.JUN VERLAGU.BUCHHANDL. NATURWISS.uMATHEM ) ERLIN NW TATEN USERN N \ I ri N \ > Y >> bt Ab, l) li ä ( gi u \ ” ) ) FB \t ri I) In g7: ya) a), l ) ) =” 2) Estate of Dr. Herman Knoche California Academy of Sciences Library By action of the Board of Trustees of the Leland Stanford Junior University on June 14, 1974, this book has been placed on deposit with the California Academy of Sciences Library. Digitized by the Internet Archive in 2012 with funding from California Academy of Sciences Library http://www.archive.org/details/grundrissderpfla00meye Grundrıss der Pflanzengeographie ausführlichen Untersuchungen uber das Vaterland, den Anbau und den Nutzen der vorzüglichsten Culturpflanzen , welche den Wohlstand der Völker begründen, von F.J.F. Meyen, . der Philosophie, der Medizin und der Chirurgie Doctor, und aufserordentl. Professor an der Königl. Friedrich Wilhelms - Universisät zu Berlin. Mutzeıiner'tafel EEE Berlin, 1836. Haude und Spenersche Buchhandlung. + (S. J. Joseephy.) ua, REN Rot I0, I j 0) SRREHE POT Be Rt rt te ne u a Dem Königlichen Preufsischen wirklichen Geheimen Staats - Minister und Minister der Geistlichen-, Unterrichts - und der Medizinal- Angelegenheiten, Ritter des schwarzen Adler - Ordens und des eisernen Kreuzes, etc. etc. etc. Herrn Freiherrn von Stein zum Altenstein Excellenz in tiefster Ehrfurcht gewidmet. - 21 ln R 28) 2 Ist Ki BEN MR ” dd BUNTEOIE 4 Par IE TN = > EL, UT Ist, AL HE Inhalts - Anzeige. tung in die Pflanzengeographie ö Hauptsächlichste Litteratur für die Pflanzengeographie Erste Abtheilung. Ueber die climatischen Verhältnisse, welche das Vorkommen und die Verbreitung der Pflanzen bedingen Einflufs der Winde und der odomelenre es de re- gelmäfsige Vertheilung der Wärme und der dadurch bedingten Vegetation Ueber den täglichen Gang der Wäre Erklärung der grofsen Verschiedenheit zw is &hien Kisten! und Continental -Clima, und der daraus hervorgehen- den Verschiedenheit in der Vegetation Ueber die mittlere Wärme eines Ortes und a Bi flufs auf das Vorhandensein der Vegetation Bedeutung der Isothermen, der Isotheren und der Iscchiz menen für die Pflanzengeographie \ Parallelismus zwischen der Abnahme der Wärme an ur Veränderung der Vegetation von dem Aequator bis zu den Polargegenden, verglichen mit derjenigen, aus der Ebene in den Tropen, bis zu den Gipfeln der Gebirge Ueber die Höhe der Vegetationsgrenze in.den verschiede- nen Breiten derErde, welche im Allgemeinen mit der Höhe der ewigen Schneegrenze zusammenfällt . Die Wärme des Bodens wird ebenfalls als einflufsreich auf die Vegetation angesehen 3 Ueber den Einflufs der Wärme, welche im Pebhlinge die Entwickelung der Blätter und Blüthen bedingt . : Einflufs der Feuchtigkeit der Luft und der Erde auf das Vorhandensein der Vegetation Ueber die Wirkung der Strömungen in der Luft und im Wasser auf die Verbreitung der Pflanzen durch Wan- derung Seite 1 - ‘ 30 36 40 41 45 47 vI Zweite Abtheilung. Von den Verhältnissen, durch welche der Bo- den auf das Vorkommen und auf die Verbrei- tung der Pflanzen einwirkt Schwierige Erklärung der Ursachen, w Gute sit: Verhält | nisse des Bodens auf des Vorkommen der Pflanzen ein- wirken Betrachtung des Vor ne der Pflanzen in ihren ver- schiedenen Lokalverhältnissen . : 4) Wasserpflanzen . $ . Meerespflanzen . ; ; Süfswasser -Pflanzen. Unter-Wasser- Pflanzen . Ober - Wasser - Pflanzen Seepflanzen Grabenpflanzen . Flufspflanzen Quellenpflanzen Salzpflanzen Amphibische und uberschwenmie Pflanzen } Strandpflanzen und Uferpflanzen . s ee Mangrove- Waldungen : 5 ; » 5 ; 2) Landpflanzen. ; i ; - Einflufs des Bodens in a seiner geosno- stischen Zusammensetzung . ; « Sand- und Kiesel-Pflanzen Kalk-Pflanzen — Gips -Pflanzen — Tor Pflanzen Bruch-Pflanzen — Sumpf- Pflanzen Einflufs des Bodens in Hinsicht seines Ageressr Zustandes. Felsen-Pflanzen — Geschiebe-Pflanzen — Sand- Pflanzen Schutt-Pflanzen Einflufs des Bodens af 1% or den; Pflanzenin Hinsicht seiner Natur. e I. Vorkommen der Pflanzen auf anderen lebenden Pflanzen Wahre Parasiten Parasiten im Alldeiieisen Uneigentliche Parasiten Blatt-Pilze oder Exantheme der Pflanzen II. Vorkommen der Pflanzen auf todten organischen Stoffen IN. Vorkommen der Pflanzen auf Kunst-Produkten. Mauer - Pflanzen Dach -Pflanzen . Seite 67 70 70 1 VII Bretter-Pflanzen, Schutt- und Geröll-Pflanzen Einflufs des Bodens in Hinsicht seines Cultur- Zustandes. I. Pflanzen auf angebauetem Boden ; Feld-Pflanzen — Bruch-Pflanzen — Garten - Pilänzen: Garten- Unkräuter — Stein-Pflanzen — Zaun-Pilanzen 1. Pflanzen auf unangebauetem Boden Feld-Pflanzen — Wüsten -Pflanzen Wiesen - Pflanzen Waide -Pflanzen Heide - Pflanzen Berg -Pflanzen . Gesträuch-Pflanzen . Wald-Pflanzen . Ueber das gesellschaftliche Wachsen der Pflanzen Begriffs-Bestimmungenüber das Vorkommen und ‘ die Verbreitung der Pflanzen ’ Das Vorkommen der Pflanzen Die Verbreitung der Pflanzen . Breiten-Zone der Pflanzen Höhen-Zone oder Regionen der Pflanzen ö Polar- und Aequatorial-Grenze des Vorkommens der Piaven Längen-Zone der Pflanzen Unterbrochenes und ae Areal der Pflanzen i Natürliches und künstliches Areal der Pflanzen 5 Gröfse oder Ausdehnung des Nele: Bezirkes der Pflanzen Recapitulation über De de lan enreogeaplue Dritte Abtheilung. Ueber die Vertheilung der Gewächse auf der Oberfläche der Erde, mit besonderer Rück- sicht auf die Physiognomie der Natur . . Allgemeine Betrachtungen über die Vertheilung der Pflanzen 1. Die Physiognomik der Vegetation , A, Specielle Betrachtung der Hauptformen der Gewächse in Hinsicht ihrer verschiedenen Physiognomie ‘ | 1) Die Gräser und grasartigen Gew ächse 2) Die Scitamineen . a) Bananen -Form , 3) Die Pandanen-Form VIH 4) Die Ananas.- artigen Gewächse . 5) Die Agaven-Form 6) Die Palmen b) Die Cycadeen . 7) Die Farm } 8) Die Mimosen-Form 9) Die Nadelhölzer 40) Die Proteen, Eriken und Epakriden, 41) Die Myrten-Form 42) Die Form der Done a) Laubhölzer mit zarten Blättern b) Laubhölzer mit pergamentartigen, glänzenden Blättern 165 c) Weidenform 165 d) Laubhölzer mit grolsen een Ba 166 43) Die Cactus-Form ; MT 44) Die fleischigen Gewächse , 4176 45) Die Lilien- Gewächse ; 477 16) Die Lianen oder Schliriepflänzen ‚ e ® ; 178 17) Die Pothos -Gewächse 151 48) Die Orchideen 182 19) Die Moose . a 183 20) Die.Mlechten ! +, ;", . 183 B. Allgemeine Prise geh Einthei- lung der Erdoberfläche nach der Physiogno- . mie der Vegetation ‘. , a Allgemeine Bemerkungen zu diesem Abschnitte . 185 a) Darstellung der Physiognomie der Vegeta- tion nach den verschiedenen Zonen . 189 4) Schilderung der Vegetation in der Aequatorial-Zone 190 2) Schilderung der Vegetation in der tropischen Zone s. 201 3) Schilderung der Vegetation in der subtropischen Zone . 206 4) Schilderung der Vegetation in dem wärmeren Theile der temperirten Zone . en 2 ARE 5) Schilderung der Vegetation in dem kälteren Theile der temperirten Zone : > Ä : : 232 6) Schilderung der Verelalion. in der subarktischen Zone 245 7) Schilderung der Vegetation in der arktischen Zone 252 8) Schilderung der Vegetation in der Polar-Zone | b) Darstellung der Physiognomie der Vegeta- ‚tion nach den Regionen . 261 4) Region der Palmen und Bananen . . 2.2.0.2. 268 2) Region der Baum-Farrn und Feigen 47270 3) Region der Myrten- und Lorbeer-artigen Gewächse . 273 Seite 138 140 144 148 149 451 154 159 461 163 165 4) egion der immergrünen Laubhölzer ' 3. 5) Region der Eichen und der europäischen Laubhölzer . 6) Region der Nadelhölzer , KEN LOHN Kuhn. 2 20200 Pe 7) Region der Alpenrosen j { : } 3 i . Brhkesion.der Alpenkräuter „. ",. .. 0 Ve 44 £ U. Die Statistik der Gewächse ., i } - i Ueber die Anzahl der vorhandenen Pflanzenarten e 5 Die Vegetation der Inseln scheint nicht ärmer an Pflanzen- arten zu sein, als verhältnissmäfsig gleich gebildete Ländermassen der Continente . R . ART a Die Vegetation wird, nicht nur an Artenzahl sondern auch an Individuenzahl, mit zunehmender Annäherung zum Aedquator immer reicher . > . , . \ s Die Natur bringt unter ähnlichen Verhältnissen stets ähnli- che oder vollkommen gleiche Geschöpfe hervor . L Die Natur erzeugt noch gegenwärtigsowohl niedere Gewächse als auch niedere Thiere ohne Saamen , ; } . Allgemeine Regeln über die Art, wie die statistischen Be- rechnungen der Floren einzelner Länder anzustellen sind Ueber das Verhältnifs der Cryptogamen zu den Phaneroga- men, sınd gegenwärtig noch keine Gesetze zu entwik- keln, da das Material dazu noch viel zu unvollkommen ist Statistische Verhältnisse der Farrnkräuter . : ’ & Zahlen - Verhältnisse der Monocotyledonen zu den Dicotyle- donen für verschiedene Zonen und für verschiedene Re- gionen : : - ; ; : : : s i Betrachtungen der statistischen Verhältnisse verschiedener Ben von Khanzen ©. u. nen Die statistischen Berechnungen der Floren eines Landes müssen einzeln, für die verschiedenen Regionen ange- legt werden, welche man in demselben unterscheiden kann An lea nn D. Die Geschichte der Culturpflanzen, enthaltend Untersuchun- gen über das Vaterland, die Verbreitung, den Anbau und den Nutzen der vorzüglichsten Cultur - Pflanzen, welche sowohl zur Nahrung, als zur Bequemlichkeit, zum- Luxus und zum Handel der Völker dienen und de- ren Wohlstand begründen, Die Cultur der Getreid&e-Arten . : ; : ; Der Weitzen , ., BE a EN \ i Der Spelz, Gerste, Roggen und Hafer , 5 A ; Ä Benleeis et nm N, RE Mr u Seite 276 280 283 288 291 301 302 303 306 308 310 316 319 320 324 328 333 339 312 345 347 Der Mays ’ ; unEoke . re . . Die Hirse- Arten 5 R A a 2 r fi > N Die Quinoa R : A . x P . . R 4 Der Buchweitzen Die Cultur der vorzüglichsten Knollen-Wurzeln. Die Kartoffel . : A ; A > > y Die Arum- oder Arons- Wurzel . } - A . P Die Marioc - oder: Mandioca-Pflanze . A s A 2 Die Batate oder Camote s s £ 4 ° / . Die Igename oder Yam’s- Wurzel Die Oca, die Tacca, die Knollen von Sagittaria und Dra- contium Die Cultur der hauptsächlichsten Baumfrüchte, welche zur allgemeinen Nahrung der Völker dienen; Der Brodbaum % £ : . . . - . Der Pisang oder die Banane, u. Der Oelbaum . R H 5 x R R A . Die Cocos-Palme ., n y n R & . . Die Dattel-Palme . : A e & s . Die Chilenische Palme . , R Ä Die Mauritius - Palme s 5 > Die Sagu- Palme s . Die Guineische Oel- Palme = Die Wein-Palme . . . . Die Wassernufs ” . . . - Die Kastanie . Efsbare Eicheln und "efsbare Pinienkörner Araucarien - Mandeln u. s, w. . X 5 Pi Brasilianische Kastanien , Die hauptsächlichsten Culturpflanzen, welche o: 0 me ar 8 era rTet ae . ® ® ° ® ® mehr oder weniger zum Luxus benutzt wer- | den. Die Areca-Palme . & x 2 . R a s . Der Bet-' Pfeffer , R R 3 x Ä E H Catechv . R e R 2 % x s 4 3 Gambir-. tract : s : : A s R E Die Opium -Cultur . , - Rene . ; . Der Tabak 5 ; j £ x R . : : Ä Die Coca . £ € ö : ; $ a 2 h r Der Weinstock R 2 s ö R : 2 : 7 Die Maguey - Pflanze 3 Das Zuckerrohr K ; E : A R F s x Der Kaffee- Baum Der Chinesische Thee Die Pfeffer - Pflanze , Ueber einige der hauptsächlichsten Pflanzen, deren Fasern und Wolle zur Bereitung von Zeugen und anderen, dem Menschen unent- behrlichen Materialien benutzt werden. Die Baumwollen - Pflanze i : { . ; : . Die verschiedenen Hanf- Pflanzen . . : 5 . . Die Cultur der Indigo - Pflanzen EEE NEE e Ten Die Natur. zeigt unter allen Zonen der Erde ihre ei- genthümlichen Schönheiten, möge es sein auf den para- diesischen Inseln der Südsee, in den reizenden Thälern wasserreicher Gebirge, in dem kühlen Schatten der nordi- schen Eiche, oder möge es sein auf den’ pittoresken Eis- bergen hoher Gebirge, wie im Inneren der lybischen Wüste. Zu ‘dem gewöhnlichen Menschen schweigt die Natur, ihm entgeht die reiche Quelle herrlicher Genüsse, welche uns ergötzt und aufzuheitern vermag, selbst wenn wir von den härtesten ‚Schlägen des Schieksal’s getroffen sind. "Aber fragen wir uns,'was’c$ denn eigentlich ist, wo- durch die Natur ‘zu’ uns’ spricht,‘ so werden wir’ finden, dafs es einmal’ die gesammte Gestalt’der Erdoberfläche ist, dafs es hauptsächlich aber die lebende Decke derselben ist, nämlich die Vegetation, welche so tiefe Eindrücke auf unser. 'Gemüth macht ; ihre‘ Fülle;®‘oder ihr Mangel be- stimmen uns.’ Wo die Vegetation‘fehlt, ’da ist die Natur todt, mag sie: imponiren durch riesenhafte Masse, ‘durch Grausen 'erregende Einöden, oder durch das Toben ‘rau- schender Wasserfälle; nichts ist da, ‘was zum Gemüthe spricht, oder den Geist 'ergötzt. "Die ‘Vegetation ist es, welche den Naturcharacter einer ‚Gegend bestimmt und durch‘ sie werden die Ver- hältnisse bedingt, welche die Menschen in verschiedenartige Gesellschaften zusammenführen, so dafs dieselben bald ein Nomadenleben führen, bald mehr oder weniger die seg- nenden Einflüsse des Ackerbaues geniessen. Wo hingegen die vegetabilische Decke der Erdoberfläche fehlt, da, wo der Mensch mehr oder weniger ganz auf. thierische Nah- 1 4 Aequator nähert, und nimmt ab, je weiter man sich davon entfernt. Lappland hat 500 Phanerogamen und 600 Cryp- togamen, wärend Dänemark, welches kleiner, aber südli- cher gelegen ist, schon 1034 Phanerogamen und 2000 eryptogamische Gewächse aufzuweisen hat. Nach De Can- dolle hat Frankreich schon 3500 Phanerogamen und 2300 Cryptogamen aufzuzählen, neuerlichst sind aber, blofs aus Ostindien, durch die Herbarien der Englisch -ostindischen Compagnie mehr als 6000 Phanerogamen bekannt geworden, obgleich es ganz wahrscheinlich ist, dafs noch mehr als die doppelte Anzahl von Pflanzen-Arten. diesem Lande zugehörig ist. Ganz Europa hat dagegen, obgleich es so bedeutend gröfser ist, als Ostindien, nur etwas über 7000 Phanerogamen aufzuweisen. 3 Es wäre höchst interessant und für die Pfanzen-Geo- graphie schon jetzt von der höchsten Wichtigkeit, die Ge- sammtzahl der Pflanzen- Arten zu kennen, welche die ganze Erde bevölkern. Schon seit vielen Jahren hat man Ver- muthungen und Berechnungen über diesen Gegenstand aufgestellt, welche aber, durch die Entdeckungen neuerer Reisenden, als ungenügend erwiesen worden sind. Zu der Zeit als Linnee starb, kannte, man 8000 Pflanzen- Arten, und: gegenwärtig möchten deren mehr als 66000 Arten beschrieben sein. Die Zahl der noch unbeschriebenen, in den Herbarien der versehiedenen Nationen sich gegenwär- tig befindenden Pflanzen, möchte sich ebenfalls noch auf viele Tausende belaufen, so dafs die Summe der, bis jetzt aufgefundenen Pflanzen vielleicht schon an 80000 Arten reicht. . Bedenken wir aber, welche unermefsliche Länder- massen, sowohl in Amerika, als in Asien, in Australien und auf den Südsee-Inseln noch gänzlich: undurchsucht sind; denken wir an das grofse Afrika, welches, ausge- nommen einige, gänzlich, unfruchtbare Sandwüsten, viel- leicht eben so reich an mannigfaltigen Pflanzen - Arten. ist, wie dieses von Asien und Europa bekannt ist, so werden wir die Zahl der, schon bekannten Pflanzen wenigstens verdoppeln können, so dafs wir die Summe von. 160000 5 Arten erhalten. Aufserdem ist es bekannt, dafs viele neuere Reisende, welche längst durchsuchte Länder durchforscht haben, eine so grofse Masse von neuen Pflanzen mitge- bracht haben, dafs man darüber erstaunt und dadurch be- rechtigt wird, jene, schon vorhin erhaltene Summe von 160000 Arten, noch wenigstens um den vierten Theil zu vergröfsern, und demnach wenigstens 200000 Pflanzen-Arten als eine Zahl anzunehmen, welche sich. vielleicht einiger- mafsen der Wahrheit näheren möchte. Wird erst das In- nere Afrika’s aufgeschlossen sein, und wird einst die Ge- birgsmasse Australien’s durchsucht sein, dann werden noch viele der wichtigsten Momente der Pflanzen-Geographie an Klarheit gewinnen. "Wandern wir nun durch diese an Vielfältigkeit so un- ermefsliche Menge von Pflanzen, so werden" wir alsbald finden, ‘dafs die Natur; unter ähnlichen elimatischen Ver- hältnissen immer ähnliche, ja oftmals eben dieselben For- . men erzeugt hat. Die Naturforscher Banks und Solander, so wie die beiden. Forster's und Sparmann, welche die beiden Weltumsegelungen unter Cook begleiteten, waren nicht wenig erstaunt, als sie in der Gegend. des Cap Horn’s eine Vegetation fanden, welche‘ derjenigen unserer nordischen Zone ähnlich war. Durchziehen wir die Pflan- zendecke der Ebenen von dem;hohen Norden an, bis zur heifsesten Zone der Erde, so werden wir, mit veränderter Breite, eine stete Veränderung in der Physiognomie der Vegetation beobachten und: eben dieselbe Reihe von. Ver- änderungen, oft nur mehr oder weniger deutlich. zu er- kennen, werden wir wiederfinden, wenn wir in jenen hei- fsen Zonen, aus der Ebene des Meeres auf die Gipfel der höchsten Berge steigen, welche dort so oft über die Grenze des ewigen Schnee’s hinausragen. Hier wird man in einer kurzen Zeit alle die Climate durchwanderen, welche denen des heifsen Afrika’s, denen der schönen Länder unsers südlichen Eüropa’s und denen des eisigen Spitzbergens entsprechen; und in eben demselben Grade, wie sich auf diesen Bergen mit zunehmender Höhe die Veränderungen 6 des Clima’s darstellen, in eben demselben Mafse verändert sich ebenfalls die Vegetation. Von den prachtvollen Pal- men und der nahrhaften Banane ist, auf einer Höhe von 7- und 8000 Fufs, nichts mehr zu finden, aber in der Nähe des ewigen Schnee’s jener Gebirge wird man Gräser, Cyperoiden, Cruciferen, Gentianen und andere Pflänzchen finden, welche den Formen unseres nördlichen Europa’s ganz ähnlich sind. Forschen wir nun genauer nach den Ursachen, welche solche eigenthümliche Vertheilungen der Pflanzen veran- lassen können, so werden wir finden, dafs es bald solche sind, welche unsern Beobachtungen wahrnehmbar erschei- nen, bald aber auch solche, welche von den geheimsten Gesetzen der Natur abhängen, deren Wirken wir wohl verfolgen können, aber keineswegs erklären werden. Wenn eine Pflanze heifser Gegenden auch in unserem Lande trefllich wächst, sobald derselben in Treibhäusern ein ähn- liches Clima, wie dasjenige in den heifsen Gegenden dar- geboten wird, so haben wir allerdings die nächste Ursache gefunden, warum diese Pflanze nur in den heifsen Gegen- den und nicht auch in der Nähe der Pole wachsen kann. Nehmen wir Sumpfpflanzen aus ihrem natürlichen Stand- orte und verpflanzen sie in unsere Gärten, so sehen wir, dafs sie daselbst nur dann gedeihen, wenn siein einen ähn- lichen Sumpfboden gepflanzt werden, als derjenige ist, in welchen sie von Natur aus angewiesen waren. Andere Pflanzen, welche von der Natur im tiefen Schatten zu wachsen angewiesen sind, leben auch in unseren Gärten in gröfster Ueppigkeit, sobald ihnen ähnliche Standorte zuertheilt werden. Unerklärlich bleiben uns aber die Ge- setze der Natur, nach welchen gewisse Pflanzen nur in heifsen Gegenden, andere nur im kühlen Schatten und noch andere nur im sumpfigten Boden wachsen können; sie bleiben uns eben so unerklärbar wie die Ursachen, nach welchen die verschiedenen Pflanzen-Gruppen in ver- schiedenen Gegenden der Erde vorherrschen, und oft nur auf kleine und sehr bestimmte Bezirke beschränkt sind. 7 Wir sehen z. B. die vielgestalteten Gactus-Pfanzen im wärmeren Theile der temperirten und in der tropischen Zone Amerika’s vorkommen, wir sehen aber auch, dafs diese Gewächse daselbst auf die hohen Gebirge steigen, und dort in einem Clima vegetiren, welches der Alpen- Region in unserem Lappland gleichkommt, obgleich hier kein einziges Individuum jener sonderbaren Pflanzenform vorkommt. Schon aus den wenigen, so eben angeführten Angaben kann man auf die vielfach verschiedenen Ursachen schlie- fsen, welche noch, aufser den climatischen Verhältnissen, auf das Vorkommen und auf die Verbreitung der Pflanze Einflufs ausüben, und es wird demnach die Lehre von der geographischen Verbreitung der Pflanzen in verschie- dene Theile zerfallen’ müssen, worin alle jene Verhältnisse, zur leichtern Auffassung, »ach einer gewissen Ordnung näher erörtert werden, wie es der folgende Inhalt des Bu- ches zeigen wird. Die hauptsächlichsten Schriften, welche über die Geo- graphie der Pflanzen erschienen sind, möchten folgende sein: Alexander de Humboldt, Essai sur la Geogra- phie des plantes, accompagne d’un tableau physique des regions equinoxiales. Paris 1805. A4to. Alexander von Humboldt und A. Bonpland, Ideen zu einer Geographie der Pflanzen, nebst einem Na- turgemälde der Tropen - Länder. Tübingen 1807. 4to. (Eine deutsche Bearbeitung des vorigen Werkes mit eini- gen Veränderungen.) A. v. Humboldt, Ansichten der Natur. Ater Band. Tübingen 1808. 12mo. Neue Ausgabe in 2 Bändchen. Tübingen 1826. G. Wahlenberg, Flora lapponica. Berolini 1812. 8vo. Dessen Tentamen de Vegetatione et Climate in Hel- vetia septentrionali. Turici 1813. 8vo. Dessen Flora Carpathorum principalium. Göttingae 1814. 8vo. 1 8 R. Brown, Generäl Remarks on the botany of Terra australis. London 1814. Appendix to Flinders Voyage to terra australis. — Deutsch erschienen in R. Brown’s vermischten Shriften. Herausgegeben von Nees von Esen- beck. iter Theil. Leipzig 1825. | | Alexander von Humboldt, De distributione geo- graphica plantarum. Lutetiae Parisiorum 4817. 8vo. Auch in fol. als Einleitung zu dem grofsen Prachtwerk: Nova genera et species plantarum erschienen. Fr. Schouw, Grundzüge einer allgemeinen Pflanzen- geographie. Dänisch und deutsch zu. Kopenhagen und Berlin 1823. | C. T. Beilschmid, Pflanzengeographie nach Alex- ander von Humboldt’s Werke über die geographische Ver- theilung der Gewächse, mit Anmerkungen, gröfseren Bei- lagen aus anderen pflanzengeographischen Schriften und einem Excurse über die bei pflanzengeographischen Floren- Vergleichungen nöthigen Riücksichten. Breslau 1831. 8vo. Die übrigen Werke von geringerem Umfange, so wie die einzelnen Abhandlungen, welche über verschiedene Gegenstände der Pflanzengeographie erschienen sind, wer- den im Verlaufe des Werks genannt werden. Erste Abtheilung. Ueber die climatischen Verhältnisse, welche das Vorkommen und die Verbreitung der Pflanzen bedingen. — Es ist sehr leicht nachztwiisen, dafs die climatischen Verhältnisse, vorzüglich Wärme und Feuchtigkeit der Luft die hauptsächlichsten Ursachen sind, welche den Stand- ort und die Verbreitung der Pflanzen bedingen; demnach ist es, für die Lehre von der geographischen Vertheilung der Pflanzen, von der höchsten Wichtigkeit, die Art und Weise genau zu kennen, wodurch sich dieser Einflufs der, oftmals höchst complieirten climatischen Verhältnisse of- fenbart. Um zu diesem Ziele zu gelangen ist es nöthig, dass wir uns zuerst, wenngleich auch in gröfster Kürze, mit den Erfahrungen beschäftigen, welche 'man bis jetzt über die Vertheilung der Wärme und der Feuchtigkeit der Atmosphäre über den gesammten Erdkreis gesammelt hat; diese Betrachtungen sollen keineswegs von rein me- teorologischem Interesse sein, sondern sie sollen beständig den Einflufs nachweisen, welchen die einzelnen meteoro- logischen Erscheinungen auf die Vegetation ausüben. ‚Es ergiebt sich aus dem Stande der Sonne zur Erde, dafs alle Wärme-Vertheilung eine doppelte Periode zu durchlaufen hat, eine tägliche nämlich und eine jährliche. Zwar werden eine Menge von Ursachen auftreten, welche, sowohl durch Leitung, als durch Ausstrahlung und Aus- gleichung, die bestimmte Masse von Wärme modifieiren, welche dem Orte aus seinem Standpunkte zur Sonne zu- kommt, doch, wie die Erfahrung lehrt, so bleiben dennoch die Mittel dieser Wärme-Masseır constant. Wenn wir uns von den Tropen nach den Polen wenden, so wird. die Temperatur der Luft immer geringer werden, je mehr die l Ik 10 Mittagshöhe der Sonne nach den Polen zu abnimmt, und eben so mufs es um so kälter werden, je mehr wir uns von der Oberfläche der Erde entfernen und in das ver- dünnte Luftmeer steigen; da die Lichtabsorption (wenn ich mich der Kürze wegen so ausdrücken darf) in der verdünnten Luft geringer ist, also auch die Erwärmung derselben unbedeutender wird. Will man den Gang der periodischen Erscheinungen der Wärme-Vertheilung kennen lernen, so wird man die- sen in tropischen Gegenden; leichter erkennen, als im ho- hen Norden, denn dort gehen alle Veränderungen der Na- tur mit gröfserer Regelmäfsigkeit vor sich. Betrachteten wir die Erscheinung der Erwärmung der Atmosphäre durch die Sonne im Allgemeinen, so mülste sich eine regelmäfsige Vertheilung der Wärme von dem Maximo in den Tropen, zu dem Minimum an den Polen u. Ss. w. ergeben, doch dieses ist in der Wirklichkeit nicht der Fall; zwei Umstände sind es hauptsächlich, welche diese Abweichung von dem Gesetze veranlassen, die Winde nämlich und die Hydrometeore. Nirgends kann man die- sen Einflufs der Winde deutlicher sehen, als in Gegenden, wo halbjährliche Winde oder Monzoone herrschen; wie an der südlichen Küste von China, gerade an der Grenze der Tropen. Zu Canton *) und Macao, wo in den Som- mermonaten die Temperatur der Luft, selbst bei Nacht, nur selten unter 22° Reaum. fällt; in einer Gegend, wo Palmen wachsen, wo die Cultur des Zuckerrohr’s, des Nelumbium speciosum, der Orangen und aller schönen Südfrüchte statt findet, wo die Bezäunung der Gärten und Felder unmittelbar am Ufer des Flusses, durch Pisange, Orangen, Granaten und Myrten-Hecken gebildet wird, in dieser Gegend fällt, mit eintretendem N.O. Monzoone, die Temperatur bis auf einen so niedrigen Grad, dafs man *) S. meine Bemerkungen über die climaüschen Verhältnisse des südlichen Chinas — Nova Acta Acad. Caes. L. C. V. XVII. P. I. p. 854. 11 Morgens, besonders nach hellen Nächten, wo die Wärme- ausstrahlung bedeutend gewesen ist, die Blätter der Pi- sange gebräunt und welk herabhängend sieht. Doch diese so niedere Temperatur, welche selbst die tropischen Ge- wächse tödtet, hält zum Glück nur wenige Stunden an; sobald die Sonne wieder erscheint, kehrt auch die Wärme bis zu 12 und 15° R. zurück, und oft, schon bis gegen Mittag stehen die erfrorenen Pisange in voller Pracht, denn die gesenkten Blätter haben. sich wieder gehoben und selbst das schöne Grün kehrt zum Theile wieder zu- rück. Da dieser anhaltende Nordost-Wind eine ganz be- sonders trockne Luft herbeiführt, so pflegt der Himmel zu dieser Zeit fast beständig wolkenlos zu sein, und nächt- lich, wenn bei uns zu gleicher Zeit die tiefste Finsternifs herrscht, wie im Monat November und December, dann glänzen zu Canton die Sterne mit dem ruhigsten Lichte und in diesen Monaten kennt man keine Niederschläge von wässerigten Dünsten. Das neue Psychrometer zeigt dann gewöhnlich eine Differenz von 6 und 7’ R., eine Erscheinung, welche man bei uns nicht kennt. Diese Trockenheit wirkt aber auch so heftig, dafs den Menschen, welche im Freien zu thun haben, die Haut auf allen un- bedeckten Theilen des Körpers aufspringt und das Blut hervordringt, ganz ähnlich wie auf den Hochebenen der Cordillere, wo man nur tief in Wolle verhüllt die Reise gegen den Wind fortsetzen darf. Aber die Vegetation, in jenen Gegenden von China, zeigt jenen Einflufs des herrschenden Windes noch deut- licher; einem Paradiese gleich, erscheint dort die üppigste Vegetation wärend der Sommermonate, oder, wie ich lie- ber sagen -möchte, wärend der Zeit der Regen. Welch eine unendliche Menge von kostbaren Blumen schmücken, in jener schönen Zeit, die Gebüsche und die niedere Ve- getation; welch eine Menge von kostbaren Gräsern, oft von den schönsten und seltsamsten Formen, schmücken dann die Fluren, und Millionen von Heuschrecken und Käfern und Baumläufern beleben diesen üppigen Teppich. | 1 12 "E j Wenn: aber der Nord-Ost-Monzoon weht, wenn die mitt- lere Temperatur der Monate Juni, Juli und August, wel- che stets über 22° R. ist, in dem Monate November auf 15° R., im December auf 13° und im Februar selbst auf 10° R. fällt, wenn dann alle Wolken am Himmel ver- schwunden sind und in mehreren Monaten kein Tropfen Regen zur Erde gefallen ist, dann ist dieses Paradies, ob- gleich noch in den Tropen gelegen, wie mit einem Zau- berschlage verschwunden. Die Felder sind kahl, die Rük- ken der Berge sind versengt, denn die vertrocknete Pflan- zenmasse ist verstäubt und nur der Boden ohne Spuren von früherer Ueppigkeit ist zurückgeblieben. Wohl sind die Contraste ganz ähnlich, welche bei uns im nördlichen Deutschland der lachende Sommer mit dem herben Winter darbietet, wenn Monate lang .der Bo- den bei uns gefroren ist, welcher im Sommer mit dem freundliehsten Grün bedeckt ist; aber das südliche China liegt noch innerhalb, oder doch wenigstens an .den Gren- zen des nördlichen Wendekreises, in einer Zone, welche bei uns nur ihrer Hitze wegen so allgemein bekannt ist. Aehnliche Fälle, wo der Wind eben so entschieden auf die Vegetation, theils unmittelbar theils mittelbar ein- wirkt, könnten noch in' Menge aufgeführt werden. Der Einflufs der Hydrometeore, oder der Feuchtig- keit der Luft im Allgemeinen, auf die Vegetation ist noch sröfser, als derjenige der Winde; ihr Fehlen oder ihr Vorhandensein sind die hauptsächlichsten Momente, welche das Vorhandensein einer Vegetation bedingen. ‘Fast die ganze Westküste von Südamerika zeichnet sich bekannt- lich durch eine, im Verhältnisse zur Breite sehr niedere Temperatur aus, so wie auch durch einen sehr hohen Grad von Trockenheit der Luft. Im nördlichen Chile, in der Küstengegend von Bolivien und im südlichen Peru giebt es grofse Landesstrecken, wo es niemals im Jahre regnet; unabsehbare Sandebenen giebt es daselbsi, so wie ununterbrochene Gebirgszüge, welche auch nicht eine Spur von lebenden Wesen aufzuweisen haben. Wenn sich aber 4 13. der Himmel in jenen Gegenden mit Nebel bedeckt, welche unter dem Namen der Garuas bekannt sind, die an ver- schiedenen mehr nördlichen Gegenden von Peru fast ein ganzes halbes Jahr hindurch anhalten, und ihre Erklärung durch die Abkühlung in Folge der Kälte ‘des Wassers, welches die Humboldt’s-Strömung in jenem Meere von Süd-West nach Nord-Ost treibt, finden; dann, wenn die- ser feuchtere Zustand ‘der Luft in jenen Ländern eintritt, dann überziehen sich dort die kahlen und scheinbar vege- tationslosen Wände der Küsten-Gebirge mit anmuthigem Grün, und eine Menge der schönsten und seltensten Blu- men erheben sich aus diesem. Doch oftmals, wie z. B. in der Provinz Tarapaca, der südlichsten von Peru, ist schon in.Zeit von 2 Monaten wieder Alles verschwunden, denn hier halten sich jene Garuas nur kürzere Zeit hindurch. Schon im Vorhergehenden habe ich bemerkt, was noch in der Folge ganz bestimmt bewiesen werden wird, dafs die Wärme .der Luft, in Verbindung mit Feuchtigkeit, die hauptsächlichste Bedingung für das Vorkommen und die Verbreitung der Pflanzen ist; demnach müssen : wır 'unsere Untersuchungen mit der Betrachtung der Wärme -Verthei- lung und deren. Einflufs auf die Vegetation beginnen. Wol- len wir. die Höhe, oder den: periodischen Gang der Wärme für irgend einen Ort kennen lernen, so müssen wir mit den Beobachtungen! über den täglichen ‚Gang der Wärme beginnen, und diesen ‚erhalten wir. durch stündliche Beob- achtungen der Wärme. der Luft: vermittelst ‘des . Thermo- meters. Die stündlichen Beobachtungen‘ werden nun, je nach den verschiedenen Breiten und Höhen, mehr. oder weniger grofse Verschiedenheiten unter sich zeigen; grö- fser werden dieselben in höheren Breiten, so. wie in grö- fseren Höhen sein, dagegen werden sie im Allgemeinen im- mer geringer, je mehr man sich dem Aequator nähert, wo oftmals, besonders an der Küste, oder auf offenem Meere, eine bewunderungswürdige Gleichmäfsigkeit in den Temperaturen des ganzen Tages herrscht: In der gro- {sen Zahl von. Temperatur-Beobachtungen, ‚welche: ich in 14 der Beschreibung meiner Reise um die Erde bekannt ge- macht habe, befinden sich für eine Menge von Tagen die stündlichen Beobachtungen, welche unter sich so häufig nicht mehr als um 1° R. differiven. Um aber zu allgemeineren Resultaten zu gelangen, wird es nöthig, dafs man für die ganze Summe der täg- lichen Beobachtungen einen allgemeinen Werth sucht, und diesen nennt man dann die Höhe der mittleren Tem- peratur des Tages. Die Methoden, solche mittlere Temperaturen der einzelnen Tage zu finden, sind verschie- den; die beste ist, wenn man das Mittel der Temperaturen aller 24 Stunden nimmt, indessen nur selten findet sich der Beobachter in’ dem Falle, solche vollständige Beob- achtungen veranstalten zu können.‘ Leichter kommt man zu der mittleren ‘täglichen Temperatur, wenn man die höchste und niedrigste Temperatur des Tages zusammen- trägt und dann die erhaltene Summe halbirt. Das auf diese Weise erhaltene Mittel pflegt mit dem Mittel von allen stündlichen Beobachiungen eines Tages ziemlich ge- nau übereinzustimmen. Z.B. die stündlichen Beobachtun- gen, welche ich am 26. October 1830 auf offener See im 42ten und 13ten Grad nördlicher Breite angestellt habe, #) geben eine Gesammtwärme von 521,3° R., welche mit 24, der Zahl der Beobachtungen, dividirt, die mittlere Wärme des Tages zu 21,72° R. giebt. Die höchste Temperatur an jenem Tage war = 22,3° R. und die niedrigste —= 21,1° R., demnach erhält man durch die Halbirung die- ser Summe ebenfalls 21,7° R. als Mittel, also ein Resul- tat, welches. äufserst genau mit dem, auf dem andern Wege erhaltenen, übereinstimmt. Weniger übereinstimmend sind die Resultate dieser beiden Methoden bei Beobach- tungen in hohen Breiten und im Innern der Continente. Auf offener See fand ich, selbst noch in der Nähe von Cap Horn, eine aufserordentliche Gleichmäfsigkeit in dem Gange der täglichen Wärme; am 25. December z. B. be- *) S. Meyen’s Reise um die Erde, Berlin 1834. Bad. I. p. 156. 15 obachtete ich 4,7° R. und 3,6° R. als Maximum und Mi- nimum der Temperatur des Tages, wonach das Mittel = 4,15° R. war, wärend das Mittel aller 24 Beobachtungen des Tages 4° R. beträgi. *) Eine solche Gleichmäfsigkeit in dem stündlichen Gange der Temperatur eines Tages, ist für das Clima einer Ge- gend und für die, derselben entsprechenden Vegetation von der gröfsten Wichtigkeit, demnach ist es zweckmäfsig, die U-sachen zu erörtern, welche einen solchen regelmä- fsigen Gang, durch Verminderung der Extreme, hervorzu- rufen vermögen. Es ist eine allgemein anerkannte Erfah- rung, dafs das Cliwa an der Meeresküste nicht so kalt wie das eines Ortes mitten im Lande ist, wenn auch beide Orie in einer und derselben Breite liegen; hierauf gründet sich-der Unterschied zwischen dem sogenannten Land- und Küsten-Clima. Die Erscheinung ist im Kurzen folgende: Die Luft, in der Nähe des Meeres, wird wärend des Ta- ges niemals so hoch erwärmt, als wie an einem andern Orte gleicher Breite, aber entfernt von dem Meere. Aber in demselben Grade, wie die Luft an der Meeresküste wärend des Tages weniger erwärmt wird, eben so wenig wird sie Nachts bis auf denjenigen Grad abgekühlt, wel- cher ihm, im. Verhältnisse zur Breite, mitten im Lande zukommen würde; die Folge hievon ist keineswegs ein kälteres, sondern meistens ein wärmeres Clima, als es *”) Noch viel auffallender ist bekanntlich die Gleichmäfsigkeit in dem Gange der Temperatur des Tages, wenn man die VWVärme des Meerwassers beobachtet; am 4. Januar 1831 (S. Meyen’s Reise I. p- 178.) gaben die Beobachtungen des Meerwassers, bei der Um- schiffung des Cap Horn’s, nicht mehr als 0,2° R. Differenz. Diese so aufserordentliche Gleichmäfsigkeit der Temperatur ist jedoch nicht überall dieselbe, sie hat ihren Grund meistens in dem Fehlen des Sonnenscheins bei Tage. In Gegenden, wo der Himmel bei Tage klar ist, und wo die Sonnenstrahlen den ganzen Tag hindurch auf die Oberfläche des Wassers wirken, da wird die Differenz in den VWVärmegraden der verschiedenen Stunden eines Tages schon viel grölser, und sie erreicht nicht selten die Höhe eines Grades und darüber. 16 ; dem nahegelegenen Orte mitten’ im Lande zukommt. -Die- ses Verschwinden. der Extreme in ‚der. täglichen. Erwär- mung und Abkühlung vermindert auch..die grofse Differenz zwischen den jährlichen Maximis und Minimis,. und. so entsteht an diesen Orten ein CGlima, welches vielen Pflan- zen wärmerer Zonen. sehr wohl. zuträglich ist. - Einige Beispiele ‘werden das Gesagte erläuteren.‘'. Es: ist bekannt, dafs die Myrte in: Irland ‚sehr ;wohl gedeiht, fast eben so gut wie in ‘Portugal; wärend sie. bei. uns, obgleich: wir mit, Irland in ‚einer. ‚Breite liegen, ‚bekanntlich im; Freien nicht 'aushält und überhaupt mit besonderer Aufmerksam- keit behandelt werden mufs. Eben so wächst in England der Lorbeer, wärend ‚daselbst nur ‚selten eine Traube zur Reife kommt, und. auch alles übrige Obst ‚sehr: mittelmä- fsig ist; dagegen gedeiht ‚bei uns der herrliche. Wein, die vortrefflichen: Aepfel und..Birnen, wärend der Lorbeer bei uns nur in Gewächshäusern gezogen werden kann. Diese Beispiele. reichen hin, um die, Wichtigkeit der verminderten Maxima-und Minima, in.dem täglichen Gange der Wärme, für die. Verbreitung .der Vegetation darzuthun; die Erklä- rung; der Erschemung ist folgende: er Ist (die «Luft, sehr . trocken und. wird ihre Durchsich- tigkeit nur ‚durch wenige Wasserbläschen, getrübt,, so kön- nen die,Licht- und Wärmestrahlen. mit: Leichtigkeit unge- hindert durch, und.so: wird, sowohl die. Erwärmung bei Tage, wie auch die Abkühlung des Nachts sehr bedeutend sein, ‘denn. ungehindert! können Nachts; die Wärmestrahlen, von». der ‚Oberfläche der. Erde gegen den: klaren Himmel ausstrahlen. * Geringer 'wird aber die Differenz 'zwischen den täglichen Extrenien der Wärme, je feuchter die Luft ist, indem erstlich die. ee Wasserbläschen den Durche gang der Lichtstrahlen mäfsigen oder, ‚zum : Theil verhindern, und indem zweitens, wie Beobachtungen.es.be- wiesen 'haben, der’ nächtliche Verlust der ‘Wärme . durch Wärme - Ausstrahlung "auf eine eigenthümliche "Weise er- setzt wird, Wenn ‚nämlich | durch die Erkaltung der At- mosphäre, in Folge der Ausstrahlung der W ärme ‚der 17 Erde, die Wasserdämpfe der früher erwärmteren Luft nıe- dergeschlagen werden, so tritt die lJatent gewordene Wärme des Wasserdampfes an die, durch Ausstrahlung so eben erkaltete Luft und erwärmt dieselbe wieder. Diese geringe Differenz zwischen den Extremen der täglichen Wärme, welche das Küsten-Clima und das so- genannte Insel-Clima charakterisiren, findet sich in der Atmosphäre auf offener See am allerdeutlichsten, oder vielmehr am stärksten ausgedrückt, weil hier die Luft sehr stark mit Wasserdämpfen angefüllt ist. Im Vorhergehenden zeigte ich, wie man die mittlere tägliche Temperatur, entweder aus dem Mittel sämmtlicher Beobachtungen, oder aus den Extremen der täglichen Wärme finden kann; ist aber der Beobachter nicht in der Lage, eine so grofse Anzahl von Beobachtungen anzustellen, oder liegen dergleichen Beobachtungen vor, welche nur einigemal des Tages angestellt worden sind, so wähle man diejenigen Zeiten zur Beobachtung, welche theils die Maxima und Minima der täglichen Wärme geben, theils sich diesen mehr oder weniger näheren. Im Allgemeinen beobachtet man, kurz vor Sonnenaufgang, die niedrigste ‘ Temperatur und einige Stunden nach der gröfsten Höhe der Sonne die höchste Temperatur des Tages. Auch hat man gesucht die Zeiten des Tages zu be- stimmen, in welchen die Temperatur gleich der mittleren Temperatur des Tages ist, indessen alle Angaben der Art nähern sich nur einigermafsen der Wahrheit, denn es ist leicht einzusehen, dafs die verschiedene Länge des Tages eine grofse Verschiedenheit hierin zu Stande bringt. Auch müssen diese Zeiten für verschiedene Breiten, je nach der verschiedenen Länge der Tages-Dauer, sehr verschieden sein. In den nordischen Gegenden, wo in den Sommer- Tagen die Temperatur häufig eben so hoch, wie die der Luft in den Tropen ist, und sogar zuweilen noch höher steigt, da mufs dieser hohe Grad von Wärme durch die Länge des Tages erklärt werden, denn in den Tropen dauert der Tag nur etwas über 412 Stunden. Erst gegen 2 | 15 6 Uhr geht dort die Sonne auf, wärend sie bei uns in den Sommer- Tagen schon um 3 Uhr Morgens erscheint und erst gegen 8 Uhr untergeht, also 5 Stunden und noch darüber länger scheint, als ‘innerhalb der Wendekreise. Durch diese längere Dauer des Tages mufs denn auch die Zeit der Maxima und der Minima, demnach auch die Zeit für die annäherende mittlere Temperatur des Tages in verschiedenen Zonen etwas verschieden sein, und zwar werden sich im höchsten Norden und im höchsten Süden hierin die gröfsten Verschiedenheiten finden. So soll z. B. in Lappland zu derjenigen Jahreszeit, in welcher die Sonne nie über dem Horizonte sichtbar wird, gerade des Morgens die höchste Temperatur des Tages statt finden. *) Sind nun die mittleren Temperaturen für die einzel- nen Tage gefunden, so kann man zur Bestimmung der mittleren jährlichen Wärme übergehen, welche zugleich die mittlere Wärme des Ortes ist, wo die Beobachtungen angestellt sind. Sehr leicht wird die mittlere Temperatur des Jahres dadurch gefunden, dafs man das Mittel von allen täglichen Beobachtungen nimmt, oder auch die Summe der täglichen Mittel, dividirt durch die Zahl der Tage. In tropischen Gegenden würden Beobachtungen von einem Jahre hinrei- chend sein, um die mittlere Wärme eines Ortes kennen zu lernen, denn der Gang der täglichen und monatlichen Temperaturen ist daselbst von bewunderungswürdiger Gleichförmigkeit; in der temperirten Zone, hauptsächlich aber in der arktischen Zone, sind dagegen eine ganze Reihe von Jahres-Beobachtungen nöthig, um die wahre mittlere Wärme eines Ortes zu erhalten. In den Tropen weicht die mittlere Temperatur eines Jahres, von der eines an- dern Jahres, nie um einen ganzen Grad der Reaumurschen Scala ab, dagegen differiren in Stockholm noch zehn- Jährıge Mittel um einen ganzen Grad; nämlich die Mittel *) Ss. Wahlenberg Flora lapponıca p. XL. 19 von zehnjährigen Beobachtungen, verglichen mit einer an- dern Reihe von zehnjährigen Beobachtungen. In früheren Zeiten genügte man’ sich, wenn man die Temperatur eines Ortes in pflanzengeographischer Hinsicht kennen lernen wollte, mit der Kenntniss der Extreme der Wärme, d.h. mit dem höchsten Wärmegrade und mit dem höchsten Kältegrade, welcher an einem Orte beobachtet war. Es hat sich indessen gezeigt, dass diese Methode sehr unzweckmäfsig ist, denn die Extreme der Temperatur treten nur sehr selten ein und herrschen dann auch nur kurze Zeit, so dafs sie auf diejenigen Pflanzen, welche eine höhere oder-eine niedere Temperatur haben müssen, noch keinen tödtlichen Einflufs äufsern, welcher erfolgen müfste, wenn diese Temperaturen lange anhielten. Wä- rend die Pflanzen im Winterschlafe begriffen sind, können ‚sie einen hohen Grad von Kälte ertragen; bekannt ist die enorme Kälte in einigen Gegenden Sibiriens, wo selbst das Quecksilber gefriert, deren Vegetation zur Sommer- zeit aber dennoch viel herrlicher, als diejenige am Nord- cap ist, wo solche Kälte, wie im Innern von Sibirien, nie- mals eintritt, ja gänzlich unbekannt ist. #) *) Hiebei kann ich zugleich die Resultate einiger Untersuchun- gen anführen, welche die Extreme der VVärme und der Kälte an- geben, die unsere Getreide - Arten, als Saamen nämlich, ertragen kön- nen. Bei einer Temperatur unter dem Gefrierpunkte keimt kein Saame mehr, und Versuche mit Getreide- Arten haben gezeigt, dafs diese sogar nicht unter 7° Cels. (5,6° R.) keimen (nach H. Gocp- pert's neuen Beobachtungen noch bei 3° R.). Andere Versuche, welche den Grad der Kälte erforschen sollten, welcher im Stande wäre die Keimkraft in den Getreide - Arten zu zerstören, haben fol- ı gendes Resultat geliefert, dafs nämlich selbst die hohe Kälte, bei welcher das Quecksilber gefriert, die Keimkraft der Saamen noch nicht ersticke. Es ist wohl wahrscheinlich, dafs eine lange anhal- tende Kälte der Art, dennoch den Saamen tödten möchte, doch die- ses durch Versuche zu bestimmen, ist nicht leicht, da man einen so hohen Grad von Kälte nicht so lange erhalten kann, Mit der Wirkung der WVärme verhält es sich ganz anders, denn bei einer Hitze von 50° Cels. keimen die Samen im WVasser nicht mehr. In VVasserdampf tödtet erst eine Hitze von 62° C. die Keimkraft der 2*F 20 Die mittlere Wärme, welche aus dem Mittel sämmt- licher mittleren täglichen Beobachtungen gezogen ist, giebt nun zwar einen richtigen Begriff von der Menge der Wärme, welche ein Ort erhält, aber keineswegs giebt sie einen richtigen Maafsstab für die Vegetation, welche diesem Orte zukommt. Wenn sich die Pflanze im Winterschlafe befindet, dann hat die Temperatur der Umgebung nur ge- ringen Einflufs auf dieselbe, wenn sie aber im Frühlinge ihre Blätter entfaltet, wenn sie im Sommer die Blüthe treibt und im Herbste die Früchte ausbildet, so kommt Alles darauf an, dafs, gerade wärend dieser hauptsächli- chen Lebensperioden der Pflanzen, ihnen derjenige Grad von Temperatur zukommt, welcher denselben von der Na- tur angemessen ist. Zu Enontekis in Lappland ist die mittlere Temperatur gleich — 2,86° C., auf dem St. Gotthard aber, im Hospitium, ist sie gleich — 1,05° C. nach zehnjähri- gen Beobachtungen *); aber dennoch giebt es zu Enontekis Fichten- und Birken- Wälder, wärend man sich auf dem St. Gotthard weit über die Baumgrenze erhoben hat! So kann man eine Pflanze südlicherer Gegenden in mehr nördlicheren Gegenden ziehen, wo zwar harte Win- ter aber sehr schöne Sommer sind, wenn man die Pflanze gegen den Einflufs der Winterkälte zu schützen sucht, und sie erst spät im Frühlinge dem Einflusse der freien Atmosphäre aussetzt. Wir werden später, wenn wir die Verbreitung der Weinrebe näher kennen lernen werden, genau einsehen, wie z. B. der Weinstock, um einen sehr guten Wein zu geben, wenigstens ‚eine fünfmonatliche Wärme von 15° Cels. im Mittel haben mufs; haben der September und der October, zu welcher Zeit der Wein — Getreide- Arten, und in trockener Luft sınd sogar 75° Cels. nöthig, um das Keimungs- Vermögen dieser Saamen aufzuheben. Indessen auch hiebei äufsert die, mehr oder weniger lange Ausdauer einer hohen Temperatur ıhren auffallend verschiedenen Eindruck, denn eine VVärme, welche 3 Tage lang anhält, zerstört schon beı 35° C. die Keimkraft der Getreidearten. (S. Ann. dessc.nat. 1834. p. 257— 270.) *) $S. Kämtz Meteorol, II. p. 93. & \ ' 21 gerade vollkommen reift, nicht ebenfalls diesen Grad der mittleren Wärme, so bleibt der Wein sauer, und solches Land ist zur Weincultur unpassend. Aus dem Allen’ geht sehr deutlich hervor, dafs zur Anwendung für pflanzengeographische Zwecke, hauptsäch- lich die mittleren Temperaturen der verschiedenen Jahres- zeiten und der einzelnen Monate nöthig sind, wohl aber sind auch nebenbei die Extreme der Hitze und Kälte zu beachten. Ueberhaupt wird sich die Ausführlichkeit die- ser Untersuchungen, über die Temperatur- Verhältnisse ei- nes jeden Ortes, ganz nach dem Zwecke richten, welcher damit erreicht werden soll. Sehr speciell müssen sie sein, wenn man nahe gelegene Orte in Hinsicht der Vegetations- Verschiedenheit mit einander vergleichen will, allgemeiner aber, wenn man die Vegetation grofser Hauptzonen der Erde betrachtet. Die Methode des Aufzeichnens der Temperatur - Cur- ven ist in dieser Hinsicht von grofsem Werthe; hat man die Curven verschiedener Oerter neben einander aufgetra- gen, ganz in der Art, wie es auf beiliegender Tafel ge- schehen ist, so wird man, schon bei dem ersten Blicke, die Aehnlichkeit und die Verschiedenheit der Climate dieser Oerter erkennen und auch sogleich eine Ansicht von der Vegetation dieser Gegenden auffassen. Auf der beiliegen- den Tafel sind z. B. zuerst die Temperatur- Curven für d tropische, fast unter gleicher Breite liegende Orte ein- getragen, nämlich für Canton, Macao, Calcutta, Havanna und Hawaii (Owhyhee). Diese 5 Orte liegen fast genau an der Grenze des nördlichen Wendekreises, daher eine Vergleichung des Temperatur - Ganges an diesen Orten in vieler Hinsicht sehr wichtig sein wird, ganz besonders aber, da das Clima, an einzelnen dieser Orte, durch viel- fach verschiedene Ursachen auffallend modifieirt wird. Man kann. auf jener Tafel sehen, wie die Curven für Canton, Calcutta, Macao und Havanna, wenigstens für die Sommerzeit, fast genau zusammentreffen, wärend die Tem- peratur von Hawaii, wo ein Insel-Clima herrscht, wärend 22 des Sommers um mehr als 2 Grade niedriger steht, da- für aber hält daselbst eine und dieselbe Temperatur, fast ununterbrochen 6 Monate lang an. Betrachtet man aber die Minima der Wärme von diesen 5 daselbst aufgezeich- neten Curven, so wird man an diesen die auffallendsten Verschiedenheiten wahrnehmen. Die Monate Januar, Fe- bruar und December stehen für Canton ganz aufserordent- lich niedrig, wärend Hawaii, ein Insel-Clima repräsenti- rend, welches eine so niedere Sommer-Temperatur zeigte, für diese Winter- Monate gerade eine sehr hohe mittlere Temperatur zeigt. Indessen diese grofse Abweichung der Temperatur-Curve Canton’s von denjenigen der übrigen Oer- ter wird sehr leicht erklärt. Canton liegt in einer Gegend, wo, wie ich schon früher bemerkt habe, die entschieden- sten halbjährlichen Winde herrschen, welche wir kennen; der halbjährliche Nord-Ost-Wind, welcher daselbst in den Wintermonaten herrscht, führt eine so kalte Luft herbei, dafs die Temperatur im Monate Februar sehr häufig auf 4° R. und noch niedriger zu stehen kommt, ja dafs es daselbst zuweilen auf einige Stunden lang friert. Man bedenke, was das in einem Clima sagen will, wo Palmen und Pisange wachsen. Vergleichen wir aber die mittleren Temperaturen die- ser d genannten tropischen Orte, nämlich Caleutta mit 21° R. } Havanna — 20,35’ R. Hawaii — 192° R Canton — 17,56° und Macao mit 17, STOR. %), so werden wir sicherlich keinen richtigen Begriff von dem Clima von Canton und Macao erhalten, wo die Sommer- Monate Juni, Juli und August oft eine unerträgliche Hitze aufzuweisen haben, wärend die Temperatur dieser Zeit zu Hawaii sehr angenehm ist. So sehen wir auch hier, dafs es die mittleren Tem- peraturen der verschiedenen Jahreszeiten sind, welche uns *) $S. Meyen über das Glima ım südlichen China I. c. a a a 23 einen richtigen Begriff von dem Clima eines Ortes und dessen Vegetation geben können; auf beiliegender Tafel habe ich ebenfalls die mittleren Temperaturen der ver- schiedenen Jahreszeiten jener 5, oben genannten tropischen Orte verzeichnet, und hiebei wird man eine solche Ueber- einstimmung in den Maximis der Wärme- Vertheilung er- blicken, dafs es uns nicht mehr wundern darf, wie an al- len diesen 5 Orten, bei der so grofsen Differenz in ihren mittleren Temperaturen, dennoch eine Tropen-Vegetation herrscht. Wie wir schon früher gesehen haben, so sind die Felder im südlichen China, wärend der Wintermonate, ihres Schmuckes gänzlich beraubt, denn von der üppigen Vegetation, welche sie im Sommer bekleidet, ist meistens keine Spur mehr vorhanden. “Die zurückgebliebenen Wur- zeln, Zwiebeln und Saamen liegen in der Erde begraben und halten wärend dieser Zeit einen Winterschlaf, aus dem sie erst dann wieder erwachen, wenn im Monat März der Nord - Ost - Wind schwindet und mit eintretendem Süd-West-Monzoone auch die Regenzeit sich erneuert. Die Temperatur-Curven von Berlin, Söndmör, Enon- tekis und von der Melvilles-Insel, welche ebenfalls auf beiliegender Tafel verzeichnet sind, geben, gleich bei dem ersten Änblicke, ein Bild von den grofsen Differenzen zwi- schen den Maximis und Minimis der Wärme ihres Clima’s, welche besonders den Gegenden der arktischen Zone ei- gen sind. Betrachten wir die Curve von Berlin, ich habe mit Absicht den Temperatur-Gang dieses Ortes ge- wählt,: weil uns dieser sehr bekannt ist, so finden wir zwar eine Differenz von 20° Cels. zwischen den Maximis und Minimis, wir sehen aber, dafs diesem Orte wenig- stens ein dreimonatlicher Sommer von einer angenehmen Temperatur zukommt, nämlich von 16 —18S’ C. (12,8— 14,4° R.) mittlerer Temperatur. Zu Enontekis in Lapp- land, 16° nördlicher gelegen, ist dieser Sommer nur noch 2 Monate lang, und der Sommer auf der Melvilles - Insel dauert sogar nur noch einen Monat, wobei die mittlere Temperatur nicht 6° Cels. erreicht. 24 Dadurch werden die Temperatur-Curven von Berlin, von Enontekis und von der Melvilles-Insel immer spitzer, je weiter man nach Norden steigt. Selbst das Insel-Clima, welches der Melvilles-Insel einigermafsen angehört, kann hier nicht mehr gegen die furchtbare Kälte schützen, in- dem die Luft daselbst zu trocken ist, um die Ausstrahlung zu verhindern oder die dadurch entstehende Kälte zu mäfsigen. Die Temperatur-Curve von der Melvilles-Insel zeigt zwischen dem Maximum und dem Minimum der Wärme an 40° Cels. Differenz, und diejenige von Enontekis doch noch 33° Cels. Bei der Darstellung der mittleren, täglichen Wärme aus den Horar-Beobachtungen, habe ich die Bemerkung gemacht, dafs gewisse Stunden des Tages diejenige Wärme zeigen, welche dem Mittel des ganzen Tages am nächsten kommt, so dafs man, durch eine einzige Beobachtung, die mittlere Temperatur des ganzen Tages erfahren kann. Eben dasselbe findet bei dem Gange der jährlichen Wärme- Vertheilung statt, denn schon die Beobachtung eines ein- zelnen Tages zur Zeit des Herbstes, oder im Frühlinge, könnte hinreichen, um die mittlere Temperatur des gan- zen Jahres kennen zu lernen. Leider ist diese Methode, sowohl für die Beobachtung der täglichen, als wie für die der jährlichen Wärme - Vertheilung wenig anwendbar, denn man erkennt, für den speciellen Ort, den geeigneten Tag der Beobachtung erst dann, wenn die Temperatur des ganzen Jahres durch eine grofse Anzahl von Beobachtun- gen schon genau bestimmt ist; denn eine Menge von Ur- sachen sind vorhanden, welche jedesmal diese Zeitpunkte der richtigen Beobachtung, für den speciellen Ort, ab- änderen. Dieses war nöthig über den Gang der täglichen Wärme, so wie über die Bestimmung desselben bei der jährlichen Wärme -Vertheilung vorzutragen, und wir können jetzt zu der Anwendung der mittleren Temperaturen für pflan- zengeographische Zwecke übergehen. 25 Herr Alexander von Humboldt hat auch hierin dieser Wissenschaft den Gang vorgeschrieben; er verband die- jenigen Oerter der Erdoberfläche, welche eine gleiche Wärme besitzen, durch Linien und nannte diese Linien Isothermen*), also Linien von gleicher Wärme. Da nun die mittleren. Temperaturen verschiedener Orte sehr verschieden sind, so wird es auch sehr verschiedene Isothermen geben, welche aber immer mit der Höhe der mittleren Temperatur des Ortes bezeichnet werden. Wir werden daher eine Isotherme von 0° R. oder 0° Cels., bis zu einer von 26° Cels., und bis zu einer von — 16° Cels. haben. Die Beobachtungen haben gezeigt, dafs diese 1so- thermen mit den Breitenkreisen keineswegs parallel ver- laufen, sondern sich gegen diese neigen, besonders in hö- heren Breiten, weniger dagegen in der Nähe des Aequa- tors, wo sie mit den Parallelkreisen, gewöhnlich Breiten- kreise genannt, ziemlich zusammenfallen möchten. In der nördlichen Halbkugel der Erde sind alle Ost- küsten der Continente und der einzelnen Ländermassen kälter, als die Westküsten gleicher Breiten, Tausende von Beobachtungen haben dieses bestätigt, obgleich die Erklä- rung dieser Erscheinung noch nicht ergründet ist **), und demnach würden die Isothermen schon dadurch ein mehr- faches Sinken und Steigen zeigen. Z. B. Irland, England und Belgien sind Länder von gleichen Isothermen, doch an der Ostküste von Asien kommt diese Isotherme erst oberhalb Pecking, also in einer Breite von Neapel zum *) von loog und YEouos. *%) Herr Ad. v. Chamisso (Linnaea 1829 pag. 59.) erklärt die Erscheinung sehr natürlich, obgleich die Erklärung ebenfalls nicht auf den Grund geht und die VWVärme des Meeres erklärt. ‚Die Meere,“ sagt H. v. Chamisso, „sind die Ausgleicher der Temperatur. So wie die Ostwinde zwischen den VWVendekreisen beständig sind, so sind in höheren Breiten die Westwinde vorherrschend. Sie be- dingen den westlichen Küsten der Festlande, die sie über das wär- mere Meer anwehen, einen milderen Winter, und hinwiederum ei- nen strengeren den Ostküsten, die sie über das schneebedeckte käl- tere Land erreichen,“ u. s. w. 26 Vorscheine. Canada hat eine südlichere Breite als Paris, und dennoch zeigt es die Temperatur von Drontheim. Die- selben Bäume, welche in New-York, bei einer Breite von Neapel, wachsen, blühen erst mit denjenigen zu Upsala zu gleicher Zeit. Die Isothermen laufen indessen nicht in geraden Li- nien, sondern in Bogen. Von der Ostküste Amerika’s hebt sich die Isotherme auf ihrem Laufe gegen die West- küste von Europa; tiefer, nach dem Innern des Continen- tes hin, senkt sie sich wieder nach Süden und zwar so schnell, dafs z. B. Schottland mit Polen in einer Isotherme, und dafs England mit Ungarn ebenfalls in einer und dersel- ben Isotherme liegen. Dieses Sinken findet aber wohl nur in der Nähe der Küsten so schnell statt, und zwar wegen des schon früher nachgewiesenen grofsen Unter- schiedes, welcher zwischen Küsten- und Continental-Clima gleicher Breiten herrscht; weiter. im Innern der grofsen Continente möchte dieses wohl nicht statt finden, sondern wahrscheinlich werden dort die Isothermen als gerade Li- nien verlaufen, doch fehlen bis jetzt noch die Beobach- tungen, welche nöthig sind, um dieses zu beweisen. So wie in der alten Welt, so zeigen die Isothermen, auch im Inneren der neuen Welt, eine und dieselbe Bie- gung nach Süden. Gehen wir also im Innern der beiden grofsen Continente nach dem Pole hinauf, so nimmt die Temperatur daselbst um Vieles mehr ab, als auf den da- zwischen liegenden Meeren. Es ist bekannt, dafs man seit einer langen Reihe von Jahren das arktische Eismeer zu durchfahren versucht hat. Auf dem Wege durch die Bherings- Strafse, wo man sich stets in der Nähe der gro- fsen Continente befindet, ist man nur wenig über 70° N. Breite vorgedrungen; auf dem Wege, entlang der ame- rikanischen Küste, durch die Baffın's-Bay hindurch, ist man nur bis 77° N. Breite gekommen, auf dem Wege aber, im offenen Meere zwischen der alten und der neuen Welt, gerade in den Meridianen von Norwegen und. Schweden, da fährt man mit Leichtigkeit nach Spitzber- 27 gen, woselbst man schon über 81° N. Breite vorgedrun- gen ist. Wir werden daraus bald erkennen, dafs nicht etwa der Pol der kälteste Punkt der Erde ist, sondern dafs es zwei Kälte-Pole giebt, einen nämlich im Innern eines jeden Continents. Wir haben aber schon früher gesehen, dafs die mitt- leren Temperaturen des ganzen Jahres keineswegs die Vegetation so genau bedingen, wie die mittlere Tempera- tur der verschiedenen Jahreszeiten, und demnach ist es noch wichtiger, diejenigen Orte kennen zu lernen, welche, obgleich unter verschiedenen Breiten gelegen, dennoch eine und dieselben Winter- oder Sommer -Temperaturen aufzuweisen haben. Herr Alexander von Humboldt machte auch hierauf zuerst aufmerksam; er nannte diejenigen Li- nien, welche die Oerter auf der Oberfläche der Erde ver- binden, die eine gleiche mittlere Wintertemperatur besitzen, Isochimenen (von 6 xeıuov die Kälte), und diejenigen Li- nien, welche Orte von gleicher mittlerer Sommerwärme verbinden, Isotheren (von 70 J&oog die Hitze). Die Isochimenen biegen sich im Innern. des Landes be- deutend nach Süden; die Krümmung zeigt sich vorzüglich in der Nähe des Atlantischen Meeres, wo die Bogen, wenn sie bei der Küste auslaufen, eine starke Biegung nach Norden ma- chen. So z. B. geht die Isochimene von — 5° Cels. nördlich vom Nord-Cap (— 4°62 Cels.), läuft dann ziem- lich parallel mit der Kette der scandinavischen Gebirge nach Süden (Drontheim — 4°,78), geht hierauf südlich von Upsala (— 4°,02), nördlich von Abo (— 5,38°) in das Innere von Rufsland hinein;- hier scheint sie sich, ebenfalls schnell nach Süden zu biegen, da Petersburg eine Wintertemperatur von 9°,03 hat. Im Innern von Amerika scheint sich die Isochimene noch weiter nach Süden zu wenden, denn F. Sullivan, F. Howard und F. Snelling, sämmtlich im 45sten Grade liegend, zeigen fol- sende Wintertemperaturen: — 5,17, — 7,23 und — 8,99°, also immer tiefer, je weiter man in das Innere hineingeht. 28 Doch auch hier gehen die Isochimenen wieder schnell nach Norden, wenn wir uns, aus dem Innern des Continents, nach der Westküste von Nordamerika begeben; so ist die Wintertemperatur zu F. George in 46°18‘ Breite = 3,75 C., wärend in Washington, auf der Ostküste desselben Conti- nents, erst unter 38° 53° N. Breite, die mittlere Winter- Temperatur von 2,96° Cels. zu finden ist. Wärend man sich zu Quebeck im Winter über schneidende Kälte be- klagt, gehen die Indianer auf der Westküste unter glei- cher Breite beständig unbekleidet. Man hat die Wichtiskeit der Verschiedenheit des Clima’s auf der Ost- und auf der Westküste Nordamerika’s für die Verbreitung der Vegetation schon früh erkannt, wenigstens weit früher, als man diese Verschiedenheit durch thermometrische Messungen kannte. Herr Barton *) hat schon die Bemerkung gemacht, dass die nordamerikani- schen Pflanzen auf der Westküste stets höher hinauf ge- hen, als auf der Ostküste; z. B. Aesculus flava wächst östlich bis zu 36° N. Breite und westlich der Gebirgs- kette, bis zu 42° N. Breite. Juglans nigra östlich bis 41° und westlich bis 44°, Gleditschia triacanthos östlich bis 38°, westlich bis 41. Die östlichen Küstengegenden, welche die Hudsons- bay einschliefsen, sind öde und vegetationslos, dagegen zeigt sich auf der westlichen Küste eine ziemlich reiche Vegetation. Die Gleditschia triacanthos ist jetzt bei uns angepflanzt und wächst, weit über 52° N. Breite hinaus ganz kräftig. Z. B. im Parke von Oranienburg bei Berlin, befinden sich zwei riesenmäfsige Bäume der Art. Dieses führt uns dar- auf, dafs die Temperatur in Nordamerika, unter einer und derselben Breite mit Europa, viel bedeutender niedriger ist, worauf wir an einer andern Stelle wieder zurückkommen werden. Ganz entgegengesetzt dem Laufe der Isochimenen ist die Biegung der Isotheren; sie biegen sich in der Nähe der Küste sehr bedeutend nach Norden, je weiter wir 29 aber nach dem Inneren der Continente gehen, desto mehr näheren sich die Isotheren den Parallelkreisen. Die Iso- there von 18° C. berührt kaum das südliche England, er- reicht Holland in 51° N. Breite, geht etwas südlicher von Berlin, erreicht Moscau und scheint sich von hier gerade nach Osten zu ziehen. Der Sommer von Paris und der von Moscau ist sich beinahe gleich, obgleich der Winter zu Moscau ganz furchtbar ist. Alles was wir vorher über die Biegung der Isochime- nen nach Süden gesagt, gilt hier theilweise über die Bie- sung der Isotheren nach Norden, besonders in Beziehung auf den neuen Continent. Nämlich ein Küsten-Clima hat weniger Hitze aufzuweisen, als das Clima im Inneren der Continente, daher hier die Isothere weiter nach Norden hinaufsteigt. So wie die Continente und Inseln auf der Ost- und auf der Westküste ein verschiedenartiges Clima zeigen, so hat man dieses auch auf der südlichen Hemisphäre beob- achtet, doch verhält es sich hier gerade entgegengesetzt wie in der nördlichen Hemisphäre. Hier nämlich sind die Ostküsten kälter, als die Westküsten, dagegen sind in der südlichen Hemisphäre gerade die Westküsten kälter als die Ostküsten. Durch die eigenthümliche Configuration der Continente in dieser Hemisphäre, werden sich weit weniger Vergleichungspunkte darbieten, als wie in der nördlichen Hemisphäre; der gröfste Uebelstand ist aber wohl der, dafs hier nur sehr wenige Oerter genaue meteo- rologische Beobachtungen aufzuweisen haben. Südamerika, welches sich am tiefsten südlich herab- zieht, zeigt ganz entschieden dieses Verhältnifs einer wär- meren Ostküste zu der kälteren Westküste. Man hat die- ses, verhältnifsmäfsig sehr kalte Clima der Westküste von Südamerika häufig zu erklären gesucht und hat auch viele sehr richtige Ursachen aufgestellt, welche eine Verminde- rung der Wärme daselbst veranlassen können, loch die hauptsächlichste Ursache wird wohl eben dieselbe sein, 30 welche die Ostküste in der nördlichen Hemisphäre ver- hältnifsmäfsig kälter macht als die Westküste. Ganz ebenso wie sich die mittleren Temperaturen von dem Aequator nach den Polen zu vermindern, ebenso neh- men sie in den verschiedenen Regionen der Gebirge ab, je mehr man sich von der Ebene aus entfernt, so dafs man zuletzt an die Eisregionen gelangt, wo der ewige Schnee und Eis aller Vegetation im Wege steht. Am auffallend- sten und am regelmäfsigsten zeigt sich diese Temperatur- Abnahme, wenn man mittelst eines Luftballons in gerader Linie aufsteigt. Herr Gay-Lussac machte am 16. Septem- ber 1805 eine solche Luftfahrt zu Paris; er stieg bis zur Höhe von 21480 Fufs, wo die Temperatur der Luft bis auf 7,6° R. fiel, wärend sie auf der Oberfläche der Erde, gerade zu derselben Zeit, 22,2° war. Wenn man einen hohen Berg besteigt, wird man ebenfalls eine solche all- mäliche Abnahme der Temperatur bemerken, und mit ihr zugleich die auffallendsten Verschiedenheiten in Bezug auf die Vegetation. Man wird bemerken, wie am Fufse des Berges alle die Pflanzen der Ebene der Gegend vorkom- men, wie alsdann die eine oder die andere dieser Pflanzen schwindet, wie dann die Bäume bis zu einer gewissen Grenze hinaufsteigen, wo die strauchartige Vegetation vorherrscht, welche endlich, je höher man steigt, durch blofse krauiar- tige Gewächse und zuletzt vielleicht noch durch einige Flechten u. s. w. begrenzt wird. Der Reisende, welcher nördlich gelegene Gegenden besucht hat, wird, bei dem Besteigen hoher Berge in süd- lichen Gegenden, sehr bald in Regionen eintreffen, in deren Vegetation er die Pflanzendecke nordischer Gegenden wie- dererkennt. An der Grenze des ewigen Schnee’s jener Gebirge wird er nur wenige Pflanzen - Formen der ark- tischen Zonen vermissen, ja oft genau ein und dieselben Arten finden, welche in der Ebene dieser ganzen Breite, von jenen arktischen Regionen an, bis zu dem Gipfel der Gebirge nicht vorkommen. “Als ich vor einer Reihe von Jahren die Schweiz "bereiste, und in die hochgelegenen 31 Thalgegenden zwischen dem Züricher und Zuger See kam, da wurde ich nicht wenig überrascht und dabei auf das angenehmste erfreut, als ich eine herrliche Wiese erblickte, welche alle die schönsten Pflanzen Litthauens aufzuweisen hatte, die meinem Gedächtnisse, durch die ersten botani- schen Wanderungen, noch so lebhaft eingeprägt waren, und die ich, neben andern, seit einer langen Reihe von Jahren nicht wiedergesehen hatte. Die Freude ist unaussprechlich und nur ein Botaniker kann dielbe ganz empfinden, wenn man, aus nordischen Gegenden kommend, die hohen Gebirge südlicherer Gegen- den besteigt, und die eine bekannte Pflanze nach der an- dern wiederfindet; schon in den Gebirgen der Schweiz ist diese Freude grofs, aber um wie viel gröfser ist dieselbe, wenn man, weit entfernt von der Heimath, auf den Gebir- gen der südlichen Halbkugel umherwandert. Der Anblick einer kleinen Gentiana, unserer Gentiana uliginosa und der G. nivalis aufserordentlich ähnlich, auf einer Höhe von 14- bis 15000 Fufs, wie in der Cordillere des südlichen Peru, kann den Botaniker stundenlang fesseln, er sammelt immer mehr und mehr von diesen Pflänzchen, welche ihn, wenig- stens im Geiste, nach der Heimath tragen. Es findet demnach zwischen der Vegetations-Verthei- lung, von der Meeresoberfläche an, bis zur ewigen Schnee- grenze der Gebirge und zwischen derjenigen, von dem Aequator nach den Polen hin, ein gewisser Parallelismus statt, wenn auch diese allmäliche Veränderung gegen die Pole hin viel langsamer, als bei der steigenden Höhe der Gebirge stattfindet. Auch ist es nach den gegenwärtigen Erfahrungen nicht mehr schwer zu erkennen, dafs. dieser Parallelismus ganz genau mit jenem übereinstimmt, welcher sich, in Hinsicht der Wärme-Abnahme, zwischen den Ent- fernungen vom Aequator zum Pole und von der Ebene bis zur Schneegrenze zeigt. Hier wird man die Vortheile, welche die Geographie der Pflanzen auf den Ackerbau und überhaupt auf die Cultur des Landes ausüben könnte, zu- erst recht deutlich erkennen lernen. 32 Wir haben uns früher mit dem mittlern Gange der Temperatur-Vertheilung über die Oberfläche der Erde be- schäftigt und haben erfahren, dafs die Vegetation mit die- sem fast gleichen Schritt hält. Die Erfindung, wenn ich mich so ausdrücken darf, der Isothermen, der Isotheren und der Isochimenen, giebt uns die Mittel an die Hand, um jene meteorologischen Resultate auf die Vertheilung der Pflanzen mit Leichtigkeit anzuwenden. Wäre die Wärmeabnahme unter gleichen Breiten mit steigender Höhe ganz gleich, so müfsten verschiedene Orte einer Breite, welche in einer Höhe liegen, zu einer und der- selben Isotherme gehören, welche sich, je weiter nach Norden hinauf, immer mehr und mehr nach der Ebene senkt, so dafs sie zuletzt mit eben derselben Isotherme der Ebene zusammenfällt.e Wenden wir dieses auf die Vertheilung der Vegetation an, so werden wir finden, dafs eine Pflanze, welche hoch auf dem Gebirge, unter einer bestimmten Isotherme wächst, in der Ebene nur dann gut gedeihen kann, wenn sie daselbst eine Temperatur eben derselben, oder wenigstens einer nahe liegenden Isotherme antrifft. Alpenpflanzen hoher Regionen wollen in unseren Gärten, wenigstens ohne besondere Vorrichtungen nicht wohl wachsen, und wenn sie fortgehen, so erhalten sie ganz andere Formen, als ihnen auf dem Gebirge zukommen. Umgekehrt werden wir aber schon im voraus, ungefähr wenigstens, wissen können, ob eine Pflanze der Ebene auch auf hohen Gebirgen gedeihen wird, und bis zu welcher Höhe die Cultur solcher Pflanzen versucht werden kann, wenn wir die Temperatur-Verhältnisse dieser Gegenden kennen. Schon bei der Untersuchung der Wärme- Ver- theilung auf der Oberfläche der Erde, haben wir gesehen, dafs es weniger die Isothermen sind, wonach die Verbrei- tung der Vegetation zu bestimmen ist, als vielmehr die Isotheren, ganz besonders in Bezug auf alle einjährigen Pflanzen und hauptsächlich auf unsere Getreidearten, wel- che als einjährig gezogen werden. Die perennirenden Ge- wächse richten sich mehr nach den Isothermen und nach 33 den Extremen der Kälte, welche an einem Orte zur Win- terzeit herrschen. Der Getreidebau geht in den europäil- schen Nordländern unbegreiflich weit hinauf, bei 69°, ja selbst bei 70° N. Breite, wie bei Lyngen, Alten und in den Grenzgegenden von Norwegen, Schweden und Rufs- land, sogar in Gegenden, deren mittlere Temperatur weit unter dem Gefrierpunkte steht, findet sich Getreidebau. Be- trachten wir dagegen die üppige und reizende Natur, welche an den Ufern des grofsen See’s von Titicaca zu finden ist, in einer Höhe von 12700 Fufs, und sehen wir dabei, dafs nur Gerste und Hafer daselbst gedeihen, obgleich mir keine Kunde zugekommen ist, dafs der grofse See zur Winterzeit gefriert, so werden wir die Ursache solcher auffallenden Verschie- denheit weiter nachsuchen müssen; ich glaube dieselbe darin gefunden zu haben, dafs die Isothere dieser Gegen- den weit unter derjenigen steht, welche in jenen Gegenden des 69sten und 70sten Grades N. Breite liegt. Zu Enon- tekis ist die mittlere Wärme — 2,86°, aber der Ort liegt ın der Isothere von 12,80° Cels., wärend die Isochimene sich daselbst bis — 17° hinabsenkt. Die mittlere Tempe- ratur am Ufer des See’s von Titicaca ist dagegen sicher- lich über dem Gefrierpunkte, wärend die Sommerwärme geringer ist, als zu Enontekis, denn ich habe, gerade wä- rend der Sommerzeit auf jener Hochebene, welche gerade dem Winter in der Ebene des Meeres entspricht, nicht mehr als 15° R. zur Mittagszeit beobachtet, meistens aber nur 9 und 10 Grade R. *) Einige Beispiele werden auch hier am deutlich- sten sprechen; leider fehlen noch eine zu grofse Menge von Thermometer - Beobachtungen, welche die Temperatur- Abnahme für verschiedene Höhen verschiedener Breiten angeben. Die Beobachtungen der Temperatur auf dem St. Bern- hard zeigen sehr deutlich, dafs mit zunehmender Höhe die grofsen Differenzen zwischen den Temperaturen der hei- *) $. Meyen’s Reise, I. pag. 34 fsesten und der kältesten Jahreszeit schwinden, welche den nördlicheren Gegenden von eben derselben mittleren Wärme zukommen; dieses ist nicht nur hier, sondern auch auf andern Höhen beobachtet. Z. B. die Mönche im Ho- spizium des St. Bernhard beneiden die Lappländer um ihr schönes Clima, weil diese, bei gleicher mittlerer Tempera- tur mit der Höhe des St. Bernhard, dennoch einen hei- fseren Sommer haben. Ich habe schon früher darauf auf- merksam gemacht, wie auf dem Plateau des südlichen Peru, im Becken des See’s von Titicaca, weder Waizen noch Roggen gedeiht und daselbst nur Hafer und Gerste zur Reife kommt, obgleich auf dieser gewaltigen Höhe die Temperatur des Jahres nicht unter dem Eispunkte zu ste- hen kommt. Leider entbehren wir eine hinreichende Reihe von Thermometer-Beobachtungen aus jener Gegend, um mit diesem, in pflanzengeographischer Hinsicht so wichtigen Punkte der Erde Vergleichungen anstellen zu können, welche von besonderem Nutzen sein würden. Dafs diese Hochebene eine so hohe mittlere Temperatur besitzt, ge- hört einer anderen Ursache an, auf welche schon Herr Alexander von Humboldt durch sehr genaue Untersuchun- gen aufmerksam gemacht hat, indem er fand, dafs die Ab- nahme der Temperatur über Bergebenen viel langsamer fällt, als am Abhange steiler Berge, wobei natürlich die Licht- und Wärme-Strahlung von grofsen Flächen, als Ursache anzusehen ist. Auch hatte schon Saussure die schnellere Abnahme der Wärme auf steil ansteigenden Bergen bemerkt, was auf einer und derselben Ursache be- ruhet. Nachdem zwischen dem allmäligen Abnehmen der Wärme mit zunehmender Höhe ein gewisser Parallelismus gefunden war, mufste man auch daran denken, diese ent- sprechenden Verhältnisse durch Zahlen auszudrücken. Man suchte nun festzustellen, wie viel Höhenzunahme einem Grade der Wärme- Abnahme entsprechen möchte Die Beobachtungen des Herrn von Humboldt, so wie die Be- 3) obachtungen des Herrn Gay-Lussac auf seiner Luftreise im Jahre 1805, haben uns über diesen Punkt entschieden belehrt. Eine Höhenzunahme von 90 bis 100 Toisen wird ziemlich genau einer Wärme- Abnahme von 1° Cels. entsprechen. Aus dem Mittel der Beobachtungen Saus- sure’s über die Schweiz (80 Toisen im Sommer und 94,4 Toisen im Winter), und aus denjenigen von D’Aubuisson (7357018, fd. 'G.) ging. hervor, dafs daselbst zur Som- merzeit eine Höhe von 75—80 Toisen, und zur Winter- zeit eine Höhe von 94—110 Toisen einem Grade der Wärme-Abnahme entsprechen würden. Zum Beweise des Gesagten möge man die Tempera- tur-Curven vergleichen, welche ich auf der anliegenden Tafel aufgezeichnet habe. Genf und der St. Bernhard liegen in einer und derselben Breite, nur dafs der Beob- achtungsort auf dem St. Bernhard über 1000 Toisen hö- her als Genf gelegen ist. Die mittlere Temperatur auf dem’ St. Bernhard ist gleich — 1,0° Cels. und die zu Genf — 9,7° C., also beträgt die Temperatur- Abnahme daselbst für die 1000 Toisen Höhenunterschied über 10,7° Cels., daher hier mehr als 100 Toisen jeder Temperatur- Abnahme von einem Grade entsprechen. Bei der Betrachtung der Wärme-Abnahme mit zu- nehmender Höhe, werden wir nach den Regionen geführt, wo die Temperatur der Atmosphäre und des Bodens so niedrig ist, dafs daselbst, das ganze Jahr hindurch, Schnee und Eis liegen bleiben, welche aller höhern Vegetation ein Ende machen. Man bezeichnet diese Grenze mit dem Namen der ewigen Schneegrenze, indem man sie unterscheidet von derjenigen Grenze, bis zu welcher der Schnee wärend der ganzen Zeit der Wintermonate zu lie- gen kommt, welche man die untere Schneegrenze zu nennen pflegt. Die Region der ewigen Schneegrenze zeigt keineswegs eine mittlere Temperatur von 0°, wie man es wohl vermuthen sollte, sondern unter verschiede- nen Breiten werden wir in dieser Hinsicht recht sehr grofse Verschiedenheiten vorfinden, welche sich jedoch 3* 36 Be ‚später, bei einer gröfseren Anzahl von genauen und um- sichtlichen Beobachtungen leicht erklären lassen werden. Unter dem Aequator giebt man die Schneegrenze zu + 1,5 C. mittler Temperatur an; in der gemäfsigten Zone erscheint sie erst bei — 3,7° C. und in der arkti- schen Zone sogar erst bei — 6° Cels. Da nun aber auf den Gebirgen verschiedener Breiten, je mehr sie dem Pole zu liegen, die niederen Tempera- turen, welche eine Schneegrenze bedingen, immer tiefer herabsteigen, so werden die Punkte dieser Schneegrenzen verschiedener Gebirge, von den Polar-Gegenden an, bis zum Aequator hin, durch Linien verbunden eine Curve bilden, deren Fläche den ganzen Erdkörper wie eine Kup- pel umgeben wird. Diese Kuppel senkt sich in den Po- largegenden bis zur Meeres-Oberfläche, wo eine ewige und undurchdringliche Eismasse allem Vordringen des Men- schen im Wege steht. Auf den Continenten der Polar- Zone giebt es allerdings in der Ebene des Meeres noch keine ewige Schneegrenze, unter dem günstigsten Falle könnte das Einschneiden der Schneegrenze erst unter 81° N. Breite, nämlich an den Nordenden von Spitzbergen statt finden. Unter dem Aequator erhebt sich diese Kup- pel am bedeutendsten über die Meeres- Oberfläche; man giebt die Höhe derselben gewöhnlich zu 14760 Fufs nach H. Alexander von Humboldt’s Beobachtungen an. Doch neuere Beobachtungen, sowohl im südlichen Peru, als auf dem Himalaya in Indien, zeigen, dafs die ewige Schnee- grenze für jene Gegenden noch etwas höher hinausgescho- ben werden mufs, ja überall da, wo grofse, ausgedehnte Ländermassen in diesen Höhen liegen, wenigstens bis zu 16- und 17000 Fufs hinaus. Nach den Untersuchungen Hälström’s #) über die Curve der ewigen Schneegrenze, kam man zu der Ansicht, dafs die Kuppel derselben nicht vollkommen gleichmäfsig, sondern in der Gegend des Ae- quators leise eingebogen sei; doch die neueren Beobach- *) De termino atmosphaereae terrae nivalis. Aboae 1823. 37 53 tungen, über die gröfsere Höhe der Schneegrenze in je- nen tropischen Gegenden, sind dieser Einbiegung der ewi- gen Schneekuppel in der Gegend des Aequator’s entgegen. Zwar ist die Wärme - Abnahme auf steilen Bergab- hängen schneller, als auf hohen Plateaus und auf den Höhen grofser zusammenhängender Gebirgsmassen, doch der Vulkan von Arequipa, auf der Hochebene von 11000 Fufs, als ein isolirt stehender Kegel sich erhebend, geht mit seiner Kuppe über 18000 Fufs weit hinaus, und den- noch zeigt er nur auf einer Seite seiner höchsten Spitze ein klein wenig Schnee. Der bekannte Gebirgs-Pafs, zwischen Arequipa und der Provinz Chuquito, los Altos de Toledo genannt, 'geht weit über 15000 Fufs hinaus, und dennoch ist die Vegetation daselbst noch höchst in- teressant, ja eine einzelne Hütte, von Menschen bewohnt, steht noch in der Nähe dieser gewaltigen Höhe. Ja im Himalaya zeigt der Nutu-Pafs, selbst in einer Höhe von 46840 Fufs, noch keinen ewigen Schnee. Der ganze westliche Theil des Himalaya, das ganze Kunawar enthal- tend, ist sehr hoch, von 12000 bis 18000 Fufs und nur wenig Schnee wird daselbst gesehen, selbst bis zu 16000 Fufs geht daselbst die Vegetation hinauf. Der Juniperus communis wächst dort noch bei 14500 und die Birke bei 14000 Fufs. Es folgt hier eine Reihe von Beobachtungen über die Höhe der Schneegrenze auf den Gebirgen verschiedener Breiten, wodurch sich die allmälige Abnahme derselben von dem Aequator bis zu den Polargegenden documentirt. Die Höhe der Schneegrenze erscheint: Auf dem Cotopaxı in 15735 Fuls Preufsisch *) nach Humboldt. 4-5 Antısana in 15456 - “ 3 & - - Chimborazo in 15320 - £ e ® *) Ich habe die Angaben in Toisen und Meter auf Preufsische Fuls reducirt, und zwar nach der schönen Tabelle des Herrn Dove (Ueber Mafs und Messen. Berlin 1835.). Eine Toise ist = 1,949037 ‘ Meter und ein Meter ist = 3,186199 Preufs. Fuls, demnach ist eine Toise = 6,2 Preuls. Fufs. 33 Auf dem Chimborazo : in 15539 F. Pr. nach Hall. - - Pichincha in 15190 - - - Humboldt. Im südlichen Peru in 16851 - - - Pentland. In Mexico beı 19° N.Br. ın 14570 - - - Humboldt Auf dem Ararat ın 1344 - - -" Parrot. Auf dem Pic du Midi n 9337 - - - - Mont perdu ın 8078 - - - Parrot. Durchschnittl. f.d. Pyrenäen 8680 - - - Humboldt. Auf dem Gaucasus ın 10602 - - - Parrot u. Engelhardt. Auf den Apenninen in :92311 - - - - Schouw (in42u.432B.) Auf den Alpen in 8494 - - - - WVahlenherg. Ne - ın 8804 - - - verschiedenen neueren Autoren. In Norwegen bei 62° Br. in 5120 - - - Hisinger. I N" Bei B3t Br. in 5019. - Auf Island bei 63!° Br. in 2642 - - Zu Hammerfestb.70°Br. in 2585 - - - Büch. Am Nordcap in 227°- - - Bauch. Man hat in neuerer Zeit die ewige Schneegrenze von derjenigen der Glätscher genau zu trennen gesucht, und hat dafür die Grenzlinie derjenigen schneeartigen Substanz vorgeschlagen, welche in der Schweiz unter dem Namen Firn bekannt ist. Die Glätscher sind grofse Eismassen, welche, auf eine eigenthümliche Art, ganz und gar aus mehr oder weniger grofsen Eiskrystallen zusammengesetzt sind. Die Eiskrystalle der Glätscher sind nach allen Rich- tungen gelenkförmig mit einander vereinigt und der eine hilft den anderen gelenkförmig einkeilen. #) Diese Glät- schermassen senken sich oft zu einer sehr bedeutenden Tiefe hinab und sie dürfen mit den Grenzen des ewigen Schnee’s nicht zusammengestellt werden. Der untere Grin- delwaldglätscher **) senkt sich unter das Dorf Grindel- wald bis zu 533 Tois. Höhe, wärend der obere Grindel- waldglätscher doch nur bis 670 Toisen. hinabgeht. Der Unteraarglätscher ist an seinem Ausgange 921 Tois. hoch, wärend der Oberaarglätscher nur eine Tiefe von 1330 *) S. Hugi’s naturhistorische Alpenreise. Berghaus Annalen II, 292. "NS. Hugi. Berghaus p. 290. 39 Tois. erreicht. In Hugi’s naturhistorischer Alpenreise, ei- nem sehr interessanten Buche, sind eine Menge Messun- gen von der Tiefe verschiedener Glätscher zn finden, und ich habe diese nur angeführt, um die grofse Verschieden- heit in der Höhe der Glätscher- Eismassen unter sich und zu der Grenze des ewigen Schnee’s anzudeuten. Es ist bekannt, dafs. auf der Insel Island, welche noch innerhalb der subarktischen Zone liegt, die Glätscher bis in das Meer hinabsteigen, wärend daselbst die Schnee- grenze noch in 423 Toisen Höhe liegt; indessen ‚noch auffallender ist dieses in der Magalhaen’s Strafse, in der Breite von 53 und 54° südlich, wo ebenfalls die Glät- scher bis in das Meer hinabsteigen, wärend sich die Schneegrenze daselbst ungefähr zwischen 3500 — 4000 Fufs erhält. *) | ‘ Der Firn ist eine körnige, lockere Schneemasse, de- ren Erscheinen H. Hugi als die Grenze des ewigen Schnee’s anzusehen vorschlägt. Von weitem gesehen können die Firnmassen ganz das Ansehen der Glätscher zeigen, und auf einer Höhe von 1270 Toisen pflegen sich in der Schweiz die Glätscher schnell in Firn zu verwandeln. Wenn die Sonne auf diese Firnmasse scheint, lockert sie sich selbst bis auf mehrere Fufs Tiefe auf, so dafs der- selbe auf der Hand wie Hanfkörner auseinander fällt. Nachts wird die Masse durch die Kälte wieder fest. Es ist mir unbekannt, ob der Firn auch auf den Ge- birgen anderer Gegenden vorhanden ist; ich selbst habe, aufser auf den Schweizer- Alpen, die ewige Schneegrenze noch einigemal erstiegen und zwar auf der Cordillere von Südamerika. Hier fand ich die ewige Schneemasse hart und fest, oft so hart, dafs es schwer war, Stufen darin einzuhauen; doch von einer Auflockerung dieser Schnee- masse, wärend des Sonuenscheins, war auf der Cordillere von Chile und Peru nichts zu beobachten. *) $S. P. King’s Bemerkungen über das Feuerland und die Ma- galhaen’s Strafse. 40 Die Wärme des Sommers ist es wohl hauptsächlich, ı welche die verschiedene Höhe der Schneegrenze bedingt, sie wird daher in verschiedenen Jahren ähnliche Differen- zen zeigen, wie es die Wärme der Sommermonate ver- schiedener Jahre zeigt; doch werden diese um so geringer sein, je mehr wir uns dem Aequator nähern, wo die Dif-. ferenzen zwischen den Maximis und Minimis der mittleren monatlichen Wärme-Grade immer geringer werden. Hier sind wenige Messungen zur Bestimmung der Höhe der Schneegrenze nöthig, wärend in der temperirten Zone nur eine grofse Zahl dergleichen Beobachtungen ein sicheres Resultat geben können. Auch die Wärme des Bodens hat man als eine ÜUr- sache angesehen, welche auf das Vorkommen der Pflan- zen Einflufs ausüben könnte. Es ist wohl sicherlich der Fall, dafs die Oberfläche der Erde, worin die Pflanzen wurzeln, durch den Einflufs der Atmosphärilien ihre Wärme erhält, und demnach dieselbe ebenfalls von der Sonnen- Wärme abhängt. Ueber die Methoden die Wärme des Bodens mittelbar oder unmittelbar zu messen, mufs ich hier auf die physikalischen Schriften verweisen, worin die- ser Gegenstand ausführlich erörtert wird. *) So wie diejenigen Oerter auf der Oberfläche der Erde, welche gleiche mittlere Wärme zeigen, von Herrn Alexander von Humboldt durch Linien verbunden wurden, welche er Isothermen nannte, so hat Herr Kupffer auch die Punkte gleicher Bodentemperatur mit einander verbunden, und diese Linien Isogeothermen genannt, deren Verlauf ähn- lich dem der Isothermen ist. Ich kann hier diesen Ge- genstand um so kürzer berühren, indem, wie ich glaube, die Verschiedenheiten zwischen den Isothermen und den Isogeothermen zu gering sind, um auf die Vertheilung der Pflanzen einen bedeutenden Einflufs ausüben zu können. Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, dafs so- *) S. z. B. Kämtz Lehrbuch der Meteorologie, TI. p. 176 u. s. w. — Gebler’s Wörterbuch. N. A. II. u. s. w. 41 wohl die Entwickelung der Blätter, wie auch die Blüthen- entwickelung bei ein und denselben Arten von Pflanzen immer später und später erfolgt, je mehr man sich aus den wärmeren Gegenden entfernt und nach den kälteren hinbegiebt; und ganz eben dasselbe wird beobachtet, wenn man sich aus der Ebene auf die Höhe der Gebirge be- giebt. Pflanzen, welche in der Ebene längst verblüht sind, und daselbst schon Früchte tragen, werden so oft in ent- sprechenden Höhen der Gebirge noch in Blüthe gefunden. Dergleichen Völker, welche am Fufse der Gebirge woh- nen, geniefsen die Früchte ihres Landes eine geraumere Zeit hindurch, als die Völker der Ebene, denn wenn die Früchte von den Pflanzen der Ebene schon längst ver- schwunden sind, dann beginnen dieselben auf den Gebir gen von eben denselben Pflanzen zu reifen. Ja in vielen tropischen Gegenden, welche am Fufse der hohen Gebirge liegen, geniefst man auf diese Weise die meisten nützlich- sten Früchte das ganze Jahr hindurch, indem auf den grö- fseren Höhen dieselben immer später und später reifen, bis in der Ebene schon wieder die zweite Erndte sich nähert. Eben so verhält es sich auch umgekehrt; alle die verschienen Perioden des Pflanzenlebens rücken bei einer und derselben Art vor, je weiter sie in wärmeren Gegen- den auftritt. Herr de Saint-Hilaire #) beobachtete, bei dem Antritt seiner Reise, die Pfirsichbäume zu Brest noch am 1ten April ohne Blätter und ohne Blumen; am $ten April fand er sie zu Lissabon in voller Blüthe, am 25sten April hatten sie auf Madera schon Früchte angesetzt und am 29sten fand er auf Teneriffa reife Pfirsiche. Aehnliche Beispiele liefsen sich noch mehrere auffüh- ren, wie sie z. B. Schübler **) in einer besonderen Ab- handlung zusammengestellt hat. Das Maiblümchen (Con- ”) Plantes remarquables du Bresil. **%) Untersuchungen über die Zeit der Blüthenentwickelung meh- rerer Pflanzen der Flora Deutschlands und benachbarten Länder. — Flora von 1830 pag. 353 — 368. 42 vallaria majalis) blühte im Jahre 1829 schon am 26sten April zu Parma, wärend es am 40ten Mai zu Tübingen, am 17ten Mai zu Berlin und erst am 10ten Juni zu Greifs- walde blühte. Durch Beobachtungen der Art, welche an einer Menge von Pflanzen, durch verschiedene Botaniker angestellt worden waren, wurde Schübler und vor ihm schon Bigelow *) darauf geführt, das Gesetz aufzufinden, nach welchem ein solches Vorrücken der Blüthezeit für verschiedene Breiten. stattfindet. Das Resultat der Schü- blerschen Untersuchungen geht dahin, dafs die Blüthenent- wickelung, bei dem Vorrücken des Standortes einer Pflanze, um einen Grad der Breite nach den Polen zu, um beinahe 4 Tage verspätet wird, oder bei dem Annähern, nach dem Aequator hin, um dieselbe Zeit vorrückt. Man hat bei «dieser Untersuchung vorausgesetzt, was allerdings nur sel- ten der Fall ist, dafs sich an allen den Orten, wo beob- achtet wurde, der Sommer gleichmäfsig schnell entwickelt hat, indessen so häufig zeigen hierin verschiedene Länder die gröfsten Abweichungen, wenn man die Beobachtungen einer Reihe von Jahren mit einander vergleicht. Diese scheinbare Genauigkeit, welche bei diesen Beobachtungen nun der Calcül ergiebt, ıst indessen auch gar nicht nöthig, es genügt zu wissen, dafs die Blüthenentwickelung bei den Pflanzen zu den verschiedenen Breiten in einem gewissen, ziemlich bestimmten Verhältnisse steht. Es ist allgemein bekannt, wie, an verschiedenen Punkten einer und dersel- ben Gegend, die Entwickelung der Vegetation oftmals so äufserst ungleich ist, dafs ein und dieselben Pflanzen an den verschiedenen Punkten um 6 und 8 Tage verschieden blühen, ja diese Verschiedenheit ist häufig, bei dicht neben einander stehenden Pflanzen noch weit gröfser, demnach man bei solchen Vergleichungen keine zu grofse Genauig- keit zu erwarten hat. Dafs es vorzüglich die Wärme der Atmosphäre ist, *) On the comparative forwardness ofthe Spring ın different parts of the United States in 1817. Im kurzen Auszuge ın Sılliman Ame- rican Journal. TI. 43 welche dieses Vorrücken oder Verspäten der verschiede- nen Lebensperioden einer und derselben Pflanze veranlafst, kann man selbst künstlich mit Leichtigkeit beweisen. Führt man, selbst in den härtesten Wintermonaten, einzelne Zweige eines, im Freien stehenden Baumes in einen ge- heizten Raum, so werden diese Zweige sehr bald ausschla- gen und zur Blüthe gelangen, wärend der übrige Theil des Baumes, welcher im Freien steht, erst den Frühling dazu erwartet. Ebenso ist es bekannt, dafs die Bäume um so schneller ausschlagen, je wärmer die Luft im Frühlinge. ist. Nachdem Schübler gefunden hatte, dafs das Vorrücken der Blüthezeit, bei Annäherung um einen Grad der Breite nach dem Aequator zu, etwa um 4 Tage geschieht, suchte er zugleich durch Rechnung das Maafs der Wärme zu bestimmen, welche dieses Vorrücken bedingt. Da im mitt- leren Europa die Wärmeabnahme, für einen jeden Grad der Breite, gleich 0,516° R. beträgt, so ist es. diese Quan- tität Wärme, welche das Vorrücken oder das Zurückblei- ben des Blühens der Gewächse um 4 Tage bedingt, und, wird dieses Verhältnifs sogar auf einzelne Tage reducirt, so verzögert sich die Vegetation im Mittel-um einen Tag, wenn sich die mittlere Temperatur um 0,135° R. 4 bis 4°) vermindert, oder bei einer Verminderung von 1° R. um 2 Tage. Diese Resultate scheinen nun allerdings sehr genau, indessen sie sind nur durch den Calcül erzeugt, und durch die Beobachtung läfst sich ein so wichtiger Einflufs von + und 4° R. Wärme keineswegs nachweisen. Uebrigens hatte schon Adanson *) eine Hypothese erdacht, wodurch, auf eine sehr sinnreiche Weise, die Verschieden- heit in dem Blühen der Pflanzen erklärt werden sollte. Er leitete nämlich die Verschiedenheiten von der Masse der Wärme ab, welche einer jeden Pflanze vorher zuge- kommen war, und hiezu rechnete er die Wärmegrade vom Anfange des Jahres an zusammen. So soll die Silber- ? *) S. Decandolle Physiologie vegetale II. pag. 476, worin jene Hypothese Adanson’s genau auseinandergesetzt ist, 44 pappel blühen, wenn sie 168 Grade Wärme genossen hat, und der Weinstock kommt erst zur Blüthe, wenn er 1770 Grade Wärme erhalten hat. So gründlich und so vor- theilhaft auch diese Methode der Untersuchung zu sein scheint, so ist sie dennoch nicht so genau, wenn man sie näher zergliedert, wie dieses von Herrn Decandolle in sei- ner Pflanzen-Physiologie höchst umständlich geschehen ist. Die Temperatur des vorangegangenen Herbstes hat eben- falls keinen geringen Einflufs auf die Zeit der Blüthe im kommenden Frühlinge, und daher es sehr willkührlich ist, das Zählen der Wärmegrade mit dem ersten Januar an zu beginnen. | Sowohl hier, bei der Entwickelung der Blüthen, als bei der Blattentwickelung der Pflanzen, sind es höchst complicirte Ursachen, welche die Erscheinung hervorrufen, aber keinesweges ist es die Wärme allein. Zuerst sind hiebei die inneren Ursachen zu beachten, welche das Blühen einer Pflanze bedingen, und dann hat man den Einflufs der Wärme und der Feuchtigkeit zu ermessen. Herr Decandolle *) hat eine Reihe sehr ausführlicher Un- tersuchungen 'angestellt, um die Ursachen zu erforschen, welche das. verschiedenartige Ausschlagen der Rofskasta- nien-Bäume bedingen; aus jenen Untersuchungen kann man aber den Schlufs ziehen, dafs es weder ein bestimmter Grad von Wärme, noch eine bestimmte Menge von Feuch- tigkeit ist, welche das Ausschlagen der Bäume genau be- dingt. Es ist, wie ich glaube, eine allgemein bekannte Thatsache, dafs im Frühlinge die Atmosphäre zuweilen einen hohen Grad von electrischer Spannung zeigt, haupt- sächlich nach Gewittern, welche mit Regen begleitet waren, und die Gewächse, in den zunächst darauf folgenden Stun- den, sich so schnell entwickeln, dafs man die allmälige Entfaltung der Blätter fast verfolgen kann; ein solcher Zustand der Atmosphäre, welcher auch auf jeden Menschen höchst erquickend zu wirken pflegt, ist, weder durch seine *) S. Physiologie veget. I. p. 432 cic. 45 \ Wärme, noch durch seine Feuchtigkeit ein so schnell wir- kendes Agens auf die Vegetation, sondern es mufs noch etwas Anderes, vielleicht die Electricität desselben sein. Der wichtige Einflufs, welchen die Feuchtigkeit der Luft auf die Vegetation ausübt, ist überall und zu jeder Jahreszeit wieder zu erkennen, denn nur da, wo Feuchtig- keit der Luft vorhanden ist, entwickelt sich die Vegetation, und nur da, wo Feuchtigkeit und Wärme im hohen Grade zusammenwirken, da zeigt die Vegetation einen solchen Grad von Ueppigkeit, wie man ihn in tropischen Gegenden beobachtet. In Gegenden, wo Regen gänzlich fehlt, wie in manchen Wüsten, da hat auch der Boden nur wenig Feuchtigkeit, und es fehlt überhaupt an Wasser, wefshalb denn auch die Vegetation daselbst unterdrückt ist, entwe- der nur auf eine gewisse Zeit, oder das ganze Jahr hin- durch. Ich habe schon früher derjenigen Gegenden an der chinesischen Küste gedacht, welche wärend des Winters, wo oftmals kein Tropfen Regen zu Boden fällt, nichts, auch nicht eine Spur von dem Glanze zeigen, welchen ihre tropische Vegetation wärend des Sommers dem Auge dar- bietet. Doch in engen Thälern gebirgigter Gegenden da- selbst, wo der Wasserreichthum nicht versiegt, da herrscht zu eben derselben Zeit, wenn dicht daneben Alles ver- brannt und verschwunden ist, noch eben dieselbe üppige Vegetation wie zur Zeit des Sommers. *) Valparaiso, der bekannte Hafen an der chilenischen Küste, hat seinen Na- men von der Schönheit der Natur daselbst erhalten; wenn man aber diesen Ort zu einer andern Zeit, als im Früh- linge oder im Winter besucht, so mufs man erstaunen über die todte Natur, und über die Kahlheit der Felsen und Gebirgsmassen, welche ringsumher diesen Hafen einschlie- {sen und sich allmälich, höchst imponirend erheben. Ueber die Erscheinungen der Hydrometeore ist die neuere Physik recht sehr im Reinen, wärend man früher, *) $S. Meyen Bemerkungen über das Clima im südlichen China. l. c. pag. 862. 46 noch zu de Lues Zeiten, die unsichtbaren Kräfte zur Hülfe nehmen mufste, selbst zur Erklärung des einfachsten Re- gens. Es ist durch Dalton nachgewiesen, dafs die Atmo- sphäre bei jedem Grade von Wärme ein gewisses Maximum von Wasserdämpfen aufzunehmen vermag, und dafs die Ausdünstung von Flüssigkeiten in derselben so lange fort- dauert, bis dieses Maximum der Sättigung mit Wasser- dampf eingetreten ist; und diese Verdunstung geschieht um so schneller, je trockener die Luft ist. Wird uun die, mit Wasserdämpfen bis zum Maximum gesättigte Atmo- sphäre erkältet, so fällt sogleich ein Theil des aufgelösten Wassers, welcher bei dieser niederen Temperatur der Luft über das Maximum der Capacität hinauseing, zu Boden und erscheint uns als Regen, als Nebel oder Wolken, als Schnee oder Hagel u. s. w. So kehren die Wasserdünste der Luft wieder zurück zu ihrer Ursprungs-Quelle, um wiederum zu verdampfen und den Geschöpfen der Erde den Aufenthalt in der Atmosphäre möglich und angenehm zu machen. Venn auch in unsern nordischen Gegenden die Atmo- sphäre sehr häufig das: Maximum von Wasserdampf auf- nimmt und dann durch Erkältung das Wasser wieder fal- len läfst, d. h. wenn es auch bei uns sehr häufig regnet, so ist doch die Menge des niedergefallenen Regenwassers so gering, dafs sie, in Betracht der grofsen Menge Wassers, welche in tropischen Gegenden niederfällt, kaum in Ver- gleich zu stellen ist. Zu Rom ist die mittlere jährliche Regenmasse gleich 33,1 pariser Zoll hoch, dagegen ist sie zu Macao schon 63 Zoll hoch, und es giebt Jahre, wie die von 1812 und von 1828, wo daselbst über 100 Zoll Regen niedergefallen ist, was an andern Orten, wie z. B. ausnahmsweise zu Grenada, sogar Regel ist. Obgleich zu Macao eine so grofse Menge Regen niederfällt, so dauert die Regenzeit daselbst nur wärend des Sommers, man kann sich demnach eine Vorstellung machen, in welcher Masse | dann der Regen in jenen Gegenden niederfällt. Auch die Strömungen in der Luft, d. h. die Winde, 47 so wie die Strömungen in den grofsen Meeren müssen wir hier betrachten, da sie so häufig als ursächliche Momente für die Wanderungen der Pflanzen angegeben werden. Wir betrachten zuerst die Winde; sie wehen bald regelmäfsig nach einer und derselben Richtung und über mehr oder we- niger weite Strecken, bald. wehen sie ohne alle Ordnung, bald hin, bald wieder zurück. Es sind eine Menge von Thatsachen aufgezeichnet, nach.welchen die Saamen ver- 'schiedener Pflanzen, durch die Wirkung der Winde selbst auf weite Strecken fortgeführt sind, und wo auf diese Weise der Verbreitungs-Bezirk der Pflanze vergröfsert wurde. Die Saamen der Pflanzen aus gewissen Familien, als z.B. die der Compositae, sind mit Organen besetzt, welche den- selben zur Forttreibung durch den Wind besonders be- hülflich sind; dieses sind diejenigen federartigen Bildungen, welche unter dem Namen pappus oder Federchen u. Ss. w. bekannt sind. Es ist nicht zu bestreiten, dafs mit Hülfe solcher federartigen Organe gewisse Saamen, besonders durch heftige Sturmwinde auf sehr weite Strecken fortge- führt werden können, und dafs auf diese Weise besonders die Syngenesisten einen ausgedehnteren Verbreitungs-Bezirk aufweisen können, ganz vorzüglich aus solchen Gegenden, wo zur Herbstzeit, wenn die Saamen reif sind, regelmäfsige Winde herrschen, welche mehr nach südlicheren und öst- licheren oder westlicheren Gegenden wehen, wo die Tem- peratur dem Wachsthum dieser Pflanzen nicht entgegen ist. Wir könnten einige amerikanische Pflanzen aufführen, wel- che auf diese Weise, in sehr kurzer Zeit, fast über ganz Europa als Unkraut verbreitet sind, z. B. das Erigeron canadensis und die Oenothera biennis, selbst die Galinso- gea parviflora, welche gegenwärtig schon weit verbreitet, und zwar aus dem botanischen Garten zu Berlin ausgegan- gen ist. Ein wichtigeres Moment für die Verbreitung der Pflan- zen bieten die Strömungen des Wassers dar, sowohl der Ströme oder Flüsse auf dem festen Lande, welche, oft auf viele Hunderte von Meilen, die Saamen von gewissen Pflan- 48 zen entführen können, als auch die Strömungen in den grofsen Weltmeeren. Es sind mehrere sehr interessante Beobachtungen bekannt, wie echte Alpenpflanzen, durch Gebirgs-Ströme, aus der Höhe nach der Ebene geführt worden sind, woselbst sie jetzt ganz gut gedeihen. Herr Link hat darauf aufmerksam gemacht, wie die Circaea al- pina L. von der Höhe des Harzes herabgeführt ist und jetzt in der Ebene wächst, fast rund herum um den Harz. Ebenso hat Herr Link *) erkannt, dafs die Linaria alpina, das Rhododendron. ferrugineum, Alnus viridis u. s. w. von den hohen Gipfeln der Alpen herab in die Thäler kommen, wo sie den Strömen deutlich folgen. Die Ströme des Har- zes haben auf diese Weise auch die Arabis Halleri in die Ebenen von Hildesheim geführt, wo sich diese Pflanze noch immer nicht weit von dem Flusse entfernt. Herr v. Cha- misso fand auf seiner Reise, in den Küsten-Gegenden von Chile, verschiedene ausgezeichnete Alpen-Formen der Gat- tungen Calceolaria und Calandrinia, welche ich später in den gröfsten Höhen der chilenischen Cordillere, stets ganz in der Nähe der ewigen Schneegrenze gefunden habe, von wo sie wahrscheinlich durch Gebirgs-Ströme nach der Küste geführt worden waren. Wenn nun schon durch Ströme und Flüsse auf dem festen Lande die Verbreitung der Gewächse, oft auf weite Strecken hin, befördert wird, so kann dieses durch die Strömungen, welche in den grofsen Meeren herrschen, noch um Vieles erweitert werden, denn diese sind oftmals so ausgedehnt, dafs durch sie entfernte Welttheile in Ver- bindung gesetzt werden. Es ist hier nicht der Ort, die verschiedenen Strömungen in den Weltmeeren und deren Ursachen auseinanderzusetzen, aber, der hohen Wichtigkeit wegen, welche man beständig diesen Erscheinungen zu- schreibt, ist es nöthig, dafs ich hier, wenigstens in gröfster Kürze, ein kleines Bild davon entwerfe. Wir gehen von dem Resultate der Beobachtungen aus, *) Die Urwelt, I, pag. 263. 49 dafs alle Strömungen im Meere durch herrschende, oder durch wechselnde Winde veranlafst werden; im ersteren Falle, wo nämlich die Winde das ganze Jahr hindurch in einer und derselben Richtung wehen, da ist auch die Strö- mung das ganze Jahr hindurch eine und dieselbe, nämlich immer mit dem Winde gehend; in solchen Fällen aber, wo halbjährliche Winde abwechseln, da wechselt auch die Strömung, in der einen Hälfte des Jahres geht sie mit dem einen Winde, wärend sie in der andern Hälfte des Jahres mit dem entgegengesetzten Winde geht. *) Wenn wir hier die Strömungen des Weltmeeres als ursächliche Momente für die Verbreitung der Pflanzen be- trachten, so kann natürlich nur von den grofsen, herr- schenden Strömungen die Rede sein, welche entfernt gele- gene Länder und Inseln mit einander verbinden; dergleichen kleine Strömungen, wie sie überall, in Folge von starken Windstöfsen auftreten und nach kurzer Zeit wieder ver- schwinden, können wir hier ganz unbeachtet lassen. Da nun aber, wie ich es schon vorher gesagt habe, alle Strömungen unmittelbar von den Winden verursacht werden, so ist es nöthig, zuerst eine kurze Uebersicht der herrschenden Winde voranzuschicken. Diejenigen Winde, welche auf den Meeren das ganze Jahr hindurch aus einer und derselben Richtung wehen, sind unter dem Namen der Passatwinde bekannt. Auf der nörd- lichen Hemisphäre der Erde weht der Passatwind aus Nord- Ost und auf der südlichen Hemisphäre von Süd-Ost, gerade *) Die Bezeichnung der Strömungen im Meere und die der VVinde ist von einander verschieden; den Wind bezeichnet man nämlich mit dem Namen der Himmelsgegend, aus welcher derselbe weht, z. B. kommt er von Norden, so nennt man ihn Nordwind, kommt er von Östen, so nennt man ihn Ostwind. Anders verhält es sich mit der Benennung der Strömungen; diese bezeichnet man nämlich mit der- jenigen Himmelsgegend, wohin dieselbe gerichtet ist. Z. B. eine Strömung, welche von Nord-Ost kommt, wird eine süd - westliche Strömung genannt, und eine andere, welche das Wasser von WVesten kerführt, wird eine östliche Strömung genannt werden; demnach wird die Strömung stets entgegengesetzt der Richtung des Windes benannt. 4 50 entgegengesetzt der Richtung, in welcher sich die Erde, bei ihrem Laufe um die Sonne, um ihre eigene Achse dreht. Da nun aber, durch die eigenthümliche Gestalt der Erde, auf der nördlichen Hemisphäre zwei, von einander getrennte Meere vorhanden sind und auf der südlichen Hemisphäre sogar drei getrennte Meere vorkommen, nämlich der Aethiopische Ocean, der Indische Ocean und der südliche stille Ocean, so kommen hier drei von einan- der getrennte Süd-Ost-Passate und in der nördlichen Hemi- sphäre zwei, von einander getrennte Nord-Ost-Passate vor. Auf der nördlichen Hemisphäre beginnen die Passate in 27 bis 30 Grad nördlicher Breite, doch auf der süd- lichen Hemisphäre scheinen sie viel tiefer hinabzugehen. In der Gegend des Aequators, wo die Passate der beiden entgegengesetzten Hemisphären zusammenstofsen, da bleibt eine Zone von 2 oder von 3 Graden Breite, welche die Zone der Windstillen heifst; hier weht weder der Nord-Ost- noch der Süd-Ost-Passat, aber Windstillen mit den hef- tigsten Gewitter-Regen wechseln beständig ab. In denjenigen Breiten, wo der Nord-Ost-Passat in der nördlichen und der Süd-Ost-Passat in der südlichen Hemisphäre seine Polargrenze zeigt, da weht ein ziemlich regelmäfsiger Wind aus Westen, ganz entgegengesetzt dem angrenzenden Passatwinde, und man pflegt ihn auch den rückkehrenden Passat, allgemeiner aber den West-Passat zu nennen. Diese West-Passate wehen in der nördlichen und in der südlichen Hemisphäre, meistens schon über den 28sten Grad der Breite hinaus und erstrecken sich oft bis weit über 40° hin. So wie nun der Lauf dieser Winde ist, so ist auch im Allgemeinen die Richtung der Strömungen, welche durch dieselben veranlafst werden; doch werden sie, hier und dort, durch verschiedene Ursachen modifieirt. Am bekann- testen ist die sogenannte Rotations-Strömung in der nörd- lichen Hälfte des Atlantischen Oceans; hier werden die Gewässer zwischen Afrika, dem mittleren Amerika. und dem südlichen Theile von Europa in einem Kreise umher- 51 getragen. Nämlich dem Laufe des Nord-Ost-Passates fol- send, welcher näher dem Aequator immer mehr Ostwind wird, gehen die Gewässer nach der Nordost-Küste von Siidamerika, hier einen Damm findend, werden sie nach Norden abgelenkt, laufen durch den Golf von Mexico und kommen an der südöstlichen Küste von Nordamerika wie- der hinaus, von wo aus sie, unter dem bekannten Namen des Golf-Stromes, wieder nach Osten laufen, und endlich wieder nach jener Gegend zurückkehren, von wo sie aus- gegangen sind. Durch diese entschiedene Rotations -Strö- mung werden mehrere der auffallendsten Beobachtungen erklärt, wo nämlich Fässer, welche in England verladen "nd nach der Havanna bestimmt waren, durch Verun- glückung des Schiffes in der Nähe der canarischen Inseln in das freie Meer gelangten; hier wurden sie von der Aequa- torial-Strömung gefafst und kamen endlich wieder nach England zurück, wo man sie durch die Signaturen erkannte. Ebenso ist es eine bekannte Thatsache, dafs Stämme von südamerikanischen und westindischen Bäumen, z. B. der Gedrela odorata, nach den canarischen Inseln getrieben ‚werden; auch ist Columbus offenbar durch dergleichen Erscheinungen zu seiner Ueberzeugung von einem grofsen Lande im Westen gekommen. Es ist klar, dafs eine Strö- mung der Art sicherlich auch für die Verbreitung der Pflanzen ein wichtiges Moment werden kann;- denn Saamen, welche wenig öligte und wenig amylumartige Substanzen enthalten, und eine feste Schale haben, können sich lange Zeit hindurch im Wasser erhalten, ohne ihre Keimkraft zu verlieren. Das Eriocaulon septangulare z. B. wächst aufser sei- nem Vaterlande, nämlich Nordamerica, nur auf der Insel Sky in der alten Welt, und Herr Link *) vermuthet defshalb, und gewifs auch mit allem Rechte, dafs die Saamen dieser Pflanze durch die Strömung dahin gekommen sind. Eine ähnliche Rotations-Strömung, doch lange nicht so entschieden, wie in der nördlichen Hemisphäre, findet *) Die Urwelt pag. 266. 4* 52 sich auch in der südlichen Hälfte des Atlantischen Oceans; sie verbindet die Westküste von dem südlichen Afrika mit der Ostküste von Südamerika und im Süden, zwischen dem 30. und dem 45.° südlicher Breite, findet der Rück- flufs der Gewässer statt. Hienach ist die Möglichkeit ein- zusehen, dafs Pflanzen aus Afrika nach Amerika, und Pflanzen aus Amerika nach der alten Welt wandern kön- nen; doch schwerlich könnten durch diese Strömung der- gleichen Pflanzen nach Südamerika wandern, die in der nördlichen Hälfte der alten Welt ihr Vaterland haben. Ja man mufs sich auf die Strömungen überhaupt nicht zu viel verlassen; die Cocos-Palme ist gewöhnlich derjenige Baum, welchen man anführt, um zu zeigen, wie die Pflanzen- Wanderungen durch die Meere von Insel zu Insel gehen, und dennoch ist die Cocos-Palme aus dem südlichen Afrika niemals nach Brasilien gewandert, sondern man hat sie dahin verpflanzt. Auf den westindischen Inseln kommt sie in Menge vor, und dahin ist sie wahrscheinlich durch die Strömung gekommen. | In dem stillen Meere giebt es ebenfalld zwei Haupt- strömungen, nämlich die eine auf der nördlichen, die an- dere auf der südlichen Hemisphäre, folgend dem Nordost- Passat und dem Südost-Passat. Diese Strömungen ver- laufen indessen keineswegs von dem einen Festlande zum andern, wie die Strömungen im Atlantischen Ocean, son- dern schon im Meridiane der Marianen haben sie ihre westlichen Grenzen. Uebrigens möchte ich auch noch die Bemerkung machen, dafs die Strecke, welche diese Strö- mungen durchlaufen, so ungeheuer, und die Zeit, welche dazu erforderlich, um, allein durch die Wirkung der Strö- mung, diese Meere zu durchfahren, so grofs ist, dafs wohl schwerlich die tropischen Gewächse Amerika’s auf diesem Wege nach Asien wandern könnten. Ja neuerlichst ist dieses sogar von dem Mays, jenem bekannten amerikani- schen Getreide, behauptet worden, welches schon im 12ten Jahrhunderte nach der Küste von Japan angetrieben sein soll. Wohl wäre ich geneigt, diese, durch chinesische } | 53 Schriften verbreitete Thatsache in Zweifel zu ziehen; denn ein Saame wie der Mays, mit einer so grofsen Menge feinen Amylum’s, kann sich nicht monatelang im Meeres- wasser erhalten, welches eine so hohe Temperatur hat, wie die Gewässer jener Aequatorial-Strömung. Ja dieses möchte auch wohl der Grund sein, dafs der Mays niemals durch den Golfstrom zu uns nach Europa gekommen ist, welcher Weg nur ein Drittel so lang ist, als jener von Amerika nach Asien. In denjenigen Gegenden des stillen Meeres, wo die Passatwinde und die davon abhängigen Aequatorial -Strö- mungen ihre westlichen Grenzen haben, da finden sich halbjährige Windsysteme, sogenannte Monzoone., In der nördlichen Hemisphäre jener Gegenden ist das Monzoon- System in der chinesischen See bekannt, wo der Nordost- Wind die 6 Monate hindurch, vom October bis zum März, und der warme Südwest-Wind die andern 6 Monate lang weht. Die Strömungen in jenen Gewässern richten sich alsdann ganz nach der anhaltenden Richtung des Windes; ‚bei dem Südwest-Monzoone ist die Strömung Nordost und bei dem Nordost-Winde geht sie nach Südwest. Auf der südlichen Hemisphäre jener Gegenden, nämlich in Borneo, Java und der östlichen Küste von Neu-Holland, herrscht ein anderes Monzoon-System; daselbst herrscht der Wind 6 Monate lang von Nordwest und 6 Monate lang von Südost, alsdann gleichsam ‚mit dem Südost-Passat des grofsen indischen Meeres zusammenhängend. Soviel an diesem Orte über die herrschenden Strö- mungen in den Meeren; man wird hienach gleich von un- gefähr beurtheilen können, wo eine Verbreitung gewisser Pflanzen mit Hülfe der Meeres- Strömung hat stattfinden können, und wo solche zu den Unmösglichkeiten gehört. Man möge noch bedenken, dafs das Meereswasser der wär- meren Gegenden sehr hoch erwärmt ist, dafs solches also auf die Tödtung der Keimungskraft der Saamen noch viel schneller wirkt. Zweite Abtheilung. Von den Verhältnissen, durch welche der Boden auf das Vor- ‚ kommen und auf die Verbreitung der Pflanzen einwirkt. Wir haben im Vorhergehenden darauf aufmerksam ge- macht, dafs sich die Verbreitung der Pflanzen über die Oberfläche der Erde, hauptsächlich nach der Vertheilung der Wärme und der Feuchtigkeit richtet, und gehen jetzt zu der Betrachtung der vielfältigen Lokalverhältnisse über, welche das Vorkommen und die Verbreitung der Pflanzen bald befördern ‚bald verhindern können, wenn auch Wärme und Feuchtigkeit im hinreichenden Maafse vorhanden sind. Diese Verhältnisse sind meistentheils solche, in welchen die Pflanze zt dem Boden ihres Standortes steht, und die Betrachtung dieser gehört mit zu den hauptsächlichsten Gegenständen der Pflanzengeographie. Wir haben im Vor- hergehenden zwar gesehen, dafs gewisse Pflanzen nur bei gewissen Graden von Wärme zu vegetiren vermögen, und haben demnach das Gesetz erkannt, wonach die Verbrei- tung der Pflanzen hauptsächlich statt findet, doch zur Er- klärung dieser Gesetze sind wir nicht gekommen. Es bleibt uns gänzlich ein Räthsel, wesfhalb der Wein- stock z. B., der eine mittlere jährliche Temperatur von 10 bis 17° Cels. haben mufs, um einen guten Wein zu liefern, wefshalb diese Pflanze nicht auch in arktischen Gegenden wachsen kann; oder wefshalb die Cultur des Mays, nicht auch in unsern nordischen Gegenden gelin- gen will. Wenn man dagegen einwenden will, dafs diese Pflanzen einmal angewiesen sind, in einer wärmeren Ge- gend zu wachsen und daher in kälteren nicht ausdauern können, so ist es wohl leicht einzusehen, dafs dieses keine Erklärung ist; man macht hiemit nur auf das Gesetz auf- sp) merksam, nach welchem die Natur jene Pflanzen vertheilt hat. Ebenso geht es uns in der Lehre von den Lokali- täts- Verhältnissen der Pflanze; wir werden z. B. sehen, dafs gewisse Pflanzen nur auf salzhaltigem Boden, andere dagegen nur auf fliegendem Sande, andere nur auf Kalk- felsen vorkommen; indessen weit entfernt sind wir noch davon, um einzusehen, wefshalb diese Pflanzen nur auf einem solchen und nicht auf einem anderen Boden fortkont- men können. Die Cocos-Palme, welche in den Tropen meistens nur in Küstengegenden wächst, will bei aller Sorg- falt, mit welcher sie in unserm Gewächshäusern behandelt wird, nicht grofs werden. Die jungen Pflänzchen der Art werden in den Gewächshäusern einige Fufs hoch und gehen dann gewöhnlich ein, noch ehe die Nufs verfault ist und die Wurzeln des jungen Pflänzchens durch die Fasermasse gedrungen sind, welche die äufsere Hülle der Nufs bildet. Man hat in unsern Gewächshäusern den Versuch gemacht und diese Bäumchen mit Salzwasser begossen,. um dadurch den etwanigen Einflufs der Meeresnähe im natürlichen Standorte dieser Pflanzen nachzuahmen, indessen die jun- gen Cocos-Bäume sind dennoch ausgegangen. Wenn die Pflanzen-Physiologie auch noch weit ent- fernt ist, die nächsten Erscheinungen des Wachsens der Pflanze mit gehöriger Gewifsheit zu kennen, wenn auch selbst die wichtigsten Gegenstände in derselben, welche scheinbar so leicht zu entscheiden wären, noch nicht mit entschiedener Gewiisheit gelehrt werden können, so kön-. nen wir doch Folgendes, als entschieden über die Verhält- nisse vortragen, in welchen die Pflanze zu ihrem natürli- chen Standorte steht. | Die gröfste Zahl der Pflanzen wächst bekanntlich in der Erde; nur die parasitischen Pflanzen, eine Menge von Cryptogamen und einige Wasserpflanzen machen hievon Ausnahme. Fast jeder Boden, selbst der unfruchtbarste bis auf den quarzigen Sand, hat mehr oder weniger auf- lösliche Stoffe, welche, wenn dieselben fein genug sind, mit der Feuchtigkeit des Bodens in die Pflanzen eindrin- 56 gen und aufsteigen. Pflanzen, welche man in unauflöslı- chen Substanzen wachsen liefs und sie mit destillirtem Wasser begofs, sind niemals zur vollkommenen Ausbil- dung gelangt, wohl aber ist ein Kohlensäure - haltiges Wasser hinreichend, um die Pflanze vollkommen zu er- nähren. Es ist bekannt, dafs eine Menge von Pflanzen, und ganz besonders gerade die fleischigsten und saftreich- sten, in trockenen, oft ganz wasserlosen Gegenden wach- sen, wie zZ. B. die Aloe-Arten auf der südlichen Spitze von Afrika und die grofse Menge von Cactus in den trok- kenen Gegenden der Westküste von Südamerika; ja die Agaven und die 70—80 Fufs hohen Foureroyen, welche auf den Felsen der hohen Cordillere Mexico’s wachsen. Alle diese Pflanzen haben eine, im Verhältnifs zur Masse der Pflanze, sehr kleine Wurzel und daher schlofs man schon frühe, dafs diese Pflanzen ihre Nahrung hauptsäch- lich aus der Atmosphäre ziehen. Es läfst sich jedoch Vieles und zwar mit allem Rechte dagegen einwenden; denn in jenen Gegenden, so trocken sie auch im Allgemeinen sind, giebt es immer eine sogenannte nasse Jahreszeit, und in dieser findet das Wachsthum jener Pflanzen hauptsäch- lich statt, wärend sie zur trockenen Jahreszeit mehr in einem, dem Sommerschlafe der Thiere ähnlichen Zustande sich befinden. Ganz ähnlich verhalten sich bei uns die Flechten, Moose und Jungermannien, welche so häufig auf den Baumrinden und Felsen wachsen; nur im Winter oder im Herbste und im Frühjahr ist ihre Wachsthumspe- riode, wärend der Hitze des Sommers sind sie verdörrt und scheinbar todt. So einfach nun die Nahrung der Pflanzen ist, so zu- sammengesetzt sind dennoch ihre Bestandtheile, und es fragt sich, woher dieselben kommen. Eine unendliche Zahl von Beobachtungen und Untersuchungen hat man an- gestellt, um diesen Gegenstand in’s Reine zu bringen, ob nämlich die Pflanze, oder ob das organische Leben über- haupt im Stande ist, aus den einfachen Stoffen, welche sie ge- wöhnlich aufnimmt, als Wasser, Kohlensäure und atmosphäri- 97 sche Luft, alle jene fremdartigen Substanzen, welche man in den ausgebildeten Pflanzen vorfindet, selbst zu erzeu- gen. Eine Auseinandersetzung dieses Punktes gehört der Pflanzen-Physiologie an; hier nur die Resultate, welche dahin lauten, dafs die Pflanze allerdings viele von den fremdartigen Beimischungen der Erde aufnimmt, dafs sie aber auch andere Stoffe von Neuem zu erzeugen vermag. Man hat dadurch, dafs die Pflanzenmembran keine ge- färbten Flüssigkeiten durchläfst, beweisen wollen, dafs die Pflanzen nur reines Wasser aufzunehmen im Stande sind, indessen dieses ist sehr unrichtig. Eine wirkliche Lösung eines Stoffes, z. B. eines Salzes in Wasser, geht wirklich in die Pflanzensubstanz hinein, und daher denn auch die unbestreitbaren Thatsachen, dafs manche Pflanzen eine gröfsere Menge von einem Salze, oder einer anderen Sub- stanz enthalten, wenn sie auf einem Boden wachsen, wel- cher verhältnifsmäfsig mehr davon enthält, als ein anderer. Indessen auch bei diesen Thatsachen urtheile man nicht zu schnell. Man kann es den Pflanzen einmal nicht ab- sprechen, dafs sie ein Vermögen haben um gewisse Stoffe aus dem Boden aufzunehmen, auf welchem sie wachsen. Man sieht in den Gräben und in den. kleinen Gewässern unserer Gegenden sehr häufig Pflanzen von einer und der- selben Art, z. B. verschiedene Charen, dicht neben einan- der stehen. Die eine dieser Pflanzen steht in ihrer voll- kommenen Frische, wärend die andere auf ihrer ganzen Oberfläche, so wie auch auf der inneren Fläche der Schläuche, mit Kalk incrustirt ist. Wäre die Kalkabset- zung auf der äufsern Fläche dieser Pflanzen eine rein mechanische, so müfsten offenbar alle danebenstehenden Pflanzen in gleichem Mafse damit incrustirt sein, was aber nicht der Fall ist; und hätten die Pflanzen nicht, wenig- stens in einem gewissen Grade das Vermögen, die einzel- nen Stoffe aus dem Boden, worauf sie wachsen, aufzuneh- men und wiederum andere abzustofsen, so wäre es auch nicht zu erklären, wefshalb nicht alle Pflanzen in einem und demselben Wasser gleiche Mengen von- einer und derselben 98 fremden Substanz aufgenommen haben. Wenn demnach eine solche Thatsache als fest begründet anzusehen ist, so möchte es, wenigstens einigermafsen, erklärlich werden, warum gewisse Pflanzen stets auf einem bestimmten Bo- den zu finden sind, und meistens auch nur auf solchem gedeihen, wenn auch die einzelnen Stationen derselben oft ganz ungeheuer weit auseinander liegen. Einige Bei- spiele werden es erklären. Gewisse Pflanzen, welche wir später unter dem Namen der Salzpflanzen kennen lernen werden, wachsen nur auf Kochsalzhaltigem Boden, und da dieses Verhältnifs des Bodens sehr häufig ist, sogar in den entferntesten Gegenden der Erde in ganz gleichem Grade, so sind auch die Pflanzen, welche darauf wachsen, sehr allgemein verbreitet. Salsola Kali z. B. wächst fast an allen Küsten Europa’s, so wie an den Küsten der afri- kanischen und asiatischen Länder des Mittel- und Caspi- schen Meeres; die Soda von Alexandrien, welche beson- ders früher, einzig und allein alle Fabriken Europa’s ver- sorgte, setzt eine unendliche Menge dieser Pflanzen in jenem Lande voraus. Samolus Valerandi erstreckt sich noch viel weiter, als Salsola Kali, denn aufser in Europa wächst sie noch in Nordamerika, an der Spitze Afrika’s und in Neuholland. So kommen viele, sogenannte Strandpflanzen, wieder im Innern des Landes vor, wo der Boden auf eine ähnli- che Weise beschaffen ist, wie an der Meeresküste; als Beispiele führe ich Glaux maritima an, welche auch in der Nähe von Berlin, bei den Kalkbergen nämlich vorkommt. Die schöne Orchidee, der einzige Repräsentant tropischer Orchideen in unserer Zone, das Cypripedium Calceolus nämlich, wächst nur auf Kalkgebirgen im Harz; es fehlt hierauf in der ganzen Ebene des nördlichen Deutschlands, und erst auf den Kalkbergen von Rügen erscheint es wie- der. Dergleichen lautsprechende Thatsachen führen zu dem Schlusse, dafs auf eben dieselbe Weise, wie das Clima auf das Vorkommen gewisser Pflanzenformen in be- stimmten Gegenden einwirkt, dafs auf eben dieselbe Weise 59 auch. die Lokalität das Auftreten von gewissen Pflanzen- formen ‚bedingt, welche sich dann immer, bei gleichen Lo- kalitäts-Verhältnissen wiederholen, wenn nicht andere, sehr wichtige Hindernisse dem Vorkommen derselben entge- gen stehen. So wie wir im ersten Abschnitte dieser Schrift die Thatsachen aufgezählt haben, aus welchen sich die Gesetze erkennen lassen, nach welchen das Clima auf die Verthei- lung der Pflanzen seinen Einflufs ausübt, so müssen wir es jetzt in Bezug auf die Lokalitäts- Verhältnisse thun, welche als Ursachen des Vorkommens gewisser Pflanzen einwirken. | Der Natur der Sache nach müssen die Localitätsver- hältnisse, welche auf das Vorkommen der Pflanzen ein- wirken, unendlich vielfach sein; die einen werden mehr, die anderen weniger deutlich auf dasselbe ihren Einflufs zeigen. Wir wollen versuchen diese Lokalitäts- Verhält- nisse einzeln anzuführen, und dabei zugleich die haupt- sächlichsten Pflanzen nennen, deren Vorkommen durch dieselben bedingt wird. ‚Je nachdem die Pflanzen im Wasser, in der Erde, in der Erde und im Wasser, oder in der Luft allein Wur- zeln treiben, werden ihre Ortsverhältnisse sehr verschie- den sein. Pflanzen, welche im Wasser wachsen, nennt man Wasserpflanzen (Plantae aquaticae, Hydrophyta ); sie bieten aber wiederum vielfache Verschiedenheiten dar, welche .in pflanzengeographischer Hinsicht sehr wichtig sind. Erstlich sind die Pflanzen des süfsen Wassers und diejenigen des gesalzenen Wassers gar sehr verschieden, und nur sehr wenige, gerade zu den unentwickeltsten Pflänzchen gehörende Arten, sind dem gesalzenen und dem süfsen Wasser gleichzeitig angehörend. Das voll- kommenste dieser Gewächse möchte vielleicht die: soge- nannte Conferva glomerata sein. Grofs aber ist die An- zahl der Diatomeen, welche im süfsen und auch im ge- salzenen Wasser vorkommt; es sind dieses jene kleinen 60 und unvollkommenen Gebilde, welche am besten einem Zwischen-Reiche, zwischen Pflanzen und Thieren zuzu- eigenen wären, aber keineswegs wahre Thiere sind. Meerespflanzen (plantae marinae); es sind solche, welche im Meerwasser vorkommen, also überall in den grofsen Weltmeeren. Die meisten dieser Pflanzen gehören der unermefslich grofsen Familie der Algen an, und von Phanerogamen kommen nur die Zosteren im Meereswasser vor. Die Fuei sind sämmtlich nur dem Meereswasser an- gehörig und bilden eine höchst eigenthümliche Gruppe unter den Algen, welche sich sowohl durch Form, als wie durch Struktur von den übrigen Algen unterscheidet. Im Caspischen Meere, obgleich heutigen Tages geschlos- sen von dem grofsen Meere, finden sich ebenfalls echte Fuci. Fast alle Meerespflanzen sitzen fest auf dem Bo- den des Meeres, hauptsächlich auf den felsigen und we- niger tiefen Ufern desselben; in sehr grofser Tiefe schei- nen die Fucus-Arten nicht vorzukommen, doch beläuft sich dieselbe gewifs auf einige hundert Fufs. Zwar hat man einige dergleichen Pflanzen gemessen und sie noch länger gefunden, ja selbst über 300 Fufs, z.B. den Fucus pyriferus am Cap Horn, dessen Blätter 7—S Fufs lang werden; indessen dergleichen Pflanzen, wie ich es bei den Laminarien auf der Westküste von Südamerika gesehen habe, wachsen nicht in gerader Richtung von dem Grunde aus nach der Oberfläche des Meeres, sondern sie legen sich mehr horizontal und können daher, bei der aufser- ordentlichsten Länge, in viel weniger tiefem Wasser wach- sen. Die Strafse des Magalhaen’s und die des la Maire ist mit diesem riesenhaften Fucus gefüllt, und dort, in dem kalten Wasser, scheint die wahre Zone für dieses Gewächs zu sein, indem es daselbst aufserordentlich gedeiht; doch scheint es, als würde bei demselben, durch die übermäfsige Entwickelung der Blattsubstanz, alle Bildung der Früchte unterdrückt. Es ist wenigstens sehr merkwürdig, dafs unter den vielen Reisenden, welche jene verrufene Gegend umschifft haben, noch Niemand die Pflanze daselbst mit 61 Fructificationen gefunden hat; dagegen hat man diese an kleinen Individuen gefunden, welche im Norden wachsen. Die Verbreitung dieser Pflanze geht in der neuen Welt durch alle Zonen, von dem hohen Norden bis zum äufser- sten Ende gegen Süden; Herr Alexander von Humboldt brachte sie zuerst aus den tropischen Gewässern, wo sie keine solche Länge erreicht wie am Cap Horn. Auch am Cap der guten Hoffnung kommt die Pflanze vor, doch auch hier nicht so grofs, wie dort am Cap Horn. Die Verbreitung der Algen-, und überhaupt der Mee- respflanzen, richtet sich weniger nach den Längen und Breiten der Erdoberfläche, als dieses bei Landpflanzen der Eall ist, was aber auch natürlich ist, denn das Wasser des Meeres ist fast überall ganz gleichmäfsig gesalzen *) und eben dieses Salzwasser ist es, was das Vorhandensein dieser Meerespflanzen bedingt, ebenso, wie es bei den Landpflanzen hauptsächlich die Wärme ist. An den Küsten des Weltmeeres, wo die grofsen Fuci wachsen, da bedecken diese den Meeresboden mit einer undurchdringlichen Pflanzendecke, welche Millionen von Thieren zum Aufenthalte dient. Fährt man bei ruhiger See über solche Gegenden hin, dann geniefst .man den herrlichen Anblick, welchen jene submarinen Wiesen und eigenthümlichen Wälder dem Auge darbieten, deren Man- nigfaltigkeit und Pracht durch hochstämmige Corallen, aus den Gattungen Isis, Gorgonia und Antipates, oder durch mannigfaches Farbenspiel der ausgedehnten Madreporen- Massen verschönert wird. Scharlachrothe See- Anemonen, goldrothe Actineen und mannigfach gefärbte Corallen blicken dazwischen hervor. Zur Zeit der Ebbe kommen diese Gewächse meistens dicht an die Oberfläche, oft werden sie auch ganz blofsgelegt und fangen an zu vertrocknen, bis dafs die Fluth das Wasser wieder zurückbringt und die welken Pflanzen wieder erfrischt. Wenn aber das Meer in Aufruhr geräth, wenn sich die hohen Wellen gegen die *) $. Meyen’s Reise ete. II, p. 412. 