»«.*$ :.':!* - % ^ LZ 'tz W- ■?■* WL ^ 2J&U ^ /A - $ oDs \\0 1930 Grundriss der Vergleichenden Anatomie 1874 By Carl Gegenbaur Have been restored In memory of Dr. Robert J. Huettner By Pamela Talin-Bryant and James Talin Compliments ofthe MBL/WHOI LIBRARY GRUNDRISS DER VERGLEICHENDEN ANATOMIE VON CARL GEGENBAUR, O. Ö. l'ROFESSOR DKK ANATOMIE UND DIRECTOR DER ANATOMISCHEN ANSTALT ZU HEIDELBERG. MIT 320 HOLZSCHNITTEN. LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1874. Das Recht der üebersetzung in fremde Sprachen behalten sich Verfasser und Verleger \or. l-oL-X'^ V 0 R W 0 R T. Als mir vor längerer Zeit Anlass ward die Herausgabe einer .dritten Auflage meiner Grundzüge der vergleichenden Anatomie in Erwägung zu nehmen, konnte ich mir nicht verhehlen dass die Anlage jenes Buches, wie sie sowohl in ausführlicheren Darstellungen als auch in einem Eingehen auf Literaturangaben sich aussprach, bei einer neuen Auflage einen viel bedeutenderen Umfang erfordern würde. Ein in dieser Richtung bearbeitetes Werk würde aber vom Zwecke der ersten Einführung in das Studium der vergleichenden Anatomie sich sehr weit entfernt haben. Daher entschloss ich mich zu einer kürzer gefassten Umarbeitung, die hiermit als »Grundriss der vergleichenden Anatomie« vorliegt. Leider fand die schon länger abgeschlossene Arbeit in ihrer Drucklegung durch meine Uebersiedelung nach Heidelberg manche unliebe Verzögerung. Indem ich in diesem Grundriss alle speciellen Bezugnahmen auf die Literatur, sowie die Berücksichtigung zahlreicher Detailverhält- nisse fern hielt und mich mehr aufs Uebersichtliche beschränkte, war es möglich eine compendiösere Form zu finden, und dabei das Hauptgewicht auf die fundamentalen Erscheinungen und deren Zu- sammenhänge legend, dem die manichfaltigen Organisationsbefunde verknüpfenden Faden nachzugehen. Liegen doch gerade da die bedeutendsten Aufgaben der vergleichenden Anatomie, die, je weniger sie von den meisten gewürdigt werden um so dringender immer wieder hervorgehoben werden müssen. IV Vorwort. In der äusseren Anordnung des Stoffes bin ich den Grundzügen treu geblieben, jedoch mit manchen Aenderungen in der Eintheilung der Organe, für welche das für die wissenschaftliche Anatomie allein gültige morphologische Princip die Richtschnur abgab. Dass der etwas schwerfällige Apparat der Noten wegblieb, bedarf mit Hinblick auf den Zweck des Buches keiner besonderen Rechtfertigung. Die Aufnahme kurzer systematischer Uebersichten der Thierstämme und ihrer Gliederung, schien mir dagegen zu einer ersten Orientirung, die allein damit beabsichtigt ward, unerlässlich. An die Stelle der Grundzüge zu treten ist ein »Lehrbuch« , bestimmt, welches, auf zwei Bände berechnet, bereits in der Vor- bereitung begriffen ist. Möge mir die im stillen und doch geistig so regen, Jena während langer Jahre stets reichlich zu theilgewordene Arbeitsfreude auch hier nicht fehlen und zur Förderung jenes Unter- nehmens wirksam sein. Heidelberg, im November 1873. C. Gegenbaur. INHALTSVERZEICHNIS^ Paragraph. Seite. 1 — 9. Einleitung 1 Allgemeiner Theil. BaudesThierleibes 13 10. Von den" Organen 13 Elementarorgane (Plastiden) 13 11 — 13. Von der Zelle 14 14 — 15. Von den Geweben 18 16—17. Epithelien 19 18 — 21. Bindesubstanzen 22 22. Muskelgewebe . . " 26 23. Nervengewebe 28 24 — 30. Organe höherer Ordnung 29 31- Integument 38 32. Skelet 38 33—34. Muskeln 39 35 — 36. Nervensystem 41 37 — 39. Sinnesorgane 43 4 0. Respiratorische Organe des Integumentes 46 41. Excretionsorgane 47 42. Darmcanal 48 43. Respiratorische Organe dos Darmes 50 44. Fortpflanzungsorgane ■ • . 51 45 — 46. Gefässsystem 53 47. Ausbildung der Organe 55 48. Rückbildung 56 49. Correlation 57 50 — 51. Systematische Gliederung des Thierreiches 58 52 — 54. Vergleichung der Organe 62 55. Literatur 65 Specieller Theil. Erster Abschnitt. Protozoen. 56. Allgemeine Uebersicht 69 57. Integument ' 71 60—62 Stützorgane 75 63 — 64. Ernährungsorgane 78 65 — 66. Fortpflanzungsorgane • • 82 yj Inhaltsverzeichnis*. Paragraph. " Seite. Zweiter Abschnitt. Cölenteraten ( Z o o p h y t e n ) . 67. Allgemeine Uebersicht 85 68 — 74. Körperform 87 75. Gliedmaassen 98 76. Integument ^ 00 77 — 7S. Skelet ' 102 79. Muskelsystem 105 80. Nervensystem 106 81. Sinnesorgane 107 82—89. Darmcanal 108 90—93. Geschlechtsorgane 117 Dritter Abschnitt. Würmer. Allgemeine Uebersicht 122 Körperform 126 Gliedmaassen 133 Aeussere Kiemen 136 Integument 138 Skelet i 144 Muskelsystem 144 Nervensystem 147 Sinnesorgane 155 Tastorgane 155 Sehorgane 157 Hörorgane * 159 Darmcanal 160 Anhangsorgane des Darmes • 169 Kiemenhöhle : 171 Excretionsorgane 174 Geschlechtsorgane 18' Leibeshöhle und Gefässsystem 195 Vierter Abschnitt. Ecliiiiodemieii. 155. Allgemeine Uebersicht 205 156—159. körperform. 207 160. Gliedmaassen 2 12 161—165. Integument und Haulskelet 213 166. Muskelsystem 220 167. Nervensystem 221 168. Sinnesorgane 223 169. Excretionsorgane *23 170. Darmcanal 224 173. Anhangsorgane des Darmcanal s 228 174—175. Geschlechtsorgane 229 176. Leibeshöhle 232 177. Gefässsystem 233 178 — 79. Wasserg'e fasse 234 F ii n f t er Abschnitt. Arthropoden. 180. Allgemeine Uebersicht 240 181. Körperform 247 182 — 183. Gliedmaassen 250 184—185. Kusskiemen 254 185—188. Gliedmaassen der Tracheaten 257 189 — 191. Integument 260 192. Muskelsystem 263 193. Nervensystem 264 94. 95 — 99. 100 — 101. 102. 103. 107. ■108—109. 110. 117. 119—120 121. 122—128 129. 131. 133 — 136 137 — 147 148—154 Inhaltsverzeichniss. VH Paragraph. Seite. 198. Sinnesorgane 273 198. Tastorgane 273 199. Hörorgane 274 -201—202. Sehorgane 276 203. Exeretionsorgane 28 1 204 — 207. Darmcanal 282 208. Anhangsorgane des Vorderdarmes 289 209. » » Mitleidarmes 290 210. » » Enddarmes 291 21 I— 221. Geschlechtsorgane 293 222. Leibeshöhle. Fettkörper 309 223 — 225. Tracheen 311 226—230. Gefässsystem »315 Sechster Abschnitt. Mollusken . 231. Allgemeine Uebersicht 323 232—236. körperform • .... 326 237—238. Gliedmaassen 336 239—240. lntegument 338 24 1—242. Schalenbildungen 34 1 243—24.;. Kiemen 346 246. Inneres Skelet 352 247. Muskelsystem 353 248—251. Nervensystem. Centralorgane und Körpernerven 355 252 — 254. Eingeweidenerven 360 255. Sinnesorgane 365 255. Tast- und Riechorgane 365 2.">6— 257. Sehorgane 366 258. Hörorgane 370 2 5 9— 261. Exeretionsorgane 373 262—266. Darmcanal 377 267. Anhangsorgane des Vorderdarines 383 268. » » Mitteldarmes 384 268. » » Enddarmes 387 269—271. Geschlechtsorgane 387 275. Leibeshöhle . 397 276—280. Gefässsystem 398 Siebenter Abschnitt. Wirbeltliiere. 281. Allgemeine Uebersicht 407 282. Körperform 414 283—284. Gliedmaassen 415 285—286. lntegument 419 2S7— 289. Epidermoidalgebilde 421 290. Hautskelet 426 293—294. Inneres Skelet 430 295—301. Wirbelsäule 4 32 302—305. Rippen 444 306. Sternura 449 307. Episternum 452 308. Kopfskelet 453 309—322. Schädel : 456 323—326. Visceralskelet 482 327. Skelet der unpaaren Gliedmaassen 488 328 — 331. » » paarigen Gliedmaassen, Brustgürtel 489 332—335. Vordere Extremität 493 336. Beckengürtel 502 337—339. Hintere Extremität 505 340. Muskelsystem 510 341. Hautmuskeln 511 342—347. Muskulatur des Skeletes 512 yjjl Inhaltsverzeichniss. Paragraph, Seite, 848. Elektrische Organe 520 3 49. Nervensystem 522 351—353. A. Centralorgane des Nervensystems 525 a. Gehirn , 525 354. b. Rückenmark 532 355. Hüllen des Centralnervensystems 534 356. B. Peripherisches Nervensystem 555 357. a. Rückenmarksnerven 556 35S. b. Hirnnerven 557 364. c. Eingeweidenervensyslom 545 365 — 366. Sinnesorgane 545 367. Riechorgane 548 368-370. Sehorgane 550 371 . Hörorgane 557 377 — 380. Excretionsorgane 564 381. Darmcanal 570 382. Respiratorische Vorkammer (Kopfdarm) 571 383 — 386. Kiemen der Anamnia 572 487. Kiemenspalten der Amniota 577 388 — 389. Nasenhöhle 578 390. Mundhöhle 581 . 391—395. Organe der Mundhöhle 582 396. Eigentlicher Darmcanal (Rumpfdarm) 589 397—399. Vorderdarm 591 400-401. Mitteldarm 595 4 02. Enddarm 597 403 — 4o.'>. Anhangsorgane des Mitteldarmes 599 4 06. Pneumatische Nebenhöhlen 602 407. a. Schwimmblase 603 408—410. b. Lungen '605 411 — 422. Geschlechtsorgane 610 423. Leibeshöhle 628 424—4 25. (lefässsystem 629 4 26—433. Herz und Arteriensystem 631 4 34. Venensystem 646 440 — 442. Lvmphgefässsvstem 655 443. Thymus . . 659 444. Nebennieren 660 Einleitung. Begriff und Aufgabe der vergleichenden Anatomie. § *• Das Gebiet der Wissenschaft, welche die organische Natur zum Gegenstande ihrer Untersuchungen hat, zerfallt nach den beiden orga- nischen Naturreichen in zwei grosse Abtheilungen, in Botanik und in Zoologie. Beide Disciplinen bilden die Bestandteile einer Biologie, und sind insofern enge mit einander verbunden, als die Erscheinungen im Thier- wie im Pflanzenreiche auf gleichen Grundgesetzen beruhen, und Thier und Pflanze bei aller Verschiedenheit der speciel leren Ein- richtungen gemeinsame Anfange besitzen und im Haushalte der Natur in innigen Wechselwirkungen stehen. Innerhalb der beiden genannten Disciplinen sind mehrfache Arten der Forschung möglich , aus denen neue Disciplinen hervorgehen. Indem wir das Gebiet der Botanik zur Seite lassen , wollen wir jenes der Zoologie in seine ferneren Gliederungen verfolgen. Die Erforschung der Leistungen des Thierleibes oder seiner Theile, die Zurückführung dieser Functionen auf elementare Vorgänge und die Er- klärung derselben aus allgemeinen Gesetzen ist die Aufgabe der Phy- siologie. Die Erforschung der materiellen Substrate jener Leistungen, also der Formerscheinungen des Körpers und seiner Theile, sowie die Erklärung derselben bildet die Aufgabe der Morphologie. Physio- logie und Morphologie besitzen somit verschiedene Aufgaben, wie auch ihre Methoden verschieden sind; für beide aber ist es nöthig , selbst auf getrennten Wegen, sowohl einander als auch das gemeinsame End- ziel im Auge zu behalten, welches in der Biologie gegeben ist. Die Morphologie gliedert sich wieder in Anatomie und Ent- wi ck elunesse schichte. Wie erstere den vollendeten Organismus zum Untersuchungsobjecle hat, so besitzt letztere den werdenden Or- ganismus zum Gegenstande der Forschung. Gegenbaur, Grundriss. 1 2 Einleitung. Die Anatomie selbst kann in eine allgemeine und specielle getheilt werden. Die allgemeine Anatom ie beschäftigt sich mit den Grund- formen der thierischen Organismen (Promorphologie Hkl), und den aus jenen hervorgehenden Formerscheinungen. Die specielle Anatomie nimmt die organologische Zusammensetzung des Thierleibes zum Gegen- stande. Einen ihrer Zweige bildet die Histiologie, Gewebelehre, als Lehre von den Elementarorganen des thierischen Körpers. Die Entwickelungsgeschichte erläutert aus dem Verfolge des allmählichen Werdens des Organismus die Complicationen der äusseren und inneren Organisation, indem sie dieselbe von einfacheren Zuständen ableitet. Die Veränderungen der Organisation können aber sowohl im Entwickelungsleben des Individuums als in der Reihenfolge der Organis- men verfolgt werden. Auf ersteres erstreckt sich die gewöhnlich als Entwickelungsgeschichte (Embryologie, Ontogenie Hkl) bezeichnete Dis- ciplin, während letzteres als Aufgabe der Palaeontologie zufällt, die dadurch zur Phylogenie (Hkl) wird. Sie ist die Entwickelungs- geschichte der Organismenreihen in ihrer geologischen Aufeinanderfolge. § 2. Indem das Feld der Anatomie in der Erforschung und Erklärung des in der Entwickelung abgeschlossenen Baues des Thierleibes gegeben ist, so ergeben sich je nach den die Untersuchung leitenden Gesichts- puncten wieder verschiedene Abstufungen. Ist die Zusammensetzung des Körpers an sich, die Gestaltung und das gegenseitige Verhalten der einzelnen Organe zur Aufgabe genommen, so verhält sich die Anatomie nur beschreibend, indem sie die Befunde der Untersuchung schil- dert, ohne aus denselben weitere Schlüsse zu ziehen. Die anatomische Thatsache ist Zweck der Untersuchung, die Anatomie verhält sich rein empirisch. Durch die Beziehung zur Heilkunst, somit aus praktischem Bedürfnisse, hat sich die beschreibende Anatomie für den menschlichen Organismus hinsichtlich des Umfanges von Einzelerfahrungen zu einem besonderen Zweige entwickelt, der als »Anthropotomie« der gleich- falls beschreibenden »Zootomie« sich an die Seite stellt. Beide sind nur durch das Object, nicht durch die Behandlung desselben verschieden, beide verhalten sich analytisch. In demselben Maasse als beide sich enthalten, aus ihren Einzelerfahrungen Schlüsse zu ziehen, und diese zu Abstractionen zu verwerthen, entbehren sie des Charakters einer Wissenschaft, da der letztere weder durch den blossen Umfang der Er- fahrungen, noch durch die Complicalion des Weges, auf dem solche Einleitung. 3 gewonnen werden, bedingt wird. Gänzlich untergeordnet für die Beur- theilung der wissenschaftlichen Bedeutung sind daher die äusseren Hilfsmittel der Untersuchung , die nur bezüglich des Auffindens oder der Feststellung von Thatsachen in Betracht kommen können. Je mehr die roheste Empirie — welche durch den Gebrauch der subtilsten Instru- mente nicht ausgeschlossen wird — sich als Wissenschaft darzustellen versucht, deslo noth wendiger wird es jenen Gegensatz hervorzuheben. Anders gestaltet sich die Anatomie , sobald ihr die Kenntniss von Thatsachen nur Mittel ist, die aus einer Summe solcher Kenntnisse er- schlossene Erkenntniss dagegen der Zweck. Indem sie die Thatsachen der Einzelerscheinungen unter einander vergleicht, leitet sie daraus wissenschaftliche Erfahrungen ab, und gestaltet das auf dem Wege der Induction Gefolgerte zu deductiven Schlüssen. Sie wird dadurch zur vergleichenden Anatomie. Ihr Verfahren ist synthetisch. Die Analysen der beschreibenden Anatomie (Anthropotomie wie Zoolomie) liefern ihr die Grundlage, sie schliessen sich also nicht nur nicht von der vergleichenden Anatomie aus, sondern werden recht eigentlich von ihr umfasst und wissenschaftlich durchdrungen. Je sorgfälliger die Sich- tung der Thatsachen, um so sicherer wird der Boden für die Ver- gleichung. Die Empirie ist somit die erste Voraussetzung, wie die Abstraction die zweite ist. Wie die letztere ohne die empirische Vor- aussetzung grundlos ist, so ist die Empirie an sich vom wissenschaft- lichen Gesichtspuncte aus nur eine Vorstufe zur Erkenntniss. § 3. Die Aufgabe der vergleichenden Anatomie liegt in der Erklärung der Formerscheinungen in der Organisation des Thierleibes. Die zur Lösung dieser Aufgabe dienende Methode ist die Vergleichung. Sie ist der Weg den die wissenschaftliche Untersuchung zu geben hat, und der gekannt sein muss, wenn nicht planloses Umherirren die Folge sein soll. Die vergleichende Methode sucht in Beihen von Orga- nismen die morphologischen Befunde der Organe des Körpers zu prüfen, stellt als Ergebniss die gleichartigen Verhältnisse zusammen und sondert die ungleichartigen davon ab. Dabei berücksichtigt sie Alles, was beim anatomischen Befund überhaupt in Betracht kommt: Lagerung zu andern Körpertheilen, Zahl, Umfang, Structur und Textur. Sie erhält dadurch für die einzelnen Organe Beihen von Formzuständen , in denen die Extreme bis zur Unkenntlichkeit von einander verschieden sein können, aber untereinander durch zahlreiche Mittelstufen verknüpft werden. 1* 4 Einleitung. Aus den mannichfachen Formenreihen eines und desselben Organes ergibt sich erstlich: dass der physiologische Werlh in den verschiedenen Zuständen des Organes keineswegs derselbe ist, dass ein Organ unter blosser Modifikation seines anatomischen Verhallens, sehr verschiedenen Leistungen vorstehen kann. Die ausschliessliche Berücksichtigung seiner physiologischen Leistungen wird daher die in morphologischer Beziehung zusammengehörigen Organe in verschiedene Kategorien bringen. Dar- aus resultirt die untergeordnetere Beziehung der Leistung der Organe, bei vergleichend-anatomischer Untersuchung. Der physiologische Werlh kann erst in zweiter Beihe in Betracht kommen , wenn es sich darum handelt, für die Modifikation, welche ein Organ im Zusammen- halt mit einem" anderen Zustande desselben erlitten, Beziehungen zum Gesammlorganismus herzustellen. Auf diese Weise liefert die ver- gleichende Anatomie den Nachweis für den Zusammenhang ganzer Organreihen , und innerhalb dieser Beihen treffen wir Veränderungen, die bald nur im Kleinen sich halten, bald in grösserer Ausdehnung sich darstellen ; sie betreffen den Umfang, die Zahl, die Gestalt und auch die Textur der Theile eines Organes, und können sogar zu Aenderungen der Lagerungsbeziehungen führen. Der Ueberblick über eine solche Beihe lehrt also einen Vorgang kennen, der in Veränderungen eines und desselben Organs bei verschiedenen Thieren sich ausdrückt. § 4. Das Bestehen eines gewissen Maasses von Gleichartigkeit in der Organisation innerhalb gewisser grösserer oder kleinerer Abtheilungen des Thierreiches ist von der Vererbung, als der Aeusserung der Erblichkeit ableitbar. Die Vererbung besteht in der Uebertragung der Organisation von einem Organismus auf die Nachkommenschaft des- selben. Die Nachkommen wiederholen die Organisation des älterlichen Organismus. Diese Erscheinung vermag -aus der Fortpflanzung erklärt zu werden, deren Producte aus einem quantitativ sehr verschieden sich verhallenden Theilstücke eines Organismus als neue Organismen ent- stehen. Der neue Organismus stellt also materiell die Fortsetzung des älterlichen vor, und wird demgemäss mit letzterem übereinstimmende Eigenschaften besitzen. Das Maass der Gleichartigkeit oder der Uebereinstimmung in der Organisation ist ein sehr verschiedenes. Wir erkennen Thiere die nur durch geringfügige Merkmale von einander abweichen, dann solche die durch bedeutende Unterschiede von einander getrennt sind, wiederum Einleitung. 5 andere, deren äussere oder innere Organisation die gressten Verschieden^ heilen darbietet. Und so findet sich die Uebereinstimmung wie die Ver- schiedenheil in unendlichen Abstufungen vor. Wie man einander ähn- liche, mehr oder minder gleichartig erscheinende Dinge als »verwandt« zu bezeichnen pflegt, so wird bei der gleichen Erscheinung der Organismen die gleiche Bezeichnung der gegenseitigen Beziehung, aber in des Wortes voller Bedeutung, Platz greifen dürfen. Wir erklären gleichartige Orga- nismen für mit einander verwandt, indem, wir das Gleichartige der Orga- nisation aus gemeinsamer Ererbung ableiten. Der Grad dieser Gleich- artigkeit wird aber den Grad der Verwandtschaft bestimmen müssen, die wir aus jener erschliessen. Die Verwandtschaft wird bei dem Bestehen geringerer Verschiedenheiten als eine nahe zu erkennen sein, während sie bei grösseren Unterschieden als weiter in der Ferne liegend sich darstellen wird. Wir substituiren daher dem Begriffe der Ueberein- slinmiung oder der Gleichartigkeit der Organisation den der Verwandt- schaft, indem wir die Uebereinslimmungcn in der Organisation einer Summe von Organismen als ererbte Eigenlhümlichkeiten ansehen. Auf das Gesetz der Vererbung gründet sich somit die Lehre von der Verwandtschaft der Organismen, die Abstammungslehre oder Phy- logenie. Die vergleichende Anatomie enthüllt also die innerhalb der einzelnen Abtheilungen des Thierrciches bestehenden Verwandtschafts- verhältnisse, indem sie das Gleichartige wie das Ungleichartige nachweist. [Ueber das höchst wichtige Vererbungsgesetz und seine Erschein- ungen findet sich Ausführlicheres in der scharfsinnigen Darstellung Häckels (Generelle Morphologie Bd. II. S. 170.)]. § 5. Durch die Vererbung werden dem Organismus Eigenschaften über- tragen, die derselbe im Laufe seiner individuellen Enlwickclung (0 n - togenie) nach und nach zur Entfallung bringt. Den einfachsten Or- ganismen fehlt eine solche Enlwickelung, indem die etwa durch Theilung des mütterlichen Organismus entstandenen Jungen nur der Volums- zunahme bedürfen, um dem mütterlichen Organismus gleich zu werden. Die Enlwickelung fallt also hier mit dem blossen Wachslhum zusammen, das sie vollständig deckt. Je weiter ein Organismus von einem ur- sprünglich einfachen Zustande sich entfernt hat, oder je grösser die Summe der von den Vorfahren erworbenen und auf die Nachkommen vererbten Eigenlhümlichkeiten ist, desto weniger einfach ist auch die Onlogenic, da sich während derselben mindestens ein Theil von jener 6 Einleitung. den Vorfahren erworbenen Einrichtungen wiederholt, und von» sich entwickelnden Körper in einzelnen Stadien durchlaufen wird. Die Onto- genie reprasentirt also in gewissem Grade die paläontologische Ent- wicklung in zeitlich verkürzter, d. i. zusammengezogener Weise. Die von höheren Organismen ontogenetisch durchlaufenen Stufen entsprechen Zuständen, welche bei anderen die definitive Organisation vorstellen. Jene Entwickelungszustände können also durch die Vergleichung mit ausgebildeten Zuständen niederer Organismen erklärt werden, indem man sie als von solchen (niederen Zuständen) ererbte Bildungen deutet. Von diesem Gesichtspuncle aus betrachtet erscheinen die sogenannten »Larvenzustände« mit ihren »provisorischen«, weil vergänglichen, nur auf frühere Lebensstadien beschränkten »Apparaten« als recht wich- tige und bedeutungsvolle Formen. Ausser den functionellen Beziehungen zum sie tragenden Organismus, durch welche jene Apparate als prak- tische Einrichtungen sich erhalten, d. h. vererben konnten, lassen sie solche zu niederen Zuständen erkennen, und enthüllen damit die Phy- logenie ihres Trägers. Das »Stadium larvatum« verkündigt also ganz im Gegensatze zu seiner Bezeichnung, ganz offen die verwandtschaftlichen Beziehungen. Zuweilen jedoch sind solche »Larvenorgane« nicht sowohl von Vererbung als von Anpassungen ableitbar und dadurch wird die Be- urtheilung nicht wenig erschwert. Sicherer wird die Deutung solcher Einrichtungen bei Organismen , die nicht sofort in den offenen Kampf ums Dasein treten , sondern kürzere oder längere Zeit innerhalb der Eihüllen sich entwickeln, und dadurch verändernden Einwirkungen von Aussen minder ausgesetzt sind. Kommt es in diesen Fällen zu »pro- visorischen Einrichtungen«, so sind diese mit grösserer Sicherheit als ererbte, und damit als Wiederholungen niederer Zustände bestimmbar. Die bei den Embryonen höherer Wirbelthiere auftretenden , aber nach und nach wieder verschwindenden Kiemenspalten sind solche Bildungen. Für sich betrachtet sind sie unerklärbar, denn es kommt an ihnen weder jemals zur Bildung von Kiemen, noch werden sie — die vorderste ausgenommen — zu definitiven Einrichtungen verwendet. Die Ver- gleichung zeigt uns nun bei einer grossen Abtheilung niederer Wirbel- thiere diese Kiemenspalten als wichtige Athmungsapparate , und indem wir auch solche Wirbelthiere kennen, deren Kiemenspalten nur eine Zeit- lang respiratorisch fungiren (Amphibien), um sich später zu schliessen, vermögen wir die Kiemenspalten der Reptilien, Vögel und Säugethiere als durch Vererbung von niederen Zuständen empfangene Einrich- tungen zu verstehen, die nach dem Verluste ihrer ursprünglichen Func- tion sich nur während des fötalen Lebens eine kurze Zeit erhalten. Einleitung. 7 § 6. In der Summe von Eigenschaften der Organisation, welche die Ver- erbung auf einen Organismus überträgt, finden sich dem vorhin Dar- gelegten zufolge mehr oder minder solche Einrichtungen vor, welche in den bleibenden , ausgebildeten Zustand des Organismus mit über- treten, ohne dort eine erkennbare Function zu besitzen. Diese Theile erscheinen in der Regel in mehr oder minder rückgebildetem rudimen- tären Zustande, den sie häufig erst während des Laufes der Ontogenie erwerben. In frühen Stadien der letzteren kommen sie mit den der Stammform, von der sie ererbt sind, zukommenden Einrichtungen am meisten überein. Diese rudimentären Organe treten um so früh- zeitiger die Rückbildung an , je frühzeitiger sie in palaeontologischem Sinne ererbt wurden, und schwinden in dem Maasse spät, als ihre Er- erbung eine relativ neue ist. Die ausgebildete Form der rudimentären Organe wird demgemäss für die ersteren nur bei entfernten , für die letzteren dagegen bei näheren Verwandten anzutreffen sein. Diese Or- gane bilden werthvolle Objecte, da aus ihnen selbst auf weitere Ent- fernungen hin phylogenetische Beziehungen sich nachweisen lassen. § ?• Die vergleichende Anatomie ordnet sich die Ontogenie unter, indem sie die im Laufe der individuellen Entwickelung der Thiere auftretenden Organisations-Erscheinungen nicht blos auf den vollendeten Zustand des Organismus, sondern auf definitive Einrichtungen anderer Organismen bezieht. Die vergleichende Anatomie erklärt die Erschei- nungen der Ontogenie. Wenn letztere, für sich behandelt, nicht über das Niveau einer beschreibenden Disciplin sich erhebt, und damit je nach der Genauigkeit ihrer Forschung nur den Werth von thatsäch- lichem Material besitzt , so empfängt sie durch die Verbindung mit der vergleichenden Anatomie wissenschaftliche Bedeutung. Ihre an sich un- verständlichen, oder, weil nur auf die späteren Befunde der Organisa- tion bezogen, nur in metaphysischem Sinne teleologisch erfassbaren Thatsachen, stellen sich durch die vergleichende Anatomie in Zusammen- hang mit bekannten Erscheinungen anderer Organismen und sind da- durch phylogenetisch erklärbar. Zeigt sich so für die Ontogenie die Notwendigkeit genauer Kenntniss der vergleichenden Anatomie, so kann die letztere ebensowenig der ersteren entbehren, denn aus ihr gewinnt sie Licht für die niederen Zustände der Organisation. In demselben 8 Einleitung. Maasse und auf die gleiche Art wie die Ontogenie die Phylogenie be- gründen hilft, dient sie auch zur Förderung der vergleichenden Anajomie. Man hat zuweilen der vergleichenden Anatomie eine »vergleichende Embryologie«, freilich zunächst noch als blosse Aufgabe, gegenüber- gestellt. Eine solche »vergleichende« Ontogenie wird ebenso wie jede singulare Ontogenie die Organisation der ausgebildeten Zustände mit in Betracht nehmen müssen, also ohne vergleichende Anatomie zu keinem wissenschaftlichen Ziele fuhren. § 8. Die Beziehungen jedes Organismus zu der Aussenwelt, in der er lebt, von der er Stolle entnimmt und an die er wiederum solche ab- gibt, bedingen einen Einfluss der Aussenwelt auf den Organismus. Dieser Einfluss erscheint wirksam in Veränderungen des Organismus, welche auf eine letzterem inhäiirende Veränderlichkeit rück- sch Hessen lassen. Die Veränderlichkeit tritt als Anpassungsfähigkeit auf, welche in ihrer Aeusserurig auf die ererbte Organisation modifieirend, ja umge- staltend einwirkt. Der Organismus verändert sich den Bedingungen gemäss, welche auf ihn einwirken. Die hieraus entstehenden Anpassungen sind als allmähliche, aber stetig fortschreitende Veränderungen der Organi- sation zu denken, welche während des individuellen Lebens der Or- ganismen erzielt werden, sich durch Vererbung in Generationsreihen forterhalten und auf dem Wege der natürlichen Züchtung sich weiter ausbilden. Das von den Vorfahren Erworbene wird für die Nachkommen Ererbtes. Anpassung und Vererbung erscheinen dadurch in Weehsel- äusserung, die erslere repräsentirl das umgestaltende, die letztere das conservalive Pripcip. Die unendliche Mannichfaltigkeit der Organisations- Erscheinungen ist demgemäss von Anpassungen ableitbar. Die Anpassung wird durch eine Veränderung der Leistung der Or- gane eingeleitet, so dass also die physiologische Beziehung der Organe hier die Hauptrolle spielt. Da die Anpassung nur der materielle Ausdruck jener Veränderung der Function ist, wird die Modificalion der Function ebenso wie ihre Aeusserung als ein allmählich sich vollziehender Vorgang zu denken sein. Die Anpassung wird daher in ihren Resultaten meist erst in langen Generationsreihen wahrnehmbar sein, während die Vererbung an jeder Generalion sieh kund gibt. Entzieht sich damit die Anpassung als Vorgang der dircelen Beobachtung, so ist sie nicht Einleitung. 0 minder sicher erschliessbar durch die Vergleichung. Wenn wir z. B. hei fleischfressenden Säugethiereu eine einfache M.agenbildung antreffen, bei Pflanzenfressern dagegen coinplicirtere, besonders bei jenen, die grosse Massen Futterstoffe aufnehmen, wie z. B. die Wiederkäuer, so werden wir die hier bestellende Complieation der Magcnstructur als eine durch die Nahrung bedingte Veränderung, als eine Anpassung an die Ernährungsweise beurlheilcn , und wenn uns ferner die Onlogenie bei Wiederkäuern in frühen Entwickelungsstadien eine einfache, erst allmählich in den complicirteren Zustand sich umbildende Magenform entgegentritt, so bestätigt uns die Ontogenie die aus der Ver- gleichung gewonnene Auffassung. In vielen Fällen ist der Einfluss der Anpassung auf die Organisation auch unmittelbar zu beobachten, z. B. bei manchen Amphibien erhalten sich die während des Jugendzustandes ausgebildeten Kiemen auch später in Function, wenn dem Thiere die Gelegenheit fehlt aus dem Wasser zu gelangen , und umgekehrt gehen die Kiemen bei solchen, deren nächste Verwandle im Wasser lebend stets die Kiemen behalten, eine Bückbildung ein, wenn das Thier sei- nen Aufenthalt im Wasser mit dem auf dem Lande vertauscht hat. Dort ist die Ausbildung, hier die Bückbildung eine Anpassungs-Er- scheinung. § 9- Durch die allmähliche Modifikation der Leistung eines Organes kann dasselbe so umgestaltet weiden, dass es in funclioneller Hinsicht ein neues wird , und dann einer ganz anderen physiologischen Organ- kategorie sich einreiht. Diese Thalsache ist von bedeutender Tragweile, weil sie das Auftreten neuer Organe erklären hilft, und dadurch den der Entwickejungslehre gemachten Einwand beseitigt: dass ein neues Organ doch nicht sofort in dem ganzen Umfange seiner Function er- scheinen könne, dass es also bei allmählichem Entstehen in den eisten Zuständen dem Organismus noch nicht dienen könne, und damit un- denkbar sei. Jedes Organ, für welches dieser Einwand den Schein einer Berechtigung hat, ist nachweisbar mit einer von der späteren Function verschiedenen Bedeutung aufgetreten. So ist z. B. die Lunge der Wirbel- thiere durchaus nicht als Bespirationsorgan entstanden, vielmehr hatte sie bei den durch Kiemen athmenden Fischen einen Vorläufer in der Schwimmblase, die zu der Alhmung anfänglich keine Beziehungen be- sitzt. Selbst da, wo die Lunge als Alhmungsorgan erscheint (Dipnoi^ viele Amphibien), ist sie solches noch nicht ausschliesslich, sondern )0 Einleitung. theill jene Function mit den Kiemen. Das Organ ist also hier im Sta- dium der Umwandlung zum Athmungsorgan begriffen , und verknüpft die ausschliesslich respiratorischen Lungen mit den Schwimmblasen— bildungen , die zunächst wohl in hydrostatischer Function verwendet als Ausbuchtungen des Darmrohrs hervorgingen. Die erste Function des durch Anpassung an neue Beziehungen ge- änderten Organes ist meist eine niedere, für den Organismus minder wichtige, im Vergleiche zur erlangten neuen Function, so dass das Organ damit auf eine höhere Stufe tritt. In anderen Fällen erscheint der Werth der primären Function deshalb geringer, weil er von an- deren gleichartigen Organen getheilt wird. Die Rückbildung eines Theiles gleichwerlhiger Organe erhöht also den Werth der bestehen- bleibenden, indem sie die höhere Ausbildung derselben bedingt. Allgemeiner Theil. Bau des Thicrlcibes. Von den Organen. § 10- Im lebenden Körper kommt eine Anzahl von Leistungen des ma- teriellen Substrates in Betracht, durch welche die als Leben aufgefasste Erscheinungsreihe bedingt wird. Derselben liegen chemisch -physika- lische Processe zu Grunde, die mit einer beständigen Umsetzung des Materials einhergehen und daher den Stoffwechsel hervorrufen. Der Körper ernährt sich, indem er das durch den Stoffwechsel verbrauchte Material durch von aussen her aufgenommenes Neues ersetzt, indem er dasselbe assimilirt. Die theils mit den Nahrungsstoffen aufgenommenen, theils durch den Stoffwechsel erzeugten , im Organismus nicht mehr verwendbaren Substanzen werden nach aussen entfernt. Daraus re- sultirt die excretorische Thätigkeit. Wenn die Menge des assimilirten Materials jene des ausgeschiedenen überwiegt, geschieht eine Volums- vergrösserung des Körpers, er wächst. Damit erfüllt er die erste Be- dingung zur Production desjenigen Materials , aus dem ein neuer, ihm gleichartiger Organismus hervorgeht, und eben dadurch steht mit der Ernährung auch die Fortpflanzung in engem Zusammenhange. Mit der Aussenwelt ist der Körper zunächst durch seine Oberfläche in Verbindung. Sie vermittelt ihm die Beziehungen zum umgebenden Medium. Formveränderungen der Oberfläche erscheinen als Bewegungen und lassen die Locomotion entstehen. Und ebenso vermittelt die Ober- fläche Wahrnehmungen der Aussenwelt, Empfindungen. Die jenen Vorgängen vorstehenden Theile des Körpers sind die Werkzeuge der Lebensäusserung , Organe. Der Körper wird durch sie zum Organismus, und wenn wir auch solche Körper als Orga- nismen bezeichnen an denen keine Organe im einzelnen gesondert be- stehen, so geschieht es, weil da die virtuelle Existenz von Organen durch die thatsächlichen Lebensäusserungen vorauszusetzen ist. Der Begriff Organismus wird also hier nicht im anatomischen , sondern im physiologischen Sinne gebraucht. Im einfachsten Zustande des Organismus sind die Lebens-Erschei- nungen an die den Körper darstellende gleichartige Substanz geknüpft, welche gleiehmässig alle jene Einzelvorgänge vermittelt. Der Körper repräsentirl daher nur potentia eine Summe von Organen, die erst auf- \ 4 Bau des Thierleibes. treten , wenn die Einzelverrichtung nicht mehr von jedem Theile des Körpers besorgt wird. Das Verhalten, welches in jener Beziehung die einfacheren Organismen dauernd zeigen, besitzen complicirlere nur vor- übergehend. Die Complication des Organismus entsteht durch einen Sonderungsvorgang der die physiologischen Leistungen des ursprünglich gleichartigen Körpers auf einzelne Theile Überträgt. Die Leistung wird dann entweder von einer grösseren Zahl discreter, aber unter sich gleich- artiger Theile vollzogen, oder die Einzeltheile gestallen sich unter sich un- gleichartig. Im ersten Falle ist die Theilung der Arbeit eine quan- titative, im letzteren wird sie qualitativ, und die Sonderung der Einzeltheile entspricht auch einer Verschiedenartigkeit der Verrichtung. Je nach dem Grade, in welchem sich die zuerst am indifferenten Körper auftretende Sonderung oder Arbeitstheilung an den Organen wiederholt, entstehen fernere Complicationen , die ein stufenweises Weiterschreiten erkennen lassen. Daraus leitet sich ein verschiedener Werth der Organe ab, und es wird nothwendig an letzteren höhere und niedere Zustände zu unterscheiden. Die aus dem ersten indifferenten Zustande des Kör- pers hervorgehenden Organe können als Elementarorgane unter- schieden werden. Es sind Organe niederer Ordnung jenen gegen- über, die sich aus ihnen weiter hervorbilden und zusammensetzen, und die als Organe höherer Ordnung aufzufassen sind. Elementarorgane (Piastiden Häckel). Von der Zelle. § H. Die lebende Materie erscheint in ihrer einfachsten Form als eine eiweisshaltige, als Plasma oder Protoplasma bezeichnete Substanz, die mit unseren gegenwärtigen optischen Hilfsmitteln sich durchaus gleichartig darstellt. Diese Materie tritt in Gestalt kleiner Klümpchen auf. In solchem Zustande treffen wir die einfachsten Organismen. Wäh- rend bei der gleichartigen Beschaffenheit des Protoplasma , in welchem höchstens noch Körnchen als nicht assimilirte Theile bemerkbar sind, für jene einfachsten Formen eine Abgrenzung nach aussen durch gesonderte Hüllbildungen nicht besteht, kommt auf einer weiteren Stufe eine Um- hüllung zu Stande, die aus einer chemisch-physikalischen Veränderung der äussersten Schichte hervorgeht. Dadurch wird das mit allen Lebens- erscheinungen und somit auch mit Bewegung ausgestattete Protoplasma von einer mehr oder minder starren Hülle umschlossen , welche die Veränderlichkeit der Gestalt aufhebt, und eine bestimmte Form bedingt. Solche Gebilde können auch in die Zusammensetzung von Organismen eingehen , wie dies bei vielen niederen Pflanzen der Fall ist. Form- Von der Zelle. 1 5 demente dieser Art sind von Häckel als Cytoden bezeichnet, und da- durch von einer andern, weiter gesonderten Abtheilung mit Recht unter- schieden worden. Bei dieser tritt im Protoplasma ein scharf abgegrenztes festeres Ge- bilde auf, das man als Kern (Nucleus) bezeichnet. Es ist das Product des ersten Sonderungsvorganges des Protoplasma. Im Kern erscheint in der Regel ein kleines Körperchen (Nucleolus). Im Gegensatze zum Protoplasma ist der Kern nicht contractu, theilt übrigens nicht nur die meisten Lebenserscheinungen des ihn umgebenden Protoplasma, sondern gibt sich auch häufig als Regulator derselben zu erkennen, indem er viele Erscheinungen einleitet. Solche mit einem »Kerne« versehene Protoplasmaklümpchen nennt man Zellen (Cellulae). Auch diese Ge- bilde können in diesem Zustande selbständige Organismen vorstellen, die man als »einzellige« bezeichnet. Indem die Zellen durch Ver- mehrung Complexe bilden, gehen mehrzellige Organismen hervor. Deren kleinste nicht weiter mehr in gleichartige Gebilde zerlegbare Theile sind Zellen, die daher als Formelemente jener Organismen erscheinen. Dasselbe gilt auch von dem einfacheren Zustande, den Cytoden. Wäh- rend diese aber ein beschränkteres Vorkommen besitzen, finden wir die Zellen in grösserer Verbreitung im Pflanzenreiche , und als die aus- schliesslichen Formelemente im Thierreiche. § <«• Im indifferenten Zustande, d. i. so lange noch nicht zum Aufbau von bestimmten neuen Bildungen Veränderungen in bestimmter Rich- tung vor sich gingen, erscheinen die Zellen aller thierischen Organismen von wesentlich gleicher Beschaffenheit. Wir unterscheiden an ihnen erstlich das die Hauptmasse des Körpers der Zelle darstellende Proto- plasma, und zweitens das vom Protoplasma umgebene, von ihm differente, meist festere Gebilde, den Zellenkern. Die Theilnahme des letzteren an mannichfachen Lebenserscheinungen der Zelle lässt ihn für einen keineswegs untergeordneten Theil des Zellenkörpers ansehen. Zu die- sen Theilen der Zelle hat man — früher allgemein — noch eine Mem- bran gerechnet, welche vom Protoplasma als dem »Zelleninhalte«, ver- schieden, dasselbe umhüllen sollte, und daraus ist die Vorstellung von der »Bläschenform« der Zelle entstanden. Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kann, dass bei vielen Zellen vom Protoplasma differirende Umhüllungen vorkommen, so treffen diese Zustände sich doch niemals im frühesten Leben der Zelle, son- dern sind immer das Resultat einer vorgeschrittenen Umwandlung und eines Ueberganges der Zelle in die differente Form. Von den Lebensäusserungen der Zellen sind automatische Be- wegungserscheinungen des Protoplasma der Zelle so verbreitet, dass sie sich immer bestimmter als eine Eigenschaft aller nicht weiter 16 Elemcntarorgane. differenzirlen, somit bezüglich ihres Protoplasma metamorphosirlen Zellen herausstellen. An freien, nicht von starren Membranen umschlossenen Zellen bewirkt die Erscheinung eine Ortsveränderung der Zelle. Auch an nicht freien Zellen kann die Bewegung beobachtet werden, theils in einem Gestaltwechsel der Oberfläche , theils an der Lageveränderung im Protoplasma befindlicher fester Körnchen. Dass dem Protoplasma auch Eigenschaften innewohnen, die wir auf Empfindung deuten können, geht aus vielen Versuchen und Beobachtungen, wie z. B. der in nicht seltenen Fällen nachweisbaren Reaclion gegen Reize hervor. Ferner beobachten wir an der Zelle die Ernährung, zuweilen sogar eine sichtbare Aufnahme von Stoffen ins Protoplasma , und als Ausdruck der Ernährung gibt sich das Wachsthum der Zelle kund. Diese allen noch indifferenten Zellen gemeinsame Erscheinung spricht sich in der Vergrösserung des Protoplasmakörpers durch Assimilirung von aussen her aufgenommener Stoffe aus. Das Wachsthum kann ein gleichmässiges für die ganze Zelle sein , indem diese sich nach allen Axenrichtungen vergrössert, und so trifft es sich regelmässig in den Jusendzuständen der Zelle und lässt während dieser Zeit die Gestalt der Zelle, wo nicht Bewegungserscheinungen oder äussere Einwirkungen sie modificiren , unverändert in der sphärischen Form fortbestehen. Andernfalls ist es ungleichmässig und wird dann bei der Vergrösserung in der Richtung Einer Axe längliche oder bei der Vergrösserung in der Richtung mehrerer Axen sternförmige Bildungen hervorbringen. Solche ungleichmässige Wachsthumsverhältnisse sind in der Regel von Diffe- renzirungen der Zelle begleitet, sie leiten daher zum Uebergang der Zelle in Gewebe. Das Wachsthum der Zelle bereitet eine andere Erscheinung vor, nämlich die der Forlpflanzung, und ist mit ihr unzertrennlich verbunden, denn die Vermehrung ist nur ein über das Individuum hinausgehendes Wachsthum. Die Vermehrung der Zellen kann auf mehrfache Art vor sich gehen. Indem der Zellenleib einseitig auswächst, bildet sich eine Sprosse, die durch allmähliche Volumzunahme und Ablösung vom Mutterkörper zu einer neuen , freien Zelle wird. In der Zahl der an einer Zelle hervorsprossenden jungen Zellen kann die Erscheinung va- riabel sein, und nach dem Verhalten des Kernes der Mutterzelle Modifi- cationen aufweisen. Diese Vermehrung durch Sprossenbildung gehl ohne scharfe Grenze in die am meisten verbreitete Art der Vermehrung, nämlich jene durch T h eilung über. Während bei der Sprossung das Charakteristische darin liegt, d;iss die sich bildende Zelle bei ihrem ersten Erscheinen bezüglich des Volums in einem Gegensalze zur Muller- zelle steht, der bei frühzeitiger Ablösung des Sprösslings gar nicht, bei späterer Trennung allmählich ausgeglichen wird, so sind die Producte Von der Zelle. 17 der Theilung nahebei oder vollständig einander gleich , so dass das Fehlen einer ausgesprochenen Volumsdifferenz keinen Unterschied zwi- schen beiden gestattet. Es ist klar, dass in demselben Maasse als die Grösseverschiedenheit zwischen beiden Vermehrungsproducten zunimmt, die Theilung der Sprossenbildung näher rückt, und dadurch wird die ganze Verschiedenheit zwischen Zeilentheilung und Sprossung von der Menge des Protoplasma bedingt, welches von einer Zelle in eine andere aus dieser entstehende übergenommen wird. Der Unterschied tritt da- durch mehr auf die quantitative Seite. Die Theilung wird durch eine Theilung des Kernes eingeleitet, und in der Regel kann constatirt wer- den , dass die einzelnen Phasen der Kernlheilung den entsprechenden Theilungsstadien der Zelle vorangehen. In manchen Fällen jedoch scheint eine Neubildung des Kernes zu bestehen. Ausser der Vermehrung durch Theilung oder durch Sprossenbildung ist keine Fortptlanzungsform der thierischen Zelle mit Sicherheit be- obachtet, und ein grosser Theil der aufgestellten Arten der Zellver- mehrung, wie die sogenannte endogene Zellbildung u. s. w. ist von der Theilung ableitbar. — Was die freie oder spontane Zellbildung betrifft, so ist wohl soviel gewiss, dass ihre Verbreitung nicht in dem früher angenommenen Maasse vorkommt. Verbindet sich mit dem Wachsthum der Zelle eine Vermehrung des Kernes, ohne dass eine Sonderung des Protoplasma in einzelne den Kernen entsprechende Parthieen erfolgt, so kann das so entstandene Gebilde nicht als einzelne Zelle mehr aufgefasst werden. Es ist aber auch kein Complex von Zellen, da ein solcher die Existenz einer Mehr- zahl discreter Zellen voraussetzen würde. Häckel hat daher diesen Zustand mit Recht als einen besonderen unterschieden und als Syncy- tium bezeichnet. Derartige Gebilde kommen fast in allen Abtheilungen der Thiere vor. Dasselbe Resultat wird erreicht durch die Concrescenz einer Anzahl von discreten Zellen , indem sie ihr Protoplasma in eine continuirliche Masse zusammentreten lassen, welche dann gleichfalls eine Anzahl von Kernen umschliesst. Während das Protoplasma in der aufgeführten Erscheinungsreihe keine wahrnehmbaren constilulionellen Aenderungen erleidet , spricht sich durch eine andere Erscheinung eine Aenderung im Protoplasma aus, indem es in seiner chemischen Constitution enthaltene Stoffe ab- scheidet. Dieser Process der Abscheidung bietet verschiedene Ver- hältnisse dar. Einmal findet der Sonderungsvorgang im Innern des Proloplasmakörpers selbst statt, dann treten im Innern der Zelle der chemisch-physikalischen Beschaffenheit des Protoplasma fremde Theile auf. Sie können der mannichfaltigsten Art sein, z. B. Fett, Farb- stoffe etc., auch in verschiedener Form, als Körnchen, Tröpfchen, Kry- stalle etc. vorkommen. In einem andern Falle geht diese Sonderung auf der Oberfläche des Protoplasma vor sich. Hier erscheint sie ent- weder in flüssiger Form, wobei die Conlinuität mit dem Protoplasma Gegenbaur, Grundriss. 2 \ 8 Elementarorgane. verloren geht, oder sie findet in fester Form statt, und dann bleibt der Zusammenhang mit dem übrigen unveränderten Protoplasma mehr oder minder innig fortbestehen. Durch chemisch-physikalische Veränderungen entweder der ganzen Oberfläche des Protoplasma einer Zelle oder auch nur eines Theiles derselben entstehen vom übrigen Protoplasma ver- schiedene, differente Substanzen. Wir haben also hier Umwandlungen des Protoplasma vor uns , die man als Sonderungen , Differenzirungen, Abscheidungen des Protoplasma bezeichnet. Bei gleichartiger Bildung an der Peripherie der Zelle geht daraus das bereits oben als Zellmem- bran bezeichnete Gebilde hervor. Derselbe Vorgang führt aber auch zur Herstellung anderer Einrichtungen , die wir unten näher ins Auge fassen müssen. Die Beihe von Lebensvorgängen, welche an einer Zelle sich äussern können, stimmen im Wesentlichen mit denen aller übrigen Organismen überein. Virtuell erscheint also auch die Zelle als Organismus. (Ele- mentarorganismus; Brücke). Von den GeAveben. Die Zelle stellt bei den von uns als Thiere betrachteten Organis- men nur vorübergehend den gesammten Organismus vor, nämlich als Eizelle, die von den anderen in keinem wesentlichen Puncte sich unterscheidet. Diese Thatsache, dass mehrzellige Organismen aus einem einzelligen hervorgehen, lässt beide mit einander verknüpfen, indem sie zugleich darauf hinweist, dass die einzellige Form für die andere den Ausgangspunct bildete. Aus der Eizelle geht durch Theilung ein Mul- tiplum von Zellen hervor, welche die Anlage des Thierleibes bilden. Diese besitzen nur in einem frühen Stadium der Entwickelung des Organismus Gleichartigkeit, und alle jene Eigenschaften, welche als für den Begriff der Zelle von Bedeutung hervorgehoben wurden. In spä- teren Zuständen bleibt nur ein Theil des von der Eizelle stammenden Materiales den primitiven Verhältnissen der Zelle nahe, während die Mehrzahl der Zellen sowohl formell und materiell, als auch demgemäss in den functionellen Aeusserungen sich ändert, und durchaus neue Verhältnisse eingeht. Die neuen aus Aggregaten von gleichartig umgewandelten Zellen und ihren Derivaten gebildeten Gomplexe stellen die Gewebe vor. Der Entstehungsvorgang derselben beruht auf einem Verschiedenwerden, einer Diff erenzirung. Da jedem difl'erent gewordenen Zellenaggre- gale eine bestimmte, für den Organismus zu leistende Verrichtung zu- kommt, die vorher, beim Zustande der Indifferenz der Zellen, nicht an räumlich abgegränzte Theile geknüpft war, in dem frühesten Zustande des individuellen Organismus sogar nur durch Eine Zelle (Eizelle) be- Von den Geweben. Epithelien. 19 sorgt ward; so ist die Differenzirung eine T Heilung der physio- logischen Arbeit. Mit der anatomischen Complication treten neue Leistungen auf, es spalten sich die Functionen, indem die bei jeder Hauptleistung thätigen Einzelkräfte von besonderen, vorzugsweise oder auch ausschliesslich dazu umgebildeten Theilen geäussert werden. In allen Fällen geht die gewebliche Differenzirung aus dem Proto- plasma der primitiven Zelle vor sich. Weniger auffallend ist der Kern betheiligt, obschon auch an ihm häufig Veränderungen wahrnehmbar sind. § 15. Die Gewebe zerfallen nach dem Verhalten der Zellen in mehrere grössere Abtheilungen, die ich als Epithelgewebe, Gewebe der Binde Substanz, Muskel- und Nervengewebe aufführe. Die beiden ersteren bilden eine niedere Abtheilung, die man als vegeta- tive Gewebe von den beiden anderen animalen Geweben unter- scheiden kann. Der Unterschied beider Gruppen liegt in der Art der Differenzirung, indem die Differenzirungsproducte der ersten sich mehr passiv zum Organismus verhalten, indess die der andern in die Aeusse- rung der Lebenserscheinungen des Organismus selbstthätig eingreifen. Die vegetative Gewebsgruppe oder ihr analoge Gewebe finden ausser- dem ihre grösste Verbreitung im Pflanzenreiche, indess die animale in letzterem fehlt und die für die Thiere charakteristischen Einrichtungen liefert. Alle anderen sonst noch unterschiedenen Gewebe sind entweder gar keine selbständigen Gewebe, sondern viel zusammengesetztere, aus Theilen verschiedener Gewebe bestehende Bildungen, oder es sind den einzelnen oben aufgeführten Kategorien unterzuordnende Gewebsformen oder sogar blosse Bestandteile von solchen. Bei der Herbeiziehung aus mehreren Geweben bestehender Gebilde, als »zusammengesetzte Ge- webe« u. dergl. löst sich der Begriff des Gewebes auf. Epithelien. § *6. Aneinandergelagerte Zellen, die in einfacher oder- mehrfacher Schich- tung Oberflächen des Körpers bedecken, werden als »Epithelien« be- zeichnet. Das Epithelge webe besteht somit einfach aus Zellen. Es ist dadurch von anderen unterschieden, dass bei ihm die Zelle ihre ur- sprünglichen Verhältnisse wenigstens in Bezug auf die Anlagerung bei- behält, und dass es sowohl die Ueberzüge der äusseren Körperoberfläche bildet, wie auch die Auskleidung der Binnenräume des Leibes. Die Form der Epithelzellen ist sehr mannichfaltig und bietet Anhaltepuncte zur Unterscheidung vielartiger Büdingen. Zj ~ o 20 Elementarorgane. Das Protoplasma der Epithelzellen ist sehr häufig nicht mehr gleich- artig, sondern ist durch membranartige Verdichtung seiner äussersten Schichte eine Differenzirung eingegangen. Diese zeigt sich an mehr- schichtigen Epithelien . vorwiegend in den oberflächlicheren Lagen, indess in den tieferen die Membranlosigkeit der Zellen auf einen jüngeren Zu- stand hinweist. Eine andere Differenzirung besteht darin, dass die oberflächliche Schichte der Epithelzellen an der nach aussen oder gegen einen Binnenraum des Körpers gewendeten Fläche feine, bewegliche Fort- sätze entwickelt, welche, während des Lebens der Zelle in Schwin- gungen begriffen, als Wimperhaare, Cilien , bezeichnet worden sind. Die Haare an diesen Flimmer- oder Wimperz eilen finden sich bald einzeln, bald zu vielen beisammen, und entsprechen einer Diffe- renzirung, da jene Bewegung nicht einfach von der bereits am Proto- plasma bestehenden Conlractililät geleistet wird. Indem bei niederen Organismen Wimperhaare vorübergehend sich bilden, um alsbald wie- der eingezogen zu werden, und ihre Substanz mit dem Protoplasma zu verschmelzen, geben sie sich als Differenzirungen aus dem Protoplasma kund, und lassen ihre Bewegungserscheinungen aus einer mit den Bewe- gungen des Protoplasma gemeinsamen Quelle geflossen erkennen. Für die differenzirteren Formen der Wimperhaare hat die Nachweisbarkeit dieser Identität aufgehört, sie sind dem Protoplasma nicht mehr assimilirbar. An den gleichen Flächen zeigen manche Epithelien noch eine an- dere Differenzirung. Wie die Membranbildung als eine in der gesammten Peripherie der Zelle zu Stande kommende Veränderung der oberfläch- lichen Protoplasmaschichte sich darstellt, so kann derselbe Vorgang, auf einen bestimmten Theil der Zelloberfläche beschränkt, aber intensiver entwickelt, zur Bildung einer partiellen Verdichtung der äussersten Pro- toplasmaschichte führen. An der nach aussen gekehrten Fläche jeder Zelle befindet sich dann eine verschieden dicke Lage einer vom Proto- plasma diflerenten Substanz, die aber meist ohne scharfe Grenze mit demselben zusammenhängt. Wenn die aus dem Protoplasma der Zellen in einer Schichte ab- geschiedene Substanz sich noch weiter differenzirt , so dass der von jeder Zelle gelieferte Anlheil mit dem der benachbarten inniger zu- sammenhängt als mit der Zelle selbst, so entstehen daraus homogene Membranen, Cuticulae. Sie werden eine Schichtung erkennen lassen, wenn ihre Absetzung eine ungleichmässige ist, und wenn allmählich noch weitere Veränderungen in ihnen stattfinden , so dass jeder neue Ansatz sich so von dem vorhergegangenen unterscheiden lässt. Je ver- schiedener der diese Cuticularbildungen zusammensetzende Stoff vom Protoplasma der Zellen ist, die ihn abgesetzt haben, um so weniger wird man ein unmittelbares Eingehen des Protoplasma in ihn annehmen können , und die Culicularbildung stellt sich damit um so schärfer in die Reihe der Abscheidungen. Gehl die Culicularbildung nicht gleich- massig an der Oberfliiche der einzelnen Zellen vor sich, so werden Epithelien. 21 von der absondernden Zellschichte Protoplasmafprtsätze in die abge- sonderte Schichte einragen, welche von entsprechenden C analen (Po- rencanälen) durchsetzt wird. § *7. Die absondernde Thäligkeit der Zellen ausgedehnter Epithelschichten kann auch trbpfbarflüssige oder selbst gasförmige Stolle liefern. Damit treten die Epithelien in andere Beziehungen zum Haushalte des Orga- nismus, sie liefern nicht mehr zum Aufbaue des Organismus verwen- dete Substanzen, und dadurch wird zugleich der Uebergang zu jenem Zustande der Epithelialbildungen vermittelt, in welchem Theile von Epi- thelien als ein in bestimmter Richtung fungirendes Gewebe auftreten, welches man als Drüsengewebe bezeichnet. Da zwischen den zu Absonderungsorganen , Drüsen , verwendeten Zellencomplexen und den Epithelien, immer ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben ist, der entweder beständig dauert, wie dies für die Mehrzahl der Drüsen gilt, oder doch für die Anlage der Drüse vorhanden ist, so stellt das Drüsen- gewebe nur eine durch Differen zirung entstandene Modifi- cation des Ep ilhelia Ige webe s vor, und besieht wie dieses stets aus Zellen. Die Summe der zu einer Drüse verwendeten Epithelzellen ist sehr variabel. In einer Epithellage können einzelne Zellen, von den benachbarten ausgezeichnet, als Drüsenzellen fungiren, indem sie einen Stoff bilden und absondern, der von den anderen nicht geliefert wird. Daraus entstehen die einzelligen Drüsen. Vergrössert sich die ab- sondernde Oberfläche, ohne dass das gesammte Epithel der Fläche dabei betheiligt ist, so geschieht das durch Wucherungen des Epithels unter die von ihm eingenommene Fläche, und so entstehen räumlich vom Epi- thel mehr oder minder sich entfernende Bildungen, Grübchen, Säckchen, Blindschläuche, die durch neue Wucherungen sich wieder compliciren können. Das der ursprünglichen Epithelschichte unterliegende Gewebe bildet, jenen Wucherungen folgend, Umhüllungen für dieselben, verhält sich aber dabei, wie complicirt auch Verästelungen und dergl. jene vom Epithel ausgehenden Wucherungen gestalten mögen, in demselben Sinne, wie vorher zur ebenen Epithelschichte. Die Drüse erscheint also in der einfachsten Form als eine Ein- senkung des Epithels in das unter diesem liegende Gewebe. Bei den ausgeprägteren Drüsenformen tritt an den in die Drüsenbildung einge- gangenen Zellen eine fernere Differenzirung ein. Dieselben scheiden sich in solche, welche secerniren, somit eigentliche Drüsenzellen vor- stellen, und in solche, welche den secernirenden Theil der Drüse mit der indifferent bleibenden Epithelschichte verbinden, und im Gegen- salze zum secernirenden Abschnitte der Drüse, Epithelien der Aus- führgänge vorstellen. Das von den Driisenzcllen Gelieferte Secrel steht zu ersteren in 22 Elementarorgane. sehr verschiedenen Beziehungen. Es kann entweder im Innern der Zelle bleiben, und wird nur mit Zugrundegehen der Zelle in den Binnenraum der Drüse entleert, oder es wird von den Zellen ins Lumen der Drüse abgeschieden, ohne dass ein Bersten der Zellen dabei statthat. Im ersten Falle sind die Secrete entweder in Form von festen Goncrementcn oder in Gestalt von Körnchen und Tröpfchen in der Zelle aufgetreten. Bindesubstanzen. § 18. Die beim Epithelialgewebc zur Bildung homogener Membranen füh- rende Erscheinung kann durch die Ausdehnung über die ganze Peri- pherie je einer Zelle, sowie durch fortgesetzte Wiederholung zu grösserer Bedeutung gelangen. Indem die von dem Protoplasma einer Summe von Zellen different gewordene Substanz zwischen den mit unverändertem Protoplasma versehenen Zellen allmählich sich vermehrt, werden die Zellen von einander geschieden , und es bildet sich ein Gegensatz aus zwischen der Zelle, dem Bildenden, und der Inte reell ula r Sub- stanz, dem Gebildeten. Eine Anzahl im Grossen sehr verschiedener Gewebe zeigt jenes Gemeinsame im feineren Baue. Man bezeichnet sie mit dem Namen der Bindesubstanzen, da die Mehrzahl ihrer For- men zur Verbindung anderer Gewebe zu Organen oder Organsystemen, verwendet wird. Die Verschiedenheiten der hierhergehörigen Gewebe gehen theils aus dem Verhalten der Zellen an sich, theils aus ihrem Verhältnisse zu der Intercellularsubstanz , theils aus der chemisch-physikalischen Con- stitution der Incellularsubstanz hervor, sind aber nicht überall gleich scharf ausgeprägt. Der letztere, räumliche Uebergänge der einen Gewebs- form in die andere erkennen lassende Umstand, sowie die Thatsache, dass auch zeitlich solche Uebergänge stattfinden, bilden einen wich- tigem Anlass zur Vereinigung als das durch mann ichfache Verschieden- heiten wieder aufgewogene Gemeinsame des Baues. Die einzelnen hie- her gehörigen Gewebe sind: I) zelliges Bindegewebe, f.) GaUertgewebe, 3) faseriges Bindegewebe, 4) Knorpelgewebe, 5) Knochengewebe. Das Bindegewebe ist in folgende Unterabtheilungen zu sondern. I) Das zellige Bindegewebe (blasiges Bindegewebe nach Leydig) stellt die einfachste Form \or. Es wird aus rundliehen oder länglichen Zellen gebildet, die nur durch spärliche Intercellularsubstanz geschieden sind. Die letztere erscheint häufig m Form von Zellmem- branen, welche die auseinanderliegenden Zellen sich unter sich verbinden lassen, indem .sie benachbarten Zellen gemeinsam sind. In anderen Bindesubstanzen. 23 Fallen ist sie Wieder reichlicher vorhanden, ohne dass sie gegen die Zellen vorherrscht. Die Differenzirung des Protoplasma von der Inter- cellularsubstanz zeigt sich auf verschiedenen Stufen. In grösserer Ver- breitung findet sich dieses Gewebe bei Gliederthieren und Mollusken. Bei Wirbelthieren setzt es die Chorda dorsalis zusammen. 2) Das Gallertgewebe (Schleimgewebe) zeichnet sich durch die weiche, gallertige Beschaffenheit der Intercellularsubstanz aus, die meist glasartig durchscheinend sich darstellt. In der letztern liegen bald rund- liche von einander völlig getrennte, bald spindelförmige oder verästelte Zellen, welche häufig mit ihren Fortsätzen mit einander vereinigt sind. Auch Stränge von Zellen kommen vor. So kommt ein feines, die Gal- lerte durchziehendes Netzwerk zu Stande, dessen Bälkchen in weiterer Differenzirung fester werden und sogar in feine Fasern zerfallen können. Auch an der Intercellularsubstanz tritt zuweilen eine solche Sonde- rung auf. 3) Faseriges Bindegewebe stellt eine weitere Entwickelungs- stufe der vorhergehenden Gewebsform vor. Die Formelemente erschei- nen als längliche oder verästelte Zellen, die in eine aus Faserzügen und Bündeln bestehende Intercellularsubstanz eingebettet sind. Letztere ist zum grossen Theil aus einer Sonderung von Seite der Zellen entstanden, wie aus der Entwickelung des Gewebes hervorgeht. Auf dieselbe Weise ist auch zu ersehen, dass ein Theil des Forlsätze aussendenden Proto- plasma sich unmittelbar in Fibrillen und Faserbündel differenzirt, die wieder von der früher gebildeten mehr oder minder homogenen Inter- cellularsubstanz sich gesondert zeigen. Die Faserung der Intercellular- substanz zeigt sowohl bezüglich der Dicke ihrer Gebilde als auch der Verlaufsrichtung viele Verschiedenheiten. Die Anordnung der meist wellig gebogenen Fasern ist bald parallel, bald netzförmig, und dem entspricht in den früheren Zuständen die Lagerung der Zellen und ihrer Ausläufer. Nach »der Beschaffenheit der Intercellularsubstanz unterscheidet man lockeres und straffes Bindegewebe, letzteres wird auch als »Sehnen- gewebe« bezeichnet, wenn die Faserzüge dabei eine parallele Anordnung darbieten. Ausser der Differenzirung in Fibrillen, die bei Behandlung mit Säuren und Alkalien aufquellen , zeigt sich in der Intercellular- substanz des faserigen Bindegewebes noch eine andere Faserform, welche gegen jene Agentien grösseren Widerstand leistet, und wegen ihrer elasti- schen Eigenschaft als »elastisches Gewebe« bezeichnet wird. Das- selbe ist wegen seiner Beziehung zur Intercellularsubstanz keine selb- ständige Gewebsform, sondern nur eine Modilication des Bindegewebes. Da, wie oben bemerkt, ein Theil der Intercellularsubstanz durch spätere Differenzirung des Protoplasma der Zellen entsteht, so stellen die im ausgebildeten Bindegewebe vorhandenen Formelemenle nur die Reste der ursprünglichen Zellen vor. Je nach der Menge des ver- brauchten , in Fasergebilde übergeführten und damit der Intercellular- 24 Elementarorgane. Substanz einverleibten Protoplasma ist der Kern der Bindegewebszellen von verschieden grossen Mengen Protoplasma umgeben, oder es ist alles Protoplasma verschwunden, wie aus dem Vorkommen blosser Kerne in den Faserzügen von Bindegewebe hervorgeht. Wo noch Protoplasma sich sammt dem bezüglichen Kerne forterhält, wo also noch eine Zelle nach dein oben aufgestellten Begriffe vorhanden ist, kann diese wieder neue Veränderungen eingehen, die so vielartig sind, dass das Binde- gewebe dadurch sich zu dem an Did'erenzirungserseheinungen reichsten Gewebe gestaltet. § 20. 4) Knorpelgewebe wird durch Zellen charaklerisirt, die in eine festere Interccllularsubslanz sich einlagern. Die Zellen besitzen nur in selteneren Fällen Ausläufer, in der Bcgel weichen sie von der runden Grundform wenig ab, oder sind oval oder spindelförmig verlängert. Die Interccllularsubslanz ist in verschiedener Menge vorhanden. Ihre grössere Bigidilät gibt einen Unterschied von jenen Formen des Bindegewebes, die gleichfalls einfache Formelemente bei gleichartiger Interccllularsub- slanz besitzen. Durch jenes Verhallen ist das Knorpelgewebe geeignet, als Stützapparat zu fungiren. Bei sehr spärlich vorhandener Interccllular- subslanz sind die Zellen vorherrschend, und erslerc erscheint dann in Form von dünnen Membranen, woraus sich ein unmittelbarer Anschluss an das blasige Bindegewebe ergibt. Nimmt die Intercellularsubstanz zu, so ist sie entweder gleichartig (hyaliner Knorpel), oder sie ging ganz nach Art des Bindegewebes, fernere DüFercnzii ungen ein , die aber das Vcrhällniss zu den Zellen wenig berühren. Ein Zerfallen der Intercellularsubstanz in Fasern liefert den Faserknorpel, das Auftreten elastischer Netze in derselben lässt elastischen Knorpel hervorgehen. Durch allmähliche Umänderun- gen der Interccllularsubslanz sowie der Zellen geht das Knorf>eIge\\ ebe in faseriges Bindegewebe über und deutet so auf eine engere Zusammen- gehörigkeit dieser Formen hin. Auch die Zellen bieten in einzelnen Fällen bedeutendere Modifikationen, indem sie verlängert sind, oder sternförmige Ausläufer zeigen, welche mit benachbarten zusammenhängen (z. B. bei manchen Selachiern oder, noch reicher entfaltet, bei manchen Gepha- lopoden). Die Intercellularsubstanz des Knorpelgewebes ist immer von dem Protoplasma der in ihren Höhlungen liegenden Knorpelzellen unter- schieden. Nichts destoweniger ist die letztere als ein Abscheidun^s- produet der Zellen anzusehen, welches eben durch Sonderung aus dem Protoplasma hervorging. Nicht sollen zeigt sich am hyalinen Knorpel die von einer Zelle abgesonderte und mit dieser Differenzirune ausser- halb des Organismus der Zelle liegende, somit intercelluläre Substanz in Form einer die Zelle kapselartig umgebenden Schichte, die man früher Bindesubstanzen. 25 4 als eine zur Zolle gehörige Zellmembran ansah. Indem für ganze, aus Theilung Einer Zelle entstandene, mehrfache Generationen vorstellende Gruppen von Zellen häufig solche »Kapseln« nachweisbar sind, hat man darin Mutter- und Tochterzellen etc. erblickt, und die Erscheinung als endogene Zellbildung gedeutet. In der That sind jene »Kapselsysteme« nur der Ausdruck von nicht homogenisirten Abscheidungen mehrfacher, aus einander hervorgegangenen Zellcngenerationcn. Der ganz allmäh- liche Uebergang von Knorpelgewebe, welches solche Kapseln erkennen lasst, in Gewebe mit völlig homogener Inlercellularsubslanz lehrt, dass wir es hier nur mit verschiedenen DifTerenzirungszuständen einer und derselben abgesonderten Substanz zu thun haben, bei der der erste Zustand durch eine in zeitlichen Intervallen erfolgte, der zweite durch eine gleichmässig ablaufende Abscheidungsthätigkeit der Zelle entstand. In der chemischen Beschaffenheit des Knorpelgewebes scheinen sehr differente Verhältnisse obzuwalten, und wenn man auch, z. B. für den Knorpel der Wirbellhiere »Cbondrin« als das Constiluens der Inler- cellularsubslanz aufstellen könnte, so entfernen sich die Inlercellularsub- slanzen anderer Knorpel weiter davon und nähern sich mehr dem »Chitin«. § 21. 5) Knochengewebe. Diese festeste Form der Bindesubstanzen besteht aus einer mit Kalksalzen verbundenen organischen Inlercellular- subslanz , in welcher Zellen mit anastomosirenden feinen Ausläufern vorhanden sind, oder sie wird durch eine feste, der vorigen gleiche Grundsubstanz dargestellt, in welcher keine ganzen Zellen, sondern nur deren Ausläufer vorkommen, die sie in Gestalt feiner Canälchen durch- ziehen. Es sind demnach zwei Formzusbände des Knochen- gewebes auseinander zu halten. In die Zusammensetzung des einen gehen Zellen ein, die bei dem andern nur feine Fortsätze in die Poren- canäle der festen Grundsubstanz aussenden. Das Gewebe mit Knochenzellen ist das verbreiteiste; es findet sich in den Skeletbildungen aller Wirbelthierk lassen, während das Knochen- gewebe mit blossen Canälchen im Skelele mancher Fische sich vor- findet, und sonst eine allgemeine Verbreitung nur in den Zahnbildungen aller Wirbel thierabtheilungen hat. Die Genese des Knochengewebes klärt die Beziehungen der Inler- cellularsubslanz zu den Zellen auf. Die zelleneinschliessende Form kann auf eine zweifache Weise entstehen. Einmal durch Verknöche- rung von Bindegewebe. Indem dessen Inlercellularsubstanz durch Ver- bindung mit Kalksalzen sklerosirt, werden die in ersterer vorhandenen Zellen zu Knochenzellen, die sich mit ihren Ausläufern durch Poren- canäle in der Inlercellularsubslanz unter einander in Verbindung setzen. Zweitens entsteht dasselbe Gewebe dadurch, dass indifferent erschei- nende, Zellen eine sklerosirende Substanz abscheiden, die lamellenartig 2 6 Elementarorgane. geschichtet sich ablagert, und in welche die absondernden Zellen feine Protoplasma fortsälzc einschicken. Indem einzelne der absondernden Zellen ihre Thätigkeit sistiren , wahrend die ihnen benachbarten darin fortfahren , kommen sie allmählich in eine Schichte von Intercellular- substanz zu liegen, die sie fernerhin umschliesst und sie so zu Knochen- zellen umwandelt. Durch feine Fortsätze stehen die Zellen der ab- sondernden Schichte (Osteoblasten) mit den bereits eingeschlossenen Zellen (Knochenzellen) in continuirlichem Zusammenhange und dadurch ist jede der ersteren befähigt, zu einer Knochenzelle zu werden. Eine ganz analoge Entstehungsweise besitzt die andere Form des Knochengewebes, soweit ihre Geschichte aus der Entwicklung des Zahn- beines genauer bekannt ist. Auch hier sondert eine Zellenschichte eine sklerosirende Substanz ab, in welche die Zellen zugleich Ausläufer sen- den, welche somit wieder Porencanäle durchziehen. Anstatt aber nach und nach in diese extracelluläre Substanz einzutreten, bleiben die Zellen stets ausserhalb derselben , und stehen mit denselben nur durch ihre Ausläufer in Verbindung. Die abgeschiedene Substanz ist also von feinen parallelen Canälchen durchzogen (sogenannte Zahncanälchen, da sie im Zahnbein zuerst bekannt wurden). Diese Form des Knochengewebes verknüpft sich trotz des differenten Verhaltens der Erscheinung im spä- teren Zustande doch sehr innig mit der ersten Form , indem sie wie diese ihre Intercellularsubstanz durch Abscheidung von Zellen entstehen lässt. Noch inniger wird die Verbindung, wenn man den ersten Vor- gang ins Auge fasst. In beiden Fällen wird eine homogene durch Kalk- verbindungen sklerosirende Substanz abgesondert, in welche die sie liefernden Zellen ihre Ausläufer absenden. Schreitet dieser Vorgang in gleicher Weise, wie er begonnen, weiter, so dass nie eine ganze Zelle in die abgesonderten Schichten tritt, so führt er zur Bildung von jenem Knochengewebe, das nur von feinen Porencanälchen in meist parallelem Verlaufe durchzogen ist. Bleiben einzelne der absondernden Zellen allmählich in der abgesonderten Substanz zurück, so wird letztere zu einer Knochenzellen unisehliessenden Intercellularsubstanz, und bildet so die andere Form des Knochengewebes. Muskelgewebe. § 22. Sowohl im Epithelialgewebe wie in den Geweben der Bindesub- stanzreihe isi das Differenzirungsproduct des Protoplasma slarr, odei entbehrt doch des Contractililälsvermögens. Mit dem Auftreten einer hoher polenzirlen eonlraclilen Substanz als einem Sonderun gsproduete tles Protoplasma entsteht ein neues Gewebe, das als contractiles oder Muskelsewebe bezeichnet wird. Die ContracliliUil äussert sich aber nichl raehi automatisch, sondern nur auf Heize, die dem Gewebe vom Muskelgewebe. 27 Nervensystem zufliessen. Dadurch sind die conlraclilen Formelemente des Muskelgewebes von der indifferenten, durch ihr Protoplasma gleich- falls conlraclilen Zelle wesentlich unterschieden. Sie s'etzen die Existenz eines anderen Gewebes, des Nervengewebes voraus, sowie dieses wiederum jenes bedingt. Hinsichtlich des specielleren Verhaltens scheiden sich die Form- elemente des Muskelgewebes in zwei Abtheilungen. Die eine besteht aus einfacher gestalteten Zellen , die andere wird durch Fasern darge- stellt, welche entweder durch die Vereinigung einzelner Zellen, und so aus Zellen-Aggregaten hervorgehen , oder bei denen eine Vermehrung des Kernes auf die Bildung von Syncytien hinweist. In beiden ist das indifferent gebliebene Protoplasma in geringer Quantität und von unter- geordneter Bedeutung für die Leistung des Formelements. In jeder Abtheilung kann durch weitere Differenzirung der con- tractilen Substanz ein höherer Zustand der Faser sich ausbilden. 1) Die erste Form bilden zunächst die sogenannten glatten Muskelfasern oder contra etilen Faserzellen. Es sind spin- delförmige, oft sehr langgestreckte und dann bandartig erscheinende Zellen, an denen von dem indifferenten Protoplasma entweder gar nichts mehr, oder nur ein in der Längsaxe oder an der Peripherie der Zelle liegender Best sich forterhäll. In allen Fällen umschliessl der letztere auch den Kern. Die contractile Substanz ist homogen und wird äusser- lich von einer oft nur schwer darstellbaren Membran abgegrenzt. Die Beaction dieser Muskelfasern auf den Nervenreiz erfolgt langsam. Durch Differenzirung der contractilen Substanz in einfach und doppelt lichtbrechende Theilchen erscheinen die Fasern quergestreift, und daraus entsteht ein Theil des Gewebes, das man als querge- streiftes Muskelgewebe bezeichnet. Zwischen diesem, so weit es aus einfachen, je aus einer Zelle hervorgegangenen Fasern besteht, und dem mehr homogenen Fasergewebe finden sich vielfache Uebergangsformen. 2) In der andern Form des Muskelgewebes werden die Elementar- theile aus Zellenaggregaten oder aus Syncytien gebildet. Sic entstehen, wie es scheint, immer durch Auswachsen einer Zelle unter Vermehrung des Kernes, so dass sie von einer forlgesetzten unvollkommenen Thei- lung einer Zelle abgeleitet werden können. Es sind entweder Gebilde, bei denen die contractile Substanz in Gestalt eines Cylinders erscheint, der aussen von einer homogenen Membran (dem Sarkolemma) umhüllt wird, und in seiner Axe mehrfache Kerne mit Proloplasmareslen um- schliesst. Oder die contractile Substanz stellt einen soliden Cylinder vor und dann liegen die Kerne mit den Protoplasmaresten auf der Ober- flache, unmittelbar unter dem Sarkolemma. Diese Form theil t sich wie- der in zwei Zustände, nach der mehr homoiienen oder heterosenen Be- sehalVenheit dir contractilen Substanz, Im ersten Falle reiht sich der Zustand an den der sogenannten glatten Faserzellen an, von dem er nur dadurch verschieden ist, dass '28 Elementarorgane. er, nach den mehrlachen, der Faser angehörigen Kernen, nicht eine ein- lache Zelle, sondern ein Mullipluin von Zellen vorstellt. Im zweiten Falle schliesst er sich durch die Diflerenzirung der conlractilen Substanz an die andere Form der einfachen Fasern an, und stellt gleichfalls quer- gestreifte Fasern vor. Diese entsprechen wieder Mehrheiten von Zeilen, wenn sie auch aus einer einzigen Zelle hervorgehen, und ihre Länge durch Auswachsen dieser Einen Zelle erhalten. Die Reaction auf Reize erfolgt bei den quergestreiften Fasern rascher als bei den glatten. Nervengewebe. § 23. Mit der Diflerenzirung des Muskelgewebes im Thierreiche erscheint zugleich das Nervengewebe, welches durch seine Leistungen auch in seinen niederen Zuständen von den übrigen Geweben sich auszeichnet. Es empfängt und leitet Reize, setzt dieselben in Empfindungen um, und erzeugt Willenserregungen. Nach dem formalen Verhalten der Ele- mentartheile sind zweierlei Zustände zu unterscheiden, Nervenfasern und Nervenzellen; die ersteren kommen vorzugsweise dem peripheri- schen Thcile des Nervensystems zu und sind die leitenden Gebilde, die letzteren stellen die centralen Elemente vor. I) Die Nervenfasern treten in verschiedenen, als Dilferenzirungs- stadien anzusehenden Verhältnissen auf. a) In der einfachsten Form erscheinen sie als langgestreckte homo- gene, bandartige Züge zusammensetzende Fasern, die so wenig von ein- ander scharf abgegrenzt sind, dass sie nur in Form von Streifungen sich darstellen. In solchen Nervenstämmchcn und deren Verästelungen ist bei der Mehrzahl der Wirbellosen die Beziehung zu den histologischen Formelementen noch nicht ausreichend ermittelt, seihst die Frage ist noch nicht entschieden, ob die vielfachen Streifungen von Nervcnslännn- chen der Ausdruck einer Zusammensetzung der letzteren aus Fasern sind. Das Vorkommen von Kernen an diesen Bildungen ist das einzige auf Beziehungen zu Zellen Hinleitende. In anderen Fällen sind zu Bün- deln vereinigle Fasern als Einzelbildungen unterscheidbar; die Faser be- steht aus homogener Substanz, die oberflächlich durch eine zarte Hülle abgegrenzt ist, unter welcher Kerne sich finden. Um die Kerne sind zuweilen Protoplasmareste unterscheidbar, die den übrigen Theil der Faser als eine diflerente Substanz erscheinen lassen. Dadurch stellt sich der Bau der Nervenfaser mit der Muskelfaser auf eine histologisch gleiche Stufe, und die Verschiedenheit liegt nur in der Qualität des di Heren zirleu Protoplasma, das in dem einen Falle Muskelsubstanz, in dem anderen Nervensubstanz hervorgehen Hess. Diese Fasern linden sich ausser bei Wirbellosen noch bei Wirbelthiereu verbreitet, bei denen sie im Bereiche des sympathischen Nervensystems allgemein vorkommen. Nervengewebe. 29 b) Ein zweiter Zustand der Nervenfaser wird durch eine weitere Differenzirung gebildet. Die unter einer bald sehr zarten, bald stärkeren Hülle liegende Nervensubstanz zeigt sich nämlich in einen die Axe der Faser durchsetzenden Strang, den Axencylinder, und in eine diesen umgebende fetthaltige Substanz gesondert. Die letztere , der Mark- eylinder (Markscheide) , verleiht der Nervenfaser stark lichtbrechende Conluren , und kann vom Axencylinder nur künstlich getrennt werden. Die den Markeylinder umgebende homogene Scheide — das Neurilemma — zeigt Kerne als Reste von Zellen, aus denen die Faser hervorging. Diese Form kommt, so viel bis jetzt bekannt, nur den Wirbelthieren zu, mit Ausnahme von Amphioxus und den Cyclostomen. 2) Das andere Formelenient des Nervengewebes wird durch Zellen dargestellt, die man, da sie vorzüglich in Anschwellungen des Nerven- apparates (den Ganglien) vorkommen, als Ganglienzellen bezeichnet. Ihre Substanz zeigt eine meist feinkörnige Beschaffenheit, doch mit man- chen hier nicht näher auseinanderzusetzenden Eigenlhüiulichkeiten. Der in der Regel mit deutlichem Kernkörperchen versehene Kern liegt in- mitten der granulirten Substanz, und diese letztere wird häufig von einer äusseren membranartigen festeren Schichte abgegrenzt. Eine diesen Zellen zugelegte complicirtere Struclur wird von jedem Beobachter in wesentlich verschiedener Weise dargestellt, so dass diese Fragen vom Abschlüsse noch weit entfernt scheinen. Die Ganglienzellen besitzen Fortsätze, durch welche sie theils unter sich, theils mit Nervenfasern in Zusammenhang stehen. Sie bilden so- mit die Ursprungsstellen der Nervenfasern. Inwiefern forlsatzlose, also gänzlich isolirte Ganglienzellen eine Verwendung finden, ist noch nicht festzustellen. Thatsache ist, dass die Annahme solcher immer weiter zurücksedränst wird. Die Fortsätze der Nervenzellen bieten je nach ihrer Zahl, sowie nach ihrem Verhallen zu den Fasern mehrfache Ver- schiedenheilen, von welchen nur das hervorgehoben werden soll, dass bei der differenzirten Faser der Axencylinder es ist, der in die Sub- stanz der Zelle sich fortsetzt, während der Markeylinder entfernter von der Zelle aufhört oder vielmehr indifferent wird. Auch das Verhalten des Axencylinders zu den Substanzen der Zelle erscheint mehrfach ver- schieden, und ist in vielen Puncten noch problematisch. Organe höherer Ordnung. § 24. Als Organe höherer Ordnung können jene ,aufgefasst werden, in deren Zusammensetzung, mehrere Organe niederer Ordnung, seien diese entweder Zellen oder Zellenderivale, das ist Gewebe, eingehen. Die auf dem Grunde der Arbeilstheilung beruhende Differenzining ist auch 30 Organe höherer Ordnung. hier ein viele Modifikationen und Umgestaltungen hervorrufendes Mo- ment. Die einfachste Art besteht in der quantitativen Differenzirung, wobei dieselbe Einrichtung sich mehrfach wiederholt, ohne dass den einzelnen eine von den anderen verschiedene Leistung zukäme. Die Wiederholung kann entweder getrennt bestehen, oder sie kann an dem Organe selbst sich bilden, und dasselbe dadurch auf eine höhere, weil complicirtere Stufe bringen. Beispiele hiefür können Drüsenorgane lie- fern. Eine etwa vom Integument gebildete Drüse kann mehrfach vor- kommen, so dass die Leistung der zuerst einfach vorhandenen Or- gane auf eine ganze Gruppe von Organen vertheilt wird. Im andern Falle complicirt sich die Drüse, indem sie mehrfache der ursprünglich einfachen Anlage gleiche Läppchen bildet. Jedes der letzteren hat einen Theil der Gesammtfunclion der Drüsen übernommen. In quali- tativer Beziehung tritt eine Differenzirung durch Theilung der Function in einander untergeordnete Functionen ein. Indem nur ein Theil der Drüse secernirt, ein anderer nur den Ausführweg des von ersterem gebildeten Secretes vorstellt, sind zwei verschiedenen Verrichtungen vor- stehende Abschnitte in der Drüse entstanden. Bildet sich aus einer Strecke des Ausführganges ein Receptaculum des Secretes, so ist eine dritte entstanden, und so können noch fernere hervorgehen, wenn der secernirende Abschnitt die Qualität des Secretes an den einzelnen Strecken verschieden zeigt. Eine Summe von gleichartig gebauten, wenn auch nicht immer unmittelbar zusammenhängenden Einzelorganen stellt ein Organ Sy- stem vor. Aus einer Summe anatomisch untereinander zusammen- hängender Einzelorgane entsteht eine höhere Kategorie von Organen die als 0 r g a n a p p a r a t e oder Organcomplexe aufgefasst werden, wenn die Einzelorgane von einander verschieden gebaut sind. § 25. Der Differenzirung der Organe geht ein indifferenter und damit niederer Zustand des Organismus voraus, der in einer grossen Abthei- lung von Organismen seine Verbreitung lindet und hier den definitiven Zustand des Organismus repräsenlirt. Solche niedere Organismen be- stehen in der einfachsten Form nur aus Protoplasma und repräsentiren, kernlos, den Zustand von Cytoden, wie die Moneren, oder der Proto- plasmaleib dieser Organismen umschliesst einen Kern und stellt damit das Aequivalent einer Zelle vor, wozu die Amoeben , Gregarinen und Diatomeen Beispiele abgeben. Ist hier auch schon durch die Entstehung des Kernes eine Differenzirung, und damit Weiterbildung des einfacheren Cytoden-Organismus aufgetreten, so fehlt es doch nach unserer Begriff- Stellung an höheren Organbildungen. Das gjlt ebenso noch für jene Organismen, deren Körper mehrfache Kerne umschliesst, und damit ein Syncytium vorstellt, wie es bei manchen Bhizopoden der Fall ist, oder Organe höherer Ordnung. 