturwissenschaft. Diese hat es ja nur mit einem „Sein“ zu tun. Die Willenswissenschaften aber haben zum Gegenstand ein „Handeln“, das wieder ein oder mehrere „Sein“ als Mittel benutzt. So kommt es, daß unsre Wissenschaft ohne die restlose Ausnutzung natur-, willens- und kunstwissenschaftlicher Vor- bedingungen gar nicht in der Lage ist, ihr eigenes Problem, das die Schaffung eines all diesen grundlegenden Forschungen übergeordneten Systems zur Aufgabe hat, überhaupt in An- griff zu nehmen. Die einzelnen, den verschiedenartigsten Wissenschafts- gruppen angehörigen, Sonderdisziplinen scheinen nun zwar in ihrer Besonderung gegen einander der Einheit des Systems unsrer Wissenschaft zu widersprechen. In der Auflösung dieses Widerspruchs, in der Umgestaltung dieser drei aus verschiedenartigen Bewußtseins-Kategorien fließenden Grund- lagen zu dem Einklang einer umfassenden Einheit beruht, wie wir schon sahen, die Schwierigkeit der Lösung dieses be- deutsamsten Problems unsrer Wissenschaft überhaupt. Diese Schwierigkeit ist da, um überwunden zu werden. Man über- windet sie aber nicht, wenn man ihr aus dem Wege geht, und die wichtigsten Materialien zum Aufbau unsrer Wissen- schaft einfach abseits liegen läßt, weil man glaubt, das für uns in Betracht kommende Erkenntnismaterial unter allen Um- ständen in eines der vorhandenen Wissenschaftssysteme hinein- pressen zu müssen. Man muß der Schwierigkeiten Herr zu 3* werden versuchen. Und wenn ein, dem Umfange und Charakter unsres Erkenntnismaterials entsprechendes System nicht exi- stiert, dann muß man eben versuchen, ein solches zu schaffen. Nur so kann das Problem gelöst werden. Die Grundlagen unsrer Norm bilden zwar unter der Bezeichnung „Grundwissenschaften“ schon seit langem ein festes Bestandsstück des Systems unsrer Wissenschaft im weiteren Sinne. Man hat sie aber bisher nicht nur nicht in dem eigentlichen System unsrer Wissenschaft geduldet, man hat sie auch durchaus nicht restlos erschöpft. Der Wis- senskomplex, den man bisher unter dem Titel „Grundwissen- schaften“ außerhalb des eigentlichen Systems unsrer Wissen- schaft gestellt hat, bildet nur einen Bruchteil aller für uns maßgebenden Grundlagen. In ihm hat man nur zwei der, unsre Norm beeinflussenden, Faktoren berücksichtigt, nämlich: 1. die naturwissenschaftlichen und 2. die wirtschaftswissenschaftlichen, Die durch das Zusammenwirken dieser zwei Leitlinien erhaltene Norm aber hat man sonderbarerweise erst nach- träglich noch einmal durch zwei andere Erkenntnisfaktoren korrigiert. Das Erkenntnismaterial der staats- und kunst- wissenschaftlichen Elemente, von dem hier die Rede ist, hat man bisher in gesonderte, nicht durch ein festes Band an unsre Wissenschaft gekettete Disziplinen verstaut, deren Titel: „Forstpolitik“ und „Forstästhetik“ mit ihrem Hin- weis auf eine Tätigkeit des Staates bzw. auf die Erforschung des Wesens der Forstschönheit, ihre Verschmelzung mit unsrer Wissenschaft, deren ausschließliches Objekt, wie wir wissen, ja allein das Handeln des Forstwirts ist, von vornherein un- möglich machen. Die Zugehörigkeit der staats- und kunstwissenschaftlichen Erkenntnisgefüge zu unsrer Wissenschaft hat man dunkel ge- ahnt, man hat aber bisher völlig übersehen, daß sie den Cha- rakter von Grundlagen haben. Darum war man auch über — 37 — ihre Unterbringung im System unsrer Wissenschaft bisher ganz ratlos und fand nie den Weg, der allein zu ihrer Ver- schmelzung mit dem Ganzen unsrer Wissenschaft führen kann. Die Stellung dieser beiden Disziplinen und die besondere Bedeutung der staats- und kunstwissenschaftlichen Grundlagen für den Aufbau unsrer Norm werden wir später noch ein- gehender zu betrachten haben. Hier soll nur festgestellt wer- ‘den, daß eine nachträgliche Korrektur unsrer Norm durch die staats- und kunstwissenschaftlichen Leitlinien nicht am Platze ist. Die Forstwirtschafts-Wissenschaft muß viel- mehr im Interesse ihrer einheitlichen Ausgestaltung bei der Aufstellung ihrer Norm neben den zuerst genannten Elemen- ten auch schon die staats- und kunstwissenschaftlichen Vor- bedingungen mit in Berücksichtigung ziehen. Auch diese sind schon in den Grundlagen zu betrachten, sie sind Grundlagen. Es liegt nicht der geringste Anlaß vor, sie gesondert zu be- handeln und ihnen nicht von vornherein einen mitbestimmen- den Einfluß auf den Charakter der Norm einzuräumen. Aus allen Gauen der menschlichen Lebensbetätigung müssen wir, wie schon betont wurde, unsre Grundlagen heran- holen, In der menschlichen Kultur lassen sich drei große Gebiete voneinander unterscheiden: I. Das Gebiet der Natur, Il. das Gebiet der Gemeinschaft der Menschen und III. das Gebiet des Gefühls des Schönen. Dead u a a Dieser Dreiteilung der Kultur entsprechend kann man auch die Wissenschaften in drei große Gruppen einteilen: I. Die Naturwissenschaften, II. de Gemeinschafts- oder Willenswis- senschaften und IH. die Kunstwissenschaften. Jede dieser Gruppen arbeitet nach besonderen Methoden. Was für die Naturwissenschaften die Logik bedeutet, das ER Me ist für die Willenswissenschaften die Ethik und für die Kunst- wissenschaften die Aesthetik. Diese drei zusammen aber bilden mit der Psychologie, die sich mit dem Studium des menschlichen Bewußtseins überhaupt befaßt, das was man Philosophie nennt. Wie die drei Gebiete der Kultur von einander abhängig sind und sich gegenseitig durchdringen, so sind auch die drei Sonderdisziplinen der Philosophie, die Logik, die Ethik und die Aesthetik und die drei großen Wissenschaftsgruppen auf- einander angewiesen. Es gibt keine Willenswissenschaft, die ohne die Grund- lage der Naturwissenschaften existieren könnte. „Denn es muß das Sein eine methodische Bewältigung erfahren haben, ehe daran gedacht werden kann, eine Methode des Sein- Sollens aufzusuchen“ (GÖRLAND, „Ethik“, Vorwort). Sein und Sein-Sollen aber sind die beiden unerläßlichen Vorbedingungen der Kunst. Umgekehrt übt die Kunst auch wieder einen rückwirken- den Einfluß auf das Gebiet der Willenswissenschaften aus und so fort. So erklärt es sich, daß die Forstwirtschafts- Wissenschaft, die unstreitig eine ausgesprochene Willenswissenschaft ist, auch natur- und kunstwissenschaftlicher Elemente zu ihrem Aufbau bedarf. Der Kern aller Forstwirtschafts-Wissenschaft, die Norm, wird von den verschiedenartigsten Quellen gespeist. Nicht nur willenswissenschaftliche, auch natur- und kunstwissenschaft- liche Wahrheiten bilden ihren Unterbau. Das hindert uns aber durchaus nicht, die Forstwirtschafts- Wissenschaft als eine typische Willenswissenschaft anzuspre- chen. Die natur- und kunstwissenschaftlichen Elemente dürfen zwar nicht vernachlässigt werden. Das bedeutet aber noch nicht, daß sie den Ausgangspunkt bilden müssen. Die me- thodische Leitung der willenswissenschaftlichen Elemente wird LE TREE dadurch nicht beeinträchtigt und bleibt diesen nach wie vor erhalten. Bei den Willenswissenschaften unterscheidet man u. a, wieder: I. Die Staatswissenschaften, Il. die Volkswirtschaftswissenschaft und III. die Privatwirtschaftswissenschaft. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, welcher der ge- nannten Gruppen der Willenswissenschaften unsre Wissen- schaft angehört. Sie ist eine reine Privatwirtschaftswissen- schaft. Aber wie sie im weiteren Sinne als Willens-Wissenschaft aufgefaßt, ohne die Berücksichtigung der natur- und kunst- wissenschaftlichen Vorbedingungen nicht lebensfähig ist, so ist sie als Privatwirtschafts-Wissenschaft wiederum auf die Mit- hilfe der Staats- und Volkswirtschafts- Wissenschaft angewiesen. Sie ist und bleibt aber dennoch eine ausgeprägte Privat- wirtschafts- Wissenschaft. Man sieht die zur Aufstellung unsrer Norm notwendigen Grundlagen sind sehr mannigfaltig und zahlreich. Einleitung. Mathematik, die notwendige Grund- lage aller Wissenschaften. I. Die naturwissenschaftlichen Grundlagen. 1. Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen. 2. Die biologisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen. I. Die willenswissenschaftlichen Grundlagen. Einleitung. Rechtswissenschaft die Grund- lage aller Willenswissenschaften. 1. Die staatswissenschaftlichen Grundlagen. 2. Die volkswirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. 3. Die privatwirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. III. Die kunstwissenschaftlichen Grundlagen. pn ae Einleitung. Mathematik, dienotwendige Grunälage aller Wissenschaften. Kant sagt einmal in seinen „Metaphysischen Anfangs- gründen der Naturwissenschaft“: „Ich behaupte, daß in jeder besonderen Naturlehre nur soviel eigentliche Wissen- schaft angetroffen werden kann, als darin Mathematik anzu- treffen ist.“ Die Mathematik ist ein transzendentales Gebilde, d. h. sie fließt nicht aus der Erfahrung, sondern liegt als innere Gesetzgebung des menschlichen Verstandes vor aller Erfahrung und ermöglicht diese allererst. Die sinnliche Wahrnehmung allein kann Erkenntnisstoff nicht liefern. Zu ihr muß noch etwas hinzukommen, was allein apodiktische Gewißheit geben kann. Das ist der menschliche Verstand, als dessen reines Erzeugnis auch die Mathematik anzusehen ist. Darum ist die Mathematik eine notwendige Grundlage aller naturwissenschaftlichen Erkenntnis. „Zwischen der Logik“ (die wir oben als die Prin- zipienlehre der Naturwissenschaften bezeichnet haben) „und der Mathematik besteht ein deutliches Wechselverhältnis. Die logischen Motive, welche der Mathematik eingeboren sind, wachsen in ihr so inhaltsvoll aus, daß die Logik von diesem Inhalte in ihrer eigenen Inhaltsbestimmung abhängig wird“ (siehe CoHEN, „Logik der reinen Erkenntnis“). Wie aber die in ihrer Inhaltsbestimmung von der Mathe- matik abhängige Logik die notwendige Vorbedingung der Ethik und Aesthetik und die Naturwissenschaften die nicht entbehr- liche Grundlage der Willens- und Kunstwissenschaften aus- machen, so beschränkt sich die grundlegende Kompetenz der Mathematik nicht auf das Reich der Naturwissenschaft, sie greift auch hinüber in die Reiche der Willens- und Kunst- wissenschaften. Daß die Mathematik ein gemeinsames Fun- dament der ganzen wissenschaftlichen Erkenntnis und aller menschlichen Kultur überhaupt ausmacht, das werden wir im u, K 2 N 4 ’ Eh = - : i Pi Br . 3 2 Ze a" m hr ne Deinen au > ni Mr . * ie# 5} N u ET weiteren Verlauf unsrer Untersuchung auf Schritt und Tritt merken. : Alle theoretischen Erkenntnisgrundlagen unsrer Norm, seien es natur-, willens- oder kunstwissenschaftliche, alle be- dürfen der Mathematik. Und auch die Norm selbst und die Betrachtung der Forstwirtschaft der Praxis sind gleichermaßen _ auf die Mathematik als fundamentale Erkenntnismethode an- gewiesen. ;Wo wir hinblicken, überall sehen wir bei unsrer wissenschaftlichen Forschung Mathematik mit im Spiele. Um nur einige Beispiele herauszugreifen: Wir bedienen uns der Mathematik zur Messung der Forstflächen, zur Feststellung des Massengehaltes und Zuwachses einzelner Bäume und ganzer Forste, zur Erfassung des Efiektes unsres ganzen forstwirt- schaftlichen Handelns usf. Selbst in den kunstwissenschaftlichen Grundlagen unsrer Wissenschaft ist Mathematik mit am Werke. Was ist die Harmonie, was ist der goldene Schnitt anders als Mathematik. _ Und wie wäre die Chronologie und die Periodisierung der Geschichte unsrer Wissenschaft möglich ohne Mithilfe der Mathematik? Die Darstellung der reinen Mathematik aber ist weder Aufgabe unsrer noch irgend einer anderen Natur-, Willens- oder Kunstwissenschaft. Sie muß der Abhandlung aller dieser vorausgehen und steht als formelle Grundlage aller wissen- schaftlichen Erkenntnis vor dieser. I. Die naturwissenschaftlichen Grundlagen. Gegenstand der Forschung der naturwissenschaftlichen Grundlagen unsrer Wissenschaft sind diejenigen „Naturer- scheinungen“, welche der Forstwirt als Mittel zu seinem Han- deln benötigt. „Naturerscheinungen“ sind das, was man im ‚gewöhnlichen Sprachgebrauch „Dinge“ nennt. „Was die Dinge an sich sein mögen“, so sagt KANT, „weiß ich nicht und brauche es auch nicht zu wissen. Das transzendentale Objekt (d. i. ENT BR ER das „Ding an sich‘) ist ein bloßes Etwas, wovon wir nicht einmal verstehen, was es sei, wenn es uns auch jemand sagen könnte.“ Ein von der menschlichen Vernunft losgelöstes „Ding an sich“, d. h. also ein „Ding für keine Vernunft“ ist nicht nur ein Unding, sondern auch ein Ungedanke. Die Tätigkeit des menschlichen Verstandes und der menschlichen Vernunft, das Denken, ist es, welches erst „Einheit in der Mannigfal- tigkeit“ und damit die „Dinge“ erschafft. Das Denken und nur das Denken allein vermittelt uns die Erkenntnis der „Na- turerscheinungen“. Davon wird später noch in der Methodo- logie ausführlicher die Rede sein. Das Reich der „Naturerscheinungen‘“, das „Sein der Na- tur“ spaltet sich deutlich in zwei besondere Provinzen, in die Provinz des gestaltlosen anorganischen und in die des ge- stalteten organischen Seins. Mit der Erkenntnis des anorganischen Seins befassen sich die mathematischen und mit der des organischen Seins die biologischen Naturwissenschaften. Unser Handeln bedient sich sowohl anorganischer als auch organischer Seins als Mittel. Wir müssen also bei der Abhandlung der naturwissen- schaftlichen Grundlagen unsrer Wissenschaft die biologisch- naturwissenschaftlichen von den mathematisch-naturwissen- schaftlichen Grundlagen wohl auseinanderhalten, 1. Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen. Die „Naturerscheinungen“ des Bodens und der Atmo- sphäre sind das für unser Handeln als Mittel in Betracht kommende anorganische Sein, dessen Erkenntnis uns die mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen vermitteln sollen. Hier kommen folgende Disziplinen in Betracht: a) die forstwirtschaftswissenschaftliche Geodäsie, EB: ae b) die forstwirtschaftswissenschaftliche Meteorologie und Klimalehre, c) die forstwirtschaftswissenschaftliche Geologie und Bo- denkunde, d) die Lehre von den Eigenschaften der dem Waldboden entnommenen anorganischen forstwirtschaftlichen Güter. 2. Die biologisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen liefern uns die Erkenntnis des unsrem Handeln als Mittel dienenden gestalteten organischen Naturseins. Hier sind folgende Disziplinen für uns von Belang: a) die forstwirtschaftswissenschaftliche Botanik, Geogra- phie und Naturgeschichte der Vegetationsform „Wald*, b) die Lehre von den Eigenschaften des Holzes und der anderen organischen forstwirtschaftlichen Güter, c) die forstwirtschaftswissenschaftliche Zoologie. Die Einwirkung der forstwirtschaftswissenschaftlichen Zoo- logie auf unsre Norm ist nicht so groß, wie die der anderen naturwissenschaftlichen Grundlagen. Während diese unser ideales Handeln direkt begründen helfen, lehrt uns jene nur, wie wir die Einwirkung der unsrem Handeln nützlichen Tiere fördern und den schädlichen Einfluß der tierischen Feinde unsres Handelns bzw. des organischen Mittels desselben, am besten ausschalten oder ihm entgegentreten können. II. Die willenswissenschaftlichen Grundlagen. Die naturwissenschaftlichen Grundlagen antworten dem Forstwirt auf die Frage: Was kann ich von dem „Sein“, dem „Natursein* der von mir als Mittel zum Zweck meines Han- delns benötigten Naturerscheinungen wissen ? Die willenswissenschaftlichen Grundlagen beantworten ihm die Frage: Was soll ich als Staatsbürger, als Glied einer Gemeinwirtschaft eines Volkes und als Privatwirt tun? Sie vermitteln ihm die Erkenntnis des Mutterbodens alles Han- delns, in dem sein spezielles forstwirtschaftliches Handeln gleichsam eingebettet liegt. Das forstwirtschaftliche Handeln ist ja nicht nur Privatsache, es ist auch Sache der Ge- meinwirtschaft des ganzen Volkes und der Allheit des Staates. Denn jede Produktion und jede Konsumtion von Gütern be- nutzt ja schließlich Mittel, auf denen die Bedürfnisbefriedi- sung der Gesamtheit des ganzen Volkes beruht und über deren geregelte und gerechte Verteilung zu wachen Aufgabe des Staates ist. Deshalb müssen wir, die wir eine Norm für ein beson- deres privatwirtschaftliches Handeln aufstellen wollen, zu die- sem Zweck erst einmal die notwendige Unterlage derselben, d.h. die Gebote und Normen derjenigen übergeordneten Ge- biete des menschlichen Handelns kennen lernen, in die unser forstwirtschaftliches Handeln als wirkender Faktor derselben eingelagert ist. Erst wenn ich weiß, wie ich als Staats- bürger, als mitwirkender Faktor der Gemeinwirtschaft meines ganzen Volkes und als Privatwirt im allgemeinen handeln soll, kann ich die spezielle Frage danach, wie ich als Forstwirt handeln soll, richtig beantworten. Einleitung. Rechtswissenschaft, die Grundlage aller Willenswissenschaften. Was die Mathematik für die Naturwissenschaften bedeu- tet, das ist die Rechtswissenschaft für die Willenswissenschaften. Die Rechtswissenschaft beschäftigt sich nicht mit der Feststellung des konkreten Tuns der Menschen, sie erblickt ihre Aufgabe vielmehr darin, die Normen, welche dasrich- tige, d. h. das sittliche Handeln des Menschen überhaupt zum Gegenstand haben, zu entwickeln und darzustellen. In ihr tritt dem Sein der Naturerscheinung, das Sein- sollen des Rechtes und der sittlichen Welt und dem Natur- dasein des Menschen der Mensch des Rechts und der prak- Da sa Sr AA” ur a; Fir un Pa Te A > x a tischen, sittlichen Welt, der „Rechtsgenosse*, gegen- über und zur Seite. Der Mensch des Naturdaseins ist nichts als ein Sklave der Naturgesetze, der Rechtsgenosse aber ist mehr als das, ist mehr als bloßes Sein der Natur, mehr als bloße Natur- erscheinung, er hat die Entschließung des freien Willens und ist ein nach festen Zielen strebender und nach, von ihm selbst gesetzten, Zweckideen und Geboten handelnder Vernunft- mensch. HERMANN ÜOHEN hat die Rechtswissenschaft mit gutem Grund als die Mathematik der Ethik bezeichnet. Die Ethik ist das methodische Prinzip aller Willenswissenschaften, so daß also letzten Endes keine Willenswissenschaft ohne Rechts- wissenschaft auskommen kann. Die Rechtswissenschaft ist eine notwendige formelle und methodische Voraussetzung aller Willenswissenschaften und damit auch aller willenswissenschaftlichen Voruntersuchungen unsrer Wissenschaft. Ihre Darstellung aber ist ebensowenig Sache unsrer Wissenschaft als sie Aufgabe irgend einer an- deren Willenswissenschaft sein kann. Sie gehört ebensowenig in unsre Wissenschaft hinein als die Betrachtung der reinen Mathematik, die ja auch als formelle methodische Grundlage aller Naturwissenschaften nicht einen Bestandteil einer be- sonderen Naturwissenschaft, geschweige denn, der für uns nur eine Voruntersuchung ausmachenden, naturwissenschaftlichen Grundlagen unsrer Wissenschaft bilden kann. Ihre Erkennt- nis geht vielmehr als notwendiges Fundament aller Willens- wissenschaften der Erkenntnis dieser voraus und steht vor oder über dieser. 