62 - Felsen der Küste mit furchtbarer Kraft brechen, dann werden jene Meerespflanzen von ihrem Boden gerissen und schwimmen auf der Oberfläche des Wassers umher, bis dafs sie an die Küste geworfen werden. In diesem Zu- stande, umhertreibend auf dem Meere, trifft sie gewöhnlich der Seefahrer; nur selten wird es ihm gestattet, diese Ge- schöpfe an ihrem Standorte aufzusuchen. Aber auch nur selten entfernen sich die abgerissenen Fuci auf grofse Strecken von dem Lande, und daher war, schon in frühe- ster Zeit, das Erscheinen dieser Pflanzen dem Seefahrer Jas sicherste Zeichen, welches ihm nahes Land verkündete. Wie sehr ward aber Columbus damals, auf seiner ersten Entdeckungsreise, durch diese Pflanzen getäuscht, als er nämlich diejenige Gegend des Atlantischen Oceans befuhr, welche jetzt unter dem Namen der Sargasso-See bekannt ist. Diese Sargasso-See ist aber auch eine sehr merkwür- dige Erscheinung, worüber schon so viel geforscht und geschrieben, ohne dafs ihre Entstehung ganz erklärt worden ist. Im Atlantischen Meere nämlich, gerade innerhalb der grofsen Rotations - Strömung, ist ein Raum von wenigstens 40,000 Quadratmeilen Flächeninhalt, wo man, auf der. Oberfläche des Meeres, stets eine grofse Masse von schwim- menden Tangen erblickt, welche sämmtlich einer Art an- gehören, nämlich dem Fucus natans L., der identisch ist mit Fucus Sargasso Gmelin, und jetzt unter Sargassum vulgare bekannt ist. Es schwimmt dieser Fucus in jenem Meere in mehr oder weniger grofsen Haufen, bald mehr, bald weniger häufig. Zuweilen ist das Schiff, welches jenes Wasser durchschneidet, ganz umringt damit, und zuweilen erblickt man, in mehreren Stunden, auch nicht ein einziges Pflänzchen. Ich habe überall in der Sargosso-See (Mar de Zargasso der Portugiesen, Sargasso Spanisch) die Ver- theilung dieses schwimmenden Tanges ungleichmäfsig ge- funden, und glaube auch, dafs dieses, auf einem so beweg- lichen Elemente, nicht anders sein kann; solche dicke Mas- sen dieser Pflanzen, welche, wie Columbus es that, mit schwimmenden Wiesen zu vergleichen sind, habe ich kaum 63 sefunden, jedoch einzelne zusammenhängende Häufchen von einer Länge bis zu 5 und zu 10 Fufs, welche dann, ge- wöhnlich aus einer einzigen Pflanze bestanden. Die Sar- gasso-See erstreckt sich von 22° N. Breite bis zum 36sten Grade, und von dem 25sten Grade westlicher Länge (von London nämlich) bis zum 4dsten Grade. Aufserhalb dieser Grenzen, welche durch die Rotations-Strömung gebildet werden, sieht man: gewifs nur selten irgend ein Pflänz- chen dieser Art, und diese sind dann in einem sehr schad- haften Zustande, wie ich es wohl an einigen Stücken der- gleichen Pflanzen gesehen habe, welche zwischen den Azo- ren und der südwestlichen Spitze von England umher- schwammen. Man hat über diese enormen Anhäufungen des schwimmenden Tanges sehr verschiedene Erklärungen gegeben; einmal liefs man sie, durch den Golf-Strom aus dem Mexicanischen Meerbusen her, zusammentreiben, oder man liefs sie in der Sargasso-See selbst auf Untiefen wachsen, wo sıe von Fischen, Mollusken und den grofsen Spritzern losgerissen werden sollten; doch alle diese Mei- nungen sind jetzt unnöthig, ja es ist sonderbar, dafs man, so lange schon, nach dem Standorte, dieser Tangen umher- suchte, obgleich man wufste, dafs der Fucus natans aus der Sargasso-See niemals, weder mit Wurzel noch mit Früchten vorkomme. ®*) Ich habe Tausende und Tausende dieser Pflanzen aufgefischt und sie untersucht, doch keine Spur ven Wurzel, mit welcher sie festgesessen haben könnten, war an ihnen zu finden, und an kleinen Individuen konnte man sehr gut sehen, dafs sie sich, von einem freien Central-Punkte aus, welcher niemals festgesessen, nach allen Seiten hin vergröfsert hatten. Demnach haben wir den Standort dieser schwimmenden Tangen nirgends an- ders zu suchen, als gerade an dem Orte, wo wir sie finden, nämlich auf der Oberfläche des Meeres, und diese Pflanzen gehören demnach zu den wenigen, welche frei, nämlich im Wasser umherschwimmend wachsen. Eine grofse Menge *) S. Agardh Species Algarum Vol. IL. p. 7. 64 von Organen, welche im Innern hohl sind und Luft füh- ren, dienen dieser Pflanze als Erleichterungsmittel zum Schwimmen. Diese Thatsache des freien Wachsens der Tangen oder der Algen überhaupt in offener See, ist nicht mehr so ıisolirt dastehend, denn ich habe in dem tropi- schen Theile des Atlantischen Oceans, besonders um den Aequator herum, eine kleine, und äufserst niedliche, stern- förmig wachsende Oseillatoria entdeckt; das Pflänzchen ist ungefärbt und so klein, dafs man es, von dem Verdecke des Schiffes aus, nicht sehen: kann, daher es auch bis jetzt übersehen worden war. Mit der sogenannten Wurzel der Algen verhält es sich überhaupt ganz eigenthümlich; eine wahre Wurzel, wie bei den Phanerogamen, kommt diesen Pflanzen nicht zu, sondern die Wurzel ist nur eine Fort- setzung ihrer blattartigen Substanz. Sitzt die Alge fest, so schwillt das festsitzende Ende der Pflanze an. Die Pflanzen, welche nur im süfsen Wasser vorkom- men, heifsen Süfswasser-Pflanzen; auch sie zerfallen wiederum in Unterabtheilungen, nämlich in solche, welche in der Erde wurzeln, und in solche, welche frei im Wasser umherschwimmen. Zu den ersteren gehören die meisten, im Allgemeinen sogenannten Wasserpflanzen; man sehe die Nymphäen, welche mit ihren grofsen Blättern und den schönen, sich kaum über die Oberfläche des Wassers er- hebenden Blumen die stehenden Gewässer unseres Nordens. so angenehm verzieren, dazwischen alle die Potamogetonen, deren Blätter in horizontaler Lage auf der Oberfläche der Gewässer schwimmen, die feinzerspaltenen Utrieularien mit schönen, goldgelben Blumen, die sonderbare Form der Stratiotes, mit den niedlichen weifsen Blümchen, gleichsam fremdartig für unsern Norden, denn diese Pflanze ahmt die Form der Pandanen nach; alle diese Pflanzen wurzeln in der Erde, oft in sehr bedeutender Tiefe, und der übrige Theil derselben schwimmt im Wasser. Anders verhält es sich dagegen mit den Lemna-Arten, welche unter dem Volksnamen der Entengrütze bekannt sind und zur Sommerzeit, auf den stehenden Gewässern 65 unserer Gegenden, wohl niemals fehlen; sie schwimmen frei auf der Oberfläche des Wassers umher, wie eine grofse Menge von Conferven und Oscillatorien, welche bekannt- lich stehende Gewässer von geringerem Umfange ganz überziehen können. Bei der Bildung dieser schwimmen- den Conferven- und Oscillatorien-Massen ist es wohl, we- nigstens nach den bisherigen Beobachtungen, der Fall, dafs die ersten Pflänzchen, welche auf dem Wasser umhertrei- ben, auf irgend eine Weise von dem Boden oder von andern festen, umherschwimmenden Körpern losgetrennt worden sind; sobald aber erst einige dieser Gebilde umher- schwimmen, bekommen die kleinen Sporen einen Anhalts- Punkt, und nun geht die Bildung der grofsen Massen die- ser Gewächse schnell von Statten. Es ist aufserordentlich wenig nöthig, um die kleinen Sporen der Conferven auf der Oberfläche des Wassers zu erhalten, so dafs sie da- selbst keimen können; später schwimmen sie mit Leichtig- keit auf der Oberfläche und entwickeln alsdann daselbst grofse Massen. Bei den Oscillatorien geht diese Bildung oft schon in 24 bis 48 Stunden vor sich, so dafs ganze Teiche, welche man an dem einen Tage von Conferven reinigt, schon am darauf folgenden Tage, auf ihrer ganzen Oberfläche, damit bedeckt sind. Es ist auffallend, dafs in tropischen Gegenden die Conferven sehr selten sind, doch fehlen sie den stehenden Gewässern jener Erdtheile keineswegs, und in bedeutenden Höhen daselbst, wo das Clima unserem nordischen mehr ähnelt, da kommen sie eben so häufig vor, wie bei uns, z. B. im See von Titicaca, auf dem Plateau des südlichen Peru. Auf den Südsee-Inseln werden die stehenden Ge- wässer, besonders die verlassenen Tarro-Felder, mit Con- ferven, mit Charen und mit Potamogetonen gefüllt, ganz ähnlich wie bei uns. Die frei umherschwimmenden Lem- nen fehlen den tropischen Gegenden mehr oder weniger, wenn sie auch an einigen Orten gefunden sind; so z. B. ist Lemna minor auch in Amerika und in Neu-Holland gefunden, und Lemna trisulca ist ebenfalls, sowohl in Ame- h) 66 rika, als in Neu-Holland beobachtet. Die Lemna des Nor- dens wird durch die Gattung Pistia in den Tropen ersetzt; es ist unglaublich, in welcher Menge die Pistia Stratiotes die Seen der Tropen bedeckt. Wenn auf der grofsen La- guna de Bay, dem grofsen See im Inneren der Insel Lugon, Stürme geherrscht haben, dann sind diese Pflanzen nach den Küsten getrieben, und weit und breit bedecken sie da- selbst das Wasser mit einer dicken Pflanzendecke, wärend Haufen, mehrere Fufs hoch, von diesen Pflanzen auf den Küsten aufgeworfen sind und bei der Fäulnifs einen ent- setzlichen Gestank verbreiten. Die Laguna de Bay, welche einen Abflufs in den Rio Pasig hat, füllt mit diesen büschel- förmigen Pflanzen auch den schnellfliefsenden und reizend gelegenen Rio Pasig, welcher dieselben zuletzt hinaus in das offene Meer führt. Die Pistia Stratiotes keimt in dem Moorboden der Ufergegend, und, nachdem sie sich aus dem Schlamme erhoben hat, lebt sie, auf der Oberfläche des Wassers schwimmend. | Man kann die Süfswasserpflanzen in drei grofse Ab- theilungen bringen, je nachdem sie blofs im Wasser und in der Luft wachsen, oder, je nachdem sie in der Erde, im Wasser und in der Luft, oder auch, je nachdem sie blofs in der Erde und im Wasser wachsen und nie über die Oberfläche des Wassers kommen. Es ist für die Pflan- zen-Geopraphie von Wichtigkeit, dafs diese verschiedenen Verhältnisse der Wasserpflanzen mit bestimmten Namen belegt werden; und ich verstehe demnach unter Wasser- pflanzen im Allgemeinen (plantae aquaticae) solche, welche in der Erde wurzeln, sich durch das Wasser hin- durch erheben und über die Oberfläche desselben kommen, theils um daselbst ihre Blätter auszubreiten oder um ihre Blüthen und Früchte. in der Luft zu entwickeln. Unter- Wasser-Pflanzen (plantae submersae ) nenne ich solche, welche in der Erde wurzeln und nur im Wasser wachsen, sich aber niemals über die Oberfläche desselben erheben. Die Gattungen Chara, Najas, Cerato- phyllum u. a.m. gehören hiezu; besonders aber fast alle Algen. 67 Ober- Wasser-Pflanzen (plantae liberae s. pl. natantes) sind dagegen solche, welche frei auf der Ober- fläche des Wassers umherschwimmen und ihre Wurzeln nur im Wasser treiben. Die Gattungen Lemna und Pi- stia gehören hieher, und häufig sind es auch eine Menge von OÖscillatorien. Die Oscillatoria Flos Aquae, wel- che gewöhnlich als solch eine Ober-Wasserpflanze ange- sehen wird, ist nach meiner Beobachtung keineswegs eine eigene Pflanze, sondern nur die Sporenfäden der Nos- toc-Arten, welche sich aus der Gallerte der Pflanze ge- trennt haben, nachdem dieselbe sich durch Fäulnifs aufge- löst hat. Weit gröfser ist die Verschiedenheit der Wasserpflan- zen nnter sich durch anderweitige Lokalitäts - Verhältnisse, deren ursächliche Momente sich eben so wenig enträth- seln lassen, wie der Einflufs des Clima’s auf die Verbrei- tung gewisser Pflanzen. So wachsen viele Wasserpflanzen nur in Seen oder überhaupt in stehenden Gewässern, und heifsen hiernach Seepflanzen (plantae lacustres). Die Nymphaeen ge- hören hiezu, der Scirpus lacustris und Seirpus palustris und Arundo Phragmites; diese letzteren Pflanzen sind es gerade, welche in unseren Gegenden die stehenden Ge- wässer mit einem dichten Walde umgeben, und sie wie- derholen sich in den kälteren Regionen der tropischen Zone. So sind die Ufer-Gegenden des See’s von Titicaca mit einem dichten Walde einer schönen Binse *) einge- fafst, ganz ebenso, wie die grofsen Seen von Preufsen. In grofsem Elende lebte das Volk jener Gegend, wäre ihm von der Natur nicht diese Pflanze zuertheilt, denn je- nes Land liegt über die Baumgrenze hinaus und nur nie- dere Sträucher wachsen in der Nähe. Ein paar gerade Stöcke, eine Ruderstange um die Balsas oder Böte, von jenen Binsen geflochten, auf dem grofsen See jenes Lan- des in Bewegung zu setzen; oder eine Stange, als Mast *) Malacochaete Tatora. Nees et Meyen. ot * 68 auf denselben zu gebrauchen, woran die Segel, ebenfalls aus Binsen geflochten, befestigt werden können, gehören zu den Reichthümern der Armen jenes Landes, denn es fehlt alles Holz. Eben so gehören zu denjenigen Pflanzen, welche die ste- henden Gewässer bewohnen, die Stratiotes aloides, die niedlichen Utrieularien, deren es auch in den Tropen so äufserst schöne Formen giebt, mehrere Potamogetonen, die Charen, Trapa- Arten, mehrere Ranunculen, die Sagittarien, der Butomus umbellatus u. s. w. Alle diese Gattungen ha- ben in den verschiedenen Zonen der Erdoberfläche ihre Repräsentanten. Unsere Sagittaria wird in der heifsen Zone durch die schöne Gattung Pontederia ersetzt und die Nymphaeen durch den Lotos. Einige jener Seepflanzen haben auch den Namen Grabenpflanzen (plantae fossarum und plantae sta- gnariae) erhalten, weil sie fast in allen tiefen Gräben und anderen stehenden Gewässern von kleinem Umfange zu finden sind. Hiezu sind Stratiotes aloides, Hydrocharis Morsus Ranae, Butomus umbellatus, Phellandrium aquati- cum, Veronica Anagallis und noch viele andere gehörig. Indessen in der Natur sind keine solche bestimmte Gren- zen vorhanden, als wir hier aufstellen müssen; die Pflan- zen der grofsen Landseen, so wie die der kleineren ste- henden Gewässer, kommen nicht nur zuweilen in tiefen Gräben vor, sondern sogar auch in fliefsendem Wasser, besonders an den Ufern desselben, wenn sich Hindernisse irgend einer Art gebildet haben, welche dem schnellen Flusse des Wassers daselbst im Wege sind. So findet man in den Flüssen, besonders an solchen Stellen, wo grofse Holzflöfse aufgestellt sind, oder wo durch Gesträu- che der Lauf des Wassers vermindert wird, fast alle die schönen Pflanzen, welche wir vorhin unter den Seepflan- zen und den Grabenpflanzen kennen gelernt haben. Es giebt indessen auch wirkliche Flufspflanzen ( plantae fluviatiles und plantae rivulares), d. h. solche, welche fast nur in Flüssen oder Bächen vorkommen; als Beispiele 69 der Art ist Ranunculus fluviatilis, Conferva rivularis und a. m. anzuführen. In Hinsicht einiger anderer Lokalitätsverhältnisse kann man, bei den Wasserpflanzen, noch folgende Gruppen be- zeichnen: z. B. Quellenpflanzen (plantae fontinales s. fontanae). Es sind solche, welche in dem frischen und klaren Wasser der Quellen oder dicht um dieselben wach- sen; in unseren nordischen Gegenden kann man als wahre Quellen-Pflanzen folgende ansehen: Montia fontana, Vero- nica Beccabunga.. Von diesen wahren Quellenpflanzen mufs man diejenigen abziehen, welche zwar ebenfalls in der Nähe der Quellen wachsen, aber nur der Feuchtig- keit wegen, wenn nämlich die Erde rund herum sehr trocken ist. Nirgend erkennt man diesen Einflufs der Quellen auf die Vegetation besser, als gerade in den wü- sten Gegenden der Tropen; die kleinste Quelle bildet dort oftmals eine Oase, in der nicht nur die saftreichsten Cyperaceen und Gräser, sondern selbst Gesträuche und hie und da auch eine Palme sich erhebt. Zieht man im südlichen Peru von dem Plateau der Cordillere nach der Küste, so findet man nichts, als die wüstesten, unfrucht- barsten und trockensten Gegenden; aber die kleinste Quelle, welche hie und da, oft auf weit auseinander gele- genen Gegenden sich zeigt, ist die Ursache einer kleinen Ansiedelung; oft ernährt sie nur ein Feld mit Alfalfa (Medicago satiya), unserer Luzerne, ein kleines Maysield und einige Oliven-Bäume, und dennoch mufs, dieser Arm- seeligkeiten. wegen, die grofse Landstrafse über solchen Ort gelegt werden, damit den Lastthieren die nöthige Er- frischung ertheilt werden kann. Nichts gleicht der Oede und der Todtenstille in solchen Gegenden des südlichen Peru; auf 20 und 30 Meilen Entfernung erblickt man zu- weilen keinen Vogel, kein Insekt und keine Pflanze; aber die kleinste Quelle ruft aus diesem todten, allmälich in Staub zerfallenen Boden eine grüne Welt hervor, und sie wird zuweilen, wenn reiche Erzadern in der Nähe liegen, zugleich die Quelle grofser Reichthümer, welche ohne die- 70 ses Wasser nicht bearbeitet werden könnten. In feuch- ten tropischen Gegenden ist eine Quelle wenigstens der Sammelplatz einiger hoher oder üppiger Bäume; die Quel- len auf den Südsee-Inseln sah. ich öfters mit herrlichen Pandanen und Eugenien *) umkränzt, und auf den Phi- lippinen waren es schöne Palmen und Barringtonien, wel- che daneben standen. Quellen, welche Kochsalz enthalten, zeigen in ihrer Nähe eine Menge von Pflanzen, die auch an den Ufern der Meere wachsen, wo. der Boden ebenfalls mit Salz- wasser imprägnirt ist; man nennt solche Pflanzen im All- gemeinen Salzpflanzen (plantae salinae, Halophyta). Eine Menge von Salsola- Arten, Anabasis, Salicornien und Glaux maritima gehören zu dieser Gruppe; einige Charen pflegen in diesen Salzquellen ebenfalls nicht zu fehlen, und dieses findet unter allen Zonen und in allen Regio- nen statt. Sehr auffallend ist es, dafs mit diesen Salz- pflanzen nicht nur die Salzpflanzen der Meeresküsten übereinkommen, sondern dafs auch die Steppen-Flora meistens einige ganz ähnliche Pflanzen aufzuweisen hat, woraus man vielleicht auf einen früheren Zustand dieser Steppen schliefsen könnte. An jene Wasserpflanzen schliefsen sich diejenigen an, welche theils im Wasser, theils auf trockenem Boden wachsen; man hat sie hiernach amphibische Pflanzen (plantae amphibiae) genannt, und sie zeigen, wenigstens sehr häufig, verschiedengeformte Blätter, je nachdem sie im Wasser oder auf der Erde gewachsen sind. Beispiele hiezu geben: Nasturtium palustre und N, amphibium, Car- damine pratensis, Rumex Hydrolapathum u. s. w. Auch mehrere Mentha- Arten gehören hieher. Andere Pflanzen finden sich wiederum vorzüglich an solchen Orten, welche im Winter oder im Frühjahr überschwemmt sind, und man hat sie überschwemmte Pflanzen (plantae inundatae) genannt; Limosella aquatica, Peplis Portula, Juncus bufo- *) Pandanus odoratissimus und Jambosa malaccensis Dec. 71 nius, Chalta palustris u. a. m. gehören hiezu. Die plan- tae inundatae und die plantae amphibiae sind also sehr verschieden von einander; jene wachsen in einem Boden, welcher in einer gewissen Zeit im Jahre überschwemmt ist, diese aber bald im Wasser, bald auf dem Lande, wo- bei sie jedoch wenigstens verschiedengeformte Blätter zu zeigen pflegen. Pflanzen, welche an den Ufern der grofsen Gewässer vorkommen, nennt man Ufer-Pflanzen. Strand-Pflan- zen (plantae littorales set maritimae), wenn sie an den Ufern der Meere wachsen; Ufer-Pflanzen (plantae ri- pariae) im Allgemeinen dagegen, wenn sie an den Rän- dern der süfsen Gewässer, sowohl an den Seen als an Flüssen und Bächen vorkommen. Da die Ufer der Meere mit Kochsalz imprägnirt sind, so ist es der Fall, dafs sehr viele Strandpflanzen mit den Salzpflanzen, welche im In- nern der Länder, in der Nähe der Salzquellen wachsen, genau übereinstimmen. Beispiele hiezu geben Glaux ma- ritima, Salsola Kali, Samolus Valerandi, Eryngium mariti- mum, Chenopodium maritimum u. s. w. In den Tropen sind es Lythrum maritimum, mehrere Heliotropium- Arten, Vitex-Arten u. s. w. Schon früher habe ich darauf auf- merksam gemacht, dafs mit diesen Strand- und Salzpflan- zen auch die Steppenpflanzen übereinstimmen. Die so- genannten Steppen- oder Salzpflanzen sind jedoch nicht in allen Gegenden der Erde so gleichartig, wie man die- ses gewöhnlich anzunehmen pflegt. In den Wüsten Egyp- ten’s sind es: Dactylis repens, Cynodon dactylon, Zygo- phyllum album, Cressa cretica u. s. w. In Nordamerika sind es: Uniola maritima, Spartina glabra, Gerardia mari- tima, Aster subulatus u. a. m.; in Südamerika fanden wir unter ähnlichen Verhältnissen die gesellig wachsende Poa thalassica Humb, et Kunth., Salsola corticosa mihi, Salsola glomerata mihi u. s. w., und in den Salzsteppen Asiens sind es Salsola prostrata, Statice tartarica, Glycirrhiza hirsuta, G. laevis u. s. w. Sehr eigenthümlich ist die Vegetation an dem Mee- 72 resufer tropischer Gegenden; überall da nämlich, wo das Meer nicht durch Felsen oder Sandmassen eingefafst wird, sondern Dammerde-haltige Ufer hat, welche theils fest, theils moorig sind, und, durch die Fluth des Meeres, stark mit Feuchtigkeit imprägnirt werden. Auf solchem Boden finden sich in tropischen Gegenden ganz eigenthümliche Pflanzenformen, welche dichte, undurchdringliche, meilen- lange Wälder bilden, die beständig die Ufer des Meeres einfassen. Die gewöhnlichste dieser Meeres - Ufer - Pflan- zen, welche vorzüglich am Ausflusse grofser Ströme vor- kommt, ist die Mangle (Rhizophora Mangle L.) oder der Wurzelbaum; er hat das besonders Merkwürdige an sich, dafs seine Saamen nicht abfallen und in der Erde wur- zeln, sondern dieselben keimen schon aus der Frucht heraus und senken sich mit ihrem Wurzelende, bis sie den morastigen Boden erreichen, von dem aus sie von Neuem treiben, so dafs alsbald, aus einem einzigen Stamme, ein ganzer Wald entsteht, auf dem man, zur Zeit der Ebbe, umher wandern kann. Aufser den Rhizophoren sind es hauptsächlich die Avicennien, welche dergleichen Meerufer- Waldungen (Mangrove-Waldungen in Brasilien) bilden. In Brasilien ist es die Avicennia nitida und die Av. tomen- 'tosa L., welche die Mangrove- Wälder bildet; an den tro- pischen Küsten Afrika’s sind es Rizophora und Avicennia tomentosa, und an den Meeresufern von Indien und Neu- Holland kommen die Gattungen Rhizophora, Avicennia, Aegiceras und Bruguiera vor, und, besonders an den Ufern der Flüsse, an ihrem Ausgange in das Meer, kom- men daselbst häufig die prachtvollen Barringtonien vor. Herr Alexander von Humboldt *) hat bei der Mün- dung des Rio Sina verschiedene Schwämme (als Boletus, Hydnum, Helvella und Thelephora - Arten) gesammelt, wel- che an den Rhizophoren-Bäumen hingen und daselbst ge- diehen, obgleich sie bei der Fluth vom Salzwasser bespült wurden. — *) Reise u. s. w. Theil 6. 2te Hälfte p. 57. 73 Die Pflanzen, welche in der Erde Wurzel treiben und in der Luft wachsen, nennt man Landpflanzen (plan- tae terrae adfıxae); sie zeigen, in Bezug auf die chemische Beschaffenheit des Bodens, grofse Verschiedenheiten, ob- gleich, wie schon früher davon die Rede war, die Pflan- zen sehr wenig von dem Inhalte des Bodens aufnehmen. Schon vorhin, bei Betrachtung der Wasserpflanzen haben wir derjenigen gedacht, welche in Salzquellen vorkommen, so wie der Strandpflanzen, welche mit jenen Salzpflanzen übereinstimmen. Auch diese Pflanzen sind Landpflan- zen und kommen auf einem Boden vor, der mit Koch- salz und andern Salzen geschwängert ist. | Sehr auffallend ist aber auch die geognostische Be- schaffenheit des Bodens, in Hinsicht ihres Einflusses auf das Vorkommen gewisser Pflanzen. Wenngleich es wahr ist, dafs die Grenzen hier nicht so regelmäfsig in der Natur ‘- gezogen sind, wie wir sie aufstellen müssen, so wird man doch schwerlich ihren Einflufs verkennen können, wenn man die Erscheinung in ihrer Allgemeinheit auffafst. Die wichtigsten Gruppen, welche sich, in Hinsicht des Einflus- ses der geognostischen Beschaffenheit des Bodens auf den Standort der Pflanzen, zeigen, sind: 1) Die Sandpflanzen, auch Kieselpflanzen (plantae arenariae, plantae silicaceae) genannt; sie sind in allen Gegenden der Erde von eigenthümlichem Cha- rakter; ihre gröfste Zahl möchte zu den Gräsern gehören. Auf unseren Sandebenen sind vorzüglich Carex arenaria, Arundo arenaria, Herniaria glabra, mehrere Tussilago- Arten, Poetentillen, Sedum acre und mehrere andere Pflan- zen zu finden; in fliegendem Sande, wo die Vegetation nur selten festhält, ist der Elymus arenarius an seinem passenden Orte und wird auch am zweckmäfsigsten dazu benutzt, den fliegenden Sand zu befestigen, ‘wenn auch keine andere Pflanze darin gedeihen will. Man unterschei- det noch plantae sabulosae, Pflanzen nämlich, welche im Flufssande wachsen; Elymus sabulosus, Tussilago- und Salix- Arten gehören zu diesen. 74 2) Die Kalkpflanzen (plantae calcareae) wachsen auf kalkigem Gestein; es giebt einige Pflanzen, wie z. B. die Familie der Orchideen, welche diesen Boden ganz be- sonders lieben, und einzelne Arten aus derselben kommen nur auf Kalkfelsen vor. Ein Beispiel hiezu giebt das Cy- pripedium Calceolus, welches ich schon früher aufgeführt habe. Teucrium montanum, Sesleria coerulea und andere Pflanzen mehr, zeugen von einem kalkhaltigen Boden. Kalkgebirge zeigen noch mehrere andere Eigenthümlichkei- ten in Hinsicht ihrer Vegetation; sie zeigen meistentheils nur wenig Wälder, überhaupt weniger eine baumartige, als eine stauden- und strauchartige Vegetation, daher ih- nen viele kleine Pflänzchen, welche im Schatten jener Ge- sträuche wachsen, zukommen. Der Gips unter den kalkigen Gebirgsarten scheint noch seine eigenthümlichen Formen aufzuweisen zu haben; es ist die Gattung Gypsophila, deren Arten auf gipshalti- gem Boden ganz gewöhnlich vorkommen. Man hat dem- nach auch sogenannte Gipspflanzen. Ein Torf-haltiger Boden zeigt ebenfalls seine eigen- thümliche Vegetation, und diese ist in nordischen Gegen- den, wo Torfmoore so häufig sind, für den Charakter der Landschaft äufserst wichtig. Die Pflanzen, welche auf die- sem Boden wachsen, zeichnen sich besonders durch ge- selliges Auftreten aus und zeigen übermäfsige Wurzelbil- dung. Beispiele hiezu geben die Sphagnum- Arten, welche nur selten noch andere Pflanzen zwischen sich aufkom- men lassen. Vaceinium oxycoccus, Andremeda polifolia, die Drosera- Arten, mehrere Juncus - Arten und Salices sind die gewöhnlichsten Torfpflanzen (plantae tur- fosae, plantae caespitosae). Bildet sich der Torf in ausgestochenen Gräben, wo sich Wasser angesammelt hat, so sind Charen und Conferven die ersten Gewächse, welche in unsern Gegenden zur Torfbildung den Stoff hergeben. Später zeigt sich Spongilla lacustris an den Wänden der Torfgräben; es erscheinen die Utrieularien, der Seirpus palustris, Myriophyllen, Equiseten, Nymphaeen 75 u. s. w., deren Substanz wieder verschwindet und die Tiefe des Grabens allmälich ausfüllt, indem sich die Seitenwände dabei zugleich immer mehr und mehr näheren. Ist der Graben erst zugewachsen und hat sich etwas fester Bo- den auf der Oberfläche gebildet, so‘ erscheinen Comarum palustre, Alisma Plantago, Vaceinium oxycoccus, Droserae, Eriophora u. s. w. und somit ist der Torfboden wieder von Neuem erzeugt. Ich habe hier die geognostische Beschaffenheit des Bodens in Hinsicht des Einflusses auf das Vorkommen der Pflanzen betrachtet, unterlasse aber auch nicht noch- mals die Bemerkung zu machen, dafs dergleichen Pflanzen, welche einem besonderen Boden besonders eigenthümlich sind, auch sehr häufig auf anderem Boden vorkommen; ja es giebt Botaniker, wie z. B. Herr Decandolle *), wel- cher versichert, dafs er in Frankreich beobachtet habe, wie eine jede Pflanze jenes Landes auf jedem Boden wach- sen könne, ein Resultat, welches wohl nicht anzuerkennen ‘sein möchte. Ich glaube nicht, dafs Carex arenaria auf Torfboden und dafs Cineraria palustris auf fliegendem Sande wachsen können. Gewifs aber ist es, dafs die geo- gnostische Beschaffenheit des Bodens weniger, als dessen chemische Beschaffenheit auf das Vorkommen der Pflanzen einwirkt. Die chemische und geognostische Beschaffenheit des Bodens ist aber, auch noch in anderer Beziehung, auf die Verbreitung der Pflanzen wichtig. Es scheint nämlich, dafs Pflanzen, welche irgend einen besonders beschaffenen Boden vorzüglich lieben, dafs diese Pflanzen einen weit gröfseren Verbreitungsbezirk aufzuweisen haben, als an- dere Pflanzen, welche in gewöhnlicher Dammerde vegeti- ren; denn nur zu oft wiederholen sich jene örtlichen Ver- hältnisse, welche dann das Erscheinen der dazu gehörigen Pflanzen bedingen. ’ N Die Dammerde liefert denjenigen Boden, welcher für *) Dictionnaire des scienc. nat. Tom. XVIIL p. 377. 76 das Wachsthum der Pflanzen am allgemeinsten der geeig- neteste ist, und auf ihm zeigen sich auch häufig alle jene Pflanzen, welche wir bisher, für andere Bodenarten eigen- thümlich, angeführt haben. Nach dem Grade der Feuchtigkeit liefert auch die Dammerde einen Boden, welcher bald mehr, bald weniger für gewisse Pflanzen besonders vortheilhaft ist, so dafs diese auf ihm häufiger und üppiger stehen, als auf einem Boden von anderer Beschaffenheit. Es möchten sich hier- nach folgende Pflanzengruppen unterscheiden lassen: Bruch-Pflanzen (plantae uliginosae ); sie wach- sen auf sehr feuchtem Boden, welcher dabei so_ wenig fest ist, dafs er dem Tritte des Menschen nachgiebt und sich hierauf wieder erhebt. In nordischen Gegenden kom- men dergleichen Brüche sehr häufig vor, besonders auf den Wiesen, und man belegt dergleichen Gegenden mit dem Namen der Niederungen. In den höheren Regionen der Gebirge kommen dergleichen Brüche ebenfalls häufig vor, z. B. auf den Alpen, auf dem Harze, dem schlesischen Gebirge und selbst auf dem Plateau der Cordillere vom südlichen Peru, wo sie eben so ausgedehnt sind, als auf unseren nordischen Gebirgen. Die vorzüglichsten Bruch- Pflanzen möchten sein: Pinguicula alpina, Primula fari- nosa, Chalta palustris, u. s. w. Es ist natürlich, dafs die Bruch-Pflanzen und die Torf-Pflanzen sehr oft übereinstimmend sind, denn fast in allen Bruch- Gegenden kann man Torf bereiten. Die Brüche unterscheiden sich von den Sümpfen nur durch gröfsere Festigkeit und geringeren Wasser - Gehalt. Der Sumpfboden ist so weich, dafs man, bei dem Hinauf- treten einsinkt und derselbe erhebt sich dann nicht mehr, wie sich etwa der Bruchboden erhebt. Da die Sümpfe in ihrer Ausdehnung sehr hänfig mehr oder weniger gro- fse Wasser - Bassins enthalten, so kommen die Wasser- pflanzen häufig zwischen denjenigen Pflanzen vor, welche -den Sümpfen eigenthümlich sind, und Sumpf-Pflanzen (plantae paludosae s. plantae palustres ) genannt werden. 77 Es gehören hiezu Menyanthes trifolıata, Hottonia palustris, Cineraria palustris, Scheuchzeria palustris, Comarum pa- lustre, Bidens cernua u. s. w. Da die Sümpfe sehr häu- fig in heifsen Sommern austrockenen, so verschwinden viele von den Sumpfpflanzen schon früh im Sommer, und er- scheinen erst im folgenden Jahre wieder, wenn der Sumpf sich abermals mit Wasser füllt. Dergleichen Gegenden haben alsdann mit denjenigen die gröfste Aehnlichkeit, welche zu gewissen Jahreszeiten überschwemmt sind und denen die Ueberschwemmungs- Pflanzen eigenthümlich sind. Man hat Schlammpflanzen (plantae limosae ) von Sumpf- pflanzen unterscheiden wollen, doch möchten sie, mit den Ueberschwemmungspflanzen und den Bruchpflanzen zu den Sumpfpflanzen so ineinander übergehen, dafs dergleichen Eintheilung nicht in der Natur begründet zu sein scheint, sie auch zu nichts führen kann, sobald man die Abthei- lungen zu sehr häuft. Die Eigenschaften des Bodens sind, noch in verschie- dener anderer Hinsicht, auf das Vorkommen gewisser Pflanzen vom entschiedensten Einflusse, und wir wollen suchen dieselben in einer gewissen Reihefolge näher zu erörtern. Wir betrachten den Einflufs des Bodens auf das Vorkommen der Pflanzen: I. in Hinsicht des Aggregat- Zustandes. Man unterscheidet Felsen-Pflanzen (plantae ru- pestres seu rupicolae) *) von Geschiebe- Pflanzen (plan- tae saxatiles); erstere wachsen auf nackten Felsen, z. B. Sedum rupestre, eine grofse Anzahl von Cacten und an- dere Saftpflanzen in tropischen Gegenden, besonders aber ' auch die vielen Flechten, Farrn und Moose. Geschiebe- Pflanzen wachsen auf Steinen, welche von den Gebirgs- massen getrennt sind; als Beispiel dafür wird Thlaspi saxatile aufgeführt; es ist mir nicht möglich gewesen, zwischen Felsenpflanzen und zwischen Geschiebepflanzen Unterschiede aufzufinden. *) S. Schouw’s Pflanzengeographie. Berlin 1823. p. 4158. 78 Sandpflanzen, welche an diesem Orte gleichfalls aufgeführt werden müssen, haben wir schon früher in Be- trachtung gezogen. Aufserdem sind noch die Schutt- Pflanzen (plantae glareosae) zu nennen, welche nach Herrn Schouw auf den aufgelösten Gebirgsmassen’ am vor- züglichsten gedeihen. Es dienen hiezu als Beispiele Saxi- fraga rivularis, Ranunculus alpestris und R. glacialis. Auf der Hochebene im südlichen Peru, in einer Höhe zwischen 14-, 15- und 16000 Fufs, kommen grofse Strecken von mehr als einer Tagereise Länge vor, wo der ganze Bo- den aus einem weifsen verwitterten Trachyte besteht, wel- cher einem feinen Sande sehr ähnlich erscheint. In die- sem verwitterten Gesteine wachsen einige Sida-Arten, als Sida pedicularifolia mihi *), von ausgezeichnetester Schönheit und in der Lava- Asche der südamerikanischen Cordilleren- Vulkane, fand ich andere, eben so niedliche Sida- Arten, als Sida borussica mihi, mehrere Gräser, sonderbar gestal- tete Bacchariden, als Baccharis phylicaeformis nob., B. ge- nistelloides Hook, B. sagittalis Lessing, B. quadrangularis nob. und das Tulostoma Meyenii Klotzsch, einen . ganz ausgezeichneten Pilz. In anderen Gegenden fanden wir unter ähnlichen Verhältnissen, wie auf dem Kegel des Vul- kan’s von Maypu, ebenfalls sehr niedliche Pflanzen, z. B. Caly- cera ventosa nob. u. a.m.**) Aber höchst eigenthümlich sind die Formen dieser alpinischen Schutt-Pflanzen in Amerika, denn sie erscheinen immer in kleinen Häufchen, welche zuweilen äufserst niedlich auf der dunkeln Lava- Asche abstechen, wie z.B. das kleine, ganz dicht mit Haaren be- deckte Häufchen der Blätter von Sida borussica, woraus sich die Blüthen hervorschieben, welche, noch vor der Entfaltung, der Länge nach weifs und ganz dunkel violett gefärbt sind. I. In Hinsicht der Natur des Bodens. Wir unterscheiden hier abermals drei verschiedene Gruppen, je nachdem die Pflanzen auf anderen lebenden *) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 460. **) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 356. 79 Pflanzen, auf todten organischen Stoffen, und auf Kunst- produkten vorkommen. Wir haben bisher die todte Na- tur als den Boden der Pflanzen betrachtet , doch es giebt eine grofse Zahl von Gewächsen, welche auch auf orga- . nischen Gebilden festsitzen. Wir betrachten hier vor Al- len die. sogenannten parasitischen Pflanzen, welche, wie es schon der Name sagt, parasitisch auf anderen Pflanzen wurzeln. Unsere Mispel (Viscum album L.), die auf den hohen Bäumen unserer Gegenden wächst, ist all- gemein bekannt; sie ist ein Parasıt, ihre Saamen treiben Wurzeln, welche durch die Rindensubstanz der Bäume hindurchdringen und dann die Nahrung aus dem Holze der Bäume ziehen, uf welchen der Parasit wurzelt. In wär- meren Gegenden, ganz besonders in den Tropen und in der subtropischen Zone, wird die Mispel durch die Gat- tung Loranthus ersetzt, deren Arten-Zahl eben so grofs ist, als es die Pracht ihrer scharlachrothen Blüthen ist. Die parasitischen Gewächse zeigen jedoch in den Ver- hältnissen, worin sie zu ihrem Boden stehen, welcher gleichsam ihre Mutterpflanze ist, so grofse Verschieden- heiten, dafs es nöthig ist, dieselben in besondere Unter- abtheilungen zusammenzustellen, welche auch in pflanzen- geographischer Hinsicht wichtig sind. Wir unterscheiden: 1) Wahre Parasiten (plantae parasiticae ve- rae). Es sind Pflanzen, welche auf den Wurzeln anderer Pflanzen aufsitzen und so innig mit der Substanz der Mutterpflanze verbunden sind, dafs diese selbst ein eigen- thümliches Organ aus ihrer Substanz bilden, welches den Parasiten als Unterlage dient. Die hieher gehörigen Pflan- zen wachsen immer nur auf bestimmten Arten anderer Pflanzen und zeichnen sich, durch verschiedene Merkmale, von den übrigen, nicht parasitischen Pflanzen sehr be- stimmt aus, z. B. durch Fehlen der Hautdrüsen u. s.w. Dem Saamen aller wahren Parasiten fehlt der Embryo, und durch genaue Untersuchung der Verbindungs-Art zwischen dem Parasiten und der Mutterpflanze geleitet, behaupte 80 ich auch, dafs diese Pflanzen keineswegs aus Saamen ent- standen sind, welche in die Substanz der Wurzel einer anderen Pflanze hineingewurzelt sind, sondern dafs sie als ein krankhaftes Produkt zu betrachten sind, welches aus dem Innern der Wurzel der Mutterpflanze hervor- wächst. Die Untersuchung dieses Gegenstandes habe ich bei der prachtvollen Gattung Brugmansia und bei einer Balanophor unternommen, welche Herr Blume von Java mitgebracht hat *). Alles, was von einigen Seiten her bis jetzt dagegen gesagt ist, mufs ich als ganz unpassend betrachten, und dabei bei meinem früheren Ausspruche bleiben. **) Die wahren Parasiten entbehren der grünen Farbe; sie sind meistens mehr oder weniger braun gefärbt, doch zuweilen auch von ausgezeichnet hellen Farben. Auch die Hautdrüsen fehlen diesen parasitischen Pflanzen. Ganz entschieden gehören hieher die Pflanzen der beiden, nur in den Tropen und den subtropischen Zonen vorkommen- den Familien, nämlich der Rhizantheen von Blume und *) S. Meyen Ueber das Herauswachsen parasitischer Gewächse. aus den WVurzeln anderer Pflanzen. Flora 1829. Nro. 4. **) Herr Link wollte das Unrichtige der obigen Behauptung da- mit widerlegen, dafs man den Uebergang der gefärbten Säfte durch die Spiralröhren, aus einem abgeschnittenen Aste ın das darauf sit- zende Viscum beobachten könnte; indessen Viscum gehört ganz und gar nicht zu eben derselben Gruppe von parasitischen Pflanzen, von welchen ich gesprochen habe, und bei Viscum läfst sich auch die Insertion sehr wohl erkennen und verfolgen. Herr De Candolle fertigt meine Ansicht, welche unwiderleglich auf den Bau der Brug- mansıa begründet ist, damit ab, dafs er dieselbe eine bizarre’ Idee nennt; hätte indessen dieser gelehrte Botaniker, bei seiner grofsen Einsicht, die Behauptung zu widerlegen gesucht, so würde der Wis- senschaft dadurch mehr Nutzen erwachsen seın. Mit den Oroban- chen mufs man diesen Gegenstand nicht zu widerlegen versuchen, indem ich selbst über diese einige Zweifel erhoben habe, am we- nigsten aber mit Vauchers Beobachtungen über diesen Gegenstand, indem diese alle die Genauigkeit entbehren, welche dabei nöthig ist. Die Rafflesia, die Brugmansia und die Balanophoren nehme man zur WViderlegung oder zur Bestätigung meiner Ansicht. 81 der Balanophoren von Richard. Es sind die merkwürdig- sten und seltensten Pflanzen, welche in diese Familien gehören; die Rafflesia aus Ostindien ist unter dem Na- men der Riesenblume bekannt und berühmt geworden. Sie gleicht einem riesenhaften Pilze von 3 bis 4 Fufs Durchmesser und ähnelt durch ihre Form der Blume ei- nes Phanerogamen, welche, eben aus der Erde kommend, unmittelbar auf der Wurzel einer fremden Pflanze befe- stigt ist. Wir besitzen in unsern nordischen Gegenden eben- falls 3 Gattungen von parasitischen Pflanzen, nämlich La- thraea, Orobanche und Monotropa, welche auf den Wur- zeln anderer Pflanzen festsitzen, z. B. Lathraea squamaria auf der Wurzel der Buche. Es scheint jedoch, nämlich einige Versuche wollen es darthuen, dafs einige dieser Pflanzen, z. B. die Orobanchen, auch aus Saamen gezogen werden können. Ich kann diesen Beobachtungen des Herrn Vaucher keinesweges meinen Beifall geben, und glaube bis zum heutigen Tage noch nicht daran. In In- dien sind die Gattungen Aeginetia und Phelypaea die Stell- vertreter unserer Orobanchen und Lathraeen. Nach Beobachtungen der letzteren Zeit sollen, auch bei verschiedenen anderen Pflanzen, auf der Rinde des ‚Stengels oder des Stammes wahre Parasiten vorkommen, wie z. B. die Gattungen Apodanthes Poit. und Pilostyles Guill., indessen diese Gattungen erscheinen noch sehr zweifelhaft, und scheinen nur verkrüppelte, oft auch re- gularisirte Blüthen eben derselben Pflanze zu. sein, auf welcher sie gefunden werden. 2) Parasiten (plantae parasiticae) oder Schma- rotzer-Gewächse. Sie wachsen auf der Rinde ande- rer Gewächse, meistens in der Krone der Bäume, indem ihre Saamen die Würzelchen in die Rindensubstanz hin- eintreiben und zwar so tief, dafs sie sich mit der Holz- substanz der Mutterpflanze innig verbinden und die Nah- rungsfiüssigkeiten aus derselben aufsaugen. Die vorhin schon erwähnten Gattungen, Viscum und Loranthus, ge- 6 82 hören hieher, von letzteren sind jedoch sehr viele Arten nicht parasitisch, sondern wachsen in der Erde und bilden hohe Sträucher. Das Viscum in unseren Gegenden hat nur wenigen Einflufs auf die Physiognomie der Vegetation, höchstens bemerkt man es zur Winterzeit auf blattlosen ‚Bäumen, besonders in fruchtbaren Gegenden, wo ‘diese Mispel mehr oder weniger grofse und dichte Haufen von grünen Blättern bildet, welche zur Winterzeit, bei der be- schneeten Ebene, innerhalb- der blattlosen Aeste ganz ei- genthümlich erscheinen. In den wärmeren Gegenden aber, wo der Loranthus wächst, da zeigt die Vegetation durch ihn, häufig den herrlichsten Farbenglanz, welchen die scharlachrothen Blumen dieser Parasiten zwischen dem dunkeln Grün der Blätter ihrer Mutterpflanzen erzeugen. In Chile überzieht ein blattloser Loranthus die Oberfläche eines grofsen candelaberförmigen Cactus wie mit einem scharlachrothen Teppiche, aus dem die _grofsen, 8 bis 9 Zoll langen schneeweifsen Blüthen des Cactus hinausra- gen und einen herrlichen Anblick gewähren. 3) Uneigentliche Parasiten (Epidendra seu Epiphyta). Hieher gehören solche Pflanzen, welche zwar auf der Oberfläche anderer Gewächse wachsen, aber ihre Wurzeln nicht in die Substanz der Bodenpflanze hineintreiben, also auch nicht die Nahrung aus derselben ziehen können. Sie sitzen meistens in den Ritzen und Vertiefungen der Rinde der Bäume, setzen sich aber spä- ter daselbst so fest, dafs sie nur mit bedeutender Kraft- anstrengung losgerissen werden können. Pflanzen der Art kommen in allen Gegenden der Erde. vor, sie sind nicht bestimmt auf gewisse Arten und Gättungen ange- wiesen, sondern wuchern überall da, wo sie irgend einen Anhaltspunkt finden. In unsern nordischen Gegenden ist es bekannt, welch eine grofse Menge von Flechten, von Moo- sen und Jungermannien auf der Oberfläche der Baäum- stämme festsitzen; sie haben diese fremden Pflanzen zum Boden, aber sind darin nicht unbedingt gefesselt, sondern können, unter ähnlichen Verhältnissen, auch an andern Or- 83 ten wachsen. Je glätter die Oberfläche der Rinde ist und je trockener der Boden ist, auf welchem die Bäume wachsen, um so geringer ist die Anzahl dieser Epiphyta, aber um so groiser ist sie, je feuchter der Boden und also auch die Luft ist, in welcher die Bäume wachsen. Wenn man durch die Kieferwaldungen unserer trockenen Sandgegenden wandert, so wird man zwar hie und da ei- nige Flechten und Moose an den Stämmen jener Bäume bemerken, aber keinen Begriff kann man sich hienach von der Masse von Pflanzen machen, welche schon auf den Bäumen der feuchten Wälder unserer nordischen Ge- birgsgegenden vorkommen. Die Usneen, welche auf den Bäumen unserer trockenen Gegenden kleine und wenig ausgebildete Exemplare darbieten, sind in den feuchten Wäldern des Harzes und des Riesengebirges mehr als fufslang und ähneln, durch ihre grüngraue Farbe, in man- cher Hinsicht den Tillandsien der Tropen. Auf der Insel St. Helena, wo das Clima ‘auf der westlichen Seite äufserst feucht ist, da kommt eine röthliche Varietät der Usnea bar- bata vor; sie überzieht die Bäume der Conyza arborea, | welche in der Nähe von Napoleon’ s Wohnung eine Allee bilden, in einen solchen Grade, dafs diese herabhängende Pflanzendecke vor Allem das Auge des Reisenden reitzt. Ganz anders verhält es sich, in Hinsicht des Vor- kommens der uneigentlichen Parasiten auf der Oberfläche anderer Gewächse, ın tropischen Gegenden; bei uns kom- men nur Cryptogamen, ja nicht einmal Farrn parasitisch - auf den Bäumen vor; dort aber, wo die Luft, bei einem hohen Grade von Wärme, eine ganz aufserordentliche Menge von Feuchtigkeit enthält, da. sind oftmals eine so grofse Menge von verschiedenartigen Gewächsen auf einem einzigen Baume zu finden, dafs sie, wollte man mit den- selben die Erde bepflanzen, einen grofsen Flächen -Raum einnehmen würden. ’ Hier wachsen Pothos- Gewächse auf den Aesten der höchsten Bäume, durch deren prachtvolle Blätter sich die grofse weifse Blume erhebt. Sonderbar gestaltete Orchi- 6* 84 deen, Bromelien und Pitcarnien sitzen in den Winkeln der Aeste und erfüllen jeden Rifs in der Rinde des Bau- mes. Die niedlichsten Farrnkräuter, fast unseren Lyco- podien, fast unserem Epheu ähnlich, ranken sich auf der Oberfläche des Stammes hinauf, von dessen Aesten silber- graue Tillandsien herabhängen. Nicht zu gedenken der Unzahl von Schlingpflanzen, welche, einst in der Erde wurzelnd, auf die Bäume gestiegen sind und daselbst fort- wachsen, wenn keine Spur von ihrer Wurzel mehr vor- handen ist. Die inneren langen Stengel dieser Pflanzen ziehen sich bald von einem Baume zum anderen hin, bald hängen sie als straffe Taue, in mehr oder weniger schrä- ger Richtung, bis zur Erde herab, oft auf einer Länge von 30 und 40 Fufs kein einziges Blatt zeigend. Und diese aufgespannten Taue dienen den Affen und den gro- fsen wilden Katzen zum Hinaufklettern. In der neuen Welt sind es meistens Bauhinien, Paullinien, Bignonien, Banisterien und Passifloren, welche eine solche übermä- fsige Längenentwickelung ihres Stammes zeigen; in der alten Welt, besonders in Indien und den angrenzenden Inseln, sind es die Ratang’s- oder Calamus- Arten, welche die verschiedenen Arten von Rohr liefern, die durch den Handel zu uns kommen. Die Calami bilden eine eigen- thümliche Abtheilung unter den Palmen und verhalten sich, sonderbar genug, ganz so, wie die Schlingpflanzen der neuen Welt, sie ranken am Stamme hinauf, steigen bis zu dessen Spitze, laufen nach den nahestehenden Bäu- men und steigen an den Stämmen wieder zur Erde hinab, um von dort aus wieder in die Höhe zu laufen. Viele von diesen Pflanzen sind mit Borsten und selbst ‚mit star- ken Stacheln bedeckt; ihre Länge hat man zu messen ge- sucht und sie bereits zu 5- und 600 Fufs lang gefunden, indessen schwerlich wird man gerade die längsten gemes- sen haben; übrigens glaube ich wohl, dafs auch unter den anderen Schlingpflanzen, den Paullinien, Banisterien und anderen mehr, eben so lange Pflanzen vorkommen, als unter den Calamus - Arten. 85 Wenn der Reisende in jenen Wäldern der Tropen umherwandert, so sieht er, wie die Kronen der Bäume in bedeutender Höhe sich zusammen wölben, und, wie mit einer dichten Decke den Himmel verfinstern, dafs kein Sonnenstrahl den Boden des Waldes erreichen kann. Aber in dieser dichten Blätterdecke verlaufen die Schlingpflan- zen mit Blättern und Blüthen bedeckt, und Hunderte von diesen Pflanzen- Tauen laufen von Stamm zu Stamm nach allen Richtungen hin und drehen sich umeinander. Eine Menge von verschiedenen Blumen erblickt man wohl in den Kronen der Bäume, zu welchem Stamme sie aber gehören, das ist nur schwer zu entscheiden; man mufs erst die ganzen Bäume fällen, um jene Blumen zu errei- chen. Eine Menge von Früchten und von Blumen findet man oftmals auf der Erde liegen, doch zu bestimmen, welchen Pflanzen sie angehören, das ist nicht leicht. Kehren’ wir zu den Orchideen und Aroiden zurück, wel- che die gewöhnlichsten Schmarotzergewächse auf den Rin- den der Baumstämme sind, so finden wir, dafs diese Pflanzen, von einem sehr derben und saftigen Gewebe gebildet, ei- genthümliche Vorrichtungen besitzen, um die Feuchtigkeit der Luft mit gröfserer Leichtigkeit einziehen zu können. Ihrer Wurzeln sind nämlich mit einer weifsen Hülle von Zellengewebe umschlossen, dessen Zellen theils ganz aus Spiralfasern, diesen besonders hygroskopischen Elementar- Organen bestehen, theils auf ihrer innern Oberfläche mit diesen Spiralfasern besonders versehen sind. Ja die fei- nen Härchen vieler parasitischer Orchideen, womit sich dieselben den anderen Pflanzen anschliefsen, bestehen ganz aus einer spiralförmig gewundenen Lamelle, welche ent- weder eine breite Spiralfaser bedeutet, oder selbst wieder aus zusammengewachsenen, neben einander liegenden Spiralfasern besteht. | Indessen hiemit ist die parasitische Vegetation in den 'Tropenwäldern noch lange nicht erschöpft; die Blätter der parasitischen Orchideen, der Aroideen und Farrn sind wiederum mit parasitischen Pflanzen bedeckt. Die tropi- 86 schen Jungermannien, oft die niedlichsten Formen, ähnlich unsern Dendriten, überziehen die Blätter jener Pflanzen und zwar in solcher Häufigkeit, dafs selten eine Pflanze der genannten Familien, besonders in feuchten Wäldern vorkommt, welche nicht mehrere jener kleinen mikrosko- pischen Jungermannien aufzuweisen hat. Auch an Flech- ten sind die Rinden jener tropischen Waldbäume reich, doch nur selten gehören diese den Laubflechten an, wel- che eben so wenig zahlreich, als Moose und Pilze in den . Tropen zu sein scheinen. 4) Eine vierte Gruppe von Schmarotzer- Gewächsen bilden die sogenannten Blatt-Pilze, welche als Pro- dukte eines krankhaften Zustandes, besonders in neuerer Zeit die Exantheme der Pflanzen genannt werden. Die Blattpilze kommen in nordischen Gegenden in gröfs- ter Anzahl vor, so wie sie sich auch in den südlichen - Polarländern vorherrschend zeigen; sie gehören meistens bestimmten Arten von Gewächsen an, doch giebt es auch einige, welche auf sehr verschiedenen Pflanzen vor- kommen. | Iu Hinsicht der Physiognomie der Vegetation üben diese Blattpilze nur wenigen und höchst zufälligen Ein- flufs aus, dann z. B., wenn ganze Bäume mit farbigen Blattpilzen bedeckt sind, wie ich es in Chile am Rio Tin- guiririca gesehen habe, So wie die parasitischen Gewächse auf anderen le- benden Gewächsen vorkommen, so giebt es auch mehrere niedere Pflänzchen, welche auf abgestorbenen organischen Körpern, z. B. auf todten Pflanzen, todten Thieren, Thier- exerementen u. s. w. vorkommen. Wir. sehen es, schon in unseren kälteren Gegenden, dafs, sobald irgend ein Baumstamm abgestorben ist, sich dessen Oberfläche mit sehr verschiedenartigen Pilzen überzieht, und diese sind für gewisse Gegenden fast immer dieselben. Ueber das Auftreten gewisser Pilzformen auf bestimm- ten todten Thieren und einzelnen todten Thiertheilen ha- ben wir einige sehr bestimmte Beobachtungen, und sie A 87 sind für die Lehre von der Generatio originaria von höch- ster Wichtigkeit. Es wird allgemein bekannt sein, dafs bei uns zur Herbstzeit, wenn die Fliegen zu sterben an- fangen, diese sehr häufig an den Fensterscheiben festsitzen und der hintere Theil ihres Leibes, mehr oder weniger ganz, mit kleinen, weifsen Pilzchen bedeckt ist. Es ist dieser Pilz eine Isaria, welche meistens diesen weissen fettartigen Ueberzug bildet, und der kleine Kreis von Staub, welcher auf der Fensterscheibe, rund um die Fliege sich zeigt, wird durch die ausgestäubten Sporen jener kleinen Pilze gebildet. Eine andere Isaria ist auf den todten Pferde-Hufen beobachtet worden, und verschiedene Muce- dines, welche sich auf alten thierischen Excrementen zei- gen, sind bekannt. Kommen Pflanzen auf lebenden Thieren vor, wie die- ses von mehreren Algen auf alten Fischen, z. B. auf al- ten Karpfen, auf Wallfischen und hauptsächlich auf Mu- scheln beobachtet worden ist, so ist dieser Boden für die Pflanze ganz zufällig. Wir haben so eben diejenigen Pflanzen betrachtet, welche zu ihrem Boden andere lebende Pflanzen haben, ebenso wie diejenigen, welche auf todten organischen Kör-. pern vorkommen, und gehen jetzt zu einer dritten Abthei- lung über, welche dergleichen Pflanzen enthält, die auf Kunst-Producten vorkommen. Ich folge hierin Herrn Schouw *), weleherMauer-Pflanzen, Ruinen-, Dach-, Bret- ter- und Schutt-Pflanzen unterscheidet. Mauer-Pflanzen (plantae murales seu plan- tae murorum) sind solche, welche an den Mauern der Gebäude vorkommen und an diesen, sobald sie alt wer- den, gewifs nur selten fehlen, hauptsächlich aber auf sehr alten, verfallenen Bauten der Art vorkommen, so dafs Rui- nen-Pflanzen (plantae ruinorum) von jenen eigentlich nicht verschieden sind. Ais hieher gehörig nenne ich: Le- canora muralis, Dieranum murale, Asplenium Ruta mura- *) L. c. pag: 160. 88 ria, Sedum acre, Sedum Telephium; auch Hedera Helix ge- hört zu den Ruinen-Pflanzen und noch viele andere, Recht sehr ist jedoch hiebei zu bemerken, dafs alle diese Pflanzen, welche wir so eben als Mauer- und Ruinen- Pflanzen kennen gelernt haben, dafs diese auch eben so gut auf ganz anderem Boden, sowohl auf der Erde, als auf Baumrinden und auf Felsenmassen vorkommen, und nur defshalb darf ihnen eine besondere Neigung zu die- sen künstlichen Standorten zugeschrieben werden, weil sie, in gewissen Gegenden, fast niemals daselbst fehlen. Mit den Dach-Pflanzen (plantae tectorum) ver- hält es sich ebenso; das Sempervivum tectorum liebt die- sen Standort ganz vorzüglich, doch kommt es eben so gut auf anderen, natürlichen Standorten vor. Auch die vielen Moose, welche in nordischen Gegenden auf den Dächern der Wohnungen wachsen, kommen eben so gut auf-der Erde, als auf Felsen und auf Baumrinden vor. Bretter- oder Piankwerks-Pflanzen (plantae parietinae) sind dergleichen, welche an den hölzernen Zäunen vorkommen, womit gewöhnlich unsere Gärten ein- gefasst‘ sind. Die Parmelia parietina und die Lecanora muralis sind die gewöhnlichsten Flechten, welche unter diesen Verhältnissen vorkommen, aber auch eben sowohl auf Steinmauern und auf Felsen wachsen. In nordischen Gegenden sind die Usneen häufiger auf dergleichen Holz- werken sitzend, als bei uns, und in Ostpreufsen pflegen selten an einer Scheunenthüre eine grofse Anzahl von Ra- malina fraxinea zu fehlen, welche Exemplare zeigen von 3, 4 und 6 Zoll Länge. In den westlicher von uns gelege- nen Gegenden, finden sich sehr häufig jene Conferven auf den Zäunen, welche die Form der alten Trentepohlea- zeigen und schon so häufig aus einer Gattung in die an- dere gebracht worden sind. Es gehört diese Pflanze ganz entschieden zu eben derselben Species, welche das be- kannte wohlriechende Veilchen-Moos liefert, das auf den Felsen im Riesengebirge und auch an anderen Stellen vorkommt. 89 Schutt- oder Gemill-Pflanzen (plantae rudera- les seu ruderatae) sind solche, welche auf den Schutt- oder den Gemill-Haufen, in der Nähe der Wohnungen zu finden sind. Auch sie sind für verschiedene Gegenden verschieden. Bekannt sind als solche Pflanzen Chenopo- dium vulgare, Senecio viscosus, Borrago officinalis, Xan- thium strumarium, Hyoscyamus niger u. s. w. Es fallen diese Pflanzen mit denjenigen zusammen, welche vorzüg- lich gerne in der Nähe der Städte und Dörfer. wachsen, und unter den plantis urbanis begriffen werden; ge- wöhnlich ist auch hier ihr Standort auf dergleichen Plätzen, welche einst mit Schutt beworfen waren. Zu den besondern Eigenthümlichkeiten über das Vor- kommen gewisser Pflanzen auf bestimmten Standorten, gehört z. B. das Vorkommen von Racodium cellulare, ‘einem äusserst niedlichen Pilzchen, welches auf den Wein- fässern erscheint; von der sogenannten Conferva fenestra- lis (Byssocladium fenestrale) auf Fensterscheiben und von “Conferva dendritica auf Papier. Das Racodium wächst allerdings auch auf ähnlichen Standorten, so wie die Con- .ferva fenestralis, welche man auf jeder Glasscheibe zie- hen kann, die anhaltend der feuchten Luft ausgesetzt wird. Sehr wichtige Unterschiede liefern die Pflanzen für geographische Zwecke, wenn man ihr Verhältnifs zu dem Boden und zu den geselligen Pflanzen betrachtet, in de- ren Nähe sie vorkommen. Der Boden kann nämlich im natürlichen Zustande sein, oder er ist cultivirt, oder auch der ceultivirte Boden liegt wieder unbenutzt. Für diese Fälle lassen sich eine Menge von Pflanzen aufführen, welche zu beweisen scheinen, dafs dieselben an solchen und nicht an anderen Standorten mit Wohlgefallen vege- tiren. Wir betrachten erstlich: I. Die Pflanzen auf angebautem Lande (pl. locorum ceultorum). Alle Pflanzen, welche künstlich auf geackertem Bo- - den gesäet oder gepflanzt werden, heissen Cultur- 90 Pflanzen (plantae cultae oder auch plantae sativae), obgleich sie, ebenfalls unter sich, noch grosse Verschie- denheiten aufzuweisen haben. Linne verstand unter ager ein angebauetes Feld und unter arva brachliegende Felder; ich folge hierin der Linneischen Bestimmung, wenn gleich diese Wörter bei einigen neueren Schriftstellern auch in anderer Bedeutung genommen sind. | Feld-Pflanzen (plantae agrestes seu sativae), sie sind solche, welche auf cultivirten und besäeten Feldern wachsen. Sie existiren in grofser Anzahl und sind für jede Zone der Erde verschieden. -Mehrere kommen nur mit gewissen Cultur-Pflanzen vor, z. B. Centaurca Cya- nus und Lolium temulentum fast nur auf Roggenfeldern, doch erstere auch im Hafer. Fast allgemein bezeichnet man die Feldpflanzen mit plantae arvenses und daher ge- hören alle diejenigen dazu, welche diesen Beinamen füh- ren, zZ. B. Spergula arvensis, Sinapis arvensis, Serratula arvensis, Convolvulus arvensis u. s. w. Die Suffrenia fili- formis ist den Reisfeldern der heifsen Gegenden eigen- thümlich, wie unsere Kornblume den Roggenfeldern, mit welchem GCulturzweige sie zugleich nach Ostindien hin- übergezogen ist. ] Brach-Pflanzen (plantae arvenses); es sind solche, welche auf brachliegenden Feldern wachsen. Sie sind ei- gentlich von denen der besäeten Felder wenig verschie- den, und kommen nur dann in gröfserer Menge zum Vor- schein, wenn das Fehlen der Saat ihr Wachsthum nicht unterdrückt. Sind die Getreide-Arten dicht gesäet, so können die Feldpflanzen. weniger aufkommen, und es ent- - wickeln sich nur einige, welche ebenfalls schlank durch die Halme des Getreides durchgehen, als das Lolium te- mulentum, die Centaurea Cyanus etc.; sobald aber der- selbe Acker unbestellt liegen bleibt, kommen alle die Un- krautpflanzen zu ihrer Entwickelung, welche im vergan- genen Jahre mit Gewalt unterdrückt waren, ja schon zwi- schen den Stoppeln wachsen sie empor. Als solche Pflan- zen nenne ich Rumex Acetosella, Carduus nutans, wel- 91 cher zugleich einen sehr guten Boden anzeigt, ferner Convolvulus arvensis,. Ändrosace semptentrionalis, Echium vulgare, Artemisia campestris u. Ss. w. Garten-Unkräuter (plantae horticulae); es sind solche Pflanzen, welche in den Pflanzungen der Gärten vorkommen und dem Wachsthum der Gultur- Pflanzen schädlich sind. Ich nenne als solche die Nessel (Urtica urens), die Alsine media, Lamium amplexicaule, Cheno- podium viride und Chenopodium vulgare u. s. w. Die. Cultur-Pflanzen .der Gärten nehnt man Garten-Pflan- zen (plantae’hortenses). Die Einfassungen der Felder und der Gärten pflegen ebenfalls ihre eigenthümlichen Pflanzen zu zeigen und eine üppigere Vegetation zu besitzen, als entfernter gelegene, unbebauete Weiden, was wohl dadurch zu erklären ist, dass sie durch den Dünger des Ackers ebenfalls gedüngt sind. Man nennt dergleichen Pflanzen, welche auf dem Raine der Felder vorkommen, Rain-Pflanzen (plantae limium), wärend diejenigen, welche an den Zäunen der Gärten wachsen, Zaun-Pflanzen (plantae sepicolae, ge- wöhnlich plantae sepeariae) heifsen. Als Rain-Pflanzen würde ich folgende nennen: Cichorium Intybus, Tanacetum vul- care, Artemisia-vulgaris, Galium verum u. m.A. Unter die Zaun-Pflanzen gehören: Urtica dioica, Lamium album, Borrago officinalis, Bryonia dioica, Xanthium strumarium, Datura Stramonium, sowohl bei uns, als auch in Indien, ihrem Vaterlande, u. s. w. I. Die Pflanzen auf uncultivirtem Boden. Im Allgemeinen werden die Pflanzen, welche auf un- kultivirtem Boden wachsen, von den Systematikern mit den Beinamen sylvestris, agrestis, campestris, u.s. w. bezeichnet, doch es ist in pflanzen-geographischer Hin- sicht sehr nöthig, hierin genauere Bestimmungen einzu- führen. Wir unterscheiden in dieser Hinsicht: Feld-Pflanzen (plantae campestres); dieses sind solche Pflanzen, welche ganz allgemein auf ebenem und offenem Felde wachsen, wie z. B. Drava verna, Veronica 92 triphyllos und Veronica hederaefolia, Echium vulgare u. Ss. w. Wie wir schon früher gesehen haben, so richtet sich in diesem Falle das Vorkommen gewisser Pflanzen ganz nach der chemischen und physischen Beschaffenheit des Bodens; daher wird ein trocknes Feld ganz andere Pflanzen besetzen, als ein nasses, aus Thonboden beste- hendes. Und ebenso haben wir schon früher gesehen, wie verschieden die Pflanzen sind, welche auf Sandboden oder auf Kalk-haltigem Boden vorkommen. Dergleichen Felder (campi), deren Boden so trocken und so unfrucht- bar ist, dafs nur wenige Pflanzen oder’ sogar gar keine auf dem Felde wachsen, werden Wüsten (deserta) ge- nannt, und die wenigen Pflanzen, welche auf ihnen zuwei- len vorkommen, heifsen plantae Jesertarum oder Wü- sten-Pflanzen, welche in jeder Wüste verschieden sind. Eine andere Gruppe von Feld-Pflanzen bilden die Wie- sen-Pflanzen (plantae pratenses). Die Wiesen sind eine Zierde der nordischen Gegenden, welche, in eben demselben Verhältnisse, in den Tropen nicht wieder er- scheinen. Wenn auch in ‘den tropischen Gegenden, die Savanen Südamerika’s z. B., wenigstens zur nassen Jah- reszeit, eine unabsehbare Fläche von grünen Gräsern bil- den, so fehlen diesen alle die schönen Blumen, welche unsere Wiesen zu gewissen Zeiten, über und über mit den schönsten Farben bedecken. Bald ist es die blaue Blume der Campanula glomerata, der C. patula, der Myo- sotis scorpioides und verschiedener Gentianen, bald ist es die weifse und bald die rothe Farbe der verschiedenen Kleearten (Trifolium pratense, T. fragiferum, T. repens), und bald sind es die gelben Blüthen der Ranuneculaceen, der Chalta palustris und der Lysimachien, welche die grüne Pflanzendecke unserer Wiesen verzieren. So etwas kommt innerhalb der heifsen Gegenden wohl nirgends, wenig- stens nie in so ausgedehntem Maafse vor; ja selbst die Grasfluren mit unserem schönen hellen Grün bedeckt, sind dort etwas selten, ja wohl nur kurze Zeit dauernd, wenn sie nicht an den Ufern der Flüsse und der Seen 93 unter Wasser stehen. Die Grasfluren in Südamerika, so- wohl die Savanen am Orinoko, als die Pampas in den südlicheren Gegenden und auf den Hochebenen der Cor- dillere haben eine ganz andere Beschaffenheit. Auf un- seren Wiesen sind die Gräser gleichmäfsig vertheilt, auf jenen, im tropischen Amerika aber, stehen sie immer in mehr oder weniger grofsen Haufen beisammen, ganz ab- gesehen davon, dafs dieselben zu ganz anderen Arten und Gattungen gehören, als die auf unseren Wiesen. Wir werden später Gelegenheit haben, noch mehr in die Ein- zelheiten dieser Erscheinungen einzugehn. Die Pflanzen, welche auf unseren Weiden wachsen, nennt man Weide-Pflanzen (plantae pascuae); sie sind im Allgemeinen nur wenig von den Wiesen-Pflanzen ver- schieden, da nur solche Wiesen, welche wegen einer ge- ringeren Bewässerung weniger Ertrag an Heu geben, zu Weide-Plätzen benutzt zu werden pflegen. Als Weide- Pflanzen sind zu nennen: Gentiana campestris, G. uligi- nosa, Bellis perennis, Pimpinella Saxifraga, Ranunculus re- pens, R. bulbosus, Galium-Arten und noch viele andere. Besonders auffallend ist die Vegetation der Heiden (Ericeta), woran das nördliche Europa und Asien so be- sonders reich ist; die Pflanzen, welche auf diesen Heiden vorkommen, nennt man Heide-Pflanzen (plantae eri- cetinae) und sie sind von eigenthümlicher Form. Das Heidekraut unserer Gegenden ist die bekannte Erica vul- garis, der Repräsentant der grofsen Familie der Ericeen, welche in südlichen Gegenden so aufserordentlich häufig ist, dafs sie im südlichen Afrika selbst den Charakter der Vegetation bestimmt. Unabsehbare Flächen überzieht das Heidekraut im Norden von Europa, oft keine andere Pflanze zwischen sich aufkommen lassend, oft aber auch weniger dicht, und dann erscheinen Gesträuche von Juni- perus communis, von Ledum palustre, von Andromeda polifolia, so wie einige kleine Pflanzen, z. B. Parnassia palustris, Sphagnum- und hauptsächlich Polytrichum-Arten. Berg-Pflanzen (plantae montanae), So wie es 94 der Name sagt, wachsen diese Pflanzen auf den Bergen; ihre Zahl ist sehr grofs und wir werden in der Folge, wenn von der Verbreitung der Pflanzen die Rede sein wird, die Berg-Pflanzen noch näher kennen lernen; hier nur einiges noch im Allgemeinen. Die Berg-Pflanzen zeichnen sich durch grofse Blumen und durch ein gesel- liges Wachsthum aus, was natürlich bei einigen mehr, bei anderen weniger deutlich wiederzuerkennen ist. Die Berg- Pflanzen gehen über in Alpen - Pflanzen, denn in niederen Breiten kommen ebendieselben Pflanzen auf den hohen Alpen vor, welche in hohen Breiten schon auf niedern Bergen, und später sogar. ganz in der Ebene wachsen. Daher stimmt die arktische Flor und die der Alpen aufser- ordentlich überein, wenn gleich auch für jede Zone die gröfsten Abweichungen im Einzelnen stattfinden, welche wir später näher kennen lernen werden. Gesträuch-Pflanzen (plantae fruticetorum «et du- metorum); auch diese sind wohl zu unterscheiden durch ihr gewöhnliches Vorkommen an solchen Orten, welche mit hohen Gesträuchen bewachsen sind. Es sind dies ge- rade ' solche Stellen, welche reich an Schatten und an Feuchtigkeit sind, wodurch um so leichter diese Vorliebe gewisser Pflanzen für dergleichen Standorte zu erklären ist. Als Beispiele von Gesträuch-Pflanzen sind anzufüh- ren: Origanum vulgare, Asarum europaeum, Corydalis bulbosa, Asclepias vincetoxicum u. s. w. Uebrigens kommt dergleichen niedriges Gesträuch, mit seinen eigenthümli- chen Pflanzen unter allen Zonen der Erde vor, und in verschiedenen Sprachen hat man auch eigenthümliche Na- men, um dasselbe von den Waldungen zu unterscheiden, welche ein höheres Holz haben. h Wald-Pflanzen (plantae sylvaticae et nemorosae) sınd solche, welche in Wäldern wachsen ‚oder wenigstens ‚daselbst meistentheils angetroffen werden. Man hat die Wälder in dieser Hinsicht unterschieden, je nachdem sie aus verschiedenartigen Bäumen bestehen und einen ver- schiedenartigen Boden haben. Linne verstand unter syl- . 95 vae solche Wälder, welche einen trockenen, sandigen Bo- den haben, wie ihn unsere Kieferwälder zeigen, wärend unter nemora nur Laubwälder verstanden wurden. Herr Decandolle hat beide Ausdrücke als Synonyme gebraucht, was aber nicht anzuerkennen ist. Den Nadelholz- Wäldern gehören Linnaea borealis, Pyrolae-Arten, Vaceinium Myrtillus, Ophrys ovata u. A. m. an, den Laubwäldern aber vorzüglich Atropa Bella- donna,; Geum rivale, Hepatica triloba, Trientalis europaea, Oxalis acetosella, etc. etc. Auch hat man für verschiedene Wälder, je nach dem hauptsächlichsten Bestandtheile derselben, verschiedenar- tige Bezeichnungen erfunden, als z. B. Pineta, Fageta, Querceta, Palmeta, .Oliveta, u. s. w., je nachdem dieselben aus Pinus-, Fagus-, Quer&us-Arten, aus Palmen oder aus Oliven bestehen. Ueber das gesellige Wachsthum der Pflanzen. Eine Erscheinung bei dem Auftreten’ der Pflanzen, welche die Verbreitung derselben auf eine eigenthümliche Art bedingt und auf die Physiognomie der Natur von sehr entschiedenem Einflusse ist, ist das gesellige Wachs- thum der Pflanzen. Betrachten wir, bei irgend einem Spatziergange im freien Felde, das Vorkommen der Pflan- zen, so werden wir sehr bald bemerken, dafs gewisse Pflanzen, von einer und derselben Art, bald in mehr oder weniger grofser Anzahl von Individuen auftreten, bald nur in einzelnen Exemplaren hie und da zerstreut stehen. Für die ersteren Pflanzen haben wir den Namen gesel- lige Pflanzen, wärend man die anderen mit unge- sellig oder zerstreuet stehend bezeichnet. Das Spha- gnum palustre und das Dieranum glaucum sind äufserst gesellige Pflanzen, sie überziehen oftmals die Moor-Ge- genden des Nordens mit einer so diehten und so. gleich- mäfsigen Decke, dafs selten nur ein anderes Pflänzchen durch dieselbe hindurchblickt, und die Ebene dadurch ein 96 höchst melancholisches Ansehen erhält. Ganz eben so überzieht die Cenomyce rangiferina (Lichen rangiferinus L.) die trockenen Gegenden unseres Nordens. Unter den Wasser-Pflanzen sind: Charen, Acorus Calamus, Scirpus lacustris, Arundo Phragmites u. A. m. zu nennen, welche in einem solchen Grade gesellig wachsen, dafs sie allein im Stande sind, unseren Gegenden einen eigenthümlichen Charakter zu geben. Man denke sich unsere Landseen, deren Ufer mit einem breiten Walde von Rohr (Arundo Phragmites L.) oder einem blattlosen von Binsen einge- fafst sind, in welchem Tausende von Vögeln sitzen, welche darin ihren Morgen- und Abend-Gesang halten und ihre Jungen erziehen; man denke sich die gesellige Weide da- neben, zwischen -welcher die prachtvollen Blumen unserer Epilobien *) hervorragen und die Nachtigall darin, welche die Bewohner der Ufer jenes See’s so angenehm erfreuet, und man wird dieses gesellige Wachsen der Pflanzen für den Charakter der Naturschönheit von gröfster Wichtig- keit halten. Wie ganz anders würde die Einfassung eines solchen See’s erscheinen, wären jene geselligen Pflanzen nicht vorhanden. Indessen so angenehm im vorhergehenden Falle das gesellige Wachsen der Pflanzen auf die Physiognomie der Natur einwirkte, eben so unangenehm, so niederschlagend wirkte es in anderen Fällen durch zu grofse Einförmig- keit, welche es der Natur durch eine zu grofse Masse von gleich geformten Individuen aufdringt. Wer kennt nicht unser Heidekraut, welches in dieser Hinsicht so schrecklich verschrieen ist? Grofse Landes-Flächen sind oftmals ganz und gar damit bedeckt; wir führen als Bei- spiel die Lüneburger Heide an, welche sich, nur im ver- kleinerten Maafsstabe, noch oftmals in der Ebene des nörd- lichen Theiles der temperirten Zone der alten Welt wie- derholt.. Das Heidekrant ist aber auch die geselligste Pflanze, und würden alle übrigen Pflanzen in gleichem Grade *) Epilobium palustre und E, angustifolium vorzüglich. 97 einen so grofsen Theil der Erde bedecken, so könnten auf derselben schwerlich mehr denn 5000 Arten Platz haben. Wir haben in nenester Zeit eine sehr interessante Arbeit über den geselligen Pflanzenwuchs von Herrn E. Meyer *) erhalten, worin derselbe die Verbreitung des Heidekrautes mit hesonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Dem Heidekraut zunächst möchten unsere Kiefer-Arten die geselligsten Pflanzen sein, und es ist wohl noch nicht so ganz ent- schieden, ob unsere Fichte (Pinus sylvestris) in früheren Zeiten, als die Cultur des Bodens der Verbreitung dieser Pflanze noch nicht entgegenstand, nicht wenigstens einen eben so grofsen Flächen -Inhalt eingenommen hat, als ge- senwärtig das Heidekraut; fast möchte ich glauben, dafs derselbe noch gröfser gewesen ist. Ich nenne noch ei- . nige der geselligsten Pflanzen unserer Zone, als: Polygo- num aviculare, welches so häufig grofse ausgedehnte Ra- sen bildet; die Poa annua, Vaceinium Myrtillus, Juncus bufonius, Myriophyllum spicatum, die Charen u. s. w., ganz abgesehen von den grofsen Wäldern unserer Gegen- den, worin die Buche, die Eiche, die Else (Alnus gluti- nosa), die Birke (Betula alba) u. v. A. oft meilenweit ge- sellig neben einander stehen. Herr v. Humboldt hat vor- züglich darauf aufmerksam gemacht, dafs das Phänomen des geselligen Pflanzen- Wuchses hauptsächlich der ge- mäfsigten Zone angehört **), und dafs die Tropenländer we- niger reich an geselligen Pflanzen sind. Ja schon in dem nördlichen und dem südlichen Theile der temperirten Zone sind hierin grofse Verschiedenheiten zu bemerken, und sehr treffend sagt Herr Meyer (]. c.), dafs Italien, obgleich ebenso reich an Grasarten, dennoch keine Wiesen wie Deutschland besitze, und dafs. Italien, obgleich es eine weit sröfsere Anzahl von Waldbäumen besitze wie. Deutsch- land, dennoch nicht so ausgedehnte Wälder habe, wie sie *) Naturwissenschaftliche Vorträge, gehalten ın der physikali- schen ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg. 1834. pag. 160— 194. **) S. dessen Ideen zu einer Geographie der Pflanzen. pag. 8. er ‘ 95 hier zu finden sind. Doch man möge hiebei bedenken, dafs dieses Italien vor einigen Jahrtausenden etwas reicher an Waldungen gewesen sein mag, als jetzt. Indessen, wie schon vorhin bemerkt wurde, so hat ‚auch die heifse Zone ihre gesellig wachsenden Pflanzen aufzuweisen, wenn auch nicht ganz in demselben Grade wie die temperirte Zone, Wir haben schon früher der Meeresufer - Waldungen gedacht, welche in der tropischen Zone die ausgedehnte- sten Strecken mit einer und derselben Art bedecken. Die Mangle oder der Wurzelbaum (Rhizophora Mangle L.) und die Avicennien sind die bekanntesten jener geselligen Pflanzen, welche in Brasilien die Mangrove- Waldungen bilden und durch ihren, zwar unterbrochenen Verbreitungs- Bezirk, einen Gürtel um die ganz heifse Zone des Erd- körpers bilden. Auf den Südsee-Inseln kommen dıe Farrn, mit mittelmäfsig hohem Stamme, fast immer gesellig vor, und auch die wenigen wahren Baum-Farrn mit hohem, schlanken Stamme, welche ich selbst zu beobachten Ge- legenheit hatte, kommen immer auf einem bestimmten, meistens nur sehr beschränkten Verbreitungs-Bezirke vor, und wachsen auf diesem gesellig, wenn sich nicht noch andere Pflanzen dazwischen eindrängen. Unter den Seci- tamineen giebt es mehrere, welche ausgedehnte Strecken fast ganz ausschliefslich bedecken. Auf Neu-Holland fand Herr R. Brown verschiedene Banksien, als Banksıa spe- ciosa gesellig wachsend, auch Protea argentea L. und P. mellifera wachsen auf dieselbe Weise. In demselben Grade gesellig wachsend, wie die Bäume unserer nordischen Wälder, sind die Bambusa-Arten der Tropen. Die Bambusa arundinacea bildet im östlichen Asien und auf den angrenzenden Inseln die undurchdring- lichsten Wälder, welche an Gröfse und Schönheit den unsrigen wenig nachstehen. Ebenso hat Herr v. Hum- holdt am Magdalenen-Strome fast ununterbrochene Wäl- der von Bambus-Schilf und pisangblättrigen Heliconien gesehen, und in den Savanen am Nieder-Orinoko wach- ER: 99 sen Kyllingien und reitzbare Mimosen in gröfsten Massen gesellschaftlich neben einander. Wenden wir uns aber in tropischen Gegenden aus der Ebene auf die Höhen der Gebirge, so finden wir dort den geselligen Pflanzenwuchs ebenso häufig, wie in der temperirten und in der kalten Zone. Dort treten die Cinchonen-Wälder auf, wie bei uns die Wälder der efsbaren Kastanie; wie bei uns die Genisten und der Ulex, so treten dort die Escallonien und die Rhododendren auf. Auf der Cordillere in Süd- amerika wachsen eine grofse Anzahl von harzigen Bac- chariden ebenso gesellschaftlich, wie auf unsern niedern Gebirgen das Vaccinium Myrtillus, unsere Rhododendra, einige Weiden u. s. w. Wie die Thymus-Arten unsere Sandgegenden mit ih- ren schönrothen Blumen oft grofse Strecken, über und über, wie mit einem rothen Tuche bedecken, wärend der Boden rings umher ganz vegetationslos ist, ebenso über- ziehen die Calandrinien und einige Verbenaceen fast in Rasenform die unfruchtbaren Ebenen einiger hochgelege- nen Gegenden der Cordillere von Chile und Peru. Nachdem wir auf diese Weise die Verbreitung des Phänomens des geselligen Pflanzenwuchses kennen gelernt haben, wenden wir uns zur Erklärung dieser Frscheinung. Eine gegenseitige Neigung zum geselligen Leben, wie man sie bei den Thieren und den Menschen beobachtet, ist natürlich bei den Pflanzen nicht anzunehmen; die Pflanze ist dem Boden angeheftet ünd nur die Gleichmäfsigkeit, in Hinsicht dessen physischen und chemischen Eigenschaf- ten, vermag ein Auftreten gleicher Pflanzen-Arten im so- genannten geselligen Zustande zu bewirken. Betrachten wir einen natürlichen Kiefern-Wald, so werden wir, mit wenigen Ausnahmen, die Ausdehnung desselben nur durch Abänderung des Bodens ‘beschränkt sehen. Wie ganz ge- wöhnlich ist es zu sehen, dafs, wenn mitten durch einen solchen Kiefernwald ein kleiner Flufs oder ein stehendes Gewässer durchgeht, dafs an dem Rande dieses Gewäs- 7x* % 100 sers, wo gewöhnlich ein besserer Boden ist, als derjenige des Kieferwaldes, stets einige Laubhölzer stehen; bald sind es Elsen, bald sind es Weiden oder andere grofse stau- denartige Gewächse. Untersuchen wir die Verbreitung des Heidekrauts, so werden wir finden, dafs es immer ein und derselbe Boden ist, wo jenes gesellige Kraut wächst; es ist das sogenannte sauere Land, welches jeder Cultur so unbesiegbare Hin- dernisse in den Weg stellt, aber gerade für dieses Heide- kraut der wahre Mutterboden ist. Da nur das nördliche Europa so reich an diesem Boden ist, welcher fast allen anderen Pflanzen unerträglich ist, so kommt gerade jenes Heidekraut in so grofsen und ausgedehnten Massen vor. Die verschiedene geognostische Beschaffenheit, welche die Oberfläche der Erde in der temperirten Zone der südli- chen Hemisphäre darbietet, verhindert die gröfsere Aehn- lichkeit in der Physiognomie der Vegetation jener Zone, doch treten auch dort die geselligen Pflanzen in Masse auf, und wären jene Continente, auf der südlichen Hemi- sphäre, in so hohen Breiten ausgedehnter, als sie es jetzt wirklich sind, so würden sie gewifs ganz gleiche Erschei- nungen darbieten. Schon in Chile habe ich mehrere sehr gesellig wachsende Pflanzen angetroffen, ich nenne die Acacia Caven, Lycium gracile, Bambusen- und mehrere Cactus- Arten; aber auf der östlichen Seite der Chileni- schen Cordillere, nämlich in den Pampas, da wiederholt sich die Erscheinung des geselligen Graswuchses, mehr oder weniger ähnlich wie auf unseren nordischen Wiesen. Leider ist uns das Innere von Südamerika, südlich von dem 40. Grade der Breite, fast ganz unbekannt, doch nach den Schilderungen der Besuche, welche einst die Natur- forscher auf Cook’s Weltumsegelungen mittheilten, er- scheint die Natur daselbst ganz ähnlich wie bei uns. Neu- Holland scheint im Innern eine Pflanze zu besitzen, wel- che auf ähnliche Weise, wie unser Heidekraut, grofse Landstrecken überzieht, nämlich das Polygonum jun- 101 ceum *) und Cupressus callitris, ja mehrere Proteaceen und Eucalypten wachsen, nach der Angabe einiger neueren Reisenden, eben so gesellig wie unsere Waldbäume. So möchte denn die Meinung, dafs die gesellig wachsenden Pflanzen der heifseren Gegenden nur den Salz- und Strand- Pflanzen angehören, 'den neueren Beobachtungen weichen müssen. Die grofsen und undurchdringlichen Bambusen- Wälder der Tropen haben einen ebenso guten, Humus-hal- tigen Boden wie unsere Buchen- und Eichen-Wälder. Aufserdem, dafs die äufseren Verhältnisse meisten- theils das gesellige Vorkommen der Pflanzen bedingen, zeigen diese’einen hohen Grad von Productionskraft, wo- durch ihr massiges Auftreten um so leichter zu erklären ist. In dieser Hinsicht möge man jedoch die geselligen Pflanzen in solche unterscheiden, welche durch eine grofse Anzahl von, neben einander stehenden Individuen sich aus- zeichnen, und in solche, welche durch Sprossen -Bildung, von einem einzigen Stamme ausgehend, oft eine grofse Fläche Bodens bedecken. Bei den Bäumen, den Gesträu- chen und den Stauden ist dieses, schon bei dem ersten Anblicke, leicht zu unterscheiden. In dem Thale von Co- piapo6, im nördlichen Chile, habe ich eine Lycium-Art be- obachtet, deren Gesträuch, von einer einzigen Wurzel ausgehend, ganze dicke Berge bildete, welche noch auf einer Höhe von 10 und von 15 Fufs gänzlich undurch- sichtig waren. Und solche Haufen von diesem Gesträuche stehen dort, in der sandigen Ebene, mehr oder weniger dicht neben einander, wodurch natürlich die Physiognomie der Natur ganz eigenthümlich erscheint. Woehl in keinem anderen Falle, als in der Alpen-Flor der Cordillere, .er- scheint diese Art des geselligen Wachsthums auffallender; mehrere Arten der Gattungen Azorella, Bolax, Verbena und Lycopodium, treten dort in einer höchst eigenthüm- lichen Form auf, welche in der alten Welt höchstens nur *) $. Sturt Two Exped. into the interior of Southern Austra- lıa etc. London 1833. 102 ” bei den Cryptogamen etwas Aehnliches aufzuweisen hat. Diese eigenthümliche Alpen-Vegetation tritt erst ın der Nähe der ewigen Schneegrenze auf; es setzen sich zuerst dergleichen Pflänzchen an grofse Felsen, welche besonders hervorragen. Durch seitliche Verästelung, welche dicht an der Basis des Stengels beginnt, und in anderen Fällen durch Sprossen-Treiben aus dem Wurzelstocke dehnen sich diese Pflänzchen allmälig so- bedeutend aus, dafs sie oftmals Felsen-Flächen bedecken von 12 und von 20 Qua- dratfufs. Ja ganze grofse Felsen-Blöcke sind oftmals mit einem dichten und äufserst harten Rasen bedeckt, welcher immer nur von einem einzigen Pflänzchen entstanden ist. Dabei sind diese Rasen so dicht und so hart, dafs es schwer fällt, selbst mit den schärfsten Instrumenten ein- zudringen. Der Stamm einer solchen Pflanzen-Familie, die sicherlich ein Denkmal vieler Jahrhunderte ist, erreicht selten die Länge von einem Fufse, gewinnt aber zuweilen eine Dicke von 5 bis 6 Zoll und zeigt, gleich von seiner Basis angehend, eine unendlich vielfache Verästelung und Verzweigung. Durch die beständige Vergröfserung, welche der Stamm dieses Pflänzchens in der Dieke erlangt, nimmt er auch an Länge etwas zu und somit erhebt sich der Rasen, welchen die Pflanze bildet, allmälig und nimmt zu- letzt eine gewölbte Form an. Der vielen harzigen Stoffe wegen, welche diese kleinen Umbellaten enthalten, bren- nen sie sehr gut und das Feuer hält bei einer solchen frischen Pflanze sehr lange an. Reist man über jene wü- sten Gegenden der Cordillere, wo alle baumartige Vege- tation fehlt, so sieht man häufig diese angebrannten Pflan- zen-Haufen, oft nur bis zur Hälfte verbrannt, und man mufs sich selbst ihrer bedienen, um das nöthige Feuer zur Erwärmung zu erhalten. Ueberhaupt tritt nirgends das Phänomen des gesell- schaftlichen Pflanzenwuchses häufiger hervor, als gerade unter den Alpen-Pflanzen; und auf den Höhen der Cor- dillere, wo alle Natur-Erscheinungen grofsartiger auftre- ten, da auch dieses. Nur sehr wenige Pflanzen möchten, 103 in jenen Höhen der Cordillere, im nicht geselligen Wachs- thume angetroffen werden, wenigstens pflegen sie kleine staudenartige Häufchen zu bilden, die oft ganz isolirt in den ödesten Sand- oder Aschen-Gegenden dastehen. Die interessanten Arten aus der Familie der Boopideen, eine der merkwürdigsten, gleichsam zwischen Umbellaten und Syngenesisten stehend, bilden oftmals kleine Haufen, deren ich schon früher (pag. 78) gedacht habe. Ja mehrere Pereskien, welche bis in die Nähe der ewigen Schneegrenze steigen, bilden daselbst Haufen von 1 bis 14 Fufs Höhe und einigen Fufs Umfang. Nichts als die gelbrothen, 2 bis 3 Zoll langen Stacheln sind auf der Oberfläche dieser einzelnen Pflanzen-Haufen zu sehen, unter denen sich die saftigen Blattstengel verbergen, wel- ‘che sogar ihre Blüther nur so weit hinaufschicken, dafs sie von den Stacheln gleichsam gegen den kalten Wind geschützt werden. KErblickt man diese sonderbare Form von Cacten aus weiter F'erne, so glaubt man ein liegen- des Wild zu sehen. Die Wasser-Pflanzen zeigen im Allgemeinen den ge- sellschaftlichen Wuchs noch häufiger, als die Land-Pflan- zen, auch sind hier die äufseren Verhältnisse, welche den- selben bedingen, viel gleichmäfsiger, als bei den Land- Pflanzen. Auch wird hier der begimstigende äufsere Ein- flufs, durch das Zusammentreffen einer zahlreichen Keim- Erzeugung bei diesen Wasser-Pflanzen, auf die Hervor- bringung einer grofsen Anzahl von Individuen äufserst fruchtbar. Es ist überhaupt eine Bedingung, dafs, wenn auch die Pflanze noch so viele innere Anlage zum gesel- ligen Wuchse hat, die äufseren Verhältnisse dieselbe begün- stigen müssen. Wenn ein stehendes Wasser in unserer Ge- send mit der iinten-Grütze (Lemna-Arten) bedeckt ist, und die Masse der Conferven nimmt in demselben überhand, so wird das Wachsthum der Lemna unterdrückt, oder es hört auch ganz auf, sobald das Wasser eintrocknet. Wir haben schon früher des geselligen Wachsens der Torfmoose gedacht; ein ungeheuerer Saamen-Reichthum begünstigt es 104 bei dieser Pflanze, aber der Boden, auf welchem es mufs der feuchte Moorboden sein. Mit der Ausr der Wälder verschwindet dieser feuchte Moorboden somit verschwinden auch jene Moose. In welchem hohen Grade wachsen die Fuci, . wohner des Meeres, im geselligen Zustande! A Küste von Südamerika habe ich diese Pflanzen Grunde der Meeresküste, in waldartigen Zu fungen angetroffen, Weleins: belebt von Millionen ve deren Thieren, ‚gleichsam eine unterseei ische w lt chen der Put pyriferus und der Fucus ant ırctic hört; zu 2- und zu 300 Fufs Länge hat man | gemessen. Eines der sonderbarsten Phänome bildet das gesellschaftliche Wachsthum des F in der Sargasso - See, innerhalb der grofser Strömung im Atlantischen Ocean, wovon v Vorhergehenden, nämlich pag. 62, gesproche gen. Einige von ihnen wachsen in mehr ‚ode regelmäfsigen Kreisen, welche von Jahr zu Je werden und dadurch hervorgerufen werden, dafs TR ge- meinschaftlicher thallus, welcher beständig excentrisch sich ausbreitet, an seinem äufsersten Rande die neuen Pilze erzeugt. ; Somit hätten wir alle die Verhältnisse speciell be- trachtet, welche, sowohl durch das Clima, als wie durch | die Eigenthümlichkeiten des Bodens auf das Erscheinen der Pflanzen, für einen bestimmten Ort, ihren Einfus ausüben, und nun können wir mit gröfserem Nutzen zu allgemeinen Betrachtungen über das Vorkommen und die Verbreitung der Pflanzen übergehen. : i 105 °» Bestimmungen über das Vorkommen! und die Verbreitung der Pflanzen. ; Vorkommen (statio) der Pflanzen be- ; die Verhältnisse, in welchen diese zu ihrem je- Standorte stehen, oder man versteht darunter lität, in welcher eine Pfianze wächst, sei sie da- ın der Natur oder durch die Kıumst hingestellt. ı aber hier Unterschiede, so bezeichnet das Wort ind dasjenige Vorkommen einer Pflanze, wo die ieselbe hingestellt hat. Verbreitung der Pflanzen (extensio Im) bezeichnet dagegen den ganzen Umfang ih- immens, unbekümmert der Verhältnisse, in wel- die Arten, Gattungen und Familien unter sich ste- ı z: B. eine Pflanze in den meisten Ländern Brom; So sagt man von dieser Pflanze, r die ganze alte Welt verbreitet ist. Der -Bezirk oder das Areal einer Pflanze (area ) fafst demnach alle Punkte ihres Vorkommens Re 50 wie alle Oerter auf der Oberfläche der Erde durch Längen- und Breiten"Kreise bezeichnet werden, so ge- schieht dieses auch mit dem Vorkommen und der Ver- breitung der Pflanze, in sofern diese eine horizontale Ausdehnung haben; ist die Verbreitung aber vertical ver- laufend, wie auf den Abhängen der Gebirge, so geschieht ‚sie durch Angabe der Höhen. Es folgt hieraus schon, dafs die horizontale Ausdehnung des Vorkommens einer Pflanze, oder deren horizontale Verbreitung sich nach - Länge und Breite auf der Ebene der Erde richtet, wärend sich die verticale Verbreitung auf die Höhen bezieht, in welchen die Pflanzen auf den Gebirgen der Erdoberfläche ‚vorkommen. Wir haben schon im Vorhergehenden oftmals darauf aufmerksam gemacht, und durch Beispiele bewiesen, dafs 106 sich die Verbreitung der Pflanzen hauptsächlich nach der Vertheilung der Wärme auf der Oberfläche der Erde richtet, und da ‚diese wiederum mit den Breiten-Kreisen in ge- wissen bestimmten Verhältnissen steht, so folgt daraus, dafs sich die Verbreitung der Pflanzen hauptsächlich nach den Breiten der Erdoberfläche richtet, und dafs die Aus- dehnung des Areals, den Längen-Graden nach, viel weni- ger in Betrachtung zu ziehen ist. Das Areal einer Pflanze, in Bezug auf seine Aus- dehnung nach Breiten-Kreisen, heifst auch die Breiten- Zone, oder Zone an und für sich, wärend man dasselbe, in Bezug auf die verticale Ausdehnung, mit dem Namen Region bezeichnet. Seltener wird der Begriff der Län- gen-Zone für die horizontale Verbreitung der Pflanzen nach den Längen in Anwendung gesetzt. Jede Breiten-Zone einer Pflanze hat eine Polar- Grenze, wo nämlich das Vorkommen derselben gegen die Pole hin aufhört, und eine Aequatorial- Grenze, wo die Verbreitung der Pflanze gegen den Aequator zu endet. Ausnahmen hievon machen dergleichen Pflanzen, deren Poiar-Grenze bis zu den äufsersten Breiten hinauf- geht, so wie diejenigen, deren Aequatorial- Grenze dadurch fehlt, dafs sie über den Aequator hinausgehen und in die entgegengesetzte Hemisphäre hineinreichen. Die ersteren Pflanzen bezeichnet man im Allgemeinen mit dem Namen: Polar-Pflanzen oder arktische Pflanzen und die letzteren versteht man im Allgemeinen unter tropischen Pflanzen. Indessen auch hierin ist man nicht so genau, denn eine arktische Pflanze kann 2. B. in der arktischen Zone vorkommen, ohne defshalb bis zu den höchsten Brei- ten hinaufzugehen. Als Beispiele hiezu dienen die vielen strauchartigen Gewächse, welche noch über ‚den arktischen Kreis hinausgehen, später aber gänzlich verschwinden und dennoch unter die arktischen Formen aufgenommen wer- den. Aehnliche Beispiele liefsen sich für sogenannte tro- pische Pflanzen anführen, welche nicht ganz bis zum Ae- quator hinaufgehen. | 107 - Die Längen-Zone einer Pflanze wird durch eine östliche und durch eine westliche Grenze bezeichnet. Die Regionen der Pflanzen, oder deren verticale Verbreitung werden durch eine obere und eine untere Grenze bezeichnet, welche durch Höhen- Angaben zu be- stimmen sind. Das Areal einer Pflanze, oder deren Verbreitungs- Bezirk ist entweder ununterbrochen oder unterbro- chen; wir werden diese Verhältnisse hauptsächlich erst ‚später kennen lernen, wenn wir die Vertheilung der Pflan- zen über den Erdboden betrachten werden, wir haben aber, schon im Vorhergehenden, sowohl bei Betrachtung der Temperatur - Vertheilung, als auch bei Betrachtung des Einflusses, welchen die besonderen Lokalitäten auf das Vorkommen der Pflanzen ausüben, dergleichen Verhält- nisse kennen gelernt, welche ein ununterbrochenes und ein unterbrochenes Vorkommen einer Pflanze bedingen oder befördern. Wenn z. B. eine Pflanze einen gewissen Grad von Wärme erfordert, von dem ihr Vorkommen hauptsächlich abhängt, so kann dieselbe an allen denjeni- gen Orten der Erde vorkommen, wo dieser erforderliche Grad der mittleren Wärme vorhanden ist, und auf diese Weise wird die Pflanze ein sehr oft unterbrochenes Vor- kommen zeigen. Beispiele hiezu sind in Menge anzufüh- ren; die bekannten Pflanzen unserer Gegend: Prunella vulgaris, Origanum vulgare, Thymus Serpyllum kommen in den Gebirgen des nördlichen Himalaya, welche Cash- mere einschliefsen, schon in einer Höhe von 8200 Fufs vor *), ja die zweite Region im Himalaya, nämlich von 5000 bis 9000 Fufs Höhe, welche Herr Royle beschreibt, hat eine ganz europäische Physiognomie, und Ranunculus arvensis, Thlaspi arvensis, Capsella Bursa Pastoris, die gemeine Hirtentasche, ja unser Epheu (Hedera Helix), Ga- lium Aparine, Leontodon Taraxacum, Acorus Calamus, Phleum alpium, Alopecurus geniculatus, Poa annua, Sa- ) 8. Royle Illustrat. Lond. 1833. fasc. 1. 108 molus Valerandi und eine Menge anderer Pflanzen ıst da- selbst zu finden, welche meistens den höheren Breiten Europa’s angehören. Oder bleiben wir in Europa, so findet man die niedlichen Primulae, die herrlichen Ane- monen,, die reizenden Gentianen unserer Gegenden, oder die Dryas octopetala des hohen Nordens auf den Alpen der Schweiz, unter ganz ähnlichen Temperaturverhältnis- sen, wie diejenigen unseres Landes wieder. Die Saxifraga Hirculus wächst in unsern Gegenden, besonders in kalten moorreichen Waldungen unserer nördlichen Provinzen, sie kommt aber unter ähnlichen Verhältnissen ganz allge- mein auf den Schweizer- Alpen vor. Andere Beispiele können den Einflufs der Lokalitäts- Verhältnisse auf ein unterbrochenes und ein ununterbrochenes Vorkommen dar- thuen. Die Salsola Kali, in einem eigenthümlichen, nähe- ren Verhältnisse zum Meeres- Ufer stehend, hat ein aufser- ordentlich ausgedehntes und, wenigstens an den Küstengegen- den auch ein ununterbrochenes Areal u. s. w. Der Verbreitungs-Bezirk einer Pilanze kann natür- lich sein und auch künstlich; im letzteren Falle ist das Vorkommen der Pflanze, über ihre natürlichen Gren- zen hinaus, durch künstliches Verpflanzen erweitert. So ist die Verbreitung der meisten OCultur- Pflanzen, sowohl der Nahrungs-Pflanzen, als auch derjenigen, welche blots zum Vergnügen und zum Luxus der Menschen. gehalten werden, durch die Kunst erweitert, und dieses oftmals auf eine bewunderungswürdige Weise. Wie höchst traurig würde es mit dem Wohlstande der Völker stehen, wenn nicht die meisten Nahrungspflanzen einen solchen hohen Grad von Biegsamkeit hätten. Wir wollen hier nicht ein- mal der Cerealien gedenken, welche überall dahin gefolgt sind, wo sich die Völker der alten Welt hingewendet ha- ben, sondern wollen nur auf den Weinstock aufmerksam machen, dessen Verbreitungs-Bezirk sich auf eine bewun- derungswürdige Weise fast über die ganze Erde erweitert hat. Selbst auf der Insel Java soll der Weinstock aufser- ordentlich grofse Trauben zur Reife bringen, und in Neu- 109 Holland scheint er sein zweites Vaterland wiedergefunden zu haben.. Wir werden die Verbreitung des Weinstockes später ausführlicher kennen lernen. Meistentheils ist der Verbreitungs-Bezirk vieler Pflan- zen durch künstliche Verbreitung auf eine sehr oft unter- brochene Weise erweitert, und nur die allerwichtigsten Nahrungspflanzen können sich einer ununterbrochenen, künstlichen Verbreitungsweise rühmen, wie zZ. B. die Ce- realien und auch wohl die wichtigsten Futterkräuter. Ich will hier noch einige Beispiele anführen, welche von einer künstlichen Verbreitung, selbst der gewöhnlichsten Pflan- zen, am auffallendesten sind. Unsere gewöhnlichen Gar- tenpflanzen, als der Salvey, der Rosmarin und die Melisse, werden auch in Surinam *) gezogen. Unsere Radieschen möchten vielleicht nirgends wohlschmeckender sein, als eben bei Rio de Janeiro und in Ost-Indien. Unsere wohl- riechenden Nelken sind zu St. Jago de Chile eben so schön, ja vielleicht noch aromatischer, als bei uns. Auf den Feldern, in der Nähe von Canton, werden für den Bedarf der Europäer fast alle unsere Gemüse gezogen, wozu man freilich die Winterjahreszeit wählt und durch künstliche Dächer das Erfrieren derselben, durch die Wärme- Ausstrahlung der Erde zu verhindern sucht. Im Allge- meinen kann man annehmen, dafs die Pflanzen nordischer Gegenden viel weiter nach wärmeren Gegenden verpflanzt werden können, als dieses umgekehrt der Fall ist, denn die künstliche Verbreitung echter tropischer Pflanzen geht, nach kälteren Gegenden, nur sehr schwer und immer nur in geringer Ausdehnung vor sich. In den botanischen Gärten tropischer Länder, wo man die Pflanzen des ho- hen Nordens ziehen will, da werden diese mit einem leich- ten Dache gegen den Einflufs der Sonnenstrahlen geschützt und durch Verdünstung des Wassers wird der Boden ei- nigermafsen kühl erhalten. Ebenso haben wir die Gröfse des Verbreitungsbezir- *) Sack’s Reise nach Surinam. 1820. I. pag. 181. 110 kes der Pflanze zu beachten; wir finden hierin einige An- weisungen, ob mit Erfolg die Erweiterung desselben für diese oder jene Pflanze unternommen werden kann. Im Allgemeinen können Pflanzen mit einem sehr ausgedehnten natürlichen Verbreitungs -Bezirk, auch künstlich noch viel weiter geführt werden, wärend Pflanzen, von sehr einge- schränkter Ausdehnung, meistens nur schwer zu verpflan- zen sind. Es giebt Pflanzen, deren Verbreitung so aus- gedehnt ist, dafs sie fast in allen Theilen der Erde zu finden sind; wir peflgen einige dergleichen bei uns mit- dem Namen der Unkräuter zu belegen, und sie finden sich fast überall als solche wieder. Wir nennen hier eine Anzahl von Pflanzen, welche bei uns und in Neu-Holland vorkommen, als: Lemna minor, L. trisulca, Marsilia qua- drifolia, Convolvulus sepium, Festuca fluitans, Arundo. Phragmites, Panicum Crus Galli, Scirpus lacustris, Cla- dium Mariscus, Juncus effusus, Vallisneria spiralis, Sola- num nigrum L. u. Ss. w. Im Allgemeinen kann man die Regel aufstellen, dafs der Verbreitungs-Bezirk einer Pflanze um so gröfser ist, je niedriger der Grad ihrer Entwiekelung. Unter denje- nigen phanerogamen Pflanzen, welche Europa und Neu- Holland gemeinschaftlich angehören, sind die gröfste Zahl aus der Abtheilung der Monocotyledonen *). Von .den Cryptogamen, besonders den Flechten und Moosen, viel- leicht auch von den Algen, ist der weite Verbreitungs- Bezirk hinlänglich bekannt; ja viele von ihnen scheinen ununterbrochen von einem Ende der Erde zum andern zu gehen. Die Sticta crocata, welche in Europa, in Afrika, auf der Insel Bourbon und in Neu-Holland vorkommt, ist auch in Westindien, und in Südamerika gefunden. Ich selbst habe sie im mittleren Chile bei 3000 Fufs Höhe, in der Provinz von San Fernando, an den Felsen und *) Unter den Pflanzen, welche Herr R. Brown in. seiner be- rühmten Flora Australiens bekannt gemacht hat, befinden sich 167 Pflanzen, welche Australien und Europa gemein haben, und diese beste- hen in: 422 Acotyledonen, 30 Monocotyledonen und 15 Dicotyledonen. 111 Wänden beobachtet. Parmelia perforata habe ich selbst in den verschiedensten Gegenden der Erde gefunden, selbst auf den entlegenen Sandwichs -Insein. So ist auch Le- canora subfusca eine von denjenigen Flechten, welche überall zu finden ist. Einige andere Pflanzen haben einen auffallend be- schränkten Verbreitungsbezirk , und daher führen so viele Pflanzen den Namen von Ländern, Städten und einzelnen Bergen, doch meistentheils beruht dieses auf unvollkom- . mener Kenntnifs der Umgegend, wo diese Pflanzen ebenfalls vorkommen, nur bis dahin noch nicht beobachtet worden waren. Welch ein beschränktes Vorkommen schrieb man früher der Linnaea borealis und der Braya alpina zu, in- dessen täglich werden mehr Orte aufgefunden, wo diese Pflanzen vorkommen. Man hat die Frage aufgestellt, ob sich nicht eine all- gemeine Regel für die Gröfse der natürlichen Verbrei- tungs-Sphäre, in Hinsicht ihrer Breiten-Zone, aufstellen liefse, und Herr Schouw hat hierüber zuerst Untersuchun- gen angestellt. Man kann diesen Gegenstand auf die Weise unter- suchen, dafs man die Pflanzen einer nördlicheren Flor mit denjenigen einer südlicheren Flor vergleicht und zusieht, wie viele Pflanzen diesen beiden Floren gemeinschaftlich sind. Wie wir aber schon vorher gesehen haben, so sind gewisse Pflanzen mit einem sehr ausgedehnten, aber unter- brochenen Verbreitungsbezirke, oft den entferntesten Ge- genden der Erde gemeinschaftlich, und so wird die Be- stimmung einer absoluten Breiten- Zone für gewisse Pflan- zen noch schwieriger. Will man aber dergleichen Bestimmungen festsetzen, so darf man hiezu nur solche Pflanzen wählen, welche einen ununterbrochenen Verbreitungs-Bezirk haben, deren es jedoch nur wenige giebt. Allgemeine Regeln lassen sich über den Umfang der Verbreitungs-Bezirke der Pflanzen schwerlich aufstellen, sondern die Sache verhält sich bei verschiedenen Pflanzen 112 gar zu verschieden. Herr Schouw *) glaubt gefunden zu haben, dafs in der temperirten Zone der nördlichen He- misphäre eine Breite von 10—15° die gewöhnlichste Breite des Areal’s einer Pflanze sei, und dafs dieses, unter 5 Gra- den und über 30 Graden, zu den seltenen Fällen gehöre. Die Ausdehnung der Zone einer Pflanze nach den Längen -Graden ist gewöhnlich viel gröfser, als nach den Breiten, indem die Veränderung der Wärme nach den Längen nur gering ist, und es giebt sogar viele Pflanzen, welche mit ihrer Verbreitungs-Zone einen vellkommenen Gürtel um die Erdkugel bilden; als solche nenne ich Cy- perus polystachys, Pistia Stratiotes u. a. m. Es fehlt je- doch auch nicht an Pflanzen, deren Areal nur eine sehr geringe Längen-Ausdehnung hat; grofse Gewässer und Gebirgszüge sind alsdann meistens die Ursache davon. In Südamerika, besonders in Chile, ist die grofse Menge von Calceolarien auf der Cordillere und der westlichen Seite derselben bekannt; sie fehlen aber auf der östlichen Seite der Cordillere, wenigstens erscheinen daselbst nur sehr wenige Arten. Herr Schouw führt die Lobelia Dortmanna an, welche in Norwegen, in Schweden, Jütland, Schottland, England und Holland vorkommt, aber im östlichen Theile von Europa und in Sibirien noch nicht gefunden ist. Die Ericen am Cap der guten Hoffnung haben eine sehr kleine Ausdehnung nach den Längengraden, woran, in diesem Falle, offenbar die grofsen Wassergrenzen Schuld haben. Auch die Verbreitung der Camellien und noch vieler an- derer Pflanzen geben hiezu Beispiele. So wie man den Umfang der horizontalen Ausdeh- nung des Verbreitungs-Bezirkes der Pflanzen zu bestim- men gesucht hat, so ist dieses auch mit der verticalen Verbreitung der Fall. H. De Candolle **) hat diese Hö- hen-Ausdehnung der Pflanzen Frankreichs zu bestimmen gesucht, welches eine höchst mühsame Arbeit gewesen m lc. paß. 485 "9 Mem. sur la geographie .des plantes de France. — Mem. de la Soc. d’Arcueil 14. pag. 262 — 322. 113 ist; leider sind die Angaben für sehr viele Pflanzen jenes Landes nicht absolut als Regel aufzustellen, denn sie gehen in diesem Lande, wo sie ihre Polargrenze haben, lange nicht so hoch hinauf, als in etwas südlicher gelegenen Gegenden. Bei anderen ist es wiederum höchst auffallend, dafs sie in Frankreich viel weiter hinaufgehen, als in südlicheren Ländern. Herr Schouw *) hat jene Angaben über die verticale Ausdehnung der 1500 Pflanzen Frankreichs, welche Herr Decandolle mitgetheilt hat, nach gewissen Höhen zusam- mengestellt und folgendes Resultat erhalten, nachdem er - alle diejenigen Pflanzen bei dieser Berechnung ausgeschlos- sen hat, welche in Frankreich ihre Polargrenze erreichen. Eine Höhen- Ausdehnung von 3000 Meter haben die Ver-. breitungs-Bezirke von 11 Arten aufzuweisen. 2500 — 3000 Meter zeigen 19 Arten. 2000 — 2500 - a 1500 — 2000 - - 200 - 1000 —1500 . - - 391 - 500—1000 - - 194 -- 100— 500 - - 31 - Demnach zeigt es sich für Frankreich, oder für die Mitte der temperirten Zone, dafs 1000 — 2000 Meter die gewöhnlichste Höhen- Ausdehnung einer Pflanze ist. Nach den Beobachtungen des Herrn Alex. von Hum- boldt hat H. Schouw die verticale Ausdehnung von 293 Pflanzen-Arten, für die tropische Zone zusammengestellt, und hiebei ergiebt sich, höchst auffallend, ein ganz anderes Resultat, als dasjenige für die temperirte Zone. Nämlich eine Höhen-Ausdehnung des Vorkommens einer Pflanze von 1000 Toisen, soll das Höchste für jene Gegenden sein, und eine Ausdehnung der Region, worin jede Pflanze wächst, von 200 — 600 Meter soll das Gewöhnliche sein; wärend sie in Frankreich zwischen 1000 und 2000 Toisen schwebt. _ Indessen diesen Berechnungen des H. Schouw _ darf nicht zu viel Werth beigelegt werden, denn jene Angaben des Herrn Alexander von Humboldt über die obere und untere Grenze des Vorkommens gewisser Pflan- . 1. c. pag. 178, A | 8 114 zen sind gerade nicht für diesen Zweck gemacht. Ich habe im südlichen Peru .die Höhenausdehnung des Vor- konimens des eultivirten Mays Bis 2000 Toisen verfolgt, ja er wird daselbst, z. B. auf der berühmten Insel Titicaca im grofsen Alpensee gleichen Namens, noch auf einer Höhe von 12700 Fufs über dem Meere ceultivirt; ein Fall, welchen Europa mit keiner Pflanze aufweisen kann. Un- sere Luzerne wird in jenem Lande in den glühenden Kü- stengegenden ceultivirt und geht hinauf bis gegen 11000 Fufs Höhe; auf dem Plateau von Chuquito, 12700 Fufs hoch, habe ich diese ‚äufserst wichtige Cultur-Pflanze für jene Länder nicht mehr gesehen. “Gerste und Hafer reifen noch daselbst, aber Roggen wird nur zum Grünfutter gebauet. Mit Recht hat schon H. Schouw darauf aufmerksam gemacht, dafs dergleichen Pflanzen, welche einen ausge- dehnten Verbreitungs-Bezirk haben, auch eine besonders ausgedehnte Höhen-Zone zeigen. Der Mays und die Me- dicago sativa, die ich früher als Beispiele von besonderer Höhen- Ausdehnung in ihrer Verbreitung aufführte, zeigen auch in ihrer horizontalen Verbreitung einen besonders grofsen Umfang. In Europa ist es die gesellige Erica vulgaris, welche eine bedeutende horizontale Verbreitung zeigt, und sie steigt auch, auf den Gebirgen im südlichen Europa, aus der Ebene bis über 9000 Fufs hoch. Man könnte die Verbreitung einer jeden Pflanze, so- wohl die natürliche als die künstliche, auf eine besondere Welt-Karte auftragen, indem man alle Punkte ihres Vor- kommens mit einer und derselben Farbe bedeckte, wodurch man, gleich auf einem Blicke, eine belehrende Uebersicht erhalten könnte. Dergleichen bildliche Darstellungen kön- nen eben sowohl über die Verbreitungen der einzelnen Gattungen, so wie über die Verbreitung der Familien aus- geführt werden, und Herr Schouw hat in dem Atlasse, zu seinem bekannten Werke über die Pflanzengeographie der- gleichen Tafeln geliefert. Die Verbreitung der Buche (Fagus sylvatica) hat Herr Schouw als ein Muster für die Darstellung der Verbreitung einer wildwachsenden Pflanze gegeben, wärend er den Weinstock als eine culti- 115 virte Pflanze aufgezeichnet hat. Bei dergleichen Darstel- lungen über die Verbreitung einzelner Gattungen und Fa- milien kann man auch durch schwächere und stärkere Tün- chung einer und derselben Farbe, die mehr oder weniger grofse Artenzahl einer Gattung oder Familie andeuten, wie dieses zZ. B. sehr gut durch Herrn von Martius bei der Tafel über die Verbreitung der Amarantaceen *) ausgeführt worden ist. Die Pflanzengeographie an und für sich, als eine Wis- senschaft, wäre allerdings schon dem Gelehrten und jedem Manne von Bildung von hohem Interesse, indessen. ihre Anwendung auf das praktische Leben giebt derselben noch einen weit höheren Werth. Sobald erst eine gehörige Menge von meteorologischen Beobachtungen an den ver- schiedensten Punkten der Erdoberfläche gemacht sein wer- den, so dafs die Kenntnifs der Isothermen, der Isotheren und der Isochimenen genau, in ihrem ganzen Laufe, be- kannt sein wird, werden wir, schon im Voraus, ganz ge- nau bestimmen können, ob irgend eine Pflanze, von ihrem natürlichen Standorte nach einem gewissen anderen ver- pflanzt werden kann, oder ob diese Mühe unbelohnt blei- ben wird; ein Gegenstand, welcher offenbar von grofser Wichtigkeit ist. Ganz besonders fehlt es noch an der Kenntnifs der mittleren Temperaturen in grofsen Höhen ausgedehnter Gebirge, um auch hier bestimmen zu kön- nen, welche Pflanzen jenen Gegenden aufgedrungen wer- den könnten. Von welcher Bedeutung dieses ist, läfst sich leicht einsehen, und ich wıll hier nur einen Fall an- führen. Das grofse Land auf der Ebene von Chuquito, rund um den Alpensee von Titicaca, ist reich bevölkert, und prachtvolle Städte in grofser Zahl, haben sich in je- ner gewaltigen Höhe gebildet. Aber Holz fehlt jenem Lande, wo ein ewiger Frühling herrscht, wo Fruchtbar- keit der Erde und grofser Reichthum an edelen Metallen die Menschen beglücken könnten. Noch fehlen zwar alle mittleren Temperaturen aus jenen Gegenden in 12700 *) Nova Acta Acad. Caes. Leop. Carol. Nat. Cur. Vol. XI. P. I 5 * 116 Fufs Höhe, aber nach den wenigen Beobachtungen, wel- che ich selbst dort angestellt habe, und aus einigen an- deren von Herrn Pentland und Rivero, möchte mit Be- stimmtheit hervorgehen, dafs sowohl die Tanne, als die Birke und Else in jenen Gegenden recht kräftig gedeihen würden. Welch ein Wohlstand müfste jenem Lande durch, die Einführung grofser Wälder erwachsen! in einer Ge- gend, wo bis jetzt jeder Stock, jede Stange und jedes Brett zu den Reichthümern eines Menschen gehört! wo sich der Schiffer auf einem elenden Kahne, aus Binsen geflochten, dem stürmischen See überlassen mufs! Der Wohlstand der Völker ist dem Ackerbau und der Cultur der nutzbaren Pflanzen überhaupt gefolgt; mit ihnen hat sich Bildung und Glückseeligkeit verbreitet. Will man aber Wissenschaften und himmlisches Glück dem ro- hen Menschen aufdringen, der von einem Tage zum an- dern lebt, und Mangel an nöthigster Nahrung hat, so geht man sicherlich einen falschen Weg. Mit dem Vorkommen und mit der Cultur gewisser Nutzpflanzen; sind Verhält- nisse, in der Lebensart des Menschen, so innig verknüpft, dafs diese in der Lehre über die Verbreitung der Pflan- zen mit verknüpft werden müssen, denn ganz anders wä- ren jene Menschen zu leben gezwungen, wenn nicht diese oder jene Nutzpflanze sie in ihrer Trägheit, oder Eigen- heit bestärken würde. Bei solchen speciellen Untersuchungen werden wir allmählig immer mehr und mehr den Einflufs kennen ler- nen, welchen die verschiedenartige Verbreitung und Ver- theilung der Gewächse über den Erdkreis auf die Cultur des Menschen ausübt; doch müssen wir hierin sehr vor- sichtig zu Werke gehen, um uns nicht von dem Scheine trügen zu lassen, und so zu ganz falschen Resultaten zu gelangen. Wie hört man überall den tropischen Ländern das Lob spenden! Wie glücklich, heifst es, -ist jenes Land, wie reich jene Natur, wo die kostbarsten Früchte, ohne Zuthun der Menschenhände, sich entwickeln! Doch so verhält es sich in der Wirklichkeit nicht. nn Te 117 Dritte Abtheilung. Ueber die Vertheilung der Gewächse auf der Oberfläche der Erde, mit besonderer Rücksicht auf die Physiognomie der Natur. Wir haben bisher die äufseren Ursachen betrachtet, welche das Vorkommen und die Verbreitung einer Pflan- zen-Art bedingen, ganz abgesehen davon, wefshalb eine gewisse Pflanze nur auf dem, ihr einmal angewiesenen Verbreitungs-Bezirke vorkommt und nicht auch auf einem anderen. Es ist eine bekannte, von allen Reisenden wieder- holte Beobachtung, dafs die Vegetation, wie überhaupt das ganze organische Leben, von den Polen aus, zum Aequa- tor hin, im beständigen Zunehmen ihrer Entwickelung sich befindet, und dafs die Formen immer ausgebildeter und immer schöner und üppiger werden, je mehr man sich von den kalten Regionen entfernt. Eine genauere Betrachtung dieses Gegenstandes wird in dieser Abthei- lung des Buches erfolgen. Auch hier ist es Herr Alexander von Humboldt, welcher uns den Gang dieser \Vissenschaft vorgeschrieben hat; seine berühmte Schrift: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse, zeigte diese höchst interessante Seite, von welcher die Botanik aufge- fafst werden kann, und wie sie in dieser Weise auf die Veredelung der Künste und auf den Geschmack der Völ- ker, für die Empfänglichkeit gegen die Natur-Schönheiten einwirken kann.. / Die Lehre von der Vertheilung der Pflanzen über die. Oberfläche der Erde kann in zwei, ganz für sich beste- hende Doctrinen zerfallen; die eine hievon, welche die Physiognomik der Gewächse heifst, betrachtet die Pfanzendecke nach der Vertheilung der Formen, welche 118 die Pflanzen-Gruppen zeigen; sie bildet sich ein eigenes natürliches System, in welchem Aehnlichkeit in den Form- Verhältnissen das Eintheilungs-Prineip ist. Die Physio- gnomik der Gewächse untersucht das Vorherrschen dieser oder jener Pflanzen-Form nach der absoluten Masse ihrer Individuen oder nach dem Eindrucke, welchen sie, bei der Bildung des Natur-Charakters, auf das Gemüth des Men- schen macht; die andere Doctrin hingegen, die Statistik der Pflanzen, kümmert sich nicht um das absolute Vorherrschen dieser oder jener Pflanzen-Gruppe, oder dieses oder jenes Typus, sondern sie betrachtet die relati- ven Verbältnisse, begründet auf wirkliche Zahlen, in wel- chen diese oder jene Pflanzen-Gruppen durch ihre Arten- Zahl entweder zur allgemeinen Zahl der ganzen bekann- ten Pflanzen-Masse, oder zur Zahl der Arten anderer Pflanzen - Gruppen stehen. Eine Pflanzen- Gruppe kann z. B. durch ihre Individuen- Zahl den Charakter der Na- tur bestimmen, ohne defshalb durch ihre Arten-Zahl für eben dieselbe Gegend vorherrschend zu sein. Wir besit- zen eine Abhandlung des Herrn Alexander von Humboldt: Ueber die Gesetze, welche man in der Verthei- lung der Pflanzen-Formen beobachtet *), welche hierüber besonders handelt; der berühmte Verfasser sagt darin: In einer „nördlichen Gegend, wo die Compositae und die Farrnkräuter zur Summe aller Phanerogamen im Verhältnisse von 1:13 und 1:15 stehen (d. h. wo man dieses Verhältnifs findet, wenn man die Gesammtzahl al- ler Phanerogamen durch die Anzahl der Arten dieser bei- den Familien dividirt ), kann eine einzige Farrnkraut- Art zehnmal mehr Erdreich bedecken, als alle Arten der Com- positae zusammengenommen. In diesem Falle herrschen dıe Farrn durch die Masse ihrer Individuen über die Com- positae, keineswegs aber durch ihre Artenzahl. Schon die Physiognomik der Gewächse lehrt uns, dafs die Natur bei der Erzeugung der Pflanzen, dieselben nach *) Diet. des scienc. nat. Tom. XVII. pag. 422 —436. 