31 wo eine verschieden grosse Zahl von Zellen im Syncylium auftritt, wie bei manchen Radiolarien , oder sogar ausschliesslich den Organismus zusammensetzt, wie bei den Volvocinen unter den Flagellaten und bei den Gatallacten (Hkl.). Die Differenzirung besteht hier wesentlich nur in einer Vermehrung der Zellen. Eine einfache Zeile theilt sich nach beendetem Wachsthum in zwei , die wieder von neuem diesen Process beginnen und ihn weiter führen, bis der Organismus aus einer in den einzelnen Gattungen verschieden grossen Zahl von Zellen zu- sammengesetzt erscheint. Der Zerfall des Organismus in seine einzelnen Zellen begründet die Vermehrung (Fortpflanzung) dieser Wesen , da jede Zelle nach einer zeitweisen Einzelexistenz den erwähnten Kreis- lauf der Erscheinungen von neuem beginnt. Diesen Organismen reihen sich auch die Infusorien an, insofern sie noch keine gewebliche Diffe- renzirung zeigen, indem ihr Körper Einer Zelle homolog erscheint. All' diese indifferenten Formen lebender Wesen , von denen ein Theil bald dem Thier-, bald dem Pflanzenreiche zugewiesen wurde, und manche noch keine Stellung fanden , bilden eine von Häckkl als Reich der Protisten bezeichnete, zwischen Thier- und Pflanzen- reich zu stellende grosse Abtheilung der Organismenwelt. § 26. Von den Protisten bieten manche Abtheilungen durch das Verhalten ihrer Lebenserscheinuni?en wie durch viele der an ihnen wahrnehm- baren Einrichtungen nähere Beziehungen zu Pflanzen, wie z. B. die Flagellaten zu niederen Algen, andere wieder ebenso zu specifisch thie- rischen Formen, ohne dass jedoch daraus die Nothwendigkeit entspränge sie jenen beiden Reichen zuzutheilen. Am meisten wird eine Aehnlichkeit mit thierischer Organisation bei den Infusorien hervorgerufen durch Sonderungsvorgänge am Proto- plasma des Leibes dieser Organismen. Indem an einer bestimmten Stelle der Oberfläche die Nahrungsaufnahme erfolgt, scheint jene einen Mund vorzustellen , indess die ins Protoplasma gelangenden Nahrungsmassen die von ihnen eingenommenen Strecken einer Darmhöhle ähnlich er- scheinen lassen. Rechnet man hiezu noch die relativ bedeutende Son- derung der äussersten Körperschichte als Integument , sowie die bei vielen Infusorien erkennbaren bandartigen Streifen, die durch ihre Con- tractilitätsäusserungen Muskelfasern vortäuschen, so könnte hierauf das Bestehen, einer histologischen Sonderung begründet werden, wenn nicht der Mangel von Zellen in der Zusammensetzung jener Organismen jede derartige Vorstellung als unbegründbar ausschlösse. Vielmehr scheint hier ein eigenartiger, eine individuelle Zelle betreffender Differenzirungs- process zu walten, der sowohl den Kern als auch den Protoplasmaleib der Zelle auf eine höhere Organisationsstufe hebt, und speciell jene »Muskelbänder« (wie auch den Vorticellenstiel) als Streifen höher 32 Organe höherer Ordnung. differenzirten Protoplasmas erscheinen lässt. Auch an den als einzellige Organismen minder zu bezweifelnden Gregarinen ist jene Differenzirung im Protoplasma beobachtet. (S. unten § 59.) § 27. Während im Reiche der Protisten die Sonderungsvorgünge vor- wiegend das Protoplasma einzelner Cytoden oder einzelner Zellen bo- treffen , leitet sich die thierische Differenzirung durch eine auf gleich- artig umgewandelten Zellcomplexen beruhende Organbildung ein. Der thierische Organismus tritt damit über jene im Protistenreiche be- stehenden niederen Zustände hinaus, in ihnen nur in einzelnen Stadien der Ontogenie vorübergehend verweilend, und damit die phylogenetischen Beziehungen zum Prolistenreiche beurkundend. Den onlogenetisch niedersten Zustand des Thieres repräsentirt die Eizelle (Fig. Fi 1 I in welcher der Organismus mit jenem vieler Pro- tisten übereinkommt, z. B. dem der Protoplasten (Amöben) , welche diesen Zustand bleibend be- sitzen. Die Eizelle ergibt sich in allen wesent- lich e n Puncten von anderen nicht verschieden, wie auch Immer ihr Volum vergrössert sein mag, und wie damit in Zusammenhang in ihrem Proto- plasma besondere Theilchen — Dotterelemente — aufgetreten sein mögen. Wenn durch letztere die Eizelle ihren ursprünglichen Charakter als in- differente Zelle aufgab, so verlor sie damit noch nicht den Zellen- charakter, der dadurch ebensowenig alterirt wird, als durch die Sonderung irgend welcher anderen Substanzen (Chlorophyllkörner, Amy- lum, Pigmentkörnchen etc.) im Protoplasma von Zellen die Zellbedeutung für diese verloren geht. Die Veränderungen , welche die Eizelle ein- geht, zeigen als Besultat eine Vermehrung. Die Zelle theilt sich, lässt Fig. 2. Fig. 3. Fig 4. Fig. 5. so zwei Zellen hervorgehen, die durch fortgesetzte Theilung i, 8, IG, und schliesslich einen Haufen gleichartiger Zellen entstehen lassen. Die- Fig. 1. Schematische Darstellung einer Eizelle, a. Das körnerhaltige Proto- plasma, b. Der Kern (Keimbläschen), c. Das Kernkörperchen (Keimfleck). Fig. 2 — 5. Einzelne Stadien des sogenannten Furchungsprocesses (Theilung der Eizelle). Organe höherer Ordnung. 33 ser Vorgang der Theilung der Eizelle wird als »Dottertheilung« oder »Furchung« bezeichnet; und ist eine durchgreifende Erscheinung, die vielfache aber stets aus Anpassungen ableitbare, und damit erklär- bare Modificationen darbietet. Die einzelnen Stadien dieses Theilungsprocesses zeigen sich wieder in Uebereinstimmung mit dem Verhalten mancher Protisten, z. B. der Volvocinen und der Catallacten, in deren Entwickelungskreis ein gleich- falls aus einer Summe ziemlich gleichartiger Zellen zusammengesetzter Organismus gehört. So durchläuft also der thierische Orga- nismus gleich im Beginn seiner Ontogenie mehrfache im Protisten reiche waltende Form zustände, und der Process der Theilung der Eizelle erklärt sich als ein aus früh- zeitiger Vererbung überkommener. Damit streift sich von ihm der teleologische Nimbus ab, in welchem er ohne diese Beziehung, bei exclusiver Verknüpfung mit dem künftigen aus der Furchung hervor- gehenden Organismus erscheinen muss. Mit der Bildung eines Zellen- haufens aus der einfachen Eizelle ist dem Organismus jedoch noch keines- wegs ein specifisch thierischer Charakter eingeprägt, dieser äussert sich vielmehr erst im Verlaufe fernerer Sonderungsvorgänge. § 28. Der aus der allmählich erfolgenden Zerlegung der Eizelle ent- standene, am Schlüsse dieses Vorganges aus einer grösseren Anzahl indifferenter Zellen zusammengesetzte Organismus geht eine neue, und zwar die erste orgiinologische Differenzirung ein. Diese gründet sich zunächst darauf, dass der äusseren, peripherischen Zellschichte eine andere Bolle zukommen muss, als der von dieser Schichte eingeschlossenen, mit einem umge- F'g- 6- benden Medium nicht in Beziehung stehenden cen- tralen Zellmasse (Fig. 6 d). Sowohl bei Cölentera- ten als bei Würmern bildet sich im Innern des Körpers eine primitive Darnihöhle aus. Der ge- sammte Organismus lässt dabei in den einfachsten Fällen eine äussere und innere Zellen schichte er- kennen, von denen erstere das Integument, letz- tere die Auskleidung der Darmhöhle vorstellt. Die Entstehung dieses Zustandes ist phylogenetisch von der Art der Nahrungsaufnahme airzuleiten. Wenn die Aufnahme nicht mehr an jeder beliebigen Strecke der Körperoberfläche besorgt wird, son- dern nur an einer einzigen Stelle geschieht, von wo aus das Nahrungs- material ins Innere des aus Zellen zusammengesetzten Körpers gelangt, so wird bei der Weiterbildung dieses Verhaltens durch natürliche Züch- Fig. 6. Sonderung der aus der Dottertheilung hervorgegangenen Zellmasse in eine peripherische (c) und centrale Parthie [d). Schematisches Durchschniltsbild. Gegenbaur, Grundriss. 3 34' Organe höherer Ordnung. tung auf dem für den Organismus grössere Vortheile bietenden Wege der Arbeitstheilung, die erst vorübergehend, aber allmählich constant die verdauende Cavität begrenzende Zellschichte in andere Verhältnisse treten als die oberflächliche Schichte des Körpers. Während eine an- fänglich (ähnlich wie bei Rhizopoden unter den Protisten) von jeder Stelle der Körperoberfläche her stattfindende Nahrungsaufnahme, und dem entsprechend die an jeder Stelle im Innern des Körpers vor sich gehende Verdauung der lngesla eine Gleichartigkeit der Function aller Theile des Organismus voraussetzt, womit auch das hier bestehende Hervortreten innerer Theile des Protoplasmaleibes an die Oberfläche, so- wie das Zurücktreten äusserer Theile ins Innere (bei der Pscudopodien- bildung) harmonirt: so wird in jenem anderen Zustande eine Differen- zirung der Leistungen des Körpers nicht zu verkennen sein. Ein Theil, der innere, dient der Aufnahme und Verdauung der Nahrungsstoffe, ein anderer, der äussere, bildet als Integument ein Schutzorgan des Körpers. Rei den Protisten ist diese Arbeitstheilung in manchen Abtheilungen, aber bei anderem Verhalten des Substrates, vollzogen. So bei vielen Flagellaten und Infusorien , wo eine bestimmte Stelle der Körperober- fläche als Mund fungirt, von wo aus die aufgenommenen Nahrungsstoffe ins Innere des Körpers gelangen. Von dem oben vorgeführten Ver- hallen besteht der wichtige Unterschied, dass bei jenen Protisten der ganze Vorgang entweder an einer einzelnen Zelle, oder doch am Aequi- valenle einer solchen stattfindet, indess er hier an einem Zellencomplexe vor sich geht und somit zugleich eine hisliologische Sonderung einleitet. Die fundamentale Redeutung der durch jenen Vorgang entstehenden, in dem als »Planula« bekannten Larvenzuslande vieler niederen Thiere gegebenen Grundform hat in allseilig umfassender Weise zuerst Häckel erkannt, und sie als »Gastrulaa unterschieden (Kalkschwämme I. S. 464). Wir treffen also an der Gastrulaform als äusserste , das Ectoderm (Fig. 7 (/), das Integument vorstellende Körperschichte und eine innere die verdauende Ca- vität begrenzende Schichte, das Entoderm (c), beide Schichten, aus Zellen zusammengesetzt, und unmittelbar an einander gelagert, so dass an der Mundöffnung die eine in die andere überzugehen scheint. Wie die physiologische Leistung beider Schichten verschieden ist, so erscheint auch das speciellere Verhalten der sie zusammensetzenden Formelemente in beiden ziemlich different, wovon hier nur auf die meist bedeutendere Grösse der Zellen des Entoderms gegen jene des Ectoderms hin- gewiesen sein soll. Fig. 7. Schemotische Darstellung der ersten DifTerenzirung des Organismus in Ectoderm und Entoderm, in Verbindung mit der Bildung einer verdauenden Cavilat. a. Mund. /). Darmhühle. c. Entoderm. <1. Ectoderm. Durohscliniltsbild. Organe höherer Ordnung. 35 Die Verbreitung dieser niedersten Form der organologisehen Son- derung des Thierleibes in den niederen Abtheilungen lässt die Bedeu- tung derselben durch einzelne unwichtige Modifikationen nicht beein- trächtigen. Solche sind z. B. eine zuweilen sehr frühzeitig erscheinende fernere Differenzirung des Ectoderms in mehrfache Schichten. Wenn nach manchen Angaben die in die primitive Darmhöhle führende Oeff- nung später die Afteröffnung vorstellen soll, so ist vorerst eine festere Begründung dieser Angabe abzuwarten. § 29. Die vorhin erwähnte Gastrulaform bietet als thierische Grundform betrachtet den Ausgangspunct für die Entstehung der Hauptformen des Thierreichs. Denkt man sich senkrecht durch die verdauende Ca- vität eine Axe (Fig. SAB) gelegt, so wird der eine der Mundöffnung entsprechende Pol den oralen Pol , der entgegengesetzte den aboralen Pol vor- stellen. Diese Axe (A B) isl die Hauptaxe des Körpers. Bei gleichmässig cylindrisch oder sphä- risch gestaltetem Körper kann man senkrecht zu dieser Hauptaxe beliebig viele Linien durch den Körper gezogen denken, welche die Nebenaxen (a b, c d) vorstellen. Sie werden unter obiger Vor- aussetzung sämmtlich unter sich gleichwertig sein. Die Nebenaxen sind damit unter sich indifferent, und charakterisiren einen niederen Zustand. Bei eintretendem Festsitzen des Organismus — selbstverständlich am aboralen Pole — wird die Ausbildung des Körpers in der Richtung einer be- liebig grossen Anzahl von Nebenaxen unter dem Fortbestehen ihrer Gleichwertigkeit erfolgen kön- nen, und dasselbe trifft sich bei vollständig freier Bewegung im flüssigen Medium. Die Ausbildung des Organismus in der Richtung der Nebenaxen kann entweder durch äussere Anhangsgebilde, Tentakel u. dergl. oder durch Differenzirung der Darmhöhle erfolgen. Dabei werden nicht mehr alle beliebig gezogenen Nebenaxen einander gleich sein. Die, in deren Richtung Organe ge- sondert sind, werden sich von den anderen unterscheiden. Daraus ergibt sich die bei den Cölenteraten waltende durch mehr als zwei Gegenstücke (Antimeren) charakterisirte oder radiäre Grundform des Leibes. (Vergl. Fig. 9.) Fig. 8. Schemalische Darstellung der Kürperaxen. A. B. Hauptaxe, a b, c Auftretet] mehrerer unter einander verbundener Ganglien entstehen die ersten, naeh sehr differenten Richtungen sich weiter ent- faltenden Complicirungen. Die das Centralorgan darstellende Ganglien- masse sondert sieh, nieist in der Nähe des Einganges zum Darmcanalc gelagert, in mehrere unter einander durch Verbindungsfasern (Gommis- snren) in Zusammenhang stehende Theile. Bei den strahlig gebauten Thieren vermehrt sich die Zahl der Gan- glien in einer den Radien entsprechenden Weise , und auch die peri- pherische Veitheilung der Nerven folgt genau diesen Verhältnissen des Baues. Mit der aus zwei Anlimeren gebildeten Körperform ordnet sich auch das Nervensystem nach dieser. Das Nervencentrum besteht anfänglich nur aus einer oberen Ganglicnmasse ; das Hinzutreten einer unteren scheint erst mit der Metamerenbildung zu Stande zu kommen. Die Vereinigung zu einem Schlundring im vordersten Theile des Körpers ist demnach ein seeundärer Zustand. Man unterscheidet dann ein clor sales und ventrales Ganglion, von denen jedes aus zwei seitlichen Ab- schnitten besteht. Die verschiedengradige Ausbildung dieser Schlund- ganglien steht in engstem Zusammenhange mit den davon abgehenden Nerven. Mit der Ausbildung der Sinnesorgane zeigt sich auch das die bezüglichen Nerven entsendende Ganglion von beträchtlichem Umfang, sowie es mit der Verkümmerung derselben rückgebildel erscheint. Die oberen Schlundganglien sind die in der genannten Beziehung wichtig- sten, denn von ihnen entspringen in der Begel die Nerven der höheren Sinnesorgane. Aus dieser Form leitet sich unmittelbar eine andere ab, für welche die deutlich ausgesprochene Metamerenbildung des Körpers als das be- dingende Moment erscheint. Während bei den ungegliederten, mit Schlundring versehenen Thieren die ventralen Körpcrlheile durch die von den unteren Schlundganglien entspringenden Nerven versorgt wer- den, tritt mit der Abtheilung des gesammten Körpers in hintereinander gelegene Theile (Metamercn) eine Vermehrung der ventralen Ganglien ein. Durch die Bildung je eines Ganglienpaares für jedes Gliedstück entsteht eine ventral gelagerte Reihenfolge von Ganglien, die, unter sich durch Längscommissuren verbunden, eine Ganglienkette bilden, das Bauch mark. Ringelwürmer und Arthropoden sind Repräsentanten dieser Form. Innerhall) derselben entstehen durch weitere Difl'erenzi- rung mannichfaltigc Variationen. Erstlich wechselt das Volum der Gan- glien nach der Verschiedenheit des Volums der mit Nerven zu ver- sorgenden Körpcrlheile, und zweitens gehl an ganzen Abschnitten des Bauchmarks eine Verschmelzung der Ganglien in grössere Ganglien- massen vor sich, Aehnliche DiUereiizirungeu des centralen Nervensystems sind auch Sinnesorgane. 43 bei einer exclusiv dorsalen Lagerung desselben, wie bei den Vertebraten, gegeben. Mit der Ausbildung des vordersten Körperabschnitles zu einem Kopie entfaltet sieh der vorderste Thcil des Nervencenlralorganes zu einem besonderen Abschnitte, dem Gehirn, welches von dem übrigen mehr gleichmässigen Medullär röhre, dem Rückenmarke sich abgrenzt. In weiterer Differenzirung gehen am Gehirn wieder verschiedenartig aus- gebildete Abschnitte hervor. e) Sinnesorgane. § 37. Die Sinnesorgane vermitteln dem Organismus Zustande der Aussen weit. Als Sitz der Empfindung niederster Art erscheint das Protoplasma, welches in der indifferenten, die niedersten Organismen charakterisirenden Beschaffenheit, auf äussere Reize mannichfalliger Art reagirt. Bei noch nicht vollzogener Abgrenzung der Körperober- Hache vom Innern des Organismus (Rhizopoden), wird jeder Protoplasma- theil zur Vermittelung der Wahrnehmungen, freilich niedersten Grades, verwendbar sein , und somit als Sinnesorgan niederster Ordnung fun- giren. Bei bestimmter Abgrenzung der Körperoberfläche, (Infusorien, Gregarinen) ist mit einer äussersten Körperschichte eine auch für sinn- liche Wahrnehmungen wichtige Differenzirung aufgetreten. Obgleich schon bei Infusorien einzelne Stellen der Körperoberfläehe vorzugsweise als Sinnesorgane fungiren, so ist doch ebensowenig wie in den noch liefer stehenden Zuständen ein Sinnesorgan in anatomischem Sinne vorhanden. Die Entstehung dieser ist an die Sonderung eines Nervensystems geknüpft, denn die Sinnesorgane sind E n d a p p a - rate sensibler Nerven. Ihr Auftreten setzt daher jene Differenzirung voraus, deren oben beim Nervensystem gedacht ward. Wie die primitive Sonderung des Nervensyslcmes aus dem Eelo- derm durch ontogenetische Zeugnisse als ein höchst wahrscheinlich fundamentaler Vorgang sich darstellt, so ist auch für die Entstehung der Sinnesorgane dieselbe äussere Körperschichte von grössler Bedeu- tung. Fast alle Sinnesorgane 'sind aus ihr mittelbar oder unmittelbar hervorgegangen, wie die bald bleibende, bald nur vorübergehend be- stehende Verbindung dieser Organe mit dem Integumente beweist. Für viele Sinnesorgane niederer Thiere ist die Deutung der funetio- nellen Qualität des Organs in hohem Grade unsicher. Dies gilt für alle Organe, welche ausser der Reihe jener stehen, die desshalb ins Bereich unserer Beurlheilung fallen, weil wir sie oder doch ihre Honio- loga selbst besitzen, wodurch allein der Zusammenhang ihres Baues mit ihrer specilischen Leistung prüfbar wird. 44 Organe höherer Ordnung. § 38. Die Sinnesorgane theilen sieh in niedere und höhere. Die er- stellen sind die allgemeiner über das mlegument verbreiteten, in ihrem Baue einfacheren. Sie repräsenliren den höheren gegenüber einen in- differenteren Zustand. JVlodifieirle Zellen des lnlegnmenles, clie meistens der Epidermis angehörig, einerseits mit einer Nervenfaser in Verbindung stellen, andererseits mit einem verschiedenartig gestalteten, gegen die Körperoberfläche gerichteten Fortsatze versehen sind, bilden die ver- breitetste hieher gehörige Einrichtung. Man schreibt ihnen die Ver- uhtlelung allgemeiner Gcftthlswahrnehmungen zu, doch ist gerade bei diesen Organen , besonders bei den im Wasser lebenden Thieren die physiologische Leistung in hohem Grade anbestimmt, und es bleibt für manche von ihnen die Annahme der Yermillelimg spccilischcr Reize, wodurch sie sich den höheren Sinnesorganen anschliesscn würden, möglich. Etwas bestimmter tritt die Bedeutung dieser Einrichtungen hervor, sobald sie sich mit besonderen Apparaten, beweglichen Fortsätzen des Inlegumcntes u. dcrgl., in Verbindung zeigen, und dadurch als Tasl- werkzeuge erscheinen. Ob solche Bildungen, besonders in den nie- deren Abtheilungen noch andere Wahrnehmungen als Tasteindrücke ver- mitteln, bleibt fraglich. Einseitig ausgebildet, und demgemass nur in Einer Richtung fun- girend, erscheinen die höheren Sinnesorgane, die als aus den niederen hervorgegangen zu betrachten sind, und auch viellach das Wesentliche des Baues der niederen noch an sich tragen. Man unter- scheidet Ges chma eksor ga n c wie Riechorgane mit Sicherheit erst in den höheren Abtheilungen, und für die letztgenannten ist die Function eigentlich erst bei den in der Luft lebenden Wirbcltliieron sicher gestellt, und bleibt zweifelhaft für die niederen Abtheilungen. Aber auch für die Gesehmacksorgane dürfte sich bezüglich der Deutung die grösste Vorsicht empfehlen. § 39. Als Hörorgane fasst man mit einem FJuidum gelullte Bläschen auf, in deren Wandung ein Nerv zur Endigung kommt. In der ein- fachsten Form ist das Bläschen dem centralen Nervensystem unmittel- bar verbunden, oder der Nerv tritt zum Bläschen heran. Fast regel- mässig bergen diese Bläschen feste Concremente oder kristallinische Bildungen, sehr häufig auch Krystalle kohlensauren Kalks. Ebenso lin- den sich häufig haarförmige Verlängerungen der Endapparate., die ins Lumen des Bläschens einragen. Diese bei den wirbellosen Thieren vor- Sinnesorgane. 45 herrschende Form des Hörorgans complicirt sich bei den Wirbellhieren durch Ausbuchtungen und Fortsatzbildungen (Labyrinth). Durch schall- leitende und schallverstärkende Apparate werden neue Einrichtungen erzeugt, welche anfänglich anderen Functionen vorstehend dem Hör- organe sich anschliessen. Da das Labyrinthbläschen der Wirbellhiere aus dem Integument hervorgehl, so stehen auch die in seinen Wandungen sich differenziren- den Endapparate des Hörnerven in genetischem Zusammenhange mit den im Inlegumente liegenden Endapparaten der Gefühlsnerven, und können demnach als specifische Ausbildung eines niederen Sinnesorganes angesehen werden. Ob dies für die einfacheren Hörbläschen der meisten Wirbellosen gilt, ist zweifelhaft, vielmehr scheinen diese Or- gane aus Differenzirungen der Nervencentren entstanden. Auch für die Sehorgane wird ein mehrfacher Modus der Ent- stehung gelten. Wenn wir die früher häufig als Augen bezeichneten Pigmentflecke ausschliessen, und erst da ein Auge annehmen, wo eine bestimmt geformte Nervenendigung unter oder an der Körperoberfläche als lichtpercipirender Apparat erkannt werden kann, so treffen wir die einfachste Form als eine mit Pigment umgebene Endigung eines Nerven. Durch die lichtabsorbirende Eigenschaft des Pigmentes mögen unbe- stimmte Vorstellungen von Hell und Dunkel erzeugt werden , oder es erfolgen Erregungen, die von dem, was wir »Sehen« nennen, unendlich weit abliegend, wohl nur durch die Wärmestrahlen des Lichtes er- zeugt sind. Wenn die genannte Verwendung von Pigment eine mehr proble-r inatische ist, so stellt sie sich in bestimmteren Beziehungen dar, wo sie die stäbchenförmige Nervenendigung nur zum Theil umhüllt, so dass das äusserste Ende desselben frei bleibt, und damit allein der Lichl- wirkung ausgesetzt ist. Durch Vereinigung einiger oder auch vieler Nervenendigungen entstehen in verschiedenem Grade zusammengesetzte Sehorgane, deren die Lichtperception vermittelnde Elemente (Stäbchen) eine entweder convexe oder eoncave Schichte formiren. Eine andere Complication entsteht durch das Hinzutreten lichtbrechender Organe (Linsen) , die wieder ausserordentlich mannichfaltige Verhältnisse dar- bieten, immer aber, mittelbar oder unmittelbar, aus dem Integument hervorgehen. Bei den Augen mit convexer Oberfläche der Stäbchen- schichte sind sie in der Begel in einer der Zahl der percipirenden End- gebilde entsprechenden Summe vorhanden, während den Augen mit con- caver Stäbchenschichte eine einfache Linse zukommt. Indess zu dem Nervenapparate des Sehorgans noch andere, dessen Leistungsfähigkeit modificirende oder erhöhende Einrichtungen hinzutreten, wird aus dem Auge eines der complicirleslen Organe des Organismus. Auch bezüglich der Lagerung des Sehorgans am Körper gibt sich die Erscheinung der Differenzirung zu erkennen, indem in den niederen Abiheilungen die augenlragenden Körpertheile sehr wechselnd sind, und 46 Organe höherer Ordnung. auch die Zahl der Augen bedeutend schwankt. Daran schliesst sich das Vorkommen einer grösseren Zahl von Sehorganen an dem zum »Kopfe« sich ausbildenden vordersten Körpertheile, bis endlich an demselben Theile nur eine auf zwei beschränkte Augenzahl sich findet. Wie diese verschiedene Lagerung des Sehorganes eine gemeinsame Ererbung durch- aus umschliesst, so spricht sie zugleich für die selbständige Differenzi- rung der heterotopischen Organe aus einem indifferenten Apparate. f) Respiratorische Organe des Integumentes. (Haut-Kiemen.) § 40. Dem Inlegumente, und damit dem Ectoderm kommt eine wichtige Rolle für die Bildung der Organe der Athmung zu. Vor der Ent- stehung derselben wird der Gasauslausch durch die gesammle Ober- fläche des Körpers vollzogen und bei vielen niederen im Wasser lebenden- Tlu'eren findet diese Alhmungsweise statt. Theils durch die Ortsbewe- gung des Körpers, theils durch besondere Organe, z. B. die Wimper- haare, wird ein Wechsel des umgebenden Mediums bewerkstelligt, und immer neue Meißen desselben mit der athmenden Fläche in Contact gebracht. Ist dies auch nicht die einzige Art der Athmung niederer Thiere, da auch die Einfuhr von Wasser ins Innere des Leibes, so- wie die Bespülung des Darmcanals mit Wasser, gewiss nicht ohne Be- deutung ist, so ist sie doch als Ausgang einer grossen Beihe von Diffe- renzirungen von hoher Wichtigkeit. Mit einer Localisation der Function auf beschränktere Strecken der Körperoberfläche gewinnen diese in der genannten Bichtung eine besondere Ausbildung und gestalten sich in Compensation der Beschränkung der Localität zu blulführenden Fort- sätzen, welche man als Kiemen bezeichnet. In vielen Fällen ent- stehen diese aus einer Differenzirung der Gliedmaassen (Würmer, Cru- staeeen). Die fortgesetzte Ausbildung der Kiemen erscheint in einer Oberflächenvergrösserung, die auf die mannichfaltigste Art erreicht wird. Sie ist sehr häufig mit einer Beduction der Zahl der Kiemenbildungen im Zusammenhang zu finden. Die Bedeutung dieser Organe für den Körper ruft mancherlei Schutz- vorrichtungen der im niedersten Zustande frei auf der Oberfläche des Körpers vorragenden Kiemen hervor. Indem benachbarte Integumenl- l heile sich zu deckenden Lamellen erheben, werden die Kiemen in Höhlungen geborgen (Kiemenhöhlen), für welche dasselbe Integumenl wieder Zu- und Abllusseanäle des der Athmung dienenden Wassers herstellt (Mollusken, höhere Cruslenlhiere) . So beeinflusst die Aus- bildung dieser Athmungsorgane auch andere Theile des Integumentes, deren direcle Beziehung zur Athmung längst verloren gegangen ist. Excretionsorgane. 47 g) Excretionsorgane. § iL Wie in den Athmungsorganen die gasförmigen Auswurfstoffe aus dem Organismus abgeschieden werden, so bestehen auch Einrichtungen zur Abscheidung fester oder tropfbar flüssiger Stoffe, die für den Organismus unbrauchbar geworden sind. Das Ecloderm leistet auch diese Function bei niederen Organismen wohl in allgemeiner Verbreitung, in höheren Lebensformen dagegen sind besondere Organe, Drüsen, dafür thiilig. Von diesen im Allgemeinen als Secretionsorgane fungirenden Einrichtungen gehören nur jene speciell hieher, welche die Ausscheidung der Auswurfsstoffe besorgen, und die man als Excretionsorgane von denjenigen Drüsen unterscheidet, welche für den Organismus ver- wendbare Stoffe absondern, und entweder selbständig oder mit be- stimmten Organsystemen vereinigt sind, und dann als Differenzirungen der letzteren sich darstellen. Von den unter Betheiligung des Ectoderms gebildeten Absonderungs- organen wird die Excretnatur des Absonderungsproductes am wenigsten bezweifelt werden dürfen , da letzteres mit der Entleerung der Drüse auf directem Wege aus dem Organismus entfernt wird. Unter mannichfaltigen, auf die Oberfläche des Körpers ausmünden- den Drüsenorganen erlangt eine Kategorie eine allgemeinere Bedeutung. Sie umfasst die Nierenartigen Excretionsorgane, welche die stickstoffhaltigen Auswurfstoffe aus dem Körper abscheiden. Wenn diese Organe schon bei Würmern in ihrer scheinbar einfachsten Form weit im Leibe des Thieres sich verbreiten, so ist ihre Genese doch nur von Hautdrüsen ableitbar. Dies wird auch dadurch nicht geändert, dass in vielen Fällen (Anneliden, Mollusken) das auch sonst sehr modificirle Organ so zwischen der Leibeshöhle und dem umgebenden Medium einen Verbindungsweg herstellt, der in manchen Abtheilungen (Mollusken) sogar zur Einfuhr von Wasser benutzt wird. Bei anderen (Bingelwürmer) sind diese Organe in röhrenartiger Gestalt der Geschlechtsfunction dienst- bar und fungiren bei Ausleilung der Producte derselben. Aus der Wieder- kehr dieser Function für einen Theil des primitiven excretorischen Appa- rates (Urniere) der Wirbellhiere könnte auf eine Vererbung aus einem niederen Zustande geschlossen werden. Dem stellt sich aber vorerst die Verbindung jenes Apparates, nicht mit dem Inlegumenle, sondern mit dem Darmrohr entgegen, eine Thatsache die einigcrmaassen nur dadurch aufgewogen wird, dass die erste Anlage der Urniere (Urnieren- gang) nicht von dem Darm aus, sondern ganz selbständig und unab- hängig davon, von einer unmittelbar unter dem Ectoderm gelegenen Parthie des Mesoderms her erfolgt. In wiefern darin etwa eine ur- sprünglich gänzliche Trennung jenes Urnierenganges vom Darme erkannt werden kann, ist noch nicht bestimmbar. 48 Organe höhprer Ordnung. h) Darmcanal. § 42. Die Aufnahme der Nahrungsstoffe in den Körper wird bei einem Theile der niedersten Organismen durch endnsmotische Vorgänge ver- mittelt, bei denen der Körperoberfläche die Hauptrolle zukommt. Bei anderen findet die Aufnahme fester Nahrung statt, indem das weiche, Pseudopodien entsendende Protoplasma in die Nähe des Körpers ge- langende NahrungssloH'e umschliessl (Rhizopoden) . Die Bildung einer bestimmten , zur Nahrungsaufnahme dienenden Stelle der Körperober- fläche ist zwar ein Schritt zur organologischen Sonderung (Infusorien), aber indem von diesem oft sehr bedeutend differenzirten Munde aus die Nahrungsstoffe wieder in das das Innere des Körpers vorstellende Proto- plasma gelangen, liegt hier noch keineswegs die Sonderung eines Darm- canals vor. Erst mit der Differenzirung des Körpers in Zellenmassen bildet die innere einen nach aussen geöffneten Hohlraum umgrenzende Lage als E n toder m die Wandung einer gesonderten verdauenden Cavität. In der einfachsten, in der Gastrula repriisentirten Form ist das Entoderm die einzige Wandung der primitiven Darmhöhle. Die Entstehung eines Mesoderms lässl zu dieser aus Zellen bestehenden Entodermschiehte noch andere Schichten von aussen hinzutreten, von denen eine Muskel- schichte die wichtigste wird, denn durch sie wird der Darm zu selb- ständigeren Aclionen befählet. Die in den Darmschlauch führende Oeffnung dient — als Mund — zur Aufnahme der Nahrungsstoffe sowie sie auch unverdauten Resten der Nahrung zur Ausvvurfsöffnung wird. (Cölenleraten , viele Würmer). Das Auftreten einer Afteröffnung ruft eine fernere Trennung der Functionen hervor, und verwandelt den blind geendigten Darm in ein an zwei Enden offnes Rohr, dessen einzelne Abschnitte verschiedene Verrichtungen übernehmen, und damit differenle Anpassungen eingehen. Der erste mit dem Munde zusammenhängende Abschnitt bildet eine zur Einleitung der Nahrung dienende Speise- röhre, denn erst der folgende meist erweiterte oder mit Blindsäeken ausgestaltete Abschnitt bildet die eigentlich verdauende Cavität, den Magen, und der Endlheil des ganzen Apparates besorgt weitere Ver- änderung der Nahrungsslofie sowie Ausleitung der Speisereste, indem er sich mit dem After nach aussen öffnet. Mit dieser Dillerenzirung des Darm roh res in einzelne unsloichwerthise Abschnitte ist die he- deuten dste Complicalion gegeben , welcher fernere Dill'erenzirungen untergeordnet sind. Ausser wechselnden und ausserordentlich mannieh- faltigen Grössen Verhältnissen der einzelnen Abschnitte entstehen am Darmrohre noch verschiedene Vorrichtungen, die entweder auf besondere neue Leistungen berechnet sind, oder nur eine fernere Arbeitsteilung Darmcanal. 49 ausdrücken. Organe zum Ergreifen oder zum Zerkleinern der auf- genommenen Nahrung — Kauwerkzeuge — verbinden sich mit dem Munde, oder zeichnen einen Abschnitt der Speiseröhre aus. Auch im Magen sind solche Kauorgane zuweilen angebracht. Wo sie meist dicht hinter der Mundöffnung im Anfange der Speiseröhre sich finden, wird dieser Abschnitt häufig durch stärkere Musculatur ausgezeichnet, und als Schlundkopf oder Pharynx unterschieden. Die Vergrösserung des Binnenraumes des Darmcanals bewirken Erweiterungen oder blindsackförmige Ausbuchtungen. Im Verlaufe der Speiseröhre entstehen Kropfbildungen, am Magen Blindsäcke, am übrigen Darme Blinddärme (Coecaj in mannichfaltiger Com- plication in der Zahl und Anordnung. Uebertriffl die Länge des Darm- canals jene des Körpers, so ordnet er sich in Form von auf- und ab- steigenden Schlingen oder von Spiraltouren, und passt sich so dem Umfange der ihn bergenden Leibeshöhle an. Für alle diese Verhältnisse ist die aufgenommene Nahrung sowohl hinsichtlich ihrer Quantität als Qualität von grösstem Einflüsse. Sie sind somit gleichfalls von An- passungen ableitbar. Zur Bethätigung des Verdauungsprocesses im Allgemeinen stehen mit dem Darmcanale Absonderungsorgane in Verbindung, deren Pro- ducte auf die Nahrungsstoffe lösend , chemisch verändernd einwirken. Solche Drüsen sind bald über den ganzen Darmcanal verbreitet, bald zeichnen sie nur bestimmte Abschnitte aus. In der einfachsten Form sind sie von der Darmwand noch nicht differenzirt und dann häufig keine selbständig abgegrenzten Theile. Die von der Darmwand ge- sonderten werden vornehmlich in zwei Abtheilungen unterschieden. Eine davon stellt die in die Mundhöhle oder in die Nähe derselben ausmündenden Drüsen vor, die man als Speicheldrüsen bezeichnet. Eine andere Gruppe findet sich an dem der Verdauung dienenden Ab- schnitte, und wird als gallebereitender Apparat, Leber, angesehen. Es ist wohl zu beachten, dass die Bezeichnungen solcher Organe mit Namen, welche von den physiologisch genauer gekannten Organen höherer Organismen hergenommen sind, nur als hypothetische gelten können, da von einer physiologischen Erkenntniss der meisten Organe niederer Thiere noch keine Bede ist. Das gilt vorzüglich von den meist gefärbt erscheinenden Epithelien des Darmes, die man häufig als »Leber« zu bezeichnen pflegt. Mit der verdauenden Cavität ist dieses Organ in Form eines Epithels bei den Cölenteraten, manchen Würmern und auch bei den Insecten verbunden, bis es sich auf bestimmte blindsack- arlige Anhänge des Darmcanals beschränkt, und somit den ersten Grad von Selbständigkeit aufweist. Die Leber erscheint dann entweder in Form zahlreicher dem Darmcanal in grösserer Ausdehnung besetzenden Follikel, oder sie bildet grössere Drüsencomplexe, welche bald zerstreut, bald vereinigt in den Darmcanal einmünden. Die Differenzirung der Leber läuft also auf eine allmähliche Ablösung des Organes vom Gegenbaur, Grnndriss. 4 50 Organe höherer Ordnung. Darme hinaus , so dass es am Ende dieser Reihe nur durch seine Ausführgänge mit dem Darmeanal verbunden ist (höhere Mollusken, Wirbelthiere) i Respiratorische Organe des Darmes, § *3. Die sämmllichen vorhin aufgeführten Differenzinmsen des aus dem Entoderm gebildeten primitiven Darmes betrafen nach dem Principe der Arbeitsteilung entstandene, auf die Aufnahme und Verdauung der Na hrunss Stoffe bezügliche Orsane, welche den Darm keine wesentlich neue Verrichtung leisten lassen. Eine solche erscheint mit der respi- ratorischen Bedeutung des Darmes. Ob diese bereits in der primitiven Darmform bestehe, ist nicht festzustellen, doch bleibt es wahrschein- lich, da das Entoderm ebenso vom umgebenden Medium bespült wird, wie die äussere Schichte des Körpers. Bestimmter wird dieses Ver- hältniss durch die Wahrnehmung eines regelmässigen Einslrömens von Wasser in den Enddarm wie bei manchen Würmern und Mollusken. Diese Erscheinung weist einfach auf die respiratorische Function des Darmes, hat aber direct nichts mit der Entstehung aus dem Darmrohr sich sondernder Athmungsorgane zu thun. Die Bildung eines Respirationsorganes erfolgt am vordersten Ab- schnitte des Darmes, dessen Wände von seitlichen Oeffnungen durch- brochen durch ihre Beziehungen zum Gefässsystem respiratorische Be- deutung empfangen. Diese schon in niederen Abtheilungen auftretende Einrichtung wiederholt sich bei den Wirbelthieren. An den Wandungen der Spalten dieses Vorraums des Darmes entstehen Forlsätze, und da- mit bildet sich ein Kiemenbesatz an den Oeffnungen aus, durch welche jener Raum nach aussen communicirt. Ein Theil des ursprüng- lichen Darmrohrs wird dadurch zu einem besonderen Abschnitte um- gewandelt und bildet eine respiratorische Ca vi tat, an deren hinterem Ende das ausschliesslich der Ernährung dienende Darmrohr beginnt. Eine andere Form von Athmungsorganen sondert sich aus der Darm- wand in Gestalt divertikelartiger Ausbuchtungen an einem vordem Ab- schnitte des Darmes. Dieser Anhang des Darmes wird mit Luft gefüllt, und hat bei den Fischen als Schwimmblase wohl nur eine hydrosta- tische Bedeutung. Mit einer Veränderung der Kreislaufsverhältnisse allmählich zu einem Athmungsorgane umgewandelt gehen daraus die Lungen hervor, an deren Einführwegen in den höheren Abtheilungen der Wirbelthiere wiederum neue Organe, jene der Stimmerzeugung sich ausbilden. Fortpflanzungsorgane. 