1. Die staatswissenschaftlichen Grundlagen. Seine Verkörperung findet das Recht im Staat. Der Staat ist der Vermittler zwischen dem Einzelmenschen und der „Allheit“ der Staatsbürger. Erst der Staat macht den N TABTT Menschen zu einem sittlichen Wesen. Deshalb muß auch die Einheit des Menschen in der Einheit des Staates begründet werden. „Das sittliche Individuum soll nicht eine partikulare Einzelheit bleiben, sondern kraft der Allheit, in die es ein- gegliedert wird, zur Einheit des sittlichen Individuums erhoben werden.“ (HERMANN ÜOHEN, „Ethik des reinen Willens“, 2. Aufl. Berlin 1907, 8. 78.) Der Forstwirt ist Privatwirt. Jeder Privatwirt aber ist „Rechtsgenosse“, ist juristische Person und als solche mora- lische Person. Die für unser Handeln maßgebenden staatswissenschaft- lichen Grundsätze sind oben schon als notwendige Vorbe- dingungen desselben erkannt worden. Es ist aber auch schon kurz angedeutet worden, daß das Wissensgefüge, das man durch das Symbol „Forstpolitik“ zu bezeichnen pflegt, keines- wegs identisch ist mit dem, was wir hier unter „staatswissen- schaftlichen Grundlagen unsrer Norm“ verstehen. Die sogen. „Forstpolitik* hat nicht den Charakter einer Grundlage unsrer Wissenschaft und kann, da sie ein Handeln des Staates zum Gegenstand hat, überhaupt keinen Anspruch auf Zugehörig- keit zu unsrer Wissenschaft erheben. Wer das Objekt unsrer Wissenschaft in dem Handeln. des Forstwirts erblickt, der kann die „Forstpolitik“, welche das, sich auf die Förderung und Pflege der Forstwirtschaft beziehende, Handeln des Staates zum Objekt hat, überhaupt nicht als ein notwendiges Glied unsrer Wissenschaft anerkennen. Nur das Handeln des Forst- wirtes und nur dieses ausschließlich macht den Gegenstand unsrer Wissenschaft aus. Jegliches Erkenntnisgefüge, das nicht den Stempel dieses alleinigen Objektes unsrer Wissen- schaft trägt, muß rücksichtslos aus dem System unsrer Wissen- schaft verbannt werden. Darum muß auch die „Forstpolitik“, die zwar außerhalb der Grenzen unsrer Wissenschaft als Norm für eine spezielle Betätigung des Staates ihre Existenzberech- ee he SA tigung hat, als ein Fremdkörper aus dem einheitlichen Gefüge unsrer Wissenschaft ausgemerzt werden. Früher glaubte man allgemein, daß ohne die Hereinbe- ziehung der „Forstpolitik“, die ein wichtiges Glied der Systeme von HUNDESHAGEN und WIDENMANN ausmacht, ja deren Wesen recht eigentlich bedingt, und die auch von den meisten jüngeren Systematikern unsrer Wissenschaft einverleibt worden ist, eine Forstwirtschafts-Wissenschaft nicht möglich sei. HUNDES- HAGEN und WIDENMANN sind im dunklen Drange der Ver- folgung eines wahren Zieles, das jetzt im hellen Licht des Tages vor uns liegt, auf einen Abweg geraten. Denn das heftige Bestreben auf eine Mithereinbeziehung dieser, dem Gegenstand unsrer Wissenschaft gänzlich inadäquaten Dis- ziplin, läßt sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit erklären als ein Schimmer der wahren Erkenntnis, daß wir in unsrer Wissenschaft ohne die Mitberücksichtigung staatswissenschaft- licher Grundsätze nicht auskommen können. Anstatt aber diese, unter forstwirtschaftswissenschaftlichem (esichtspunkt betrachtet, den anderen Grundlagen unsrer Wissenschaft einzuverleiben, machten sie den Fehler, die „Forstpolitik“, die denselben Erkenntniskomplex, aber vom staatswissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, behandelt, dem eigentlichen Gegenstand unsrer Wissenschaft als gleich- berechtigtes Glied zu koordinieren. Man ist eben bei Erwägung der Zugehörigkeit des uns angehenden Teiles des staatswissenschaftlichen Erkenntnis- komplexes bisher von einer ganz falschen Fragestellung aus- gegangen. Die Frage darf nicht sein, ob dieser als ein neuer Gegenstand (in Gestalt der sog. „Forstpolitik*) dem ureigent- lichen Objekte unsrer Wissenschaft nebengeordnet werden kann. Die systematische Einheitlichkeit unsrer Wissenschaft. die unter keinen Umständen getrübt und angetastet werden darf, verbietet eine solche Beiordnung von vornherein. Eine Verschmelzung des genannten Erkenntniskomplexes mit unsrer Wissenschaft ist vielmehr nur möglich durch seine Unterord- nung unter ihren einheitlichen Gegenstand. Die Frage muß also die werden: Gibt es eine Möglichkeit und einen Weg, auf dem das fragliche Erkenntnisgefüge durch Unterordnung unter das einheitliche Objekt unsrer systematischen Wissen- schaft, dennoch ein immanentes Glied dieser werden kann. Und diesen Weg muß es geben, wenn anders die staatswissen- schaftlichen Grundlagen eine notwendige Erkenntnisgrundlage unsrer Wissenschaft ausmachen und deren wahre Einheit aller- erst mitbegründen helfen. WaPPEs hat zwar die Unhaltbarkeit der seit HUNDES- HAGEN zu einem Dogma erstarrten dualistischen Forstwirt- schafts- Wissenschaft erkannt, und wir müssen es ihm als ein sroßes Verdienst anrechnen, daß er diesen gordischen Knoten zerhauen hat. Der innere Beweggrund dieser irrtümlichen Auffassung unsrer Wissenschaft aber, der eben in der dunklen Ahnung der grundlegenden Bedeutung dieser nur unter fal- scher Flagge segelnden und in einem falschen Hafen verfrach- teten Wissens-Elemente bestand, ist ihm nicht bewußt ge- worden. Die engen Fesseln seiner theoretisch-geisteswissen- schaftlichen Forstwissenschaft zwangen ihn dazu, auch diesen wahren Kern, der all’ den irre gelaufenen Bestrebungen un- bewußt als lockendes Spiel vor Augen gestanden haben mag, nämlich die staatswissenschaftlichen Grundlagen, mit der glei- chen Rücksichtslosigkeit aus seiner Forstwissenschaft zu ver- bannen. Wie hätte er sie auch in seinem System dulden können, aus dem er ja in konsequenter Ausdenkung seiner leitenden Idee alle Grundlagen, nicht nur die natur-, son- dern auch die willens- und kunstwissenschaftlichen mit der gleichen Folgerichtigkeit ausscheiden mußte! Den staatswissenschaftlichen Grundlagen unsrer Wissen- schaft, die reinlich geschieden werden müssen von der „Forst- politik“, steht sehr wohl ein Platz im Rahmen unsrer Wissen- schaft zu. ra Der Erkenntniskomplex, der durch das gegenseitige In- einanderwirken von staatswissenschaftlichen und forstwirt- schaftswissenschaftlichen Grundsätzen an der Grenzscheide zwischen Staats- und Forstwirtschaftswissenschaft entsteht, läßt sich nämlich sowohl vom staats- als auch vom forstwirt- ‚schaftswissenschaftlichen Standpunkt aus betrachten. Und zwar enthält man, wenn man ihn unter forstwirtschaftswissen- schaftlichem Gesichtswinkel ansieht, ein ganz anderes Bild, als wenn man ihn von der Warte der Staatswissenschaft aus in Betracht zieht. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß der Staat hierbei seine allgemein staatswissenschaftlichen Grund- sätze in den Vordergrund stellen muß, während der Forstwirt bei Berücksichtigung staatswissenschaftlicher Grundlagen die Gesamtheit seiner forstwirtschaftswissenschaftlichen Grundsätze richtunggebend und leitend sein lassen mub. Der durch die Berührung unsrer Wissenschaft mit der Staatswissenschaft entstehende Erkenntniskomplex verfällt also unter staatswissenschaftlichem Gesichtswinkel gesehen dem Ge- füge der Staatswissenschaft. Wird er dagegen unter forst- wirtschaftswissenschaftlichem Gesichtspunkte bearbeitet, so wird er damit ein Glied unsrer Wissenschaft. Der Staat als Grund- bedingung aller menschlichen Arbeit entscheidet im Interesse der Allgemeinheit über die Rechte und Pflichten aller Arten der privatwirtschaftlichen Tätigkeit; und Forstwirtschaftspoli- tik, das will sagen der genannte Berührungsstreifen vom staats- wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, ist nichts anderes Weber, Grundlinien einer neuen Forstwirtschafts- Wissenschaft. 4 Al) m als eben diese bevormundende und regelnde Tätigkeit des Staates gegenüber der Forstwirtschaft. Auf der anderen Seite hat sich auch die Forstwiriechen wie jede Privatwirtschaft, wenn sie ihr Handeln von vornherein dem staatlichen Allgemeinwohl entsprechend gestalten will, bei der Aufstellung ihrer Norm von staatswissenschaftlichen Grundsätzen mit leiten zu lassen. Der Forstwirt, der sich eine Norm aufbaut, muß dem staatlichen Zwang zuvorkommen. Wenn er sich vornimmt, aus freien Stücken all’ diese, im In- teresse der Allgemeinheit so notwendigen, Gebote zu beachten und von vornherein mit den Grundsätzen seines Handelns zu verfiechten, dann erwächst ihm aus dem staatlichen Zwang eine selbständige Freiheit. 8, Die volkswirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. Als „Privatwirtschaft von Rechtsgenossen“ ist aber die Forstwirtschaft ‘nicht nur dem Rechte des Staates unterge- ordnet, sie ist auch mit der Gemeinwirtschaft des ganzen Volkes, in der sie eingebettet liegt, eng verkettet. Es gibt kaum eine Handlung des Forstwirts, bei der nicht ein, aus der Provinz der Gemeinwirtschaft des ganzen Volkes her- fließender Einfluß mitwirkt und im Interesse der Allgemein- heit mitwirken muß. Es hat vielleicht Anstoß erregt, daß bei der oben gege- benen Ableitung unsrer willenswissenschaftlichen Grundlagen nicht von wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen ausge- gangen wurde, und diese dann wieder in die volkswirt- schaftswissenschaftlichen Grundlagen einer- und die privat- wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen andererseits zerlegt wurden, daß vielmehr diese von vornherein als selbständige Erkenntnisgebiete streng voneinander gesondert wurden. Vielfach werden nämlich die beiden Begriffe „Volks- wirtschaft“ und „Privatwirtschaft“ noch als Teilbegriffe eines ihnen übergeordneten Begriffes „Wirtschaftin abstracto“ aufgefaßt. So geht MARSHALL, auf dessen Definition der „Wirtschaft“ WAPPES seine Begriffsbestimmung der Forst- wirtschaft basiert, bei der Begründung der Volkswirtschafts- lehre von der wirtschaftlichen Tätigkeit der Menschen aus und zerfällt diese wieder in die Tätigkeit des Einzelnen und des ganzen Volkes. Und wie mit den Gegenständen, so ist man mit ihren Wissenschaften verfahren. So sagt KATZER (Silva, Jahrg. 1913, Nr. 23, S. 266f. „Beiträge zur Syste- matik der Forstwissenschaft“) von der „allgemeinen Privat- wirtschaftslehre“, daß sie zusammen mit der „Volkswirtschafts- lehre* die „Allgemeine Wirtschaftslehre“ ausmache. Mit Recht bekämpft STAMMLER in seinem bekannten Werke „Wirtschaft und Recht“ diese Begründungsart der Volkswirt- schaftswissenschaft einer- und der Privatwirtschaftswissenschaft andererseits auf einer „Wirtschaft in abstracto“. Nach ihm gibt es einen solchen einheitlichen Oberbegriff nicht. Man er- hält ihn „auch nicht durch das neuerdings von ADOLF WAGNER besonders stark betonte ökonomische Prinzip“. Es ist unmöglich, „die Lebensfristung und Bedürfnisbefriedigung des gänzlich isoliert gedachten Menschen als sogenannte Einzel- wirtschaft mit dem geregelten Zusammenwirken von Menschen als der Sozialwirtschaft unter einem einheitlichen oberen Be- griffe, der „Wirtschaft in abstracto“ zusammenzunehmen und jene beiden nur als unmittelbare Unterabteilungen eines und desselben Objektes zu fassen.“ Wir haben vielmehr „zwei verschiedene Einheiten und zwei der Art nach getrennte Ge- genstände. Die Begriffe von beiden sind im Ganzen wie in der Einzeldurchforschung qualitativ unterschieden, stehen unter getrennten Erkenntnisbedingungen; wie sollte es da einheit- liche Lehrsätze geben, die allgemein für beide Geltung hätten und dann in den getrennten Unterklassen nur Einzelmodifi- kationen aufweisen würden.“ Die Gemeinwirtschaft des Volkes ist nicht eine einfache 4* ee Addition aller bestehenden Einzelwirtschaften, sie ist vielmehr die auf den Interessen der Gemeinwirtschaft des ganzen Volkes aufgebaute Norm für das komplizierte Produkt aller in- und durcheinander wirkenden Privatwirtschaften. Unsre sittliche Verpflichtung der Gemeinschaft unsres Volkes gegenüber verlangt es, daß wir auch die volkswirt- schaftswissenschaftlichen Grundsätze unter forstwirtschafts- wissenschaftlichem Gesichtswinkel gesehen, von vornherein bei der Aufstellung unsrer Norm mitberücksichtigen. Auch die volkswirtschaftswissenschaftlichen Vorbedingungen dürfen beim Aufbau der Norm nicht außer Acht gelassen werden. Eine jede Privatwirtschaft ist ja durch tausend Fäden mit der Volks- wirtschaft verbunden und handelt umso sittlicher, d. h. dem Interesse der Allgemeinheit förderlicher, je mehr sie den Grund- sätzen der Volkswirtschaft in den für sie möglichen Grenzen Rechnung trägt. Eine Mitwirkung der volkswirtschaftswissenschaftlichen Grundsätze gewährleisten wiraber dadurch, daß wir unsre Wirt- schaft nicht als eine isolierte Privatwirtschaft, sondern als eine Privatwirtschaft von Rechtsgenossen auffassen, in der diese Mit- wirkung der gemeinwirtschaftlichen Forderungen ja schon mit- gedacht ist. 3. Die privatwirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. Die arbeitsteilige Wirtschaft der Gegenwart wird in erster Linie durch das Vorhandensein des allgemeinen Tauschmittels, des Geldes, ermöglicht. In der Geldwirtschaft richtet sich die Tätigkeit des Wirtschaftenden auf den Erwerb von Geld im Austausch gegen seine eigenen Produkte, Das gewonnene Geld dient zur Anschaffung der für den Verbrauch des Wirt- schaftenden notwendigen Güter. Neben diesen kombinierten Erwerbs- und Verbrauchswirtschaften gibt es aber auch reine Erwerbswirtschaften, die von der Verbrauchswirtschaft der Beteiligten ganz getrennt sind. A ya Auch die Forstwirtschaft ist eine solche reine Er- werbswirtschaft. Ihre Tätigkeit besteht in der Erzeugung forstwirtschaftlicher Güter und deren rentablen Verwertung gegen Geld. Erst mit der Einnahme des Geldes für die verkauften Güter erreicht sie ihren Abschluß. Der Erwerb von Geld, der bei den kombinierten Erwerbs- und Verbrauchswirtschaften nur Mittel zum Zweck ist, ist also bei ihr Endzweck. Vom rein privatwirtschaftswissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen müßte also die Gewinnung eines möglichst hohen Geldreinertrages, auf der Basis der durch die natur- wissenschaftlichen Grundlagen gewonnenen Erkenntnisse, das ausschließliche Ziel eines jeden Forstwirtes sein. Wir haben aber oben gesehen, daß das privatwirtschaft- liche Handeln nicht ausschließlich Sache des einzelnen Privat- wirts, vielmehr auch Sache der Gesamtheit ist. Das Handeln des Einzelnen muß sich dem Leben der höheren Einheit seines Volkes und Staates unterwerfen. Die einzelnen Pri- vatwirtschaften dürfen nicht in der Isoliertheit ihrer Sonder- interessen verharren, sie müssen sich zu „Privatwirtschaften von Rechtsgenossen* entwickeln. Wie sehr die Berücksichti- gung der Interessen der Gesamtheit vonnöten ist, das hat uns der Weltkrieg ja deutlich vor Augen gestellt. Nun hat man zwar in unsrer Wissenschaft begonnen auch den volkswirtschafts-, staats- und kunstwissenschaftlichen Grundsätzen eine gewisse Beachtung zu schenken und sie als notwendige Lehrgegenstände anzusehen. Dabei ist man aber auch stehen geblieben. Eine tatsächliche Einwirkung auf die Grundsätze unseres Handelns hat man ihnen nicht eingeräumt. Auch für die Forstwirtschaft von Rechtsgenossen müssen die rein privatwirtschaftswissenschaftlichen Grundsätze, trotz der Mitbeachtung volkswirtschafts-, staats- und kunstwissen- schaftlicher Faktoren, immer richtunggebend und leitend sein. Ihre ausschließliche Berücksichtigung aber schädigt die berechtigten Interessen der Allgemeinheit. IH. Die kunstwissenschaftlichen Grundlagen. Auch das dritte große Kulturgebiet, das in der Kunst seine Verkörperung findet, soll — wie wir sahen — unser Handeln mit einem Abglanz seiner Schönheit verklären. „Dem kindlichen Geist des Intellektualmenschen*, so sagt WALTHER RATHENAU einmal in seinem Buche „Zur Mechanik des Geistes“ in drastischer Ausdrucksweise, „ist die Erde ein Grundstück, die Wiese ein Futterplatz, der Wald eine Forstwirtschaft, das Wasser eine Verkehrsbahn, der Stein ein Baumaterial, das Tier ein Wild, Vieh, Raub- zeug oder Ungeziefer, die Sonne eine Kraftquelle oder Be- leuchtungsmittel, der Mensch ein Konkurrent, Abnehmer, Vorgesetzter, Angestellter oder Steuerzahler, die Gottheit eine Behörde.