1820. 119 gewissen, uns gänzlich unbekannten Gesetzen über die Oberfläche der Erde vertheilt hat. Wir haben bis jetzt ei- nige äufsere Ursachen erkannt, welche die Vertheilung von entwickelteren und edleren Pflanzen - Formen nach den heifsen Zonen setzt, aber wir kennen keine Ursachen, wefshalb unter gleichen climatischen Verhältnissen nicht immer gleiche Pflanzen- Arten erzeugt sind. Die sonder- bare Gruppe. der Cactuspflanze ist eigentlich nur der hei- {sen und der subtropischen Zone der neuen Welt eigen- thümlich, nur zwei Arten aus derselben sind bisher in Östindien und in China gefunden, und zwar im Innern des Landes, sogar auf bedeutenden Höhen. Inmdessen die Form der Cactus-Pflanzen, dieser eigenthümliche Typus, hat sich auch auf der alten Welt dargestellt; wir haben Euphorbien, sowohl am westlichen, wie am östlichen Ende der alten Welt, welche man ohne Kenntnifs der Fructifi- cations-Organe sicherlich für Cacten halten würde, so Z. B. die Euphorbia nereifolia im südlichen China, an welcher die Ipomoea Quamoclit hinaufrankt und dieselbe ähnlich mit ihren scharlachrothen Blumen verziert, wie es der Loranthus aphyllus an Chilenischen Cereen zeigt. Die Euphorbia canariensis und Euphorbia balsamifera sind es am westlichen Ende der alten Welt, welche daselbst die Cacten-Form der neuen Welt darstellen. Eben so uner- klärlich ist es, wefshalb nur die alte Welt die eigentlichen Eriven besitzt, wärend die alte Erica coerulea Willd., wenn sie gleich keine wahre Erica ist, dennoch die Stelle derselben in der neuen Welt vertritt. Indessen die Statistik der Gewächse lehrt auf die ent- schiedenste Art, dafs die Natur unter allen Zonen die Verschiedenheit der Formen im Gewächsreiche, nach be- stimmten, unabänderlichen Gesetzen vertheilt hat. Diese Gesetze werden sich immer genauer darstellen lassen, je vollkommner die ganze Summe der Pflanzen-Arten für gewisse Gegenden bekannt ist; vergleichen wir kleine Di- strikte mit einander, so stimmen die Verhältnisse, unter welchen die verschiedenen Gruppen zu einander stehen, 120 nicht immer genau überein, wohl aber erkennt man schon die Uebereinstimmung in den Gesetzen, wenn man. grö- fsere Flächen mit einander vergleicht, und so kann man- mit Recht behaupten, dafs dieFormen der verschie- denen Pflanzen in gegenseitiger Abhängigkeit von einander 'stehen. Allerdings sind gewisse Pflanzen-Gruppen nur für bestimmte, oft sehr beschränkte Gegenden der Erde an- gewiesen, aber die gröfste Zahl der Pflanzen-Familien ist über den ganzen Erdkreis verbreitet, und überall, wo eine fruchtbare Erde der Luft und dem Lichte ausgesetzt "ist, da zeigen sich die einzelnen Repräsentanten jener Gruppen. Nur die Schneegrenze, weniger die Kälte, begrenzt auf unserer Erde die Vegetation gegen Norden und in grofsen Höhen; doch wo der Boden nur aus Substanzen besteht, welche für die Ernährung der Pflanzen gänzlich untauglich sind, da hört alle Vegetation auf, selbst wenn er unter dem Aequator und im Niveau des Meeres gele- gen ist. Bei den gröfsten Höhen in der Cordillere des südlichen Peru, überall wo die Schneedecke fehlte, und wo ein Humus-haltiger Boden war, da habe ich Vegeta- tion gefunden; doch der nackte harte Felsen, wenn er von starkem Winde beweht wird, welcher das Ansetzen von organischen Substanzen verhindert, zeigt keine Vegetation, selbst wenn er noch in Höhen liegt, die reich daran sind. Auf dem Kegel des Feuerberges von Arequipa und eben so auf dem des Feuerberges von Maipu bin ich weit über die Grenze aller Pflanzen gestiegen, obgleich keine Schnee- decke diese Region andeutete; aber der Kegel des Feuer- berges von Arequipa erhebt sich weit über 18000 Fufs und mehr, als 2500 Fufs von seiner Spitze wird von schwarzer Lava- Asche gebildet, aus welcher hie und da einige regelmäfsige Säulen von grauen und röthlichen Trachyten hervorbrechen. In dieser Asche, etwa von 15000 Fufs an, ist keine Vegetation zu finden, bis dahin aber wächst ein sonderbarer Pilz, gleichsam eine Art von 121 Lycoperdon mit langer Wurzel, die tief in der Asche steckt, ferner kleine Malvaceen, äufserst niedliche Formen - von der Gattung Sida und fremdartig gestaltete Baccha- riden begrenzen bis dahin die phanerogame Vegetation. Im Allgemeinen bemerkt man bei der Vertheilung der Gewächse, dafs sowohl die Arten der Gattungen, so wie die Gattungen der Familien entweder von einem Punkte ausgehen und sich um diesen gleichsam in concentrischen Kreisen anreihen, oder sich strahlenförmig nach verschie- denen Richtungen hin verbreiten, oder, was noch gewöhn- licher ist, sich in mehr oder weniger breiten, bandförmi- gen Gürteln vertheilen, welche bald den Meridianen, bald den Parallel-Kreisen parallel verlaufen. Bei allen diesen Arten der Vertheilung, sowohl der kleineren als der grö- fseren Gruppen der Pflanzen, tritt der gesellschaftliche Wuchs der Pflanzen und das isolirte Wachsen derselben, als ein sehr wichtiges Moment auf, welches, hauptsächlich auf den Charakter der Vegetation von dem gröfsten Ein- flusse ist. Aufserdem ist es hiebei wichtig, zu wissen, ob gewisse Pflanzen - Gruppen nur neben einander gestellt sind, oder ob ihre Verbreitungs-Bezirke in einander ein- greifen; in diesem Falle stehen nämlich die Gewächse ver- schiedener Pflanzen-Gruppen bunt durch einander. Z.B. die Coniferen und die Casuarinen sind in der alten Welt sehr bestimmt geschiedene Familien, deren Verbreitungs- Bezirke kaum an einander grenzen, doch auf Neu-Holland greifen sie in einander über, denn Casuarinen, Araucarien und Cypressen wachsen daselbst durch einander. Sowohl die Gattungen wie auch die Familien, diese sind die gröfseren Gruppen :nämlich, erreichen an irgend einem Orte der Erde ihr Maximum, d. h. sie haben an jenem Orte die gröfste Arten-Zahl aufzuweisen, wärend an einem anderen Orte ihr Minimum befindlich ist, d. i. wo ihre Arten-Zahl sehr ‘gering ist. Man drückt diese Bedeutungen auch dadurch aus, dafs man .sagt: Diese Gattung oder diese Familie herrscht an diesem Orte vor, oder sie fehlt daselbst. 122 Je nachdem nun eine Pflanzen- Gruppe in irgend ei- nem Lande ihr Maximum erreicht, und auch durch ihre Masse auf die Physiognomie des Landes einwirkt, je nach- dem pflegt sie wohl mit besonderen Namen, welche mei- stens von der Benennung der Länder und Zonen herge- nommen: sind, belegt zu werden. So besitzen wir tropi- sche Pflanzen- Formen, welche entweder in der tropischen Zone ganz allein vorkommen, oder daselbst wenigstens ihr Maximum erreichen. Die Palmen, Musaceen, Pipera- ceen, Scitamineen u. 5. w. gehören fast ausschliefslich der heifsen Zone an, doch gehen einzelne Repräsentanten der- selben, selbst bis zu hohen Breiten, in die temperirten Zonen über. Die Familie der Palmen zeigt z. B. hierin mehrere Ausnahmen; Chamaerops humilis wird noch, wie bekannt ist, unter 49° N. Breite gefunden, und auch Cocos nucifera wächst noch sehr südlich. Auch die Chilenische Cocos-Palme, wie man sie früher nannte, geht an der Westküste von Südmerika bis Concepeion, also bis über 36° südlicher Breite hinab; sie ist die einzige Palme, wel- che auf der ganzen Westküste von Südamerika, von dem sudlichsten Peru an, vorkommt, wärend die Ostküste die- ses Continents so aufserordentlich reich an Palmen ist. Wenn eine Pflanzenfamilie in irgend einer Zone, sei es durch Masse, sei es durch Artenzahl, vorherrscht, und in einer andern. Zone nur einzelne Formen aus dieser Familie auftreten,: so sagt man, dafs jene Familie hieselbst durch diese wenigen Arten repräsentirt werde; oder man nennt diese Arten die Repräsentanten jener Familie. Die Ericen der .alten Welt haben im südlichen Afrika ihr Maximum; durch Masse herrschen zwar einzelne Formen dieser Familie, hauptsächlich die Erica vulgaris, auch im nördlichen Europa vor, doch die schönen baumartigen Formen, welche am Cap der guten Hofinung zu Hause sind, werden: erst im’ südlichen Europa durch die Erica arborea repräsentirt; diese ist in den Wäldern von Por- tugal und Spanien zu Hause «und kommt auch auf den Canarischen Inseln in eben so grofsen Massen vor. Noch er 123 viel auffallender ist folgendes Beispiel. Die Acacien haben ihr Maximum in Neu-Holland, welchem Lande sie fast ganz angehören; die Acacia heterophylla aber, ganz. eigen- thümlich durch die verschiedenen Blattformen, welche auf einem und demselben Baume vorkommen, repräsentirt diese grofse Familie der südlichen Hemisphäre noch auf den Sandwichs-Inseln. Das gewöhnliche Blatt dieses Baumes ist nämlich ein blattartig ausgedehnter Blattstiel und hat srofse Aehnlichkeit mit der Blattform der Eucalypten, je- ner höchst interessanten Pflanzen - Familie Neuhollands, welche mit den Acacien ein gemeinschaftliches Vaterland hat. So ist es, als wenn die Acacia heterophylla nicht nur die Acacien in der nördlichen Hemisphäre repräsentirte, sondern durch die Form ihrer Blätter auch mit den En- calypten einige Verwandtschaft andeutete. Die grofse Familie der Laurineen, welche in der tro- pischen Zone ihr Maximum hat, wird im südllichsten Eu- ropa durch den Laurus nobilis, unsern gewöhnlichen Lor- ber, repräsentirt. Die suceulenten Mesembrianthema des südlichen Afri- ka’s werden schon im südlichen Europa, und auf den Ca- narischen Inseln durch einige Arten dieser Gattung re- präsentirt, ihre Form und ihren Habitus erkennt man aber schon an den vielen Semperviven der Canarischen Inseln, und den vielen Sedum - Arten des südlichsten Europa’s. Herr Link, dem wir eine so genaue Kenntnifs der Lusita- nischen Flora verdanken, erkennt auch in der Drosera Jusitanica, der Ixia Bulbocodium und in dem Triglochin bulbosum Repräsentanten der südafrikanischen Flora in Europa *). Bleiben wir in unserem nördlichen Europa, so finden wir, hier im Norden, die schönen Cistus-Ge- wächse von Spanien und Portugal in unserem Helianthemum annuum repräsentirt. Die Nadelhölzer, welche in der ark- tischen und in der temperirten Zone der nördlichen He- misphäre ihr Maximum erreichen und häufig auch durch *) $. Link, Die Urwelt und das Alterthum. 1834. p- 259. 124 ihre Massen Alles überwiegen, diese werden immer selte- ner gegen Süden, und auf der südlichen Hemisphäre wer- den sie nur durch die Gattungen Araucaria, durch Ephedra, Cupressus, Dammara u. s. w. repräsentirt. Betrachtet man die lebende Pflanzendecke, wie sie über den Erdkreis ausgebreitet ist, nach der Physiognomie, oder, ich möchte lieber sagen, nach dem verschiedenen Eindrucke, welchen dieselbe hie und da auf uns zu ver- ursachen vermag, so wird man alsbald gewisse Hauptgruppen von Pflanzen herausheben, welche sich auf eine, bald mehr bald weniger deutliche Weise von der umgebenden Pflanzen- masse unterscheiden. Bald werden diese, durch eigenthüm- liche Physiognomie sich auszeichnenden Pflanzengruppen auch in den künstlichen Charakteren übereinstimmen und gewisse Gattungen und natürliche Familien bilden, bald wird es die gesammte Masse der Vegetation einer be- stimmten Gegend sein, welche die eigenthümliche Physio- gnomie durch besondere Zusammenstellung oder Aneinan- derreihung der verschiedenen Pflanzenformen erhalten hat. Wollte man nun die gesammte Vegetation nach jenen ei- genthümlichen Physiognomieen, welche dieselbe darbietet, eintheilen, so müfste, wie wir es so eben gesehen haben, diese Eintheilung eine doppelte sein, einmal nämlich eine geographische und einmal eine rein botanische. Wird das geographische Prinzip dieser Eintheilung der Vegetation nach ihrer Physiognomie zum Grunde gelegt, so theilt man die Vegetation nach den Ländern und gröfseren Erd- massen, worauf dieselbe vorgefunden wird, und nennt sol- che Abtheilungen: Floren, welche durch den Namen der Länder bezeichnet werden. Andere Schriftsteller über diesen Gegenstand haben dergleichen Abtheilungen Re- gionen *) und pflanzengeographische Reiche ge- nannt **). Herr De Candolle und Herr Schouw haben auf diese Weise. zuerst eine pflanzengeographische Einthei- *) $S. De Gandolle Dict. des scienc. nat. T. XVIIL p. 411. *) S. Schouw Grundzüge u. s. w. pi 505. 125 lung der ganzen Erdoberfläche aufgestellt und ich werde in der Folge zeigen, wie weit ich derselben folgen zu müssen glaubte. I. Die Physiognomik der Vegetation. Die Wirkung der organischen Kraft zeigt sich immer reger und immer mächtiger, je mehr man sich aus den nordischen Gegenden entfernt und sich dem Aequator nä- hert; dort herrscht Einförmigkeit, so oft mit Armuth ge- paart, hier aber die gröfste Mannigfaltigkeit, verbunden mit Fülle und Ueppigkeit. Immer mehr und mehr zeigen sich die Formen der Gewächse entwickelter; sie erscheinen gleichsam vollkommener, je mehr sie sich den heifsesten Gegenden der Erde näheren, so dafs man dieses unbedingt ° dem schaffenden Einflusse der gröfseren Wärme und des Lichtes zuschreiben mufs. Indessen wenn auch den tropischen Gegenden die gröfste Zahl von Pflanzen mit herrlichen, hoch entwickel- ten Blüthen zukommt; wenn auch die Mannisfaltigkeit der schönsten Formen daselbst noch so grofs ist, dafs der gefühlvolle Mensch auf das wundersamste davon ergriffen wird, so möge man es nicht verkennen, dafs auch allen anderen Gegenden ihre eigenthümlichen Schönheiten zu- kommen. Es ist nicht immer die Masse der Vegetation, es ist nicht immer die grofse Ueppigkeit derselben, welche den reizenden Eindruck auf den Menschen macht, son- dern es ist hauptsächlich die Vertheilung der verschiede- nen Pflanzen-Formen durch einander; das gehörige Ver- hältnifs zwischen der Pflanzenmasse und der Form der Oberfläche der Erde. Zergliedern wir auf diese Weise den Total-Eindruck, welchen die Anschauung der Vegetation auf uns hervor- ruft, so ist es nicht zu verkennen, dafs gewisse Formen der Pflanzenwelt es sind, welche an irgend einem Orte, 126 mehr oder weniger, vorherrschen und dadurch am meisten die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dergleichen Pflan- zenformen, welche den Charakter einer Gegend bestim- men, sınd entweder dieser ganz allein eigen, oder sie kommen auch noch in anderen Gegenden vor, entweder ebenfalls vorherrschend und den Charakter der Vegetation bestimmend, oder nur diese Vegetations-Form daselbst repräsentirend. Die Schönheit dieser Pflanzenform, ihre sonderbare Gestalt, ihre imponirende Gröfse, ihre herrli-. che Färbung und was dergleichen Eigenthümlichkeiten noch mehr sind, sie geben der Physiognomie der Gegend den Charakter. So unendlich vielfach die Zahl der verschiedenen Pflänzenarten ist, so lassen sieh aus denselben eine gerin- gere Anzahl von Hauptformen hervorheben, welche nicht etwa durch künstliche Charaktere zu Gattungen und zu gröfseren Gruppen zusammengestellt sind, sondern nur durch ihren Total-Eindruck, welchen sie auf den Men- schen machen, zusammengehören. Diese Hauptformen der Gewächse näher kennen zu lernen, ist für eine pflanzengeographische Eintheilung der Erdoberfläche von der höchsten Wichtigkeit, denn gerade sie bestimmen hauptsächlich die Physiognomie der Natur verschiedener Gegenden. Herr Alexander von Humboldt hat zuerst eine solche Eintheilung der Gewächse nach ih- ren hauptsächlichsten Formen aufgestellt, und diese. wird den ferneren Untersuchungen über diesen Gegenstand im- mer zum Grunde gelegt werden müssen. Ist man erst etwas. vertrauter mit den verschiedenen charakteristischen Pflanzenformen bekannt, so wird es leicht sein, sogleich das Eigenthümliche einer jeden Flora zu erkennen, und die Physiognomie der Natur in jedem Lande zu charakte- risiren. So führen wir hier die einzelnen Hauptformen der Pflanzen auf, theils gestützt auf eigene Anschauung in der neuen und in der alten Welt, theils nach einem genauen Studium der besten Reisebeschreibungen. Es ist. voraus- 127 zusehen, dafs sich diese Zahl der Hauptformen immer mehr und mehr vergröfsern wird, je ausführlicher die Flo- ren fremder und noch wenig bekannter Länder durch rei- sende Botaniker erforscht werden, welche sich mit beson- derem Eifer dieser Wissenschaft widmen möchten. A. Specielle Betrachtung der Physiognomie der einzelnen Hauptformen der Pflanzen. 4) Die Gräser oder grasartigen Gewächse. Wir beginnen mit den Gräsern, deren Auftreten in grofsen Massen unter der Form der Wiesen und Triften, uns Allen so bekannt ist. Das herrliche Grün einer un- absehbaren Grasdecke macht einen lieblichen, zu angeneh- mer Fröhlichkeit uns stimmenden Eindruck; es ist ein charakteristischer Zug für die Physiognomie der Natur in nordischen Gegenden. Es ist eigenthümlich wie die Men- schen gerade die Gräser hervorgehoben haben, um durch ikren Anbau eine sichere Quelle der Ernährung zu haben, obgleich die meisten von ihnen nur einen sehr kleinen Saamen haben, und daher die Erziehung grofser Massen äufserst mühsam ist; indessen ich werde diesen Gegen- stand im der letzten Abtheilung, wo über die Cultur der nahrhaften Gräser die Rede ist, ausführlicher erörtern. Mit der Cultur der Cerealien mufste sich der Mensch an feste Wohnsitze gewöhnen, und so wurden sie ein der wichtigsten Hebel für die Cultur des Menschenge- ‚schlechts; später haben sie den. Wohlstand der Völker herbeigeführt. Ueberall, wohin gegenwärtig die Völker ziehen, dahin führen sie die Cerealien mit sich, wenn nicht das rauheste Clima dem Anbaue derselben entgegensteht. Aber wie grofs der Einflufs dieses Culturzweiges auf die Physiognomie der Natur ist, das möge man in Ländern betrachten, welche seit Jahrtausenden der Sitz der eulti- virten Völker sind, wie Italien, Griechenland, der Orient, China u. s. w. Das südliche Europa ist im Verhältnifs zum nördlichen Europa baumlos zu nennen, doch sicher- 128 lich ist es in früheren Zeiten eben so reich an Wäldern gewesen, wie noch gegenwärtig Deutschland und Rufs- land, obgleich auch hier die Cultur des Bodens schon gro- fse Fortschritte gemacht hat. Welch einen herrlichen Anblick gewähren uns dıe reifenden Saaten, wenn sie, unabsehbare Felder bedeckend, von dem leisesten Winde. bewegt werden; wie das hohe Meer, vom Sturme bewegt, zeigen solche Graswälder ihren Wellenschlag, welcher durch eigenthümliche Strahlenbrechung mit einer bestän-- digen Nüaneirung der Färbung verbunden ist. Die Reis- felder in den wärmeren Gegenden bieten einen ähnlichen Anblick dar; so häufig zeigen sie allein in jenen tropi- schen Gegenden das herrliche Grün, woran der Bewohner des Nordens von Jugend auf gewöhnt ist. Indessen diese niedrigen Gräser, welche Wiesen und Triften bilden, sind nur den kälteren Regionen und den kälteren Hälften der temperirten Regionen eigen; in der subtropischen Zone und innerhalb der Wendekreise wer- den sie durch grofse, oft baumartige Formen ersetzt; schon im südlichen Europa beginnt ein riesenhaftes Gras, Arundo Donax nämlich, welches hauptsächlich im nördli- chen Afrika zu Hause ist, nun aber auch nach der neuen Welt hinübergeführt worden ist, wo es in den spanischen Colonien fast überall gut gedeiht. Die Pflanzen, welche im Allgemeinen mit dem Na- men der Gräser belegt werden, gehören zwei grofsen Fa- milien an, wovon die eine die wirklichen Gräser und die andere die sogenannten Halbgräser oder Cyperoideen ein- schliefst. Sowohl die Gräser wie die Cyperoideen haben gewisse Formen, welche in verschiedenen Zonen der Erde besonders vorherrschend sind. In den heifsen Gegenden sind es die Bambusaceen, die Saccharineen, Oryzeen, Olyreen, Chlorideen und Paniceen, welche daselbst vor allen andern Grasformen vorherrschen, ja mitunter auch dieser Zone allein eigen sind; die Hördeaceen, Bromeen und Agrostideen sind dagegen extratropische Formen. Eben dieselbe Vertheilung stimmt auch bei der Verbrei-. 129 tung der Gräser mit steigender Höhe. — Bei den Cype- raceen ist die Vertheilung der einzelnen Formen noch deutlicher; die Gattung Cyperus hat ihr Maximum in den Tropen, und sie nimmt aufserhalb der Wendekreise ab. Die Gattung Carex hat dagegen ihr Maximum in der Nähe des Polarkreises und nimmt gegen Norden und ge- gen Süden hin ab. Die Gattungen Scirpus und Schoenus greifen über das Areal jener beiden Gattungen und treten nicht so bestimmt auf. Wenngleich die Form der nordischen und der tro- pischen Gräser so wesentlich verschieden erscheint, so ist doch auch bei diesen die Erscheinung des gesellschaftli- chen Wachsthumes ganz allgemein, ja in einem ähnlichen Maafse, wie wir es an unseren nordischen Gräsern beob- achten. Die herrlichen Bambusen, welche Bäume von 30 und 50 Fufs Höhe bilden und in den Tropen und den subtropischen Zonen beider Continente vorkommen, bil- den häufig die unabsehbarsten Wälder und sind so dicht neben einander gestellt, dafs dergleichen Massen undurch- dringlich sind. Die Form der Bambusen ist aufserordent- lich lieblich, ihre schlanken Stämme mit winkelförmig ge- stellten Aesten und den leichten Grasblättern, sind etwas ganz sonderbares; der Nordländer erinnert sich bei ihrem Anblicke der vaterländischen Weiden. Auch benutzt man die Bambuse in tropischen Gegenden zur künstlichen Ver- zierung der Landschaft, ganz auf ähnliche Weise, wie man es bei uns mit der Trauerweide zu thun pflegt, und ein schöner Rasen, wenn auch hauptsächlich durch Cyperoideen gebildet, an seinem Umfange mit Bambusen umkränzt, wie ich ihn in Indien gesehen habe, gehört zu den reizendsten Naturschönheiten. Die Verbreitung der Bambusen, dieser baumartigen Gräser, hat mehrere Eigenthümlichkeiten aufzuweisen; eigentlich nur den Tropen angehörig, ist es auffallend, dafs mehrere, Arten aus dieser Familie auf der Westküste von Südamerika tief hinabgehen, denn man findet sie in Chile noch unterhalb des 36sten Grades, und auf Neu-Seeland ei 130 wohl noch tiefer. Auch auf den Südsee-Inseln finden sich Bambusen, ich habe sie auf Oahu, einer der Sandwichs- Inseln beobachtet, doch ist es noch unbekannt, zu welcher Gattung diese Art gehört. Eine andere Gruppe von riesigen Gräsern der wär- meren Zonen ist die kleine Familie der Saccharinen; sie gehören zu den anmuthigsten Formen, oft bilden sie lange undurchdringliche Haufen von schilfartigen Blättern, aus denen sich die langen und schlanken Schafte mit den gro- fsen Büscheln von Blüthen erheben, deren silberweifse Farbe schon aus weiter Ferne auffällt. Gleich hochgeho- benen Fahnen werden diese silberweifsen Knospen von dem Winde bewegt, welche zu 20 und zu 30 Stück ge- wöhnlich aus einem einzelnen Haufen dieser Pflanzen kom- men. Im nördlichen Chile, in der Provinz Copiapo, dicht an den Ufern des kleinen Baches, weicher dieses Land durchfliefst, habe ich einige der schönsten Gräser dieser Pflanzen- Gruppe aufgefunden; es waren das Gynerium Neesii n. sp. und das Gynerium speciosum n. sp., sie wuchsen daselbst neben hohen Phragmites- Arten, wärend sich das riesenmäfsige Equisetum bogotense, oft 10 und 18 Fufs hoch und mit Tausenden von Aestchen bedeckt, zwischen durch empor hob. Auch Herr v. Martius rühmt die Schönheit dieser Grasformen, welche in unabsehbaren Reihen an den Ufern der Brasilianischen Gewässer vor- kommen soll; die Indier daselbst machen ihre Pfeile aus den Blumenschaften dieser Gräser, welche oft auf 6,7, 8, und selbst auf 10 Fufs Höhe fast blattlos sind. Das Zuk- kerrohr tınd unser Arundo Phragmitis, welches die Ufer der nordischen Teiche und Seen einfafst, zeigt mit jenen Gynerien grofse Aehnlichkeit, nur an Schlankheit und Schönheit der Formen stehen sie ihnen weit nach. Auch die Cyperoideen zeigen einige sehr ausgezeich- nete Pflanzenformen, welche auf den Charakter der Land- schaft grofsen Einflufs haben;, in den niederen Fluren Ost- indiens sind sie es meistens, welche an den Ufern der 131 Ströme den grünen Rasen bilden, doch einige Gattungen dieser Gruppe zeigen hohe, schlanke Formen, wozu haupt- sächlich die Papyrus-Staude gehört, so wie die Arten der Gattung Cladium u. Ss. w. Eine andere Gruppe von grasartigen Gewächsen bil- den die Eriocaulon-Arten, meistens den heifsen Gegenden eigen, und die Eriophora, welche jene in den temperirten und kalten Zonen vertreten. Die Individuen dieser Gruppe tragen mehr oder. weniger weifs gefärbte Köpfchen auf schlanken Stielen, welche oftmals, höchst interessant con- trastirend, aus dem umgebenden dunkeln Grün hervortre- ten. In tropischen Gegenden beider Indien sind die Erio- caulen sehr gewöhnlich; im südlichen China sind sie über- all an dem Rande der stehenden Gewässer zu finden, wo sie sich oftmals zu 2, 3 und selbst 4 Fufs Höhe erheben und bei dem leisesten Luftzuge mit den Köpfchen zusammen- stofsen; die niedlichen Blümehen der Utricularia bicolor und anderer Arten dieser interessanten Gattung stehen daneben. Aber wer kennt nicht den Eindruck, welchen in unsern nordischen Gegenden die weifsen, wolligen Köpfe der Eriophora machen, wenn sie zur Reife gekommen, oft die ausgedehntesten Strecken von moorigem Sumpfboden auf das angenehmste verzieren; zwischen den Haufen der gemeinen Juncus-Arten und zwischen niedrigen Weiden erheben sie sich daselbst, und der Wind richtet sie gleich Windfahnen, bis sie ihre Laufbahn vollendet haben und zerstäubt werden. Noch eine sehr ausgedehnte Gruppe unter den Grä- sern bilden die Restiaceen, welche auf den südlichsten Theil von Afrika beschränkt sind und ganz eigenthümlich zu den monotonen Formen der übrigen charakteristischen Gewächse jenes Continentes passen. Schliefslich mache ich noch auf die Binsenform auf- merksam, welche hauptsächlich durch die zahlreiche Gat- tung Seirpus dargestellt wird,” die neuerlichst in so viele verschiedene Gattungen getheilt worden ist. Viele Jun- eoideen reihen. sich, der Form nach, ganz dicht an die 9* 132 Binsen, und führen dadurch diese Form von eigentlichen Was- serpflanzen auch auf das trockene Land. Die Binsenpflan- zen gehören zu den Uferpflanzen, deren wir schon früher pag. 71 gedacht haben; ihre schlanken blattlosen Stiele, womit sie, gleich einem Walde, die Ufer der stehenden Gewässer einfassen, imponiren durch ihre zahllose Masse, geben aber der Landschaft etwas höchst Einförmiges. 2) Die Scitamineen-Form. In der Form der Scitamineen im weiteren Sinne ist die der Gräser nicht zu verkennen; es herrscht eine grosse Aehnlichkeit zwischen beiden, nur das Blatt der Scitami- neen ist meistens breiter und fleischiger geworden, und die Blume zeigt eine Farbenpracht, welche den Gräsern gänzlich abgeht. So wie die Gräser dem gröfsten Theile der gesammten Menschenzahl die tägliche Nahrung darbie- ten, so sind es’ einige Arten der Scitamineen-Form, näm- lich die Bananen, welche den weniger ceultivirten Men- schen der tropischen Zone die gewöhnlichste Nahrung darreichen. Wärend der Mensch mit der, immer zuneh- menden Cultur der Cerealien die Landschaft einförmiger macht, wird. dieselbe, durch die Anpflanzungen der Ba- nanen in tropischen Gegenden, wenn auch unbewufst, von dem rohen Indier verschönert. Wo der Naturmensch in- nerhalb der Wendekreise seine Hütte aus Bambusrohr oder Palmblättern zusammensetzt, da pflanzt er auch ei- nige Stöcklinge von Bananen, und mit dieser Quelle von Nahrung schmückt er vorzüglich seine einfache Wohn- stätte. Man könnte die Scitamineen-Form der Gewächse in zwei Unterabtheilungen bringen, die eine möchte die Sci- tamineen im engeren Sinne umfassen, wozu die Canneen gehören, und die andere die Musaceen, welche gleichsam baumartige Scitamineen sind, wenn wir nur dem Total- Eindrucke folgen, welchen diese Gewächse in der Phy- siognomie einer Gegend auf uns machen. Zu diesen Mu- saceen gehören erstlich die Bananen, die herrlichen Ura- 133 nien und die prachtvollen Heliconien und Strelitzien. Keine andere Pflanzenform entwickelt eine solche Pracht und Mamnigfaltigkeit in der Farbe der Blüthen, als gerade die Seitamineen, selbst die Lilien- Gewächse und die Or- chideen möchten von ihnen übertroffen werden. Das Blatt der Bananen und der Uranien erlangt eine so aufserordentliche Gröfse, dafs das Parenchym derselben nach vollkommener Ausbildung nicht mehr zusammenhält, es springt in mehr oder weniger regelmäfsigen Abständen auseinander, daher auch, bei jedem grofsen Pisangbaume, immer einige Blätter vorkommen, welche mehr oder we- niger herabhängen und der Breite nach gespalten sind. Welch einen herrlichen Anblick gewährt die goldrothe Blume einer Strelitzia, in der Mitte ihrer dunkel blau- grünen Blätter! In den dichten Wäldern der Tropen fin- det sie sich auf feuchtem Boden, oft in der Nähe kleiner Gewässer, und wird durch hohe und schlanke Farrn be- schattet, welche ihr grofses und feingetheiltes Blatt be- ständig in zitternder Bewegung erhalten; oder hohe Stämme stehen daneben, deren Rinde mit einem Heer von ausge- zeichneten Schlingpflanzen bedeckt ist, aus welchen die srofsen glänzenden Blumen der Aroideen hindurchblicken. Die Urania, der Form nach eine Musa mit seitlich ge- stellten Blättern, gehört zu den üppigsten und ausgezeich- netesten Pflanzen. Die Urania speciosa hat man von Ma- dagascar nach Java übergeführt und selbst in China habe ich dieselbe angepflanzt gesehen; die Holländer nen- nen diesen schilfartigen Baum den Wasserbaum, da eine ganz enorme Masse von reinem, wasserartigen Nahrungs- safte aus dem Stamme oder den Blattstielen desselben fliefst, wenn er angeschnitten worden ist. Ich habe eine Pflanze der Art blühend gesehen, welche täglich vielleicht ein ganzes Quart dünnflüssigen Honig’s aus einer einzigen Blumenscheide absonderte und Hundert-Tausenden von In- sekten durch diesen ihren Tod bereitete. Ein Riese un- ter diesen Gewächsen ist die prachtvolle Urania ama- 134 zonica, mit welcher uns H. Martius *) bekannt gemacht hat. Auf einem Stamme von 30 Fufs Höhe entwickelt sie, in der Mitte ihrer gewaltig grofsen Blätter, eine riesenmäfsige Aehre von kahnförmigen Scheiden ; schon wenige ihrer Blätter -reichen hin, um eine ganze Hütte zu decken. Die Bananen-Form der Gewächse ist fast ausschliess- lich auf die tropische Zone beschränkt, nur wenige Ge- wächse derselben gehen über die Grenze derselben hinaus, jedoch wird die Cultur der Pisange bis weit in die sub- tropische Zone hinein betrieben. Die Gewächse mit Ba- nanen-Form pflegen unter den Wendekreisen selten über 1400 Fufs hinauszugehen, doch so wie auch die Palmen höchst auffallende Ausnahmen von diesem Gesetze auf- zuweisen haben, finden wir sie auch bei diesen Pflanzen. Herr v. Humboldt beobachtete nämlich in einer Höhe von 6600 Fufs über dem Meere eine Pisang-Form, welche 42 Fufs hoch war und ein so dichtes Gebüsch bildete, dafs man die gröfste Mühe hatte, um, mit der Axt in der Hand, einen Weg hindurch zu bahnen **). Wahrschein- lich gehört diese Pflanze zur ‚Gattung Maranta oder zur Gattung Heliconia. | Die Scitamineen, welche die Bananen-Form gleich- sam im Kleinen darstellen, sind ebenfalls auf die heifse Z,one angewiesen; ihr herrliches Laubwerk, von dem hell- sten Grün gefärbt, macht, wegen der geringeren Höhe der Pflanzen, weniger Eindruck bei der allgemeinen Physio- gnomie einer Gegend. Viele von diesen Gewächsen ste- hen gesellig neben einander; auf den Sandwichs-Inseln, wie auf den Philippinen habe ich grofse Strecken ganz mit diesen Scitamineen bedeckt gefunden. Einige Alpi- nien, Amomum-Arten und Cannen erheben sich schon zu bedeutender Höhe, und ihr breites und glänzendes Laub, *) Reise nach Brasilien III. p. xx. *") S. A. v. Humboldt Naturgemälde p. 61 und dessen Reise etc. I..p. 428. 135 verziert durch wundersam schöne Blumen, tragen zum Schmucke der tropischen Fluren nicht wenig bei. 3) Die Pandanen - Form. An die Bananen-Form oder an die Seitamineen im Allgemeinen, möchten sich die Pandanen und Dracaenen anschliefsen; ihr Einflufs auf den Character der tropi- schen Vegetation ist ganz entschieden; sie zeigen lange, mehr oder weniger gerade, linien-lanzettförmige Blätter von einem glänzenden Grün, welche in regelmäfsigen Spi- rallinien gestellt, den Gipfel mehr oder weniger hoher und gerader, oder sich windender Stämme dick belauben. Gewöhnlich sind die Pandanen-förmigen Gewächse mit unverästelten Stämmen versehen; erst mit vorschrei- tendem Alter verästelen sie sich an den Gipfeln. Aufser den Dracaenen gehört die zahlreiche Gattung Pandanus und Freycinetia hieher. Die wirklichen Pandanen gehö- ren der alten Welt an und herrschen daselbst innerhalb der Wendekreise; die Gattung Freyeinetia geht tiefer hinab, denn sie kommt selbst auf der Norfolk-Insel zum Vorschein. Die Pandanen der neuen Welt, nämlich die Gattung Phytelephas Ruiz et Pav., sind stengellos und haben gefiederte Blätter *), aber auch das Phormium te- nax von Neu-Zeeland und dessen Umgegend, wäre als eine stengellose Pandanen-Form zu betrachten. Einige Dracaenen gleichen in der Form den Scita- mineen; Dracaena terminalis bald mit grünem, bald mit rothgefärbtem Laube, ist eine ausgezeichnet schöne Pflan- zenform, welche auf den Inseln der Südsee sehr häufig vorkommt. “Auf den Sandwichs-Inseln pflanzt man dieses Gewächs rund um die Hütten und bildet mit demselben lebende Zäune von eigenthümlicher Schönheit, welche. die Höhe von 5 Fufs nicht zu übersteigen pflegen. Die knol- lige Wurzel der Dracaena terminalis ist reich an Amylum und Zucker, daher sie zur Bereitung geistiger Getränke *) $S. Kunth Handbuch der Botanik. Berlin 1831 p. 240. 136 mit grofsem Vortheile angewendet wird; man schneidet alsdann die Wurzel von den ausgezogenen Stämmen ab und steckt diese später wieder in die Erde, wo sie als- bald ihre Wurzeln von Neuem treiben. Der kolossale Drachenbaum (Dracaena Draco), wel- cher in dem Städtchen Orotava auf Teneriffa steht, ge- hört zu dieser Pflanzen-Form; seine Höhe von 70 Fufs und sein Umfang von 45 Pariser Fufs *) machen ihn zu einem Riesen unter den Pflanzen, dessen Alter we- nigstens über die Erbauung der Pyramiden hinausgehen mufs. Der Stamm dieses Baumes ist hohl, so dafs man gegenwärtig in demselben durch eine Treppe bis zu der Höhe hinaufgehen kann, wo er sich in Aeste zu theilen beginnt. Am 21. Juli 1818 hat ein heftiger Or- kan einen grofsen Ast von diesem Colosse abgebrochen, wodurch ein freier Raum an dieser Stelle entstanden ist, auf welchem mehrere Personen stehen können. In den früheren Zeiträumen ist der ächte Drachenbaum gleich ei- nem Bananen-Gewächse astlos; erst im höheren Alter entwickelt er Aeste und dann erhält er, dem Habitus nach, gröfsere Aehnlichkeit mit den wahren Pandanen. Die Pandanen, nämlich die Arten der zahlreichen Gat- tung Pandanus, sind überall in tropischen Gegenden der al- ten Welt zu Hause, wo die Erde oder die Atmosphäre eine hinreichende Menge von Feuchtigkeit besitzt. Auf der Halbinsel Macao, im südlichen China, habe ich die üppigsten Pandanen selbst im fliegenden Sande beobach- tet, doch nicht sehr entfernt von dem Meere, wo also die Luft bedeutend feucht war. Auf den Philippinen, auf Java, Sumatra und auf den Halbinseln Indiens herrscht überall, von der Küstengegend an bis in die Regionen der baum- artigen Farrn, die Pandanen-Form vor. Oftmals bilden die Pandanen gerade aufsteigende Stämme von bedeuten- *) Siehe Alex. v. Humboldt’s Ansichten der Natur. 1808. p: 236. und Observations sur le Dracaena Draco L. par Sabin Berthelot, ın den Novis Actis Acad. C. L. C. nat: curiosorum. Tom. XI, Pars II. p. 773. mit schönen Abbildungen von diesem Baume. 137 der Dicke, deren Blättermasse eine Krone von der Form einer Kugel darstellt; andere Arten, mit weniger dicken Stämmen, leben in mehr oder weniger grofsen Massen gesellschaftlich nebeneinander, und ihre blattlosen Stämme, nur an dem Gipfel belaubt, winden sich nach verschiede- nen Richtungen. Aber die sonderbarsten und nur der heifsen Zone eigenthümlichen Formen zeigen die Panda- ‚nen, wenn ihre Stämme mit Luftwurzeln bedeckt sind, die gleich dicken, straffigezogenen Tauen, nach allen Richtun- gen hin in die Erde steigen und den Hauptstamm festhal- ten. Auf den Gebirgen der Philippinen, und zwar in der Region der baumartigen Farrn, da habe ich die sonder- barsten Bildungen der Art kennen gelernt; aus einer Höhe von 12 und 15 Fufs stiegen die Luftwurzeln dieser Pan- danen-Stämme hinab und, indem sie mehrere Fufs entfernt von dem Stamme in die Erde hineingehen, führt der Weg oft zwischen ihnen hindurch, wenn nicht ihre zu grofse Anzahl dem Vorschreiten hinderlich ist. Aber nicht nur in der Physionomie der Natur spie- len die Pandanen eine so grofse Rolle, sondern auch im Haushalte der Menschen; die Blätter aller Pandanen wer- den zur Bereitung von groben Matten benutzt und in den Wohnungen der Indianer findet man sie häufig in Anwen- dung gesetzt. Auf den Südsee-Inseln ist der Pandanus odoratissimus der gewöhnlichste, welcher vielfach benutzt wird; seine Blüthen sind von dem ausgezeichnetsten Ge- ruche, so dafs dieser Baum in Arabien und Aegypten *) seiner Blumen wegen cultivirt wird. Die Indianerinnen auf den Südsee-Inseln bestreuen sich mit dem Blumen- staube dieser Pflanze die Haare **). Die Frucht dieses schönen Pandanus erreicht die Gröfse eines Kinderkopfes und ist aus vielen Steinfrüchten zusammengesetzt; sie äh- nelt der Ananas, mit der sie auch die herrliche Goldfarbe *) $. Bove Relation abrege d’un voyage botanique en Egypte dans les trois Arabies, en Palestine et en Syrie etc. *) S. Forster De plantis esculentis insularum Oceani australıs. Berolini 1786. pag. 41. 138 gemein hat, aber der innere Theil der einzelnen Frucht- schuppen (Steinfrüchte), ist von der schönsten gelben Farbe. Die Indianerinnen der Südsee-Inseln fädelen die einzelnen Schuppen der Frucht zu langen Kränzen, wo- mit sie den Hals, den Kopf und die einzelnen Arme ver- zieren, auch lange Kränze davon über die Schultern ge- worfen tragen. In Fällen der Noth, wenn grofser Mangel an Früchten herrscht, wird auch die Frucht des Pandanus odoratissimus als Nahrungsmittel gebraucht, doch ihre fa- serige und holzige Struktur möchte nur sehr. wenigen Nahrungsstoff geben. Man saugt nur den inneren Theil der einzelnen Fruchtschuppen aus. 4) Die Form der Ananasgewächse. Die Ananas-artigen Gewächse schliefsen sich unmittel- bar an die Pandanen an; die Form ihrer Blätter ist fast dieselbe, nur werden sie von einem mehr graublauen Grüne getüncht. An Blüthenpracht übertreffen sie die meisten der tropischen Pflanzen-Formen; grofse Aehren oder Rispen entwickeln sie aus dem Centrum ihrer Blät- termasse, deren einzelne Blüthen die mannigfaltigsten Far- ben zeigen. Eine grofse Anzahl dieser Pflanzen ist sten- gellos und nur sehr wenige zeigen einen Stamm, ähnlich den Pandanen-Gewächsen. Die Ananas (Bromelia Ananas L.), welche in un- sern Gewächshäusern gezogen wird, ist ein Repräsentant dieser Pflanzenform, welche aber innerhalb der Wende- kreise, wo ihr Vaterland ist, eine Höhe von 4 und 5 Fufs erreicht. Ich glaube sicherlich, dafs die Ananas in der neuen und in der alten Welt zu Hause ist, denn schon Pigafetta, auf der ersten Weltumsegelung unter Magalhaen, beschreibt die Ananas als eine der kostbarsten Früchte der moluccischen Inseln, jedoch ist es wahrschein- lich, dafs diese Früchte verschiedenen Arten angehören. Die Ananas, sagt Barchwitz *), indem er von.Lethy und *) Ost-Indische Reiscbeschteibung. Erfurt 1751. p. 239. 139 den anderen Süd-Western-Insein spricht, wächst gerne an Flüssen und feuchten Oertern und ist 13 Ellen hoch. Auf Banda läfst man die zerschnittene Ananas-Frucht eine Viertelstunde in Brunnenwasser liegen, ehe man sie mit Wein ifst. In der Aequatorial-Zone und in den tropischen Zonen Amerika’s wird die Ananas in grofser Menge an- getroffen, und in Surinam, in Brasilien, wie auch in In- dien, wird sie zur Einfassung der Felder benutzt, indem sie sehr dichte, gegen Thiere schützende Hecken bilden, da ihre Blätter scharf gerandet und gezähnt sind. Auf Singapore wird die Ananas im Grofsen gebauet, um ihre Blattfasern zur Bereitung feiner Zeuge zu benutzen. Die meisten Ananas-förmigen Gewächse erscheinen, ihrem Totaleindrucke nach, gleich stengellosen Pandanen; sie gehören aber hauptsächlich zu denjenigen Pflanzen, welche die grofse Ueppigkeit, ja das Uebermaafs hervorrufen hel- fen, wodurch sich eine echt tropische Vegetation auszeich- net. Die Bromelien, die Tillandsien, Pitcairnien, Guzman- nien und andere Gattungen, leben in gröfster Anzahl, als parasitische Gewächse auf der Rinde und den Aesten an- derer Bäume. In Peru habe ich einzelnstehende Bäume und Sträucher gesehen, welche fast ganz mit Tillandsien bedeckt waren, aus deren bleigrauem Laube die pracht- vollsten Blüthen-Aehren sich erhoben und auf deren Blät- ter wiederum niedliche goldgelbe Ramalinen wuchsen. Die Tillandsia usneoides L. von einer bleichen, silbergrauen Farbe überzieht die tropischen Bäume Amerika’s wie mit einem Flore, ähnlich den langen Usneen in den Kiefer- waldungen feuchter nordischer Gebirge; doch jene Tilland- sia erreicht eine aufserordentliche Länge, und hängt in Massen herab, welche oft die einzelnen Theile der Bäume ganz verschleiern und, von dem leisesten Winde bewegt, hin- und herwallen, wie riesenhafte Silberlocken. Andere Pflanzen dieser Form imponiren durch ihre riesigen Mas- sen, denn die Bromelia Pinguin, wie H. v. Martius *) be- *) Reise nach Brasilien. III. pag. XVII. 140 richtet, breitet ihre mächtigen Blätterbüschel auf zwölf Fufs im Durchmesser aus und, obgleich sie selbst eine Schmarotzerpflanze ist, wird sie ebenfalls mit Moosen und anderen kleinen Schmarotzergewächsen überzogen. Ob- gleich diese Ananas-artigen Gewächse den heifsen Zonen eigenthümlich angehören, so giebt es doch einige Formen von Tillandsien, welche sich auf tropischen Gebirgen zei- sen, daselbst in der alpinen Region zu Hause sind und selbst bis in die Region des ewigen Schnee’s hineinragen. Diese kleinen Tillandsien, welche auf den grofsen Höhen der Cordillere vorkommen, bilden daselbst die ausgebrei- tetsten Rasen, welche durch die bleigraue Farbe ihres Lau- bes den einförmigsten Anblick gewähren. Ja auf den Hö- hen von Mexico ist eine Usneen-artige Tillandsia, hoch in der temperirten Region, zu Hause; sie bedeckt die Co- niferen, besonders den Juniperus jener Gegenden, so wie die interessanten Yucca-Bäume, als Yucca filamentosa, welche durch jene Schmarotzerpflanzen mehr weifs, als grün erscheinen *). Durch die eigenthümliche Form der Blätter dieser Pflanzen, welche wie Schuppen den Stengel umschliessen, werden in der Tiefe ihrer Blättermassen kleine Behälter gebildet, welche sich mit Thau und Regenwasser füllen und dieses noch lange frisch erhalten, wenn schon rings umher, durch den Eintritt der trockenen Jahreszeit, aller Regen und alle Feuchtigkeit verschwunden ist. Der Rei- sende mufs sich öfters mit diesem Wasser behelfen, wel- ches meistens schon von einer Unzahl von Insekten und von Laubfröschen in Besitz genommen ist. 5) Die Agaven-Form. Die Agaven-förmigen Gewächse zeigen unter den Monocotyledonen, neben den Palmen die schönsten For- men, und viele von ihnen sind auch von riesenhafter *) Schiede Botanische Berichte über Mexico. Linnaea. Bd. 1829. pag. 2295— 230. 14 Gröfse, sowohl die stammlosen, als auch diejenigen, welche mit mehr oder weniger hohen: Stämmen versehen sind. Das Laub der Agaven-förmigen Gewächse besteht in erofsen Büscheln, deren Blätter äufserst fest und starr, oft aber dick und fleischig sind; diese. linien -lanzettför- migen Blätter, oftmals von einer enormen Ausdehnung und Masse, stehen dicht übereinander und breiten sich nach allen Richtungen aus. Um so interessanter erscheint diese Pflanzenform, wenn jenes Büschel starrer Blätter auf hohe und schlanke Stämme gesetzt ist, wie dieses bei der Gattung Yucca, der Gattung Fourcroya, Vellozia und Barbaeinia der Fall ist; alles Pflanzenformen der. neuen Welt. Die Gattung Fourcroya Vent. zeichnet sich ganz vorzüglich durch riesenhafte Massen aus, welche in äufserst interessanter Form auftreten; die Fourcroyen, wie ihre nächsten Verwandten, die Agaven, gehören dem mexikani- schen Reiche und den nördlichsten Gegenden Südameri- ka’s an, diejenigen Formen, welche man auf Madagascar und im südlichen China davon gefunden haben will, wer- den wahrscheinlich einer anderen Gattung angehören. Die Agaven und Fourcroyen erreichen oft ein sehr hohes Al- ter, bis sie zur Blüthen-Entwickelung kommen, und mit dieser Lebensperiode, worin sie sich, der übermäfsigen Masse von Blüthen wegen, welche sie entwickeln, gleich- sam überreitzen, ist ihre Laufbahn zu Ende; sie sterben alsdann ab. Im Jahre 1793 blühte im Pflanzen - Garten zu Paris die prachtvolle Fourcroya gigantea, nachdem sie seit dem Anfange des Jahrhunderts daselbst gezogen wor- den war. Indessen ein Riese aus dieser Gattung, sowohl durch seine Gröfse, wie durch sein hohes Alter, ist neu- lich in der Fourcroya longaeva Karw. et Zuccar. *) be- kannt geworden, denn diese Pflanze, welche Karwinski auf den Gebirgen der mexikanischen Provinz Oaxaca, in *) Ueber einige Pflanzen aus den Gattungen Agave und Four- eroya von Zuccarini. Acta Acad. C. L. C. Tom. XVI. pars II. pag. 569 mit einer vortrefflichen Abbildung der Fgureroya longaeva auf Tab. XLVINM. 142 einer Höhe von 9—10000 Fufs gefunden hat, zeigte ei- nen schlanken Stamm von 40—50 Fufs Höhe und 12—18 Zoll Dicke, wo dann erst das grofse Büschel von 5—6 Fufs langen Blättern begann, aus dessen Centrum sich eine Rispe von 30—40 Fufs Höhe erhob, welche über und über mit unzählbaren weifsen Blumen bedeckt war, Demnach erreichen die Fourcroyen, diese gestämmten Agaven, deren Stämme so schlank wie diejenigen der Pal- men sind, eine absolute Höhe von 80-90 Fufs; welch einen Anblick mufs solch ein schilfartiges Gewächs dar- bieten! Ein Alter vielleicht von 3—400 Jahren ist dazu nöthig, um solch eine monocotyledonische Pflanzenform zu entwickeln. An diese Pflanzenform schliefsen sich un- mittelbar die mexikanischen Yuccen an, welche auch mit jenen unter ganz ähnlichen Lokalverhältnissen vorkommen. Herr Schiede *) erzählt von diesen schattenlosen Wäl- dern der mexikanischen Gebirge, welche in der Region der Coniferen daselbst vorkommen, und aus Bäumen .be- stehen, deren Höhe über 30 Fufs hinausgeht; die sonder- baren Usneen-förmigen Tillandsien von silbergrauer Farbe hängen von ihnen in grofsen Massen herab und: geben dem Baume ein winterliches Kleid, wärend die naheste- henden Arten dieser Gattung, in den wärmeren Regionen dieser Landschaft, eine Lebendigkeit und durch ihre schö- nen Blüthen eine Pracht entwickeln, welche nur von we- nigen andern Pflanzenformen übertroffen wird. So wie die riesenmäfsige Rispe der Fourcroya durch ihre Masse imponirt, denn die Fourcroya longaeva mag vielleicht mehr als 20000 Blüthen in ihrer Rispe entwickeln, so macht die Blüthe der Yucca einen angenehmen Eindruck durch ihre Schönheit, denn man denke sich eine Menge von Tul- pen-ähnlichen Blumen von den ausgezeichnetsten Farben, auf hohen Stämmen vereinigt. Einige der Yuccen, so wie die Vellozien und Barbacenien sind mit wenig verästelten Stämmen versehen, und zeigen alsdann eine grofse Aehn- *) L_ c. Linnaea von 1829. pag. 223, 143 lichkeit mit den Pandanen-förmigen Gewächsen, so dafs andere Botaniker die Dracaenen sogar: zur Agaven-Form gezogen haben *). Gewifs ist es, dafs die Pandanen-Form einerseits durch die Dracaenen, so wie die Agaven -Form durch die Yuccen in einander übergehen. Auch die Aga- ven Mexiko’s, welche gleichsam stammlose Fourcroyen sind, imponiren durch ihre eigenthümliche Form, wie durch ihre Massen; obgleich ihre Blätter grofs und fleischig sind, wachsen sie dennoch in Gegenden, deren Boden fast was- serlos ist, denn oftmals besteht er ganz aus Felsen, nur hie und da etwas Dammerde zeigend. Die üppigen Blu- men-Rispen, welche diese Gewächse, oft zu 16 und 20 Fufs Höhe, mit Tausenden von Blüthen geschmückt ent- wickeln, tragen nicht wenig dazu bei, die öden Gegenden zu beleben, in welchen die Agaven meistens wachsen. Bekanntlich sind einige Arten dieser Gattung ganz vor- zügliche Nutzpflanzen, und sie werden von den Mexika- nern in einem sehr ausgedehnten Maafsstabe cultivirt. In der alten Welt gedeihen diese Pflanzen bei entspre- chenden Climaten sehr wohl, und auch hier giebt es Ge- genden, wo die Agaven in solcher Menge angepflanzt sind, dafs sie auf den Character der Vegetation einen wesent- lichen Einflufs ausüben. Auf den Canarischen Inseln und auf St. Helena benutzt man die Agaven zur Bepflanzung der Wege, und wenn diese Pflanzen daselbst zur Blüthe kommen, gewähren sie, schon aus der weitesten Ferne, den reizendsten Eindruck. Den Agaven der neuen Welt entsprechen die Aloe- (Gewächse in der alten Welt; viele von ihnen gleichen, dem Habitus nach, auf das genaueste den Agaven -förmi- gen Gewächsen, sowohl denen mit Stämmen, als auch den- jenigen ohne Stämme. Fast alle Aloe-Arten sind im süd- lichsten Afrika zu Hause, wo sie die subtropische Zone einnehmen; nur einige wenige Formen repräsentiren diese Gattung in der subtropischen Zone der nördlichen Hemi- *) S. v. Martius Reise nach Brasilien. III. pag. XVl. 144 sphäre, wie z. B. Aloe vulgaris De Cand. in Griechenland, in Arabien und weiter östlich nach Indien hin, selbst auf den Mascarenischen Inseln kommt noch eine Art dieser Gattung, nämlich Aloe macra Haw. vor, doch in der neuen Welt fehlt diese Pflanzengruppe gänzlich; einige Arten sind gegenwärtig daselbst eingeführt und werden ange- bauet.. Auch die Aloe-Gewächse zeigen mitunter ganz riesenhafte Individuen; die Aloe dichotoma, welche auch in unseren Gewächshäusern eine bedeutende Gröfse er- reicht, soll am Cap der guten Hoffnung zuweilen einen Umfang von,;3 bis 400 Fufs erreichen, und dennoch ist der Boden im Allgemeiner nirgends trockener, als gerade in diesen Gegenden, wo die Aloe-Gewächse vorkommen. Durch einige Lachenalien schliefsen sich die Aloe-Ge- wächse an das Phormium von Neu-Seeland und durch dieses an die Pandanen-förmigen Gewächse. 6) Die Palmen. Als die edelste aller Pflanzenformen betrachtet man die Palmen; so vielfach verschieden sie auch sind, so be- steht ihr Charakter dennoch. in einem hohen nnd schlan- ken Stamme, auf dessen Gipfel ein mächtiges Büschel von riesenmäfsigen Blättern emporsteigt. Die Palmen errei- chen mitunter die aufserordentlichste Höhe, so dafs sie hoch über die Gipfel der höchsten tropischen Wälder hin- aussteigen. Palmen von 70, 80 und 100 Fufs sind gar nicht selten, doch die Wachspalme aus der Cordillere von Quindiv., welche Herr Alexander v. Humboldt und Bon- pland beobachtet haben, erreicht eine Höhe von 160—180 Fufs und noch dazu, was aufserordentlich auffallend ist in einer Höhe von 9000 Fufs, wärend die Palmen inner- halb der Wendekreise nur selten über 3000 Fufs hinaus- gehen. Wie auffallend contrastiren dagegen die stammlo- sen Palmen, welche den Gattungen Chamaerops und Nipa angehören, nur selten erreichen diese in freier Natur eine Höhe von 5—6 Fufs, dagegen wird Chamaerops humilis in Gärten zu einem hohen Baume gezogen mit schlankem D 145 Stamme. Ganz abweichend von diesen hochstämmigen Palmen sind die rohrartigen mit dünnem, gewundenen Stamme, wozu die Gattung Calamus gehört; sie sind die stacheligten Schlingpflanzen in den Wäldern der heifse- sten Region Ostindiens. Oft eine Länge von 4-, 5- und 600 Fuis erreichend, steigen diese schlanken und meistens sich windenden Stengel auf die Gipfel der höchsten Bäume, von wo aus sie wieder herabsteigen oder nahestehende Bäume umschliefsen, und diese auf das festeste mit ein- ander verbinden. Doch das schöne gefiederte Blatt dieser Rohrpalme, welches mit dem schlingenden Stengel auf der Rinde dicker Baumstämme hinaufsteigt, dient nicht wenig zur Belebung und Verzierung jener Urwälder. Nicht nur die Form der Blätter, welche bald lang und einfach ist, bald gefiedert und bald fächerförmig ist, nicht nur das dunkele glänzende Grün, oder der silberweifse Anflug, welchen die Blätter vieler Palmen zeigen, sondern die Richtung und die Gröfse dieser Blätter, im Verhältnisse zu der Höhe des ganzen Stammes sind es, welche den Palmen ein so verschiedenartiges Ansehen geben. Welche Majestät mufs die Jagua-Palme zeigen,. welche die Granitfel- sen in den Katarakten von Atures und Maypure umkränzt? Ihre schlanken und glatten Stämme erheben sich, wie Herr Alexander von Humboldt erzählt, bis 60 und 70 Fufs Höhe, so dafs sie über das Dickigt des Laubwaldes, wie Säulengänge hinausragen. Ihre Blätter, meistens nur 7 bis S Stück, gehen fast senkrecht, 14 bis 16 Fufs hoch auf- wärts, und bilden ein luftiges, leicht sich bewegendes Ra- pital zu jenen Säulen. Welche Ueppigkeit und welche Pracht zeigen dagegen die Fächer- und Schirm-Palmen, deren ausgedehnte Wedel, mehr oder weniger horizontal laufend, die ganze Umgegend beschatten,- wenn sie, hoch genug, durch den Stamm emporgehoben sind. Die Mani- caria saccifera Gaertn., die einzige brasilianische Palme mit ungetheilten Blättern, bringt dieselben von 20 Fufs Länge und 6 Fufs Breite hervor. Diese Blätter werden ihrer Gröfse und Festigkeit wegen ganz vorzüglich zum 10 146 Dachdecken benutzt *). Weniger schön, ja man möchte sagen: keine Spur von der Ueppigkeit einer ausgewach- senen Fächerpalme zeigend, erhebt sich die niedere Cha- maerops nur bis zu einer geringen Höhe, und fällt mehr durch ihre auffallende Form in die Augen, als durch ihre Schönheit. Andere Palmen, welche die Wedel ihrer hohen Kro- nen herabhängen lassen, ‘gewären wiederum einen anderen Eindruck, ganz verschieden von demjenigen, welchen die schlanken, mit himmelanstrebenden Wedeln besetzten Pal- men-Stämme hervorzurufen vermögen. Auf der Westküste von Südamerika, besonders in Chile, hat man, mitten in den Klostergehöften einen hohen Palmbaum stehen; in Chile ist es die ehemalige Cocos chilensis, gegenwärtig durch den unglücklichen Bertero Molinaea mierococos ge- vannt, sie bildet glatte, hohe und dicke Stämme, welche durch ihre Masse imponiren, doch die herabhängenden Wedel ihrer Laubkronen und das bleiche Ansehen dieser Blätter, wie die Bleifarbe ihres Stammes macht einen höchst melancholischen Eindruck, entsprechend dem des ganzen Klosterlebens. ; Nicht wenig verschieden ist der Antheil, welchen die Palmen, bei der Darstellung der Physiognomie der Natur nehmen, je nachdem sie einzeln aus der Mitte anderer Gewächse hervorragen, oder in mehr oder weniger grofsen Massen gesellschaftlich neben einander wachsen; es sind mehr die zwergartigen Palmen, welche in grofsen Massen neben einander wachsen, und da,scheint dieses gesell- schaftliche Wachsthum auf die Gleichmäfsigkeit des er- forderlichen Bodens zu beruhen. In den sumpfigen Ge- genden der Philippinen, der anderen naheliegenden grofsen Inseln, so wie der Moluccen, findet man weit ausgedehnte Flächen, welche ganz mit der Nipa-Palme (Nipa frutes- cens L.) bedeckt sind, die ihre Stämme im Moore ver- steckt hält. Auch der Chamaerops Palmetto, in der Nähe ”) v. Martius Reise III. 989. f EEE SEE ESSENER 147 von New-Orleans, bedeckt in unabsehbaren Schaaren die ausgedehnten Sümpfe, welche in der Nähe dieser Stadt liegen; auch Chamaerops humilis, der Repräsentant der Palmen in Europa, liebt die sumpfigsten Gegenden und kommt auf diesen, sowohl in Italien, wie in Sicilien und in Spanien vor, stets in grofser Gesellschaft, doch durch ihre geringe Höhe wenig auf den Charakter der Gegend einwirkend. Es giebt aber auch hochstämmige Palmen, welche gesellschaftlich wachsen und Wälder bilden, deren bezauberndes Bild schon so oft die Phantasie des Dich- ters erregt hat. Die Dattelpalme, welche uns zunächst vorkommt und ganzen Nationen die Hauptnahrung dar- bringt, bietet einen gesellschaftlichen Pflanzenwuchs dar, in dessen Schatten sich die Menschen ansiedeln. Auch die weltberühmte Cocos-Palme (Cocos nucifera L.), welche die Küsten Indiens, wie auch die Ufer der Südsee-Inseln belebt, erscheint nicht selten in mehr oder weniger grofsen Gesellschaften. In gröfseren Massen neben einander wächst die Fächer-Palme am Ausflusse des Orinoco, die berühmte Mauritia flexuosa L. nämlich, ein Baum, welcher den wilden Guaraunen ihre Unabhängigkeit sichert. An den neben einander stehenden Stämmen dieser Palmwälder er- richten jene Völker ihre Hütten auf festgebundenen Mat- ten, und, wenn der Boden überschwemmt ist, dann leben sie, gleich den Affen, hoch auf den Bäumen und fahren in kleinen Kähnen von Ort zu Ort. Eine Naturscene der Art findet sich in v. Sack’s Reisebeschreibung nach Suri- nam. dargestellt. So viel man von dem Lobe der Palmenwälder gehört hat, so häufig die Dichter das Reizende solcher Natur- scenen besungen haben, und so gewifs es auch ist, dafs die edele Form der Palmen alle übrigen Bäume übertrifft, und die Palmenhaine, durch ihre stolzen, himmelanstre- benden Stämme auf eigenthümliche Art imponiren, so sucht man dennoch vergebens in diesen Palmenwäldern nach der lachenden Schönheit, welche ein hellbelaubter Laub- wald in unseren nordischen Regionen darbietet. Der kühle 10 * 148 Schatten unserer Buchenhaine und das Heer der fröhlichen Sänger wird dorten vergebens gesucht. Doch die Palme ist die edelste Pflanzenform, sie gehört fast ausschliefslich den heifseren Gegenden an, wohin man einst die Wiege des Menschengeschlechts setzte, und ihr Lob schliefst das der ganzen wärmeren Zone mit ein, denn wo die Palmen wachsen, dahin versetzt man das glückliche Clima, wo die Natur selbst, ohne Zuthun des Menschen, eine Fülle von herrlichen Nahrungsmitteln erzeugt, wo die Rinde der Bäume die hinreichende Kleidung giebt, und jeder Ort, unter dem Schutze eines leichten Blätterdaches, dem Men- schen die angenehmste Wohnung darbietet. Dahin, wo die süfse Frucht der Dattel reift, wo die Cocos-Palme maje- 'stätisch sich erhebt, setzt man den Sitz des glücklichen Naturmenschen. Der fantasiereiche Dichter preist das Land, wo der Mensch noch in solchem Naturzustande lebt. Die Form der Palmen nimmt im Allgemeinen an Schön- heit zu, je mehr man sich dem Aequator nähert; gerade- stämmig und unverästelt ist ihre Normalform, doch die schöne Palme von Theben, die Cucifera thebaica *), nimmt einen verästelten Stamm an. Eine kleme Unterabtheilung in der Palmen-Form bil- den die Cycadeen, einschliefsend die Gattung Cycas und Zamia. Die Arten der Gattung Cycas gehören der Form nach gänzlich zu den Palmen, obgleich die Struktur ihrer Früchte die Gattung näher den Coniferen stellt; sie sind nur der alten Welt, hauptsächlich den östlichsten Gegenden derselben eigen. Die Zamien dagegen weichen bedeutender von der Form der Palmen ab, und die afri- kanischen und neuholländischen Arten dieser Gattung bie- ten oftmals die sonderbarsten Gestalten dar. In den-trocke- nen und vegetationslosen Ebenen des südlichen Afrika’s, da wo der Straufs seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, da *) Eine schöne Abbildung dieser Pflanze findet sich in dem grofsen französischen Werke über Aegypten. 149 - stehen die Zamien mit ihren bizarren Formen *); es sind unförmlich dicke Stämme, nur wenig hoch und auf ihren Gipfeln mit einem Schopfe weit aus einander stehender Wedel besetzt. Es liegt, wie ich sagen möchte, etwas höchst ungeschicktes und unproportionirtes in der Gestalt dieser palmartigen Gewächse, welches ganz zu der Einför- migkeit einer südafrikanischen Landschaft palfst. 7) Die Farrn-Form. So aufserordentlich verschieden die Form der Farrn- kräuter ist, so sind die hohen und stämmigen Arten und Gattungen dieser Pflanzen den Palmen so nahe stehend, ihrer Form nach wenigstens, dafs es zuweilen möglich wird, die Stämme -dieser beiden Pflanzenformen mit ein- ander zu verwechseln; dafs dieses auch oftmals schon statt gefunden hat, beweisen die Angaben von den vielen versteinerten Palmen in unsern nordischen Gegenden, wel- che, wie neuere Untersuchungen nachgewiesen haben, fast durchgängig den Farrn und Cycadeen angehören. Die Farrnbäume vereinigen in sich den edlen Wuchs der Palmen mit der Zartheit der niederen Farrn, und er- langen dadurch eine Schönheit, wie die Natur wohl nichts Aehnliches wieder aufzuweisen hat. Von den Farrn sind es hauptsächlich die hohen mehr baumartigen, welche auf die Physiognomie der Vegetation einen besondern Einflufs ausüben, und diese sind es auch, welche den Palmen am meisten ähneln. Man kann die ganze Gruppe der Farrn ihrer Form nach in drei verschiedene Abtheilungen bringen, nämlich in krautartige, in strauchartige und in baumartige Farrn. Die Zahl der krautartigen Farrn ist hauptsächlich den temperirten und kalten Zonen eigen; hier sind nur äu- fserst wenige Arten, welche einen kleinen Stamm bilden **) Siehe hiezu die bildlichen Darstellungen über das Vorkom- men dieser Pflanzen, in der allgemeinen Gartenzeitung von 1834 Nro. 41. Tab. I. und Tab, IV. 150 , und eine Höhe in ihren Wedeln erreichen, welche sie den strauchartigen Pflanzen ähnlich macht. Struthiopteris ger- manica ist ein solches Farrnkraut unserer Zone, welches die strauchartigen Farrn der subtropischen und tropischen Zone in unseren kälteren Gegenden repräsentirt. Viel- leicht findet man unsere Benennung: strauchartige Farrn, anstöfsig, da alle diejenigen, welche dazu gehören, eigent- lich Bäumchen mit kleinen Stämmen sind, ganz so, wie die sogenannten stammlosen Palmen; indessen wir wäh- len nur defshalb einen solchen Namen für diese Gruppe von Farın, um sie dadurch entsprechend von den hohen, baumartigen Farrn zu unterscheiden, und um dadurch die physiographische Schilderung einer Gegend specieller aus- führen zu können. Auch unter den krautartigen Farrn giebt es einige, welche eine aufserordentliche Höhe errei- chen, wie die Pteris aquilina, welche in unseren Climaten so häufig grofse Flächen bedeckt; doch ihre Wedel stehen einzeln, nie in solchen Büscheln vereinigt, wie ber den strauchartigen Farrn, wo die Wedel aus dem Gipfel eines kleinen Stämmchens hervortreten. Die Zahl der krautartigen Farrn ist auch in den hei- fseren Gegenden nicht minder grofs, doch der Einflufs, den sie auf den Charakter der Vegetation daselbst aus- üben, ist von ganz anderer Art, denn, so wie in kälteren Zonen die krautartigen Farrn, in der Erde wachsend, so zahlreich sind, so sind es in den heifsen Gegenden die strauchartigen, wärend hier die krautartigen Farrn mehr als Schmarotzer- Gewächse, nämlich auf den Stämmen und Aesten anderer Gewächse, vorkommen, wo sie, oft durch ihre höchst interessante Form, oft durch die Art ihrer Befestigung, und oft durch ihre Färbung der grofsartigen Vegetation einen eigenthümlichen Charakter von Schön- heit und Ueppigkeit geben. Der heifsen Zone, innerhalb der Wendekreise nämlich, sind die baumartigen Farrn ei- genthümlich; sie erheben sich mit schlanken Stämmen: von 20 bis 28 Fufs Höhe, auf deren Gipfel grofse, oft 8 und 9 Fufs lange, dreifach gefiederte und getheilte Wedel ent- r . 151 springen, welche, bei ihrer aufserordentlichen Zartheit, durch den leisesten Wind in beständiges Erzittern gesetzt werden. & Diese schlanken, oft ganz glatten, und durch die zu- rückgebliebenen Blattnarben niedlich gezeichneten Stämme erreichen eine Höhe von mehr als 20 Fufs, und sind zu- weilen nicht dicker als 3 Zoll. Auf einigen der ostin- dischen Inseln treten die baumartigen Farrn in solchen Massen auf, dafs ihre Stämme wie die schlanken Fichten- und Tannen-Stämme in unseren Schonungen dicht neben einander stehen. Zuweilen erreichen die Stämme dieser Farrn eine bedeutendere Dicke, oft selbst bis zu 8 Zoll im Durchmesser, doch in diesen Fällen sind sie meistens mit einer dicken Schicht von mehr oder weniger dicken Luftwurzeln umkleidet. WUeberall in den Tropen, wo die baumartigen Farrn vorkommen, von der Ebene an bis zu 3- und zu 4000 Fufs Höhe, da ist der Boden und die Atmosphäre reich an Wasser, ja sie scheinen vorzüglich _ feuchte Gegenden zu lieben, wo sie neben Musaceen und Scitamineen am besten gedeihen. Auch die strauchartigen Farrn leben in einer feuchten Atmosphäre, daher sie auf den Inseln der Südsee in gröfster Anzahl auftreten; doch, wie es mir scheint, herrschen sie mehr gegen die Wende- kreise zu, als in der Aequatorial-Zone, daher sie auch auf den Gebirgen der Tropen weniger am Fufse, als in einer Höhe zwischen 2- und 3000 Fufs erscheinen. 8) Die Mimosen-Form. Von den baumartigen Farrn gehen wir zu den Mi- mosen-Formen über, Gewächse, deren Laub eben so fein wie dasjenige der Farrn zertheilt ist, und oft noch nied- licher erscheint. Die Mimosen und Sophoren mit ihren fein gefiederten Blättern gehören ebenfalls fast ausschliefs- lich der heifsen Zone an, wenigstens erreichen sie daselbst überwiegend ihr Maximum. Sie treten als Sträucher und als Bäume auf, welche ihre Aeste ausbreiten wie die Tan- nen, und hauptsächlich wie die Araucarien Chile’'s. Tau- 152 sende von kleinen Blättchen reihen sich mit gröfster Re- gelmäfsigkeit an einander und bilden das gefiederte Blatt der Mimosen; begabt mit einer Sensibilität eigener Art, ziehen sie sich nach der geringsten Berührung aus ihrer Richtung und legen sich ‚gegenseitig zusammen, wärend die Erscheinungen des periodischen Schlafens und Wa- chens bei keiner andern Pflanzen- Gruppe so deutlich auf- treten, als eben bei dieser. Es giebt Gegenden in den heifsen und feuchten Zonen, welche ausschliefslich ganz mit Mimosen bedeckt sind; ihr fein gefiedertes Laub bie- tet dann ein luftiges Ansehen dar, dessen Eindruck be- wunderungswürdig ist. Die Erschütterungen des Bodens, selbst der Hufschlag des durcheilenden Pferdes ist hinrei- chend, um solche Pflanzenmasse in Bewegung zu setzen *). So wie die Entwickelung der Vegetation, von den Polen an, nach dem Aequator zu, immer vollkommener und vollkonmener wird, so zeigen dieses auch, für den speciellen Fall, die Leguminosen und aus diesen vorzüg- lich die Mimosen-Form. Die wahren Mimosen, welche in der alten und in der neuen Welt vorkommen, gehen nicht über die Wendekreise hinaus, eine grofse Gruppe der Ingen, die stachellosen nämlich, sind nur in Amerika zu Hause. Die Acacien dagegen, die Prosopis- Arten, die Gleditschien u. s. w., gehen weiter nach den Polen hinauf; sie erscheinen schon in den tropischen Zonen in Masse, doch auch die subtropische Zone, ja selbst die wärmere temperirte Zone hat sie in Menge aufzuweisen. Die Aca- cien herrschen vorzüglich in der südlichen Hemisphäre, sowohl in der alten, wie in der neuen Welt; Neuholland ist bekanntlich das Land der Acacien, wo diese Pflanzen- form mit ganz eigenthümlichen Blättern auftritt und da- durch der Physiognomie der Vegetation einen ganz eigen- thümlichen, man pflest zu sagen, neuholländischen Cha- rakter auflegt. Einige Acacien von so auffallender Form, wie die von Neuholland, gehen über Neu-Guinea nach *) Vergl. v, Martius Reise III. p. XXX VII. . 153 den Südsee-Inseln, und selbst auf den Sandwichs-Inseln erscheint eine Acacie, die Acacia heterophylla, welche ganz eigentlich die neuholländischen Acacien in der nörd- lichen Hemisphäre repräsentirt. In Südamerika, besonders auf der Westküste geht die Acacia Caven, so wıe verschie- dene Prosopis- Arten bis über Concepeion südlich hinaus; diese Gewächse der Mimosen-Form bilden in der Hoch- ebene des mittleren Chile’s, selbst über 3000 Fufs hinaus, zuweilen ganze Wälder, welche leider, durch die unauf- hörliche Verfolgung der Menschen, allmälich ausgerottet werden müssen, denn die Chilener lieben diesen stacheligten Strauch zur Errichtung von trockenen Zäunen, rund um ihre Gärten und Felder. In der Höhe der Cordillere von San Fernando, zwischen 2- und 3000 Fufs, wächst die Acacia Caven ganz besonders kräftig, denn sie bildet daselbst ansehnliche Bäume, wärend sie in den niederen ilöhen mehr. strauchartig auftritt. In der nördlichen He- misphäre sind es die Gleditschien und Robinien, welche, die Mimosen-Form repräsentirend, so hoch hinaufreichen; ja die Gleditschien Nordamerika’s und die meisten Robinien, welche nach Europa verpflanzt sind, gehen hier bis zur subarktischen Zone hinauf, und äufsern gegenwärtig da- selbst auf die Verschönerungen der Garten- Anlagen ihren mächtigen Einflufs. Die Gleditschien, welche sich zu rie- sigen Gröfsen entwickeln, zeigen uns eine Nachbildung der Caesalpinien der heifsen Zone. Die Papilionaceae, oder Leguminosae mit schmetter- lingsförmigen Blüthen, bilden eine Pflanzengruppe, welche zwar durch die Struktur ihrer Blüthen und Früchte den Mimosen-Formen zur Seite steht, sich aber von diesen durch den Totaleindruck, welchen ihre Formen darbieten, gänzlich unterscheiden. Die Papilionaceen sind reich an Zahl und dehnen sich über den ganzen Erdkreis, bis weit über die arktische Zone hin aus, wärend die Mimosen- Form schon in dem kälteren Theile der temperirten Zone ihre Polargrenze erreicht. Viele der Papilionaceen haben statt der gefiederten Blätter der vorigen Pflanzen-Form 154 nur gedreite, doch durch den Glanz ihrer Blüthen, welche alle Farben umschliefsen möchten, stehen sie den Mimo- sen wenig nach; indessen die Pflanzen dieser Gruppe sind so 'selten von bedeutender Gröfse oder von auffallender eigenthümlicher Form, dafs sie nur dann einen Einflufs auf den Charakter der Vegetation ausüben, wenn sie in grofsen Massen gesellig neben einander vorkommen. Eine Wiese in unseren Zonen, reich an Klee-Pflanzen, an Me- lilotus und Medicago - Arten, bietet zur Zeit, wenn sie ihre schmuckreichen Blüthen entwickelt hat, einen aufserordent- lich angenehmen Anblick dar, wie er in tropischen Gegen- den wohl schwerlich zu finden sein möchte. In den gro- fsen Steppen der temperirten Zonen der nördlichen He- misphäre treten die Astragalen in Masse auf und nehmen auch hier, wenngleich auf ganz andere Weise, an der Be- stimmung des Charakters der Vegetation Antheil. Hier geben sie der Gegend den Charakter der Unfreundlichkeit und der Oede, wärend die blühenden Kleefelder die höch- ste Fröhlichkeit verbreiten. Auch in den heifseren und selbst in den Aequatorial-Gegenden treten die Papiliona- ceen zuweilen in grofser Masse auf und üben alsdann, hauptsächlich durch die Farbenpracht ihrer Blüthen, auf den Charakter der Vegetation grofsen Einflufs. Die Gattungen Hedysarum, Indigofera, Crotalaria und Dolichos, vertreten die Gattungen Trifolium, Medicago, Astragalus, Aspalathus und Lupinus der kälteren Zonen in den Tropen, und einige andere Gattungen von grofser Arten-Zahl sind dieser oder jener Gegend ausschliefslich eigenthümlich. Die Psoralien herrschen in der subtropi- schen Zone der südlichen Hemisphäre, wärend die Robi- nien in Nordamerika und Asien zu Hause sind. 9) Die Nadelhölzer. So wie wir die Mimosen-Form, wegen der feinen Zertheilung der Blätter, an die Farrn anreihten, so rei- hen sich an diese, wegen der Schlankheit der Stämme, auch die Coniferen. Das dunkele Grün, das Ernsthafte, u 155 ja das Melancholische der Fichten- und Tannen -Wälder unserer kalten Zonen ist gewifs Jedem aufgefallen, der die hellgrün belaubten, lachenden Wälder unserer Eichen und Buchen damit verglichen hat. Es giebt unter allen Vegetations- Formen kaum noch andere, welche so grofse Contraste darbieten, wie neben einander stehende Nadel- hölzer und Laubhölzer. Die grofse Familie der Coniferen ist zwar über den ganzen Erdkreis verbreitet, doch die eigentliche Form der Nadelhölzer, nämlich die Gattungen Pinus, Abies, Larix und Taxus, gehören ausschliefslich der nördlichen Hemisphäre an, woesie durch die temperirten Zonen, durch die subarktische Zone und selbst bis in die arktische Zone hinein, rund um die Erde einen brei- ten Gürtel bilden, und, je höher nach Norden hinauf, im- mer mehr und mehr den Charakter der Vegetation, ja die ganze Physiognomie der Natur bestimmen. Unsere nor- dischen Nadelhölzer erreichen unter günstigen Verhältnis- sen eine riesenmäfsige Höhe, so dafs sie zu den höchsten Bäumen gezählt werden müssen, welche die Erde bedek- ken. Die ausdauernde, immergrüne Belaubung dieser Bäume giebt denselben für die subarktische und arktische Zone, wo die Winter so lang sind und die Erde anhaltend mit einer dieken Schneedecke bekleidet ist, einen besonderen Grad von Wichtigkeit, denn hier dienen sie zur Belebung der furchtbaren Einöde, welche die starre Kälte über die ganzen arktischen Gegenden ausbreitet. Die Nadelhölzer ziehen sich neben der Birke am wei- testen nach Norden hinauf, denn in Europa sind sie noch unter 70° Breite und in Sibirien unter 68° zu finden, wenn auch nicht mehr so schlank ausgebildet wie unter niederen Breiten. Ebenso steigen diese Gewächse auf die äufsersten Höhen der Gebirge, und bilden meistens die obere ‚Baumgrenze, was fast für alle Gebirge der nördli- chen Hemisphäre gilt. Es ist auffallend, dafs die Nadel- hölzer, und zwar die allerähnlichsten Formen, einen so weit ausgedehnten Verbreitungs- Bezirk aufzuweisen haben, denn Pinus chinensis Lamb,, unserem Pinus sylvestris so 156 aufserordentlich ähnlich, bildet auf Macao, dicht am Ufer des Meeres, eben so ausgebreitete Wälder, wie Pinus syl- vestris bei uns, nur die Menschen sind denselben zerstö- rend entgegen getreten, und es werden sehr bald Zeiten kommen, in welchen von diesen chinesischen Fichtenwäl- dern keine Spur übrig geblieben sein möchte. Auf den Inseln, welche im Ausflusse des Tigerflusses zwischen Ma- ao und Canton liegen, sind die Rücken der niederen Berge, selbst bis zur Küste hinab, mehr oder weniger dicht mit der chinesischen Fichte bedeckt, je nachdem die Menschen diese Wälder zerstört haben, sonst möchten sie schwerlich von unseren Fichten-Waldungen zu unter- scheiden sein. Wie in unseren Nadelholz- Waldungen die Pyrolae und die Vaceinien wachsen, so findet man dort niedere Crotalarien, unsern Genisten ähnelnd, und rauhe Osbeckien, auch fehlt es nicht an Orchideen, welche die Orchideen unserer Wälder ersetzen. Im Allgemeinen tre- ten jedoch die Nadelhölzer der wärmeren Gegenden nicht in solchen grofsen, dichten Massen auf, wie bei uns, wo sie aufser der Birke und einigen wenigen anderen Pflan- zen nur selten etwas Unterholz zeigen, sondern sie ste- hen weitläuftiger und Farrn und Rhododendra wachsen zwischen ihnen. Wie denn überhaupt dergleichen einför- mige Wälder, welche aus. einer einzigen Art von Bäumen gebildet werden, wie bei uns die Eichen-, Buchen -, Bir- ken-, Tannen-, Kastanien- und andere Wälder mehr, sich in tropischen Gegenden nicht mehr zeigen, sondern Mannigfaltigkeit herrscht hier bei aller Ueppigkeit. Am auffallendsten ist es, dafs alle wahren Nadelhöl- zer, nämlich die Gattungen Pinus, Abies, Larix und Taxus, der südlichen Halbkugel fremd sind, denn bis jetzt sind noch keine Arten dieser Gattungen jenseits des Aequators gefunden. Pinüs Dammara, welche mib dem hohen und majestätischen Podocarpus auf den Gebirgen Java’s in ei- ner Höhe von 3000 Fufs erscheint, ist noch immer so unvollkommen bekannt, dafs es sich annehmen läfst, sie gehöre zu einer ganz andern Gattung. Im Allgemeinen a 197 werden die ächten Nadelhölzer der nördlichen Hemisphäre durch die Gattungen Araucaria, Podocarpus, Cupressus und durch die Casuarinen vertreten, wenn wir diese nicht als eine eigene Pflanzenform, zusammengehörig mit Ephe- dra, aufstellen. Die Araucarien Südamerika’s gehören zu den ausgezeichnetesten Pflanzenformen, besonders die Arau- caria imbricata mit ihren grofsen, horizontal ausgebreiteten Aesten. Die chilenische Araucaria wächst auf der Cor- dillere des südlichen Chile’s, in der Breite von Concep- cion sind die nördlichsten Wälder dieser Pflanze zu fin- den; sie geht vielleicht sehr tief nach Süden hinab, doch ‘ist die Grenze unbekannt. An den Ufern der Magalhaen’s- Strafse fehlt sie, dagegen findet man daselbst, nach Capi- tain King’s Nachrichten, einen Cupressus-artigen Baum. Schon Molina giebt uns eine vortreflliche Schilderung von der Physiognomie dieses herrlichen Baumes, und Herrn Poeppig’s Mittheilungen haben das noch Fehlende ergänzt. Der Stamm des Baumes, der etwa 8 Fufs im Umfange er- reichen soll, wird 70—100 Fufs hoch und ist glatt, in- dem er, wie bei uns die Nadelhölzer es thun, die alten Zweige und Blätter abwirft. Die Krone, welche etwa ein Viertel der ganzen Höhe einnimmt, gleicht einer vollkom- menen viereckigen Pyramide. Zu acht und zwölf stehen die unteren Aeste kreisförmig um den Stamm, zu 4 und 6 in den höheren Winkeln, welche 4 bis 6 Fufs darüber stehen. Die Aeste breiten sich horizontal aus und sind ganz mit Blättern bedeckt, welche 3 Zoll lang, 1 Zoll breit, herzförmig und hart wie Holz sind. Jeder Haupt- zweig bildet wieder in gewissen Zwischenräumen Neben- zweige, welche ebenfalls im rechten Winkel abgehen und dadurch die pyramidenförmige Krone um so dichter ma- chen. Die kugelrunden Früchte der Araucaria erreichen die Gröfse eines Menschenkopfes und sıtzen an den En- den der Zweige; jede Frucht enthält 2- bis 300 Saamen, welche doppelt so grofs wie die Mandeln sind, und eine wohlschmeckende und sehr beliebte Nahrung den Bewoh- nern jenes Landes geben. 20 bis 30 Früchte findet man 158 nicht selten auf einem Baume, welche bei ihrer Reife, zu Ende März, zerfallen und dann die Saamen ausstreuen. Nach den Erkundigungen, welche Herr Poeppig *) eingezogen hat, sollen die Araucarien- Wälder nur auf der Westseite der Cordillere des südlichen Chile’s vorkom- men, und zwar bis Valdivia hinab, nur in sehr bedeuten- der Höhe, so dafs sie sich nicht über 2000 Fufs von der Schneegrenze entfernen, bis zu welcher sie sich zuweilen erheben sollen (!). In Neu-Holland bildet Cupressus callitris ausgedehnte Wälder, welche mit Encalypten, Acacien und Casuarinen wechseln, besonders in Gegenden, wo die Ebenen der Flufs-Ufer mit dem gesellig wachsenden Polygonum jun- ceum bedeckt sind. Die herrliche Araucaria excelsa, als ein himmelanstrebender Baum, ward auf der Norfolk-Insel entdeckt, und sie kommt noch auf Van-Diemens-Land, also sogar südlicher als 40° vor. In weit gröfserer Anzahl treten dagegen auf Neu- Holland die Casuarinen auf, welche daselbst ihr Maxi- mum erreichen; dem Bau ihrer Früchte nach stehen sie den Coniferen so nahe, doch in Hinsicht ihrer Form und des Eindruckes, welchen sie auf den Charakter der Vege- tation ausüben, sind sie von den Coniferen sehr verschie- den. Im Innern von Neu-Holland wachsen die Casuari- nen zerstreut zwischen den Bäumen der Acacien- und Eucalyptus- Wälder, bilden demnach keineswegs solche Wälder wie bei uns die Pinien. Die sonderbare Casuarinen -Form, welche in Hinter- Indien, auf mehreren Indischen Inseln, auf Neu-Guinea und auf einem grofsen Theile der Südsee -Inseln vorkommt, wo sie zur Bezeichnung der Trauerstätte dient, wird in dem nördlichen Theile der alten Welt, so wie auch auf den Gebirgen Amerika’s durch die Gattung Ephedra ver- treten. Die kleinern, mehr strauchartigen Ephedren der nördlichen Hemisphäre lassen die Casuarinen-Form we- *) Reise in Chile u, s. w. I. p. 403. 159 niger deutlich erkennen, so wie auch die verkrüppelte Ephedra americana, welche auf den Höhen der Cordillere von Südamerika vorkommt; in der Cordillere Chile’s aber, in den Höhen zwischen 2- und 4000 Fufs, da wächst die Ephedra chilensis, ein hoher und ziemlich schlanker Baum, dessen Krone wie jene der Casuarina equisitifolia herab- hängt. Nicht wenig überraschend ist die Ephedra neben den sonderbaren Säulen der Cactus und den glänzenden Blättern der chilenischen Laubwälder. Die Mutisien ran- ken an diesen Stämmen der Ephedra hinauf, und ihre scharlachrothen Blumen bedecken öfters die Krone dersel- ben wie mit einem Teppiche, als wären sie die Blüthen des Baumes selbst. 10) Die Proteen-Form, die Epacriden- und die Ericen - Form. Wir haben hier drei grofse Familien neben einander gestellt, welche im Allgemeinen, der Form ihrer Indivi- duen nach, grofse Aehnlichkeit mit einander zeigen, aber ‚zusammengenommen die Coniferen der nördlichen Hemi- sphäre in der südlichen Hemisphäre vertreten. So wie die Coniferen ihr Maximum in der nördlichen Hemisphäre hatten, so haben es die Gattungen der Proteen, der Eri- cen und der Epacriden in der südlichen Hemisphäre und nur einzelne Repräsentanten kommen zu uns herüber, ge- hen aber auch gleichfalls bis in die arktische Zone, wie die Ericen auf Kamschatka in Lappland und die alte Erica coerulea auf Grönland und in Nordamerika beweisen. Die Verbreitungs-Bezirke der Pflanzen, welche zu den ge- nannten Formen gehören, sind in der südlichen Hemisphäre sehr genau beschränkt. Schon Herr R. Brown *), dem wir die genaue Kenntnifs der Proteaceen verdanken, sagt, dafs keine der Australischen Arten dieser Familie in irgend einem anderen Theile der Erde entdeckt worden sei, ja sogar keine einzige Art dieser Familie auf der östlichen *) General Rem. Flinders Voyage to terre australis, London 1814. II. p. 568. 160 und westlichen Seite von Neu-Holland zu gleicher Zeit vorkomme. Die Epacriden sind ebenfalls, bis auf einige wenige Arten, nur der südlichen Hemisphäre eigen, und hier ha- ben sie Neu-Holland zu ihrem eigenthümlichen Vaterlande, ganz so, wie die Ericen das Cap der’ guten Hoffnung, welche gleichsam nur Repräsentanten in der nördlichen -Hemisphäre haben. Die Ericen- Bäume im südlichsten Europa, so wie in der subtropischen Zone, wo sie auf Teneriffa in gröfster Ueppigkeit vorkommen, zeigen, ihrem Total- Eindrucke nach, grofse Aehnlichkeit mit gewissen Formen der Coni- feren, doch wird ihr kleines und nadelförmiges Laub durch die Masse von niedlichen Blumen, welche so oft die gröfste Farbenpracht zeigen, auf das angenehmste verziert. Schon Herr Alexander von Humboldt verband mit den Heide- kräutern oder den Ericen die ähnlich geformten Gattungen Passerina, Phylica, Diosma, Gnidia u. s. w., und dadurch wird die Ericen-Form etwas weiter verbreitet. Bei der Gattung Protea ist das Laub meistentheils noch so fein, wie bei einigen Coniferen, doch bei den vielen anderen Gattungen der zahlreichen Familie der Proteaceen, werden die Blätter mehr oder weniger breiter, sie sind dann starr, glänzend auf der Oberfläche, und wie bei den Banksien und Dryandren u. s. w. auf der untern Fläche mit einem wolligen Ueberzuge bedeckt. Auf diese Weise verschwindet in jenen Gattungen die ursprüngliche Ericen-Form gänzlich, und es näheren sich diese Bäume, ihrer Physiognomie nach, den Laubhöl- zern mit steifen und glänzenden Blättern. Die Wälder der Banksien und Dryandren in Neu-Holland sind nicht mehr schattenlos, wie die der Ericen am Cap der guten Hoffnung, ja zuweilen ist ihr Laub breit und dicht zusam- mengedrängt, und prachtvolle Blumen -Kolben erheben sich auf der Oberfläche der Blätter-Krone, welche denen der Myrten-Form ähnlich sind. | 161 11) Die Myrten-Form. Die Myrten-artigen Gewächse grenzen unmittelbar an die Proteen-Form; nicht nur die äufsere Form der Blüthen-Kolben der Banksien stimmt mit derjenigen der Melaleucen und Metrosideren überein, sondern auch der ganze Habitus der Belaubung, wenigstens zwischen einigen Gattungen dieser Familien, so wie auch ihr gemeinschaft- liches Auftreten. Die Melaleucen, welche mit ihrer der Coniferen - Krone ähnlichen Belaubung, eine der haupt- sächlichsten Pflanzen - Formen von Neu - Holland bilden, tragen hauptsächlich zur Darstellung des Neuholländischen Vegetations- Charakters bei, auch sind sie diesem Lande fast ausschliefslich eigen, denn nur Melaleuca Leucaden- dron und Melaleuca Cajaputi greifen in das Gebiet der Ericen-Form über und kommen auf der Südspitze von Afrika zum Vorsehein. Wer kennt nicht die Pracht, wel- che die Melaleucen, Metrosideren, Beaufortien und Calo- thamnen unserer Blumenflor verliehen haben? Aber man stelle nur diese hohen Bäume, beladen mit scharlachrothen Blüthenkolben, neben glänzende Banksien, neben Hackeen, Mimosen-Formen und Casuarinen, um die Herrlichkeit ei- ner solchen Vegetation aufzufassen, wo jeder Baum einer eigenthümlichen, charakteristischen Pflanzenform angehört, welche zwar weniger lieblich sind, als die unserer hell- _ grünen Laubhölzer, aber um so prachtvoller auftreten. Die schönen Formen der Gattungen Leptospermum und Bäckia gehören ebenfalls fast ausschliefslich der Flora von Neu-Holland an, die ersteren gleichen ganz auffallend unseren Myrten, die Bäckien dagegen, wie z. B. Bäckia frutescens, welche auf der Südküste von China in grofser Menge vorkommt, zeigt ganz eine Ericen - Form. Die zahlreiche Gattung Myrtus, mit ihrem kleinblättrigen glän- zenden Laube, mit ihren runden Kronen und dem niedli- chen weifsen Blümchen ist in der neuen Welt vorherr- schend, doch hat sie überall in der alten Welt ihre Re- präsentanten. 11 162 . Unser Myrtus communis hat im südlichen Europa sein Vaterland, und nur künstlich verpflanzt wächst er noch an einigen günstigen Orten der kälteren temperirten Zone. Wahrscheinlich gehen die Myrten in Südamerika bis zu eben derselben Breite südlich hinunter, denn noch im mittleren Chile gedeihen die Myrten in üppigster Pracht. In der Provinz San Fernando daselbst, bis 35° Breite hinab, selbst noch auf Höhen zwischen 1800 und 2000 Fufs, habe ich Myrten - Stämme °*) beobachtet, welche durchgängig einen Umfang von 5, 6 bis 9 Fufs erreichten, eine, weit um sich greifende, prachtvolle Krone bilde- ten, und mit Hundert- Tausenden von weifsen Blümchen bedeckt waren. Eine andere Gruppe der Myrten-artigen Gewächse, welche von besonders schöner und auffallender Form ist, wird durch die zahlreiche Gattung Eucalyptus repräsen- tirt, welche auf einem grofsen Theile von Neu-Holland ein solches Uebergewicht hat, dafs sie den Charakter der Vegetation jenes Landes hauptsächlich bestimmt. Die Eu- calypten, welche ausschliefslich Neu - Holland und Van- Diemens-Land angehören, sind mehr oder weniger grofse Bäume, ja zuweilen von dem ungeheuersten Umfange; denn Eucalyptus globulus Labill. und eine andere, dem Südende von Van- Diemens - Land eigenthümliche Art erreichen nicht selten eine Höhe von 150 Fufs, wärend der Stamm, nahe am Boden, 25 bis 40 Fufs im Umfange zeigt **). Die Belaubung der Eucalypten ist ganz eigenthümlich und zu der eigenen säbelartigen Form ihrer Blätter, deren Ränder gegen den Stamm gerichtet sind, kommt noch eine besondere blaugrüne Färbung dieses Laubes, welche der Physiognomie dieses Baumes etwas höchst: Ernsthaftes giebt. Wie aufserordentlich zahlreich die Arten dieser schönen Gattung sind, das möge man, wie H. R. Brown #**) *) Myrtus Luma M. u. a. Arten. **) S. R. Brown in Flinders Voyage, II. p. 547. FMl cp. 547. | ‚ 163 erzählt, daraus entnehmen, dafs allein um Fort Jackson herum, mehr als 50 Arten bekannt geworden sind, welche gröfs- tentheils von den rohen Einwohnern unterschieden und mit eigenen Namen belegt werden, denn diese Leute wis- sen die Arten dieser Gattung nach der Verschiedenheit der Farben, der Textur und der Ablösung der Rinde, so wie an der Form der Verzweigung und aus der allgemei- nen Gestaltung des Baumes weit sicherer zu unterschei- den, als es die Botaniker bisher vermogt haben, Ja die Eucalypten sind in Neu-Holland.so zahlreich, dafs sie fast $ der Wälder dieses Continents ausmachen, und dennoch werden sie in keinem andern Lande ange- troßen, als nur noch in dem angrenzenden Van - Die- mens-Land. Ks giebt zwar noch eine Menge von anderen Myr- ten-artigen Gewächsen, welche, wenigstens durch die Struktur ihrer Blumen und Früchte, mit jenen natürlich verwandt sind, deren Form jedoch von jener wahren Myr- ten-Form gänzlich abweicht, und sich durch die Gröfse des Laubes, so wie durch die Vertheilung der Aeste, mehr den gewöhnlichen Formen der Waldbäume unserer Zonen anreihen. Die Guajaven (Psidium-Arten), welche in beiden Continenten jedes -niedere Gehölz schmücken, die Barringtonien, welche an den Quellen und Küsten der Indischen Süfswasser -Seen stehen und mit den herabhän- genden traubenförmigen Blüthenbüscheln den Rand des dicht belaubten Gehölzes höchst angenehm verzieren, so wie die Jambosen und Eugenien, welche sich ganz ähn- lich verhalten, gehören alle hieher. 12) Die Form der Laubhölzer. Unmittelbar an jene Myrten-Form schliefst sich die gewöhnliche Form der Laubhölzer, welche sich, mehr oder weniger ähnlich, fast über die ganze Oberfläche der Erde durch alle Zonen und Regionen erstreckt, so weit die baumartige Vegetation vorkommt. Wohl sind die Con- traste zwischen einzelnen Baumarten dieser Form, welche 11.7 j 164 ich hier zusammenfasse, ganz aufserordentlich grofs, doch, wenn wir die Natur im Grofsen betrachten, dann fliefsen diese mehr oder weniger zusammen. Ein Weidenbaum mit der lichten, schattenarmen Krone, neben einer Buche mit ihren zusammengedrängten Aesten und der dichten Belaubung, und ein Lorbeer-Baum daneben, zeigen nicht wenig Verschiedenheiten, doch, wo diese Formen als Mas- sen in grofsen Wäldern auftreten, .da wird man weniger auf die Umrisse des Laubes, oder auf die Form der Stämme geben, sondern den Totaleindruck auflassen, welchen die vereinten Massen mit ihrer schattigen Krone darbieten. Unsere heutige Gartenkunst, die, auf einen kleinen und beschränkten Raum, alle jene entschiedenen Contraste nach- zubilden sich bemüht, welche die Natur im Grofsen dar- stellt, kann durch richtige Wahl der neben einander zu stellenden Laubhölzer die überraschendesten Effekte her- vorrufen. Welch einen höchst interessanten Anblick ge- währt die Trauerweide, wenn sie, auf dem Abhange eines Hügels, dicht am Rande eines kleinen Gewässers gestellt ist! Wie lieblich eontrastirt das blendende Weifs der Stämme von Hänge-Birken neben niederem Gehölze mit dunkelem ausgebreiteten Laube, und die zarte Zitterpappel neben der ehrwürdigen Eiche mit ihrem hellgrünen Laube zur Sommerzeit! Ganz eben so ist es in der Natur im Grofsen; tritt man aus einem dichten Laubwalde, aus ei-- nem Buchen- oder Eichen-Walde z. B., und sieht man am Rande desselben einige Birken, deren lang hängende Aestchen schon von dem leisesten Winde bewegt werden, oder jene Pappel, deren Blätter auf den zartesten Blatt- stielchen fast beständig in Bewegung sind, so erkennt man die Macht des Eindruckes, welche diese contrastirenden Pflanzenformen hervorrufen, erst recht deutlich. So grofs und so mannigfach diese Verschiedenheiten sind, welche die Laubhölzer aufzuweisen haben, so kann man doch wenigstens folgende Hauptformen unterscheiden, welche nicht nur von dem Landschafts-Maler, sondern hauptsächlich von dem Garten-Künstler zu beachten sind, m m mm mm mm 165 welcher die auffallendsten Schönheiten der Natur in seinem Garten nachahmen will: Die Laubhölzer mit breiten und zarten Blättern gehören hauptsächlich unseren kälteren Zonen an, ja sie sind in der kälteren Hälfte der temperirten Zone vorherrschend, so wie die Nadelhölzer in der kalten Zone vorherrschen. Man unterscheidet bei diesen Laub- hölzern solche mit lichten, weniger schattenreichen Kro- nen, wozu Birken, Elsen, Pappeln u. s. w. gehören, ferner solche mit unregelmäfsigen Kronen, deren Aeste weit aus- einander, nach allen Richtungen hin stehen, wie z. B. bei der Eiche, der Linde, Ulme u. s. w., und endlich solche, deren Kronen fast kugelrund erscheinen und durch dicht zusammmenstehende Aeste und starke Belaubung äufserst schattenreich sind. Die Buche, die Rofskastanie u. s. w. gehören hiezu. Die Laubhölzer mit dicken, lederartigen und glänzenden Blättern (die sempervirenten oftmals genannt) gehören dagegen der wärmeren Zone an, und ebenso auch der kälteren der südlichen Hemisphäre, wä- rend in der kälteren der nördlichen Hemisphäre nur ein- zelne Repräsentanten dieser schönen Laubhölzer auftreten, wie 2. B. Hex Aquifolium. Es sind die Kastanien-Wälder, die Lorbeeren- und Oliven-Wälder, welche schon im süd- lichen Europa diese Pflanzenform aufweisen, so dafs die Physiognomie der südeuropäischen Vegetation so charak- teristisch verschieden von derjenigen des nördlichen Eu- ropa’s ist *). Die Weidenform mit den schlanken Aesten und dem lichten, schmalen und spitzen Laube ist eine der aufiallendsten unter den Laubhölzern; sie ist über einen grofsen Theil der nördlichen Hemisphäre verbreitet, er- reicht aber ihr Maximum in dem kälteren Theile der tem- *) S. einige speciellere Angaben über die Verschiedenheit der Vegetation in der nördlichen und südlichen Hälfte von Europa in einer Abhandlung von Willdenow, im Magazin der Gesellschaft na- turlorschender Freunde zu Berlin. Berlin 1811. pag. 99. 166 perirten und in der subaretischen Zone, hat aber auch in der südlichen Hemisphäre ihre Repräsentanten. Der Einflufs, welchen die Weiden in unseren nordischen: Zo- nen auf den Charakter der Vegetation zeigen, ist nicht zu verkennen; sie Jieben die feuchteren Gegenden, besonders die Einfassungen der Flüsse und Teiche, einige Arten nehmen aber auch mit dem schlechtesten Boden vorlieb. An den Ufern unserer Flüsse bilden sie ähnliche Einfas- sungen, wie die Mangrove-Wälder auf den Ufern der tro- pischen Meere. Viele Weiden überziehen gesellig, in Form niederer Sträucher und in gröfster Masse die feuchteren Gegenden unserer Zone; sie zeigen oftmals ein angeneh- mes silbergiänzendes Laub, indem ihre untere Blattfläche mit feinen Härchen bedeckt ist. Die Weiden zeichnen sich auch dadurch aus, dafs sie schon früh, wenn die übrige Vegetation noch weit zurück ist, ihre Blüthen ent- wickeln und später erst die Blätter treiben. Viele von diesen Weiden haben so grofse Blüthen, wie wir sie an unseren Waldbäumen nicht gewohnt sind zu sehen, und sie machen daher auch, wenn sie in grofsen Massen auftre- ten, einen höchst befremdenden, aber angenehmen Eindruck, besonders da die Zeit ihrer Blüthe in eine Periode fällt, wo unsere Fluren und Felder noch arm an Blüthen sind. Auch zur Sommerzeit, wenn die weiblichen Kätzchen zur Reife gelangt und mit einer weifsen Wolle bekleidet sind, zeigen die Weiden eine eigenthümliche Physiognomie. Die schönste aller Weidenformen ist die der Trauer- weide (Salix babylonica), welche bei uns, wie die Casua- ‚rinen, mit hängenden Aesten auf den Polynesischen Inseln zum Zeichen der Ruhestätte unserer Vorgänger dient und durch ihre Physiognomie viel deutlicher spricht, als irgend eine Denktafel. Die Laubhölzer mit grofsen und beson- ders schön geformten Blättern gehören alle der heifsen Zone an, so wie die Laubhölzer mit zarten Blät- tern unserer temperirten Zone eigen sind. . Die auffallend- sten Bäume dieser Form haben mehr oder weniger stark 167 behaarte Blätter, oft von ganz enormer Gröfse, wie die Ceeropia peltata in den Wäldern Brasiliens, oder beson- ders niedlich ausgeschlitztes Laub, wie die Broussonetien und der Artocarpus ineisa, und durch ihre Behaarung, welche wenigstens in den meisten Fällen vorhanden ist, oft mit Silberfarbe glänzend, bilden sie wunderliche Con- traste mit dem dunkelgrünen, meistens gefiederten Laube der danebenstehenden Vegetation. Die Familie der Urti- ceen, der Euphorbiaceen und der Malvaceen zeigen haupt- sächlich diese Pflanzenform. _ Das schöne Blatt des Brod- baumes *), das silbergraue Laub der Broussonetien und Boemehrien wie der Crotonen ist oftmals von ausgezeich- net schöner Form und, in grofsen Massen neben einander auftretend, gewähren sie einen eigenthümlich überraschen- den Anblick. Oftmals treten grofse und prachtvolle Blü- then zu dieser Blattform hinzu und vermehren alsdann den Reiz der Schönheit dieser Pflanzen. Dieses letztere findet hauptsächlich bei den Malvaceen statt, wo die Gat- tungen Sterculia, Lavatera, Hibiseus und Ochroma_ diese Laubhölzer repräsentiren, welche Herr Alexander von Hum- boldt **) unter der Malvenform speciell zusammengefafst hat. Der Anblick eines Hibiscus chinensis in Indien, über und über mit seinen herrlichen scharlachrothen Blüthen bedeckt, oder der schöne schattenreiche Baum des Hibis- eus tiliaceus auf den Südsee-Inseln, reich geschmückt mit den grofsen prachtvollen Blumen, giebt erst einen voll- ständigen Begriff von der Schönheit, welche diese Pflanzen- form aufzuweisen hat. 13) Die Cactus-Form. Keine andere Pflanzengruppe zeigt so auffallende For- men, als die der Cactus; diese Gewächse, so mannigfach ihre Form unter sich ist, imponiren mehr durch das Selt- same in ihrer Gestalt, als durch liebliche Schönheit, wel- 8 > Artocarpus incisa 1: **) Ansıchten der Natur. II. pag. 31. 165 che den meisten anderen Haupt-Pflanzen-Formen eigen ist. Doch die Natur hat die Unvollkommenheit, in der Aushil- dung der Form dieser Gewächse, durch die üppigste Pracht ‘ihrer Blüthen-Decke abzuhelfen gesucht, denn oft scheint es, als ob das ganze Streben dieser Pflanzen nur dahin gerichtet ist, um die gröfstmöglichste Masse von pracht- voll colorirten Blumen zu erzeugen, womit sie so oft auf der ganzen Oberfläche bedeckt sind. Aber welch eine aufserordentliche Wirkung auf die Physiognomie der Ve- getation, das Contrastirende der Cactus-Formen mit den nebenanstehenden Pflanzen anderer Gruppen hervorruft, das ist nicht nur in der Natur, sondern heutigen Tages überall in unserer Garten-Cultur zu sehen. Einen der schönsten Schmucke würden unsere Gärten entbehren, wenn ihnen die Cactuspflanzen fehlten, und diese Familie ist es vor allen amerikanischen, welche, seit der Entdek- kung jenes neuen Continents, sich am allgemeinsten ver- breitet hat. | Die Cactus-Pflanzen sind bis auf zwei, bis jetzt im | östlichen Asien aufgefundene Arten, ausschliefslich der neuen Welt angehörig, wo sie sich von 40° nördlicher Breite bis 40° südlicher Breite erstrecken, und aus der Ebene der Meeresktste bis in die Nähe der ewigen Schnee- grenze hinauf steigen; das Maximum dieser Pflanzen ge- hört der heifsen Zone an, doch steigen gewisse Formen derselben mehr in die temperirteren Zonen, und in heifsen Gegenden gehen diese auf die Höhen der Gebirge, wo sie ein kühleres Clima finden. ’ Diese auffallende Pflanzenform, welche die Familie der Cacten bildet, ist gewifs sehr reich an Arten, wenn- gleich bis jetzt kaum mehr als 190 derselben beschrieben sein möchten; auf das Doppelte dieser Anzahl kann man künftig, wenn die Gebirge Amerika’s noch genauer er- forscht sein werden, mit aller Gewifsheit rechnen, aber es wird lange dauern, bis alle diese Pflanzenformen bekannt sein werden, da sie so schwer, oft ganz unmöglich zu transportiren sind, und der Reisende dieselben auch nur \ 169 selten in Blüthe antrifft. Die neueren Botaniker haben diese Familie in mehrere Gattungen getheilt, welche sich oftmals weniger durch den Bau ihrer Blüthen charakteri- siren, als vielmehr durch die auffallendsten Verschieden- heiten ihrer Form, so dafs man schon die Gattung be- stimmen kann, ehe man die Blüthen gesehen hat. Die hauptsächlichsten Formen bilden: 4) Die Cereen; es sind lange säulenförmige Stämme, welche bald 3, 4, 5, 6, 7- und vieleckig, ja oft sogar mehr oder weniger rund sind. Diese Cereen sind entweder ganz gerade aufsteigend, oder sie sind. kriechend, dabei bald verästelt, bald unverästelt; die gerade aufsteigenden Cereen erscheinen in der Natur wie Säulen, welche in mehr oder weniger grofsen Gruppen vereinigt sind. Die Cereen der Ost- und Westküste von Südamerika, die For- men, welche dem Cereus peruvianus so ähnlich sind, dafs man sie nur schwer unterscheiden kann, wachsen oft zu Höhen von 15, 20 und selbst 25 Fufs, wie dieses in Chile, in den niederen Höhen der Cordillere von San Fernando, selbst bis über 3500 Fufs hinaus, zu sehen ist. Hier stehen diese hohen siebenseitigen Cactus in grofsen Hau- fen neben einander, welche 10—20 Säulen aus einer und derselben Wurzel entwickeln. Einige dieser Säulen sind abgestorben, ihre Heischige Umkleidung ist verschwunden, und nun steht ein gleichmäfsiger Holzeylinder von wei- fser Farbe mitten zwischen den grünen starkkantigen Säu- len, welche oftmals ihre 7—8 Zoll langen Blüthen in so grofser Menge entwickeln, dafs ein grofser Theil der Kan- ten jener Säulen damit bedeckt ist. In einiger Entfernung, im Allgemeinen in Entfernungen von 5 und 6 Schritten stehen ähnliche Haufen von lebenden Säulen, und nur we- nige Pflanzen scheinen sich -diesen gestachelten Fremdlin- gen zu nähern. Es giebt in Chile und in Peru grofse Ebenen, welche auf unabsehbaren Strecken fast einzig und allein mit solchen gruppenförmig wachsenden Cereen be- deckt sind und dadurch ein ganz fremdartiges, überra- schendes, aber wenig erfreuendes Ansehen erlangen. In 170 der Llanura de Rancagua, südlich dem Rio Cachapual in Chile, wachsen nur hin und wieder einige Caven-Sträu- cher (Acacia Caven }lol.) zwischen diesen Cereen, deren Oberfläche so oft mit den scharlachrothen Blüthen des Loranthus aphyllus bedeckt ist, aus welchen dann die lan- gen weifsen Blüthen der Cereen - Stämme hervorhängen. In den Bivouacs auf unserer Reise, im Innern von Chile, haben wir oftmals in der Nähe dieser Cereen unser La- ger aufgeschlagen, und die trockenen Holzeylinder der Pflanzen gaben dann das beste Brennmaterial zur Erhal- tung des Feuers. Das Holz dieser Pflanzen erreicht eine Dicke von 1—14# Zoll, und der Umfang des ganzen Oy- linders (des Holzringes nämlich) beträgt wohl 12—15 Zoll und darüber; überall in den holzlosen Gegenden der Westküste von Südamerika, da wird dieses Holz der Cac- tus auf das vielfachste benutzt. © Da es sehr leicht ist, wird. es auf die Höhen der Cordillere geführt und auf den Plateaus, welche weit über alle Baum- Vegetation hinaus liegen, sind Thüren und Schwellen aus diesem Cactus- Holze, ohne weitere künstliche Bearbeitung, zusammenge- schlagen. | . Die säulenförmigen Cactus gehen hoch auf die Cor- -dillere hinauf, ich habe sie noch weit über 7- und 8000 Fufs auf der Cordillere des südlichen Peru, dicht an der Aequatorial-Grenze, gefunden, und hier sogar die schön- sten Formen, welche mir vorgekommen sind #). In der Cordillere von Tacna und von Arequipa fand ich einen wahrhaft candelaberförmigen Cactus, welcher die Rücken der einzelnen Berge auf eine seltsame Art bekleidete, denn sonst war fast keine Spur von Vegetation daselbst zu finden, nur hin und wieder erhob sich eine jener son- derbaren Cereen, deren Stamsı sich, auf der Höhe von 8 Fufs und darüber, in eine Menge von Aesten (8—12 an der Zahl) zertheilte, welehe rund sind und nach verschie- denen Richtungen, bald nach oben, bald nach unten, ja *%) S. Meyen’s Reise um die Erde, I. p. 447. 171 bald schlangenförmig gewunden nach andern Seiten hin auswachsen. Die Ausdehnung der senkrechten Verbrei- tung dieses Cereus scheint sehr eingeschränkt zu sein, denn auf beiden Stationen, wo ich denselben antraf, verschwand er sehr bald und dann, über 7000 Fufs hinaus, trat der Cereus senilis hervor, welcher mit seinem lang herabhän- genden silberweifsen Haare nirgend passender von der Natur gestellt werden konnte, als gerade in diese grofs- artigen Einöden. Es erscheint dieser sonderbare Cactus noch um so auffallender, da er überall, wo ich ihn auf der Westküste gesehen habe, immer nur ganz isolirt da- stehend, in einzelnen Stämmen vorkommt, und nie in sol- chen Haufen, wie” so viele andere unverästelte Cereen. Die ganze Familie der Cactus liebt überhaupt weniger die feuchten, vegetationsreichen Gegenden, als vielmehr die ödesten, sandigen oder mit steinigem Boden, wo oft die aufserordentlichste Trockenheit herrscht; schon Herr von Martius ®) hat hierauf aufmerksam gemacht und bemerkt ausdrücklich, dafs in den schattenreichen Urwäldern, Bra- ‚siliens die Cactus-Gewächse fehlen, bis auf einige Arten ‘ von Rhipsalis und Epiphyllum, welche parasitisch auf den Aesten der Bäume erscheinen, dagegen haften sie an dem kahlen Gestein der Provinz Pernambuco. ‚In diesen -trok- kenen Gegenden,“ sagt der geistreiche Reisende, ‚über welche ein reiner und tiefblauer Aether ausgespannt ist, erheben sich die unförmlichen Stämme, vielmal die Höhe eines Menschen überragend; regellos starren die blattlosen Massen empor, und ihr bläuliches Grün contrastirt eben so mit dem warmen Colorit der Landschaft, als die stei- fen Umrisse selbst gegen die schmiegsamen milden For- men der übrigen Tropen - Vegetation abstechen.“ Das weit ausgedehnte, meistentheils mit einem schr feuchten Clima versehene Brasilien, erzeugt eine unend- liche Masse von Cactus- Gewächsen, über deren Verthei- lung Herr von Martius ®) eine sehr interessante Abhand- *) Reise nach Brasilien, II. p. XXVI. “) Nova Acta Acad. Caes. Leop. Tom. XVI. p- 344 us. w. 172 lung bekannt gemacht hat. Stattliche Cereen - Stämme, von 30 — 40 Fufs Höhe, sind in Brasilien nicht selten, sie erscheinen daselbst bald bis zur gröfsten Höhe ver- ästelt, bald in Form vielarmiger Candelaber, oder in dichte spalierähnliche Reihen zusammengedrängt und haben zu- weilen, an ihrer Basis, eine Dicke von 13 Fufs Durch- messer. s So ganz entgegengesetzt der langen und schlanken Form der candelaberartigen Cacten erscheinen die der ku- gelförmigen Gattungen: Melocactus, Echinocactus und Mammillaria. Es sind mehr oder weniger grofse kugelförmige Gewächse, über und über mit regelmäfsig gestellten Warzen und sternförmig gestellten Stacheln be- setzt, oft von ganz enormer Gröfse und unmittelbar auf der unfruchtbaren Erde, oder in den Klüften der nackten Felsenmassen sitzend. In den ödesten Gegenden, wo alle übrige Vegetation fehlt, da scheinen diese sonderbaren Gewächse am besten zu gedeihen; eben so in anderen heifsen Gegenden, wo zur trockenen Jahreszeit fast alle Vegetation schwindet, da sind sie es, welche eben so frisch grünen, wie bei dem. gröfsten Wasserreichthum. Da sie in ihrem markigen Gewebe eine grofse Menge von Flüs- sigkeit enthalten, so werden sie von den durstenden Thie- ren, welche jene wasserlosen Wüsten Südamerika’s durch- laufen, aufgesucht und ausgesaugt, nachdem diese die sta- chelige Decke mit dem Hufe entfernt haben, wobei sie sich oftmals so stark verletzen, dafs sie nicht mehr laufen können und zuletzt ihren Tod finden. Die Reisenden pflegen in Zeiten der Noth jene saftigen Gewächse, wel- che man die Quellen der Wüste genannt hat, mit dem Messer zu öffnen und den Genufs ihres Saftes den Thie- ren gefahrlos zu machen. Diese kugelförmigen Cactus sind etwas weniger weit verbreitet, als die säulenförmigen, indessen es scheint, dafs die tropische Zone der nördlichen Hemisphäre das Maximum dieser Gewächse aufzuweisen hat; doch sind sie auch in der südlichen Hemisphäre gar nicht- selten 173 und selbst im glücklichen Chile, innerhalb der subtropi- schen Zone kommen die Melocacten von aufserordentli- cher Gröfse vor. Die Angaben über die gröfsten Höhen, in welchen die Melocacten noch vorkommen, möchten bis jetzt fehlen, doch scheint es mir, dafs dieselben nicht so besonders hoch gehen, sondern dort hauptsächlich durch ÖOpuntien vertreten werden; die Pereskien sind es beson- ders, welche so aufserordentlich hoch hinauf, fast bis an die Schneegrenze gehen. Noch an den Ufern des See’s von Titieaca sieht man hochstämmige Pereskien mit pracht- vollen, braunrothen Blüthen, und in noch bedeutenderen Höhen treten niedere Formen auf, welche mit um so län- geren Stacheln bewaffnet sind. Auf dem Plateau des süd- lichen Peru, nahe der Vegetationsgrenze, findet man mehr oder weniger grofse Haufen von 1 bis 13 Fufs Höhe, welche mit gelbrother Farbe geschmückt sind, und von Ferne her oft ganz täuschend dem ruhenden Wilde äh- neln. Doch bei näherer Untersuchung verhält es sich ganz anders; jene Häufchen werden durch niedere Cacten gebildet, deren Blätter dieht an einander gedrängt sind, und gelbrothe Stacheln von 2—3 Zoll Länge zeigen, wel- che die ganze Oberfläche des Haufens bedecken und den- selben jene gelbrothe Farbe ertheilen. Aus der Tiefe je- ner Stacheln ragen die Blüthen hervor, gehen jedoch nicht über ihre Oberfläche hinaus. In jenen öden Gegenden, wo nur ähnliche Haufen von Azorellen, Bolax, Fragosen, zwergartige Verbenen und Lycopodien die Erde und die Felsen überziehen *), da tragen jene sonderbaren Ge- wächse Vieles zur Darstellung des Charakters der Gegen- den bei. Auch in Chile, selbst auf den kahlsten Felsen der hohen Anden, kommen Opuntien in rasenförmigen Ausbreitungen vor. Eben so charakteristisch sind die grofsen unförnli- chen und mannigfach verästelten Tunas; sowohl der Cac- tus Fieus-Indica L. wie die Opuntia Tuna mit ihren lan- *) S. Meyen’s Reise, I. p. 453. 174 gen Stacheln, sind die bekanntesten Formen dieser Gruppe der Cactus-Gewächse, sie sind zu uns nach Europa her- übergewandert, wo sie im Süden gegenwärtig eingebürgert sind. So wie in Amerika, so auch in Europa gebraucht man sie zu Umzäunungen. der Aecker, und schwerlich möchte es ein anderes Mittel geben, welches diesem Zwecke besser entspräche, denn selbst zu militairischen Vertheidi- gungen, als Spanische Reiter nämlich, sind sie mit gröfs- tem Vortheile anzuwenden. Aufserdem ist die Anpflan- zung dieser Gewächse besonders dadurch für wüste und trockene Gegenden von gröfster Wichtigkeit, dafs sie mit jedem Boden, selbst mit dem trockensten, vorlieb nehmen, und dann nicht nur eine Masse von efsbaren Früchten liefern, sondern auch bedeutende Quantitäten Brennholz. Aufserdem werden diese Tunas - Hecken zur Zucht: der amerikanischen Cochenille benutzt und defshalb, besonders in einigen Provinzen des heutigen Mexico’s in sehr aus- gedehntem Mafsstabe angelegt, denn der Cochenille- Han- del von dort her, war bisher von sehr grofsem Umfange. So wie wir bisher, in der Darstellung der Physiogno- mie der. Vegetation, stets nur die Form der Pflanzen im Auge gehabt haben, ohne auf ihre natürliche Verwandt- schaft weiter Rücksicht zu nehmen, so müssen wir auch hier, bei der Betrachtung der Cactus - Form, diejenigen Gewächse hinzuziehen, welche diese Form aufzuweisen haben, ohne mit den Cactus-Gewächsen in näherer Ver- wandtschaft zu stehen. Ich meine hiemit die Familie der Euphorbiaceen, welche in der alten und neuen Welt so aufserordentlich zahlreich ist. Die Gattung Euphorbia be- sitzt eine ganze Gruppe von Arten, welche theils ganz blattlos sind, theils aber auf den Spitzen einige Blätter entwickeln und dabei die Form der Cacten so aufseror- dentlich treffend nachahmen, dafs man sie, ohne die Blü- then zu kennen, zuweilen mit einander verwechseln könnte. Es ist hiebei noch das besonders Auffallende zu :bemer- ken, dafs nämlich diese Cactus-förmigen Euphorbien ge- rade allein der alten Welt angehören, wärend die Cacten, 175 % deren Form jene nachahmen, der neuen Welt eigen sınd; man mufs dieses offenbar als eine Repräsentation ansehen, „wenngleich auch die repräsentirende Form mit der reprä- sentirten nicht zu einer und derselben natürlichen Familie gehören. Es ist dieses Auftreten gleicher sonderbarer Formen in zwei von einander sehr verschiedenen Familien . noch um so auffallender, da man bei jenen blattlosen Eu- phorbien alle jene Formen ganz bestimmt wiederfindet, welche wir vorhin, als den verschiedensten Gattungen der Cactus-Gewächse eigen betrachtet haben. Die Euphorbia meloformis repräsentirt in der alten Welt die Melocacten der neuen Welt; Euphorbia mammillaris die Echinocacten; die Euphorbia biglandulosa repräsentirt die Gattung Rhip- salis, Euphorbia trigona die dreikantigen Cereen, ja Eu- phorbia Clava wäre ‘den cylindrischen Cereen am ähnlich- sten, und diejenigen Bäume, welche die Euphorbia lactea und Euphorbia neriifolia Indiens bilden, möchten den hoch- stämmigen Pereskien am ähnlichsten sein. Ja man könnte diese aufserordentlichen Aehnlichkeiten zwischen den For- men dieser beiden Familien noch viel weiter ausführen, doch für unseren Zweck möchte es hinreichend sein. Die Euphorbia meloformis sitzt auf einem eylindrischen Stamme, gleich einem Melocastus, der auf einen Cereus ge- pflanzt ist. Es ist ebenfalls sehr aufiallend, dafs einige Cactus- Formen noch in einer dritten Familie anzutreffen sind, nämlich bei den Asclepiadeen und auch sogar bei den Syngenesisten. Die zahlreichen Stapelien. des südlichen Afrika sind nicht ohne Einflufs auf die Physiognomie der Natur; ihre kantigen Stengel ähneln im Kleinen den can- delaberförmigen Säulen der Cereen, und grofse, pracht- volle Blumen verzieren diese kleinen blattlosen Stämm- chen, ganz ähnlich wie die grofsen Blumen, welche die Pracht der Caetus - Gewächse bedingen. Die Gattungen Sarcostemma und Ceropegia, ebenfalls den Asclepiadeen angehörig, haben einzelne Arten, welche höchst auffallend die Form der Rhipsalis- Arten zeigen, und unter den Syn- 176 genesisten sind einige Bacchariden, welche dem Phyllantus und anderen Cactus- Arten ähneln. 