51 k Fortpflanzungsorgane. § **• Die Erscheinung der Vermehrung des Individuums steht ursprüng- lich mit der Ernährung in engem Zusammenhange. Indem durch die letztere das Wachsthum des Körpers und damit eine Volumvergrösse- rung bedingt wird, geht daraus ein Zustand hervor, in welchem der Organismus das ihm in Ueberschuss zügeführte Ernährungsmaterial zum Hervorbringen eines neuen Individuums verwendet. Wie bei den Elementarorganismen dieser selbe Process mit einer Sprossenbildung beginnt urtd mit einer Theilung des Körpers abschliesst, so bilden jene Vorgänge auch für die niederen Formen der Fortpflanzung ver- breitete Erscheinungen. Je nach der Quantität des von einem be- stehenden Organismus zur Bildung eines neuen verwendeten Materiales entstehen wieder mehr oder minder verschiedene Vermehrungs weisen. Diese in den unteren Abtheilungen des Wirbellosen sehr verbreitet vorkommenden Vermehrungserscheinungen der Sprossung, Knospung und Keimbildung besitzen theihveise Beziehungen aur geschlechtlichen Differenzirung, die bereits bei den Protisten auftritt. Sie leitet sich von einem Zustande ab, in welchem zwei gleichartige Keimzellen zu einem sich dann weiter entwickelnden Organismus verschmelzen. Aus einem fernerhin ungleichen Verhalten der beiden sich verbindenden Keimzellen entspringt die Sonderung beider in Eizelle und Samen- zelle, welche durch das ganze Thierreich mit zahlreichen, besonders die Samenzelle betreffenden Modilicationen die Formelemente der ge- schlechtlichen Zeugungsstoffe vorstellen. Die geschlechtliche Fort- pflanzung stellt also nur in einem scheinbaren Gegensatz zur un- geschlechtlichen. Als Bildungsstätte der Zeugungsstoße erscheint in dem niedersten Zustande das Entoderm (Gölenteraten) , welches sich da- durch in neuer Bedeutung zeigt. In den höheren Abiheilungen liefert das Mesoderm die Anlage , das Bildungsmaterial für jene Elemente, und es bleibt vorerst noch fraglich , ob hierin ein fundamental neues Verhallen zu erkennen ist, oder ob jene Beziehung nicht von der se- cundären Natur des Mesoderms sich ableitet. Im einfachsten Falle bilden sich die beiden Zeugungsstoffe an be- sonderen, aber noch nicht durch eigene Vorrichtungen ausgezeichneten Körperstellen, die dann als Geschlechtsorgane fungiren. Diese erscheinen meist in der Form von Drüsen (Keimdrüsen). Die samen— erzeugenden Organe nennt man Hoden, die eierzeugenden Eier- stöcke, Ovarien. Einen Schritt weiter gehend, treffen wir die Keimdrüsen noch mehr differenzirt; während im einfachsten Zustande die Produete jener Organe entweder in den Darm oder in die Leibes— 4 * 52 Organe höherer Ordnung. höhle des Thieres, oder auch unmittelbar nach aussen gelangen, wobei sie sich blos von ihrer Bildungsstätte abzulösen hatten , so treten all- mählich oft in sehr complicirter Weise gestaltete Ausführwege hinzu. Für die samenerzeugenden Organe bilden sich an den Ausführgängen (Samenleiter; Behälter, welche zur Ansammlung des Sperma dienen, aus der Wand dieser Canäle differenziren sich Drüsen, welche eine dem Sperma sich beimischende Flüssigkeit absondern, endlich entstehen Vor- richtungen , welche das Sperma in die anderseitigen Apparate über- tragen, Organe der Begattung. Nicht minder verschieden stellen sich die Differenzirungen des eibildenden Organes dar: der Ausführgang (Eileiter, Oviduct) des Eierstockes ist mit Erweiterungen ausgestattet, in welchem die Eier bald besondere Umhüllungen erhalten, bald sich weiter entwickeln. Man bezeichnet diese Abschnitte der Ausführwege als Uterus, Fruchthälter. Besondere Drüsen entstehen als » Dotterstöcke « aus den Keimdrüsen und liefern bald eine vom Ei verwendete Sub- stanz, bald blosses Hüllmaterial. Anhangsgebilde nehmen den bei der Begattung übertragenen Samen auf, stellen Beceptacula seminis vor, und endlich dienen wieder andere Theile zur Aufnahme des Beaattungs- organes, oder zur Absetzung oder Aufbewahrung der Eier. Das Verhalten der ei- und samenbereitenden Organe zu einander zeigt sich sehr verschiedenartig, und muss gleichfalls vom Standpuncte der Differenzirung aus beurtheilt werden. In den unteren Abtheilungen sind beiderlei Organe mit einander vereinigt, zuweilen sogar derartig, dass zur Production von Samen und Eiern ein und dieselbe Drüse (Zwitlerdrüse) thätig ist. Auch die Ausführwege sind viellach ganz oder theilweise gemeinsam. Bei anderen Zuständen ist die Keimstätte nach beiderlei Producten getrennt, Hoden und Eierstöcke existiren als discrete Organe, bei denen nur die ausführenden Apparate auf verschieden langen Strecken vereinigt sind , oder jeder von ihnen besitzt seine besondere Ausmündung. Beiderlei Zeugungsorgane in sich vereinigende Thiere bezeichnet man als Zwitter, Hermaphro- diten. — Eine Trennung erscheint nicht selten in der zeitweise wechselnden Thätigkeit der Organe vorbereitet, indem bald nur die einen, eibildenden, bald die andern, samenerzeugenden, in Func- tion sind Da der hermaphroditische Zustand den niederen vorstellt, so ist die geschlechtliche Trennung von ihm aus abzuleiten. Diese Aende- rung erfolgt durch Verkümmerung des einen oder des anderen Appa- rates , so dass die Zwitterbildung für die Trennung der Geschlechter die Unterlage abgibt. Diese Differenzirung durch einseitige Bückbildung muss für die verschiedenen Ausbildungszustände slatuirt werden, so dass sie nicht blos für an sich niederstehende Organe auftritt. Die Ontogenie zeigt nämlich an sehr hoch sich ausbildenden Apparaten eine primitive Vereinigung von beiden Geschlechtsorganen und lässt das Individuum auf einem gewissen Enlwickelungsstadium mit herma- Leibeshöhle und Gefässsystem. 53 phroditischer Anlage erscheinen. Die geschlechtliche Trennung beein- flusst mit ihrem Vollzuge den gesammten Organismus, indem sie für jedes Geschlecht eine Reihe von Umänderungen hervorruft, die selbst bei ursprünglich der Geschlechtsfunction ferne stehenden Organen sich kund gehen. Mit einer Vertheilung von beiderlei Organen auf verschiedene In- dividuen vollendet sich die geschlechtliche Differen z irung. Es sind nunmehr behufs der Fortpflanzung nicht nur zwei differente Zeugungsstoffe, Samen und Eier, nicht blos zwei verschiedene, jene bildenden Apparate erforderlich, sondern es sind zwei Individuen not- wendig, die man als männliche und weibliche unterscheidet. Leibeshöhle und Gefässsystem. § «. Die durch die Verdauung bereiteten, zur Ernährung des Körpers dienenden Stoffe werden bei den feste Nahrung aufnehmenden Abtheil- ungen der Protisten von den verdauenden Hohlräumen aus einfach im Protoplasma des Körpers vertheilt. Mit der Bildung eines discreten Darmschlauches findet dieser Vorgang durch die Wandung des letzteren direct in das Parenchym des Körpers statt, so dass vom Entoderm her das Mesoderm und Ectoderm mit den von ihnen differen zirten Organen ernährt werden. Diese Verhältnisse sind nur für Cölenteraten und einige Abtheilungen der Würmer charakteristisch. Bei vielen anderen geht im Mesoderm eine Sonderung vor sich, die entweder durch das Auftreten canalartiger Hohlräume, oder durch eine gänzliche Spaltung des Mesoderms in eine äussere dem Ectoderm und eine innere dem Entoderm sich anschliessende Platte sich ausspricht. Zwischen dieser dermalen und gastralen Schichte des Mesoderms findet sich die Leibes- höhle oder perienterische Höhle (Cölom, Häckel), in der ein Fluidum, das als ernährende Flüssigkeit anzusehen ist, sich ansammelt. Finden sich Formelemente in derselben , so werden sie von Zellen des Mesoderms abzuleiten sein. Diese Flüssigkeit dient noch nicht aus- schliesslich der Ernährung, sie wirkt ebenso bei der Locomotion, indem sie nach dem Willen des Thieres einzelne Theile des Körpers zu schwel- len vermag. Dabei kommt auch dem in den meisten dieser Fälle von aussen her in die Leibeshöhle aufgenommenen Wasser eine wichtige Rolle zu. Die Bewegung des Fluidums im allgemeinen Leibeshohlraume wird anfänglich durch die Bewegungen des Körpers vermittelt. Gontractionen und Expansionen der Körperwand unterweifen die vom Hautmuskei- schlauch umschlossene Flüssigkeit einem beständigen Ortswechsel, der als die niederste Form eines Blutumlaufs betrachtet werden kann. Niedere Würmer bieten hiefür Repräsentanten. Die Bahn hat hier weder 54 Organe höherer Ordnung. selbständige Wandungen . noch besitzt sie besondere den Umlauf re- gulirende Vorrichtungen. In manchen Abtheilungen bleibt es bei der Bildung dieser Leibes- höhle (Bryozoen) ; bei anderen entstehen canalarlige Höhlungen, die in regelmässiger Anordnung als Gefässe erscheinen, und fernere Com- plicirungen eingehen können. Ihr Inhalt stellt die Blutflüssigkeit vor (Nemertinen). Tritt hiezu noch die Bildung einer perienterischen Höhle, so ist das theilweise in sie eingelagerte Gefässsystem entweder voll- ständig von letzterem abgeschlossen (viele Anneliden) , oder es steht mit ihr an einzelnen oder vielen Stellen im offenen Zusammenhang (Mollusken, Arthropoden, Wirbelthiere . Letzteres Verhalten wird vor- aussetzen , dass die Gefässräume als Abschnitte der Leibeshöhle ent- standen, während im ersteren Falle die Entstehung der Leibeshöhle erst nach der Gefässbildung erfolgt ist. Die Bildung der Leibeshöhle ist daher hier als ein secundärer Vorgang zu betrachten , und die Hohl- raumbildung im Mesoderm ist in zweifacher Weise erfolgt, das erste Mal zur Entstehung der Blutgefässe, das zweite Mal zu jener der Leibes- höhle hinführend. § 46- Einzelne Abschnitte des die Blutbahn vorstellenden Hohlraum- systems bilden sich durch Entwicklung von Musculatur in ihren Wän- den zu contractilen Gefässen aus. Indem diese durch rhythmische Thätigkeit das regelmässige Zu- und Abströmen des Blutes bewerk- stelligen, entsteht der erste circulatorische Apparat. Die Richtung des Blutstroms ist damit noch keine constante, und derselbe kann bald nach der einen, bald nach der andern Seite getrieben werden. Die durch besondere Contractilität ausgezeichneten Abschnitte des Gefässsystems sind bald in ausgedehnterem Maasse vorhanden, bald auf kürzere Stellen beschränkt. Sie erscheinen als die Anfänge einer Herzbildung. Das Herz ist somit ein aus der Blutgefässbahn ditferenzirtes Organ , welches in der einfachsten Form einen Abschnitt der Ge- fässe vorstellt, der nach beiden Richtungen seinen Inhalt fortbe- wegen kann. Erst mit dem Auftreten von Klappen an den Ostien des Herzschlauchs bildet sich eine Beständigkeit in der Richtung aus, und dabei complicirt sich auch der Bau des Herzens, der durch Theilung des Binnenraums in einzelne Abschnitte (Kammern und Vorkammern) sich weiter vermannichfacht. Solche contractile Bil- dungen erscheinen häufig als die einzigen differenzirten Theile des vom Leibeshohlraume vorgestellten Blutgefässsystemes. Das Blut gelangt aus dem Herzen entweder sofort in lacunenartige, zwischen den verschie- denen Organen befindliche Abschnitte der Leibeshöhle, und von diesen wieder zum Herzen (Arthropoden), oder es sind vom Herzen ausgehende bestimmte Gefässe vorhanden, welche bald an Stelle der Hohlräume Ausbildung der Organe. 55 den Körper durchziehen, bald nur theilweise die Iacunäre Bahn ver- treten, indem sie nicht bis zum Herzen zurück in Gefässe sich fort- setzen, sondern unmittelbar in Lacunenbildungen übergehen. Der letztere Fall zeigt den Leibeshohlraum noch als einen Abschnitt der Blutbahn, die nur theiiweise durch wahre Gefasse vorgestellt wird (Mollusken). Bei vollkommener Ausbildung der Gefässbalm in Ver- bindung mit einer Differenzirung des Herzens gliedert sich das Gefäss- System in drei Abschnitte. Der vom Herzen ausführende, das Blut im Körper vertheilende Abschnitt wird als der arterielle bezeichnet, die Gefasse heissen Arterien. Der das Blut zum Circulationscentrum zurückleitende Weg wird durch die Venen vorgestellt, und den zwi- schen den zu- und ableitenden Gefässen liegenden Bahnabschnitt bildet ein Maschenwerk feinster Canälchen (Ca pillaren). Sehr häufig wird dieser intermediäre Abschnitt durch ein Lacunensystem ersetzt, wobei dann auch die venösen Bahnen zum grossen Theil der besonderen Wandungen entbehren. 'n*- Ausbildung der Organe. § 47. Der mit der fortschreitenden Differenzirung der einzelnen Organe an diesen sich äussernde Zustand erscheint als eine Complication der- selben, durch welche in einer ihrem Grade entsprechenden Weise das Organ vom primitiven Zustande sich entfernt. Indem der letztere den niedern Zustand vorstellt, leitet die Differenzirung eine einem höheren Zustande entsprechende Vervollkommnung ein. Diese erhellt aus dem der Differenzirung zu Grunde liegenden , schon oben (S. I 4) er- örterten Principe der Arbeitstheilung, demzufolge eine Leistung um so vollkommener geäussert werden kann, je exclusiver das Organ sich dazu verhält. Je mehr ein Organ in einer einzigen Bichtung thätig ist, desto günstiger sind für es die Bedingungen der Ausbildung in dieser Bichtung, weil von anderseitigen Anforderungen keine Concurrenz be- steht. Eine Gliedmaasse die zugleich Kieme ist, also locomolorische und respiratorische Function in sich vereinigt, w ird einen niederem Zu- stand vorstellen als eine aus der Scheidung der beiden Functionen hervorgehende Einrichtung, wo ein von der Gliedmaasse abgelöster Theil die Kieme, der übrige das Bewegungswerkzeug repräsenlirt. Im ersteren Falle ist die Locomotion für die Bespiralion erforderlich, im letzteren Falle dagegen bestehen beide von einander unabhängig, die Respiration wird ohne Locomotion vollzogen, wobei besondere den Wasserwechsel besorgende, somit die Locomotion in dieser Hinsicht er- setzende Organe sich ausbilden. An beiden Organen ist damit die für die einseitige Weiterbildung nölhige Selbständigkeit gegeben. Der durch die Differenzirung auf die Ausbildung wirkende Factor 56 Organe höherer Ordnung. muss in der im Kampfe ums Dasein gesteigerten oder modificirten Lei- stung des Organes, also in Anpassung an äussere Lebensbedingungen gesucht werden, wobei auch der Vererbung eine Bedeutung zukommt. Durch letztere wird nämlich nicht blos eine Fortsetzung der erworbenen Charaktere bedingt, sondern es vermag durch sie auch eine Steigerung derselben erzielt werden. Rückbildung der Organe. § 48- Eine von der Differenzirung abhängige, weil sie voraussetzende gesetzmässige Erscheinung ist die Rückbildung oder Reductiom Ihr Resultat ist an sich das Gegentheil des Resultates der Differenzirung. Letztere liefert Complicalionen des Organismus, die Reduction dagegen Vereinfachungen, und lässt damit Organe oder Organismen wieder auf relativ niedere Stufen zurücktreten. In Beziehung auf den Gesammt- organismus und das Verhalten desselben zu anderen, leistet die Re- duction jedoch ähnliches wie die Differenzirung, indem sie zur Mannich- faltigkeit der Formzustände beiträgt. Sie kann entweder nur einzelne Einrichtungen des Körpers, oder grössere Organcomplexe, oder endlich den ganzen Körper betreffen, zeigt daher, wie die Differenzirung, sehr verschiedene Grade. Ver- schieden ist sie wieder, je nachdem sie sich am Individuum, oder an der Art, oder an der Gattung äussert. Dort wird sie als ein Process, hier nur als ein Zustand wahrzunehmen sein, welch' letzteren man nur durch Vergleichungsreihen verwandter Formen in die einzelnen Stadien eines Vorganges zerlegen kann. Hinsichtlich der ihr unterliegenden Organe sind zweierlei Verhältnisse zu unterscheiden. Das der Rück- bildung unterworfene Organ kann ausserhalb der Summe von Einrich- tungen stehen, welche dem bezüglichen ausgebildeten Organismus zu- kommt, und besitzt dann nur eine vorübergehende, provisorische Bedeutung. Solche im Verlaufe der Entwickelung liegende Reductionen können an sich Vereinfachungen hervorbringen, indem aber die gleich- zeitig an anderen Theilen stattfindende Differenzirung wieder neue höhere Organe schafft, ist jene Rückbildung kein den Organismus niederhalten- des Moment, vielmehr gibt sie für das Umsichgreifen einer anderen Richtung der Differenzirung eine Redingung ab. Hieher gehören die Rückbildungen der Attribute gewisser Entwickelungszustände des In- dividuums (Larvenorgane). (Vergl. § 5.) Die andere Art der Rückbildung betrifft Organe , die dem ausge- bildeten Organismus "oder seiner Anlage angehören. Sowohl das be- reits gebildete, in voller Function erscheinende, als das erst angelegte, primär differenzirte Organ kann ihr unterliegen, und dadurch wird der Rückbildungsprocess in verschiedenem Maasse deutlich. Wird nur das Rückbildung der Organe. Correlation. 57 angelegte Organ betroffen, so liegt der Vorgang oft schwer erkennbar zwischen den am übrigen Organismus Platz greifenden Differenzirungs- processen. Dagegen muss der Process um so prägnanter erscheinen, je mehr die Differenzirung bereits vorgeschritten oder vollendet war. Die Reduction eines Organes steht in nothwendigem Zusammen- hang mit der Function, deren Aenderung als das die Rückbildung be- dingende Moment gelten muss. Die Aussergebrauchstellung eines Or- gans ruft dessen regressive Veränderung hervor, wobei man sich frei- lich die erstere ebensowenig als nur vorübergehend, wie die letztere als plötzlich oder rasch auftretend vorzustellen hat. Wenn auch durch die Reduction im Ganzen eine Vereinfachung der Organe und damit auch des Organismus hervorgerufen wird , so ist dadurch noch keine den Organismus auf eine absolut tiefere Stufe führende Erscheinung gegeben. Vielmehr kann die Reduction, ähnlich wie sie bei Entfernung der Larvenorgane eine höhere Differenzirung möglich macht, auch für ganze Reihen von einander abstammender Organismen höhere Formen schaffen, indem sie das übrig bleibende sich selbständiger entwickeln lässt. Hier gilt wieder die Reduction als Vorbereitung der Differenzi- rung. Vorwiegend betrifft sie die Zahlenverhältnisse der Theile , die mit der Verminderung sich individuell vervollkommnen. Da die Rückbildung als ein allmählich sich äussernder Process er- scheint, treten die davon betroffenen Organe uns in verschiedenen Sta- dien entgegen. Diese rudimentären Organe werden für die ver- gleichende Anatomie zu bedeutungsvollen Fingerzeigen für den Nachweis verwandtschaftlicher Beziehungen, und lehren zugleich, wie ein Organ auch ohne die ihm ursprünglich zukommende Function, ja sogar häufig ohne eine für die Zwecke des Organismus verständliche Bedeutung sich noch längere Zeit forterhält, ehe es völlig verschwindet. Die Rückbildung kann jedes Organsystem treffen , und an jedem Beslandtheil eines solchen sich kundgeben. Sie äussert sich ebenso an der Form wie am Volum und der Zahl der Theile, und trifft nicht minder die Texturverhältnisse. Die Bedingungen dazu sind zunächst in Verhältnissen zu suchen, die ändernd auf den Organismus einwir- ken. Je nach der Summe der betroffenen Organe wird die Reduction mehr oder minder am ganzen Organismus sich kundgeben. Correlation. § 49. Die Differenzirung wie die Reduction bedingen in den ihnen zu Grunde liegenden Causalmomenten eine neue Erscheinungsreihe, in wel- cher wir die Kundgebung eines höchst wichtigen Gesetzes sehen. Wie schon aus dem Begriffe des Lebens als der harmonischen Aeusserung einer Summe geselzmässig- sich bedingender Erscheinungen hervorgeht, 58 Systematische Gliederung des Thierreiches. kann keine Thätigkeit eines Organs in Wirklichkeit für sich bestehend gedacht werden. Jegliche Art von Verrichtung setzt eine Reihe ande- rer Verrichtungen voraus, und so muss auch jedes Organ innige Be- ziehungen zu den übrigen besitzen und von den andern abhängig sein. Dieses zuerst von Ctjyier naher begründete, und als Correlation bezeichnete Verhalten bahnt uns den Weg, auf welchem wir zu einer richtigen Auffassung des thierischen Organismus gelangen können. Vor Allem stellt sich hier obenan die Würdigung des Organismus als eines TD tj O individuellen Ganzen, das ebenso durch seine Theile bedingt ist, wie ein Theil den andern voraussetzt. Die Correlation ist eben darum ein notwendiger Austluss dieser Auffassung. Sowohl die Einrichtungen im Grossen, als auch die anscheinend untergeordneiern Zustände der Organisation zeigen ihre Wechselbe- ziehung zu einander, und eine an einem Organsysteme gesetzte Ver- änderung ruft gleichzeitig an einer verschieden grossen Anzahl anderer Apparate Modificationen hervor. Diese sind also Anpassungen an Veränderungen, die wieder aus Anpassungen hervorgegangen sein kön- nen. Sie sind jedoch secundärer Natur, während jene die primären vorstellen, deren Quelle in der Aussenwelt zu suchen ist. Man kann diese Wechselbeziehung oder Correlation in nähere und entferntere theilen, davon die erstere an einem Organsystem oder den damit functionell zusammenhängenden anderen Organsystemen sich äussern, indess die letztere an den functionell weiter abstehenden Orga- nen zur Erscheinung kommt. In der Beurtheilung der Correlation leiten wesentlich physiologische Principien, es ist daher zu ihrer Erkenntniss die Kenntniss der Leistungen der einzelnen Organe oder doch die Schätzung ihres Werthes für die Oekonomie des Thierleibes unerläss- lich. Ebenso ist von Wichtigkeit die Bekanntschaft mit den äusseren Lebensverhältnissen des Thieres, weil aus dieser sich die ursächlichen Momente ergeben, auf welche ganze Reihen von Beziehungen der Or- gane sich stützen. Indem so die bestimmenden Momente für die Veränderungen des Organismus ausserhalb des letztern liegen oder doch zum grossen Theile dort zu suchen sind, entziehen sie sich unserer Aufgabe. Systematische Gliederung des Thierreiclies. § 50. In der Gesammtorganisation jedes Thieres erkennt man eine An- zahl von Einrichtungen, welche es mit einer verschieden grossen An- zahl anderer Thiere gemeinsam hat. Diese Verhältnisse sind theils allgemeiner Natur, betreffen die Lagerungsbeziehungen der wichtigsten Organsysteme oder die Anordnung der letzteren selbst, theils finden Systematische Gliederung des Thierreiches. 59 sie sich in specieller Ausführung der einzelnen Organe gegeben, und gehen da bis zu Uebereinslimmungen der Form-, Volum- und Zah- lenverhältnisse herab. Der ordnende Geist des Menschen hat für diese Beziehungen der Organismen zu einander bestimmte Begriffe geschaffen, indem er die Summe aller sich im Wesentlichen gleich verhaltenden Individuen als Art bezeichnete, die durch eine Anzahl von Einrichtun- gen einander ähnlich erscheinenden Arten zur Gattung vereinigte und endlich diese wieder in grössere Abtheilungen, zu Fami- lien, Ordnungen und C lassen verband. Daraus entstand das zoologische System, welches auf Erkennung und Verbindung des Uebereinstimmenden, Unterscheidung des Getrennten beruhend, sich als der Ausdruck der Gesammterkenntniss des Thierreiches ergibt. So lässt sich das gesammte Thierreich in eine Anzahl von grösse- ren Abtheilungen bringen, deren jede durch eine Summe von Eigen- thümlichkeiten von der anderen verschieden ist. Der daraus resulti- rende Charackter zeigt sich durch alle Unterabtheilungen und lässt sich selbst bei grossen Verschiedenheiten des Einzelnen noch erkennen. Dies hat man als »Typusa bezeichnet. Typus bedeutet also eine Summe am Organismus sich äussernder Charaktere, die innerhalb einer grössern Abtheilung des Thierreiches herrschend sind, indem sie so- wohl im Laufe der Entwicklung als im ausgebildeten Zustande sich aussprechen. Danach sind solch' grössere, von anderen durch gewisse Grundzüge der Organisation verschiedene Abtheilungen selbst als »Ty- pen« bezeichnet worden. Innerhalb jedes Typus bemerken wir an den ihn zusammensetzen- den Abtheilungen eine Variation der Einrichtungen, so zwar, dass nicht selten gerade das für den Typus Charakteristische in einzelnen Formen verloren zu gehen scheint. Dann ist es immer die Ontogenie, welche den Zusammenhang der betreffenden Organismenformen mit dem »Tv- pus« erkennen lässt. Wenn wir wissen, dass die Uebereinstimmung der Organisation in verschiedenen Individuen sich aus der gemeinsamen Abstammung erklärt, dass also jene Uebereinstimmungen auf einer Vererbung beruhen, so werden wir entferntere Aehnlichkeiten auch auf Rechnung einer entfernteren Verwandtschaft setzen müssen. Die einer Art (Spe- cies) angehörenden Individuen betrachten wir somit als näher unter einander verwandt, als die Repräsentanten verschiedener Arten, und innerhalb der Art werden wieder die durch einzelne Besonderheiten ausgezeichneten Individuen, die man als Unterart (Subspecies) zu ver- einigen pflegt, gleichfalls von gemeinsamen Eltern abzuleiten sein. Diese innerhalb kleinerer Kreise sich kundgebende Erscheinung, dass die Eigenthümlichkeiten der Organisation sich durch Vererbung auf andere Individuen fortsetzen, in dieser Weise anzuerkennen, trägt Niemand Bedenken. Zum grossen Theil unterstellt sie sich sogar der direclen Beobachtung dadurch, dass sie uns die Nachkommenschaft den 60 Systematische Gliederung des Thierreichs. Eltern ähnlich zeigt. Indem wir diese Auffassung der Verwandtschaft auch auf weitere Kreise übertragen, das Gemeinsame der Organisation als die Folge der gemeinsamen Abstammung beurtheilend und die Divergenz der Organisation von Anpassungen ableitend, stehen wir auf dem Standpunkte der Descendenztheorie. (Vergl. §§. 4 u. 5). Innerhalb eines Typus hat sich eine thierische Organisationsform nach den verschiedensten Richtungen hin entfaltet, die allmählich vom Einfachen zum Complicirteren, vom Niederen zum Höheren hinleiteten. Aus fortgesetzter Ditf'erenzirung lassen sich die Kategorien ableiten, die wir als Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen, Classen unterschei- den. Wenn die Verschiedenheiten der Classen, Ordnungen etc. von einander so bedeutend sind, dass sie gänzlich unvermittelt sich dar- stellen, so haben wir hiebei in Erwägung zu ziehen, dass in den lebenden Formen uns nur die letzten Ausläufer grossartig verzweigter Entwickelungsreihen von Organismen vorliegen, die in früheren Zeit- räumen lebten und allmählich untergegangen sind. Zum Theil, wenn auch nur zum allergeringsten, bezeugen dies die paläontologischen Urkunden. Es sind die in den Erdschichten erhaltenen Reste unter- gegangener Wesen, welche die Vorläufer, theil weise auch die Stamm- eltern der später lebenden Organismen waren. Da die lebenden nur einen kleinen Bruchtheil der gesammten Organismenwelt bilden, die im Laufe der geologischen Entwickelungsperioden existirte, so können wir nicht erwarten , dass weit zurückliegende Verbindungen überall gleich deutlich hervortreten, dass überall die Uebergänge nachweisbar und der genealogische Zusammenhang klar und ausser allem Zweifel sich erkennen lasse. Wie oben dargethan, bilden diese Nachweise den wichtigsten Theil der vergleichend-anatomischen Aufgabe. Nach dieser Auffassung haben wir uns als Typus eine von einer Urform ausgehende Entwickelungsreihe von Organismen vorzustellen, die während der geologischen Entwickelung sich in viele Aeste und Zweite dilTerenzirte, von denen die meisten während verschiedener Perioden zu Grunde gingen, während einzelne, wenn auch grössten- theils verändert, bis heute sich lebend erhielten. Das in diesen viel- fachen Differenzirungszuständen sich forlerhaltende, von der Stamm- form her mit Modificationen sich vererbende Gemeinsame bildet das Typische der Organisation. § 51. Nicht für alle grossen Abtheilungen, die man als Typen aufzufassen ptlegt, ist gemeinsame Abstammung der zugehörigen Formen in glei- chem Maasse nachweisbar. Für manche Abtheilung ist sogar eine poly- phyletische Genese in hohem Grade wahrscheinlich, so dass andere als genealogische Gründe die bezüglichen Organismen vereinigen lassen. Solche Abheilungen sind demnach nicht als Stämme zu beurtheilen. Systematische Gliederung des Thierreiches. 61 Dies gilt zunächst für die niederste Abtheiluno, die der Pro- tozoen, als welche ich einen Theil der von Häckel zu einem be- sonderen Reiche (dem der Protisten) vereinigten niedersten Organis- men zusammenfasse. Auch für die Würmer ist eine monophyle- tische Abstammung zweifelhaft und selbst für höhere Abtheilungen, wie die der Arthropoden , bedenklich. Für andere dagegen ist die Auffassung als Stamm besser begründbar. Es wird also geboten sein, die grossen Abtheilungen als sehr ungleich werthiae anzusehen. Von solchen Abteilungen unterscheide ich folgende: I. Protozoen. 2. C ölen te ra ten. 3. Würmer. 5. Echi noder m en. 5. Arthropoden. 6. Mollusken. 7. Verlebraten. Der ungleiche Werth dieser Abteilungen äussert sich nicht nur in ihrer Zusammensetzung, sondern auch in dem Höhegrade der Entfaltung der Organisation, wie im Verhalten der niedersten Zu- stände. Obwohl in jeder Abtheilung, oder in jedem Stamme und sei- nen Verzweigungen eine vom Niederen zum Höheren fortschreitende Differenzirung sich kund gibt, so ist doch der Grad der Organisations- entfaltung ein sehr verschiedener, sowohl in den Zweigen eines und desselben Stammes, als auch in den verschiedenen Abtheilungen oder Stämmen unter sich. Durch die verschiedene Organisationshöhe der Einzelzweige lassen sich diese innerhalb des Stammes in verschiedene Rangordnungen bringen, und ebenso ergibt sich auch für die einzel- nen Stämme eine bestimmte Rangordnung, je nach der Organisalions- stufe, in der der Stamm mit einem seiner Zweige culminirt. Dadurch können wir niedere und höhere Typen unterscheiden. Ein drittes Verhalten bezieht sich auf die Anfänge d. i. die nie- dersten Zustände der Typen, und dieser Punkt bereitet der näheren Prüfung grössere Schwierigkeiten. Einmal existiren in manchen Ab- theilungen mehrere Formen, die man als niederste oder Ausgangsfor- men betrachten kann, und dann bieten diese eben durch die niedere Organisationsstufe, auf der sie stehen, auch bezüglich der Verwandt- schaft indifferentere Verhältnisse. Doch lässt sich aus diesen niederen Formen in den höher organisirten Stämmen so viel mit Restimmtheit erkennen, dass sie auf gewisse Abtheilungen niederer Stämme bezo- gen werden können. Somit besteht zwischen den einzelnen Stämmen eine Verbindung und die Stämme oder Typen sind keine völlig isolir- ten Abtheilungen, deren Anfänge selbständig und unabhängig von ein- ander etwa durch Urzeugung hervorgingen. Durch diese erkennbaren Verknüpfungen muss die von der CrviER'schen Typenlehre her starre Auffassung der Stämme bedeutend nachgiebiger werden, indem wir die Reziehungen der Typen zu einander in keiner andern Weise treffen, als die Abtheilungen innerhalb der Typen : in genealogischer Gliede- rung. Die einzelnen Stämme sind weiter von einander entfernt, als die sie zusammensetzenden Classen unter sich, und auch das Maass 62 Vergleiclmng der Organe. der Entfernung ist ein überall verschiedenes, eigentümlich für jedes einzelne Yerhältniss. Das Verhalten der einzelnen grossen Abtheilun- gen zu einander lässt sich in folgendem Stammbaume darstellen. Vertebrateu (Leptocardier) Mollusken (Brachiopoden) Arthropoden (Crustaceen) (Tracheaten) Echinodermen (Asteriden) (Tunicaten) (Anmilaten) Würmer Cölenteraten (Spongien) Protozoen Die genauere Umgrenzung der einzelnen Abtheilungen wird in den speciellen Capiteln gegeben werden , ebenso die Motivirung der hier nur angedeuteten verwandtschaftlichen Beziehungen. Vergleicliung der Organe. In jeder einen Thierslamm repräsentirenden Abtheilung kommt eine Reihe von Organisationsverhältnissen zur Erscheinung, die mit der Entwicklung des betreffenden Typus eine bestimmte Richtung ein- schlagen, aber alle auf einfachere Grundformen sich zurückbeziehen, von denen sie abstammen ; alle Organentfaltungen eines Typus stehen sonach in einem genetischen Zusammenhang. Ein in dem einen Zu- stande einfacheres Organ zeigt sich ohne Wechsel seiner allgemeinen Beziehungen in einem andern Zustande auf einer höheren Stufe durch Differenzirung umgebildet, hat neue Abschnitte, neue Organe aus sich entfaltet. Wie bei dev individuellen Entwicklung eine unmittelbare Fortsetzung der einzelnen Differenzirungszustande gegeben ist, so zeigt sich auch bei jedem Typus (in verschiedenem Maasse deutlich) eine Fortsetzung der sich differenzirenden Organe von einem Zustande in den andern. Wo die ausgebildete Form durch eine weitere Kluft von anderen Formen getrennt erscheint, da weisen die embryonalen Ein- richtungen den Zusammenhang nach und füllen mehr oder minder die Vergleicliung der Organe. C3 Lücken. Von der individuellen Entwicklung unterscheidet sich die Entfaltung der zu einem Typus gehörigen Formen dadurch, dass sie nicht in einer einfachen Linie liegt. Von allen Stadien aus bilden sich Abzweigungen, die ihre eigene, das Wesentliche der Organisation zwar fortvererbende aber zugleich vielfach modificirende Richtung einschla- gen. Dadurch bleibt das Grundverhältniss der Organe unverändert, und aus allen Graden der Modification, sei es durch Differenzirung oder durch Reduction, lässt sich das verwandtschaftliche Verhällniss der Gemeinsamen Abstammung erkennen. Bei diesen morphologischen Veränderungen der Organe erleidet auch die Leistung derselben Wandelungen, so dass ein und dasselbe Organ in verschiedenen Formzuständen verschiedenen Verrichtungen dient. Diese letzteren bleiben bei unserer Aufgabe untergeordnet, da wir es nur mit dem morphologischen Verhalten zu thun haben. Dem- gemäss unterscheidet die vergleichende Anatomie die morphologisch gleichwertigen Organe als Homologa von den physiologisch gleich- bedeutenden Orcanen oder den Analoga. Homologie und Ana- logie sind daher zwei scharf gesonderte Begriffe, von denen der eine die Beziehung des Organs zu seiner Genese, der andere jene zu sei- ner Verrichtung zum Objecto hat. Der Bereich, in welchem Homologieen sich finden, wird in der Regel meist durch die Grenze des Typus abgesteckt. Die Vergleichung be- wegt sich nur innerhalb eines Typus auf feslerem Boden. Darüber hinaus trifft sie entweder nur Analogieen, da die Verwandtschaften der Organe difi'erenler Typen mehr auf die Aehnlichkeit oder Ueberein- stimmung der Function begründet sind, oder die Homologie ist doch minder sicher bestimmbar. Wenn wir Körpertheile von morphologischer Uebereinslimmung als Homologa bezeichnen, so wird in Folge der verschiedenen Art dieser Uebereinstimmung auch der Begriff der Homologie wieder in zwei Hauptabteilungen gespalten werden müssen. Wir unterscheiden eine allgemeine und eine specielle Homologie. § 53.. 1. Allgemeine Homologie besteht, wenn ein Organ auf eine Kategorie von Organen bezogen wird, oder wenn ein damit vergliche- nes Einzelorgan nur als Repräsentant einer solchen Kategorie zu gel- ten hat. Die Kalesorieen werden dann immer aus mehrfach im Kör- per vorhandenen Organen oder Theilen bestehen. Wenn wir die Kör- persegmente eines Gliederthieres, die Wirbel, die Gliedmaassen eines Thieres etc. unter einander vergleichen, begründen wir allgemeine Homologien. Diese löst sich wieder in Unterabtheilungen auf, nach der Art der Organkategorie, die bei der Vergleichung diente. I) Homotypie, an Organen, die sich als Gegenstücke zu ein- 64 Vergleichung der Organe. ander verhallen, z. B. die Organe der beiderseitigen Körperhälften; die rechte Niere ist der linken, das rechte Auge dem linken honiotyp u. s. w. 2) Homo-dy naraie (die allgemeine Homologie Owens, z. Th. auch dessen Homologie der Reihe in sich begreifend), zwischen Körperlhei- len bestehend, die auf eine allgemeine, durch Reihenfolge sich äussernde Formerscheinung des Organismus sich beziehen. Dadurch dass diese Theile, den Typus des Organismus bestimmend, in der Längsaxe desselben angeordnet sind, unterscheidet sich die Homodynamie von der nächstfolgenden Art. Homodyname Theile sind die Metameren, also : die Segmente der Gliederlhiere, Wirbelabschnitte (Urwirbel) der Vertebraten etc. 3) Homonomie. Sie bezeichnet das Verhältniss derjenigen Kör- pertheile zu einander, die an einer Queraxe des Körpers, oder nur an einem Abschnitte der Längsaxe gelagert sind. Die Strahlen der Brust- und Bauchflosse der Fische, die einzelnen Finger und Zehen der höhe- ren Wirbelthiere sind homonome Gebilde. Ausser diesen Unterabtheilungen der allgemeinen Homologie sind noch andere unterscheidbar, die jedoch von sehr untergeordneter Be- deutung sind. § 54. II. Specielle Homologie (Owen), Homologie im .engeren Sinne. Wir bezeichnen damit das Verhältniss zwischen zwei Orga- nen gleicher Abstämmling, die somit aus der gleichen Anlage hervor- gegangen sind. Da das Aufsuchen der speciellen Homologieen genaue Nachweise der verwandtschaftlichen Beziehungen erfordert, so ist die Versleichuns innerhalb der unteren Stämme, meist nur auf die Orean- Systeme beschränkt; erst bei den Wirbelthieren vermag sie sich auf engere Verhältnisse zu erstrecken. Wir können so z. B. unter den Würmern oder bei den Mollusken kaum einzelne Abschnitte des Darm- rohres mit Sicherheit als homolog bezeichnen, indess wir bei den Wir- belthieren sogar unansehnlichere Gebilde (z. B. die Cöcalbildungen des Darmes, von den Amphibien an) mit Entschiedenheit als homolog erklären können. Am bestimmtesten sind die Homologieen an Skelet- theilen nachweisbar. Der Nachweis der [speciellen Homologieen bil- det einen grossen Theil der Hauptaufgabe der vergleichenden Anatomie. Die specielle Homologie muss wieder in Unterabtheilungen zerfällt werden, je nach dem Zustande der bezüglichen Organe, die entweder in ihrem morphologischem Befunde wesentlich unverändert, oder in demselben durch Hinzutreten oder Wegfall von Theilen geändert sein können. Ich unterscheide daher: Vergleichung clor Organe. 65 1) Complete Homologie, wenn das bezügliche Organ, wenn auch in Gestalt, Umfang und manchen anderen Beziehungen modificirt, sich in Lage und Verbindung unverändert und vollständig erhalten hat. Diese Homologie findet sich meist innerhalb der engeren Abthei- lungen, seltener bei den weiteren Abtheilungen bis zu den Stämmen. Complete Homologie zeigen z. B. die Oberarmknochen von den Am- phibien bis zu den Säugelhieren, das Herz der Amphibien und Bep- tilien u. s. w. 2) Incomplete Homologie. Diese besteht darin, dass ein Organ im Verhältniss zu einem andern ihm sonst völlig homologen noch andere, jenem fehlende Theile mit umfasst, oder umgekehrt : dass ein Organ im Verhältniss zu einem andern um einen Bestandtheil ver- mindert ist. Als Beispiel mag das Herz der Wirbellhiere dienen. Von den Cyclostomen an ist das Organ durch den ganzen Stamm homo- log ; die Homologie ist aber incomplet, denn bei den Fischen liegt noch ein Theil des Venensinus ausserhalb des Herzens, der in den höheren Abtheilungen ins Herz aufgenommen wird, und z. B. bei den Säuge- thieren in den rechten Vorhof überseht. Die Homologie zwischen Fisch- und Säugethierherz ist also incomplet durch Zunahme. In einem andern Falle kann sie durch Abnahme unvollständig sein. Der umgekehrte vorige Fall könnte hier ebenfalls als Beispiel dienen, wenn es gestattet wäre, das Fischherz als eine Reduction aufzufassen. Ein Beispiel bietet sich an den Brustflossen der Fische. Das Skelet dieses Organs befindet sich bei den Gano'i'den oder Teleostiern durch Reduction in incompleter Homologie zu jenem der Selachier. Hier sind Theile verschwunden, die demselben Organe ursprünglich angehörten, wie im ersterwähnten Beispiele Theile zu einem Organe hinzukamen, die, obwohl anfänglich vorhanden, ihm doch nicht angehörten. Literatur. § 55. Für die wissenschaftliche Orientirung im Gesammtgebiete der Morphologie, vornehmlich mit Hinsicht auf die in den vorhergehenden Paragraphen nur in grössler Kürze behandelten Fragen ist als Hauptwerk zu sorgfältigem Studium zu empfehlen : Häckel , E., Generelle Morphologie der Organismen. Allgemeine Grundzüge der Formenwissenschaft, mechanisch begründet durch die von Ch. Darwin refor- mirte Descendenztheorie. 