“ Auch wir Grünröcke waren bisher von diesem „kindlichen Geist des Intellektualmenschen“ nur allzusehr besessen. Der Forst war uns in der Tat bis vor kurzem nichts anderes als nur Gegenstand unsres Erkenntnistriebes auf der einen und als Forstwirtschaft, nichts anderes als nur bloße Maschine, bloße Fabrik, nichts anderes als nur notwendiges „Sein“; das wir als Mittel für den bedeutsamsten Bruchteil unsres Handelns, zur Produktion der forstwirtschaftlichen Güter be- nutzten, auf der anderen Seite. Aber er soll und muß uns noch mehr sein. Er darf und soll uns nicht nur Erkenntnisobjekt und nur Maschine, nur Mittel sein. Als vor über hundert Jahren die. im Großen und Ganzen heute noch Geltung besitzende Norm unsrer Wissenschaft aufgestellt wurde, ließ man sich nur ausschließlich von dem Gesichtspunkte eines möglichst großen Ertrages leiten und sah den Forst, abgesehen von seiner Betrachtung als eines Gegenstandes naturwissenschaftlicher Erkenntnis, auch aus- EIER, schließlich als Mittel zur Erreichung dieses möglichst hohen Ertrages an. Zwar fing man schon frühe an auch die Schönheit des Forstes zu würdigen. Die gebührende Berücksichtigung dieses Momentes für unser praktisches Handeln scheiterte aber mehr oder weniger an der bis in unsre Tage hinein verfolgten wissenschaftlichen Auffassung des Forstes als eines reinen Mittels zur Produktion. Aber auch hier dämmert schon ein neuer Morgen. Schon hat man angefangen auch den Schönheitsfaktor des Forstes tatsächlich mit unsrem Handeln zu verflechten. Gerade der Forst ist ja ein ganz ausschlaggebender Fak- tor für das Landschaftsbild und seine Schönheit. Und weil wir — das muß im ganzen Verlauf dieser Untersuchung im- mer und immer wieder hervorgehoben und unterstrichen wer- den —, weil wir unser Handeln immer im Zusammenhang mit dem ganzen Kulturleben unsres Volkes betrachten müssen, deshalb dürfen wir auch die Bedeutung, die der Forst für die Schönheit der Landschaft besitzt, unter keinen Umständen bei der Berücksichtigung der Vorbedingungen unsres Handelns unbeachtet lassen. Wir müssen sie vielmehr von vornherein mitbestimmend auf unsre Norm einwirken lassen. Der Forst ist und bleibt in erster Linie Mittel zur Pro- duktion forstwirtschaftlicher Güter. Das darf nicht aus dem Auge gelassen werden. Aber auch seine hohe Bedeutung für die Schönheit des Landschaftsbildes darf unter keinen Um- ständen vernachlässigt werden. Die technische Idee und die künstlerische Idee streben ganz verschiedene Ziele an. Die gerechte Abwägung und Berücksichtigung beider muß unsre Aufgabe sein. Der Forst kann und darf nur verschönt werden, ohne daß sein Nutz- zweck aufgegeben wird, er kann vielmehr nur in der Forde- rung dieses Nutzzweckes verschönert werden. Man hat nun zwar die hier in Betracht kommenden RBB Grundsätze, wie schon oben bemerkt wurde, analog den staats- wissenschaftlichen Prinzipien in einer besonderen Disziplin, der sogen. „Forst-Aesthetik“ vereinigt und zusammengestellt, sie aber nicht als Grundlage unsrer Norm von vornherein diese beeinflussen lassen, sondern die sie bergende Disziplin, mit der man systematisch nichts anzufangen wußte, als Eigen- disziplin außerhalb des Rahmens unsrer Wissenschaft gestellt. In einer in der Silva (Jahrg. 1916, Heft 38) veröffent- lichten Abhandlung habe ich den Namen „Forst-Aesthetik* für den in Frage kommenden Wissenskomplex beanstandet. Die Anhänger dieser Bezeichnung messen der Erkenntnis des Wesens der Forstschönheit eine größere Bedeutung zu als der verschönernden Tätigkeit selbst. Kein Wunder, daß sie sich nicht für den Ausdruck „Forst-Kunstwissenschaft“ erwärmen können und das Symbol „Forst-Aesthetik“ als Oberbegriff für den ganzen Wissenskomplex vorziehen. Von MANMEN kommt mir zwar insofern entgegen, als er die Berechtigung einer „Forst- Kunstwissenschaft* neben der Forst-Aesthetik anerkennt, er neigt aber dazu, dieser den Vorrang einzuräumen und kommt so zu dem Schluß, daß es besser sei, den Ausdruck Forst- Aestnetik als umfassendes Begriffs-Symbol für die beiden bei- zubehalten. Er möge indes bedenken, daß uns handelnden Forstwirten vor allem an der verschönernden Tätigkeit selbst gelegen sein muß. Das Wollen ist es, welches unsrer Wissen- schaft den Stempel aufdrückt und nicht das Fühlen. Das Fühlen muß zwar im vorliegenden Falle die notwendige Grund- lage unsres Wollens bilden, es ist aber nicht die Hauptsache, es ist nur eine, allerdings nicht zu entbehrende, Vorunter- suchung für das verschönernde Wollen. Man prägt den Namen eines Wissenskomplexes nach seinem ureigentlichen (segenstand und nicht nach dessen Vorbedingungen. Deshalb darf man auch das in Frage stehende Wissenschaftsgefüge nicht Forst-Aesthetik, sondern muß es Forst-Kunstwissen- schaft nennen. Has ; of Eh 7 De Wie aber steht es um die systematische Stellung dieser forstkunstwissenschaftlichen Prinzipien im Rahmen des Sy- stems unsrer Wissenschaft? Sowohl WarpEs als auch voN MANMEN sind der Ansicht, daß sie nicht im System unsrer Wissenschaft untergebracht werden könnten. Ist dies möglich’? Sollte wirklich eine notwendige Grundlage und Vorbedingung unsrer Wissenschaft in ihr keine Daseinsberechtigung haben ? Mit den kunstwissenschaftlichen Prinzipien hat es eine ähnliche Bewandtnis wie mit den staatswissenschaftlichen Leitlinien. Auch sie bilden einen Berührungsstreifen unsrer Wissenschaft mit einer anderen Wissenschaft, in diesem Falle mit der Landschafts-Kunstwissenschaft. Die Landschafts-Kunstwissenschaft ist die Wissenschaft, welche die schöne Ausgestaltung der ganzen Landschaft, der ganzen Natur zum Gegenstande und zur Aufgabe hat. Die schöne Ausgestaltung des Forstes bildet deshalb auch einen wichtigen Bruchteil ihrer Aufgabe. Damit tritt der Forst, den wir bisher nur als Gegenstand naturwissenschaftlicher Erkenntnis und als ein Mittel des produktiven forstwirtschaft- lichen Handelns kennen gelernt hatten, auch in den Bereich des Handelns des Landverschönerers. Auch ihm ist der Forst ein Mittel, nämlich das Mittel zur Verschönerung der ‚Landschaft. Aber auch hier muß der Forstwirt, in dessen Händen ja die ganze Aus- und Umgestaltung des Waldes liegt, dem, durch den Staat und seine Gesetze eine berechtigte Unter- stützung findenden, Zwange des Landverschönerers wieder zu- vorkommen, indem er auch diesen Zwang, wie den staats- wissenschaftlichen im allgemeinen, dadurch, daß er den land- schafts-kunstwissenschaftlichen Prinzipien von vornherein eine gewisse Einwirkung auf die Norm seines Handelns zugesteht, in eine selbständige Freiheit umwandelt. So wird der Forst, der ihm bis jetzt nur ein Mittel seines produktiven Handelns war, auch für ihn ein Mittel zur Ver- N ER EN schönerung der Landschaft im Interesse des Allgemeinwohls. Und die Wissenschaft, welche seine Verschönerung zum Ge- genstand hat, wird damit ein immanenter Bestandteil seiner eigenen Wissenschaft, der Forstwirtschafts- Wissenschaft. Das Wissensgefüge, welches die Verschönerung des For- stes zur Aufgabe hat, bildet also sowohl einen Bestandteil der Landschafts-Kunstwissenschaft, als auch einen Teil der Forstwirtschafts- Wissenschaft, d. h. es macht einen Berüh- rungsstreifen beider Wissenschaften aus. Vom rein landschaftskunstwissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet bildet es ohne Zweifel einen Teil der Land- schaftskunstwissenschaft. Sieht man es aber unter forstwirt- schaftswissenschaftlichem Gesichtswinkel, so wird es ein Glied unsrer Wissenschaft. 2. Kapitel. Die Norm oder die Forstwirt- schaft der Idee. Die Forstwirtschaft der Idee ist das Endziel, in dem unsre ganze wissenschaftliche Forschung gipfelt, sie ist die Krönung unsrer ganzen wissenschaftlichen Bestrebungen. Sie bildet den mächtigen, von den beiden organisch mit ihm verwachsenen Seitenflügeln der theoretisch-wissenschaft- lichen Grundlagen und der Forstwirtschaft der Praxis-flankier- ten Hauptbau unsres Wissensgebäudes. Die beiden Seitenflügel sind mit dem Hauptbau zu einem harmonisch gegliederten architektonischen Ganzen verbunden und erzeugen erst in ihrer unzertrennlichen Verschmelzung mit dem Mittelbau die wahre Einheit und Einheitlichkeit des ganzen Baues, Ihre methodische Bedeutung für das Ganze aber ist grundverschieden. Normerzeugende und bildende Kraft haben — wie wir schon wissen — allein die theoretisch-wissenschaftlichen Grund- lagen. — 5 — Die Forstwirtschaft der Praxis, unter der nicht jedes beliebige Tun, sondern nur diejenige Zweckhandlung zu ver- stehen ist, welche als Befolgung der allgemeinen Anweisung der Norm gedacht wird, kann als ein Kind und ein Ausfluß der Norm selbstverständlich keine normerzeugende Kraft haben. Sie übt zwar einen rückwirkenden Einfluß auf ihre Erzeugerin aus, dieser erschöpft sich aber in einer lediglich kontrollierenden Wirkung ihrer praktischen Erfahrung auf die Forstwirtschaft der Idee. Ihre Betrachtung wurde deshalb mit Fug und Recht im System unsrer Wissenschaft, als drittes Hauptglied derselben, hinter die Norm gestellt. Wir haben es also hier, unter vorläufiger Außeracht- lassung des Korrektionsfaktors der praktisch forstwirtschaft- lichen Erfahrung, ausschließlich mit der Zusammenschmelzung aller derjenigen Abhängigkeitsverhältnisse zu tun, in denen die Forstwirtschaft der Idee zu ihren, sie allein erzeugenden und aufbauenden, theoretisch-wissenschaftlichen Grundlagen steht. Sie sollen in der Norm auf eine einheitliche Formel gebracht werden. Keine der Grundlagen darf für sich allein wirken. Es muß ein Zusammenwirken, ein Ineinanderwirken aller erreicht werden. Das wird erreicht durch die Norm. In ihr verlieren die Grundlagen ihre Eigenexistenz, in ihr gehen sie in ihrem Zusammenwirken auf. Die Norm ist der Schmelztiegel, in dem alles grund- legende, aufbauende Wissen der Voruntersuchung zu der Ein- heit geführt und geläutert wird, in der und durch die es erst für die Praxis wirksam werden kann. Sie ist das Netz, das die methodische Grundidee unsrer Wissenschaft auswirft über alles, was mit dem forstwirtschaftlichen Handeln zusammen- hängt und in Beziehung steht. Mit ihr wird — mathematisch ausgedrückt — die „Funktion“ aller für die ideale Forst- wirtschaft in Betracht kommenden meßbaren und schätzbaren Größen gesetzt, die durch sie in ihrer gegenseitigen Abhängig- Eh) ee keit erfaßt und festgelegt werden. Die Norm ist nichts an- deres als der Versuch eines vermittelnden Ausgleiches all’ dieser grundlegenden Momente. Alle diese Anteile der Er- kenntnis erzeugen erst in ihrer Vereinigung die Einheit des Gegenstandes unsrer Wissenschaft. Sie sind zwar nicht alle von gleicher Bedeutung für diesen — die privatwirt- schaftswissenschaftlichen bilden ja, wie wir gesehen haben, gleichsam das Zentrum, um das sich alle anderen kristalli- sieren, — aber sie sind alle in ihrer Vereinigung notwendig zur Erzeugung des einheitlichen Gegenstandes unsrer Wissen- schaft. Das Ideal, welches die Wissenschaft auf der Basis der jeweiligen Erkenntnis der Grundlagen aufstellt, kann natür- lich keine absolute Geltung für sich in Anspruch nehmen. Der Kompaß, nach dem wir das Schiff unsrer Wissenschaft steuern müssen, das methodische Prinzip unsrer Wissenschaft, das eben auf der Vermittlung zwischen den verschiedenartigen Elementen der Grundlagen beruht, wird zwar immer gleich bleiben. Es ist das bleibende, ewige Prinzip unsrer Wissen- schaft, ihr fester ruhender Pol, der immer Ausgangspunkt all’ ihrer Bestrebungen sein und bleiben muß. Diese Erkenntnis, die bisher noch nicht mit Bewußtheit ausgesprochen wurde, bildet den Mittelpunkt und Kern der ganzen hier entstehen- den Arbeit. Sie ist es auch vornehmlich, welche den hier dargelegten Grundlinien der Forstwirtschafts-Philosophie den Stempel einer neuen Grundlegung unsrer Wissenschaft auf- drückt. Das methodische Prinzip steht, wie wir sahen, fest, seine Formulierungen aber wandeln sich, seine von den Kategorien Zeit und Raum abhängige Ausgestaltung unterliegt mannig- fachen Veränderungen. Die stetige Entwicklung der wissen- schaftlichen Erforschung der Grundlagen gebärt dauernd neue Formen der Norm und die eigenartigen Natur- und Kultur- Verhältnisse in verschiedenen Erdteilen, Ländern und Staaten a erzeugen eine Blütenlese der unterschiedlichsten Ausformungen der Forstwirtschaft der Idee. In dieser Verschiedenartigkeit der grundlegenden natur-, willens-, und kunstwissenschaftlichen Verhältnisse liegt auch die Gebundenheit der Norm an einzelne Abschnitte der Erd- oberfläche und an die menschlichen Staatenbildungen, und damit die Schwierigkeit der Aufstellung einer weltgültigen internationalen Forstwirtschafts-Wissenschaft begründet. Es soll zwar nicht geleugnet werden, daß die Begrün- dung einer solchen internationalen Forstwirtschafts- Wissen- schaft durchaus im Bereiche der Möglichkeit liegt. Es ist jedoch sehr fraglich, ob eine solche, durch Verallgemeinerung der nationalen Forstwirtschafts- Wissenschaften entstandene, welt- gültige Forstwirtschafts- Wissenschaft mit der gähnenden Leere ihrer ganzen Abstraktheit überhaupt eine praktische Bedeu- tung erlangen kann. Hier stehen wir vor einem bedeutsamen und dabei sehr interessanten und zeitgemäßen Problem, das leider in dem . engbegrenzten Rahmen dieser Schrift nicht weiter erörtert werden kann. Das forstwirtschaftliche Handeln ist wie jegliches Handeln gebunden an seinen Träger und Urheber, an die handelnde Person, d.h. an den idealen Forstwirt, dessen zielbewußtes plan- mäßiges Denken und Wollen ja die Voraussetzung der Auf- stellung einer Norm ist. Aus dieser Erwägung entspringt die Einteilung der Forst- wirtschaft der Idee in zwei Hauptteile, von denen sich der erste mit ihrem idealen Träger, dem idealen Forstwirt, und der zweite mit dem idealen forstwirtschaftlichen Handeln selbst befaßt. I. Teil. Derideale Forstwirt und seine Hilfs- organe. Das Subjekt des idealen forstwirtschaftlichen Handelns ist der ideale Forstwirt. In seiner Person wird der Gegensatz, der zwischen dem isoliert gedachten „homo foresticus“ und der Allheit alier Volks- und Rechtsgenossen besteht, aufgehoben. Dadurch wird seine Person zu einer idealen Person. Die Erkenntnis, daß er nicht nur Privatwirt, sondern auch Glied einer Ge- meinwirtschaft von Volksgenossen, Rechtsgenosse eines Staates und verantwortlicher Förderer der Landschaftsschönheit ist, läßt den Forstwirt zu der sittlichen Höhe eines idealen Forst- wirts hinanreifen. Zu seinem Handeln benötigt der ideale Forstwirt einen Stab von Hilfsorganen. Wir werden gleich sehen, daß sich sein Handeln in drei Hauptmomente zergliedern läßt, in die ideale Produktion, die ideale Verwertung und die ideale Ab- gleichung. Den ganzen Apparat von idealen Hilfskräften und deren Organisation hat man bisher in unsrer Wissenschaft in der sogen. „Forstverwaltungslehre* zur Darstellung zu bringen versucht. Wie die Ausdrücke „Forstwissenschaft“ und „Forstge- schichte“, so entspricht auch dieser Titel durchaus nicht dem (zegenstande, den er bezeichnen soll. Die Verwaltung des Forstes macht nur einen Bruchteil des forstwirtschaftlichen Handelns aus, das, — wie wir ja wissen — in der Erzeugung und rentablen Verwertung von forstwirtschaftlichen Gütern besteht. Nicht nur für die Pro- duktion, von der die Forstverwaltung genau genommen nur einen Teil bildet, sondern auch für die Verwertung und die Abgleichung bedarf der ideale Forstwirt besonderer Hilfs- organe. Die zur Verwertung und Abgleichung dienenden en Organe kann man aber unmöglich als Forstverwaltungsorgane bezeichnen. Die Erziehung und Pflege des Forstes ist ja nicht das Endziel unseres Handelns. Der Forst ist vielmehr in der Hauptsache für uns nur ein Mittel zum Zweck der Produk- tion forstwirtschaftlicher Güter. Wir sind nicht Verwalter, sondern Wirtschafter. Darum wäre es an der Zeit, dab auch dieser sinnwidrige und längst veraltete Titel „Forstver- waltungslehre“, dessen eigensinniges Festhalten unrettbar zu Begriffsverwirrungen führen muß, endlich einmal aus unsrer Wissenschaft verschwände. II. Teile. Dasideale forstwirtschaftliche Handeln selbst. Das ideale forstwirtschaftliche Handeln soll das Muster- bild der forstwirtschaftlichen Praxis sein. Sein Haupteintei- lungsprinzip ergibt sich aus der zweckmäßigsten Reihenfolge seiner einzelnen Handelns-Momente. Sämtliche durch Ver- schmelzung der Grundlagen gewonnenen Erkenntnisse müssen auf die Schnur dieser idealen Folge eingereiht werden. Wie das praktische Handeln nichts als ein Ausfiuß des idealen Handelns ist, so muß auch die praktische Folge des Handelns als etwas Sekundäres, als ein Produkt der idealen Folge des Handelns angesehen werden. Aber auch hier darf der kor- rigierende Einfluß der praktischen Folge auf die ideale Folge nicht außer acht gelassen werden, d. h. die ideale Folge muß immer ihre Anwendbarkeit auf die praktische Ausführung im Auge behalten. Auf dieses Einteilungsprinzip des forstwirtschaftlichen Handelns nach seiner idealen Folge stützen sich schon die ältesten Werke unsrer Wissenschaft. Die Systeme von MOSER, GLEDITSCH, JUNG u. a. sind ja — um den WAPPES’schen Ausdruck zu gebrauchen .