14) Die fleischigen Gewächse. Eine andere Pflanzenform, welche sich an die Cactus- Form anschliefst, ist die der fleischigen Gewächse, welche uns die Familie der Ficoideen und der Semper- viven aufweist; sie umfafst nur Sträucher und Kräuter, und zeigt nur da einigen Einflufs auf den Charakter der Vegetation, wo sie in grofser Masse auftritt, als wie im südlichsten Afrika. Die Gattungen Mesembryanthemum, Sesuvium, Crassula, Sempervivum, Sedum, Cotyledon, Bryo- phyllum ete. sind die bekanntesten, deren grofse Anzahl von Arten so oft in Erstaunen setzt. Es ist auch hier bei diesen Gewächsen ganz so, wie bei der Cactus-Form, dafs die dahin ‚gehörigen Pflanzen weniger durch ihre Schönheit in der Form, als wie durch die mannigfaltigste Sonderbarkeit in derselben Eindruck machen. Die schöne Blume der Mesembryanthema mit ihrer grofsen Anzahl strahlenartiger Blättchen, welche gerade bei dem heifsesten Sonnenscheine am geöffnetsten stehen, nähert sich der Cactus-Blume, und in der grofsen Anzahl, wie sie gewöhn- lich erscheint, mag sie die trockenen Gegenden des südli- chen Afrika’s ganz angenehm schmücken. Offenbar ist diese Pflanzenform mit ihrer gröfsten Anzahl der alten Welt angehörig, um, gleichsam in Verbindung mit der Gattung Aloe, die. Cacten der meuen Welt zu ersetzen; am Cap der guten Hoffnung, wie überhaupt in der sub- tropischen Zone von Afrika ist diese Pflanzenform sogar vorherrschend, besonders durch die Gattungen Mesem- bryanthemum, Cotyledon, Crassula u. s. w., welche in der nördlichen Hemisphäre nur einzelne Repräsentanten ha- ben; dagegen sind wir an Sedum - und Sempervivum -Ar- ten {weniger arm; die Canarischen Inseln zählen nach Herrn von Buch an 14 Sempervivum- Arten und die In- sel Sicilien, wo die Semperviven ganz zu fehlen scheinen, zeigt, nach Herrn Philippi’s Beobachtung, schon 14 Sedum- u er re Eee ee ei Pr A 177 Arten. Auch einige Mesembryanthema treten schon im südlichsten Europa auf, und mit der baumartigen Erica jener Gegend repräsentiren sie die Capische Flora in die- sen Ländern. | 15) Die Lilien -Gewächse. Wir haben schon früher einmal, bei Betrachtung der Agaven-Form, der baumartigen Lilien gedacht, welche die prachtvolle Gattung Yucca aufzuweisen hat; wir. haben damals die Yuccen, ihrer Physiognomie nach, neben die Fourcroyen gestellt, obgleich sie, der Construction ihrer Blüthen nach, den Lilien angehören, deren Form wir hier aufzählen. Dagegen sind mit den Liliaceen noch die Ama- ryllideen und Irideen zu vereinigen, deren Blumen nicht- nur eine. ganz ähnliche regelmäfsig 6theilige Construction haben, sondern auch in der Form und Stellung ihrer Blätter, dem Habitus nach die gröfste Aehnlichkeit zeigen, Da auch unseren Lilien-förmigen Gewächsen die Baum- Form fehlt, und dieselben nur. als Kräuter auftreten, so äufsern sie nur dann ihren Einflufs auf den Charakter der Vegetation, wenn sie entweder in grofsen Massen gesellig neben einander vorkommen und in grofsen Massen ihre prachtvollen Blüthen erheben, oder wenn sie einzelne rie- senniäfsige Blüthen entwickeln, welche durch den Con- trast mit der umgebenden Vegetation, oder durch aufser- ordentliche Schönheit ihrer Prachtblüthen hervorstechen. Die grofsen Pancratien- und Orinum - Arten imponiren schon durch ihre aufserordentliche Gröfse, auf- den Kü- sten Indiens treten sie mit 3 Fufs langen: Blättern auf, und ihre Prachtblumen, bei der sanftesten Färbung und der entzückendsten Form, verbreiten über die ganze Ge- gend den angenehmsten Wohlgeruch. Die vorzüglichsten Gattungen, welche die Lilien-Form in besonderer Schönheit zeigen, sind: Lilium, Tulipa, Fri- tillarıa, Hemerocallis, Crinum, Pancratium, Alstroemeria, Amaryllis, Nareissus, Iris, Tigrina, Ixia, Gladiolus u. s. w.; sie sind über den ganzen Erdkreis verbreitet, von dem 12 178 hohen Norden bis zum Süden und aus der Ebene des Meeres bis in die Nähe der ewigen Schneegrenze, dem- nach durch alle Zonen und alle Regionen. Aber beson- ders reich an Lilienformen sind gewisse Gegenden in der nördlichen und in der südlichen Hemisphäre, welche nie- dere Plateaus bilden und aus Thonerde bestehen; sie sind zu gewissen Jahreszeiten reich an Wasser und dann wer- den sie in den ausgedehntesten Flächen mit prachtvollen Lilien bedeckt, welche dem Boden oftmals das Ansehen des buntesten Teppichs zu geben pflegen; doch in eini- gen Wochen ist diese Pracht wieder verschwunden, auch die Blätter vergehen in kurzer Zeit und, wenn die heifse Jahreszeit daselbst eintritt, verschwindet auch jede Spur der früheren herrlichen Pflanzendecke. Aber die Tiefe des Bodens ist mit den Keimen der nächsten Vegetations- Epoche angefüllt, welche darin ihren Sommerschlaf halten und durch den ersten Regen wieder zum thätigen Leben geweckt werden. Es ist aufserordentlich, bis zu welcher Härte der Boden solcher Gegenden durch die Wirkung der Sonnenstrahlen ausgedörrt wird, und dennoch bleiben die Zwiebeln in demselben unbeschadet; Herr Lichtenstein *) sah den Tarraoboden fast bis zur Härte des gebrannten Ziegels zusammengetrocknet, aber die darin liegenden Zwiebeln waren von der Natur durch eine Menge von Häuten gegen die zerstörende Wirkung des Bodens ge- schützt, und ganz ähnlich habe ich es auf den Plateau’s und auf den Abhängen der Chilenischen Cordillere, in nie- deren Höhen beobachtet. Im südlichen Afrika sind es die Ixien und Amaryllen, welche daselbst vorherrschen, im südlichen Amerika dagegen vorzüglich Alstroemerien, deren grofse Anzahl von Arten die mannigfachste Farbenpraächt zeigt; und in Asien sind ganze Ebenen mit Tulpen bedeckt. 16) Die Lianen oder Schlingpflanzen. Die Schlingpflanzen können an und für sich. allein keine Grundform darstellen, welche den Charakter der *) Reise ım südlichen Afrıka u. s. w. Berlin 1811. 1813. T. p. 197. En ar‘ — x Be Bm en u nn a a ap 179 Vegetation bestimmt, da sie nur in Gesellschaft anderer Pflanzen, meistens sehr hoher Bäume, auftreten und von diesen abhängig sind; doch ihr Einflufs auf die Physiogno- mie der Grundvegetation ist so bedeutend, dafs diese, durch Lianen verziert, einen ganz neuen und höchst belebten Charakter annimmt. Die Lianen sind es hauptsächlich, welche der tropischen Vegetation jene aufserordentliche Fülle, ja jenen mannigfaltigen Reichthum der gepriesenen Urwälder der Aequatorial-Zone darstellen helfen. Unseren nordischen Gegenden sind diese Lianen fast fremd, nur der Hopfen, unsere Lonicera Xylosteum und die Bryonien geben uns ein kleines Bild von der Ueppigkeit der Lia- nen-Flor der tropischen Gegenden, und unser Convolvu- lus sepium, oft mit gröfster Ueppigkeit die höchsten Ge- sträuche überziehend, zeigt durch sein schönes Blatt und durch die Gröfse der Blumen ein Bild, welches den tro- pischen Ipomoeen gleicht, wie diese oft die Kronen der hohen Bäume überziehen. In dem wärmeren Theile der temperirten Zone unserer nördlichen Halbkugel, ist die Weinrebe zu Hause; hier macht sie die Königinn der Wäl- der, indem sie in dicken Stämmen, von 3 bis 6 Zoll, nach den Gipfeln der höchsten Bäume steigt, diese ganz um- schlingt und mit einander verbindet. Doch wie ganz an- ders sind die biegsamen, sich rankenden Lianen der Tro- pen und der wärmeren Gegenden überhaupt, welche durch die Gattungen Passiflora, Bignonia, Banisteria, Paullinia, Aristolochia, Cissus, Aralia, Vitex u. s. w. dargestellt wer- den; „am Orinoco,“ sagt Herr Alexander von Humboldt *), „haben die blattlosen Zweige der Bauhinien oft 40 Fufs Länge. Sie fallen theils senkrecht aus dem Gipfel hoher Swietenien herab, theils sind sie schräg wie Masttaue ausgespannt, und die Tigerkatze hat eine bewunderungs- würdige Geschicklichkeit, daran auf- und abzuklettern.“ So wie die Bauhinien der neuen Welt eigenthümlich sind, so hat die alte Welt die sonderbare Palmenform in *) Ansichten der Natur, II. p. 38. 12 * 180 der Gattung Calamus, welche die Stelle der hauptsächlich- sten Lianen der neuen Welt vertritt. Aufserordentlich grofs möchte die Artenzahl dieser Rohrpalmen sein, wel- che in den Urwäldern Hinter-Indiens und auf allen In- seln des Indischen Archipelagus in so grofsen Massen auf- treten. Viele hundert Fufs lang, steigen sie auf die Gi- pfel der höchsten Bäume, oft.äufserst dünn und glatt, oft dicker und mit glänzenden Stacheln besetzt; vergebens sucht man nach den Enden dieser rankenden Stämme, denn sie steigen von einem Baume zum anderen, oder sie kehren ohne Stütze zurück, um von der Erde aus von Neuem ihren aufsteigenden Gang zu wiederholen. Ja diese langen Ranken verflechten sich gegenseitig, oft ganz re- gelmäfsig, dafs sie wie Ankertaue erscheinen, mit welchen die nebenstehenden Stämme verbunden sind, und umsonst versucht sich die Kraft des heftigsten Orkans an solchen festverbundenen Pflanzenmassen; ja selbst einzelne Stämme können verfaulen, sie werden durch das Netzgeflecht der Schlingpflanzen lange noch aufrecht erhalten, bis dafs sie zerfallen und nun die ganze Masse der Schlingpflanzen, auch ohne die ursprüngliche Stütze ihre Lage behält. Oft hängen bindfadenähnliche Gewächse von 30, 40 und 50 Fufs Länge von den Aesten der hohen Gipfel herab und werden, ihrer Festigkeit wegen, selbst zum Binden benutzt. Haben diese Fäden den Grund noch nicht erreicht, so schwanken sie bei dem leisesten Luftzuge hin und her. Andere dickere. herabhängende Gewächse fassen in der Erde wieder Wurzel und sind dann so straff, als. wenn sie mit Flaschenzügen angezogen wären. Herr v. Martius, der mehrere Jahre lang in den Urwäldern Brasiliens ge- lebt und die Physiognomie der Vegetation stets so cha- rakteristisch aufgefafst hat, giebt eine höchst interessante Darstellung über die Schlingpflanzen Brasiliens *), welche er durch vortrefflliche Abbildungen in dem Atlasse zu je- ner Reise versinnlicht hat. „Anfänglich,” erzählt Herr | *) S. dessen Reise nach Brasilien, III. p. XXX. 181 \ v. Martius, „wachsen sie als schwache Gesträucher loth- recht auf; sobald sie aber an einem anderen Baume eine Stütze erreicht haben, verlassen sie den ursprünglichen Weg der Ernährung und werden Parasiten, die sich, un- mittelbar über die Oberfläche der anderen Stämme aus- giefsend und nach ihr sich modelnd, fortan vorzugsweise von diesem, und endlich fast gar nicht mehr durch die eigene Wurzel ernähren.” Diese besondere Gruppe der Lianen, welche in allen Urwäldern der heifsen Zone auf- treten, werden wir später, bei der Betrachtung der tro- pischen Vegetation noch- näher kennen lernen, 47) Die Pothos- Gewächse. Die Pothos-Gewächse oder Aroideen mit ihren hell- grünen und grofsartig ausgebildeten Blättern, welche sich tütenförmig zusammengerollt emporschieben, und den präch- tigen, grofsen und glänzend weifsen Blumen, die so ge- heimnifsyoll aus dem umschliefsenden Grün hervortreten, kommen zum gröfsten Theil parasitisch, auf den Rinden der Bäume, in tropischen Wäldern vor, an und für sich ebenfalls nur dann auf den Charakter der Vegetation ein- wirkend, wenn sie in grofsen Massen, gesellig neben ein- ander auftreten; gewöhnlich aber wirken sie nur durch gröfsere Ueppigkeit und Formverschiedenheit, welche sie den Bäumen verleihen, auf denen sie ihren Boden er- halten. Die -Pothos-Gewächse sind ächt tropische For- men, doch werden sie in den wärmeren Gegenden der temperirten Zonen häufig repräsentirt durch die Arum- Arten, und siegehen durch die schöne Calla palustris selbst bis zu der subarktischen Zone hinauf. - Diese Sumpfpflanze, die Calla palustris, zeigt im verkleinerten Maafsstabe, ganz genau das Bild der Calla aethiopica, welche: durch ihr häufiges Vorkommen in unseren Gärten und auf unseren Fenstern, allgemein bekannt ist, indessen die riesenmäfsigen Pothos und Dracontium-Gewächse der tropischen Wälder Amerika’s, werden dadurch sehr gering repräsentirt. Die letzteren Gewächse haben stets sehr grofse, bald pfeilför- 182 mige, bald fingerförmig gelappte, bald gefiederte Blätter. Die Blätter einiger Pothos- Gewächse dehnen sich, wie schon Herr Alexander v. Humboldt beobachtet hat, so enorm aus, dafs sie mitten in ihrem Diachym mehr oder weniger grofse Löcher erhalten, welche das Blatt durch- fenstert machen; das Dracontium pertusum giebt hiezu ein Beispiel. Herr v. Martius *) theilt schon die Aroideen, in phy- siognomischer Hinsicht, in drei Gruppen ein, welche wir hier aufführen. Es wachsen diese Pflanzen entweder in der Erde und treiben knollige mehr oder weniger grofse Wurzeln, welche häufig die wichtigsten Nahrungsmittel der Völker ausmachen; sie erreichen keine besondere Höhe. Eine andere Gruppe dieser Pflanzenform klettert mehr oder weniger gewunden an den Stämmen der Bäume hin- auf, grofse Massen von Luftwurzeln nach allen Richtun- gen ausschickend, um durch diese die Feuchtigkeit der atmosphärischen Luft in gröfserem Maafse aufzusaugen, wozu die \urzeln mit eigenthümlichen hygroskopischen Organen besetzt sind. Eine dritte Gruppe wird in Bra- silien durch das Calladium arborescens Vent. repräsentirt; es steht von blendend weifser Farbe, in die Quere gerin- gelt, mit grofsen pfeilförmigen Blättern gekrönt, gleich Pallisaden in dichten Reihen am Ufer der Gewässer **). 48) Die Orchideen -Form. Die Familie der Orchideen, welche sıch sowohl durch mannigfachste Form- Verschiedenheit ihrer Blüthen, wie durch deren üppigste Farbenpracht vor den meisten an- deren Familien auszeichnet, erreicht in den heifsen Gegen- den der Erde, wo auch Feuchtigkeit in gleichem Grade herrscht, ihr Maximum. Dort leben die meisten Orchi- deen auf der Rinde der Bäume, oft daran hinaufkletternd und sich mit grofsen weifsen Luftwurzeln anklammernd; ”) Reise II. p. XIX. ”) S. v. Martius Reise, II. p. XIX. und Tab. I. VIII. 2*. - 183 wie dieses bei so vielen Epidendren der Fall ist, oder sie sitzen in den kleinsten Ritzen und Astwinkeln fest, wo sich irgend ein wenig Dammerde angesammelt hat. Die Gattungen Oncidium, Stelis, Cymbidium, Vanilla, Dendro- bium, Aerides, Epidendrum u. s. w. sind es hauptsächlich, welche, in Verbindung mit den Pothos- Gewächsen und den Lianen, die Urwälder der Tropen mit so bewunde- rungswürdig üppiger Vegetation verzieren, inden sie die elattesten Stämme und die, durch Sonnenhitze und Alter gleichsam verkohlten Oberflächen der, riesigen Bäume je- ner Wälder beleben. Die Orchideen unserer kälteren Zonen wachsen in der Erde und zeigen nur die grofse Mannigfaltigkeit in der Form der Blüthen, welche dieser Familie zukommt; das Cypripedium Calceolus unserer Zone ist die einzige Orchidee, welche bei uns auch von der tropischen Ueppigkeit dieser Pflanzenfamilie zeugt. „Diese Blüthen,” sagt Herr v. Humboldt, „gleichen bald geflügel- „ten Insekten, bald den Vögeln, welche der Duft der Ho- „niggefäfse anlockt. Das Leben eines Malers wäre nicht „hinlänglich, um alle die prachtvollen Orchideen abzubil- „den, welche die tief ausgefurchten Gebirgsthäler der pe_ „ruanischen Andeskette zieren.” Und gewifs eben solch ein Reichthum an dieser Pflanze kommt den feuchten Wäl- dern Indiens zu, wärend sie auf den Südsee-Inseln fast sänzlich fehlen. Auf die thierartige Form unserer schönen Ophrys. Arten hat man schon seit langer Zeit aufmerksam gemacht, aber die tropischen Orchideen zeigen viel grofsartigere Formen in ihren Blüthen; ja selbst mit gefiederten Blät- tern und schmetterlingsförmigen Blüthen treten sie auf. 19) Die Moos-Form und 20) die Flechten-Form. So unansehnlich die kleinen Pflänzchen sind, welche unter dem Namen der Moose umfafst werden, so sind sie in gewissen Gegenden nicht weniger wichtig für die Phy- siognomie der Vegetation, wie die Orchideen und Aroi- deen für die tropischen Gegenden. So wie in den tropi- 184 schen Wäldern die Bäume und Felsen mit üppigen Or- chideen und grofsblättrigen Aroideen bedeckt sind, so tre- ten in unserem Norden die Moose und Flechten auf, welche uns gleichsam ein kleines Bild von jenem üppigen Reichthum der tropischen Vegetation vor Augen stellen können. Besuchen wir, die feuchten, schattenreichen Wäl- der unserer Gegenden, so finden wir oft die ganzen Stämme mit diesen Cryptogamen bedeckt; die Moose bil- den gleichsam dichte Rasen, auf welchen öfters wiederum andere Pfianzen Wurzel fassen, Die sehönfarbigen Flech- ten, welche sowohl die Rinde der Bäume, ‚so wie die Oberfläche der Felsen unserer Felder und Gebirge be- decken, besonders die herabhängenden Usneen, machen zuweilen einen sehr angenehmen Eindruck, doch einför- mig ist derselbe im höchsten Grade, wenn Flechten oder Moose in grofsen Massen, gesellig neben einander vor- kommend, grofse Strecken des Landes beziehen. Die Ce- nomyce rangiferina, die Ceteraria islandica, Ceteraria spa- dicea und mehrere andere Flechten treten im Norden auf diese Weise auf, oft keine andere Pflanze zwischen sich aufkommen lassend. In der arktischen Zone von Nord- amerika sind es Gyrophoren, welche sowohl den Thieren, als auch zum Nothfalle den Menschen zur kümmerlichen Nahrung dienen. Auch die Moose treten zuweilen auf der Erde in grofsen Rasen auf, wie das bekannte Torf- Moos, die Sphagnum- Arten, das Dieranum glaucum etec., und wenn’sie das Strohdach der ländlichen Wohnung über- ziehen, geben sie derselben ein ehrwürdiges Ansehen. Die feuchtesten Gegenden der Tropen sind gleichfalls reich an Moosen und Flechten, vorzüglich sind es aber die nied- lichen Jungermannien, welche dort in so grofser Anzahl auftreten. Ja dort sitzen sie sogar auf den Blättern und Stämmen anderer Schmarotzergewächse und ertheilen die- sen, durch ihre bewunderungswürdig niedliche Form, ei- nen besonderen Charakter von Schönheit. 185 B. Allgemeine pflanzengeographische Einthei- ung der Erdoberfläche nach der Phy- siognomie der Vegetation. Nachdem wir nun die Haupt-Pflanzenformen kennen gelernt haben, welche sich, hauptsächlich durch den To- taleindruck, als mehr oder weniger abgeschlossene Grup- ‘pen darstellen, können wir zu der geographischen Ein- theilung der Pflanzendecke übergehen. Da nun aber das Vorkommen der Pflanzen, mit der Vertheilung der Wärme über den Erdkörper, in innigster Verbindung steht, und diese, von dem Aequator nach den Pölen za mit jener, aus der Ebene des Meeres bis zur Schneegrenze in ei- nem gewissen Parallelismus verläuft, so wird auch die Eintheilung der Pflanzendecke, -einmal nach den Zonen der Erdoberfläche, und zweitens nach den verschiedenen, übereinanderliegenden Regionen stattfinden müssen, wobei sich dann jener Parallelismus in der Wärme- Vertheilung, auch für die Vegetation auf das deutlichste zwischen den entsprechenden Zonen und Regionen nachweisen wird. Es sind bereits von anderen Schriftstellern mehrere ‚geographische Eintheilungen der Pflanzendecke der Erd- oberfläche aufgestellt worden, welchen jedoch ganz andere Prineipien zum Grunde gelegt sind. Willdenow *), R. Treviranus **), De Candolle ***) und Schouw +) haben dergleichen Eintheilungen aufgestellt. Willdenow ging von der Hypothese aus, dafs jedes Urgebirge seine eigenthüm- lichen Pflanzen habe, und dafs es demnach so viele Haupt- *) Allgemeine Bemerkungen über den Unterschied der Vege- tatıon auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre in den, aufser den Tropen gelegenen Ländern. Magazin der naturforschenden Freunde, Berlin 1811. St. 2. p. 98. und in mehreren früheren Schrif- ten, als in Usteri’s neuen Annalen, St. 16. 1797. etc. **) Biologie etc. II. p. 85. **") Geographie botanique. Dictionnaire des sciences naturelles 2:48: p. 411: i ’ 7) Grundzüge einer allgemeinen Pflanzengeograpkie. 1823. pag. 504. 186 floren oder geographische Pflanzenreiche gebe, als es Ur- gebirge gebe. Von den Gebirgen sollten jene Pflanzen herabgestiegen sein in die Ebene, und so die Erde bevöl- kert haben. Die Unhaltbarkeit solcher Ansichten ist heu- tigen Tages, nach genauerer Kenntnifs über das Vorkom- men der Pflanzen, so wie bei den richtigeren geologischen Ansichten unserer Zeit allgemein bekannt. Die Herren De Candolle und Schouw theilten dage- gen die Pflanzendecke in verschiedene geographische Reiche, indem sie das Vorherrschen dieser oder jener charakteri- stischen Pflanzenform oder Pflanzenfamilie, als Eintheilungs- Prineip zum Grunde legten und dann diese verschiedenen Floren entweder nach dem Namen der Ländermassen be- nannten, oder nach den vorherrschenden Pflanzenformen, welche jene Gegend charakterisiren. Ja um so viel wie möglich jeder Willkührlichkeit zu entgehen, gab Herr Schouw die Erfordernisse zur Aufstellung eines solchen pflanzengeographischen Reiches genaueran. Es müssen näm- lich nach diesen wenigstens die Hälfte der bekannten Arten dem Erdtheile angehören, welcher zu einem pflanzengeo- graphischen Reiche erhoben werden soll; es müssen fer- ner, wenigstens 4 der Gattungen, entweder völlig eigen- thümlich sein, oder in diesem Lande doch wenigstens so vorherrschen, dafs sie in anderen Ländern nur als Re- präsentanten zu betrachten sind, ja dafs endlich diesem Erdtheile sogar einzelne Familien eigenthümlich sind, oder daselbst wenigstens ihr entschiedenes Maximum erreichen. Die pflanzengeographischen Reiche theilt Herr Schouw wiederum in Provinzen *), je nach den geringeren Vege- tationsverschiedenheiten; 4 eigenthümlicher Arten und ei- nige eigenthümliche Gattungen, reichen zur Bildung einer solchen Provinz hin. $ Die ganze geographische Eintheilung der Pflanzen- decke nach Herrn Schouw ist folgende: *)'L. c. p. 507. Fre 157 Reich der Saxifragen und der Moose (Al- pinisch-arktische Flora). a) Provinz der Riedgräser (Arktische Flora); b) Provinz der Primulaceen und Phyteumen (Süd- europäische Alpenflora. Reich der Umbellaten und der Uruciaten. a) Provinz der Cichoraceen ( Nordeuropäische Flora); b) Provinz der Astragalen, Halophyten und Cy- narocephalen (Nordasiatische Flora). Reich der Labiaten und Caryophyllaceen (Mittelländische Flora). a) Provinz der Cisten (Spanien und Portugal); b) Provinz der Scabiosen und Salvien (Südliches Frankreich, Italien, Sicilien); c) Provinz der strauchartigen Labiaten (Levanti- sche Flora, Griechenland etc.); d) Nordafrikanische Provinz; e) Provinz der Semperviven. Der östliche temperirte Theil des alten Continentes (vielleicht das Reich der Rhamnus- Arten und Caprifolien). Reich der Asterarten und Solidaginen. Reich der Magnolien. Reich der Cactus-, Piper-Arten und der Melastomen. a) Provinz der Farrnkräuter und der Orchideen; b) Provinz der Palmen. Reich der Cinchonen. Reich der Escallonien, Vaccinien und Win- teren. Chilisches Reich. Reich der baumartigen Syngenesisten. Antarktisches Reich. Neuzeeländisches Reich. Reich der Epacriden und Eucalypten. Reich der Mesembryanthema u. Stapelien. 188 16. Westafrikanisches Reich. 17. Ostafrikanisches Reich. 18. Reich der Scitamineen *). Betrachten wir diese geographische Eintheilung der Pflanzen, so werden wir finden, dafs die Hälfte der Ab- theilungen auf dergleichen Pflanzen - Gattungen gegründet ist, welche durch ihre eigenthümliche Form, als charakte- ristisch für eine gewisse Gegend auftreten und dadurch den Charakter der Vegetation, ja meistens auch die Phy- siognomie der Natur daselbst bestimmen. Demnach fallen diese Abtheilungen mit jenen zusammen, welche ich im vorhergehenden Abschnitte, in physiognomischer Hinsicht, unter den Pflanzenformen aufgestellt habe. Eine statisti- sche Eintheilung der Pflanzendecke, wenn ich mich so ausdrücken darf, ist eine ganz andere, als eine physiogno- mische, wo die Form und der Totaleindruck, welchen die Gestalt der Pflanzen hervorruft, Alles bestimmen. Die er- stere Eintheilung wird erst dann auf einen gewissen Grad von Genauigkeit Anspruch machen können, wenn die *”) Anmerk. Herr Schouw (Momente zu einer Vorlesung über die pflanzengeographischen Reiche. Linnaea VII. pag.625.) hat in einer späteren Arbeit, von dem Jahre 1833, die Zahl dieser pflanzengeogra- phischen Reiche um 7 vermehrt, indem er noch folgende hinzuge- fügt hat: 1) Emodisches Reich (Wallich’s Reich), das Hochland von Indien, 4— 10000° hoch einschliefsend. Nachdem wir gegenwärtig eine so schöne Arbeit über das Hochland Indiens erhalten haben, wissen wir bestimmt, dafs die Vegetation daselbst zur Aufstellung eines eigenen Reiches keineswegs berechtigt, und eben dasselbe gilt für ein zweites, nämlich für das Hochjavanische Reich. 3) Polyne- sisches Reich (Reinwardt's Reich). 4) Oceanisches Reich (Chamis- so’s Reich). 5) Reich der Balsam-Bäume (Forskal’s Reich). . 6) Das WVüsten-Reich (Delile’s Reich). 7) Tropisch afrikanisches Reich (Adan- son’s Reich). 8) Reich des mexikanischen Hochlandes} 9) West- indisches Reich (Swartz’s Reich). Ich möchte mir hiezu die Be- merkung erlauben, dals H. $. diese Reiche keineswegs ganz nach denselben Grundsätzen aufgestellt, welche er früher hiezu angegeben hat, und däfs man, wollte man in dieser Art fortfahren, wohl noch einige 20 andere Reiche mit gleichem Rechte aufstellen könnte. 189 gröfste Anzahl der Pflanzen für alle Länder bekannt sein wird, wärend die Physiognomie der Gewächse schon frü- her zum Ziele gelangt, wenn auch noch grofse Ländermas- sen wenig oder gar nicht in botanischer Hinsicht erforscht sind; hier kann man die aufgestellten Gruppen, unbescha- det den früheren, vervielfältigen und sie, durch die neuen Entdeckungen bereichern und berichtigen. Der Totaleindruck, welchen die Vegetation einer Ge- gend auf uns macht, hängt überhaupt keineswegs von der Zahl der Arten und Gattungen der Pflanzen ab, sondern von der Masse, Form und der richtigen Vertheilung dieser. Um demnach die einzelnen Gegenden der Erde genauer charakterisiren zu können, habe ich zuerst die hauptsäch- lichsten Pflanzenformen speciell betrachtet, sofern sie, ‘ durch ihre Massen, auf den Charakter der Vegetation Ein- flufs ausüben können, und nachdem diese Physiognomik der Gewächse vorangeschickt ist, gehen wir zu der geo- graphischen Eintheilung der Pflanzendecke über, wobei das gegenseitige Auftreten der verschiedenen Pflanzenfor- men in verschiedenen Zonen und R£gionen, unseren Be- trachtungen stets zur Grundlage dienen soll. a) Eintheilung der Pflanzendecke nach den Zo- heniihrer horizontalen; Verbreitung. Die allgemeine astronomische Eintheilung “der Erd- oberfläche in drei Zonen, nämlich in die heifse, die tem- perirte und in die kalte Zone ist zu pflanzengeogra- phischen Zwecken noch nicht hinreichend, indem diese einzelnen Zonen noch zu ausgedehnt sind und defshalb oftmals vielfach verschiedene Vegetation einschliefsen, wel- che durch kleinere Zonen genauer bezeichnet 'werden könnte. Ich habe daher jede Hemisphäre in acht klei- nere Zonen eingetheilt, indem ich die allgemeine Einthei- lung in drei Zonen auch diesen zum Grunde gelegt habe; wir werden in. der Folge sehen, wie diese Zonen durch ihre eigenthümliche Vegetation zu charakterisiren sind, und wie sich diese, auf den verschiedenen Höhen der Gebirge 190 wiederfinden, ganz entsprechend dem Parallelismus, wel- chen die Abnahme der Wärme, von dem Aequator bis zu den Polen hin, mit demjenigen von der Ebene bis zu den Spitzen der Gebirge zeigt. Wir beginnen mit der Schilderung der heifsen Zone und bemerken nur noch, dafs alle Eintheilungen der Art mit grofsen Schwierigkeiten verbunden sind, indem die einzelnen Pflanzenformen in ihrem Vorkommen niemals so bestimmt begrenzt sind, wie wir hier die Grenzen un- serer Zonen angeben müssen, sondern an den Grenzen ihres Bezirkes in einander verlaufen. 4) Die Aequatorial-Zone. Die Aequatorial-Zone umschliefst auf beiden Seiten des Aequators eine Zone von 15 Breiten-Graden und hat eine mittlere jährliche Wärme von 26 bis 28° Cels., eine _ Wärme, welche, in Verbindung mit einem eben so hohen Grade von Feuchtigkeit der Atmosphäre, eine aufseror- dentliche Ueppigkeit der Vegetation hervorruft, die, über- dies verziert durch die gröfste Mannigfaltigkeit in Formen und prächtigen Farben, auf jeden gefühlvollen Menschen den erhabensten Eindruck zurückläfst. Hier sind die Gewächse saftiger, frischer erscheint ihr Laub und mächtig stark sind ihre Stämme; überall in je- ner heifsen Zone, wo nicht Lokalverhältnisse durch Ab- änderung der Wärme und Feuchtigkeit, diesen mächtigen Hebeln, der unbezwingbaren Vegetation .entgegentreten, da entwickeln sich jene unbeschreiblich grofsen Pflanzen- massen, deren Schilderung von geistreichen Naturforschern und ausgezeichneten Künstlern versucht worden ist. Grofsartig in jeder Hinsicht ist die Vegetation in den Urwäldern der Aequatorialzone; Stämme von riesiger Dicke erheben sich über 80 und 100 Fufs, ihre Kronen sind so dicht mit einander verwebt, dafs kein Sonnenstrahl den modernden Boden dieser Wälder berührt, der meistens so dicht mit niederen Pflanzen bedeckt ist, dafs man kei- nen Schritt thun kann, ohne vorher den Weg, mit dem 191 Eisen in der Hand, gebahnt zu haben. Drückend heifs und feucht ist die Luft in diesen Wäldern, wo dumpfe Dünste im beständigen Aufsteigen sind, und nicht selten die Luft wie mit sichtbaren Wasserdämpfen erfüllen. Das schneidende Pfeifen der grofsen Cicaden, hoch in den Kro- nen der Bäume, und das lautschallende Krächzen der scheufslichen Vampyre, der fliegenden Hunde und der Blutsauger, begleitet oftmals Tagelang den Wanderer in den Wäldern Indiens. So wie die Formen der Palmen, der Musaceen, der baumartigen Gräser, der Pandanen, Scitamineen, der Or- chideen, Mimosen und der Lianen in der Aequatorial- Zone überhaupt vorherrschend den Charakter der Vegeta- tion bestimmen, so sind es in den Urwäldern gerade die Wollbäume (Bombaceae), mit ihren riesigen Stämmen, oft bedeckt mit Warzen und Stacheln eigenthümlicher Art, so in der alten wie in der neuen Welt einen bedeuten- den Antheil habend an der Darstellung dieser Wälder. Ferner die zahlreichen Feigenbäume, ebenfalls zu Stäm- men von enormer Dicke anschwellend; die Swietenien, Caes- alpinien, Malpighiaceen, Anonen, Anacardien, Bertholle- tien und Lecythideen für die neue Welt und die Sapin- den, Caryoten, Artocarpen, Sterculien, Ebenaceen, Melia- ceen, Laurinen u. v. Andere für die alte Welt. Die un- geheuere Breiten- Ausdehnung einiger tropischen Baum- stämme ist bekanntlich Erstaunen erregend. Der Baobab oder Affenbrodbaum (Adansonia digitata L.) ist bekannt- lich eines der dickesten Gewächse, er ist am Senegal, auf den Cap-Verdischen Inseln, und selbst in Aegypten und Nubien zu Hause; man hat den Umfang einiger Stämme zu 77 Eufs und darüber gemessen, und seine Höhlung im Inneren ist so bedeutend, dafs zuweilen mehrere Neger- Familien darin ihren Aufenthalt finden. Ganz ähnliche und unförmige Gestalten erzeugen die Stämme der Bom- baceae, sowohl in der alten wie in der neuen Welt; durch ihre überwiegende Markentwickelung dehnen sie sich über- mäfsig in die Dicke und verlassen die gewöhnliche Cy- 192 lindergestalt, statt welcher sie ungeheuere Tonnen, von 30 und 40 Fufs Höhe, bei verhältnifsmäfsigem Umfange, darstellen *). Nicht weniger in Erstaunen setzen die un- geheueren Höhen und Holzmassen, weiche zuweilen die Mimosen-förmigen Gewächse, Swietenien, Hymeneen, Caes- alpinien u. A. m. aufzuweisen haben. Doch mit dieser Massen-Erzeugung ist die tropische Vegetation noch nicht erschöpft, auch die gröfste Mannisfaltigkeit und die höch- ste Schönheit in den Formen der Gewächse, so wie die äufserste Pracht in den Farben der Blumen und Annehm- lichkeit ihres Wohlgeruches, werden durch die glühenden Strahlen der Sonne und durch die drückende Feuchtigkeit der Atmosphäre hervorgerufen. Wie in den Wäldern un- seres Nordens die Rinde der Bäume mit schlichten Moo- sen und Flechten besetzt ist, so zeigen die Stämme der tropischen Wälder das gröfste Uebermaafs in den üppig- sten und schönsten Pflanzenformen; die herrlichsten Or- chideen sitzen in den Ritzen und Spalten der Rinde, an der sich windende Pothos-Gewächse hinaufklimmen, deren glänzend weifse Blumen aus dem schönen hellgrünen Laube hervorragen. Die niedlichsten Formen von Farrn schlängeln sich an den Stämmen hinauf, ‘wie bei uns der Epheu, sowohl unserer wohlbekannten Gattung Polypodium angehörig, als hauptsächlich den tropischen Gattungen Hymenophyllum, Trichomanes u. A. m.; oder sie sitzen, in mehr oder weniger grofsen Büscheln, oft ganze Hau- fen bildend, welche auf den Aesten sitzen, und auf eine eigenthümliche Art gegen die Belaubung der Bäume con- trastiren. In den Wäldern der Philippinen ist es eine grofse prachtvoll gestaltete Polypodiacee, welche dem Po- lypodium quereifolium ähnelt, und mit. den. dicken hell- braun beschuppten Wurzeln ganze grofse Flächen einzel- ner Aeste bezieht; es fällt diese prachtvolle Pflanze, de- ren einzelne gefiederte Wedel 2 und 3 Fufs lang werden, um so mehr in die Augen, weil ihre Wurzelblätter, ja *) $. v. Martius Reise, Ill. pag. XXIX. 193 selbst alle unfruchtbare Wedel mehr oder weniger hell- gelb gefärbt erscheinen, was zwischen den braunroth ge- färbten Wurzelmassen und der dunkelgrünen Umgebung so ganz eigenthümlich contrastirt. \Yo noch an den Rin- den dieser Bäume ein Plätzchen leer ist, da sitzen Flech- ten, Moose und Jungermannien, ja diese Letzteren, nicht zufrieden mit jener Einschränkung, überziehen in den niedlichsten Formen, deren Schönheit oft erst das Mi- kroskop zu entdecken vermag, selbst die Blätter der an- dern Schmarotzer-Pfianzen. Die Blätter der Orchideen, in den Urwäldern der Inseln des Indischen Archipel, sind gewifs nur selten ohne diese Jungermannien zu finden, ja selbst die Flechten und Farrn werden von ihnen über- zogen. Doch nicht nur die Stämme dieser Bäume dienen ei- ner so üppigen Vegetation zur Grundlage, sondern hoch in den Kronen sitzen die scharlachrothen Loranthus - Blü- then, die glänzenden Tillandsien, Pitearnien und ein gan- zes Heer von Schlingpflanzen, welche anfangs, in der Erde wurzelnd, an dem Stamme und den Aesten hinaufklimm- ten, später aber ihren Mutterboden verliefsen und alsdann parasitisch fortleben. Herr von Martius *) hat, bei sei- nem langen Aufenthalt in den Urwäldern Brasiliens, die Lebensweise dieser sonderbaren Gewächse mit aufseror- dentlichem Scharfsinne verfolgt, und seine Schilderung wird jenes Naturgemälde am deutlichsten darstellen: Es wohnt nämlich jenen Stämmen der Parasiten der sonder- bare Trieb inne, überall da, wo sie durch Berührung ge- reizt werden, sich der Rinde zu entledigen, und sich über den fremdartigen Körper nach und nach gleichmäfsig, wie Flüssiges auszudehnen. So verfliefsen allmählig sogar die einzelnen Aeste der Parasiten mit einander. Ist in die- sem Processe die Kraft der ursprünglichen Wurzel ge- schwächt worden, so setzt sich der Stamm dadurch in’s Gleichgewicht, dafs er Luftwurzeln von oben herab zur *) Reise u. s. w. Il. p. XXXII. 13 194 Erde sendet, und so gewinnt dieses zähe, lebenskräftige Geschlecht, zum Verderben der Nachbarn, immer neue Ausdehnung und Stärke. Wir finden diese Lebensweise bei Pflanzen aus den verschiedensten Familien, vorzüglich ausgebildet aber bei vielen Guttiferen. Es sind in den Wäldern Brasiliens die Clusien, Havettien, Arrudaeen und die verwandten Gestalten der Ruyschia, Norantea und Marc- gravia, welche sich, durch Zusammenfliefsen ihrer Aeste und Stämme, selbst mit dem Holze der Unterlage auf das Innigste verbinden. An den Ufern des Rio Guama sah Herr von Martius ganze Reihen der Macaubapalme (Acro- comia sclerocarpa M.) mit der Clusia alba überzogen, so dafs der Parasit ein, ringsum geschlossenes Rohr um den 30 Fufs hohen Stamm gebildet hatte, das an kurzen Ae- sten Laub und Blumen trug, und aus dessen Ende die erhabene Palmkrone hervorragte. Ich habe ganz ähnliche Umgürtungen von abgeflachten, netzartig aussehenden Fei- gen-Stämmen in den Urwäldern der Insel Lucon, selbst die dickesten Stämme anderer Bäume wie mit einem um- gossenen Gitterwerke umzogen gesehen, deren Entstehung mir anfangs ganz unbegreiflich schien. Ich habe, schon an. verschiedenen anderen Stellen dieses Buches (pag. 179) nä- her gezeigt, wie diese Schlingpflanzen die nebeneinander stehenden Stämme und Kronen, gleich sich durchkreuzen- den Tauen mit einander verbinden, so, dafs selbst die Wir- kung der heftigsten Stürme nicht im Stande ist, die ver- einigten Massen von einander zu trennen. In den Wäl- dern der neuen Welt sind es hauptsächlich die Bauhinien, Paullinien und Banisterien, wärend in den Wäldern der alten Welt die Passifloren, Aristolochien, aber hauptsäch- lich die Ratang’s (Calamus- Arten), diese lebenden Seile bilden, welche oft, auf 20 und 30 Fufs Länge, weder Blät- ter noch Blüthen treiben. Zwar sind grofse Blüthen, von ausgezeichneter Farbenpracht, den Lianen oder Schling- pflanzen charakteristisch, doch hoch in den Gipfeln der Bäume schweben diese biegsamen Stämme, und meistens verrathen erst die herabgefallenen Blüthen oder ein be- ’ f 195 sonderer Wohlgeruch die Anwesenheit dieser seltenen Schönheiten *), zu denen oftmals vergebens der reisende Botaniker hinaufschauet. Bäume mufs man fällen, um zu den Blumen ihrer Schmarotzer-Gewächse zu gelangen, denn die Stämme sind theils zu dick, theils mit rauhen Warzen oder Stacheln geschirmt, theils mit gestachelten Schlingpflanzen bezogen, und verweigern jedem Verwege- nen den Weg, wärend-die Lianen, deren strafigespannte Seile zum Klettern so vortheilhaft wären, durch ihre beifsenden Säfte und die bösen Ausdünstungen, selbst bei den Bewohnern der Wälder gefürchtet werden. Bekanntlich sind die Blüthen der Aristolochien ihrer aufserordentli- chen Gröfse wegen berühmt; an den schattigen Ufern des Magdalenenflusses in Südamerika fand Herr v. Humboldt die Aristolochia cordifolia, deren Blume, von 4 Fufs Um- fang, von den indischen Knaben im Spiele als Mützen be- nutzt wurden, und die Aristolochia gigantea des Herrn v. Martius hat fast fufslange Blumen. Aber auch mit diesen, in die Luft gehobenen Gärten von gröfster Mannigfaltigkeit und üppigster Pracht ist die Kraft der tropischen Vegetation noch nicht gebrochen, denn selbst aus den Wurzeln treten mannigfaltige Ge- wächse, oft von riesiger Gröfse und sonderbarer Form hervor, gleichsam ihren dunkeln Ursprung verkündend. Die Rafflesien und Brugmansien im indischen Archipel er- scheinen nicht anders, als grofse, gleichsam blühende Hut- pilze; ja die Rafflesia oder Riesenblume erreicht eine Gröfse von 3 Fufs Durchmesser. Die tropischen Wälder *”) Als eine Eigenthümlichkeit der Bäume und überhaupt der Gewächse tropischer WVälder ist noch zu bemerken, dafs nach den Beobachtungen verschiedener Reisender, als VVydler, Auguste de Saint-Hilaıre und Pohl, die Bäume in den tropischen WVäldern nur selten blühen, und dafs sie sich häufig durch heranwachsende VVur- zelbrut fortpflanzen. Das unaufhörliche Wachsthum der Bäume, ihr Blätter- und Zweige-Treiben, bringt nur selten Blumen hervor. Eine Qualea Gestasiana bleibt 5 Jahre unfruchtbar, wenn sie einmal Blüthen getragen hat, ect. 13° 196 Amerika’s, der Südsee-Inseln, und selbst nach einigen Nach- richten in Afrika, sind reich an Balanophoren der mannig- faltigsten Formen und Farbenpracht. So majestätisch schön der Anblick eines Urwaldes ist, so furchtbar grofsartig ist derselbe im Kampfe mit den wilden Elementen. Der Aufenthalt in einem Urwalde bei heftigem Orkane wird als furchtbarer geschildert, wie der Kampf mit den tobenden Wogen im offenen Meere; doch schon minder heftige Stürme erregen grofsartige Natur- scenen. Wenn der heftige Sturm die Kronen jener riesi- gen Stämme der Urwälder erfafst und Aeste und Stämme gegen einander schüttelt, dann wird die Luft mit furcht- barem Rauschen, Toben, Knarren und Krachen erfüllt; selbst die mächtigen Lianen werden zersprengt und die modern Aeste und Stämme stürzen zu Boden. In grofsen Massen werden die Parasiten aus den Gipfeln niederge- worfen und die Bäume entledigen sich ihrer grofsen Früchte, welche, meistens mit harten Schalen umhüllt, mit heftigem Krachen zu Boden fallen. Der Regen, an- fangs durch die dichte Blätterdecke aufgehalten, stürzt nun in desto gröfseren Massen herab, und vergröfsert das. Schauerliche des Augenblicks; fast alle Bewohner dieser Wälder geben ihre Unruhe durch klägliches Geheul und Geschrei zu erkennen, die Affen, die grofsen Fledermäuse, das ganze Heer der Vögel ruft laut durch einander und das Gequak der Laubfrösche und anderer dieser Familie, oft paukenförmig ertönend, giebt die grofse Noth des Au- genblickes zu erkennen. Nur die Insekten schweigen, welche lange vorher jenen Aufruhr verkündet haben, und sitzen versteckt auf der untern Fläche der Blätter, bis Al- les vorüber ist und die Sonne wieder freundlich die Gipfel bescheint. Diefs sind die Urwälder der Aequatorial-Zone mit ihren Wundern; an ihrem Rande, an den Ufern der Seen und der Ströme ist diese Vegetation weniger mächtig, aber um so schöner. Gleichsam niedere Waldungen fassen diese Gewässer und freien Plätze ein, über deren Laub- 197 decke sich die- stolzen Palmen erheben, zuweilen, wie die Piriguao an der Mündung des Guaiviare und Atabapo, so- gar mit den schönsten Früchten verziert. Es erhebt sich diese Palme mit schilfartig zartem, an den Rändern ge- kräuseltem Laube, mit einem 60 Fufs hohen Stamme und trägt pfirsichartige Früchte, deren 70—80 in ungeheuern Trauben niederhängen und den Menschen eine nahrhafte Speise darbieten. An den Ufern der Flüsse, auf der Insel Lucon, wurden die steilen Abhänge dieser Vegetations- Massen mit prächtigen Schlingpflanzen verziert; reizend schöne Farrnkräuter, ein grofsblättriges Lygodium nämlich, hing in 40 und 50 Fufs langen Ranken aus den Gipfeln der Bäume herab, und von den Blüthensiengeln der Bi- gnonia grandiflora hingen 2 und 3 Fufs lange Schoten. Am Rande solcher lichten Waldung pflegt der Indier seine leichte Hütte zu errichten; einige hellgrüne Pisange, und die schlanke Palme, hinausragend aus dem dunkeln Laube der anstehenden Fruchtbäume, verkünden schon aus weiter Ferue die Wohnung des Menschen, deren Er- richtung durch die Nähe der baumartigen Gräser in Indien wenigstens so sehr erleichtert wird. | Die herrliche Pflanzenform, welche wir unter dem Namen der baumartigen Gräser geschildert haben, welche durch die Gattung Bambusa am allgemeinsten repräsentirt wird, tritt in der Aequatorial-Zone in geselligem Zustande auf, und bildet hier eben so ausgedehnte Waldungen wie die Coniferen in nördlicheren Zonen. Auch die Nipa- Palme im Indischen Archipel überzieht in gesellschaftlichen Massen die meilenlangen Küsten-Gegenden jener Inseln, häufig grenzend an die ausgedehnten Mangrove- Waldungen, wo der Wurzelbaum, die Avicennien, Bruguieren, Dodo- neen, Tournefortien u. s. w. in grofser Anzahl gesellschaft- lich neben einander vorkommen. Die höchsten Bäume dieser Mangrove-Waldungen gehen gewöhnlich nicht über 40 bis 50 Fufs hinaus, sie behalten das ganze Jahr hin- durch grüne Blätter, wie es den Bäumen der feuchten tropischen Gegenden allgemein zukommt. 198 So wie ich hier die Vegetation der Aequatorial-Zone zu schildern versucht habe, würde sich dieselbe auf allen Punkten ihres Gürtels zeigen, wenn nicht dort, so wie in unseren Zonen störende Einflüsse dem regelmäfsigen Gange der Naturkraft entgegenwirkten. Vergebens sucht man in den Savanen am Orinoco, oder in der Küsten-Pampe des südlichen Peru, oder in den Wüsten Afrika’s nach jener - üppigen Vegetation, welche ich im Vorhergehenden als der Aequatorial-Zone eigen geschildert habe. Der Grad der Hitze, welchen diese Theile der Erde aus ihrem Stand- punkte zur Sonne erhalten, ist unter allen Längen der- selbe, aber die Verschiedenheit ihres Reichthums an Was- ser ist so grofs, dafs dadurch die auffallendsten Abwei- chungen hervorgerufen werden. Ich habe früher die Ursachen, worauf die Verschie- denheit des Küsten- und des Continental-Clima’s beruht, genau aus einander gesetzt, und ich kann defshalb darauf nochmals verweisen; ehen dieselben Theorieen erklären die grofse Hitze in jenen tropischen, wasserlosen Gegen- den bei Tage und die grofse Kälte durch Ausstrahlung wärend des Nachts. Wo die gehörige Feuchtigkeit der Atmosphäre und dem Boden jener Gegenden fehlt, da tritt zwischen den verschiedenen Jahreszeiten ein grofser Wech- sel der Verhältnisse ein. Gerade zur Sommerzeit, wenn bei uns die Vegetation im höchsten Flore ist, dann er- stirbt sie in den trockenen Gegenden der Tropen; die Bäume verlieren ihre Blätter und die Kräuter verschwin- den spurlos, aus blofsem Mangel an Feuchtigkeit, so wie bei uns gerade zur Winterzeit, aber aus Mangel an Wärme die Vegetation erstarrt, bis die erste Frühlingswärme die- selbe wieder in das Leben ruft. Ausführlich sind die lich- ten Wälder Brasilien’s (Catingas) von berühmten Rei- senden geschildert, welche das sonderbare Phänomen des Blattfalls für die Tropen aufweisen, und dann, gerade wä- rend der heifsesten Zeit, ihres ganzen Schmuckes beraubt, dastehen; doch diese Erscheinung ist allgemein, ja überall in der heifsen Zone, wo ähnliche Verhältnisse auftreten. 199 In den wasserlosen Gegenden auf der Westküste von Peru habe ich nicht nur die, daselbst eingeborenen Bäume wärend der heifsen Jahreszeit blattlos gesehen, sondern auch unsere europäischen Fruchtbäume, welche dorthin eingeführt sind. Wir sahen unsere Feige neben dem Schinus, beide blattlos, wie vertrocknet dastehen, nur die Früchte an dem Schinus, und dicke Knospen an den Spit- zen der Feigenbäume verkündeten das schlummernde Le- ben dieser Gewächse, welche mit der todten, vollkommen vegetationslosen Gegend auffallend harmonirten. Ich glaube diese blattlosen Waldungen der Tropen nicht besser schil- dern zu können, als durch Aufführung einer Stelle aus Herrn von Martius Reisebericht *): „Alles um uns her,“ erzählt dieser berühmte Reisende, „trug ein eigenthümli- ches, uns fremdes Gepräge, und erfüllte das Gemüth mit Bangen. Der dichte Wald erschien uns wie ein weites Grab, denn die dürre Jahreszeit hatte allen Schmuck der Blätter und Blüthen von ihm abgestreift; nur selten rank- ten sich dort dornige Smilax- Arten oder schnurartige Ge- winde von Cissus, mit einzelnen Blättern besetzt, in die Höhe, oder es ragten hier stattliche Blumenrispen von Bromelien zwischen den Zweigen hervor; um so sichtba- rer erschienen die Stämme in ihrem ganzen ungeheuren Umfange, ihre Aeste, wie Riesenarme, in den dunkelblauen Aether streckend. Dornige Acacien, vielverzweigte Andi- ren und Copaiferen und milchweifse Feigenbäume erschıie- nen hier besonders häufig; was uns aber am meisten auf- fiel, waren die gigantischen Stämme von Chorisien (Cho- risia ventricosa), welche oben und unten verengt, in der Mitte wie ungeheuere Tonnen angeschwollen, und auf der korkartigen Rinde mit gewaltigen glänzend braunen Sta- cheln besetzt waren. Hier hingen mächtige Büschel para- sitischer Misteln an den Aesten herab, von der sorgsamen Mutter Natur meistens in der Art vertheilt, dafs die weıb- lichen Stauden tiefer stehen, als die männlichen u. s. w. 5) Reise in Brasilien, II. p. 499. 200 Dort hatten Myriaden von Ameisen ihre Wohnungen voll dädalischer Windungen an den Stämmen aufgehangen, wel- che im Umfange von mehreren Fufsen durch ihre schwarze Farbe seltsam contrastirten mit dem Hellgrau der entblät- terten Aeste. Der herbstlich erstarrte Wald ertönte vom Geschrei mannigfaltigen Gefieders, vorzüglich krächzender Araras und Periquitos. Scheue Gürtelthiere und Amei- senfresser begegneten uns zwischen in hohe Wälle aufge- worfenen Cupims geschäftiger Ameisen, und träge Faul- thiere hingen dumpf hinbrütend an den weifsen Aesten der Ambauba (Cecropia peltata), die sich hie und da, zwi- schen den übrigen Bäumen erhob. Heerden von Brüll- affen liefsen sich aus der Ferne vernehmen. Das hohe, dürre Gras war von’ wimmelnden Ballen kleiner Carabatos bedeckt, die sich, wenn wir sie zufällig berührten, mit Blitzesschnelle über uns verbreiteten und ein bösartiges Jucken erregten.“ Noch auffallendere Erscheinungen bieten die Wüsten der heifsen Zone dar, deren Physiognomie durch Herrn Alexander von Humboldt #) mit so grofser Umsicht cha- rakterisirt worden ist. Es sind diese, mehr oder weniger gleichmäfsigen Ebenen ebenfalls als Lokalerscheinungen zu betrachten, deren Entstehung mit den grofsen geognosti- schen Revolutionen zusammen zu hängen scheint, welche zuletzt die Gestalt unserer jetzigen Erdoberfläche bestimmt haben. Einige von diesen tropischen Wüsten sind, aus flie- gendem Sande bestehend, ganz wasserleer, und weder Re- gen noch Vegetation ist in ıhnen zu beopachten; hiezu gehören grofse Striche der Sandwüste Afrika’s. Andere dieser Ebenen sind mit einer dünnen Decke von Erde bekleidet und, dem Einflusse periodischer Regen ausgesetzt, zeigen sie in verschiedenen Jahreszeiten ganz verschiedene Gestalt; wärend der trockenen Jahreszeit sind sie z. B. in den Aequatorial-Zonen Amerika’s verödet, wie die li- *) Ueber die Steppen und Wüsten. Ansichten der Natur. 201 bysche Wüste, aber wärend der nassen Jahreszeit sind sie mit üppig anschiefsendem Grase und niederen Mimo- sen bekleidet. 2) Die tropische Zone. Die tropische Zone erstreckt sich, auf jeder Seite des Aequators, von dem 4dten Grade der Breite bis zu den Wendekreisen und zeigt eine mittlere Wärme von 23° Cels. bis 26° Cels. Die vielen Ausnahmen, welche diese Zone in Hinsicht der mittleren Wärme, wie sie so eben age- geben ist, aufzuweisen hat, haben wir, wenigstens theil- weise, schon in der ersten Abtheilung unseres Buches auf- geführt (s. p. 22.). In Gegenden, wo die Monzoone herr- schen, ist eine Sommerwärme von 27 und 28° Cels., ja bis 30° Cels. gewöhnlich, wärend zur Winterzeit die Tem- peratur daselbst sogar bis unter den Gefrierpunkt zu sin- ken pflegt. Die mittlere jährliche Wärme von Canton be- trägt 17,5° R.*) oder 21,87° Cels., dagegen ist die mitt- lere Sommerwärme daselbst 22,2° R. (27,7° C.) und die mittlere Winterwärme gleich 12,1° R. (15,1° Cels.). © Ich habe mich schon früher, in der ersten Abtheilung (p.10 u.22) etwas ausführlicher über die. Verschiedenheiten in dem Gange der Temperaturen für einige der hauptsächlichsten Punkte, welche nahe dem Wendekreise des Krebses liegen, ausgesprochen und kann jetzt dahin verweisen. Allerdings eben so, wie wir gesehen haben, dafs die Isothermen-Linien auf ihrem Verlaufe einer beständigen Wellenlinie folgen, und hie und da bald steigen und bald sin- ken, so werden wir auch in dieser tropischen Zone ein- zelne Gegenden nachweisen können, in welchen noch alle die Verhältnisse auftreten, die wir im Vorhergehenden für die Aequatorial-Gegend aufgezählt haben. Als Beispiele hiezu möchte ich die Gegend von Rio de Janeiro und von Caleutta aufführen, . wo man gewifs einen sehr geringen *) $. Meyen, Bemerkungen über das Clima des südlichen China, Nova Acta Ac. GC. LT. Vol, XIL P. I. 903. 202 Unterschied zwischen dem Clima und der Vegetation der Aequatorial-Zonen auffinden möchte. Aufser den Palmen, den Musaceen, Scitamineen, Me- liaceen, Anonaceen und Sapindaceen, aufser den Pflanzen mit Orchideen- und Pothos-Form, so wie den Lianen und noch Anderen, welche der Aequatorial-Zone besonders eigen sind, so dafs sie daselbst den Charakter der Vege- tation bestimmen, treten gegen die Grenzen der heifsen Zone die Farrn, die Convolvulaceen, die Melastomen und die Piperaceen als noch mehr vorherrschend auf. Hier sind es die baumartigen Farrn, welche die Zone charakte- risiren, wie die Palmen in Verbindung mit der Scitamineen- Form, der Umgegend des Aequators besonders eigen wa- ren. Will man die auffallendsten Contraste zwischen der imposant grofsartigen Vegetation der Aequatorial - Zone und der üppigen der tropischen Zone auflassen, so wäre eine Vergleichung der Pflanzendecke der Sandwichs -In- seln und der der Philippinen ganz allein hinreichend. In den Wäldern der Sandwichs -Inseln fehlt es nicht an mas- siger Vegetation; auch hier bildet eine Acacia (A. hete- rophylla) und die prachtvolle Aleurites triloba Stämme von ungeheuerem Umfange, und keinen Fufs kann man zur Erde setzen, ohne vorher, mit dem Messer in der Hand, Bahn gemacht zu haben. Eine unendliche Masse von baumartigen Farrn, von Pandanen und Seitamineen ist hier durch die zahlreichen Individuen und Arten von Ipomoeen so dicht mit einander verflochten, dafs man zu- erst alle die Schlingpflanzen zerstören mufs, um sich ei- nen Weg zu bahnen. In diesen Wäldern herrscht über- haupt ein so grofser Reichthum an Unterholz, wärend in den Wäldern der Aequatorial-Zone mehr die parasitische Flora, sowohl der Orchideen, als der Pothos-Gewächse, wie aber hauptsächlich der Lianen, welche auf der Krone der Bäume sitzen, vorherrschend ist. In den dichteren Wäldern der Sandwichs-Inseln kommen die Pandanen und Ananas-artigen Gewächse in gröfseren Massen vor; sie steigen an den Stämmen der Bäume hinauf und umschlin- 203 gen diese mit Hunderten von Aesten, so dafs ihr Laub- werk undurchdringlich wird, und der Reisende seinen Weg auf dieser vegetabilischen Decke verfolgen mufs; ja un- bemerkt wandert man zuletzt in einer Höhe von 8 und 40 Fufs über der Oberfläche der Erde, und erst an den Abgründen dieser Berge von Pflanzen kann man ihre ungeheueren Massen übersehen. Dicke Baumstänme, die ringsum mit bunten Flechten *) verziert waren, zeigten mit den prachtvollen Farrn, welche auf ihnen gruppirt sind, den schönsten Anblick, welchen sich reisende Bo- taniker nur wünschen können. Ungeheuere Asplenien, nämlich die gröfste Varietät des Asplenium Nidus, dessen Blätter 2 bis 3 Fufs lang und verhältnifsmäfsig breit sind, daneben kleine Pteris- Arten mit linien - lanzettförmigen Blättern, Piperaceen in gröfster Menge, niedliche Junger- mannien, Laubmoose u. s. w., und alle diese Formen auf einem und demselben Baume; welch ein Anblick! Die sonderbar gestaltete Charpentiera obovata Gaud. hängt nachlässig ihre Blüthenbüschel über die baumartigen Lo- beliaceen herab, und die grofse Menge von Urticeen, de- ren grofsblättriges Laub mehr oder weniger auffallend weifs behaart ist, giebt hier den Charakter der hochstäm- migen Vegetation, wärend der Boden ganz und -gar mit 4, 5 und 6 Fufs hohen Farrn-Stämmen bedeckt ist. Der schöne grofse Baum von Metrosideros polymorpha und derjenige der Jambosa malaccensis, neben denen so häufig die niedlichen Dracaenen und. hohe wilde Pisange aufschie- fsen, dienen nicht wenig zur Verschönerung der Wälder dieser Sandwichs-Inseln.. Die herrlichen scharlachro- then Blüthenmassen jener Bäume, so häufig von ganz klei- nen Nectarinien besucht, stechen nicht wenig von den weifslich behaarten Blättern der umgebenden Urticeen ab. Auffallend ist bei der üppigen Vegetation der Sand- wichs-Inseln der gänzliche Mangel an Orchideen und auch *) Parmelia perforata var. melanoleuca und var. ulophylla, Us- nea australis Fr., Sticta lurida n. sp. etc. 204 Umbellaten gehörten zu den gröfsten Seltenheiten; auch möchte ich hier gelegentlich noch eine besondere Eigen- thümlichkeit in Hinsicht der Fauna dieser Gegenden be- merken. Es ist nämlich bekannt, dafs in den feuchten Wäldern der Aequatorial-Zone, sowohl in der alten, wie in der neuen Welt, ein ganz aufserordentlicher Reichthum an Insekten herrscht; selten wird man hier die Blätter eines Astes umdrehen, ohne darauf einige Käfer u. s. w. zu finden. Auf den Sandwichs-Inseln dagegen fehlen diese Thierehen fast gänzlich und, sonderbar genug, sie werden daselbst durch niedliche Landschnecken gleichsam ersetzt, denn deren Anzahl ist hier so grofs, dafs nur 'selten’ ein Pflänzchen oder der Ast eines Baumes nicht mehrere der- selben aufzuweisen hätte. *) Leider liegt ein grofser Theil von den Ländermassen dieser Zone unter solchen Verhältnissen, dafs ihnen, we- gen Mangel an hinreichender Feuchtigkeit und wegen eines zu schlechten Bodens, fast alle die Schönheiten einer tro- pischen Vegetation abgehen; so fanden wir dieses auf der Westküste von Südamerika, wo, gerade in den Breiten dieser Zone, die armseligste Vegetation herrscht, welche man sich vorstellen kann. Nur einige wenige Palmen, einige Acacien und einige tropische Früchte sind die Spu- ren, welche daselbst die Lage des Landes verrathen. Das südlichste China, der nördlichste "Theil der Philippinen, Cochinchina u. s. w. reichen ebenfalls in die nördliche tro- pische Zone hinein und zeigen gleichfalls einige Abwei- chungen von der Vegetation der Aequatorial-Zone, doch auch hier ist oftmals das Charakteristische durch den Ein- flufs der halbjährlichen Winde unterdrückt; ja in China und Cochinchina hat auch die uralte Cultur der Menschen und die grofse Bevölkerung so stark auf die Vegetation eingewirkt, dafs man nur noch wenig Uharakteristisches derselben aufzufinden vermag. Zu den Eigenthümlichkeiten der Vegetation dieser Gegenden gehört ‚las gesellschaft- *) $S. Meyen’s Reise, Il. pag..142 u. s: w. 205 ” liche Auftreten der chinesischen Fichte, welche Wälder bil- det ganz so wie die unserer gemeinen Fichte, Um so auffal- lender ist der Contrast dieser Fichtenwälder gegen die lichten Waldungen der baumartigen Gräser, welche daselbst die Bambusa arundinacea in so ausgedehnten Flächen bil- det, und die Landschaft höchst ‘angenehm verzieret. Die Wälder der baumartigen Gräser setzen sich, in der alten Welt, gegen den Aequator hin, fast ununterbrochen fort, nur tritt in der Aequatorial-Zone statt der Fichtenform die Casuarinenform auf, welche sich auch südlich durch die Aequatorial-Zone nach der Grenze der Tropen hinzieht. Neben diesen Fichten und Gasuarinen der tropischen Zone Indiens fehlt es auch nicht an Cypressen , und selbst auf Neu-Caledonien treten diese neben den Casuarinen auf. Die grofse Insel Neu-Caledonien, ebenfalls der südlichen tropischen Zone angehörig, kann sich eben so wenig jener üppigen, tropischen Vegetation rühmen, welche ‚alle Rei- sende im südlichen Brasilien und in Indien gefunden haben, sondern das Land ist im Gegentheil kahl, ja entwaldet zu nennen, doch an einzelnen Stellen, wahrscheinlich wo ,grö- fserer Reichthum an Wasser ist, da treten viele der schö- nen tropischen Pflanzenformen auf, deren wir im vorher- gehenden Abschnitte gedacht haben. *) ‚ Die Ufer der Gewässer sind auch ‘hier mit Mangrove- Waldungen bedeckt, und merkwürdige Feigenbäume schlie- fsen sich diesen an, deren schöne Belaubung so dick ist, dafs selbst die brennenden Strahlen der Mittagssonne nicht durchdringen können und daher den Bewohnern jener Ge- genden einen angenehmen Schatten verursachen, der durch lieblichen Gesang einer Menge von Vögel noch verschö- nert wird. Diese ‚Feigenbäume, erzählt Forster, haben eine höchst sonderbare Form, indem ihre Stämme, auf einer Höhe von 15 bis 20 Fufs über der Erde, auf einer Menge von langen Wurzeln ruhen, die schnurgerade in schräger Richtung nach dem Boden herabgehen und dabei ”) $. Cook’s zweite Reise, II. p. 309 u. s. w. 206 so rund sind, als wären sie gedrechselt, und so elastisch wie gespannte Bogensehnen. Die Cocosnufs, die Yams- wurzel, die Arumwurzel, der Pisang und das Zuekerrohr sind die gewöhnlichen Nahrungsmittel, welche durch die Cultur gezogen werden, doch bei der geringen Fruchtbar- keit jenes Bodens, müssen sich die Menschen zuweilen mit den gerösteten Baumrinden begnügen, zu welchem Zwecke z. B. die Rinde von Hibiscus tiliaceus benutzt wird. Die prachtvolle Melaleuca Leucodendrum aus der Gruppe der Proteenform kommt hier in grofser Menge vor, so dafs die Rinde dieses Baumes zur inneren Bekleidung der Wände der Indianerhütten gebraucht wird. Noch eine prachtvolle Myrtenform, eine Eugenia nämlich, wächst auf Neu-Cale- donien und wird selbst in Alleen gepflanzt, neben denen des Pisangs, zwischen welchen die Yams-, Arum- und Zuckerrohr-Felder gelegen sind. Die westindischen Inseln scheinen sehr reich an Farrn und Orchideen zu sein, dafs man sie als eine eigene Pro- vinz der amerikanischen Flora dargestellt hat. *) Leider müssen wir bedauern, dafs bis jetzt nur wenige einzelne Punkte dieser Zone der alten Welt auf solche Weise beschrieben sind, dafs man daraus die Physiogno- mie der Vegetation erkennen könnte. 3) Die subtropische Zone, Die subtropische Zone erstreckt sich, auf beiden He- misphären, von den Grenzen der heifsen Zone, also von den Wendekreisen an, bis zu 34° der Breite. Sie umfafst eine Ländermasse, deren Bewohner sich des glücklichsten Clima’s zu erfreuen haben; die mittlere Temperatur dieser Zone ist 17 bis 21° Cels., doch kommt ihr eine Sommer- wärme von 23 bis 28° Cels. zu, wodurch es möglich wird, dafs eine Menge von tropischen Früchten und viele ein- jährige Pflanzen daselbst gedeihen, welche eigentlich der Aequatorial-Zone angehörig sind. Dabei sind auch die *) S. Schouw I. c. p. 516. 207 Winter so milde, dafs die Menschen der festen Gebäude als Schutzmittel gegen die Rauhheit des Clima’s noch we- nig bedürfen. Wir werden sogleich sehen, dafs die subtropische Zone der nördlichen Hemisphäre weit weniger bekannt ist, als die der südlichen Hemisphäre, und dafs die eigentbümliche Configuration der Ländermassen dieser südlichen Halbku- gel besonders vortheilhaft ist, um vergleichende 'Unter- suchungen in Hinsicht der Flora dieser subtropischen Zone anzustellen. Für die subtropische Zone der nördlichen Hemisphäre haben wir zuerst eine genauere Kenntnifs der Vegetation auf den Canarischen Inseln, durch Herrn Leop. v. Buch *) erhalten. In diesem ausgezeichneten Werke findet sich nicht nur eine, gewifs sehr vollständige Flora der Canari- schen Inseln, sondern man findet daselbst die einheimischen und eingeführten Pflanzen sehr genau bezeichnet, ihr Auf- treten in verschiedenen Regionen und ihre Gemeinschaft mit den Floren der zunächst gelegenen Continente genau angegeben, so wie auch treffliche allgemein pflanzengeo- graphische Schilderungen darin enthalten sind. Auch hier, in der subtropischen Zone, zeigt die Ve- getation, durch alle Jahreszeiten hindurch, ein immergrünes Kleid, ähnlich den Wäldern in den feuchten Gegenden der heifsen Zone. Der grofsen Sonnenhitze wegen treten hier, in der Ebene, sowohl Palmen als Bananen auf, ja in Aegypten wird die Banane noch in den Gärten bis zum 34sten Grade der Breite gezogen, wärend die Cucifera thebaica, jene merkwürdige Doom-Palme mit verästeltem Stamme, nur bis zum 30sten Grade hinaufgeht. #*) Die Dattelpalme ist dem ganzen westlichen Theile der subtro- pischen Zone der alten Welt angehörig, auf den Canari- *) Physicalische Beschreibung der Canarischen Inseln. Berlin 1825. 4to. N) S. N. Bove Relation abregee d’un Voyage botanique en Egypte dans les trois Arabies, en Palestine et en Syrie. — Ann. d. sciens. nat. 1834. Tom. 1. 208 schen Inseln beginnend; doch in Indien, z. B. zwischen Delhi und Saharumpore *), treten als Stellvertreter Phoenix sylvestris und Phoenix humilis auf. In Nord- Amerika aber, bei Neu-Orleans z. B., erscheint die Chamaerops Palmetto in sumpfigen Ebenen auf ausgedehnten Flächen gesellig wachsend und zuweilen eine Höhe von 6 Klaftern erreichend. Als höchst eigenthümlich treten in dieser subtropischen Zone, worin die Canarischen Inseln liegen, eine Menge von Saftpflanzen auf, welche den Gattungen Sempervivum, Aizoon, Cotyledon, Urassula, Mesembryanthemum, Por- tulaca u. Ss. w. angehören, ja die Gattung Sempervivum hat hier baumartige Species aufzuweisen, welche einen ganz fremdartigen Charakter zeigen, wie das Sempervivum ar- boreum auf der Insel Madera. Am eigenthümlichsten sind aber die baumartigen Euphörbien, welche hier mit ihren prismatischen saftreichen Stämmen die Cacten der neuen Welt nachahmen. Die Euphorbia balsamifera, deren Milch so unschädlich ünd süfs ist, dafs sie von den Bewohnern zu Gallerte verdickt wird, um sie gelegentlich zu geniefsen, ist ein sehr merkwürdiger Baum, welchen Herr v. Buch **) sehr ausführlich beschrieben hat. „Der Stamm erhebt sich zuerst, wenn auch 'sehr gekrümmt, ohne Aeste; dann aber vertheilen sich eine grofse Menge Zweige umher, die sich wieder in unzählbare kleinere zerspalten. Nirgends sind Blätter zu sehen, aufser am äufsersten Ende der Zweige, wo sie umherstehen. Sie sind kurz, lanzetiförmig und schmal, grau und an den Spitzen mit einem kleinen Stachel besetzt. Die Blätter, welche unmittelbar die Blume tra- gen, sind etwas breiter, eiförmig, blasser, etwas fleischig, und fallen nach der Blüthe ab u. s. w.“ Indessen noch mehr, sagt Herr v. Buch, gehört der Cordon (die Euphor- bia canariensis, deren Lebenssaft scharf wie derjenige der *) Royle Illustrations of the Botany and other Branches of the natural History of the Himalayan Mountains and of the Flora of Cashmere. London 1833. Fasc. 1. ep. 145. Ye 209 ‘übrigen Euphorbien ist) zu den abenteuerlichsten Formen der Natur. Seine dunkelgrünen Zweige erheben sich, völ- lig blattlos, alle zugleich aus einer gemeinschaftlichen Wurzel, biegen sich im Halbzirkel über den Boden hin, und steigen dann, in verschiedener Entfernung vom An- fange, senkrecht hinauf, so dafs sie dem Baume das An- sehen eines ungeheuren Kronleuchters, mit einer Menge aufgesteckter und angezündeter Lichter geben. Die einzel- nen Aeste haben wohl einen halben Fufs im Umfange und sind Prismen von 4, oder gewöhnlicher, von 5 Seiten. Ihre Kanten sind, der ganzen Länge nach, mit zwei kurzen Stacheln besetzt. Am Ende dieser dicken, eckigen, flei- schigen Aeste brechen die scharlachrothen Blüthen hervor, die -in der Ferne einer glühenden Kohle ähnlich sind. Höher hinauf zertheilen sich ältere Aeste, und bilden wie- der abgesonderte kleinere Kronleuchter auf den gröfseren. Oder der Baum steht an dem Abhange eines Felsens, an welchem die Aeste in den wunderbarsten Curven herab- fallen und sich senkrecht wieder erheben. Oder er wächst auf einer ebenen Fläche, und die Aeste, von Alter und Schwere ganz zu Boden gedrückt, erheben sich erst in einer grofsen Entfernung vom Mittelpunkt wieder, wodurch der sonderbare Anblick eines kleinen Waldes von leben- digen Öseitigen Prismen entsteht. Es ist hier nichts, was uns eine sonst gewöhnliche Form eines Busches oder eines Baumes zurückrufen könnte, selbst die Blumen auf der Spitze nicht, denn auch noch in der Nähe möchte man sie für Knöpfe halten, mit welchen diese abenteuerlichen Aeste besetzt sind.“ Bei allen diesen Eigenthümlichkeiten, welche die Flora der Canarischen Inseln aufzuweisen hat, kann man in ihr einige Aehnlichkeit mit der Vegetation des südlichsten Afrika’s, welches in eben derselben Zone der südlichen Hemisphäre liegt, nicht verkennen; die Menge von saftigen Pflanzen, welche daselbst auftreten, sind schon etwas mehr als blofse Repräsentanten der Flora jener ähnlichen Zone. "Auffallend aber möchte es sein, dafs die Flora der Canarischen Inseln so äufserst wenige tropische 14 210 > Pflanzen-Formen aufzuweisen hat, und es wäre defshalb um so wichtiger, die Flora des anliegenden festen Afrika’s zu kennen; ob sich hier nämlich eben dieselben Verhält- nisse zeigen. Aufser der Palmen- und Bananen-Form sind nur noch die Dracaenen, die Gattungen Pancratium, Saeccharum, Rottboellia und wenige andere zu nennen, welche in der heifsen Zone ihr Maximum erreichen und auch nur selten über dieselben hinausgehen. Von der grofsen Gat- tung der Feigen, erscheint nur Ficus Carica und auch diese ist daselbst eingeführt. In der subtropischen Zone Aegyp- tens dagegen erscheint schon der Ficus Sycomorus, ein Baum mit äufserst kräftiger Vegetation, dessen Stamm die Dicke von 9—12 Fufs im Durchmesser erreicht und 50 bis 60 Fufs hoch wird. Durch seine starke Verästelung und durch das schöne stets ausdauernde au: giebt dieser Baum einen angenehmen Schatten. Ebenso wie die Flora der Canarischen Inseln und die von Madeira nur wenige Formen der tropischen Vegeta- tion aufzuweisen haben, ebenso verhält es sich mit der Vegetation der westlichen Theile des Himalaya - Gebirges; 2. B. in der Umgegend von Delhi (im 28sten Grade der Breite und S00 Fufs hoch gelegen). Auch hier herrscht im Sommer eine tropische Hitze, welche fast alle Früchte der Aequatorial-Zone zur Reife bringt, wärend die Tem- peratur daselbst zur Winterzeit so niedrig ist, dafs sie öfter alte Bäume jener bekannten edeln tropischen Früchte tödtet. \WVärend der Sommerzeit, hier zur Zeit der Regen, bauet man in der Gegend von Delhi den Reis, Indigo, Baumwolle, Mays, Holcus Sorghum, einige Arten von Pani- cum, Paspalum, Eleusine; Phaseolus und Dolichos - Arten unter den Hülsenfrüchten, kürbisartige Gewächse, das Se- samum, Solanum-Arten mit efsbaren Früchten, Ingwer, Turmerie, Crotalaria juncea und Hibiscus cannabinus zur Bereitung von Kleidern. Wie ganz anders erscheinen da- gegen die bewohnteren Gegenden jenes Landes zur Win- terzeit, wenn die Gräser der nördlicheren Gegenden gebauet werden, als Weitzen, Gerste, Hafer, Hirse, Bohnen, 211 Wicken, Senf, Coriander, Carroten, Taback, Flachs, Saf- flor u. s. w. *) Indessen nicht nur die Vegetation des ceultivirten Bo- dens, sondern, wie es schon vorauszusehen war, auch die Vegetation in ihrem wilden Zustande zeigt, in den ver- schiedenen Jahreszeiten, diesen verschiedenen Charakter; im Sommer nämlich ähnelt sie der Vegetation wärmerer Zonen. Im Winter hingegen treten lauter alte, bekannte Gattungen aus unserem kälteren Theile der temperirten Zone auf. Dann findet man hier die Gattungen Potentilla, Campanula, Arenaria, Spergula, Lithospermum, Tradescan- tia und Poa; ja folgende Pflanzen, als: Malva rotundifolia, Veronica hederifolia, Fumaria Vaillantii, Anagallis caerulea, Sonchus oleraceus, Antirrhinum Orontium, Silene conoidea, Saponaria vaccaria, Avena fatua, Lolium temulentum, Ver- bena officinalis u. s. w., sind mit den, bei uns. vorkom- menden identisch, jedoch sind sicherlich mehrere von ihnen mit der Einführung unserer Getreidearten dorthin ein- geschleppt. Auch die Wasserpflanzen dieser Gegend und die, welche in der Nähe der Gewässer stehen, haben meisten- theils einen nördlicheren Charakter, denn man findet da- selbst unsere Gattungen: Herpestes (monniera), Gratiola (G. juncea), Marsilea (M. quadrifolia), Sagittaria, Butomus, Polygonum, Rumex, Trapa (T. bispinosa), Nymphaea, Utri- cularia, Potamogeton, Lemna und Vallisneria, ja sogar Ranuneulus sceleratus und Ranunculus aquatilis. Die tro- pischen Gattungen unter diesen Wasserpflanzen jener Ge- gend sind dagegen Hydrolea zeylanica, Sphenoclea zeyla- nica, Limnophila gratioloides, Coix, Leersia, Pontederia, Nelumbium speciosum, Euryale ferox und Damasonium indicum. Die vorzüglichsten Pflanzen, welche in der Sommer- zeit mit einem südlicheren Charakter die Umgegend von Delhi schmücken, sind: Dalbergia Sisso, Acacia Serissa, 7) S, Royle I. c. p: 10. 14 * 212 A. arabica und A. Farnesiana, Cedrela Toona und verschie- dene Arten der Gattungen Melia, Ficus, Morus, Trophis, Bauhinia, Cordia, Gmelina, die schon früher aus der Baum- Vegetation genannten zwei Arten von Phoenix u. s. w. *) Bei allen den genannten Pflanzen erkennt man die Entfernung von dem Aequator; von dem Uebermaafse der tropischen Formen ist hier keine Spur mehr zu finden, aber ein so schönes Land, dessen Clima die Vortheile der heifseren und der temperirten Zone erlaubt, wird in dem Besitze einer thätigen Nation sehr bald der Sammelplatz aller hauptsächlichsten Cultur -Pflanzen der verschiedenen Zonen werden, und schon jetzt herrscht daselbst eine solche Mannigfaltigkeit von schönen Früchten aller heifsen und temperirten Länder, dafs schwerlich ein anderes Land sich dessen rühmen kann. Erst auf den östlichsten Abhängen des Himalaya - Ge- birges, in den subtropischen Gegenden von China und in dem südlichsten Japan treten einige wichtige Pflanzen-For- men hinzu, wodurch die Vegetation einen anderen Cha- rakter annimmt. Die baumartigen Gräser gehen hier, in- der Nähe des Meeres, weit nach Norden hinauf, ja auch die Scitamineen, die Musaceen, Cycadeen und die Palmen gehen hier in weit gröfserer Anzahl nördlicher hinauf, als dieses in den westlichen Gegenden des alten Continentes der Fall ist; vorzüglich aber sind es die Gattungen Camel- lia, Thea, Aucuba, welche mit den schönen grofsen, dun- kelgrünen und glänzenden Blättern in so grofser Anzahl auftreten, dafs sie zu den charakteristischen Formen der Vegetation von China und Japan:gehören, was auch um so mehr der Fall ist, da mehrere dieser Gesträuche zu *) Unter den Gesträuchen und Kräutern nenne ich noch fol- gende Gattungen und Arten: Zizyphus, Capparis, Carissa, Vitex Ne- gundo, Buddleia Neemda, Guilandina Bonduc, Cassia, Hedysarum, Justicia, Barleria, Cucurbitaceae, Euphorbiaceae, Sida, Cissampelos, Vallaris pergulana, Plumbago zeylanica, Cardiospersum Halicacabum, Boerhavia, Aneclema, Aloe, Gloriosa superba, Costus Nepalensis u. s. w. Siehe ‚Royle I. c. p. 8. 213 den gröfsten Culturzweigen des Ackerbaues jener Länder gehören. Die Camellia Sasanqua Thunb, ist der Oliven- baum der chinesischen Völker, die hohen Ufer des Tiger- flusses sah ich damit bepflanzt, wie bei uns die Weinberge am Rhein. Den Thee haben wir schon früher genannt; die Olea fragrans wird wegen des Wohlgeruchs ihrer Blüthchen gezogen, u. s. w. Dem Habitus nach gehören diese Gesträuche zur Myrten-Form, welche bekanntlich in der subtropischen Zone der südlichen Hemisphäre, unter eben demselben Meridiane so vorherrschend ist. Von der subtropischen Zone des nördlichen Amerika’s ist uns, was den Charakter der Vegetation anbetrıfit, nur weniges bekannt, doch scheint derselbe von dem in der alten Welt sehr verschieden zu sein. Bekannt sind die prachtvollen immergrünenden Bäume und Sträucher, welche mit grofsen, glänzenden und tief dunkelgrün gefärbten Blättern auftreten und zuweilen bewunderungswürdig grofse und wohlriechende Blüthen aufzuweisen haben. Die herr- lichen Magnolien (M. grandiflora, M. glauca) sind jetzt weltberühmt, Calycanthus floridus, Kalmia hirsuta, K. cu- neata, Halesia tetraptera, H. diptera, Laurus Catesbeyana, L. carolinensis, Diospyrus virginica, Olea americana, lex vomitoria, Pinus- und Quercus-Arten bilden hier, zwischen 30 und 36 Grad der Breite, die charakteristische Vegeta- tion. Unabsehbar sind die Cypressen- Wälder (Cupressus disticha) am Unter-Missisipi, deren Bäume mit dem tro- pischen Schmarotzer-Gewächse (Tillandsia usneoides) be- deckt sind, welches schon in Mexico unter ähnlichen Ver- hältnissen, nur in: gröfseren Höhen erscheint. Seltener sind die Laubhölzer in diesen Gegenden und die Fächer- palme tritt mehr oder weniger mächtig auf, oft, wo ein sumpfiger Boden ihre Verbreitung befördert, in sehr aus- sedehnten Gesellschaften, Salix nigra, Populus deltoides, Diospyrus virginica fassen die Ufer des Missisipi ein, wenn man denselben oberhalb New-Orleans beschifft, und die immergrünenden Gesträuche, als Laurus Sassafras L., My- rica carolinensis W., so wie die undurchdringlichen Wälder 214 der hohen baumartigen Gräser, aus Miegia macrosperma P. und Ludolphia missisippensis W. bestehend, welche, den Bambusen verwandt, eine Höhe von 36—42 Fufs errei- chen; aber schon im 34sten Grade der Breite niedriger auftreten. In den sumpfigen Gegenden neben den Missi- sipi-Ufern erscheinen Rubus-Arten in Menge, und als Schlingpflanzen zeigen sich Vitis riparia und Ampelopsis bipinnata. Diese ausführlichen Angaben verdanken wir, fast ganz allein, dem gelehrten Reiseberichte, den Herzog Paul Wilhelm von Württemberg *) dem Publikum mitge- theilt hat. An der Mündung des Ohio in den Missisipi werden die Ufer mit prachtvollen Pyramiden - Pappeln (Populus deltoides) und mit Salix nigra bedeckt, und ne- ben den Ufern des Unter-Missisipi finden sich neben den schon vorher genannten prachtvollen Cypressen - Wäldern und den schönen Magnolien noch Juglans Pacan, J. rubra, Laurus borbonia, Acer Negundo und jene undurchdring- lichen Gebüsche der Miegia macrosperma, welche von 30° 40° bis 32° 2° nördlicher Breite in Höhen von 36 bis 40 auftritt *®). Wir haben im Vorhergehenden gesehen, dafs die Flora der nördlichen subtropischen Zone gleichsam eine doppelte Physiognomie aufzuweisen hat, je nachdem die Vegetation des Sommers, oder die des Winters in höch- ster Entwickelung steht. Bei dieser Gelegenheit haben wir die grofse Menge von nordischen Pflanzen kennen gelernt, welche in der subtropischen Zone zur Winterzeit gleichsam vorherrschen; etwas Aehnliches finden wir auch in der subtropischen Zone der südlichen Hemisphäre, denn die grofse Menge von europäischen Pflanzen, welche Herr R. Brown ***) für Australien und Europa gemein- *) Erste Reise nach dem nördlichen Amerika in den Jahren 1822 bis 1824. Stuttgart und Tübingen 1835. pag. 82 — 117. ”*) S. die Mittheilung in Alexander von Humboldt’s Naturge- mälde p, 87. *"") Allgemeine geographische und systematische Bemerkungen über die Flora Australiens, — In R. Brown vermischten Schriften, I. p. 131 etc. ——.————— 215 schaftlich angiebt, möchte ich nur durch das Winter-Clima jenes Landes erklären, welches dem unseres Sommers im nördlichen Deutschland ähnlich ist. Durch die eigenthüm- liche Gestalt der Erde auf der südlichen Hemisphäre ge- hören bekanntlich der gröfste Theil von Australien, die südliche Spitze von Afrika und eine schmale Zone von Südamerika zu der subtropischen Zone, und es ist sehr bemerkenswerth, dafs erstlich die Floren dieser einzelnen Ländermassen nicht nur mit den entsprechenden Floren der nördlichen Hemisphäre wenig Aehnlichkeit zeigen, sondern sogar unter sich ganz und gar verschieden sind, Ja gegenseitig Contraste darbieten, welche in der ganzen nördlichen Hemisphäre unbekannt sind. Wir haben schon früher (pag. 159) bei der Schilderung der Myrten-, Pro- teen-, Epacriden- und Ericen-Form darauf aufmerksam gemacht, dafs diese Pflanzen- Formen in der Flora von Neu-Holland die Hauptrollen spielen, und verweisen defs- halb auf jene Stellen. Die Wälder Neu-Hollands bestehen aus blattlosen Mimosen-Formen, aus Casuarinen, Euca- lypten, Banksien und Callitris- Arten, Melaleucen, Olax- und Xanthorrhoea - Arten, wie aus Exocarpen, alles Bäume von so verschiedenartiger Form und von ausgezeichneter Schönheit, dafs der Anblick jener Landschaften gewifs sehr verschieden von den unsrigen ist. Die Ufer der Meeres- buchten jenes Landes werden von Eucalyptus resinifera und E. amygdalina, von Angophora, Leptospermum und Metrosideros- Arten, so wie noch von einigen anderen Bäu- men von riesiger Gröfse und Breiten - Ausdehnung gebildet. Zamia spiralis, Mimosa Sophora, M. saligna, M. nigricans, Haemodorum teretifolium, Drosera pedata, Marsdenia sua- veolens, Stackhousia monogyna, Samolus littoralis, Hibber- tıa volubilis, H. diffusa, Juncus vaginatus, Lycopodium uliginosum u. v. A. wachsen in der Nähe und im Schatten jener Stämme *). Weiter nach dem Innern jenes Conti- *) S. Gaudichaud, Freycinet Voyage autour du Monde. Part. botanique. Paris 4826. p. 115 ete. 216 nentes werden die Eucalypten, die Casuarinen, Mimosen und Banksien immer gröfser, die Melaleucen treten in grofser Arten-Zahl auf, und Loranthus und Viscum zei- gen sich auf den Bäumen, an deren Aesten und Stämmen die schönen Billardiera, Chorysema und Kennadya-Arten hinauf klettern. An den niedrigen feuchten Orten wach- sen Dianella, Caesia, Anthropodium minus, fimbriatum et paniculatum, Stylidium graminifolium, lineare u. v. A.; an solchen dagegen, welche öfters überschwemmt sind, er- scheinen Lobelia fluviatilis, L. inundata und L. purpurascens, Dichondra repens, Epilobium, Lepidosperma gladiata und L. lateralis. An den Ufern der Flüsse, wie der übrigen Gewässer kommen fast lauter europäische Pflanzen -Gat- tungen vor, wie zZ. B. Alisma, Triglochin, Actinocarpus, Najas, Lemna, Cyperus, Scirpus, Schoenus, Carex, Myrio- phyllum, Mentha u. s. w. Auch die Azollen treten hier neben der Lemna auf. Auf den ausgedehnten Ebenen von Bathurst und Macquarie hat Herr Gaudichaud *) eine grofse Menge von Pflanzen gefunden, welche daselbst mit den Flören von Frankreich übereinstimmten und dem Lande das Ansehen jener kalten temperirten Zone Euro- pa’s mittheilten. Bei Sydney hat man unsere schönen Garten-Früchte; Aprikosen, Aepfel, Birnen, Wasser-Me- lonen u. s. w. gedeihen daselbst ganz vorzüglich. - Der Weinstock, welcher daselbst in sehr grofsen Massen an- gebauet wird, gedeihet ganz vortrefilich, und der dortige Wein kommt schon seit einigen Jahren auf den Markt von London, wenngleich seine Güte noch nicht besonders sein soll. Im Innern von Neu-Holland findet sich das Polygonum junceum, als gesellig wachsende Pflanze, über srofse Länderstrecken ausgedehnt, und auch das Känguru- Gras (Anthistiria australis) soll in grofsen Massen daselbst vorkommen und neben Mesembryanthemum aequilaterale die in Neu-Holland vielleicht am weitesten verbreitete Pflanze sein **), yulne.p. 449. "%) $S. R. Brown, Journal of the royal geographical Society of London. 48330 — 1831. 8. pag. 19. 217 Wie so ganz verschieden von Neu-Holland’s Flora ist der Charakter der Vegetation auf der südlichen Spitze von Afrika. In der Umgegend der Cap-Colonie bis zu den Karroofeldern herrschen die vier Gattungen Protea, Erica, Diosma und Restio so entschieden, dafs sie den sanzen Charakter der Vegetation darstellen, und dieser wird um so auffallender, weil jene Pflanzenformen, die wir schon früher pag. 159 näher betrachtet haben, so sehr - eigenthümlich sind. Aufserdem herrschen hier die Synge- nesisten durch grofse Artenzahl, nämlich die Gattungen: Gnaphalium, Elichrysum, Eriocephalus, Calendula, Othonna, Aretotis, Corymbium, Senecio u. S. w., so wie die schö- nen Gattungen Virgilia, Aspalathus, Polygala, Lobelia, In- digofera, Agathosma, Philica und die prachtvollen Gladio- lus- Morea-, und Ixia-Arten. In Herrn Lichtenstein’s Reisebeschreibung über das südliche Afrika *) findet man die genauen Schilderungen des Charakters der Vegetation jener Gegenden. Neben der Form der Ericen, heifst es daselbst **), und den Proteen sind dem südlichen Afrika die Geschlechter Gnaphalium und Elichrysum gröfsten- theils ausschliefslich eigen. Daneben Galenia africana, Halleria lucida und Halleria elliptica. Die Gebirge von /wellerdam, wo die Ericen schon aufhören, enthalten Blaeriae und die Gattungen Struthiola, Passerina, Phylica, Podaliria (P. buxifolia, myrtillifolia, vulgata), Polygala (P. oppositifolia), Aspalathus, Liparia, Rafnia und Cleoma. Folgende sind die Gewächse, welche nach Herrn Lich- tenstein’s Beschreibung die Wälder in jener subtropischen Zone Afrika’s bilden. Grofse Ausdehnung an Masse ein- zelner Individuen fehlt hier, dagegen herrscht eine aufser- ordentlich grofse Verschiedenheit in der Arten-Zahl. Auch von der Höhe der Waldbäume Neu -Holland’s ist hier nichts zu finden. Die Bäume bestehen in: Diosma- Arten, Barosma serrulifolia, Cluytia pulchella, tomentosa und — *) Berlin 1811. 2 Bände 8. >) 11.202 218 gnidioides, Agathosma serpyllaceum, linifolium, Antheri- cum, Bulbine, Adenandra uniflora, villosa, Diosma pectina- tum, obtusatum, Myrsine africana, - Cliffortia juniperina, Laurophyllus capensis, Ekebergia capensis, Podocarpus elongatus. Als niederes Gebüsch in diesen Wäldern er- scheinen, Royenen, Bryonien, Cluytien, Cynanchum obtu- sifolium, welches hier die Aeste der Bäume umschlingt; ferner Galium glabrum, unserem Galium Aparine ähnlich, Plectranthus fruticosus, Hebenstreitia dentata, Ornitogalum parviflorum, Crassula sylvatica u. Ss. w. Inden Gebirgsströmen des südlichen Afrika’s beobach- tete Herr Lichtenstein den Acorus Palmita in so unge- heuerer Menge auftretend, dafs er den Strom des Was- sers zuweilen aufhält; also auch hier eine sehr gesellig wachsende Pflanze. Im Allgemeinen kann man sagen, dafs die Flora des südlichsten Afrika’s, bei der bewunde- rungswürdigen Mannigfaltigkeit, stets sehr beschränkte Bezirke für die einzelnen Arten und Gattungen hat. Nach Burchells #) Angabe verschwinden die 4 charakteristischen Familien der Cap-Flora, nämlich Erica, Diosma, Protea und Restio, schon in der Breite der Karroo-Pässe, dem- nach haben diese so äufserst artenreiche Gattungen nur einen sehr kleinen Verbreitungs -Bezirk. Auffallend ist es, dafs dem südlichen Afrika wahr- scheinlich alle Palmen fehlen, nur Herr Schouw **) giebt die Phoenix reclinata, als der Cap-Colonie zugehörig an. Auch für Neu-Holland giebt Herr R. Brown nur eine Palmen-Art an, welche aufserhalb der Wendekreise vor- kommt und daselbst sogar bis 34° Breite hinabsteigt. Auf Neu-Seeland ist bekanntlich noch unter 38° Breite eine Areca-Art gefunden worden. Als Stellvertreter der Palmen im südlichsten Afrika sind die Cycadeen anzusehen, welche früher unter der Gattung Zamia aufgeführt wurden, jetzt aber, als verschieden von den Zamien Südamerika’s, die *) $. dessen Reise p. 146. *%) Grundzüge einer Pflanzengeographie p. 312. 219 Gattung Encephalartos *) bilden. Diese dicken, unförm- lichen, markreichen Stämme, welche diese Zamien Afrika’s bilden, haben eine höchst eigenthümliche Physiognomie, und indem sie die wüsten, an Vegetation sehr armen, Ta- felländer des südlichen Afrika’s beleben, wo Straufse und Gazellen ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben, üben sie den gröfsten Eindruck auf den Charakter der dortigen Vegetation aus. Ich verweise auf die Ansichten dieser sonderbaren Gewächse, welche Herr Lehmann zu der ge- nannten Abhandlung mitgetheilt hat. Die Zamien von Neu -Holland scheinen mit denen des südlichen Afrika’s zu einer nnd derselben Gattung zu gehören und vielleicht finden sich später auch einzelne Arten, welche diesen beiden Ländern gemeinschaftlich an- gehören. Ueberhaupt, so höchst eigenthümlich und von einander verschieden die Physiognomie der Vegetation in diesen beiden Ländern ist, so fehlt es doch auch nicht an Formen, welche beiden gemeinschaftlich angehören, und noch mehr kommen ihnen Gattungen zu, welche sich gegenseitig gleichsam vertreten. Die Restiaceen und Pro- teaceen gehören ihnen gemeinschaftlich an. Herr Burchell fand sogar den Metrosideros angustifolia in der Cap-Co- lonie am Rodezard- Passe. | So ganz verschieden von der Flora des südlichsten Afrika’s und von derjenigen Neu-Holland’s ist die Flora der subtropischen Zone Südamerika’s, und ihre Aehnlichkeit, welche sie nach einigen Autoren aufzuweisen hat, besteht nur in dem Auftreten einiger wenigen Arten und Gattun- gen, welche diesen drei Ländermassen gemeinschaftlich angehören; im Uebrigen ähnelt die Physiognomie der Ve- getation dieser Länder weit mehr der Flora des südlichen Europa’s, mit Ausschlufs derjenigen Gattungen und Familien, welche bekanntlich diesen amerikanischen Ländern ganz ausschliefslich eigen sind. Nach Herrn Schouw’s Berech- — 2 *) Lehmann, Ueber die Cycadeen des südlichen Afrika. Allg. Gartenzeitung. Berlin 1834, N. 11. 220 nung *) kommen von 109 Gattungen, welche Buenos- Ayres angehören, 70 derselben in Europa vor, und 85 davon kommen in der nördlichen temperirten Zone vor. Obgleich die Nachrichten über die Vegetation des ausge- dehnten Chile’s noch vor einem Jahrzehn sehr unvollkom- men waren, so hat dennoch Herr Schouw schon damals, sowohl dem chilenischen Reiche, als dem Gebiete von Buenos-Ayres und der Einfassung des Rio de la Plata eigenthümliche, pflanzengeographische Reiche zuertheilt. Glaubend, dafs dieses Land auf der westlichen und auf der östlichen Seite der langen Cordillere ganz verschieden- artige Vegetation besitze, hat Herr Schouw der subtropi- schen Zone Südamerika’s diese zwei Reiche zuertheilt, und das Land östlich der Cordillere als das der baumar- tigen Syngenesisten bezeichnet. Gegenwärtig, nachdem wir schon viel genauere Einsicht in die Floren dieser bei- den Ländermassen besitzen, liefse sich die Trennung die- ser beiden Reiche nicht mehr durchführen. In Südamerika ist bekanntlich die östliche Küste mit einem wärmeren Clima als die westliche begabt, und dieses hat allerdings zur Folge, dafs die Vegetation auf beiden Seiten, mit ein- ander verglichen, bei entsprechenden Breiten, mehr üppig und tropischer auf der Ostküste, als in Chile ist. Das ganze Land östlich der Cordillere ist niedrig, ja selbst bei Mendoza erreicht es noch nicht die Höhe von 2500 Fufs **), daher mufs man die Physiognomie der Vegetation dieses Landes auch nur mit derjenigen der niedrigsten Region von Chile vergleichen; hiebei wird man aber finden, dafs diese sehr übereinstimmend sind. Diese hohen holzigen Sträucher der Syngenesisten, welche in dem Gebiete von Buenos -Ayres so zahlreich sind, sind es auch in Chile; die wenigen Calceolarien, welche in der untersten Region der chilenischen Vegetation vorkommen, sind wohl die charakteristischen Formen, welche dem östlichen Reiche *) 1. c. p. 430. ”) $. Meyen’s Reise um die Erde 1. p. 330. 221 fehlen; die gröfste Anzahl dieser schönen Gattung gehört aber höheren Regionen an, welche östlich der Cordillere nicht mehr vorkommen. Die Myrten bilden die charakteristische Form der Baumvegetation in dem subtropischen Chile, doch merk- würdig genug herrscht hier ‘in Chile eine baum- und strauchartige Vegetation, welche ganz allgemein sehr feste, dicke, lederartige und glänzende Blätter aufzuweisen hat. Die grofse Menge der strauchartigen Syngenesisten, wel- che, ‚oft mit den herrlichsten Blüthen geschmückt, die Flora von Chile charakterisiren, zeigt allgemein derglei- chen steife, glänzende Blätter, wodurch sich dieselben von den strauchärtigen Syngenesisten des südlichen Afrika’s auffallend unterscheiden. Aufserdem sind jene fast ganz allgemein reich an harzigen, oft sogar wohlriechenden Säf- ten, was denen des Cap’s ebenfalls abgeht. Am Cap der guten Hoffnung sind es vorzüglich die Gattungen: Gna- phalium, Xeranthemum, Arctotis, Othonna, Osteosperinum, Calendula u. s. w.; in der subtropischen Zone Amerika’s dagegen sind es die Gattungen Baccharis, Eupatorium, Proustia und die merkwürdigen sich meistens rankenden Mutisien. Ganz in der Nähe der Küstengegenden über- zieht die Mutisia ilicifolia Cav. hohe Sträucher und Bäume, und wetteifert in der Blüthenpracht mit den danebenste- henden Syngenesisten, als mit den herrlichen Blüthenbü- scheln der Proustia pungens und Proustia pyrifolia. Ue- berall wachsen dazwischen die Myrten und Fuchsien, wel- che fast das ganze Jahr hindurch mit herrlichen Blüthen bedeckt sind, und von dem Boden erheben sich die schö- nen Calceolarien, Oxalideen und die prachtvolle pyra- midale Lobelia Tupa. Die strauch- und baumartigen Psoralea- und Cestrum- Arten treten in grofser Menge auf, und sind mit grofsen Massen von Cuscuten überzo- gen, welche sich hier, wie die ganze Vegetation überhaupt, viel grofsartiger zeigen. Andere Sträucher dagegen, vor- züglich die dürre Acacia Caven, werden durch die ran- kenden Loasen und durch den Eceremocarpus scaber auf 222 das prachtvollste geschmückt, denn die goldrothen‘ Blu- men des Letzteren, schon an und für sich so ausgezeich- net schön, contrastiren ganz aufserordentlich gegen _die hellgelben Loasen. Die Gattungen Salpiglossis und Ma- lesherbia, besonders eigenthümlich. dem chilenischen Rei- che, stehen daneben. Vor Allen aber ist die Cactus-Form zu nennen, welche hier in der ganzen subtropischen Zone erscheint, von der Küsten - Gegend an, bis hinein in die zweite Region. Es ist hauptsächlich die Cereen-Form, welche noch tiefer nach Süden hinabsteigt, wärend die der Melocacten wahrscheinlich nicht über 32° südlicher Breite hinausgeht. Schon früher habe ich auf das Ei- genthümliche aufmerksam gemacht, welches die Cereen Chile’s, oft mit dem blattlosen scharlachrothen Loranthus aphyllus bedeckt, in der Physiognomie der chilenischen Vegetation darstellen. Auch das Charakteristische der prächtigen, hohen und baumartigen Gräser dieser Zone habe ich schon früher, bei der Schilderung dieser Pflan- zenform (pag. 129), ausführlich erörtert, und kann darauf hin verweisen. Die chilenische Flora der subtropischen Zone würde sich sicherlich noch viel üppiger zeigen, wenn nicht die Ebene, oder die unterste Pflanzen-Region so arm an Wasser wäre, und nicht noch so viele andere Hindernisse der grofsartigen Ausbreitung der dortigen Ve- getation im Wege ständen. Ueberdies ist die niedere Ge- gend dieses Landes äufserst beschränkt, und dann mei- stens mit Sand und anderem wasserlosen und unfrucht- baren Boden bedeckt, doch, wenigstens vom 31sten Grade an, erheben sich mehrere Längen-Plateaus, welche terras- senförmig über einander liegen, und hier ist schon gröfse- rer Reichthum an Wasser und an Vegetation; das zweite dieser Plateaus, die Llanura de Mapocho, oder das Thal von Santiago, erreicht erst die Höhe von 1600 Fufs über die Fläche des Meeres, daher die daselbst vorkommende Vegetation noch der untersten Region angehört. Hier er- scheint die Acacia Caven und die Prosopis Siliquastrum in waldartigen Ausdehnungen, und die harzigen Sträucher, 223 den Syngenesisten und den Labiaten fast ausschliefslich an- gehörend, bedecken in dicken Massen die unabsehbare Ebene, deren Boden zur nassen Jahreszeit mit Tausenden und Tausenden prachtvoller Liliengewächse geschmückt ist. Wenn aber endlich die Feuchtigkeit von der Erde ver- schwunden ist, wenn wärend des Sommers monatelang die Hitze der Sonnenstrahlen auf diesen Boden gewirkt hat, dann ist alle Pracht desselben verschwunden; keine Spur von jener herrlichen Lilien-Flor ist dann zu sehen, und selbst die Sträucher stehen wie abgestorben da, ihre Blätter liegen am Fufse des Stammes und bilden daselbst kleine Haufen, nur in den Blattknospen erkennt man noch das Leben dieser Gewächse, welches in den- Sommer- schlaf verfallen ist. 4) Die wärmere temperirte Zone. Die wärmere temperirte Zone, nach der Eintheilung, welche ich hier durchzuführen suche, umschliefst die Län- der des wärmeren Theiles der temperirten Zone, nach Abzug der subtropischen Zone, welche man wegen der üppigeren mehr tropischen Vegetation trennen mufs. Diese wärmere temperirte Zone umfafst den Landstrich von 34 bis 45° Breite; in Europa die südeuropäische Flora ein- schliefsend, bis zu den Pyrenäen, den Gebirgen des südli- chen Frankreichs und den Gebirgen des nördlichen Grie- chenlands. Klein-Asien, der Boden zwischen dem schwar- zen und dem Caspischen Meere, das nördliche China und Japan liegen in dieser Zone, deren mittlere Temperatur im Durchschnitte zwischen 12 und 17° Cels. ist. - Aller- dings giebt es in südlichern Gegenden dieser Zone ver- schiedene Oerter, wo noch immer ein subtropisches Clima herrscht, wie denn überhaupt der Lauf der Isothermen, be- sonders in dieser Zone, unregelmäfsig zu werden beginnt, Palermo mit 17,5° Cels. mittlerer Temperatur *) und Ca- *) S. Philippi’s Mittheilungen, Ueber die Vegetation am Actna. — Linnaea 1832. pag. 733. 224 tanıa sogar mit 20° Cels. mittlerer Temperatur, geniefsen die Vortheile eines Seeklima’s und haben, gerade durch die angenehme Temperatur zur Winterzeit, eine so hohe mittlere Temperatur, dafs sie dadurch auch ganz die Vor- tkeile der subtropischen Zone geniefsen. So wie Catania gegen Norden durch den Aetna geschützt ist, und dadurch ein weit wärmeres Clima als Palermo geniefst, so verhält es sich auch mit der Insel Majorka, welche im Norden durch eine Gebirgskette beschützt ist, wodurch daselbst die Cultur der Oranjen und der Baumwolle möglich wird. In der Ebene Majorka’s vegetiren der Johannisbrod= und der Oelbaum in üppigster Pracht; letzterer steigt bis zu 14500 Fufs- hinauf. Hierauf bildet Pinus halepensis die Masse der Waldung bis zu 2100 Fufs, und die Eiche reicht sogar bis zu 2400 Fufs hinauf. Clematis cirrhosa und Hypericum balearicum bilden auf einer Höhe, über 3000 Fufs hinaus, das Gesträuch. Die Zwergpalme bedeckt die Küsten und niederen Gebirge; unter ihren breiten Blättern birgt sie die Gattungen Cyclamen, Polygala, Ononis, An- thyllis*#). In den reichen Ebenen von Palma und Mana- cor werden Getreide und Hülsenfrüchte, Mandeln und Fei- ° gen gebauet; die Dattelpalme ragt über die Dächer hin- aus, wärend Cactus Opuntia die Gärten umzingelt. Die Weinreben bedecken die Abhänge der Gebirge, und selbst die Cheremoya (Anona cherimolia) wird daselbst culti- virt. Auf Minorka dagegen verschwindet. der Oel- und Johannisbrodbaum fast gänzlich, da die Schutzwehr gegen Norden fehlt. | Im Allgemeinen, sagt Herr Cambessedes, herrscht an” den Küsten des Mittelmeeres eine grofse Uebereinstimmung ‘der Vegetation, gleichwie des Klima’s und des Bodens. Fast allenthalben erscheint derselbe Jurakalk, bald in nack- ten Hügelreihen, bald mit wilden ‘Oelbäumen, Aleppo- *) S. J. Cambessedes Enumerat. plant. quas in insulis beleari- bus collegit, earumque circa mare mediterraneum distributio geogra- phiea. — Mem, dn Museum Vol. XIV. p. 173— 339. 1827. 225 Fichten, Eichen, Pistacien, Myrten und zahlreichen Cisti- neen bepflanzt. Nur an der südlichen Küste, also in der subtropischen Zone, erscheint die Dattelpalme, wärend die Zwergpalme nördlich in Spanien und Neapel verbreitet ist. Pinus halepensis bewohnt die sandigen Steppen und Gestade des Meeres, mit Eichen und Oliven abwechselnd, denen sich an felstgen Küsten Myrten, Pistacien und an- dere immergrüne Bäume zugesellen. Die ganze Flora dieser wärmeren temperirten Zone hat überhaupt eine an- dere Physiognomie als diejenige des nördlichen Europa’s. Eine grofse Menge von Bäumen und Sträuchern tritt im südlichen Europa mit steifen, glänzenden Blättern auf, welche das ganze Jahr hindurch grün bleiben; viele Kräu- ter und Sträucher sind mit zahlreichen Stacheln und Dor- nen besetzt. Die-Flora des südlichen Europa hat über 300 holzartige Gewächse aufzuweisen, welche gröfstentheils ihre Blätter den Winter hindurch behalten *). Zwar haben die Bäume ebenfalls kleine unansehnli- che Blüthen wie bei uns, aber die Sträucher treten mit srofsen, prachtvollen Blumen auf, und wohlriechende Oele und Harze erzeugen sich in ihren Organen. Noch im Süden von Spanien vegetiren mehrere der schönen tropi- schen Gewächse mit gröfster Ueppigkeit. Erythrina co- rallodendron, Schinus Molle, Phytolacca dioica und die Banane sind häufig am Guadalquivir. Alle Oranjen wach- sen hier wie in ihrer Heimath **). Zuckerrohr, Kaffee, In- digo und andere berühmte Colonial-Waaren können hier eultivirt werden, doch wie es scheint, so sind die Bewoh- ”) S. Willdenow Allg. Bemerkungen über den Unterschied der Vegetation auf der nördlichen und südlichen Halbkugel, 1. c. p. 201, und Mirbel’s Untersuchungen über die irdische Verbreitung der phanerogamischen Gewächse in der alten WVelt vom Aequator bis zum. Nordpol. Mem. du Museum T. 14. p.'350—477. Uebersetzt ın den Literaturblättern der Botanik. Nürnb. 1828. p. 1 etc. **) Anm. Die Apfelsine kommt nach Herrn Link’s Beobach- tungen nicht über 40 Grad nördlicher Breite hinaus; die Citrone kann mehr Kälte vertragen als die Pommeranze, diese aber noch weniger als die Apfelsine. 15 226 ner jenes Landes zu faul dazu. Der prachtvolle Ladan- strauch (Cistus ladaniferus L.) findet sich nur im südli- chen Spanien und Portugal, wo er die ausgedehnten Wal- dungen bildet, und kommt weder in Italien noch in Grie- chenland vor. Bekanntlich hat Herr Schouw *) die Flora des süd- lichsten Europa’s mit der subtropischen des nördlichen Afrika’s, mit dem Reiche der Labiaten und Caryo- phyllaceen bezeichnet, weil diese ganze Ländermasse vorzüglich durch die grofse Menge der Labiaten und Ca- ryophyllaceen charakterisirt werden soll. Herr Mirbel giebt dagegen an, dafs die Compositae und Leguminosen den gröfsten Theil der Flora des Mittelmeeres ausmachen, nämlich ein Viertel der Arten, und dann sollen die. Cru- ciferen, die Gramineen, Labiaten, Caryophyllen und Um- bellaten folgen. Schon diese beiden so verschiedenen Angaben zweier so ausgezeichneter Gelehrter möchte es beweisen, dafs in dieser ganzen Uebergangs- Flora keineswegs einzelne Fa- milien vorhanden sind, welche so bedeutend vorherrschen, dafs man die Flora des Landes danach benennen könnte, Ich möchte überhaupt glauben, dafs nur die charakteristi- schen Formen der vorherrschenden Familien es sind, wel- che die Physignomie der Natur am besten bestimmen. Aus den Caryophyllen und den kleinen Labiaten, mögen sie in noch so grofsen Massen auftreten, wird man sich schwer- lich das Bild darstellen können, welches eine südeuropäi- sche Landschaft darbietet. Die Wiesen unseres Nordens werden hier seltener; immer grünende Laubhölzer mit glänzenden Blättern treten in Menge auf, Sträucher mit herrlichen Blumen, wie die Cisteen, und eine grofse An- zahl von Lilien-artigen Gewächsen erscheinen daneben. Die grofse Familie der Ericen, die Laurinen und Myrten, treten hier mit ihren schönen Repräsentanten zuerst auf, nämlich Erica arborea, Laurus nobilis und Myrtus com- *) Grundzüge p. 512. 227 munis; schöne Eichen (Quercus Cerris z. B.) Iex, Suber, Castanea, Prunus Laurocerasus, Punica Granatum, Vibur- num Tinus, Arbutus Unedo, Arbutus Andrachne (geht westlich nur bis Griechenland), Ruscus aculeatus, Phylli- reen, Rosmarinus, Nerium, Ephedra distachya und noch viele andere Sträucher und Bäume erscheinen hier mit ih- rem glänzenden und immergrünen Laube. Diese wärmere temperirte Zone ist das Vaterland des Weinstockes; Herr Parrot *) fand denselben in den Wäldern von Mingreli und Imereti gleichsam als die Kö- niginn der Waldbäume. Der Rebstock erreicht dort die Dicke von 3 bis 6 Zoll im Durchmesser und steigt bis in die Spitzen der höchsten Bäume, diese ganz umschlin- gend und sie mit einander verbindend. Bei Gelegenheit der Betrachtung der Cultur des Weinstockes werde ich diesen Gegenstand viel ausführlicher betrachten, und kann defshalb darauf verweisen. Wir haben allerdings die Aequatorial - Grenze der wärmeren temperirten Zone bei 34° Breite festgestellt, indessen bemerke ich für den westlichen 'Theil der alten Welt noch ganz besonders, dafs die Flora des nördlich- sten Afrika noch ganz dieselbe Physiognomie wie die des südlichsten Europa hat; erst mit dem Atlas tritt eine sol- che Veränderung daselbst ein, dafs der Charakter der Ve- getation ein anderer wird. Nur Weniges können wir über den Charakter der Vegetation dieser Zone in den östlichen Ländern der al- ten Welt sagen; ein grofser Theil dieser Ländermassen erhebt sich weit über die unterste Pflanzen-Region der Gebirge, und ein noch gröfserer Theil derselben möchte durch die Jahrtausende, seitdem daselbst Cultur der Men- schen geherrscht hat, gänzlich verändert worden sein. Die Feigen, Oranjen, Granaten und alle unsere Getreide- Ar- ten gedeihen daselbst in gröfster Fülle. Besonders auf- fallend möchte die Flora von Japan erscheinen, welche in ”) Reise zum Ararat p- 247. 15 * 228 dem südlichen Theile, der zur subtropischen Zone gehört, die ausgezeichnetesten tropischen Gewächse hervorbringt, wärend die nördlichere Flora dieses Landes eine aufser- ordentlich grofse Menge von Gewächsen enthält, die un- . serer nördlichen temperirten Zone angehören, wozu Thun- berg’s bekannte Flora japonica die Beweise liefert. Zu den Nahrungspflanzen Japan’s gehören hauptsäch- lich: Triticum sativum und hybernum, Avena sativa, Eleu- sine coracana, Panicum verticillatum, Holcus Sorghum, Trapa natans, Beta vulgaris, Daucus Carota, Oryza sativa, Convolvulus- und Dioscoreen - Arten, Polygonum Fago- pyrum, Castanea vesca, Punica Granatum, unsere euro- päischen Obstarten, Nymphaea Nelumbo, Arum esculen- tum, Cycas revoluta, Sesamum orientale, Oranjen, Melo- den -u.:8.:w.,*) Wie sich die Vegetation dieser Zone in Nordamerika darstellt, können wir aus Mangel an Nachrichten nicht mittheilen; nach der Betrachtung der über diese Länder erschienenen Pflanzenverzeichnisse hat Herr Schouw hie- selbst, nach dem Vorherrschen der Familie der Aster- und Solidago- Arten, das Reich dieser genannten Gewächse be- gründet. Als Charaktere dieses Reiches giebt Herr Schouw noch viele Eichen und Fichten, Mangel an Cruciaten und Umbellaten, Cichoraceen und Cynarocephalen, so wie Man- gel an Heiden und Ueberflufs an Vaccinien an. In dem südlichsten Theile der Nordamerikanischen Freistaaten, welche der subtropischen Zone angehören, hat Herr Schouw das Reich der Magnolien aufgestellt, hier offenbar nur ° durch die auffallende Physiognomie der schönen breitblätt- rigen Bäume mit grofsen prächtigen Blüthen geleitet, wä- rend er in anderen Fällen jene pflanzengeographischen Rei- che auf die, durch Anzahl vorherrschenden Pflanzen- Arten gründete. Doch sowohl einige Magnolien, wie der Tul- penbaum und auch eine Menge von herrlichen Gewächsen der Mimosen-Form ragen in die wärmere temperirte Zone *) $. Thunberg, Flora japonica p. XXXIY. cte. 229 jenes Erdtheiles hinein, es sind Formen, welche dem süd- lichen Europa ziemlich ganz fremd sind. Auch hier hat uns die so eben erschienene Reisebe- schreibung des Herzogs Paul Wilhelm von Württemberg eine fühlbare Lücke ausgefüllt. Ueber die subtropische Zone hinaus werden ebenfalls in Nordamerika, ganz so wie in der entsprechenden Zone der alten Welt, die dor- nigen Gesträuche häufig; Smilax China, S. hastata und S. Walteri Pr. vertreten hier den Smilax mauritanica, und die riesenhaften Rohre, welche wir im Vorhergehenden .(p. 214) angeführt haben, reichen bis in die wärmere temperirte Zone, entsprechend dem Arundo im südlichen Europa. Die Gleditschia erscheint am Ohio mit ranken- den Bignonien ganz überzogen, und auch hier sind die immergrünenden Wälder, welche so bestimmt den Charak- ter der Vegetation des südlichen Europa’s bestimmen. Die Kastanien erscheinen, und grofse Wälder von Eichen, Nufs- bäumen, Buchen und Eschen, und der Plantanus occiden- talis mit blafsgrünem Laube, herrlich von den danebenste- henden dunkeln Gewächsen abstechend, tritt mit unge- heuerem Umfange auf. In den Wäldern von Missuri, oberhalb St. Louis, kom- men dornige Rosen vor, welche bis in die Wipfel der ho- hen Bäume steigen und dort mit zahllosen hellrothen Blü- then prangen *). Die wärmere temperirte Zone der südlichen Hemi- sphäre umschliefst Neu-Seeland, Van-Diemens-Land, das südliche Chile und das südliche Buenos-Ayres bis nach Patagonien hin. Die Vegetation von Neu-Seeland war noch in ihrer jungfräulichen Schönheit, als dieses Land auf Cook’s Welt- umsegelungen besucht wurde; sie zeigte sich hier in einer Ueppigkeit, wie dieselben in,den entsprechenden Ländern der nördlichen Hemisphäre, welche schon seit Jahrtausen- *) Paul Wilhelm, Herzog von Würtiemberg: Erste Reise nach dem nördl. Amerika. p. 120 — 204. 230 den im Culturzustande stehen, nicht zu finden ist. Die hohen und starken Bäume in den Wäldern von Neu -See- land sind mit Schlingpflanzen, von unten an bis hoch in die Krone hinein überzogen, und wollte man die Stämme ihrer Blumen wegen fällen, so blieben sie zwischen den Kronen der anderen Bäume hängen, wenn auch ihre Wur- zel-Enden abgehauen wären. Ueberall herrscht auf Neu- Seeland die üppigste Vegetation, Schlingpflanzen und strauchartige Farrn, welche überhaupt ein feuchtes Olima lieben, in gröfster Menge; ja eine Menge der ausgezeich- netesten Formen echt tropischer Pflanzen -Familien dienen allein zum Beweise, dafs Neu-Seeland ein Clima geniefst, welches mit demjenigen des südlichen Europa überein- stimmend ist. Die beiden Forster haben auf Neu-Seeland eine Menge von Wurzeln und Sämereien ausgelegt, wel- che daselbst im Winter ausdauerten und von denen sie sagen *), dafs dieselben bei uns, in der kälteren temperir- ten Zone, nicht ausgedauert hätten. Ja man fand auf Neu- Seeland, noch weit unter 41° südlicher Breite, eine Kohl-Palme (Areca oleracea) **). Der prachtvolle Baum, die Dracaena australis mit breiten Blättern, die so ähnlich einer Palme ist, vertritt hier die Pandanen-Form, und das Phormium tenax, der Neu-Seeländische Flachs, die Ananas -Form. Auch an Repräsentanten der Mimosen -Form (Sophora mierophylla), an Myrtaceen und Proteaceen und an anderen Pflanzen- formen fehlt es hier nicht, welche einige Aehnlichkeit zwischen der Flora von Neu-Seeland mit derjenigen von Neu-Holland und mit dem südlichen Afrika, wie mit dem südlichen Amerika hervorrufen, wie dieses die Gattungen Protea, Restio, Epacris, Melaleuca, Oxalis, Passerina, Gna- phalium, Mesembryanthemum, Tetragonia, Wintera, Wein- mannia u. s. w. beweisen. Ein Reichthum an Bäumen mit dunkelem immergrünenden Laube scheint in der Flora r) S. Cook’s zweite WVeltumsegelung. Bd. 1. p. 372. "NS. Forster |l. c. IV. p: 354. 231 Neu-Seeland’s zu herrschen, aber auch die Laubhölzer mit zarten grünen Blättern treten hier auf, wie in unsern Buchen- und Eichen- Wäldern, denn häufig schildern die beiden Forster den angenehmen Contrast, welchen diese beiden neben einander stehenden Formen der Laubhölzer gewähren. Allgemein bekannt ist es seit jener Forsterschen Reise, dafs mehrere Farrnkräuter von baumartigem Wuchse den Bewohnern von Neu-Seeland zur Nahrung dienen, und zwar, wie es von Buch zu Buch geht, sollen es die Wur- zeln dieser Pflanze seyn, deren Mark gegessen wird. Die- ses ist aber keineswegs der Fall, sondern es ist das saft- reiche Amylum-haltige Mark, welches sich ähnlich dem Marke der Cycadeen verhält, und einen Sago-artigen Stoff liefert, welcher als Brod im gerösteten Zustande gegessen wird. Ja Forster *) erzählt es selbst sehr ausführlich, indem er sagt, dafs das Efsbare jener Pflanzen in einer weichen pulpösen Masse bestehe, welche im Innern des Holzes ist und das Herz des Stammes bilde. Ich selbst habe auf den Sandwichs-Inseln sehr häufig gesehen, dafs die Kanacas das Mark der strauchartigen Farrn gegessen haben, und es ist auch sehr nahrhaft und dabei mei- stens süfslich. Besonders bemerkenswerth ist es, dafs in der Flora von Neu-Seeland ein hoher Baum von prachtvoller Pan- danen-Form, mit breiten glänzenden -Blättern erscheint, nämlich Dracaena australis. Die Flora von Van-Diemens-Land ist noch, so weit dieselbe bekannt ist, mit derjenigen der subtropischen Zone Neu-Hollands sehr ähnlich, doch scheint es, als wenn hier die Myrten-Form, vorzüglich aber dıe Eucalypten vorherrschend werden, und die Acacien mehr verschwinden. Die Flora des südlicheren Chile’s ist ganz und gar verschieden von derjenigen von Neu-Holland und von Van-Diemens-Land, welche zum Theil mit in diese wär- )A.scHEip: 384. 232 mere temperirte Zone hineinragen, indessen, in physiogno- mischer Hinsicht, besitzen wir nur geringe Bruchstücke, um uns ein Bild von der Vegetation des südlicheren Chile’s zu machen. Auf Neu-Seeland geht die Areca oleracea selbst bis über 41° Breite hinaus, doch die chilenische Palme kommt, selbst bei 36° Breite nicht mehr wildwach- send vor, aber baumartige Gräser, ‚den Bambusen der Aequatorial-Zone verwandt, treten auch hier noch, in gro- fsen Massen, gesellschaftlich wachsend auf, wie es auch von Neu-Seeland berichtet wird. In der Umgegend von Talcahuano herrschen die immergrünen Wälder, wie in der entsprechenden Zone des südlichen Europa’s; nur zwei bis drei Bäume entlauben sich daselbst zur Winterzeit. *) Die Lapageria mit ihren grofsen immergrünenden und glän- zenden dunkeln Blättern und den lilienähnlichen hochrothen Blumen, bildet daselbst eine prachtvolle Schlingpflanze. Fuchsien, Arbuten, Weinmannien, Coriarien und Myrten bilden das Gesträuch und niedere Waldungen, an welche sich die hohen Stämme der Nutzhölzer anschliefsen, die hauptsächlich zu den Gattungen Fagus, Persea, Laurelia u. s. w. gehören, und schon in der Breite von Concepcion nicht selten mit Moosen bedeckt sind. Ueberhaupt ent- wickelt sich in dieser, mehr wasserreichen Zone Chile’s eine aufserordentlich üppige Vegetation, so dafs die Wäl- der dieses Landes die ganze Westküste Südamerika’s mit Holz und Kohlen versehen können. 5) Die kältere temperirte Zone. Der kältere Theil der temperirten Zone umfafst einen Gürtel, welcher von 45° Breite beginnt und bei 58° endet. In Europa beginnt diese Zone an der nördlichen Grenze der wärmeren temperirten Zone, nämlich auf der nördli- chen Seite der Gebirgsketten des südlicheren Europa’s; in Asien umfafst sie den Kaukasus, einen grofsen Theil des *) S. Pöppig, Reise in Chile, Peru u.s. w. Leipzig 1835. I. pag. 317 u. s. w. - 233 Ural, den Altai, Daurien und verläuft bis zur Küste des stillen Meeres, wo eine viel niedere Wärme herrscht, als in den entsprechenden Breiten auf der östlichen Seite die- ses Continents, daher denn auch die Vegetation auf dieser Ostküste, im Verhältnisse zur Westküste, weit mehr einen nördlicheren Charakter zeigt, so dafs die Flora von Kam- schatka, welches zum gröfsten Theile noch in dieser Zone liegt, schon den Charakter der subarktischen Zone zeigt. Die mittlere Temperatur dieser Zone steht zwischen 6 bis 12° Cels. England, das nördliche Frankreich und Deutschland werden uns, da wir hier am besten bekannt sind, die Vegetation dieser Zone der nördlichen Hemisphäre charakterisiren. Nach den in dieser Zone, im Vergleiche zu anderen Zonen, verhältnifsmäfsig vorherrschenden Umbelliferen und Cruciaten, hat Herr Schouw diesen Ländergürtel der alten Welt als das Reich der Umbellaten und Cruciaten ®) be- zeichnet, indem er dabei alle Länder bis zur Polargrenze einschliefst. Was ich schon bei der vorhergehenden Zone (pag. 226) bemerkt habe, gilt auch hier; meine Eintheilung der Pflanzendecke beruht auf den Totaleindruck, welchen die Physiognomie der verschiedenen Zonen auf uns zu machen im Stande ist; hiezu tragen aber die kleinen kraut- artigen Gewächse nur Weniges bei, sondern die Formen der Bäume und Sträucher, so wie die gehörige Vertheilung dieser verschiedenen Pflanzen-Gruppen. Die Laubhölzer ‘sind es, welche, in Verbindung mit den Nadelhölzern, die charakteristischen Wälder dieser Zone bilden, ja die Polar- ‚grenze dieser Zone möchte auch, im westlichen Theile von Europa, durchschnittlich die Polargrenze der Buche (Fagus sylvatica) sein, so wie auch der Anbau des Weitzens von Bedeutung nur selten über den 58sten Grad nördlicher Breite hinausgeht. Wollen wir das Charakteristische der Vegetation der kälteren temperirten Zone auffassen, so müssen wir uns 98. Gründzüge u. s. w. pag. 50. 234 die, dahin gehörigen Länder vor Allem in ihren Zustand vor mehreren Jahrhunderten zurückdenken, in jene Zeit nämlich, wo die menschliche Gesellschaft noch weniger zerstörend auf ihren natürlichen Zustand eingewirkt hatte, denn unser südliches Deutschland z. B. hatte damals, als die Römer in dasselbe eindrangen, ein ganz anderes Ansehen. Wer von uns das nördliche und das Südliche Europa vergleichend betrachtet hat, dem wird die Verschiedenheit der Vegetation, jenseits der Alpen und Pyrenäen von der- jenigen im nördlichen Frankreich und Deutschland schon bei dem ersten Blicke aufgefallen sein; diese Verschieden- heit begründet sich aber auf die Verschiedenheit der Baum- vegetation und auf die Vertheilung dieser Baummassen zu der Vegetation der Felder und Wiesen. Wenn auch, wie Herr Schouw nachgewiesen hat, im nördlichen Europa die Umbellaten und die Cruciaten verhältnifsmäfsig vorherr- schend sind, und im südlichen Europa die Labiaten, die Caryophylleen oder auch, nach Herrn Mirbel, die Syngene- sisten das verhältnifsmäfsige Maximum an Arten zeigen, so werden diese Pflanzen doch keineswegs das Charakte- ristische darstellen können, wodurch wir eben die italieni- sche Landschaft von der unsrigen zu unterscheiden im Stande sind. Ja Herr Schouw hat dieses ebenfalls aner- kannt und die Bezeichung des Reiches der Umbellaten und Cruciferen von demjenigen der Labiaten und Caryophylleen des südlichen Europa’s, für nicht so bestimmt geschieden erklärt, als dieses von seinen andern pflanzengeographi- schen Reichen der Fall ist. Mehr als die Hälfte der Arten dieser Zone Europa’s erscheint auch im südlichen Europa, und es sind nur äufserst wenige Gattungen jener vorherr- schenden Familien, welche dem südlichen Europa eigen- thümlich sind. Einige Familien sind zahlreicher im nörd- lichen, einige im südlichen Europa, jedoch sind alle Unter- schiede, welche sich hierauf gründen, nur sehr gering. Das häufige Auftreten unserer herrlichen Wiesen, die. grofsen Heiden, bedeckt mit Erica vulgaris, neben der sich der Wachholder (Juniperus communis L.), das Ledum pa- 235 lustre, Andromeda polifolia und hie und da einige kleine Weiden erheben, und die grofsen Wälder von Laubhölzern, mit zarten, hellgrünen Blättern, neben den Massen der gesellig stehenden Kiefer, das ıst das Hauptsächlichste in der Pflanzenvertheilung unserer Zone im Grofsen. Die Wälder unserer Laubhölzer verlieren im Winter ihre grüne Decke, nur die Mistel (Viscum album L.) grünt alsdann hie und da in den schattenlosen Kronen; Erde und Bäume bedecken sich zu dieser Zeit mit Schnee und nur das dun- kele Grün der Nadelhölzer zeigt alsdann, dafs die Vege- tation noch nicht erstorben ist. Aber im Frühlinge, bei dem Wiedererwachen unserer nordischen Vegetation, ent- wickelt die Natur einen Reiz, welcher selbst der heifsen Zone abgeht; diese hellgrüne, frische Belaubung unserer schönen Laubhölzer, wie sie im Monate Mai erscheint, möchte in keiner andern Zone wiederzufinden sein. Unsere Wälder sind arm gegen die üppige Vegetation der heifsen Gegenden; statt glänzender Tillandsien, wie sie in der Aequatorial-Zone erscheinen, werden die Rinden nnserer Waldbäume mit Usneen, Ramalinen und anderen Laub- flechten und Moosen bezogen. Statt der Lianen der Tro- pen schlingt sich in unseren Laubwäldern die Lonicera Periclymenum auf die Kronen der niederen Bäume hinauf, und nur der Epheu (Hedera Helix) bekleidet die Stämme, wo unter tropischem Himmel die duftenden Orchideen, die glänzenden Aroideen und die zahlreichen Farrnkräuter in grofsen Massen befestigt sind. Der Hopfen (Humulus Lu- pulus) ist noch die bedeutendste Schlingpflanze unserer kälteren temperirten Zone. Unter den Gesträuchen hat diese Zone einen grofsen Reichthum aufzuweisen, und die hauptsächlichsten dersel- ben sind mit grofsen und schönen Blüthen versehen. Unsere zahlreichen Rosen, unsere Rubus-Arten, unser Schneeball (Viburnum Opulus) gehören zu den ausgezeichneten Pflan- zen nördlicher Gegenden. Gehen wir weiter östlich nach Asien hinein und ver- gleichen die Vegetation dieser Gegenden mit der unserigen, 236 so finden wir aufserordentlich wenig Verschiedenheit zwi- schen beiden, abgesehen nämlich von dem Einflusse, wel- chen das rauhere Clima des Ostens auf die Vegetation der Gegend ausüben mufs, wodurch natürlich eine, etwas nörd- lichere V egetation nach südlicheren Breiten hinabgedrückt wird. Unsere deutsche Vegetation geht fast unverändert bis zur Wolga, bis hier finden sich Trapa natans, Chara vulgaris, Salvia pratensis, Thesium linophyllum und Li- mosella aquatica (an den schlammigen Ufern der Flüsse), aber jenseits dieses Stromes verschwinden diese Pflanzen und Cucubalus tataricus tritt dagegen in den Wäldern auf. *) Die Steppen Asiens, welche sich gleich jenseits der Wolga, schon bei 50° östlicher Länge zeigen, sind Lokalerschei- nungen und bieten eine ganz eigenthümliche Vegetation dar; die Gattungen Anabasis, Halocnemon und Brachylepis sind nach Herrn Lessing’s Beobachtungen **) den salzhal- tigen Steppen eigen. Pallas nennt für solchen Boden fol- sende Pflanzen: Salsola prostrata, Statice tartarica, Gly- cirrhiza hirsuta, G. laevis und G. echinata, Lathyrus tube- vosus, Medicago sativa, Vicia sylvatica, Lotus corniculatus, Serratula arvensis und Inula britannica. Auf dem trocke- nen Erdreiche wächst Anabasis aphylla, und auch Artemi- sia Absinthium, Tamarix gallica, Cynanchum acutum, Se- necio linifolius u. s. w. erscheinen. Der Charakter der Vegetation auf den sandigen Steppen dieser Gegend wird nach Lessing durch Gräser mit steifen, zusammengerollten Blättern, durch Atriplieinae und Chenopodien dargestellt. Die östliche Grenze unserer Eiche giebt Lessing bei 55° Breite zu 75° östlich an; Pallas fand sie, in Gesell- schaft von Corylus Avellana noch bei 80° östlicher Länge in 59° Breite in Gärten gezogen. Gentiana Pneumonanthe, G. Amarella und G. cruciata wuchsen daselbst. ***) Ein unendlich reicher Schatz von Beobachtungen, um die Ve- *) S. Pallas Reise. Band I. pag. 15 u. 168. *") Linnaca 1834. Heft II. RIESE LICHTE Ip: 273. 