2 Bde. Berlin 1S66. Ausserdem behandeln die Morphologie in fördernder Weise : Carus, V., System der thierischen Morphologie. 1853. Bronn, Morphologische Studien über die Gestaltungsgesetze der Naturkörpe;\ Leipzig und Heidelberg 1858. Gegenbaur, Grundriss. ä 66 Literatur. a. Von umfangreicheren Werken über das ganze Gebiet: Ci'vier , G. , Lecons d'auatoinie comparee recueillies et publiees par Dumeril et Düvernoy. 5 vols. Paris 1799—1805. Unter dem Titel: Vorlesungen über vergl. Anatomie, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von H. Froriep und J. F. Meckel. 4 Bde. Leipzig 1809—10. — Lecons etc. , recueillies et publiees par Dumeril. Seconde edition. Tomes 8. Paris 1835 — 46. Meckel, J. F., System der vergleich. Anatomie. 6 Bde. Halle 1821 — 33 (unvoll- endet, Geschlechtsorgane fehlen). Milne-Edwards, H., Lecons sur la physiologie et l'anatomie comparee et l'homme et des animaux. T. I — X. Paris 1857 — 72. Noch unvollendet. Leydig, F.. Vom Bau d. thierischen Körpers. I. Band. 1. Hälfte. Tübingen 1864. b. Theile der vergleichenden Anatomie behandeln ausführlicher: Huxley, Th. H., Lectures on the elements of comparative anatomy. (On the Clas- sification of animals and on the vertebrate skull.) London 1864. c. Als Lehr- und Handbücher der vergleichenden Anatomie. Carus , C. G. , Lehrbuch der Zootomie. Leipzig 181S. Zweite Auflage als Lehr- buch der vergl. Zootomie. 2 Bde. Leipzig 1834. Wagner, R., Handbuch der vergleichenden Anatomie. 2 Bde. Leipzig 1834. Neue Auflage als: Lehrbuch der Zootomie. 2 Bde. Leipzig 1843 — 48. (Zweiter Band, die Anatomie der wirbellosen Thiere enthaltend, von H. Frey und R. Lecckart. v. Siebold und Staxnius, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 2 Bde. Berlin 1845. Zweite Auflage als Lehrbuch der Zootomie. Bis jetzt nur Bd. I Heft 1 — 2, Anatomie der Fische und Amphibien enthaltend, erschienen. Schmidt, 0., Handbuch der vergl. Anatomie. Sechste Auflage. Jena 1871. Owen, R. , Lectures on the comparative anatomy and physiology of the invertebrate animals. London 2. Auflage 1855. — Of the vertebrate animals P. I. Fishes. London 1S46. Jones, Rymer, General outline of the Organisation of the animal kingdom, and ma- nual of comparative anatomy. 4th. Edit. London 1871. Harting, P. , Leerboek van de Grondbeginselen der Dierkunde in hären geheelen Omvang. Deel I— III. Tiel 1S64 — 72. Enthält auch die vergl. Anatomie. d. Iconographische Darstellungen vom Baue der Thiere bieten : Carus, CG., und Otto, Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie. S Hefte. Leipzig 1S26 — 52. Wagner, R., Icones zootomicae, Handatlas zur vergl. Anatomie. Leipzig 1841. Schmidt, 0., Handatlas der vergl. Anatomie. Jena 1852. Carus, V., Icones zootomicae. Leipzig 1857. Erste Hälfte. (Wirbellose Thiere.) Leydig, F., Tafeln zur vergl. Anatomie. Erstes Heft. Tubingen 1864. e. Vergleichende Gewebelehre. Leydig, F., Lehrbuch der Histologie des .Menschen und der Thiere. Frankf. IS57. Ausser diesen Werken ist auf zahlreiche Monographieen zu verweisen, sowie auf Abhandlungen und Aufsätze, welche die Schriften der Academieen und anderer gelehrten Gesellschaften, sowie die Zeitschriften für Naturgeschichte, für Zoologie und für Anatomie enthalten. Specieller Theil. Erster Abschnitt. Protozoen. Allgemeine Ueb ersieht. § 56- Hieher zähle ich einige Abtheilungen jener Organismen, die durch die Einfachheit ihrer Organisation die niederste Stufe der Lebensformen beurkunden. Der Mangel an differenzirten Organen für die haupt- sächlichsten Verrichtungen erscheint als das wesentlichste Merkmal. Aus diesem negativen Charakter geht die Unzulänglichkeit der Abgrenzung dieser Abtheilung hervor, an der etwas gemeinsam »Typisches« weder in dem Verhalten des Körpers zu seinen Formelementen , noch in der Organisation erkannt werden kann. Für keine der ihr beige- zählten Gruppen ist itf der Organisation etwas gegeben, was zwänge, sie unbedingt als Thiere anzusehen. Vielmehr besteht in dem Fehlen jeder geweblichen Differenzirung Grund, die hieher gerechneten Orga- nismen mit anderen, die man als niedere Pflanzen zu betrachten pflegt, als zwischen Thier- und Pflanzenreich stehende Lebensformen zu be- trachten. Darauf gründet sich die Auffassung Häckel's, der die sämmt- lichen niederen, weder den Thieren noch den Pflanzen zuzuzählenden Organismen im Protisten reiche vereinigte, und damit die thatsäch- lichen Verhältnisse in richtige Beziehungen brachte. In Anerkennung dieser Auffassung scheint es unzulässig eine Abtheilung der Protozoen zu bilden. Es ist aber die Kenntniss der im Protistenreiche waltenden Organisationszustände für das Verständniss der thierischen Organismen von so hohem Werthe, dass ein gänzliches Uebergehen der Prolisten dem Zwecke dieses Buches wenig entspräche. Desshalb behielt ich die Abtheilung der Protozoen hier bei , und führe in ihr eine Anzahl von Formen auf, die geeignet sind von den einfachen Zuständen der Organisation wie von dem geringen Grade der Sonderung ein Bild zu geben. Als einfachste Formen führe ich die Amöben (Protoplasten Hkl.) an , die aus einen oder auch mehrere Kerne führendem Protoplasma 70 Protozoen. bestehen. Der Körper dieser Organismen zeigt bedeutende Formver- änderungen als Lebenserscheinungen des Protoplasma. Nicht seilen treten diese Formveränderungen durch Aussenden und Einziehen von Fortsätzen des Protoplasma auf (Pseudopodien). Als eine zweite Abtheilung betrachte ich die Rhizopoden, die sich in zwei Unterabtheilungen, die Foraminiferen (Acyttaria Hkl.) und Radiolarien, scheiden. Bei den Foraminiferen bildet das Protoplasma den gesammten Kör- per. Kernartige Gebilde fehlen entweder oder sind vorhanden, ohne dass jedoch dadurch eine Verschiedenheit im Verhalten des Protoplasma bedingt wäre. Ganz gleich verhält sich auch das Protoplasma der Ra- diolarien, bei denen weitergehende Differenzirungen auftreten. Einmal ist hier die im Innern des Leibes befindliche »Centralkapsel« anzuführen, dann in dieser liegende oder sie umgebende Bläschen und Zellen. Diese Theile erscheinen unzweifelhaft als Andeutungen eines zusammen- gesetzteren Baues, allein das indifferente Protoplasma besorgt noch wie sonst die Lebensverrichtungen. So erscheinen die Radiolarien zwar höher als die übrigen Rhizopoden diß'erenzirt , aber gerade in den wesentlichen Verhältnissen der Leibessubstanz des Protoplasma) treffen sie mit ihnen zusammen. Nehmen wir hiezu noch die in beiden Ab- theilungen vorhandene Bildung von festen Stützgebilden, die Schalen der Foraminiferen und die zierlichen Gerüste der Badiolarien, so sind auch diese Einrichtungen nur geeignet, die Vorstellung einer ganz anders gearteten Differenzirung des Rhizopoden -Organismus zu be- gründen, und zugleich im Verein mit den übrigen Einrichtungen beide Abtheilungen der Rhizopoden als -divergirende Organismenreihen anzu- sehen. Den Radiolarien stehen die Actinosphaeren (A. Eichhornii) am nächsten. Als eine dritte Abtheilung können die Gregarinen gelten. Eine äussere Abgrenzung des einen Kern umschliessenden , und damit auf der Stufe einer Zelle stehenden Körpers , fehlt nur in den frühesten Jugendzuständen. Sie durchlaufen also den Zustand der Cytoden. Die ausgebildeten Organismen lassen eine vom inneren Protoplasma diffe- rent gewordene Hülle unterscheiden und bieten sogar in der darunter liegenden Protoplasmaschichte noch Andeutungen höherer Differenzi- rungen dar. Die vierte Abtheilung bilden die Infusorien. Der gesammte Organismus besteht auch hier wieder aus Protoplasma , das ein kern- artiges Gebilde birgt. Die äusserste Schichte des Leibes ist wie bei den Gregarinen diff'erent, trägt aber in verschiedenem Maasse Cilien. Ob der »Kern« einen Zellenkern vorstellt, ist zweifelhaft, jedenfalls kommt ihm eine höhere Bedeutung zu. Es ist daher ziemlich schwierig, den gesammten Infusorienleib als das Aequivalent einer Zelle anzusehen, an der alle Theile auf eine höhere Stufe der Differenzirung traten, und damit Einrichtungen gewannen, die sie von dem Verhalten einfacher Allgemeine Hebers ich t. 71 Zellen entfernten. Andeutungen einer geweblichen Sonderung werden nicht von dem für die Thiere inaassg eben den Gesichtspuncte zu be- urtheilen sein , denn da Zellen als Formelemente des Körpers hier gänzlich fehlen, kann auch nicht von Geweben als Zellenderivalen die Rede sein. Die verwandtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Abtheilungen der Protozoen zu einander sind wenig sicher darzustellen. Höchst- wahrscheinlich repräsentiren sie eine polyphyletische Gruppe. Literatur. Amöben: Auerbach, C, Zeitschi-, f. wiss. Zool. Bd. Vit. Rhizopoden : Dujardin in Ann. sc. I. III. IV. — Schultze, M. . Ueber den Organismus der Polythalamien. Leipzig 1854. — Carpenter, W., Resear- ches on the Foraminifera. Phil. Tr. 1856. 59. — Introduction to the study of the Foraminifera. London 1862. (R. S.) — Huxley , Th. H., Ueber Thalassicolla. Ann. nat. hist. 1851. — Müller, J. , Abhandi. der Berliner Acad. 1858. — Häckel, E., Die Radiolarien. Eine Monographie. Berlin 1862. Gregarinen: Stein, Ueber die Natur der Gregarinen. Arch. f. Anat. u. Phys. 1848. — Lieberkihn, Evolut. des Gregarines. Acad. Roy. *de Belgique. Mem. des Soc. etrangeres T. XXVI. Ed. Van Beneden Rech, sur l'evolut. des Gregarines. Bull, de l'Acad. royale de Belgique 2me Ser. T. XXXI. Sur la Struct. des Gr£g. ibidem T. XXXIII. Infusorien: Ehrenberg, C. G. , Die Infusionsthiere als vollkommene Organis- men. Leipzig 1838. — Duardin, Hist. nat. des Infusoires. Paris 1841. — Stein, Fr., Die Infusionsthiere auf ihre Entwickelung untersucht. Leipzig 1854. — Der Organismus der Infusionsthiere. I. II. Leipzig 1S59 — 66. — Claparede, E., et Lachmann, Etudes sur les Infusoires et les Rhizopodes. Geneve 1S58 — 61. — Engelmann, Th. W. , Zur Naturgeschichte der In- fusionsthiere. Leipzig, Zeitschr. f. %viss. Zool. XL Integument. § 57. Da der Körper der niedersten Organismen aus dem contractilen, in seinen Formzuständen sehr veränderlichen Protoplasma gebildet wird, so fehlt mit einer bestimmten Abgrenzung des Körpers auch jegliche Differenzirung eines Integumentes. Wir sehen den Körper der meisten nicht mit einer Hülle versehenen Protisten ebenso wie indifferente Zellen 72 Inlegument. vortreten kann. Fig. 11 höherer Organismen die Umrisse wechseln ; Forlsätze des Protoplasma dehnen sich bald da bald dorthin aus, und lassen den übrigen Körper nachfliessen. So bewegt sich der Körper mit stets wechselnder Ober- fläche, an die jeder in dem einen Moment innen befindliche Substanz- partikel in dem andern Moment mit der Bildung eines Fortsatzes her- Die Fortsätze, Pseudopodien, erscheinen bald als breite lappenartige Verlängerungen (vergl. Fig. H), die durch wenig tiefe Buchten von einander getrennt sind, bald ergiessen sie sich als schmale Strömchen, die nach der Peripherie zu mann ichfach sich thei- len, und damit verästelte Ausläufer vor- stellen. Sie charakterisiren die Rhiznpo- den: deren Protoplasma an allen gegen die unmittelbare Körperoberfiäche gelan- genden Stellen jene »Scheinfüsschen« aus- senden kann (vergl. Fig. 12). Benach- verschiedener Zahl an jeder Stelle 1 2 x) , oder auch netzartige Verbin- vorsteilen. Dieses barte Pseudopodien können unter einander verschmelzen in Tis. Fig. 12. düngen v Verhalten des Protoplasma wird durch im Innern zu Stande gekommene Diffe- renzirungen (Skeletbil- dungen etc.) nicht alterirt. Es ist der Ausdruck eines, -"t^fc"V jeglicher peripherischen .':.." Differenzirung entbehren- ''••'• den Zustandes der nieder- sten lebenden Materie, s:'-'.';^''^«',;. Durch Festerwerden der äussersten Körperschichte wird die allseitig sich äus- \\\ sernde Pseudopodienbil- dung beschränkt. Mit der chemisch - physikalischen Veränderung der periphe- rischen Theile bildet sich ein Gegensatz zu dem übrigen indifferent bleibenden Protoplasma, welches zwar noch Beweglichkeit äussert, allein durch die festere Bindenschichte in ansehnlicheren Excursionen gehemmt Fig. 11. Eine Amöbe in zwei verschiedenen Momenten ihrer Bewegung dar- gestellt. » Kern. ;' Aufgenommene Nahrung. Auch einige Vacuolen sind bemerkbar. Fig. 12. Ein Rhizopod Koraminifere — Rotalia) mit ausgestreckten Pseudo- podien, die aus den Poren der mehrkammerigen Schale hervortreten. Bei x ist das peripherische Zusammenfliessen mehrerer Pseudopodien dargestellt. Intesument. 73 wird. Dieser Zustand trifft sich unter den Protisten bei den Gregarinen, wozu die bei manchen Amöben vorkommenden Verhältnisse Uebergänge darbieten. Eine derbe, homogene, zu- weilen eine zarte Schichtung besitzende Membran überzieht hier den ganzen, nur durch eine einzige Zelle- gebildeten Kör- per. Sie geht unmittelbar in die liefere Schichte über, vor der sie als Differen- zirung (Cuticularbildung) erscheint. Wie alle Cuticulae entbehrt sie der contrac— tuen Eigenschaft; sie ist dehnbar, ela- stisch, und vermag so den Conlractionen und Expansionen des Protoplasma zu folgen. Ausser dieser Sonderung der Cuti- cularschichte besteht bei den Gregarinen noch eine von den innern Theilen gesonderte Rindenschichte . welche resistenter als das reichliche Körnchen enthaltende Protoplasma erscheint, und in ähnlicher Weise auch den Infusorien zukommt. § 58. An die Sonderung des Körpers in eine äussere Rindenschichte und innere Parenchymsubstanz schliessen sich fernere Umbildungen der Rindenschichte. Von diesen sind erstlich die Wimperhaare anzu- führen, die bei den Infusorien in allgemeiner Verbreitung vorhanden sind. Sie erscheinen als unmittelbare aber lebhaft bewegliche Verlän- gerungen des Integuments. Entweder besetzen sie nur beschränktere Körperstellen wie die sogenannte Mundöffnung, oder sie sind über grössere Strecken verbreitet, oder über den ganzen Körper, häufig sehr regelmässig, vertheilt. Dass sie Differenzirungen des Protoplasma sind, geht aus jenen im Rereiche anderer Prolistengruppen vorkommenden Fäl- len hervor, wo sie nur temporäre Gebilde vorstellen und nach Art der Pseudopodien wieder ins Protoplasma des übrigen Körpers eingezogen werden können. Modifikationen der Wimperhaare sind die Geisselfaden sowie die in der Nähe der Mundöffhung mancher Infusorien befindlichen undu- lirenden Membranen. In anderer Art modificirt erscheinen die Wim- perhaare als starre nur an der Verbindung mit dem Körper bewegliche Gebilde, (Stylonychia) zuweilen sogar in plattenartiger Verbreiterung. Sowohl die Wimperhaare als die griffeiförmigen Fortsätze dienen Fig. 13. 1. 2. Gregarinen aus dem Darmcanale von Opatrum sabulosum, wovon I den mit einem »rüsselarligen« Fortsatze versehenen jüngeren Zustand darstellt. a Vordertheil. b Hintertheil des Körpers, c Kern. Fig. 14. Gregarina Saenuridis. a b Zwei copulirte Individuen, c Kern. 74 Integument. als Bewegungsorgane und lassen somit die Locomotion ans In- tegement geknüpft erscheinen, wie sie bei der Pseudopodienbil- dung mit der zeitweilig äusseren Körpersehichte verbunden war. Eine andere in der Haut mancher Infusorien (z. B. Paramaecium) beobachtete Erscheinung besteht in festeren, stübchenartigen Bildungen, die bei gewissen Einwirkungen einen feinen starren Faden hervortre- ten lassen, Diese Gebilde liegen in senkrechter Stellung zur Längs- axe des Körpers in der Bindenschichte. Sie erinnern an die Nesseln- kapseln der Cölenteraten, ohne dass sie jenen gleich zu erachten wä- ren, da sie nicht aus Zellen hervorgehen. § 39. In der Bindenschichte des Leibes der Greyarinen und vieler lnfu- sorien erscheinen muskelähnliche Bänder oder Fasern. Bei den Gregarinen sind diese Gebilde ringförmig oder auch spiralig angeord- net und bilden eine dicht unter der Cuticula gelegene Schichte, die nur eine kurze Strecke weit auf den vom Körper meist durch eine Einschnürung abgesetzten »Kopf« sich erstreckt, aber niemals in die Scheidewand übergeht, welche jenen Theil vom Körper trennt. Unter den Infusorien sind diese contractilen Streifen vorzüglich bei den grösseren Arten (der Gattungen Stentor, Prorodon, Spirostomum etc.) erkannt. Bei anderen werden sie vermisst. Sie verlaufen bald loneitu- dinal, bald spiraüg. Auch bei Yorticellinen kommen sie vor, und zwar in Spiraltouren gegen das in den Stiel übergehende Körperende zu. Dass diese Gebilde der Infusorien nicht die ausschliesslichen contractilen Apparate des Körpers bilden, wird durch jene Infusorien erwiesen, die bei dem Mangel dieser Streifen energische Contractionen des Körpers auszuführen im Stande sind. Dass sie aber in der That contractu sind, beweist Spirostomum, dessen Körpercontractionen nicht nach der Längs- axe des Körpers , sondern in der Bichtung des mehrere Spiraltouren beschreibenden Streifenverlaufes stattfinden. In diese Beihe von Sonderungen aus dem Protoplasma gehört auch der im Innern des Stieles der Vorticellinen verlaufende contractile Strang der bei Zoothamnium der Verästelung des Stockes gemäss verzweigt erscheint, indess er bei Carchesium jedem Individuum des Stockes ge- sondert zukommt. Obgleich dieser Strang mit der Muskelfaser über- einstimmende Erscheinungen bietet, darf er anatomisch eben so wenig wie die contractilen Streifen in der Bindenschichte des Leibes jenen histiologischen Formelementen cleichsestellt werden, da weder Zellen noch deren Abkömmlinge an diesen Bildungen beiheiligt sind. Integument. 75 § 60. Als Stützorgane des Körpers der Protozoen fungiren feste Ge- bilde, welche entweder als ein Gerüstwerk die weiche Körpersubstanz durchsetzen, oder als Schalen und Gehäuse den Körper überziehen. Letztere werden nach Maassgabe ihrer Ausdehnung und Resistenz auch als Schutzorgane sich verhalten. Alle hier einzureihenden Gebilde sind mittelbare oder unmittel- bare Differenzirungen des Protoplasma, entweder an der Oberfläche des Leibes oder im Parenchvm gebildet. Je vollständiger diese Abschei- düngen als Gehäuse den Körper bedecken, desto mehr treten sie der freien Beweglichkeit entgegen, oder gehen wieder mit anderen compen- sirenden Einrichtungen einher (Foraminiferen). Die letzteren finden sich bei inneren Gerüsten (Radiolarien) vor, wenn nicht festsitzende Zustände vorliegen. Schalen und innere Gerüste treffen sich in grosser Verbreitung bei allen Abtheilungen niederer Organismen und zwar in sehr verschiedenem Grade der Complication, der häufig zu jener des Körpers in einem umgekehrten Verhältnisse steht. Einfache, meist oval gestaltete, mit einer Oeffnung versehene Scha- lenbildungen finden sich bei einer Abtheilung der Amöben (Difflugia, Arcella). Die Schale ist bald weich, bald von grösserer Festigkeit, Aehn- liche Schalenformen finden sich auch bei Rhizopoden vor, unter Fig- 13- denen sie die Einkammerigen oder Monothalamia charakterisi- ren (Gromia, Lagynis) . Compli- cirtere Formen entstehen bei den Foraminiferen, indem sich an ein einfaches rundliches Gehäuse neue Abschnitte anbauen , die dann einzelne durch Oeffnungen unter einander verbundene und ebenso durch Poren nach aussen hin communizirende Kammern vorstellen, (s. Fig. 12, Fig. 15). Durch Kalk, seltener durch Kie- selerde, (Polymorphina, Nonio- nina) erhalten diese mehrkam- merigen Schalen eine besondere Festigkeit und durch die Verschieden- heit der gegenseitigen Lagerung , der Ausdehnung und Verbindungsweise Fig. 15. Durchschnitt einer Foraminiferenschale lAlveolina Quoii , an wel- chem die Anordnung der einzelnen Kammern zu einander sichtbar ist. (Nach Carpenter.) 76 Integument. der Kammern entstehen mannichfaltige mit dem leichter gebauten inneren Gerüste der Radiolarien an Formenreiehthum wetteifernde Bildungen. Durch Anlagerung in einer geraden Linie entstehen stabförmige, oft knotig angeschwollene Gehäuse, deren einzelne als »Kammern« be- zeichnete Abschnitte bald gleichgross, bald in verschiedener von einem Ende gegen das andere hin zunehmender Grösse erscheinen (Nodosa- riden). Eine spiralige Anordnung der Kammern, die in einer oder in verschiedenen Ebenen lagern können , führt zu Bildungen welche Nautilusschalen ähnlich sind (Fig. 12). Bedeutende Modificationen ent- stehen durch Ueberlagerungen der Spiraltouren, der Streckung oder der Verkürzung der Spiralaxe etc. Die planorbisartigen Gehäuse der Millioliden, bei denen stellenweise Einschnürungen die erste Spur einer Kammerbildung aufweisen, stellen den einfachsten Zustand dieser For- men vor. Durch ungleichartige Ansätze neuer Kammern wird die Spi- ralform äusserlich aufgehoben (Acervulinen), und ist nur in den ersten Kammerbildungen zu erkennen. Gewöhnlich werden diese Gehäuse mit äusseren Schalenbildungen zusammengestellt. Nur für wenige je- doch erscheint dies passend. Ueberall da, wo die Scheidewände der sogenannten Kammern mehrfach durchbrochen sind, und wo zugleich noch Porencanäle die Schale nach aussen durchsetzen, so dass also das Protoplasma der Pseudopodien äusserlich die Schale bedecken kann, erscheint die Schale vielmehr als ein inneres Gerüste. Wo die Scheidewände nur durch mehrere einzelne, weile Oeffnungen zwischen sich lassende Säulchen oder Lamellen repräsentirt werden (Fig. 15), und der Raum der Kammer selbst den mehrfachen Verbindungen zwi- schen zwei Kammern an Volum sogar nachsteht, und wo endlich alle benachbarten Kammerräume unter einander communiciren, und so das ganze »Gehäuse« von einem nach allen Richtungen communicirenden Hohlraumsysteme durchsetzt wird : da ist der Charakter einer äusseren Schale vollständig aufgegeben. Da aber in allen Fällen das Protoplasma sich über die Aussenfläche der Schale zu ziehen vermag, so ist, wie Carpenter mit Recht erinnert, die Schalenbildung der Foraminiferen als eine innere zu betrachten, und reiht sich darin den Gerüsten der Radiolarien an. § 61- Als ein allen Radiolarien gemeinsames, wenn auch weniger in die Augen fallendes Slützorgan muss die »C entral kapse 1 « angeführt wer- den. Es ist ein in der Witte des Körpers gelagertes, in sehr verschiedener Form auftretendes, kapselarlig geschlossenes Organ, welches aus einer chemisch dem Chitin nahe stehenden Membran gebildet wird. Es um- schliesst ausser Fettkugeln und kleinen Bläschen regelmässig eine Quan- tität Protoplasma, welches wahrscheinlich durch feine Porencanäle mit dem extracapsularen Protoplasma in Verbindung steht. Hiezu kommt Integument. 77 Fig. 16. noch bei den meisten Radiolarien ein gewöhnlich aus Kieselerde be- stehendes Gerüste (es fehlt bei Thalassicolla, Thalassolampe und Collo- zoon), welches bei vollständiger Ausbildung die Centralkapsel bis zur Mitte durchsetzt. In diesem Falle sind es mehrere von einem gemein- samen iMittelpunkte ausstrah- lende Stacheln , die wieder unter sich durch concentrisch geordnetes durchbrochenes jGitterwerk verbunden sein können (vergl. Fig. 16). Bei einigen (Acanthometriden) wallet die organische Grund- lage des Gerüstes vor, oder die Kieselerde tritt erst all- mählich an die Stelle der organischen Substanz. Einzelne zerstreute nadei- förmige Kieselstücke, welche ausserhalb der Centralkapsel frei im Protoplasma liegen, bilden die ersten Andeutun- gen dieses festen Skelets bei den Colliden und Polyzoen). Bei Einzelnen gehen sie, ohne fest verbunden zu sein, in eine radiäre Anordnung über. Durch Ver- bindung der radialen Stacheln in einer gleichen Entfernung durch tangential verlaufende Stäbe entstehen kugelige, silterförmig durch- brochene Gerüste. Durch mehr unregelmässige zwischen den Radiär- stacheln liegende feinste Balkennetze kommen schwammförmige Gerüste zu Stande. Scheiben- und korbförmige Skelete sowie endlich solche, bei denen eine spiralige Anordnung gegeben ist, erhöhen den unend- lichen Reichthum der Formen. So baut sich ein ausserordentlich com- plicirter Stützapparat auf, in welchem die weichen Körpertheile einge- bettet sind, und für dessen einzelne Stücke das Protoplasma die Bil- dungsstätte abgibt. § «2. Diesen inneren Stützapparaten der Bhizopoden gegenüber bilden die Gehäuse der Infusorien eine besondere Reihe von Einrichtungen dadurch, dass sie nur Abscheidungen der Oberfläche des Leibes sind. Die abscheidende Matrix ist somit hier ein anatomisch bestimmter Theil Fig. 16. Skelet eines Radiolars (Actinomma asteracanthion). Zwei concen- trisch angeordnete durchlöcherte Schalen sind an einer Stelle durchbrochen dar- gestellt, unieine dritte sichtbar zu machen. (Nach E. Hackel.) 78 Integument. des Körpers. Darin braucht jedoch keineswegs ein höherer Zustand gesehen zu werden, vielmehr tritt in jenem Verhalten eine enge Ver- knüpfung mit dem niedersten Zustande, der Zellenmembranbildung auf. Die Gehäusebildung der Infusorien findet sich vorzüglich bei fest- sitzenden Formen. Sie besteht in der Abscheidung einer anfänglich weichen, allmählich erhärtenden Substanz, die becher- oder urnen- förmig den Thierkörper bis auf eine die Communication mit der Aussen- welt zulassende offene Stelle umgibt. Von der blossen Cuticularbil- dung, die bei grösserer Festigkeit der diflerenzirten Schichte als Pan- zerbildung erscheint, unterscheiden sich diese Gehäuse durch ihre Ab- lösung von dem grösseren Theile ihrer Matrixfläche. Die Genese ist jedoch für beide Gebilde dieselbe. Sie liegt auch der Cystenbildung zu Grunde, die bei den Infusorien weit verbreiteter vorkommt. Bei den Stielen der Vorticellinen und Acinetinen spielt sie ebenfalls eine Rolle. Die unbeweglichen Stiele der Epistylis und die äussere Schichte der contractilen Stiele von Vorticellinen und Carchesinen müssen als solche Differenzirungen gelten. Die Gehäuse sind bald weich, bald fester, membranös. Einige zeichnen sich durch Aufnahme von Fremd- körpern, verkitteten Sandkörnchen etc. aus. Gehäuse besitzen die Gat- tungen Vaginicola, Tintinnus u. a. Bei Stentor kommen sie in einzel- nen Fällen vor. Auch gitterförmig durchbrochene Schalen sind be- obachtet. Was die Panzerbildung betrifft, so ist dieselbe aus der glas- hellen festen Cuticula entstanden bei Stylonychia, Euplotes, Aspidisca, Spirochona, Coleps u. a. beobachtet. § 63. Organe zur Aufnahme und Veränderung der Nahrung fehlen den niedersten Organismen. Bei den Gregarinen geschieht die Nahrungsaufnahme durch endosmotische Vorgänge von Seiten der Ober- fläche und geformte Nahrungstheile gelangen nicht ins Innere des Körpers. Bei peripherisch nicht differenzirtem Körper dagegen be- steht eine directe Nahrungsaufnahme, die an jeder Körperstelle vor sich gehen kann. So verhaften sich die Amöben und die Rhizopoden. Die Nahrungssloffe werden hier von der weichen Körpersubslanz um- flossen wie bei den Amöben, oder sie werden von den Forlsätzen des Körpers, den Pseudopodien, umhüllt. Beiden Fällen liegt eine und dieselbe Erscheinung zu Grunde. Jede Stelle im Protoplasma kann durch Einschliessen und Ausziehen der N a h r u n g s - Stoffe als verdauende Cavität fungiren und an jeder be- nachbarten Stelle der Oberfläche können die unverdauten Substanzen wieder entfernt werden. — Auch bei Actinosphärium wird geformte Nahrung ins Innere des Körpers aufgenommen, die Pseudopodien sind liier jedoch nur mittelbar thätig, indem sie die Beute an den Körper heranziehen und sie an beliebiger Stelle in das aus einander wei- Integument. 79 chende Parenchym der Rindenschichte eintreten lassen (Fig. 17), von wo sie in die centrale Körpersubstanz gelangt. Im Vergleiche mit den Rhizopoden besteht hier das Eigenlhüm- liche. dass der aufzunehmende Rissen nicht von ungeformtem Protoplasma der Pseudopodien, umflossen wird, sondern direct in differenzirtere Leibestheile tritt. Die Infusorien zeigen bestimmtere Ein- richtungen. Die Art der Nahrungsauf- nahme in den Körper ist zweifach ver- schieden. In dem einen bei den Acine- tinen gegebenen Falle fehlt eine Mund- Öffnung, und die strahlicen die Hülle des Körpers durchsetzenden pseudopodien- ähnlichen Fortsätze (Fig. 19) wirken wie Saugrüssel. Unter napfartiger Ausbreitung ihres Endes legen sie sich an die in ihren Rereich gerathene Reute, die aus anderen Infusorien u. s. w. besteht, und lassen die Körpersubslanz derselben wie durch eine Röhre in continuirlichem Strome in ihren Körper überfliessen , wo sie in Form von Tröpfchen das Leibesparenchym erfüllt. Das Vorkommen ähnlicher Fortsätze bei den Embryonen anderer Infusorien lässt dieser Ernährungsform eine grössere Ausdehnung beimessen. In der anderen Form wird eine höhere Stufe repräsentirt; es bestehen nicht nur be- stimmt organisirte Stellen zur Aufnahme, sondern auch bestimmte Stellen zur Auscheidung des Unbrauchbaren. Ein Darmrohr fehlt je- doch auch hier überall, und jene Differenzirungen beschränken sich auf die Rindenschichte des Körpers, so dass jenseits derselben die Nahrungsstoffe in weiches Parenchym , d.h. in den nicht differenzirten Protoplasmarest des Körpers gelangen , in welchem sie keine beson- ders umwandeten Wege mehr antreffen. Hier bilden sich für die Nahrungsballen temporäre Räume als verdauende Höhlen, deren häufig zu beobachtendes Zusammenfliessen während der Rewegung des Pro- toplasma ihre vorübergehende Existenz zu erkennen gibt. Es besteht hier somit die Uebereinstimmung mit den Rhizopoden, dass ein Theil des Ernährungsapparates, nämlich die Stellen, an denen die Nahrung verdaut wird, der organologischen Differenzirung entbehrt. Die mit einer Mundöffnung versehenen Infusorien besitzen diese entweder in Form einer einfachen, oft nur während der Aufnahme eines Rissens wahrnehmbaren Spalte, oder dieselbe zeigt sich nicht unmittelbar an der Oberfläche des Körpers, sondern im Grunde einer sehr verschieden gestalteten, zuweilen auch die Auswurfsöffnung auf- Fig. 17. Actinosphärium. a ein Bissen, der eben vom Thiere in die weiche Corticalschicht 6 eingedrückt als Nahrung aufgenommen wird, c centrales Körper- parenchym, d einige in letzterem befindliche Nahrungsballen, e Pseudopodien der Corticalschicht. 80 Integument. Fig. 18. nehmenden Vertiefung (Vorhof), deren Umgebung (Peristom), meist auch in der Form sich auszeichnet. Vom Munde aus erstreckt sich häufig ein röhrenartiger Abschnitt als Schlund (Fig. 18 b) ins Körperparenchym (a), und von da aus beschreibt der aufgenommene Bissen seinen Weg innerhalb der weichen Substanz des letzteren. Die Lage und Form der Mundöffnung der Infuso- rien ist ausserordentlich verschieden. In vielen Fällen ist sie nur während der Aufnahme von Nahrung wahr- nehmbar (z. B. bei Amphileptus, Löxophyllum) und verschwindet sofort nach dem Eintritte des Bissens ins Parenchym. An dem röhrenförmigen Schlünde trifft sich zuweilen ein Wimperbesatz (Paramaecium aurelia und bursaria; eine undulirende Membran bei Bursaria flava) oder eine Auskleidung mit stabförmigen Zähnchen oder feinen Längsleisten. Stäbchenauskleidung des Schlundes besitzen Prorodon, Chilodon, Nassula etc. in einer fischreusen- förmigen Anordnung. Eine gleichmässige Verdickung der Schlundwand ist bei Ervilia und Liosiphon beobachtet. Von einer Auswurfsöffnung ist allgemeines Vorkommen noch kei- neswegs ermittelt. Nur in wenigen Fällen stellt sie eine bleibend ab- gegrenzte Oeffnung dar, die meistentheils nur während des Hervor- tretens unverdauter Nahrungsstoffe unlerscheidbar ist. Diese »After- stelle« findet sich in der Begel am hintern Körperende, doch im Gan- zen vielfach wechselnd. Auch am vordem Körperende kann sie vor- kommen, so liegt sie bei Stentor in der Nähe des Mundes und bei Vorticellinen und Ophrydien im Vorhofe. Im Ganzen genommen scheint hier mehr die Localisirung einer Function als die Ausprägung eines Or- gans zu bestehen. Die Auswurfstoffe treten an einer bestimmten Stelle durch die differenzirte Bindenschichte des Körpers, die dazu keine besondere Organisation besitzt. § 64. Der äussersten Körperschichte kommt bei allen Protozoen eine respiratorische Bedeutung zu, da nur durch sie der Gasumtausch mit dem umgebenden Medium vermittelt wird. Bei der durch die Pseu- dopodien gegebenen Oberflächenvergrösserung des Körpers wird auch dieses Verhällniss mit in Betracht zu ziehen sein. Von Bedeutuno für den Wasserwechsel sind die Wimperhaare der Infusorien. Mit der bei vielen Protisten bestehenden Wasseraufnahme ins In- nere des Körpers treten bestimmlere, auf die Athmung beziehbare Ein- Fig. 18. Schematische Darstellung der verdauenden Cavitat bei Paramaecium. a mit weichem Protoplasma gefüllter Leibesraum, in welchen die Nahrung aufge- nommen wird, b Mundöffnung, c After. (/ contractile Hohlräume. Nach Lachmann. Differenzirungen des Protoplasma. 81 richtungen auf. Im Innern des Protoplasma erscheinen Hohlräume, die mit einem Fluidum sich füllen und, nachdem sie das Maximum ihrer Ausdehnung erreicht, sich unter allmählicher Contraction wieder völlig entleeren, so dass sie in diesem Zustande verschwunden schei- nen. Die Folge der Expansionen und Contractionen ist häufig der Systole und Diastole der Kreislaufcentren höherer Organismen ähnlich, eine regelmässige, rythmische. Dadurch unterscheiden sie sich von den Vacuolen, welche in Zellen gewisser thierischer Gewebe (Entoderm der Spongien) auftreten. Solche contractile Blasen linden sich, abge- sehen von anderen Abtheilungen der Protisten, bei Amöben (Difüugia und Arcella) und in grosser Verbreitung bei den Infusorien. Sie werden gleichfalls als Vacuolen bezeichnet. Das in den Blasen sich sammelnde Fluidum stammt aus dem Kör- perparenchym, und wird bei der Contraction der Blase entweder da- hin zurückgetrieben oder nach aussen entleert. Letzteres ist durch die Wahrnehmung feiner nach aussen gehender Communicationen wahr- scheinlich geworden, es ist aber dabei auch die Aufnahme von Wasser durch denselben Weg nicht mit Sicherheit abzusprechen. Bei den Infusorien liegen die Blasen in der Rindenschichte meist dicht unter der zarten Cuticula und zwar an Constanten Stellen. Ist nur eine contractile Blase vorhanden, so liegt sie entweder vorn oder hinten; bestehen zwei, so findet sich je eine nahe an einem Körper- ende. Durch eine grosse Anzahl kleiner Blasen ist Trachelius ovum ausgezeichnet. Besondere Membranen sind weder an der Wand der Blase noch der davon ausgehenden Canäle unterscheidbar. Wie die Blase so sind auch die Canäle nur während des Zustandes der Füllung erkennbar. Die Contractionen der Blase und der Canäle zeigen sich in einem Wechselspiele. Bei Paramaecium erweitern sich die Canäle mit dem Beginne der Systole der Blase, und rücken mit der sich ver- kleinernden Blase zusammen, so dass sie, wenn letztere auf dem Hö- hepunkte der Systole verschwunden ist, eine sternförmige Figur bil- den. Mit der Füllung der Blase erscheinen die Canäle an ihr wie kleine Ausbuchtungen, und erst bei der vollen Diastole tritt an ihnen wie- der ein gleichweites Lumen auf. Die bei P. aurelia auf 8 — 1 0 be- schränkte Zahl der Canäle erhebt sich bei Bursaria flava auf 30 und bei Cyrtostomum leucas steigt sie auf eine noch höhere Zahl. Der Ver- lauf ist hier wellig gebogen und gegen das Ende zeigen sie Theilung. Durch Zusammenfliessen einzelner mit Wasser gefüllter Bäume auf längeren Strecken bilden sich canalartige Züge, wie z. B. bei Stylo- nychia (St. mytilus), die auf bestimmten Wegen gegen die contractile Blase vorrücken und sich in sie entleeren. Daran schliessen sich die gleichfalls nur zeitweise aber doch auf grösseren Strecken sichtbaren Längscanalbildungen, wie solche bei Spirostomum (Sp. ambiguum) vor- kommen. üpgenbaur, Orundriss. 6 82 Protozoen. § 65. Der niederem Stufe der Organisation der Protisten entsprechend findet bei den Protozoen die ungeschlechtliche Vermehrung eine reiche Verbreitung. Bei den einen ist sie die ausschliessliche, bei den an- dern erscheint sie mit einer mehr oder minder deutlichen geschlecht- lichen Differenzirung. Die einfachste Form der ungeschlechtlichen Forl- pilanzung, jene durch Theilung, scheint bei den nackten Amöben all- gemein. In wiefern sie den Rhizopoden zukommt, ist noch unbe- stimmt. Sehr allgemein findet sie sich dagegen bei Infusorien , bei denen auch Sprossenbildung, wenigstens bei den festsitzenden Abihei- lungen (z. B. bei Vorlicellinen) vorkommt. Die Sprösslinge lösen sich vom Multerthier ab und führen eine Zeitlang mittels Cilien umher- schwimmend ein freies Leben. Innere Sprösslinge, Keimkörner, scheinen unter den Rhizopoden bei den Acyttarien beobachtet zu sein. Genauer ergeben sich die Fortpflanzungsverhältnisse der Radiolarien, bei denen aus dem Inhalte der Centralkapsel hervorgehende geissellragende Körper (Schwärmspo- ren) erkannt worden sind. Eine wichtige Form der Fortpflanzung bie- ten die Gregarinen. Der hier bestehende Modus wird durch die Ver- bindung — Conjugation oder richtiger Goncrescenz — zweier Individuen eingeleitet. Diese Erscheinung erfolgt bald sehr frühzeitig, so dass die beiden Einen Körper bildenden Individuen, deren eines mit seinem Vorderende dem Hinterende des anderen angefügt ist (vergl. Fig. 1 4) , noch längere Zeit hindurch wachsen , oder die Conjugation tritt erst später an bereits ausgebildeten Formen ein. Dar- auf erfolgt ein von Encystirung begleiteter Ruhezustand, wobei beide Individuen einen rundlichen Körper vorstellen, an dem man noch einige Zeit eine jene beiden trennende Scheidewand wahrnimmt. Nach- dem diese geschwunden, löst sich die Körpersubstanz, auch der Kern, in eine formlose Masse auf, aus der allmählich zahlreiche Bläschen her- vorgehen. In jedem der letzteren bildet sich eine Anzahl von Keim - kömern, wegen ihrer Gestalt als »Pseudonaviceflen« bezeichnet. Diese füllen allmählich die ganze Cyste, und jeder der kleinen Körper lässl einen nur aus Protoplasma bestehenden kleinsten Organismus entste- hen, der, noch ohne Nucleus, einer Cytode entspricht. Jedes dieser sich amöbenartig bewegenden Gebilde differenzirt sich allmählich zu einem jungen Gregarine, nachdem sich im Ionern ein Kern gesondert, und äusserlich eine Rindenschichte abgegrenzt hat. Obgleich diese Concrescenz für die Einleitung der erwähnten Vor- gänge noch keine exclusive Bedeutung besitzt, da auch einzelne Gre- garinen jenen Fortpflanzungsprocess in derselben "Weise eingehen kön- nen, so wird sie doch nichts weniger als gleichgültig sein. Sie deutet wenigstens für die Fälle, wo sie besteht, die Notwendigkeit zweier Nucleus. 