— reine Lehrsysteme, d. h. die Re et) Wissenschaft, die sie lehren, ist reine Norm, reine Forstwirt- schaft der Idee. In dieser ausschließlich erschöpfen sich alle jene Systeme. Auf die Bedeutung des genannten Enteilungsprinzips hat schon JUNG in seinem „Versuch eines Lehrbuches der Forstwirtschaft“ (Mannheim und Lautern 1781) hingewiesen. Der Grundsatz, nach dem er sein System aufgestellt hat, ist aus dem Inhalt des $ 14 ersichtlich. Dort sagt er: „Wissen- schaftliche Ordnung nenne ich, wenn die Heischesätze so nacheinander folgen und vorgetragen werden, wie es die Na- tur der besten praktischen Ausführung mit sich bringt; denn die Natur der Sache weist immer am besten den Weg, was zuerst, was hernach und was zuletzt getan werden muß. Ich gründe daher am liebsten die wissenschaftliche Ordnung auf praktische Erfahrungen und diesem Grundsatz suche ich auch in der Forstwirtschaft zu folgen.“ Man sieht, für JUNG war unsre Wissenschaft auch Norm, . die etwas heischte, etwas vorschrieb. JUNG täuscht sich je- doch, wenn er die beste praktische Ausführung als ein Re- sultat praktischer Erfahrungen hinstellt. Die beste praktische Ausführung ist ja nichts anderes als die idealste, d. h. die der Norm am nächsten kommende, zweckmäßigste Ausführung. Auch die von JunG als Einteilungsprinzip verwertete Folge des Handelns ist durchaus nicht ein Produkt rein praktischer Erfahrung, sie ist vielmehr eine, wenn auch unbewußt durch theoretische Erkenntnisgrundlagen schon gefärbte Folge, die schon Produkt rein wissenschaftlicher Arbeit, also schon ein Stück Norm ist. Ein besserer Einteilungsgrund als seine ideale Folge kann für die systematische Zergliederung des idealen forstwirtschaft- lichen Handelns nicht gefunden werden. In der Literatur fehlt es aber nicht an Versuchen, den Stoff der überkommenen normativen Forstwissenschaft auch nach anderen Prinzipien zu ordnen. er So hat 1858 THEODOR HARTIG in seinem Werke: „System und Anleitung zum Studium der Forstwirtschaftslehre“ den Vor- schlag gemacht, neben die alte Fünfteilung des Stoffes, wie sie sein Vater GEORG LuDwIG HARTIG in seinem „Lehrbuch für Förster“ (Stuttgart 1808) eingeführt hatte, noch eine andere, nach Baum, Bestand und Wald geordnete Einteilung zu stellen. Wenn man unsre Wissenschaft auf eine wissen- schaftliche Behandlung dieser drei Gegenstände: Baum, Be- stand und Wald beschränken würde, so würde man sie zu einer reinen Naturwissenschaft machen, damit aber den ihr eigentümlichen Sondercharakter einer Willenswissenschaftdurch- aus verkennen. Neuerdings hat JusovITz („Eine Lanze für die Vorherr- schaft der Produktionslehre in der Forstwissenschaft“, Ar- tikel im „Zentralblatt für das gesamte Forstwesen“, 8. und 9. Heft, Wien 1908) eine Einteilung des gesamten Stoffes nach den Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft in Vor- schlag gebracht: A. Forstliche Produktionslehre im Allgemeinen. I. Die Organisation der Forstgewächse als Pro- duktionsfaktor. II. Der Standort als Produktionsfaktor. III. Die Wechselbeziehungen zwischen den beiden genannten Produktionsfaktoren. IV. Das Holz als Hauptprodukt dieser Wechselbe- ziehung. B. Produktionslehre im Speziellen (im alten Sinne). V. Die Arbeit als Produktionsfaktor in der Forst- wirtschaft. C. Betriebslehre im älteren Sinne, VI. Das Kapital als Produktionsfaktor. VII. Arbeit und Kapital in ihren Wechselbeziehungen. „Die Besprechung der beiden ersten Produktionsfaktoren — Forstgewächs und Standort — würde das Walten der Natur Weber, Grundlinien einer neuen Forstwirtschafts-Philosophie, 5 ZT EB im Bestandesleben und in der Forstwirtschaft überhaupt, die Darstellung der Arbeit und des Kapitales als Erzeugungs- kräfte das Schaffen des Menschen im Forstbetrieb aufrollen.“ Man kann JUGOVITZ nur beistimmen, wenn er die Tren- nung einer forstlichen Betriebslehre von der forstlichen Pro- duktionslehre für gewaltsam und unrichtig hält. Denn, so führt er Seite 335 aus: „Die wesentlichste Leistung und Dar- stellung der Arbeit in der Produktionslehre, sei es Nutzung, Begründung, oder Pflege und Schutz des Bestandes“, ist „schließlich und endlich nichts anderes als Betrieb, bzw. Be- triebslehre “. „Und wir treffen mehrfach in der Literatur, auch in der neuesten, den Begriff der Betriebslehre über das Gebiet der Produktionslehre hin ausgedehnt, wie es nur recht und billig ist. Die heute beliebte Verwendung des Namens Produktions- lehre im Gegensatze zur Betriebslehre bleibt eben eine künst- liche Trennung des großen, den Betrieb in sich schließenden, Feldes forstlicher Produktion.“ Aber JuGovITz vergißt ganz, daß der Forstwirt, dessen Handeln ja erst mit Einnahme des Tauschmittels „Geld“ seinen Abschluß erhält, das gewonnene Produkt (Holz ete.) auch verwerten muß, und daß diese Verwertungstätigkeit ebenso wichtig für jeden selbst produzierenden Privatwirtschafter ist, wie die Produktion auch. Deshalb ist es nicht angebracht, unsre Wissenschaft als eine ausschließliche Behandlung der Produktion anzusehen und die Verwertung ganz außer acht zu lassen. Schon aus diesem Grunde kann der von JUGOVITZ vorgeschlagene Einteilungsgrund nach Produktionsfaktoren nicht als geeignet angesehen werden. Alle mit einem andern Einteilungsprinzip als der idealen Folge des Handelns arbeitenden Versuche verkennen das ur- eigentlichste Wesen des forstwirtschaftlichen Handelns und da- mit unsrer Wissenschaft überhaupt. Hierin liegt auch der tiefere Grund dafür, daß sie so wenig Anklang gefunden haben. er a 2 Das ideale forstwirtschaftliche Handeln wäre also zu- nächst einmal genauer zu analysieren und in seine Bestand- teile zu zerlegen. Die auch von JUGOVITZ vertretene Richtung, welche die Fortwirtschaft fälschlich mit Holz-, bzw. Forstprodukten- Produktion identifiziert, die Holzverwertung aber ganz außer acht läßt, wurde schon oben als unzulänglich ausgeschaltet. In jeder selbst produzierenden privaten Erwerbswirtschaft kann man drei Hauptmomente des Handels unterscheiden: I. Die Produktion der Güter. II. Die Verwertung der Güter und III. Die Abgleichung (Fazit aus I und II). Auch das forstwirtschaftliche Handeln ist eine selbst produzierende private Erwerbswirtschaft und läßt sich als solche zergliedern in: 1. Die ideale Produktion der forstwirtschaft- lichen Güter i. w. 8. 2. Die ideale Verwertung der forstwirtschaft- lichen Güter. 3. Die ideale Abgleichung. Die ideale Produktion und die ideale Ver- wertung sind die äußerlich am deutlichsten in Erscheinung tretenden Auszweigungen der idealen Forstwirtschaft. Zwischen beiden zu vermitteln, das ist die Aufgabe der Abgleichung. Die ideale Abgleichung steht mit den beiden genannten Ausstrahlungen in dauernder Wechselbe- ziehung. Ihr Resultat beeinflußt diese und entscheidet rück- wirkend über ihren Charakter. Sie liefert die zahlenmäßigen Unterlagen für die Aufstellung der Forstwirtschaftstheorie überhaupt. Die Wirtschaftstheorie der „Bodenreinertragslehre“ ist in ihrer jetzigen Ausgestaltung der korrekte mathematische Aus- druck für das Handeln einer rein privatwirtschaftlich aufge- faßten Forstwirtschaft, welche nur solche Ausgaben und Kosten 5*+ Be als produktiv ansieht, denen auf der Einnahmeseite faßbare materielle Geldwerte gegenüberstehen. Durch die Berücksichtigung volkswirtschafts-, staats- und kunstwissenschaftlicher Faktoren wird aber unsere Wirtschaft in die Lage versetzt, auf der Einnahmeseite auch nicht meß- und faßbare, der Allgemeinheit zugute kommende Impondera- bilien mit in Kauf zu nehmen, für deren Erreichung sie Aus- gaben und Kosten auf sich zu nehmen hat. Man sieht, daß die Bodenreinertragslehre auch sehr wohl der Handelns-Norm einer Forstwirtschaft von Rechtsgenossen gerecht werden kann, wenn sie sich mit der Tatsache ab- findet, daß einem Teil der gemachten Ausgaben auf der Ein- nahmeseite ein rein imponderabiler Entgelt entspricht und wenn sie sich durch die hierdurch bedingten veränderten Er- gebnisse ihrer Berechnungen nicht irre machen läßt. Und sie kann und darf sich dadurch nicht irre machen lassen. Denn wenn man schon einmal den Anspruch der volkswirtschafts-, staats- und kunstwissenschaftlichen Prinzi- pien anerkennt, dann muß man auch die Aufrichtigkeit haben, ihn in den Formeln und Berechnungen der Forstwirtschafts- theorie auch tatsächlich zur Geltung zu bringen. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben des Neubaues unsrer Wissenschaft sein, aus der Bodenreinertragstheorie in diesem Sinne weitere Folgerungen zu ziehen. Nur eine kleinliche Krämerseele kann sich gegen eine Forstwirtschaftstheorie in dem hier angedeuteten Sinne sträu- ben, eine Krämerseele, die nur die Holzerzeugung als eine produktive Tätigkeit gelten läßt, der aber alle Arbeit für die Wohlfahrt ihres Volkes und Vaterlandes und für die Schön- heit unsrer Forsten als durchaus unproduktiv gilt, die eine echte Kontor- oder Kaufmannstheorie vorzieht, weil ihr ethische oder ästhetische Werte gleichgültig sind. Auf diese Krämerseelen passen die Mephisto- Worte: ee TA „Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar, Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr sei nicht wahr, Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht, Was ihr nicht münzt, das meint ihr gelte nicht.“ Die Norm unsres Handelns, die Forstwirtschaftstheorie ist, wie oben schon kurz angedeutet wurde, nichts anderes als die Funktion aller ihrer grundlegenden Faktoren und kann also ganz allgemein durch folgende mathematische For- mel ansgedrück werden: FE. WeX, Y 2). In dieser Formel bedeutet: y Die Norm oder Fortswirtschaftstheorie, u die naturwissenschaftlich-mathematischen Faktoren, v die naturwissenschaftlich-biologischen Faktoren, w die privatwirtschaftswissenschaftlichen Faktoren, x die volkswirtschaftswissenschaftlichen Faktoren, y die staatswissenschaftlichen Faktoren, z die kunstwissenschaftlichen Faktoren. Diese Formel will nichts weiter als eine Erläuterung des Abhängigkeitsverhältnisses geben, in dem unsere Norm zu ihren grundlegenden Weisern steht. 1. Die ideale Produktion der forstwirtschaft- lichen Güter i. w. 8. a) Das ideale Mittel der idealen Produktion, der ideale Forst. Wir sahen schon oben, daß der Forst nicht aufgefaßt werden darf als ein Naturfond, der vom Menschen zu ver- walten ist. Er ist nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck. Und zwar in erster Linie Mittel zum Zweck der Produktion der forstwirtschaftlichen Güter. Die Bedürfnisbefriedigung aller Volksgenossen mit forst- wirtschaftlichen Gütern bildet neben der Gewinnung eines Er TR möglichst hohen Reinertrages für den einzelnen Forstwirt das vornehmlichste Ziel alles forstwirtschaftlichen Handelns. Dem Zwecke der Produktion tritt der Zweck der Landschaftsver- schönerung, die wie schon ausgeführt wurde, ebenfalls den Forst als Mittel benützt, ergänzend zur Seite. Wir bringen uns das Gebilde des idalen Forstes an- schaulich näher wenn wir es — von dem Zweck der Land- schaftsverschönerung vorläufig einmal abgesehen — als eine „Fabrik“ auffassen. Der Forst ist die automatisch laufende Fabrik, deren sich der Forstwirt zur Erzeugung der forstwirtschaftlichen Güter bedient. Die Fabrik Forst läuft von selbst, d. h. die zu ihrem Antrieb und Gange notwendigen Energien und Stoffe fließen ihr ohne Zutun des Menschen aus Sonne, Atmosphäre und Boden zu. Sie ist ein in ihrer Substanz ewig wechseln- des perpetuum mobile. Der Forstwirt hat ihr gegenüber nur die Aufgabe eines Leiters zu versehen, er hat den Wechsel der Substanz zu beaufsichtigen und zu fördern, er hat die Fabrik zu bedienen. Alle Mittel unsres Zielwillens sind ja letzten Endes nichts anderes als Maschinen, und so kann denn auch der Forst als eine Maschine, eine Fabrik, als ein Werkzeug unsres, in erster Linie auf die Produktion forstwirtschaftlicher Güter gerichteten, Willens aufgefaßt werden. Der Forstwirt gestaltet den von Urzeiten her bestehen- den, ohne menschliches Zutun entstandenen Wald nach einer prospektiven Zweckidee zum Wirtschaftswalde, zum Forst um. Das ist die Tätigkeit des Forstwirts, die man in unsrer Wissenschaft als Forsteinrichtung bezeichnet. Dieser Aufbau, diese Konstruktion des idealen Forstes aus dem vorgefundenen Naturwalde ist nichts anderes als „Lechnik“. Technik ist nicht ein Gegensatz zur Wirt- schaft. Sie ist vielmehr eine besondere Art, ein besonderes a ZERER Moment der Wirtschaft, wie die Erzeugung, die Verwertung und der Handel. Alle Forsteinrichtungstheorien sind Hypo- thesen, sind Ideen, für die es ein Kongruierendes in der Sinnenwelt des äußeren Daseins nicht gibt. Sie sind Idealbilder des Forstes, verschiedenartige Ausprägungen des idealen Forstes. In ihnen schimmert so recht deutlich der Normcharakter unsrer gesamten Wissenschaft durch. In dem Aufbau des idealen Forstes und durch den Auf- bau desselben setzt der Forstwirt seinen eigenen Willen den Naturgewalten gegenüber durch. Sein nach der Verkörpe- rung der Idee der Freiheit strebender Wille ist es, der ihn zum Aufbau des idealen Forstes treibt. Dieser ist nicht etwa eine Nachbildung der Natur. Im Gegenteil er ist eine vom Willen geforderte Hinaufbildung derselben. b) Die ideale Produktion i. w. S. selbst. zerfällt wieder in: den Forstbetrieb und die ideale Produktion i. eng. 8. Der Forstbetrieb ı. w. S. Die Erfindung des idealen Forstes, wie sie sich in der Forsteinrichtung geltend macht, ist Technik. Der seinem Zweck entsprechende Gebrauch des Forstes dagegen ist Indu- strie. Mit dem Aufbau der Fabrik ist es nicht getan, sie muß auch in Betrieb gesetzt und gehalten werden. Die Forstbetriebslehre in dem hier angedeuteten Sinne darf nicht verwechselt werden mit dem Wissensgefüge, das man bisher in unsrer Wissenschaft als Betriebslehre bezeichnete und von dem oben schon die Rede war. Hierher gehört nicht nur der Betrieb, d. h. die Be- aufsichtigung- und Leitung der Fabrik Forst, also das, was Su ee man bisher „Waldbau“ nannte, sondern auch alle Maß- nahmen, die den Schutz und die Sicherheit der Fabrik Forst gegen widerliche äußere Einflüsse im Auge haben, also das, was man allgemein „Forstschutz“ nennt, aber wohlver- standen nicht in seinem ganzen Umfange (siehe z. B. Forst- schutz von HEss), sondern nur der normative Teil derselben. Der Forstbetrieb i. w. S. zerfällt also wieder in: 1. Den Forstbetrieb i. eng. 8. und 2. Den Forstschutz. Der Forstbetrieb i. eng. 8. ist nichts anderes als die Lehre der verschiedenen Betriebssysteme oder Arten der Fabrik Forst, d. h. sie ist identisch mit dem normativen Teil des alten „Waldbaus“. Bisher pflegte man meist diesem normativen Teil auch noch seine naturwissenschaftlichen Grundlagen (aber wohlge- merkt nur diese und nicht etwa auch die anderen ihn be- dingenden Grundlagen) vorauszuschicken und sah diese als einen immanenten Teil der Lehre vom Waldbau an. So befürwortet z. B. ADOLF ÜIESLAR in seinen: „Be- trachtungen über die Waldbaulehre“ (Abh. in der: „Land- und Forstwirtschaftlichen Unterrichtszeitung“, S. 33-50 und 175—189, XXI. Jahrg. Wien 1907) eine gemeinsame Abhand- lung der waldbaulichen Normen und Regeln mit den Grund- lagen, auf denen diese aufgebaut sind. Als Grundlagen des Waldbaus berücksichtigt er ausschließlich die naturwissen - schaftlichen. Wir wissen aber, daß zur Aufstellung von An- weisungen für den Betrieb des Forstes auch willens- und kunst- wissenschaftliche Grundlagen erforderlich sind. Die Lehre vom Forstbetrieb oder Waldbau ist keineswegs nur angewandte Naturwissenschaft. Der Wirtschaftswald ist ein von natur-, willens- und kunstwissenschaftlichen Faktoren beeinflußtes Produkt des menschlichen Willens und kann folglich auch kein Problem für eine Naturwissenschaft sein. Aber ganz abgesehen davon, es ist überhaupt noch eine a ee große Frage, ob eine gemeinsame Abhandlung der normativen Anweisungen des Forstbetriebs mit ihren Grundlagen empfehlens- wert ist. Für die umfassende Darstellung unsrer Wissenschaft in ihrer Gesamtheit und Einheit ist diese Art der Behandlung ganz entschieden abzulehnen. Erst müssen sämtliche Grund- lagen der gesamten Norm abgehandelt werden, dann kann erst auf ihrer Basis die Norm selbst aufgebaut werden. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß sich der Lehrgang unsrer Wissenschaft nun auch sklavisch an die logische Folge des einheitlichen Systems unsrer Wissenschaft anklammern müsse. Aus pädagogischen und heuristischen Gründen kann unter Umständen auch eine andere Folge bzw. eine Wieder- holung der besonders in Betracht kommenden Grundlagen vor dem Vortrag der besonderen Teile der Norm als zweckmäßig erscheinen. Dann müssen aber unter allen Umständen auch alle in Betracht kommenden Grundlagen berücksichtigt wer- den. Doch das muß ganz dem Ermessen der einzelnen Lehrer anheimgestellt bleiben. Wissenschaftliche Forschung und Un- terricht dürfen nicht miteinander verquickt werden. Es ist ein anderes, den Bau einer Wissenschaft aufrichten und ein an- deres diese Wissenschaft lehren. B. Die ideale Produktioni. eng. 8. Besondere Erzeugung der forstwirtschaftlichen Güter, Ge- winnung, Fällungs- und Ausformungsbetrieb des Holzes, Rücken des Holzes. Gewinnung der übrigen forstwirtschaftlichen Güter. Die ideale Produktion i. eng. S. wurde bisher als ein Glied der sog. „Forstbenutzung“ angesehen. 2. Dieideale Verwertung derforstwirtschaft- lichen Güter. Transport des Holzes und der anderen Güter, Bearbei- tung, Verwendung und Auflösung des Holzes (Forstwirtschaft- liche Technologie), Abgabe, Verwertung und Verkauf des BR ae Holzes und der anderen Güter. Auch dieser Teil bildete bis- her ein Glied der sog. „Forstbenutzung“. 3. Die ideale Abgleichung. Forstwirtschaftswissenschaftliche Rentabilitätsrechnung, incl. Wertrechnung der forstwirtschaftlichen Güter und der Fabrik Forst. Auf den Einfluß, den die ideale Abgleichung auf die Forst- wirtschaftstheorie hat, wurde oben schon hingewiesen. 3. Kapitel. Die Forstwirtschaft der Praxis. Die beschauliche Betrachtung der Forstwirtschaft in con- creto oder der Forstwirtschaft der Praxis macht das dritte und letzte Hauptglied des Systems unsrer Wissenschaft: aus. Die Theorie der forstwirtschaftlichen Norm ist uns ein „Inbegriff von praktischen Regeln‘, die als „Prinzipien in einer gewissen Allgemeinheit gedacht werden“, bei denen „von einer Menge Bedingungen abstrahiert wird, die doch auf ihre Aus- führung notwendig Einfluß haben“. Unter der forstwirtschaftlichen Praxis verstehen wir da- gegen „nicht jede Hantierung, sondern nur diejenige Bewir- kung eines Zweckes, welche als Befolgung gewisser im allge- meinen vorgestellten Prinzipien des Verfahrens gedacht wird.“ Das Verhältnis der Theorie zur Praxis im allgemei- nen hat KANT in seiner Abhandlung: „Ueber den Gemein- spruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis“ mit solcher Schärfe und Klarheit dargestellt, daß ich mir nicht versagen kann, die einleitenden Sätze dieser Abhandlung in ihrem vollen Wortlaut hier anzuführen. „Daß zwischen der Theorie und Praxis“, so sagt KANT, „noch ein Mittelglied der Verknüpfung und des Ueberganges von der einen zur anderen erfordert werde, die Theorie mag auch so vollständig sein, wie sie wolle, fällt in die Augen; denn zu dem Verstandesbegriffe, welcher die Regel enthält, BE |. muß ein Aktus der Urteilskraft hinzukommen, wodurch der Praktiker unterscheidet, ob etwas der Fall der Regel sei oder nicht; und da für die Urteilskraft nicht immer wiederum Re- geln gegeben werden können, wonach sie sich in der Sub- sumtion zu richten habe (weil das ins Unendliche gehen würde), so kann es Theoretiker geben, die in ihrem Leben nie prak- tisch werden können, weil es ihnen an Urteilskraft fehlt: z. B. Aerzte oder Rechtsgelehrte, die ihre Schule gut gemacht haben, die aber, wenn sieein Konsilium zu geben haben, nicht wissen, wie sie sich benehmen sollen. — Wo aber diese Naturgabe auch angetroffen wird, da kann es doch noch einen Mangel an Prämissen geben; d. i. die Theorie kann unvollständig und die Ergänzung derselben vielleicht nur durch noch anzustel- lende Versuche und’ Erfahrungen geschehen, von denen der aus seiner Schule kommende Arzt, Landwirt oder Kameralist sich neue Regeln abstrahieren und seine Theorie vollständig machen kann und soll. Da lag es dann nicht an der Theorie, wenn sie zur Praxis noch wenig taugte, sondern daran, dab nicht genug Theorie da war, welche der Mann von der Er- fahrung hätte lernen sollen, und welche wahre Theorie ist, wenn er sie gleich nicht von sich zu geben und als Lehrer in allgemeinen Sätzen systematisch vorzutragen imstande ist, folglich auf den Namen eines theoretischen Arztes, Landwirts u. dgl. keinen Anspruch machen kann. — Es kann also nie- mand sich für praktisch bewandert in einer Wissenschaft aus- geben und doch die Theorie verachten, ohne sich bloß zu . geben, daß er in seinem Fache Ignorant sei: indem er glaubt, durch Herumtappen in Versuchen und Erfahrungen, ohne sich gewisse Prinzipien (die eigentlich das ausmachen, was man Theorie nennt) zu sammeln und ohne sich ein Ganzes (welches, wenn dabei methodisch verfahren wird, System heißt) über sein Geschäft gedacht zu haben, weiter kommen zu können, als ihn die Theorie zu bringen vermag. Indes ist doch noch eher zu dulden, daß ein Unwissender ea 57052 die Theorie bei seiner vermeintlichen Praxis für unnötig und entbehrlich ausgebe, als daß ein Klügling sie und ihren Wert für die Schule (um etwa nur den Kopf zu üben) einräumt, dabei aber zugleich behauptet: daß es in der Praxis ganz an- ders laute; daß wenn man aus der Schule sich in die Welt begibt, man inne werde, leeren Idealen und philosophischen Träumen nachgegangen zu sein; mit einem Wort, daß, was in der Theorie sich gut hören läßt, für die Praxis von keiner Gültigkeit sei. Nun würde man den empirischen Maschinisten, welcher über die allgemeine Mechanik, oder den Artilleristen, welcher über die mathematische Lehre vom Bombenwurf so absprechen wollte, daß die Theorie davon zwar fein ausge- dacht, in der Praxis aber gar nicht gültig sei, weil bei der Ausübung die Erfahrung ganz andere Resultate gebe als die Theorie, nur belachen (denn wenn er zu der ersten noch die Theorie der Reibung, zur zweiten die des Widerstandes der Luft, mithin überhaupt nur noch mehr Theorie hinzukäme, so würden sie mit der Erfahrung gar wohl zusammenstimmen). Allein es hat doch eine ganz andere Bewandtnis mit einer Theorie, welche Gegenstände der Anschauung betrifft, als mit derje- nigen, in welcher diese nur durch Begriffe vorgestellt werden (mit Objekten der Mathematik und Objekten der Philosophie): welche letzteren vielleicht ganz wohl ohne Tadel (von seiten der Vernunft) gedacht, aber vielleicht gar nicht gegeben wer- den können, sondern wohl bloß leere Ideen sein mögen, von denen in der Praxis entweder gar kein, oder sogar ein ihr nachteiliger Gebrauch gemacht werden würde. Mithin könnte jener Gemeinspruch doch wohl in solchen Fällen seine gute Richtigkeit haben. Allein in einer Theorie, welche auf dem Pflichtbegriff gegründet ist, fällt die Besorgnis wegen der leeren Idealität dieses Begriffes ganz weg. Denn es würde nicht Pflicht sein, auf eine gewisse Wirkung unsres Willens auszugehen, wenn diese nicht auch in der Erfahrung (sie mag nun als vollendet a > RN oder der Vollendung sich immer annähernd gedacht werden) möglich wäre; und von dieser Art der Theorie ist in gegen- wärtiger Abhandlung nur die Rede. Denn von ihr wird zum Skandal der Philosophie nicht selten vorgeschützt, daß was in ihr richtig sein mag, doch für die Praxis ungültig sei: und zwar in einem vornehmen wegwerfenden Ton voll Anmaßung, die Vernunft selbst in dem, worin sie ihre höchste Ehre setzt, durch Erfahrung reformieren zu wollen; und in einem Weis- heitsdünkel mit Maulwurfsaugen, die auf die letztere geheftet sind, weiter und sicherer sehen zu können, als mit Augen, welche einem Wesen zuteil geworden, das aufrechtzustehen und den Himmel anzuschauen gemacht war.“ Wir haben es hier nur mit der beschaulichen Betrachtung der Forstwirtschaft der Praxis als eines fertigen Produktes zu tun. Die Darstellung des „Wie“ der Umsetzung der Theorie in die Praxis ist nicht Aufgabe unsrer Wissenschaft. Die zur Umsetzung der Theorie in die Praxis notwendige Urteilskraft ist mehr oder weniger Sache individueller Veranlagung. Ein Forstwirt kann die Theorie bis ins Kleinste beherrschen und dennoch unfähig sein, sie in die Praxis umzusetzen, weil ihm die dazu erforderliche Urteilskraft abgeht. Damit soll nicht gesagt sein, daß sich nicht auch die Urteilskraft in einem ge- wissen Maße anerziehen lasse. Die Schulung seiner Urteils- kraft ist für den ausübenden Forstwirt von nicht geringerer "Bedeutung als die Erlernung der Theorie. Aber weder die Lehre der Theorie, noch die Schulung in der Urteilskraft können Aufgabe unsrer Wissenschaft sein. Unterricht und pädagogische Schulung müssen von der reinen Forschung unter allen Umständen getrennt werden. Die Erforschung der Forstwirtschaft der Praxis stellt ein Wissensgefüge dar, das reinlich geschieden werden muß von dem zweiten Hauptglied unsrer Wissenschaft, der Forst- wirtschaft der Idee. Diese Trennung, deren Notwendigkeit man bisher zum Schaden unsrer Wissenschaft nicht erkannt Ei ee oder wenigstens nicht beachtet hat, muß auf das strengste durchgeführt werden. Sie ist durchaus erforderlich und von wichtiger grundlegender Bedeutung für die wahre und reine Erkenntnis unsrer Wissenschaft überhaupt. Die Aufgabe dieses dritten Hauptgliedes unsrer Wissen- schaft ist die Darstellung der konkreten, praktischen Verhält- nisse, deren abstrakte Form und Norm die Forstwirtschaft der Idee ist. Die forstwirtschaftliche Praxis ist ja nichts an- deres als das äußere Dasein der inneren Zwecksetzung der Norm und sie ist umso korrekter, je näher sieihrem Vorbilde, der Norm kommt. Aber sie übt, wie schon oft betont wurde, selbst wieder einen rückwirkenden korrigierenden Einfluß auf die Norm aus. Diese ist zwar nicht abhängig von der Erfahrung der Praxis, im (Gegenteil sie steht vor dieser und ermöglicht diese erst. Aber doch muß sie immer Rücksicht nehmen auf die Anwend- barkeit ihrer Anweisung auf das äußere praktische Dasein, sie muß sich an dem Dasein der aus ihr fließenden Praxis vergewissern über die Möglichkeit der praktischen Ausführung des von ihr in Vorschlag gebrachten idealen Handelns. Die durch die Zwecksetzung der Norm angeregte und geleitete Praxis erreicht ihren wahren Abschluß erst in dieser Reaktion auf die Zwecksetzung der Norm: I. Grundlagen. ----- II. Norm. —> Ill. Forstwirtschaft der j Praxis. £ zei Der ganze Prozeß geht also von der Zwecksetzung aus, um auch am Ende wieder in ihr einzumünden, in ihr seinen Abschluß zu finden. — Die Forstwirtschaft der Idee kann nur dadurch in das ihr äußere Dasein, d. h. die Forstwirtschaft der Praxis hin- übertreten, daß sie Inhalt einer praktischen Energie wird. Diese praktische Energie ist der praktische Forstwirt. Demgemäß zerfällt auch die Forstwirtschaft der Praxis N OR analog der Forstwirtschaft der Idee zunächst einmal in zwei Hauptteile, von denen sich der erste mit dem Träger der prak- tischen Forstwirtschaft, dem praktischen Forstwirt, und der zweite mit dem praktischen forstwirtschaftlichen Handeln selbst befaßt. Die weitere Einteilung des letzteren ergibt sich, analog der Einteilung des idealen forstwirtschaftlichen Handelns selbst, aus der zweckmäßigsten Folge des Handelns. Diese steht, wie wir schon sahen, in demselben Verhältnis zur idealen Folge des Handelns, wie die Praxis selbst zur Theorie, d.h. sie ist ein Ausfluß der idealen Folge, bewahrt sich dabei aber dennoch das Recht eines korrigierenden Einflusses auf diese. Die Betrachtung der Forstwirtschaft der Praxis zerfällt also wieder in folgende, den Gliedern der Forstwirtschaft der Idee entsprechende Unterglieder: 1. Der praktische Forstwirt und seine Hilfsorgane. 2. Das praktische forstwirtschaftliche Handeln selbst. a) Die praktische Produktion. «) Das praktische Mittel der praktischen Produktion, der konkrete Forst (konkrete Holzmessung und Zuwachsermittlung des konkreten Forstes, konkrete Forsteinrichtung, praktischer Waldwegbau). ß) Die praktische Produktion selbst. 1. Der praktische Forstbetrieb i. w. S. a) Der praktische Forstbetrieb i. eng. S., der praktische Forstbau. b) Der praktische Forstschutz. 2. Die praktische Produktion i. eng. S. b) Die praktische Verwertung. ce) Die praktische Abgleichung (praktische Forstwertrech- nung und praktische forstwirtschaftliche Rentabilitätsrech- nung). — Das ist in großen Zügen das Bild der Forstwirtschafts- Wissenschaft in ihrer Gegenwärtigkeit, das wir uns zum Schlusse De in einem übersichtlichen Schema noch einmal vergegenwärtigen wollen: Die Forstwirtschafts-Wissenschaftinihrer Gegenwärtigkeit. A. Dietheoretischen Grundlagen. I. Die naturwissenschaftlichen Grundlagen. 1. Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen, a) Forstwirtschaftswissenschaftliche Geodäsie. b) Forstwirtschaftswissenschaftliche Meteorologie und Klimalehre. c) Forstwirtschaftswissenschaftliche Geologie und Bo- denkunde. d) Lehre von den Eigenschaften der dem Waldboden entnommenen anorganischen forstwirtschaftlichen Güter. R 2. Die biologisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen. a) Forstwirtschaftswissenschaftliche Botanik, Geogra- phie und Naturgeschichte der Vegetationsform „Wald“. b) Lehre von den Eigenschaften des Holzes und der anderen organischen forstwirtschaftlichen Güter, c) Forstwirtschaftswissenschaftliche Zoologie. II. Die willenswissenschaftlichen Grundlagen. 1. Die staatswissenschaftlichen Grundlagen. 2. Die volkswirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. 3. Die privatwirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. III. Die kunstwissenschaftlichen Grundlagen. B. Die Norm oder die Forstwirtschaft der Idee. I. Der ideale Forstwirt und seine Hilfsorgane, UI. Das ideale forstwirtschaftliche Handeln selbst. 1. Die ideale Produktion. a) Das ideale Mittel der idealen Produktion, der ideale u Forst (Holzmeßkunde und Zuwachslehre einzelner Holzpflanzen und des ganzen Forstes, Forsteinrich- tungslehre einschl. Waldwegbaulehre). b) Die ideale Produktion selbst i. w. 8. | 1. Der ideale Forstbetrieb i. w. 8. | a) Der ideale Forstbetrieb i. eng. S., der ideale Forstbau. b) Der ideale Forstschutz. 2. Die ideale Produktion i. eng. S. 2. Die ideale Verwertung. 3. Die ideale Abgleichung (Fazit aus a und b, Forstwert- rechnung und forstwirtschaftliche Rentabilitätsrech- nung). C. Die Forstwirtschaft der Praxis. I, Der praktische Forstwirt und seine Hilfsorgane. II. Das praktische forstwirtschaftliche Handeln selbst. 1. Die praktische Produktion. a) Das praktische Mittel der praktischen Produktion, der konkrete Forst (konkrete Holzmessung und Zu- wachsermittlung des konkreten Forstes, konkrete Forsteinrichtung, praktischer Waldwegbau). b) Die praktische Produktion selbst. 1. Der praktische Forstbetrieb i. w. 8. a) Der praktische Forstbetrieb i. eng. S., der praktische Forstbau. b) Der praktische Forstschutz. 2. Die praktische Produktion i. eng. 8. 2. Die praktische Verwertung. 3. Die praktische Abgleichung (praktische Forstwertrech- nung und praktische forstwirtschaftliche Rentabilitäts- rechnung). Weber, Grundlinien einer neuen Forstwirtschafts-Plilosophie. 6 SI II. Abschnitt. Die Geschichte der Forstwirtschafts-Wissenschaft. Wir nähern uns dem Ende unsrer systematischen. Erör- terungen. An diesem Ende harrt aber noch ein wichtiges Problem der Lösung. Bis jetzt hatten wir ausschließlich die Erfassung des Gegenstandes unsrer Wissenschaft in seiner Gegenwärtigkeit, in seinem momentan-zeitlichen Entwicklungs- stadium in Betracht gezogen. Es bleibt uns aber noch eine wichtige Frage zur Beant- wortung übrig. Das ist die Frage nach der sogen. „Forst- Geschichte“. Was bedeutet sie, und welche Stellung nimmt sie in unsrem System ein? Der Verfasser hat dieses Problem schon früher in einem, im „Forstwissenschaftlichen Centralblatt“ (Jahrg. 1916, S. 412- bis 428 und S. 487 --493) erschienenen Artikel: „Was ist Forst-Geschichte und welche Stelle nimmt sie im System unsrer Wissenschaft ein?“ behandelt, auf den hier, um Wiederho- lungen zu vermeiden, verwiesen wird. In diesem Artikel wurde vor allem auf die Notwendigkeit der Reinigung der sog. Forst- geschichte von der mit ihr vermengten Jagdgeschichte hinge- wiesen. Ferner wurde festgestellt, daß der Ausdruck Forst- geschichte dem Gegenstand, den er bezeichnen soll, keines- wegs entspricht. Alles was bisher unter dieser falschen Flagge segelte, ist nichts anderes als „Geschichte der Forstwirtschafts- Wissenschaft“. Sie umfaßt die historische Betrachtung aller Glieder unsrer Wissenschaft, also sowohl die der Grundlagen, als auch die der Norm und die der konkreten Forstwirtschaft. Die Geschichte der Warp&sschen Forstwissenschaft ist nichts mehr und nichts weniger als die Geschichte der konkreten Forstwirtschaft, sie macht also nur einen Bruchteil der „Ge- schichte der Forstwirtschafts- Wissenschaft“ aus. Noch viel weniger aber als in der Geschichte der Forstwirtschaft in con- — 893 — r creto kann sich die Geschichte unsrer Wissenschaft erschöpfen in einer Geschichte des Waldes oder des Forstes, die man ja, wenn man sich an das falsche, unzureichende Symbol „Forst- geschichte“ hält, als den ausschließlichen Gegenstand des frag- lichen Wissensgefüges ansehen muß. Die Geschichte des Waldes ist Naturgeschichte. Wir haben es aber hier nicht mit Naturgeschichte, sondern mit Geschichte im eigent- lichen Sinne des Wortes, d. h. mit Geschichte der Menschen, ihrer Taten und Werke, d.h. mit der Geschichte des Men- schengeistes zu tun. Bezüglich der Stellung der Geschichte unsrer Wissen- schaft in dem System derselben zeitigte die genannte Unter- suchung folgendes Ergebnis. Wir haben gesehen, daß sich unsre Wissenschaft aus drei in enger Beziehung zueinander stehenden Hauptgliedern zu- sammensetzt: I. Grundlagen —- II. Norm —- III. Forstwirtschaft ' in concreto. Für die weitere Gliederung dieser drei Hauptteile wird zunächst das nämliche Einteilungsprinzip angewandt, das WAPPES im Anschluß an Wuxpr für die Gliederung seiner Forstwissenschaft in erster Linie maßgebend sein läßt. Für jedes der Hauptglieder wird der Betrachtung des Zustandes die Betrachtungsweise, welche sich die Erforschung der ge- schichtlichen Entwicklung desselben zur Aufgabe macht, ge- genübergestellt. Nur innerhalb des ersten Hauptgliedes wird der syste- matischen Abhandlung der einzelnen Unterglieder deren ge- netische Betrachtung unmittelbar beigeschlossen. Die im Gesamtrahmen unsres Systems auf diese Weise mit rein systematischen Teilen vermischten genetischen Glieder müssen natürlich in einer besonderen Darstellung der Geschichte unsrer Wissenschaft, die ja auch ihre Existenzberechtigung BA hat, zu einer geschlossenen Einheit zusammengezogen werden. Für diese ergibt sich in Anlehnung an die Klassifikation des rein systematischen Teiles unsrer Wissenschaft folgendes Gliederungsschema: A. Die Geschichte der Grundlagen. I. Die Geschichte der naturwissenschaftlichen Grundlagen. 