237 getation dieser Gegenden mit der unserigen zu vergleichen, findet sich in Pallas Reiseberichten, worauf ich ausdrück- lich verweisen mufs. Das ganze Kamschatka gehört seiner Lage nach der kälteren temperirten Zone an, aber des rauhen Clima’s wegen, worauf wir bei der Darstellung der Isothermen aufmerksam gemacht haben, ist die Flora dieses Landes die der subarktischen Zone, welches wir später nachweisen werden. Im Petro- Pauls Hafen, im 52sten Grade der Breite, erhebt sich zwar nur noch die Birke zu der Höhe der Bäume, aber nach Langsdorfs Berichten *) ist die Vegetation an andern Stellen gar nicht so arm. - Gehen wir aber noch weiter nach Osten, so gelangen wir nach Sitka, auf der Westküste Amerika’s, unter 57 Grad nördlicher Breite, und hier finden wir wiederum eine Ve- getation, welche derjenigen des westlichen Europa’s unter gleichen Breiten-Graden entspricht. Einen höchst inter- essanten Bericht über die Vegetation dieser Gegend ver- danken wir dem, für unsere Wissenschaft zu früh verstor- benen Mertens. **) An den Küsten jenes Theils des nörd- lichen stillen Meeres wachsen: Arenaria peploides, Glaux maritima, einige Carices, Junceus- Arten. Landeinwärts er- scheinen Veronica serpyllifolia und Veronica Anagallis da- neben. Potentilla anserina, P. ruthenica und ein schönes Sisyrinchium sind hier zu Hause. Die Gattungen Plantago, Triglochin, Dodecatheon, Pedicularis, Elymus,. Bartsia, Campanula, Angelica, Heracleum, Fritillaria u. s. w. zeigen hier ganz ähnliche Arten wie bei uns in Europa, aber Pisum maritimum, Cochlearia danica, Ranunculus acris, Galium boreale, Geum intermedium, Turritis hirsuta und T. glabra sind hier, wie in unserem Vaterlande zu Hause. Die Wälder von Sitka werden aus kolossalen Stämmen von Tannen (Abies- Arten) gebildet, und Alnus-Arten, Sorbus und Crataegus erscheinen daneben, wärend Rubus odoratus *) S. dessen Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. Bd. II. | pag. 224. **) S. dessen botanisch- wissenschaftliche Berichte vom October 1827. — Linnaca 1829. p. 43— 73. # 238 mit weifsen Blumen das Untergehölz bildet. Cornus sue- eica, Rubus spectabilis, Ribes-Arten, eine hohe Azalea, eine Calla, Linnaea borealis, Lathraea Stelleri, Cymbidium, Tri- entalis, eine Salix und das charakteristische Panax horri- dum sind hier vorzüglich zu nennen. Diese letztere Pflanze bildet hier eine ausgezeichnete Schlingpflanze, welche den Wald so sehr verdickt, dafs es schwer ist durchzudringen. Aber ebenso, wie die Vegetation von Kamschatka, als auf der Ostküste des Continents gelegen, gegen die- jenige der Westküste, unter gleichen Breiten, weit zurück- steht, ebenso steht «die Vegetation von Labrador, auf der Ostküste von Nordamerika, sehr weit gegen diejenige von Sitka unter einer und derselben Breite nach. In der südlichen Hemisphäre haben wir bekanntlich nur sehr weniges Land, welches in diese kältere tem- perirte Zone hineinreicht, doch wir sind glücklich, dafs einige dieser Punkte ziemlich genau durchsucht sind. Zu- erst betrachten wir die Falklands-Inseln, welche allerdings, als baumlose Inseln im offenen Meere, höchst abweichende Erscheinungen von der, dieser Zone eigenthümlichen Ve- getation darbieten. Doch alle diese Abweichungen sind zu erklären, theils durch die Eigenthümlichkeiten des dortigen Küsten-Clima’s, theils durch Unfruchtbarkeit des Bodens dieser Inseln, welcher vielleicht vor einem Jahrtausend noch viel bedeutender war. Die Falklands-Inseln liegen im 52sten und d3sten Grade südlicher Breite, bekanntlich in sehr geringer Entfernung von der Ostküste Südamerika’s. Das Clima der Falklands-Inseln ist im Allgemeinen milde; auf der östlichen Insel (Ost-Falkland) *) fällt die Tem- peratur im kältesten Winter nie unter — 2,67° R. und steigt im heifsesten Sommer nie über 19,11° R. Im Durch- schnitt bewegt sie sich zwischen — 0,89° und 8° R. im Winter, und zwischen 8° bis 19° R. im Sommer. Hiernach *) Beschreibung der Ost-Falklands- Insel von Vernet, - Berghaus. Cabinets-Bibliothek. Berlin 1834. I. p. 158. 239 haben diese Inseln einen viel mildern Winter als wir, in der nördlichen Hemisphäre; sie kennen jedoch auch nichts von der angenehmen Hitze, welche unsern Sommermonaten zukommt, demnach wird die ganze Vegetation, so wie auch der ganze Cultur-Zustand dieser Inseln ein anderer sein, wie derjenige, welcher unserem nördlichen Continente zukommt. Zwar ist das Wetter auf Ost-Falkland unbe- ständig, allein Regen, Schnee und Hagelfall sind durch- gängig von kurzer Dauer; der Schnee verschwindet in wenigen Stunden, aufser auf den Gipfeln der Berge, und Eis wird selten über 1 Zoll dick gefunden. Im Sommer wehen daselbst Nordwest-Winde, im Winter dagegen Süd- west- Winde. Heutigen Tages eignet sich der Boden auf den Falk- lands-Inseln sehr gut zum Ackerbau, denn er besteht durch- gängig aus einer, sechs bis acht Zoll mächtigen Schicht schwarzer Dammerde. Weitzen und Flachs gedeihen in gleicher, wenn nicht in besserer Güte, als die Saat, welche von Buenos-Ayres dahingebracht wurde, und Kartoffeln, Kohl, Rüben geben vortreffliche Früchte. Bäume wachsen auf den Falklands-Inseln nicht wild, und mit den Anpflan- zungen, welche ganz gewifs daselbst gelingen werden, ist es noch nicht weit gekommen, indem die Obstbäume, wel- che man von Buenos-Ayres kommen liefs, unterwegs ein- gegangen waren. | So wie in unserem Vaterlande, so treten auch hier, auf den Falklands-Inseln grofse, ausgedehnte Wiesen und Torfmoore auf, welche der Natur einen Charakter geben, der ganz demjenigen unserer Gegenden ähnlich ist; nur die Wälder des Continents fehlen hier, sonst würde die Aehnlichkeit noch gröfser sein. Wir besitzen eine höchst schätzenswerthe Beschreibung der Vegetation dieser Inseln von Herrn Gaudichaud *), welche wir den Entdeckungs- reisen der Franzosen zu verdanken haben. Mit der gröfs- ten Einsicht hat dieser ausgezeichnete Reisende die Pflanzen *) Freycinet Voyage autour du Monde. Part. botan. p. 123 — 143. 240 der Falklands-Inseln zur Benutzung für pflanzengeogra- phische Zwecke zusammengestellt, so dafs wir ein treues Bild von der Physiognomie jener fernen Eilande erhalten. Die Wiesen daselbst werden durch Agrostis magellanica L., Agrostis caespitosa, Aira flexuosa gebildet und Avena re- dolens, A. phleoides, Festuca magellanica, F. erecta, Arundo-, Carex-, Scirpus- und Juncus-Arten bilden die übrige Masse der grasförmigen Gewächse daselbst. Die feuchten und mehr moorartigen Stellen bringen eine Menge von Pflan- zen hervor, welche ebenfalls den unserigen unter ähnlichen Verhältnissen ganz ähnlich sind, z. B. Marchantia poly- morpha, Sphagnum acutifolium, Lysimachia repens, Caltha appendiculata, Sagina procumbens und S. crassifolia, Cal- litriche verna, Misandra magellanica und in den zalhreichen stehenden Gewässern erscheinen: Limosella tenuifolia, Azolla magellanica, Caltha sagittata, Montia linearifolia, Myriophyllum elatinoides und M. ternatum u. s. w. Auf den Abhängen der feuchten Berge erscheint die schöne Lomaria setigera in gröfster Masse und der sonderbare Bolax glebaria, welcher dicke, feste grüne Büsche bildet, oft von 3 Fufs Höhe und 8 bis 10 Fufs Dicke; wie es scheint, so tritt diese Pflanze unter ganz ähnlicher Form auf, wie die kleinen, gesellig wachsenden Umbellaten auf den Höhen der Cordillere von Chile und Peru, wovon wir schon an verschiedenen Stellen des Buches gesprochen haben (s. z.B. pag. 102). Die Felsen auf den Höhen der Berge jener Inseln sind ‚ebenso, wie bei uns, mit einer grofsen Menge von Flechten besetzt, wovon die meisten mit den unserigen identisch sind. Wie schon vorhin gesagt wurde, fehlt es auf den Falklands-Inseln gänzlich an Wäl- dern, nur Gesträuche, von 4 bis 5 Fufs Höhe, bilden da- selbst waldartige Ausbreitungen, und auch diese gehören zu Gattungen, welche unserer nördlichen Zone hauptsäch- lich. angehören, nämlich zu Rubus, Arbutus, Andromeda und Empetrum, deren Beeren hier, wie bei uns, meisten- theils zu den schmackhaftesten Früchten gehören. Herr Ver- 241 net *) erzählt von einer Theepflanze auf Ost- Falkland, welche dicht an der Erde wächst und Beeren von der Gröfse einer Erbse trägt, die weifs mit einem rosenrothen Anstriche gefärbt sind und äufserst gut scelimecken. Das Holz zur: Feuerung holt man sich mit Leichtigkeit aus der Magalhaens- Strafse, doch giebt es auf den Falklands-Inseln Torf, der an vielen Stellen in Ueberflufs, ja sogar trocken gefunden wird, 'so wie aufserdem einige der Gesträuche selbst Stämme von der Dicke eines Mannesarm’s erhalten und zur Feuerung dienen. Drei dieser Gesträuche nennt Herr .Vernet, setzt jedoch hinzu, dafs sie daselbst keine Früchte tragen! \ "Aus dem Gesagten wird man die grofse Aehnlichkeit der: Vegetation der Falklands-Inseln mit derjenigen unse- rer nördlichen temperirten Zone sehr. leicht erkennen, und das Fehlen der Baum-Vegetation nur als eine Lokaler- scheinung ansehen. Welch eine Menge von Pflanzen die- ser entfernten Inseln sind mit denen unseres Vaterlandes vollkommen übereinstimmend! Die übrigen Pflanzen ge- hören :theils dem südlichen ‘ Gontinente von Amerika an, theils sind sie den alpinischen Pflanzen Chile’s auf das genaueste verwandt. Die Nassauvien, die Perdicien und die sonderbaren Mulineen gehören ganz der Alpenregion der Chilenischen Cordillere an. | | Herr Dumont d’Urville **) hat in seiner Flora der Falklands-Inseln 214 Arten in 139 Gattungen aufgeführt, wovon 94 zu den Cryptogamen und 120 zu den Phanero- gamen gehören. | | Interessant möchte es sein, neben dieser Schilderung der Vegetation der Falklands -Inseln, diejenige des gegen- überliegenden Continentes kennen zu lernen, welche jedoch leider nur in einzelnen Bruchstücken bekannt geworden ist. - Der Mesier-Kanal ist’ der nördlichste Punkt (in 48 bis Dlie.-p: 459: *") Flore des Malouines, — Mem. de la Societ@ Linndenne de Paris. Paris 1826, 16 242 49° südlicher Breite liegend), welchen Herr King *) in Hinsicht seiner Vegetation etwas näher beschreibt. Auf beiden Seiten ist die Küste dieser Strafse bergig, aber nicht sehr hoch, und an vielen Stellen zeigt sich sehr niedriges und durchgängig dick bewaldetes Land. Die Bäume, heifst- es in jenem Bericht, sind hier mehr von derselben Art, wie man sie auf der ganzen Strecke zwischen Cap Tres Montes und der Magalhaens-Strafse findet, nämlich die gewöhnlichsten sind: Fagus antaretica, Fagus betuloides, Winterana aromatica und ein Baum, welcher ganz das An- sehen einer Oypresse hat. Obgleich die Bäume dieser Gegend an dem Wurzelende eine sehr bedeutende Dicke haben, sollen sie doch nicht sehr hoch werden; doch sollen die Wälder daselbst so dicht sein, dafs kein Sonnenstrahl hindurchdringen kann. Ueberall auf der Westküste dieser Gegend ist der Boden der Wälder mit feuchten Moosen bedeckt. Die Magalhaens-Strafse zeigt in ihrem ganzen Ver- laufe, von Osten nach Westen, sowohl in Hinsicht der Gestalt ihres Bodens, als in Hinsicht der Vegetation sehr grofse Verschiedenheit. Das Westende, sagt Capit. King, **) und das Centrum sind von primitivem Charakter, rauh und sehr gebirgig, wärend der östliche Theil vor neuerer Bil- dung und niedrig ist. Um die Mitte der Strafse ist das Gestein Thonschiefer; die Berge werden höher, steiler und rauher in ihren Umrissen. Ihre mittlere Höhe beträgt 3000 Fufs, einige steigen über 4000 und selbst über 6000 Fufs hinaus. Die Grenze des ewigen Schnee’s scheint daselbst 3500 bis 4000 Fufs hoch zu sein. Eben so verschieden ist der Charakter der Vegetation wie die Gestaltung des Landes, und zwar nicht so sehr wegen der Mannigfaltigkeit an Pflanzen, als vielmehr ihrer Gestalt. Im westlichsten Theile der Magalhaens -Strafse ist die Vegetation ganz ver- *) Einige Bemerkungen über die Geographie des Südens von Amerika, nämlich des Feuerlandes und der Magalhaens- Strafse. — In Berghaus Cabinets- Bibliothek, I. Bd. 1834. pag. 134 übersetzt. *) 1. c. pag. 146. 243 krüppelt, in der Mitte ist dieselbe in gröfster Ueppigkeit und auf der Ostseite ist gänzlicher Mangel an Baumvege- tation. Die Bäume auf dem granitischen Boden des west- lichen Theiles der Strafse sind niedrig und höchstens 9 bis 40 Zoll diek; wegen Mangel an Dammerde ist die Vege- tation daselbst sehr armseelig.. Ganz anders verhält sich die üppige Vegetation in der Mitte der Strafse; hier wächst Fagus betuloides in gröfster Menge, ja Bäume von 3 Fufs Durchmesser sind sehr häufig und selbst von 4 Fufs nicht selten, und ein Baum ist daselbst, welcher, noch 17 Fufs ' über der Wurzel, eine Dicke von 7 Fufs hat; er theilt sich dann in drei Zweige, wovon jeder 3 Fufs dick ist. Ich betrachte diese immergrüne Buche als den Stellver- treter unserer Buche in jener südlichen temperirten Zone, doch so grofsartige Stämme der Art trifft man an unserer Buche vielleicht niemals. Aufser der genannten Buche, giebt es nur wenige andere Bäume in der Strafse, welche als Nutzholz gebraucht werden könnten. Nur zwei andere Buchen-Arten und die Winterana aromatica sind in dieser Hinsicht zu nennun. Die letztere Baumart, *). welche eben- falls immer grün ist, findet sich, mit der ersten vermischt, in allen Gegenden der Strafse, so dafs Land und Berge von der Höhe von 2000 Fufs über dem Meere, bis zum Rande der Hochwasser-Marke mit einem beständigen Grün be- kleidet sind, was ein höchst merkwürdiges Schauspiel dar- bietet, besonders da, wo die Glätscher bis zum Meere herabsteigen. In dieser Gegend beobachtete Capitain King die Fuchsien- und Veronica - Arten (?), deren Stämme 6—7 Zoll im Durchmesser hatten, und dennoch ist das Land daselbst, den ganzen Winter hindurch, mit einer mächtigen Schneelage bedeckt, nämlich vom April bis zum August. **) *) King 1. c. pag. 149. *%) Zu Port Famine in der Magalhaens-Stralse, unter 53° 38 südlicher Breite, beobachtete man wärend der WVintermonate die mittlere Temperatur von 34,5° Fahr. (44° Cels.), das Maximum war 49,5° Fahr., und das Minimum 12,6° Fahr. Die mittlere Tempera- 16. * 244 i Unsere Kenntnifs der Vegetation von Feuerland und Staatenland ist noch immer nicht viel weiter, als zur Zeit der Cookschen Weltumsegelungen. Seit der be- kannten botanischen Excursion, welche Banks und So- lander auf der ersten jener denkwürdigen Reisen, an der Kiste von Feuerland machten, wo mitten im Sommer meh- rere Menschen durch die Rauhheit des Clima’s 'unterla- gen, *) ist diese südliche Gegend von Amerika auf das Aeufserste verschrien, obgleich es auch hier an Waldungen nicht fehlt, und, wie es scheint, die Vegetation überhaupt einen Charakter hat, welcher demjenigen der Vegetation unserer nordischen Gegenden gleicht. Auch hier ist der Fufs der Berge mit Waldung bedeckt; Sumpfmoore wer- den von Birken-Gesträuchen bekleidet und die fruchtbaren Ebenen sind mit herrlichem Rasen geschmückt. Hier sam- melten Sparrmann und die beiden Forster: Pinguicula al- pica, Ranunculus lapponicus, Galium Aparine, Statice Armeria, Dactylis caespitosa, D. glomerata, eine Sangui- sorba, Fagus antarctica, Winterana aromatica u. s. w. In Gegenden, welche stark dem Winde ausgesetzt waren, er- reichten diese letzteren Bäume niemals eine bedeutende Höhe. Im Inneren dieser Inselmassen ist das Clima keines- wegs so furchtbar, als wie es Banks und Solander haben schildern lassen, denn bei jenem Berichte hat man ver- gessen, dafs sich die Reisenden auf einem hohen Berge, der Glocke nämlich, bei der Bay des guten Erfolgs be- fanden, und zwar weit über die Waldregion hinaus. Die übrigen Inselmassen der südlichen Hemisphäre, welche dieser Zone angehören, als Süd-Georgien, Kergue- lensland u. s. w. sind einzeln liegende, höchst unfruchtbare Inseln, und ihre Vegetation würde uns keinen richtigen Be- griff von derjenigen machen, welche dieser Zone angehört. tur des Herbstes war dagegen (nämlich Februar, März und April) 47,2° Fahr. (8,4° Gels.), nämlich 68° Maximum und 28° Minimum. ) 8. Cook’s Reise um die Welt. Berlin 1774. I. p. 45 u. s. w. 245 6) Die subarktische Zone. "Die subarktische Zone ist weniger ausgedehnt, als die vorhergehenden und möchte, vielleicht im Innern von Asien, nicht so bestimmt zu unterscheiden sein, wie dieses wohl in. Europa der Fall ist. Es erstreckt sich diese Zone von 58° der Breite, bis zu den Polarkreisen hin, nämlich bis 66° 32°. Die mittlere Wärme, welche der Kine im Durch- schnitt zukommt, beträgt zwischen 4 und 6° Cels., doch, so wie die Isothermen dieser Gegenden höchst unregelmäfsig verlaufen, so wird auch dieser Wärmegrad nach den ver- schiedenen Lokalitäten sehr variiren. In der nördlichen Hemisphäre ist die subarktische Zone die Zone der Kiefern und Weiden, und beginnt eigentlich mit der Polargrenze der Buche. In der südlichen Hemi- sphäre ragen nur einige unfruchtbare Inselmassen in diese Zone hinein, wie z/B. Neu-Schottland, welches durch, bis jetzt noch wenig ergründete Ursachen, ein so rauhes Clima hat, wie unser Spitzbergen, das in die Polarzone hineinliegt. In der vorhergehenden Zone bildeten die Fichten, (Pinus sylvestris) und die prächtigen Laubhölzer, als Eichen und Buchen die ausgedehntesten Wälder und herrschten durch ihre Massen vor; in der subarktischen Zone dagegen finden sich diese Bäume nur noch an der südlichen Grenze, kaum über 60° Breite hinaus, und auch hier zeigen sie wenig mehr von der Pracht und Ueppigkeit, welche ihnen in Deutschlands und Englands dichten Waldungen zukom- men. Selbst die Fichte (Pinus sylvestris) verschwindet gänzlich, und auf der westlichen Küste von Norwegen, wo das entschiedene Küstenclima von Schottland herrscht, da ‚erscheint sie noch, doch im Innern des Landes tritt statt ihrer die prächtige Tanne auf. Espen, Birken, Ebereschen, und Wachholdersträucher bilden dann die Baumvegetation neben den hochstämmigen und dunkelgrün belaubten Tan- nen. Die Esche (Fraxinus excelsior), die Linde und die Rüster (Ulmus campestris) gedeihen noch bei Christiania *) *) $. Lessing, Reise durch Norwegen nach den Loffoden durch Lappland und Schweden. Berlin 1831. 246 bei einer mittleren Temperatur von 4,96° R. Ja in den Gärten von Christiania erhält man noch Aepfel, Kirschen, selbst Birnen und Aprikosen, und sogar der Wein *) hat mehrere Jahre hinter einander in freier Luft reife Früchte getragen. Indessen dieses ist keineswegs als Norm für die Vegetation unter 60° nördlicher Breite anzusehen, sondern es ist sogar die auffallendste Abweichung, welche sich nur durch die Eigenthümlichkeit des Clima’s auf der Westküste des Continents erklären läfst. Weiter östlich, sowohl in der alten wie in der neuen Welt, wird wohl kein zweiter Punkt aufzufinden sein, welcher noch solche ausgezeichnete - Vegetation aufzuweisen hat. Wir besitzen eine ausgezeich- nete Arbeit über die Vegetations - Verschiedenheit auf der östlichen und westlichen Seite von Norwegen, wodurch der Einflufs des Küsten-Clima’s so äufserst augenscheinlich gemacht wird, und diese Arbeit ist vom dem früh verstor- benen Botaniker Christian Smith #*), doch ist dieselbe lei- der nur durch den Auszug bekannt geworden, welchen Herr L. v. Buch ***) darüber mitgetheilt hat. Es heifst darin: Dem strengen Winter auf der Ostseite folgt nach wenigen Wochen ein Sommer mit stets fortdauernden hel- len und heitern Tagen. Die Sonne eines fast nie aufhö- renden Tages ruft eine Menge von Blättern und Blumen hervor, die man in so nördlichen Breiten kaum noch er- wartet. Jenseits der Berge dagegen verhindert das stets offene Meer die Strenge des Winters, und die steten Winde, aus Westen und Süden über das Meer hin, erwärmen die Küsten. Aber sie bedecken sie auch mit dieken Nebeln und Wolken, welche den wohlthätigen Einflufs der Sonne aufhalten und dadurch der Wärme des Sommers wenige Dauer und wenige Wirkung erlauben. ”) Die Grenzen der wichtigsten Obstsorten auf der scandinavi- schen Halbinsel sind nach H. Schouw’s Angabe: für Aepfel und Pflaumen 634° Breite, für Kirschen 63° und für Birnen 62°. **) Topographisk - statistiske Samlinger, udgivne af Selskabet for Norges 2den Deels 2det Bind. Christiania 1817. **) Physikalische Beschreibung der Canarischen Inseln. pag. 38. . 247 Obgleich die Birke selbst dem strengen sibirischen Winter widersteht, so erfordert sie doch zu ihrer Wachs- thums-Periode einen warmen Sommer, und ihre Grenze rückt defshalb in Norwegen immer mehr nach der Ebene und nach Süden hinab, jemehr sich die Wärme des Som- mers vermindert. Mit den Fichtenwäldern auf der West- küste von Norwegen erscheinen nach Smith die schöne Digitalis purpurea, Hieracium aurantiacum, Bunium bulbo- castanım, Sedum anglicum, Chrysosplenium oppositifolium, Hypericum pulchrum, Erica cinerea, Rosa spinosissima u. s. w., Pflanzen, welche man, wie Smith bemerkt, ver- gebens da suchen würde, wo die Birken bis zu 3000 Fufs Föhe hinaufsteigen! Am zweckmäfsigsten wird es sein, wenn wir hier die Betrachtung der Vegetation der Färöer-Inseln unmittelbar anschliefsen, wozu uns die neue Arbeit des Herrn Tre- velyan*) sehr interessanten Stoff liefert. Auf den Färöer- Inseln gedeiht nur etwas Gerste und auch diese wird nicht immer reif; von Unterfrüchten aber wächst sowohl die Rübe, als die Kartoffel sehr gut. **) Die Baumvegetation kommt auf den Färöern zu keiner Entwickelung, aber an Weiden und Amentaceen fehlt es nicht. Auf den Bergen der Insel beginnt die Region der Alpenkräuter schon in der Höhe von 1500 Fufs; viele der Berge sind mit langen, dicht wachsenden Moosen bedeckt. Ganz ähnlich den Färöern verhält sich die Vegetation _ von Island; auch hier gänzlicher Mangel an Bäumen, denn die Birke und die Eberesche erreichen eine sehr geringe Höhe, obgleich die mittlere Temperatur daselbst keines- wegs so niedrig ist, als in östlicheren Gegenden des alten — *) On the Vegetation and Temperature of the Faroe Islands. — The Edinb. New Phil. Journ. October 1834 — Januar 1835. pag. 454 — 164. *"%) Die mittlere Temperatur auf den Faröern betrug nach vier- jährigen Beobachtungen noch 54,6° Fahr. Im Jahre 1821 nur 51,6° Fahr. Die am höchsten beobachtete Temperatur war 72,5° F. und die niedrigste war 18,5° F. 248 Continents gleicher Breiten, wo selbst der gröfste Ueber- flufs an Wäldern von Tannen, Birken und Pappeln ist. Herr Schouw *) bemerkt schon, dafs die Vegetation von Island mit derjenigen von Norwegen sehr genau über- einstimmt, wo, gegen das Meer hin, ebenfalls die Baum- vegetation verschwindet und zwar nicht. etwa der niede- ren Temperatur, sondern vielmehr der sehr feuchten See- luft wegen. In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts zeigten die Bäume in den Birken-Wäldern Island’s ge- wöhnlich eine Höhe von 35—4 Ellen und 3—4 Zoll Dicke, die höchsten waren 6— 10 Ellen **). Gegenwär- tig fehlen alle Waldungen auf Island, nur noch Anhäu- fungen von Birken-Gesträuch bilden die Gehölze dieses armseeligen Landes; indessen es sind eine ganze Menge von Thatsachen vorhanden, ‘welche das frühere Vorhanden- sein hoher Birkenwälder ‘auf Island nachweisen; in dem genannten Werke. von Olafsens finden sich‘ diese Thatsa- chen sehr ausführlich aufgezählt und es ist noch dabei zu bemerken, dafs der Boden, wo diese Birkenwaldungen gestanden haben, gegenwärtig ganz in Moor- und Sumpf- land umgewandelt ist. Die jungen Birkenbäume, welche gegenwärtig auf der Insel Island wachsen, bleiben mehr ‚strauchartig, und ‘erreichen nicht die Gröfse, welche sie in früheren Zeiten daselbst erlangt haben, so dafs man glauben möchte, dafs sich auf jener Insel, seit der Ausrot- tung der grofsen Wälder, das Clima bedeutend verändert habe. Aufserdem ist es noch höchst bemerkenswerth und die Lehre bestätigend, dafs sich die Verbreitung der Pflan- zen genau nach dem Clima richtet, wenn wir bedenken, dafs Island, obgleich es, seiner subtropischen Lage nach, der subtropischen Zone angehört, von der ganzen Baum- vegetation fast nichts als die Birke und die Eberesche be- *) Europa p. 48. "N S. Olafsens und Pavelsens Reise durch Island. Kopenhagen und Leipzig 1774. 4to p. 89, 126 etc., wo überhaupt sehr schätzens- werthe Beiträge zur Kenntnils der Vegetation von Island enthal- ten sind. ' 249 sitzt.: Es.hat demnach diese ganze Insel die echte Küsten- flora von Norwegen; aufser dem Juniperus ist: von Zapfen- bäumen auf Island nichts zu finden, wohl aber eine grofse Menge von Pflanzen, welche mit der Flora unserer nörd- lichen temperirten Zone übereinstimmen. Die grünen Wie- sen Island’s sind den unsrigen fast ganz gleich; Agrostis arundinacea, Aira caespitosa, A. flexuosa, Poa pratensis, P. trivialis, P. compressa, P. annua etc. wachsen auf Is- ‚land wie bei uns, und Trifolium arvense, T. pratense und T. repens blühen dort so lieblich wie bei uns. Die Heiden sind auf Island ebenfalls mit Erica vulgaris bedeckt und Juniperus communis erhebt sich dazwischen. Die stehen- den Gewässer zeigen Chara vulgaris, Ch. hispida und Calli- triche - Arten unserer Gegenden, und an ihren Rändern wachsen Hippuris vulgaris, Veronica Anagallis, Arundo Phragmites, Comarum palustre, Limosella aquatica u. s. w. Die Felder auf Island sind wie bei uns mit Serratula ar- vensis, Thlaspi bursa pastoris und T. campestre, Draba verna, Prunella officinalis, Thymus Serpyllum, Lychnis Flos Cuculi, Spergula arvensis u. s. w. bedeckt, und die köst- liche Beere des Vaccinium Myrtillus, uliginosum, oxycoc- cus und Arbutus Uva ursi geben auf Island wie bei ‚uns ein angenehmes Nahrungsmittel. Getreidebau findet auf Island nur in sehr geringem Grade statt, ja oftmals lange Reihen von Jahren hindurch ganz und gar nicht, denn wegen des höchst unbeständigen Wetters gegen Ende des Sommers wird das Getreide’ sel- ten reif; jedoch ist in früheren Zeiten, etwa vor 100 Jah- ren, der Anbau des Roggens an sehr verschiedenen Stel- len betrieben worden. Dagegen wird gegenwärtig die Cul- tur der hauptsächlichsten Küchen-Gewächse, als der ver- schiedensten Kohlarten, sogar des Blumenkohls, der Kar- toffeln, verschiedener Rübenarten, des Kümmels u. s: w. mit sehr gutem Erfolge betrieben. Zu den eigenthümlich- sten Nahrungspflanzen, welche den Bewohnern von Island oft die alleinige vegetabilische Nahrung darbieten,, besonders in früheren Zeiten vor der Einführung der Kartoffeln, 250 gehören: Fucus saccharinus L., F. esculentus L., F. pal- matus Gm. und wohl noch einige andere Pflanzen dieser Familie. Es werden diese Seegewächse theils frisch, theils im getrockneten Zustande zum Essen gebraucht, und die- nen selbst als Gegenstände des Binnenhandels; sicherlich liefern sie recht nahrhafte und gutschmeckende Speisen. Es ist ja auch bekannt, wie an verschiedenen andern Kü- sten des grofsen Weltmeeres verschiedene andere dieser Seegewächse theils zur gewöhnlichen Nahrung, theils zum Luxus benutzt werden, wie z. B. der Fucus antarcticus Cham. an der südlichsten Spitze von Amerika, verschie- dene grofse Laminarien und Fuecus pyriferus an der Kü- ste von Chile, der Fucus cartilagineus in Indien, China, Japan und dem ganzen Archipelagus jenes Meeres u. s. w. Aufser.. diesen Algen sind noch folgende Gewächse zu nennen, welche auf Island als Nahrungspflanzen ange- troffen werden, nämlich das Isländische Moos *), Pisum maritimum L. und Arundo arenaria. Das Isländische Moos kommt in vielen Küstengegenden dieser Insel in sehr gro- {sen Massen vor, und wird auf einem und demselben Felde alle drei Jahre eingesammelt. Die Bitterkeit, wel- che dieser Pflanze eigen ist, wird zuerst durch Einwei- chen in Wasser ausgezogen, und dann wird das Kraut, meistentheils mit Milch zubereitet gegessen, selbst eine Art von Brod soll daraus gebacken werden. Die Zeit der Einsammlung des Isländischen Mooses ist auf jener Insel gleichsam eine fröhliche Zeit der Erndte. — Die Erbsen von Pisum maritimum sollen zuweilen sehr wohl- schmeckend werden, und die kleinen Saamen von Arundo arenaria werden an einigen Orten zur Bereitung eines feinen Mehles benutzt. Gehen wir wieder nach dem Continente zurück, und wenden wir uns mehr östlich nach den entfernteren Ge- genden Sibiriens, welche dieser subarktischen Zone ange- hören, so finden wir fast überall dieselben Pflanzen wie- *) Lichen islandicus L. 251 der, wie sie in den westlichsten Gegenden der subarkti- schen Zone, nämlich in Norwegen und Schweden, auf Island und den andern angrenzenden Inseln vorkommen, nur die Baumvegetation ist eine andere; die ungeheueren Wälder von Coniferen treten hinzu, bis auch diese auf der Ostküste von Kamschatka wieder verschwinden und den Birken wieder Platz machen. Herr Langsdorf *) nennt alle die Pflanzen, welche er, auf seiner Reise durch Sibirien, auf dem Wege zwischen Ochotsk nach Jakutck antraf, die ich hier ebenfalls an- gebe, um sie mit den Floren von Norwegen, von Schwe den und Island in Vergleichung zu stellen. Die Wälder jener Gegenden Sibiriens wurden gebil- det durch: Pinus Cembra, P. Larix, P. Abies, Platanus orientalis, Populus alba, P. balsamica, Betula Alnus, B. nana und B. fruticosa, und Rhododendrum tauricum, R. Chrysanthum, Stachis palustris, St. sylvatica, Scutellaria galericulata, Schwertia perennis, Sanguisorba officinalis, Tanacetum vulgare, Trientalis europaea, Valeriana offici- nalis, Vaceinium Vitis Idaea, V. uliginosum, Anemone nar- eissiflora, A. sylvestris, Atragene alpina, Andromeda poli- folia, Antirrhinum Linaria, Arbutus Uva ursi, Euphrasia officinalis, Potentilla anserina, die schönen Pyrolae unserer Wälder, Galium boreale, Sedum palustre, Lysimachia thyr- siflora ete. sprechen ganz deutlich für die Gleichheit der Vegetation dieser östlichen Gegenden mit derjenigen der westlichen Theile von Europa. Schliefslich vergleichen wir noch die Flora von Kam- schatka mit demjenigen, was wir bisher über die Vegeta- tion der subarktischen Zone gesagt haben. Die Flora des südlichsten Theiles von Kamschatka gehört noch der vor- hergehenden Zone an, im Allgemeinen ist dieselbe aber ganz von subarktischem Charakter. Dafs auf Kamschatka der Getreidebau fehlt, ist eine Abweichung von dem im Westen des Continents beobachteten Gesetze, läfst sich ) lc... p. S16. 252 jedoch eben sowohl erklären, als wie das Fehlen des Ge- treidebaues auf Island u. s. w. Folgende Pflanzen Kam- schatka’s nenne ich hier aus dem Verzeichnisse, welches Herr Langsdorf *) in seinem Reiseberichte mitgetheilt hat: Rubus Chamaemorus, Vaceinium Vitis idaea, V. uliginosum, Berberis vulgaris, Ribes rubrum, Empetrum nigrum, Lo- nicera caerulea, Prunus Padus, Sorbus aucuparia, Rubus arcticus, Arbutus Uva ursi, und Betula alba, B. nana, Pi-- nus Larix, P. Abies, P. Cembra, Populus alba, Platanus orientalis, Betula Alnus, Salix arenaria, S. pentandra, Juni- perus communis, Crataegus oxyacantha, Rosa canina, R. spinosissima, Lonicera caerulea etc. bildeten die Waldun- gen und Gesträuche. Ä 7) Die arktische Zone. Die arktische Zone umfafst einen noch kleineren Erd- gürtel, als die subarktische Zone, welche wir so eben ab- gehandelt haben, sie erstreckt sich, von dem nördlichen Polarkreise (66° 32° Breite) an, bis zu den nördlichsten Punkten, mit welchen die scandinavischen Länder im nörd- lichen Ocean grenzen, also bis in den 72sten Grad der Breite, wo die Grenze der Baumvegetation und zugleich aller Cultur des Bodens erscheint. Wir haben im Vor- hergehenden gesehen, dafs der Lauf der Isothermen und der Isotheren immer unregelmäfsiger wird, je mehr man sich von dem Aequator entfernt, daher denn auch die Ve- getation dem unregelmäfsigen Gange der Wärme- Verthei- lung folgend, je mehr. wir gegen die Pole hin kommen, immer. mehr. und mehr ‚Abweichungen aufzuweisen hat. Indem westlichsten Lande des alten Continents geht die Cultur der Getreide - Arten bis über den 70sten Grad der Breite hinaus, bis zu einer Gegend, welche im östlichsten Sibirien, wenn uns die Nachrichten nicht täuschen , im ewigen. Eise stecken müfste. Diese Ungleichheit in der Vertheilung der Wärme und demnach auch der Vegeta- 9) L.c U. p.;224,. 253 tion möge ums jedoch nicht abschrecken ein allgemeineres Bild für die ganze Zone zu entwerfen, wenn ‚auch hie und da die Grenze der Baumvegetation in hiedernn Brei- ten erscheint. Die mittlere Temperatur für die arktische Bone möchte etwas über 2° Cels. als Maximum haben, in den kälteren Theilen dieser Zone jedoch sicherlich viel tiefer, ja oft weit unter. dem Gefrierpunkte stehen. ‚Auf der südlichen Hemisphäre sind bis jetzt nur einige kleine Inseln, im 68sten Grade der Breite bekannt, welche bis in diese Re- gion hineinreichen, von der Vegetation dieser Inseln wis- sen wir jedoch noch nichts. Wir besitzen über die Vegetation einzelner erden der arktischen Zone die meisterhaftesten Arbeiten, .als solche ist vorzüglich diejenige von Wahlenberg *) zu be- trachten, worin die Pflanzengeographie eines speciellen Landes zuerst mit aufserordentlichem Intolge bearbeitet worden ist. | Die vorherrschendste aller Biläuzenfoyskn dieser Zone ist die Birke, und nach dieser einige Nadelhölzer, als die Fichte (Pinus: sylvestris) und die Kiefer (Abies excelsa), welche hier noch ausgedehnte Waldungen bilden.: Nach Schouw’s **) Angaben erreicht die-Birke fast das: Nord- cap, die Kiefer geht bis Alten (69 — 70° Breite) und die schöne Tanne bis 69 und selbst bis über 70° auf der östlichen Seite von Norwegen und Schweden. Die Espe und die Eberesche sind noch ‘die einzigen ‘baumartigen Gewächse, welche sich neben den drei genannten bis über die Polar-Zirkel hinaus erstrecken. Der Wachholder, der Rubus Chamaemorus, Cornus suecica und eine Menge von Weiden-Arten bilden. hier die Gesträucher und die Gat- tungen Diapenzia, Azalea und Andromeda treten besonders charakteristisch für Lappland neben jenen auf. Die trok- kenen und unfruchtbaren Felder sind mit unglaublichen *) Flora lapponica, Berlin 1812. *") Europa p. 8. 254 Massen von Flechten bedeckt, worunter das bekannte Rennthier-Moos, die Cenomize rangiferina, die ausgedehn- testen Rasen bildet, über welche der Weg, besonders zur Sommerzeit, wenn durch anhaltenden Sonnenschein diese Pflanzen ausgetrocknet sind, sehr beschwerlich führt. Schon in der vorhergehenden Zone sahen wir das Auftreten von Flechten in so grofsen Massen, wie die Ceteraria islan- diea auf Island; wır haben aber auch zugleich erkannt, dafs die Vegetation dieser Insel, durch das eigenthümliche Küsten-Clima derselben, oft so sehr herabgedrückt ist, dafs sie ganz den Charakter der arktischen Zone annimmt. In den Ländermassen Nordamerika’s, welche dieser Zone angehören, ist das Auftreten grofser Flechtenmassen in den Ebenen ganz gewöhnlich, und hier sind es hauptsäch- lich die Gyrophoren, welche sich bis zu den Ufern der Polar-See erstrecken, und im Nothfalle als Nahrungsmit- tel benutzt werden können. | Der grüne Rasen unserer Zone fehlt der arktischen Zone noch nicht gänzlich, die Aira caespitosa und die Aira flexuosa *) helfen denselben darstellen; ja das Mi- lium effusum überzieht in gröfster Ueppigkeit die Abhänge der Küsten-Berge auf den Loffoden, aber der schöne Moos-Rasen, welcher so häufig die Laubwälder unserer Gegenden verziert, ist hier nicht mehr zu finden, obgleich an Moosen und Jungermannien daselbst gerade kein Man- gel herrscht. Die Polytricha sind es vorzüglich, welche in üppigster Schönheit im nördlichsten Norwegen und Schweden vorherrschen. | Die Cultur der Nahrungspflanzen erstreckt sich auf der scandinavischen Halbinsel über die ganze arktische Zone, wenngleich dieselbe auch nur auf sehr wenige Ge- genstände beschränkt ist. Von den Getreide- Arten wird nur Gerste und Roggen angebauet, und zwar geht erstere, nach Herrn Schouw’s **) Angabe, bis 70° nördlicher Breite *%) Wahlenberg 1. c, p. LIX. *) Europa p.-9. 255 hinauf, wärend der Roggen auf der Westseite bis 64° Breite und auf der Ostseite bis 65 und 66° hinaufgeht. Zu Enontekis, im 60sten Grade der Breite, und in 1350 Fufs über dem Meeresspiegel, hat man noch etwas Ge- treidebau, wenngleich dasselbe höchstens nur alle drei Jahre zur Reife Kommt. Zu Hammerfest im 71sten Grade hat man Versuche mit dem Anbaue von Gewächsen gemacht, und nach die- sen gedeihen Kohl, Rüben, gelbe Wurzeln, Kartoffeln, Spinat und Salat noch recht gut in dieser so bedeutenden Breite. An verschiedenen Stellen dieser arktischen Zone hat man die Beobachtung gemacht, dafs eine sogenannte Al- pen-Vegetation bis tief in der Ebene des Meeres erscheint, und dieses ist auch sehr leicht erklärbar, ohne dafs man diese Alpenflor von den Bergen herableitet. Wie wir es in der Folge sehen werden, so entspricht erst die baum- lose Vegetation der Polarzone, der Vegetation auf den Gipfeln der Alpen, an den Küsten der arktischen Zone hingegen, besonders wo ein sehr unbeständiges Wetter durch häufig herrschende nördliche Winde vorhanden ist, da wird die Temperatur des Sommers so bedeutend nie- dergedrückt, dafs dieselbe schon hier der Sommer - Tem- peratur in der Polar-Zone entspricht und dafs defshalb schon in dieser Zone eine grofse Menge von Alpenpflan- zen bis zur Ebene des Meeres hinabsteigen, wo sie neben den Strand-Pflanzen vorkommen. So beobachtete Herr Lessing *) auf der Westküste Norwegens, in der Nähe von Kunnen, auf den Wiesen: Silene acaulis, Saxifraga oppositifolia, Potentilla aurea, Thaliectrum alpinum, Erige- ron alpinus, Gentiana nivalis, Alchemilla alpina, Arbutus alpina, Empetrum nigrum, Astragalus alpinus, und daneben am sandigen Meeres-Ufer die Arenaria peploides, Lotus siliquosus, Silene maritima, Cochlearia danica u. s. w. Die östlichsten Gegenden des alten Continents, wel- "rl. ep: 44 256 che noch in die arktische Zone hineinragen, sind uns lei- der gänzlich unbekannt, sie werden jedoch, wenn sie einst erforscht sein werden; sicherlich sehr bedeutende Abwei- chungen: von der so eben geschilderten Vegetation dieser Zone darbieten. Aus der arktischen Zone Nord- Amerika’s kennen wir gegenwärtig schon eine sehr grofse Menge von Pflanzen, und die neue Flora dieser Länder, welche Herr Hooker herausgiebt, berechtigt zu den gröfsten Erwartungen; doch bis jetzt fehlt es noch sehr an Schilderungen, welche uns ein Bild über die Physiognomie der Vegetation jener Län- der entwerfen können. / Vergleichen wir ‚aber. die Flora dieser arktischen Zone bis zur Küste des Eismeeres, welche wir durch Herrn Richardson *) erhalten haben, so finden wir. nicht nur die aufserordentlichste Uebereinstimmung in den Pflan- zen dieser beiden Länder, sondern wir. finden sogar nur ein Paar Pflanzen, welche in Amerika und nicht auch im nördlichsten Norwegen und Schweden vorkommen, wenn wir nämlich aus jener. Flora nur. die mit A und mit B bezeichneten Pflanzen ausheben. Zum Beweise nenne ich hier die vorzüglichsten Pflanzen, welche: diese), arktische Zone charakterisiren. | Das Rhododendrum lapponicum tritt hier in die Ebene und seine Begleiter sind die kleinen strauchartigen Pflan- zen: Andromeda tetragona, A. polifolia, A. calieulata, Vac- cinium- Vitis idaea, Oxycoceus palustris, Azalea procum- bens. Ganz vorzüglich ist aber zu bemerken, dafs sowohl Birken (Betula glandulosa) und Ellern-Sträucher (Alaus glutinosa) hier erscheinen, eben so wie in. der arktischen Zone Europa’s. Die vorzüglichsten Polar-Pflanzen oder Alpen-Pflanzen, welche durch’ die Eigenthümlichkeit des Küsten-Clima’s in. die arktische Zone bis zur Meeresküste ”) S. dessen Flora der Polarländer in R. Brown’s vermischten Schriften, Band I. p. 405 u. s. w., welche als Anhang zu Franklin’s Narrative of a Journey to the shores of the Polar- Sea, London 1823. 4to. erschienen ist. 257 gehen, sind: Saxifraga Aizoides, S. oppositifolia, cernua, groenlandica, Polygonum yiviparum, Arnica montana, Dryas integrifolia, Holeus alpinus, Pedicularis lapponica, P. su- detica und P. hirsuta. Aufser diesen genannten Pflanzen wurden noch beobachtet: Plantago lanceolata, Cerastium viscosum, Oxyria reniformis, Triglochin maritimum, To- fielda borealis, Epilobium palustre, latifolium, angustifo- lium u. Ss. w. Besonders bemerkenswerth ist wohl noch die grofse Menge von Flechten, welche oftmals ausgedehnte Strecken Landes dieser Gegend bedecken; vorzüglich herrschend an allen felsigen Stellen sind daselbst die Gyrophoren, als G. proboseidea, G. hyperborea, G. pensylvanica und G. Mühlenbergü, welche in Fällen der Noth als Nahrungs- mittel benutzt werden können. 8) Die Polar- Zone. Zu der Polar-Zone gehören alle Ländermassen, wel- che über den 72sten Grad der Breite hinaus liegen. Alle Bäume und Sträucher fehlen diesen kalten Gegenden, wo auch alle Cultur von Nahrungspflanzen ein Ende hat, denn die mittlere Temperatur steht daselbst wenigstens tief unter dem Gefrierpunkte, und meistens herrscht in diesen Gegenden nur ein Sommer von 4 bis 6 Wochen. Gegen- wärtig ist die. mittlere Temperatur dieser Zone nur von einem einzigen Punkte, nämlich von der Melvilie’s-Insel be- kannt, woselbst 10monatliche Beobachtungen angestellt worden sind. Wir haben die Temperatur-Curve von die- sem Orte auf beiliegender Tabelle zum ersten Abschnitte mitgetheilt; die mittlere Temperatur daselbst ist gleich — 16,9° Cels., die des Sommers ist gleich 3,1° und die des Winters erreicht die ungeheuere Kälte von — 33,3 CGels. Nur im Monat Juli steigt die Wärme zu 5,9° Cels. hinan, und schon im darauf folgenden August fällt sie wiederum auf 1,2° C,; bei solcher niederen Temperatur kann die Vegetation natürlich nicht von grofser Bedeutung sein, und sie besteht auch daselbst nach allen bisherigen 17 255 Beobachtungen in blofsen Alpenkräutern, d. h. in solchen kleinen Pflanzen, welche auf den Gebirgen die höchsten Gipfel bis unmittelbar zur ewigen S hneegrenze hin ver- zieren. Ja selbst die Halbsträucher fehlen hier, und nur ei- nige wenige Arten dieser Gruppe treten als krautartige Gewächse innerhalb der Polar - Zone auf. Wenngleich nur einige wenige Punkte dieser Polar-Zone von Reisen- den besucht und in botanischer Hinsicht bekannt geworden sind, so besitzen wir dennoch ganz ausgezeichnete Arbei- ten über die Floren dieser wenigen Gegenden, welche von Herrn R. Brown *) und Herrn Hooker **) herausgege- ben sind. Aus der Ansicht der genannten Floren geht hervor, dafs die Vegetation dieser: Polar-Zone äufserst arm ist, im Versältnifs zur Vegetation wärmerer Zonen, indessen sowohl an Artenzahl wie an Gattungen, ja vielleicht sogar an Individuen-Zahl, möchte diese Flora der entsprechen- den Vegetation auf den höchsten Gipfeln der Gebirge nicht nachstehen. Wassermangel wärend der kurzen Som- merzeit und felsiger unfruchtbarer Boden, stehen selbst noch in diesen so traurigen Gegenden der Entwickelung einer gröfseren Sommer- Vegetation entgegen. Vergleichen wir aber die Verzeichnisse der Floren von Spitzbergen, von Grönland, von der Baffınsbay und der Melville's-Insel, so müssen wir über die genaue Ueber- einstimmung der Vegetation an diesen verschiedenen Or- *) S. Dessen Verzeichnils von Pflanzen, welche an den Küsten der Baffıns-Bay u. s. w. gesammelt worden sind. — Dessen Flora . der Melville’s-Insel. — Dessen Verzeichnifs der in Spitzbergen ge- fundenen Pflanzen, und dessen Nachträge zu Richardson’s Polar- Flora. Alle diese Arbeiten sind, in das Deutsche übertragen, im ersten Bande von R. Brown’s vermischten Schriften, herausgegeben von N. v. Esenbeck, zu finden. | **) Verzeichnifs von Pflanzen von der östlichen Küste Grön- lands — als Appendix zu Scoresby’s Journal of a Voy. to the nor- thern WVahlefishery; etc. 259 ten erstaunen. Auf der Melville’s-Insel sind zwar mehrere, dieser Gegend bis jetzt allein eigene Pflanzen aufgefunden, doch man: bedenke auch dabei, dafs an keinem anderen Orte dieser Zone so lange und so genau die Vegetation durchsucht worden ist als hier, und dafs defshalb zu er- warten ist, es werden später noch mehrere, von den der Melville’s-Insel eigenen Pflanzen, auch an anderen Stellen dieser Zone aufgefunden werden. Als Charakter der Vegetation dieser Polar-Zone kann man nur die‘ grofse Armuth derselben aufzählen; ganze Gegenden dieser Zone sind, wegen unfruchtbaren Bodens, ganz vegetationsleer, und an andern zeigen sich die klei- nen, meistentheils sehr niedlichen Pfiänzchen dieser Zone in mehr oder weniger grofsen, rasenartigen Ausbreitungen, oder wenigstens. nur in gesellschaftlichem Zustande. Die hauptsächlichsten Gattungen, welche die Vegetation dieser Zone charakterisiren, oder deren Specigs, wenn auch nur ‚einige, fast nie fehlen, sind: Saxifraga, Dryas, Papaver, Andromeda, Juncus, ‘Cochlearia,: Cardamine, Pedicularis, Eriophorum, Ranunculus, Pyrola, Silena, Potentilla, Salix u.s.w. Diese Gattungen ‘und sogär viele der Arten"aus diesen Gattungen hat die Flora :dieser Polar-Zone mit der Vegetation in der Region der Alpenkräuter gemein, wenn auch die Entfernungen der Gebirge von dieser :Po- lar-Zone noch so grofs sind. Als der Polar-Zone eigen- thümlich sind folgende Gattungen zu betrachten: Parrya, Eutrema, Platypetalum, Phippsia, Colpodium, Dupontia, Pleuropogon u. Ss. w. Mehrere Arten dieser Gattungen steigen auch wohl in die arktische Zone hinab, aber auf den Gebirgen südlicherer Gegenden sind 'sie noch nicht gefunden. ' Das relative Verhältnifs der Arten, Gattungen, und der Familien dieser Polar-Flora unter einander ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, ein ganz anderes, als in der. ark- tischen Zone, doch bis jetzt sind die Materialien zur Be- stimmung. dieses Gegenstandes noch yiel zu gering. Alle hohe baumartige und strauchartige -Vegetation, welche der 8.7 260 Natur eine Physiognomie yon Bedeutung zu geben im Stande ist, fehlt der Polar-Zone, so wie auch alle Cultur der Nahrungspflanzen daselbt unmöglich ist; um aber eine Anschauung von der Vegetation dieser Länder nach den gegenwärtig vorhandenen Mitteln zu geben, bleibt nichts übrig, als die hauptsächlichsten der Pflanzen aus einzelnen Gegenden dieser Zone aufzuführen. Nach den Pflanzen- Verzeichnissen in den Werken von Phipps *) und W. Sco- resby **) sind auf Spitzbergen folgende Phanerogamen beobachtet worden, als: Phippsia algida, Juncus campestris, Tillaea aquatica, Cochlearia danica und ©. groenlandica, Cardamine bellidifolia, Draba alpina, Dryas octopetala L., Salix polaris und S. herbacea L., Pedicularis hirsuta, Pa- paver nudicaule L., Cerastium alpinum, Andromeda tetra- gona, Saxifraga oppositifolia, S. cernua, S. nivalis, S. rivu- laris und S. caespitosa. Die Zahl der Cryptögamen ist hiezu verhältnifsmäfsig, bis auf die 19 Arten von Flechten, welche durch ihre Arten-Zahl, und wahrscheinlich auch durch ihre Masse in der Flora von Spitzbergen vorherr- schen werden. Auf der Melville’s-Insel treten zu den ge- nannten Pflanzen noch eine Menge von Ranunculaceen, Compositae und Gramineen hinzu, von denen die meisten Arten auch in der arktischen Zone und zwär als alpine Formen daselbst auftreten. Eriophorum capitatum, E. an- gustifolium, Alopecurus alpinus, Phippsia algida sind auf der Melville’s-Insel und in der arktischen und subarkti- schen Zone zu finden. | Zu wünschen wäre es, dafs die Vegetation desjenigen Theiles von Sibirien und von Nova Zemlia bekannt würde, welcher über die arktische Zone hinaus und in die Polar- Zone hineinragt. Die Vegetation dieser Gegend, welche meistens mit dem festen Lande in Zusammenhang steht, oder sogar Fortsetzung desselben ist, würde zur Verglei- chung mit der Insel-Flora von Spitzbergen, Melville’s-In- - sel u. s. w. von besonderem Interesse sein. ”) A Voyage towards the Northpole. Lond. 1774. 4. p.200—204. .**) An Account of the Arctic Regions, etc, Edinb. 1820. 8. p. 75.76. 261 b) Eintheilung der Pflanzendecke nach den Re- gionen ihrer aufsteigenden Verbreitung. Eben so wie im vorhergehenden Abschnitte die hori- zontale Verbreitung der Pflanzenmasse nach verschiedenen Zonen dargestellt wurde, werden wir jetzt die senkrechte, oder aufsteigende Verbreitung nach den verschiedenen Re- gionen der Gebirge auseinandersetzen. Steigt man aus der Ebene auf die Höhe der Gebirge, so kann man mit Leichtigkeit in den verschiedenen Re- gionen derselben ähnliche Pflanzenformen wiederfinden, als diejenigen, welche den verschiedenen Zonen, von der Breite des Gebirges an, bis zu den Polen hin, eigenthüm- lich sind. Ein Gebirge der subarktischen Zone z. B,, welches bis über die ewige Schneegrenze hinaus liegt, kann natürlich nur die Vegetation derjenigen Zonen zei- gen, welche sich, von der subtropischen Zone an, bis zu den Polargegenden hin, aneinander reihen; so wie das nördliche Norwegen und Schweden, wie die Loffoden, die über den Polar-Kreis hinaus liegen, nur zwei verschiedene Regionen aufzuweisen haben. Herr Alexander von Humboldt theilte schon, in sei- nen späteren Schriften über die Pflanzengeographie, die Oberfläche der tropischen Gebirge in drei Regionen ein, nämlich in die heifse, die temperirte und in die kalte Region, ganz entsprechend der allgemeinen Eintheilung der Erdoberfläche, und deutete hiebei zugleich auf die hauptsächlichsten Unterregionen an, welche dieser oder je- ner Region zukommen. In diesen Unterregionen finden sich nun fast alle diejenigen Abtheilungen angedeutet, wel- che ich hier, entsprechend den 8 Zonen der Erdoberfläche, einzeln durchgehen will, und ich bin überzeugt, dafs sich diese Eintheilung in Regionen für die Gebirge aller Zo- nen anwenden läfst. Auch glaube ich wohl, dafs es sehr nöthig ist, bei pflanzengeographischen Beschreibungen ver- schiedener Gebirge und Gegenden, von einem und demselben Prineipe auszugehen, daher auf dem einen Gebirge nicht 262 mehr Regionen zu unterscheiden sind, als auf einem an- deren in gleicher Breite. Befolgt man diese Methode, und beginnt die Betrachtung der Gebirgs-Vegetation von den Höhen der Gebirge aus, nämlich von der ewigen Schneegrenze an, so wird man stets die Vergleichung der Vegetation mit derjenigen auf anderen Gebirgen verschie- dener Höhen genau verfolgen können. Wären alle Gebirge bis zur ewigen Schneegrenze hinaufreichend, so würde es gewifs sehr vortheilhaft sein, wenn man die Höhen und das Areal der emzelnen Re- gionen stets von Oben nach Unten, nämlich nach den ver- schiedenen Entfernungen von der ewigen. Schneegrenze angeben wollte; wenn‘ man also den umgekehrten Gang hiebei einschlagen wollte, statt dessen, den. man bis Je befolgt hat. Vergleicht man die Höhe der Schneegrenze in den acht vorhin aufgestellten Zonen unter einander, so wird man zu dem Resitltate gelangen, dafs die Schneegrenze in jeder Zone, von der Polar-Zone ausgehend, um 1800 bis 4900 Fufs höher 'hinaufrückt, so dafs sie in der Aequa- torial-Zone erst in einer Höhe von 15- bis 16000 Fufs zu finden ‘ist. Eine solche ‚Erhöhung der Vegetations- Grenze, von-4900 Fufs für jede Zone, entspräche dem- | nach genau einer der acht Regionen, welche ich für die ' Gebirgs - Vegetation der Aequatorial - Gegend aufstellen möchte, und ausgehend von dem Aequator, wird demnach | den Gebirgen jeder Zone, je weiter dieselbe dem Polen zu gelegen ist, immer eine jener Regionen nach der an- . deren abgehen müssen. Ich glaube, dafs die folgende bild- | liche Darstellung diesen Gegenstand am deutlichsten er- | klären wird. *) — *) Die hieher gehörige Tabelle ist, ihres gröfseren Raumes we- gen, auf pag. 264 und 265 gesetzt, und der Text von pag. 263 läuft hinter der Tabelle fort. | 263 Diese im Vorhergehenden festgestellte Eintheilung der Gebirgs-Floren nach Regionen, welche den Zonen in der horizontalen Verbreitung der Pflanzen entsprechen, möchte vielleicht nicht allgemeinen Beifall finden, und es wird daher nöthig sein, dafs ich hier die hauptsächlichsten Ein- würfe bekämpfe, welche man wahrscheinlich dagegen er- heben wird. Es ist wahr, dafs eine so genaue, regelmäfsige Ver- theilung der Vegetation in verschiedene Regionen, wie sie in der beiliegenden Tabelle angegeben ist, nicht’ statt- findet, sondern dafs eine und dieselbe Vegetation, auf ver- schiedenen Gebirgen einer und derselben Breite, oft auf mehrere 100 Fufs verschieden gestellt ist, ja.dafs selbst die Höhe der ewigen Schneegrenze, auf Gebirgen einer und derselben Zone, nicht nur zuweilen um einige Hundert Fufs, ‚sondern sogar um einige Tausend Fufs verschieden hoch ist. Bekanntlich ist die Schneegrenze in Amerika, auf der Cordillere unter dem Aequator, zu 15,736 Par. Fufs nach Herrn Alexander von Humboldt’s Beobachtungen bestimmt worden, indessen auf der Cordillere des südlichen Peru, unter 15— 18° südlicher Breite, ist die ewige Schneegrenze sehr häufig weit über 17,000 Fufs hinaussteigend; ja der Vulkan von Arequipa erreicht die Höhe von 18,373 Fufs, und nur auf einer Seite seines Gipfels habe ich etwas Schnee beobachtet. Herr Hall*) beobachtete die unterste ‚Schneegrenze auf dem Cotopaxi bei 15,646 Fufs, auf dem Antisana bei 15,838 Fufs und auf dem Chimborazo bei 16,000 Fufs Höhe, und dicht daneben beobachtete er auf der Cayambe ein grofses Schneefeld in der Höhe von 14,217 Fufs. So grofs sind die Verschiedenheiten für neben einander gelegene Punkte! Ja der Pafs, welcher von Are- quipa nach La Paz führt, los Altos de Toledo genannt, liegt in der Höhe von 15,600 Fufs, und dennoch findet man auf demselben eine Vegetation von Alpen-Pflanzen *) Excursions etc, Hooker’s Journal of Botany. London 1831. I. pag. 343. 'sne 9uagg op Name der Zonen. —— Areal der Zonen. 264 1 - a : Wärmere Aequatorial- | Tropische [Subtropische ? ir r r emperirte Zone. Zone. Zone. I Zone. Te ee Tr Eee wäh | j 0 — 15° Br.|v.15—23° Br. !v.23—34° Br.|v.34—45° Br.) ee Tr Mittlere Wärme. ig | 30° Cels, [23—26° €. |18— 21° €. |12—16° C, ee ee) — 15200’ 13300. 11400/ --9500/ R.eigilon'.“dieir a | 41400° 9500/ 7600/ er Region der Alpeh-Rosen| 9500’ 76007 5700/ nn | teen [mm mn 12 Regioln der Nadelhölzer nn | mn mn | oo —— — | | 0/ 76007 57007 3800’ Region delr europäilschen Laulbhölzer. 5700/ 3800’ 41900/ Region der |immergrünen| Laubhölzer. 3500! 1900/ Region der |Myrten u. d.| Lorbeeren. 1900’ Region der Farrnbäume und der | Feigen. Region der Palmen und Bananen. | | | Vergleichende Darstellung der verschiedenen | 265 | pe mit den entsprechenden Regionen. Kältere Subarktische| Arktische emperirte oe ERER Polar - Zone. Zone. .45—58° Br. |v.58—66° Br. |v.66— 72° Br.|v. 72—82° Br. —2° C. und 6—12° C. | 4—6° C. |O bis —2°C. darunter. Ausdehnung der von der Schneegrenze aus. Mittlere jährliche Wärme der Regionen 7600 5700/ 3800/ 1900/ 57007 3800’ 1900/ b. 1 1900/ — 4°C. 3800 19007 | 3800° 79°C; 1900’ | OR 5700’ 449;€ 7600| 14° C. | 9500’ 411° ©, 11400'|20— 21°C. 13300/| 23,5° C. 15200/|27— 30°C. 266 und niederen Gesträuchen, welche erst der Vegetation der arktischen Zone entspricht. Ganz ähnliche Ungleichheiten lassen sich 'auf den verschiedenen Höhen des Himalaya nachweisen, wo die Schneegrenze, obgleich das Gebirge in der subtropischen Zone liegt, der eigenthümlichen Form der Bergmassen wegen, zu eben derselben Höhe ansteigt, als in vielen Gegenden der Cordillere unter dem Aequator. Dieses sind offenbar die gröfsten und die wichtigsten Ab- weichungen in der verschiedenen Höhe der obersten Ve- getations-Grenze, und für solche besondere Ausnahmen passen die genauen Begrenzungen der verschiedenen Regio- nen, welche wir in der Tabelle angegeben haben, keines- wegs. Indessen alle diese Ausnahmen von der Regel sind, nach dem heutigen Zustande der Meteorologie, ganz genü- gend zu erklären, und man wird demnach noch immer am richtigsten verfahren, wenn man die ganze Eintheilung der Gebirgs-Flora in verschiedene Regionen nach einem all- gemein durchgreifenden Prineipe feststellt, und überall auf die Abweichungen von dieser Regel aufmerksam’ macht. Mögen sich scheinbar noch so grofse Schwierigkeiten die- sem Verfahren in den Weg stellen, sie sind sicherlich nur scheinbar, und werden sich, bei jeder speciellen Untersu- chung eines Gebirges, auf die festgestellte Regel zurück- führen lassen. | Es läfst sich übrigens sehr leicht nachweisen, dafs alle Eintheilung der Pflanzendecke in verschiedene Zonen, eben so wenig genau bestimmt ist, da der Lauf der Iso- :thermen schon an und für sich so höchst unregelmäfsig ist, und immer mehr an Unregelmäfsigkeit zunimmt, je mehr man sich den Polargegenden nähert. Aber durch den abermalig verschiedenen Lauf der Isotheren, welche die Verbreitung der jährigen Pflanzen hauptsächlich bestimmen, wird die Bestimmung der Grenzen für die einzelnen Vege- tations- Zonen äufserst schwierig, und überall finden sich Ausnahmen und Abweichungen von den aufgestellten Re- geln; aber dennoch wird Niemand eine solche Eintheilung der Vegetation nach den verschiedenen Zonen ..der Erde 267 für überflüssig halten, sondern sie ist durchaus nöthig, um hinlängliche: Anhaltspunkte zur Mittheilung zu haben. Da nun aber, wie es schon so oft nachgewiesen ist, die ganze Veränderung des Clima’s auf: der Oberfläche der Gebirge, von der Ebene an, bis zur ewigen Schneegrenze hin, ganz entsprechend ist den Veränderungen des Ulima’s von dem Aequator bis zu den Polar-Gegenden, und da gerade nach dem Zustande des Clima’s der ganze Zustand der Vege- tation sich richtet, so kann wohl keine Eintheilung der Gebirgs-Floren in verschiedene Regionen richtiger sein, als diejenige, welche für. die entsprechende Zone auch .ent- sprechende Regionen festzustellen sucht. Es wird gewifs nieht selten vorkommen, dafs auf irgend einem Gebirge diese oder jene Region so äufserst schwach ausgedrückt ist, dafs man dieselbe fast gar ‚nicht wieder erkennt, aber eben dasselhe findet auch bei der Betrachtung der Vegeta- tion nach ihrer horizontalen Ausdehnung statt, wozu im vorhergehenden Abschnitte Beispiele genug aufgeführt wor- - den sind. | rt Es wäre 'wohl zu wünschen, dafs man die Pflanzen- Geographie etwas allgemeiner behandeln möchte, ‘als dieses wohl in neueren Werken der Fall ist. Es ist gewifs, be- sonders bei der speciellen Untersuchung einer Gebirgs- Flora, von hohem Interesse, sowohl die obere, als die 'un- tere Grenze des Vorkommens irgend eines Baumes ‚oder irgend einer Pflanze genau zu kennen; für die allgemeine Wissenschaft aber möchte eine solche Bestimmung, bis zu einer Genauigkeit von ein Paar Fufs Höhe, von weniger grofsem Nutzen sein, da sich diese Grenzen, selbst für die verschiedenen Seiten eines und desselben Berges, so äufserst verschieden zeigen. Ich möchte glauben, dafs die hohe Genauigkeit, welche man gegenwärtig mit dergleichen An- gaben erreichen will, nur scheinbar ist, und dafs 'sie nur von örtlichem Interesse ist. Es ist gegenwärtig “längst erwiesen, dafs die Vegetation, in: den verschiedenen Regio- nen ‘der Gebirge, den entsprechenden Zonen der horizon- talen Verbreitung entspricht; und bei serenwärtigen Unter- 268 suchungen dieses Gegenstandes kommt es nur darauf an, die scheinbaren Abweichungen und Ausnahmen von jener Regel kennen und erklären zu lernen, so wie hauptsächlich auf die Verschiedenheiten aufmerksam zu machen, durch welche sich die Physiognomie der Vegetation in: den ent- sprechenden Regionen und Zonen verschiedener Gebirge darstellt. Y So wie wir nun im vorhergehenden Abschnitte die Physiognomie der Vegetation für die verschiedenen Zonen der Erdoberfläche, von dem Aequator an, bis zu den Polen hin, darzustellen gesucht haben, ebenso wollen wir, bei der Schilderung der Vegetation der Regionen, von der Ebene der Aequatorial-Zone anfangen und zu den Regio- nen der ewigen Schneegrenze hinaufsteigen. 4) Die Region der Palmen und Bananen. Die Region der Palmen und der Bananen beginnt in der Ebene der Meeresküste und steigt hinauf bis zu einer Höhe von 1900 Fufs, wo die Temperatur und der Feuch- tigkeits- Zustand der Luft von derjenigen der Ebene nur wenig verschieden ist; demnach fällt die Vegetation dieser Region mit der der Aequatorial-Zone zusammen, und ich kann hier auf die Darstellung derselben im Vorhergehen- den von pag. 190—201 verweisen. Eine kurze Recapitu- lation aus den Angaben in jener Darstellung möchte jedoch erwünscht sein, um besonders den Uebergang der Vegeta- tion dieser Region ın die zunächst folgende etwas deut- licher vor Augen zu stellen. Wir haben gesehen, wie die Vegetation an den Küsten des Meeres und an den Ufern der, in das Meer mündenden Flüsse, für die ganze heifse Zone durch Mangrove-Waldungen dargestellt wird *), wie die unfruchtbare Küste mit Sesuyium Portulacastrum, mit Heliotropien, mit Convolvulus - Arten, *) Diese Mangrove-WVälder sollen oft bis tief landeinwärts ge- hen und durch grolse Prachtbäume oder, wie an den Küsten Brasi- liens, durch Sagus taedigera Mart. verschönert werden. _ — un EEE 269 mit Lythrum maritimum und Roccellen bedeckt ist, wärend die nahe angrenzenden fruchtbareren Ländermassen von Pandanen, Tournefortien, Dodoneen, Sonneratien und Bar- ringtonien geschmückt sind, über deren dickbelaubte Kro- nen die schlanken Stämme einzelner Palmen hinausragen. Hier reihen sich gesellig vorkommende Sumpf-Palmen an, oder unabsehbare Wälder der lichten baumartigen Gräser, und es erscheinen die Urwälder, wo der Boden nicht im Stande ist alle die Massen zu fassen, sondern eine Pflanze auf der anderen wächst, und schlängelnde Gewächse die Zweige und Kronen der Bäume zu einem dichten Flecht- werke mit einander verbinden, so dafs oft kein Sonnen- strahl diese Massen durchdringen kann. Hier treten dann die riesigen Massen-Entwickelungen einzelner Arten und Individuen auf, deren wir schonan verschiedenen Stellen die- ser Schrift gedacht haben; hier findet man einzelne Feigen- bäume, deren unzählbare Abkömmlinge einen ganzen Wald bilden, welcher noch im innigen Verbande mit seinem Mut- terstamme steht. So sah Herr Reinwardt *) auf der Insel Semao einen grofsen Wald, dessen Bäume alle aus einem einzelnen Stamme eines Ficus benjamina hervorgegangen waren. Diese Feigenwälder haben ganz die Pysiognomie der Mangrove- Waldungen; sie schicken von ihren Aesten Luftwurzeln zur Erde, welche wieder Wurzel fassen und neue Stämme treiben, wärend die Rhizophora auf der Mut- ter selbst keimt und ihre Wurzeln zur Erde schickt, aus der wiederum neue Stämme hervorgehen. In dieser Region, von der Küste des Meeres an, so- bald der gute, Humus-reiche Boden erscheint, bis weit über 1000 und 1600 Fufs-Höhe hinaus, sind die Formen der Palmen, der Musen, Heliconien, Uranien, Alpinien wie der Seitamineen überhaupt charakteristisch für die Vegeta- tion; hier beginnt die Cereen-Form in der neuen Welt und deren Stellvertreter, die Cactus-artigen Euphorbien *) Ueber den Charakter der Vegetation auf den Inseln des indi- sehen Archipels. Berlin 1828. pag. 9. 270 in der alten Welt. Die freundliche Mimosen -Form zeigt hier die lieblichsten Sträucher und die riesigsten Stämme, und die Laubhölzer sind mit grofsen, oft zierlich gestalte- ten Blättern. geschmückt. - Doch je höher hinauf, desto seltener werden die Palmen, desto kleiner treten die Ba- nanen auf, desto mehr verschwinden die Scitamineen, aber um so häufiger treten die Orchideen und Pothos-Gewächse auf und Peperomien sitzen an den Rinden der Bäume und zeigen endlich, dafs wir in die folgende Region eingetre- ten sind.’ | | 2) Region der baumartigen Farrn und: der Feigen. Die zweite Region auf den Gebirgen der‘ Aequatorial- Zone ist die der baumartigen Farrn, welche daselbst eben so charakteristisch auftreten, wie die Palmen und Bananen in der unteren Region. Von 1900 Fufs Höhe beginnend, erstreckt sich diese Region bis über 3600 und 3800 Fufs hinauf, eine mittlere Wärme von 22 bis 23,5° Gels. auf- weısend. Die höchst interessanten Formen.der baumartigen Farrn treten nur in. einem 'sehr feuchten Clima auf; im unfruchtbaren Boden, ja bei einer grofsen Trockenheit der Luft, da fehlen sie gänzlich. Herr v. Humboldt *) rühmt sehon‘ die aufserordentliche Schönheit des Clima’s dieser Pflanzen-Regionen, wo Reichthum an Wasser herrscht, und eine üppige Vegetation die Abhänge' der Berge: bedeckt. Daher hat man auch mit allem Rechte: das paradisische Clima und die freundliche Vegetation ‚jener: Inseln im offe- nen Meere so häufig gerühmt, welche gegen die Grenzen der heifsen Zone zu gelegen sind, da, wo die "unterste Region dieser Ländermassen der tropischen Zonen mit: der zweiten :Region der Aequatorial-Zone fast ganz parallel verläuft. In der Ebene der Küste zeigen die Sandwichs- Inseln, die Cap-Verdischen-Inseln und die Lädronen, so wie Neu-Caledonien, wie Isle de France und Isle de Bour- bon und die südlichsten der Freundschafts-Inseln auf der *) De distributione geogr. plant. pag. 97. 271 südlichen Hemisphäre, besonders zur Sommerzeit, ‘eben dasselbe Clima, welches unter dem Aequator stattfindet, daher auch hier, in der Ebene der Küste, eben dieselbe Vegetation wie in der Aequatorial-Gegend, nur etwas weniger üppig, da meistens Mangel an Dammerde und an Wasser herrscht. Aber schnell verschwinden auf diesen Inseln der tropischen Zone die Palmen und Bananen, wenn man sich über die Meeresfläche erhebt, und schon bei 3- und 500 Fufs Höhe gelangt man in die Region, wo die strauch- und baumartigen Farrn vorherrschend sind. Ich habe früher schon (pag. 149), die Schönheit dieser interessanten Pflanzenform zu schildern gesucht; in ihrem Schatten sah ich prachtvolle Strelitzien blühen, und die sonderbare Marantha erhebt, auf der Insel Lucon, ihren glänzenden Rohrschaft neben den schlanken Stämmen der Cyatheen, welche auf Java schlanke hohe Stämme. bilden, wie die-Masten in unseren Fichtenwäldern. Die pracht- volle Alsophila excelsa und die Didymochlaena beobachtete Herr v. Martius in Brasilien zu 25 Fufs Höhe und 6—8 Zoll dieken Stämmen. Indessen diese baumartigen Farrn sind nur die charakteristische Form dieser Pflanzen-Region, nur selten, und dann nur auf kleine Ausbreitungen herr- schen sie durch ihre Masse vor. In der neuen Welt sind es die heilbringenden Cinchonen, welche auf der Cordillere des nördlichsten Theiles von. Südamerika in Gesellschaft der baumartigen Farrn auftreten; indessen diese Bäume, welche die heilsame Fieberrinde liefern, haben ein ziemlich ausgedehntes Areal, einige Species derselben steigen: bei- nahe bis 9000 Fufs hoch, *) wärend sich die Farrn sehr genau zwischen 1200 und 3 — 4000 Fufs halten. Ja die Höhe dieser Station der Farrn ist neuerdings noch durch Herrn v. Martius für Brasilien ganz übereinstimmend an- gegeben, denn bis auf einige wenige Arten, fand dieser Rei- sende die Baumfarrn, nach den Grenzen der Tropen zu, fast immer zwischen 1200 und 3000 Fufs Höhe auftretend. *) Siehe A. v. Humboldt Naturgemälde der Tropenländer p. 62. 272 Auf den nahe gelegenen Bergen bei Rio de Janeiro, sah ich die ersten schlanken Baumfarrn genau zwischen 1000 und 4100 Fufs Höhe auftreten, und auf dem Gebirge der Insel Manila erschienen diese ‚schlanken Stämme in der Höhe von 1200 Fufs, dagegen die strauchartigen Arten schon lange vorher, ja schon in 3- und 400 Fufs Höhe vorkamen. Auf den Südsee-Inseln der tropischen Zone sind es die prachtvollen Laubhölzer aus den Familien der Urticeen, welche mit grofsen, halbbehaarten Blättern auf- treten und den Bewohnern jener Gegenden die Stoffe zu ihren Kleidungen geben, als die Gattungen Broussonetia, Artocarpus, Böhmeria, Neraudia u. s. w. In Indien aber, wie auf den Inseln des indischen Archipels, treten die zahl- reichen Arten der Gattung Ficus auf, hier gleichsam die, vorhin genannten Gattungen eben derselben Familie ver- tretend. Die meisten Arten dieser Gattung gehören den niedriger gelegenen Wäldern an, ihren gemeinschaftlichen Charakter, sagt Herr Reinwardt, bilden: das Geschlossene und Dunkele, die Dichtigkeit und Höhe der Waldung, die feuchte dumpfige Luft, die diese einschliefst, die ungeheuere Dicke, unregelmäfsige Gestalt und weite Verzweigung, dann der offenbar ungemein schnelle Wuchs und die weiche, oft schwammige Holzsubstanz der Stämme, die grofse Ver- schiedenheit der Parasiten und windenden Pflanzen, die sich aus jenen Stämmen nähren, der hohe, lockere, feuchte Moderboden, die Menge der Quadrumanen, welche schreiend über die hohen Zweige springen und das zahlreiche bunte Chor der Vögel, die das Dickicht beleben. Nur wenige Feigen- Arten, namentlich die verschieden- und gelbblät- trigen niedrigeren, erheben sich mit immer verkleinerter Gestalt zu einer gröfseren Höhe der Berge.*) Das Unter- gehölz dieser Feigenwälder wird durch Sträucher, Stauden und Kräuter aus den Gattungen: Grevia, Elaeocarpus, Phyllanthus, Ruellia, Justitia, Dimocarpus, Solanum u.S. w. gebildet, und einige Gewächse mit Dracaenen-Form, als *) S. Reinwardt 1. c. pag. 10. R| 273 Dracaena terminalis und ähnliche, wie eine grofse Menge ‘ von Aroideen und Orchideen, Cissus- Arten und Pfeffer- Gewächse, so wie wilde Bananen - Arten dienen den Reitz der Schönheit dieser Waldungen zu erhöhen. In der neuen Welt gehört die überaus zahlreiche Gattung der Melasto- men gerade dieser Region der Baumfarrn an, ihr pracht- volles, glänzendes Laub, und die grofsen violetten und blauen Blumen geben diesen hohen Bäumen ein überaus schönes Ansehen; ihrer gröfsten Artenzahl nach herrschen sie in Amerika, aber auch in Indien, im südlichen China und auf den Inseln des indischen Archipels, treten sie auf nicht nur als Sträucher, sondern auch als hochstämmige Bäume. Herr Alexander v. Humboldt nennt noch für die Cordillere Südamerika’s, als dieser Zone eigenthümlich angehörig, die strauchartige Bocconia, vielfarbige Alstroemerien und baum- artige Passifloren, welche so hoch und dick wie unsere Eichen sind. Aufserdem gehören der Region der Farrn auch mehrere schlanke und rohrartige Palmen an, als Kunthia montana, Oreodoxa montana, Chamaedorea graci- lis, Martinezia caryotaefolia, welche jedoch weniger charak- teristische Formen zeigen, als dieses den übrigen Palmen eigen ist, deren Vorkommen wir schon früher auseinander- gesetzt haben. Merkwürdig für die peruanische Cordillere ist, dafs schon in dieser Region mehrere Calceolarien auftreten, wel- che den liöheren Regionen in den südlicheren Zonen des südamerikanischen Continents zugehörig sind. 3) Die Region der Myrten- und Lorbeer-artigen Gewächse. Die dritte Region in den Gebirgen der heifsen Zone entspricht der subtropischen Zone, wo Myrten, Magnolien, Camellien, überhaupt Laubhölzer mit glänzenden Blättern vorherrschen, so wie auch die Proteen, die Eucalypten, Acacien und Ericen ihr Maximum daselbst zeigen. Unter dem Aequator beginnt diese Region, welche ich die der Myrten - artigen Gewächse und der Laurinen nennen möchte, in einer Höhe von 3300 — 3900 Fufs, und erstreckt 18 274 sich bis über 5700 Fufs hinaus, wo die Lorbeeren beson- ders vorherrschen. In dem nördlicheren Chile, als der subtropischen Zone angehörig, woselbst die Vegetation ganz entsprechend ist dieser Region der Myrten - artigen Ge- wächse, da treten die Myrten in grofsen Massen auf, und nehmen die ganze untere Vegetations-Region in Besitz, woselbst sie bis 1900, ja bis 2000 Fufs Höhe in üppigster Pracht erscheinen. | Auf den Gebirgen der Tropen, sowohl in der alten wie in der neuen Welt, herrschen in dieser Region die Melastomen und die Gattung Liquidambar, Styrax, Euge- nia, die prachtvollen Eichen mit glänzenden Blättern, Ingen und oftmals noch eine Menge von hochstämmigen Farrn, oder selbst schon Coniferen. Herr Reinwardt *) macht auf die Schönheit in der Form der Rasamala-Waldungen Java’s aufmerksam, welche offenbar dieser Region anzuge- hören scheinen; die Bäume dieser Wälder werden wahr- ‚scheinlich von einer Liquidambar- Art gebildet, welche auch wirklich Storax liefert. Sein schöner, fester, sehr hoher, schnurgerader, weifslicher, weniger als bei den Feigen be- wachsener Stamm, sagt Herr Reinwardt, und eine mehr regelmäfsige, dichte Krone hellen Laubes bezeichnen die höhere Waldgegend, die von diesem so schönen Baume den Charakter erhält. Dichtes Baum-dorniges Gebüsch von vielen Calamus- Arten, dann eine grofse Verschiedenheit von Rubiaceen, deren vorzügliche Kraft, ganz eigenthüm- liche Säfte auszuarbeiten, sich oft schon von weitem durch starke Ausdünstungen äufsert, füllen häufig den untern Zwischenraum des aromatischen Gehölzes. Ueber 3000 Fufs hinaus erscheinen auf dem Gebirge der Insel Java die Coniferen; der schöne Podocarpus, ma- jestätisch sich über alle nebenstehende, schon in kleine- rer Gestalt erscheinenden Waldbäume, erhebend, wächst neben der ähnlichen Pinus Dammara, auf deren Stämmen der Nepenthes mit seinen sonderbaren Bechern umher- Dchpar. #1: 275 klettert, und zu deren Fufse prachtvoll blühende Rhodo- dendren, hohe strauchartige Farrn, Eugenien, Myrten, Gar- denien, Magnolien und Eichen erscheinen, wobei die Orchi- deen beständig in grofsen Massen auftreten. Wir besitzen eine Schilderung dieser Region der Myr- ten-artigen Gewächse für die Cordillere von Mexico, welche Herr Schiede *) durch Beschreibung seiner Excursionen um Jalapa gegeben hat. Es liegt diese Stadt in einer Höhe von 4200 Fufs, demnach in der Region der Myrten- und Lorbeer-artigen Gewächse, und dennoch, wie man es in der Beschreibung findet, steigen nicht nur bis in diese Ge- gend eine Menge der üppigsten Farrn, sondern es herrscht daselbst eine solche Mannigfaltigkeit und Pracht in der Vegetation, dafs man darin die Pflanzenwelt der Aequato- rial- Zone wiederzusehen glaubt, wenn nicht einzelne Bäume erschienen, welche dieser Zone gänzlich fremdartig sind. Die Wälder um Jalapa bestehen aus Liquidambar-Arten, Eichen, Ingen, Clethren und zartgefiederten Mimosen, in deren Schatten baumartige Farrnkräuter mit ihren breiten Kronen sich erheben, welche 3—4 Klafter hohe Stämme haben, die mit zarten moosartigen Trichomanen bedeckt sind; zwischen ihnen Gruppen zierlicher Zwergpalmen mit ge- fiederten Blättern und schwarzen Fruchttrauben, die an korallenrothen Stielen sitzen. Melastomen, Rhexien, Myr- taceen und Laurinen, von denen rankende Sapindaceen und windende Banisterien mit purpurrothen und orangefarbigen \Blumen herabhängen, wärend der Boden mit dem frischen Grün der Moose und Lycopodien, wie der Anemien be- deckt wird. Die Cultur der Bananen steigt bis hoch in diese Region hinein, so wie sie auch, beinahe durch die ganze entsprechende subtropische Zone mit bestem Erfolge betrieben wird, ja in Europa sogar noch im südlichen Spa- nien zu finden ist. Die peruanische Cordillere innerhalb der tropischen Zone habe ich selbst in zwei verschiedenen Breiten erstie- *) Linnaea von 1829. pag. 218. Nele 276 gen, doch fand ich daselbst überall in den Höhen dieser Region eine solche Vegetationslosigkeit, dafs man nicht einmal den tropischen Charakter wiedererkennen konnte. Hohe candelaberförmige Cacten, der Schinus Molle, eine Menge von Mimosen, von Bignoniaceen, Loranthen und hauptsächlich Solaneen und einige schöne Gräser und Cy- peroideen waren es, welche in wasserreichen Gegenden auftraten; wärend dieht daneben alle Spur von Vegetation fehlte. *) ul 4) Die Region der immergrünen Laubhölzer. Die vierte Region in den Gebirgen der heifsen Zone | ist die der immergrünenden Laubhölzer; sie beginnt unge- | fähr in. der Höhe von 5700 Fufs und geht bis über 7600 | Fufs Höhe hinaus. Das angenehmste Clima, eine mittlere | Temperatur von 16—17° Cels. und gröfserer Reichthum | 7) Ich mache hier gelegentlich die Bemerkung, dafs die Darstel- | lung der Gebirgs- Vegetation nach den verschiedenen Regionen, an | diesem Orte keineswegs so ausführlich zu erwarten ist, wıe dieses wohl in einer speciellen Untersuchung irgend eines Gebirges geliefert | werden kann. Hier kann der Charakter der Vegetation, für die ver- schiedenen Regionen, nur durch einzelne Hauptzüge angedeutet wer- den, um dadurch auf die Uebereinstimmung mit derselben m den ent- sprechenden Zonen aufmerksam zu machen, wo wir den Gegenstand stets ausführlicher behandelt haben. Die gröfste Schwierigkeit zeigt. . sich jedoch in dem Mangel an Material, welches zu dieser Arbeit P- ee benutzt werden konnte; spätere Reisende werden hoffentlich immer mehr und mehr auf die Physiognomie der Vegetation Rücksicht neh- men, und dann wird einst eine genauere Schilderung dieser verschie- denen Regionen für die ganze Erde möglich werden. Auch ist es nicht zu verkennen, dafs bei dieser Art der Darstellung der Gebirgs- floren, indem man die entsprechenden Regionen verschiedener Zonen stets neben einander zu stellen sucht, die Einsicht in die Verände- rungen, welche die Vegetation eines Gebirges mit steigender Höhe aufzuweisen hat, theilweise verloren geht, und dafs diese nur durch eine specielle Schilderung eines einzelnen Gebirges erlangt werden. ‚kann. In dieser lejzteren Hinsicht kann ich nur auf die schönen und ausgezeichneten Arbeiten aufmerksam machen, welche die Vege- tation einzelner Gebirge speciell behandslt haben, und in unserem WVerke schon so oft benutzt worden sind. | | | | 277 an Wasser pflegen diese Region von immergrünenden Bäu- men zu verherrlichen, welche der wärmeren temperirten Zone, also der Vegetation des südlichsten Europa’s ent- spricht. Im südlichen Europa, wie im nördlichen Afrika bilden, wie wir es früher, pag. 225, ausführlich nachgewie- sen haben, die sempervirenten Gewächse den Charakter der Vegetation, und hier erscheint unser Lorbeer, gleichsam diese zahlreiche Familie der heifsen Zone repräsentirend. Auf den Gebirgen der Insel Java steigen die Lorbeer- Wälder bis zu 7000 Fufs Höhe, und über diese hinaus bemerkt man erst, dafs die Bäume nicht mehr ihre gewöhn- liche Gröfse und Pracht zeigen. Eine grofse Menge von Lorbeeren erscheint auf den tropischen Gebirgen schon in der Region der Farrnbäume, ja einige sind selbst in der Ebene zu finden. So wie in der vorhergehenden Region eine ganze Menge von Laubhölzern mit festen und glän- zenden Blättern, als Melastomen und Eichen auftraten, so fehlt es auch hier keineswegs an diesen Gewächsen. In der Cordillere des nördlichen Südamerika’s erscheinen die Eichen *) meist in einer Höhe von beinahe 5000 Fufs; auf den Gebirgen der Philippinen aber, habe ich die grofsen Eichen mit glänzenden, schönen und ausgezackten Blättern schon .in einer Höhe von 14 — 1500 Fufs beobachtet. Auf den Gebirgen Mexico’s, an der Grenze der heifsen Zone, also in der tropischen Zone, nach unserer Eintheilung, da er- scheinen sie ebenfalls noch innerhalb der zweiten Region, welche aber .der subtropischen Zone entspricht. Diese Eichen allein, sagt Herr Alexander v. Humboldt, bieten dem Bewohner der Tropen bisweilen ein schwaches Bild vom Erwachen der Natur im wiederkehrenden Frühlinge dar; denn sie verlieren durch Dürre alle Blätter auf ein- mal, und das junge frische Grün der neuen Schöfslinge contrastirt dann in der eintretenden Regenzeit sehr ange- nehm mit den vielfarbigen Blüthen des Epidendrums, dessen Wurzeln die schwarzen rissigen Eichenäste dicht umschlin- 7) $S. A. v. Humboldt Naturgemälde u. s. w. pag. 71. 278 gen. Der berühmte Cheiranthostemon in Mexico, dieser riesige Baum von Toluca, welcher mit dem Baobab, dem berühmten Drachenbaume und den grofsen Wollbäumen zu den Riesen in der Pflanzenwelt gehört, ist ebenfalls der Region der Lorbeeren, mehr jedoch der folgenden Region angehörig, in welcher dıe Eichen noch in gröfserer Anzahl vorherrschen. Auf den Canarischen Inseln, in der subtropischen Zone nämlich, ist schon die zweite Region, nämlich von 2000 bis über 4000 Fufs hinaus, die Region der sempervirenten Bäume, welche Herr Leopold v. Buch *) mit der Region der dichtbelaubten Wälder bezeichnet. Die Lorbeeren, nämlich Laurus nobilis, L. foetens, L. indica und L. Bar- busano, bilden hier dichte Waldungen, so wie die Ardisien, Visnea Mocanera, Ilex Perado, Arbutus callicarpa, Olea excelsa und Myrica Faya; in ihrem Schatten wachsen Ra- nuneulus Teneriffae, Geranium anemonifolium, Convolvulus canariensis, Digitalis, Dracocephalum und Sideritis - Arten. Wir besitzen eine schöne Darstellung über die Ver- theilung der Pflanzen auf dem Pie von Teneriffa, welche uns Herr Alex. v. Humboldt, **) die Beobachtungen der Herren v. Buch und Chr. Smith benutzend, überliefert hat. Auf diesem Bilde findet sich die untere Grenze der schö- nen Erica arborea, und E. scoparia schon unterhalb 3000 Fufs angegeben, und es entspräche auch diese Höhe dem Vorkommen dieser Pflanzen in der wärmeren temperirten Zone Europa’s, wo dieselben bekanntlich in den niederen Gebirgs- Gegenden am üppigsten auftreten. Eine genaue Ansicht jenes Tableau’s des Herrn Alexander v. Humboldt, über die Vegetations- Verbreitung auf dem Pie von Tene- 'riffa, ist in jeder Hinsicht recht sehr zu empfehlen; keine andere Darstellung ist im Stande ein so anschauliches Bild | von den Veränderungen zu geben, welche die Vegetation eines Gebirges mit steigender Höhe eingeht. hc. pag. 129. *") Voyage de Humboldt et Bonpland. Prem. Part. Atlas geogr. et phys. du Nouveau Continent. Tab. 2. 279 Ebenso wie auf den Canarischen Inseln, zeigt sich im nördlichen Chile, welches der subtropischen Zone der süd- lichen Hemisphäre angehört, schon in der zweiten Region, nämlich über die Höhe von 1900 Fufs hinaus, die Region der immergrünenden Bäume, worin die Lorbeer-artigen Gewächse eine Hauptrolle spielen. In einzelnen Gegenden, wie z. B. auf der Cuesta de Zapata, kommen die Laurinen schon in 15 — 1600 Fufs Höhe vor, wie z. B. Laurus Peumo und Laurus aromatica, daneben Drimys chilensis und Smeg- dadermos Quillay; aber an den Ufern des Rio Tinguiririca, in der Provinz San Fernando, bei 34° 30° südlicher Breite und in mehr als 2000 Fufs Höhe, sah ich zum ersten Male die herrliche Vegetation der immergrünenden Wälder die- ser Zone. Einzelne Myrten von 30—40 Fufs Höhe und 3—4 Fufs diekem Stamme, ragten noch in diese Region hinein, wo die Laurelia serrata 10, 12—13 ein Fufs dicke Stämme aus einer und derselben Wurzel trieb und der Espino (Acacia Caven), der in der Ebene nur als Strauch erschien, hier als hoher und schöner Baum vorkommt. Hier wechselten hohe Escallonien mit dieken Säulen von Cereen und stacheligte Colletien, über und über mit rothen und mit weifsen Blüthen bedeckt, wechselten mit hohen Stämmen der Ephedra americana Humb.; Mutisien mit‘ scharlachrothen Blumen überziehen die Kronen dieser son- derbaren Pflanzenformen und Cissus-Arten bilden zwischen den Stämmen der Smegmarien, Peumen (Peumus fragrans) u. Ss. w. Lianen-förmige Verschlingungen, und eine Menge von Pflanzen mit schönen grofsen Blumen, als den Gat- tungen Schizanthus, Alstroemeria, Loranthus, Lobelia u. s. w. angehörig, wachsen am Rande dieser schönen Wälder, welche schon mit unseren Buchen-Wäldern einige Aechn- lichkeit zeigen. Die Rinden dieser Bäume sind, ähnlich wie bei uns, mit niedlichen Flechten überzogen, von wel- chen viele mit den unsrigen übereinstimmen. 280 5) Die Region der Laubhölzer. Diese Region der Laubhölzer ist eigentlich sehr schwer zu: charakterisiren; auf vielen tropischen Gebirgen möchte sie auch nur wenig ausgebildet erscheinen, wenigstens fin- den sich bei den Autoren nur selten Nachrichten, welche sich hierauf beziehen. : In der Aeqnatorial-Zone erstreckt sich diese Region von 7600 — 9500 Höhe, wo eine jähr- liche mittlere Temperatur von 14° Cels. herrscht. In Ge- birgs- Gegenden der heifsen Zone, wo der Abfall der Berg- massen sehr steil ist, da herrscht. schon in dieser Höhe ein kühles Clima, und die üppige Baumvegetation will nicht mehr über 8574 Fufs Höhe hinaus. *#) In anderen Gebir- gen aber, welche sich in grofsen Höhen Plateau -artig aus- dehnen, da gehen die hohen Bäume bis weit über diese und die nächstfolgende Region hinaus, selbst bis in die Region der Alpenrosen. Die Region der Laubhölzer entspricht der kälteren temperirten Zone, wo die nordische Eiche und die pracht- volle Buche den Schmuck der Laubwälder bildet. Auf der Cordillere unter dem Aequator scheint diese Region gänz- lich zu fehlen, indessen gehen die Eichen daselbst noch weit über 9000 Fufs hinaus, so dafs doch an verschiedenen Stellen dieselben vorherrschend auftreten möchten. In denjenigen Gegenden des südlichen Peru, von dem 16ten bis zum 19ten Grade der Breite, welche ich selbst besucht habe, ist in dieser Hinsicht nichts zu finden; die Trocken- heit und die höchste Unfruchtbarkeit des Bodens daselbst, so wie gänzlicher Mangel an Regen, hat eine völlige Vege- tationslosigkeit hervorgerufen; Bäume gehören in diesen Gegenden zu den Seltenheiten und kommen dann immer nur einzeln vor, ja bei vielen ist man nicht einmal gewifs, ob dieselben von der Natur oder durch nn gepflanzt worden sind. An der nördlichen Grenze der heifsen Zone, in der ”) A. v. Humboldt Naturgemälde. pag. 73. 281 Cordillere von Mexico, scheinen in den entsprechenden Höhen unsere Laubhölzer der kälteren temperirten Zone in grofsen Massen aufzutreten; schon 1000 Fufs hoch über Jalapa, also über 5000 Fufs hinaus, sind nicht nur die mexikanischen Eichen vorherrschend, sondern es gesellen sich noch ElHern hinzu, und das Unterholz dieser. Wälder ‚bilden Ternstroemien, Melastomen und Crotonen. Ja auf der Serro colorado über dem Dörfchen San Andres, wel- ches 5000 Fufs hoch liegt, fand Herr Schiede *) einen Wald von Hainbuchen, Erlen, Eichen und Clethren, worin die Melastomen und Rhexien sich bis zur Spitze des Ge- birges hinzogen. Hyperica, Vaccinien, eine Fuchsia, ein Aseyron, Eryngium, Botrychium, Carex Castilleja u. v. A. wuchsen im Schatten dieser Wälder. In der Cordillere des nördlichen Chile’s, welche der subtropischen Zone angehört, habe ich oberhalb der Region der Lorbeeren, wo auch der chilenische Cereus verschwunden war, und wo der Espino nur noch als niederer Strauch auftrat, eine schmale Region gefunden, welche mit Laubhölzern, ähnlich unseren Buchen, bedeckt war, doch der schnell ansteigenden Cordillere wegen, hörte sie alsbald auf, und ein Wald von Gesträuchen trat auf, welche sowohl hier in Chile, wıe auch in der peruanischen Cordillere unter dem Aequator, den Charakter der Vegetation in dieser Region darstellen. Herr Alex. v. Humboldt **) nennt diese Region, in der peruanischen Cordillere, die Region der Barnadesia oder der Duranta Ellisii und Duranta Mutisii, denn diese drei Pflanzen und die Berberis, sollen die Vegetation der hohen und rauhen Gebirgsebenen von Pasto und Quito charakterisiren. Es steigen diese Pflanzen. jedoch noch weit über die angegebene Grenze der Region der Laub- hölzer und sie zeigen schon ein eigenthümliches alpines Ansehen. Zu den prachtvollen Barnadesien gesellen sich Castillejen (C. integrifolia und €. fissifolia),' Columellen, das silberblättrige Embothryum emarginatum, Clusien und *) 1. e. pag. 220. **) Naturgemälde pag. 73. 282 Calceolarien, letztere sollen nicht über 1° 40’ nördlicher Breite hinausgehen. Jener peruanischen Barnadesia ent- spricht in der chilenischen Cordillere eine andere Art (Bar- nadesia flavescens nob.), welche mit kleinen, pergament- artigen Blättern und grofsen gelben, glänzenden Blumen auftritt, und gesellschaftlich wachsend auf dem Abhange des Monte Sillo *) grofse Strecken bedeckt; die bekannte Macraea rosea, einen niedlichen Strauch bildend, wetteifert mit jener Barnadesia in der Anzahl und Pracht der Blu- men und die Wendtia gracilis nob., einen Strauch von eben derselben Höhe bildend, belebt die Gegend mit noch grö- fserer Mannigfaltigkeit. So wie in der kälteren temperirten Zone, neben den Laubwäldern von Eichen und Buchen, die Familie der Coniferen in grofsen Massen auftritt, so sehen wir, auf dem Abhange des Vulkans von Teneriffa, eine ganze Re- g!on, mit Coniferen bedeckt, auftreten, welche jener Zone entspricht und noch weit bis in die nächstfolgende Region, nämlich bis über 6000 Fufs hinausgeht. Der Pinus cana- riensis bildet hier dichte Wälder; alle übrigen grofsblättri- gen Bäume bleiben daselbst unterhalb der Grenze dieser Fichten zurück, nur die Erica arborea erhebt sich nach Herrn Leopold v. Buch bis zu den gröfsten Höhen. So- wohl in der Cordillere der heifsen Gegenden Amerika’s, so wie in den Gebirgen des Himalaya finden sich Conife- ren, welche die Coniferen der kälteren temperirten Zone in dieser Region der europäischen Laubhölzer repräsentiren; in Chile und in Peru ist es die Ephedra, und im nördlichen Theile von Südamerika treten daselbst einige Cypressen- Arten auf. Indessen dieses Fehlen der Coniferen auf der Cordillere Südamerika’s ist mit dem allgemeinen Fehlen dieser Pflanzen-Familie, in der südlichen Hemisphäre, in Verbindung zu setzen; sowohl die Gebirge Ost-Indiens, als wie auch die Gebirge Mexico’s und ‘die des Orients sind reich mit Tannen und Fichten bedeckt. Die grofsen ”) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 307. 283 Nadelholzwälder, welche auf dem Plateau von Mexico auf- treten, gehören aber den höher gelegenen Regionen an. 6) Die Region der Nadelhölzer. Schon in dem früheren Abschnitte, wo wir die Vege- tation der verschiedenen Zonen geschildert haben, wurde darauf aufmerksam gemacht, dafs schon die Scheidung der Vegetation der kälteren, temperirten Zone von derjenigen der wärmeren, besonders für das Charakteristische der krautartigen Vegetation sehr schwierig sei, indessen noch schwieriger war die Trennung der subarktischen Zone von der kälteren temperirten, und es würde an verschiedenen Stellen darauf aufmerksam gemacht, wie die charakteristi- schen Züge der Pflanzenwelt dieser beiden Zonen theils verschwinden, theils in einander übergehen. Noch schwie- riger ist diese Scheidung der Vegetation in den höheren Regionen der Gebirge, wenn man dieselbe nach einem und demselben Prineipe betreibt, indessen künftige Beobachtun- gen werden sicherlich dasjenige vollständiger ausführen, was wir hier nur mit einigen Grundzügen haben andeuten können. Es erstreckt sich diese Region der Nadelhölzer, auf den Gebirgen der Aequatorial-Zone, von 9500 — 11500 Fufs Höhe, und sie hat eine mittlere Temperatur von 11° Cels. aufzuweisen, indessen auf ausgedehnten Plateau’s, wie das- jenige von Mexico, welches an der Grenze der tropischen Zone liegt, wo demnach diese Region schon in einer nie- deren Höhe von 1900 Fufs auftritt, also zwischen 7600 bis 9500 Fufs Höhe, da steigt die mittlere Temperatur zu- weilen viel höher, und demnach werden dadurch Verände- rungen und Eigenthümlichkeiten in der Vegetation hervor- gerufen, welche mit den Verhältnissen in der entsprechen- den Zone ganz und gar nicht übereinstimmen. In der peruanischen Cordillere fehlen die Coniferen, es treten indessen an ihrer Statt die Escallonien vorherr- schend auf. Es beginnt daselbst, nach Herrn A. v. Hum- boldt's Beobachtungen, die Region der Escallonien in 8900 284 Fufs Höhe und erstreckt sich bis 10,400 Fufs, zugleich durch das Auftreten der Wintera grenadensis charakterisirt. „Einige Stämme der orangenfarbenen Fieberrinde (Cinchona „lanceifolia), einige Rhexien und Melastomen mit dunkel- „violetten, fast purpurfarbigen Blüthen, verlieren sich in „diese Einöden. Alstonia, deren Blätter einen süfslich „schmeckenden, aber sehr heilsamen, stärkenden Thee ge- „ben, Escallonia tubar und einige Andromeda-Arten be- „schatten hier niedere Lobelien, Basellen und die stets „blühende Swertia quadricornis.“ Aeusserst charakteristisch erscheint die Vegetation die- ser Region auf dem Plateau von Mexico, deren sehr aus- führliche Schilderung wir in dem, schon so häufig genann- ten Berichte des Herrn Schiede #) erhalten haben. Auf jenen Hochebenen, in einer Höhe von 17,400 Fufs, fand Herr Schiede jene Wälder von Nadelhölzer aus Pinus occidentalis und einer Cypressen-Art bestehend, welche den gröfsten Theil der Flächen und Bergabhänge bedeckten. Höchst auffallend aber treten daneben jene schattenlosen Wälder von baumartigen Liliengewächsen auf, der Yuccen nämlich, die sich mit einfachem, in der Krone nur wenig getheiltem Stamme und schilfartigen, starren Blättern bis zu 30 Fufs Höhe und darüber erheben. Schon früher, pag. 140, habe ich darauf ausführlich aufmerksam gemacht, dafs diese Yuccen und Wachholder jener Region mit den fadenförmigen, weifsgrauen Tillandsien bedeckt sind, ganz ähnlich, wie bei uns zuweilen in feuchten Wäldern die Usneen auftreten. Wo in jener Region diese hohen Bäume fehlen, da bedecken Kräuter und Halbsträucher den dürren Boden. Die Schaar der Astragalen, Daleen, gelbblühenden Synantheren, ein kleiner‘ Croton mit silberfarbigen Blät- tern, und Cisten überziehen hier grofse Strecken; über diese erheben sich blaue Lupinen und weifsblättrige Buddle- jen, Solanen, Tunas und andere Cactus-Formen, als Me- locacten und Mammillarien, so wie auch die Agaven nicht *) Linnaca von 1829. p. 224 u. s. w. 285 fehlen. Etwas höher hinauf erscheinen Eichenwälder und Arbutus-Arten treten auf. Ganz vortrefflich schildert Herr Schiede *) die Ve- getation in der Nähe der oberen Grenze dieser Region, nämlich in 8000 Fufs Höhe, am Fufse des Vulkan’s von Orizaba, indem er zugleich die Naturschönheiten dieser Gegenden mit den ähnlich erscheinenden Wäldern Tyrols vergleicht. Die abendländische Fichte nimmt auch hier noch grofse Strecken ein, und zwischen ihren Stämmen erscheinen Eichen und Ellern zerstreut und einzeln; aber, sagt Herr Schiede, es fehlen die rauschenden Wässer, die den Boden erfrischen, und also auch die üppig aufspriefsen- den Kräuter, das Eigenthum unserer Alpen. Purpurrothe Stevien treten dort zwischen den getrennt stehenden Hau-. fen hoher Gräser auf, und Eryngien, Arenarien, und Hy- poxides beleben die Einförmigkeit, zu denen sich ‚endlich Veilchen und Ranunkeln zugesellen. Endlich treten noch- mals Wälder von Eichen, Ellern und Coniferen auf, de- ren Unterholz durch strauchartige Cinerarien, Ribes und Rhododendron - Arten gebildet wird; hier erscheinen Vac- einien, Castillejen und höher hinauf noch Pediecularis- Arten. So erstreckt sich diese Region der Nadelhölzer in der Cordillere Mexico’s, bis über 10000 Fufs hinaus, und verschmilzt mit der Region der Alpen-Rosen, welche daselbst zu einer geringen selbstständigen Entwickelung kommt. Für die subtropische Zone in’ der nördlichen Hemi- sphäre, bleibt uns eigentlich nur die Betrachtung dieser Region auf dem Vulkan von Teneriffa, denn die bisherigen Angaben, über die Vegetation im Himalaya, möchten noch nicht hinreichend sein. Da der Vulkan von Teneriffa mit zunehmender Höhe auch an Steilheit zunimmt, so mufs auch die Wärme auf demselben mit zunehmender Höhe um so schneller sinken, und demnach findet auch auf dem oberen Theile desselben ein Herabsinken der verschiede- lc. p. 226. 286 nen Regionen der Vegetation statt. ‘Schon im Vorherge- henden haben wir gesehen, dafs die Region der canari- schen Fichte auf dem Vulkan in der Region der Laub- hölzer erschien, und diese Nadelholz- Waldungen, welche nur bis zu 5900 Fufs Höhe gehen, reichen demnach nur wenig in diese Region, welche der subtropischen Zone entsprechen soll. Indessen eine andere Pflanzenform er- scheint in dieser Höhe und geht selbst bis zu 8000 Fufs hinauf, welche theils einen Theil der Region der Nadel- hölzer erfüllt, theils die Stelle der Alpenrosen vertritt; es ist diefs das Spartium nubigenum (Retama blanca), ne- ben dem Spartium microphyllum, Juniperus Oxycedrus u. Ss. w. wachsen. Obgleich Sieilien und vorzüglich der Aetna eigentlich der wärmeren temperirten Zone angehört, so ist doch da- selbst, durch ‚die eigenthümliche Lage dieses schönen Lan- des, ein so warmes Clima, dafs die Vegetation des Aetna’s mit derjenigen des Vulkans von Tenerifla fast ganz pa- rallel verläuft. Nach Herrn Philippi *) gehen die Fichten- Wälder (Pinus Laricio) und die der Betula alba auf dem Rücken des Aetna’s bis zu 6200 Fufs Höhe, der Junipe- rus hemisphaerica geht dagegen noch bis 7100 Fufs Höhe, also bis in die Region der Alpen-Rosen. Genista aetnen- sis, besonders charakteristisch für diese Region, Juniperus hemisphaerica, Astragalus siculus und Berberis aetnensis Presl, treten hier besonders häufig auf, werden jedoch vor- herrschend in der nächstfolgenden Region **). In der wärmeren temperirten Zone müfste die Region der Nadelhölzer, nach unserer gegebenen Eintheilung, in der Höhe von 3800 bis 5700 Fufs erscheinen, und hiemit sind auch die Beobachtungen der Herrn Ramonds und De- *) Linnaea VII. p. 745 etc. *") Die Vegetation des Aetna’s hat keine Aehnlichkeit mit der Vegetation der Alpen und der der Canarischen Inseln. — Die alpi- nen Pflanzen des Aetna’s hat man bis auf Genista aetnensis sämmt- lich in Sicilien und den zunächst liegenden Ländern gefunden. 287 candolle *) genau übereinstimmend. Die Region der Na- delhölzer beginnt daselbst in 4000 Fufs Höhe, und steigt daselbst bis zu 5544 Fufs (Pinus uncinata nämlich) hinan, dann beginnt daselbst die Region der Sträucher, welche unserer Region der Alpen-Rosen entspricht, und zuletzt, von 7800 Fufs Höhe erscheint die Region der Alpen- . kräuter. In den Apenninen entspricht die Region der Nadel- hölzer unseren Höhenangaben für diese Region ganz genau; wir benutzen hiezu die Darstellung der Vegetation dieses Gebirges von Herrn Schouw **), wo wir dessen Ste und 4te Region zusammenfassen und, bei 3800 Fufs Höhe, die un- tere Grenze der Nadelhölzer feststellen möchten. In der Region von 3000—5000 Fufs Höhe, ist die Buche auf den Apenninen vorherrschend, und Pinus Picea, P. syl- vestris und Taxus baccata kommen daselbst selten vor, je- doch in der Höhe von 5000 Fufs soll die Buche daselbst nicht mehr aufrecht stehen. Bis zu 6000 Fufs Höhe kommt die Buche nur als kriechender Strauch vor, so wie dieses auch mit Pinus sylvestris der Fall ist. Dieses gleichmä- fsige Auftreten der Nadelhölzer mit der Buche ist für dieses Gebirge ganz eigenthümlich und verdiente wohl eine ausführliche Erforschung. Für die Alpen der Schweiz, als ein Gebirge der käl- teren temperirten Zone, wollen die Beobachtungen, über die Höhen dieser obern Regionen der Vegetation, mit un- seren vorausgesetzten Angaben nicht stimmen, sondern die Höhen verhalten sich beinahe noch ganz so, wie auf dem Gebirge der wärmeren temperirten Zone, wie auf den Pyrenäen nämlich, was sich allerdings durch die geringe Breiten-Differenz und hauptsächlich durch die gröfsere Masse hoch erhobenen Landes in der Schweiz erklären läfst. Die Region der Coniferen in der Schweiz hat eine Ausdehnung von 4000 bis 5500 Fufs, was fast ganz genau *) S. A. v. Humboldt, De distribut. geograph. plant, p. 122 etc, rj’]l'e: p.'475. 288 dieser Region in der wärmeren temperirten Zone entspricht. Auf dem schlesischen Riesengebirge und auf dem Harze, welche innerhalb der kälteren temperirten Zone liegen, geht die Grenze der Coniferen, fast ganz genau überein- stimmend mit unsern theoretischen Angaben, nämlich bis zu 3800 Fufs Höhe. ; Werfen wir nun noch schliefslich einen Blick auf die Vegetation der subarktischen Zone, welcher die Region der Coniferen auf den Gebirgen wärmerer Gegenden ent- spricht, so finden wir, dafs die Coniferen daselbst, näm- lich ''Pinus sylvestris, nur bis zur Höhe von 1200 Fufs hinaufsteigen, also in der Region der Ebene bleiben, und daselbst nicht mehr in die zweite Region steigen, welche die Vegetation: der arktischen Zone besitzt. Die Region der Nadelhölzer fällt mit derjenigen zu- sammen, welche von Wahlenberg, Schopy u. A, m. die subalpihe Region genannt ist. 7) Die Region der Alpen-Rosen. Die Region der Alpen-Rosen ist dieselbe, welche von anderen Schriftstellern, für die Gebirge Europa’s, mit dem Namen der unteren Alpenregion belegt worden ist; sie entspricht der Vegetation in der arktischen Zone, näm- lich von dem Polarkreise an, bis über 72° der Breite hin- aus. Die hohe Baumvegetation fehlt dieser hohen Region; auf den meisten Gebirgen der nördlichen Hemisphäre, sind es nur niedere strauchartige Arten von Birken und Fichten, welehe noch daselbst auftreten, und neben den niedrigen ‘Weiden-Arten erscheint in dieser Region die höchst charakteristische Alpen-Rose, die Gattung Rhodo- dendrum nämlich. Eine mittlere Temperatur von 5 bis °.Cels. möchte dieser Region vielleicht ziemlich allge- mein zukommen. ‘Auf den Gebirgen der Aequatorial-Ge- gend müfste die Region der Befarien, welche die Al- penrosen der alten, Welt daselbst vertreten, von 11400 13300 Fufs Höhe hinaufgehen, und es lassen sich auch in der That eine Menge von Beobachtungen aufführen, 2859 welche diese Region auf verschiedenen Gebirgen der hei- fsen Zone ganz entwickelt nachweisen, wenngleich auch das Auftreten der Befarien nur äufserst selten ist. Unter dem Aequator bedecken die Alpenrosen der Anden (vor- züglich Befaria aestuans, B. coarctata, und B. grandiflora) die Berge bis zu den höchsten Paramos, bis über 10000 Fufs Höhe hinaus *), indessen, so wie auch die Alpenrose der Schweiz und besonders das Rhododendrum ferrugi- neum in Tyrol zu höchst auffallend niederen Standorten herabkommt, so findet man auch die Befaria, wie z. B. auf der Silla de Caracas, nach Herrn A. von Humboldt’s Beobachtungen, in 6000 Fufs Höhe, und schon in Florida, unter 30° Breite gedeiht eine Befaria auf niederen Hügeln, so wie das Rhododendrum lapponicum in der arktischen Zone schon zur Ebene gelangt. Ich möchte glauben, dafs die Befarie mehr in der Region der Escallonien und der Winteren auftritt, und, nur ihrer Form wegen die Alpen- Rose der Cordillere darstellt. Die Befaria ledifolia auf der Silla de Caracas wird nicht über 3 bis 4 Fufs hoch; ihr Stamm zertheilt sich vom Boden an in zahlreiche, brüchige, fast quirlförmige Aeste, ihre Blätter sind läng- lich eiförmig, auf der Unterfläche graugrün und gegen den Rand eingerollt. Die ganze Pflanze ist mit langen kleb- rigen Haaren bedeckt, und hat einen sehr angenehmen harzigen Geruch. Die Bienen besuchen ihre schönen pur- purfarbigen Blumen, welche, wie bei allen Alpenpflanzen, ungemein zahlreich sind, und, wenn die Blume völlig ge- öffnet ist, fast einen Zoll im Durchmesser haben. **) Diese untere Alpenregion ist es, in welcher das herr- liche Thal von Chuquito, rund um den Alpensee von Ti- ticaca, in einer Höhe von 12700 Fufs gelegen ist, über dessen Vegetation ich, in dem Berichte über meine Reise dahin, sehr ausführliche Nachrichten mitgetheilt habe, Bei meiner schnellen Reise durch diese reiche Hochebene und *) $. A. v. Humboldt, Reise etc. II. p. 425. "N S. ebendaselbst. 49 290 bei meinem kurzen Aufenthalte daselbst habe ich keine Befarien gefunden, ja nicht einmal Escallonien, doch zweifle ich nicht, dafs diese interessanten Cordilleren- Pflanzen daselbst vorkommen. Auf diesem berühmten Plateau von Chuquito, fehlt, wie ich es schon oftmals in diesem Werke gesagt habe, alle Baumvegetation, obgleich in Sträuchern und Kräutern daselbst eine grofse Ueppig- keit herrscht. Der Ackerbau der Eingebornen beschränkte sich früher blofs auf die Quinoa und auf die Kartoffel, gegenwärtig wird daselbst aber auch Roggen, Gerste und Hafer gebauet, doch wird nur der Hafer reif, die Gerste schon seltener und der Roggen wird nur zu Grünfutter benutzt. Ausführlichere Nachrichten sind hierüber in mei- ner Reisebeschreibung Bd. I. p. 403 u. s. w. zu finden. An den Ufern des See’s findet man oftmals die ausgezeich- netste Vegetation; prachtvolle Cassien, hohe Celsien, Gna- phalien, Calceolarien und Loasen mit aufserordentlich gro- {sen Blumen und stachligen Blättern treten hier in sehr grofser Menge auf. Discarien treten hier als hohe Sträu- cher auf, und schöne Cactus, sowohl Cereen als Peres- kien standen an den Abhängen der Hügel und waren über und über mit Blüthen bedeckt. Ein schöner Rasen von zahlreichen neuen Gräsern, überzog die Hügel dieser Al pengegend und. dichter Wald von Binsen fafste die Ufer des grofsen See’s ein. | Auf den europäischen Gebirgen, welche schon so häufig Gegenstand specieller pflanzengeogravhischer Un- tersuchung gewesen sind, ist das Auftreten der Alpenrosen, dicht unter der Region der Alpenkräuter, ganz allgemein, und ich bemerke nur noch, dafs in ihrer Gesellschaft, als charakteristisch, die Vaccinien, Andromeda, Ledum palustre und dergleichen kleine Sträucher mit harten und glänzen- den Blättern erscheinen. Auf dem Aetna wird die Alpenrose, nach Herrn Phi- lippis Beobachtung, gleichsam durch Astragalus siculus ersetzt, welcher in der entsprechenden Region zwischen 3200 — 7500, besonders in der letztern Höhe die vorherr- 291 schendste Pflanze ist. Es bildet diese Pflanze dichte halb- kugelichte Rasen, von 5 Fufs im Durchmesser und 21 Fufs Höhe, etwas Aehnliches, wie das Auftreten mancher Kräu- ter in der Alpenregion der Cordillere. 8) Die Region der Alpen -Kräuter. Die Region der Alpen-Kräuter beginnt auf den Hö- hen der verschiedenen Gebirge mit der oberen Grenze der Gesträuche und erstreckt sich bis zum ewigen Schnee, welcher die Grenze aller Vegetation ist. Es entspricht diese Region der Vegetation der Polar-Zone, welche sich von der nördlichen Grenze aller Vegetation, bis zur Grenze der Gesträuche und der baumartigen Vegetation erstreckt, die wir ungefähr im 72sten Grade der nördlichen Breite festgesetzt haben. Die mittlere jährliche Temperatur der Polar-Zone liegt tief unter dem Gefrierpunkte des Was- sers, die der Region der Alpenkräuter ist dagegen weit höher, ja sogar 3 bis 4° C. über dem Gefrierpunkte, und dennoch, wie wir es schon früher (pag. 20) durch Bei- spiele nachgewiesen haben, ist die Vegetation im den käl- teren Gegenden oftmals weit üppiger, als in den Höhen der Gebirge, wo die Temperatur des Jahres höher steht. Es ist dieses am deutlichsten durch den Anbau der Ge- treide-Arten nachzuweisen, welcher weit höher nach den Polen zu hinaufgeht, als nach den entsprechenden Regio- nen der Gebirge, und zwar ist diese ganze Erscheinung ı durch die, verhältnifsmäfsig niedere Temperatur der Som- merzeit auf den Höhen der Gebirge zu erklären, worüber gleich im Anfange dieses Buches ausführlicher gesprochen worden ist. Auf solchen Gebirgen hingegen, welche grofse, ausgedehnte Plateau’s in ihren Höhen bilden, da zeigt sich auch die mittlere Sommerwärme höher, als sie gewöhnlich am Abhange der Berge in gleicher Höhe statt findet. Man bezeichnet die Gewächse, welche in der höchsten Region der Gebirge, bis zur ewigen Schneegrenze hin, vor- kommen, im Allgemeinen mit dem Namen der Alpenkräu- AN 292 ter und macht auf verschiedene Eigenthümlichkeiten auf- inerksam, wodurch sich dieselben von den übrigen Ge- wächsen der Ebene unterscheiden. Der allgemeinste Cha- rakter, welcher den Alpen -Pflanzen zukommt, möchte ihr gesellschaftliches Wachsen sein, welches sich auf eine be- sondere Zähigkeit des Lebens der Pflanze, auf besondere Entwickelung der Wurzel und auf eine gewisse Neigung zur Knospenbildung begründet. Fast alle Alpenpflanzen sind ausdauernde Gewächse; die Zahl der einjährigen ist unter ihnen ganz aufserordentlich gering, und dann sind es solche, welche eine sehr grofse Menge von Saamen erzeugen. Die Wurzel dieser ausdauernden Gewächse, welche den starken, oft 9 bis 10 Monate langen Winter ausdauern mufs, ist gewöhnlich sehr holzig, oder, wie die der Zwiebeln, in einer Menge von Häuten eingewickelt, daher richten sich denn auch diese Gewächse mehr nach der mittleren jahrlichen Temperatur, wärend die einjähri- gen Pflanzen sich nach der mittleren Sommerwärme be- stimmen. Ganz allgemein rühmt man bei den Alpen-Pflanzen die verhältnifsmäfsig grofsen Blüthen, welche meistentheils mit sehr lebhaften und prächtigen Farben geschmückt sind, und dieser Ruhm bestätigt sich auf allen Gebirgen der ver- schiedensten Zonen. Auf unseren europäischen Gebirgen sind die herrlichen grofsblumigen Gentianen bekannt, die prachtvolle Aretia alpina, Dryas octopetala, mit den gro- fsen glänzend weifsen Blüthen, die schönen Anemonen, Primulen und die grofse Zahl von Syngenesisten mit gro- fsen gelben Blumen, als Arnica montana, Apargia alpina u. s. w. Auf den Gipfeln der Cordillere Südamerika’s findet sich diese Eigenthümlichkeit der Alpen - Pflanzen vielleicht noch deutlicher ausgedrückt; hier wachsen ver- schiedene Arten der Gattungen Mimulus, Calceolaria, Ca- landrinia, Lupinus, und vorzüglich mehrere Sida-Arten | mit den ausgezeichnet schönsten und gröfsten Blüthen. Eine bestimmte Farbe kann man als vorherrschend bei den Blumen der Alpen-Pflanzen nicht annehmen; man 293 w hat wohl geglaubt, dafs weifse Blüthen unter diesen Ge- wächsen häufiger vorkommen, als anders gefärbte, aber dafs dieses nicht der Fall ist, hat schon Herr Schouw *) für die Gebirge Europa’s nachgewiesen, und ich kann noch dazusetzen, dafs mir in den grofsen Höhen der Cordillere Südamerika’s, gerade die weifsen Blumen, als grofse Sel- tenheiten vorgekommen sind, ja an verschiedenen Punk- ten, wo ich, auf jenem Gebirge, bis in die Nähe der Schnee- grenze gekommen bin, habe ich gar keine weifse Blumen zu sehen bekommen. Die blaue, die gelbe und die vio- lette Farbe war unter den Alpen-Blumen der Cordillere von Peru und Chile gerade die vorherrschendste, Die Alpen-Pflauzen werden gewöhnlich als solche bezeichnet, welche theils reich an aromatischen, theils an bitteren, theils an harzigen Stoffen sind, und dieses be- stätigt sich in allen Zonen der Erde. Es fragt sich nun, ob dieser Gehalt an kräftig wirkenden Stoffen Folge des ‚ Standortes dieser Pflanzen ist, oder ob er der Pflanze an und für sich zugehört. Sehr bekannt ist es, dafs derglei- chen Alpen - Pflanzen, welche als Arzneimittel benutzt werden, dafs diese weit kräftiger wirken, wenn sie auf ihrem natürlichen Standorte gesammelt sind, als wenn sie künstlich in den Gärten der Ebene gezogen wurden; und dieses spricht unwiderruflich dafür, dafs der Standort, in den Höhen der Gebirge, bedeutenden Einflufs auf die Er- zeugung dieser wirksamen Stoffe ausübet. Es ist jedoch auch nicht zu verkennen, dafs unter den Alpenpflanzen gerade solche Familien und Gattungen die häufigsten sind, welchen dergleichen wirksame Stoffe ganz allgemein eigen sind, selbst auch dann, wenn sie in der Ebene wachsen. ‘Ich glaube, es ist keine Art unter den Alpen -Pflanzen be- kannt, welche einen bitteren, einen aromatischen oder ei- nen harzigen Stoff besitzt, wenn nicht ähnliche Stoffe auch in ihren geschlechtsverwandten Arten der Ebene vorhan- den sind; aber gewifs ist die Thatsache richtig, dafs der- *) Grundzüge etc. p. 461. 294 gleichen Stoffe, in den alpinen Arten jener Gattungen und Familien, verhältnifsmäfsig viel stärker entwickelt werden, als bei denjenigen, welche der Ebene angehören. Die Familien der Compositae und der Umbellaten, so wie die Gattung Gentiana liefern die gewöhnlichsten Alpenpflanzen, welche sich durch gröfseren Gehalt an wirksamen Arznei- Stoffen auszeichnen; in der Nähe der Schneegrenze der Cordillere Südamerika’s ist gewöhnlich die gröfste Masse von Pflanzen mit einem, mehr oder weniger wohlriechen- den, bitterlich schmeckenden Harze angefüllt, welches sich häufig, wie bei der niedlichen Laretia acaulis Hook. (Se- linum acaule Cav.) in grofsen Massen absondert, und auf der Oberfläche der Pflanze umherliegt. Die aufserordent- lich grofse Anzahl von kleinen syngenesistischen Gesträu- chen, welche auf der Cordillere Südamerika’s bis in die Region der Alpen-Pflanzen hineinreichen, sind ganz au- fserordentlich reich an harzigen aromatischen Stoffen, und ihre Belaubung besteht in kleinen, harten, glänzenden und glatten Blättern, welche nur sehr selten irgend einige Be- haarung zeigen. Die Blätter dieser Syngenesisten, so wie ihr ganzer Stengel, sind meistens mit abgesonderten harzi- gen Stoffen überzogen, was bei den geschlechtsverwandten Arten der Ebene keineswegs in dem Maafse vorkommt. Man hat auch, aufser der vorherrschenden Entwicke- lung der Wurzel und der Blume bei den Alpen-Pflanzen ein Verkümmern der Blätter, als allgemein vorkommende Eigenschaft angegeben; die Blätter sollen zusammenschrum- pfen und mehr oder weniger buchtig auf ihrer Oberfläche werden, theils soll ihr Grün verschwinden und ein unbe- stimmtes Gelb an dessen Stelle treten, wobei sie zugleich membranartig würden *). Auch glaubt Herr Parrot, dafs der eigenthümliche Charakter der Alpen - Vegetation darin bestehe, dafs die Pflanzen in ihrem ganzen Wuchse das Bestreben zeigen, sich nicht hoch über den Boden zu er- heben, und demnach einen kurzen und starken, oder einen s *) S. Parrot’s Reise nach dem Ararat.. Berlin 1834. 2 Thle. A 295 gekrümmten und niederliegenden Stengel zu bilden, an wel- chem Aeste, Blätter und Blüthen auffallend gedrängt bei einander stehen. Gewifs findet Vieles von dem, was hier gesagt wurde, seine volle Bestätigung; die Alpen-Pflanzen haben etwas aufserordentlich Charakteristisches, so dafs man sie, selbst in grofsen Sammlungen getrockneter Pflanzen, sogleich herausfindet; doch alle diese charakteristischen Zeichen kommen auch denjenigen Pflanzen zu, welche in der Ebene hoher entsprechender Breiten, als in der Polar-Zone und in der arktischen Zone wachsen; demnach ist es wohl nicht die verdünnte Luft, welche das Charakteristische der Al- pen- Vegetation hervorruft, sondern es ist die Wirkung der niederen Temperatur, welche alle schnelle Entwicke- lung der Blattknospe verhindert, daher die Pflanze stark und gedrängt werden mufs, wodurch aber auch ein, um so gröfseres Auftreten der Blüthen bedingt wird. Wenn in der arktischen Zone die Pflanzen der Polar-Zone, durch die Eigenthümlichkeit des Küsten-Olima’s, bis zum Ufer des Meeres hinabgezogen werden, so verlieren diese alle Eigenthümlichkeiten, welche ihnen sonst, als alpinen Pflan- zen, zukommen, besonders schwinden die verhältnifsmäfsig srofsen Blüthen *). Ich glaube nicht, dafs man, aus den Beobachtungen auf Gebirgen einer und derselben Breite, auf die gesammte Alpen - Vegetation schliefsen darf; auf unseren nördlichen Gebirgen der alten Welt zeichnet sich eine grofse Menge von Alpen-Pflanzen durch verschrumpfte und stark behaarte Blätter aus, welche weniger schön grün gefärbt sind; es fehlen jedoch unter den Alpen-Pflan- zen eben derselben Breite keineswegs solche, welche dicke, fleischige und unbehaarte Blätter aufzuweisen haben. Ge- rade Pflanzen dieser letzteren Art korsmen auf der chile- nischen Cordillere, selbst ın den höchsten Regionen, in der gröfsten Anzahl vor. Die Arten-reiche Gattung Calan- drinia, die Alströmerien und Oxalis- Arten, so wie die *) S. auch Lessing, 1. c. p. 291 eic. 296 Boopideen zeigen diese, mehr saftigen, haarlosen Blätter, dagegen fehlt es auch hier nicht an solchen Pflanzen, wel- che sich durch behaarte, auf eigenthümliche Weise zusam- mengeschrumpfte Blätter auszeichnen, als z, B. eine Menge von Sida-Arten, Calceolarien, Loasen und selbst mehrere Syngenesisten, worunter auch die Nassauvien. Die Blät- ter bei diesen Sida- und Calceolarien-Arten erscheinen ähnlich denen unserer Gattung Pedisularis, doch zeigen jene Gattungen auch verschiedene Arten, welche, in der Ebene vorkommend, ebenfalls dergleichen Pedicularis- ar- tige Blätter aufzuweisen haben, eben so, wie auch die Gattung Pedieularis selbst verschiedene Arten hat, welche den Ebenen unserer Zone angehören, und dennoch eben ‚so krause, wenn auch weniger behaarte Blätter zeigen. Die gröfste Anzahl der niederen Gesträuche, welche, auf den gröfsten Höhen der Cordillere, gleichsam die Stelle unserer krautartigen, arktischen Weiden vertreten, und zum gröfsten Theile den Syngenesisten angehören, haben sehr feste, lederartige und meistentheils glatte Blätter, de- ren Form meistentheils so eigenthümlich ist, dafs man, ohne Kenntnifs der Blüthen, schwerlich in ihnen die Blät- ter von syngenesistischen Gesträuchen erblicken wird. Die Bacchariden, deren Arten-Zahl so unendlich grofs ist, zeichnen sich hiebeiı am meisten aus; ich nenne hier nur einige der auffallendsten Arten dieser Gattung, wel- che in den höchsten Regionen der’ Cordillere von Peru vorkommen, deren sonderbare Form man meistentheils schon aus dem Beinamen errathen kann, als: Baccharis genistelloides Hook., B. phylicaeformis nob., B. quadran- gularis nob., B. sagittalis Less. u. s. w. Obgleich die Zahl der Alpenkräuter auf den verschie- denen Gebirgen der ganzen Erde aufserordentlich grofs ist, so herrscht doch unter denselben, wenigstens für die Gebirge einer und derselben Hemisphäre, eine aufseror- dentliche Uebereinstimmung, wenngleich es allerdings der Fall ist, dafs jedem der grofsen Gebirgszüge auch seine eigenthümlichen Alpen-Pianzen zukommen. 