83 Individuen an, welche für die Fortpflanzung die Voraussetzung bilden. Damit wird sie zu einer vorbereitenden Erscheinung für die geschlecht- liche Differenzirung. § 66. Auch in den Fortpflanzungsverhältnissen der Infusorien kommt der Concrescenz eine Rolle zu. Sie geht in der Regel der Rildung von Geschlechtsproducten voraus. Hiebei ist der als Kern (Nucleus) und ein daneben gelagertes meist klei- , neres Körperchen, der Nucleol us , Fig. 19. von besonderer Wichtigkeit. Der Kern (Fig. 1 9.w) ist ein festeres, zuweilen eine besondere Hülle besitzendes Gebilde von sehr verschiedener Gestalt. Er liegt in der Rindensubstanz des Kör- pers , oder ist, wenn tiefer ins In- nere gebettet, doch von einer Aus- breitung dieser Substanz umgeben. Er ist bald oval oder rund , oder erscheint bandförmig gebogen (Vor- ticellinen) oder auch sehr lang ge- streckt mit regelmässigen Einschnü- rungen (Spirostomum). Der Nucleo- lus ist vom Nucleus anscheinend nur durch geringere Grösse ver- schieden , erscheint aber im Laufe der Differenzirung seiner Substanz von anderem functionellem Werthe. Der Forlpflanzungsact wird in der Regel eingeleitet durch völlige oder theilweise Verschmelzung zweier Individuen, die bald von gleicher, bald von verschiedener Grösse sind und dadurch zur Verwechse- lung mit Theilungszuständen oder mit Knospenbildung Anlass gaben. Diese Concrescenz gibt die Anregung zu Veränderungen der bezüg- lichen Theile. Am Nucleus geht eine Theilung vor sich , welche denselben in von einander getrennte Kugeln zerlegt. Diese sollen sich zum Theil wieder untereinander vereinigen und ein Gebilde herstellen, welches durch einen neuen Scheidungsprocess die sogenannten »Em- bryonalkugeln« aus sich entwickelt, in deren Innerem ein neues Indi- viduum entsteht. Auch der nicht allgemein vorkommende Nucleolus erleidet mit der Concrescenz Veränderungen ; er nimmt an Grösse zu Fig. 19. Eine Acinete mit einem Theil des Stieles, p Pseudopodienähn- liche aber starre Tentakel, v Vacuole. n Kern, e Ein bewimpertes Junge in der sogenannten Bruthöhle liegend. 6* 8i Protozoen. und entwickelt in seinem Innern feine faden- oder stäbchenförmige Gebilde , die man nur functionell den Samenelementen gleichstellen kann. Er erscheint somit als männliches Organ, während der Nucleus das weibliche repräsentirt. Der Nucleolus ist immer nur einfach vor- handen, wenn auch mehrfache Nuclei bestehen. Die Einwirkung der aus dem Nucleolus sich entwickelnden Sa- menelemente scheint durch eine unmittelbare Verbindung zu Stande zu kommen, wenigstens hat Stein bei mehreren Infusorien (Pleuro- nema chrysalis, Paramaecium aurelia. Prorodon teres und Encheliodon farctus) »stabförmige Körperchen« im Nucleus beobachtet. Aus den »Embryonalkugeln« scheint sich bald nur je ein Embryo zu bilden, bald gehen durch Differenzirung der einen festeren zapfenförmigen Kern umgebenden Substanz mehrfache Embryonen hervor, so dass die Einrichtung einem knospenbildenden Keimstocke ähnlich ist. Obschon noch viele hier einschlagende Verhältnisse in Frage ste- hen, so ist doch in der ganzen Einrichtung eine nicht blos relativ hohe, sondern auch höchst eigentümliche Differenzirung ausgesprochen, die mit höheren Organismen nur Analogien darbietet. Zweiter Abschnitt. Cölenteraten (Zoophyten). Allgemeine Uebersicht. § 67. Mit dieser Abtheilung beginnen die zweifellos als Thiere zu be- stimmenden Organismen, deren niederste Formen schon eine Sonderung des Körpers in zwei dift'erentc Gewebe erkennen lassen. Die Anlage des Körpers lässt zwei Zellenschichten, eine äussere als E Clo- derm, und eine innere als Entoderm hervorgehen. Dabei bleibt es bei den Spongien, indess bei den Acalephen noch eine mittlere Schicht als Mesoderm auftritt. Der wesentlichste Cha- rakter der in dieser Abtheilung vereinigten Thiere besteht in dem Verhalten des Ernährungsapparates. Dieser stellt einen in das Körper- parenchym eingesenkten Hohlraum dar, der sich entweder canalartig vertheilt, oder in weitere Räume übergeht. Diese verdauende Cavität mit ihren Nebenräumen repräsentirt die einzige Hohlraumbildung im Körper. Wo mehrere Individuen zu Colonien — Thierstöcken — ver- einigt sind, ist das von der verdauenden Cavität ausgehende Canal- system für alle gemeinsam , und setzt sich in die gemeinschaftliche Substanz des Thierstockes — das Cönenchym — fort. Am Körper ist entweder nur die Hauptaxe unterscheidbar, und Nebenaxen sind noch indifferent, oder es bestehen Nebenaxen die unter sich gleichwertig erscheinen. I. Spongiae (Poriferi). Myxospongiae. Haüsarca. Fibrospongiae. Cera spongiae. Euspongia, Spongelia, Poterium. Halichondriae. Axinella, Spongilla. 86 Cölenteraten (Zoophyten). Corticatae. Thethya. H y a 1 o s p o n g i a e. Euplectella. Galcispongiae. Ascon, Leucon, Sycon. II. Acalephae. 1. Hydr omedusae. Hyd riformes. Hydra; — Cordylophora; — Hydractinia ; — Coryne , Syn- coryne, Eudendrium; — Tubu- laria , Corymorpha ; — Campa- nularia, Sertularia, Plumularia. Siphon ophora. Velella, Porpita: phora, Physalia. 2. Calycozoa. Lucernaria. 3. Mcdusae (Discophora). Charybdea, Pelagia, Aurelia, Rhizostoma, Cassiopeia. 4 . Anthozoa. Tetractinia. Cereanthus, Cyathophyllum. Hexactin ia. Antipathes, Fungia, Madrepöra, Aslraea , Oculina, Caryophyllia. Octactinia (Alcyonaria). Alcyonium, Pennatula, Virgularia, Verelillum, Renilla, Gorgonia, Isis, Corallium. 5. Gten ophora. Beroe, Cydippe, Cestum, Eurhamphaea, Mnemia, Eucharis. Medusiformes. Sarsia , Bougainvillea , Lizzia, Oceania ; — Eucope, Thaumantias. Trachynema; — Aegina , Cu- nina ; — Liriope, Geryonia ; — Aequorea. Üiphyes, Abyla ; — Athorybia, Agalma, Physo- Literatur. Spongien: Grant, R. E, Observ. on the struct. and funct. of'Sponges. Edinb. New. phil. Journal. -1826. 1 832. — Lieberkühn, Beitr. z. Entw. der Spon- gillen. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1856. Zur Anat. d. Spongillen ibid. — Derselbe, z. Anat. d. Spongien, ibid. 1857. 1859. 1863. — Schultze, M., Die Hyalonemen. Bonn 1860. — Schmidt, 0., Die Spongien des adriat. Meeres. Leipzig 1862. Supplement 1864. Zweites Supplement 1867. 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Die Körperform der Cölenleraten oder Zoophyten bietet nur in den niedersten Zuständen der dieselben zusammensetzenden beiden grossen Abtheilungen übereinstimmende Verhältnisse dar, in jenem für einen grossen Theil der Zoophyten als »Planula« bekannten Stadium nämlich, das oben (S. 3 4) nach der Bildung der Darmhöhle als »Gastrula« be- zeichnet ward. Diese Form repräsentirt einen Larvenzustand, bei dem ein Wimperkleid als Bewegungsapparat fungirt, und der wohl als ge- meinsame Grundform der beiden Hauptabtheilungen der Zoophyten 88 Cölenteraten (Zoophyten). wird gelten dürfet). Für diese Form ist nur eine Axc , die Hauptaxe, unterscheidbar, welche vorn oralen Pole zum aboralen Pole sich er- streckt. Nebenaxen sind indifferent, da alle senkrecht durch die Haupt- axe gezogenen, in beliebigen Winkeln sich kreuzenden Queraxen einander völlig gleichwerthig sind. Dieser Zustand erhalt sich bei den Spongien und geht bei den Acalephen in einen durch Differenzirung von Quer- axen charakterisirten Befund über. Unter den Spongien erlangt die aus der Planula entstandene Ga- strula mit der am aboralen Pole erfolgenden Anheftung ihre definitiven Verhältnisse in der einfachsten Form als Olynthus unter den Asconen. Auch bei anderen Kalkschwämmen finden sich jene einfacheren Körper- formen noch vor, wenn auch in den inneren Verhältnissen bedeuten- dere Umgestaltungen Platz griffen. Die mächtigsten Veränderungen der Körperform gehen aus der Stockbildung hervor. Durch Knospung oder auch durch unvollstän- dige Theilung entstehen die mannichfaltigsten Colonien (Cormi), deren Personen auf die verschiedenste Weise unter einander verbunden sind , und ebenso verschiedenartig theilweise oder vollständig mit einander verschmelzen können. Im letzteren Falle gewinnen solche Stöcke nicht selten den Anschein von Einzelthieren (Personen) , und in dem Maasse als die äussere Form sich vereinfacht, wird die innere Organisation complicirt. Von nicht geringeren Einflüsse auf die äussere Gestaltung als diese Concrescenz ist die Umbildung der Mundöffnungen der Golonie, die gruppenweise oder auch sämmtlich sich vereinigen können, oder auch vollständig verschwinden. Der grosse, durch diese nur in der Kürze angedeuteten Verhält- nisse bedingte Formenreichthum dieser Abiheilung empfängt endlich noch neue Momente der Modification in zahlreichen Anpassungen topischer Natur, und nirgends im Thierreiche erscheint die Körperform in so vollem Flusse als bei den Spongien , so dass selbst die Unter- scheidung der grösseren Abtheilungen, geschweige denn die der Arten von daher unmöglich wird , wie die höchst wichtigen Untersuchungen Uäckel's an Kalkschwämmen uns lehren. §. 69. Für die Acalephen bildet der aus der Gastrulaform hervorgehende Körper in fast allen Abiheilungen einen festsitzenden Zustand aus, mit dessen Beginn die entstehende Magenhöhle den Organismus in wesentlich demselben einfachen Verhalten erscheinen lässt wie wir ihn bei dem ent- sprechenden Stadium der Spongien antrafen. An dem die Magenhöhle bergenden Vordertheile des Leibes entstehen Fortsätze, Tentakel, welche die erste Andeutung einer Diflerenzirung von Nebenaxen dar- Körperform. S(,l bieten, und damit leitet sich die schärfere Sonderling von den Spon- gien ein. Unter den Hydromedusen bilden die 11 y d r oiden, oder Hydro- idpolypen , (Ilydriformes) die niedrigste Stufe. Bei vielen stehen die Tentakel unregelmässig an dem den Magen umschliessenden Körper- Iheile (Coryne, Syncoryne, Cordylophora), oder die Tentakelzahl ist eine unbestimmte selbst wenn diese Gebilde nur auf bestimmte Zonen des Leibes beschränkt sind, und am vorderen Körpertheil die Nähe der Mundüll'nung im Kranze umstehen. (Hydractinia, Eudendrium, Cam- panularia). Die wechselnde Zahl der Tentakel verbietet auch hier noch die Annahme bestimmt difi'erenzirter Nebenaxen. Nur bei einzelnen sind letztere in der Tentakelstellung bestimmter ausgesprochen (Stauridium). Durch die Ausdehnung des aboralen Körperendes in einen stiel— artig den tentakelbcselzten freien Körpertheil tragenden Abschnitt, er- scheint der letztere in grösserer Selbständigkeit, und wird häufig als »Köpfchen«, auch als »Polyp« unterschieden. Durch Sprossung entstehen aus dem Einzelthiere Golonien, Thierslöcke (Cormi). Die Sprossung kann entweder an jedem Theile der Körperoberfläche erfolgen (Hydra) und auch mit Ablösung des Spröss- lings endigen , oder sie findet nur an dem stielartigen Körpertheile statt. Bilden sich von dessen Basaltheil her Ausläufer, welche festge- heftet von Stelle zu Stelle neue Thiere emportreten lassen, so gehen daraus die kriechenden Cormi der Syncorynen, llydractinien u. s. w. hervor. Geht die Sprossung vom freien Theile des Stieles aus, so werden frei verzweigte Stöcke gebildet, welche in den mannichfaltigsten Complicationen auftreten (Eudendrium, Campanularien) und sogar eine regelmässige Art der Verzweigung eingehen (Sertularia, Plumularia). Die Stockbildung ist fast beständig von der Bildung eines röhren- förmigen Gehäuses begleitet, welches als eine Abscheidung der Körper- oberfläohe dem gemeinsamen Slamme sowohl wie dessen Verzweigun- gen als Stütze dient, und in verschiedenem Grade auch auf die Per- sonen des Stockes fortgesetzt ist. § 70. Der Knospungsprocess der Hydro'idpolypen liefert ausser der Ver- grösserung des Stockes durch neugebildete gleichartige Individuen (Per- sonen) noch Bildungen andrer Art, deren differenzirteste Formen sich zu Medusen entwickeln. Der Körper dieser durch Knospung entstandenen Thiere ist glocken- oder scheibenförmig gestaltet (Fig. 21, m.) und lässt sowohl in seiner inneren Organisation wie durch die am Bande der Glocke oder Scheibe entspringenden Tentakel neben der Hauptaxe meist zwei sich recht- winkelig kreuzende Nebenaxen unterscheiden, die sich völlig gleichwer- tig sind. In dieser Organisation spricht sich eine 'höhere Stufe aus, als 90 Cölenteraten (Zoophyten). Fei- Fig. an- in jener der Ilydro'idpolypen zur Entfaltung gelangte. Die Thiere be- wegen sich durch Contractionen der Glocke, deren Rand sich in eine gleichfalls contractile Membran, das Ve- lum, fortsetzt. Diese Medusengennhen sind stets die Träger der Fortpflanzungsorgane, aus ihren Eiern entstehen wieder Hydro'i'd- polypen. (Generationswechsel !) Während die einen Knospung werdender Medusen (Fig. 20, a — e; 21, a — e) auszeichnet, kommt es bei deren Hydroidpolypen nur zur Anlage einer Medusengemme, deren Organisation nicht ganz jene hohe, das frei werden be- dingende Stufe erreicht, und demgemäss mit dem Stocke verbunden bleibt. Die geschlechtliche Entwickclung bleibt jedoch auch hier nicht aus , und diese rudimen- tären Medusen stellen »Geschlechlsknospen« vor, deren Producte sich in denselben Beziehungen wie jene der freien Medusen entwickeln. Daran schliessen sich noch einfachere Knospenformen an, die sich lassen , deren Bau kaum etwas mit Aber die bis hierher führende Reihe ist durch zahlreiche Vermittlungsformen vollständig, so dass äussere, blos Geschlechtsproducte enthaltende Knospen , und relativ hoch organisirte Medusen, die erst längere Zeit nach der Ablösung vom IlydroTdenstocke sich sexuell entwickeln, als zusammengehörige Formen, Endpuncte einer Reihe, gelten müssen. Diese Erscheinung wird durch die Annahme einer Arbeitsthcilung erklärt, bei der die Function der Ernährung des Stockes den sessil bleibenden Individuen zufällt, indess andere sich ablösende die Besor- gung der sexuellen Vermehrung übernehmen. Die als freiwerdende Knospen auftretenden erlangen eine höhere Organisation, die wohl aus der niederen- ursprünglich mit den sessil bleibenden übereinstimmenden all- mählich sich hervorbildete. Die Ablösung vom Stocke dürfte demnach für jene sexuellen Individuen als das erste, ihre Differenz irung in der medusoidcn Richtung bedingende Moment gellen, gleichwie das Sitzenblei- ben der medusoidcn Gemmen in den andern Fällen von einer Rückbil- dung jener medusoidcn Organisation begleitet ist. Wenn aber diese Orga- nisation, wie wir oben annahmen, durch ein ursprüngliches Freiwerden erlangt ward, so müssen die medusoiden Gemmen nolhwcndig nicht etwa als in der Ausbildung stehen gebliebene, sondern vielmehr als in der Rückbildung begriffene Medusengemmen beurtheilt werden. endlich bis zu solchen einer Meduse gemein hat. verfolgen Fig. 20. Syncoryne , mit einer Anzahl daran knospender Medusen auf ver- schiedenen Stufen !a— e) der Entwickelung. (Nach Desok.) Körßerform. 91 Die Knospung der Generalions- Individuen, als welche die medusi- formen Gemmen mil ihren Modifikationen zu betrachten sind, findet sich an verschiedenen Localitäten. Da die Stockbildung ein secundarer Vorgang ist, wird die Knospung am Leibe des Einzelthiers die ursprüng- liche sein. Daselbst trifft sie sich auch in allen Abiheilungen der Hydroid- polypen. lieber die Leibesober- flüche zerstreute Gemmen bieten Fi^'- 21- die Coryneenstöcke. Häufig sitzen die Knospen zwischen den Ten- takeln. Nach innen vom Tentakel- kranze finden sie sich bei Pen- naria. An derselben Stelle bei den Tubularien, wo sie immer zu mehreren auf gemeinsamem Stiele sitzen, zuweilen ansehnliche, trau- ben- oder ähren förmige Gruppen bildend. Die Knospung am Hy- dro'i'denkörper ist in vielen Fällen von einer Rückbildung des letz- teren begleitet. So bei manchen Campanularien, Hydraclinien u. a. Das proliferirende Individuum gibt seine Betheiligung an der Ernäh- rung des Stockes auf, w7as sich in einer Verkümmerung der Ten- takel wie der Magenhöhle äussert. Der Thierstock wird dadurch aus nutritorischen und proliferirenden Personen zusammengesetzt , von als Geschlechts -Personen tragen. Die proliferirenden Personen lassen verschiedene Grade ihrer Rück- bildung wahrnehmen. Im äussersten Falle bleibt nach Entwicklung der Gemmen nur noch ein Rest des sie tragenden Individuums übrig, (z. B. bei manchen Campanularien). Die vollständige Rückbildung der proliferirenden Person lässt die Gemmen ohne eine Beziehung zu einer HydroTdenperson von irgend einem Theile des gemeinsamen Stockes entspringen. Wo mehrere Gemmen vereinigt in diesem Falle sich finden wird die Ableitung derselben von einer rückgebildeten proli- ferirenden Person nicht, schwer, hingegen ist das Vorkommen vereinzelt vom gemeinsamen Stocke entspringender Gemmen (z. B. bei Euden- drium ramosum Fig. 21) nicht sicher hiervon ableitbar, da die Mög- denen letztere wieder die Gemmen Fig. Fig. 21. Theil eines Stockes eines Hydroidpolypen (Eudendrium ramosum) mit sprossenden Medusen, p, p, p Polypen mit dem Tentakelkranz, a, b, c, d, e, f verschiedene Dift'erenzirungszustiinde der sprossenden Medusen, mm' freie Me- dusen in verschiedenen Stellungen. 92 Cölenteraten (Zoophyten). lichkeit der Entstehung medusifonner Gemmen am Hydro'idenstamme nicht ausgeschlossen ist. In den höheren Abtheilungen der Medusi- formes sind die Beziehungen zu Hydroiden aufgegeben. Wenn auch die Fortpflanzung manche bedeutende Complicationen zeigt (s. unten Geschlechtsorgane), so ist doch, soweit bis jetzt bekannt, eine Rückkehr zur llydroidenforrn für die Trachynemiden, Acginiden, wie Geryoniden ausgeschlossen. § 71. Die bei den Hydro'i'dpolypcn wesentlich auf die nutritorische und ge- nerative Function beschränkte Arbeitsteilung der zu einem Thierstocke vereinigten Personen ist bei den Siphonop hören auf eine grössere Reihe von Verrichtungen ausgedehnt, und hat demgemäss eine bedeu- tendere Mannich faltigkeit der Gestaltung der Bestandtheile des Thierstocks zur Folge. Die Arbeitsteilung bedingt so einen Polymorphismus der Personen. Diese folgen sämmtlich dem medusiformen Typus , der wieder in verschiedenem Maasse entfaltet ist. In den Fällen seiner deutlichen Ausbildung waltet die bei den Medusengemmen der Hydro'id- polypen herrschende Grundform vor, woraus sich eine gemeinsame Abstammung beiderAbth eilungen ableitet. Die Siphonophoren erscheinen so als schwimmende Hydroidenstöcke , deren Personen sämmtlich die bei den Ilydroi'dpolypen nur von den generativen Per- sonen vollzogene Umwandlung in die Medusenform eingingen. Die einzelnen Personen des Siphonophorenstockes sprossen an einem gemein- schaftlichen conlractilen Stamme, der bei den meisten dieAxe des Stockes vorstellt, um welche die als Organe für den Gesammtstock fungirenden Personen angeordnet erscheinen. Diese sind: 1. Loco motorische Personen, (Schwimmglocken), welche am vollständigsten den Medusentypus zeigen, zu zweien (Diphyiden) oder in grösserer Anzahl zu einer Schwimmsäule vereinigt (Physo- phoriden) das eine Ende des Stammes besetzend (Fig. 22. A. C. m. D.) , welches dadurch bei der Locomotion vorangeht und zum vor- deren wird. 2. Nutritorische Personen finden sich am zweiten Abschnitte des Stammes in Gestalt von Magenröhren (Magen , Saugröhren) ange- bracht (Fig. 22. B. C. n). Ein Theil von ihnen gelangt in einzelnen Fällen nicht zur Ausbildung, und stellt dann terminal geschlossene Schläuche vor, die als »Taster« fungiren. 3. Protective Personen (Deckstücke) lassen sehr häufig noch den Medusentypus deutlich, in andern Fällen sehr wenig deutlich wahr- nehmen, und erscheinen als hyaline blattförmig gestaltete Stücke, unter deren Schutz die sub 2. und 4. 5. aufgeführten Personen ange- bracht sind. 4. Tentakuläre Personen bilden einfache oder in verzweig- Körporform. 93 ten Büscheln angeordnete bedeutend verlängerbare Fäden (Senkfäden), welche terminal mit eigentümlichen Nesselorganen (Nesselbatterieen) Fig. 22. ausgestattet sind. Die ursprüngliche Medusenform ist nur bei wenigen dieser Gebilde in Spuren erkennbar. 5. Generative Personen bieten wie bei den HydroTdpolypen mannichfaltige Ausbildungszustände. Obschon sie nur in seltenen Fällen Fig. 22. Einige Siphonophorenslocke. A. Diphyes campanulata. B Eine Gruppe von Anhangsgebilden vom Stamme derselben Diphyes. C. Physophora hydrostatica. D. Einzelnes Schwimmstück derselben. E. Weibliche Geschlechts- traube von Agalma Sarsii. a. Stamm oder Axe der Colonie. a' Luftblase. m. Schwimmstücke, c. Höhle in denselben, von einer contractilen Membran aus- gekleidet, v. Canäle in der Wand der Schwimmstückhöhle., o. Oefl'nung des Schwimmstücks, t. Deckstücke (bei C in Taster umgewandelt), n. Magen, i. Senk- füden. g. Geschlechtsorgane. 94 Cölenteraten (Zoophyten). zu freiwerdenden Medusen sich umgestalten (Velelln — Chrysomitra) , so ist doch der medusiforme Typus an ihnen sehr allgemein ausgeprägt. Meist sind sie, ähnlich wie bei den Tubularien in tra üben förmiger Gruppirung zu treffen. Die Anordnung dieser einzelnen, "sehr divergent diflerenzirten Per- sonen des Siphonophorenstock.es wechselt in den einzelnen Abtheilungen, sowie auch die locomotorischen wie die protectiven Personen einzelnen Gattungen gänzlich fehlen. Im Allgemeinen ist in der Anordnung und Vertheilung der polymorphen Personen des Stockes innerhalb der Gattungen und Arten eine grosse Constanz zu beobachten ; die Spros- sung vom Stocke geht nur an Einer Seite derselben vor sich, die all- seitige Gruppirung um den Stock erfolgt durch spiralige Drehung des letzteren. Daraus resultirt die zwei- oder mehrzellige Anordnung der Schwimmglocken, sowie auch die Gruppirung der übrigen Bildun- gen. Nutritorische, generative und tentaculäre Individuen sind meist in Gruppen beisammen, so dass einer Gruppe derselben je ein Deckslück zukommt. Während bei den meisten Physophoriden diese Gruppen sehr dicht stehen, finden sie sich bei den Diphyiden in grösseren Di- stanzen angebracht. (Fig. 22. A. /?.), und jede Gruppe aus einer be- stimmten Personenzahl zusammengesetzt, die bei manchen vom Stocke sich ablösend eine individuelle Bedeutung erlangen kann. (Eudoxien.) Das durch die locomotorischen Personen ausgezeichnete Vorderende des Stammes empfängt in manchen Abtheilungen eine selbständige Ausbildung durch die Entwickelung eines luftführ enden Sackes. Dieser fungirt als hydrostatischer Apparat, und lässt das Vorder- ende während der Buhe des Stockes stets aufwärts gerichtet erscheinen (Physophoriden). Er besitzt eine verschliessbare Oeffnung nach aussen, durch die ein Entweichen der Luft beobachtet ist. Die bedeutendere Ausbildung dieser bei den meisten Physophoriden ziemlich kleinen Blase (Fig. 22. C. a) scheint eine Bückbildung der locomotorischen Gemmen des Stockes zu bedingen. Diese fehlen z. B. bei Bhizophysa, bei der der Luflsack vergrössert ist. Durch eine ansehnliche Ausdehnung zu einem weiten Baume nimmt der Luftsack den grössten Theil des Stammes ein, und bildet so den voluminösesten Theil der Colonie, deren Einzelstücke wie einer Seite der Blase ansitzende Anhänge sich ausnehmen. Dieses Verhallen ist bei den Physalien ausgebildet, und wird von einer Verkür- zung des Stammes begleitet. Ein anderer Zustand ist bei den Velel- liden gegeben, deren Luftsack zum stark verkürzten Stamme eine ter- minale Lage einnimmt, und sich unter flächenartiger Ausdehnung zu einer Scheibe vergrössert, deren knorpelartige derbe Wandungen durch Scheidewandbildung den Binnenraum in zahlreiche Kammern theilen. Im ersten Bildungszustande stellt der Luftbehälter auch hier einen ein- fachen Sack vor. Bei Porpita bleibt die Scheibe platt kreisförmig, bei Velella erhebt sie sich in einen schräg gestellten dünnen Kamm, in wel- chen die Lufträume der Platte sich nicht fortsetzen. Die concenlrisch Körperform. 95 gelagerten Kammerräume des Luflbehälters stehen bei Velella unter sich durch Oeffnungen in Verbindung. Nach aussen öffnen sie sich durch eine Anzahl an der Oberfläche gelagerter Löcher. Bei Porpita gehen von der untern Fläche des Luftbohälters noch feine luftführende Canäle ab, welche verästelt in den die Krnährungsindividuen tragenden Theil des Stammes eindringen. § 72. Die Verbindung der höher entwickelten freien Form mit der durch einen festsitzenden polypenförmigen Körper repräsentirten niederem, herrscht auch noch in der Abtheilung der Medusen (Discophoren) die durch ihre Organisation von den Hydromedusen in manchen Punclen verschieden sind. Auch die Polypenform iScyphostoma) erscheint auf einer höhern Organisationsstufe als die Mehrzahl der HydroTdpoly- pen, und bietet nur mit einigen derselben (Corymorpha) Anknüpfungs- punete. Sie entwickelt sich ebenso wie bei den Hydroi'dpolypen aus einer erst freien dann sich festsetzenden Planula (Fig. 23. 1, 2). Die Grundform des Körpers stimmt jedoch nicht blos mit manchen HydroTd- polypen ; sondern auch mit dem Medusenzustande der- Fig. 23. selben darin überein , dass zwei gleichwerthige Neben- axen die Hauptaxe kreuzen. Die Organe sind also nach der Vierzahl angeordnet, u. lassen am Körper vier Antimeren unterscheiden. Aus dieser Polypen form entstehen die Medusen wiederum durch Sprossung, die aber nicht wie bei den Hydro'iden eine laterale, sondern eine termi- nale ist. Der den Mund tra- gende Endabschnilt des Scy- phostoma beginnt allmählich von» übrigen Körper sich abzuschnüren (Fig. 23. 4.), und indem der Körper dabei forlwächst werden gegen den aboralen Pol zu immer neue Abschnitte metamerenartig gesondert (Stro- bila ; Fig. 23. 5.), die sämmtlich medusenähnlich sich ausbilden. Der Polypenleib wird dadurch in eine oft bedeutende Anzahl von Medusen zerlegt, die allmählich sich ablösen (Ephyraform) , und frei geworden eine weitere Ausbildung eingehen. Fig. 23. Jugendziistände von Aurelia aurita. \. Planulaform, sich festheftend. 2., 3. Uebergang in die Polypenform. 4. Beginn der Metamerenbildung. 5. Fort- gesetzte Metamerenbildung (Strobila und Differenzirung derselben.) (Nacb M. Sars.) \J 96 Cölenteraten (Zoophyten). Dieser für Cephaea, Aurelia und Cassiopeia bekannte Vorgang fehlt bei Pelagia, deren Eier sich in schwimmende Planulae verwandeln, die, ohne ein polypenförmiges Stadium, zu jungen Medusen werden. Die Ontogenie der Pelagia ist also auf wenige Stadien zusammengezogen, während sie bei den andern , über eine grössere Formenreihe ausge- dehnt, mehr einer Wiederholung der paläontologischen Entwickelung entspricht. Für diese wird der polypenförmige festsitzende Zustand als Ausgangspunkt gelten müssen, woran sich zunächst die allmähliche Umwandlung des Polypen in eine frei werdende Meduse anschloss. Die Gliederung des Scyphostoma in eine Mehrzahl von Medusen erscheint unter jener Voraussetzung als ein secundärer Vorgang, der erst allmäh- lich, nachdem nicht mehr der ganze Polypenkörper in die Meduse sich umwandelte, zur Ausbildung kam. Aus dem beim Uebergange des Po- lypen in die Slrobila stattfindenden Wachsthume letzterer Form ist er- sichtlich , dass den Ernährungsverhältnissen des Scyphostomazuslandes für die Entstehung der Strobilaform , d. h. für die Sprossung der Me- dusen, eine wichtige Rolle zukommen muss, so dass die Entstehung der ganzen Erscheinung mit der Ernährung des Scyphostoma in cau- salem Zusammenhang steht. Wie die Medusen durch die Scyphostomaform mit den Hydroidpo- lypen in verwandtschaftlichem Verhältnisse stehen, so besitzen sie noch nähere Beziehungen zu den Calycozoen, die wieder von der Scy- phostomaform ableitbar erscheinen. Der mit einem kurzen Stiele fest- sitzende Körper ist schirmartig verbreitert und kommt im Verhalten seiner Axen mit den Scyphostomen und deren Abkömmlingen überein. In manchen Beziehungen bietet er auch eine nähere Verwandtschaft mit den Anthozoen. Dadurch erscheint in den Calycozoen eine sehr wich- tige Zwischenform , die aus der für mehrere grosse Abtheilungen der Zoophyten gemeinsamen Stammform mit relativ wenigen Modifikationen sich fortgesetzt hat. § 73. Für die Anthozoen ist die primitive Körperform mit jener an- derer Zoophyten in vollkommener Uebereinstimmung, und auch die ersten Zustände der sich festsetzenden Planula bieten keine wesent- lichen Differenzen. Das Erscheinen von Tentakeln und die später folgende innere Differenzirung lässt manche Verschiedenheiten auftreten, zunächst in der Grundzahl der Nebenaxen des Körpers. Bei einigen treten nur 4 Tentakel auf (Tetractinia), bei anderen G, (Hexactinia) und endlich bei noch andern 8 (Octactiniaj. In den beiden ersten Abthei- lungen bleibt es nicht bei dieser Zahl, vielmehr erscheint alsbald eine Vermehrung der Tentakel der eine entsprechende Veränderung der inneren Organisation parallel geht. Es wird damit am Organismus eine grössere Zahl von Queraxen unterscheidbar, deren Grundzahl Rörperfortfl. <)7 in den meisten Fällen die zuerst erschienene Zahl ist. Bei den Octac- linien dagegen persistiren die ersten vier Queraxen. Der meist cylindrisehe Körper des jungen Thieres behält diese Form nur in wenigen Abtheilungen (Cereanthus , Actinia). Bei den übrigen kommt es wieder zu einer Stockbildung, welche für die äussere Erscheinung dieser Zoophyten die grösste Mannichfaltigkeit der Formen bedingt. Die Stöcke (Polyparien) entstehen entweder durch unvollstän- dige Theilung oder durch Knospenbildung, beide zuweilen combinirt. Die Theilung (Längstheilung) erweist sich in der Stockbildung bis zu sehr verschiedenen Stufen ausgeführt. Bei manchen Fällen ist sie nur durch ein Auswachsen in die Quere angedeutet, und es kommt zu gar keiner Scheidung des Organismus , z.B. bei manchen Fungien. Andere bieten die Theilung nur an der oralen Körperoberfläche, indess im Innern ein continuirliches Verhalten fortbesteht. Durch die Fortsetzung dieses Vorganges entstehen Stöcke mit zahlreichen Mundöffnungen, die in man- nichfach gewundenen, am Rande mit Tentakeln besetzten Reihen ange- ordnet sind (Maeandrina). Während auf diese Weise mehr flache oder rasenartig ausgebreitete Stöcke entstehen, treten durch die Combina- lion der Theilung mit einem bedeutenden Längewachsthum der Per- sonen verästelte Stöcke auf, die nicht blos verschiedene Ausdehnung, sondern auch sehr mannichfache Formen der Verzweigung gewinnen können. In ähnlicher Weise liefert die Sprossung complicirle Stock-^- bildungen. Auf beiderlei Art entsteht eine dem gesammten Stocke zugehörige, allen Personen gemeinsame Körperparthie (Coenosark, Coe- nenchym). Von dieser entwickelt sich der basale Abschnitt bei den nicht festsitzenden , sondern nur lose im Schlamm oder Sande steckenden Stöcken der Octactinien zu einem der Sprossung entbehrenden stiel— ähnlieh geformten Theile des Stockes (Pennaluliden). § 74. In der von den übrigen Acalephen am meisten abweichenden Ab- theilung der Ctenophoren bildet sich aus der mit den anderen im we- sentlichen übereinstimmenden Larve alsbald die definitive Leibesform aus. An dieser sind vier senkrecht auf die Hauptaxe gerichtete Neben- axen unterscheidbar, nach denen die wichtigsten Organe angeordnet sind. Der Körper folgt damit im allgemeinen dem radiären Typus der bei den Bero'i'den am meisten ausgeprägt ist. Dieser achtstrahligen Form liegt jedoch höchst wahrscheinlich eine vierstrahlige zu Grunde bei der jeder Radius sich in zwei getheilt hat. Je zwei aus einem primitiven Radius entstandene Radien sind den gegenüberstehenden Radien derselben Queraxe gleich. Die Ausbildung der Körperform er- folgt nach den Polen einer der beiden primitiven Queraxen. Die in dieser Richtung aufgetretene Differenzirung ist schon bei den Gydippi- den deutlich , mehr ist sie bei den Mnemiden durch lappenarlige Gegenliaur, Grnndriss. 7 98 Gölenteraten (Zoophyten). gegen den Mundpol gerichtete Fortsätze ausgeprägt, am meisten bei Cestum, dessen Körperform durch Auswachsen in der Richtung zweier congruenter Interradien in eine Bandform überging. Gliedmaassen. § 75. Als Gliedmaassen können die als Tentakel bezeichneten Förl- satzbildungen des Körpers angesehen werden , welche den Spongien fehlen, bei den Acalephen in grosser Verbreitung getroffen werden, und ebenso von bedeutendem Einflüsse auf die äussere Form- erscheinung dieser Organismen, als für die Gesammt- Oekonomie der- selben von hohem functionellen Werthe sind. Die meisten sind wie die Leibeswand contractu, doch gibt es auch starre nur wenig beweg- liche Formen (Trachynemiden). Die Tentakel sind der Sitz einer be- deutenden Empfindlichkeil, und fungiren somit als Sinnesorgane; in vielen Fällen sind sie Greifwerkzeuge, und endlich dienen sie durch die ihnen eingefügten Nesselzellen als Waffen. Den niedersten Befund bieten die Hydro'i'dpolypen, deren Tentakel in manchen Abtheilungen (Coryneen) über die Oberfläche des vordersten (dem oralen Pole nächst gelegenen) Körperabschnittes zerstreut sind (Fig. 20). Bei manchen macht sich eine regelmässigem Vertheilung bemerk- bar, die bei anderen in die Herstellung eines »Tenlakelkranzes« übergeht. (Hydractinia, Eudendrium, Campanularia) (Fig. 21). Letzterer ist meist in einiger Entfernung von der Mundöffhung angebracht; durch ihn wird der bezügliche Körpertheil höher potenzirt und erscheint einem Kopfe analog, wie man dann die tentakeltragenden Körpertheile der HydroTfden auch als »Köpfchen« zu bezeichnen pflegt. Der höheren Differenzirung des gesammten Körpers der Tubularien entspricht die Ausbildung eines zweiten Tenlakelkranzes, der den Mund direct umgibt. Der äussere Tentakelkranz ist mit der scheibenähn- lichen Ausbreitung des Köpfchens an den Rand desselben gerückt. Es sind also hier Mundtentakel und Randtentakel unter- scheidbar. Letztere erlangen bei den Hydromedusen wie bei den Dis- cophoren eine grosse Ausbildung. Die Randtentakel, Randfäden, meist sehr bedeutend verlän- gerte fadenartige Anhänge des Glocken- oder Schirmrandes der Hy- dromedusen sind immer nach den Körperradien geordnet. Bei dem Bestehen interradialer Tentakeln treten diese meist nach den radialen auf, selbst wenn ihre Zahl eine bedeutende ist. Zuweilen stehen sie in Büscheln (Lizzia) oder sind verzweigt (Cladonema). Der über die Radienzahl hinausgehenden Vermehrung der Tentakel steht die Minde- rung gegenüber. Nur zwei Tentakel besitzt Saphenia. Bei einigen kommt nur Ein Tentakel zur Ausbildung (Stenstrupia). Gliedmaassen. 99 Bei den Trachynemiden sind die Tentakel gleichfalls radial ange- ordnet, manche besitzen dazu wie die Aeginiden noch interradiale. Eigenthümlich ist die Einfügung der Tentakel an den Körper, indem das Stützgewebe der ersteren einen oft ansehnlichen Fortsatz in letz- teren einschickt. Auch Reductionen kommen vor. Nur 2 Tentakel besitzt Aeginopsis. Bei den Geryoniden findet ein Wechsel der Ten- takel statt, indem das junge Thier vergängliche Randfaden (Larven- tentakel) von andern) Baue besitzt. Die unter den Hydromedusen verbreiteten Mundtentakel entsprechen gleichfalls der Grundzahl der Radien des Körpers. Bald sind sie einfach, bald verzweigt. Sie bilden jedoch kein allgemeines Vorkommen und werden häufig durch Ausdehnungen des Mundrandes ersetzt. Trachynemiden und Aeginiden entbehren sie allgemein. Unter den Siphonophoren entbehren alle medusiformen Personen der Randfäden, die nur als Rudimente, wie z. B. in den Nesselknöpfen der Deckstücke , angedeutet erscheinen. Dieser Mangel eines für die Oekonomie der Stöcke wichtigen Apparates wird durch die »Taster« und die »Senkfäden« compensirt, welche aus Umbildungen medusiformer Personen sich erklären lassen (vergl. oben § 71). Den Discophoren fehlen die Bandfäden in den Abtheilungen der Bhizoslomiden und Cyaneen , welch' letztere vier ansehnliche von der Unterfläche des Schirmes entspringende Tentakelbüschel besitzen, die weder auf Bandfäden noch, auf Mundtentakel bezogen werden können. Bei anderen kommen Randfäden bald nach der Radienzahl, bald auch interradial verbreitet vor. Schon bei den Charybde'i'den zeigt Charyb- dea vier von pfeilera tilgen Fortsätzen der Glocke getragene Tentakel, die bei Tamoya (T. quadrumana) durch ebensoviele Büschel repräsen- lirt sind. Eine Vermehrung findet sich bei den Pelagien , und eine sehr grosse Anzahl feiner Bandfäden zeichnet die Aurelien aus. Mund- tentakel erscheinen als feine franzenartige Fortsätze an den Bändern der den Mund umstehenden Arme. Bei den Bhizostomiden sind sie längs der zahlreiche Mundporen tragenden Rinnen vertheilt. Bezüglich der Lucernarien ist ein doppeltes Verhalten der Randfäden zu bemerken , indem sie bei einer Abtheilung (L. cyathi- formis) ganz ähnlich wie bei Medusen den Rand des becherförmigen Körpers besetzen, jedoch deutlich eine Scheidung in acht Gruppen er- kennen lassen, indess sie bei anderen (L. auricula) ebensoviele auf die Enden der vier vom Körper ausgehenden Zipfelpaare vertheilte Büschel bilden. Die Tentakel der Anthozoen sind nach den grösseren Abthei- lungen verschieden. Acht blattförmige eingekerbte oder gefiederte Ten- takel umgeben die Mundöffnun" der Octactinien. Eine meist grössere Anzahl cylindrischer Tentakel kommt den Hexactinien zu. Sie um- stehen die Mundfläche des Körpers oder sind auf ihr zerstreut, zu- weilen auch auf lappenförmigen Fortsätzen derselben angebracht. 7 * "t Ö Ö Cölenteraten (Zoophytcn Bei den C tenop h oren sind ausser hin und wieder vorhandenen unansehnlichen Fortsätzen am Rande der Mundöfihung in einzelnen Familien (Calymniden , Callianiriden) grosse in der Nähe des Mundes sich erhebende lappenförmige Ausbreitungen des Körpers vorhanden, die man mit den Tentakel bildungen zusammenstellen kann, obschon sie diesen morphologisch fremde Gebilde sind. Ausser diesen bestehen in einigen Gattungen (Cydippiden) den Randfäden der Medusen ähnliche, den Polen einer interradialen Queraxe des Körpers entsprechende »Senk- fäden«, die zuweilen mit secundären Anhängen besetzt sind. Integument. § 76. Das Integument der Cölenteraten bietet die primitivsten Verhält- nisse bei den Spongien , indem es aus dem nur wenig differenzirten Ectoderm sich zusammensetzt, welches den mannichfaltigen Umgestal- tungen des den Ernährungsapparal begrenzenden Enloderms folgt. Die durch letzteres Verhältniss sich ergebenden Eigenthümlichkeiten sind weiter unten (§ 83) berücksichtigt. Die Zellen des Ectoderms erhalten sich seltener selbstständig, son- dern stellen in der Regel Syncytien dar, die im Wechselspiel der Be- wegung bedeutende Formveränderungen der Körperoberfläche bedingen. Unter den Acalephen geht das Ectoderm sehr frühzeitige Dil— ferenzirungen ein, so dass die ziemlich allgemein verbreitete äussersle Zellenschicht, Epidermis, in den meisten Fällen nur einen Theil der primitiven Ectodermschicht vorstellt. Die bei den Schwämmen nur auf frühere Entwickelungsstadien beschränkte Wimperbekleidung des Körpers erhält sich bei den Acalephen nicht blos während der soge- nannten Larvenstadien, wo sie der Locomolion vorsteht, sondern geht auch vielfach auf spätere Formzuslände über, wobei sie meist auf ein- zelne Theile, z. B. die Tentakelbildungen beschränkt wird. Mit der Volumsvergrösserung des Körpers wird die Bedeutung der Cilien für die Locomolion aufgegeben. Nur in einer einzigen Glasse,bei den C tenop hören, erhält sich diese Beziehung unter Zunahme des Vo- lums der Cilien. Statt der allgemeinen Bewimperung der Larve bilden sich den Körper in Längsreihen besetzende Cilien , welche durch Aus- wachsen in die Länge und Breite in bewegliche Schwimm- oder Ruder platt chen sich umgestalten. Die Plältchen sind mit der brei- teren Basis dem Körper verbunden und nur an dieser Stelle äussert sich die vom Willenseinflusse des Thieres abhängige Contractililät, wäh- rend der übrige grössere Theil der Plättchen rigid erscheint. Meist sind acht Reihen solcher Plältchen vorhanden, die als Ruderorgane thätig sind. Bei manchen treten nur i Reihen derselben auf, und auf diese Zahl beschränken sich die Reihen bei Ceslum. Als eigenthümliche Integument. 