1. Die Geschichte der mathematisch-naturwissenschaft- lichen Grundlagen. a) Geschichte der forstwirtschaftswissenschaftlichen Geodäsie. b) Geschichte der forstwirtschaftswissenschaftlichen Meteorologie und Klimalehre. c) Geschichte der forstwirtschaftswissenschaftlichen Geologie und Bodenkunde. d) Geschichte der Lehre von den Eigenschaften der dem Waldboden entnommenen anorganischen Güter. 2. Die Geschichte der biologisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen. a) Geschichte der forstwirtschaftswissenschaftlichen Botanik, Geschichte der Geographie und Geschichte der Naturgeschichte der Vegetationsform „Wald“, b) Geschichte der Lehre von den Eigenschaften des Holzes und der anderen organischen forstwirtschaft- lichen Güter. c) Geschichte der forstwirtschaftswissenschaftlichen Zoologie. II. Die Geschichte der willenswissenschaftlichen Grundlagen. 1. Die Geschichte der staatswissenschaftlichen Grundlagen. 2. Die Geschichte der volkswirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. | 3. Die Geschichte der privatwirtschaftswissenschaftlicken Grundlagen. III. Die Geschichte der kunstwissenschaftlichen Grundlagen. ee are £ B. Die Geschichte der Norm. 1. Die Geschichte des idealen Forstwirts und seiner Hilfs- organe. 2, Geschichte des idealen forstwirtschaftlichen Handelns selbst. a) Geschichte der idealen Produktion. &. Geschichte des idealen Forstes (Geschichte der Holzmeßkunde und Zuwachslehre des idealen Forstes, Geschichte der Forsteinrichtungslehre und der Waldwegbaulehre). 3. Geschichte der idealen Produktion selbst. 1. Geschichte des idealen Forstbetriebs i. w. 8. a) Geschichte desidealen Forstbetriebsi. eng.S. Geschichte des idealen Forstbaus. b) Geschichte des idealen Forstschutzes. 2. Geschichte der idealen Produktion i. eng. 8. > b) Geschichte der idealen Verwertung. = e) Geschichte der idealen Abgleichung, Geschichte der idealen Forstwertrechnung und der idealen forst- wirtschaftlichen Rentabilitätsrechnung. C. Die Geschichte der Forstwirtschaft in con- cereto. 1. Die Geschichte des konkreten Forstwirts und seiner Hilfsorgane. 2. Die Geschichte des konkreten forstwirtschaftlichen Tuns selbst. a) Die Geschichte der konkreten Produktion. &. Die Geschichte des konkreten Mittels der kon- kreten Produktion, des konkreten Forstes (Ge- schichte der konkreten Holzmessung und Zuwachs- ermittlung des konkreten Forstes, Geschichte der konkreten Forsteinrichtung, Geschichte des prak- F: tischen Waldwegbaus). £ 8. Geschichte der konkreten Produktion selbst. ke u ch Be nl 1; TEEN DENN. BEN REN. 1. Geschichte des konkreten Forstbetriebs i.w.S. a) Geschichte des konkreten Forstbetriebs i. eng. S., des konkreten Forstbaus. b) Geschichte des konkreten Forstschutzes. 2. Die Geschichte der konkreten Produktion i. eng. 8. b) Die Geschichte der konkreten Verwertung. c) Die Geschichte der konkreten Abgleichung (Ge- schichte der konkreten Forstwertrechnung und der konkreten forstwirtschaftlichen Rentabilitätsrech- nung). Bemerkungen. Zu AI. 2.3. Hier ist wohl zu unterscheiden zwischen der „Natur- geschichte des Waldes“ und der „Geschichte dieser Naturgeschichte des Waldes“. Die Darstellung der ersteren ist nicht Sache der Geschichte der Forstwirtschaftswissenschaft, die ja, wie schon betont wurde als Geschichte i. eigentl. S., d. h. als Geschichte der Menschen, ihrer Taten und Werke aufzufassen ist. „Wald“ ist die von dem Menschen noch nicht planmäßig zur Erzeugung forstwirtschaftlicher Güterbenutzte Holzpflanzen- gemeinschaft, die als biologische Vegetationsform in ihrem Sein und Werden rein von der Seite der Natur aus, d.h. mit Hilfe der biologisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen zu erforschen ist. Die „Geschichte der Naturgeschichte des Waldes“ hin- gegen, d. h. die Betrachtung des Entwicklungsganges dieser Erkenntnis vom Werden des Waldes macht sehr wohl einen Teil der Geschichte unsrer Wissenschaft aus. Im Gegensatz zur „Naturgeschichte des Waldes*, welche einen Teil unsrer Wissenschaft in ihrer Gegenwärtig- keit ausmacht, zählen die „Geschichte desidealen Er Forstes“ (siehe B. 2.a.5.) und die „«@eschichte des konkreten Forstes“ (siehe O.2.a.2.), die ja beide schon von einem Handeln des Menschen berichten, zur Ge- schichte unsrer Wissenschaft. 20... Unter die Geschichte des praktischen Forstwirts fällt auch die „Geschichte des Forsteigentums*, die unter dem Titel „Geschichte des Waldeigentums“ auch von’ BERNHARDT als ein Glied der Geschichte unsrer Wissenschaft angesehen wird, und von der wir eine, allerdings veraltete und unvollständige, Sonderdarstellung besitzen in ÜHRISTIAN LUDWIG STIEGLITZ’ Buch: „Geschichtliche Darstellung der Eigentumsverhältnisse an Wald und Jagd in Deutschland von den ältesten Zeiten bis zur Ausbildung der Landeshoheit“ (Leipzig 1832). Schluß. Zum Schlusse muß noch der Stellung der „Forstwirtschafts- Philosophie“ selbst, deren Grundlinien hier entworfen werden, kurz Erwähnung getan werden. Die Forstwirtschafts-Philosophie ist ja nichts anderes als die Brücke, welche unsre Wissenschaft mit der Philosophie, als der Einheit des Wissens überhaupt, verbindet. Deshalb muß sie sowohl in ihrer systematischen als auch in ihrer ge- netischen Darstellung über bzw. vor das System unsrer Wis- senschaft gestellt werden. Anhang. Damit sind wir am Schlusse der Systematik angelangt und erhalten als Endresultat folgendes: Klassifikationsschema der Forstwirtschafts- Wissenschaft. Einleitung. Die Forstwirtschafts-Philosophie. I. Die Grundlegung der Forstwirtschafts- Wissenschaft. 1. Die gegenwärtige Grundlegung. ERETERE 2. Die Geschichte der Grundlegung unsrer Wissenschaft. II. Die Systematik der Forstwirtschafts- Wissenschaft. 1. Die gegenwärtige Systematik. 2. Die Geschichte der Systematik unsrer Wissenschaft. III. Die Methodologie der Forstwirtschafts- Wissenschaft. 1. Die gegenwärtige Methodologie. 2. Die Geschichte der Methodologie unsrer Wissenschaft. A. Die Grundlagen des idealen forstwirt- schaftlichen Handelns. 1. Die naturwissenschaftlichen Grundlagen. 1. Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen. a) In ihrer Gegenwärtigkeit. a. Forstwirtschaftswissenschaftliche Geodäsie. 8. Forstwirtschaftswissenschaftliche Meteorologie und Klimalehre. y. Forstwirtschaftswissenschaftliche Geologie und Bodenkunde. ö. Lehre von den Eigenschaften der dem Wald- boden entnommenen anorganischen forstwirt- schaftlichen Güter. b) Ihre Geschichte. #. Geschichte der forstwirtschaftswissenschaftlichen (Geodäsie. ß. Geschichte der forstwirtschaftswissenschaftlichen Meteorologie und Klimalehre. Y. Geschichte der forstwirtschaftswissenschaftlichen Geologie und Bodenkunde. ö. Geschichte der Lehre von den Eigenschaften der dem Waldboden entnommenen anorganischen forstwirtschaftlichen Güter. 2. Die biologisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen. a) In ihrer Gegenwärtigkeit. &. Forstwirtschaftswissenschaftliche Botanik, Geo- b) Ihre Geschichte. E B — 89 — h graphie und Naturgeschichte der Vegetations- form „Wald“. n 8. Lehre von den Eigenschaften des Holzes und . der anderen organischen forstwirtschaftlichen E Güter. 3 y. Forstwirtschaftswissenschaftliche Zoologie. &. Geschichte der ee eretkdühewissenschafliehn 3 Botanik, Geschichte der Geographie und der ; Naturgeschichte der Vegetationsform „Wald“. 3. Geschichte der Lehre von den Eigenschaften des Holzes und der anderen organischen forst- wirtschaftlichen Güter. y. Geschichte der forstwirtschaftswissenschaftlichen Zoologie. II. Die willenswissenschaftlichen Grundlagen. 1. Die staatswissenschaftlichen Grundlagen. a) In ihrer Gegenwärtigkeit. b) Ihre Geschichte. 2. Die volkswirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. a) In ihrer Gegenwärtigkeit. b) Ihre Geschichte. 3. Die privatwirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. a) In ihrer Gegenwärtigkeit. b) Ihre Geschichte. III. Die kunstwissenschaftlichen Grundlagen. a) Die Forstkunstwissenschaft in ihrer Gegenwärtigkeit. b) Die Geschichte der Forstkunstwissenschaft. B. Die Norm oder die Forstwirtschaft der Idee. I. Die Norm in ihrer Gegenwärtigkeit. 1. Der ideale Forstwirt und seine Hilfsorgane. 2, Das ideale forstwirtschaftliche Handeln selbst. a) Die ideale Produktion. — 90 — &. Das ideale Mittel der idealen Produktion, der ideale Forst (Holzmeßkunde und Zuwachslehre einzelner Holzpflanzen und des ganzen Forstes, Forsteinrichtungslehre, einschl. Waldwegbaulehre). ß. Die ideale Produktion selbst i. w. 8. 1. Der ideale Forstbetrieb i. w. 8. a) Der ideale Forstbetrieb i. eng. S., der ideale Forstbau. b) Der ideale Forstschutz. 2. Die ideale Produktion i. eng. 8. b) Die ideale Verwertung. c) Die ideale Abgleichung (Fazit aus a und b, Forst- wertrechnung und forstwirtschaftliche Rentabilitäts- rechnung). II. Die Geschichte der Norm. 1. Die Geschichte des idealen Forstwirts und seiner Hilfs- organe. 2. Geschichte des idealen forstwirtschaftlichen Handelns selbst. a) Geschichte der idealen Produktion. &. Geschichte des idealen Forstes (Geschichte der Holzmeßkunde und Zuwachslehre des idealen Forstes, Geschichte der Forsteinrichtungslehre einschl. Waldwegbaulehre). 8. Geschichte der idealen Produktion selbst. 1. Geschichte des idealen Forstbetriebs i. w. 8. a) Geschichte des idealen Forstbetriebs i. eng. S., Geschichte des idealen Forstbaus. b) Geschichte des idealen Forstschutzes. 2. Geschichte der idealen Produktion i. eng. 8. b) Geschichte der idealen Verwertung. c) Geschichte der idealen Abgleichung (Geschichte der idealen Forstwertrechnung und der idealen forstwirt- schaftlichen Rentabilitätsrechnung. ES. ©. Die Forstwirtschaftin concreto. I. In ihrer Gegenwärtigkeit. 1. Der konkrete Forstwirt und seine Hilfsorgane. 2. Das konkrete forstwirtschaftliche Tun selbst. a) Die konkrete Produktion. &. Das konkrete Mittel der konkreten Produktion, der konkrete Forst. (Konkrete Holzmessung und Zuwachsermittlung des konkreten Forstes, kon- krete Forsteinrichtung, praktischer Waldwegbau). 8. Die konkrete Produktion selbst. 1. Der konkrete Forstbetrieb i. w. 8. a) Der konkrete Forstbetrieb i. eng. S., der konkrete Forstbau. b) Der konkrete Forstsehutz. 2. Die konkrete Produktion i. eng. S. b) Die konkrete Verwertung. c) Die konkrete Abgleichung (konkrete Forstwertrech- nung und konkrete forstwirtschaftliche Rentabilitäts- rechnung). II. Die Geschichte der Forstwirtschaft in concreto. 1. Die Geschichte des konkreten Forstwirts und seiner Hilfsorgane. 2. Die Geschichte des konkreten forstwirtschaftlichen Tuns selbst. a) Die Geschichte der konkreten Produktion. &. Die Geschichte des konkreten Mittels der kon- kreten Produktion, des konkreten Forstes (Ge- schichte der konkreten Holzmessung und Zuwachs- ermittlung des konkreten Forstes, Geschichte der konkreten Forsteinrichtung und des konkreten Waldwegbaus), 3. Geschichte der konkreten Produktion selbst. 1. Geschichte des konkreten Forstbetriebs i. w. S. a) Geschichte des konkreten Forstbetriebs ı. eng. S., des konkreten Forstbaus. b) Geschichte des konkreten Forstschutzes. 2. Die Geschichte der konkreten Produktion i. eng. 8. b) Die Geschichte der konkreten Verwertung. c) Die Geschichte derkonkreten Abgleichung (Geschichte der konkreten Forstwertrechnung und der konkreten forstwirtschaftlichen Rentabilitätsrechnung). Die rein begrifiliche Darstellung dieses Schemas will ich an einem aus der Welt der sinnlichen Anschauung geborgten Symbol noch anschaulicher zu machen versuchen. Und zwar benutze ich hierzu ein aus dem unmittelbaren Anschauungs- kreis des Forstwirts herausgegriffenes Bild:- die allen Grün- röcken liebe und vertraute Erscheinung des Waldes. Mit diesem Bilde, das, wie ich gerne zugeben will, hinken mag — welches Gleichnis hinkt aber schließlich nicht — soll weiter gar nichts bewiesen werden; es soll ausschließlich ein Mittel der besseren Veranschaulichung der oben ausgeführten Gedankengänge sein. Unter der Naturerscheinung „Wald“ versteht man eine Versammlung von Holzpflanzen, d. h. von Waldbäumen ein- schließlich des Bodens, auf dem diese stocken und des Aus- schnittes der Atmosphäre, in die sie hineinragen. Der die Waldbäume tragende und nährende Boden und die, ihre Krone umspülende, sie ebenfalls nährende und ihre Atmung ermöglichende, Luftschicht bilden die notwendigen Lebensfaktoren des Waldes. Wir wissen ja alle, daß unsre Bäume zu ihrer Ernährung und zu ihrem Wachstum nicht nur auf den Boden, sondern auch auf die sie umgebende Luft- schicht angewiesen sind. Der unsre Bäume ernährende Bil- dungssaft ist, wie uns allen bekannt ist, ein Produkt der Ver- schmelzung des vermittelst der Wurzeln aus dem Boden ge- saugten Nährsalzlösung mit dem durch die Blätter aus der _ Zirnde T e Luft herangeholten Kohlentsoff. Das sind die beiden Nähr- faktoren der Bäume. Zu ihrer Umwandlung und Zusammen- schweißung in den Bildungssaft ist noch ein Drittes nötig. Das ist die, Licht und Wärme spendende, Kraft der Leben erzeugenden Sonne. Sie ist es, die erst die Verschmelzung der aus dem Boden einer- und der Luft andererseits heran- fließenden Nährquellen ermöglicht. Stellen Sie sich nun die ganze wissenschaftliche Erkennt- nis als einen solchen Wald, dessen einzelne Bäume als die einzelnen Wissenschaften, dessen Boden als den verstandes- mäßigen Erkenntnisfaktor der wissenschaftlichen Grundlagen und dessen Atmosphäre als die Welt der praktischen Erfah- rung vor. Einer der vielen Bäume des Waldes (siehe Tafel I) möge unsre Wissenschaft versinnbildlichen. Mit drei starken Hauptwurzeln, der Wurzel der natur- wissenschaftlichen, der Wurzel der willenswissenschaftlichen und der Wurzel der kunstwissenschaftlichen Grundlagen ist er verankert im Boden der wissenschaftlichen Erkenntnis- grundlagen. Die erste dieser drei Hauptwurzeln, die Wurzel der na- turwissenschaftlichen Grundlagen spaltet sich wieder in zwei Nebenwurzeln, die Wurzel der mathematisch-naturwissenschaft- lichen und die der biologisch-naturwissenschaftlichen Grund- lagen. Die zweite Hauptwurzel, die der willenswissenschaft- lichen Grundlagen trennt sich wieder in drei Nebenwurzeln, die der staats-, volkswirtschafts- und privatwirtschaftswissen- schaftlichen Grundlagen. Diese drei Hauptwurzeln mit ihren Verästelungen liefern den Hauptnährstoff, den wichtigsten Erkenntnisstofi des ober- irdischen Teiles des Baumes unsrer Wissenschaft, der sich wieder in drei Hauptäste (Ideale Produktion, Ideale Verwer- tung und Ideale Abgleichung) vergabelnden Norm. Sie allein aber können forstwirtschaftswissenschaftliche Erkenntnis nicht Er er erzeugen. Zu ihnen muß noch der, aus der umgebenden At- mosphäre fließende, Kohlenstoff der Kontrollinstanz „Prak- tische Erfahrung“ hinzutreten. Der Bildungssaft der wahren forstwirtschaftswissenschaft- lichen Erkenntnis entsteht aber erst aus der, durch das Son- nenlicht der Ideen der Vernunft bewirkten und ermöglichten, systematischen Zusammenschmelzung dieser beiden, aus ver- schiedenen Richtungen kommenden, Erkenntnisfaktoren. Die oberste dieser Ideen ist, wie wir sahen, die normschaffende Zweckidee unsrer Wissenschaft. Der Baum unsrer Wissenschaft hat mit den ihn umge- benden Bäumen der Nachbarwissenschaften mancherlei Be- rührungspunkte (siehe Tafel II). Er streckt die Wurzeln seiner wissenschaftlichen Erkenntnisgrundlagen in dasselbe Erdreich, aus dem auch seine Nachbarn einen Teil ihrer wis- senschaftlichen Erkenntnis schöpfen. Der Baum unsrer Wis- senschaft wird von folgenden Nachbarbäumen beeinflußt: Dem Baume der mathematischen Naturwissenschaften, dem der bio- logischen Naturwissenschaften, dem der Staatswissenschaften, dem der Volkswirtschaftswissenschaft, dem der Privatwirt- schaftswissenschaft und dem der Landschaftskunstwissenschaft. Mit dem Wurzelsystem all dieser Nachbarn tritt er durch die verschiedenen Wurzeln seiner eigenen