297 Da nun, wie wir es im Vorhergehenden gesehen ha- ben, die Alpen-Pflanzen mit der Vegetation der Polar- Zone sehr genau übereinstimmen, so ist diese Achnlich- lichkeit in dem.Charakter der Vegetation, von der Polar- Gegend an, bis zum Aequator hin zu verfolgen, wenn wir nämlich, auf den Gebirgen der verschiedenen Zonen, die entsprechenden höheren Regionen mit einander ın Ver- gleich stellen. Unter welcher Zone die Zahl der Alpen- Pflanzen am gröfsten sein möchte, ist wohl schwer zu entscheiden, da hierauf die Verschiedenheit des Bodens so grofsen Einflufs hat. Auf den Gebirgen, welche in den Regionen der Alpen-Kräuter ausgedehnte Plateau’s bilden, da ist auch, wenn der Boden nicht zu unfrucht- bar ist, die Zahl der Alpen-Pflanzen sehr grofs, und aus eben demselben Grunde glaube ich behaupten zu können, dafs gerade der Polar-Zone die gröfste Masse von Alpen- Pflanzen, sowohl in Hinsicht der Individuen, wie der Ar- ten- und Gattungen-Zahl zukommt. Zwar haben die Al- pen-Pflanzen nur wenige Gattungen aufzuweisen, welche nicht auch in der Ebene vorkommen, es giebt aber eine Anzahl von Gattungen, welche theils vorzüglich alpine Arten zeigen, theils ganz allein den Regionen der Alpen- Gewächse angehören. Der nördlichen Hemisphäre der al- ten Welt und auch den Gebirgen von Java (aufserdem sind uns für die südliche Hemisphäre keine Gebirgs -Flo- ren bekannt), sind folgende Gattungen, als die hauptsäch- lichsten Alpen-Kräuter liefernd, eigenthümlich, als: Dryas, Saxifraga, Viola, Phyteuma, Arabis, Epilobium, Draba, Arenaria, Pedicularis, Primula, Androsace, Ramondia, Sol- danella, Phaca, Gentiana, Salix, Carex, Astragalus, einige Gattungen Gräser und Compositae. Einzelne Arten aus diesen genannten Gattungen sind es vorzüglich, welche die Vegetation, in der Region der Alpenkräuter, auf den Gebirgen Europa’s und Asien’s, bis dicht an die ewige Schneegrenze hin darstellen. Ein- zelne derselben, wie die Gattung Primula, Campanula und Phyteuma, sind mehr der Alpen-Region niederer Breiten 298 eigen, andere hingegen, als Carex, Salix, Arbutus u. s. w., kommen dagegen mehr in den Alpen-Regionen der höheren Breiten und zuletzt in der Polar-Zone vor. Die neue Welt, welche in Hinsicht ihrer Vegetation so grofse Verschiedenheiten von derjenigen der alten Welt aufzuweisen hat, zeigt auch in Hinsicht der Alpenkräuter bedeutende Verschiedenheiten. Wenngleich auch viele Formen in der Nähe der Schneegrenze der Cordillere auftreten, welche auf den Gebirgen der alten Welt ganz ähnliche Pflanzen aufzuweisen haben, so ist doch in Ame- rika die Zahl der, den dortigen Gebirgen eigenthümlichen Alpen-Pflanzen viel gröfser. Die Alpen-Pflanzen, welche in den höchsten Regionen des Himalaya - Gebirges vor- kommen, gehören den Gattungen Ranunculus, Aconitum, Geranium, Potentilla,. Epilobium, Carduus, Senecio, Inula, Cineraria, Myosotis, Primula, Pedicularis, Salvia, Lamium, Origanum und Polygonum an *), und bilden eine Vegeta- tion, welche den entsprechenden Regionen und Zonen der nördlicheren Gegenden auf das entschiedenste gleichartig ist. Auf der Insel Java sind zwar keine Gebirge, welche bis zur Schneegrenze aufsteigen, doch die Vegetation der höchsten Regionen dieser Insel gehört den Gattungen Va- leriana, Ranunculus, Bellis, Hypericum, Gnaphalium, Swer- tia, Gentiana, Viola, Potentilla, Centaurea, Spiraea, Carex, Sphagnum u. s. w. an #®*), doch ist hier nach Herrn Rein- wardt's Ausspruch zu bemerken, dafs von allen diesen phanerogamen Pflanzen, auf dem Gebirgen Java’s, keine einzige Art vorkommt, welche mit denen in nördlichen Gegenden ganz genau übereinstimmt, nur das Torfmoos jener Gebirge, soll mit dem des nördlichen Europa’s über- eiustimmen. Es ist ein grofser, fühlbarer Mangel in unserer Wissen- schaft, dafs bis jetzt noch keine Gebirge in der südlichen Hemisphäre der alten Welt, welche bis über die ewige *) $. Royle, Illustr. I. c p. 32. **) S. Reinwardt 1. c. p- 13. 299 Schneegrenze hinausgehen, in botanischer Hinsicht bekannt sind; wir würden dabei erkennen, ob die Alpen -Pflanzen dieser Gebirge eben so grofse Verschiedenheiten aufzuwei- sen haben, wie dieses in der Vegetation der Ebene dieser Ländermassen der Fall ist, oder ob sie mit den Alpen- Pflanzen des südlichen Amerika’s übereinstimmen würden. Vergleicht man die Berichte der verschiedenen Reisen- den, welche die Schneegrenze der Cordillere überstiegen haben, so wird man auch unter den, von ihnen beobachte- ten Pflanzen dieser Region der Alpen-Kräuter, eine grofse Menge finden, welche den Alpen-Kräutern unserer euro- päischen Gebirge sehr ähnlich sind. Als solche nenne ich Draba alyssoides, D. aretioides, Cerastium densum, Gentiana, Andromeda, Valeriana und Lupinus-Arten, welche Herr Hall #) auf dem Gipfel des Pichincha fand, in eben dem- selben Jahre, in welchem ich selbst, an vier verschiedenen Punkten, die Schneegrenze der südamerikanischen Cordil- lere erstiegen habe. Auch ich beobachtete, sowohl in Chile als im südlichen Peru, in der Region der Alpen -Kräuter eine Menge von Alpen-Pflanzen, welche den unseren sehr ähnlich waren, als Epilobium, Lupinus, Ribes, Viola, Genista, Luzula, Hordeum, Phleum, Plantago-Arten u. s. w.;**) aber auch an Gattungen, welche dem amerikanischen Gebirge eigenthümlich sind, fehlte es nicht. Es besitzt die Region der Alpenkräuter der Cordillere in der grofsen Menge von kleinen, niedlichen Umbelliferen, welche zu den Mulineen DC. gehören, einen aufserordentlichen Schatz. Je mehr nach dem Süden hinab, um so mehr häufen sich die Gat- tungen und Arten dieser Pflanzen-Gruppe, welche zuletzt, wie schon in den Breiten von 52° (s. im Vorhergehenden pag. 241), in die Ebene treten, wo sie, besonders durch die Eigenthümlichkeit des Küsten-Clima’s veranlafst, ein Clima finden, welches dem der hohen Gebirgs-Gipfel im *) Excursions in the Neighbourhood of Quito etc. Hooker’s Journal of Botany. London 1834. I. p. 338. y% . . D . « . ) Siehe hiezu verschiedene Stellen meiner Reise um die Erde. I. pag. 315, 348, 349, 451 u. s. w. 300 nördlichen Chile und in Peru entspricht. Die Mulineen Amerika’s werden durch die Primulaceen in Europa ver- treten; die Gattung Androsace und besonders die Aretien bieten auf den Gebirgen Europa’s häufig einen ganz ähn- lichen Anblick, wie die Gattungen Fragosa, Bolax, Azorella, Laretia u. s. w. in Amerika. Ueber das höchst eigenthüm- liche gesellschaftliche Wachsthum dieser Pflanzen, habe ich schon früher, pag. 102, ausführlich gehandelt und verweise defshalb auf jene Stelle. Den sonderbaren Boopideen (Ca- lycereen Brown), schliefsen sich die Mulineen an; auch sie sind der höchsten Region der Cordillere eigenthümlich angehörig. Aufserdem nenne ich die Gattungen Calandrinia, Espe- letia, Oxalis, Acaena, Nierembergia, Alstroemeria, Culeitium, Chuquiraga und Sida, welche den gröfsten Antheil an der Bildung der Vegetation dieser hohen Region der Cordillere haben. Am Fufse des Feuerberges von Maipu *) wurde ich auf das höchste überrascht, als ich die prachtvolle und höchst eigenthümliche Vegetation dieser Gegend erblickte. Mehrere Oxalis- Arten, gesellig wachsend, und die rosen- rothen Blumen der Calandrinia umbellata R. et P., C. den- ticulata Hook. und C. biflora.n. sp. überzogen ganze Flä- chen der Gegend, wie mit einem rothen Teppiche, wärend sich die herrliche Wiese, aus Phleum Haenkii, dem Ph. alpinum entsprechend, aus Vilfa asperifolia n. sp., Deyen- zia velutina n. sp., Hordeum comosum u. s. w. gebildet, bis zur Schneedecke hinzog und nur hie und da durch grofse Felder, mit Tausenden von grofsen, gelben und violetten Blumen des Mimulus und der Calceolarien unterbrochen wurde, neben denen kleine und verkrüppelte Sträucher von Adesmien mit gelbrothen Blumen, so wie kleine strauch- artige Syngenesisten auftraten. Auch an Flechten ist die Region der Alpenkräuter nicht arm, und diese entsprechen, selbst in den verschie- densten Zonen der Erde, den Flechten der Polar-Zone *) Meyen’s Reise I, pag. 349. 301 noch mehr, als es unter den phanerogamen Pflanzen der Fall ist; nur die Gyrophoren sind bis jetzt in den Höhen der tropischen Gebirge noch nicht gefunden, an ihrer Stelle aber erscheinen, auf dem Gebirge des südlichen Peru, grofse Parmelien, welche durch ihre Form, ihr schildförmiges Festsitzen und durch die Farbe ganz den Habitus der Gyrophoren zeigen. Die Lecidea geographica ist auf den gröfsten Höhen der verschiedensten Gebirge gefunden wor- den, dort gewöhnlich die Vegetation schliefsend, wenn ein- zelne Felsen aus der Erde hervorragen. Herr v. Hrımboldt beobachtete diese niedliche Flechte auf dem Gipfel des Chimborazo, und Herr Schiede *) fand sie auf dem Volcan de Orizaba, wärend auch von mir dieselben an verschie- denen, sehr hoch gelegenen Gegenden des südlichen Peru beobachtet worden ist. Die Pflanzen, welche auf dem Gipfel des Volcan de Orizaba die Vegetation schlossen, gehörten nach Herrn Schiede’s Beobachtung zu den Gat- tungen Lupinus, Eryngium, Myosotis, Sisymbrium, Draba, Trisetum, Avena, und vor allen war der herrliche Cnicus nivalis zu bemerken. II. Die Statistik der Gewächse. Gleich im Anfange dıeses Buches (pag. 4) habe ich darauf aufmerksam gemacht, und es durch Beispiele be- wiesen, dafs die Anzahl der Pflanzen- Arten immer mehr und mehr zunimmt, je mehr man sich von den Polen ent- fernt und sich dem Aequator nähert; nur eine Wasserlosigkeit oder gänzlich unfruchtbarer Boden stellen sich unüberwind- lich diesem Naturgesetze entgegen. Die wüsten Länder- massen unter dem Aequator sind eben so arm an Pflanzen, als sie es in unseren nordischen Gegenden sind; wo aber die gröfsere Wärme der, dem Aequator näher gelegenen *) Linnaea 1829. pag. 223. 302 Ländermassen mit entsprechender Feuchtigkeit verbunden ist, da wird selbst der unfruchtbare Boden besiegt, eine Menge von Pflanzenformen erscheinen hier, welche gerade auf diesem unfruchtbaren Boden zu wuchern scheinen. Wir haben aber auch im Vorhergehenden gesehen, dafs mit der allmälichen Zunahme der Artenzahl, von der Polar-Zone an, bis zum Aequator hin, auch eine allmähliche Verede- lung der Pflanzenformen auftritt; ich habe eine bildliche Schilderung von der Physiognomie der Vegetation von dem Aequator an, bis zu den Polar-Zonen hin gegeben, und in dieser liegen die Beweise zu der letzteren Behauptung. Die edeleren Pflanzenformen erscheinen in den heifsen Ge- genden und fehlen den kalten Zonen gänzlich, wie z. B. Palmen und Scitamineen, oder sie herrschen in heifsen Gegenden in grofser Masse, wärend sie nur in geringer Anzahl in .der Nähe der Pole vorkommen, wie z. B. die Leguminosen. Durch dieses geringere Auftreten der ent- wickelteren Pflanzenformen in kälteren Gegenden, kommen die weniger entwickelten daselbst in scheinbar gröfserer Anzahl vor; ihre Anzahl nimmt nämlich, zu der Zahl der entwickelteren Pflanzen, verhältnifsmäfsig immer mehr und mehr zu, obgleich ihre absolute Artenzahl ebensowohl ab- nimmt, wie die der ganzen Pflanzenmasse, jemehr man sich von dem Aequator entfernt. Jedes Pflanzen- Verzeichnifs irgend eines Landes, oder eines beschränkten Bezirkes, welches auf einen Grad von Genauigkeit und Vollständig- keit Ansprüche machen kann, wird zum Beweise des Ge- sagten dienen können, und die Methode diese Verzeichnisse zu benutzen, gründet sich auf die einfachste Berechnung, indem man die Artenzahl der kleineren, so wie der grö- fseren Gruppen dieser Pflanzen aufsucht, und die dadurch erhaltenen Zahlen unter sich, oder zur Gesammtzahl aller Arten einer Gegend in Verhältnifs stellt. Dafs die Gesamimtzahl der Pflanzen noch lange nicht genau genug bekannt ist, habe ich schon im Anfange (p. 6) gezeigt; zum Wenigsten liefse sich die Zahl derselben, wenn wir aus dem Resultate der neueren Reisen schliefsen 303 dürfen, auf mehr als 200,000 festsetzen. Bis jetzt sind jedoch die verschiedenen Gegenden einer und derselben Zone, so ungleichmäfsig in Hinsicht ihrer Artenzahl von Pflanzen bekannt, dafs man schwerlich mit einiger Genauig- keit die Summe der Pflanzen angeben könnte, welche einer jeden grofsen Zone angehört. Man war lange Zeit hin- durch der Meinung, dafs die neue Welt verhältnifsmäfsig eine gröfsere Anzahl von Pflanzen-Arten aufzuweisen habe, als die alte Welt, und diese Meinung war auch auf That- sachen gestützt; indessen aus den enormen Sammlungen von Pflanzen, welche in neuerer Zeit aus einigen heifsen Gegenden der alten Welt zu uns gekommen sind, und aus der überaus grofsen Mannigfaltigkeit in der üppigen Vege- tation Indien’s und der angrenzenden grofsen Inselmassen, wovon ich mich selbst überzeugt habe, schliefsen zu dür- fen, kann ich keineswegs mehr jenen Angaben beistimmen. Es versteht sich natürlich von selbst, dafs man zu Ver- gleichungen der Art auch Ländermassen von gleichem Um- fange, von gleicher Höhe und gleichen Gebirgsmassen, so wie hauptsächlich einer und derselben Zone, und einer und derselben Fruchtbarkeit wählen mufs, welche auf einem gleichen Grade von Wärme, von Feuchtigkeit und von hu- mushaltigem Boden beruhet. Eben so wenig läfst sich, nach dem gegenwärtigen Zustande der Beobachtungen, eine verhältnifsmäfsige Zahl für die Pflanzen der nördlichen und der südlichen Hemi- sphäre angeben; hier, in der letzten Hälfte der alten Welt, wo die Areale der einzelnen Arten oft so aufser- ordentlich beschränkt sind, liefse sich, im Vergleiche mit gleichen Flächenmassen der nördlichen Hemisphäre, eine gröfsere Zahl von Arten nachweisen, doch die gröfsere Unfruchtbarkeit in vielen dieser Länder, möchte die Gesammt- zahl der Pflanzen- Arten für diese Zone wieder ausgleichen. Alle Berechnungen, welche man, mit dem gegenwärtigen Material, in dieser Hinsicht anstellen möchte, könnten keine der Wahrheit sich annähernde Resultaten liefern. Eine andere Meinung, dafs nämlich die Inseln ärmer 304 an Pflanzen sind, als die Continente, verdient eine genaue Beleuchtung. Herr L. v. Buch *) hat nämlich jene Mei- nung zuerst ausgesprochen, welche-von vielen Schrifstellern wiederholt und neuerlichst vom Hrn. de Candolle jun. **) sogar mit neuen Beobachtungen bestätigt worden ist, ob- gleich Herr Schouw ***), wenigstens wie ich glaube, diese Meinung schon lange mit unbestreitbaren Thatsachen be- kämpft hat. Herr L. v. Buch hat in seiner späteren Aus- gabe der genannten Flora +) jene Meinung etwas genauer bestimmt, wahrscheinlich wegen der Einwendungen gegen dieselbe, welche Herr Schouw gemacht hat, und ich führe defshalb die ganze Stelle an: „In der geringen Anzahl von Pflanzen-Arten erscheint die Natur der Inseln ausgedrückt, deren Pflanzenmenge sich um so mehr vermindert, je wei- ter sie sich von den Continenten entfernen, vorausgesetzt, dafs sie sich nicht selbst zu einem kleinen Continente aus- dehnen.“ | Die Canarische Flora zeigt nach Herrn L. v. Buch’s Angaben nicht mehr als 377 Pflanzen- Arten, und nach der Meinung dieses geistreichen Naturforschers, würde den Azoren, wenn uns deren Flora bekannt wäre, nicht der vierte Theil von dieser Anzahl zukommen. Diese Vermu- thung könnte allerdings richtig sein, indessen da die Azoren als höchst unfruchtbare Inseln bekannt sind, so könnte man ihre Flora nur mit eben so unfruchtbaren Gegenden der Continente vergleichen. Will man den Grad der Frucht- barkeit des Bodens, oder den Feuchtigkeits-Zustand der Luft bei dergleichen Berechnungen unberücksichtigt lassen, so hat, meiner Meinung nach, das Resultat dieser Unter- ”) Allgemeine Uebersicht der Flora der Canarischen Inseln. Berlin 1819. pag. 21. **) Fragment d’un discours sur la g&ographie botanique prononce & Geneve, lu le 16 Juin 1834 dans une cer&monie academique. — Bi- bliotheque universelle. Mai, 1834. N) Grundzüge pag. 493. 7) Enthalten in der physikalischen Beschreibung der Canarischen | Inseln. Berlin, 1825. pag. 130. 305 suchung wenigen Werth. Die Sandsteppen und die be- rühmten Wüsten im Innern der Continente sind eben so arm an Pflanzen, als die unfruchtbaren, am entferntesten gelegenen Inseln. Die Entfernung der Sandwichs-Inseln von dem amerikanischen Continente ist dreimal so grofs, als die Entfernung der Azoren von der europäischen Küste, und dennoch sind die Samdwichs-Inseln ganz aufserordent- lich reich an Pflanzen. Die unterste Region dieser Insel, welche sich nur wenig über den höchsten Wasserstand des Meeres erhebt, ist, ihres korallenhaltigen Bodens u. s. w. wegen, sehr unfruchtbar und defshalb auch arm an Pflanzen, sobald man aber diese Ebene verläfst, schon in 100 und 200 Fufs Höhe, beginnt die äufserst üppige Vegetation. Die Zahl der bereits beschriebenen Pflanzen dieser Inseln ist allerdings noch nicht so aufserordentlich grofs, aber die Zahl der bereits auf jenen Inseln gesammelten, und sich hauptsächlich in den Herbarien der Engländer befindenden Pflanzen, kann schon darauf Anspruch machen. Ich glaube aber nicht, dafs man die Gruppen der Sandwichs-Inseln als einen kleinen Continent ansehen kann, dieses würde gleichsam nur eine Ausflucht sein. Herr De Candolle jun. führt auch die Flora von Neu-Seeland, als beweisend für jenen aufgestellten Satz des Herrn L. v. Buch an, glaubend nämlich, dafs- Neu-Seeland nicht mehr als 800 Pflanzen- Arten besitze, obgleich es mit Italien fast einen und den- selben Flächenraum einnimmt. Diese Meinung aber, dafs Neu-Seeland so arm an Pflanzen ist, finde ich durch nichts bestätigt, ja ich habe mir, schon durch die wenigen, aber genauen Angaben aus Cook’s Reisen, ein ganz anderes Bild von der Flora dieser grofsen Inseln entworfen. *) Wie sehr man, in allen diesen Fällen, auf einen gleichen Grad der Fruchtbarkeit des Bodens, bei Länder- oder Inselmas- sen gleicher Gröfse und einer und derselben Breite sehen mufs, möchte eine Vergleichung der Vegetation von St. Helena, oder von der Ascensions -Insel mit der Vegetation *) Siehe hiezu im Vorhergehenden pag. 230 u. s. w. 20 306 anderer Inseln, welche in gleichen Entfernungen von dem naheliegenden Continente stehen, wie z. B. die Norfolk- Insel u. A. m. sehr deutlich zeigen. Die Insel St. Helena, obgleich von bedeutender Gröfse, ist gröfstentheils gänz- lich unfruchtbar, indem der Boden an diesen Stellen aus einem sehr festen Basalte besteht, welcher der Verwitterung sehr gut widersteht; nur an denjenigen Stellen dieser Insel findet sich eine mehr oder weniger lebhafte Vegetation, wo etwas Erde und Wasser vorhanden ist, was man gegen- wärtig, auf künstlichem Wege, schon in ausgebreitetem Maafsstabe erlangt hat. Demnach stelle ich die Vegetation der Inseln, wenn man von Lokalverhältnissen zu abstrahiren weifs, gleich- falls unter jenes Gesetz der Natur, nach welchem die Zahl der Pflanzen-Arten mit steigender Wärme und entsprechen- der Feuchtigkeit in beständigem Zunehmen ist. Eine an- dere Frage ist es wiederum, ob die Vegetation auch an Individuen-Zahl immer reicher wird, jemehr man sich von den Polen entfernt und sich dem Aequator nähert, wie dieses für die Artenzahl sicherlich nachzuweisen ist. Herr Schouw hat diese Frage schon berührt, *) spricht sich darüber aber in ganz entgegengesetztem Sinne aus, als ich dieselbe be- antwortet sehen möchte; er glaubt nämlich, dafs die Indi- viduenzahl der Pflanzen, mit der Annäherung gegen den Aequator, nicht im Zunehmen ist, was ich dagegen, nach meiner eigenen Anschauung der üppigen Vegetation der heifsen Gegenden, allerdings behaupten möchte. Herr Schouw führt als Gründe für seine Meinung an, dafs in der heifsen Zone die Individuen schon gewöhnlich gröfser wären, als in unseren kälteren Zonen, demnach schon auf einem Raume von einer und derselben Gröfse nicht so viele Individuen vorkommen könnten. Indessen diesen Grund kann man am wenigsten gelten lassen, denn die Dichtigkeit der tropischen Wälder, so wie die ungeheuere Masse von parasitischen Pflanzen, welche auf jedem Baume *") Grundzüge pag. 39. 307 von Bedeutung vorkommt, heben sicherlich die Verminde- rung der Individuenzahl, durch deren übermäfsige Gröfse- Entwickelung auf. Man spricht so allgemein und so bestimmt, ‚dafs die eryptogamischen Gewächse mit abneh- mender Breite auch an Artenzahl abnehmen, und gerade in den kälteren Ländern vorherrschend sein möchten; in- dessen dieser Meinung kann ich keineswegs beistimmen, und Herr Gaudichaud, welcher so verschiedenartige Ge- genden der heifsen und der temperirten Zone in botani- scher Hinsicht durchsucht hat, hat sich neuerlichst eben- falls gegen jene Annahme ausgesprochen. Bei allen diesen Vergleichungen müssen natürlich gleiche äufsere Verhältnisse beachtet werden, und die Ve- getation einer trockenen Gegend der heifsen Zone mufs nicht, etwa in Bezug auf Vergleichung der Cryptogamen- Zahl, mit einer feuchten Gegend unserer temperirten Zone neben einander gestellt werden. Die Cryptogamen erschei- nen in feuchteren Gegenden in gröfserer Masse, als in troekenern, und man untersuche dergleichen feuchte Gegen- den der heifsen Zone in Hinsicht ihrer Cryptogamen-Zahl, so wird man über die ungeheuere Menge derselben oftmals in Erstaunen gerathen. Welche ungeheuere Menge von Flechten ist bis jetzt schon aus Brasilien her bekannt geworden! In den feuchten Wäldern der Tropen werden aber auch diese Flechten, noch mit grofser Individuenzahl von Jungermannien überzogen. Aber nur aufserordentlich wenige Punkte in der heifsen Zone sind, in Bezug auf Cryptogamen, genau untersucht worden, und von einer Genauigkeit bei Untersuchung dieses‘ Gegenstandes, wie wir dieselbe jetzt bei uns gewohnt sind, ist noch niemals in jenen Gegenden die Rede gewesen. Nehmen wir nun als erwiesen an, was im Vorherge- henden näher angedeutet wurde, dafs mit zunehmender Wärme auf der Oberfläche der Erde nicht nur die Arten- zahl und Individuenzahl der Pflanzen, sondern auch die Veredelung der Pflanzen-Formen immer mehr und mehr hervortritt, so wird man schon hierin ein Gesetz erkennen 20 * 308 müssen, nach welchem die schaffende Natur die ganze Pflanzenmasse über die Oberfläche der Erde vertheilt hat. Schon diese so einfachen Resultate möchten sich aller Vorstellung von der Verbreitung. der organischen Wesen durch Wanderungen entgegensetzen; indessen noch eine Menge anderer Thatsachen sind vorhanden, welche durch Wanderung der Pflanzen unmöglich zu erklären sind. Das Phleum alpinum, das Botrychium Lunaria und noch meh- rere andere Pflanzen, welche den bei uns wachsenden ganz ähnlich sind, wachsen ebensowohl auf den Inseln des Feuer- landes, obgleich sie in den dazwischen liegenden Zonen und Regionen gänzlich fehlen. Wie sollen die Saamen dieser Pflanzen von uns bis zu jenem entferntesten Orte Amerika’s gewandert sein? Auf den Inseln des Feuerlan- des herrscht indessen ein ganz ähnliches Clima, wie das- jenige, welches wir bei uns und in der subarktischen Zone kennen gelernt haben; warum, was uns so nahe liegt, erkennen wir nicht, dafs die Natur in diesen von einander so entfernt liegenden Gegenden ähnliche, und sogar ganz gleiche Gebilde hervorgerufen hat, weil die Verhältnisse dieser Länder sich nicht nur sehr ähnlich, sondern sogar oftmals ganz gleich zeigen. Aber in der Verbreitung der organischen Wesen, über die Erde, ist wohl nichts leichter zu erkennen, als das allgemeine Gesetz, dafs die Natur, unter ähnlichen Verhältnissen stets ähnliche, oder vollkommen gleiche ENDE hervorge- rufenxhat. Wir haben im Vorhergehenden ausführlich kennen ge- lernt, wie in entsprechenden Zonen und in entsprechenden Regionen, möge es in den entlegensten Gegenden der Erde sein, die Vegetation nicht nur ihrer Physiognomie nach die gröfste Achnlichkeit zeigt, sondern so häufig eine Menge ganz ähnlicher und sogar gleicher Formen, unter ähnlichen climatischen Verhältnissen erblickt, und es hat uns dieses zu der unbestreitbaren Thatsache geführt, dafs sich sehr viele Pflanzen nicht allein von einem einzigen Orte ihres Vor- kommens verbreitet haben können, sondern dafs sie an u s 309 verschiedenen Stellen der Erde entstanden sein müssen. Nehmen: wir die Pflanzen aus der Region der Alpenkräu- .ter, welche so oft auf den Gipfeln der Gebirge entfernte- ster Zonen ein und dieselben sind, so werden wir mit gröfster Bestimmtheit über dieses Phänomen zur. Gewifs- heit kommen. Diese Regionen der Alpenkräuter auf den verschiedenen Gebirgen, sind wie Inseln im grofsen Luft- meere zu betrachten; Hunderte, ja oftmals Tausende von Meilen auseinander liegend, zeigen sie dennoch viele Pflan- zen, welche unter sich ganz gleich sind, und die meisten Pflanzen, auf diesen verschiedenen Inseln im Luftmeere, sind sich wenigstens aufserordentlich ähnlich. Wie sollen diese Pflanzen von dem Gipfel des einen Gebirges zu dem Gipfel des anderen Gebirges gekommen sein, wo gerade ein ähnliches Clima herrscht, wärend diese Pflanzen in der Ebene, welche zwischen diesen Gebirgen liegt, so wie auf den niederen Höhen derselben, durchaus gänzlich fehlen? Ja wir wissen, dafs sehr viele von diesen Alpen-Pflanzen, ohne besondere Vorrichtungen, nur selten in der wärme- ren Ebene wachsen wollen. Solche Vorstellungen von der Wanderung der Pflanzen müssen demnach heutigen Tages, bei der enormen Menge von Thatsachen, welche uns jetzt über das Vorkommen der Gewächse vorliegen, ganz und gar aufgegeben werden. Die Hypothesen früherer Zeiten, welche in dieser Hinsicht von den gröfsten Naturforschern ihrer Zeit ersonnen wurden, lassen sich durch die geringe Zahl von Beobachtungen entschuldigen, welche man da- mals über diesen Zweig des Wissens gesammelt hatte. Die Frage, ob die Natur von jeder Pflanzen- Art nur ein Individuum, oder deren mehrere in jedem Bezirke ihres Vorkommens geschaffen hat, läfst sich nur durch wenige Vermuthungen über die Zweckmäfsigkeit, welche man überall in dem schaffenden Principe der Erde erblickt, beantwor- ten; Thatsachen sind hier nicht zur Hülfe zu nehmen, und alle die Gründe, welche man hier, gegen die Erschaffung eines einzelnen Individuums jeder Art, aufführen kann, sind fast dieselben, welche man, gegen die Entstehung des gan- 310 » zen Menschen-Geschlecht's aus einem einzigen Menschen- Paare, hat vorbringen können. Wie überall in der thieri- Schen Schöpfung, so ist auch hier die Frage über den Ursprung und über die Zahl der Autochthonen sehr schwer zu führen und gar nicht zu beantworten. Die genauen Beobachtungen, welche besonders in dem gegenwärtigen Jahrhundert gemacht worden sind, haben es unumstöfslich dargethan, dafs die Natur noch gegen- wärtig sowohl unvolikommene Thiere, als niedere Gewächse ohne Eier und Saamen zu schaffen im Stande ist; nur organischer Stoff und Wasser und Luft, die absolut nöthi- gen Bedingungen aller lebendigen Bildung, sind nöthig, um sofort, bei hinlänglicher Wärme, die organische Bildung hervorzurufen. Sind diese niederen Bildungen, sowohl unter den Thieren als im Pflanzenreich erst entstanden, so pflan- zen sie sich, wie Beobachtungen es hinlänglich gezeigt haben, durch Eier oder durch Saamen weiter fort, bis sie endlich wieder verschwinden, wenn ihnen die äufseren Verhältnisse entzogen werden, durch welche sie in das Dasein gerufen wurden. Bis zu welcher Ordnung von Thieren und Pflanzen hinauf diese Erzeugung ohne Keime von ihres Gleichen geschehen kann, das ist heutigen Tages noch sehr schwer zu beantworten; bei den Eingeweide- Würmern ist es, schon seit langer Zeit, aufser allen ge- gründeten Zweifel gestellt, dafs sich dieselben ohne Eier erzeugen können, und diese Erzeugung ist von einem krank- haften Zustande des Körpers begleitet, deren Produkte diese Gebilde sind. Die äufserst genauen und zahlreichen Be- obachtungen der neuesten Zeit, über das Vorkommen der Entozoen in den verschlossensten Theilen der Augen, so- wohl bei Menschen als bei Thieren, sind ebenfalls zu bestimmt, als dafs sie sich durch noch so sinnreich erfun- dene Hypothesen bekämpfen liefsen. Es ist hier nicht der Ort, um die Lehre von der ge- neratio originaria wiederum zu vertheidigen, ja ich möchte der Meinung sein, dafs dieselbe, durch die neuesten Unter- suchungen der Infusorien, in keiner Hinsicht hat bestritten 31 werden können; denn dafs sich diese niederen Geschöpfe, wenn sie einmal entstanden sind, auch durch Keime fort- pflanzen können, das hat man bisher fast immer angenommen. Das Herumfliegen von kleinen Pilzsporen in der Luft wurde immer von den Gegnern der generatio originaria, als Ein- wendung aufgestellt, wenn man von der Erzeugung der kleinen Pilze in abgesperrten Räumen sprach; abgesehen davon, dafs diese Annahme ganz und gar ohne Beobachtung dastand, denn Niemand hat diese Pilzsporen in der Luft umherfliegen gesehen, obgleich sie dazu grofs genug sind, kann man heutigen Tages solche Einwürfe ganz und gar zurückweisen, denn Herr. Dutrochet *) hat die höchst be- achtenswerthe Entdeckung gemacht, dafs man durch chemi- sche Substanzen die Bildung der Fadenpilze hervorrufen, sie beschleunigen und sie unterdrücken kann. Mit Leich- tiskeit kann Jedermann in seiner Stube dergleichen Ver- suche anstellen, welche ihn von der Erzeugung niederer Organismen ohne Keime überzeugen werden. Man nehme frisches Roggenbrod, befeuchte grofse Stücke desselben und lege ein solches Stück Brod in ein grofses Glas, wel- ches durch eine Glasscheibe, oder durch eine Glocke genau verschlossen wird. In Zeit von drei bis vier Tagen wird sich die erste Schimmelbildung auf jenem Brode zeigen, und es werden fast immer ein und dieselben Schimmel- formen sein, welche sich auf dem Brode zeigen, man mag das Gefäfs offen stehen lassen, oder es verschliefsen, oder es in diese oder jene Stube stellen, wo durch Reinlichkeit keine Schimmel vorhanden sind. Die verschiedenen Farben und die verschiedene Dichtigkeit, mit welchen diese klei- nen Schimmel auftreten, haben sie schon oft zu verschie- denen Arten gemacht, von deren Nichtigkeit man sich durch genaue mikroskopische Beobachtung sehr bald wird überzeugen können. Wird nun jenes Brod durch wieder- holtes Anfeuchten gehörig nafs erhalten, so dauert die *) Observations sur l’origine des moisissures. — Annal. des scienc. nat, 1834. Tom. I. pag. 30 — 38. 312 Schimmelbildung mehrere Monate hindurch ununterbrochen fort, dann aber hört die Bildung plötzlich auf, die gebil- deten Schimmelmassen zerfallen und es kommt die noch übrig gebliebene Substanz von dem verschimmelten Brode wieder zum Vorschein; diese Substanz kann man nun der Stubenluft so lange aussetzen, als man nur will, um etwa ‚die darin herumfliegenden Schimmelsporen aufzufangen, und, was gewifs sehr zu beachten ist, man wird jetzt sehen, dafs sich darauf keine neue Schimmel bilden. Ich möchte in dieser Erscheinung eine Bestätigung meiner Ansicht, über die Bildung dieser niederen Geschöpfe finden, und darin zugleich einen Beweis gegen das Umherfliegen der Schimmelsporen in freier Luft sehen. Die Bildung der kleinen Isarien, auf dem Leibe der abgestorbenen Fliegen zur Herbstzeit, worauf ich schon pag. 87 aufmerksam gemacht habe, ist hier ebenfalls in das Gedächtnifs zurückzurufen. So wie nun die Natur in der gegenwärtigen Zeit nur niedere Gebilde ohne Keime ihres Gleichen zu erzeugen vermag, so hat sie einst, als sich die jetzige Erde mit Pflanzen belebte, auf eine ähnliche Art die höheren Pflan- zen und Thiere erschaffen, deren Fortpflanzung wir gegen- wärtig nur durch Keime oder Eier vor sich gehen sehen. Hiebei ist aber noch ein anderer sehr wichtiger Umstand zu erörtern; die Frage nämlich, ob die gegenwärtig beste- henden sehr zahlreichen Arten von Pflanzen, gleich von Anbeginn der gegenwärtigen Vegetations-Epoche vorhan- den gewesen sind, oder ob sich die Zahl derselben allmä- lich ‚vermehrt hat, indem vielleicht einige Individuen, durch den Einflufs des verschiedenen Clima’s und die Eigen- thümlichkeiten des Bodens, so verändert worden sind, dafs sie gegenwärtig, als constant gewordene Varietäten, uns als bestimmte Arten erscheinen müssen. Es wäre gewifs Vieles sehr leicht zu erklären, wenn diese letztere Meinung durch. gegründete Beobachtungen unterstüzt werden könnte, auch wären gewifs viele Naturforscher sehr geneigt, diese Annahme_ festzustellen, da der grofse Einflufs, welchen 313 verschiedenartiges Clima und verschiedene Lokal- Verhält- nisse auf die Form der Pflanzen ausüben, ganz allgemein bekannt ist, und gerade dadurch eine grofse Menge von Formen entstanden sind, welche man als. Arten festzustel- len sucht, obgleich ihre Charaktere offenbar durch den Einflufs verschiedenartiger äufserer Verhältnisse entstanden sind. Aber eben in der Erkennung der Charaktere, wel- che die natürliche Art bestimmen, liegt gerade die grofse Schwierigkeit, welche allerdings nicht zu verkennen ist. „Die Art,“ sagt Herr Link, *) „ist das Beständige in der Natur, das Gesetz in der Verschiedenheit und der Zweck der Naturforschung ist das Beständige, das Gesetz zu suchen, wodurch die Mannigfaltigkeit in der Natur be- stimmt wird.“ "Wenngleich es wahr ist, dafs sehr oft, giebt man sich dem genauen Studium irgend einer Pflanzengruppe hin, die Anzahl der Arten dieser Gruppe stark vermindert wird, indem man erkennt, dafs diese oder jene Species, auf irgend einem Wege, durch äufsere Verhältnisse ver- anlafst, zur Veränderung ihrer Form gekommen ist, so möge man hieraus nichts weiter erkennen wollen, als dafs jene Arten auf unbeständige Charaktere gegründet waren, und was unbeständig ist, das kann die Art nicht charak- terisiren. O! wollte man diese goldene Regel festhalten, ‘so würde sich die Zahl der niederen Cryptogamen- Arten si- cherlich auf ein Drittel der gegenwärtigen Summe redu- ciren lassen. Man gehe indessen in den Vermuthungen über die zu grofse Arten-Zahl der phanerogamen Gewächse nicht zu weit; die Erfahrung hat bis jetzt eine specifische Ver- änderung der .bestimmten, natürlichen Arten noch nicht nachgewiesen, und ehe dieses nicht erfolgt ist, möge man dieselbe auch nicht anerkennen, denn sonst hört alle sy- stematische Naturforschung auf. Ich bin indessen der +) Die Urwelt etc, 2te Aufl. I. p. 280. 314 Meinung, dafs über gewisse, äufserst artenreiche Gattungen sehr schätzenswerthe Beobachtungen vorhanden sind, wel- che ganz bestimmt nachweisen, dafs fast alle die soge- nannten Arten dieser Gattung nichts weiter, als sehr leichte Varietäten sind, welche sich bald nach dieser, bald nach jener Seite hin verändern, so dafs zwischen jenen zahlreichen Arten nur sehr wenige unveränderliche For- men vorkommen, welche eben die natürlichen Arten sind. Die Herren Botaniker, welche diese Gattungen monogra- phisch bearbeitet haben, sind indessen über jene Beobach- tungen ganz mit Stillschweigen fortgegangen, und die sy- stematischen Werke nehmen jetzt jene Hunderte von neuen Arten auf, welche aus einigen wenigen Formen hervor- gegangen sein sollen.— Wohin soll dieses führen? Wir wissen Alle, wie aufserordentlich nahe die Men- schen der verschiedenen Racen stehen, und wie sie durch gegenseitige Verbindung mit einander verschmelzen, wir wissen aber auch, dafs, so lange Beobachtungen gemacht worden sind, die Menschen immer dieselben geblieben sind, sie mögen ein Clima zu ihrem Aufenthalte gewählt haben, welches sie wollten. Hier sind wir zur Aufstellung verschiedener Sub- Arten des Menschen berechtigt, keinesweges aber zur An- nahme, dafs die eine Menschen-Rate aus der anderen her- vorgegangen ist, nämlich die vollkommenere, die schönere aus der unvollkommeneren, der minder schönen. Wenn- gleich das allgemeine Gesetz zu herrschen scheint, dafs die Natur zuerst die unvollkommeneren und dann die voll- kommeneren Formen geschaffen hat, so sind doch keines- wegs diese letzteren aus den ersteren hervorgegangen. indessen, dafs die Zahl der phanerogamen Pflanzen- Arten im Allgemeinen nicht zu sehr vergröfsert ist, das möchte man vielleicht aus dem Gesetze erfahren, welches die arithmetische Botanik nachgewiesen hat; denn ginge diese Veränderung der Individuen in constante Varietäten fort, so würden sicherlich sehr bald alle bestimmten Ver- hältnisse aufgehoben sein, nach welchen die verschiedenen 315 Pflanzen - Gruppen geschaffen sind. Die statistische Un- tersuchung über die absolute und relative Anzahl der Pflanzen-Arten hat nämlich auf ein bestimmtes Gesetz geführt, wonach die verschiedenen Pflanzen-Gruppen, Fa- milien nämlich, Gattungen und Arten, für bestimmte Zo- nen geschaffen sind. Familien von weniger entwickelten Pflanzen nehmen in den kälteren Zonen verhältnifsmäfsig, zur absoluten Zahl der Pflanzen- Arten, an Arten-Zahl zu, wärend die entwickeltsten Familien, gegen den Ae- quator hin, verhältnifsmäfsig an Arten-Zahl reicher wer- den. Ja die Resultate dieser neuen Wissenschaft sind so aufserordentlich, dafs man schon gegenwärtig, wenn man erst das Gesetz kennt, wonach die verschiedenen Familien für eine bestimmte Zone wertheilt sind, aus der genauen Zahl der Arten einer Familie jener Zone, auf die gesammte Zahl aller Phanerogamen eben derselben Zone schliefsen kann, welche daselbst wachsen, ja sogar die Menge der, daselbst vorkommenden Arten anderer Familien läfst sich hiernach andeuten. Dieser so erfolgreiche Zweig von der Lehre der Vertheilung der Gewächse ist, durch unendlich mühsame Untersuchungen der verschiedensten Floren, zu solchen auffallenden Resultaten gelangt; doch diese Wissenschaft ist noch weit entfernt, um den gehörigen Grad von Be- stimmtheit erreicht zu haben, indem bis jetzt nur wenige Ländermassen so genau, in Hinsicht ihrer Pflanzen - Zahl, bekannt sind, als es zu diesen Untersuchungen durchaus nöthig ist. In diesem Buche ist nicht der Ort, in specielle Un- tersuchungen über diesen Gegenstand einzugehen, sondern es wird dem Zwecke desselben entsprechen, wenn ich auf die Art und Weise aufmerksam mache, welche bei dergleichen statistischen Untersuchungen zu beachten ist, und schliefslich werde ich dann die relativen Verhältnisse der wichtigsten Pflanzen-Gruppen, in statistischer Hinsicht aufführen, so weit dieselben gegenwärtig, als ziemlich be- stimmt festzustellen sind. 316 Die wichtigsten Arbeiten über die Statistik der Ge- wächse sind in den Abhandlungen von Herrn Alexander v. Humboldt #) und Herrn Beilschmied **) enthalten, die übrigen zahlreichen Schriften der gelehrtesten Botaniker, welche Untersuchungen über die statistischen Verhältnisse der Pflanzen enthalten, sind meistens schon im Vorherge- henden genannt werden. Wenn man die Flora irgend einer Gegend, oder ei- ner ganzen Zone, in statistischer Hinsicht untersucht, so vergleicht man einmal die absolute Zahl der Arten ver- schiedener Familien unter sich, oder man vergleicht diese Zahlen mit der Gesammtzahl aller Pflanzen derselben Ge- gend, oder auch, man betrachtet die Massen, welche die Arten irgend einer Familie eben derselben Gegend bilden. Deutschland besitzt nach Röhling’s Flora an 2600 Phanerogamen; in dieser Summe findet man 328 Gluma- ceae, 163 Leguminosen u. Ss. w. Diese Zahlen kann man in doppelter Hinsicht mit einander vergleichen; einmal nämlich das Verhältnifs der Glumaceae zu den Legumi- nosen, wonach man erfährt, dafs die Arten-Zahl der Glu- maceae in Deutschland noch einmal so grofs ist, als die der Leguminosen. Ferner kann man nach diesen Zah- - len das Verhältnifs der Glumaceae und der Leguminosen zur Gesammtzahl der Pflanzen- Arten Deutschland’s erfah- ren, wenn man mit ihrer Anzahl in die gesammte Masse der Pflanzen Deutschlands dividirt. Hiernach ergiebt es sich, dafs die Glumaceae in Deutschland den 7,9 Theil der gesammten Arten-Zahl bilden, wärend die Legumino. sen nur den 16ten Theil der Flora ausmachen. Die Untersuchungen über die Vertheilung der Gat- tungen auf der Erde, sind weniger ergiebig an richtigen Resultaten, denn einmal hängt die Zahl der Gattungen *) Sur les lois que l’on observe dans la distribution des formes vegetales. — Dict. des scienc. nat. T. XVIH. p. 422 — 437. +) Excurs über einige bei pflanzengeographischen Vergleichen zu beachtende Punkte, etc. — Enthalten in dessen Pflanzengeographie nach Alexander v. Humboldt’s WVerken, etc. Breslau 1834. p. 126. ) 317 nur zu sehr von der Willkür des Beobachters ab, und zweitens nehmen die Gattungen, im Verhältnifs zu der Arten - Zahl, von dem Aequator zu den Polen hin, nicht gleichmäfsig ab, denn es finden sich, in den kältesten Zo- nen, weit mehr Gattungen, als einer gleichen Arten-Zahl unter dem Aequator zukommen möchte. Die statistischen Resultate, welche man aus solchen Flören zieht, die genau genug bekannt sind, mufs man allen unsicheren, und im Allgemeinen unvollständigen Pflan- zen-Verzeichnissen anderer Gegenden vorziehen; die Flo- ren von Lappland, Schweden, Deutschland, England, Frank- reich und der Schweiz, so wie die Floren einiger Inseln, ‘ können auf einen hohen Grad von Vollständigkeit, we- nigstens in Hinsicht der Phanerogamen, Anspruch machen, und die Resultate, für das gegenseitige Verhältnifs der einzelnen Familien, welche aus diesen Floren gezogen sind, werden für diese Zonen die gesetzmäfsige Verthei- Jung angeben, wie sie durch die Berechnung der Herrn A. v. Humboldt, Mirbel, Beilschmied u. A. m. gegenwärtig festgestellt sind. Die wichtigsten Regeln, welche man bei diesen Be- rechnungen zu beobachten hat, möchten im Kurzen fol- gende sein; worauf hauptsächlich H. Beilschmied in der genannten Abhandlung aufmerksam gemacht hat. Man achte erstlich sehr genau darauf, dafs die zur Zählung zu benutzenden Arten der Floren verschiedener Gegenden, nach gleichen Grundsätzen aufgestellt sind, da- mit nicht etwa hier und da die Zahl der Arten, durch monographische Arbeiten einzelner Gattungen so übermä- fsig vergröfsert werde, so dafs dadurch offenbar die richtigen gegenseitigen Verhältnifs - Zahlen (welche man auch. die Coefficienten nennt) verloren gehen. Dergleichen Unter- arten und Varietäten, welche in der einen Flora mehr enthalten sind, als in der anderen, mufs man vorher zu den gehörigen Arten wieder zurückführen. Ganz eben dasselbe ist bei der Berechnung der Fa- milien zu beobachten, denn die verschiedenen Autoren ha- 318 ben diese oder jene Gattung oftmals zu sehr verschiede- nen Familien gebracht, wodurch natürlich bei den Berech- nungen sehr bedeutende Fehler entstehen können, wenn man dieses nicht vorher regulirt hat. Vor Allem ist zu bemerken, dafs die Pflanzen eines Landes oder irgend eines Bezirkes, welches man zur Ver- gleichung mit anderen Floren bemutzen will, auch einer unl derselben Höhen-Region angehören; denn wollte man z. B. die Pflanzen eines Landes, welches Gebirge von 9- und: 6000. Fufs Höhe hat, sämmtlich gleichmäfsig behan- deln, so würde man sicherlich sehr unrichtige Resultate erhalten; ja es wäre eben so gut, als wenn man die Flo- ren verschiedener, oft sehr entfernter Zonen mit einander vermischte, und auch hiemit würden die erhaltenen Ver- hältnisse nieht ganz genau übereinstimmen, denn die Quo- tienten der einzelnen Familien ändern sich mit steigender Höhe und mit zunehmender Breite in ungleichen Verhält- nissen, wie wir es später sehen werden. Zu dergleichen Berechnungen ist es auch erforderlich, dafs man die Floren von Ländermassen gleichen Umfanges wähle, indem die Resultate der Berechnungen von klei- nen und von gröfseren Distrikten keineswegs ganz genau übereinstimmen, indem die Verbreitungs- Bezirke der ver- schiedenen Pflanzen so sehr verschieden grofs sind. Am übereinstimmendsten werden die Resultate bei der Vergleichung zweier Floren sein, wenn beide in einer - und derselben ‚Zone. liegen und zwar in Gegenden, wo die Physiognomie der Vegetation durch eine und dieselbe Pflanzenform bedingt wird. Es ist natürlich, wollte man z.B. die Pflanzen gleicher Ländermassen der subtropischen Zone, in der nördlichen und in der südlichen Hemisphäre mit einander vergleichen, dafs dann die Verhältnifs-Zahlen der einzelnen Familien gar oft von einander differiren werden, denn viele Familien, welche in der nördlichen Hemisphäre dieser Zone zahlreich vorhanden sınd, zeigen in der südlichen Hemisphäre nur einzelne Repräsentanten, und so umgekehrt mit den Pflanzen- Familien der südli- 319 chen Hemisphäre. Wollte man z. B. die relativen Ver- hältnisse der einzelnen Familien Neuhollands mit denjeni- gen der subtropischen Zone Nord-Amerika’s vergleichen, so würde man die auffallendsten Verschiedenheiten dabei wahrnehmen, weil in diesen beiden, so entfernt liegenden Ländern, ganz verschiedene Pflanzen-Gruppen die Haupt- rolle spielen. Endlieh hat man bei den statistischen Vergleichungen der Floren zweier Länder noch auf eine gewisse Gleich- mäfsigkeit des Bodens zu achten, denn davon hängt gar zu viel ab. Die Pflanzen eines grofsen Stück Landes mit sauerem Boden, wie z. B. der Lüneburger Heide, vergli- chen mit einem daneben liegenden Lande mit Sandboden, werden sehr auflallende Verschiedenheiten in den Resul- taten zeigen. | Die natürlichste Eintheilung sämmtlicher Gewächse in gröfsere Gruppen ist noch immer die in Monocotyle- donen, in Dicotyledonen und in Acotyledonen, und wir wollen demnach zuerst die relativen Verhältnisse festzu- stellen suchen, worin diese Gruppen für gewisse Zonen gegen einander auftreten. In Bezug auf die Acotyledonen, welche die Crypto- gamen umfassen, ist zuerst zu bemerken, dafs diese bis jetzt noch von dergleichen statistischen Berechnungen aus- geschlossen werden müssen, denn ihre Anzahl ist gegen- wärtig nur für sehr wenige Orte einigermafsen genau be- kannt, und bei der Bestimmung der Arten in einzelne Ab- theilungen dieser Gruppe, z. B. bei den Algen, den Flech- ten und in einzelnen Familien der Pilze, sind die Ansich- ten der Botaniker so sehr verschieden, dafs die Angaben der Artenzahl dieser Gewächse, für eine und dieselbe Ge- gend oft, bei den verschiedenen Autoren, um das Dop- | pelfe und das Dreifache differiren möchten. Die Zahl der | Pilze, der Moose und der Algen ist überall in kälteren Gegenden, wo einigermafsen Feuchtigkeit vorhanden ist, sehr grofs, indessen nur wenige Floren einzelner Städte 320 haben eine solche Anzahl bis jetzt aufgeführt, dafs man damit die eryptogamische Flora für einigermafsen erschöpft halten könnte, denn oft finden sich auch daselbst noch neue Arten, wenn man nur speciell darnach sucht. In nördlichen Gegenden ist es jetzt schon als be- stimmt anzusehen, dafs die einzelnen kleinen Bezirke, wie die Floren einzelner Städte, mehr Cryptogamen als Pha- nerogamen aufzuweisen haben; weniger ist dieses für die Floren grofser Länder der Fall, weil die Verbreitungs- Bezirke der Cryptogamen oftmals so sehr ausgedehnt sind. Ganz bestimmt kann man jedoch annehmen, dafs die To-' tal-Summe der Cryptogamen lange nicht so grofs ist, als die der Phanerogamen; es möchte aber noch eine sehr geraume Zeit vergehen, bis man nur einigermafsen die Cryptogamen der fremden Welttheile kennen wird. Alle Resultate, welche man gegenwärtig durch Vergleichung der gesammten Arten-Zahl der Acotyledonen mit derje- nigen der Monocotyledonen und der Dicotyledonen erhält, sind sicherlich so unsicher, dafs sie, kaum als der Wahr- heit sich näherend zu betrachten sind. Eine einzige Abtheilung der Acotyledonen, nämlich die Farrn-Kräuter, welche durch ihre Schönheit beson- ders in die Augen fallen, sind auch in den fremden Welt- theilen in gleichem Grade vollständig gesammelt, wie die Monocotyledonen und Dicotyledonen, so dafs man diese, schon mit einiger Sicherheit, zu statistischen Untersuchun- gen benutzen kann. Wenngleich jene entfernten Gegenden der heifsen und der temperirten Zone noch keine Ansprüche auf irgend einen Grad von Vollkommenheit in Hinsicht der Kennt- ‚nifs ihrer Floren machen können, so kann man doch als wahrscheinlich annehmen, dafs unter den, noch unbekann- ten Pflanzen dieser Gegenden, fast ganz dieselben relati- ven Verhältnisse vorkommen, wie sie unter den schon be- kannten auftreten, demnach kann man aus dem Vorhande- nen schon auf das Ganze schliefsen. . Die Farrn-Kräuter lieben einen feuchten Boden und 321 wuchern mit besonderer Ueppigkeit im Schatten der Wäl- der, wo sie dann auch sehr zahlreich auftreten. Demnach möchte es schwer sein, das richtige Ver- hältnifs der Farrn zu den Monocotyledonen und den Dicoty- ledonen für ganze Zonen anzugeben, da ihr Auftreten wie das der Acotyledonen überhaupt, zu sehr von dem Was- serreichthume des Bodens abhängt, und da in den verschie- denen Zonen so häufig ganze Strecken entwaldet und wasserarm auftreten. In den feuchten Wäldern Südame- rika’s ist bekanntlich die Zahl der Farrn - Kräuter sehr grofs gefunden worden, indessen man kann nicht annehmen, dafs Amerika, wenn man nämlich gleiche Bezirke und gleiche climatische Verhältnisse bei der Verglei- chung betrachtet, reicher an Farrn ist, als die alte Welt. Die Anzahl dieser Gewächse auf Java, in den feuchten Wäldern der Philippinen und Ostindiens ist aufserordent- lich grofs und der Menge in Amerika nicht nachstehend. Die Herren Alexander v. Humboldt und R. Brown ge- ben das Verhältnifs der Farrn, zu der Gesammtzahl der Phanerogamen, für die heifse Zone gleich 1:20, und schwer- lich möchte dieses Verhältnifs bedeutend geändert werden, wenn wir auch eine gröfsere Menge von Pflanzen - Ver- zeichnissen aus jenen Gegenden zur Berechnung besitzen werden. Am Congo ist das Verhältnifs ungefähr wie 1:27, so wie es auch unter den Pflanzen von Neu - Holland gleich 1:26 ist. Die Ursachen, welche das zahlreiche Auftreten der Farrn in den Tropen bedingen, nämlich Wärme, Feuchtigkeit und Schatten, diese sind auf den In- seln, innerhalb der Wendekreise, oft in einem noch hö- heren Grade anzutreffen, und daher auch hier das Maxi- mum der Farrn zu finden ist. Auf Jamaica ist das Ver- hältnifs der Farrn zu den Phanerogamen gleich 1:10, auf Isle de France und Bourbon gleich 1:8; auf Otaheiti nach Herrn Banks gleich 1:4, und auf St. Helena sogar gleich 1:2. Uebrigens hat man allgemein die Bemerkung gemacht, dafs die Farrn auf den Inseln, im Verhältnisse zu dem entsprechenden Lande, sehr zahlreich auftreten. Auf den 21 322 Falkland’s-Inseln ist ihr Verhältnifs mit Einschlufs der Lycopodien gleich 1:15, auf Neu-Seeland nach R. Brown gleich 1:6, auf der Norfolk-Insel, nach Herrn Endlicher’s Prodromus von 1833, gleich 1:3, und auf Tristan da Cunha nach R. Brown’s Angabe sogar wie 2:3. „Das Tropen-Verhältnifs der Farrn,“ sagt Herr R. Brown *), „auf niederen und offenen Landstrichen weicht sehr von den hier gegebenen Beispielen ab, und es ist nicht unwahrscheinlich, dafs, so wie das Maximum dieser Familie unter die Tropen fällt, so auch das Minimum derselben entweder innerhalb oder nur wenige Grade jen- seits der Tropen gefunden werden dürfte.“ Allerdings sind einige Thatsachen vorhanden, welche ein sehr schnel- les Abnehmen der Farrn-Zahl, von der heifsen Zone an, gegen den wärmeren Theil der temperirten Zone hin nach- weisen; indessen alle diese Beobachtungen liefsen sich sı- cherlich durch die grofse Trockenheit des Bodens erklären. Spätere Kenntnifs der Floren jener Gegenden, welche nur in sehr kleinen Theilen bekannt geworden sind, werden jene Vermuthung wahrscheinlich nicht bestätigen. Für die temperirte Zone giebt Herr v. Humboldt das Verhältnifs der Farrn zu den Phanerogamen gleich 1:70 an, indem man ein Mittel aus den Floren des kälteren und des wärmeren Theiles dieser Zone, so wie der sub- tropischen Zone gezogen hat. Der kältere Theil der temperirten Zone ist gerade derjenige Theil der Erde, wo, wenigstens im Westen des alten Continents, nur noch wenig neue Phanerogamen zu entdecken sein möchten, daher können wir uns auf die Resultate dieser Gegenden etwas sicherer stützen. In Frankreich verhalten sich die Farrn zu den Phaneroga- men gleich 1:55; in Deutschland nach Röhling’s Flora gleich 1:45 (nach Herrn Wiest mit Einschlufs der Schweiz [4 *) Systematische und geographische Bemerkungen über die Pflan- zen ın der Nachbarschaft des Congo-Stromes. In R. Brown’s Ver- mischten Schriften, Bd. I, p. 386. 323 und Istrien gleich 1:46); in Nordamerika nach Michaux gleich 1:34; in England gleich 1:35; in Schottland gleich 41:31; auf den Färöern gleich 1:12,4 und auf Island gleich 1:18. In der südlicheren Hälfte der temperirten Zone sind diese Verhältnisse allerdings höchst auffallend kleiner, was aber wohl durch Lokalität, durch Trockenheit und durch Schattenlosigkeit zu erklären sein möchte. So zeigen die Farrn um Neapel nur -; zu den gesammten Gefäfs-Pflan- zen, in Griechenland -4;, in Portugal —1-, im griechi- schen Archipel z3z und in Aegypten sogar nur „47. Ich möchte nicht glauben, dafs diese Verhältnisse die richti- gen für die Breiten jener Länder sind, wo, schon seit ei- nem Jahrtausend, die Cultur des Bodens betrieben wird. Auch haben wir neuerlichst aus den östlichsten Ländern des alten Continents dieser Breite Nachrichten und eine aufserordentliche Menge von Pflanzen erhalten, worunter auch sehr viele Farrn - Kräuter; auch sehen wir, dafs sich, auf den Canarischen Inseln, die Farrn mit „,; zu der Masse der Gefäfs-Pflanzen darstellen. Indessen sol- ches schwache Auftreten der Farrn-Kräuter, wie im Vor- hergehenden gezeigt wurde, findet sich auch in vielen Ge- genden der heifsen Zone; Herr R. Brown führt schon an, | dafs die Inseln im Meerbusen von Carpentaria mehr als | 200 phanerogamische Gewächse, und nicht mehr als 3 Farrn aufzuweisen haben. Fast in eben demselben Ver- hältnisse habe auch ich die Farrn im südlichen Peru ge- funden; in den Ebenen fehlen sie daselbst fast gänzlich, doch auch auf den Gebirgen dieses Landes habe ich sie, nur in einem so geringen Verhältnisse zu den Phanero- gamen gefunden. Hiernach glaube ich schliefsen zu können, dafs sich das Verhältnifs der Farrn zu den Phanerogamen, gerade in der Mitte der temperirten Zone am kleinsten darstellt, und dafs es, sowohl nach dem Aequator als nach den Polen zu, immer gröfser wird, wobei das höchst eigen- thümliche zu bemerken ist, dafs diese Pflanzen mit ihrem 21.* 324 absoluten Maximum in der heifsen, und mit dem absolu- ten Minimum gerade in der kalten Zone auftreten. Am | Nordkap sind nur 4 Farrn zefunden, doch sie bilden da- p g y * .. [2 u | selbst ein Verhältnifs zu der Total-Summe der Phanero- gamen wie 1:7, und auf Grönland wie 1:10. In dem nördlichsten Theile der arktischen Zone, nämlich in der von mir genannten Polar-Zone, sind bis jetzt keine Farrn- Kräuter gefunden, wie dieses die Pflanzen - Verzeichnisse | von der Melville’s-Insel und von Spitzbergen nachweisen. In der Baffıns-Bay ist bis jetzt nur Lycopodium Selago gefunden. | | | Ganz anders verhält es sich dagegen mit den Mono- cotyledonen und den Dicotyledonen; das Gesetz, nach dem ihre Arten- Zahl in verschiedenen Zonen, von dem Ae- quator bis zu den Polar-Gegenden hin, auftritt, ist schon gegenwärtig mit ziemlicher Gewifsheit bestimmt, sobald man nämlich grofse Ländermassen dabei in Berechnung setzt. Auf kleinen Distrikten verhält es sich ganz anders, selbst mitten in einem solchen grofsen Lande, wo sich das Hauptgesetz bestätigt findet; die Monocotyledonen nämlich, sind in ihrem Vorkommen mehr bestimmten Lo- kal- Verhältnissen unterworfen, als die Diceotyledonen, ihr gröfseres und stärkeres Auftreten ist jedesmal mit gröfse- rer Feuchtigkeit des Bodens verbunden, so wie sich ihre Arten-Zahl immer mehr und mehr vermindert, je trocke- ner der Boden und die Luft ist, worin sie auftreten. Diese Lokal- Verhältnisse sind, bei der Betrachtung der relativen Zahl der Monocotyledonen verschiedener Länder, recht sehr zu beachten, denn durch sie allein lassen sich die grofsen Abweichungen erklären, welche bald hier bald dort bemerkt werden. i Die Monocotyledonen nehmen, im Verhältnisse zu den Dieotyledonen, in kälteren Gegenden an Artenzahl zu; man könnte sagen, weil sie, als mehr unvollkommenere Pflanzen, mehr entfernt von der heifsen Gegend auftreten, indessen die Erscheinung erklärt sich auch durch die Ab- nahme der vollkommeneren Pflanzen nach den Polen hin, 325 wodurch sich der Quotient der Monocotyledonen immer mehr und mehr vergröfsert, je mehr man sich von dem Aequator entfernt. Aus vielen mühsamen Berechnungen stellte Herr | Alexander von Humboldt das Gesetz auf, dafs sich die Zahl der Monocotyledonen, zu derjenigen der Dicotyledo- nen in der heifsen Zone, gleich 1:6 verhalte, wärend die Verhältnisse in der temperirten Zone gleich 1:4, und in der kalten Zone gleich 1:3 sind. Alle Beobachtungen, welche seit jener Zeit gemacht sind, bestätigen diese An- gaben ziemlich ganz genau, und vervollständigen dieselben durch Hinzufügung von Zwischen-Zahlen. Herr v. Mar- tius *) hat z. B. die Pflanzen Ostindiens, welche durch Herrn Wallich nach Europa gebracht und vertheilt wur- den, in statistischer Hinsicht berechnen lassen; das Ver- hältnifs der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen fin- det sich, in dieser grofsen Sammlung von 7643 Pflanzen- Arten, beinahe wie 1:64. Im nördlichen Neu - Holland ist das Verhältnifs der Monocotyledonen zu den Dicoty- ledonen nach Herrn R. Brown gleich 1:33, und in der subtropischen Zone dieses Landes, wie um Port Jackson gleich 1:3. Für die arktische Zone wird das Verhältnifs der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen durch neuere Arbeiten noch genauer angegeben; aui der Melville’s-Insel ist es gleich 1:24, auf den Färöern-Inseln nach Herrn Trevelyan’s Flora **) gleich 1:21, auf den Falklands -In- seln nach d’Urville’s Flore des Malouines gleich 1:2, und auf Lappland, wie .auf Island ist dieses Verhältnifs sogar noch etwas gröfser, d. h. die Monocotyledonen sind noch zahlreicher zu den Dicotyledonen als im Verhältnisse zu 1:2. Hiernach ist die gesetzmäfsige Zunahme der Monoco- tyledonen, im Verhältnisse zu den Dicotyledonen, mit zu- nehmender Breite ganz bestimmt nachgewiesen, und wir ”) Flora v. 1834. p-id: **) The Edinb, New Phil. Journ. Octob, 1834 — Jan. 1839. pag. 154 — 164. 326 gehen jetzt zu der Veränderung der Verhältnisse dieser Pflanzengruppe über, welche sich mit zunehmender Höhe nachweisen lassen. Eine sehr schätzenswerthe Arbeit des Herrn Osw. Heer *) hat uns über diesen Gegenstand für die Gebirge der Schweiz den erwünschten Aufschlufs ge- geben. Die Monocotyledonen verhalten sich in der Schweiz zu den Dicotyledonen, nach Ringier’s Berechnungen, un- gefähr gleich 1:4,9, doch sie vermindern sich, nach den Bergspitzen zu, sehr stark, wenigstens treten sie daselbst gleich 1:53 auf, ja auf gröfseren Höhen noch in ganz anderen Verhältnissen, nämlich wie 1:6, 1:7 und selbst wie 1:9 auf Kalkboden. | Beobachtungen auf den Glarner - Alpen gaben fol- gende Resultate: Es verhielten sich die Monocotyledonen zu den Dicotyledonen, auf einer Höhe vor 5- bis 6000 Fufs, gleich 1:5, bei 6- bis 7000 Fufs gleich 1:54 und bei 7- bis 8000 Fufs gleich 1:55. Auf dem Gebirgs- kamme von dem St. Gotthard bis an den Bernina, sind die Verhältnisse fast in eben demselben Grade abnehmend; Herr Heer fand dasselbe, nämlich in 5- bis 6000. Höhe, gleich 1:412, in 6- bis 7000 Fufs gleich 1:53 und in 7- bis 8000 Fufs gleich 1:52, doch hier zeigen die Pflan- zen-Verzeichnisse einzelner Punkte die gröfsten Abwei- chungen, welche aber sehr leicht durch den verschiede- nen Reichthum an Wasser zu erklären sind. Die sum- pfigen Gegenden zeigen ein Verhältnifs der Monocotyle- donen zu den Dieotyledonen gleich 1:3, und die trocke- nen daneben zeigen ein Verhältnifs wie 1:6. Auf der trockenen Seite der Andula - Kette fand Herr Heer ein Verhältnifs wie 1:7, und auf ‘der östlichen Seite vom Bernhardin sogar wie 1:9. Herr v. Ramond **) fand auf dem Gipfel des Pic de *) Das Verhältnifs der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen in den Alpen der östlichen Schweiz, verglichen mit denjenigen ın anderen Zonen und Regionen. $. Mittheilungen aus dem Gebiete der theoretischen Erdkunde. Heft 4. Zürich 1834. p. 9. *") Mem. du Museum, Vol. XIII. p. 217. - 327 Midi de Baynes nur 10 Monocotyledonen und 61 Dicoty- ledorien, demnach stehen sie hier im Verhältnisse wie 1:6. Vergleichen wir nun diese Vegetation, in der Region der alpinen Kräuter, mit der ihr entsprechenden Vegetation in der Polar-Zone, als z. B. mit der Vegetation der Melville's-Insel, so finden wir die auffallendste Verschie- denheit in dem Verhältnisse zwischen den Monocotyledo- nen und den Dicotyledonen dieser beiden Gegenden, in- dem sich auf der Melville's-Insel das Verhältnifs dieser Gruppen gleich 1:25 stellt. Offenbar ist die Feuchtigkeit des Bodens auf dieser Insel die Ursache, dafs die Zahl der Monocotyledonen, so wie die Zahl der Cryptogamen daselbst viel gröfser ist, als in der entsprechenden Region auf dem Pie de Midi. Besonders auffallend erscheint bei diesen Resultaten, dafs das gewöhnliche Verhältnifs der. Monocotyledonen zu den Dicotyledonen, in den Höhen der Schweizer-Ge- birge, nämlich 1:6, ganz eben dasselbe ist, wie es für die tropischen Gegenden festgestellt wurde, dafs jedoch, in den sumpfigen Gegenden jener Gebirge, das Verhältnifs gleich 1:3 wird; es fragt sich nun, ob es sich in jenen tropi- schen Gegenden ganz eben so verhält, dafs nämlich, wo der Boden sehr feucht ist, auch die Zahl der Monocoty- ledonen, im Verhältnisse zu den Dicotyledonen, so sehr zunimmt, dafs auch hier ein Verhältnifs wie 1:3 heraus- kommt. Diese Frage glaube ich bejahend beantworten zu können, obgleich es hiezu noch an besonderen numerischen Momenten fehlt. Wichtig möchte eine Untersuchung der Ursachen werden, wodurch das Verhältnifs der Monoco- ' tvledonen zu den Dicotyledonen, innerhalb der Wende- kreise mit jenen, in den geringeren Höhen der Schweizer- Gebirge übereinstimmt; ich glaube, dafs die grofsen Ver- breitungs-Bezirke der Monocotyledonen im Allgemeinen, hiebei sehr zu beachten sein möchten, indem man bis jetzt, bei der Erforschung der Thatsachen für die heifse Zone, immer sehr grofse Ländermassen hat in Berechnung stel- 328 len müssen, wo natürlich, durch ihr auszedehntes Areal, die relative Arten-Zahl der Monocotyledonen, im Verhält- nisse zu den Monocotyledonen eines kleinen Distriktes, sich vermindern mufs. Wenn wir erst .in den Besitz einer Flora irgend ei- nes Ortes der heifsen Zone kommen werden, dann wird sich hierüber wahrscheinlich Aufschlufs finden. ‘ Bei jenen Untersuchungen hat Herr Heer ebenfalls nachgewiesen, dafs die Vegetation auf den verschiedenen Seiten eines Berges, bei gleichen Boden- Verhältnissen nämlich, keinesweges verschieden ist, wie man es so oft angeführt findet. ' Nachdem nun die Gesetze angedeutet sind, nach wel- chen die Monocotyledonen zu den Dicotyledonen in den verschiedenen Zonen der Erde auftreten, gehen wir zu einigen der hauptsächlichsten Familien der Dicotyledonen über, um auch deren Verhältnisse zu anderen Familien und gegen die absolute Zahl der'ganzen Pflanzen -Masse zu zeigen. Br Herr Alexander von Humboldt *) hat in der genann- ten Abhandlung die Gesetze entwickelt, nach welchen die hauptsächlichsten Familien in den verschiedenen Haupt- Zonen auftreten; und ich kann hier auf die Resultate je- ner berühmten Arbeit verweisen, um so mehr, da seit je- ner Zeit nur wenige Floren einzelner Ländermassen er- schienen sind, welche grofse Aenderungen in der Angabe des Herrn A. von Humboldt herbeiführen könnten, son- dern es werden dieselben im Gegentheil immer mehr und mehr bestätigt. Eine schlagende Uebereinstimmung, und die Erklärung aller Abweichungen von dem allgemeinen Gesetze, kann . natürlich erst dann gefunden werden, wenn die Floren aller Zonen genau bekannt sein werden. Gegenwärtig sind eine Menge von. grofsen systema- tischen Werken in Arbeit, nach deren Vollendung eine *) Dict. des scienc. nat. T. XVII. p. 433 etc, 329 grofse Masse von Material zu neuen statistischen Berech- nungen zu erwarten steht, welche dann wohl so manche Lücken ausfüllen werden, welche gegenwärtig sehr fühl- bar sind. Y Es folgen hier die Angaben des Herrn Alexander von Humboldt über das relative Verhältnifs der hauptsächlich- sten Pflanzen-Familien für die verschiedenen Haupt-Zonen: Die Junceen, Cyperaceen und Gramineen nehmen, im Verhältnifs zur Artenzahl der gesammten Phanerogamen, mit steigender Breite immer mehr zu, denn sie verhalten sich, wie folgt; Kalte Zone. Heifse Zone. us Zone. dmeeıe 3.0, &. 1:400 1:90 It 4:29 Cyperaceae .... |1:22 (1:50 1:20 in Amerika) BR 1:10 Gramineae ..... | 1:14 1:12 Demnach verhalten sich die Glumaceae, nämlich die die drei genannten Familien zusammen, zu den gesammten Pha- nerogamen in der heifsen Zone gleich 1:11, in der tem- perirten gleich 1:8 und in der kalten Zone gleich 1:4. Die folgenden vier Familien, nämlich die Rubiaceen, . die Leguminosen, Euphorbiaceen und Malvaceen, verhalten sich gerade entgegengesetzt den vorigen, denn ihre relative Artenzahl vermindert sich, jemehr man sich von dem Aequator entfernt. Ihre Verhältnisse sind folgende: Heifse Zone. Kalte Zone. Temp. Zone. Rublaeeser nes. 11:14 (1:25| 1:60 1:80 in Amerika) Leguminosae. ... 1:10 1:18 1:35 Euphorbiaceae... 1:32 1:80, 1:500 Malvaceae. :... . 1:39 1:200 _ |fehlen gänzl. 330 Die Familien der Cruciferae, Umbelliferae und der Composita@ verhalten sich in ihrer Vertheilung wiederum anders, denn ihre Quotienten sind in der temperirten Zone am stärksten, und nehmen gegen den Aequator und gegen die Pole hın ab. Ihre Verhältnisse sind folgende: Heifse Done lherapı Zone.| Kalte Zone. | Cruciferae ....» 1:800 1:18 (1:60 1:24 Amerika) Umbelliferae ... . 1:500 1:40 1:60 Compositae .... [1:18 (1:12| 1:3°(1:6 17413 in Amerika); Amerika) Entgegengesetzt der Vertheilungsart dieser Familien haben wir im Vorhergehenden die der Farrn kennen ge- lernt, welche gerade in der temperirten Zone am schwäch- sten auftreten und gegen den Aequator, wie gegen die Pole hin relativ zunehmen. Nach dem Frscheinen jener Berechnungen des Herrn Alexander v. Humboldt, hat auch Herr Schouw einige der genannten Familien, in Hinsicht ihrer geographischen Ver- theilung speciell behandelt, wobei hie und da einige Ab- weichungen von den vorigen Angaben zum Vorschein gekommen sind. Die Gräser *) bilden z. B., nach Schouw’s Berechnung, -; bis 7; der gesammten Phanerogamen-Masse in der heifsen Zone, wärend sie nach obigen Angaben nur „1; daselbst ausmachen. Diese Verschiedenheit möchte wohl dadurch zu erklären sein, dafs Herr Schouw mehr die Special-Floren beachtet hat, worin die Quotien- ten der Monocotyledonen-Familien meistens gröfser er- scheinen, als wenn man grofse Ländermassen in Berechnung stellt, weil die Verbreitungs-Bezirke dieser Pflanzen mei- stens gröfser sind, sie demnach sowohl in dem kleinen Lande, wie auch in dem grofsen Lande gleich zählen, *”) S. Schouw, Gründzüge pag. 288. x nn —— 331 wärend in letzterem noch eine Menge anderer Phaneroga- men dazukommen. Für den wärmeren Theil der temperirten Zone findet Schouw ebenfalls 7; bis „4;, und für den kälteren Theil dieser Zone würde sich dann -, ergeben. In der arkti- schen Zone nehmen die Gräser dagegen 4 ein, denn auf Kamschatka, auf Island, auf Grönland und auf den Loffo- L 1 den, bilden die Gräser 4, $ oder niedrigstens 4; auf der Melville's-Insel verhalten sie sich sogar wie 1:4,7. Die Florula der Loffoden, welche Herr Lessing *) mitgetheilt hat, giebt nur ein Verhältnifs wie 1:8, indessen wahr- scheinlich ist dieses in der Natur viel höher, indem eine Menge von Monocotyledonen in diesem Verzeichnisse zu wenig zu sein scheinen. Die Florula hat 162 Phaneroga- men (ohne Farrn), und 127 Dicotyledonen; demnach ver- halten sich daselbst die Monocotyledonen zu den Dicoty- ledonen gleich 1:3,6, ein Verhältnifs, welches dieser Zone ganz fremd ist. Bestätigte sich aber dennoch diese auf- fallende Abweichung für die Loffoden, so wäre es inter- essant, die Ursachen davon nachzuweisen. Herr Schouw glaubt annehmen zu müssen, dafs die relativen Verhältnisse der Gräser zu den Phanerogamen mit steigender Höhe abnehmen; verschiedene Berechnungen scheinen mir jedoch die Annahme zu bestätigen, dafs die relativen Verhältnisse der Gräser, ebensowohl mit steigen- der Höhe, wie mit zunehmender Breite zunehmen. Ich habe die gesammte Masse von Gebirgs-Pflanzen der Flora Frankreichs, welche Herr De Candolle **) mit genauen Höhen-Verhältnissen angegeben hat, für verschiedene Re- gionen berechnet und habe gefunden, dafs sich die Gräser, in der Region von 700 bis 1400 Meter, gleich 1:28,3 ver- halten; von 1400 —2100 Meter gleich 1: 23,8; bei 2100 bis 2500 Meter gleich 1:26 und bei 2800 — 3500 Meter gleich 1:15. Das richtige Verhältnifs für die Ebene konnte *) Reise durch Norwegen nach den Loffo“en. Berlin 1831. *") Mem. de la Soc. d’Arcueil, III. pag. 262. 332 nicht angegeben werden, indem diese Pflanzen nicht beson- ders verzeichnet sind. Für die Flora des gesammten Frankreichs verhalten sich die Gräser zu den Phaneroga- men gleich 1:14. Die grofse Sammlung von Gebirgs- Pflanzen, welche Herr v. Humboldt aus Amerika gebracht hat, scheinen ebenfalls eine Zunahme der Gräser mit stei- gender Höhe zu beweisen, und ich habe dasselbe auf den südlicheren Theilen der Cordillere beobachten können, wenn der Boden’ nur einige Feuchtigkeit besafs. Die Cyperaceen sind eben so ausgedehnt über die Erde wie die Gräser; wır haben schon früher gesehen, dafs die Gattungen Cyperus und Carex, die hauptsächlich- sten dieser Familie, in ihrer geographischen Verbreitung entgegengesetzt auftreten. Die Cyperus-Arten treten mit ihrem Maximum in der heifsen Zone auf, und die Carices in der Nähe des Polarkreises am gröfsten, denn in Lapp- land, auf Island, Grönland und Kamschatka bilden sie immer 2 bis 7,5 der gesammten Flora, darüber hinaus, wie auf der Melville’s-Insel, wird es schon wieder kleiner, denn sie bilden daselbst nur -z. - Aufserordentlich regelmäfsig ist die Abnahme der Cyperaceen von der subpolaren Zone an, nach den Wendekreisen hin. In Dänemark bilden sie 75, in England „4, in Deutschland 55, in Frankreich 55, in Griechenland z'- u. s. w. Weniger genau ist das Verhältnifs der Cyperaceen, nach den gegenwärtigen Mitteln, für die heifse Zone an- zugeben, indessen es scheint, dafs sich daselbst ihre Zahl wieder vergröfsere, was auch mit der Thatsache überein- stimmen möchte, dafs die Cyperus- Arten in der heifsen Zone mit ihrem Maximum auftreten. 4; bis „4 möchte wohl das Verhältnifs der Cyperaceen für die heifse Zone sein. Die Zunahme der.Cyperaceen mit steigender Höhe ist gewifs nicht allgemein; ihr Erscheinen ist nur zu oft mit einem feuchten, sumpfigen Boden verbunden, welcher auf srofsen Höhen den meisten Gebirgen zukommt. Herr Schouw hat noch verschiedene andere Familien, als die Compositae, Leguminosae, Cruciferae, Cacteae, Pro- 333 teaceae und diePalmen in Hinsicht ihrer geographischen Ver- theilung speciell behandelt, worauf ich verweisen mufs, da, nach den neueren systematischen Arbeiten auffallend ver- schiedene Resultate zum Vorschein gekommen sind. Ueber- haupt glaube ich, dafs diese statistischen Angaben, wie ich sie hier in aller Kürze geordnei habe, ein Bild von dem Zustande dieses Theiles der Pflanzen - Geographie geben werden. Speciellere Ausführungen, welche mit beständiger Wiederholung der, schon so oft benutzten Thatsachen ver- bunden sind, sind aufser dem Zwecke dieses Grundrisses der Pflanzen- Geographie, sollen aber in meinen Vorlesun- gen über diese Wissenschaft besonders beachtet werden. In dem vorletzten Abschnitte habe ich ausführlich jenen. Parallelismus nachgewiesen, welchen die Vegetation, in Hinsicht ihrer Physiognomie, zwischen den, durch Aehnlich- keit und Gleichheit des Clima’s sich entsprechenden Zonen und Regionen darstellt; es wäre hiernach zu erwarten, dafs die statistischen Resultate gleichfalls in den, sich ent- sprechenden Zonen und Regionen übereinstimmten, hier- über jedoch sind noch keine Untersuchungen angestellt, welche auf den, hiezu erforderlichen Grad von Genauig- keit Anspruch machen könnten. Pflanzen aus dergleichen Familien, welche zu sehr von der Eigenthümlichkeit des Bodens abhängen, werden allerdings bei diesen Verglei- chungen der Vegetation gewisser Zonen, mit den ihnen entsprechenden Regionen, grofse Verschiedenheiten aufzu- weisen haken, in anderen Fällen wird dieses jedoch nicht der Fall sein. "Das relative Verhältnifs der Monocotyle- donen nimmt z. B. mit steigender Breite zu, in den, diesen Breiten entsprechenden Höhen, nimmt es aber stark ab, weil die Feuchtigkeit der Luft und des Bodens hier viel geringer ist. Zu den statistischen Untersuchungen dieser Art, wo nämlich jede Region besonders berechnet wird, sind leider die Floren der einzelnen Länder noch nicht geeignet, denn es ist hiezu unumgänglich nöthig, dafs bei jeder Pflanze sowohl der niedrigste, als der höchste Standort angemerkt 334 wird. Die mühesamen Angaben, welche Herr De Candolle *) über die Höhenausbreitung der Gebirgs-Pflanzen Frank- reichs mitgetheilt hat, sind die einzigen, welche gegenwär- tig hiezu zu benutzen sein möchten, aber auch hier fehlen die Angaben für die Pflanzen der Ebene, die, wollte man sie selbst aus den Floren über Frankreich ergänzen, ge- wifs sehr unrichtig zum Vorschein kommen würden. In der folgenden Tabelle habe ich die Gebirgs-Pflanzen Frankreichs nach den verschiedenen Regionen zusammen- gestellt, und die Gröfse ihrer Familien durch Verhältnifs- zahlen ausgedrückt. Da jene Pflanzen gröfstentheils bis zum 45dsten Grade der Breite, also noch innerhalb des wärmeren Theiles der temperirten Zone gesammelt sind, so habe ich für die Flora Frankreichs fünf Regionen an- nehmen müssen, wovon die unterste mit der wärmeren temperirten Zone zusammenfällt, demnach die zweite der kälteren temperirten Zone, die dritte der subarktischen, die vierte der arktischen und die fünfte der Polar-Zone ent- spricht. Die Höhen, bis zu welchen jene Pflanzen Frank- reichs gefunden sind, gehen bis 3500 Meter hinauf, dem- nach entspricht, für diese Flora, eine Höhe von 700 Meter jeder Region. Zwar haben wir im Vorhergehenden nur 1900 bis 2000 Fufs für die Höhenausdehnung einer jeden Region angenommen, doch hier möchte das wärmere Clima, welches der Westküste des Continents zukommt, die Ver- schiedenheit erklären. Bis gegenwärtig hat man bei allen statistischen Berechnungen der Pflanzen, die Trennung der Floren in verschiedene Regionen, und deren besondere Berechnungen unterlassen, und zwar weil fast überall die umständlichen Angaben über die Ausdehnung des vertika- len Verbreitungs -Bezirkes der Pflanzen fehlen. Es ist aber leicht einzusehen, dafs die Resultate, welche man auf jene Weise erhalten hat, nicht ganz genau sein können, denn nur in sehr seltenen Fällen stimmen die Verhältnisse für die einzelnen Familien in der Ebene und auf den Höhen *) Me&m. de la Soc. d’Arcueil. Tom. II. \ 339 überein, sondern meistens sind grofse Verschiedenheiten darin zu finden; daher ist es offenbar, dafs man zu keinen ganz constanten Verhältnissen über die Gröfsen der ein- zelnen Familien kommen wird, so lange man die Pflanzen der Gebirgs-Floren mit denen der Ebene gleicher Breite zusammen berechnet. Es mögen daher die dringendsten Aufforderungen an diejenigen Botaniker ergehen, welche bis jetzt Gebirgs-Floren bearbeitet haben, oder dieselben bearbeiten werden, dafs sie für jede Pflanze ihrer Flora den ganzen Umfang der vertikalen Verbreitung angeben. Es ist mir sehr wohl bekannt, dafs noch einige an- dere Werke vorhanden sind, worin die Höhenausdehnungen der verschiedenen Pflanzen ganz genau angegeben sind; indessen es scheinen mir diese Werke, für die grofse Län- dermasse, welche sie umfassen, noch viel zu unvollständig, um sichere Resultate zu liefern. Noch um das Doppelte und Dreifache möchte sich die Zahl der Pflanzen vermeh- ren, wenn jene Länder erst genau durchsucht sein werden. Die Resultate der Berechnungen, welche in der fol- genden Tabelle niedergelegt sind, können nur als unvoll- kommen angesehen werden, da das dazu benutzte Material ebenfalls nur unvollkommen ist; doch bin ich überzeugt, dafs sich die Gleichheit der Quotienten für die einzelnen Familien mit denjenigen, in den entsprechenden Zonen, noch deutlicher zeigen wird, wenn jenes Material vervoll- ständigt werden sollte. Es versteht sich übrigens von selbst, dafs hiebei jede Pflanze, deren Verbreitung durch verschiedene Regionen geht, in jeder einzelnen Region wie- der aufgezählt ist, wodurch man die absolute Zahl der Pflanzen einer jeden Region erhält. 336 Angaben der Verhältnifs-Zahlen für einige der vorzüglichsten Pflanzen- Familien Frankreichs, geordnet nach den verschiedenen Regionen des Landes. Von der |! Von 700 | Yon 1400 | Von 2100 |Von 2800 Fir Regionen: Ebene bis| bis 1400 | bis 2100 | bis 2800 | bis 3500 Fran 700 Met. | Meter. Meter. Meter. Meter. $ Re A N 2 re ee ee... a be ER - er ent Dis) mern rt. rch chen | Fair Toten: emperir- | perirten | Zone. Zone. Zone. Höhe, ten Zone.| Zone. een 653 | 60 |. 269 79 | 3540 Hiezu verhalten sich: < Monocotyledonen Si 1 Ba a a aa ER 1:6,7 1:6,1 1:4 Gramineae..... ® ” 1:28,3 1:23,8 1:26 1:15 1:14 Cyperaceae .... 35 4:19 1:20,3 1:23,89) YAezl 1:26 Junceae ..... :.. er 1:65 1:44,9 | 1:26 1: 106 Glumaceae...... en a li 1:8,6 Liliaceae...... & | 1:343 | 1:36 | 1:67 Ifehl. ganzj 1:9088 Orchideae....... 353. | 1:544 | 1:65 1:89,6 | desgl. | 1:69,4 Coniferae ..... =. | 1:33 |-1:9288 | 1:269 | 1:79 | 4:208 Amentaceae..... er 1:81,6 1:59 1:53,8 1:79 1:104 Primulaceae.... = = 1:65 1:40,6 1:24,4 1:9,8 1:86,3 Labiatae‘... . ... 2. | 4:326 | 1:34 1:134 | 41:79 | 1:262 Rhinanthaceae .. S 1:29,7 1:23,6 1:20,6 1:26,3 1:26,2 Gentianeae...... = 1:43,7 1:38 1:38 1: 26,3 41:118 Erieinae ...... E |. 1:50 1:54 1:38 1:39,5 | 1:136 Campanulaceae.. S 1:34,3 1:29,5 41:269 |fehl:gänzl| 1:9 Compositae .... 1 1:7,5 1:6 1:103 | 1:112 | 1:8 Rubiaceae ..... > 1:54 1:61 1:89,6 1:26,3 1:72,2 Umbelliferae . . « @ | 4:204 | 1:26 | 1:67 | 4:79 | 1:268 Saxifragae..... Ss | 1:326 | 41:209 |) 1:14,6 | 4:79 | 4:9 BRosaceae.. .... B 1:47:2 41:18 1:15 1:19,7 1:29,5 Leguminosae . .. > | 1:459 | 1:209 | 1:20,7 | 41:395 | 1:102 Caryophyllaceae . E& 1:21,7 | 1:16,6 | 1:128 | 1:12 0 1 Cruciferae . .... ® 1:498 | 1:19,6 | 1:20,6 | 1:43 1:18,2 Ranunculaceae .. 1:2383 | 1:23,6 | 1:20,6 | 1:39,5 1:292 337 Man wird aus der vorhergehenden Tabelle ersehen, wie aufserordentlich verschieden die Quotienten der ein- zelnen Familien, für die verschiedenen Regionen und, im Verhältnisse zu denjenigen sind, welche aus den Pflan- ‚zen-Arten des ganzen Landes gezogen; demnach wird man um so mehr einsehen, wie nöthig es ist, die Berech- nungen für einzelne Regionen zu machen. Wollte man z. B. ein Land mit hohen Gebirgen, mit einem anderen Lande gleicher Breite, in Hinsicht ihrer Pflanzenzahl vergleichen, so könnten die, Verhältnifszahlen der einzelnen Familien kei- neswegs übereinstimmend sein, und wenn sie es wären, so würden zufällige Verhältnisse hiebei die Ausgleichung veranlafst haben. In der Tabelle möchten vielleicht die Pflanzen der Region der Alpenkräuter am vollständigsten sein, und ver- gleichen wir diese mit den Pflanzen der Melville’s-Insel und mit denjenigen, welche Herr v. Ramond in der ent- sprechenden Region des Pic de Midi de Bagnes *) gesam- melt hat, so finden wir in diesen numerischen Angaben viele. Uebereinstimmungen, aber auch an Abweichungen fehlt es nicht, welche spätere Beobachtungen ausgleichen oder erklären möchten. . 1 Gipfel des Hoc. Region der Alpenkräuter Pic de Midi Melville’s Frankreichs. de Bagnes. Insel. Gramineae ..... == 1:15 1:10,11 1:4,7 Cyperaceae ..... —= 1:26 1:25,3 1; 16,7 Compositae..... 1:12 1:5,4 1:13,4 Frifraea..n 0... — 1:79 1:17.27 1:6,7 Hosacese ....... 5.1947 1:17,47 1:16,7 Leguminosae .... = 1:39,53 4:47,7 1:32,53 Ranunculaceae ... = 1:395 fehlen. 1:13,4 Carvopiylleaer... = 1:11,2 1:11,9 1:13,4 Cruciferae, .. .., — 41:13 1:11,9 1:4,9 Campanulaceae... = — 1:71 1:6,7 *) Mem. du Mus. Vol. Xill. pag 217. 338 Möge man aus den hierin vorwaltenden Abweichungen den Schlufs ziehen, dafs auf die Resultate aus einzelnen Gegenden, mögen sie noch so genau sein, kein zu grofses Gewicht gelegt werden darf; nur das Mittel aus der mög- lichst gröfsten Menge von Beobachtungen kann als Gesetz anerkannt werden, welches sich der Wirklichkeit am mei- sten näheren möchte. 339 Anhang m Die Geschichte der Cultur -Pflanzen, enthaltend: Untersuchungen über das Vaterland, die Verbreitung, den Anbau und den Nutzen der vorzüglichsten Cultur - Phanzen, welche sowohl zur Nahrung, als zur Bequemlichkeit, zum Luxus und zum Handel der Völker dienen und deren Wohl- | stand begründen. Die Cultur der Getreide - Arten. Wir fangen diese Betrachtungen mit der Cultur der Getreide- Arten an, welche bei uns, im engeren Sinne, un- ter Ackerbau verstanden wird. Der Ackerbau geht aller Ausbildung des Menschen voran, mit ihm ist Ruhe und Frieden und häusliches Glück verbunden, wovon der No- made nichts kennt. Mit der Einführung des Ackerbaues mufsten die Völker feste Wohnsitze ergreifen, und, sobald dieses geschehen, und ihre Existenz auf eine sichere Weise begründet war, konnte Verbesserung der Sitten und ander- weitige Gultur allmälich einziehen. Ein Volk, welches Ackerbau treibt, ist nicht in jeder Zeit zu blutigem Kriege geneigt; es kämpft nur für die Erhaltung seines Mutterbodens, worauf seine Nahrungs- Kammer begründet ist. Die hauptsächlichsten Getreide - Arten ( Cerealien ) sind der Weitzen, der Spelz, der Roggen, die Gerste und der Hafer für Europa und das angrenzende Asien; der 22 * 340 Reis und mehrere Hirse- Arten *) für den ganzen Süden und Osten von Asien, der Mays für die neue Welt und das Sorghum vulgare, oder die Mohren-Hirse, Eleusine coracana und Poa abessinica für Afrika. Wir wissen nicht, unter welcher dieser Getreide - Ar- ten sich die erste Cultur des Menschen entwickelt hat, wahrscheinlich aber ist es, dafs die Völker im östlichen Asien, welche den Reis anbauten, zuerst zu festen Wohn- sitzen sich entschlossen haben, und, wie wir später sehen werden, scheint der Reis auch in jenem Lande wild zu wachsen. Die gesittete Bildung im Abendlande ist von der Cul- tur des Weitzens begleitet worden, doch ist es nicht aus- zumachen, wo derselbe zuerst gebauet wurde; ohne Zwei- fel kam der Ackerbau aus Aegypten nach Griechenland **), und zog sich, von hier aus, seg&nend über ganz Euroz:. Man hört beständig die Frage, wo wohl die Cerealien, welche wir jetzt cultiviren, in ihrem wilden Zustande ge- funden werden, und zwar glaubend, dafs von dort aus die Cultur habe ausgehen müssen. Indessen Beobachtun- gen der neuesten Zeit möchten dieser Annahme sehr wi- dersprechen; Herr von Martius hat, wie wir es später noch ausführlicher sehen werden, den Reis im Inneren von Südamerika wild gefunden, ja er hat beobachtet, dafs die Bewohner jener Gegenden denselben sogar einerndten, und dennoch haben sich jene Völker niemals auf die künst- liche Cultur dieses herrlichen Gewächses eingelassen, son- dern leben noch heutigen Tages in ihrem wilden Zustande. Es ist oftmals von sehr verschiedenen Zufälligkeiten "be- dingt, dafs die Völker, in diesem, oder in jenem Lande, bald die eine, bald die andere Nahrungs-Pflanze bauen, ”) Panicum miliaceum, P. italicum, P. frumentaceum and Eleu- sine coracana. *) S. die gelehrien Untersuchungen über diesen Gegenstand in Hersn Link’s Urwelt und das Alterthum. Berlin 1834. 2te Auflage. pag: 400. 341 wenn sie daselbst auch andere, ja sogar viel vortheilhaf- tere Pflanzen cultiviren könnten. Das Vaterland unserer Cerealien wird gewöhnlich als unbekannt angegeben, indessen wohl mit Unrecht setzt man, in dieser Hinsicht, zu weniges Vertrauen auf die Beobachtungen sehr achtenswerther Reisenden. Der Spelz, die Gerste und der Weitzen sind theils in Persien um Hamadan, theils in Mesopotamien, an den Ufern des Eu- phrat’s wild gefunden; die Reisenden Michaux *) und Olıi- vier **) haben uns diese Beobachtungen hinterlassen. Wä- ren uns jene Länder, welche mit die Wiege für die abend- ländische Cultur warsn, nicht so aufserordentlich unbe- kannt, so würden wir sicherlich noch genauere Nachrich- ten, über das Vorkommen unserer Getreide - Arten aus jenen Gegenden besitzen, von wo aus sie auch, wenigstens aller Wahrscheinlichkeit nach, zu uns gekommen sein möch- ien. Herr Link ***) meint, dafs die Cerealien in jenen Ländern von so alter Cultur, verwildert sein könnten, doch dagegen kann man mit ganz gleichem Rechte einwenden, dafs es sich mit diesem Verwildern sehr zweifelhaft ver- hält, denn, wenigstens in unseren Gegenden, verwil- dern diese Cultur-Pflanzen keineswegs, und in den Tro- pen habe ich, eben so wenig von einem Verwildern des Reises oder des Mays’s etwas gesehen oder gehört. Bei uns ist es hinreichend bekannt, dafs dergleichen Cultur- Pflanzen, wenn sie sich durch zufällige Aussaat über die Ackerstellen hinaus verpflanzen, meistens nur ein Jahr hindurch daselbst vorkommen, und dann wieder gänzlich verschwinden. Demnach möchte ich nicht mehr dem Aus- spruche derjenigen beitreten, welche da meinen, dafs un- sere Cerealien gegenwärtig kein Vaterland mehr besitzen; von einigen ist dasselbe allerdings noch unbekannt, ”) Enceyclop. method. Art. Botanique, T. I. p. 211. **) Voyage dans l’empire Ottoman, l’Egypte et la Perse. Paris 1807. Ato. Vol. III. pag. 460. 9) Die Urwelt etc. I. p. 493. 342 Der Weitzen (Triticum sativum L.). | Der Weitzen ist diejenige unserer Getreide-Arten, welche die meiste Wärme erfordert; an der Grenze der subtropischen Zone scheint sie am besten zu gedeihen, indem sie daselbst eine aufserordentlich reiche Erndte lie- fert. Der Anbau des Weitzens ist gegenwärtig aufseror-. dentlich weit verbreitet; er wird auf allen Erdtheilen be- trieben. In Europa steigt der Weitzen bis über 62° nörd- licher Breite hinaus, ja Herr Schouw *) giebt die Polar- grenze der Weitzen-Cultur für die scandinavische Halbin- sel sogar, nämlich auf der Westseite, in 64° Breite an; bemerkt aber auch, dafs die Weitzen-Cultur von einiger Bedeutung, erst unter 60° nördlicher Breite beginnt. Nach den meteorologischen Beobachtungen aus jenen Gegenden müssen wir schliefsen, dafs zur Weitzen-Cultur wenigstens eine mittlere Wärme von 4° Cels. erforderlich ist, wobei aber, wenigstens drei bis vier Monate lang, die mittlere Sommerwärme über 13° Cels. steigen mufs. Hiernach hat man sich zu richten, wenn man den Weitzen auf hohen Gebirgs-Ebenen ziehen will. Die tropische Hitze erträgt der Weitzen nicht gut, er kommt in jenen Gegenden erst auf solchen Höhen fort, welche mit unserer subtropi- schen und unseren teinperirten Zonen in Hinsicht des Clima’s übereinstimmen. Auffallend sind die niederen Höhen, in welchen. Herr v. Humboldt **) den Weitzen in Amerika antraf, nämlich bei Victoria, in der Nähe von Caracas, schon bei 1600 Fufs, und auf der Insel Cuba, gerade an der Grenze der Tropen, nämlich bei Las Quatro Villas in viel geringerer Höhe, ja auf Isle de France wird der Weitzen sogar fast dicht über dem Meere gebauet. Ganz ähnliche Fälle wer- den auf der Insel Lucon beobachtet, wo aber durch die Eigenthümlichkeit der, daselbst herrschenden Monzoone *) Europa. Koppenhagen 1833. p. 9. ”%) De distributione geogr. plantarum, pag. 161. 343 die mittlere Wärme sehr herabgedrückt wird. Aufserdem ist es mehreren tropischen Gegenden eigenthümlich, dafs man den Weitzen und die übrigen nördlichen Cerealien, gerade zur Winterzeit säet, und oft gerade an eben dem- selben Orte, wo in den nassen Sommer- Monaten die tro- pischen Früchte gezogen worden sind. Ich ‚selbst habe dieses zum Theil in der Nähe von Canton gesehen, und Herr Royle*) erzählt es von Indien, wo zur Winterzeit die Vegetation überhaupt oft ein europäisches Ansehen er- hält, und viele Arten echt europäischer Pflanzen - Gattun- gen zum Vorscheine kommen. In der Mitte der temperirten Zone von Europa, in Frankreich nämlich, wird der Weitzen nur bis zur Höhe von 5400 Fufs gezogen. In Mexico beginnt die Weitzen- Cultur erst in 2500 bis 3000 Fufs Höhe, ja in der Rich- tung von Veracruz nach Acapulco findet man, nach Herrn von Humboldt’s Beobachtung, erst in 3600 Fufs Höhe die Weitzenfelder, und sie steigen daselbst bis über 9000 Fufs hinaus. Auf dem Plateau des südlichen Peru sind die Weitzenfelder auf einer Höhe von 8000 Fufs, von aufser- ordentlicher Ergiebigkeit, selbst bei Cangallo, am Fufse des Vulkans von Arequipa, in einer Höhe von beinahe 10000 Fufs, gedeiht der Weitzen noch ganz aufserordent- lich. ‘Am See von Titicaca, in einer Höhe von 12700 Fufs, wo eigentlich ein beständiges Frühlings-Clima herrscht, aber die hinreichende Wärme der Sommermonate fehlt, da reift der Weitzen und der Roggen nicht mehr. Ich beobachtete an den Ufern jenes See’s, gerade zur Som- merzeit, des Morgens um 6 Uhr, nicht mehr als 6°'R. Wärme, und Mittags steigt sie, bei etwas bezogenem Him- mel, nur auf 12° R. Hierin liegt es aber, dafs der Weit- zen auf jenem so milden Plateau nicht mehr reift, wo der Winter äufserst gelinde ist. Wir wissen noch nicht genau, bis zu welcher Höhe die Cultur des Weitzens unter den Tropen hinaufsteigt, *) Illustrat. of the Indian Botan. etc. Fasc. I. pag. 40 etc. 344 doch wahrscheinlich geht sie, auf dem Plateau von Tacora noch weiter hinauf, als in den Gebirgen des Himalaya, wo keine so grofse und ununterbrochene Flächen vorkommen. Sehr ergiebig ist die Weitzen-Cultur in Chile und in den vereinigten Staaten des Rio de la Plata, so dafs die Ausfuhr des Chilenischen Weitzens von aufserordentlicher Bedeutung ist. Nicht nur nach Peru werden ungeheuere Massen von diesem Artikel ausgeführt, sondern selbst um Cap Horn herum, nach Rio de Janeiro, und der Chileni- sche Weitzen ist von vorzüglicher Qualität. Man bauet den Weitzen in Chile überall, wo hinreichend Wasser vor- handen ist, von dem Ufer des Meeres bis zu einer Höhe von 5200 Fufs. Aber dennoch, man sollte es nicht glau- ben, wird noch heutigen Tages. das nordamerikanische Mehl auf dem Markte von Välparaiso verkauft, und die Bäcker des Landes müssen es kaufen, da es wohlfeiler zu stehen kommt, als das im Lande bereitete Mehl, und zwar aus dem Grunde, weil noch keine Wege im Innern des Landes sind, und weil, aus Mangel an arbeitenden Händen, der Tageslohn noch viel zu hoch ist. Die Art der Weitzen-Cultur und die Anwendung des Weitzens setze ich hier, als bekannt voraus, ich theile aber noch einige Beobachtungen über den verschiedenen Grad der Fruchtbarkeit dieses Getreides in verschiedenen Ge- genden mit, um hiemit zugleich zu zeigen, um wie Vieles ein Boden, in einem besseren Clima, ergiebiger ist, als bei uns, wenn nur der Bewohner desselben arbeiten will. In unseren kalten Gegenden treibt jede Weitzenpflanze mei- stens nur einen Halm, und auf diesem nur eine Aehre, daher ist der Ertrag der Aussaat auch nur 5- bis 6fältig*) im Durchschnitt. In Ungarn, Croatien und Slavonien ist der Ertrag der Weitzen-Erndte im Durchschnitt 8- bis 10fältig; in den vereinigten Staaten am Rio de la Plata ist die Erndte 12fältig, im nördlichen Mexico 17fältig und in den Aequatorial- Gegenden von Mexico sogar 24-, ja *) $. hiezu Herın A. v. Humboldt’s Nea- Spanien, IH. p. 60. 345 in fruchtbaren Jahren sogar 35fältig.. Herr v. Humboldt *) erzählt einen Fall von ganz aufserordentlicher Fruchtbar- keit, welchen man in Mexico beobachtet hat, wo nämlich eine Weitzen - Pflanze 40, 60 bis 70 Stengel getrieben hat, von welchen die Aehren beinahe durchgängig gleich gefüllt waren und 100—120 Körner trugen! Indessen um wie viel gröfser ist der Erfolg der Mays- Cultur? Auf dem Plateau von Mexico, wo man die Weit- zen-Erndte im Durchschnitte 18- bis 20fach rechnet, da bringt der Mays das 200fache Korn, worauf wir später sogleich zurückkommen werden. Neben dem Weitzen wird in südlichen Gegenden häu- fig der Spelz **) gebauet; er war den Griechen und Rö- mern bekannt, ja bei letzteren ist er nach Plinius ***) das älteste Getreide und hiefs far, ador, auch adoreum +). Die übrigen Getreidearten, welche wir bauen, als die Gerste, der Roggen und der Hafer, sind nur in den kälteren Gegenden von Bedeutung; sie widerstehen mehr der Kälte, als unser Weitzen und sind daher im höheren Norden die einzigen Cerealien, welche angebauet werden können. Die Roggen-Cultur herrscht in der subarktischen Zone, die Gerste und der Hafer dagegen in der arktischen und in dem gröfsten Theile der subarktischen Zone der östlichen Länder des Continents. Auf der skandinavischen Halbinsel steigt die Gerste bis zu 70° N. Breite; der Roggen bis 65 und 67, und der Hafer bis 65 und 624° Breite, wärend der Weitzenbau im Kleinen nur bis 62 — 64° geht, und im Grofsen nur unterhalb 60° Breite an- getroffen wird. In eben demseiben Grade steigt der Anbau dieser Getreide-Arten viel weiter auf die Gebirge hinauf, als es mit dem Weitzen der Fall ist. Im südlichen Lappland z. B., in 67° N. Breite, wo noch keine Spur von Weitzen- *) 1üre: JM.-p.)52%, +") Triticum Spelta et var. ”%) Hıst. nat. Lib. XVII. cap. 8. 7) $. Link, die Urwelt u. s. w. p. 406. 346 Cultur ist, da steigt die Gerste schon bis zu 800 Fufs über die Meeresfläche #). Die Grenze aller Getreide- Cul- tur ist in den Alpen von Tyrol bei 3800 Fufs; in den Tyroler Gebirgen bei 4500 Fufs, auf dem Monte Rosa bei 5880 Fufs. In Frankreich steigt die Roggen-Cultur nach Herrn De Candolle selbst bis 6600 Fufs, und in südlichen Gegenden steigt sie bis zu den bedeutendsten Höhen, wo die höchste Wärme des Tages selten über 14° Cels. steigt. In der Hochebene von Peru steigt die Gerste und der Roggen gewifs nur selten über 10000 Fufs hinaus, wenn sie nämlich reife Früchte tragen soll; den Hafer habe ich am See von Titicaca, in der Höhe von 12700 Fufs reifen sehen, doch Roggen, Weitzen, so wie meistens auch die Gerste, werden nur zu Grünfutter gebraucht, letztere kommt wohl noch hie und da, selbst auf dieser Höhe zur Reife. Zum Gebrauche als Grünfutter, wird die Gerste in Peru ’ A selbst auf einer Höhe von 13800 Fufs gebauet, wie z. B. nach Herrn Rivero’s Beobachtung auf der Alto de Jacai- bamba **). Dagegen fand Herr Gerard im. westlichen Theile des Himalaya, woselkst Kunawar gelegen ist, moch bei 13000 Fufs die Gerste, den Buchweitzen und Rüben angepflanzt, doch ist nicht dazu gesetzt, ob die Gerste 'da- selbst zur Reife kommt. ‘In Chile wird gegenwärtig, üı der Breite zwischen Quillota und Valparaiso, die Gerste bis zu 5200 Fufs Höhe gebauet. Das Vaterland dieser letzteren Getreide - Arten, des Roggens und des Hafers nämlich, ist uns nicht bekannt ***), Wahrscheinlich gehört die Gerste auch dem nördlichen Afrika an, da schon Diodor in Aegypten das Vaterland derselben setzte, und daselbst schon früh der Gerstenwein bereitet worden ist. Bei den Hebräern, den Griechen und Römerd war *) S. Schouw’s Europa, p. 10. N) S. Memorial de ciencias nat. Lima 1828. I. pag. 102. =) Man sehe hierüber Herrn Link’s gelehrte Untersuchungen über diesen Gegenstand in dessen Urwelt u.s. w. Bd. 1. Pag. w7. 2te Ausgabe. 347 die Gerste im Gebrauche. Der Roggen, dessen Vaterland eben so unbekannt ist, wie dasjenige des Hafers, scheint nach Herrn Link’s neuen Untersuchungen #) den Alten ebenfalls bekannt gewesen zu sein, doch von dem Hafer ist in den ältesten Quellen keine Spur zu finden. Man gab den Pferden, zur Zeit des trojanischen Krieges, die Gerste statt Hafer; erst spätere Nachrichten, wie z. B. Galen, sprechen von der Benutzung des Hafers. Bekannt- lich wird auch jetzt der Hafer meistens als Viehfutter ge- braucht, doch die alten Deutschen afsen Haferbrei, und in Irland, Schottland, in Norwegen und in Schweden wird häufig noch gegenwärtig Haferbrod gegessen. Der Reis (Oryza sativa L.). Der Reis ist wahrscheinlich dasjenige Getreide, wel- ches der gröfsten Menschenzahl zur Nahrung dient. Es war bisher eine allgemein anerkannte Thatsache, dafs der Reis nur der alten Welt angehöre, und wenn es nun auch wahr ist, was nicht mehr zu bestreiten ist, dafs der Reis (Oryza sativa L.) auch im Innern von Südamerika, als am Rio negro und in Para wild wächst, wo er von Herrn von Martius **) aufgefunden und von Herrn Nees von Esenbeck ***) als solcher erkannt ist, so ist diese Pflanze in Amerika, vor der Einwanderung der Europäer, doch niemals Gegenstand des Ackerbaues gewesen. Herr von Martius erzählt, wie am Rio Iraria, einem Arme des Rio Madeira, der wilde Reis so dicht stand, als wenn er künst- lich angesäet worden wäre, und dafs die wilden Indianer auch reichliche Erndten von diesem wilden Reise machen, indem sie kleine Kähne zwischen die reifen Halme führen, und den Saamen in diese hineinschlagen +). *) 1. c. p. 408. **) Reise nach Brasilien, III. p. 1309. ***) Flora brasil. Vol. 2. pars 1. pag. 318. 560. 7) Herr v. Martius ist indessen gegenwärtig der Meinung, dals dieser wilde amerikanische Reis dennoch wohl eine andere, von dem asiatischen Reise verschiedene Species sei. 348 Es ist eine auffallende Erscheinung, und kann nur durch den Stumpfsinn der Indianer erklärt werden, dafs diese ausgezeichnete Nahrungspflanze an einem Orte, wo sie in so grofser Masse wild wächst, nicht schon seit langer Zeit Gegenstand des Ackerbaues geworden ist, ja dafs sie, bis zu der neuesten Zeit, unserer Kenntnifs ver- borgen geblieben ist. Bei dieser Gelegenheit möchte ich erinnern, dafs der sogenannte wilde Reis, von welchem sich die Eingebornen von Canada wärend der Winterzeit ernähren, einer ganz anderen Pflanze, nämlich der Zizania aquatica angehört. | Im östlichen und im südlichen Asien ist die Reiscul- tur zu Hause, und dort bildet der Reis das allgemeinste Nahrungsmittel, aber auch im nördlichen Afrika, in Aegyp- ten, in Nubien, Persien, Arabien, im Oriente oder in Klein- Asien, in Griechenland, Italien und in den südlichen Thei- len von Portugal, Spanien und Frankreich ist der Reis ein gewöhnliches Nahrungsniittel. Der Anbau. des Reises ist mit den Europäern nach Amerika hinübergegangen, und er wird daselbst, in der tropischen und subtropischen Zone, Ja noch viel weiter hinauf, sehr häufig eultivirt. Im süd- lichen Nordamerika hat die Cultur des Reises so überhand genommen, dafs er daselbst schon längst das allgemeine Nahrungsmittel ist. Auch auf den Westindischen Inseln, in Venezuela und in Brasilien, wird dieses Getreide mit grofser Vorliebe gezogen und mit Recht möchte es daselbst den Mays verdrängen; ja die Negersklaven in Amerika ziehen den Reis der Manioca vor. Wie aufserordentlich grofs die Production des Reises schon gegenwärtig in Bra- silien ist, davon wird man sich durch die interressanten Nachrichten in Herrn v. Martius Reisebericht überzeugen. Die Provinz Maranhäo allein produeirt jährlich 560000 bis 600000 Alqueires *), und eine eigene Dampfmaschine hat man daselbst aufgestellt, um den Reis zu entschlauben. *) 4 Alqueires bilden eine Fanega und 100 Fonegas sind gleich 400,696 Berliner Scheffel. 349 In Indien und in China, wo der Reis die Hauptnah- rung bildet, da ist Hungersnoth und Tod die unmittelbare Folge, wenn die Reis-Erndte mifsräth, und wir sehen es, dafs dieses nicht so selten ist. Nicht nur zu wenig und zu viel Regen, sondern auch der Insektenfrafs erzeugen dort eine gänzliche Mifserndte und Hungersneih, wo man sich so ganz der Cultur einer einzigen Art von N2...2ngS- mitteln überläfst. Die aufserordentliche Bevölkerung von China, bei aller Sorgfalt, mit welcher der Acker»: ın jenem Lande betrieben wird, findet im eigenen Lande zicht “ mehr die hinreichende Nahrung, und daher verschling: die- ses Land noch alle die Ueberflüsse der "rzeugnisse, welche den fruchtbaren Inseln des indischen Archipels übrigbleiben. Wenn aber die Reiserndte in China schlecht ausfällt, dann möchten schwerlich die gröfsten Flotten so vielen Reis nach jenem Lande bringen können, als zur Vermeidung der Hungersnoth erforderlich wäre. In den tropischen Gegenden, wo die Reiscultur zu Hause ist, da findet man eine grofse Anzahl von Varietä- ten dieser Pflanze, wovon die eine mehr für diesen, die andere mehr für jenen Boden passend sein soll; vor Allem sind aber zwei Hauptvarietäten zu nennen, von welchen die eine auf niederen Bergen, und die andere in sumpfigen, überhaupt sehr feuchten Gegenden gezogen wird, die erstere Varietät ist unter dem Namen Bergreis bekannt geworden, von welcher viele Botaniker noch immer bezweifeln, dafs er in einem trockenen und durch künstliche Bewässerung nicht bewässerten Boden wachsen könne. Indessen man zweifelt daran gewifs mit Unrecht, denn schon Marsden *) erzählt den Bau des Bergreises auf Sumatra, welcher da- selbst Ladang heifst, so ausführlich und umständlich, dafs man davon ganz überzeugt sein kann. Auch auf Java und "in Brasilien, wie es scheint in sehr feuchten Ländern, wird dieser Bergreis mit grofsem Vortheile gebauet. Ich mache hier gelegentlich auf die Cultur der trockenen Tarro (des *) The Hisi. of Sumatra. London 4811. pag. 67 etc. 350 Caladium esculentum) aufmerksam, welche sowohl auf den Societäts-Inseln, als auf den Sandwichs-Inseln im feuchten Boden, selbst auf bedeutender Höhe gezogen wird, obgleich die andere Spielart dieser Pflanze immer unter Wasser steht. Der Anbau des gewöhnlichen oder Sumpfreises (Sa- wuhr im Malayischen), geschieht im Allgemeinen auf fol- gende Art: entweder man säet ihn in den 'gereinigten Schlamm natürlicher Sümpfe, oder, was am gewöhnlichsten ist, man säet ihn in eigens dazu eingerichtete Bassins, welche 2 bis 3 Fufs tief in der Erde ausgegraben sind und unter Wasser gesetzt werden können. Im südlichen China bedecken diese Reisfelder den ganzen flachen Boden und steigen bis hoch auf die Berge hinauf; sie werden hier entweder durch Wasser versehen, welches von dem Berge herabkommt, oder das Wasser wird aus dem darunter lie- genden Felde in ein höher liegendes gepumpt, und auf diese Weise bringt man, in jenem Lande der Wunder, die Wassermasse bis auf mehr denn Tausend Fufs Höhe. Die Reis-Bassins werden Pihring im Malayischen ge- nannt; in-denselben wird zuerst der Reis in kleinen Haufen sehr: dieht gesäet. Wenn die jungen Reispflanzen 2 oder 3 Zoll hoch sind, so werden ihre Gipfel abgebrochen, da- mit sich aus jeder Pflanze mehrere Seitenschöfslinge bilden. In verschiedenen Gegenden von China soll man die Pflan- zen sogar mehrmals verpfianzen, um eine reichere Erndte zu erzwingen. Auf Sumatra verpflanzt man die jungen Reispflanzen, nachdem schon lange vorher die mittleren Schöfslinge abgebrochen sind, erst am 40sten Tage nach dem Säen. Nachdem dieses geschehen ist, besteht die Geschicklichkeit des Pflanzers in der genauen Abmessung des :Wassers, welches er in die Sawuhrs oder Reis- Bassins: hineinläfst, denn lange darf dasselbe Wasser nicht darauf stehen; wenn aber der Reis zu blühen anfängt, dann mufs alles Wasser entfernt werden. Drei bis vier Monate nach dem Verpflanzen fängt man an, den Reis zu erndten, indem man entweder die Aehren ganz kurz abschneidet 351 und die Halme in der Erde verfaulen läfst, oder indem man die Halme mit abschneidet und ihn in kleine Garben bindet. Der Bergreis oder Ladang wird auf hohem Boden ge- säet und gedeiht am kräftigsten auf solchem Boden, der so eben durch Ausroden und Abbrennen der Waldgegen- den erhalten ist. Dieser Weg wird auch überall da, wo viel Wald und wenig Bevölkerung ist, als auf Sumatra, Java, Lucon und Brasilien, in Anwendung gesetzt. Da aber die Waldungen der tropischen Gegenden in ihrem frischen Zustande unmöglich brennen, so pflegt man, zu Anfang der trocknen Jahreszeit, an einem solchen Orte, den man später besäen will, alle Aeste und Spitzen der Bäume ab- zuhauen und sie so lange liegen zu lassen, bis sie trocken geworden sind; alsdann steckt man das Ganze in Brand. Monate lang soll oftmals dieses Feuer unterhalten werden, bis dafs Alles bis zur Erde niedergebrannt ist, und durch die zurückgebliebene Asche der Boden eine Düngung er- halten hat, wie man ihm an anderen Orten nicht so leicht geben kann. Wenn nun wärend dieser Zeit des Abbren- nens nasses Wetter eintritt, so brennt das Feuer nicht, und die ganze Arbeit mufs zur nächsten trockenen Jahres- zeit aufgeschoben werden. Wenn aber die nasse Jahres- zeit wieder beginnt, was in der nördlichen Halbkugel im April und Mai, in der südlichen dagegen im September und October stattfindet, dann säet man den Bergreis. Hiezu werden mit einem zugespitzten Instrumente, beim Gehen, in regelmäfsigen Entfernungen Löcher gemacht und eine andere. Person wirft in jedes dieser Löcher einige Saamen hinein,. ohne weiter die Löcher zuzumachen, was man der Natur überläfst. Die Erndtezeit des Berg- reises erfolgt etwa fünf Monate nach der Zeit der Saat. Die Erndte des Bergreises geschieht eben so, wie die des Sumpfreises, doch in Brasilien, wie Herr v. Martius erzählt, tritt man die Halme zur Erde nieder, damit sie wieder ausschlagen und, nach 1 bis 2 Monaten, noch eine Nach- erndte liefern. Das Trennen des Reises von der Aehre geschieht in verschiedenen Gegenden eben so verschieden, 352 wie dieses mit dem Ausdreschen des Weitzens geschieht. Auf Sumatra treten die Malayen die Aehren mit ihren Füfsen, indem sie sich mit den Händen an einer Bambus- stange festhalten. Der Reis in seiner Schale heifst im Malayischen Päd- dih (Paddee im Engl.), Palay im Tagallischen, und das Trennen der Körner von der Schale ist eine sehr harte Arbeit. In Gegenden, wo mehr Cultur herrscht, da hat man hiezu Maschinen in Anwendung gesetzt; doch der arme Indianer hat täglich diese Arbeit vor sich, wenn er seinen Reis essen will. Wenn bei den Bewohnern der Philippinischen Inseln am Tage vorher, oder des Nachts, der Palay nicht gestampft ist, so hat man am folgenden Tage nichts zu essen. Indessen man hat hiebei nicht blofs die Trägheit jener Leute zu bewundern, sondern in diesem Falle sind sie sogar zu entschuldigen, denn der Palay hält sich, der harten Schale wegen, viel besser, als der ausge- stampfte Reis. Das Stampfen des Palay oder des Päddih geschieht in grofsen Mörsern mit schweren Keulen von hartem Holze, und gewöhnlich gehört dieses Geschäft dem weiblichen Theile der Familie eines Hauses an, welche damit den dritten Theil der Nacht beschäftigt ist. Der gereinigte Reis giebt dem Maafse nach ungefähr die Hälfte des Palay’s; das Entfernen der Schalen geschieht durch. Werfen sehr leicht, weil die Reiskörner sehr schwer sind. Der Ertrag der Reiserndte ist nach der Feuchtigkeit der verschiedenen Gegenden sehr verschieden. Bergreis giebt gewöhnlich in neu bestelltem Boden, nämlich durch Abbrennen dichter Waldungen, 60- bis 80fachen Ertrag, doch in gedüngten Gegenden, wo man alljährig den Reis bauet, da mufs man mit einer 40fachen Erndte zufrieden sein. Der Sumpfreis giebt dagegen 100- bis 120fältigen Ertrag, indessen habe ich auch sehr fruchtbare Gegenden, z.B. an der Laguna de Bay, auf der Insel Lugon gesehen, wo der Sumpfreis nur 70fältig trägt. Aber auch auf den Philippinen giebt es Gegenden, wo der Sumpfreis durch 353 mehrfaches Verpflanzen, selbst einen 400fachen Ertrag liefert. Der Bergreis, obgleich .er weniger Ertrag giebt, ist besser und wird auch mehr geschätzt, weil er sich län- ger hält als der Sumpfreis. In denjenigen Ländern, wo die Reiscultur zu Hause ist, und wo der Reis das allgemeinste Nahrungsmittel ist, da ist auch die Benutzung dieses Getreides zu Speisen unendlich vielfach; im reinen Wasser abgekocht, ist es das gewöhnliche Brod für die Bewohner des östlichen Asiens. Aus Reismehl verfertigt man eine grofse Anzahl von Spei- sen, und die Bereitung der starken, geistigen Getränke aus dem Reise ist ebenfalls als bekannt vorauszusetzen. Der Wein der Chinesen, der sogenannte Samdschu, wird aus Reis gebrannt, und gleicht einem starken Arac; ob- gleich dieses Getränk so äufserst erhitzend ist, so wird es doch, auf der Tafel der Chinesen, stets kochend heifs getrunken. *) Sind die Reiserndten gut gerathen, so ist der Reis sehr wohlfeil; man bezahlt denselben, auf Manila z. B. mit S Real. im Durchsehnitte für die Cavan, welche 137 Span. Pfunde hält; demnach erhält man für einen Silbergroschen unseres Geldes mehr als 3 Pfund gereinigten Reis. In- dessen es giebt Zeiten und gewisse Gegenden, wo er nur halb so theuer ist, und dagegen wiederum Zeiten, inwel- chen er dreimal so theuer ist! Der Mays (Zea Mays L.). Der Mays hat in der neuen Welt allein sein Vater- land; er war dort, vor Ankunft der Europäer, **) das hauptsächlichste Getreide und ist es auch noch in den tro- pischen Gegenden dieses Continents. In dem heifsesten und feuchtesten Tropenclima gedeiht der Mays am besten, es giebt daselbst Gegenden, wo er das 800fache Korn ein- *) S. Meyen’s Reise. II. pag. 392. N) S. die ältesten spanischen Schriftsteller über Amerika, welche hierüber ganz genau berichtet haben. 23 354 bringt; in weniger fruchtbaren Ländern bringt er das 3- und 400fache Korn, und einhundertfältiger Gewinn dieses Getreides in tropischen Gegenden wird als eine schlechte Erndte angesehen. Weniger ergiebig ist die Mayscultur in der temperirten Zone; so liefert sie in Californien, zwischen 33 und 38° Breite, im Durchschnitte nicht mehr als das 70fache Korn. In noch kälteren Gegenden wird die Erndte noch weniger ergiebig, und hier werden unsere Getreide allmälich den Mays verdrängen, wie dieses z. BD. in Chile der Fall ist, wo der Mays gleichsam nur noch als Gemüse, und der Weitzen zum Brode gebraucht wird. Wir kennen nicht ganz genau die Polargrenzen der Mayscultur in der neuen Welt, doch so viel ist gewifs, dafs dieselben in den vierzigen der Breitengrade liegen; selbst auf der südlichen Hemisphäre, wo, besonders in Chile, durch viel- fache Ursachen, ein im Verhältnifs zur Breite viel niedri- geres Clima herrscht, da steigt die Mayscultur noch zum 40sten Grade südlicher Breite hinab. Auf der Westküste von Europa wird der Mays noch in 453° N. Breite eul- tivirt, am Rhein sogar noch bis zum 49sten Grade und selbst in unseren Gegenden, bis über 52° hinaus, werden in den Gärten noch sehr grofse und reiche Mayserndten gemacht; doch findet man bei uns weniger Geschmack für dieses schöne Getreide, und somit unterläfst man hier die Cultur desselben. Nur zur Verschönerung der Gärten benutzt man bei uns den Mays, und den herrlichen Ertrag gebraucht man alsdann zum Viehfutter. In dem fruchtba- ren Rheinthale, welches unter dem Namen der Bergstrafse bekannt ist, findet man für Deutschland die ausgebreitetste Mayscultur; jene Gegend ist aber auch die wärmste von ganz Deutschland. | | Schnell hat sich die Cultur des Mays über den alten Continent verbreitet und ist nach Indien, China und Japan auf einem Wege gekommen, welcher keine Tradition hin- terlassen hat. Die Malayen auf Sumatra und die Oceanier auf den Philippinen bauen den Mays, doch ist er bei ihnen keineswegs gewöhnliches Nahrungsmittel, welches der Reis 339 daselbst darbietet. Nach Japan soll der Mays schon vor 1200 Jahren gekommen sein; Herr von Siebold hat eine Schrift gesehen, worin die Angabe enthalten sein soll, dafs der Mays in jener Zeit durch das Meer an die Küsten von Japan getrieben sei, und dafs man ihn seitdem in Japan baue. Sollte wirklich bei der Benutzung jener japanischen Schrift keine Verwechselung der Begriffe stattgefunden haben, was jedoch Herr Klaproth, der genaueste Kenner jener morgenländischen Sprache, in der That behauptete, nachden: er selbst jene Schrift in einer Copie gelesen, so liefsen sich dennoch die allerwichtigsten Einwendungen gegen jene Angabe machen, so dafs gar kein Grund, daran ‚glauben zu müssen, übrigbleiben würde. Die Strömungen im stillen Meere gehen von der ame- rikanischen Küste ununterbrochen bis in die Gegend der Marianen; ein gut segelndes Schiff gebraucht zu dieser Strecke 2 Monate: wie ist es demnach möglich, dafs der Mays, dessen Körner durch Feuchtigkeit, wie alle übrigen Cerealien, so leicht Schaden nehmen, eine so lange Zeit hindurch, bei einem so hohen Grade von Wärme, im Salz- wasser liegen bleiben kann, ohne zu verderben. Es wäre - übrigens sehr sonderbar, wenn es wahr wäre, dafs der Mays durch Strömungen, von Amerika aus, nach Japan geführt wäre, ohne vorher nach den Südsee-Inseln, den Sandwichs- und den Societäts-Inseln besonders, zu kom- men und daselbst einheimisch zu werden. Ich kann mich demnach von dem Vorhandensein des Mays’s in Japan, seit so langer Zeit, nicht überzeugen, sondern glaube bestimmt annehmen zu können, dafs derselbe durch die Portugiesen nach Japan geführt ist. Aufserdem wird heutigen Tages der Mays in allen Ländern der tropischen und der temperirten. Zone gebauet, wo die Cultur der Europäer hingelangt ist; er ist indessen nicht im Stande die Cultur anderer, schon früher ange- baueten Cerealien zu verdrängen. Obgleich der Mays eine Pflanze ist, welche in dem heifsesten Clima am besten gedeiht, so steigt sie doch bis 23 * 396 zu einer unglaublichen Höhe auf die G ebirge x von Amerika. Nach Herrn Alex. v. Humboldt sind, auf dem Plateau von Mexico, noch in einer Höhe von 8680 Fufs die ausgedehn- testen Maysfelder zu finden, und in Peru, auf dem Wege von Lima nach Pasco, steigt die Mayscultur bis zu 3824 Meter, also fast bis auf 12000 Fufs Höhe, ja auf einem künstlichen Wege hat man, schon zu der Inca’s Zeiten, die Cultur des Mays, auf der Insel Titicaca, im grofsen See gleichen Namens erzwungen. Auf jener Insel, in einer Höhe von 12800 engl. Fufs, war der bekannte grofse Son- nentempel; in ihm brachten die Inca's dem Sonnengotte von eben demselben Mays zum Opfer, welcher auf der Insel gewachsen war, und der übrige ward durch die, dem Sonnendienste geweiheten Jungfrauen den übrigen Klöstern und Tempeln des Reichs überbracht, von wo aus er unter das Volk kam. Das Volk glaubte, dafs, wenn es nur ein Korn von diesem Mays erhielte, es ihm, für die ganze Lebenszeit, niemals an Brod Fahlen würde So wie unsere Getreidearten, so zeigt auch der Mays mehrere Varietäten, welche sich bald durch die Gröfse der Körner, bald durch die Schnelligkeit im Reifen aus- zeichnen; doch von allen Getreide- Arten, welche die ver- schiedenen Völker pflanzen, ist aufser dem Reise keine so ungleich in ihrem Ertrage, als gerade der Mays. Herr v. Humboldt sagt: *) „Auf demselben Boden wechselt er, nach den Veränderungen der Feuchtigkeit und der mittle- ren Temperatur des Jahres, von 40 bis 200 und 300 Kör- ner auf ein Korn Aussaat. Ist die Erndte gut, so gewinnt der Colonist durch diesen Culturzweig viel ansehnlicher, als durch den Weitzen, und man könnte sagen, dafs der Bau des Mays’s die Nachtheile und die Vortheile des Wein- baues hat.“ Die Art des Verbrauches des Mays ist bei den ver- schiedenen Völkern Amerika’s vielfach verschieden; schon die Peruaner und die Mexicaner bereiteten verschiedene DNB c.Dpar. 37. 357 Arten vonBrod aus dem Mays. Die Peruaner hatten eine Art, welche sie zum Opfern gebrauchten und Canen nann- ten, eine andere, welche sie als gewöhnliches Brod be- nutzten, Canta mit Namen, und dann noch eine dritte Sorte, welche sie bei ihren Feierlichkeiten gebrauchten. Noch heutigen Tages macht man in den verschiedenen Ländern von Amerika, wo die Mayscultur betrieben wird, eine sehr grofse Anzahl von verschiedenartigen Speisen aus dem Mays; sehr häufig ifst man ihn, ganz einfach mit Salz abgekocht, indem man den ganzen Kolben auf den Tisch bringt, und er schmeckt alsdann ähnlich unseren Graupen. Es ist hier nicht der Ort die Speisen zu beschreiben, welche aus den Nahrungspflanzen bereitet werden; wie allgemein aber der Gebrauch des Mays’s in den tropischen Ländern Amerika’s ist, das möchte daraus hervorgehen, dafs zu Anfange dieses Jahrhunderts, allein in Mexico, eine Masse von 800 Millionen Kilogrammen, also über 1600,000,000 Pfunde, bei einer Gesammt-Bevölkerung von vielleicht nicht mehr als 5000000 Menschen verbraucht wurde. Aber der Verbrauch dieses Getreides ist defshalb so grofs, weil in Gegenden, welche arm an Gras sind, selbst die Maulthiere damit gefüttert werden müssen; da-. her tritt aber auch die höchste Noth in diesem Lande ein, wenn einmal die Mayserndte nicht gerathen ist. Aufserdem wird der Mays zur Bereitung von ver- schiedenen gegohrenen Getränken benutzt, welche in Peru, ‘schon zu der Inca’s Zeiten, unter dem Namen Chicha bekannt waren. Die Chieha, welche als gewöhnliches Ge- tränk benutzt wird, gleicht unserem Weifsbier, oder noch mehr dem faden Getränke, welches auf einigen Punkten von Deutschland unter dem Namen Broihan bekannt ist. Andere Chicha- Arten schmecken wie Cider, und durch hohes Alter werden sie sehr geistreich; ich habe etwas Cider der Art, welcher in einem alten Grabe gefunden war, und wenigstens 300 Jahre alt sein mufste, geschmeckt und ihn dem Alkohol ähnlich gefunden. Auf dem Abhange der Cordillere ist überall Ueberflufs an Chicha de Mays, 395 wärend auf den Plateau’s andere Getränke beliebt sind; in Mexico z. B. der Pulque, und in Peru eine Chicha de _Quinoa u. Ss. w. Der Stengel des Mays ist äufserst zuckerreich, und derselbe wird nicht nur in einigen Gegenden zur Berei- tung eines honigartigen Saftes benutzt, sondern die Sten- gel werden auch, ähnlich wie bei dem Zuckerrohre, zer- quetscht und ein wohlschmeckender Brandwein wird dar- aus bereitet, welcher in Mexico Pulque de Mahio oder Pulque de Tlaolli heifst. Gegenwärtig werden in unseren Gärten mehrere Va- rietäten des Mays gezogen, welche sich durch aufserordent- liche Höhe und vorzügliche Schönheit der Blätter aus- zeichnen, so dafs dadurch unsere Zierpflanzen einen köst- lichen Zuwachs erhalten haben. In Südamerika sind der Abarten des Mays’s unendlich vielfache, und in heifsen und fruchtbaren Gegenden, wie an einzelnen Punkten des nörd- lichen Chile's, sind Mays-Pflanzen von 10 und 15 Fufs Höhe gar nicht selten. Anmerk. Ueber den Mays ist aufserordentlich viel geschrieben, und in sehr verschiedenen Staaten hat man versucht, dieses schöne Getreide allgemein anzubauen und es als gewöhnliches Nahrungsmittel ein- zuführen. Eines der gröfsten Werke über diesen Gegenstand ist die Schrift von Parmentier (Le Mais ou Ble de Turque, ä Paris 1812. 