101 Fig. 24. Modificationcn der Epithelelemente sind die bei allen Acalephen ver- breiteten , wenn auch nicht ausschliesslich auf diese Abtheilung be- schränkten Nesselkapseln anzusehen, feste in Zellen ent- stehende Kapseln (Fig. 2i. B) , welche in ihrem Innern einen elastischen, spiralig zusammengerollten Faden enthal- ten (.!) , der meist bei Berührung der Kapsel als starres Gebilde nach aussen hervortritt. Diese Nesselkapseln fin- den sich bald einzeln bald in Gruppen, und zeigen zu- weilen eine sehr regelmässige Anordnung. Oft geht diese zu ausserordentlich complicirten Einrichtungen über, wie z. B. an den Nesselknöpfen der Siphonophoren, bei denen die Nesselzellen häufig in spiralige Bänder angeordnet sind. Auf der Oberfläche entstanden , erhalten diese »Nesselbatterieen« bei vielen eine besondere Umhüllung, indem sie von einer Integumentlamelle umschlossen werden. Obschon diese Zellen über die ganze Oberfläche des Körpers verbreitet vorkommen, und auch im Entoderm und dessen Producten nicht fehlen, so sind doch manche Körper- theile ihr vorzüglicher Silz. Das sind vor Allem die Ten- takelgebilde, oder andere Vorsprünge des Körpers. Die Formen der Nesselkapseln sowie der feinere Bau des Fa- dens bieten bedeutende Verschiedenheiten, und ergeben für die einzelnen Abtheilungen charakteristische Befunde. Die Epithelschichte besitzt auch eine secretorische Thätigkeit, durch welche mehr oder minder den Körper "gs, umschliessende Gehäuse geliefert werden. Sie finden sich w© unter den HydroTdpolypen verbreitet, aus einer festen, dem Chitin nahestehenden Substanz gebildet, häufig mit mannichfaltigen Sculpturen, Leisten, Stacheln, Wülsten etc. versehen. Besonders bei den in Colonieen vereinigten HydroTdpolypen finden sich solche röhren- förmige Gehäuse, die bald nur auf den festsitzenden Theil des ge- meinsamen Stockes beschränkt sind (Hydractinia) , bald sieh über die Verzweigungen des Stockes fortsetzen (Tubularia , Eudendrium , Pen- naria) bald auch den einzelnen Personen zugetheilt sind (Campanu- laria, Sertularia). Dadurch vermag der weiche Polypenstock sich weiter emporzuheben, es werden Stützorgane gebildet, die je nach ihrer Aus- dehnung verschiedengradigen Werth besitzen und auch bei der Be- festigung des Stockes von Belang sind. Fig. 24. Verschiedene Formen von Nesselzellen. A Nesselzellen von Coryn- actis, 4. mit dem spiralig aufgerollten Faden, 2. mit ausgestrecktem Faden. BC Nesselzellen von Siphonophoren mit ausgestrecktem , theilweise mit Häkchen be- setztem Faden. D Nesselzellen von Medusen; Faden noch eingerollt, bei einer nocb nicht differenzirt. 102 Cölenteraten (Zoophyteii). S k e 1 e t. § 77. Ausser den in den vorhinerwähnten Gehäusebildungen gegebenen Stützorganen kommen den Cölenleraten noch vielfache andere Skelet- bildungen zu, die gleichfalls als Differenzjrungen des Eclodcrms sich darstellen. Unter den Schwämmen, von denen ein Theil (llalisarcina) festerer Bildungen entbehrt, entstehen Stützgebilde im Ectoderm ent- weder in Gestalt fester Nadeln (Spicula) oder weicherer Fasern. Die ersteren sind entweder aus Kalk oder Kieselerde gebildet, wonach Kalk- und Kiesclschwämme unterschieden werden. Einfacher verhalten sich die Spicula der Kalkschwämme , indem sie hier nur als Stabnadeln, drei- oder vierstrahlige Nadeln vorkommen , die in der Vertheilung Fig. 25. und Anordnung im Körper bei zahlreichen Modificationen des Einzel- verhaltens eine grosse Regelmässigkeit darbieten. Die vorstehende Figur gibt eine Darstellung des Verhaltens der im Ectoderm gelagerten Spicula bei einem Kalkschwamm. Die aus Kieselerde bestehenden Hartgebilde bieten eine viel bedeutendere Mannichfaltigkeit der Form, und ausser den in zahlreichen Combinationen bis zu vielstrahligen Sternen verbun- denen Nadelgebilden kommen noch mannichfaltige andere feste Theile, Fig. 25. Ein Stück der Körperoberflächc eines Kalkschwammes (Sycaltis per- forata) zur Darstellung der im Ectoderm liegenden dreistrahligen Spicula. o Der- mal-Ostien, jedes von einem Spiculakranzc umgehen. (Nach Häckel.) Skelet. 103 z. B. Doppelscheiben (Amphidiskcn) vor. Die oft sehr long gestreckten Kieselnadeln setzen zuweilen ausserordentlich zierliche Gerüste (Eu- pleclella) zusammen , oder sie bilden mächtige weit über den Körper hinausragende Büschel fadenförmiger Gebilde (üyalonema). Bei den Ilornschwämmen endlich wird das Gerüste des Leibes durch netzförmig verbundene Fasern gebildet, die aus einer dem Chitin verwandten Substanz bestehen. Die Ablagerung anorganischer Substanzen im Ecloderm und seinen Derivaten führt auch bei den Acalephen zu zahlreichen Skeletbil- duneen. Bei den Anthozoen bieten sie vornehmlich die zu Stöcken vereinigten Fig. 26. Formen dar, und zwar sind es fast ausschliesslich Kalksalze, welche die Hartgebilde zusammensetzen. Die Bil- dung der letzteren erfolgt entweder in bestimmt geformten (Fig. 26) , durch die Weichtheile des Körpers zerstreuten Depositionen (Fig. 33), oder es entstehen zusammenhängende Massen, die wieder je nach der Art ihrer Bildung mehrfach verschiedene Zustände darstellen. Die Kalkkörper (Spicula) lagern immer in dem bindegewebigen Theile des Parenchyms, und sind von mannichfaltiger Gestaltung. Sie be- sitzen eine organische Grund läge, die nach Entfernung des Kalkes die Form der Spicula wiedergibt. Die zusammenhängenden Skeletbildungen kommen entweder durch Vereinigung von Spiculis zu Stande, wobei eine erhärtende organische Substanz die Verbindung besorgt, z. B. bei Corallium, oder sie entstehen durch unmittelbare Verkalkung einer in der Axe des Cönenchyms liegenden abgesonderten Ilornsubstanz, ohne dass Spicula vorhanden wären. Ist die organische Substanz vorwiegend, so bilden sich hornartige Axenskelete, wie bei den Gorgoniden und Anti- pathiden. Diese Axenskelete beschränken sich bald nur auf den Stamm der Colonie, wie bei den Pennaluliden, wo sie im Schafte des Stockes liegen, oder sie dehnen sich über alle Verästelungen des Stockes aus. . — An die Axenskelete schliesst sich eine andere Form an, die durch allmähliche Verkalkung des Körperparenchyms entsteht , ohne dass die Abscheidung einer organischen Grundlage, die einen Träger der Ver- kalkung abgibt, dabei besonders betheiligt wäre. Solche Skelete bil- den die Kalkgerüste derFungien, Asträen, Madreporcn, wie die der Tubi- poren. In der ganzen Erscheinung dieser Gerüstbildung kann eine Forlsetzung und Ausbildung der bei den Schwämmen getroffenen Ske- lete erkannt werden. Fig. 26. Kalkspicula von Alcyonium. 04 Cölenteraten (Zoophvten; . § 78. Eine andere Art von Stützorganen kommt durch Cuticularbildungen oder durch DiH'erenzirungen resistcnterer Bindesubstanzen im Innern des Körpers zu Stande. Dem einfachsten Befund bieten hier wieder die Hydroidpolypen , bei denen zwischen Ectoderm und Entoderm eine homogene Lamelle vorkommt, die als Stutzlamelle für die ihr angelagerten weicheren Gewebe fungirt. Während dieses Gebilde in seiner Bedeu- tung als Stützorgan bei einem Theile der HydroTden durch die Bil- dung äusserer Gehäuse beschränkt wird , findet sich im Anschlüsse hiervon bei den Tubularien eine mächtige Schichte von Stützgewebe in der dem freien , köpfchenförmigen Theile des Thieres zugehörigen Körperwand. Hierin erscheint eine Vorbildung der bei den Medusen zu höherer Entfaltung kommenden Einrichtung der sogenannten Gal- lertscheibe, die bei manchen derselben (Medusen von Clavatella, dann Eleutheria) noch eine geringe Ausbildung zeigt. Die Gallertscheibe ist bei Fig. 27. den Hydromedusen bald völ- lig homogen bald von fei- nen Fasern durchsetzt, welche vom Ectoderm zum Ento- derm sich fortsetzen. Sie bildet eine die Körperform bedingende, der aboralen Fläche des Körpers angehörige Scheibe (Fig. 27. /), die bis zur Glockenform modificirt sein kann, letzteres dadurch, dass ihr Band gegen die orale Fläche sich umbiegt. Der oralen Fläche der Scheibe lagern die aus dem Ehitoderm gesonderten Organe, also vor- züglich das Gastralsystem aus. Nach dieser Seite ist die Gallertscheibe der Geryonien in einen Stiel ausgezogen, der den Magen trägt. (Vergl. Fig. 35. p.) Wiewohl der Gallertschirm der Discophoren äusserlich mit jenem der Hydromedusen übereinstimmt , so ist er doch durch nicht unwich- tige Verhältnisse davon unterschieden. Denn seine Substanz um- schlicsst als gallertiges Bindegewebe mannichfaltige Formelemente, und setzt sich oralwärls auf den sogenannten Magenstiel fort, da- Fig. 27. Schema eines Verticalschnittes durch eine erwachsene Cunina rho- dodactyla, rechts durch eine radiale, links durch eine interradiale Verticalehenc ge- führt, h Randbläschen, c Ringcqnal. g Zeugungsstoffe. h Mnntelspange. /.■ Magen. I Gallertscheibe, r Radialtasche, tt Tentakel, tiv Tentakehvurzcl. v Velum. (Nach E. HXckel.) Muskölsystem. 105 durch dass grössere Strecken des Gastrovascularsystems davon um- schlossen werden. Untei'geordnetere Einrichtungen stellen die Stützgebildc der Ten- takel vieler Hydromedusen dar. Sowohl bei Ilydriformen wie l>ei Medusen (Trachynemiden , Aeginiden) wird die Axe der Tentakel von einer Zellenreihe gebildet, deren Elemente ähnlich den Knorpelzellen durch eine mehr oder minder mächtige homogene Membranschichte ab- gekapselt erschienen. Die Zellenreihen bieten dadurch eine gewisse Rigidität. Ein ähnlich zusammengesetzter Ring (Ringknorpel) linden sich am Scheibenrande mancher Medusen (z. R. Geryoniden). Muskelsystern. § 79. Unter den Spongien ist die Existenz auf Muskeln beziehbarer Formelemente nicht mit Sicherheit erwiesen , ja bei den genauer ge- kannten Kalkschwämmen fehlen sie sogar mit Reslimmtheitj und alle Rewegungserseheinungen des Thierleibes leistet das Protoplasma des Ecto- und Entoderms. Die erste Sonderung einer Muskelschichte ist bei den Hydrome- dusen (Hydriformes) erwiesen, wo die Zellen des Ectoderms con- Iractile, bandartige Ausläufer besitzen, die unterhalb jener Zellenschichte ein zusammenhängendes Stratum bilden. (Vergl. §. 33). Diese auch auf die Tentakel sich fortsetzende Schichte empfängt in einzel- nen Theilen z. B. am Stamme der Siphonophorenstöcke , eine mäch- tigere Ausbildung. Bei den Medusen ist sie auf die den Gastrovascular- npparat tragende Fläche derScheibe beschränkt, wo sie die »Subumbrclla« vorstellt. Vom Rande der Glocke oder der Scheibe geht sie auf einen ver- schieden breiten membranösen Fortsatz über, das Velum, das wesent- lich aus Muskelfasern besteht, und ebenso erstreckt sie sich auf die Tentakelbildungen. Complicirter ist die Muskulatur bei den Disco- phoren, von denen Manche auch mit einem Velum versehen sind (Aurelia). Rei allen Medusen bieten die Formelcmente der Muskulatur eine feine Querstreifung dar, die den gleichen Theilen der Hydri- formen abgeht. Unter den Ctenophoren sind sowohl oberflächliche , den wimper- tragenden »Rippen« folgende Muskelzüge beobachtet, wie auch im Innern des gallertigen Körpergewebes Muskelfasern vorkommen sollen. Am reichlichsten erscheint die Muskulatur bei den Anthozoen entwickelt. So wird bei den Actinien die festsitzende Sohle des Körpers vorwiegend von Muskeln gebildet und am übrigen Körper sind Ring- und Längsfaserschiehten unterscheidhar, die auch auf den Tentakelappa- rat sich fortsetzen. Rei den stockbildenden Anthozoen scheinen die I (IC, Cölenteraten (jZoophyten). Körper der Einzelthiere gleichfalls Ring- und Längsmuskeln zu besitzen, und auch das weiche Cönenchym wird contractu , indem die dasselbe durchziehenden Canalnetze des Gastrovascularsystems von Muskelfasern begleitet sind. Nervensystem. § so. Durch den Mangel aller auf besondere Organe der Empfindung beziehbaren Einrichtungen stellen sich die Spongien auf die niederste Stufe thicrischer Difi'erenzirung. Fast unmittelbar reihen sich daran die Acalephen , deren niedere Formen gleichfalls jene Organe noch nicht gesondert zeigen. So erscheint bei den IlydroTdpolypen die Zel- lenschichte des Ectoderms noch als indifferentes Empfindungsorgau. Auf dasselbe einwirkende Reize lösen Rewegungen der mit jenen Zellen zusammenhängen Fasern der Muskelschichte aus (§ 33), und erst bei den Medusiformen sind gesonderte als Nervensystem zu deutende Theile erkennbar. Sie liegen an dem zugleich die Sinnesorgane tragenden am meisten nach aussen entfalteten perioralen Körpertheile. Das Ner- vensystem der Medusen bildet nämlich einen längs des Scheiben- randes verlaufenden Ring , der aus einem faserigen Gewebe gebildet, in regelmässigen Absländen ganglionäre Anschwellungen mit zelligen Elementen zeigt. Die Ganglien entsprechen in ihrer Lage den als Sinnesorgane zu deutenden Randkörpern und senden Fädchen ab, welche theils zu den Tentakeln verlaufen, theils die Radiärcanäle be- gleiten. Dieser durch die Untersuchungen Häckel's bei Geryoniden am genauesten bekannt gewordene Nervenring findet seine Stütze am Ring- knorpel und liegt zwischen diesem und dem Ringeanale des Scheiben- randes. Die Anschwellungen des Nervenringes stellen centrale Organe vor, welche durch die faserigen Abschnitte untereinander verbunden sind. Minder genau ist unsere Kennlniss vom Nervensystem der Dis- eophoren. Auch das Nervensystem der Ctenophoren ist bis jetzt nur wenig sicher nachgewiesen. Die Centren desselben sollen als mehrere mit einander verbundene Ganglien in der Nähe des aboralen Körperpoles liegen und sowohl zu den unter den Schwimmplällchenreihen verlaufen- den Radiärcanälen als auch zum Magen Nervensläninichen entsenden, welche indess von Manchen in Abrede gestellt sind. Für die übrigen Acalephen sind keine hierher bezüglichen Organe auch nur mit einiger Sicherheit bekannt. Sinnesorgane. 107 Sinnesorgane. § 81. Bei der Unvollkommenheil unserer Kenntnisse vom Nervensysteme der Colenleraten kann auch über die als Sinnesorgane anzusehenden Theile keineswegs ein definitives Urtheil abgegeben werden. Das gilt sowohl für die Einrichtungen die man als dem Tastsinne vorstehend betrachtet, als auch von den höheren Sinnesorganen, die man vorzüg- lich als Hör- und Sehwerkzeuge unterschieden hat. Dem im Integu- mente vorhandenen allgemeinen Gefühlssinne scheinen besondere Fort- satzbildungen des Körpers zu dienen , die oben (§ 75) als Tentakel aufgeführt sind. Ob dagegen eigene Apparate bestehen, muss für jetzt dahingestellt bleiben, wenn auch das Vorkommen starrer Borsten an den Tentakeln , auf gesonderte Tastorgane schliessen lässt. Diff'erenzirtere , zu Sinneswahrnehmungen eingerichtete Organbil- dungen finden sich in den sog. »Bandkörpern« die bei den freileben- den Medusen dem Bande des Schirmes angefügt und in zweierlei Zu- ständen zu unterscheiden sind. Einmal erscheinen sie als bläschenförmige Gebilde, und zweitens als Pigmentanhäufungen, die mit einem hellen lichtbrechenden Körper ausgestattet sind, jenen Organen ähnlich, die bei den höhern Thicren als Endapparate der Sehnerven sich herausstellen. Die ersteren oder B an dbl äsche n sind entweder in die Substanz der Scheibe eingebettet oder springen frei am Scheibenrande vor. Sie bestehen aus einer homogenen , mit Epithel ausgekleideten Kapsel und umschliessen eine oder mehrere concentrisch geschichtete Concretionen oder kleine Krystalle. Die ersteren sind mit der Bläschenwand in fester Verbin- dung , indem sie von einem kugeligen Vorsprunge der Wand um- schlossen werden. Da sie nicht im freien Baume des Bläschens liegen, so schwindet die Aehnlichkcit mit den Gehörbläschen anderer niederer Thiere um Bedeutendes, ohne dass jedoch möglich wäre, eine andere Deutung bestimmter zu formuliren. Dass Sinnesorgane vorliegen er- hellt nicht nur aus der Anlagerung der Bläschen auf dem Nervenringe, sondern auch aus der engeren Verbindung mit letzterem, da von dem unter jedem Bandbläschen gelegenen Ganglion ein doppeller das Bläs- chen umgreifender Faserzug ausgeht, der nach stattgefundener Ver- einigung in die das Concrement enthaltende kugelige Zellenmasse ein- tritt (Geryoniden) . Die Verbreitung dieser Bandbläschen findet sich vorzüglich bei den Eucopiden , Trachynemiden, Geryoniden, Aeginiden. Bei den Aeginiden (Cunina) sind statt der rundlichen Concremente Krystalle vorhanden. Die letztere Form der Bandbläschen bildet einen Uebergang zu ähnlichen Gebilden der Discophoren. Die Bandkörper erscheinen hier stets gestielt (Fig. 28. A B b) und liegen in einem Ausschnitte oder einer nischenförmigen Vertiefung des Scheibenrandes, von Lamellen- 108 Cölenteraten (Zoopliyten) Fig. 28. vorsprüngen desselben schinnartig bedeckt. Einen grossen Theil des Randkörpers bildet ein Hohlraum (Ampulle) [d] , der mittelst eines in den Stiel übergehenden Canales (c) mit dem Gaslrovascularsysteme zu- sammenhängt. Dieser Ampulle angelagert und das freie Ende des Rand- körpers einnehmend findet sich ein mit Krystallen gefülltes Bläschen (e), welches mit dem gleichen der Aeginiden übereinkommt. Die bedeu- tendste Verschiedenheit von letzteren ist also nur durch den Mangel der vom Gastrovascularapparat gebildeten Ampulle gegeben. Organe anderer Art finden sich bei den Hydromedusen. Sie schei- nen in einem sich gegenseitig ab- schliessenden Verhältniss zu den Rand- bläschen zu stehen, denn sie kom- men nur in jenen Familien (Oceani- den) vor, welche der Bläschen entbeh- ren. Als erste Andeutung erscheinen Pigmentfiecke an der Tentakelbasis, die zwar in der Regel der licht- in anderen Fällen dagegen mit Bil- dungen ausgestattet sind, die an die Kryslallstäbchen anderer niederer Thiere erinnern. Bei den Discophoren combiniren sich diese Ocelli mit den bereits erwähnten Randkörpern, sie zeigen bald nur Pigment, bald solches als Umhüllung eines stark lichtbrechenden Körpers (Fig. 28 Bg). Auch bei den Clenophoren bestehen eigenthümliche Sinnesorgane. Vor allem gilt hier ein bläschenförmiges, dem aboralen Pole des Kör- pers angelageiles Gebilde , welches feste Concremente nach Art der Otolithcn in den Gehörbläschen anderer niederer Thiere enthält. Die functionelle Bedeutung auch dieses Organs ist jedoch noch nicht sicher gestellt, und ebenso unsicher ist die functionelle Bedeutung zweier zur Seite der Otolithenplatte gelagerter wimpernder Flächen, der Pol- felder, die bei manchen von kurzen Fortsätzen umgränzt sind. brechenden Medien entbehren Darmcanal. § 82. Mit der bei den Cölenteraten zuerst auftretenden Sonderung des Kör- pers in eine Keloderm- und Ehtodermschichte ist der niederste Zustand der Ernährungsorgane gegeben, indem das Entoderm einen nach aussen Fig. 28. Randkörper von Discophoren. A von Pelagia noctiluca. B von Charybdea tnarsupialis. a der freie Theil des Randkörpers zwischen den Rand- ausschnitten der Körperscheibe gelagert, b Stiel, c Canal in demselben, d Am- pulle, e Krystallsäckchen. /' Pigment, g Linsenartige Körper. Darmcanal. 09 geöffneten Raum , die erste discrete Bildung einer verdauenden Cavität (Magenhöhle) auskleidet. (Vergl. oben § 28.) In der Gastrulaform erscheint dieser Befund am einfachsten, und geht von da aus in den beiden Hauptabtheilungen der Cölenteraten zahlreiche Sonderungen ein. Die Magenhöhle bleibt nämlich nicht auf jenen einfachen Baum be- schränkt, sondern wächst in mannichfaltige Hohlraumbildungen, Canäle, Taschen etc. aus, welche im Organismus bald irregulär, bald in be- stimmter Anordnung sich vertheilen. In der Begel verknüpft sich da- mit eine Arbeitstheilung , und nur ein bestimmter Abschnitt oder mehrere solche fungiren als verdauende Cavität, indess die übrigen Bäume mehr zur Vertheilung des ernährenden Flui du ms (Chymus) verwendet werden. Damit ist aber die Function dieses Gastralsyslems nicht abgeschlossen. Es entspricht ohne Zweifel auch den Zwecken der Athmung, indem es mit der Nahrung aufgenommenes Wasser im Körper verbreitet, und demselben besonders bei den Spon- gien bedeutend grössere Oberflächen darbietet als die äusseren Körper- flachen. Endlich besitzt es wichtige Beziehungen zur Fortpflanzung, indem die Zeugungssloffe in seinen Wänden entstehen. § 83. Unter den Spongien bleibt jene einfachste Form auf frühe Ent- wickelungszustände beschränkt, und meist treten bedeutende Compli- cationen auf. Die Enlodermschichle besteht aus deutlichen Zellen von denen jede einen geisselartigen Anhang trägt. Diese Wimperzellen (Geisseizellen) lassen zwischen sich temporäre Lücken entstehen, wel- che sich in gleichzeitig in der Ectodermschichte auftretende Lücken fortsetzen , so dass die Darmcavität ausser durch die Mundöffnung (Fig. 29 o) durch bald da bald dort sich öffnende und wieder schliessende Poren mit dem umgebenden Medium in Verbindung steht. Die Zahl der somit eine dermale und eine gastrale Oeffnung besitzenden Po- rencanäle ist meist sehr gross und in Abhängigkeit von der Zahl der von den Schenkeln der Spicula begrenzten Bäume (vergl. Fig. 25 o). Diese Befunde finden sich in den niedersten Formen der Kalkschwämme, bei den Asconen ausgeprägt (Olynthus). Fig. 29. Fig. 29. Ein aus 9 Personen (Individuen) bestellender Asconstock. Schema. e Ectoderin. i Entoderm. o Mundöffnung, g Darmhöhle. Nach E. Häckel. 10 Cölenteraten (Zoophyten) Fig. 30. Eine zweite Form entsteht durch Bildung von Ausbuchtungen der Darmhöhle, die sich in das entsprechend verdickte Ectoderm hinein fortsetzen und darin mehr oder minder verzweigte Canäle (Astcanäle) bilden, von denen wieder feine gleichfalls verzweigte Canäle mit Der- malporen ausmünden. In dem Maasse als sich die Sonderung der Darmhöhle in verzweigte Caniile ausgeprägt hat, verliert sie ihre Be- deutung als Magenhöhle und zugleich die Entodermaus- kleidung, welche sich dann auf die verzweigten Ca- näle beschränkt. Die En- toderm schichte bleibt aber auch hier nicht allgemein, sondern zieht sich endlich sogar nur in Ausbuchtungen jener Astcanäle zurück, welche dadurch die soge- nan n ton W i m p e r k a m - mern vorstellen. Die nebenstehende Ab- bild um (Fig. 30) stellt letzteren Zustand vor, bei dem dasEntoderm nurnoch die Wimperkammern (w) auskleidet. Modifikationen dieses unter den Kalk- schwämmen bei der Gruppe der Leuconen bestehenden Verhallens bilden sich durch Verbindungen der Astcaniile wie der Wimperkammern untereinander , woraus netzförmige Canalsysteme hervorgehen. Kieselschwiimme wie Ilornschwämme schliessen sich diesem Typus an. Eine drille Form entsteht durch Bildung dichlstehender, radial zur Magenhöhle gerichteter Canäle, welche in ihrem Verhalten der einfachen Asconform entsprechen , jedoch meist nur durch Dermalporen nach aussen communiciren. Die primitive Darmhöhle verliert hier wie bei den Leuconen mit ihrer Geisselzellenschichl (Entoderm) die nutritive Function, welche auf die Badiärröhren beschränkt wird. Letztere bleiben Fig. 30. Schema des Gastralsystems eines Leucon (Dyssycus ananas mit Aus- bildung der Astcanäle). o Mundöffnung, y Darmliöhle. p Dermal canäle. w Wim- perkammern. Die Unterscheidung von Ectoderm und Entoderm ist wie auf vor- hergehender Figur dargestellt. (Nach E. Häckel.) Darmeanal. \ \ \ selten frei, sondern verschmelzen meist theilweise oder vollständig mit ihren Wandungen zu einer machtigen, die primäre Darmhöhle umge- benden Schichte. Bei nur theilweisem Verschmelzen der Radiärröhren entsteht aus den Zwischenräumen ein System von C analen , welche nur von Ectoderm ausgekleidet sind. Realisirt ist diese Form unter den Kalkschwämmen bei den Syconen. Unzählige , bis auf individuelle Zustände herabreichende Modifica- lionen bieten sich innerhalb der einzelnen Formen dar, welche erst durch Häckel's Monographie in naturgemässen Zusammenhang gebracht wurden. Die primäre Darmhöhle erleidet Aenderungen durch Aus- buchtungen sowie durch Entstehung von Septis oder Trabekeln von . Seite des Ectoderms, und kann ebenso mit der Entfaltung des von ihr ausgehenden Canalsystems sich völlig rückbilden, welche Erschei- nung (Lipogaslrie) bei liorn- und Kieselspongien nicht selten ist. Eine gleiche Rückbildung kann auch die Mundöffnung eingehen (Lipo- stomie) ohne dass die Magenhohle sich daran betheiligt; die Dermal- poren übernehmen dann die Function einführender Canäle , oder es bestehen an der Stelle der Mundöffnung zahlreiche kleine Lücken, wie bei Euplectella. § 84, In hohem Grade wird die Gestallung des Gaslralsystcms durch die Stöckbildung beeinflusst, welche theils durch Concrescenz freier Personen , theils durch Sprossung auftritt. Die Verbindung ruft dann je nach dem Grade ihrer Ausbildung entweder eine blosse Communi- cation der für die einzelnen Personen selbständig bleibenden Magen- höhlen hervor (Fig. 29), oder führt zu einer völligen Verschmelzung jener Cavitäten, wobei auch die Mundöffnungen Reductionen erleiden oder sogar auf eine einzige sich rückbilden, die gleichfalls schwinden kann. Aus der Stockbildung entspringt ferner ein besonderes, durch die zwischen den nicht verbundenen Stellen der Personen, oder den ana- stomosirenden Aesten des Körpers bestehenbleibenden Lücken gebildetes System von Hohlräumen (Intercanalsystem) , welches wie jenes oben für die Syconen erwähnte nur vom Ectoderm begrenzt wird, und dadurch sich vom Gastralsystem wesentlich unterscheidet. Er zeichnet sich durch bedeutende Unregelmässigkeiten seiner Anordnung aus, und bildet auch weitere Räume, die sogar eine Magenhöhle mit Mundöffnung vor- täuschen. Aus allen diesen Einrichtungen ergibt sich für die Spongien mit dem Wandel der Formen auch ein bedeutsamer Wechsel der Functionen der einzelnen Theife. Die physiologische Leistung der verdauenden Cavität vertheilt sich nicht nur auf die von letzterer aus entstandenen seeundären Nebencanäle, sondern tritt auch auf diese ganz über, oder beschränkt sich sogar nur auf einzelne Strecken der- selben, wobei dann die ersleren functionell auf eine liefere Stufe her- 112 Cölente.raten (Zoophyten). absinken. Auf der anderen Seite kommt mit dieser Aenderung den ursprünglich untergeordneten Abschnitten des Ganalsystems eine Haupt- rolle zu, und selbst die primitiven Oberflächen des Spongienleibes ge- langen , zur Begrenzung des Intercanalsystems Verwendet , zu einer höheren Bedeutung. Alles lehrt deutlich , wie die Organisation der Spongien nicht nur im grössten Flusse sich befindet, sondern auch wie zu ihrem Versländniss die schärfste Sonderung des physiologischen und morphologischen Werthes der Organe unerlässlich hothwendig ist. § 85. In der ersten Anlage kommt die Bildung der Darmhöhle der Aca- lephen mit jener der Spongien überein, aber im ausgebildeten Zu- stande ergeben sich besonders durch die grössere Regelmässigkeit der Anordnung des aus einem einfachen Hohlräume dilferenzirten Apparates für die Acalephen bedeutende Eigenthümlichkeiten. Die meist durch Ausbildung accessorischer Theile in ihrer Umgebung ausgedehnte Mund- Öffnung führt in die verdauende Cavität, und dient auch als Auswurfs- öffnung der unverdauten Stoffe. Der Uauptraum bleibt nur selten für sich , sondern wächst in Nebenräume aus , die als Taschen oder Ca- näle sich verhalten, und in der Regel auch eine functionelle Differen- zirung ausdrücken, indem die in ihnen enthaltene Chymus-Flüssigkeit durch sie im Körper der Person wie auch des Stockes zur Vertheilung gelangt. Diese »Nebenräume« der verdauenden Cavität, mit letzterer zusammen wieder ein Gnstralsystem oder ein »Gastrovascular- system« bildend, versehen damit die Function eines circulatorischen Apparates, ohne dass sie morphologisch etwas anderes sind als Dif- ferenzirungen einer primitiven Darmhöhle. In ihnen das anatomische Aequivalent einer Leibeshöhle zu sehen, beruht auf einem gänzlichen Verkennen des thatsächlichen Befundes. § 86- Die einfachste Form des Gastrovascularsystems findet sieh bei den Hydro'iden. Bei Hydra stellt es einen die Längsaxe des Körpers durchziehenden Baum vor, der mit einer Mundöffnung in Mitte des Tentakelkranzes beginnt, und von dem darauffolgenden sehr erweite- rungsfähigen Abschnitte, dem Magen, verengert in den dünneren Körper- theil sich fortsetzt. Auch in die Tentakel erstreckt sich jener Baum. Bei den coloniebildenden Hydro'i'dpolypen verläuft der vom Magen aus- gehende Canal durch den ganzen Stock, und lässt das Gastrovascular- system allen Personen gemeinsam erscheinen. An den Stöcken der Siphon op hören sind nur einzelne Personen zur Aufnahme von Nahrung eingerichtet. Sie entsprechen in ihrem Baue den Magenröhren von Medusen, und stellen sehr erweiterungsfähige Schläuche vor, die Darmcanal. I I 3 oder er sitzt auf Fig. 31. ^Mäii A in ihrem Grunde mit dem gemeinschaftlichen Hohlraumsystem des Stockes zusammenhangen. Wir haben uns also hier vorzustellen, dass diese Kategorie von Individuen die dem Medusenkörper zukommenden Einrichtungen bis auf den Magen verloren hat (vergl. § 71). Zahlreiche Verschiedenheiten bietet das Gastralsystem der Medusen (sowohl der Hydromedusen wie der Discophoren). Es nimmt stets die Concavität der Gallertscheibe ein , und besteht aus einem in Mitte dieser Fläche befindlichen Magen und den davon ausgehenden Hohlräumen. Der erstere liegt entweder unmittelbar an jener Fläche einem besonderen von dort vorspringenden oft beträchtlichen Stiele. Dieses freie Vorragen eines sonst im Innern des Körpers geborgenen Organs erklärt sich aus der Dilleren zirung des Magens der Hydromedusen aus dem vordersten Körper- theile der Hydro'idpolypen, so dass er einen gan- zen Leibesabschnitt repräsentirt. Die Mundöffnung ist meist von tentakelartigen Gebilden oder zipfel- förmigen Verlängerungen der Magen wand umlasst, seltener führt sie zunächst in einen oesophagus- artigen engeren Abschnitt. Bei den meisten Hydromedusen ist der Magen von dem hinter ihm liegenden Räume durch einen in seinem Grunde vorspringenden Wulst geschieden , durch dessen Contraction der Magenraum von dein übrigen Gastrovascularsystem ab- geschlossen werden kann. In der Gestalt und Ausdehnung des Magens besteht grosse Verschiedenheit. Weit über den Rand des glocken- förmigen Sclfirmes vorragend erscheint er bei den Sarsiaden. Vom Grunde des Magens oder von dem hinter diesem liegenden Räume ent- springen die in der Subumbrella sich verbreitenden Hohlräume ent- weder als engere Canäle oder als weite taschenförmige Ausbuchtungen. Die engeren Canäle treten in radiärem Verlaufe (s. Fig. 31. 32) zum Schirmrande, entweder einfach oder unter regelmässigen Ramificationen, und münden dort in einen Ringcanal , der bei manchen auch in die Randtentakel Forlsätze abschickt. Auf ihrem Wege zum Rande können die Radiärcanäle Ausbuchtungen darbieten , die mit dem Geschlechts- apparate in functioneller Verbindung stehen (s. § 91). Rei den Aegi- niden wie bei den Discophoren geht die Magenhöhle unmittelbar in die radiären Erweiterungen über, welch' letztere von einfacheren Canälen sich ableiten. Zuweilen wechseln sogar engere Canäle mit weiteren Räumen ab. Die Canäle sind verästelt (Fig. 32. gv) oder bilden, wie bei den Rhizostomiden, ein peripherisches Netzwerk. Wie die Gallert- substanz des Schirmes bei den Discophoren auch auf die Magenwand Fig. 31. Eine Thaumantias^ von der Unterfläche, B auf dem Durchschnitte gesellen. In der Mitte des Körpers befindet sich der Magen, von dem die Radiär- canäle zum Ringcanale ausstrahlen. Gegenbaur, Giundriss. ,s Cölenteraten (Zoophyten). sich fortsetzt, ist der Magen vom übrigen Gastrovascularsystem nicht sehr scharf geschieden. Seine Wandung setzt sich immer in armartige, in der Regel in gefaltete Membranen auslaufende Anhänge fort (Mund- arme), welche die Mundöffnung zwischen sich fassen. Theilungen dieser Mundarme bedingen fernere Modifi- cationen, die bis zu reich verzweigten Anhangsgebilden führen. Dieser Ge- staltung entsprechend leiten dann zahl- reiche allmählich sich vereinigende Rinnen zum Munde hin. Rei den Rhizostomiden bleibt der Mund nur in einer frühen Periocfe offen , und verschliesst sich dann unter allmäh- lichem Verwachsen der ihn begrenzen- den »Arme«, an denen die Rinnen ver- zweigte Canäle bilden, die an den En- den der Armverästelungen mit vielen feinen Oeffnungen münden. (Poly- stomie.) Bei den Lucer narien stehen die Formzustände des Gastrovascular- apparates denen der Medusen sehr nahe. Ein von der concaven Fläche des Schirmes vorragendes , in vier Ecken ausgezogenes Magenrohr führt in einen weiten, in vier radiale Taschen fortgesetzten Raum, der in vier in den Stiel eindringende Canäle sich verlängern* kann. Die vier Taschen entsprechen erweiterten Radialcanälen der Medusen, und sind, wie dort, am Rande des Schirmes durch einen Ringcanal repräsentirende Oeffnungen unter einander in Verbindung. Dieses Verhalten ist bei anderen dahin modificirt, dass der Magen sich röhren- förmig in den Körper fortsetzt, und an seinem bis in den Stiel ragen- den Ende in den Anfang der gegen den Scheibenrand erweiterten Radialcanäle übergeht. § 87. Der Magen der Anthozoen erstreckt sich von der Mitte der ten- takeltragenden Körperfläche in den Körper, um dort in einen Raum sich zu öffnen, von welchem aus Canäle seitlich am Magen em- porlaufen, um in die Hohlräume der Tentakel überzugehen. Durch Fig. 32. Aurelia aurita, zur Hälfte von der Unterseite gesehen, a Randkörper. t Randtentakel, b Mundarme, v Magenhöhle, gv Canäle des Gastrovascular- systems, die sich gegen den Rand hin verzweigen und in einen Ringcanal zusam- menfliessen. ov Ovarien. Darmcanal 145 ^wiii die Weite dieser mit dem Magen (Fig. 33. v) zusammenhängenden Ca- näle erscheint das Zwisehengewebe in Form von Scheidewänden (s), die in radiärer Anordnung von der Körperwand zur Wand des Magens verlaufen. Die Canäle tre- ten dadurch als um den Fig. 33. Magen gelagerte Kammern (c) auf, die hinter dem Magen in einen gemein- samen Centralraum (B) zusammenfliessen u. durch diesen mit dem Magen- grunde communiciren. Die Zahl dieser Kammern ist bei den Octactinien acht, bei den übrigen Antho- zoen ist sie verschieden, richtet sich aber nach demselben Zahlengesetze, welches auch in anderen Organisations Verhältnissen, wie z. B. in der Tenlakel- zahl sich ausspricht. Die Septa des Gastrovascularapparates setzen sich gewöhnlich noch eine Strecke weit hinter dem Magen an der Körper- wand entlang fort, um als bandförmige Streifen oder Wülste, im Grunde der Centralhöhle auszulaufen. Bei den stockbildenden Anthozoen setzt sich die Centralhöhle jeder Person mit einem das Cönenchym durchziehenden Canalsystem (Fig. 33) in Verbindung, wodurch also alle Individuen unmittelbar unter sich zusammenhängen. Dieses Canalsystem bildet ein Netz- werk von weiteren und engeren Bohren zur Verlheilung der er- nährenden Flüssigkeit im Stocke. An den Stöcken der Octactinien findet an einer Stelle des gemeinsamen Stammes eine Vereinigung zahlreicher Canäle zu einem weiteren Baume statt, von dem eine Oeffnung nach aussen führt, die wahrscheinlich zur Begulirung der Zu- und Abfuhr des den Gastrovascularapparat durchströmenden Wassers dient (Pennatula, Benilla). Eine ähnliche Oeffnung ist auch bei Cereanthus beobachtet; sie entspricht dem Porus der Hydren, wie dort am aboralen Körperende gelagert, und in den hinter dem Magen gelegenen Baum führend ; es darf wohl ausdrücklich bemerkt werden , dass man diesen Porus keineswegs als After anzusehen hat. Fig. 33. Querschnitt durch einen Theil des Stockes von A 1 eye- n i um, wohei zwei Individuen A A nahe unter ihrer Einsenkung in das Cönenchym ein drittes, B etwas tiefer durchschnitten wurde, v Magenwand, c Radialcanäle (Kammern der Leibeshöhle), s Septa. o Eier. Von dem von Canälen durchzogenen Cönen- chym ist ein Theil mit den Kalkkörpern dargestellt. 