Grundlagen in Berüh- rung. So erwächst ihm durch Berührung einer seiner Wurzeln mit einer Wurzel der mathematischen Naturwissenschaft das Quellgebiet der mathematisch-naturwissenschaftlichen Grund- lagen. Eine andere, mit einer Wurzel der biologischen Na- turwissenschaft einen Berührungsstreifen bildende, Wurzel erschließt ihm die Erkenntnis seiner biologisch-naturwissen- schaftlichen Grundlagen und so fort. An diesem Bilde wird hoffentlich das ganze System der gegenseitig sich bedingenden Beziehungen der einzelnen Glie- der unsrer Wissenschaft zueinander und das Verhältnis der umfassenden Einheit unsrer Wissenschaft zu den angrenzen- Me , DE den Nachbarwissenschaften und der menschlichen Erkenntnis überhaupt, auch denjenigen unter unseren Fachgenossen, die sich nicht heimisch fühlen in der dünnen Luft der abstrakten Verstandes- und Vernunftwelt, klar und verständlich werden. Das ist in großen Umrissen das Bild eines neuen Systems unsrer Wissenschaft, wie es auf hauptsächlich logischem Wege, allerdings unterstützt durch das vergleichende Studium der bedeutsamsten älteren Systeme ausgedacht wurde. Einer breiter angelegten und ausführlicheren Darstellung der Forstwirtschafts-Philosophie muß es vorbehalten bleiben, eine umfassende historische Betrachtung aller bisher aufge- stellten Systeme unsrer Wissenschaft, d.h. die Geschichte des Systems unsrer Wissenschaft, dem hier entwickelten neuen System gegenüberzustellen. III. Teil. Die Methodologie der Forstwirtschafts-Wissenschaft. Einleitung. Aufgabe der Methodologie ist die genauere Darlegung der, durch die Grundlegung und Systematik schon bedingten, Forschungsmethoden unsrer Wissenschaft. Die Bedeutung einer Methodenlehre wird von der Mehr- zahl der nur auf das Tatsächliche und Praktische gerichteten Forstwirte vielleicht noch weniger eingesehen als der Wert eines Systems unsrer Wissenschaft. Die unbestreitbare Tatsache, daß sehr bedeutsame Er- gebnisse von Forschern erzielt wurden, die nicht im entfern- testen an methodologische Untersuchungen und die Einhaltung gewisser Forschungsmethoden gedacht haben, ist vielleicht dazu angetan, sie in ihrer ablehnenden Haltung der Methoden- lehre gegenüber noch zu bestärken. Gewiß, es muß zugegeben werden, daß Männer wie G. L. HARTIG, CoTTA, CARL HEYER u. a. unsrer Wissenschaft einen gar reichen Inhalt gegeben haben, ohne sich über die besondere Methode ihrer Arbeit im Klaren gewesen zu sein. Man muß aber „zwischen dem reichsten Inhalt mit den anziehendsten Beleuchtungen und der Tiefe des methodischen Gehalts einen sicheren Unterschied machen. Inhalt kann auch unter falschem Ordnungsbegriff zur Sammlung kommen; Ge- halt aber kann allein aus der Tiefe einer systematischen Me- er thodik sich aufbauen. Der vielseitige Inhalt darf nicht der- art imponieren, daß der Mangel einer wahrhaften, wissen- schaftlichen Methodik darüber verkannt, und in den Hinter- grund geschoben wird“ (siehe HERMANN ÜOHEN, „Aesthetik des reinen Gefühls“, Bd. I, Berlin 1912). Aber nicht alle Forscher einer Wissenschaft sind vom göttlichen Funken beseelt, und gerade der moderne Wissen- schattsbetrieb mit seiner weitgehenden Arbeitsteilung erfordert neben den großen Denkern einen gewaltigen Stab von Hilfs- kräften, bei denen es weniger auf das intuitive Erfassen großer Zusammenhänge als auf gewissenhafte Arbeit im Kleinen an- kommt. Für diese ist aber eine gute methodologische Schu- lung von nicht zu unterschätzendem Werte. Aber auch bei großen Denkern ist eine klare Erkenntnis des Wesens ihrer Arbeit von großem Einfluß auf das Ergeb- nis derselben. Wieviel bewußte Einsicht in ihre Eigenart die Größe der Arbeit steigern kann, das illustriert sehr schön die Geschichte des Freundschaftsbundes zwischen Goethe und Schiller. Es ist bekannt, daß dieser äußerst befruchtend nicht nur auf die poetische, sondern auch auf die wissenschaftliche Tätigkeit Goethes eingewirkt hat. Goethe, der sich zu der Zeit, als er Schiller zum ersten Male näher kennen lernte, leb- haft mit seiner „Metamorphose der Pflanzen“ befaßte, hielt seine sogen. „Urpflanze“ für das Erzeugnis einer bloßen Er- fahrung, bis ihn der an der Philosophie KANTs gereifte Schiller darüber aufklärte, daß es keine Erfahrung, sondern eine Idee sei. Er wurde von Schiller über das innere Wesen seiner Persönlichkeit und die Art seines Schaffens aufgeklärt und nach einer langen Zeit dichterischer Untätigkeit auch zu neuem poetischen Wirken angeregt. Er selbst sagt von dieser Zeit: „Es war für mich ein neuer Frühling, in welchem alles froh nebeneinander keimte und aus aufgeschlossenen Samen und Zweigen hervorging.“ Wer sich bemüht die Literatur unsrer Wissenschaft auf Weber, Grundlinien einer neuen Forstwirtschafts-Philosophie. 7 ET methodologische Schriften hin zu untersuchen, der wird die Beobachtung machen, daß bis jetzt nur sehr wenig über diesen Gegenstand geschrieben worden ist. Es sind nur wenige Na- men, die hier genannt werden können. Wenn man von WAPPES absieht, so sind es nur WALTHER, HUNDESHAGEN, der schon genannte WITTWER und der ebenfalls schon erwähnte Oester- reicher K. BLONDEIN, die methodologische Studien veröffent- licht haben. Auf eine Darstellung und Würdigung dieser verschiedenen Methodenlehren unsrer Wissenschaft kann hier nicht eingegangen werden. Es sei nur nebenbei erwähnt, daß sich BLONDEIN in seiner genannten Abhandlung auf die Me- tbodologie der Landwirtschaftslehre stützt. Derartige Ana- logiebildungen sind meist von recht zweifelhaftem Wert. Eine klare Einsicht in die Forschungsmethoden unsrer Wissenschaft kann nur aus derem ureigensten Wesen und Kern gewonnen werden. Je nach der besonderen Art des Grundes, den man uns- rer Wissenschaft legt, und des Systems, das man auf diesem Grunde errichtet, wird die Methodologie unsrer Wissenschaft verschieden ausfallen. Für WaPrPpESs erschöpft sich unsre Wissenschaft bekannt- lich in der rein theoretisch-geisteswissenschaftlichen Erfassung der konkreten Tätigkeit des „homo foresticus“. Ihm können deshalb auch nur die, zur Erforschung dieses besonderen Ge- bietes notwendigen, geisteswissenschaftlichen, d. h. psycholo- gischen Methoden als Forschungsmethoden seiner „Forstwis- senschaft“ gelten. Wer den Aufbau der hier entwickelten willenswissen- schaftlichen Fostwirtschafts-Wissenschaft genau verfolgt hat, der wird begreifen, daß diese sich nicht auf die ausschließ- liche Anwendung einer bestimmten Forschungsmethode be- schränken kann. Die durch die Eigenart ihres besonderen Objektes be- dingte Zusammensetzung bringt es mit sich, daß sie sich ganz RT: 00022 verschiedenartiger Methoden bedienen muß. Ihr ist ja die Erforschung der Forstwirtschaft in concreto nur ein Glied ihres Ganzen. Sie faßt, wie wir gesehen haben, außerdem noch die verschiedenen Grundlagen des idealen forstwirtschaft- lichen Handelns und die sich darauf aufbauende Forstwirt- schaft der Idee in sich. Sie hat also neben der Methode, welche die Erfassung der Forstwirtschaft in concreto vermittelt, auch noch die be- sonderen Methoden der einzelnen Grundlagen und vor allem die den Aufbau der Norm bewirkende Methode als Forschungs- methoden anzuerkennen und zu beglaubigen. 1. Abschnitt. Die Forschungsmethoden der Forstwirtschafts-Wissen- schaft in ihrer Gegenwärtigkeit. 1. Kapitel. Die Forschungsmethoden der Grundlagen. I. Die Forschungsmethoden der naturwissenschaftlichen Grundlagen. 1. Die Forschungsmethoden der mathematisch-natur- wissenschaftlichen Grundlagen. Die Forschungsarbeit der mathematisch-naturwissenschaft- lichen Grundlagen unsrer Wissenschaft besteht in der immer genaueren Bestimmung der inder Empfindung vorliegen- den einzelnen, vom Forstwirt als Mittel zu seinem Handeln benötigten Naturerscheinungen. Sie sucht diese unbekannten Größen immer mehr zu dem bestimmten „Was“ von wissen- schaftlichen Gegenständen auszubauen. Sie schreitet zwar durch Beobachtung und Versuch, d. h. durch Erfah- rung fort, sie durchwirkt aber dennoch in allen diesen Ent- wicklungen die ursprünglichen logischen Motive und gelangt zu Gesetzen nur vermittelst der Funktionskraft der Hyp o- these. D. h. ihre Voraussetzungen sind die Kategorien, die 7* — 10 — Grundformen wissenschaftlichen Denkens, wie die sich stets in gleicher Menge erhaltende Substanz und die jedes Ereig- nis mit Notwendigkeit nach festen Gesetzen aus dem Voran- gehenden ableitende Kausalität. Die Erfahrung ist nichts Gegebenes, das Erkenntnis er- zeugen kann. Sie ist kein Grund, auf dem man Erkenntnis aufbauen kann, sie ist vielmehr selbst ein Problem. Erfahrung ist nicht Sammlung von Wahrnehmungen, sondern Aufnahme aller Wahrnehmungen in die Einheit der Wissenschaft. Mit anderen Worten, die Voraussetzungen der Wissenschaft sind auch Voraussetzungen der Erfahrung. Es kommt wohl auf Erfahrung an, aber die Bedingungen der Erfahrung sind mehr als Erfahrung. „Im Denken ist der Grund zu legen für. das Sein. Es ist absurd, das Sein absolut zu denken. Das Sein hat seinen Grund im Denken, nicht in der Vorstellung; im reinen Denken; nicht schlechthin mehr im Schauen, sondern im reinen Denken der Erkenntnis“ (HERMANN COoHEN, „Aesthetik des reinen Gefühls“, I. Bd., Berlin 1912, S. 244). Man fängt natürlich nicht aus der Luft mit dem Denken, mit der Hypothese zu spintisieren an, sondern es muß ein durch Beobachtung gewonnenes rohes Material vorliegen. Von dem ohne Zusammenhang nebeneinander stehenden Material der Beobachtung geht die Forschung aus. Dieses X der Emp- findung muß zunächst festgestellt werden. Durch das Denken, durch die Kraft der Hypothese wird dann dieser noch ganz lockere Kreis von Feststellungen erst in einen funktionellen Zusammenhang gebracht. Durch den Versuch, der bestimmte Zahlen- und Maß- werte für die allgemeinen Konstanten des mathematischen Ausdrucks der Hypothese an die Hand gibt, wird die Hypo- these zum Gesetz umgewandelt. Von großer Bedeutung für die Forschung der mathema- tischen Naturwissenschaften ist die Infinitesimalrechnung. Sie eo ER... 2 | a a ı 2 al, Dr uch BE Fast ‘ EI u? — 1011 — erzeugt aus dem Unendlich-Kleinen das Endliche und setzt an Stelle der Empfindung die zunächst hypothetisch ange- nommene mathematische Formel, aus der sich durch Ein- setzung der durch den Versuch gewonnenen Zahlen und Maße das mathematisch formulierbare Gesetz entwickelt. Damit ist die Empfindung nicht mehr Bestandteil der Wissenschaft, son- dern ihre Aufgabe. Sie soll durch die Wissenschaft in be- rechenbare Größen verwandelt werden (siehe HERMANN ÜOHEN, „Logik der reinen Erkenntnis“, 2. Aufl., Berlin 1914). 2. Die Forschungsmethode der biologisch-natur- wissenschaftlichen’Grundlagen. Das Leben der organischen Natur können wir nicht in seiner ganzen Eigenart aus dem Leblosen heraus begreifen und verstehen. Wohl ist das Stofiliche am Organischen Chemie und das Energetische Physik, aber mit ihnen allein gelingt es uns nicht, die Wesensart des Organischen zu erfassen und zu erschöpfen. Mit den Forschungsmethoden der mathematischen Naturwissenschaft allen kommen wir hier nicht weiter; die mechanische Deutung des Organischen ist zu seinem Verständ- nis nicht ausreichend. Um das Leben der Organismen begreifen zu können, müssen wir es unter dem Begriff der Zweckbetätigung auf- fassen. „Die Zweckmäßigkeit kann ebensowenig aus der Vor- stellung eines Lebewesens ausgeschieden werden, wie der Raum aus der eines Dinges überhaupt. Anatomie, Physiologie und Biologie ohne den beständigen Gebrauch des Begriffes wozu? warum? zu welchem Zwecke? betreiben zu wollen, würde so weit führen, wie eine Mathematik ohne Zahlen. Das Suchen nach dem Zweck ist das Um und Auf alles Tier- und Pflanzen- lebens“ (CHAMBERLAIN). Die biologischen Naturwissenschaften verbinden durch die Anwendung des Zweckbegriffes die Willenswissenschaften mit der Logik. Denn das muß festgehalten werden: nur die Lo- — 12 — gik kann „die Art von Ordnung bestimmen und ihr Gebiet begrenzen, als welche im Unterschied von den Gesetzen der mathematischen Naturwissenschaft der Zweckbegriff wirksam und fruchtbar ist.“ Denn die Voraussetzung nicht nur der mathematischen, sondern auch der biologischen Naturwissen- schaften und der Willenswissenschaften ist ja, „daß das Denken festgesetzte unveränderliche Erzeugnisse zu geben und zu si- chern vermag“ (ÜOHEN). Wir haben esaber bei den biologischen Naturwissenschaften mit einer ganz besonderen Art teleologischer Forschungsmethode zu tun. Während die teleolo- gische Methode im eigentlichen Sinne, wie wir sie als metho- disches Prinzip der Willenswissenschaften noch kennen lernen werden, einen Zweck setzt oder projektiert, und deshalb auch „prospektiv“ genannt wird, bedient sich die biologische Naturwissenschaft eines bestimmten Zweckes nur als metho- dologischer Hilfsliniee Der Zweck ist bei ihr nur von ord- nungschaffender, regulierender Bedeutung, deshalb nennt man diese Art der teleologischen Methode auch „retrospektiv“. So ist z. B. der retrospektive Zweck der für die ver- schiedenen Pflanzen notwendigen durchschnittlichen Belichtung eine Leitlinie der Forschung. Durch ihn gelingt es uns erst die zwar längst bekannten und auf mathematische Formeln zurückgeführten verschiedenen Stellungen der Blätter am Sprosse bei den verschiedenen Pflanzen erst wahrhaft zu be- greifen und zu verstehen (siehe WIESNER, „Der Lichtgenuß der Pflanzen“, 1907). Man muß sich aber streng davor hüten, die Frage nach dem Warum in eine historische Frage umzubiegen, sonst ge- rät man unweigerlich in das Fahrwasser des Evolutionis- mus, der die Bedeutung der teleologischen Methode für die biologische Naturwissenschaft als einer bloßen methodischen Hilfslinie verkennt und die biologische Natur aus dem Werden, statt aus dem Sein heraus zu verstehen trachtet. — 103 -— „Wie wahnwitzig der Gedanke ist, die Zweckmäßigkeit lebendiger Körper erklären, d. h. zeigen zu wollen, auf wel- chem Wege es ihnen gelungen sei, sich nach und nach zweck- mäßig zu organisieren, das leuchtet ohne weiteres ein, sobald man weiß, daß der Zweckgedanke nichts anderes ist, als Le- bensgestalt ins Begriffliche übertragen. Jenes Vorhaben ist buchstäblich genau dasselbe, wie wenn jemand sagen wollte: ich werde euch dartun, auf welche Weise der Stoff nach und nach träge wurde und wie es kam, daß die Kraft eines Tages in Bewegung geriet. Der Gedanke selbst ist völlig sinnlos. Und doch ist es dies, was der Darwinismus (in seinen ver- schiedenen Abarten) unternimmt und wofür er so hoch ge- priesen wird* (siehe HoUSTON STEWART ÜHAMBERLAIN, „Im- manuel Kant“, 3. Aufl. München 1916, S. 576 ff.). So ist es denn der Begriff, und zwar der Begriff des Zweckgedankens, „mit dem vorzugsweise die Naturwissenschaft der Organismen operiert, und an den siesich in der Spezies anklammert. Der Begriff ist unterschieden vom Gesetz. Aber das Gesetz hat doch notwendigerweise den Begriff zur Vor- aussetzung. Und so ist im Begriffe diebeschreibende Naturwissenschaft mit der mathematischen Natur- wissenschaft so verbunden als geschieden. Die Verbindung im Begriffe, soweit sie statthaft ist, stellt zugleich die Verbindung des Denkens her in beiden Gebieten. Und so ist die Ausdehnung der Logik auf das Gebiet der beschrei- benden Naturwissenschaft vorerst gerechtfertigt. Ohnehin ver- harren die Methoden dieses Gebietes keineswegs in einem Gegensatz Zifwswathematischen Naturwissenschaft, sondern sie betrachten diese als ihr Ideal, dem sie zustreben, und dem sie ihre Methode anpassen“ (siehe CoHEN, „Logik der reinen Er- kenntnis“, 2. Aufl. Berlin 1914, S. 42). — 104 — 1I. Die Forschungsmethoden der willenswissenschaftlichen Grund- lagen. Das methodische Forschungsprinzip aller Willenswissen- schaften ist, wie schon kurz angedeutet wurde, die teleolo- gische Forschungsmethode i. eigentl. Sinne, d. h. die „pro- spektive“ teleologische Methode, die wir bei der Abhand- lung der Forschungsmethode unsrer eigenen Norm noch ge- nauer kennen lernen werden. Alle Willenswissenschaften gehen von der Setzung eines dem Handeln vorausgeworfenen Zweckes aus, der diesem als Leitstern dient und es erst zur Erzeugung bringt. Die Aufstellung der Gebote und Normen unsrer willens- wissenschaftlichen Grundlagen ist aber nicht Sache unsrer Wissenschaft, vielmehr die der Staats-, Volkswirtschaft- und Privatwirtschaftswissenschaft selbst. Unsre Aufgabe besteht lediglich darin, die für unser Handeln in Betracht kommenden Gebote und Anweisungen dieser genannten Wissenschaften aus den einzelnen Norm- Ganzen dieser herauszulösen und von unserm Standpunkt aus betrachtet bei der Konstruktion und dem Aufbau unsrer ei- genen Norm gebührend heranzuziehen und zu verwerten. Ill. Die Forschungsmethode der kunstwissenschaftlichen Grund- lagen. Die Forschungsaufgabe der Grundlagen der Forstkunst- wissenschaft, der „Forstästhetik“, besteht in der Begriffsbe- stimmung und Wesensdeutung des Forstschönen, wie es unter der Hand wahrhafter genialer Forstkünstler tatsächlich in Er- scheinung tritt. Die Forstkunstwissenschaft selbst hat die Aufgabe auf der Basis der Forstästhetik Richtlinien zur Verschönerung der Forste für den praktischen Forstwirt zu entwerfen, welche dann späterhin in der Norm mit den übrigen Weisern des forstwirtschaftlichen Handelns in Einklang gebracht und in a — 15 — der Forstwirtschaft der Praxis auf die praktische Möglichkeit. ihrer Durchführung erprobt werden. Es ist hierbei jedoch nicht zu verkennen, daß sich die Anweisung der Forstkunstwissenschaft über das rein Technische nicht erheben kann. Denn Kunst ist ja „vom Können gerade in dem Sinne benannt, daß das Können ihr gegeben sein muß, nicht wie die Technik, durch unverdrossene Arbeit erzwungen werden kann. So kann auch von einer Methode, im gewöhnlich verstandenen Sinne einer überall gleichmäßig zu befolgenden allgemeinen Norm oder Vorschrift des Verfahrens, bei ihr nicht die Rede sein“ (Dr. Paul NAToRrP, „Philosophie“, Göt- tingen 3911, S. 109, 110). Nur das gottbegnadete Genie ist fähig, wahrhafte Forst- kunstwerke zu schaffen. Das ist aber kein Grund, daß die große Mehrzahl der künstlerisch weniger befähigten Forstwirte die Hände ganz in den Schoß legt. Ihre Aufgabe ist es, das was ihr die Forst- kunstwissenschaft an technischen Leitlinien bietet, zu erlernen und sich auf Grund der so erworbenen Kenntnisse am Ver- schönerungswerk zu beteiligen, so viel als in ihren Kräften steht. 