8. 1 Vol.), woselbst auch dıe alten spanischen Schriftsteller, welche über den Mays geschrieben haben, ausführlich citirt worden sind (s. daselbst p. 14— 19). Auch ist zu nennen: F. de Neufchateau Supplement au Me&moire de M. Parmentier sur le Mais. Paris 1817. Aufser diesen schon genannten Cerealien gedenke ich hier noch der Hirse-Arten, welche in den südlichen und östlichen Gegenden der alten Welt allgemein im Ge- brauche sind, selbst noch in dem subtropischen Theile von China und Japan. Die Mohren-Hirse oder das Neger-Korn *) wird in allen. heifsen Gegenden von Afrika, im südlich- sten Europa, vorzüglich in Portugal, im ganzen Morgen- *) Sorghum vulgare WVilld. lande und in Ostindien gebauet. Es ist eine Pflanze der heifsen Gegenden, doch sind ihre Grenzen noch nicht be- stimmt; in Ostindien, wo dieses Getreide sehr viel gebauet wird, und oft die allgemeine Nahrung ist, besonders da, wo der Reis nicht mehr eultivirt wird, da steigt das Ne- ger-Korn bis auf bedeutende Höhen hinauf. Das Vaterland dieser Pflanze ist unbekannt, doch scheint sie, wie es der Name sagt, aus Afrika gekommen zu sein, und dort ist sie auch von eben derselben Wich- tigkeit, wie bei uns der Weitzen. . Die vielen Hirse- Arten mit kleinem Korne, welche sowohl bei uns, wie in ganz Europa, in Ostindien, China und Japan, und auf den Inseln des Indischen Archipels eultivirt werden, als Panicum miliaceum, P. germanicum, P. frumentaceum, P. miliare und P. italicum, sind zwar äufserst wohlschmeckend, werden jedoch nur in einigen Gegenden Indiens als allgemeine Nahrungsmittel benutzt. Nachdem wir hier die vorzüglichsten Cerealien und deren Verbreitungs-Bezirke kennen gelernt haben, möchte es nicht am unrechten Orte sein, wenn wir die Frage aufstellten, auf welchem Wege wohl die Menschen dazu gekommen sind, um dergleichen Gräser, oft mit so klei- nen Samen-Körnern, im Grofsen anzubauen, um sich da- durch den sichersten Schutz gegen Hungersnoth zu berei- ten. Würden diese nahrhaften Gräser in ihrem wilden Zustande einzeln und zerstreut gewachsen sein, so wäre dies allerdings schwer zu begreifen, indessen die Sache verhielt sich wohl anders. Wir haben weiter oben, als wir von dem Vaterlande des Reises sprachen, die wilden Reisfelder kennen gelernt, welche Herr von Martius am Rio Madeira gefunden hat, in welchen die Bewohner jener Gegenden fast eben so erndten, wie andere Leute 'n ihren künstlichen Feldern. Wir wollen ein ähnliches Beispiel aus unserem Vaterlande nehmen. Es wächst nämlich bei uns die Glyceria fluitans *) *) Festuca fluıtans L. 360 an den Rändern der stehenden Gewässer, so wie auf sehr feuchten Wiesen, wild; bei uns um Berlin, wo diese Pflanze einzeln wächst, erkennt Niemand in ihr den wohl- sehmeckenden Saamen, welchen sie in ihrer Rispe trägt; weiter östlich aber, in Ost-Preufsen, in Masuren und ın den Weichsel-Niederungen, da wächst sie oft in so gro- {sen Massen, dafs man ihre Saamen mit grofsem Vortheil einerndtet, ohne die Pflanze vorher gesäet zu haben. Die- ses Gras giebt bekanntlich die feine Schwaden- Grütze, aus welcher noch mehrere andere feine Grützen gemacht werden. Wo also Gräser mit einem nahrhaften Saamen in-grofsen Massen wild wuchsen, da mufste es dem Men- schen sehr bald einfallen, dergleichen natürliche Saatfelder nachzuahmen, und sie nach denjenigen Plätzen hin zu verpflanzen, welche ihm am bequemsten schienen, theils um sich daselbst gegen die Witterung, theils um sich ge- gen Feinde zu schützen. Somit waren feste Wohnsitze und Ackerbau erfunden. Alle Völkerschaften, welche einen Grad von Bildung erlangt haben, haben stets den Ackerbau hochgeschätzt, und ihn als die Grundlage allen Wohlstandes angesehen, daher sie auch den Erfinder oder den Ueberbringer des- selben für heilig hielten und in ihm eine Gottheit erkann- ten. In dem grofsen chinesischen Reiche ist noch jähr- lich ein Festtag, an welchem der Kaiser von China in seınem Garten, am nördlichen Thore von Peking, den Acker-Pflug mit eigener Hand führt, wärend in allen Pro- vinzen seines Reiches die hohen Beamten, an des Kaisers Stelle dieselbe Ceremonie ausüben, um damit zu zeigen, in welchem Grade der Ackerbau hochgeschätzt werden soll. Betrachten wir noch schliefslich die Cerealien in Hin- sicht ihres Ertrages, um zu sehen, welche von ihnen, bei der wenigsten Aufopferung, die gröfste Erndte geben, so ergiebt sich aus den vorigen Mittheilungen, dafs der Mays obenan steht, dafs dann der Reis und darauf erst die übri- gen Getreide- Arten kommen. N — — 361 Die Quinoa (Chenopodium Quinoa W.). An die Cultur der Getreide- Arten schliefst sich die einiger anderer Pflanzen, welche ich hier als Anhang auf- führe, indem dieselben ganz in der Art angebauet werden, wie es bei den wirklichen Getreide- Arten der Fall ist. - Die Quinoa ist zwar eine Getreide-Pflanze von ziem- lich beschränktem Vorkommen, indessen für diejenigen Gegenden, wo dieselbe angebauet wird, ist sie neben den Kartoffeln das gröfste Geschenk, welches die Natur den Menschen gemacht hat. Ueberall auf den Hochebenen des südlichen Peru, über die Höhen hinaus, wo der Roggen und die (erste noch reifen, da wird das Chenopodium Quinoa W. der Gegenstand des Ackerbaues im Grofsen, und auf dem Plateau von Chuquito, gegen 13000 Fufs hoch, findet man die unabsehharsten Felder, welche ganz mit dieser Pflanze bedeckt sind, der Landschaft aber kei- neswegs den schönen Anblick gewähren, welchen bei uns die grünenden Saaten darbieten. Auf gutem Boden er- hält die Pflanze eine Höhe von 3 bis 4 Fufs und trägt eine aufserordentlich grofse Menge von Saamen, welche leider, lange Zeit hindurch, einer unendlichen Schaar von sperlingsarigen Vögeln zur Nahrung dienen, indem die Pflanze das Uebele hat, dafs die Saamen nicht alle ganz zur gleichen Zeit zur Reife kommen. Die Blätter der Quinoa werden sehr gewöhnlich ge- gessen als Kohl, und geben eine Nahrung, welche derje- nigen unseres Chenopodium viride sehr ähnlich ist, das bekanntlich von den ärmeren Menschen unseres Vaterlan- des als Spinat gegessen wird, und so, wie auch diese Pflanze sehr häufig eine Abart mit ganz rothgefärbten Blättern zeigt, ebenso findet man es auch an der Quinoa nicht selten. Die Quinoa wird auch heutigen Tages im südlichen Chile angebauet, aber sicherlich ist sie früher, vor der Bekanntschaft mit unseren Gräsern, ein viel allgemeineres Nahrungsmittel gewesen, und zwar nicht nur in Chile, 362 sondern auch in Peru, wo die Quinoa überall, wo das Clima die Cultur unserer feinen Cerealien erlaubt, durch diese verdrängt wird. Diejenige Abart dieser Pflanze, welche, nach Molina, von den Indiern Chile’s mit dem Na- men Dahue belegt wird und aschgraue Blätter und weifse Saamenkörner trägt, ist die gewöhnliche, welche um den See von Titicaca gebauet wird. Die kleinen mehligen und sehr öhlreichen Saamenkör- ner der Quıinoa bieten ein sehr wohlschmeckendes und nahrhaftes Lebensmittel dar, und es bildet dieses auch, bei jenen armen Bewohnern der Hochebene des südlichen Peru, neben der Kartoffel die gewöhnliche Nahrung. Die Zubereitung dieser Speise ist sehr verschieden, bald werden die Saamen zwischen Steinen zerquetscht, und als Suppe oder Brei gekocht, bald wird das Mehl gerö- stet und bildet dann die Chocolate der Hochebene, bald wird es zur Bereitung der berühmten Chicha de Quinoa benutzt u. Ss. w. Auf den Hochebenen des Himalaya, im südlichen Asien, wird eine ähnliche Pflanze als die Quinoa, nämlich der Amaranthus fariniferus, in eben derselben Art angebauet, und der Nutzen, so wie die Art der Benutzung dieser Saamen wird wohl bei den beiden Pflanzen sehr ähnlich sein. Buchweitzen (Polygonum Fagopyrum et spec. var.). Der Buchweitzen ist eine Frucht, welche in sehr vie- len Gegenden des nördlichen Europa’s mit grofsem Vor- theile angebauet wird, da derselbe fast mit dem schlech- testen Boden verlieb nimmt. Wir haben den Buchweitzen aus dem Inneren von Asien erhalten, und er ist, nach Beck- mann’s Untersuchungen über diesen Gegenstand, nicht vor dem Anfange des 16ten Jahrhunderts bei uns in Europa bekannt gewesen. Das Vaterland der Pflanze ist zwar nicht ganz genau bekannt, indessen scheint es in den nordwestlichen Gegenden des Chinesischen Reiches zu su- chen zu sein. Auch bei uns kennt man, schon seit lan- gen Zeiten, eine andere Art von Buchweitzen, nämlich das TE EEE EEE 363 Polygonum tataricum, welches vorzugsweise mit Sandbo- den zufrieden ist, und im südlichen Sibirien, jenseits des Baikal - Sees und am Janisei wild wächst. Auch dort, wo diese Pflanze wild vorkommt, werden ihre Saamen ein- geerndtet, so wie man es bei uns mit dem Saamen der Glyceria fluitans, und die Amerikaner mit dem wilden Reise machen. Im hohen Gebirgslande des südlichen Asiens, da scheint diese Gruppe der Gattung Polygonum, welche den Buchweitzen liefert, eigentlich zu Hause zu sein, denn dort werden, in den mehr oder weniger hochgelegenen Plateau’s, gar sehr verschiedene Arten von Polygonum gebauet, und diese bilden häufig die gewöhnlichste Nahrung der Bewoh- ner jener Gegenden. | Die Cultur der vorzüglichsten Knollen - WVurzeln. Die Kartoffel (Solanum tuberosum L.). Nachdem wir die Cerealien der alten und der neuen Welt kennen gelernt haben, schliefsen wir an diese die Betrachtung der Kartoffeln, womit die alte Welt von Ame- rika aus beschenkt ist. Es ist wahr, dafs sich Wohlstand und Cultur auf der alten Welt entwickelt haben, auch ohne die Bekanntschaft mit der _Kartoffel, doch die allgemeine Verbreitung dieser Nutzpflanze unter unsere Völker, hat eine vollkommene Umwälzung in unserem. Ackerbau-Systeme hervorgerufen, und hat das kräftigste Mittel an d’e Hand gegeben, um allgemeiner Hungersnoth, woran früher so häufig die Bewohner Europa’s litten, in deren Folge die schrecklichsten Seuchen einzogen, entge- gen zu wirken. Der Noth des armen Menschen ist durch die Kartoffel-Cultur so ziemlich abgeholfen, denn derglei- chen Fälle sind seit jener Zeit, in welcher die Kartoffel bei uns gebauet wird, noch nicht vorgekommen, dafs un- sere Getreide- Arten und auch die Kartoffel zu gleicher 364 Zeit misrathen sind. Gewöhnlich pflegt der Ertrag der Kartoffeln um so ergiebiger zu sein, wenn die Erndte des Getreides fehl schlägt; aber schon jetzt sehen wir, dafs die höchste Noth bei dem Landmanne und dem armen Menschen eintritt, wenn die Kartoffel misrathen ist, ein Fall, der zwar selten kommt, sich aber doch z. B. im Sommer von 1834 an vielen trockenen Gegenden einge- stellt hat. Auf eine so entschiedene Weise hat schon jetzt die Einführung der Kartoffel-Cultur in unsere Verhältnisse eingegriffen, und dieses mufs, bei dem beständigen Zuneh- men der Bevölkerung, mit der auch die Anzahl der Ar- men wächst, immer mehr und mehr zunehmen. In Irland, dem unglücklichen Irland, da ist die Kartoffel und Hafer- Brod die gewöhnliche Nahrung, und würde jene einmal misrathen, so müsten Hundert Tausende des Hungertodes sterben. Aber wie vielfach greift auch bei uns die Kar- toffel, als Nahrungspflanze ein; aufserdem, dafs wir sie fast täglich essen, dafs selbst in vielen Provinzen das Rog- genbrod mit Kartoffeln vermischt wird, giebt die Berei- tung des Stärkemehls, des Sago’s, des Brandwein’s, des Weines und sogar des Zuckers eine Quelle des Unterhal- tes für Millionen. Ja Fleisch, Milch, Butter und Käse, alles dieses kann heutigen Tages nur durch den Kartofiel- Bau so wohlfeil erhalten werden. | Die künstliche Verbreitung der Kartoffel giebt reichen Stoff zu belehrenden Betrachtungen, welche, speciell zu verfolgen, hier allerdings nicht der Ort ist. Es ist sehr ‚auffallend zu sehen, wie eine Pflanze, welche in den kal- ten Regionen der Cordillere von Südamerika zu Hause ist, wie diese Pflanze, auf eine unbegreiflich schnelle Weise, in so kurzer Zeit für ganze Welttheile die allgemeinste Nahrung geworden ist, In ganz Europa, von Hammerfest in Lappland an, unter 71° nördlicher Breite, auf Island und den Färöern, wird die Kartoffel angebauet, und auf den niedern Plateau’s von Indien, in China, Japan, auf den Südsee-Inseln und in Neu-Holland, wie auf Neu-Seeland ist die Kartoffel-Cultur eingeführt. In Sachsen wird die 365 Kartoffel erst seit 1717 im Grofsen gebauet; in Schott- land seit 1728 und in Preufsen seit 1738 *). Aufserdem ist es bekannt, mit welchem Widerwillen die Landleute damals, selbst bei uns, die Cultur der Kar- toffel betrieben; ja Friedrich der Grofse mufste die Pommern mit Gewalt zur Annahme dieser grofsen Wohl- that zwingen. Ueber die Ausdehnung des Vaterlandes der Kartoffel ist man leider noch nicht im Reinen; gewifs ist es, dafs diese Pflanze, vor der Entdeckung von Amerika, in den kälteren Regionen der Cordillere von Südamerika cultivirt wurde, dafs sie aber den Mexicanern unbekannt war, ist eben so gewifs. Noch heutigen Tages bildet die Kartoffel, Papa in der alten peruanischen Sprache, die Hauptnah- rung auf der Hochebene von Peru; und an den Ufern des See’s von Titicaca werden diese Erdfrüchte noch gegen- wärtig, ganz so wie zur Zeit der Inca’s, mit der gröfsten Sorgfalt gepflanzt, wie dieses selbst in unserem Lande noch nicht stattfindet. Auch in Chile wurde die Kartoffel gebauet und sie hiefs daselbst Pogni, wodurch sie von Maglıia, der wilden Kartoffel, welche nur kleine und bit- tere Knollen hervorbringt, unterschieden wurde. Wäre die Kartoffel von Chile nach Peru gewandert, so hätte sie wahrscheinlich ihren chilenischen Namen behalten; indes- sen diese Vermuthung ist nicht mehr nöthig, denn die Kartoffel wächst sowohl in Chile, als in Peru wild, ich selbst habe sie, auf der Cordillere dieser beiden Länder, auf zwei verschiedenen Stellen gefunden, und Ruiz und Pavon geben die Berge von Chancay an, wo die Kartoffel im wilden Zustande zu finden ist. Wie ich schon vorher bemerkt habe, so ist es ganz gewifs, dafs die Mexicaner vor Ankunft der Europäer die *) Siehe Beckmanns Grundzüge der deutschen Landwirthschaft, 1806 — J. Banks An attempt to ascertain the time of the introduction of potatos, 18098 — Lambert, Descript. of the gen. Pinus etc., Sec. Ed. II. App. pag. 11, wo noch Montevideo, Lima und andere Oerter als Vaterland der Kartoffel nachgewiesen sind. 366 Kartoffel nicht cultivirt haben, und wie man glaubt, so ist dieselbe auch in den Gebirgen von Mexico nicht zu Hause. Zwar hat Herr Schiede *) auf dem Feuerberge von -Orizaba eine Kartoffel, im wilden Zustande gefunden, welche zu uns geschickt wurde und hieselbst angepflanzt ist; indessen von allen Seiten entstehen Zweifel, ob diese Kartoffel wirklich das Solanum tuberosum ist, es scheint vielmehr gewifs zu sein, dafs es eine andere Species ist. Obgleich nun der Verbreitungs-Bezirk der Kartoffel, vor der Wanderung der Europäer, nach Amerika, durch das Fehlen dieser Pflanze in Mexico unterbrochen wurde, so sind doch verschiedene Quellen vorhanden, welche den Anbau, oder vielmehr das Vorhandensein dieser Pflanze in einigen Gegenden von Nordamerika zu beweisen scheinen, und allem Anscheine nach, haben wir Europäer die Kar- toffel gerade aus Nordamerika erhalten. Die Colonisten, welche im Jahre 1584 nach Virgi- nien gekommen sind, haben die Kartoffel daselbst gefun- den **), und Schiffe, welche im Jahre 1586 aus der Bay von Albemarle zurückkehrten, haben die ersten Kartoffeln nach Irland gebracht ***); demnach möchte die Geschichte, dafs Franz Drace die Kartoffeln nach Europa gebracht hat, so ziemlich erdichtet sein. In der Beschreibung jener merkwürdigen Reise des englischen Korsaren, steht wenig- stens davon kein Wort, und als Drace, bei seiner Rück- kehr nach England, wo er bekanntlich in die Temse mit seidenen Segeln, aus dem Raube der spanischen Gallone von Manila, einfuhr, von der Königinn Elisabeth auf sei- nem Schiffe mit einem Besuche beehrt wurde, da kamen alle die Speisen und alle Früchte auf die Tafel, welche jener Weltumsegeler mitgebracht hatte. Bei der Beschrei- bung von jenem Gastmahle werden die Speisen alle ge- nannt, aber von der Kartoffel ist dabei nicht die Rede. So ist der Name des Mannes verloren gegangen, welcher *) Linnaea von 1829, p. 227. ”) $S. A. v. Humboldt’s Neu -Spanien, Ill. p. 75. ”) S. Beckmann, Grundzüge u. s. w. p. 289. 367 die gröfste Wohlthat nach Europa gebracht hat. Wäre es aber Elend, wäre es Krieg mit blutigen Schlachten ge- wesen, so würden alle historischen Werke jener Zeit da- von erfüllt sein. Man wundere sich nicht, dafs die Kar- toffel, nicht eben so schnell wie der Mays und die süfse Kartoffel durch die Spanier nach Europa gebracht worden ist, denn diese Pflanze ward auf der Westküste von Süd- amerika gebauet, und die Reisen um Cap Horn dauerten damals noch zu lange, und waren auch zu selten, um auf diesem Wege die Kartoffel nach Europa zu senden. Die Art der Benutzung der Kartoffel setze ich als bekannt voraus; in ihrem Vaterlande, bei den Gebirgsbe- wohnern von Südamerika, finden sich hierin noch einige Eigenthümlichkeiten. Unter den vielfachen Abarten, welche auch dort, in Amerika, gezogen werden, ist eine kleine, sehr süfse Kar- toffel, hauptsächlich zum Rösten auf Kohlen im Gebrauche. In den Städten Puno und Chuguito, an den Ufern des See’s von Titicaca, erhält man zu jeder Tageszeit diese gerösteten Kartoffeln vom frischen Kohlenfeuer, ebenso, wie im südlichen Europa die gerösteten Castanien. Eine sehr gute Methode des Aufbewahrens der Kar- tofiel für spätere Zeiten besteht in jenen Gegenden, indem man daselbst die Kartoffeln in Scheiben schneidet, und diese zu einer bedeutenden Härte trocknet. Auf Reisen sind diese Scheiben sehr vortheilhaft. Die Arum- oder Aron’s - Wurzeln. Die Wurzeln verschiedener Arum-Arten werden in den heifsesten Gegenden der Tropen mit aufserordentli- ‘cher Sorgfalt eultivirt, und sie sind in diesen Gegenden die hauptsächlichsten Nahrungsmittel, oft noch mehr, als es die Kartoffel, oder auch das Brod bei uns ist. Man bauet die Arum-Wurzel in den verschiedensten Gegenden der beiden Continente; das Arum macrorrhizon und das Caladium esculentum fanden wir auf den Sandwichs - In- -seln, und beide Arten werden auch auf den Fıeundschafts- 363 Inseln eultivirt. Das Arum macrorrhizon ist vorzüglich in Ostindien und China zu Hause, woselbst auch das Arum Colocasia, welches aus Afrika dorthin gebracht sein soll, gebauet wird. Arum macrorrhizon und das Caladium acre Brown werden auch in den tropischen Gegenden von Neu-Holland gebauet, dagegen. ist Caladium esculentum auch auf den Indischen Inseln, in Westindien und an ver- schiedenen Punkten des Festlandes von Amerika zu finden. Wenige andere Cultur-Pflanzen brauchen einen so hohen Grad von Wärme, als eben diese Arum-Arten mit grofsen, mehligen Wurzelknollen. Europa besitzt hievon keine Art. Zwar liegen die Sandwichs-Inseln, wo diese Pflanzen besonders gut gedeihen, an der Grenze der Tro- pen und erfreuen sich überhaupt eines sehr angenehmen Clima’s, ohne dabei die grofse Hitze anderer tropischen Gegenden zu besitzen; doch, wie wir früher gesehen ha- ben, so beträgt die mittlere Wärme von Hawaii 19,12° R., und mehr als 5 Monate lang im Jahre, steht daselbst die mittlere Temperatur über 20° Reaum. Alle die Wurzeln der Arum-Arten haben ein schar- fes, etwas giftiges Princip, welches jedoch der Substanz so locker anhängt, dafs es schon bei dem Trockenen, oder durch Kochen und Backen sich verliert, und dann ist die Wurzel gänzlich unschädlich. Die Cultur der Arum- Arten findet in derselben Zone statt, wo Pisange, Zuckerrohr und Cocos - Palmen gezogen werden, doch gehen die Pisange und das Zuckerrohr viel weiter über die Tropen hinaus. Keine andere Cultur-Pflanze möchte der Landschaft einen so angenehmen Ton geben, als eben die Arum- Felder, welche umkränzt sind von Pisang und von Zucker- rohr, deren verschiedenartiges Grün so angenehm gegen einander contrastirt. Auf den Sandwichs-Inseln heifsen die Arum- Arten Tarro, und die Felder, welche damit bepflanzt sind, wer- den Tarro-Felder genannt. Diese Felder sind gewöhnlich viereckige Stücke Land, etwa 45 bis 50 Fuis im Geviert; 369 sie sind 2 bis 3 Fufs tief ausgegraben und so gelegen, dafs irgend ein fliefsendes Wasser in dieselben hineinge- leitet werden kann. Gewöhnlich sind diese Bassins terras- senförmig über einander angelegt, so dafs das Wasser aus dem höher gelegenen in ein tieferes geführt werden kann, und die Ränder derselben, welche zugleich das Eigenthum der verschiedenen Besitzer von einander trennen, werden gewöhnlich als Fufsstege benutzt, wenigstens ist dies in reich bebauten Gegenden der Fall. Die Bassins der Tarrofelder sind so tief, dafs die Blätter der Pflanzen nur wenig über die Oberfläche der- selben hinausragen; die Pflanzen sind etwas weitläufiger gepflanzt, als bei uns die Kartoffeln, etwa so, wie die Kohlköpfe auf unseren Feldern. Ebenso wie bei uns der- ‚gleichen Cultur-Pflanzen, welche auf starke Wurzelaus- bildyng besonders gezogen werden, nicht für gewöhnlich Früchte tragen, so sieht man auch unter den Tarropflan- zen nur äufserst selten, dafs einige in Blüthe stehen, und diese stehen dann verwildert in der Nähe der alten Tar- rofelder, tief im Wasser, wie unser Acorus Calamus. Die Knolle dieser Tarropflanze erhält die Gröfse ei- nes kleinen Kinderkopfes, und gekocht, oder gebacken in heifser Erde, hat sie grofse Aehnlichkeit mit der süfsen Kartoffel, doch möchte sie noch feiner sein im Geschmacke und vielleicht auch noch nahrhafter. Eine Varietät des Arum macrorrhizon bauet man auch auf trockenem Lande, und sogar in Höhen über 800 und 1000 Fufs hinaus, Auch diese Pflanze, deren Knolle nie so grofs und wohl- schmeckend wird, als die nasse Tarro, mufs aufserordent- lich feucht gehalten werden; zu diesem Zwecke pflegt man jede einzelne Pflanze mit einer kleinen Vertiefung zu umgeben, damit man um so mehr Feuchtigkeit um ihre Wurzel anhäufen kann. Auf Oahu hörte die Cultur der Pisange mit derjeni- gen der Tarro auf gleicher Höhe auf, über 800 Fufs hin- aus findet man weder nasse Tarro noch Pisange. Die Zubereitung der Tarro ist, wie schon vorher be- 24 merkt wurde, sehr vielfach; am gewöhnlichsten ifst man sie, nachdem sie abgekocht oder gebacken ist, wie Brod mit oder ohne Salz. Auch schneidet man die Knollen in Scheiben und bratet diese mit Fett. Am gewöhnlichsten ist es aber, dafs man die Tarro abkocht und sie dann zu einem dicken Breie zerquetscht. Zu diesem Breie, aus der nassen Tarro bereitet, giefst man noch mehr Wasser und läfst dann die Masse in Gährung übergehen, was gewöhn- lich schon innerhalb 24 Stunden erfolgt. Dieser gegoh- rene halbdicke Brei wird Po& ‚genannt und er ist die Lieblingsspeise der Sandwich’s-Insulaner, von dem sie oft ganz unglaubliche Massen verschlucken. Da der Gebrauch der Löffel in allen den Gegenden, wo Tarro eultivirt wird, noch unbekannt ist, so wird dieser Brei mit den Fingern gegessen, was sehr abschreckend aussieht. Aufser der Knolle werden auch die jungen Blätter der Tarro-Pflanzen benutzt, und zwar als Kohl, doch da sie eine Menge Fett erfordern, sind sie nicht so allge- mein im Gebrauche. Gewöhnlich ist es, dafs bei Gele- genheit, wenn ein Schwein in der Erde gebraten wird, der Bauch desselben ganz mit diesen Blättern angefüllt wird, welche dann auch als ein recht gutes Gemüse zu betrachten sind. Die Tarro und einige Bananen, eine Cocos-Nufs, oder eine geröstete Brodfrucht, dies sind die gewöhnlichen Nahrungsmittel der Bewohner der Südsee - Inseln; das Fleisch der Schweine und der Hunde kommt überall da, wo durch Missionaire die christliche Religion ohne vor- herige Begründung des Wohlstandes und der Bildung des Volkes eingeführt ist, nur noch den Reicheren zu. Die süfse Kartoffel, die Yam’s und dergleichen Knollen mehr, sind auf den Südsee-Inseln weniger als gewöhnliches Nah- rungsmittel im Gebrauche, als die Tarro. Die Manioc- oder Mandiocca - Pflanze. Die Wurzel der Manioca-Pflanze ist eins der wich- tigsten Nahrungsmittel in den tropischen Gegenden von Amerika, und es scheint sehr gewifs zu sein, dafs diese Pflanze der neuen und nicht der alten Welt angehöre, we- nigstens sind die, übrigens sehr gangbaren Meinungen, dafs die Manioc-Pflanze, von Guinea aus, nach Amerika ge- bracht ist, ganz und gar ohne Beweise. Die Manioca- Pflanze wächst in eben derselben Zone,-wo die Bananen reifen, doch steigen diese noch weiter auf die Gebirge hinauf, als die Manioca. Nach Herrn von Humboldt steigt die Manioca, in den Gebirgen von Mexico, nicht über 6+ bis 800 Metres, wärend die Banane ‚noch viel weiter hin- aufreicht. Es werden von den Bewohnern Amerika’s zwei Ar- ten der Manioc - Pflanze cultivirt, die eine nennen die Spanier die Juca dulce *) und. die andere Juca amarga. Die Botaniker verbanden früher diese beiden Pflanzen un- ter Jatropha Manihot, und hielten sie für Varietäten, doch Pohl, der lange in Brasilien umhergereist ist, glaubt, dafs sie systematisch verschiedene Arten sind, und nennt die bittere Manioc-Pflanze Manihot utilissima, die süfse da- gegen Manihot Aipi. Die Wurzel der letzteren Pflanze ist durchaus unschädlich, wärend. diejenige der anderen Art ein schnell wirkendes Gift ist, wenn der giftige Saft derselben nicht vorher auf das sorgfältigste von dem Mehle derselben abgesondert ist, was indessen schon durch blo- fses Ausdrücken der zerriebenen Wurzel bewirkt wird. Aus dem Mehle der Manioc - Wurzel bereitet man Brod, welches Cazavı und Cassave (Pan de tierra caliente der Spanier) genannt wird, und äufserst nahrhaft und wohl- schmeckend ist. Man ist geneigt dem Zucker und einem klebrigen Stoffe diese Nahrhaftigkeit zuzuschreiben, letz- terer soll einige Aehnlichkeit mit dem Caoutchoue haben, der überhaupt allen Pflauzen aus der Familie der Tithyma- loiden gemein ist. Die Cassave-Brode haben gewöhnlich die Form eines Diskus, welche Turtas heifsen; sie haben 48 — 20 Zoll im Durchmesser und 3 Millimeter Dicke. *) Juca ıst der Name dieser Pflanze in der Sprache von Haiti. S% 24 * 372 Ein Pfund von diesem Brode ist einem eingeborenen Amerikaner zur täglichen Nahrung hinreichend. Sehr häufig wird auch das feine Stärkemehl der Manioc- Wurzel als Mehl benutzt, und dieses, welches selbst in Europa unter dem Namen Tapioca-Mehl bekannt ist, bildet in verschiedenen Ländern sehr bedeutende Zweige des Han- dels. Es kommt auch sogenannter Manihot-Sago zu uns in den Handel, welcher eben aus diesem Stärkemehl berei- tet ist. Das Mehl von geriebenem, gedörrtem und geräu- chertem Manioc ist unzerstörbar, was in tropischen Ge- genden von gröfster Wichtigkeit ist, und daher ist es besonders gut auf Reisen zu gebrauchen. Der Anbau der Manioca - Pflanzen erfordert schon mehr Fleifs und Geduld, als derjenige der Pisange. Die Manioca gedeiht am besten in trockenem und erhabenem Grunde, *) in feuchten Niederungen wird die Wurzel aufser- ordentlich grofs und neigt zur Fäulnifs, wenn man nicht den gehörigen Zeitpunkt der Erndte wahrnimmt. Die Pflanze wird durch Stecklinge cultivirt, doch rei- fen die Wurzeln derselben, nach den verschiedenen Abarten und Wärmegraden in sehr verschiedenen Zeitperioden. Es giebt eine Abart in Brasilien, welche schon in 6 bis 8. Monaten grofse Wurzeln liefert; in Mexico scheinen neun Monate bis zur Erndte die gewöhnliche Zeit zu sein, doch giebt es auch solche Abarten, deren Wurzeln erst in 15 und in 18 Monaten ausgegraben werden können. Aufser dem Mehle der Manioca- Wurzel gebraucht man auch den ausgeprefsten Saft der Juca amarga, welcher gerade jenen giftigen Stoff enthält, der sich aber im Feuer, durch langes Sieden zersetzt. Der eingedickte Saft ist von brauner Farbe und bildet eine Art von Souy, welcher mit einer eingediekten Fleischbrühe Aehnlichkeit hat. Nicht genug kann man die herrliche Manioca- Pflanze rühmen; die Indianer, welchen das Glück zu Theil gewor- den ist, diese Pflanzen anzubauen, haben darin einen Ersatz *) S. Spix und Martius Reise. TI. pag. 875. | 373 für den Reis und die anderen Cerealien der alten Welt. Freilich ist der Nutzen, welchen die Cultur dieser Pflanze gewährt, nicht so schnell erfolgend, als bei anderen Cultur- Pflanzen, und defshalb ist schon einige Cultur bei einem Volke erforderlich, wenn es sich zum Anbau einer solchen Pflanze entschliefsen soll, welche erst nach 8—18 Mona- ten efsbare Wurzeln trägt. Die Batate oder Camote (Convolvulus Batatas L. und Ipomoca tuberosa L.). Die Batate wird in den spanischen Colonien, fast ganz allgemein, Camotes genannt, und zwar von dem azteki- schen Worte Cacamotic; *) es ist eine Pflanze der neuen Welt und, wie es sehr wahrscheinlich ist, auch der Süd- see-Inseln. Auf den Sandwichs-Inseln, schon lange vor der Ankunft der Spanier und Engländer, war die Cultur der Camote allgemein ausgedehnt. Es verlangt diese Pflanze eine sehr grofse Wärme, und sie wird in allen Gegen- den der Tropen eultivirt; da sie aber nur einjährig ist, so kann sie auch noch aufserhalb der Wendekreise, näm- lich überall da gebauet werden, wo die Wärme des Som- mers gleich jener unter den Tropen ist. Ja selbst auf Neu-Seeland fand man die süfse Kartoffel eultivirt. Die Camote trägt Wurzeln, welche mit denen der Kartoffel sehr ähnlich sind, aber einen süfseren Geschmack haben, so dafs sie auch im Allgemeinen süfse Kartof- fel genannt wird. Am besten gedeiht die Camote in einem heifsen aber trockenen Clima; hier erreichen die Knollen eine Gröfse von 2, 3 und von 4 Fäusten, sind mehlig und von dem angenehmsten Geschmacke, so dafs sie den Kartoffeln weit vorzuziehen sind; besonders in heifser Asche gebacken, schmecken sie am besten. In dem Thale von Arequipa, in einer Höhe von beinahe S000 Fufs, da habe ich die schönsten Camoten gefunden, welche der Kartoffel wert vorzuziehen waren. Wie aber ganz anders ist die *) S. Alexander v. Humboldt, Ueber Neuspanien. 11. pag. 91. 374 Batate in einem heifsen und feuchten Clima, wie z. B. in Ostindien und ım südlichen China, wo gerade im Sommer die Regenzeit ist. Hier ist die Camote eine Wurzelknolle, welche im gekochten Zustande weichlich, kleisterartig und von unangenehm süfsem Geschmacke ist; schon auf den Südsee-Inseln ist sie von gröfserer Güte. Man bauet überall zwei Varietäten der Camote, eine nämlich mit gel- ber und eine mit weifser Knolle. Der Anbau der Camote geschieht ganz wie der der Kartoffel, die Knolle ist jedoch als Nahrungsmittel der Völker nirgends von der grofsen Wichtigkeit, wie bei uns die Kartoffel und die Oerealien, und wie im tropischen Amerika die Manioca und der Mays es sind. Selbst im südlichen Europa ist die Batate noch zu ziehen. Ich habe schon oben angegeben, dafs man unter Batate die Wurzelknollen von zwei verschiedenen Pflanzen ver- steht, nämlich von der Ipomoea tuberosa L., welche auf den westindischen Inseln eultivirt wird, und von Convolvulus Ba- tatas L.; die Verbreitungs -Sphäre jeder dieser Pflanzen ist noch nicht so bekannt, wie es wohl zu wünschen wäre. Die Igname oder Yams- Wurzel (Dioscorea alata L.). Eine andere sehr nahrhafte Wurzelknolle, welche oft eine ungeheuere Gröfse erreicht, ist im Allgemeinsten un- ter dem Namen Yams bekannt; die Benennungen Igname (an der Küste von Paria) und Axes sind amerikanisch, letztere in der haitischen Sprache, wie Herr A. v. Hum- boldt berichtet. Die Yams-Pflanze wird nicht nur in der ganzen tropischen Zone, sowohl in der alten Welt, wie in der neuen. und auf den Inseln der Südsee ceultivirt ge- funden, sondern sogar noch weit tiefer gegen Süden hinab, denn Cook *) fand die Yamswurzel auch auf Neu-Seeland. Gegen Norden hin ist ein so hohes Vorkommen dieser Pflanze, wie ich glaube, nicht bekannt. Auf Java, Manila, Sumatra, in China und überall in jenen heifsen Gegenden, *) Erste Reise. Berlin 1774. 1. pag. 33. ; 379 wird diese nahrhafte Wurzel cultivirt; sie erreicht in einem heifsen und feuchten Clima oft eine Gröfse von 30 — 40 Pfund, doch steht sie, in Hinsicht des Wohlgeschmackes, der Batate weit nach. In Cochinchina wurden von Fin- layson *) Yamswurzeln beobachtet, welche 9% Fufs im Umfange hatten und 474 Pfunde wogen. Da in diesem Falle die Wurzel sehr faserig war, so machte man aus dem Amylum derselben eine Art von Sago. Es bleiben uns noch einige andere knollenartige Wur- zeln zu nennen übrig, welche von den Menschen in ver: schiedenen Gegenden der Erde als Nahrungsmittel benutzt werden. Die Oca (Oxalis tuberosa Mol.) wird in der Cor- dillere von Mexico, Peru und Chile gebauet; in der Breite von 11 —12° südlich, steigt ihre Cultur bis über 8000 Fufs hinaus, und auch in Mexico soll sie mit der Kartoffel und der Quinoa in den kältesten Regionen gezogen werden. In China wird eine Sagittaria sagittata gezogen, deren Wurzelknolle mehr als die Gröfse einer Faust erhält und viel gegessen wird. Das Nelumbium speciosum wird in China, Japan, in einem grofsen Theile des tropischen Asiens, ja selbst im östlichen Theile von Afrika gebauet. In China ist diese Wurzel ganz gewöhnlich auf dem Markte zu finden. In Ober-Peru wird die Aracacha (Conium maculatum H. B. K.) bis zu einer Höhe von einigen Tausend Fufs gebauet. Auf den Societäts-Inseln, auf den Molucecen, so wie auf vielen anderen indischen Inseln, werden die Knollen der Wurzel von Tacca pinnatifida gegessen; sie sind sehr scharf und bitter, werden aber durch die Cultur etwas milder und durch die Zubereitung unschädlich gemacht. Die geriebene Wurzelknolle wird nämlich, ähnlich wie bei der Manıhot-Wurzel ausgeprefst, so dafs nur die Farina zurückbleibt, aus welcher man ein Brod bereitet, ganz in der Art, wie das Sagobrod auf den Moluccen, welches es an Wohlgeschmack noch übertreffen soll. Auch die scharfe Knolle von Dracontium polyphyllum *) The Mission to Siam and Hue etc. London 1826. pag. 272. 376 wird auf den Societäts- Inseln gegessen, besonders wenn Mangel an Brodfrucht herrscht. Bei den Eingebornen von König Georgs-Sund vertritt die Zwiebel von Haemodorum spicatum die Stelle des Brodes; geröstet wird sie mehlig, bleibt aber immer etwas beifsend, Die Cultur der hauptsächlichsten Baumfrüchte, welche zur allgemeinen Nahrung der Völker dienen. Der Brodbaum (Artocarpus incisa F.). Der Brodbaum ist eine der ausgezeichnetsten Nah- rungspflanzen für die Völker der heifsen Zone, welche ganz allein hinreichend ist, um eine angenehme und höchst nahrhafte Speise zu liefern, von welcher der Mensch an- haltend leben kann. Das Vaterland dieses nützlichen Bau- mes ist sehr ausgebreitet, doch allein der heifsen Zone der Erde angehörig; auf den Inseln des indischen Archipels und auf allen Inselgruppen der Südsee, welche innerhalb der Wendekreise liegen, ist der Brodbaum zu finden, aber nirgends wird derselbe im wilden Zustande beobachtet, sondern die ganze Art ist in. den eultivirten Zustand über- gegangen, #) und zwar wahrscheinlich dadurch, dafs sich der Mensch überall da ansiedelte, wo er einen Brodfrucht- baum fand. Unter seinem schattenreichen Laube ist noch jetzt der Lieblingsort der leichten Indianerhütten. Schön ist die ganze Form des Brodbaumes und keines unserer Laubhölzer kann sich mit ihm messen. Er erreicht eine Höhe von 40 Fufs uud seine grofse und dichte Krone ist mit dem schönsten grünen Laube geschmückt. Die Blätter sind gegen 14 Fufs lang und 140—11 Zoll breit, dabei fingerförmig ausgelappt. Die Frucht des Brodbaumes ist es, welche die ange- ”) Die beiden Forster glaubten, dafs der cultivirte Brodbaum den Artocarpus integrifolia oder Jacca, welcher in Ostindien wächst, zur Mutterpflanze habe; indessen es läfst sich so Vieles dagegen ein- wenden, dafs diese Meinung ganz unwahrscheinlich wird. 377 nehme Nahrung liefert; sie ist fast ganz rund und erreicht häufig eine sehr bedeutende Gröfse; sie ist markig, mit einer etwas härteren Rinde umgeben und enthält meistens Saamen, welche etwas gröfser sind, als die Saamen der Rofskastanien. Die sechseckigen Felder auf der Oberfläche der Brodfrucht deuten die einzelnen Früchte an, aus wel- chen die ganze Masse zusammengesetzt ist. Der Brodbaum trägt reichliche Früchte, welche 8 bis 9 Monate lang ununterbrochen den Baum bedecken und nach einander zur Reife kommen; nur 3 Monate lang ist der Baum ohne Früchte und dann leben die Indianer von der eingemachten Frucht. Die Brodfrucht wird vor ihrer vollkommenen Reife abgenommen, die Rinde ist dann noch grün, das Mark aber schneeweifs und von lockerem, meh- hgem Gewebe. Die Frucht wird dann geschält, in Blätter gewickelt und auf heifsen Steinen gebacken, denn roh kann sie nicht gegessen werden. Die geröstete oder gebackene Brodfrucht schmeckt wie Weitzenbrod, etwas süfslich zu- weilen. Auf den Freundschafts-Inseln und den Marquesas ist sie am vorzüglichsten. Wenn die Brodfrucht ganz zur Reife gekommen ist, wird ihr Mark breiartig und von gel- ber Farbe und kann dann roh gegessen werden; doch ist sie alsdann von widrigem Geschmacke. G. Forster, dem wir eine kleine Monographie des Brodbaumes verdanken, beschreibt die verschiedenen Zubereitungen der Brodfrucht, wodurch dieselbe efsbar gemacht wird. Man legt z. B. die Früchte, ehe sie ganz zur Reife gekommen sind, nach Entfernung ihrer Rinde in eine gepflasterte Grube und bedeckt sie mit Haufen von Blättern und Steinen, bis sie in eine sauere Gährung übergegangen sind. Der Teig, sagt Forster, *) schmeckt dann ganz wie das schwarze westphälische Brod, wenn dieses nicht ganz ausgebacken ist. Aus diesem Vorratlie in der Grube nimmt man nun täglich so viel, als man bedarf, macht daraus faustgrofse Klumpen, wickelt sie in Blätter und backt sie zwischen *) 1. ec. pag. 20. Vom Brodbaum. 1787. 378 erhitzten Steinen. Wochenlang erhalten sich diese Brod- massen und sind, selbst auf Reisen, sehr gute Nahrungs- mittel. Auch wärend der 3—4 Monate, wenn der Brod- baum keine Früchte trägt, lebt der Indianer von diesen Vorräthen. Diese köstliche Nahrungspflanze bringt so reichliche Früchte, dafs 3 Bäume hinreichend sind, um einen Menschen 8 Monate lang ganz hinreichend zu ernähren. Ja der grofse Entdecker Cook spricht diesem Baum mit wenigen Worten das gröfste Lob, indem er sagt: „Hat Jemand in seinem Leben nur 40 Brodbäume gepflanzt, so hat er seine Pflicht gegen sein eigenes und gegen sein nachfolgendes Geschlecht eben so vollständig und reichlich erfüllt, als ein Einwohner unseres rauhen Himmelsstriches, der sein Leben hindurch wärend der Kälte des Winters gepflügt, in der Sommer- hitze geerndtet und nicht nur seine jetzige Haushaltung mit Brod versorgt, sondern auch seinen Kindern noch etwas an baarem Gelde kümmerlich erspart hat.“ Die Fortpflanzung des Brodbaumes geschieht theils durch junge Schöfslinge, welche man sus der Wurzel er- hält und zwar dadurch, dafs man diese von Erde entblöfst und an der Oberfläche einkerbt, worauf aus diesen Ein- schnitten eine Menge von jungen Trieben vorwachsen, welche man mit einem Theile der daran sitzenden Wurzel abschneidet und in die Erde steckt. Auf vielen Inseln des indischen Archipelagus werden die kastanienartigen Saamen der Brodfrucht als eine der “ hauptsächlichsten Nahrungen angesehen, welche man durch Röstung geniefsbar macht; in den meisten Fällen sind aber die Saamen in der ceultivirten Frucht ganz spurlos ver- schwunden. Durch die Cultur sind auch bei diesen Bäu- men eine Menge von Varietäten*) entstanden, welche sich hauptsächlich durch die Form der Frucht und durch das Fehlen oder durch die Anwesenheit der Saamen aus- zeichnen. ”) S. Forster, de plantis esculentis. Berolini 1786. 379 Aufser den Früchten benutzt man noch den Stamm des Brodbaumes; sein Holz ist weich und leicht und wird zu kleinen Kähnen und verschiedenen Hausgeräthschaften verarbeitet. Aus dem Baste des jungen Baumes bereitet man Zeuge, welche denen aus dem Papier-Maulbeerbaume ganz ähnlich sind. Es werden hiezu auch die Jungen Schöfslinge in dichten Massen gepflanzt, damit sie ganz gerade aufsteigen und um so längere Gewebe liefern können. Der Pisang oder die Banane (Musae spec. var.), Platano im Spanischen. Eine der gewöhnlichsten und der nahrhaftesten Früchte der Tropen ist der Pisang oder die Banane. Der Ge- ‚schmack der gewöhnlichsten Arten dieser Frucht pflegt bei dem Fremden nicht so beliebt zu sein, wie man es sich nach den Beschreibungen der Reisenden denken sollte. Auch hiezu ist erst einige Gewohnheit nöthig, und alsdann findet man die Pisangfrucht aufserordentlich süfs und wohl- schmeckend. Die Spielarten dieser Frucht sind in den verschiedenen Ländern gewifs zahllos; auf den Philippinen allein bauet man deren an 70, welche auch sämmtlich mit eigenen Namen belegt sind. Es sind aber auch wirklich mehrere bestimmte Arten der Gattung Musa, welche diese vortrefllichen Früchte liefern, wovon wenigstens schon 6 bis S systematisch bestimmt sind, und die verschiedenen Arten verlangen auch ein verschiedenartiges Olima. Nach Herrn Alex. v. Humboldt’s Angabe, *) welcher auch über die Cultur des Pisangs, in seinem bekannten Werke über Mexico, die besten und vollständigsten Nach- richten mitgetheilt hat, wächst der Camburi (Musa sapien- tum L.) in der Ebene der Tropen, bei 19 bis 21° Cels. Luftwärme, und steigt sogar bis über 30 und 35° der Breite hinaus; auf dem Gebirge geht die Cultur desselben noch bis zu 900 Toisen Höhe, wärend die Platano Harton oder Arton (Musa paradisiaca Lin.), selbst unter dem Aequator, *) De distributione geogr. plant. pag. 156. 380 nur bis zu 500 Toisen hinaufsteist und 23 bis 28° mitt- lere Wärme verlangt. Die Frucht von Musa regia Rumph. wird in den spanischen Colonien mit dem Namen Domi- nico belegt u. s. w. Die gewöhnliche Banane, mit allen ihren Varietäten, welche in den tropischen Gegenden Asiens und Afrika’s, selbst auf der Westseite dieses letztern Con- tinents gezogen wird, scheint nach vielfachen Untersuchun- gen ebenfalls der Musa sapientum anzugehören. Es hat nicht an Schriftstellern gefehlt, welche die Pisangfrucht mit jenen Aepfeln für übereinstimmend hiel- ten, welche einst im Garten zu Eden so grofses Unheil angestiftet haben, daher ihnen auch lange Zeit hindurch der Name Paradiesäpfel beigelegt wurde. Wo der Pisang sein ursprüngliches Vaterland hat, ob in der alten, oder in der neuen Welt allein, oder ob er in beiden Erdtheilen ursprünglich zu Hause war, das sind Fragen, welche sich gegenwärtig zwar nicht mit absoluter Gewifsheit, aber mit grofser Wahrscheinlichkeit beantwor- ten lassen. Dafs der Pisang in der tropischen Zone der alten Welt ursprünglich zu Hause ist, das ist ganz gewifs ausgemacht; in den Wäldern Ceylons wächst der Pisang im wilden Zustande, *) und auf den Südsee-Inseln fand man ihn überall, wo man hinkam, und er kommt daselbst auch noch heutigen Tages im wilden Zustande vor. Die Wälder auf den Sandwichs-Inseln, welche einige Tausend Fufs hoch gelegen sind, zeigen einen wilden Pisang in Menge, der dem fruchttragenden, cultivirten daselbst durch- aus ähnlich ist, d. h. bis auf die Früchte. Fast eben so gewifs ist es, dafs Amerika, schon vor der Einwanderung der Weifsen, den Pisang besessen habe, wenigstens herrscht in verschiedenen Ländern daselbst die Sage, dafs die Va- rietäten Arton und Dominico schon lange vor Ankunft der Spanier gebauet wurden, und Herr Alexander v. Humboldt fand bei allen Indianern, in den entferntesten Gegenden *) $S. Sawers in Mem. of the VVernerean Society. Edinburgh. Vol. IV. pag. 403. 381 des Orinoco, den Anbau des Pisangs und der Manioca, in Gegenden, welche sicherlich noch ohne Communication mit den Europäern standen. Aber noch gewisser wird es durch den Bericht des Garcilasso de la Vega *), welcher ganz klar und deutlich die Nahrungsmittel nennt, welche, zu der Inca’s Zeiten, gewöhnlich im Gebrauche waren, und wobei denn auch der Pisang-Frucht für. die heifsen und gemäfsigten Zonen von Peru gedacht wird. In allen den spanischen Colonien der alten und der neuen Welt, werden die Pisang-Pflanzungen unter dem Namen Platanar (Banarin) verstanden. Die Bearbeitung dieser Plantagen ist, zum Glücke für die Indianer, sehr leicht, denn ist die Frucht gereift, so hat man nur den alten Stamm abzuhauen, damit sich die neuen Wurzel- sprossen um so freier entwickeln können; eine der Spros- sen hatgewöhnlich schon 3 der Höhe der alten Mutterpflanze, und in Zeit von 3 Monaten trägt sie selbst schon wieder Früchte. Werden die Schöfslinge gepflanzt, so kann man erst im 10ten oder im 41ften Monate auf Früchte rechnen. Im Durchschnitte giebt ein Pisangstamm gegen 30 bis 40 Pfund Früchte, es ist jedoch nicht selten, dafs sie bis 60 und 80 Pfunde Früchte geben, und, da der Indianer dar- auf rechnen darf, dafs seine Pisang-Erndte viermal im Jahre statt findet, so giebt eine einzige Pisang-Pflanze, in Zeit von einem Jahre, zum wenigsten über 100 Pfunde Früchte. Demnach giebt es schwerlich eine andere Nah- rungspflanze, welche, auf einem so kleinen Raume, eine so grofse Menge von Früchtrn hervorbringt. Die Frucht der Musa-Arten ist weich, mehr oder weniger gezuckert und von angenehmen Geruch und Ge- schmack. Gewöhnlich fehlen derselben alle Saamen, ja es giebt sogar wilde Arten, in deren Früchten man noch keine Saamen gefunden hat; nur in Indien, Cochinchina, auf Java und auf Lucon **) giebt es eine constante Varietät r Coment. reales de los Incas, I. pag. 282. *Y) Meyen’s Reise etc, II. pag. 414. 382 (der Platano de Pepita), welche eine aufserordentliche Menge von grofsen Saamenkörnern enthält und defshalb denn auch weniger zum Essen geschätzt wird *). Finlayson **) hat über das Vorkommen der eultivir- ten Musa mit vollkommenen Saamen am ausführlichsten gesprochen; er fand auf der Insel Ubi, an der: Küste Hin- ter-Indiens, eine wildwachsende Musa, deren Früchte mit Saamen gefüllt waren, und hielt dieselbe mit Musa sa- pientum für identisch. Die Frucht hatte, im Verhältnifs zur eultivirten Bananen -Frucht nur sehr weniges efsba- res Mark. Der Platano de Pepita, welchen ich auf Lucon gefunden habe, der eine beständige Varietät ist, welche man durch Stecklinge fortpflanzt, hat zwar eine sehr grofse Menge Saamen, indessen die fleischige Substanz dieser Früchte ist recht wohlschmeckend. - Die Zubereitung der Bananen ist unendlich vielfach; äm gewöhnlichsten ifst man die reife Frucht roh, nach- dem ihre dicke Fruchthülle abgezogen ist, was sich ganz leicht bewerkstelligen läfst. Auch geröstet innerhalb der Fruchthüllen, wird sie häufig gegessen, aber sehr angenehm schmeckt sie mit Butter gebraten. Man kann nicht läug- nen, dafs die Banane, obgleich man sehr viel davon es- sen kann, zu den sehr nahrhaften Früchten gehört. Die schönen Pisang-Pflanzen, welche den ländlichen - Wohnungen in tropischen Gegenden eine eigenthümliche Zierde geben, sind noch in mehrfacher Hinsicht den Be- wohnern jener Gegenden nützlich. Das Blatt der Pisang- Pflanze dient den Indianern als Tischtuch und als Teller; bei jedem Essen geht er vorher einige Schritte und bricht die nöthigen Blätter ab. Wenn der Indianer ein Thier, in erhitzten Gruben, in der Erde bratet, dann hat er es vor- her in Pisang-Blätter eingehüllt. Gegen den Sonnenschein und zum Abwehren der lästigen Insekten gebraucht der Indianer ebenfalls das schöne Pisangblatt. *) Man vergleiche hierzu Forster de plantis esculentis pag. 31, welcher diese Varıetät Musa granulosa nennt. *%) Journal of the Voyage to Siam. Lond,. 1826. p. 86. 383 Einen weit gröfseren Nutzen gewähren die Pisang- Pflanzen durch die Festigkeit ihrer Fasern, welche zur Bereitung von Hanf, Flachs und noch feineren Fäden be- nutzt werden. Schon ist der Hanf von Manila, die Avaca der Tagalen, ein wichtiger Gewerbszweig für die Bewoh- ner der Philippinen, denn bereits sind schon ganze Schiffs- ladungen desselben zu uns nach Europa gekommen, und das Tauwerk von Manila, womit sich dort jedes Schiff versieht, ist von ausgezeichneter Güte. Anmerk. Da der Stamm der Pisang-Pflanze weicher ist, als der Stengel der Hanf- Pflanze, so geschieht die Bereitung dieses Han- fes viel schneller und leichter, als die des europäischen Hanfs. Die Fasern, welche in den äufsersten Schichten des Stammes liegen, sınd gröber, und werden zur Bereitung von Tauwerk angewendet; die der inneren Schichten sind dagegen viel feiner, und man verfertigt aus ihnen sehr verschiedenartige Zeuge, welche, den Bewohnern der Philippinen z. B. zur Kleidung dienen. Die Bewohner der Sand- wichs - Inseln verfertigen ihre vortrefflichen Angelschnüre aus diesen Fasern. Die feinsten Avacä-Fäden verwebt man auf Lucon mit Seide und erhält hierdurch ein äufserst geschätztes Zeug, welches der Pina ähnlich ist und auch an Kostbarkeit dem letzteren gleich- kommt. Die Pisang- Stämme erhalten eine Höhe von 7 und 8 Fufs, und die Fasern, welche ununterbrochen durch dieselben verlaufen, und, nach der bekannten Zubereitung durch Fäulnifs, die Avacä lie- fern, zeigen dann eben dieselbe Länge, wodurch der beste europäi- sche Hanf übertroffen wird. Die Avacä ist aber auch, bei gleicher Masse viel stärker als unser europäischer Hanf. So ist die Pisang-Cultur eine_der wichtigsten für alle Völker der Tropen, und eben weil diese Pflanzen, welche ihnen ein Hauptnahrungsmittel geben, so zu sagen von selbst wachsen, ohne dafs sich der Indier dabei zu quälen braucht, so hat man wohl geglaubt, dafs eben diese ergiebige Frucht es ist, welche die Trägheit der Indianer erlaubt oder wohl sogar befördert. Ich glaube nicht, dafs diese Ansicht richtig ist; ein Mensch, dessen Ideenkreis beschränkt ist, hat auch keine Arbeit zur Zerstreuung nöthig, man unterrichte aber diesen armen Indier, und er wird gewifs eine eben so grofse Thätigkeit zeigen, wie man sie an den Weifsen zu sehen gewohnt ist. — 384 Anmerk. WVärend des Druckes dieses Buches erschien der 4te Band von Herrn Ritters Erdkunde, worin der berühmte Herr Verfasser mehrere indische Gulturpflanzen in Hinsicht ihrer geogra- phischen Verbreitung, so wie in Hinsicht des Einflusses, welchen die Cultur derselben auf den Menschen ausübt, mit der ihm eige- nen Gelehrsamkeit zum Gegenstande besonderer Untersuchungen gemacht hat, worauf ich hier verweisen mufs. Man findet in dem angeführten Werke über folgende Cultur-Pflanzen, welche ich m dieser Schrift ebenfalls abgehandelt habe, sehr ausführliche Mitthei- lungen: Nämlich über die Banane, die Pfeffer-Pflanze, den Dattel- baum, die Cocos-Palme, die Areca-Palme und die WVeinpalme, wo- bei der grofse Geograph eine Menge der interessantesten Beobach- tungen an das Tageslicht gebracht hat, welche in der, so sehr zer- streuten Literatur über Indien, dem Publikum nicht leicht bekannt geworden wären. Der Oelbaum (Olea europaea L.). Der Oelbaum gehört zu den nützlichsten Gewächsen welche die menschliche Gesellschaft aufzuweisen hat, des- senungeachtet ist die Cultur desselben eigentlich sehr be- schränkt; erst seit der Entdeckung von Amerika breitet sich dieselbe weiter aus. Das südliche Europa, zwischen 44 bis 36° N. Breite, ist der eigentliche Sitz der Cultur des europäischen Oelbaums; er erfordert eine mittlere Wärme von 14,5° bis 19° Gels. richtet sich aber haupt- sächlich nach der Strenge des Winters. In Ländern, wo die mittlere Temperatur des Winters unter 5,5° Cels. ist, da gedeiht der Oelbaum nicht ohne Schutz, welchen man den grofsen Plantagen auch nicht angedeihen lassen kann. In Europa wird der Oelbaum bis 443° N. Breite eultivirt, weiter hinauf findet man nur einzelne Anpflan- zungen und gerade nur in gut geschützten Gegenden. Schon auf den Halbinseln des südlichen Europa’s gedeiht der Olivenbaum in den Küstengegenden, wo der Winter um so milder ist, ganz aufserordentlich, weniger dagegen auf den Hochebenen jener Länder, wenngleich dieselben von keiner grofsen Erheblichkeit sind. Eben die milderen Winter des Küstenclima’s machen es, dafs der Oelbaum noch auf der Krim cultivirt wird, wo aber die Früchte 385 schon ein schlechtes Oel geben sollen. So wird auch in den untern Theilen des Rhonethales und auf der süd- lichen Seite der Cevennen der Oelbaum angetroffen. Bei einem geringen Schutze kann der Olivenbaum weit höher nach Norden hinaufgehen, wie dies ein Bäumchen zeigt, welches im botanischen Garten zu Bonn im Freien gezo- gen wird. Die geringe Ausdehnung der Zone der Oliven -Cultur gegen Osten nnd Süden mag auch wohl darin ihren Grund haben, dafs in diesen Gegenden meistens andere Pflanzen vorhanden 'sind, deren Saamen ein ähnliches, ja auch eben so gutes Oel, als das der Oliven geben, 2. B. die Oel- bringende Camellia (C. oleifera) in China und Japan, Ca- mellia drupifera in Cochin-China und Thea oleosa in China, sowie die grofse Anzahl von Palmbäumen und Ricinus-Ar- ten, deren Saamen ebenfalls auf Oel gezogen werden. Das Ricinus- oder Castor-Oel bereitet man durch anhal- tendes Auskochen und Auspressen der Rieinus-Saamen; der Gebrauch desselben ist wohl allgemeiner, als man es vielleicht bei uns glauben möchte. In Indien, in China, in Amerika, in Afrika und selbst in den Colonien Austra- liens wird das Castor-Oel zum Essen benutzt. In Ostindien wird das Oel aus den Saamen von Se- samum orientale und von Raphanus (Brassica) orientalis eben so gewöhnlich, wie das Oliven-Oel im südlichen Europa zur Nahrung benutzt, ja es kann daselbst als eins der hauptsächlichsten Nahrungsmittel angesehen werden. Der Oelbaum vermag eine bedeutend höhere mitt- lere Jahreswärme zu ertragen, als diese, welche ihm im südlichen Europa zukommt, und er scheint dabei meistens noch viel üppiger zu wachsen, als in unserem kälteren Clima von Europa. Auf den Canarischen Inseln sind die Oliven Bäume heutigen Tages zwar selten, doch sie wu- chern daselbst, wie die Weiden unseres Clima’s #). Zwar wächst der Oelbaum auf diesen schönen Inseln erst in ”) $. L.v. Buch, Beschreibung der Canarischen Inseln, p. 122 etc. 25 386 der Region der europäischen Cultur-Gewächse, von 1200 bis 2500 Fufs Höhe, bei einer mittleren Temperatur von 47,5° Cels.; doch daran ist wohl nur die Willkühr der Menschen Schuld. Die Olive fehlte der neuen Welt, wo sie jetzt, an verschiedenen Orten wenigstens, im üppigsten Wuchse steht: Es ist der andalusische Oelbaum, welchen Cortes nach Mexico eingeführt hat. Schon zu Anfange dieses Jahrhunderts war auf dem Plateau von Mexico, 1168 Toi- sen hoch, eine der herrlichsten Oelbaum -Plantagen *), doch hier ist auch das Clima meistens so angenehm wie zu Nea- pel; schon im Januar und: im Februar, beträgt die mitt- lere Tageswärme daselbst zwischen 13 und 14° Cels. Ge- genwärtig wird die Olive schon an vielen Orten von Mexico gezogen **), und man schmeichelt sich, sehr bald den ganzen Bedarf dieses Culturzweiges im Lande selbst zu gewinnen. TB Schon im: vorigen Jahrhundert ward der. Oelbaum selbst in Neu-Californien, in der Nähe von San Diego gepflanzt. Ganz aufserordentlich gut gedeiht der Oel- baum auf der Westküste von Peru, wo er, in der Breite von 15 und 17° südlich, selbst in der Höhe der: Küste vorkommt, und eine Höhe und Breite erreicht, wie bei uns die Apfelbäume. Die Oliven der Küstengegend von Arica, von Tacna, von Islay und Cumana gehören zu den aus- gezeichnetesten Früchten, und der Consum derselben: ist daselbst. aufserordentlich grofs. Gebraten werden sie auf den Strafsen von Arica und Islay alltäglich umhergetragen, und in Kästchen, von Palmblättern oder Schilf geflochten, werden sie nach der Hochebene verführt, wo sie, z. B. auf dem Markte von Arequipa, täglich in gröfster Masse verkauft werden. Der Oelbaum der alten: Welt ist über- haupt für die heifsen und trockenen Gegenden der West- küste von Südamerika eine aufserordentliche Bereicherung, — *”) S. A. v. Humboldt, 1. c. I. p. 56. und III. p. 93. **) S. Becher, Mexico. Berlin 1831. p. 142. _ 387 denn es ist unglaublich, in welchem sterilen Boden dieser Baum, an der. peruanischen Küste zu finden ist; in der Nähe einer kleinen Quelle daselbst, wächst ein ganzer Wald von Oliven, dicht neben einer Anpflanzung von Aloe-Stauden und Wasser-Melonen. Obgleich die Olive, erst ‚seit einigen Jahrhunderten höchstens, nach Peru ge- bracht ist, so habe ich daselbst doch schon sehr dicke Bäume gesehen, welche, bei dem langsamen Wachsen dieser Bäume, auf ein sehr hohes Alter schliefsen liefsen. Als Beispiele von dem hohen Alter der Oelbäume und der enormen Dicke, welche ihre Stämme erreichen, mufs man die Oel- bäume aufführen, welche auf dem Oelberge bei Jerusalem stehen und ganz wahrscheinlich noch dieselben sind, wel- che einst zu Christus Zeiten daselbst standen. Jener Oelbäume sind 8 an der Zahl, sie haben wenigstens 6 Metres im -Umfange *), und eine Höhe von 9 bis 10 Me- tres. In ganz Chile gedeiht die Olive, besonders in Co- quimbo, doch auch bei St. Jago, in 33° S. Breite, obgleich fast 2000 Fuls erhaben über dem Meere. ‚Die EN Palme (Cocos nucifera Bi ie. Palme ist von jeher die Königinn der Wälder ge- wesen; nicht nur die Schönheit ihrer Form, sondern der aufserordentliche Nutzen, welchen dieselbe darbietet, ha- ben sie dazu. gemacht. Es giebt nur wenige, vielleicht gar keine_Palmen, welche nicht auf irgend ‘eine Weise von den Menschen benutzt werden können; ich kann sie hier nicht alle aufführen, wohl aber diejenigen, welche hie und da, als Hauptnahrungsmittel der Völker zu betrach- ten.sind, oder durch andere nützliche Eigenschaften einen bedeutenden Einflufs auf den Wohlstand der Menschen äu- fsern. : Keine andere Pflanzenfamilie zeigt eine solche un- geheuere Kraft in der Erzeugung ihrer Früchte; die Al- fonsia in Südamerika **), bei einer Höhe von 6 Fufs, hat © 9)8. Bove, Relation d’un voyage botan. en Esypte etc. — Ann. des sciences nat. 1834. T. I. **) $. A. v. Humboldt’s Reise ete, Buch XI. p. 52. 25 * 388 bis 200000 Blüthen in einer einzigen Blumenscheide, und auf Einmal oft über 600000 an der Zahl, welche aller- dings nicht sämmtlich zur Reife kommen. Vor Allen ist die Cocos-Palme zu nennen, sie hat ihr wahres Vaterland in der alten Welt und auf den Südsee-Inseln; nach Amerika möchte sie vielleicht doch nur übergewandert sein *), sie wird daselbst auf den west- indischen Inseln und in Brasilien in grofser Menge ge- zogen. Die Cocos-Palme gehört zu den Küsten-Bewohnern, und es sind nur wenige Fälle bekannt, wo man die Co- cos-Palme weit im Innern des Landes beobachtet hat, je- doch gelingt es allerdings, durch die pflegende Hand des Menschen, auch diesen Baum von seinem natürlichen Standorte zu entfernen, und unter anderen Lokal- Ver- hältnissen zu ceultiviren. Herr Alexander von Humboldt hat bekanntlich die Cocos-Palme in den Steppen von Ve- nezuela gefunden, und ganz neuerlichst hat auch der Her- zog Paul Wilhelm von Württemberg diese Palme auf der Insel Cuba, entfernt von dem Meeres-Ufer, in besonderer Ueppigkeit beobachtet; auch in Indien findet man, wei- ter landeinwärts, die Cultur der Cocos - Palme, jedoch gelingt Sie nicht immer **). Nur wenige der Südsee-Inseln möchten ohne Cocos- Palmen zu finden sein, auf der Oster-Insel, der östlich- sten derselben, ist die Cocos-Palme allerdings nicht ge- funden worden. Auf den Inseln der Chinesischen See, der Malayischen See, der Javanischen See, so wie in den heifsen Gegenden des ganzen Indischen Ocean’s sind alle Inseln, mehr oder weniger stark, mit dieser kostbaren Palme beschenkt, aber nirgends mehr, als auf der zahlrei- chen Inselgruppe, welche die Lakediven und die Maledi- ven umfassen, möchte die Cocospaime für die Ernährung *") Anmerk. Zu einer Ueberwanderung der Cocos aus der alten, Welt nach Amerika, sind die Strömungen in beiden grolsen Meeren sehr geschickt gelegen. *%) $. Hamilton, Descript. of Hind. II. p. 210. 389 der Bewohner von gröfserer Bedeutung sein. Die feuch- ten Ufergegenden Indiens und besonders der reichen In- sel Ceylon haben zwar die gröfste Masse von Cocos- Bäumen aufzuweisen, deren Anzahl daselbst viele Millio- nen übersteigt, hier aber wird dieser Culturzweig- nicht mehr zur Ernährung der Bewohner des Landes betrieben, sondern die Produkte desselben sind Gegenstand des ein- träglichsten Handels. Ueberall in der Südsee und im den indischen Gewässern, wo die Cocos-Palme vorkommt, da begrüfst sie, in mehr oder weniger grofsen Massen, schon in weiter Ferne die nahenden Reisenden, und in ihrem, zwar kärglichen Schatten, sieht man die ersten zerstreut stehenden Hütten der Indier; in Ostindien aber, wo eigen- thümliche Verhältnisse die ausgedehnte Cultur der Co- cos-Palme bedingt haben, ‘da liegen ganze Dörfer und grofse Städte im Schatten ausgedehnter Cocos - Waldungen, und die ganze Küste von Malabar ist mit unzähligen Co- cos - Palmen beschattet. Ja im südlichen. Ceylon kennt man einen Wald von Cocos-Palmen, der, dem Ufer des Meeres entlang, 26 Engl. Meilen weit verläuft, mehrere Stun- den breit ist*), und an 11 Millionen erwachsene Cocos- Palmen enthält. Noch zur Zeit, als die Holländer Herren von Ceylon waren, wurden jährlich aus diesem Walde 6000 Fässer Arrak, 3000000 Pfunde Tauwerk aus den Cocosfasern, und eine ungeheuere Menge von Oel gewon- nen. Auch hier, wie auf den Lakediven und Malediven, ist die Cocos-Palme die Quelle der allgemeinen Nahrung . jener Bewohner. Von der Nutzbarkeit der Cocos - Palme haben die Reisebeschreibungen vielfach gelehrt, und selbst eigene Schriften sind darüber erschienen. So wie alle anderen Obstbäume durch sorgfältige Cultur veredelt werden, so ist es auch mit der Cocos-Palme und mit noch vielen an- deren Palmen der Fall. Die Cocos-Palme wächst schnell, ”) S. Transactions of the Royal Asıat. Societ. of Gr. Brit., Vol. I. p. 546. 390 und oft giebt sie, schon im 6ten Jahre, einige 30 Früchte Eine erwachsene Cocos-Palme. hat nicht selten 2- bis 300 Nüsse, und sie wird bis 100 Jahre alt. Die frische, reife Frucht ist bekanntlich mit einer wasserhellen, etwas süfs- lichen Flüssigkeit angefüllt, welche unter dem Namen der Cocos - Milch sehr bekannt ist. Die Cocos-Milch wird ‚als ein kühlendes, äufserst wohlschmeckendes Getränk: ge- lobt und oft von Reisenden mit Begeisterung gerühmt. Ich theile dieses Lob nicht; die Cocos-Milch ist ein ziem- lich fades Getränk von einem eigenthümlichen, weichlichen Geschmacke. Mit dem Alter bildet sich der Kern’ im’der Nufs, indem die Flüssigkeit verschwindet, und in diesem Zustande, mehr oder weniger ohne Cocos-Milch, kom- men die Nüsse durch den Handel zu uns. Der Kern der Cocos-Nufs besteht aus einer härtlichen weifsen Masse; welche im Geschmacke einige Aehnlichkeit mit den süfsen Mandeln hat, doch viel weniger wohlschmeckend ist, ja sogar im rohen Zustande, wegen der grofsen Festigkeit des Kern’s, ein nur wenig zu empfehlendes Nahrungsmittel - darbietet. | In allen eultivirten Ländern . innerhalb der Wende- kreise, wo die Cocos-Nufs wächst, da wird auch die Cul- tur des Zuckers betrieben, und so wird es jenen Völkern sehr leicht, die gezuckerten Früchte dieser Palme zu ge- niefsen, was man deselbst so allgemein im Gebrauche fin- det. Der Kern der Cocos-Nufs in Zucker gekocht, bil- det das wohlschmeckendste Dulce, welches ich in den spa- nischen Colonieen der tropischen Gegenden gefunden habe, und dasselbe wird sehr allgemein gegessen. Kocht man .den Kern der Cocos-Nufs anhaltend: in Wasser und prefst alsdann denselben, so erhält man’ das bekannte schöne Cocos-Nufs-Oel, welches früher unter dem Namen Oleum Calappi *), oder Oleum Palmae in den Handel kam. In einigen Gegenden läfst man vorher | *) Kulapa ist die Benennung der Cocos- Palme in der Sprache der Malayen. 391 die Kerne der Cocos-Nüsse faulen, siedet dann die Mi- schung und erhält dadurch das dicke Oel. Es ist bekannt, welch eine grofse Menge von Cocos-Nufs-Oel schon ge- genwärtig in unseren Fabriken consumirt wird, zur Gas- ‚bereitung für Gaserleuchtungs- Anstalten soll es ganz be- sonders vorzüglich sein; im ganz frischen Zustande wird es selbst gegessen und von vielen rohen Völkern auch zum Bestreichen der Haut gegen zu starke Ausdünstung, u. 5. w. bemitzt. Aus der Cocos-Milch erhält man durch Kochen ebenfalls ein Oel, welches besonders wohlschmek- kend ist, nnd als Butter gebraucht wird. Aus der Cocos-Milch erhält man aber auch, nachdem sie in Gährung übergegangen ist, durch Destillation einen sehr starken und feinen Brandwein, eine Art von Arrak, welche oft sehr geschätzt wird und nur selten in den Handel kommt. Die Benutzung der harten Cocos-Nufs-Schale ist in unserem Lande sehr bekannt; die aufserordentliche Härte bei der schönen Politur, welche diese: Substanz annimmt, macht dieselbe geschickt. zu vielfachen Verzierungen, als z.B. zu Stockknöpfen und zu Pfeifen-Spitzen, und selbst prachtvolle Gefäfse, verziert mit Silber und Gold, findet man in Indien und in China gar nicht selten daraus bereitet. Bei den Indianern jener tropischen Länder, wo die Cocos-Palme angepflanzt wird, da wird die Schale zu Trinkgeschirren gebraucht; die Fasern aber, welche das bekannte dicke Pericarpium der Frucht bilden, werden zur Bereitung von Schiffstauen, Stricken, Decken, Bürsten, Panzern und der- gleichen Geräthen mehr benutzt, welche auch bei uns durch den Handel bekannt geworden sind. Zur Bereitung der Cocos-Nufs-Fufsdecken, gebraucht man ‘dagegen meistens nur die Blattscheiden. Die Blät- ter der Cocos-Palme werden weniger zur Bereitung von Geflechten gebraucht, wohl aber zum Dachdecken; dagegen liefern die Blätter mehrerer anderer Palmen, wie z. B. im Innern von Brasilien, nach Herrn von Martius Bericht, eine Substanz, welche den Indiern die Stelle des Flach- 392 ses vertritt. G. Bennett *) hat einen Anhang zu seiner Reisebeschreibung gegeben, welcher über die Cocos -Palme handelt, worin hauptsächlich die Flechtwerke und die Be- nutzung dieser Palme zur Bereitung des Arraks auf Cey- lon, erörtert werden. Die faserige Hülle der Cocos-Nufs giebt auch ein sehr gutes Brennmaterial, welches gleich Kohlen hitzt, und auf der Insel Lucon zum Brennen des Töpfergeschir- res gebraucht wird **). Der Stamm der Cocos-Palme hat nur eine dünne Schicht von Holz, so dafs dasselbe zu Bauwerken nicht gut verarbeitet werden kann; wohl aber sind die ganzen Palm- stämme, als Pfähle gebraucht, recht sehr dauerhaft, und sie bilden auch die Pfosten bei den gröfseren Bauten der In- dianer. Das Mark der Cocos-Palme wird als ein vor- treflliches Düngungsmittel gelobt; zu anderen Zwecken ist es unbrauchbar. Einen grofsen Ruf hat der Palmkohl der Cocos-Palme erhalten, und auch wohl mit Recht. Der Palmkohl wird aus den jungen Trieben bereitet, welche die, noch nicht zur Entwickelung gekommenen jungen Blätter enthalten, und noch von ganz markiger Substanz sind; zu diesem Zwecke wird das Herz der Palme abgeschnitten, welches oft von aufserordentlicher Gröfse ist, ja über 20 Pfunde schwer. Aufserdem ist der Palmwein bekannt, welcher durch Gährung, aus dem rohen Safte der Cocos-Palme erhalten wird. Hiezu schneidet man einen ziemlich entwickelten Spadix an und erweitert täglich die Wunde. Die grofse Menge von rohem Safte, welcher aus dieser Wunde läuft, wird in Gefäfsen von Bambusröhren aufgefangen und dann durch Gährung zu Wein gemacht. Nach einem Alter von ‚acht Tagen wird derselbe jedoch essigsauer, so dafs man ”) Wanderings in New South- Wales, Batavia, Pedir Coast, Singapore and China. Lond. 1834. TI. App. p. 295 — 342, "MS. Meyen’s Reise, II. p. 246. ‘ 393 ihn defshalb schon vorher zur Bereitung des Arrak’s ver- braucht. | Um den Saft der Cocos-Palme einzusammeln, legen die Indianer Stangen von Baum zu Baum, und so können sie denn mit Leichtigkeit mehrmals des Tages in ihren Pflanzungen umhergehen und den Palmsaft aus den Bam- bus-Gefäfsen ausgiefsen, welche sie, zum Auffangen des auslaufenden Saftes, an einem jeden dieser Bäume befestigt haben. Schon am folgenden Morgen ist der ausgelaufene Saft zu Palmwein verändert, aber schon am folgenden Abende ist er säuerlich, wenn er nicht in Gefäfsen recht gut verstopft war. Vermischt man den rohen Palmsaft mit Kalk, so. er- hält man den Palm-Zucker, welcher viel gebraucht wird, und schon im- hohen Alterthume, in Europa, jedoch nur selten, im Gebrauche war. Es ist zwar den Bewohnern der Cocos-reichen Län- der sehr wohl bekannt, dafs der Palmwein der Cocos- Palme wohlschmeckender als derjenige der Wein-Palme und anderer Palmen ist, indessen man hat auch die Er- fahrung gemacht, dafs der Ertrag an Früchten aufseror- dentlich vermindert wird, wenn man der Palme den Nah- rungssaft entzieht. Benutzt man aber die Cocos-Palme auf Palmwein, so erhält man ihn, von einem kräftigen Baume, das ganze Jahr hindurch, doch, wird dieses Abziehen des Saftes mehrere Jahre hindurch fortgesetzt, so stirbt auch der kräftigste Stamm. Gewöhnlich benutzt man die Cocos- Palme eine Zeit lang zur Gewinnung des Weines, und dann läfst man sie wieder Früchte tragen, welche sie das ganze Jahr hindurch zur Reife bringt, daher fast zu jeder Zeit Blüthen, unreife und reife Cocos-Nüsse auf einer solchen Palme zu finden sind. | Ich habe hier die Arten der Benutzung der verschie- denen Theile der Cocos-Palme aufgeführt, und man wird sich daraus überzeugen, dafs dieselbe eine aufserordentlich nützliche Cultur- Pflanze ist; man möge ‚jedoch nicht der Meinung sein, dafs die Cocos-Palme die alleinigen Nah- 394 rungsmittel für jene Völker liefert, welche dieselbe an- pflanzen. Ueberall wo die Cocos-Palme wächst, da sind noch andere wichtigere Nahrungspflanzen vorhanden, als der Reis und der Pisang in Indien, die Arum- Wurzeln, der Pisang, die Batate und die Yams auf den Südsee- Inseln, und der Mays, die Manioca u. s. w. in Amerika. Gerade auf den Sandwichs-Inseln, wo man die Cocos- - Palme Baum des Lebens genannt hat, ist sie-von sehr un- tergeordnetem Werthe, denn die Inseln haben Reichthum an anderen und viel besseren Früchten. Rumpf und v. Martius erzählen in ihren Werken noch von allen den aufserordentlichen Heilkräften, welche man dem Oele der Cocos-Nüsse zuertheilt. Nach Herrn Alexander von Humboldt ist die nördli- che Grenze der Cocos-Palme unter 28° Breite zu finden, und sie steigt aus der Ebene selbst bis zu einer Höhe von 700 Toisen. Auf ähnliche Art, wie die Cocos-Palme in vielfacher Hinsicht benutzt wird, geschieht dieses auch bei vielen an- | deren Palmen, doch wird bei der einen mehr dieser, bei der anderen mehr jener der verschiedenen Theile der Pflanze benutzt, wovon man im Folgenden die auffallend- sten Beispiele angegeben finden wird. Die Dattel-Palme (Phoenix dactylifera I). Das nördliche Afrika, Aegypten, Nubien, Syrien und das glückliche Arabien möchten das Vaterland der Dattel- Palme sein; sie geht nicht weiter östlich, als bis zum Ausflusse des Indus, doch findet man sie auch in Indien, jedoch künstlich verpflanzt. - Die Dattel-Palmen, welche um Batavia wachsen, sind dahin aus Persien. verpflanzt: Die Dattel-Palme verlangt einen sandigen und was- serreichen Boden, und so findet sie sich nur an solchen Stellen der grofsen Wüste Afrika’s, wo Quellen vorhanden sind. Hier giebt sie nicht nur den Reisenden Nahrung, sondern auch durch ihre Blätter den Lastthieren ein ge- höriges Futter. ‚So. zieht sich‘ die Dattel-Palme durch ganz Afrika, bis zum Atlantischen Ocean hindurch, und ist selbst auf den Canarischen Inseln zu Hause, doch fehlt sie süalich vom Senegal und ebenso in der südlichen Halbkugel. Oest- lich, in: der Oase von Darfur, unter 13 bis 15° N. Breite, kommt die Dattel-Palme nicht mehr vor, überhaupt 'er- streckt sich die: Zone derselben, wo sie närhlich gut ge- deiht, von 19 bis 35° N. Breite. Allerdings kommt die Dattel-Palme auch nach Europa hinüber und wird daselbst noch in 44° ‚Breite, in Italien nämlich, bei einer mittleren Temperatur von 13 bis 14° Cels., an Mauern. gezogen. Osbeck fand die Dattel-Palme bei einem Kloster in der Nähe von Cadix so hoch, wie die Gebäüde desselben. Nach Herrn Link *) blüht die Dattel- Palme: wohl im süd- lichen Europa, als in. Sicilien, Morea und dem'südlichen Spanien, sie trägt auch wohl Früchte, doch werden diese noch: nicht süfs; nur auf der Ebene von Elche im’ südli- chen Spanien, wird die Dattel- Palme ihrer süfsen Früchte. wegen: gebauet. ‘In allen übrigen, nördlicheren: Gegenden pflegt man sie der Blätter wegen. In Sicilien. wächst: die Dattel- Palme noch in 1700 Fufs Höhe, nämlich bei Adernod und Trecastagne am Aetna **), doch wahrscheinlich trägt sie daselbst keine Früchte. Auch nach Amerika ist die Dattel-Palme übergeführt, und sie soll daselbst, auf den westindischen Inseln, sehr gut gedeihen, auch sogar auf der Westküste von Südamerika, selbst bis Copiapo, im 27° südlicher Breite gezogen: werden, doch habe ich selbst in jenem Lande diese Pflanze nicht gesehen, auch möchte ich beinahe bezweifeln, dafs die Dattel-Palme im nördlichen Chile, wo die Wärme durch eigenthümliche Verhältnisse so äufserst niedrig ist, gute Früchte tragen kann. Die Dattel-Palme giebt ein Beispiel von ganz aufser- ordentlicher Fruchtbarkeit, und ihre Früchte bieten in den *) Die Urwelt IL. p. 347. **) S. Philippi, Ueber die Vegetation am Actna. Linnaca Bd. VII p. 731. 396 unfruchtbarsten Gegenden von Arabien und Aegypten die hauptsächlichste‘ Nahrung der Völker dar. Es ist eine diöeische Pflanze, und wo der männliche Baum fehlt, da müssen die Bewohner jener Gegenden den Blüthenstaub zur Befruchtung der weiblichen Blumen herbeiholen, sonst fallen diese ab. So war den Bewohnern jener Wüsten Arabiens und Afrika’s die Verschiedenheit in den Geschlech- tern der Pflanzen schon lange bekannt. Ja die Araber heben den Blüthenstaub von einem Jahre zum andern auf; für den Fall nämlich, dafs die männlichen Blüthen im nächsten Jahre mifsrathen möchten. Schon Theophrast hat diese künstliche Befruchtungsart der Dattel-Palme gekannt. Durch die Cultur ist auch die Frucht der Dattel-Palme sehr verändert worden, und man hat jetzt mehrere sehr ausgezeichnete Varietäten davon, ja Herr Bove *) sah im glücklichen Arabien sogar eine weifse Varietät. Auch von der Dattelpalme benutzt man den rohen Saft zur Bereitung des Palmweines, so wie die jungen Blät- ter oder das Herz der Pflanze zum Kohl, und auch die Blätter und das Mark finden dieselbe Benutzung, wie bei‘ der Cocos- Palme. Die Chilenische Palme (Molinaea micrococos Bert.). Die Chilenische Palme ist nicht, wie Molina vermu- thete, eine Cocos- Art, sondern sie bildet eine eigene Gat- tung, welche Berteno em Geschichtschreiber und Natur- forscher Molina zu Ehren, mit dem Namen Molinaea mi- crococos **) belegt hat. Diese Palme, welche früher in ungeheueren Wäldern in Chile vorgekommen sein soll, jetzt aber nur noch sehr selten ist, ist die südlichste in Amerika, wo sie bis über 35° südlicher Breite hinabgestie- gen ist und daselbst eine so nıedere Temperatur findet, dafs der Schnee im Winter oftmals mehrere Stunden lang liegen bleibt. Auf der Insel Juan Fernandez ist die Mo- *") Ann. des science. nat. 1834. 1. **) El Mercurio chileno. Santiago, 1828. 397 linaea ebenfalls zu Hause, und noch im 37sten Grade der Breite wird sie angepflanzt. Auch diese Palme ist aufserordentlich fruchtbar und jeder Spadix trägt über 1000 Nüsse. Der Kern dieser Nüsse wird zur Bereitung des Dulce sehr gesucht und ist selbst Gegenstand der Ausfuhr nach Peru. Auch ein sehr wohlschmeckendes Oel bereitet man aus dem Kerne. S Die Blätter, .die jungen Schöfslinge, die Scheiden, u. s. w. werden auch von dieser Palme auf eben dieselbe Weise benutzt, wie bei der Cocos-Palme. Die Mauritius-Palme (Mauritia flexuosa L.). Die Fächerpalme am Ausflusse des Orinoco ist eben- falls eine ausgezeichnete Nahrungs - Pflanze, wie Herr Alexander. v. Humboldt *) berichtet, so ernährt sie allein die unbezwungene Nation der Guaraunen. Zur Regenzeit, wenn das Delta des Orinoco überschwemmt ist, dann le- ben die Guaraunen nach Art der Affen auf den Bäumen jener Palme, indem sie Hängematten, aus dem Blattstiele der Mauritia gewebt, von Stamm zu Stamm aufgespannt haben. Nachdem sie diesen hängenden Boden mit Thee bedeckt haben, können sie auf demselben Feuer anmachen. Die Mauritia ist eine gesellig lebende Palme, welche in sumpfigen Gegenden und am Ufer stehender Gewässer, wie in der Nähe der Ströme vorkommt. Das ganze nörd- liche Südamerika, östlich der Cordillere, scheint mit der prachtvollen Mauritia beschenkt zu sein; von der Mün- dung des Orinoco’s bis zum Amazonen - Strome, durch die ganze Gujana, durch Surinam und durch das nördli- che Brasilien hindurch, so wie in den verschiedensten Or- ten, entlang dem Amazonen-Strome, bis zu dessen Zu- flusse auf dem östlichen Abfalle der Cordilleren- Kette, fin- det sich diese Palme in mehr ‘oder weniger grofsen Wäl- dern vereinigt. Die ‚grauen und glatten Stämme der Mau- ritia sollen im nördlichen Brasilien so gesellig auftreten, *) Ansichten der Natur, TI, p. 26. 398 dafs sie, wie Herr: v. Martius sagt, 'bei einer Höhe von 100 Fußs, gleich Pallisaden einer N aneinander gestellt sind. Die Blätter der Mauritia sind fächerförmig und ihre Fasern geben ‘das Material zu mannigfaltigen 'Geflechten, als zu Matten und Tauen, womit die Guarauner ihre über- irdischen Wohnungen an den Gipfeln der: Palmen oder an abgehauenen Baumstämmen errichten. . Auch haben die Otomaken, am Delta. des Orinoco’s, ’die Kenntnifs: von der Bereitung eines Fliegennetzes , welches ebenfalls ‚aus den Fasern der Mauritia-Blätter geflochten wird. Die Früchte der Mauritia, welche roth gefärbt sind, und’ geschuppt, wie die Tannenzapfen aussehen, Köngekih in üngeheuern Trauben ‘von’ dem Gipfel der Palme herab, und haben den Geschmack von recht reifen Aepfeln *). Aus dem Safte der Mauritius- Palme machen die Gua- raunen durch Gährung ihren süfsen und berauschenden Palmwein, und das Mark des Stammes liefert, ehe die männliche Palme ihre Blüthenscheiden austreibt, ein sagu- artiges Mehl, welches, ähnlich wie die Manioca, .in grofsen dünnen ‘Scheiben zu Brod gedörrt wird: und eine .allge- meine ‘Nahrung darbietet, so dafs man: diese Palme auch de Sagu -Palme Südamerika’s one | Die Sagu- Palme. Tbie Sagu, welche .aus verschiedenen op Län: dern’ zu uns kommt, wird gewifs aus sehr verschiedenen Palmen bereitet, vom denen uns noch mehrer® unbekannt sein möchten. "Die ‘gewöhnlichsten Palmen. welche den Sagu' geben, sind Sagus Rumphii, Cycas cireinalis, C. re- voluta, Corypha umbraeulifera, Caryota urens und Phoenix farinifera. Das Vaterland der Cycas circinalis ist sehr ausgebreitet; sie kommt von Japan an bis Siam vor, und wächst auf allen den indischen Inseln, als auf Java, Su- *) S. Alexander von Humboldt, Reise etc. V. p. 8. Buch IX. Cap. XXV. 399 ‘ matra, Borneo, Macassar, Ceram, wo man grofse Wälder von dieser Palme antreffen soll, welche die morastigen Gegenden bedecken. Es ist bekannt, dafs der Sagu aus dem Marke der Palmstämme bereitet wird, indessen die Zeit, in welcher das Mark dazu am meisten geschickt ist, ist nicht immer gleich, sondern man mufs diejenige Zeitperiode abwarten, ‚wenn die Palme ihre Spadices entwickelt hat, diese aber noch nicht geöffnet sind. Benutzt man den Baum in einem späteren Zustande, so erhält man entweder gar keine Sagu oder nur eine sehr schlechte holzige Sorte. Nachdem man zur Bereitung der Sagu die Palmstämme abgehauen hat, nımmt man das Mark aus denselben heraus und zerreibt es im Wasser zu ganz kleinen Stückchen, welche man durch ein Sieb laufen läfst. Im Lande selbst, wo die Sagu bereitet wird, da macht man aus derselben ein wohlschmeckendes Brod *), welches in viereckig ausgehöhlten Steinen gebacken wird, nachdem dieselben gehörig erhitzt worden sind. Im frischen Zustande ist das Sagubrod weich, später wird es aber ‚steinhart, indem das Amylum der Sagu durch die Einwirkung der Hitze zu einer durchsichtigen, äufserst spröden Masse gelatinirt. Fast auf jeder Insel Indien’s wird Sagu berei- tet, wovon mancher sehr schlecht, anderer ‚aber äufserst fein ist und sich durch die weifseste Farbe auszeichnet. Dieses reicht hin um zu zeigen, von welcher grofsen Nützlichkeit die Palmen sind, deren Mark ein sehr zartes und 'nahrhaftes Brod liefert; es sind jedoch Gewächse, welche nur selten über die Wendekreise hinausgehen. Sie wachsen wild in: den Wäldern jener Länder, und der In- dianer, welcher zu faul ist, andere Cultur-Gewächse zu *) Das Wort Sagu bedeutet in der Sprache der Papuas so viel als Brod, und da das Brod in jenen Besitzungen aus Palmmark: ge- macht wird, so ist der Name des künstlichen Produktes auf das Mark der Palme übergegangen, woraus es bereitet wird. Beı Pigafetta findet sich dieses Wort zum ersten Male gebraucht; er sah die Berei- tung des Sagubrodes auf den 'Moluccen. 400 bauen, kann sich von ihnen mit Leichtigkeit die hinreichende Nahrung verschaffen. In Ostindien ist die Bereitung des Sagumehls Gegen- stand eines sehr ausgedehnten Zweiges des Ackerbaues geworden, der zugleich sehr einträglich ist. Der indische Sagubaum, Sagus Rumphii oder Metroxylon Sagus Roxb,., liefert eine so grofse Quantität von Nahrungsstoff, dafs er darin alle übrigen Culturpflanzen weit übertrifft. Ein ein- zelner Stamm dieser Palme giebt im 45ten Jahre bisweilen schon 600 Pfund Sagu, und eine englische Acre Landes (40 Ruthen lang und 4 breit) kann 435 Sagu-Palmen er- nähren, welche demnach jährlich an 8000 Pfunde Sagu geben. *) Die Guineische Oel-Palme (Elais guineensis L.) Die grofse Menge von Palmöl, welche gegenwärtig in unseren Fabriken verbraucht wird, soll hauptsächlich von der Elais guineensis Linn. abstammen, wärend das bekannte Cocosnufs-Oel aus den Nüssen von Cocos nu- cifera und das aus Amerika zu uns kommende Oel haupt- sächlich von Cocos butyracea bereitet wird. Die Elais guineensis hat ihr Oel in der fleischigen Hülle, welche den Saamen dieser Palme überzieht, und man erhält das Oel durch blofses Auspressen dieser Saamenhüllen, wärend das bei der Cocosnufs durch Auskochen, oder durch vor- hergehende Fäulnifs und durch Auskochen der Nüsse ge- wonnen wird. Dieses Palmöl ist sowohl weifs als gelblich, und hat eine Consistenz wie Butter, einen lieblichen Veilchengeruch, und auf der. Zunge einen zarten und angenehmen Ge- schmack. Seitdem, besonders in neueren Zeiten, der Ver- brauch dieses Palmöl’s in unseren Fabriken so grofs ist, ist dasselbe ein bedeutender Handelsgegenstand geworden, und dient nun den Bewohnern der Tropen zur Vermeh- rung ihres Wohlstandes. *) $. Crawford Hist. of the Ind. Archip. I. pag. 387 und 393. 401 Die Wein -Palme. So wie wir im Vorhergehenden gesehen haben, dafs sich einige Palmen durch besondere Nutzbarkeit ihrer ein- zelnen Theile auszeichnen, indem die eine ganz vorzüglich nützliche Früchte, die andere ein nahrhaftes Mark, andere vorzügliches Oel geben u: s. w., so giebt es noch mehrere andere Palmen der tropischen Zone, welche meistens ganz al- lein nur auf Palmwein gezogen werden. Ich nenne hier die Phoenix (Elate) sylvestris, an der Küste von Malabar und auf den niederen Plateau’s von Indien, die Nipa-Palme auf den Philippinen und Java, Cocus butyracea (Wein- palme) in Südamerika, und vorzüglich den Borassus flabel- Jiformis, obgleich noch viele andere Palmbäume Wein geben, welcher aber nicht in so grofsen Massen fliefst und nicht so gut ist. Die Gewinnung des Palmwein’s aus der genannten Pflanze ist ganz gleich derjenigen, aus dem Safte der Cocospalme, welcher besonders geschätzt wird. Indem man den. Blüthenkolben, ehe er ganz ausgebildet ist, ent- weder blofs an’ der Spitze einschneidet und diesen Schnitt täglich erneuert, oder indem man den ganzen Schöfsling abschneidet und die Wunde täglich erweitert. Mehrere dieser Weinpalmen geben auch aus ihrem Safte eine grofse Menge Zucker, und dieser wird dann meistens zu Arrack verbrannt. Die Bereitung des Palmweins aus der Wein- oder ‚Königspalme (Cocos butyracea) Südamerika’s ist eine an- dere, worüber uns Herr Alex. v. Humboldt *) umständliche Nachrichten mitgetheilt hat. Nämlich nachdem der Stamm dieser Palme, der nur wenig gegen die Höhe abnimmt, umgeworfen ist, wird unterhalb des Blätter- und Blüthen- gipfels, in dem holzigen Theile desselben, eine Aushöhlung von 18 Zoll Länge, 8 Zoll Breite und 6 Zoll Tiefe ge- macht, worin: sich nach 3 Tagen ein weifslichgelber, sehr klarer Saft versammelt, welcher einen süfslichen, weinar- *) Reise ın die Aequinoctial- Gegenden. VI. 2. 1832. pag. 59. 26 402 tigen Geschmack hat. Wärend 18 bis 20 Tage sammelt man täglich von diesem Palmweine, der gleichsam schon im Stamme, gleich nach der Fällung ‘desselben, in Gährung übergeht, und es ist eine auffallende Erscheinung, dafs sich diese Masse Nahrungssaft, noch lange nach dem Fällen des Baumes zusammenzieht. Ein Baum giebt gewöhnlich 18 Flaschen Saft, und der Ausflufs soll reicher sein, wenn man die Blattstengel, welche am Baume sitzen, verbrennt. In Östindien ist die Cultur der Fächerpalme, Palmyra oder Brab der Engländer (Borassus flabelliformis), von aufserordentlicher Bedeutung, denn die Massen von Paim- wein, welche daselbst econsumiret werden, sind aufseror- dentlich grofs. Leider wächst diese prachtvolle Palme nur sehr langsam und, erst nach 30 bis 40 Jahren ihres Alters, giebt sie den beliebten Palmwein. Der Palmwein von Phoenix sylvestris ist nicht so beliebt, und wird in Indien mehr von den armen Menschen ‘genossen, wärend die Reichen den Wein der Palmyra trinken. Es möchte hinreichen, um gezeigt zu haben, dafs die Familie der Palmen eine grofse Menge von Arten aufzu- weisen hat, welche den Menschen eine Masse der besten Nahrungsmittel gewähren; möge man aber nicht die, so allgemein verbreitete Meinung theilen, dafs diese Nahrungs- mittel eben so reich und so leicht, zu erwerben sind, als das Clima glücklich ist, in welchem jene Palmen wachsen. Gewifs ist die Cultur der Palmen der regelmäfsigen und so ziemlich gewissen Erndte unserer Cerealien nachstehend. Nur ein so leicht zu befriedigender Magen, nur so genüg- same Menschen, wie die Indianer, können sich für längere Zeit von den Nahrungsmitteln der Palmen ernähren, und wenn es auch allerdings wahr ist, dafs der wilde Indianer, welcher in den Wäldern der Berge umherschweift, haupt- sächlich von wildwachsenden Palmen sich ernährt, so möge man dabei nicht vergessen, dafs demselben auch manche Tage vorübergehen, an welchen er nichts zu essen hat. Es würde die mir vorgesteckten Grenzen dieses Hand- buches weit überschreiten, wollte ich hier alle die haupt- 403 sächlichsten Früchte und deren geographische Verbreitung ‚aufzählen, welche.in den verschiedensten Gegenden der Erde, mehr oder weniger, nicht nur als Luxus, sondern als wahres Nahrungsmittel benutzt werden. Aufser den vor- - her. aufgeführten Nahrungsmitteln pflegen selten, selbst in solchen Gegenden, wo die schönsten der wohlschmeckend- sten tropischen Früchte in gröfster Menge vorkommen, diese als gewöhnliches Nahrungsmittel benutzt zu werden, sondern sie dienen auch hier mehr zum Luxus, oder zur Verfeinerung des Geschmacks der gewöhnlichen Genüsse. Ja fast überall bei den Völkern, wo die wohlschmeckenden Früchte der: Tropen 'angebauet werden, dä findet man schon einen, mehr oder weniger hohen Grad von Cultur; der rohe Indier kümmert sich um diese nicht, wenn sie ihm nicht die gewöhnlichste Nahrung. darbieten. Die herr- liche ‚Orangenfrucht, die kostbare Mango, die Ananas, die Anonen und so viele andere dieser edelen Früchte, findet man nur selten bei den uncultivirten Völkern, daher ich dieselben hier übergehe, und nur auf den Nutzen einiger anderen ‘Früchte aufmerksam mache, welche für gewisse Zeiten mehr oder weniger die alleinige Nahrung der ein- zelnen Völker ausmachen, oder, auf irgend eine Weise, mit der Lebensart derselben in unmittelbarer Abhängigkeit stehen, und durch ihre eigenthümliche chemische Zusam- mensetzung für längere Zeit aufbewahrt werden können. Unter diesen, hier besonders aufzuführenden Früchten sind manche, welche nur durch gewisse Lokalverhältnisse zu einer besonderen Wichtigkeit für die Völker werden, wä- rend sie, an anderen Orten vorkommend, wo gröfserer Reichthum an besseren Früchten ist, als höchst unbedeu- tend erscheinen, ja oft ganz übersehen werden. Ich nenne hier folgende: Die Wassernufs (Trapae spec. var.). Die Wassernufs unserer europäischen Gewässer hat bekanntlich sehr grofse Saamen, welche reich an Amylum. und fettem Oele sind, und obgleich sie in unseren Seen 26 * 404 in sehr grofsen Massen auftreten, werden sie dennoch nur wenig benutzt. Dagegen werden in Indien und in China, wo durch die aufserordentliche Bevölkerung selbst der fruchtbarste Boden noch immer nicht genug Nahrungsmit- tel hervorbringt, auch die Früchte der verschiedenen Was- sernufs- Arten gegessen, welche in den Seen jener Länder in enormer Menge vorkommen. In Indien ist es die Trapa bispinosa Roxb., und in China die Trapa bicornis Linn., welche die mehl- und ölreichen Saamen liefern, ohne dabei besonderen Wohlgeschmack zu zeigen. Ueberall auf den Märkten des südlichen China’s, sowohl in den grofsen Städten als Canton und Macao, sowie an allen den kleinen Oertern, wo ich hingekommen bin, da findet man die Frucht der genannten Wassernufs, als ein Nahrungsmittel der Armen, zum Verkaufe ausgestellt. Ganz aufserordentlich mufs die Erndte ‚dieser Frucht auf den Höhen des Hima- laya sein, wo, z. B. auf dem Plateau von Caschmir, wie Moorceroft #) und vor ihm schon G. Forster **) erzählen, eine solche Menge von diesen Früchten, als ein gewöhnliches Nahrungsmittel verbraucht werden, dafs dieselben dem Staate, welcher sich das Monopol dieses Handels angeeignet hat, eine reine Einnahme von 12000 Pfund Sterling einbringen. In enormer Menge kommt diese Pflanze in den Seen und Teichen des Hochlandes von Casehmir vor, und eine grofse Anzahl von Menschen sind, den gröfsten Theil des Jahres hindurch, damit beschäftigt, diese Nüsse aus der Tiefe der Gewässer zu fischen. Das ewig grünende Land von Caschmir besitzt noch mehrere andere Gewächse, welche daselbst die gewöhn- lichen Nahrungsmittel geben, wärend ähnliche Früchte bei uns und in anderen Ländern, wo solche Ueberfüllung mit Menschen noch nicht stattfindet, und Reichthum an anderen *) Notices of the natur. product. and agricult, of Cashmere — Journ. of the Roy. Geogr. Soc.:of London. Vol. II. pag. 253 etc. *) Voyage du Beng. a Pet. Paris 1802. Tom. I. pag. 318. . 405 Früchten herrscht, nur nebenbei, und meistens nur von den Reicheren zur Abwechselung gegessen werden. Die Früchte des Wallnufsbaumes geben hiezu Beispiele, denn ihr Anbau scheint im Thale von Caschmir sehr grofsartig betrieben zu werden, so dafs man nach Moorcroft vier verschiedene Arten daselbst vorfindet, welche vielleicht nur durch Veredelung entstandene Varietäten sind. Bekannt- lich hat die Wallnufs ein sehr wohlschmeckendes Oel, verhältnifsmäfsig eben so viel, als die Olive, und grofse Massen jener Früchte werden daher auch in .Caschmir, zur Bereitung des Oeles angewendet, und dieses Oel wird von dortaus sogar nach Tübet ausgeführt; jedoch wird das Sesamöl: dem Wallnufsöl noch vorgezogen. Da auch das Helz des Wallnufsbaumes von Caschmir sehr geschätzt wird, so ist die..Cultur dieses Baumes auf jenem Plateau sehr ausgedehnt, und der Ertrag dieses Gewerbzweiges mufs auch sehr bedeutend sein, da die Regierung sich zum wenigsten mit den Eigeneren darin theilt. Auch in den Wäldern Europa’s, welche eigentlich arm an efsbaren Früchten sind, kommen mehrere Bäume vor, deren Früchte in früheren Zeiten, als der Ackerbau erst im Entstehen war, den rohen Völkern die gewöhnliche Nahrung dargeboten haben und, mehr oder weniger, noch gegenwärtig den Bewohnern einzelner Gegenden von der höchsten Wichtigkeit sind, als z. B.: Die Kastanie (Castanea vesca Gaertn.). Die Kastanie, die wohlschmeckende Frucht von Casta- nea vesca Gaertn., wächst im ganzen südlichen Europa und findet in dem wärmeren Theile der temperirten Zone ihre wahre Heimath. In Asien findet sich diese Kastanie im westlichen Grusien und auf den höheren Gebirgen des Kaukasus, wo sie von Bieberstein aufgefunden ist, und wahrscheinlich ist unsere europäische Kastanie auch im nördlichen China zu Hause, obgleich die Früchte, welche von dort aus durch den Handel nach Canton kamen, etwas verschieden von den gewöhnlichen gestaltet waren. Herr 406 ‚Link *%), der genaueste Kenner der süd-europäischen Flora, hat die Verbreitung der Kastanie für das südliche Europa sehr genau angegeben. Nach Herrn Link’s Untersuchungen findet sich der Kastanienbaum im nördlichen Griechenland, im mittleren steigt er auf die Berge, und im südlichen findet er sich nur in sehr bedeutenden Höhen. #**) . Ebenso in Italien; er macht die Wälder auf den Bergen von Piemont, und gehört zu den Hauptnahrungsmitteln für den grofsen Haufen in den Thälern der Waldenser und der anliegenden Gegenden, er hebt sich immer höher, und bildet endlich ‘einen sehr bekannten Wald am Aetna. In der wärmeren Schweiz und im südlichen Tyrol ist er ebenfalls em ge- wöhnlicher Waldbaum, welcher den Reisenden aus dem Norden, auf dem südlichen Abhange des Simplon, etwa 14— 1500 Fufs unterhalb der gröfsten Höhe jener berühm- ten Strafse, auf das freundlichste begrüfst. Vorzüglich soll die Kastanie in den Cevennen und in Limonsin zur Nahrung dienen. Die hohen Berge in Spanien und Portugal fand Herr Link oftmals ganz mit Kastanienbäumen bedeckt, oder sie bilden daselbst einen Gürtel unterhalb der kälteren Spitze, wie auf der Serra de Marao. Aber dieses Areal der Ka- stanie ist durch die Kunst noch sehr erweitert, sowohl nach Norden als nach Süden. In Deutschland sind die Wälder der ächten Kastanie gar nicht so selten; am Rhein gehen sie noch weit hinauf, und sie gedeihen, wenn auch nicht in so grofsen Massen, noch im Harz und selbst um Berlin und Potsdam recht sehr gut, so dafs man gröfsere Anpflanzungen dieses’ so schönen und so nützlichen Bau- mes, besonders an gegen Norden geschützten Orten, wohl versuchen sollte; sie würden vielleicht mehr Ertrag geben, als der schlechte Wein unserer Gegenden. Schliefslich mache ich über diesen Gegenstand “. Herrn Link’s gelehrte antiquarische Untersuchungen auf- *) Die Urwelt u.s.w. 2te Auflage. 1834. I. pag. 355. *") Das südliche Griechenland hat aber auch ein Clima, welches dem der subtropischen Zone. angehört. a —————— 407 merksam, welche derselbe in seinem Werke über die Ur- welt, Bd. I. pag. 356 u. s. w., mitgetheilt hat, worin nach- gewiesen wird, dafs schon die ältesten griechischen Natur- forscher diese kostbare Frucht gehörig gewürdigt haben und sie unter dem Namen der Eichel Jupiters (dıög Pa- Acwvog) beschreiben. Wir besitzen noch mehrere andere Bäume und Sträu- cher in unseren europäischen Waldungen, welche ähnliche nahrhafte und wohlschmeckende Früchte hervorbringen, welche jedoch von weniger Wichtigkeit als die Kastanien in dem Haushalte der Menschen sind. Bekannt ist es, dafs im südlichen Europa Eichen mit efsbaren Früchten auf- treten; es ist dieses Quercus Aegilops L., ein hoher und schöner Baum Griechenland’s mit immergrünenden Blät- tern. Die Früchte dieses Baumes sollen indessen nicht besonders angenehm schmecken, und daher auch die Grie- chen, wie Herr Link bemerkt, dieselben den Schweinen überlassen, wenn sie andere Nahrung besitzen. Auch in Albanien bildet diese Eiche grofse Wälder. Eine zweite Eiche mit efsbaren Früchten ist Quercus Ballote Desf., welche vom nördlichen Afrika aus zuerst bei uns bekannt wurde; indessen Herr Link hat gefunden, dafs dieser Baum im südlichen Portugal und dem angrenzenden Spanien grofse Wälder bildet, und dafs die Früchte desselhen in diesen Ländern häufig gegessen werden, ja vor den Thoren von Madrid werden sie mit den Kastanien. verkauft. Aufser den genannten efsbaren Früchten unserer Wälder sind noch die Haselnufs (Corylus Avellana) und die Pinien- körner (Pinus Pinea L. und P. Cembra L.) zu nennen. Die efsbare Fichte ist im südlichen Europa zu Hause; schon in Ober-Italien findet man die Früchte dieses Baumes auf den Märkten zum Verkaufe ausliegen, die Zürbelfichte da- gegen ist schon in der Schweiz, in Tyrol und in Sibirien zu Hause, und ihre Früchte werden dort, wo gerade nicht grofser Reichthum an anderen Nahrungsmitteln stattfindet, sehr gewöhnlich zum Essen angewendet. Auch in Ostindiens Hochländern werden viele Pinien mit efsbaren Früchten ge- 408 funden. Die Haselnufs ist dagegen eine viel nahrhaftere und. wohlschmeckendere Frucht, welche bekanntlich verhältnifs- mäfsig reicher an Oel ist, als die Wallnufs und der Olivenkern. Im nördlichen Europa, selbst bis weit über den arktischen Kreis hinaus, spielt die Haselnufs eine wichtige Rolle im Haushalte der armen Landbewohner, und wahrscheinlich würde man grofse Anpflanzungen dieses herrlichen Strau- ches mit grofsem Erfolge betreiben können, wenn nicht, der grofsen Masse Oel wegen, die Kerne dieser Nüsse so leicht ranzig würden. In Südamerika spielt die Araucaria, auf ds Cordillere des südlichen Chile, eine sehr wichtige Rolle in dem Haus- halte der rohen Indier. Dieser prachtvollste aller Coni- feren-Bäume, den ich schon früher, pag. 157, geschildert habe, bringt eine sehr grofse Menge wohlschmeckender Saamen zur Reife, welche doppelt so grofs sind. als Man- deln’ und den rohen Bewohnern der südchilenischen Cor- dillere ‚eine. sehr beliebte Speise liefern. Die nördlichsten aller: Araucarien- Wälder kommen erst in der Breite von Concepeion vor, also in Gegenden, wo die Niederlassungen der Weifsen auf chilenischem Boden schon ganz unbedeu- tend sind. Die Araukaner sind es aber, welche die Früchte jenes herrlichen Baumes geniefsen und, so wie bei anderen rohen Völkern, wird auch bei diesen, die Zeit der Erndte dieser Nüsse eine Zeit des allgemeinen Jubels. Auch herrscht daselbst ein solcher Reichthum an diesen Früchten, dafs viele jener barbarischen Indier, ohne irgend einen Zweig des Ackerbaues zu betreiben, diese Nüsse als die alleinige vegetabilische Nahrung benutzen, | Der Catappa-Baum (Terminalia Catappa) ist ein tro- pischer Baum von der Form einer Linde, ebenfalls mit wohlschmeckenden, efsbaren Kernfrüchten versehen, der auf vielen Inseln des indischen Archipels, besonders auf den Molukken vorkommt und zur Nahrung benutzt wird. Die Frucht hat Aehnlichkeit mit einer Wallnufs, ist aber platt; anfangs ist sie roth gefärbt, wird aber im reifeu Zustande schwarz und enthält 4 bis 2 mandelartige Kerne. 409 Wahrscheinlich würde die Catappafrucht eine weit wichti- sere Rolle im Haushalte der Indianer jener Inseln spielen, wenn daselbst nicht Ueberflufs an so verschiedenen ande- ren, weit ergiebigeren Nahrungspflanzen wäre. Von grö- fserer Wichtigkeit erscheinen die Juvias in den Wäldern des aequatorialen Südamerika’s. " x — Brasilianische Kastanien oder Juvias (Früchte der Bertholletia excelsa Humb. et Bonp!l.). Die Juvias, welche zu uns, von Brasilien aus, unter dem Namen der brasilianischen Kastanien, der brasilianischen Nüsse u.s. w. kommen, gehören einem der prachtvollsten Waldbäume an, welcher im Inneren von Südamerika vor- kommt und der Familie der Myrtengewächse angehört. Herr Alexander v. Humboldt, vor dessen ergebnifsreicher Reise naclı Amerika jener Baum mit den wohlschmecken- den und überaus nützlichen Früchten fast ganz unbekannt bei uns war, hat jene Gegenden bereist, wo derselbe vor- kommt, und in seinem Reisebericht auch über diesen Ge- genstand eben so ausführliche, als höchst interessante Mit- theilungen gemacht. *) ; Der Juvia-Baum hat einen Stamm von 2 bis 3 Fufs Durchmesser und eine Höhe von 100 bis 120 Fufs. Die langen Aeste der Bertholletia, sagt Herr Alexander von Humboldt, öffnen sich weit; sie sind unten beinahe nackt, gegen die Spitzen hingegen mit dichten Blattbüscheln be- setzt. Diese Vertheilung der halb lederartigen, auf der Unterseite etwas ‚silberfarbenen und über 2 Fufs langen Blätter wiegt die Zweige gegen die Erde hinab, wie es bei den Zweigen der Palmbäume der Fall ist. Im 45ten Jahre blüht dieser prachtvolle Baum, meistens Ende März und im Anfange des April, worauf die Früchte schon gegen Ende Mai reif sind. Die grofsen Früchte dieses Baumes sind 42 bis 13 Zoll im Durchmesser und kugelförmig ge- ”) S. dessen Reise in die Aequinoctial - Gegenden. IV. pag. 466 u.s. w. Buch VIII. Cap. XXIV. 410 staltet; sie haben eine sehr harte holzige Fruchthülle von einem halben Zoll Dicke und enthalten 15 bis 22 solcher einzelnen Nüsse, wie sie zu uns in den Handel kommen. Da die Nüsse bei ihrer Reife schon innerhalb der grofsen Hülle ganz frei liegen, so machen die Früchte, wenn sie von dem Baume herabfallen, ein aufserordentliches Getöse. Der Geschmack dieser bekanntlich sehr grofsen man- delartigen Saamen ist, so lange sie frisch sind, sehr ange- nehm, doch werden sie, des vielen Oeles wegen, welches in denselben enthalten ist, sehr bald ranzig; indessen oft- mals schmecken sie noch bei uns, nachdem sie eine so weite Reise gemacht haben, recht a gut.» Die Bertholletia excelsa, welche diese aufserordentlich nahrhafte Frucht liefert, scheint im Inneren des tropischen Südamerika’s ein ziemlich ausgedehntes Vorkommen zu besitzen, indessen entfernt sie sich wohl nicht weit zu beiden Seiten des Aequators; sie ist in den Wäldern am Ausflusse des Amazonenstromes, wie in den Cerros de Guayanna in 3° Breite beobachtet. Die Herren 'v. Hum- boldt und Bonpiand fanden diesen prachtvollen Baum zu- erst an der Mündung des Cassiquiare, und grofse Wälder desselben sind in dem ewigen Waldmeere zu finden, wel- ches die Ufer des Rio Negro, sowie des ganzen Zwischen- Strom-System’s umfliest, das den Amazonenstrom mit dem Orinoco verbindet. Oberhalb von Gehette und Chiguire sollen nach den Mittheilungen, welche Herrn Alexander von Humboldt gemacht wurden, der Juvia- und der Kakaobaum ganz aufserordentlich gemein sein. Wenn die Zeit der Reife der Juvianüsse eintritt, dann ziehen die Indier des Ober-Orinoco nach jenen Wäldern, wo diese Bäume in grofsen Gesellschaften auftreten, und sammeln dort die köstliche Frucht in gröfsten Massen ein, um sie zu Hause, als gewöhnliches Nahrungsmittel zu be- nutzen. Die Heimkehr von diesen Erndten wird dann durch Feste gefeiert, wobei die rohesten Ausschweifungen statt- finden, wie es Herr Alexander v. Humboldt *) so aufser- ordkntch aebhate beschrieben hat. z NY l. e. pag. 463. 411 Die Anpflanzungen dieses Baumes, der eine so äufserst angenehme und nahrhafte Speise liefert, nach anderen, echt tropischen Gegenden, kann nicht genug denjenigen Regie- rungen anempfohlen werden, welche ausgedehnte tropische Colonieen inne haben. Der Kern der Cocosnufs ist gegen die schöne Mandel der Bertholletia excelsa nur eine sehr - rohe Frucht. Die hauptsächlichsten Culturpflanzen, welche mehr oder weniger zum Luxus benutzt werden. Die Areca-Palme. Einen ganz ähnlichen Genüfs, wie ihn die Peruaner durch das Kauen der Coca erlangen, verschaffen sich die Bewohner Ostindiens und der angrenzenden Südsee-Inseln durch das Kauen der Arecanufs, welche unter der Benen-. nung Betelnufs so allgemein bekannt ist. Die Palme, welche die Betelnüsse giebt, ist die Areca Catechu Linn.; sie gehört zu den schönsten Formen, welche wir in Indien gesehen haben, und ist eine Pflanze der heifsesten Gegen- den zwischen den Wendekreisen, liebt aber zugleich ein feuchtes Clima. Ueberall in den Küstengegenden Ostindiens und der angrenzenden Südsee-Inseln, der Phtlippinen, der Carolinen, Marianen und der Societäts-Inseln, wo der Genufs des Betels mehr oder weniger im Gebrauche ist, da findet man dieAreeapalme in der Nähe der Wohnungen gepflanzt, wo sie, in Gesellschaft der Bananen-Gewächse, einen herrlichen Anblick gewährt. In der Stadt Manila findet man die Betelpalme, in regelmäfsigen Reihen ge- pflanzt, vor den Häusern, und Pisange, Anona squamosa, Averrhoa Bilimbi und andere tropische Bäume stehen dazwischen. Pigafetta fand auf den Philippinen den Ge- brauch, Betel zu kauen, schon eben so allgemein, wie er noch gegenwärtig daselbst ist. Bei dem enormen Consum des Betels in jenen indi- schen Gegenden, und selbst in China, bildet die Betelnutfs 412 einen Handelszweig von grofsem Umfange; besonders grofs ist die Einfuhr der Betelnufs nach China, wohin sie haupt- sächlich aus Hinter-Indien und von Sumatra gebracht wird. Diesen Handel mit Betelnüssen und Pfeffer zwischen Suma- tra und China betreiben grofse bewaffnete Schiffe unserer nordischen Nationen, worunter die Nordamerikaner nicht fehlen. Die Betelnüsse werden gegen Pulver ‚und Wäffen eingehandelt, und, wenngleich dieser Handel mit grofsen Gefahren verbunden ist, denn die Malayen suchen jedes Schiff zu überfallen, so ist er auch, auf dem Markte zu Canton, wieder eben so ergiebig. Einzelne Schiffe führen zuweilen bis 10000 Pikel (zu 1334 Pf. engl.) von Sumatra, und jährlich liefert diese Insel wenigstens 40- bis 60000 Pikel, welche vom Mai bis zum August abzuführen sind. Die Insel Sumatra mit den anliegenden Ländern liefern wohl 80- bis 90000 Pikel jährlich zur Ausfuhr, welche meistens nach China gehen. Die frischen Arecanüsse wer- den in den Schiffen ohne weitere Verpackung verladen, und sie erzeugen durch das Zusammengehäuftsein wärend der Fahrt einen hohen Grad von Hitze. Die Arecapalme, wahrscheinlich nur auf den Sunda- Inseln und den angrenzenden Philippinen wild wachsend, ist nicht nur auf Sumatra, sondern vorzüglich in Indien ein Gegenstand des ausgebreitetesten Ackerbaues. Die Insel Ceylon, vorzüglich aber das ganze Malabar, und ‚noch wei- ter hinauf, enthält ganz aufserordentlich grofse Anpflan- zungen dieser schönen Palme, und der Ertrag daselbst ist von hoher Bedeutung, da der Verbrauch der Arecanüsse in ganz Indien ebenfalls unglaublich grofs ist, indem Jeder- mann daselbst den Betel kauet. | Die Arecanufs wird bei der Zubereitung des Betel-Hap- pens in schmale, längliche Stückchen zerschlagen und in Betel- Pfefferblätter, welche auf der einen Fläche mit rohem und angefeuchtetem Kalke bestrichen werden, eingewickelt. Auf der Insel Lucon findet man in jeder Wohnung, in irgend einer Ecke, ein Kästchen oder einen Teller stehen, in welchem die zubereiteten Betel-Happen (Buyo’s) für den 413 Verbrauch des Tages aufbewahrt werden, und jedem Ein- tretenden bietet man eine Buyo an, ganz eben so, wie bei uns eine Prise Tabak oder eine Pfeife. Die Leute auf Reisen und diejenigen, welche im Freien arbeiten müssen, tragen kleine Dosen oder Taschen bei sich, worin die Buyo’s für den Tag über, ganz so, wie die Cocahäppchen in Peru, aufbewahrt werden. Die Zubereitung der Betel- Happen gehöret den weiblichen Mitgliedern jedes Hauses an, und den Vormittag über sieht man sie fast immer auf der Erde liegen und Buyos machen. Das Kästchen, wel- ches hiezu gebraucht wird, enthält einige Arecanüsse, einige Blätter des Betelpfeffers, ein starkes Messer zum Zer- schlagen der Betelnüsse und ein kleines Tellerchen mit angefeuchtetem Kalke, der mit einem hölzernen Spatel auf die Blätter gestrichen wird. -Der Luxus in dem Genusse ‚des Betels ist sehr grofs; in jenen Ländern, z. B. auf den Philippinen, mufs Jedermann Betel kauen. Wer es nur ha- ben kann, nimmt stündlich eine neue Buyo in den Mund, woran er wenigstens eine halbe Stunde zu kauen und zu saugen hat. | | Wie herrlich der Genufs des Betels ist, können wir, die wir daran nicht gewöhnt sind, nicht beurtheilen; jene Völkerschaften sprechen mit Begeisterung davon, und so, wie man. in Hoch-Peru den Arbeitsmann zugleich mit Coca besoldet, ebenso geschieht dieses auf den Philippinen mit Betelhäppchen. Eine schädliche Wirkung möchte der Betel- genufs auf die Gesundheit der Menschen wohl nicht aus- üben, und man sieht auch hier, was die Macht der Ge- wohnheit ‚ausmacht. Indessen das Betel-Kauen ist eine der ekelhaftesten Sitten, welche bei einem Volke gefunden werden kann; kaum vergehen, bei einem anhaltenden Ge- brauche desselben, einige Jahre, so werden die Zähne roth, ja selbst das Zahnfleisch wird ganz dunkelbraun gefärbt, und eine. beständige Salivation findet statt, wobei selbst der Speichel zuletzt ganz braunroth gefärbt ist. Ja die tagalischen Mädchen sehen es als einen Beweis von der Aufrichtigkeit der Gesinnungen und der Heftigkeit der Leı- 414 denschaften ihrer Geliebten an, wenn diese den Buyo aus ihrem Munde nehmen. | Da die Betelnufs stets mit den Blättern des Betel- Pfeffers *) gegessen wird, so ist die Cultur dieser Pflanze für den Landmann, in der Nähe grofser Städte, ebenfalls von Bedeutung, denn täglich werden daselbst unglaubliche Massen dieser frischen Betel - Pfeffer - Blätter auf dem Markte verkauft. Man sieht diese schönen, grofsen und herzförmigen Blätter in Haufen von 3 bis 4 Fufs Höhe aufgeschichtet, in grofsen Körben umhertragen; doch Je- dermann, der nur ein Stückchen Ackerland besitzt, pflegt sich den Bedarf an diesen Blättern selbst zu ziehen. Die Pflanzungen des Betel-Pfeffers sind in der Art angelegt, wie bei uns die Bohnenfelder, doch stehen die einzelnen Pflanzen weiter auseinander, und das herrliche Blatt der- selben giebt dem ganzen Felde: ein schönes helles Grün, wie es nur wenigen Pflanzen eigen ist. Der Betel - Pfeffer erfordert sehr guten Boden und dabei niederen Grund und viel Wasser; man umzieht diese Pflanzungen mit einem Graben und einem Walle, auf wel- chem Hecken von verschiedenen Pflanzen gemacht werden, als z. B. in Indien von Euphorbia Tirucalliı, Arundo tibia- lis Roxb. und: vielen Anderen mehr. Hat der Boden der Betel - Pfeffer - Pflanzungen nicht Wasser genug, so mufs er 6 Monate lang gewässert werden; man theilt denselben in regelmäfsige Beete und umgiebt diese mit eingefafsten Bewässerungs - Kanälen, aber zwischen dem Walle und dem. Ackerlande läfst man einen freien Raum von 20 Fufs Breite. In der Mitte jedes Beetes macht man die Löcher zu den Stecklingen, welche stets 14 Fufs weit von einan- der gepflanzt werden. In jedes Loch steckt man 2 Steck- linge von 3 Fufs Länge, doch so, dafs man sie mit ihrer Mitte in der Erde befestigt und demnach die Enden von jeder Seite hinausragen und später ausschlagen; in den 48 ersten Monaten läfst man diese Schöfslinge an Stan- *) Piper Betle L. 415 gen hinaufsteigen, sie verlangen wärend dieser Zeit viel Wasser, oft täglich zweimal. Zwischen diesen eingesetz- ten Stecklingen pflanzt man junge Bäume von Aeschino- mene grandiflora, oder von Guilandina Moringa, oder von Erythrina indica ete., welche sehr schnell wachsen und später den Betel-Pflanzen zum Hinaufranken dienen, denn schon nach 18 Monaten nimmt man diese Pflanze von ih- ren früheren Stangen ab, legt die Basis ihrer Stengel etwa 3 Fufs lang in die Erde und führt die Stengel so, dafs sie an den gepflanzten Bäumen hinaufsteigen können. Im zweiten Jahr legt man die Stengel wieder 3 Fufs lang in Erde und wiederholt dieses alle Jahr. Im vierten Jahre kann man die Blätter pflücken, und dann dauert diese Erndte 6 bis 7 Jahre lang, worauf die Pflanzen absterben und durch neue ersetzt werden müssen. Ein ähnlicher Gebrauch, wie der Genufs des Betel- Happens, besteht in dem Kauen des Terra japonica oder “des Suceus Catechu, auch Caschu genannt, welcher in Ost- indien ebenfalls sehr allgemein ist. Gröfstentheils wird diese Catechu aus den Nüssen der Areca Catechu durch mehrmaliges Auskochen und mehrmaliges Abdampfen bis zum vollkommenen Trockensein bereitet. In vielen Ge- genden Indiens aber, besonders mehr nördlich, am Fufse des Himalaya, da wird die Catechu aus dem Holze der Mimosa Catechu Roxb. bereitet, welche daselbst wild wächst. Auch in Ava findet sich dieser Baum. | ‘ Zur Bereitung der Catechu werden die Bäume ge- ‚fällt, das äufsere weifse Holz wird entfernt und das In- .nere in kleine Stücke geschnitten und dreimal ausge- kocht. Die Extraete werden dann zusammengegossen, ein- gedickt, und zuletzt in kleinen Stücken auf Baumblätter gelegt und in der Sonne getrocknet, wo sie bis sieben Tage lang liegen bleiben müssen. Diese Catechu, Caschu in Indien genannt, hat grofse Achnlichkeit mit dem Gam- bir-Extract, worüber im Folgenden. 416 Das Gambir - Extract. Ein ganz ähnlicher Luxus - Artikel, wie der Betel, wird gegenwärtig, in einigen Gegenden von Indien, von Jahr zu Jahr mit gröfserer Vorliebe aufgenommen; ich meine hiemit das Gambir - Extract. Die Pflanzen, welche das Gambir-Extract geben, sind Nauclea Gambir und N. aculeata Linn., es sind Sträucher von 5—7 Fufs Höhe, deren Blätter durch Auskochung das beliebte Mittel geben, welches, besonders auf den Hol- ländischen Colonieen in Indien, aber auch bei den Ma- layen von Sumatra, als Unterhaltungsmittel gekauet wird; man legt dem Stoffe eine so heilsame Wirkung bei, dafs man ihn vorgeblich als Verdauungsmittel geniefst, doch es verhält sich mit dieser Sache wohl so, wie mit unseren Gebräuchen der Art. Der wahre Tabackraucher weifs dem Gebrauche des Taback’s die wohlthätigste Wirkung auf seine Gesundheit beizuschreiben. Die Gambir - Pflanze wird gegenwärtig hauptsächlich in den Holländischen . Colonieen Indiens gebauet, als auf Java, besonders auf der reizend schönen Insel Bintang *), auf Sumatra **), auf Malacca, hauptsächlich auf Singa- poore und wahrscheinlich noch auf vielen andern Inseln jener Gegenden. Die Holländische Regierung hat die fremde Einfuhr des Gambir - Extracts gänzlich untersagt, und hiemit diesen neuen Industriezweig in ihren eigenen Besitzungen gehoben. Auf der Holländischen Insel Bin- tang, wo die Station Rhio ist, sind schon im Jahre 1832 an 6000 Gambir-Plantagen gewesen, von denen die gro- fsen 80— 100000 Bäumchen enthielten, die kleinen doch wenigstens 3— 4000; man denke, welchen Einftufs dieser Zweig der Cultur auf die Physiognomie der Vegetation jener Insel haben mufs. Auf den verschiedenen Stellen, wo die Gambir-Pflanze cultivirt wird, scheint eine etwas *) $8. Bennetts WVandering. London 1834. II. p. 183 etc. **) S, Anderson Miss. to the East Coast of Sumatra. Lond. 1826, 417 verschiedene Methode in der Einsammelung der Blätter jener Pflanze stattzufinden. Mehr als 10 Monate lang sind die Gambir-Pflanzen mit Blättern bedeckt, auf Ma- lacca werden dieselben viermal im Jahre abgepflückt, auf Bintang aber, wo das beste Gambir - Extract zubereitet wird, da werden die Blätter der Pflanze jährlich nur zwei- mal eingesammelt. Haben die Blätter nicht ihre vollkom- mene Ausbildung erreicht, so wird das Extract schlecht, und was das übelste dabei ist, auch die Plantagen werden dadurch frühzeitig ruimirt. Wenn der Gambir - Strauch 3 Jahr alt ist, fängt man an die Blätter desselben zu be- nutzen, und wenn man alle 6 Monate die Blattlese hält, so können dieselben Sträucher 25 bis 30 Jahre lang aus- halten. Nachdem die Blätter theils unmittelbar von dem Strauche abgepflückt sind, theils von den abgeschnittenen Schöfslingen abgestreift worden, werden sie in grofsen ei- sernen Kesseln 5 bis 6 Stunden lang stark gekocht, als- dann von der Flüssigkeit getrennt, und entweder nochmals ausgekocht oder fortgeworfen. Die zurückgebliebene Flüs- sigkeit wird zu einem dicken Extracte inspissirt, welches in längliche Mulden ausgegossen wird. Nachdem die Masse hierin etwas erhärtet ist, wird sie in Stücke ge- schnitten und an der Sonne getrocknet, und so kommt dieses Extract in Form von harten, trockenen Stücken von schwarzbrauner Farbe, im Inneren gelblichbraun, in den Handel, auch hat man es schon nach England geschickt, um es als Aetzmittel in der Färberei zu versuchen. Der. Geschmack dieser Art von Catechu ist anfangs süfslich, bei einem angenehmen aromatischen Wohlgeruche, später wird derselbe etwas zusammenziehend und bitterlich. Man: soll dieses Gambir-Extract zu Rhio auf Bin- tang durch mehrmaliges Auflösen und Reinigen sogar ent- färben, so dafs es weifslich aussehen soll. In den Handel kommt dieses weifse Gambir - Extract nicht. Die Pro- duction des Gambir-Extracts betrug auf der Insel Benang: 27 418 Im Jahr 1829 gegen 31000 Pikel. 3-80 - Eh BTL AT ir ABTR ER 2.4833.) = 70000 > zuidaal Did, und der Preis dieser Waare war damals 8 Rupp. für den Pikel, wofür sie die Regierung selbst kauft, um sie spä- ter viel theuerer zu verkaufen. Demnach betrug die Aus- fuhr von Benang für Gambir-Extraet, schon im Jahre 1833, 360000 Ruppien, und von Jahr zu Jahr nimmt die- ser neue Culturzweig an Umfang zu. Ja zu Singapoore werden, von den Chinesen ebenfalls schon. 20000 Pikel jährlich zubereitet, wo schon 150 Gambir-Plantagen im Jahre 1833 angelegt waren. Auch diese Waare, wie jede andere wird nach ihrer vorzüglichen Güte mehr oder weniger geschätzt; man sagt im Allgemeinen, dafs das Gambir - Extract von Benang und von der Bengalischen’Küste am besten sei; je körni- ger es ist,- um desto schlechter ist’ ‘es, woran auch ein schlechtes Abdampfen sehr oft Schuld ist. Die Opium - Cultur. Der Gebrauch des Opiums ist in den Morgenländern eben so allgemein, wie bei uns der Genufs der spirituösen Getränke, indessen die Art des Verbrauches ist bei ver- schiedenen Völkern verschieden; bekanntlich essen die Türken das Opium, die Chinesen und Malayen rauchen es und schlucken den Dampf nieder. So wie auch alle andere Luxus-Artikel mit bewunderungswürdiger Schnel- ligkeit Beifall finden, und sich über ganze Völker verbrei- ten, so verhält es sich auch mit der Verbreitung des Opium - Genusses. Die östlichsten Völker Asiens sind, seit nicht langer Zeit, von dieser Leidenschaft für den Ge- nufs des Opiums angesteckt, und nun verbreitet sich dieser neue Luxus mit. der reifsendsten Schnelligkeit, welcher kein Gesetz, keine Strafe, überhaupt gar kein Mittel in den Weg gestellt werden kann. | 419 Ja wir werden in der Folge sehen, bis zu welchen unglaublichen Massen der Verbrauch des Opium’s in China, in einem Lande nämlich, wo der Genufs des Opiums auf das strengste verboten ist, gestiegen ist. _ Es ist hier nicht die Rede von dem Anbau des wenigen Opium’s, welches aus dem Morgenlande zu uns, unter dem Namen des türkischen Opiums, zum medizini- schen Gebrauche kommt, sondern von der Cultur jener grofsen Massen in Indien, wofür so viele Millionen ge-- löst werden. Bekanntlich ist das türkische Opium stärker, als das indische, und wird defshalb zum medizinischen Gebrauche dem letzteren vorgezogen. Die Bewohner des östlichen Asien’s aber, welche das Opium rauchen, ziehen das indische dem türkischen vor, so ‘dafs letzteres fast nur den halben Werth hat. Ich habe freilich nicht Gele- genheit gehabt, um die Wirkung des indischen und des türkischen Opiums mit einander in medizinischer Hinsicht vergleichen zu können, doch mir scheint es, als wenn das indische Opium weniger reizend auf das Blutsystem wirke, und dadurch dem türkischen Opium so häufig vorgezogen zu werden verdiente. Obgleich. das indische Opium sehr theuer ist, so zeigen -die Bewohner Ostindiens dennoch keine besondere Vorliebe für diesen Cultur - Zweig, . da ‚derselbe so aufserordentlich mühsam ist. Die Kaufleute ziehen daher umher und schiefsen den Landleuten grofse Summen vor, um sie dadurch nur zur Cultur dieses Zwei- ges des Ackerbaues zu bewegen, wofür dann der Land- mann das Pfund: des gewonnenen Opiums für 15 Schilling Engl., also etwa für 5 Rthlr. Preufs. an die Vorschiefser der Capitalien verkauft *). Die Cultur der Opium-Pflanze **) wird nicht nur auf die Bereitung des Opiums betrieben, sondern auch zur Gewinnung des Saamens, welcher bekanntlich das *) $. Buchanan A. Journey from Madras through Mysore, Ca- nana and Malabar. Lond. 1807. T. I. pag. 295 etc. **%) Papaver somniferum L. 21° 420 sehr brauchbare Mohn - Oel liefert, und wahrscheinlich hat man, schon in frühester Zeit, diese Pflanze hauptsächlich des Saamens wegen gezogen. Doch die Opium -Pflanze erfordert den besten Boden und dabei beständig so viele Aufmerksamkeit, dafs der reine Ertrag dieses Culturzwei- ges nicht einmal so ergiebig, als der des Zuckerrohrs ünd des Tabaks ist *). h Der Boden, worauf die Opium-Pflanze eultivirt wer- den soll, wird anfänglichst auf ähnliche Weise bearbeitet, wie zur Reiscultur, und wird dann in grofse Quadrate eingetheilt, ganz ähnlich den Reisfeldern, die durch kleine Kanäle bewässert werden können. Im September und October wird der Boden zubereitet und im November wird der Saame gesäet, worauf der Boden alle 4 Tage bewässert werden mufs. In 6 bis 7 Tagen sind die jun- nen Pflänzchen 2 Zoll lang, und dann werden die über- flüssigen Pflänzehen ausgezogen, so dafs die zurückblei- benden immer 4 Zoll weit auseinander stehen. Nach 20 Tagen, wenn die Pflanzen schon 6 Zoll hoch geworden sind, mufs das Unkraut entfernt werden und der Boden mufs etwas Dünger erhalten. In Zeit von 24 Monaten ist die Pflanze zur Bereitung des Opiums reif und in vol- len drei Monaten werden auch die Saamen reif. Wärend der Zeit der Opium - Bereitung werden, 2 bis 3 Wochen lang, eine grofse Anzahl von Menschen in den Opiumfel- dern beschäftigt, indem dieselben bei Tage in die äufsere Seite der Fruchtkapseln entweder durch Dornen, oder durch feine spitze Nadeln **) mehrere Incisionen machen, so dafs der weifse Lebenssaft, welcher in den Gefäfsen, dicht unter der Oberhaut der Kapsel dieser Pflanze, in so gro- *) Tennant Indian Recreations consisting chiefly of strictures on the Domestic and rural economy of the Mahommedans and Hindoos. Edinburgh 1803. *) Anmerk. In Persien werden die Einschnitte mit einem fünfschneidigen Instrumente gemacht (S. Kaempheri Amoenit. exot. Fasc. III. Lemgoviae 1712. p. 643.). Die erste Lese giebt die la- eryma opü, welche mehr gelblich ist. 421 {sen Massen vorhanden ist, herausfliefsen kann. Am fol- senden Morgen kommt man wieder und kratzt den er- härteten Saft, welcher eine gelblichbraune Farbe ange- nommen hat, mit einer Muschel von der Wunde, und er- hält auf diese Weise das Opium. Diese Incisionen der Saamen-Kapsel wiederholt man einigemal, gewöhnlich drei- mal, und erhält immer von Neuem den gewünschten Saft, welcher alsbald an der Luft erhärtet. Dieser gewonnene rohe Saft wird nun unter Aufsicht des Kaufmanns, welcher ihn gekauft hat, noch einiger Be- handlung unterworfen, damit er nicht verderben kann. Man trocknet ihn nämlich zuerst in der Sonne, damit das Wasser aus demselben verdunstet, ersetzt dieses aber durch Mohnöl, damit das Zusammentrockenen des Harzes verhindert wird *). Hierauf wird das Opium in kleine platte Kuchen geformt, von 4 Zoll Durchmesser etwa, und in Mohnblätter eingehüllt; zuletzt, wenn es gehörig trok- ken ist, wird es in Kisten gepackt und mit der Spreu des Mohnsaamens festgelegt. Auf diese Weise kommt es auf den Markt von China; jede Kiste fafst 1334 Pfund Engl. oder 100 Cätti, welche nach der Masse des Vor- raths, So wie nach den Aussichten der Speculation sehr verschieden im Preise stehn. Auch sind. die verschiede- nen Sorten nach den Nationen, wo sie cultivirt worden sind, sehr verschieden im Preise; z.B. im December 1831 waren die Preise folgende **): Patna - Opium für die Kiste 935 —945 Span. Piaster. Benares- -- Rn - 940 - - Malwa- _- u - 6595—660 - - Damaun- - u 2.0655 = f Türkisches - an - : 555— 560. . -- £ Demnach kostete das feinste Opium über 1400 Thlr. Preufs. für 127,6 Berliner Pfunde, oder 133% Engl. Der ”) S. Tennant 1. c. p. 300. **%) $. Meyen’s Reise II. p. 299. 422 Landmann aber erhält dafür nach dem Contracte nur 660 bis 670 Thle. Preufs. Der reine Ertrag bei der Opium-Cultur ist demnach auch für den Pflanzer von geringer Bedeutung, und soll sich nur auf 20 bis 30 Ruppies für den Acre Landes (40 Ruthen lang und 4 Ruthen breit) belaufen, welcher nur 30 bis höchstens 60 Pfunde Opium liefert. Jedoch der Ertrag dieses Cultur-Zweiges ist, je nach dem Zustande der Witterung, der Insektenmasse u. s. w., im höchsten Grade unsicher; oft bringt er in einem Jahre sehr wenig, im folgenden Jahre dagegen sehr viel. Der Gewinn an Mohnöl soll für den Acre Landes nur 2 oder 3 Ruppies betragen. Schliefslich noch Einiges über den grofsen Umfang dieses merkwürdigen Handels mit Opium. Blofs auf dem Markte von Canton werden, seit dem Jahre 1828, für mehr als 18 bis 19 Millionen Thaler von diesem Artikel nach China eingeführt; es ist indessen bekannt, dafs auch auf der ganzen Küste von China, bis nach Korea hinauf, ein sehr bedeutender Schmuggelhandel mit diesem Artikel statt findet, so dafs sich die Summe Geldes, welche: jährlich für Opium aus dem chinesischen Reiche herausgezogen wird, noch um mehrere Millionen Thaler gröfser stellen möchte, nicht mitgerechnet dasjenige Opium, welches durch chinesische und siamesische Schiffe aus Indien unmittelbar nach jenen nördlichen Gegenden von China’ geführt wird. Ueber Canton allein sind vom Jahre 1818 bis 1831 über - 44 Millionen Pfunde Opium nach China geführt, welche die Summe von 115672339 Piaster gekostet haben. Die Masse: von Opium, welche ebenfalls von den Ma- layen des indischen Archipelagus, iu Cochinchina und Siam, so wie in Indien selbst und in Persien gebraucht wird, ist so aufserordentlich bedeutend, dafs, könnte man dar- über genaue Nachweisungen erhalten, gewifs eine ganz unglaubliche Summe von diesem, der menschlichen Ge- sundheit so schädlichen Artikel erhalten würde. Ja Herr 423 Burness *) hat beobachtet, dafs man es in gewissen Ge- genden selbst den Pferden zu fressen giebt, um sie zu gröfseren Kraftanstrengungen aufzuregen. Ein Cutchee- Reiter, erzählt Herr Burness, theilte seinen Opium -Vorrath mit seinem Pferde ganz ehrlich, und darauf machte dieses noch eine unglaubliche Strecke, obgleich es vorher schon ganz ermüdet war. Der Tabak (Nicotianae spec. var.). Die Eingebornen von Haiti rauchten den amerikani- schen Tabak, als die Spanier die Insel entdeckten, und gegen Ende des 16ten und im Anfange des 17ten Jahr- hunderts ging diese Sitte auf die Völker Europa’s über. Man ist sogar lange der Meinung gewesen, dafs der Ge- brauch des Tabaks, so wie dessen Cultur nur allein den amerikanischen Völkern eigenthümlich war, was aber heu- tigen Tages, durch die nähere Bekanntschaft mit China und mit Indien, als unrichtig nachzuweisen ist. Der Ver- brauch des Tabaks im chinesischen Reiche ist von au- fserordentlichem Umfange, und die Sitte scheint uralt zu sein, denn auf sehr alten Bildwerken habe ich eben die- selben Tabakspfeifen bemerkt, welche noch jetzt daselbst im Gebrauche sind. Uebrigens kennen wir jetzt die Pflanze, welche den chinesischen Tabak liefert, ja sie soll sogar in Ostindien wild wachsen. Gewifs ist es, dafs diese ost- asiatische Tabakspflanze ganz verschieden ist, von den amerikanischen Tabaks - Arten. Die Gattung Nicotiana gehört im Allgemeinen der‘ wärmeren Zone an, doch haken einige Arten derselben einen sehr ausgedehnten Verbreitungs-Bezirk, und eine grofse Zähigkeit gegen die Einwirkungen des Clima’s, denn man kann sie unter dem Aequator und in der gemäfsig- sten Zone, selbst bis weit über 55° N. Breite hinaus, ziehen, wo die mittlere Sommerwärme gleich 15,87° C. ist. Es ist bekannt, welche ungeheueren Massen von die- *) Narrative of a Visit to the Court of Sinda, p. 230. 424 sem edelen Kraute, selbst in unserem Vaterlande eultivirt werden; der Masse nach liefert er hier so viel als in den Tropen, ganz anders aber ist die Qualität desselben. Die südliche Polargrenze für die Cultur des Tabaks ist nicht genau bekannt, wohl aber wird sie bis hoch in die vier- zige der Breitengrade gehen, denn in Südamerika wird noch bei Concepcion Tabak gebauet und auf Neu-Seeland gedeiht er zum eigenen Bedarfe ebenfalls. Die Havanna ist ihrer Tabaksproduction wegen sehr berühmt, und diese Insel allein hat noch zur Zeit des früheren spanischen Handelssystems eine Summe von 350000 Arrobas a 25 Pfund; also eine Masse von 895 Millionen Pfund geliefert, wovon an 128000 Arrobas nach Spanien geführt wurden *). Der Tabak von Caraccas und über- haupt aus dem jetzigen Venezuela, hat ebenfalls eine au- fserordentliche Berühmtheit erlangt, und wird besonders gegenwärtig schon sehr stark ausgeführt. Heutigen Tages wird die Tabaks-Cultur auch auf den Philippinen, mit allem Ernste betrieben, und der Ertrag derselben möchte wohl wenig demjenigen von der Havanna weit nachste- hen. Die Cigarren von Manila sind in ganz Indien von dem vorzüglichsten Rufe, und bei uns, wo sie nur sehr selten auf den Markt kommen, werden sie ebenfalls aufser- ordentlich geschätzt. Man erkennt sie leicht daran, dafs sie auf beiden Enden abgeschnitten sind, und stets im Bündeln von 32 Stück in den Handel kommen. Auch hier auf den Philippinen, so wie auf der Insel Cuba, ist die Tabaks-Cultur monopolisirt, und überall im Lande sieht man die Beamten umherwandern, oft in sehr grofser Zahl], um auf die unerlaubte Cultur dieses Krautes zu achten. Die Cigarrenfabrik zu Manila beschäftigt gegenwärtig 1500 Männer und über 3000 Frauen, lauter Eingeborne von Lucon. Diese Arbeiterinnen sitzen in langen Reihen un- ter den Schuppen, wickeln den gehackten Tabak in aus- gesuchte, befeuchtete und dreiseitig zugeschnittene Blätter, *) S. v. Humboldt, Ueber Neu- Spanien, IIL p:-4177. — 7 u 425 und befestigen diese zuletzt an den beiden Seiten mit Gummi. Manila hat allerdings im Jahre 1829 nur 4,591 Arrobas Cigarren ausgeführt *), aber der Consum dersel- ‘ben im Lande selbst, mufs ganz aufserordentlich sein, denn dort raucht Jedermann. Es ist unnöthig, darauf noch aufmerksam zu machen, mit welcher Lust alle Völker die Sitte des Tabaks- Ge- nusses aufgenommen haben; . selbst die rohesten Horden sind mit Tabak zu befreunden, und es giebt wohl nur wenige Völker, welche, in Ermangelung des Tabaks, nicht irgend ein anderes Mittel der Art zur Unterhaltung auf- zuweisen haben. | Die Coca der Peruaner. Die Blätter der Cocapflanze #*) sind den Peruanern eben dasselbe, was den Türken das Opium, was den Be- wohnern Ostindiens der Betel und was anderen Nationen der Tabak ist. Das Vaterland der Cocapflanze ist wahr- scheinlich auf dem östlichen Abfalle der Cordilleren-Kette von Peru, jedoch ist sie bis jetzt noch nicht im wilden Zustande gefunden worden. Eine bis zwei Tagereisen von La Paz, in derselben Gegend, wo die ersten Cinchona - Wälder auftreten, da wird auch die Coca-Pflanze im südlichen Peru cultivirt, und La Paz, die Hauptstadt von Bolivien, treibt den Haupt- handel damit. Herr Poeppig ***), der sich, bei seinem Aufenthalte am Huallaga, auf der östlichen Seite der peruanischen ‚Cordillere, mehrere Monate hindurch in Gegenden aufhielt, wo die Coca gebauet wird, hat sehr ausführliche Nach- richten über diesen Zweig des peruanischen Landbaues mitgetheilt. So wie es bei uns sehr schwer fällt einen Säu- fer, oder einen echten Tabakraucher von seinem Lieblings- *) Meyen’s Reise, II. p. 376. *%) Erythroxylum Coca Linn. ***%) Reise in Chile, Peru u. s. w. II. p. 210 etc. 426 reize abzubringen, eben so hält es schwer, einen Coquero von dem Genusse der Coca abzugewöhnen. Wir erfahren zugleich durch jenen Reisebericht, dafs der Gebrauch der Coca auf der östlichen Seite der Cordilleren-Kette des nördlichen Peru’s eben so allgemein ist, als auf der Hoch- ebene im südlichen Peru, und zwar sollen die Folgen von dem Genusse dieser Blätter, in den wärmeren und feuch- ten Gegenden sehr übel sein. In den kalten und hochge- legenen Gegenden des Plateaus von Chuquito, wo der Ge- brauch der Coca gewifs sehr allgemein ist, und zwar nicht nur bei den Indiern, sondern auch bei den gemischten Ragen, so wie auch bei den Weifsen, da ist nicht viel von allen den schrecklichen Krankheiten zu bemerken, welche in Folge des Genusses der Coca entstehen sollen. In den Dörfern und Städten, rund um das Becken von Chu- quito, sieht man Indier, Neger, Weifse und Menschen von gemischtem Blute im höchsten Alter umhergehen und, nach wie vor, die Coca gebrauchend. Eine aufserordentliche Corpulenz zeigen die Frauen jener Gegenden, welche, als Gemischte, unter dem Namen .der Zambitas bekannt sind, und eben so gewöhnlich Coca kauen, wie man in Indien den Betel gebraucht, ohne die schrecklichen Folgen so of- fenbar nachzuweisen. Durch die Zumischung des gebrann- ten Kalkes, welche im nördlichen Peru viel allgemeiner, als im südlichen ist, werden zwar die Zähne ekelerregend ‘gefärbt, doch sie leiden dabei keinen Nachtheil, wie man’ dieses auf den Inseln Indiens, wo der Betel, mit Kalk vermischt, zu dem gewöhnlichen Lebensgenusse gehört, sehr leicht sehen kann. Sicherlich ist es der Fall, dafs der starke Genufs der Coca durch das flüchtige Prineip, wel- ches eine .dem Opium ähnliche Wirkung erzeugt, die Ver- dauungs-Organe schwächt und das Nervensystem allmä- lich überreizt, und dadurch eine Menge von mehr oder weniger gefährlichen Krankheiten dem Körper erwachsen, welche aber wohl noch lange nicht so gefährlich sein möchten, als. diejenigen in Folge des Opium - Genusses. Ein Sterben an Abzehrung in Folge des Coca-Genusses, 427 wie es neuerlichst behauptet worden ist, scheint mir etwas sehr Unerklärliches zu sein. Herr v. Martius *) hat uns über die Art des Anbaues dieser Pflanze einige Nachrichten mitgetheilt; er fand der- gleichen Plantagen von dem Erythrxoylum Coca am Ama- zonenstrome bei Ego, und vermuthet, dafs die Pflanze da- selbst eingeführt worden sei, weil man ebendaselbst auch den Tabak besitze, und diesen viel häufiger gebrauche als die Coca. Herr v. Martius sah daselbst drei Fufs hohe Sträucher, welche reihenweise, drei Fufs weit von einander, gepflanzt waren. Die Blätter wurden im Ofen getrocknet, darauf im Mörser gepulvert, mit der Asche der Blätter von Cecropia palmata vermischt und in Grasschichten bis auf weiteren Gebrauch aufbewahrt. In Peru ist indessen der Gebrauch der Coca ganz anders; man kauet daselbst die Blätter ganz ebenso, wie es bei uns mit den Tabaks- blättern geschieht. Die Peruaner tragen die Coca eben- falls in kleinen Taschen bei sich, welche aus Wollenzeugen oder aus Häuten junger Säugethiere gemacht sind. Die Cocablätter sind von der Form junger Kirschblätter und haben einen angenehm bitterlichen, zusammenziehenden Geschmack und einen feinen, ätherischen Geruch. Der peruanische Indianer kauet diese Blätter, so oft er es thun kann, ja beinahe den ganzen Tag hindurch; ihre Wirkung ist im Allgemeinen aufregend, später aber, wie es mir schien, auch etwas betäubend, ähnlich der Betäubung in Folge des Opium-Genusses. Diese Aufregung giebt dem arbeitenden Indianer, der äufserst schwermüthig gestimmt ist, eine fröhliche Stimmung und schützt vor Ermüdung; auf beschwerlichen Reisen erleichtert die Coca auf mehrere Tage den Hunger und erwärmt gegen Kälte; kurz der Coca legt man in jenem Lande alle die Wirkung bei, welche man bei uns an dem Tabake rühmt. Die Indianer kauen die Cocablätter entweder für sich allein, oder in Verbindung von Thon oder Kalk, welchen *) Reise uach Brasilien, pag. 1169. 428 sie -vorher mit den Blättern verbinden, und aus dieser Masse kleine Kugeln machen, welche sie dann allmälich verbrauchen. Jedes Kügelchen behalten sie so lange im Munde, als sie einen herben und starken Geschmack darin empfinden; wenn dieser Geschmack aufhört, werfen sie es weg und nehmen ein anderes. Auffallend ist es, dafs der Gebrauch der Coca, obgleich dieselbe in ihrem Areal so aufserordentlich geschätzt wird, dennoch einen sehr beschränkten Verbreitungs-Bezirk hat. Die Cultur der Cocapflanze, welche einem Schwarz- dornstrauche am ähnlichsten erscheinen soll, wird am Rio Huallaga, wo sich Herr Pöppig längere Zeit hindurch auf- hielt, in den wärmeren und feuchten Abhängen, nach un- gefährer Schätzung bei 2- bis 5000 Fufs Höhe, wo noch keine Nachtfröste herrschen, welche den Pflanzen sehr schädlich sind, betrieben. Die Coca, welche in ganz hei- fsen Gegenden gezogen wird, soll an Kraft geringer sein. Der Anbau der Cocapflanzen geschieht auf einem, zu Ende der nassen Jahreszeit durch Abbrennen urbar gemachten Boden durch Aussäen der Beeren. Hiezu gräbt man nach einer gewissen Regel Löcher in die Erde, welche etwa 9 Zoll im Geviert und 18 Zoll Tiefe haben, und in jedes dieser Löcher wird eine Handvoll Saamenkörner geworfen, welche man unbedeckt liegen läfst. Gegen 100 Pflänzchen wachsen aus jeder dieser Gruben hervor, und man läfst dieselben darin 15 bis 18 Monate stehen, bis man sie ver- pflanzt, wobei man die jungen Sträucher nach regelmäfsig verlaufenden Reihen stellt. Ableitung des Wassers, Ent- fernung des Unkrautes und Aufackerung des Erdreiches sind die Arbeiten, unter welchen die Pflege jener jungen Pflanzungen erfolgt, wo man im ersten Jahre wohl noch Mays dazwischen pflanzt. In Zeit von 3 bis 5 Jahren, je nachdem der Boden ist, erfolgt die erste Erndte, und diese wird alle 13 bis 14 Monate wiederholt, auf grofsen Pflan- zungen soll jedoch die Erndte das ganze Jahr hindurch fortgesetzt werden. Man hält die Blätter der Cocapflanzen für reif und geeignet zum Trockenen, wenn. sie steif ge- 429 worden sind, wobei Gröfse und Farbe nichts entscheidet. Das Einsammeln der Cocablätter geschieht durch Abstrei- fen, und zum Trocknen derselben bedient man sich der Sonnenhitze, weil, wahrscheinlich in Folge von Vorurthei- len, die künstliche Wärme die Kraft der Blätter vermin- dern soll. Behufs des Trocknens der Blätter durch die Sonnenhitze befindet sich an jedem Wohnhause der Cocals (d. h. der Hacienden, wo Coca eultivirt wird) eine Art von Tenne, worauf die Arbeit vorgenommen wird. Die getrockneten Blätter werden auf dem östlichen Abfalle des nördlichen Peru in grofse wollene Säcke verpackt, und jeder Ballen (Tercio genannt) wiegt frisch .an 80 Pfunde, welche durch längeres Liegen sehr bedeutend verlieren. In Hoch- Peru, wo die Zucht der Llamas so aufserordentlich grofs- artig ist, da wird die Coca, wie die Chinarinde und fast alle anderen Produkte des Landes, in Llamahäuten verpackt und diese Ballen mit Coca (Cestos genannt), welche von La Paz aus, das ganze südliche Peru versehen, sind von Llamahäuten verfertigt und wiegen 20 bis 30 span. Pfunde. *) Auf dem östlichen Abfalle von Hoch-Peru, denn im eigent- lichen Hoch-Peru wird keine Coca gebauet, dem jetzigen Bolivien, werden nach einer Schrift, welche über diesen Gegenstand zu La Paz erschienen ist und von Hrn. Pöppig benutzt wurde, jährlich gegen 40000 jener Cestos, welche ' durchschnittlich eine Arrobe halten sollen, auf den Markt gebracht, und da diese zu La Paz zwischen 6 bis 7 Piaster gelten, so ist der Werth dieses Culturzweiges für Bolivien gegen 2400000 bis 2800000 Piaster. Zugleich erfahren wir aus jener Schrift, dafs in den Provinzen von Arequipa, Moquegua und Arica, also in den niederen Gegenden auf dem westl. Abfalle der Cordillere von Süd-Peru, etwa 40000 Arroben Coca gewonnen werden; jedoch sind die Gegenden, wo die Coca daselbst gebauet werden soll, nicht angegeben, und ich kenne hierüber auch durchaus gar keine Quelle. Bei meiner Reise durch diese so äufserst trockenen Pro- *) $. Meyen’s Reise. IL, pag. 16. 430 vinzen von Arica und Arequipa, habe ich nirgends eine Kunde erhalten, dafs daselbst Coca gebauet werde, welche bekanntlich ein feuchteres Clima verlangt; auch habe ich auf den Märkten von Arica, Arequipa, Tacna und Islay nur Coca von La Paz, in Ballen von Llamafellen, zu schen bekommen, dicke Zambitas safsen mit Wagschale und Ge- wicht davor und verkauften diese getrockneten Blätter. Der Verbrauch der Coca für das ganze Peru scheint die Summe von 4500000 preufs. Thalern weit zu übersteigen, wozu nach Herrn Pöppig’s Angaben Huanuco für 90000 Piaster, Jauga für 40000 Piaster und Truxilla für 20000 Piaster liefern. Sicherlich wird in den fruchtbaren Pro- vinzen von Cuzco ebenfalls eine grofse Quantität von Coca producirt, über deren Menge jedoch noch keine Schätzun- gen vorhanden sind. Der Weinstock (Vitis vinifera L.). Die Verbreitung des Weinstocks über die Oberfläche der Erde, ist für das Menschengeschlecht von besonderer Wichtigkeit; der Geuufs des Weines und des Bieres, als gewöhnliches Getränk, bringt bei den Völkern sehr ver- schiedene Wirkung hervor, so dafs der Einflufs der Wein- cultur auf die Völker nicht zu verkennen ist. Ehe wir die Verbreitung des Weinstockes und die Weincultur an- geben, wird es nöthig sein, Einiges über das Vaterland des Weinstockes (Vitis vinifera L.) mitzutheilen. Leider ist ganz ebenso, wie bei mehreren Getreidearten und bei den meisten übrigen Culturpflanzen, das Vaterland des Wein- stockes keineswegs im ganzen Umfange bekannt. Wir kennen bereits mehrere Oerter, wo die Weinrebe wild wächst, z. B. im Neapolitanischen, wo eine kleine und süfse Beere vorkommt, welche sehr guten Wein giebt, und in Portugal, wo eine kleine, sehr sauere Beere wächst, welche man gar nicht achtet.*) Der nordafrikanische Weinstock *) Link’s Urwelt und das Alterthum u. s. w. 2te Auflage. Ber- lin 1834. I. pag. 432. 431 giebt sogleich, und ohne viele Cultur die schönsten Trau- ben, daher er wohl in die südiichen Länder von Europa eingeführt sein mag. Auch in Frankreich und Deutschland kommt die Rebe in den Wäldern wild vor, z. B. in den srofsen Rheinwaldungen zwischen Strafsburg und Speier, fo wie auch an der Donau, doch, wenigstens so viel mir bekannt ist, sind die Beeren dieser Pflanzen unbrauchbar. Bei allen diesen vielfachen Fundörtern des Weinstockes im wilden Zustande fragt es sich doch recht sehr, ob der- selbe nicht an diesen Orten verwildert ist, und für Deutsch- land und Frankreich könnte man dieses wohl mit Gewifs- heit behaupten, weniger vielleicht für die südlicher vor- kommende Weinrebe, deren Trauben, wie. z.B. im Neapo- litanischen, sehr gut sind und einen wohlschmeckenden Wein geben. Mit gröfserer Gewifsheit setzt man das Va- terland des Weinstockes nach dem Oriente, nach der alten Cyrenaica und überhaupt nach den Gegenden zwischen dem schwarzen und dem caspischen Meere. *) In den Wäldern von Mingreli und Imereti bildet die Weinrebe die Königinn der Bäume; **) sie erreicht dort die Dicke von 3 bis 6 Zoll im Durchmesser und steigt bis in die Spitzen der höchsten Bäume, indem sie diese ganz umschlingt und mit- einander verbindet. Eine wahre Rebencultur findet in jenen Gegenden gar nicht statt, und dennoch ist der Ueber- flufs an guten Trauben so grofs, dafs selbst der arme Landmann nicht alle Trauben erndtet, welche sich in sei- nem Bereiche finden, sondern sie dem Winter überläfst und öfters noch kurz vor Ostern die Trauben des vorigen Jahres von den Bäumen abschlägt. Wohl möchte man glauben, dafs eine Pflanze dort zu Hause ist, wo sie, ohne Hinzuthun der pflegenden Hand des Menschen, die schön- sten und schmackhaftesten Früchte liefert. Bekanntlich ist aber auch das Verwildern einer Culturpflanze eine höchst seltene Erscheinung, und wo sie vorkommt, da schwindet *) $. Bieberstein, Flora Tauro - Caucasica, I. pag. 174. “) S. Parrot's Reise nach dem Ararat, I. pag. 247, 432 wenigstens die veredelte Frucht. Sehr wahrscheinlich geht das Vaterland des Weinstsckes noch weit über das. cas- sche Meer hinaus, nach Indien und wohl selbst nach dem nördlicheren China, denn in mehreren Gegenden daselbst, z. B. in Gaschmere, in Dekan, wird der Weinstock eulti- virt, obgleich der Genufs des Weines daselbst, wie auch in China unbekannt ist. Ja es steht noch in Frage, ob die Weinrebe, welche gegenwärtig, fast über den ganzen Erdkreis cultivirt wird, von einer und derselben Art ab- stamme; ein ausgezeichneter Botaniker, der viel in den Weinländern umhergereist ist, Herr Link nämlich, scheint der Meinung zu sein, dafs unsere Rebe aus mehreren wil- den Arten zusammengeflossen sei, worauf ihn hauptsächlich die Form und die Behaarung der Blätter geführt haben. Die Zahl der Varietäten des Weinstockes ist ganz aufserordentlich grofs, man möchte ihrer wohl schon gegen 200 zählen; das merkwürdigste hiebei ist aber, dafs eine und dieselbe Sorte Wein an zwei, oft sehr dicht neben- einander liegenden Orten, ganz verschiedene Weinsorten giebt. Hinreichend bekannt ist die Verschiedenheit zwischen dem Johannisberger und dem Rüdesheimer Wein; ja selbst auf einem und demselben Berge sind die Weine verschieden, je nachdem die eine Rebe oben und die andere unten am Fufse gewachsen ist. Wie aufserordentlich verschieden ist der Leistenwein bei Würzburg von dem Würzburger und dem Steinweine, welcher dicht daneben wächst. Der wahre Leistenwein hat einen Alkoholgehalt wie der Madeira, ob- gleich man unseren nordischen Weinen stets die Säure und geringe Stärke vorzuwerfen pflegt. Diese Verschie- denheiten sind uns allerdings unerklärlich, und nichts ist gewisser, als dafs sie allein durch die Lokalität hervorge- bracht werden, doch das-wie wissen wir nicht. Ein Wein- stock, welcher auf Stinkstein wächst, erhält von diesem den eigenthümlichen Geruch des Gesteins, und dieses möchte zur Beachtung sehr wichtig sein. Die Früchte der Rebe werden nicht nur zu Wein und zu Brandwein verarbeitet, sondern dienen häufig als ze 433 eine angenehme und, des grofsen Zuckergehaltes wegen, auch als eine sehr nahrhafte Speise. Bei den Mahomeda- nern, besonders bei den Türken, wird aus den Trauben eine Art von. Mus (Traubenmus) zubereitet, welcher als angenehmes Nahrungsmittel dient. Der häufige Genufs der rohen Trauben ist wohl überall, wo der Weinstock ceulti- virt wird, doch in vielen Gegenden werden die Trauben getrocknet und zu Rosinen gemacht, blofs um dieses an- sgenehme Nahrungsmittel länger aufbewahren zu können. Dieses findet man besonders im nördlichen Chile, in der Provinz Coquimbo, :woselbst eine sehr grofse Menge von Rosinen .bereitet werden. *) In manchen Ländern, wie z.B. in Persien, **) auf Creta, in Mingrelien u. s. w., sucht man die Trauben, den gröfsten Theil des Jahres hindurch, auf den Bäumen frisch zu erhalten, was vielleicht durch eine sehr trockene Atmosphäre zur Winterzeit. in jenen. Gegenden möglich wird. Zu Catanea, am Fufse des Aetna, wo der schöne Wein wächst, welcher die Laerymae Christi. giebt, . da findet man, auf einem und demselben Stocke, Blüthen und reife. Früchte stets zu gleicher Zeit, eine schein, welche schon Plinius bekannt war, Die Verbreitung der Weincultur richtet sich ei we- niger nach der mittleren Temperatur eines Ortes, als nach der gröfseren Sommerwärme, vorzüglich ist es aber die Länge des Sommers, welche auf das Reifen der Frucht so grofsen Einflufs zeigt. Zu Moscau wird der Wein nur in Gewächshäusern reif, obgleich die Sommerwärme daselbst so: hoch wie zu Paris, und überhaupt an der Loire ist. Aber nur. der Juni und der Juli zeigen zu Moscau die hohe Temperatur; im August sinkt dieselbe schon auf 14° Gels. und im September, wenn der Wein reifen soll, die mittlere Temperatur daselbst nur noch 9,9° Cels., und heftige Nachtfröste zerstören alsdann die Erndte. Bei einer mittleren Temperatur von 15° und 16° Gels. s *%) S. Meyen’s Reise um die Erde, I. pag. 420 etc. *) $. Chardin Voyage en Perse, Tom. I. pag. 53. 28 434 gedeiht der Weinstock ganz vorzüglich, wie z. B. im 'süd- liehen Italien und in Sieilien. Weniger süfs und:Alkohol- haltiger wird der Wein bei einer niederen Temperatur, wie bei 9° — 8,7° Gels. mittlerer jährlicher Wärme, wo- bei jedoch eine Sommertemperatur von 19 bis 20° ©. sein mufs, sonst kommt er gar nicht zur vollständigen Reife, wovon London ein Beispiel giebt. Die mittlere Tempera- tur zu London ist —= 9,12 Cels., fast gleich mit der von Genf, doch ist der Juli und August zu Genf =17°; doch der September und October ist in Genf noch so warm, dafs der Wein reifen kann, wärend dieses in London nicht der Fall ist. Was die Maxima der Wärme anbetrifft, unter welcher die Rebe zu gedeihen vermag, so glaube ich be- haupten zu können, dafs dieses selbst unter jeder tropi- schen Wärme der Fall sein kann, wenn dieselbe nur nicht mit einem zu hohen Grade von Feuchtigkeit verbunden ist. Schon bei uns darf der Wein nicht zu feucht stehen, son- dern er liebt gerade trockene Gegenden, als an den Abhängen der Berge. Auf der Westküste von Südamerika, wo, we- nigstens bis Guyaquil hinauf, ein sehr trockenes Clima herrscht, da wird der Weinstock, oft selbst dicht an der Küste, bis zu 6° S. Breite eultivirt. #) Der Wein von Pisco (im 14ten Grade südl. Breite) ist ganz vorzüglich; eine Sorte wird daselbst gebauet, welche bei einem gewissen Alter selbst dem Cyperweine ähnelt; doch im Allgemeinen wird die Traube von Pisco zur Bereitung des berühmten Brandweins dieses Namens verbraucht, ein Gewerbszweig, dessen Produkt sich jährlich auf einen Werth von einer halben Million Piaster belaufen mag. Dieser Brandwein, welcher in Peru und in Chile so aufserordentlich beliebt ist, wird in 'grofsen irdenen Gefäfsen verführt,‘ welche 2, 3.bis 4 Fufs hoch, fast ganz eylindrisch und unten zu- gespitzt sind. Zu zwei und zwei werden diese Krüge auf dem Rücken der Maulthiere transportirt, indem in einer besonderen, von Ruthen geflochtenen Vorrichtung, zu jeder ”) S. Pöppig’s Reise nach Chile’ und Peru, u.s. w. Bd:I. p. 330 435 Seite des Lastthieres ein Krug befindlich ist; Heerden von Hunderten von Maulthieren sieht man, auf diese Weise beladen, von einem Orte zum anderen ziehen. " Auch zu Moquegua und zu Tacna, zwischen 16 und 18 Grad südlicher Breite, ist der Weinbau nicht unbedeu- tend, aber im nördlichen Chile, in den Provinzen Copiapo, Huasco und Coquimbo *) wird aufserordentlich viel Wein gebauet, und die Rosinen dieser Reben dienen den Mine- ro’s zur Nahrung. Die Weinberge von Quillota versehen den Markt von Valparaiso mit. Trauben, und die Masse von Wein, welche in der Gegend gekeltert wird, mufs, nach Poeppig’s Bericht, ebenfalls nicht unbedeutend sein. Bei Concepcion ist die Weincultur von Bedeutung, es wird der beste Wein von ganz Chile daselbst gewonnen und im Lande viel verschickt. Tiefer, südlicher. hinab geht die Weincultur bis Valdivia, also bis zum 40sten Grade südli- cher Breite.. | Auf der anderen Seite von Südamerika wird der Wein in Buenos Ayres angebauet und wahrscheinlich auch an verschiedenen Orten von Brasilien, worüber jedoch die Angaben nicht zahlreich sind. Weiter, nördlicher hinauf ward der Weinstock, schon zur Zeit der Reise des Herrn Alex.’v. Humboldt, zu Cumana gepflanzt, und brachte treffliche Trauben; wohl wird derselbe seit. jener Zeit, nach- dem sich dort so grofse Veränderungen zugetragen haben, noch an mehreren anderen Orten angepflanzt sein. Aufserdem wird der Weinstock in Südamerika, besonders aber in Mexico und in Guatemala, in mehr oder weniger bedeu- tenden Höhen ceultivirt. WVortrefllich gedeiht die Rebe im Thale von: San Jago im Chile (bei 33° S. B.), ebenso schön: sind die Trauben, welche im Thale von Arequipa in «einer Höhe ‘von 7797 Engl. Fufs gewonnen werden. Vielleicht ist das ganze Hochland von Mexico zur Weincultur geschickt, und derselbe geht auch in.den Provincias internas bis:nach dem Passo del Norte hinauf (32° 9’/N.B.). Dieses ist 9) S. Meyen’s Reise u. s. w. 1. pag. 420 etc. 25 * 436 nach den Angaben des Herrn Alexander v. Humboldt, seit jener Zeit aber, seitdem eine so grofse Anzahl von Frem- den sich in jenem Lande niedergelassen haben, seitdem wird auch die Weincultur daselbst sehr ausgebreitet wor- den sein. ‘In Nordamerika wird der Weinstock auf bei- den Seiten angebauet, doch möchten uns wohl die Data dazu fehlen, um angeben zu können, bis zu welchen Brei- ten hinauf dieser Culturzweig sich erstreckt. Nach frühe- ren Nachrichten geht er am Ohioflusse bis 37° N. Breite hinauf, doch auf der Nord-West-Küste wird er selbst: bei St. Francesco, in 38° N. Breite gefunden. Sicher- lich sind dieses noch nicht die Grenzpunkte. Nach der allgemeinen climatologischen Uebersicht, welche wir im Vorhergehenden gegeben haben, steigen die Isothermen auf der Westküste dieses Continents ebenfalls höher, als an der Ostküste hinauf; daher wird auch später die Weincultur höher hinauf auf der Westküste, als auf der Ostküste stattfinden. In der alten Welt, von wo aus der Weinstock nach der neuen Welt gewandert ist, ist der Culturbezirk be- deutend ausgedehnter, schreibt sich aber auch schon aus dem grauen Alterthume her und ist, wenigstens nach dem nördlichen Europa hin, angeblich des Religion’s - Cultus wegen verbreitet. Im Innern von Europa steigt die Wein- ceultur am höchsten nach Norden hinauf; auf der westli- chen Seite, wo sich die Isothere senkt, welche hauptsäch- lich, wie wir früher gesehen, den Weinbau bedingt, da geht sie bis 47, 48 und selbst bis 49° N. Breite hin- auf, nämlich auf den westlichen Ufern der Seine bis Noyon und Laon. Am Rhein geht die Weineultur bis über Coeln, ja selbst bis über Düsseldorf hinaus. In Eng- land, bei 52° Breite, reift der Wein nur in’ so warmen Sommermonaten, 'wie die von 1834. Weiter ‘östlich im Innern des Continents, wo sich die Isothere nach Norden biegt, da steigt auch mit ihr die Weincultur weiter hinauf, so dafs sie bei Berlin, im 53sten Grade liegt. Unser Wein ist freilich sauer, Berlin liegt aber auch in der Isotherme 1488 von 7,9° Cels., und in der Isochimene von — 1,1° Cels. Indessen auch hier ist noch nicht die Polar-Grenze des Weinstock’s. Im i4ten Jahrhundert ward der Weinstock durch die deutschen Ritter nach Preufsen gebracht, und ist, lange Zeit hindurch, daselbst gebauet worden. Danzig, unter 54° 21’ N. Breite gelegen, hat, offenbar durch die Nähe der Ostsee und der grofsen Wassermassen der Weichsel, eine sehr hohe Temperatur; es liegt in der Iso- therme von 7° 79° Gels., wärend die Sommerwärme 16,56 und die Wintertemperatur gleich — 0,73° Cels. ist. Hier- aus folgt, dafs das Clima zu Danzig im Allgemeinen besser istals zu Berlin, nur wird die Sommerwärme daselbst druch den Einflufs des Küstenclima’s etwas deprimirt. In dieser Gegend kann’ demnach der Weinstock eben so wohl, wie bei Berlin und Potsdam gedeihen, und bei Elbing, "Thorn und andern Orten ist auch früher sehr viel gebauet wor- den. Ja man hat die Weincultur bis weit über Königs- berg (54° 42°) hinausgeführt, denn selbst bei Tilsit, wo die Winterkälte schon sehr streng ist, hat man Weingärten, selb$t einen Weinberg, welcher an den Ufern der Memel auf einem hohen Hügel gelegen ist. Ja in den Gärten der Reichen zu Memel, habe ich selten den Weinstock vermifst, selbst auf einem Landgute, eine Meile von der russischen Grenze, auf der Strafse bei Polangen, habe ich eine grofse Menge Wein gesehen. Aus diesen hohen Breiten sind allerdings die mittle- ren Temperaturen noch unbekannt, doch zu Königsberg (54° 42°) ist die mittlere Temperatur gleich 6,49% Cels. bei einer Wintertemperatur von — 3,26° Cels. und einer Sommertemperatur von 15,87° Cels., also ein Clima, wel- ches nicht mehr trinkbaren Wein erzeugen kann. Indessen, wie die Geschichte lehrt, so sind die Wein- berge früher bis in diese Gegenden hinaufgegangen, doch wahrscheinlich auch schon wieder, . seit 300 Jahren ver- lassen. Man hat nun die Frage aufgestellt, wefshalb die “Weineultur in jenen Gegenden wieder eingegangen ist, und es hat nicht an Gelehrten gefehlt, welche auch hierin 438 eine Abnahme der Wärme der Luft seit jener Zeit haben demonstriren wollen; doch uns scheint die Sache sehr leicht erklärlich. Man weifs allgemein, wie schlecht und sauer der Wein unserer hiesigen Gegend, z. B. der Pots- damer Landwein, ja selbst der edele Grüneberger schmeckt; nur die Nähe so volkreicher Städte wie Berlin und Bres- lau kann diesem Weine Absatz geben, wo man ihn zur Verfälschung der übrigen Weine verbraucht. | Bei dem härteren Clima in Ostpreufsen, kommt die Traube noch weniger zur vollkommenen Ausbildung und der daraus gekelterte Wein ist ganz aufserordentlich sauer. Zu Tilsit bleibt die Beere stets klein und zusammenge- schrumpft. Es ist leicht begreiflich, dafs die Menschen, nachdem durch die erleichterte Communication, sowohl zu Lande wie zu Wasser, die süfseren. Weine nach jenen Gegenden gelangten, von dem Genusse des sauern Saftes abstanden, und so verschwand auch, mit dem Verschwin- den des deutschen Ritterordens in Ostpreufsen, die Cultur des, von ihnen dahin mitgebrachten Weinstockes. Dabei möchte auch nicht zu übersehen sein, dafs, was in Ost- preufsen wenigstens sehr häufig der Fall sein mufste, frühe Nachtfröste im Herbste die ganze Erndte zerstörten, und daher die Landleute jener Gegenden um so eher ge- neigt wurden, diesen unsicheren Culturzweig einem siche- ren, nämlich dem der Getreide nachzusetzen. Uebrigens. mufste auch der Preis jenes Weines, da alle Ausfuhr mangelte, sehr gering sein. | o Weiter östlicher, nach Asien hin, wird die Weincul- tur bis über die Breite des nördlichen Endes des Caspi- schen Meeres fortgesetzt, denn selbst um Astrachan sind Weinberge. Zwischen dem schwarzen und dem Caspischen Meere ist die Weincultur sehr ausgebreitet, und auch jen- seit des Caspischen Meeres wird der Weinstock angetrof- fen. In Sibirien soll diese Pflanze gänzlich fehlen: (?), doch ist das nicht in China der Fall, wie man es bisher ganz allgemein geglaubt hat. Der Missionair Gützlaff spricht von dem Weinstocke 439 welchen er im nördlichen China. gesehen hat, und .ich selbst habe in Canton herrliche Weintrauben gegessen, “welche im. nördlichen China gezogen waren. In den südlichen Provinzen von China habe ich kei- nen Weinbau gesehen, doch offenbar ist er daselbst durch die Theecultur verdrängt. Schon Loureiro *) sagt, dafs der Weinstock in China vorhanden sei und dafs er auch in Cochinchina, wenn auch nur selten, cultivirt werde. Demnach geht er auch hier weit nach Süden hinab. Auch auf Sumatra, also gerade unter der Linie, soll der Wein vortrefllich gedeihen, doch wird er von den Eingeborenen nicht. eultivirt **).: Selbst zu Pondichery sollen die Fran- zosen den Weinstock mit grofsem Erfolge angebauet ha- ben, obgleich daselbst eine so aufserordentliche Hitze herrscht ***). In der Ebene von Ostindien, auf den Phi- lippinen und den Sunda-Inseln ist die Cultur des Wein- stockes nicht allgemein; das feuchte Clima daselbst steht seinem Gedeihen entgegen. Doch wächst der Weinstock auch auf Java, wo die Beeren so grofs und schön sein sollen, dafs sie der besten Sorte aus Portugal gleichen +). Es heifst darin: Ueberall findet man auf Java den Wein- stock, aber vorzüglich zu Batavia. Selbst auf der Insel Moa, einer der Banda-Inseln, wächst der Weinstock sehr Sut, wenn er daselbst augepflanzt wird. Auch auf der Insel Lethy hat mau den Weinstock gezogen; er trägt in diesen Gegenden jährlich zweimal Früchte ++). Dagegen wird ‚die Weincultur auf der Hochebene Indiens sehr ausge- breitet gefunden, z.B. in Dekan und in der Ebene von Casch- mere +++), welche zwischen 5400 und 5500 Fufs hoch *) Flora Cochinchin. I. p. 155. *#) S. Marsden Hist. of Sumatra. 3. Ed. p. 103. ***) Man sehe Ainslie Mat. Med. of Hind. I. p. 156, citirt von Royle. +) S. Beschreibung von Batavia, etc. A. d. Holländischen von I. I. Ebert. Leipzig 1786. 4. p. 112. +7) S. Barchwitz, Ostindische Reisebeschreibung. Eıfurt 1751 pag. 239. Zweite Auflage. tr) Royle’s Illustrat. London, Fasc. I. 1833. 440 liest, und woselbst die Rebe auf die Gipfel der Pappel- bäume steigt. In dem hochgelegenen Kunawar, zwischen 31 und 32° Breite, sind in einer Höhe von 9- bis 10000 Fufs prachtvolle Weinberge zu finden, wo im September der Wein gekeltert und auch zu Rosinen verbraucht wird. Auch zu Bokhara findet Weinbau statt. In Persien, an den Ufern des Euphrats, in Syrien, Unter-Egypten, Abessynien und der ganzen Berberei ist die Cultur des Weinstockes zu finden, wenn daselbst auch das Keltern der Trauben nicht im Gebrauche ist. Auf der westlichen Seite von Afrika ist die Weincultur auf den Canarischen Inseln und auf den Azoren sehr berühmt, doch wird der Weinstock auch auf den Capverdischen In- seln und selbst auf St. Thomas, an den Küsten von Gui- nea, also fast in der heifsesten Zone gefunden. Herr Schouw *) vermuthet zwar, dafs hier die Gebirge es wä- ren, welche diesen Culturzweig begünstigen, doch ist diese Vermuthung wohl nicht ganz gegründet. Auch auf St. Helena gedeiht der Weinstock und am Cap der guten Hoffnung werden bekanntlich die edelsten Sorten von Wein gezogen. Auch nach den englischen Colonien, im südlichen Theile von Neuholland, ist der Weinstock mitgezogen, und nach den Sandwichs-Inseln, wo er herrlich gedeiht, ist er von Amerika hinübergewandert. So hätten wir nachgewiesen, wie die Weincultur von ihrer unübersteigbaren Polargrenze, in 49 bis 55° N. Br. durch alle Zonen nach dem Aequator zu, sich verbreitet hat. In der südlichen Hemisphäre, offenbar nur durch die eigenthümliche Figuration der Landmasse, und des daselbst vorherrschenden Küsten-Clima’s wegen, ist ihre Polar- grenze schon in 40° südlicher Breite zu finden. Die früheren Ansichten, nach welchen sich die Ae- quatorialgrenze der Weincultur höchstens bis über die *) Geographie der Pflanzen p. 209. 441 Wendekreise hinaus erstrecken sollte, sind sehr willkür- lich gewesen und haben nur durch mangelhafte Nachrich- tem der Reisenden aufgestellt werden können. Nur ein sehr heifses und feuchtes Clima ist der Verbreitung des Weinstockes entgegen. Die Maguey-Pflanze (Agave- Arten). Wahrscheinlich wird es nur wenige Völkerschaften auf der Erde geben, welche nicht im Stande wären, sei es auf irgend welche Art, berauschende Getränke zu bereiten. Beispiele in gröfster Anzahl könnten hier angeführt wer- den. Hier sei jetzt die Rede von der Magueypflanze, welche den Weinstock der aztekischen Völker bildet und einen Gewerbszweig von aufserordentlicher Bedeutung dar- bietet. Die Magueypflanze ist leider noch nicht so genan systematisch bestimmt, als sie es verdiente; es sollen nach Herriı Alexander von Humboldt, dem wir die Nachrichten über diesen aztekischen Weinbau fast ganz allein verdan- ken *), mehrere Varietäten der Agave americana zu der Bereitung des aztekischen Weines, des Pulque. (Octli der Azteken) der Spanier, benutzt werden, aber keineswegs ist es die Agave cubensis Jacq. (Ag. odorata Pers. und Ag. mexicana Lam. Synon.), wie dieses von verschiedenen Schriftstellern angegeben ist. Die Maguey-Pflanzungen finden sich auf dem Plateau von Mexico, welches über 7000 Fufs hoch ist, hauptsäch- lich in den Intendantschaften von Puebla und Mexico; dort kommen grofse Landstriche vor, welche nur mit Maguey- Pflanzungen bedeckt sind und der mexicanischen Land- schaft einen höchst sonderbaren Charakter geben müssen. Herr Deppe, unser Landsmann, hat uns eine Ansicht einer solchen Maguey-Pflanzung, wenn auch nur von geringer Ausdehnung, aus der Umgegend von Mexico (8. Leguas nord-östlich ), mitgetheilt; man vergleiche den Charakter *) S. dess. Neu- Spanien etc., Bd. III. p. 95 etc. 442 solch ' einer Landschaft mit der wogenden Fläche einer grünen Saatflur unseres Vaterlandes. Die schönsten Maguey-Pflanzungen sind die von To- luca und in der Ebene von Cholula, wo sie in geraden Reihen neben einander gepflanzt sind. Hier kommt die Maguey-Pflanze schon in Zeit von 8 Jahren zur Blüthen- entwickelung, und in dieser Periode wird der Saft der Pflanze “gesammelt, welcher später durch Gährung den Pulque giebt. Der Landmann erkennt den. Beginn‘, der Entwickelung des Blüthenschaftes daran, dafs sich ‚plötz- lich die. Wurzelblätter erheben, welche früher mehr hori- zontal auf der Erde lagen; alle Tage durchläuft der Land- mann die Maguey-Pflanzungen, um ja nicht den Zeitpunkt zu übersehen, wenn die Pflanze die Entwickelung des Blü- thenschaftes beginnt. Hat man aber an einer Pflanze den Zeitpunkt erkannt, so schneidet man die Büschel von Cen- tralblättern ab, erweitert die Wunde etwas und bedeckt sie mit den aufgerichteten. Seitenblättern, welche man zu- sammenknüpft. In diese Wunde ergiefst sich nun - der Saft, welcher zur Bildung des gewaltigen Blumenschaftes dienen sollte; zwei bis drei Monate lang hält diese starke Saftabsonderung an, und täglich wird derselbe‘ dreimal ausgeschöpft. Gewöhnlich giebt die Pflanze täglich 200 Cubik-Zoll Saft, also gegen 3 N Quart, wovon = des Morgens, 2 um Mittag und $ Abends um 6 Uhr abgeschöpft werden. Ja eine sehr Kräftige Pflanze soll bis 375 Cubik-Zoll Saft geben, also mehr als 7 Gallons und zwar. 4 bis 5 Monate lang, ununterbrochen fort. Sehr bemerkenswerth ist es dabei, dafs diese Pflanzen auf dem dürrsten Boden wachsen, welcher oft kaum mit Humus bedeckt ist. | So wie bei dem Weine, so ist auch der Ertrag der Maguey-Pflanze sehr ungleich, gewöhnlich hat die Masse Pulque, welche der Landmann an einem Tage gewinnt, einen Werth. von 10 bis 12 Sous, und 150 Bouteillen rechnet man auf eine Maguey. Ungeheuere Gapitalien - stecken in den Maguey-Pflanzungen von Mexico, doch nn nn 443 mufs man Geduld und Muth haben, um sich dergleichen Pflanzungen anzulegen, denn erst nach 15 Jahren werden sie im Allgemeinen gewinnreich, Die Maguey - Pflanze, welche nach der Darreichung ihres Saftes erschöpft ist, stirbt ab, aber Hunderte von Schöfslingen treiben alsdann aus der Wurzel. „Der Honig oder Agaven- Saft,“ sagt Herr von Hum- boldt *), „ist angenehm säuerlich. Wegen des Zuckers und Schleims, den er enthält, kommt er leicht in. Gäh- rung, und um diese zu beschleunigen, giefst man noch ein wenig alten, saueren Pulque hinzu. So geht die Ope- ration in 3 bis 4 Tagen vorüber. Das Getränk gleicht alsdann dem Cider und hat einen äufserst unangenehmen Geruch, wie. von faulem Fleische.“ Indessen wenn ein- mal der Widerwille gegen diesen Geruch des Pulque über- wunden ist, dann ziehen ihn die Fremden allen übrigen Getränken vor, indem er sehr stärkend und nahrhaft sein soll. Der Pulgque zu Hocotitlan, nördlich von Toluca, fast so hoch gelegen: als der Nevado de Toluca, soll ganz besonders vorzüglich sein. Man wird die hohe Wichtigkeit der Maguey- Ehllar für den Staatshaushalt erst dann erkennen, wenn man er- fährt, dafs die Einfuhrgebühren für den Pulque im J. 1793, allein für die Städte Mexico, Puebla und Toluca 817,739 Piaster betrugen, eine Summe, welche gleich 3,809,000 Franken ist. Aus dem Safte der Maguey - Pflanze wird auch ein starker Brandwein, Mexical oder Arguadiente de Maguey bereitet; doch ist dieses eine andere Species, nämlich Agave Potatorum Zuce. **), welche dazu gebraucht wird. Aufserdem dafs die Maguey - Pflanze den mexicani- schen Wein.liefert, geben ihre Blätter den festesten Hanf, welchen man kennt, und sogar eine Masse, welche die Stelle des Papiers, aus dem Papierschilf der Alten, ver- y Bre2p, 08 **) Nova Acta Acad, C..L. C. Tom. XVL P. II. p. 675. 444 treten kann und auch von den alten Mexicanern zur Auf- zeichnung der hieroglyphischen Figuren benutzt wurde. Zur Bereitung dieses Papieres läfst man die Blätter der Agave-Pflanze faulen, bis dafs- alles Zellengewebe ver- schwunden ist, und klebt die verschiedenen Schichten von Fasern auf einander, ganz auf ähnliche Art, wie man die Zeuge aus der Rinde der Broussonetia auf den Südsee- Inseln verfertigt. Die Höhe, in welcher die Magueypflanze vorkommt, beträgt zwischen 1168 und 1379 Toisen und noch weit höher hinauf. Das Plateau von Neu-Spanien hat ein Clima, wie unter Rom’s mildem Himmel, nämlich 17° Cels. mittlere Temperatur; ja im Januar und Februar be- trägt die mittlere Tageswärme zu Mexico 13 bis 14° C., wärend sich im Sommer die Temperatur nicht über 24° CGels. erhebt. Alle Gebirgsebenen daselbst, welche höher sind, als das Plateau von Mexico, haben ein rauhes und unangenehmes Clima, selbst die Ebene von Toluca, wo die schönsten Maguey-Pflanzungen sind, hat eine Tempe- ratur, welche fast nie über 6 bis 8° Cels. steigt. Offenbar ist diese plötzliche Abnahme der Tempera- tur nur dadurch zu erklären, dafs die Temperatur auf dem Plateau von Mexico, durch die Rückstrahlung der Sonnenstrahlen einer so ausgedehnten Ebene, ein weit hö- heres Clima besitzt, als demselben eigentlich, im Verhält- nisse zur Höhe zukäme. Demnach gedeiht die Maguey- Pflanze eigentlich nur in einem. Clima, welches dem des südlichsten Europa gleich kommt, wo denn auch die ver- schiedenen Arten von Agaven, in Gesellschaft der stache- lichen Cacten wild oder vielmehr einheimisch geworden sind. Auf St. Helena hat man die Agave lurida zur Ein- fassung einiger Wege benutzt, und sie nimmt sich daselbst, _ wärend sie in Blüthe steht, sehr stattlich aus. Der Natur der Sache nach steht zu erwarten, dafs die Verbreitung der Maguey-Pflanze, besonders in Bezug auf die Weincultur, wenig Liebhaber zeigen wird, ja selbst * u # x 445 in Mexico wird dieselbe, je mehr unser Weinstock da- selbst einzieht, an Umfang abnehmen. Das Zuckerrohr. Das Zuckerrohr ist eine Pflanze der alten Welt, wel- ehe in China und auf den Südsee -Inseln schon vor aller historischen Zeit angebauet worden ist. Die Spanier der canarischen Inseln führten das Zuckerrohr nach Ame- rika, und im Jahre 1520 bauete Piedro de Atienza das er- ste Zuckerrohr auf St. Domingo, von wo aus es nach Cuba und nach dem Festlande von Amerika überging. Die Mexicaner gebrauchten, vor der Bekanntschaft mit dem Zuckerrohre, den Honig aus den Stengeln. der Mays- Pflanze. Der Anbau des Zuckerrohrs erfordert eben denselben Grad von Wärme, wie derjenige der Baumwolle, nämlich 24 bis 25° Cels. mittlerer Wärme, wo er am besten ge- räth, doch findet man noch grofse Anpflanzungen dieses Gewächses in weit kälteren Gegenden, wo die Tempera- tur nur 19 bis 20° Cels. beträgt. Demnach erstreckt sich das Land, welches der Zuckercultur fähig ist, weit über dıe tropischen Gegenden hinaus, und selbst noch auf ei- nigen Punkten des südlichen Europa wird der Anbau die- ses Gewächses mit grofsem Vortheile betrieben, z. B. in Sieilien, früher auch in Spanien häufiger als jetzt. Da die Abnahme der Wärme mit steigender Höhe, wie wir früher gesehen haben, so erfolgt, dafs 1° Cels. Wärme einer Höhe von 100 Toisen entspricht, so würde die mitt- lere Temperatur von 20° Cels., welche der Anbau des Zuckerrohrs erfordert, schon auf einer Höhe von 3000 Fufs zu finden sein; indessen auf ausgedehnten Hochebenen wird die Hitze, durch Zurückprallen der Sonnenstrahlen so bedeutend vermehrt, dafs die Zuckercultur auf den Gebirgen von Mexico und von Columbien, bis zu einer Höhe von: 4000, 5000 und selbst über 6000 Fufs steigt. Ja die Hochebene der Stadt Mexico, deren Clima der Isotherme von 13°,7 entsprechen sollte, hat eine mittlere Wärme 446 von 17°, und schon: von Cortez selbst, wurden auf diesem Thale, von 6600 Fufs Höhe, Zucker-Plantagen angelegt. Auch auf den Hochebenen des Himalaya, z. B. auf dem Plateau von Nepal, in 4500 Fufs Höhe *), wird Zucker und Baumwolle gebauet. Der Bau des Zuckerrohrs geschieht durch Stecklinge, welche: man aus dem Schafte der ausgewachsenen Pflanze, von’2 bis zu.3 Fufs Länge verfertist und entweder ho- rizontal oder auch senkrecht, ja zuweilen auch convergi- rend zu zwei und zwei neben einander steckt. Schon nach.14 Tagen treiben die .Absetzer: aus den Knoten aus, und in ‚Zeit von.einem Jahre. ist der Schaft so weit aus- gewachsen, ‚dafs er geschnitten: werden kann.‘ Auf frisch urbar gemachtem Lande, welches nicht anhaltenden’ Ueber- schwemmungen ausgesetzt ist, und gut gepflanzt, giebt das Zuckerrohr 20 bis 30 Erndten, indem sich: alljährlich aus dem..vorhandenen Wurzelstocke neue Triebe entwickeln; Ja Herr. von Humboldt **) sah auf:Cuba eine Zuckerplan- tage, welche bereits seit 45 Jahren bestand. "i. Die. verschiedenen Länder der alten Welt, wo das Zuckerroehr zu Haüse ist, haben sehr verschiedene 'Varie- täten; desselben aufzuweisen, wovon die eine" mehr oder weniger ;grofse Vortheile vor der andern gewährt, so dafs man sie defshalb nach den entferntesten Ländern hin ver- pftanzt. :» Bekannt ist es, dafs man ‘das Zuckerrohr von Otaheiti nach den 'westindischen Inseln verpflanzt hat, wo man mit:dem reicheren Ertrage desselben aufserordentlich zufrieden ist; es gewährt in gleicher Zeit und: bei’ dem nämlichen: Länderumfange + Saft mehr, und'giebt dabei zugleich eine gröfsere und festere Holzmasse, welche zum Brennen ‚benutzt wird. Das Zuckerrohr der Südsee-In- seln. ist aber auch: von einer vorzüglichen Güte und Stärke, auf. den Sandwichs-Inseln, wie schon Cook ***) bemerkt, erreicht 'es. eine Dicke von 414 Zoll im Umfange. *) S. Royle, Ilustr. London, 1833. **) Reise ın die Aequatorial- Gegenden, Bd. VI. p. 163. ") Dessen dritte Reise um die Welt, Berlin 1788, :p. 294. D. 447 Indessen es scheint, dafs das ostindische Zuckerrohr weit ergiebiger, als das von den Südsee-Inseln ist, denn in’ Bengalen ist der Ertrag *) des Zuckerrohrs- doppelt so grofs, als in der Havanna, wobei der Tagelohn des In- diers beinahe dreimal so gering ist, als die Unkosten der Erhaltung eines Sclaven. Auf den Philippinen ist man, aus dem geringeren Ertrage des Rohrs von Otaheiti, ganz gegen dessen Anbau auf Zucker- eo en ver- braucht dieses zum Essen. | Die Zubereitung des Rohzuckers möchte ich als: be- kannt voraussetzen; sie besteht im Allgemeinen darin, dafs man ‘die ausgewachsenen Stengel der Pflanze, 'nach- dem die Blätter derselben entfernt sind, durch Maschine- rien zerquetscht,; die Masse auskocht, die erhaltene Flüs- sigkeit reinigt, einkocht und zum Krystallisiren bringt. Es ist-wohl sehr gewifs, dafs wir die Art’den Zucker ein- zukochen 'und ihn zu reinigen, aus Indien und China! er-. halten haben; denn dort, in dem Lande, wo fremde Ge- bräuche 'nur im gröfsten Nothfalle eingeführt werden, ist eben dasselbe Verfahren schon seit uralten Zeiten im Ge- brauche, und man ist darin auch sogar viel weiter in China gekommen als bei uns. sm | Obgleich der Zucker. bei üns nur ein schwer zu ent- behrender: Luxus-Artikel ist, .so ist er in tropischen Ge- senden ‚meistens auch ein allgemeines Nahrungsmittel, theils nämlich als wirklicher Rohzucker, theils aber auch, und dieses ist allgemeiner. im Gebrauch ‚ im unzubereite- ten Zustande, nämlich ‘die gereiften Schafte ‘der Pflanze, welche gekauet und ausgesogen, auch wohl durch Kochen zuerst: weich gemacht werden. Es‘ist unglaublich, welche ehorme Massen von rohem Zuckerrohre auf diese Weise consumirt werden; grofse!'Schiffsladungen komnien hievon ‚täglich auf den Markt von Manila, und in Rio'de Janeiro, _ auf den Sandwichs-Inseln und an anderen Orten, sieht | *) Siehe Alexander n Humboldt, Ueber Neu-Mexice, II. p- 116, TAN F 448 man jedes Kind ‘mit einem Stücke Zuckerrohr in der Hand umhergehen. | Der Erwerb der Völker durch die Cultur des Zuckers ist ganz enorm, ebenso ist die Masse der geistigen Ge- tränke, welche aus dem Zuckerrohr, theils aus der Me- lasse, theils unmittelbar aus dem zerquetschten Rohre ge- zogen werden, ganz unglaublich, und dennoch wird die Melasse, wenigstens in den spanischen Colonien , meistens noch fortgeworfen, weil alte Privilegien die Bereitung der gebrannten Wasser verhindern sollen. Es ist hier nicht der Ort, den ‚Ertrag: der ver- schiedenen Colonial- Artikel mit demjenigen unserer Ge- treide zu vergleichen, aber, obgleich es wahr ist, dafs die Cultur des Zuckerrohrs auf gleichem Raume und in eben derselben Zeit bedeutend gröfser ist, als_ derjenige der Getreide, so ist dabei recht sehr zu bemerken, dafs zur Cultur des Zuckerrohrs im Grofsen ,: ganz besonders gro- fse Capitalien nöthig sind, diese alsdann aber nicht mehr Zinsen einbringen, als bei uns der Ertrag des Getreide- baues. Möge man sich daher unter Plantagen-Besitzern in den Tropen nicht immer reiche Leute denken und sie beneiden, wie es von unserem Landmanne gewöhnlich ge- schieht.: Ganz abgesehen davon, dafs Insektenfrafs, durch Heuschrecken-Züge nämlich, wenigstens in Ostindien, den Ertrag dieser Plantagen oftmals ganz vernichtet, wärend Mifswachs in unseren Gegenden doch sehr selten ist. So- bald die Zuckerpflanze ihrer Ausbildung nahe ist, wird der Heuschreckenfrafs, d. h. wenn er nicht zu arg ist, nicht’ mehr gefürchtet, denn alsdann schadet der Verlust der Blätter nicht mehr, wohl aber werden die jüngeren Pflanzen dadurch recht sehr beschädigt und bleiben in ih- rer Ausbildung zurück. Sind die Plantagen nicht zu grofs, so sucht der Hacendado, mit Hülfe ‘seiner vielen Leute, das Festsetzen des Zuges zu verhindern. Die Cultur des Kaffee’s (Coffea arabica Lin.). Der Kaffee-Baum gedeiht in den heifsesten Gegenden der Tropen; sein künstlicher Verbreitungsbezirk ist jedoch 449 so grofs, dafs er weit über die Tropen, selbst bis über den 36sten Grad nördlicher Breite hinaus geht, wo er nur noch eine mittlere Wärme von 19% bis 20° Cels. findet. Demnach -ist der Verbreitungs-Bezirk des Kaffeebaumes mit demjenigen der Baumwollpflanze ziemlich genau überein- stimmend. Wie es scheint, so liebt der Kaffeebaum einen feuchten und beschatteten Boden, daher er auch zwischen den Wendekreisen, am besten in einiger Höhe, z. B. zwi- schen 1200 bis 3000 Fufs, selten aber noch über 6000 Fufs Höhe gedeiht. Die alte Welt ist das Vaterland des Kalos eines Culturzweiges, welcher schon gegenwärtig einen den wich- tigsten Handelsartikel der neuen Welt ausmacht; ja ich selbst habe in Brasilien, unweit der Stadt Rio de Janeiro, in den Wäldern des CGorcovado’s, auf einer Höhe von 1000 Fufs, mehrere kleine Kaffee-Bäume verwildert ge- funden. : Gegenwärtig wird die Cultur des Kaffee’s in sehr bedeutender Menge auf den ostindischen Inseln, als auf Java und selbst auf Lucon betrieben, und auf den Süd- see-Inseln gedeiht der Kaffee ganz vorzüglich, doch wird die Ausdehnung desselben nach Osten hin, durch die all- gemeine Cultur des Thee’s unterdrückt. Nach Java, wo gegenwärtig der Kaffeebaum sein zweites Vaterland ge- funden hat, wurde derselbe im Anfange des vorigen Jahrhunderts von Persien aus verpflanzt. Der Anbau des Kaffee’s wird auf folgende Weise be-. trieben *): Man säet die frischen Bohnen, vorzüglich im Schatten anderer Kaffeebäume, und hebt dann die Pflänz- chen mit der Erde aus, sobald sie eine Höhe von 12 Zoll erreicht haben. Die jungen Pflänzchen werden in Quin- cunx gepflanzt, und zwar so, dafs die Stämmchen 4 bis 6 Fufs weit auseinander stehen. Durch Abschneiden der geilsten Schöfslinge läfst man die Kaffeebäume in den Plantagen nicht höher, als 12 Fufs werden, damit die Früchte leichter zu pflücken sind, welche schon im 20sten *) S. v. Martius, Reise in Brasilien, I. p. 146. 29 450 oder auch erst im 32sten Mönate nach der Verpflanzung reif werden. Nach 4 bis 5 Jahren wird die Lese schon schr gut, und dann wird für jede 1000 Bäumchen'ein Die- ner gestellt: Der Kaffeebaum giebt jährlich drei Lesen, welche dann fast das ganze Jahr beschäftigen. Bei Rio de Janeiro beginnt die erste Lese im April, und man nimmt alsdann nur die ganz reifen und rothen Beeren ab, deren: Saame sich ohne Mühe vom Fleische trennen Jäfst; sonst werden die ganzen Saamen getrocknet und mit Hülfe einer Maschine zerschlaubt. Der Chinesische Thee. Der Gebrauch des Thee’s ist bei einem grofsen Theile der Bevölkerung der Erde so allgemein, und die. Cultur der Theepflanze ist für das grofse chinesische Reich von solcher Bedeutung, dafs eine ausführlichere Auseinander- setzung der Cultur, ‘des: Verbrauchs und des Nutzens die- ser Pflanzen hieselbst am rechten Orte sein wird. Die Pflanze, welche ‘die gewöhnlichen Theearten lie- fert, die zu. uns in den Handel kommen, ist‘ die Thea chinensis; es ist eine einzige Art, welche eine Menge von Abarten aufzuzählen hat, die tlieils mehr theils weniger constant sind, so dafs sehr verschiedene‘ Botaniker nicht nur zwei, sondern sogar drei bestimmte Arten aus jener Pflanze gemacht haben, nämlich Thea viridis, ‘Th. Bohea und Th. strieta. Ich werde später auf die ‚Gründe zu- rückkommen, welche mich zur Annahme einer einzigen Thee-Art, welche den chinesischen Thee liefert, bestimmen. Das Vaterland des Theestrauchs ıst China, man: findet ihn daselbst bis zu 40° nördlicher Breite, .so wie in den gebirgigen Gegenden des südlichen Theil’s des Landes, beson- ders auf den Bergen, welche China von dem Birmanischen Reiche trennen. Dafs die Cuitur des chinesischen Thee’s auch in Awa, dem Reiche der Birmanen, so: wie an:der östlichsten Grenze von Tübet betrieben wird, das: hat schon Herr Ritter *) nach genauen Quellen nachgewiesen. ER *) Ueber die Verbreitung der Theecultur — Geogr. v. Asien. II. 451 Ganz neuerlichst hat man’ aber auch in Assam, und zwar in dem‘»Gebiete, welches den Engländern gehört, wo die Gebirge nicht über 6- bis 8000 Fufs hoch sind, die Thee- pflanze wild gefunden *), und man macht sich defshalb um. so gröfsere Hoffnung, dafs die Cultur des Thee’s im Grofsen hier um. so besser glücken werde, so dafs der Handel mit. dieser Waare nächstens den: Chinesen ganz entrissen werden könnte. Auch in Cochin-China und in Tonquin wird ‘eine grofse Quantität ordinairen Thee’s ge- bauet, doch. ist .man hier. bei. diesem: Culturzweige sehr nachlässig. Ob. hier die. Pflanze wild ist, oder ob sie da- hin .eingeführt worden, das wissen wir noch nicht; bei- nahe wäre ‚Letzteres zu vermuthen, indem die Theepflanze in. der subtropischen Zone am. besten gedeiht, also auch bier, :so wie in den. dieser Zone entsprechenden Höhen der Gebirge. zu Hause: sein wird. ‚Der Gebrauch ‚der getrockneten Blätter des Thee- ds zu dem bekannten warmen Aufgusse, welcher bei uns unter dem Namen _des Thee’s bekannt ist, erstreckt sich bis in die ältesten Zeiten der chinesischen Geschichte hinauf, und gegenwärtig ist derselbe im ganzen Reiche so allgemein, dafs daselbst der Consum der Theeblätter wohl schwerlich noch steigen kann, d. h. wenn die Menschen- zahl sich nicht vergröfsert. | | Ueber den Ursprung und über .das Vaterland des Thee’s ist schon sehr viel geschrieben worden, und stets sind alte chinesische Schriften als Autoritäten dafür aufge- führt. Neuerlichst hat Herr von Siebold die Meinung zu verbreiten gesucht **), dafs der Thee' auch nach China eingeführt sei, und zwar von Kaorai aus, was aber Herr Klaproth ***) als irrig nachgewiesen hat. Herr Klaproth hat vielmehr gezeigt, dafs die ältesten Nachrichten über ”)S. WVallich Discovery of the genuine tea plant ın Upper Assam; ım Journ. of the Asiätic Soc. Jan. 1835. #98. Nippon, Heft II. *+*) Haude- und 'Spenersche Zeitung. Berlin 1834. 1iten Dee. n 29 * 452 den Gebrauch des Thee’s sich bis zu den Jahren 265 bis 419 hinauf erstrecken. In der chinesischen Schrift, wel- che den Titel führt: Schi schue, findet man, dafs in der Hälfte des 4ten Jahrhunderts ein Minister der öffentlichen Bauten, Wang-mung mit Namen, die Theepflanze gebraucht habe, welche im Chinesischen den Namen Ming führt. Im Jahre 600 ist die Pflanze durch einen Priester einem Kai- ser von China, welcher an heftigen Kopfschmerzen litt, empfohlen worden, und da die Krankheit durch den Ge- brauch der Theepflanze sehr bald geheilt wurde, so erhielt der Gebrauch derselben überall sehr schnelle Aufnahme. Tschha ist Synonym für die Pflanze Ming und unter je- nem Namen ist die getrocknete Pflanze zuerst durch die Portugiesen und Spanier weiter verbreitet worden, auch ist das Wort Tschha in allen nördlicheren Provinzen von China zu Hause. Herr Klaproth hält das Wort Thea für das malayische Teh, welches von dem chinesischen Worte Thee abstamme. Schon im $ten Jahrhundert mufis die Theecultur in China sehr bedeutend gewesen sein, denn schon 783 ward, bei einer Geldverlegenheit der Regierung, der Thee mit 10 Procent besteuert, und seit jener Zeit hat die Regie- rung von dieser nützlichen Pflanze immer eine sehr be- deutende Einnahme gehabt. Heutigen Tages geschieht die Zollerhebung auf den Thee noch anf folgende Weise: Es darf nämlich Niemand von den Landleuten ohne vorher- - gehende Erlaubnifs Thee verkaufen; diese Erlaubnifsscheine erhält man aber in den Zoll-Bureau’s der verschiedenen Provinzen, und zwar wird für jede beliebige Summe, wel- che man verkaufen will, ein doppelter Schein ausgestellt, den einen erhält der Käufer und den anderen behält der Verkäufer, um sich stets legitimiren zu können. Seit 810 ist der Thee in Japan bekannt, und seit 828 wird er in Korea gebauet. Die Cultur des Theestrauchs ist auch in Bengalen versucht worden und man verspricht sich hievon sehr grofsen Erfolg, ja neuerlichst ist diese 453 Frage von Herrn Royle *) sehr ausführlich erörtert wor_ den, doch, wie es scheint, mit grofser Vorliebe für Indien. Ich werde in der Folge zu zeigen suchen, dafs, wenngleich die Theepflanze in allen kühleren Gegenden der tropi- schen,: und in der ganzen subtropischen, ja sogar weiter hinauf in die temperirte Zone hinein, bis über den 40sten Grad der Breite hinaus gebauet werden kann, dafs noch andere: Erfordernisse vorhanden sind, welche einen vor- theilhaften Theebau bedingen. Die Hauptsache ist der ge- ringe Tageslohn, welcher zwar in Bengalen wie in’ China . sehr. gering ist, dafs derselbe aber in Indien 4 und 3 so grofs ist als in China, wie dieses Herr Reeves in Royle’s angeführtem Werke gesagt hat, das möchte wohl zu be- zweifeln sein; wäre es aber richtig, so würde Bengalen alsbald einen wohlfeileren Thee als China liefern können. Bei Canton, wo Herr Reeves wohnte, möchte wohl der Tages- lohn $S Pence betragen, aber im Innern von China beträgt er nur 4 dieser Summe. Aufserdem hat man den Thee nach Ceylon und nach Java verpflanzt, wo man auch jährlich einige Tausend Kisten zieht. Ja der Thee von Java ist neuerdings schon auf den Markt von Amsterdam gekom- men. und hat daselbst grofses Aufsehen gemacht, denn man ‘hat schon über 1400000 Pfunde gewonnen, so dafs die Holländer, vielleicht schon nach 20 Jahren, allen Be- darf an Thee, aus Java ziehen werden. In Sumatra wur- den, nach Marsden’s Angabe, schon im vergangenen Jahr- hundert einige Theesträucher cultivirt. - Aufserdem hat man den Thee noch nach dem Cap der guten Hoffnung verpflanzt, nach St. Helena .und nach Rio de Janeiro, wo noch gegenwärtig im botanischen Garten daselbst grofse Anpflanzungen sind, die sich aber in einem. kümmerlichen Zustande befinden **). Die Anpflanzungen des Thee’s geschehen ‘durch Aus- *) Ilustrations of the Botany of the Himalaya Mountains. Fasc. IV. London, 1834. **) Siehe hiezu Meyen’s Reise um die Erde, Bd. I. p. 102. 454 saat der Saamen, welche bald mehr, bald weniger regel- mäfsie gepflanzt werden. Schon im ersten Jahre nimmt man der Pflanze ‘die mittelsten Triebe, damit sie nicht schlank in die Höhe steigen kann, sondern mehr ästie, und mit einer gröfseren Masse von Blättern bedeckt wird. Schon im 4ten und im 5ten Jahre beeinnt die Lese der Blätter. Ich habe dergleichen Thee - Plantagen besueht und fand sie in hügelreichen Gegenden, ‘wie das im gan- zen Lande der Fall sein soll. Die meisten der Theesträu- cher in jenen Anpflanzungen "hatten nur 21 bis’ 3 Fufs Höhe und standen über 3 Füfs weit auseinander; nür"ein- zelne Stämmchen rasten weit über die andern hinaus und erreichten die Höhe von 5 Fufs. Tech fand Frauen neben diesen Sträuchern sitzen und die Blätter auf &anz gewöhn- liche Weise mit den Händen abpflücken. Nüäch den ver- schiedenen Angihen über die Zeit der Theelese, ‘scheint diese für verschiedene "Gegenden ‘des elihestschen und japanischen Reiches sehr verschieden zu sein, ‘doch 'en- den die Hauptlesen schon im Mai und im Juni, denn schon im September und October kommen frische Thee- ladungen aus dem Innern des Landes nach Canton. | Die Düngung dieser Pflanzungen geschieht allerdings sehr verschieden für verschiedene Gegenden, doch‘ ist in China die Düngung mit ‘einer Auflösung von Menschen- koth mit kalkhaltigem Thone vermischt, die gewöhnlichste. Ueberall neben dem bekaueten Acker sieht man auf- den chinesischen Feldern grofse eingemauerte ‚Gruben oder Fässer, welche in die Erde versenkt und mit jeder Dün- ger - Sauce angefüllt sind. In Japan bedient man sich nach Herrn von Siebold’s Angabe noch anderer, sehr star- ker Dingungsmittel für den Thee, nämlich des ausgeprefs- ten Saftes des japanischen Senfes und getrocknete Sardel- len, auch der zurückgebliebenen Oelkuchen von der Bras- sica orientalis und von andern Pflanzen. Die frisch gepflückten Blätter des Theestrauches zei- gen nichts von dem Geruche und dem Geschmacke, wel- chen die getrockneten Blätter später aufweisen, auch ha- ... 456 ben sie weder einen scharfen), noch. einen - ätherischen, noch einen bitteren Geschmack. Die Eigenthümlichkeiten, welche. sie. später, als, zubereiteter: Thee ‚zeigen und wo- durch ‚sie ‚gerade, so beliebt geworden sind, nämlich der Wohlgeschmack und der angenehme Geruch „sind erst Produkt. der starken Röstung, wobei jene Blätter getrock- net werden. , Man. möge sich. hierüber um so. weniger wundern, da es sich mit dem Kaffee ganz ähnlich verhält; Jedermann. weifs, dafs der ungebramnte Kaffee ‚noch. .nichts von ‚dem ‚angenehmen Aroma, und: dem "ätherischen Dufte enthält, welcher, demselben nach dem Brennen eigen ist. Diese Röstung der Theeblätter geschieht auf grofßsen, ei- sernen Platten, ‚welche. äufserst, stark erhitzt werden, und in grofsen flachen veisernen Pfannen; welche. etwas schräg eingemauert.. sind. . Die Theeblätter ‚werden zuerst. in diesen Pfannen. durch stetes . 'Umrühren. bei. gelinder Wärme zum Welken ‚gebracht, -wobei sie daun durch anhal- tende Hitze allmälich zusammentroekenen. Hierauf. wer- den. die erhitzten ‚Blätter. auf Matten ausgeschüttet ‚und mit den flachen Händen gerieben, ‚nach’dem:-Erkalten aber wieder von Neuem in die Pfannen gethan und abermals geröstet, bis der Thee ‚ganz getrocknet ist, was durch. vier- bis. sechsmalige Wiederholung dieser Operation erfolgt. Bei. diesem Trockenen: der ‘Blätter verlieren dieselben 2 ihres ganzen Gewichtes, so dafs also 3 Pfund. frische Theeblätter ‚nur 4::Pfund getrockneten Thee geben. Die verschiedene :-Farbe, Form und:Behaarung der ge- trockneten 'Theeblättehen brachte. zuerst die Botaniker auf den Gedanken, »dafs: der grüne und der schwarze Thee von verschiedenen Arten: bereitet würde, indessen "dieses ist wohl nicht der Fall, sondern es: können beide‘ Arten von Thee aus den. Blättern: einer und derselben. Pflanze gemacht werden, »wieidieses schon Abeliauf.,der Reise des Lord‘ Amhorst erfahren hat. ‘Der ieinmal:zubereitete Thee kann aber, wie auch Herr Reeves angiebt, nicht mehr gut umgewandelt werden, ‚wenigstens kann, der schwarze Thee nicht mehr in grünen "Thee umgewandelt werden, doch 456 kann der grüne Thee wenigstens unvollkommen in schwar- zen verwandelt werden. | Es ist eine eigene Erscheinung, dafs der Streit, ob der Thee von einer und derselben Art der Gattung Thea, oder ob er von zwei verschiedenen Arten dieser Gattung bereitet wird, unter den Botanikern noch immer nicht be- stimmt entschieden ist. In Japan, wo eben sowohl schwar- zer als grüner Thee gemacht wird, da gehören die Thee- sträucher, nach den Beobachtungen von Kaempfer, Thun- berg, und Siebold zu einer und derselben Art, wovon sich auch nach den, durch Herrn von Siebold mitgebrachten Exemplaren, Herr F. Nees v. Esenbeck überzeugt hat; demnach ist schon die von Herrn Reeves, ehemaligem Theeschmecker bei der Engl. Ostind. Compagnie zu Can- ton, so Scharf ausgesprochene Meinung, dafs der schwarze Thee und der grüne Thee von zwei ganz verschiedenen Pflanzen abstamme, als unrichtig erwiesen. Anmerk. Ich glaube nicht, dafs man den Mittheilungen des Herrn Reeves, wenn sich derselbe auch noch so lange zu Canton und Macao aufgehalten hat, mehr Gewicht beilegen kann, als den Botanikern von Profession, welche wohl besser wissen werden, was ıman als Arten und was man als Varietäten aufzuführen hat. Uebri- gens ist Herr Reeves niemals in den Provinzen Chinas gewesen, wo die Cultur des Thees allgemein betrieben wird, ja er scheint nicht einmal die Thee-Plantagen in der Nähe von Canton besucht zu haben *). Herr Reeves wundert sich, wie Jemand, der in China gewesen ist, der nur die verschiedenen Aufgüsse von grü- nem und von schwarzem Thee gesehen hat, diese beiden Theearten für Blätter einer und derselben Pflanze halten kann **), und diese Aeufserung, welche man für sehr hochtrabend halten mufs, scheint grofsen Beifall zu fin- den. Hätte Herr Reeves aber gewufst, wie die verschie- denen Theesorten zubereitet werden, so würde er sich nicht mehr gewundert haben. Hr. R. verweist uns auf die *%) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 375 etc. *) Loudon’s Gard. Mag. IX. p. 713. 457 Abbildungen ‘der beiden Theearten, welche in Loddige’s Bot. Cab. Tab. 226 und 227 vorhanden sind, und macht die Bemerkung, dafs hier diese beiden Species, welche den schwarzen und den grünen Thee geben, sehr wohl charakterisirt sind. Dafs dieses nun aber gerade nicht so aufserordentlich klar ist, wie Hr. R. glaubt, möchte die vorurtheilsfreie Vergleichung durch die meisten der Botaniker bestätigen. Selbst bei unseren Culturpflanzen der Art, wel- che, im Verhältnisse zur Theepflanze, nur kleine Verbrei- tungsbezirke haben, sind die Unterschiede bei verschiede- nen Varietäten wohl noch gröfser nachzuweisen als hier. Herr Hooker *) hat zwar ebenfalls die Existenz zweier Theearten angenommen, doch gründen sich seine Charak- tere mehr auf Theepflanzen, welche in England gezo- gen sind. Nimmt man eine Menge Blätter der verschiedensten Theesorten, welche zu uns in den Handel kommen, weicht dieselben in heifsem Wasser auf und legt sie neben ein- ander, so wird man sich gewifs sehr bald überzeugen, dafs es keine Charaktere giebt, welche die verschiedenen schwarzen Theesorten von den verschiedenen grünen Thee- sorten unterscheiden; vorausgesetzt, dafs man eine grofse Menge von Blättern beobachtet. Eine solche Arbeit, wel- che sehr beachtenswerth ist, hat neulich Herr Accum, ge- genwärtig zu Berlin, ausgeführt, und sie dem Vereine zur Beförderung des Gewerbfleifses in Preufsen vorgelegt, wo- durch sich der Uebergang der Theeblätter aller verschie- denen Sorten in einander nachweisen läfst. So möchte denn:die Richtigkeit des Urtheil’s von Herrn Reeves über diesen Gegenstand wenigstens etwas in Zwei- fel gezogen sein, ich glaube jedoch, dafs es sogar wider- legt sein möchte. Der grüne Thee wird zubereitet, wie ich es so eben angegeben habe, der schwarze Thee dagegen wird auf so- genanntem nassen Wege bereitet. Hiebei werden die fti- *) Bot. Mag. Tab. 3148. 458 \ schen Blätter auf grofse Siebe gelegt und diese über ko- chendes Wasser gestellt, damit die Blätter zuerst:von.den heifsen Dämpfen durchzogen und also stark infundirt wer- den. Hierauf werden auch diese Blätter, wie‘ vorhin an- gegeben wurde, in eisernen Kasten getrocknet. Durch diese Infusion mit heifsen Wasserdämpfen wird dem. fri- schen Thee das Adstringirende, nämlich Gallussäure und Ger- bestoffientzogen, auch werden die Blätter dadurch geschickt ‚gemacht, dafs sie später weniger von den sehr reitzenden flüchtigen Bestandtheilen enthalten, welche dem grünen Thee in grofser Masse eigen sind. So enthält denn auch, nach den bekannten Untersuchungen der Chemiker, der schwarze Thee weniger 'Gallussäure und Gerbestofl, als der grüne Thee, ja dieser allein enthält die: Theine, "ein Alkaloid, welches dem schwarzen Thee doch wahrschein- lich ‘nur durch die Infusion mit den:heifsen Wasserdäm- pfen 'entzogen sein kann. x od Wenn es nun auch entschieden wahr ist, ‘dafs alle unsere Tiheesorten‘'von einer und: derselben ‘Species der Gattung Thea bereitet werden, so glaube man nicht, dafs alle die 'Theesorten in emer und derselben Gegend und vorn einer und derselben Staude gemacht werden ' können. In der einen Gegend bauet man: vorzüglich schwarzen, in. der anderen’ Gegend vorzüglich grünen Thee, hier krätı- selt man den: Thee nur wenig, dort'sehr stark, so.'dafs er ganz kugelförmig wird, doch ist dieses keineswegs 'ein Zeichen von sehr feinem Thee. Ich glaube nicht, ‚dafs man sich darüber zu wundern'!hat, denn ganz ‘ähnlich ver- fährt man mit ‘anderen Culturpflanzen‘ bei : uns, welche eleichfalls Hunderte ‘von verschiedenen Abarten aufzuwei- sen haben. Ich ‘erinnere hier an :die Bereitung unserer Weine; es ist fast überall eine und dieselbe Species, und wie ‚verschieden schmeekt ‘und riecht der Wein.‘ So be- schränkt der Ort'ist, an welchem‘ dieser oder jener Wein mit ‘einem "eigenthümlichen 'Geruche vorkommt; eben so beschränkt sind die Theeplantagen, deren Pflanzenblätter von einem besonders ausgezeichneten Geruche sind, und 459 es ist durchaus nicht der Fall, dafs 'man diesen Wohlge- ruch besonderer Theesorten durch ändere wohlriechende "Substanzen erzeugt. ‘Indessen bemerk@ ich hier, dafs ich selbst grofse Massen der Blüthenknöspen von Olea fra- grans gesehen habe, welche in China wirklich in den Han- del kommen ind von besonderen Liebhabern zur Verbes- serung des Geschmack’s von grünem Thee gebraucht wer- den, doch mischt sich Jedermann diese Substanz nach Be- lieben zu. ' Schlechtere Sorten von Thee, welche meistens nicht mehr zu uns in den Handel Konknien) sondern zum eige- nen Verbrauche im Lande bleiben, wördEn dadurch berei- dafs man von gewöhnlichen 'Gewächsen die ganzen Bei und Sprossen abnimmt und die Blätter theils mit den Stengeln trocknet, theils ’von "diesen 'nur "mit der Hand abstreift. 'Eine solche Sorte ist es, welche zur Be- reitüng des Backstein- oder Ziegel-"Thee’s "benutzt wird. Dieser Ziegelthee kommt in’ harten Broden, ähnlich sehr dünnen Backsteinen, in den Handel, ‘wird aber’ 'hauptsäch- lich im nördlichen China und im Innern 'von Asien, z.B. bei den Nomaden in der Wüste Gobi verbraucht; er "bei steht aus schlechten und unreinen Blättern, ‘mit Stengeln . vermischt, welche durch eine schleimige Substanz 'zusam- mengceklebt, in Form von Broden geprefst und im Ofen getrocknet werden. Bei der Benutzung dieses Ziegelthee’s ‘werden ein- zelne Stücke abgebrochen, und nachdem sie vorher gepul- "vert sind, mit Wasser oder mit Milch, Mehl und Fett ge- kocht #). Die chinesischen Soldaten an jenen nordischen Grenzen erhalten’ diesen 'Ziegelthee gleichsam als Soöld, und was sie davon nicht selbst gebrauchen, wird‘ nach Kiachta hin verhandelt. Ja überall in der Mongolei und in Daurien soll dieser Thee als Handelsmünze im Ge- brauche sein‘ "#), Grofse Karaväanen von’ Kameelen zie- *) S. Timkowsky’s Reise nach China, p. 46. 1. END hierüber ausführlich in €, Ritter’s historisch geographi- 460 hen beladen mit diesem Thee durch die Wüste Gobi. In früheren Zeiten war es ganz gewöhnlich, dafs der Thee sowohl in China, wie auch in Japan aus den gepulverten Blättern gekocht wurde. | Die älteste bis jetzt bekannte Schrift, in welcher von einem Europäer ‘über den Thee geschrieben ist, soll die Historia indica von Maffei sein, welche 1589 zu Leyden erschien; doch soll der erste Thee erst 1610 durch holländische Kaufleute nach Europa gebracht wor- den sein. Schon im Jahre 1660 wurde der Verkauf des Theegetränk’s durch eine Parlamentsacte mit einer Steuer belegt. Auch haben schon im Jahre 1638 Gesandte von Moskow den Thee, als Geschenke an den Czar mit- gebracht. | Nachdem wir nun. die Anpflanzung, die Bereitung und Verbreitung der Theepflanze kennen gelernt haben, gehen wir zur Betrachtung der ungeheuren Masse über, welche von dieser Nutzpflanze jährlich producirt und con- sumirt wird. Wir wissen, dafs gegenwärtig in England eine so grofse Summe Thee verbraucht wird, dafs auf je- den Bewohner mehr als 13 Pfund jährlich zu rechnen ist; sicherlich ist aber der Verbrauch des Thee’s in China noch gröfser, denn, wer es haben kann, der trinkt den ganzen Tag über Thee. Indessen. rechnen wir auch nur die Masse von 14 Pfund für jeden Kopf, so käme bei ei- ner Bevölkerung des chinesischen Reiches von, wenigstens 200 Millionen Menschen, die ungeheuere Summe von 300 Millionen Pfunden zum Vorschein. Beachten wir. in- dessen auch den Gebrauch des Thee’s in Japan, in Cochin- China, und den angrenzenden Staaten, so möchte vielleicht eine Summe von 450 Millionen dieses getrockneten Krau- tes für den ganzen -Osten von Asien sicherlich nicht zu hoch sein. Man bedenke nun die Masse von frischen Blättern und die Zahl der. Hände, welche zur Bereitung sche Forschung über die Verbreitung der Theecultur, in dessen Geo- graphie von Asıen IH. 461 dieser Unmasse von Thee nöthig sind! Von welcher hohen Bedeutung ist demnach der Ackerbau in China und Japan, blofs für diesen einzigen Zweig betrachtet. Die Menge von Thee, welche China jährlich nach dem Auslande verhandelt, kennen wir allerdings noch nicht mit gehöriger Genauigkeit, wohl aber die Massen, welche nach Europa und den europäischen Colonieen eingeführt werden. Ich habe nach genauen Quellen die ganze Menge von Thee, welche durch Europäer aus dem Hafen von Canton aus- geführt wird, zu 45,000000 Pfd. für die Jahre bis 1830 ‘berechnet; *) hiezu kommt noch der Thee, welcher auf dem Karavanenwege nach Rufsland geführt wird, welcher im Jahre 1830 nicht mehr als 5,405990 preufs. Pfunde betragen haben soll. | Die grofse Menge von Thee, womit China auf dem Landwege die indischen Reiche versieht, ist leider nicht bekarnt, auch fehlen alle Thatsachen, um dieselbe auch nur annäherend zu schätzen; doch mufs, nach verschiedenen Nachrichten zu urtheilen, der Verbrauch des Thee’s da- selbst sehr grofs sein. In ganz Tübet und in Nepal ist der Thee das gewöhnliche Getränk, mit welchem man die Nahrungsmittel verzehret. Abstrahiren wir aber ganz von der Menge Thee, welche auf diesem Landwege nach Indien ‘geführt wird, so kommen dennoch schon 50000000 Pfunde, von den getrockneten Blättern jener Pflanze, ganz allein nach Europa und dessen Colonieen, wofür dem chinesi- schen Lande eine Summe Geldes von ungefähr 18,000000 preufs. Thalern zufliefst, denn im Durchschnitte werden die Thee-Sorten zu Canton mit 4 Piaster für das Pfund bezahlt. Wir haben indessen schon gesehen, auf wel- chem höchst sonderbaren Wege diese ganze Masse von Geld dem chinesischen Reiche wieder entzogen wird, doch fliefst dieses Geld leider in andere Hände, so dafs Europa durch den Gebrauch des Thee’s dennoch immer einen be- deutenden Geldverlust erleidet. *”) S. meine Reise um die Erde, Bd. II. pag. 38% u. s. w. 462 Noch. will. ich anführen, dafs vom jenen 50,000000 Pf. Thee, welche auf dem Seewege von Canton und. auf dem Landwege über Kiachta versendet werden, nicht mehr als gegen 200000 Pfunde im 'preufsischen. Staate verbraucht werden, . wärend ‚England allein über 26- bis 27,000000 Pfunde *) verbraucht; demnaeh consumirt England, im Ver- hältnısse zu Preufsen, bei Beachtung einer verbältnifsmäfsig gleichen Bevölkerung, fast 100mal mehr als Preufsen. Schon jetzt ist die. Thee-Cultur für: den, ‚östlichen Theil von Asien von einer aufserordentliehen ‚Bedeutung, und ‚dennoch sind kaum'.100 Jahre: vergangen, dafs der Gebrauch des. Thee’s in Europa etwas allgemeiner gewor- den ist; indessen täglich nmmmt' der Geschmack der Men- schen für den Genufs des Thee’s zu,‘ und so .‘läfst sich voraussehen,: dafs dieser Zweig. des Ackerbaues für gewisse tropische :Länder, : schon .nach: einem halben . Jahrhunderte, eine. neue Quelle des Mohlatandes von. Bedeutung, ‚wer- nen wird, „Die, Hauptsache bei der Einführung der- Ti Gultur nich einem. :anderen Lande ist ‚die Beachtung .der Preise des Tagelohns,. welche daselbst herrschen... Die. Bereitung des Thee’s erfordert viel Arbeit, und da der. Preis. des Thee’s schon an und für sich sehr gering ist, so kann auch die Arbeit bei der Bereitung des Thee’s' nur sehr gering bezahlt werden, daher kann in einem Lande, wo wenig: Menschen sind und der: Tagelohn hoch steht, nie- mals mit Vortheil Thee gebauet werden; so steht es denn auch mit der: Thee-Cultur. in Brasilien, wo die Selaven so, ungeheuer. theuer sind. Da der Durchschnitts- Preis des Thee’s zu Canton für das Pfund: ungefähr‘ 82 Silber- groschen :beträgt, so möchte der Landmann das Pfund die- ser Waare wahrscheinlich schen zu 8 bis 6 Silbergroschen :) di Val des Jahres i834, nachdem das Privilegium der englisch - ostindischen Compagnie auf den chinesischen Handel auf- gehoben, und auch die hohe Zollabgabe auf den Thee ermäfsigt ist, sollen, nach Zeitungs- Nachrichten, schon gegen 36,000000 Pfunde Thee verbraucht werden. (?) 463 verkaufen, denn der Kaufmann, welcher den Thee an den Ausländer verhandelt, mufs dabei wenigstens 30 Procent Verdienst haben, nachdem: die Abgaben davon schon ab- gerechnet sind, denn der chinesische Kaufmann zu Canton leiht Geld zu 20 —26 Procent, mit dem er nach den Thee- Plantagen in das Innere "des Landes geht und daselbst schon die Erndte auf dem Stocke mit baarem Gelde erkauft, ebenso, wie es bei uns die Weinhändler mit den Trauben machen. Die Pfeffer - Pflanze. Der Anbau des Pfeffers, als des gewöhnlichsten Ge- würzes, welches in allen Gegenden, auf der ganzen Ober- fläche .der Erde, überall wo nur einige Cultur hingelangt ist, gebraucht wird, ist ebenfalls von hohem:Interesse. Die Pfefferpflanze (Piper nigrum L.) ist eine vieljährige, aus- dauernde: Rankenpflanze, welche nur allein in tropischen Gegenden cultivirt werden kann. Ostindien ist das Vater- land des Pfeffers, und zwar fast Malabar allein, wo Bucha- nan die Pfefferpflanze in den Wäldern wild fand. Auf Sumatra und den’ übrigen Sunda - Inseln, wo der Pfeffer gegenwärtig ebenfalls eultivirt wird, hat man die Pflanze noch nicht wild gefunden, und sicherlich ist sie dahin von Westen her eingeführt worden, von wo aus ‘man dieselbe nach allen Ländern, innerhalb der Wendekreise, zu führen versucht hat, wo der ‚Speculations - Geist der Menschen pecuniären Vortheil zu erlangen erspäht hat. Auch ist der Pfeffer von Malabar viel kräftiger als der von Sumatra, und wird defshalb auch höher geschätzt, so dafs man auch daraus auf das ursprüngliche Vaterland. dieser Pflanze schliefsen kann. Zwar ist in verschiedenen Büchern der CGultur der Pfefferpflanze gedacht, aber eine ausführliche Beschreibung haben wir von derselben ‘durch Marsden *) erhalten, ‘welcher lange Jahre hindurch, als: Beamter der *) The History of Sumätra etc. third edition. London, 1811. pag. 130 — 148. ı 464 ostindischen Compagnie, diesen für den Handel so wichti- gen Culturzweig beobachtet hat. Zu den Pfeffer-Pflanzungen wählt man einen mäfsig hohen und mit Bäumen bewachsenen Boden, auch kann man solche Pflanzungen benutzen, wo einmal Bergreis ge- zogen ist. Auf die gewöhnliche Art, nämlich durch Ab- hauen, Trockenen und durch Verbrennen, reinigt man den Boden von dem darauf befindlichen Holze und theilt ihn alsdann in regelmäfsige Vierecke von 6 Fufs Seitenlänge ab. In jeder Pfeffer-Plantage pflegt man dergleichen vier- eckige Felder an Tausend zu zählen und auf jedes dieser Felder kommt ein Pfefferstock zu stehen, an welchem sich die Pfefferpflanze hinaufwindet. Die Pfefferstangen werden nun zuerst gesteckt, doch sind diese, je nach den Gebräuchen in verschiedenen Län- dern, sehr verschieden. Bald gebraucht man hiezu lebende schlanke Bäumchen, bald nur gewöhnliche Stangen, doch giebt man den lebenden Bäumen meistens den Vorzug, um dadurch zugleich für die Pfefferpflanze einigen Schatten zu erhalten. Auf Sumatra, wo sehr viel Pfeffer gebauet wird, gebraucht man zu den Stangen die abgeschnittenen Zweige der Erythrina Corallodendron, welche man einige Monate früher, als den Pfeffer pflanzt, damit sie gehörige Wurzel treiben, so dafs sie die ‚Pfefferpflanze tragen. kön- nen, wenn sich dieselbe daran hinaufschlingt. Die obigen Aeste der Erythrina Corallodendron eignen sich zu diesen Stützen hauptsächlich defshalb, weil dieselbe schnell wächst und mit kleinen Dornen besetzt ist, wodurch die Pfeffer- pflanze um so fester ansitzt. Sobald die Erythrina zu treiben beginnt, bricht man alle seitlichen Zweige ab und läfst nur den mittelsten und geradesten in die Höhe schie- fsen, bis er etwa 15 Fufs erreicht hat, worauf er alsdann auf der Spitze abgeschnitten wird, um das Höherwachsen zu verhindern. In anderen Gegenden hat man auch. diese Stützen von Morinda eitrifolia und von Erythrina indica benutzt. Da die Pfefferpflanze mehrere Jahre dauert, so sind diese wurzelnden Stützen besonders vortheilhaft, denn 465 ' die gewöhnlichen Stangen verfaulen in jenem nassen Clima schon in kurzer Zeit, und durch Einsetzen anderer Stan- gen wird die Pfefferpflanze beschädigt. Die Zweige und Blätter dieser wurzelnden Stangen werden sorgfältig von dem Stamme gereinigt und die Spitze wird in Form eines Fächers beschnitten, damit sie der Pfefferpflanze den ge- hörigen Schatten geben kann. Die Pfeffer - Pflanzungen erforderen viele Sorgfalt, sie müssen stets von dem Un- kraute gereinigt werden, welches in jenem heifsen und feuchten Clima sehr bald die Oberhand gewinnen würde, so dafs der Pfeffer ersticken müfste. Indessen wärend der heifsen Sommer -Monate, wenn die Luft sehr trocken ist, läfst man ein langes Gras in den Pfeffer - Pflanzungen wachsen, welches gröfsere Feuchtigkeit des Bodens herbei- führen soll. Man pflanzt den Pfeffer durch Stecklinge, welche man von den Ausläufern einer alten Pfefferpflanze nimmt, wozu ein einzelnes Internodium hinreichend ist. Meistentheils wer- den zwei Pfefferpflanzen an einer Stange gezogen, in Zeit von drei Jahren erreichen sie eine Höhe von 8 bis 12 Fufs und fangen an ihre Früchte zu tragen. Um diese Zeit, und zwar wenn der Pfeffer reif geworden ist, schneidet man die ganze Pfefferpflanze bis auf 3 Fufs Länge ab, trennt sie sorgfältig von ihrem Stocke und legt sie hori- zontal, in Form eines Zirkels, an die Erde, so dafs die Spitze wieder zur Wurzel kommt. Nun treibt die Pflanze von Neuem und trägt jährlich eine grofse Menge Früchte, wärend sie, ohne dieses vorhergegangene Einlegen, sich meistens in Blättertragen erschöpft. Man pflegt es auch so zu machen, dafs man den mittelsten Schöfsling der Pflanze an der Stütze stehen läfst und nur die seitlichen Schöfslinge einschlägt. Werden die neuen Pfeffer - Pflan- zungen aus diesen langen Schöfslingen angelegt, so tragen sie schon im nächsten Jahre. Gewöhnlich treibt die Pflanze aus diesen eingeschlagenen Schöfslingen zu stark, und dann werden die meisten abgeschnitten und nur eine oder zwei läfst man in die Höhe steigen. Wenn nun die Pfeffer- 30 466 pflanze zu tragen anfängt, so nimmt sie bis zum siebenten oder achten Jahre an Tragbarkeit zu, worin sie alsdann einige Jahre über stehen bleibt, bis sie allmälich zum Tra- gen zu alt wird. Die Pfeffer-Pflanzungen sind zwar bei den Bewohnern der heifsen Gegenden, der vielen Arbeit wegen, welche sie erfordern, in Verruf, indessen sollen 1000 Pfefferpflan- zen sehr wohl von zwei Leuten versehen werden können, welche dabei auch noch für ihren Reis sorgen können. So wie bei den meisten Culturpflanzen, so hat man auch bei den Pfefferpflanzen eine Menge von verschiedenen Varietäten, von denen die eine in dieser, die andere in einer anderen Beziehung geschätzt wird. Die Zeit, in welcher die Pfefferpflanze blüht und Beeren trägt, ist zwar sehr veränderlich, indessen sie liefert jährlich zwei Ernd- ten, zuweilen trägt sie Blüthen und Früchte das ganze Jahr hindurch, aber in einigen Gegenden trägt sie jährlich nur einmal. Auf Java trägt die Pfefferpflanze oft so stark, dafs man die Blätter der Pflanze, der vielen Früchte wegen, nicht sehen kann. Auf Sumatra pflegt der Ertrag von 1000 tragbaren Stöcken gleich 400 bıs 450 Pfunden zu sein. Die Beeren des Pfeffers brauchen 4 bis 5 Monate zu ihrer Reife; sie sind anfänglich grün, werden aber, sobald sie reif sind, schön roth und fallen alsdann ab, wenn sie nicht zur rechten Zeit abgenommen werden. Sobald einige Beeren reif werden, pflegt man die ganze Traube abzuneh- men und sie dann auf Matten oder auf den blofsen Boden auszubreiten, wo sie trocken werden und eine schwarze Farbe mit runzeliger Oberfläche annehmen. Je reifer die Beeren bei dem Abnehmen waren, je weniger runzelig werden sie durch das Trockenen. Der weifse Pfeffer wird aus dem schwarzen gemacht und zwar dadurch, dafs man diesem durch Fäulnifs den schwarzen Ueberzug abnimmt. Zu diesem Zwecke wird der schwarze Pfeffer in Gruben oder auch in stehendes Wasser gelegt, woselbst, nach 14tägiger Einwirkung, die Hülse reifst und worauf die weifsen Körner, welche darin 467 enthalten waren, an der Sonne getrocknet werden, nach- dem man durch Reiben mit den Händen die Hüllen ganz entfernt hat. Man behauptet zwar, dafs der weifse Pfeffer durch dieses Einweichen seine beste Kraft verloren hat, doch ist er auch, mit seiner geringeren Schärfe, vielen Menschen angenehmer. | Eine schlechtere Sorte von weifsem Pfeffer erhält man aus den Beeren, welche als überreif abgefallen sind, wobei nämlich die schwarze Hülle abplatzte, und es scheint dar- nach hervorzugehen, dafs die Schärfe des Pfeffers mit dem Reifen sich verliert. Man findet auch Angaben, dafs in Indien ein Pfeffer wachse, welcher weifse Beeren trage, doch dieses möchte wohl noch der Bestätigung bedürfen. In dem neu erschienenen vierten Bande der Erdbe- schreibung von Herrn Ritter, hat der gelehrte Herr Ver- fasser eine Schätzung der gesammten Pfeffer -Production nach Berechnungen von H. Crawfurd mitgetheilt, woraus ich hier eine kurze Uebersicht darstelle. Die Gesammt- Production des Pfeffers beträgt gegenwärtig an 50,000000 _ Pfunde, wovon nur 4 nach Europa kommt, die gröfste Masse wird von den Chinesen verbraucht. Vertheilt man die gesammte Pfeffermasse auf 1000 Millionen Menschen, so kommt auf jeden Kopf der tägliche Verbrauch von 1,05 Gran. Da der Verbrauch des Pfeffers, als des allgemein- sten Gewürzes, von Jahr zu Jahr zunimmt, und sich all- mälich über die rohesten Völker ausdehnt, so ist voraus- zusehen, dafs sich die Production des Pfeffers noch weit mehr ausdehnen wird. Ueber einige der hauptsächlichsten Pflanzen, deren Fasern und Wolle zur Bereitung von Zeugen und anderen, dem Menschen unentbehrlichen Mate- rıalien benutzt werden. Bekanntlich könnte der vorliegende Gegenstand das Material zu einem umfangreichen Buche geben, wollte man 468 denselben auch nur mit einiger Ausführlichkeit behandeln. Es ist bekannt, wie äufserst vielfach die Bereitung der Zeuge ist, welche den Südsee-Insulaneren zur gewöhnlichen Kleidung dienen. Ich kann hier die Zubereitung dieser Zeuge, aus der Rinde verschiedener Bäume, übergehen, indem dieselbe schon so oft, in den verschiedensten Schrif- ten, mitgetheilt worden ist; wer hierüber nähere Auskunft zu haben wünscht, dem sind die Berichte der klassischen Reisen von Cook zu empfehlen. Hier beschränke ich mich auf das Anführen derjenigen Pflanzen, welche hie und da zur Bereitung der Kleidungsstücke von den Bewohnern verschiedener Länder gebraucht werden. Die bekannteste aller dieser Pflanzen ist bei uns. der Flachs (Linum usitatissimum) und der Hanf (Cannabis sa- tiva), deren so äufserst vielfältige Benutzung" allgemein bekannt ist. Der Flachs hat in der alten Welt sein Vater- land, aber in Nordamerika befindet sich eine andere Art, welche ebenfalls zu denselben Zwecken benutzt werden könnte. Gegen Osten und gegen Süden wird die Cultur des Flachses überall durelr den Anbau der Baumwolle ver- drängt, welche eine viel reichhaltigere Erndte giebt. Auf den kalten Hochebenen Indiens, wo keine Baumwolle ge- deihet, da wird noch Flachs cultivirt, doch meistens nur auf die Oel-Gewinnung. Ob unser Flachs auch in China eultivirt wird, ist eigentlich wohl noch unbekannt; das Fabrikat, welches zu uns als chinesische Leinewand kommt, ist wenigstens einer anderen, uns noch unbekannten Pflanze angehörig. Die Baumwoll- Pflanze, Die Baumwollpflanze ist eine der nützlichsten für, das Menschengeschlecht, welche auf.der Erde eultivirt wird; es ist sehr wahrscheinlich, dafs eine gröfsere Menge von Menschen ‚durch Baumwollenzeuge gekleidet werden, als durch irgend einen anderen Stof. Nicht nur in den tropischen Gegenden aller Länder -der alten und der neuen Welt wird die Baumwolle ange- 469 bauet, sondern sie geht auch weit über die Tropen hinaus, selbst bis in Gegenden, deren mittlere jährliche Tempera- tur zwischen 13 und 14° R. steht, was gerade noch den südlichsten Gegenden von Europa zukommt. In einzelnen Fällen, wie z.B. in der Krimm, wo noch andere Ursachen vorhanden sind, welche die Winterkälte mäfsigen, geht die Cultur der Baumwollenstaude in Europa bis zum 45° N. Breite; in Asien selbst bis Astrakan. Im südlichen Spa- nien, im südlichen Italien, auf Sicilien und in Griechen- land, wie überhaupt rund um das mittelländische Meer, in Syrien, Aegypten und in Kleinasien wird die Baumwolle eultivirt, welche dem Gossypium herbaceum angehört; es ist die gewöhnliche Pflanze mit weifser Wolle, in Sicilien und Griechenland wird aber auch eine Staude mit gelber Wolle eultiyirt, wahrscheinlich das Gossypium religiosum; doch ist hier, in diesen heifsen Gegenden, wo der Oelbaum und die Oranje so herrlich gedeihen, die Cultur dieser Pflanze noch in sehr geringem Umfange. Bedeutender da- gegen wird dieser Culturzweig in Kleinasien, in Aegypten, in den angrenzenden Ländern des alten Asiens, in China und in Japan, wo sie sich, fast beständig bis zur Breite von 40 und 41° nördlich hinauf erstreckt. Nach den Mit- theilungen, welche wir über die Verbreitung der Baum- wollen-Cultur bei Royle *) finden, soll Gossypium vitifo- lium um Cairo, in Westindien und um Rio de Janeiro ceul- tivirt werden, wo aber auch G. herbaceum und G. barba- badense zu finden ist. Auf Portorico wird Gossypium racemosum und auf den französichen Besitzungen West- indiens meistens G. hirsutum eultivirt. Die Zahl der Arten dieser Gattung, welche sämmtlich die Baumwolle, bald von weifser, bald von gelber Farbe liefern, ist wohl recht sehr erofs und noch lange nicht mit gehöriger Genauigkeit bestimmt. Zwar ist die Cultur der Baumwolle weiter verbreitet, als irgend eine andere Nutzpflanze, doch möchten die einzelnen Arten der Gattung *) Tllastr., Fasc. IM. Gossypium, welche hie und da gebauet werden, eine weni- ger ausgedehnte Fläche einnehmen; indessen um Unter- suchungen der Art anzustellen, sind der Thatsachen noch viel zu wenige. Das Gossypium herbaceum ist dasjenige, welches in Europa am weitesten nach Norden steigt; in Nordamerika wird die Baumwollen-Cultur bis zum 40sten Grade betrieben. In Südamerika geht die Cultur dieser Gewächse, nach Aug. de St. Hilaire, auf der Ostküste bis zum 30sten Grade, und auf der Westküste dieses Conti- nents habe ich, noch in 30 und 33° südlicher Breite, einige Baumwollsträucher gesehen, wahre Anpflanzungen finden indessen dort nicht statt; wohl aber nördlicher, als z. B. in der Provinz von Copiapo. Am Cap der guten Hoffnung, so wie in Neuholland, in den englischen Colonieen daselbst, kommt die Baumwolle bis jetzt am südlichsten vor. Ueber den Anbau der Baumwollenpflanze giebt Herr v. Martius *) für Brasilien sehr ausführliche Nachrichten. Hat man dort den Boden geordnet, was gewöhnlich durch Aus- roden und Abbrennen der Bäume und Sträucher geschieht, so werden die Saamen im Monate Januar gelegt; man steckt deren 5 bis 6, ja bis 12 in ein Loch von 3 bis 4 ‘ Zoll Tiefe und in 5 bis 6 Fufs Entfernung. Mit unglaub- licher Schnelligkeit wächst nun die Baumwollstaude heran und wird 12, 15 bis 20 Jahre alt, aber blüht und fructi- fieirt jährlich zweimal; im 9ten oder 10ten Monate nach der Aussaat beginnt die erste Lese. Die Haupterndte fällt in der Provinz Pernambuco in die Monate Juli und August, und die erste Erndte einer Baumwollstaude ist die beste; die stärksten Bäume geben dann 24 Pfund reine Wolle, die schwächsten dagegen nur 10 Loth reine Wolle. Ist der Saame einmal ausgelegt, so pflegen sich die Landleute nicht früher ‘um die Pflanzung zu kümmern, bis die Zeit der Erndte herbeikommt; doch diese Nachlässig- keit soll öfters stark bestraft werden, indem die Masse des Unkrauts zwischen den Pflanzen so grofs werden soll, *) S. dessen Reise nach Brasilien, II. pag. 815. 471 dafs dieselben sich nicht entwickeln können. Herr von Martius *) nennt diese Unkräuter, es sind: Ipomoea Qua- moclit L., I. hederacea R. Er., Momordica macropetala Mart. u. s. w. Der fleifsige Landmann rodet die Unkräuter jähr- lich zweimal aus. Man sucht zugleich die einzelnen Stämme . dieser Pflanzungen in einer Höhe von 5 bis 6 Fufs zu erhalten, indem man die geraden Aeste abbricht. Das Einsammeln der Baumwollkapseln ist in grofsen Plantagen eine schwere Arbeit, und eine grofse Anzahl von Negern sind dazu nöthig, denn ein Sclave vermag, den Tag über, nur ein bis zwei Arroba’s voll einzusammeln. Noch schlimmer ist aber die Arbeit des Trennens der Wolle von ihren Körnern, was gegenwärtig eben so, wie das Stampfen der grofsen Wollsäcke durch Maschinerieen geschieht. In China und Japan ist die Baumwollen-Cultur im höchsten Flor, es wird indessen noch lange nicht der nöthige Bedarf erzeugt, so dafs grofse Massen in diesem “Artikel aus Ostindien nach China eingeführt werden, un- geachtet der grofsen Menge von gewebtem Zeuge Im Jahre 1828 **) ward allein für 1,322361 Piaster rohe Baumwolle nach China eingeführt. Das Gossypium, welches die bekannte echte gelbe Nanking- Wolle liefert, hielt man früher für eine Abart von Gossypium religiosum, welcher Pflanze man ebenfalls - China und Siam zum Vaterlande anweist. Eine speciellere Untersuchung zeigte mir jedoch, dafs die echte Nanking- Wolle einer besonderen Art angehöre, welche ich Gossy- pium Nanking ***) genannt hahe. Sehr interessant ist es zu erfahren, das dasjenige Gossypium, welches Forster von den Südsee-Inseln mitgebracht hat, nicht dem Gossypium religiosum angehöre, sondern mit der echten Nanking- Pflanze identisch sei. +) : ") 1. c. pag. 816. .*%) Meyen’s Reise, II. pag. 397. **%) S. Meyen’s Reise, II. pag. 397 und Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in Preufsen. Berlin 1836. XI. 2. Hft. +) S. Royle Illustr., Fasc. III. 31 472 « Ueber die Cultur der Baumwolle in Indien findet man in H. Royle’s angeführter. Schrift sehr ausführliche Erör- terungen. In den nördlichen Provinzen Indiens säet man die Baumwolle in der Mitte des März und April, und ım ° October und November, wenn die Regen aufgehört haben, erndtet man. Anfangs Februar treibt die Pflanze neue Blätter und Blüthen und wärend des Märzes und Aprils erndtet man die Wolle zum zweiten Male. Auch im cen- tralen Indien, nämlich bis 4000 Fufs hoch, erndtet man einmal nach dem Regen und einmal im Februar und März. In Georgien und in der Guyana ist die Erndte im September. Es ist eine bekannte Klage, dafs die indische Wolle kurz ist und daher weniger brauchbar, als andere Sorten, doch auf H. Roxburgh’s Anrathen hat man gegenwärtig die Baumwollpflanze von Bourbon nach Indien verpflanzt, und die Wolle dieser Art soll allen Forderungen entsprechen. England verbraucht jährlich 300 Millionen Pfunde Baum- wolle, wozu Indien nur Z, dieser Summe liefert. Die Hanf- Pflanzen. Der Anbau des Hanfs im nördlichen Europa, in Asien und in Nordamerika ist von der aufserordentlichsten Be- deutung, ja unglaublich sind die Massen dieses Stoffes, welche, blofs in den russischen Besitzungen gewonnen wer- den; die Pflanze ist diesen Ländern noch von weit gröfse- rer Wichtigkeit, indem ihre Saamen ein gutes Oel geben, welches daselbst allgemein gegessen wird. Zwar wird noch in den neuesten Zeiten das künstliche Areal der Hanf- Pflanze immer mehr und mehr vergröfsert, indessen die Bereitung eines stärkeren Hanfs aus verschiedenen ande- ren Pflanzen, welche ich sogleich anführen werde, möchte doch zuletzt unserer Hanfcultur störend in den Weg treten. Ich habe schon im Vorhergehenden (pag. 383), als von der Cultur der Banane die Rede war, des Hanfs von Manila, der sogenannten Avaca ausführlich gedacht, und die Zubereitung desselben aus der Musa textilis angegeben, worauf ich verweise. Auch aus den Stämmen der andern 1 413 Bananen- Arten vermag man sehr feste Fasern zu gewin- nen, welche hauptsächlich zu Stricken und Angelschnüren tauglich sind. Der Neu-Seeländische Hanf. Auf Cook’s erster Weltumsegelung wurde der Flachs oder Hanf von Neu-Seeland bekannt; er wird aus den Fasern der Blätter von Phormium tenax, einer grofsen und prachtvollen Schilfpflanze bereitet. Die Bewohner von Neu-Seeland verfertigen aus den Blättern dieser Pflanze nicht nur alle ihre Kleidungsstücke, sondern auch alle Arten von Schnüren und Stricken, ja sogar äufserst feine Fäden, denen der Seide ähnlich, sind aus dieser Pflanze zu bereiten. Schon Cook *) erkannte die hohe Wichtigkeit, wel- che daraus für England erwachsen müfste, wenn dieser neuseeländische Flachs nach England verpflanzt und da- selbst angebauet würde, wozu ihm das Clima sehr gün- stig zu sein schien. Bekanntlich hat man sich lange Zeit hindurch mit der Einführung des neuseeländischen Flach- ses sowohl in England, als auch bei uns, auf dem Conti- nente beschäftigt, doch fehlten leider alle meteorologischen Beobachtungen in dem Vaterlande jener Pflanze, von wel- chen man hätte müssen ausgehen. Auch jetzt sind mir Beobachtungen der Art von Neu-Seeland nicht bekannt, wohl aber haben wir die mittleren Temperaturen von zwei Orten auf Van-Diemen’s-Land, einer Insel, welche mit Neu-Seeland in einer Breite und unter ähnlichen Verhältnissen liegt, so dafs wir die Temperaturen von Van-Diemens-Land für die gleichen Breiten von Neu- Seeland substituiren können. Von Van-Diemen’s-Land sind die Temperaturen zu Macquarie Harbour und zu Hobart Town **) bekannt; der erstere Ort giebt eine jährliche mittlere Temperatur von — nn. ”) Reise um die WVelt. Berlin 1774. II. pag. 34. **) Edinb. Journ. of Science, 1825. p. 75. 474 13° Cels. und ist auf der westlichen Seite der Insel ge- legen, der letztere dagegen eine mittlere Temperatur von 11,3° Cels. und ist auf der östlichen Seite gelegen. Die- ser grofse Unterschied beruht hauptsächlich auf djerhö- here,Winterwärme, welche zu Maequarie Harbour herrscht, indem die Temperaturen der Sommermonate sich beinahe ganz gleich verhälten. Die Ursachen, welche diese gro- {se Differenz veranlassen, kennen wir zwar nicht, doch beruhen sie wahrscheinlich auf herrschende Winde. Um zu zeigen, wie genau das Clima von Van-Diemens -Land mit demjenigen in einigen Gegenden von England überein- kommt, so dafs es keinem Zweifel unterliegen kann, dafs der Flachs von Neu-Seeland auch in England, besonders auf dessen westlicher Seite, und vorzüglich in Irland ge- deihen würde, habe ich die Temperaturen von Macquarie Harbour und von Hobart Town mit denen von London (da mir gute Beobachtungen aus Irland unbekannt sind ) zusammengestellt, und sie auf der beiliegenden Tafel ver- zeichnet. Aus dieser graphischen Darstellung der mitt- leren Temperaturen wird man zugleich ersehen, dafs der neuseeländische Flachs keineswegs in unserem Clima zu eultiviren ist, wo die Winterkälte viel za stark ist; in- dessen wird diese Pflanze schon gegenwärtig im südlichen Frankreich und in Dalmatien eultivirt. Dagegen ist das Phormium tenax nach Neu-Holland übergeführt, und um Sydney herum giebt es grofse An- pflanzungen davon, welche schon gegenwärtig so viel pro- duciren, dafs der Hanf nach England ausgeführt wird *). In der Colonie selbst werden ganz vorzügliche Whäler- Leinen, zum Harpuniren der Wallfische, gemacht, und al- ler Wahrscheinlichkeit nach wird der .neuseeländische : Hanf auch ganz vorzügliche Taue geben, wenn nur das Vorurtheil dagegen einmal geschwunden ist. Die Blätter der Hanfpflanze von Neuseeland erreichen eine Länge von *) S. Bennett’s VWVanderings in New Soutlı Wales. London 1834. I. p. 72 etc. 475 . 6 und 7 Fufs, geben demnach sogar längere Fäden, als unser europäischer Hanf. Eine andere Art von Hanf bereitet man aus den Fa- sern der Agave-Blätter, welche man, wie wir vorhin (pag. 443) gesehen haben, von eben denselben Maguey- Pflanzen nimmt, die zur Gewinnung des Pulque’s benutzt wurden, und nach dieser Operation jedesmal absterben. Die Faser der Agaven wird als die festeste von Allen an- gesehen, und kommt schon seit langer Zeit in den Han- del. In Ostindien wird Agave vivipara zu den Einfassun- gen der Gärten und Ländereien gepflanzt, und aus ihren Blättern macht man den Hanf, welcher zur Bereitung von Stricken aufserst schicklich ist. Die Bereitung der grofsen Schiffstaue, welche zur Befestigung der Anker dienen, aus den Fasern der Co- cosnufs-Schaale, haben wir ebenfalls schon vorher ange- geben. Es ist dieser Fabrikzweig von sehr bedeutendem Umfange für diejenigen Gegenden Ostindiens, wo die gro- fsen Cocospalmen -Plantagen zu finden sind. Auch hier werden die Fasern aus der harten Fruchthülle durch Fäul- nifs und durch starkes Klopfen von einander geschieden, und später zusammengeflochten. | Schliefslich nenne ich noch diejenigen Pflanzen, welche in verschiedenen Gegenden die Stoffe zur Bereitung der Kleidungsstücke hergeben. Der Papier - Maulbeerbaum Broussonetia papyrifera) ist der bekannteste von Allen; er ist hauptsächlich auf den Südsee-Inseln wie auch in China zu Hause, und aus den Fasern seiner Rinde bereitet man die Zeuge. Auf den Sandwichs-Inseln habe ich Böhmeria albida Hook. und Neraudia melastomaefolia Gaud. zu die- sen Zwecken benutzen sehen; von ersterer Pflanze findet man daselbst grofse Plantagen. Ebenso wird die innere Rinde des Brodfruchtbaums, die Rinde von Aletris nervosa und Celtis orientalis zu solchen Zeugen benutzt. Im öst- lichen Asien sind es hauptsächlich die Corchorus- Arten, welche, ebenso wie die Hanfpflanze, zu Fasern verarbeitet werden, aber viel feinere Geflechte liefern. Corchorus 476 olitorius wird in Bengalen cultivirt, C. capsularis haupt- sächlich in China und auch in Indien, C. japonicus dagegen in Japan. Aufserdem sind verschiedene Arten der Gattun- gen Sida, Hibiscus und Malva, welche in Indien und auf den Südsee-Inseln zur Bereitung von Zeugen verwendet werden. Cultur der Indigo - Pflanzen. Obgleich wohl alle Arten der Gattung Indigofera den Indigo liefern, so wird dennoch hauptsächlich die Indigo- fera tinctoria zu diesem Culturzweige benutzt. In ganz Ostindien, wo man die bei weitem gröfste Masse dieses Handels-Productes gewinnt, wird nur die genannte Indigo- fera tinctoria gezogen, welche verhältnifsmäfsig mehr Far- bestoff liefern soll, als die anderen Arten. Auf den Phi- lippinen wird gegenwärtig eine andere, vielleicht noch unbestimmte Indigofera mit grofsem Erfolge angebauet, und in Amerika werden neben der Indigofera tinctoria ver- schiedene Varietäten von Indigofera Anil gezogen. ‚Den Gebrauch des Indigo’s haben wir aus Indien ken- nen gelernt; Plinius und Strabo sprechen schon von dem schönen, blauen Farbestoffe, welchen das Indicum liefert, woraus das Wort Indigo entstanden ist. Indessen viele andere Völker der alten Welt kennen die blaufärbende Eigenschaft der Indigofera - Arten, ohne jemals mit Indien in Berührung gewesen zu sein. Vor der Entdeckung der Schifffahrt um das Cap der guten Hoffnung ging der ganze Indigo-Handel nach Europa über Aleppo. *) Später, nach der Entdeckung Amerika’s, ward dieser Culturzweig eben- falls dahin verbreitet, und gegenwärtig wird derselbe an aufserordentlich vielen Punkten der ganzen heifsen und 'subarktischen Zone betrieben. Der beste Indigo wird auf der Westküste von Mexico, aus. der Indigofera argentea bereitet. Zur Verfälschung des guten Indigo’s bereitet man *) J. Phipps, A Series of Treatises, on the Principal Products of Bengal. Nro. 4. Indigo. Calcutta 1832. 477 den Farbestofft aus Nerium tinctorium, Isatis tinctoria, Galega tinetoria, Spilanthus tinctoria, Amorpha fruticosa “ und noch mehreren anderen Pflanzen. - Die Indigopflanze erfordert einen sehr guten und leich- ten Boden, der Ertrag des Farbestoffes ist wenigstens um so gröfser, je mehr diesen Anforderungen, selbst durch künstliche Bereitung, entsprochen wird. In Ostindien und überhaupt in den indischen Ländern der alten Welt, säet man die Pflanze vom März bis zum Mai, und die Erndte erfolgt dann von Juli bis zum September; es treten diese Perioden für verschiedene Ländereien bald früher bald spä- ter ein, doch richtet man sich so ein, dafs die Erndte noch vor Eintritt der Regenzeit erfolgen kann, daher man in vielen Gegenden schon im November und December die Saatzeit beginnt. Zur Bereitung des Indigo’s wird die ganze ausgewach- sene Pflanze benutzt, und man sondert den Farbestoff die- ser Pflanze aus seiner Umgebung durch eine gelinde Gäh- rung. Zu diesem Zwecke wird die Indigopflanze zur Zeit der Blüthe gemäht und in grofse Gefäfse mit Wasser ge- than, wo sie in Gährung übergeht; hiedurch wird, nach mehrmaliger starker Umrührung, aller Farbestoff von dem Wasser aufgenommen, welches dann in andere Gefäfse abgegossen wird, wo sich der Farbestoff als ein Präcipitat zu Boden setzt. Der Indigo ist keinesweges ein Product der Gährung, sondern er existirt schon vollkommen gebil- det in der Pflanze, verbunden mit schleimigen, harzigen und verschiedenen holzigen Theilen, deren Trennung die wahre Kunst des Indigo-Fabrikanten ist; er ist Anfang’s gelb und wird erst durch Berührung mit der Luft blau. Später dampft man die Feuchtigkeit von dem Sedimente durch Kochen ab, was man so lange fortsetzt, bis die Masse nicht mehr schäumt. Die auf diese Weise erhaltene Masse bringt man in hölzerne Formen und prefst sie in solche Stücke zusammen, wie sie in den Handel kommen, worauf man diese Stücke noch vollkommen austrockenen läfst und sie zuletzt verpacket. 478 - Man kann sich ungefähr eine Vorstellung von dem enormen Umfange dieses so wichtigen Culturzweiges machen, wenn man erfährt, dafs sich die Einfuhr des Indigo’s, ganz allein aus englischen Colonieen, nach England über mehr als 6% Million Pfunde beläuft, wovon über 2,000000 Pfund in England selbst verbraucht werden, wärend die übrigen 4,000000 nach dem Continente gehen. Die Durchschnitts- Preise dieses Indigo’s sind, je nach der Güte der Waare, von 1 bis 34 Thlr. für das Pfund. Ueberdies ist die Ausfuhr des Indigo’s aus den frühe- ren ‚spanischen Besitzungen Amerika’s, so wie aus den südlichen Provinzen von Nordamerika und aus den Be- sitzungen der Holländer, Spanier und Portugiesen in Indien äufserst bedeutend. Von Manila allein wurden, in den letz- teren Jahren, durchschnittlich über eine Million Pfunde ausgeführt, *), so dafs, hätte man die Data für sämmtliche Production dieses Artikels gesammelt, wahrscheinlich mehr als 9—10 Millionen Pfunde hievon jährlich in den Welt- handel kommen. Von der Bereitung des Farbestoffes aus der Indigo- Pflanze bei den Negern am Senegal, giebt uns Adanson eine sehr interessante Beschreibung. Die Neger pflücken nämlich die Blätter der Pflanze und stofsen dieselben in Mörsern zu Brei, welchen sie darauf in Klumpen zusam- mendrücken und sodann trockenen lassen. Beim Gebrauche zum Färben, lassen sie dann von dieser Paste etwas in einer Lauge zergehen, welche aus der Asche von Sesuvium Portulacastrum L. bereitet ist, und worauf die Lösung so- _ E gleich ihre blaue Farbe annimmt. ”) $. Meyen’s Reise, Theil I. pag. 276. Gedruckt bei den Gebr. Unger. ne "Du EEE MR TE ir muillieyen ae ur er etedt 7105 " Caleta x —Lananna Be 9 /77777772 GH Londerh- = Derän 1 Amine Bein Harde md Spbuersche Buhlumahmg Az To avoid fine, this book should be returned a 1 or before the date last stamped below 10M-10-4 ISIN um It dh Eh hi RER ee > cc < cc @ J n wu © zZ — O n w ie) OÖ < oO < — J < oO