2. Kapitel. Die Forschungsmethode der Norm. Die Forschungsmethode der Norm, die Methode, nach welcher der Aufbau der Norm vor sich geht, ist nichts ge- ringeres als die methodische Leitidee unsrer Wissenschaft selbst, deren Krönung ja die Norm bedeutet. Von der Zweckidee der Aufstellung einer Norm für das forstwirtschaftliche Handeln gingen wir ja bei der Inangriff- nahme unsrer Untersuchung aus. Sie war ja die Hypothesis, deren Forderung die neue Grundlegung unsrer Wissenschaft ausmacht. ‘ Die Norm, die Forstwirtschaft der Idee, ist das Projekt — 106 — unsrer Wissenschaft, das hypothetisch „Vorausgeworfene‘“, in dessen Anstrebung und Erreichung unsre ganze wissenschaft- liche Forschungsarbeit gipfeln muß. Das methodische Forschungsprinzip der Norm beruht, wie in der Systematik schon kurz angedeutet wurde, in der Schaffung einer Vermittlung, eines gerechten Ausgleiches aller Einzelprinzipien und Projekte der ihren Unterbau bildenden Grundlagen. Die Forschungsarbeit der Norm ist gleichbedeutend mit der Setzung der Funktion all dieser grundlegenden Faktoren. In dieser aufbauenden erzeugenden Tätigkeit allein aber erschöpft sich die Forschung der Norm nicht. Als nachträg- liche Ergänzung tritt dieser vielmehr noch die rückwirkende Kontrolle der Erfahrung der praktischen Forstwirtschaft zur. Seite, der zwar nicht die Bedeutung einer Erkenntnisgrund- lage, wohl aber die einer notwendigen Kontrollinstanz zukommt. (erade hier bei Betrachtung des methodischen Grund- prinzipes unsrer ganzen Wissenschaft muß es besonders ins Auge fallen, welche tiefe Kluft zwischen der WAPPpESsschen und der hier dargestellten Forstwirtschafts- Philosophie gähnt. Die himmelweite Distanz der beiden Auffassungen voneinander offenbart sich vor allem hier in der Grundverschiedenheit der beiderseitigen methodischen Leitprinzipien, der Leitidee des Realismus auf der einen und der des Idealismus auf der an- deren Seite. Der Idealismus sucht die Realität von ihren Folgen, der Realismus aber will sie von ihren Ursachen aus zu verstehen und zu begreifen suchen. Für den Realisten WAPrpEs kann eine Norm unsrer Wis- senschaft nicht existieren. Er ist ein ausgesprochener Gegner aller „Lehrsysteme“ und will die kausale Denkrichtung, die wir nur für die Naturwissenschaft gelten lassen, auch auf die „Geisteswissenschaften“ übertragen. Er stellt das forstwirt- schaftliche Handeln gleichsam von hinten getrieben dar, wäh- — 17 — rend wir es uns von einer auf der Basis wissenschaftlicher Grundlagen aufgebauten, ihm vorausgeworfenen Norm von vorne getrieben denken. WAPPES ist der Meinung, daß der Forstwirt unter dem Zwange einer kausalen Bestimmtheit stehe und sucht deshalb dessen Handeln aus seiner psychischen Ver- fassung heraus unter Anwendung psychologischer Forschungs- methoden zu erklären. Darin liegt es auch begründet, daß er die von den Prinzipien der Ethik geforderte Allheit der "Volks- und Rechtsgenossen unberücksichtigt lassen muß. Die Psychologie geht ja immer vom Einzelindividuum aus, und so bildet denn auch der von der Gemeinschaft der Rechts- und Volksgenossen isolierte „homo foresticus“ seine Grundlage und seinen Ausgangspunkt. Nach unsrer Ansicht dagegen besitzt der handelnde Forst- wirt die Kraft der persönlichen Entschließung und läßt sich in seinem Handeln durch eine von ihm selbst gesetzte Zweck- idee leiten und lenken. Nicht seine psychische Veranlagung, sondern die Zweck- idee der Norm, die Vorstellung des in ihr gesetzten Erfolges ist die veranlassende und treibende Kraft seines Handelns. Dem handelnden Forstwirt schwebt eine Zwecksetzung voran, die er unter Anwendung der geeigneten Mittel unter Ueberwindung aller sich ihm entgegenstellenden Hemmungen in ihr äußeres Dasein, in die Praxis umzusetzen sucht, aller- dings ohne dabei den Rahmen der natürlichen Kausalität, den er sich ja selbst aus seinem Geiste heraus zum Erfassen der für ihn in Betracht kommenden Naturerscheinungen erst ge- setzt hat, und den er als eine notwendige Grundlage seiner Norm von vornherein mit in Rechnung stellt, durchbrechen zu können. — 18 — 3. Kapitel. Die Forschungsmethode der Betrach- tung der Forstwirtschaft der Praxis. Die Betrachtung der Forstwirtschaft der Praxis ist nichts anderes als die rein statistisch-geographische Zustandserfas- sung der tatsächlich ausgeübten praktischen Forstwirtschaft. Die statistische Forschungsmethode betrachtet aber das Individuum als ein den Grundsätzen der Kausalität unterworfenes Naturwesen. Wenn wir deshalb hier zur Darstellung der praktischen Forstwirtschaft die statistische Methode im Vorschlag bringen und als berechtigt anerkennen, so könnte es den Anschein erwecken, als ob wir uns damit in Widerspruch zu dem me- thodischen Grundprinzip unsrer ganzen Wissenschaft setzen würden, das ja, wie wir sahen, die Forstwirtschaft der Praxis als einen Ausfluß der vom Willen gesetzten Zweckidee der Norm ansieht. Bei näherem Zusehen wird man aber bemerken, daß dieser Widerspruch nur scheinbar ist. Die Statistik ist uns nichts weiter als nur eine Brücke, ein wichtiges Hilfs- mittel zur Erforschung der tatsächlichen Verhältnisse. Genau besehen kann auch sie ohne den Gedanken der Freiheit nicht auskommen. Wenn wirklich der Forstwirt und sein Handeln nur das Produkt ihrer natürlichen und ökono- mischen Verhältnisse wären, so würde es sich streng genom-- men gar nicht rentieren, für die Veredlung und Weiterent- wicklung seiner Handlungsweise auch nur einen Finger zu krümmen. Versucht man aber dennoch auf Grund der sta- tistischen Erhebungen die Forstwirtschaft praktisch zu bessern und zu heben, so erkennt man damit ohne weiteres auch die menschliche Freiheit an. — 19 — I. Abschnitt. Die Forschungsmethoden der Geschichte der Forstwirt- schafts-Wissenschaft. Ueber die Methodologie der Geschichte herrschen heute noch, sowohl in fachwissenschaftlichen, als auch in philoso- phischen Kreisen, große Meinungsverschiedenheiten. Hier muß vor allem einer weit verbreiteten irrigen An- sicht energisch entgegengetreten werden, nämlich der Auffas- sung, daß wir aus der Geschichte etwas für die Zukunft lernen könnten, „daß die Geschichte das Vorbild und die Muster- karte für alle künftige Entwicklung sei“ (s. HERMANN COHEN, „Logik der reinen Erkenntnis“, 2. Aufl. Berlin 1914, S. 386 ff.). Diese Ansicht wird auch von einigen Systematikern und Hi- storikern unsrer Wissenschaft geteilt. Unter anderen bekennt sich auch der Klassiker unter den Historikern unsrer Wissen- schaft, AUGUST BERNHARDT zu dieser Anschauung. Er sagt in der Einleitung seines schon oft zitierten Werkes: „Mag die Geschichtsforschung irgend einem dieser Gebiete sich zu- wenden — ihre Ziele, die Mittel sie zu erreichen, werden stets dieselben sein. Sie hat nicht stehen zu bleiben bei der Er- hellung der historischen Merkzeichen, möge sie als solche Menschengestalten, Gestaltung des Wirtschafts-, Rechts- oder Gesellschaftslebens ansehen; überall hat sie in Erfüllung ihrer weiteren und höchsten Aufgabe das Gesetz zu ergründen, nach welchem die Entwicklung erfolgte, gleichsam die Kurve zu konstruieren mit ihren steigenden, fallenden und wiederum steigenden Linien, auf welchen das Menschengeschlecht durch die Jahrtausende emporsteigt zu seinen gottgegebenen Zielen.“ Noch weiter als BERNHARDT geht WAPPES. Auch erhält .die Aufstellung „allgemeiner Entwicklungsgesetze“ für mög- lich und will sie sogar in einer besonderen Darstellung, ge- sondert von der „Geschichte der einzelnen Gebiete“ seiner — 10 — Forstwissenschaft, für sich abgehandelt haben. (Siehe Silva, Jahrg. 1913, Heft 1 und 2, „Bedeutung und Aufgabe einer Systematik der Forstwissenschaft“). Vor einer solchen Auffassung der Geschichte kann nicht dringend genug gewarnt werden. Denn, wenn man sie so auf- faßt, verdrängt man die „oberste und souveräne Leitung der Ethik. Unsre Weisheit darüber, wie es von jeher gewesen ist, darf unsre Fragelust nicht beschwichtigen danach, wie es dereinst sein werde. Man sieht sogleich, es regt sich der wahrhafte Begriff mit seinen ewig offenen Lösungen, die alle nur Lösungsstufen bedeuten wollen, gegen die alterskluge Weis- heit, für welche die Hauptfragen des Gewissens endgültig er- ledigt sind. Nur Bestätigungen kann für sie die Folgezeit bringen, oder aber stets neue, vielmehr die alten, nur wieder- kehrenden Illusionen.“ (Siehe HERMANN ÜOHEN, „Logik der reinen Erkenntnis“, 2, Aufl. Berlin 1914, S. 386 f.) Die auf der Voraussetzung der Logik beruhende Ethik und nicht die Psychologie istes, welcheallen Willens- wissenschaften und damit auch der Geschichte i. eigentl. 8. ihre Besonderheit und ihren eigenen Inhalt gibt. Die materialistische Geschichtsansicht, nach welcher der Zwang der tierischen Natur des Menschen es ist, der die Einrichtungen der Kultur erzeugt, ist nichts anderes als „die Aufhebung der Geschichte“. „Denn Ge- schichte als Geschichte des Menschen und seiner Werke und Taten, ist Geschichte des Geistes und der Ideen; oder aber: es gäbe keine Weltgeschichte sondern nur Naturgeschichte.“ (Siehe HERMANN ÜOHEN, „Ethik des reinen Willens“, 2. Aufl. Berlin 1907, S. 35 f.) Kurz erwähnt möge hier noch werden, daß die Philoso- phen WINDELBAND und RICKERT in neuerer Zeit auf der Grundlage ihrer Philosophie der Werte eine besondere, von der „allgemeinen Logik“ abweichende „Logik der Ge- schichtswissenschaft“ konstruiert haben. Sie trennen ea — 11 — die Erfahrungswissenschaften in Gesetzes- bzw. Naturwissen- schaften einerseits und Ereignis- bzw. Kulturwissenschaften andererseits und behaupten, nur diese hätten das Individuum zum Gegenstand, während jene sich mit der bloßen Gesetz- mäßigkeit des Geschehens befassen würden. Die allgemeine Logik habe nur Geltung für die Gesetzeswissenschaften. Die Kultur- oder Ereigniswissenschaften dagegen, die sich durch die Einzigkeit ihres Geschehens auszeichnen würden, könnten deshalb auch nicht auf der, nur für Gesetzeswissen- schaften Geltung besitzenden, allgemeinen Logik fußen, son- dern hätten eine ganz eigene, besondere Logik zur Grundlage. Gegen diese Konstruktion einer besonderen Logik der Geschichtswissenschaft macht HERMANN COHEN u. a. auf 8. 76 und 77 seiner „Logik der reinen Erkenntnis“ (2. Aufl. Berlin 1914) energisch Front: „Wenn diese (die Geschichtswissen- schaft) jedoch in neuester Zeit durch eine besondere Logik von der allgemeinen unterschieden wird, so liegen darin dop- pelte Irrtümer. Erstlich mißversteht man unsere, an dem Werdefaktum der mathematischen Naturwissenschaft orien- tierte Logik dahin, daß sie der Logik der Werte nicht zu- gänglich, nicht zulänglich wäre. Der faktische Beweis des Gegenteils wird auf Grund des Vorurteils nicht sowohl be- stritten, als ignoriert. Zweitens aber wird dadurch der logische Geist der Geschichte in seinen methodischen Eigenwerten angetastet. Die Begriffe, welche auf jener Seite der Geschichtswissenschaft untergelegt werden, sind im besten Falle solche, welche nicht den allgemeinen, methodischen Ge- genstandsbegriff des geschichtlichen Objektes betreffen — die- ser dürfte nicht ohne die Mitleistung der Ethik zu erfassen sein — sondern sie erstrecken sich auf die Kennzeichnung solcher Merkmale des geschichtlichen Gegenstandes, welche wie die Einzigkeit, die wichtigsten Probleme der Ge- schichtswissenschaft in ihrer technischen Methodik betreffen. ‘Von solcher Logik der Geschichtswissenschaften müssen wir — 12 — uns fernhalten, auch wenn sie nicht die unerläßliche Mitwir- kung der Ethik außer Kraft setzte und darin schon den all- gemeinen Gegenstandsbegriff der Geschichte einschränkte. Da- hingegen schaffen wir schon in unsrer ersten Gruppierung Raum für eine nicht den Einzelproblemen vorgreifende Logik der Geschichte.“ Bezüglich der technischen Methodik der geschichtlichen Betrachtung überhaupt sei hier auf die „Historik“ von RıEsS hingewiesen. „Geschichtliche Betrachtung“ ist nach RıEss „die Auffassung eines als Einheit begriffenen Gegenstandes der Erfahrungswelt mittels des Kausalnexus seiner sich nicht regelmäßig wiederholenden wesentlichen Veränderungen“. Die Geschichte unsrer Wissenschaft wäre also danach zu defi- nieren als: „Die Auffassung der als Einheit begriffenen idealen Forstwirtschaft mittels des Kausalnexus ihrer sich nicht regel- mäßig wiederholenden wesentlichen Veränderungen.“ In diesem Satz scheint ein offenbarer Widerspruch zu liegen. Die Forst- wirtschaft der Idee soll als eine Einheit, als etwas Bestimmtes, Festes begriffen werden und doch sollen ihre Veränderungen dargestellt werden. Aber das liegt nun einmal in der Eigen- art der geschichtlichen Betrachtung, daß sie notwendig von diesem Widerspruch ausgehen muß. Dieser Widerspruch löst sich übrigens auf, wenn wir uns vergegenwärtigen: „daß alle Geschichte in ihrem tiefsten Grunde nur eine Methode sein sollte, das Wesen des beharrenden Außergeschichtlichen zu erfassen“ (siehe CHAMBERLAIN, „Immanuel Kant“, 3. Aufl. München 1916, S. 572). Bei der historischen Betrachtung des Gegenstandes unsrer Wissenschaft gehen wir zwar von der Annahme aus, daß dieser dauernden Veränderungen ausgesetzt ist, also genau genommen gar nicht immer derselbe bleibt, aber bei der ganzen Betrachtung schwebt uns doch immer ein einheitlicher Gegenstand vor Augen, zu dessen genauer Er- kenntnis historische Betrachtung nicht zu entbehren ist. Diese jeder historischen Betrachtung eigentümliche Schwie- — 13 — rigkeit überwinden wir, indem wir uns der Mathematik, die sich auch hier noch als methodische Grundlage bewährt, als Hilfsmittel bedienen und periodisieren. Diese historisch-methodologischen Bemerkungen allgemei- ner Natur, welche dem Charakter der vorliegenden Arbeit entsprechend nur kurz und aphoristisch gehalten werden konn- ten, dürften zur Gewinnung eines Ueberblicks über die Eigen- art der Forschungsmethoden des historischen Teils unsrer Wissenschaft durchaus genügen. Auf eine Besprechung der Forschungsmethoden der ein- zelnen historischen Glieder unsrer Wissenschaft kann bier umso eher verzichtet werden, als diese sowieso keine grund- legenden Differenzen aufweisen. So stellt sich in Ausdenkung der Ergebnisse der neuen Grundlegung und Systematik unsrer Wissenschaft das Gerippe einer neuen Methodenlehre unsrer Wissenschaft dar, dem bei einer weiteren Ausarbeitung der Forstwirtschafts-Philosophie die „Geschichte der Methodenlehre unsrer Wissenschaft“ er- gänzend zur Seite treten müßte. Schlußwort. Wie der Zimmermann, der das Balkenskelett eines Hauses fertiggestellt hat, nach einem alten schönen Brauche in der frohen Erwartung der baldigen Vollendung des Baues, dessen höchsten First mit einem grünen Hoffnungskranze krönt, so will ich meine Arbeit ausklingen lassen in dem hoffnungsfrohen Wunsche, daß bald die Meister kommen mögen, die dazu be- rufen sind, den Neubau unsrer kommenden Wissenschaft unter Dach und Fach zu bringen, die den hohen sittlichen Mut baben, unter Hintanstellung der Gewinn- und Profitsucht unsrer Zeit, einen Bau zu vollenden, der im Einklang steht mit den höchsten Zielen unsrer völkischen Kultur. Das ge- waltige Erlebnis des großen Krieges hat uns die tiefe Einsicht, die sonst vielleicht Jahrzehnte zum Reifen gebraucht hätte, Weber, Grundlinien einer neuen Forstwirtschafts-Philosophie. 8 — 114 — blitzartig in voller Schärfe vor Augen gestellt. Die tiefe Ein- sicht, daß wir schließlich nicht nur Holzerzeuger und Holz- verkäufer sind, sondern auch Angehörige unsres deutschen Vaterlandes und Volkes, das uns teurer sein muß als per- sönliches Glück und Wohlergehen, dessen Wohl und Wehe uns mehr bedeuten muß als unser Privatinteresse. Diese Er- kenntnis muß uns in Fleisch und Blut übergehen, und sie muß auch ein Stück und eine methodische Leitlinie unsrer Wissenschaft werden. ae Ddee, 116 — BioMed an Im NE En Weber, Heinrich Grundlinien einer neuen Forstwirtschaftsphilosophie PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY LIBRARY UNIVERSITY OF TORONTO er‘ ICH