8* 116 Cölenteraten (Zoophytens. Fia. 34. Diese dem Gastrovascularsystem die Bedeutung eines Wassereefäss- Systems verleihenden Einrichtungen sind bei manchen Anthozoen (Ko- rallen) in Form von feinen, über die Oberfläche der Stöcke zerstreuten Poren vorhanden, die nur im Momente ihrer Function — beim Aus- lassen von Wasser — erkennbar sind. Aehnliche Oeffnungen finden sich auch an den Tentakelspitzen mancher Actinien etc. Alle diese Einrichtungen erinnern an die Dermalporen der Schwämme. Bei manchen Pennatuliden erscheinen einzelne Personen eines Stockes in minderer Ausbildung, und dürften die Function der Nah- rungsaufnahme verloren haben. § 88. Bei den Ctenophoren weicht das ernährende Hohlraumsystem nur in Einzelheiten ab. Eine bei den Bero'iden sehr weite, bei den übrigen engere Magenhöhle senkt sich in den Körper in der Richtung von dessen Längsaxe ein und geht mit einer durch Musculatur verschliess- baren Oeffnung in einen als »Trichter« bezeich- neten Raum über, von dem aus das Canalsystem im Körper sich verzweigt (s. Fig. 34). Vom Trichter entspringen radiäre, zu den die Wimper- reihen tragenden »Rippen« verlaufende Canäle. Am Mundende der Bero'iden und Gallianiriden senken sich diese Radialcanäle in einen Ringcanal ein. Dieser nimmt auch bei den letzteren zwei an den Seiten der Magenwand herabverlaufende Canäle auf, die gleichfalls aus dem Trichter entspringen. Bei den Gydippiden sind diese von ansehnlicher Weite und geben den Anschein eines den Magen umgebenden gemeinsamen Raumes. Endlich gehen vom Trichter noch zwei kürzere Canäle ab , die mit verschliessbaren Oeffnungen zur Seite der »Polfelder« (vergl. S. 108) ausmünden. Sie vermitteln eine zweite Communication des Gastral- systems mit dem umgebenden WTasser. Von dieser Anordnung des Gaslralsystems bilden sich einzelne von der Körperform beherrschte Modificationen. Auch Verzweigungen ein- zelner Canalgruppen finden sich. So bilden die Radialcanäle seitliche bei Bero'iden verästelte Ausbuchtungen , indess sie bei den anderen in beschränkterem Vorkommen mit dem Geschlechtsapparate in Verbindung stehen. Fig. 34. Ansicht des Gastrovascularapparates einer C yd i p pe. A Von der Seite, die Mundöfl'nung nach oben gewendet. B Vom Mundpole aus. Geschlechtsorgane. \ | 7 § 89. Einigen Abtheilungen der Acalephen kommen fadenförmige, in die Central höhle des Gastrovascularapparates einragende Gebilde zu-, die als Mesen teri al fila nienle bezeichnet werden. Sie finden sich bei den Lucernarien , Anthozoen und Discophoren ; in den beiden ersten Gruppen sitzen sie längs der vom Magenrohre aus in die Wand der Centralhöhle sich fortsetzenden freien Ränder der Septa. Bei den Discophoren bilden sie an der Wand der Centralhöhle sitzende Büschel. Sic zeigen wurmartige Bewegungen und sind besonders bei den Acli- nien reich mit Nesselkapseln versehen. Ueber die Function dieser sehr frühzeitig differenzirten Organe liegen keine Thatsachen vor. Obwohl drüsige Anhangsgebilde der verdauenden Cavität bei den Cölenteraten nicht differenzirt zu sein scheinen, so besteht doch eine hieher zu rechnende Einrichtung , welche als Andeutung eines secernirenden Apparates — vielleicht der Leber anderer Thiere analog — angesehen werden darf. Es ist das die bei vielen Cölenteraten vorhandene , durch verschiedene Färbung ausgezeichnete Epithelaus- kleidung des Magens. Die pigmentirten Zellen sitzen in Längsreihen, meist auf den vorspringenden Faltungen der Magenwand bei Anthozoen, auch bei Hydromedusen , und hier sogar in der Polypenform (z. B. bei Tubularien) ausgeprägt, bilden sie deutliche wulstartige Längs- reihen im Grunde der verdauenden Cavitäl der Ernährungsindivi- duen der Siphonophoren. Von besonderer Differenzirung erscheint ein wohl dem einzigen grossen Magen der Velellen zugehöriges Netz von »Lebercanälen« , welches an der Unlerfläche der Scheibe sich findet. Geschlechtsorgane. § 90. Die geschlechtliche Differenzirung ist unter den Cölenteraten noch nicht der ausschliessliche Factor der Fortpflanzung, da vielfache For- men einer ungeschlechtlichen Vermehrung (s. oben § 68 — 78) bestehen. Die Bildung von Geschlechtsproducten ist allgemein nachgewiesen, knüpft sich aber noch nicht durchgehend an discrete Organe, sondern erscheint als eine erst allmählich sich localisirende Function. Im All- gemeinen ist das Entoderm die Bildungsstätte der Zeugungstoffe. Wenn in manchen Fällen diese Beziehungen noch nicht sicher gestellt sind, in andern wieder das Ectoderm jene Oertlichkeit abzugeben scheint, so ist hiebei die mit der geschlechtlichen Fortpflanzung sich interferirende ungeschlechtliche Vermehrung mit ihren mannichfachen, oft schwer verständlichen Erscheinungen als modificirender Factor mit | | 8 Cölenteraten (Zoophyten). in Betracht zu nehmen, und die klarliegenden Fälle werden bei der ßeurtheilung des Ganzen den unsicheren vorzuziehen sein. Am einfachsten verhalten sich die Spongien. Die vom Entoderm ausgekleideten Theile des Gastralsystems , also in gewissen Fällen nur die Wimperkammern, liefern die Geschlechtsproducte. Einzelne Zellen der Entodermschichte werden unter Verlust der Geissei bedeutend grösser und rücken damit unter jene Schichte, oder sogar in das be- nachbarte Ectoderm hinein. Es sind die Eizellen, welche in Ueber- einstimmung mit den Befunden anderer Formbestandtheile des Schwamm - Organismus amoeboi'de Bewegungserscheinungen äussern. Die Elemente des Sperma entstehen gleichfalls als Differenzirungen von Entoderm - Zellen und erscheinen zwischen den Letztern als Häufchen kleinerer, gleich den andern mit einem geisseiförmigen Anhang ausgestatteter Zellen. Beiderlei Elemente entfernen sich somit in sehr geringem Grade von den Formelementen des Entoderms und geben als Unterschiede fast nur Grösse-Differenzen zu erkennen. § 91. Die Acalephen zeigen die Bildungstätte der Geschlcchlssloffe meist in der Wandung der verdauenden Cavität oder den davon diffe- renzirten Hohlräumen. Wie eine Ausnahme erscheint das Verhalten von Hydra, bei der die Geschlechtsproducte in äusseren knospenartigen Bildungen, Sonderungen des Ectoderms entstehen. In wiefern hier eine Rückbildung des bei den andern Hydroiden bestehenden Befundes, nämlich einer Betheiligung des Entoderms, vorliegt, muss dahin gestellt bleiben. Sehr allgemein erscheint unter den Hydromedusen eine Trennung der Geschlechter auf verschiedene Personen nicht nur, son- dern auch auf verschiedene Stöcke , und nur bei den Siphonophoren sind hermaphroditische Stöcke die Begeh Die Geschlechtsproducte verursachen an den Körpertheilen an denen sie sich bilden mehr oder minder bedeutende Anschwellungen, die aber nur zur Zeit der Production jener Stoffe bestehen und somit als temporäre Organe betrachtet werden können. In den Formverhält- nissen der die Geschlechtsproducte bergenden Theile ergeben sich be- trächtliche, aber durch zahlreiche Uebergänge verbundene Eigentüm- lichkeiten. Bei den freiwerdende Medusen erzeugenden Hydroiden- stöcken (vergl. § 70) erscheinen die ersleren als die Träger der Ge- schlechtsorgane; die Medusen stellen dieGeschlechtsthiere der betreffenden Hydroi'dpolypen vor, und bringen entweder an der Magenwand oder an den Radialcanälen , oder endlich auch am Bingcanale Samen oder Eier hervor. Bei einigen erfolgt diese Production erst lange Zeit nach der Ablösung vom Hydroidenstocke, bei anderen tritt sie früher auf, und daran reihen sich endlich solche, bei denen die Bildung von Zeu- Geschlechtsorgane. J \ 9 gungsstoffen noch während des Festsitzens am Hydroldenstocke statt hat. Hieran reihen sich dann jene Zustande , wo es gar nicht mehr zur Ablösung der Meduse kommt, die dann zugleich nicht mehr voll- ständig sich ausbildet. Alle bei der freien selbständigen Lebensweise in Function stehenden Organe, Mund, Magenhöhle, Tentakel, Schwimm- glocke etc. erscheinen in Stadien der Verkümmerung. Es sind medu- soide Knospen, in denen die Geschlechtsproducte entstehen. Bei An- deren ging die meduso'ide Gestalt gänzlich verloren und dann erscheinen am Hydroldenstocke einfachere Gebilde als Geschlechtskapseln, in welche höchstens noch ein Gastrovascularfortsatz einragt. Diese Geschlechts- gemmen entstehen wie die medusoiden Formen und die Medusen selbst, bald am gemeinsamen Stocke, bald am Polypenkörper, oft nur an be- stimmten Stellen des letztern, wie z. B. bei den Tubularien zwischen äusserem und innerem Tentakelkranze. In den Fällen der Bückbildung der proliferirenden Polypen werden die Geschlechtsknospen immer von denselben Gehäusen umschlossen, wie sie für die Polypen selbst be- stehen. So lässt sich die Erscheinung der Sprossung von Medusen bis zu einer Stufe zurückverfolgen, auf welche der Spross wie ein blosses Gene- rationsorgan des Hydroidenstockes erscheint. An diese letzten Stufen der Bückbildung reiht sich wohl das Verhalten von Hydra an, bei der der Zusammenhang der Differenzirung der Geschlechtsproducte aus der Wandung des Gastrovascularsystems , d. h. aus dem Entoderm, verloren ging. Aehnlich den Hydro'i'dpolypen verhalten sich die Siphonophoren, bei denen die Bildung von geschlechtlich entwickelten Thieren nach dem Medusentypus mit dem gleichartigen Bestehen anderer medusi- formen Personen die als Generationswechsel bezeichnete Erscheinung bei den Hydro'fden als eine Arbeitstheilung erklären hilft. Bei einem Theile der Siphonophoren bilden sich die Geschlechtsthiere zu freiwer- denden Medusen aus, in deren Magenwand die Keimproducte entstehen (Velella — Chrysomitra). Die meisten übrigen besitzen nur medusi- forme Gemmen in den verschiedensten Stadien der Bückbildung (vergl. Fig. 22. B. g. E.). Der Magen der Meduse wird allmählich nur durch die Geschlechtsorgane repräsentirt und die Schwimmglocke verkümmert zu einer Umhüllung der Letzteren. So finden sie sich bald vereinzelt (Diphyiden), bald zu traubenartigen Büscheln gruppirl (Physophoriden) am Stamme des Stockes oder auch an bestimmten Personen desselben. § 92. Wie bei den Medusen der Hydroidpolypen und der Siphonophoren die Wand des Gastrovascularsystems die Bildungsstätte der Keimstoffe vorstellt, so trifft sich dasselbe auch bei jenen Medusen, die keine Be- ziehungen zu HydroTden mehr besitzen. Meist sind es die Badiär- canäle (Aequoriden) oder die taschenförmigen Ausbuchtungen des Magens 20 Cölenteraten (Zoopliyten). (Aeginiden), an denen die Zeugungsstoffe entstehen. Bei grösserer Enge der Crinale bilden sie frei vorragende Ausbuchtungen, die, bedeutender entwickelt , sogar krausen- Fig. 35. artige Falten vorstellen. Blatt- förmige Ausbreitungen der Radialcanäle entstehen mit der Bildung der Zeugungsstoffc bei den Geryoniden. Bei allen gibt die untere", dem Schirme abgewendete Wand der Ca- nale die Keimstätte ab (Fig. 35. g). Die Entleerung der Keimstoffe erfolgt theils durch den Magen , theils erfolgt sie durch eine Ruptur des Ge- webes. Bei den Discophoren tre- ten die Geschlechtsorgane im- mer in ganz gleichen Bezie- hungen auf und ihre Lage- rungs- und Formverhältnisse sind viel weniger mannichfach. Sie bestehen aus vier oder acht halb- mondförmig gebogenen und rosettenartig auf der Unterfläche des Schir- mes angeordneten Krausen (s. oben Fig. 32. ov), welche aus Ausbuch- tungen des Gastro vascularsystems hervorgehen. Sie liegen entweder in Vertiefungen der Unterfläche der Scheibe geborgen oder hängen, oft in vielfachen Fallungen, frei hervor. Die Lucernarien zeigen die Geschlechtsorgane in Form von acht radiär gestellten Längswülsten an dem der Subumbrella der xMe- dusen entsprechenden Körpertheile , von wo sie in die Taschen des Gastrovascularraumes Vorsprünge bilden. Sie repräsentiren dadurch eine Mittelform zwischen dem Verhalten der Hydromedusen und der Discophoren. § 93. Die Geschlechtsorgane der Anthozoen sind in ziemlicher Uebcr- einstimmung im Zusammenhang mit dem Entoderm zu finden, so dass die Zeugungsslofle durch den Magen nach aussen gelangen. Am häu- figsten fungiren die Septa der Gastralräume , oder deren in den Cen- Fig. 35. Schema eines radialen Verticalschnittes durch eine geschlechtsreife Geryonide (Carmarina hastata), rechts durch einen Radialcanal in seiner ganzen Länge, links durch den Seitenflügel eines Genitalblattes in einer interradialen Ebene geführt, b Randbläschen, c Ringgefäss. g Geschlechtsproducte. h Mantel- spange, k Magen. I Gallertmantel, p Magenstiel, r Radialcanal. rl innere, rs äussere Wand desselben, uk Knorpelring, v Veliun. Z Zungenartiger Fortsatz des Magenstiels, (Nach E. Häckel.) Geschlechtsorgane. 121 Von den längs der Schwimm- tralraum sich fortsetzende Leisten als solche Organe, wie ersteres bei den Actinien , letzteres bei Alcyonarien (Fig. 33. B), aber auch bei Hexactinien der Fall ist. Gewöhnlich sind auch hier die Geschlechter getrennt, doch sollen auch Zwitterbildungen vorkommen, wobei an der einen- Fläche eines Septums männliche, an der andern weibliche Zeu- gungsproducte entstehen. Der peripherische Abschnitt des Gastrovascularsystems repräsenlirt bei den Ctenophoren die Keimstätte blattchen reihen verlaufenden Ca- nälen entwickeln sich seitliche, Fi§- 36- blindsackartige Ausstülpungen in denen Samen oder Eier entstehen. Die eine Seite eines Radialcanals ist mit Eifollikeln, die andere mit Hodenläppchen besetzt; die Zwit- terbildung wiederholt sich somit für jedes radiale Körpersegment. Das Canalsystem dient zur Aus- leitung. Es ist also hier ein mit einem Theil der Anthozoen völlig übereinstimmendes Verhalten er- kennbar, und indem man die zwi- schen zwei Radialcanälen gelegene Leibessubstanz einem Septum der Anthozoen vergleicht, findet man auch die Vertheilung der Keimstätten beiderlei Geschlechter unter denselben Beziehungen wie bei hermaphro- ditischen Anthozoen. Die Eier der Cölenteraten entbehren der besonderen Hüllbildungen, und wie bei den Schwämmen erscheint auch noch bei den Eiern mancher Hydroiden (z. B. Hydra) ein Gestaltwechsel durch amoeboide Be- wegungen als Zeugniss der Indifferenz. Die aus einem Köpfchen mit beweglichem Anhange bestehenden Samenelemente sind bei den Aca- lephen bedeutend kleiner als die »Geisselzellen« der Spongien und schei- nen auch mit dem Verlust des Kerns den Charakter als Zellen auf- gegeben zu haben. Fig. 36. Geschlechtsorgane von Beroe rufescens in ihrem Verbalten zu einer Strecke eines Radialcanals. a längs des Canals (d) verlaufende Streifen (Mus- keln.) b Samenerzeugende Seite, c Ovarialseite mit Eiern. (Nach Will.) z]^m Dritter Abschnitt, Würmer. Allgemeine Uebersicht. .§ 94. In der Abtheilung der Würmer vereinige ich eine grössere Anzahl unter sich nicht immer nahe verwandter Formen, welche den anderen grossen Abtheilungen nicht eingefügt werden können , ohne dort als völlige Fremdlinge zu erscheinen. Durch die Verbindungen , welche die Würmer, wenn auch entfernt, mit jenen anderen Abtheilungen auf- weisen, erscheinen sie als eine Ausgangsgruppe. Neben grossen und reichen, durch engere Verwandtschaft verknüpften Formreihen, finden sich zahlreiche, oft nur auf eine einzige Gattung beschränkte, isolirt stehende Formen, die nur auf weite Entfernungen hin Anschlüsse erkennen lassen. Im Allgemeinen besteht die eudipleure Grundform (bilaterale Sym- metrie). Doch walten noch mancherlei niedere Formzustände, die von einer niederen inneren Organisation, wie sie sich z. B. durch den Mangel einer Leibeshöhle ausspricht, begleitet sind. Die einzelnen Abtheilungen stelle ich in folgender Weise zusammen*]. I. Platyelminthes. Tur bei la ria. Rhabdocoela. Monocelis, Vortex, Mesostomum, Prostomum, Dendrocoela. Planaria, Leptoplana. Trematoda. Disloma , Monostomum , Tristoma , Polystoma , Aspidogaster , Diplozoon) Gyrodactylus. *) Dass ich aus der in der Reihenfolge der grösseren als Classen geltenden Abtheilungen nicht zu vermeidenden Näherung einander sehr fremder Formen keinen Verwandtschaftsausdruck gefolgert wissen möchte, sei ausdrücklich bemerkt. Allgemeine Uebersicht. 123 C e s t o d a*) . Caryophyllaeus, Ligula, Taenia, Tetrarhynchus, Bolhryocephalus. Nemertina (Rhynchocoela). Borlasia, Polia, Nemertes. II. Nemathelminthes. Nematodes. Strongylus, Ascaris. Gordiace a. Gordius, Mermis. III. Chaetognathi**). Sag Uta. IV. Acanthocephali. Echinorhynchus. V. Bryozoa***). P h y 1 a c t o 1 a e m a . Cristatella, Alcyonella, Lophopus, Plumetella. Gymnolaema. Crisia, Hörnern, Alcyonidium, Fluslra, Eschara, Cellepora. VI. Rotatoria. Melicerta, Floscularia, Brachionus, Hydatina, Nolommala. VII. Enteropneusti. Balanoglossus. VIII. Tunicataf). Gopelata. Appendicularia. A s c i d i a e . Ascidia, Phallusia , Cynthia, Ctavelina, Botryllus, Amarucium. Luciae. Pyrosoma. Cyclomyaria. Doliolum. •Thaliada. Salpa. IX. On^chophora. Peripatus. X. Gephyrea. Sternaspis, Echiurus, Thalassema, Bonellia, Priapulus, Sipunculus. *) Die Cestoden bilden mit den Trematoden eine nahverwandte, von den den- drocoelen Plattwürmern abgezweigte Gruppe, deren Formen durch Parasitismus zahlreiche Anpassungszuslände erlangt haben. Eine selbständige Stellung ver- dienen sie nur desshalb, weil der Ablauf ihrer Ontogenie in einer von jener der Trematoden verschiedenen Weise sich complicirt hat. **) Die Sagitten mit den Nemathelminthen zu vereinigen halte ich nicht für be- gründbar. Ebensowenig finde ich die Acanthocephalen den Nemathelminthen verwandt. ***) Eine den ßryozoen verwandte, aber nicht ihnen unterzuordnende Abthei- lung repräsentirt die Gattung Pedicellina. •j-) Die von Vielen noch angenommene Verwandtschaft der Tunicaten mit den Mollusken beruht nur in der weichen Beschaffenheit des Körpers! Die gesammte Organisation der Tunicaten unterscheidet sie gründlich von allen Abtheilungen der Mollusken. 124 Würmer. XI. Annulata*). Hirudinea. Haemopis, Sanguisuga, Nephelis, Clepsine, Branchiobdella. Annelides. Oligochaeta. S co 1 ei n a. Lumbricus, Chaetogaster, Nais. Haliscolecina. Polyophthalmus, Capilella. Cha e topoda. Vaga ntia. Siphonostoma, Arenicola, Glycera, Nephthys , Phyllodoce , Alciopa, Syllis, Nereis, Eunice, Amphinome, Aphrodite. Polynoe. Tubicolae. Amphitrile, Hermella, Terebella, Sabella, Serpula. Literatur. 0. F. Müller, Von den Würmern des süssen und salzigen Wassers. Kopen- hagen 1771. — Rudolchi , Entozoorum historia naturalis. 3 Bde. 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Bestimmter in die Unlerclasse der Anneliden gehörig, aber hier ebenfalls eine eigene Unterordnung der Chaetopoden, die der Gymnocopa repräsentirend, reiht sich Tomopteris. — Ich führe ausser den Chätognathen, Enteropneusten und Onychophoren diese wenigen Beispiele von vielen Fällen an, um daran zu zeigen, wie unter den Würmern zahlreiche kleine, oft nur durch Eine Gattung oder sogar nur durch Eine Species vertretene Abthei- lungen existiren , die auf eine sehr bedeutende Divergenz der Differenzirung hin- weisen. Literatur. \ 5 geschichte der Eingeweidewürmer. Haarlern 1857. — Stieda , Beitr. z. Anat. v. Bothryocephalus. Arch. f. Anal. u. Phys. 1864. — Sommer u. Landois, Beitr. z. Anat. d. Plattwürmer. Zeitschi', f. wiss. Zool. 1872. Nemathelminthen : Cloquet, Anatomie des vers intestinaux. Paris 1824. — Eberth , Untersuchungen über Nematoden. Leipzig 1863. — Schneider, Monographie der Nematoden. Berlin 1866. — Bastian, Monograph on the auguillulidae. Transact. Linn. Soc. Vol. XXV. P. 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Dieser stellt sich somit eine Rückenfläche entgegen , und die beide Flächen verbindende Nebenaxe erscheint von anderem Werthe als die andere Nebenaxe, welche zwischen beiden Seiten des Körpers gedacht wird. Es besieht also eine Differenzirung der Nebenaxen , und zwar als Ausfluss einer Anpassung an ein neues Verhalten des Körpers zur Aussenwelt. Höchst wahrscheinlich bildet eine Aenderung der Ortsbewegung das bedingende Moment zu jener Differenzirung, und zwar speciell die Locomotion auf dem Boden im Gegensatze zur schwimmenden Bewegung (§ 29). Mit dieser Differenzirung zerfällt der Körper in zwei Antimeren. Obgleich in einzelnen Zuständen, z. B. bei der Scolexform vieler Cestoden jene Sonderung der Nebenaxen nicht ausgesprochen ist, und daraus ein an die Cölenteraten anschliessendes Verhalten gefolgert werden könnte, so stehe ich doch nicht an jenen Zustand als einen in der Abtheilung der Cestoden erworbenen anzusehen, da die Cestoden erst von solchen Formen sich ableiten lassen , die bereits wie die übrigen Plattwürmer die eudipleure Grundform besassen. Jene in gleichmässiger Ausbildung der Nebenaxen beruhende Modification erklärt sich zugleich aus dem Aufgeben der Locomotion und der Feslheftung des Körpers mit einer einem Pole der Hauptaxe entsprechenden Stelle des Leibes. Das Auftreten einer ventralen Fläche verbindet sich mit der Difle- renzirung der beiden Pole der Hauptaxe. Indem der dem einen bei der Locomotion vorwärts gerichteten Pole entsprechende Körpertheil Körperform. 127 unter anderen äusseren Einwirkungen stehend sich in anderer Weise gestaltet als der entgegengesetzte, wird ein Vorderende des Körpers von einem hinteren unterscheidbar. Ersteres gestaltet sich mit der Ausbil- dung von mancherlei Organen zum Kopfe, einem hier zum erstenmale unterscheidbaren Körperabschnitte. Es verdient betont zu werden, dass es wesentlich die constant nach einer Richtung hin stattfindende Ortsbe- wegung sein wird, welche die Ausbildung jenes Kopftheiles bedingt, sowie jene Richtung wieder durch die Lage der Mundöffnung beherrscht wird. An diesem vordersten Körpertheile sind es vorwiegend Sinnesorgane oder solche tragende Fortsätze des Leibes , welche eine allmähliche Weiter- bildung eingehend zur ferneren Differenzirung dieses Abschnittes führen. Der Kopf bezeichnet den oralen Pol der Hauptaxe, da an ihm die in der Regel etwas ventralwärts gerückte Mundöffnung liegt. Am meisten trifft sich die Entfernung der Mundöffnung am Kopfe bei den Plattwürmern, wo sie bei den Turbellarien sogar weit auf die Bauch- fläche rücken kann. Das dem oralen Pole entgegengesetzte (aborale) Körperende ist Träger der Afteröffnung, die, wo sie besteht, in vor- wiegend dorsaler Lagerung sich findet. Bedeutende Modifikationen erleidet die Körperform bei den fest- sitzenden Formen. Hier zeigt sich auch die Gehäusebildung von Ein- fluss, wie bei den Bryozoen. Weitere Umgestaltungen bieten die Tunicaten, deren niederste Zustände (Appendicularia) durch den Besitz eines ventral angefügten Ruderschwanzes von der einfacheren Körperform der übrigen Würmer sich bedeutender entfernen. Diese Divergenz spricht sich ebenso bei den Ascidien aus, und verläuft, durch Modifikationen der Athem.höhle bestimmt, von den Cyclomyariern zu den Salpen. (S. unten Darmcanal). § 96- Eine andere innerhalb der Würmer zuerst auftretende Erscheinung betrifft die Gliederung des Körpers. Schon bei den Rotatorien ist der hinlere Leibesabschnitt in Anpassung an die Bewegung in eine Anzahl von Segmenten zerfällt. Darin ist die erste Spur eines in den höhern Abtheilungen bedeutungsvollen Zustandes zu erkennen. Bei den Cestoden trifft sich dieser weiter gebildet. Mit einem Wachs- thum des Körpers in der Richtung der Hauptaxe äussert sich eine Difl'erenzirung. Vorder- und Hintertheil des Leibes umschliessen nicht mehr die gleichen Organe. So enthält der hintere Leibesabschnitt der Caryophyllaeen ausschliesslich die Geschlechtsorgane. Bei Ligula ist dieser hintere Leibesabschnitt mit mehrfach sich wiederholenden Ge- schlechtsapparaten bedeutender entwickelt. Bei den Tänien diffe- renziren sich solche Geschlechtsapparate am hintern Körperende in einer reicheren Folge und jeder bezügliche Abschnitt bildet sich, auch äusserlich allmählich abgegrenzt, zu einem Gliedstücke aus, das sich zu den übrigen als Metamer verhält (Fig. 37). So entsteht die 128 Würmer. Fig. 37. Band wurm kette, deren letzte Metameren (die sogenannten Proglottiden) je nach dem Grade ihrer Ausbildung sich ablösen, um als bald mehr bald minder selbständige Individuen zu erscheinen (Fig. 37). Dieser Vorgang stellt sich somit als ein Sprossungsprocess dar, sein Product ist die Band- wurmkette, jedes einzelne Glied derselben erscheint als ein Metamer mit Bezug auf den Gesammtorganismus der Kette, ist aber als Person zu be- urtheilen, da es zu selbständiger Existenz befähigt ist, deren Be- schränkung sich aus der an Parasitismus angepassten Lebensform erklärt. Während bei den Cestoden die Sprossung durch Ablösung der aus ihr her- vorgehenden Metameren auf einen Vermeh- rungsprocess hinweist, so führt derselbe Vorgang bei den Annulaten zu einer Com- plication des Körpers. Aus. der einheit- lichen Larvenform entsteht ein geglie- derter Organismus, indem der in der Bichtung der Hauptaxe auswachsende Kör- per in eine Anzahl von Metameren sich son- dert. Anstatt der bei den Cestoden stalt- findenden Ablösung der Metameren besteht hier eine dauernde Verbindung derselben, die nur in einzelnen kleineren Abtheilungen (Sylliden, Nai'den) durch einen neuen *fcur Trennung führenden epigonalen Sprossungs- process gelöst wird. Wie an der Cestodenkette der vordere Körperlheil (Amme = Skolex) und das letzte Metamer (Progloltis) die zuerst differen- zirlen Theile der Kette sind, so erscheinen auch bei einem Bingelwurm das vorderste und das hinterste Metamer als die zuerst gesonderten, zwischen denen die übrigen allmählich entstehen. Bei vielen ist dieser Sprossungs- process zusammengezogen (Hirudineen und andere Bingelwürmer) und die Sonderung aller Metameren geht gleichzeitig in der Anlage vor sich. Die aus der Vergleichung mit der Cestodenkette verständliche Be- deutung der Metameren der Bingelwürmer äussert sich in der Organi- sation jener Theile, denen nicht blos ein Abschnitt des Darmcanals und des Gefässsystems, sondern auch je ein Ganglion des Nervensystems mit noch manchen anderen Organen gleichmässig zukommt. Nicht immer bleibt die metamere Organisation äusserlich und innerlich im Einklänge. Aeusserlich ist sie bei den meisten Hirudineen verloren gegangen. Das was bei den Blutegeln als Leibesring bezeichnet wird, ist eine secundäre Faltung deslntegumentes. Bei manchen Anneliden tritt dagegen der meta- mere Charakter der inneren Organisation zurück. Auch die Gephyreen lassen nur in wenigen Einrichtungen — äusserlich am meisten beiSternas- Fig. 37. 1. Bandwurm (Tetrarhynchus) in der ungeschlechtlichen Form (Amme). 2. Derselhe in gliederhildendem Zustande, wobei die letzten Glieder (Proglottiden) einzeln sich ablösen. (Nach Van Beneden.) Körperform. 129 pis — eine Metamerenbildung erkennen, sie darf aber wohl wie bei den Onychophoren vorausgesetzt werden, wenn sie auch nicht so voll- ständig vvi ausspricht. ständig wie bei den Annulaten in der gesammten Organisation sich § 97. Während die vorhin geschilderten Verhältnisse die grösseren Abthei- lungen der Würmer beherrschen , kommt es innerhalb einzelner klei- nerer Abtheilungen zu mannichfachen andern Modificationen, die be- sonders bei entoparasitischen Plattwürmern von Anpassungen an ver- änderte äussere Lebensbedingungen abzuleiten sind. Als die bedeutendste dieser Modificationen ist die »Blasenform« anzusehen, welche in den Entwickelungskreis der Cestoden ein- geschaltet, und in phylogenetischer Be- ziehung ebenso sicher aus einem Ein- tritte des Organismus in ihm ursprüng- lich fremde, abnorme Verhältnisse abzuleiten ist (v. Siebold), wie der ge- sammte Parasitismus auf solche erst se- rig. 38. Fig. 39. eundär erlangte Zustände zurückführt. Diese phylogenetische Beziehung stellt sich also in ihrer Begründung auf ursprüng- lich abnorme , dem sich daran anpassen- den Organismus jedoch zu normalen Le- bensbedingungen werdende äussere Verhältnisse, nicht in einen exclu- siven Gegensatz zum mitogenetischen Verhallen, welches die Blasenform als einen Befund des normalen Entwickelungskreises erwies (van Be- neden), vielmehr drückt ersteres Verhältniss nur einen erworbenen Zustand aus, der in allmählicher, beim Fortbestande gleicher Bedingungen für gleichmässige Vererbung nach und nach zu einer gesetzmässigen Erschei- nung sich gestaltete. Die einzelnen Formen knüpfen an die ersten Entwickelungszuslände der Cestoden im Allgemeinen an. Der meist mit 3 Hakenpaaren ausgestattete Embryo zeigt in seinem Innern die Differenzirung eines Gestodenköpfchens (Fig. 38 a), welches nach voll- endeter Ausbildung sich hervorstülpt, so dass die anfänglich äussere Umhüllung (Fig. 38 6) zu einem am Köpfchen sitzenden Körpertheile (Fig. 39) wird. Bei der Cysticercusform bildet sich der Embryo zu einer mit Fluidum gefüllten Blase um, an deren Wand das Köpfchen den eingestülpten Zustand repräsentirend gegen das Lumen der Blase Fig. 38. Junge Taenie mit eingestülptem Kopfe, a Kopf, b Hülle, c die sechs an einer Stelle der letzteren zurückgebliebenen Embryonalhäkchen. (Nach v. Siebold.) Fig. 39. Dieselbe Taenie in liervoi gestülptem Zustande. Bezeichnung wie in voriger Figur. Nach v. Siehold.) Gegenbaur, Grundriss. 9 130 Würmer. F\a. 40. hervorsprosst. Mit der Ausstülpung des Köpfchens bildet die Blase einen Endanhang des Körpers (Fig. 40). Entsteht an der Blasenwand eine Mehrzahl von Knospen, an denen hervorsliilpbare Köpfchen sich differenziren , so bildet sich daraus die Cönurusform aus. Im Falle der Ablösung der Knos- pen ins Innere der Blase können sich dieselben zu neuen Blasenbildungen gestallen, an deren Wand der- selbe Knospungsprocess von Köpfchen sich fortsetzt und zu Systemen ineinandergeschachtelter Blasen führt, deren jüngste an ihren Innenwänden wieder Bandwurmköpf- chen sprossen lassen. Dieser Zustand bildet die Echi- nococcusform. Diese Sprossungsvorgänge , welche sich ungeachtet der Mannichfaltigkeit der Endprodukte auf eine gemeinsame Grundform zurückführen lassen, stehen im Bereiche der Plattwürmer keineswegs un- vermittelt da, indem bei nicht wenigen eine in manchen Puncten ähnliche ungeschlechtliche Vermehrung Platz greift. Am verbreitetsten ist sie unter den Trema toden, deren Embryo einen als »Keimschlauch« be- kannten ungeschlechtlichen Zustand hervorgehen lässl. Das Körper- parenchym dieser Keimschläuche differenzirl sich meist wieder zu gleichartigen Bildungen, in denen schliesslich die zur geschlechtsreifen Form sich ausbildenden, als »Cercarien« bekannten Larven ent- stehen. Die Verschiedenartigkeil der Formen der einzelnen Generalionen scheint in den meisten Fällen durch Bückbildungen in Anpassung an die parasitische Lebensweise im Allgemeinen, wie im Speciellen an die Beziehungen zu verschiedenen Wirlhen entstanden zu sein, sowie jene Lebensweise nicht minder die wieder als »Generationswechsel« bezeich- nete, damit freilich in keiner Weise erklärte, Gesammterscheinung beherrscht. § 9«- Sprossungsvorgänge sind auch unter den Bryozoen verbreitet und führen zur Stockbildung. Die Sprossung gehl wieder von der Leibes- wand aus. Je nach dem der Spross lateral verbleibt und mit dem Mutterthier den Boden (heilt, oder bei Streckung des Körpers terminal vom Boden sich abhebt, entstehen flächenhafl ausgebreitete oder in die Höhe wachsende, ramilicirle Gormi. Am Bande der flächenhaft ausge- breiteten Stöcke bilden die jüngsten Sprossen häufig die Anlagen für mehrere Individuen (Personen), die nach und nach sich von einander sondern. Wie bei der Entwickelung aus dem Eie legt sich auch bei der Sprossbildung der vordere die Tentakelkrone tragende Körpertheil im Inneren des das »Gehäuse« um sich bildenden hintern Körperab- Fig. 40. Eine Kinne (Cysticercus cellulosae! mit hervorgestülptem Kopfe fiiiil. Gr.). n Die mit Fluidum gefüllte Schwanzbläse. c Der vordere Theil des Körpers, d Das Köpfchen. (Nach v. Siebold.) Körperform. 131 Schnittes an. Man hat darauf hin beide Abschnitte in sehr ungerecht- fertigter Weise als »Individuen« darzustellen versucht. Nicht alle Per- sonen eines Bryozoenstockes gelangen zu gleich hoher Ausbildung. Bei manchen entwickeln sich nur einzelne dein Gehäuse und der Mus- kulatur angehörige Theile, und daraus gehen die sogenannten Avicu- larien, vogelkopfartigen Organe, hervor, die für den Stock als Greiforgane fungiren. In einer ferneren Modification entstehen die Vibracularien, lange, Bewegungen vollführende pfiiemenartige Gebilde. Endlich können sogar einzelne Personen nur zur Aufnahme von Eiern dienen' und so- genannte Brutkapseln vorstellen. § 99. In grosser Mannichfaltigkeit erscheint die Sprossung bei den Tuni- caten, wo sie gleichfalls Thierstöeke schafft, aber auch zur Ent- stehung discreter Individuen hinführt. Bei manchen Ascidien sondert sich die Embryonalanlage zu mehr als einer Person. So sprosst ent- weder eine zweite Person aus der erst angelegten (Didemnum) oder der Embryo sondert sieh gleichmässig in eine Mehrzahl von Personen (vergl. Fig. 411 , von denen jede mit einer Summe von Organen aus- gestattet wird. Alle bleiben aber mit einem gemeinsamen Theile (der Cloake) unter einander verbunden. Von da bis zu dem zu getrennten Personen führenden Zustande kommen manche Uebergänge vor , zu denen auch die bei Pyrosoma bestehenden Verhältnisse zählen. Am ausgebildeten Thiere kommt die Sloekbildung durch prolife- rirende Fortsätze zu Stande, die, mit dem Gefässsysleme im Zusammen- hang, bald an verschiedenen Stellen des Körpers entstehen, bald auf bestimmte Localiläten beschränkt sind. Die geselligen Ascidien (A. sociales) liefern Beispiele. Ein besonderes Organ ist bei den Cyclo- myaria und den Salpen als Keimslock (Stolo prolifer) ausgebildet. Fig. 41. Entwickelung von Bolryllus. 1. Ei am Ende der Dottertheilung. a Hülle, b Dotter. 2. Aus der Embryonalanlage hat sich der Ruderschwanz c differenzirfr. 3. Es sprossen einzelne Personen im Umfange der Embryonalanlage hervor um einen gemeinsamen Abschnitt (c) die Cloake. d Gemeinschaftliche Hülle. (Nach Külliker.) 9* 132 Würmer. Bei Doliolum erscheint er als ein meist von der dorsalen Körper- flache nahe an der Auswurfsöflnung entspringender Fortsatz ; bei den Salpen wie bei Pyrosoma entsteht er ventral , und bietet nur an- fanglich übereinstimmende Momente dar, um, anstatt nach aussen vor- zusprossen , auf verschiedene Weise sicli innerhalb eines meist in der Nähe des Darnies gelegenen Hohlraumes zu lagern. Auch in seiner Beziehung zur Knospung verhält sich der Keimstock der Salpen ver- schieden von jenem bei Doliolum. Bei letzterem sprossen am Keim- stocke refhemveise angeordnete, zuweilen sogar dimorphe Knospengene- ralionen, welche mit dem Keimstocke durch kurze Forlsätze im Zu- sammenhang stehen. Bei den Salpen entstehen gleichfalls am Keimstocke Sprossen, aber jede derselben umfasst mit ihrer Basis die Hälfte des Fig. 4 2. Fig. 43. ITmfarigs des ersleren, so dass bei der Bildung von zwei Reihen solcher Sprossen, das Material des Keimstockes selbst in den Körper der letzteren übergeführt wird. Die Reife der kettenförmig unter einander ver- bundenen jungen Sprösslinge (Fig. M ?i) geht dem zufolge mit einer Auflösung des betreffenden Keimstockabschnittes einher. Das Verhallen dieser Einrichtung führt wieder zu einem »Gene- rationswechsel«, indem die mit solchen Keim stocken ausgestatteten For- men stets geschlechtslos bleiben. Man könnte so den Keimstock als eine den Geschlechtsapparat auch anatomisch compensirende , vielleicht aus einem Eierstock hervorgegangene Einrichtung betrachten, jedoch ergibt Fig. 42. Ungeschlechtliche Form von Salpa pinnata (solitäre Form). «Nach aussen tretende Embryonenkelte. Fig. 43. Geschlechtliche Form von Salpa pinnata (Ketlenform . t Verbin- dungszapfen, u Eingangsöffnung, b Auswurfsöffnung, c Ganglion. (/Kieme. /'Herz. h Bauchlurche, r Leberschlauch, v I m Embryo mit Embryonalorganen. (Beide Figuren nach <;. Vogt.) Gliedmaassen. 133 sich in der That eine ganz andere Beurtheilung aus der Verglcichung, welche in den Keimslöoken proliferirende Ausläufer, ähnlich wie bei den Ascidiae sociales erkennen lässt. Ein solcher Ausläufer ist auf eine bestimmte Körperstelle localisirt, auf die ventrale Fläche des Körpers bei Pyrosoma und Salpa, auf die dorsale bei Doliolum. Bei .Pyrosoma ist ein in den Mantel gerichteter Keimstock vorhanden, an dem je nur eine einzige Knospe sich bildet; daneben bestehen noch Geschlechts- organe. Es kann also nicht daran gedacht werden, dass der Keimstock zum Geschlechtsapparat gehöre. Bei den Salpen und Doliolum bilden die Keimstöcke im Gegensatze zu Pyrosoma reiche Generationen von Knospen. Damit trifft aber der Mangel des als rückgebildet zu be- trachtenden Geschlechtsapparats zusammen. Diese sexuelle Bück- bildung ist aus der Entfaltung des Sprossungsprocesses am Keim- stocke ableitbar. Bei den Salpen sind die Abkömmlinge der unge- schlechtlichen Generation stets geschlechtlich entwickelt, und so entsteht eine reine »alternalio generationis«, indess bei Doliolum die ungeschlecht- liche Fortpflanzung erst nach mehrfachen keimstocktragenden Generatio- nen erschöpft wird. Demnach nähert sich das Verhalten der Cyclomyarier mehr der ursprünglichen Ascidienknospung , sowohl durch den äusser- lichen Keimstock, als durch die Art der Verbindung der Sprossen mit dem Keimstocke. Der innere Keimstock der Salpen dagegen entfernt sich von dem Ausgangspunkte ebenso durch seine Lagerung wie durch den Verbrauch des Keimstockmaterials durch die Sprossen. Gliedmaassen. § 100. Die Gliedmaassen erscheinen als activ bewegliche Fortsatzbildungen des Körpers, die je nach ihrer Beziehung zu letzterem und nach ihrer speciellen Ausbildung zu den verschiedensten Functionen in Verwen- dung kommen können. An dem den Kopftheil vorstellenden Körper- abschnitte treten Fortsalzbildungen schon bei den Turbellarien auf. So entstehen bei vielen Planarien seitliche lappenartige Fortsätze als Ten- takel oder Fühler, und bei anderen ist auch die Ruckenfläche des Körpers durch ähnliche Bildungen ausgezeichnet (Thysanozoon). Wie die parasitische Lebensweise der Tremaloden , der Cestoden, wie derNemathelminlhen derartige Bildungen gänzlich zurücktreten lässt, so treffen sie sich unter den freilebenden Annulaten wieder bedeutend entfaltet, und hier sind es besonders die Chätopoden, deren Kopftheil bald an den Seiten, bald auch median mit contractilen Tentakeln aus- gestattet ist (Fig. 44. ttv). Diese sind entweder einfach, oder durch Segmentirung weiter differenzirt, oder auch durch seeundäre Forlsälze ausgezeichnet. Durch Anpassung an die mannichfachsten Lebensver- hältnisse in Gebilde mannichfacher Art umgewandelt, dienen sie vie- lerlei Verrichtungen, von denen die respiratorische die belangreichste ist. 134 Würmer. Bei den röhrenbewohnenden Ghälopoden, deren Kopftheil den mit dem umgebenden Medium zunächst in Beziehung tretenden Körperab- sehnitt vorstellt, sind die Fühler in mächtige Apparate umgewandelt. Sie bilden Büschel contracliler Faden am Kopflappen, in einfachen oder mehrfachen Reihen (Tcrebellen [vergl. unten Fig. 83. /] , Hermellcn), oder sie sind mit der Entwickelung eines innern Gerüstes (Knorpel) in Fig. 44. starre, auch mit seeundaren Aesten besetzte federbuscharlige Gebilde (Kie- mententakel) übergegangen, die sowohl an der respiratorischen Function sich betheiligen, als auch bei Bewegung des Gesammtapparales für die Herbeischafiüng der Nahrung thätig sind (Serpulaceen). Bei einem Theile ordnen sich diese Kiemenfühler auf zwei fächerförmig ausgebreitete Gruppen.. Kurze , einfache Faden , neben denen noch zwei sie über- ragende exquisite Fühler vorkommen, stellen sie bei Siphonostoma vor. Bei Andern zieht sich die Basis beider am Bücken getrennter Hälften der Büschel in eine spiralig aufgerollte Leiste aus, auf welcher die ein- zelnen Fäden sich aufreihen (Sabella). Durch das Vorkommen von Sehwerkzeugen an den einzelnen Fäden der Kiemenbüschel erscheint für diese Organe eine neue Beziehung (Branchiomma). Einzelne der Kiemenfäden erleiden noch andere Umwandlungen. Ein oder ein Paar der anfänglich gleichartigen Kiemententakel (Protula) Fit;. 44. Kopf von Nereis Dumerilii. da' Taster, t, t\ P, ß, t*, ß Fühler. p Fussstummeln. ph Sihkiiulkopf. m Kiefer, i Speiseröhre, gl Drüsen. (Nach Claparede.) Gliedmaassen. *I35 besitzt bei einzelnen Sa bei Leu bereits keine respiratorische Function und wandelt sich bei anderen Sabelliden in kolbenförmige Gebilde um, von denen eines mächtiger entwickelt als das andere als Deckel zum Ver- schluss der vom Thiere bewohnten Röhre verwendet wird. Bei Filigrana behält der Deckelstiel in seiner Ficderung einen Theil seiner ursprünglichen Eigenschaften. Die Fiederung kann aber verloren gehen (Serpula) , und dann durchläuft die Entwickelung des Deckels jene bei Andern bleibenden Zustände. An diesem durch Anpassung entstandenen Apparate wird häufig noch eine verkalkte Schichte ab- geschieden, welche das freie abgeplattete Ende scheibenförmig bedeckt. In einzelnen Fällen nimmt der erweiterte Deckelstiel die Eier auf und fungirt als Bruttasche (Spirorbis spirillum) , so dass ein und dasselbe Organ eine Beihe der mannichfaltigslen, von seiner ursprünglichen Be- deutung weit abliegenden und durch gegebene äussere Verhältnisse er- worbenen Beziehungen eingeht. Ausser den Fühlern finden sich bei den Chätopoden noch besondere kürzere, aber retractile Taster (Fig. ii. a) vor. Diesen Gebilden reihen sich auch die Tentakel der Bryozoen an als fadenförmige, von Cilien umsäumte und contractile Forlsätze einer scheibenförmigen oder lappenartig ausgezogenen Ausdehnung des Integu- mentes (Lophophor) am oralen Körperende. Die erstere Form des Lopho- phor ist die verbreitetste. Die Mundöfl'nung nimmt dann die Mitte ein. Im andern Falle ist der Lophophor in zwei eine Hufeisenform bil- dende Forlsätze ausgezogen (s. Fig. 60. B. br.). Einfacher verhallen sich die Tentakel von Pedicellina, die den Band einer scheibenförmigen, Mund wie After tragenden Körperfläche besetzt halten, und im Innern nicht hohl sind wie die Tentakel der Bryozoen. § ioi. Eine andere Abtheilung bilden die bei den Chätopoden aus- gebildeten loco motorischen Gliedmaassen, seitliche Fortsätze der Metameren des Körpers, Fussstummeln oder Parapodien (Fig. 45. A. B. p). Sie treffen sich stets paarig für jedes Segment, zu zweien oder zu vieren. Im letztern Falle nimmt ein Paar den dor- salen, ein anderes den ventralen Abschnitt der Seite des Körpers ein. Sie tragen Borsten und häufig auch fadenförmige und mann ichfaltig ge- staltete Anhänge (Girren), welche die Parapodien an Volum übertreffen können, oder bei deren Bückbilduns; sich e;anz an die Stelle derselben j CO setzen. Auch die Kiemen sind als Modificationen von Cirren oder doch als damit zusammenzustellende Gebilde und als Anhänge der (dorsalen) Parapodien anzusehen. Sie rücken bei vielen von diesen ab und erschei- nen dann als selbständige Körperanhänge (§ 102). Zuweilen sind dorsale und ventrale Parapodien jeder Seite einander sehr genähert, von wel- chem Zustande an alle Uebergänge bis zur völligen Verschmelzung zu ^ 36 Würmer. einem einzigen Paare sich kundgeben (Sylliden). Dieses nimmt dann genau die Seite des Körpers ein, und trägt die sonst auf dorsale und ventrale Parapodien verlheilten secundären Anhange (Borsten und Girren). Rückgebildet erscheinen die Girren bei den'Tubicolen. Der Ausbildungsgrad der Parapodien ist sehr mannichfach , und wird durch Beziehung zu den ßorstengruppen complicirt. Eine Um- bildung erfolgt durch eine Verbreiterung des Endes der einzelnen ge- trennten oder auch verschmolzenen Parapodien oder vielmehr deren Girren , woraus dann Ruderplatten hervorgehen (Phyllodoceen). Als besondere durch Umwandlung dorsaler Girren entstandene Anhangs- gebilde der Parapodien erscheinen die Elytren, schuppenartige Lamellen, welche über den Rücken hin sich über einander lagern, und alternirend durch kurze Fortsätze vertreten sind (Aphroditeen) . Während die als Locomotionsorgane thätigen Parapodien der Anneliden als die Anfänge einer bei den Gliederthieren zu einer vollkommneren Entfaltung ge- langenden Gliedmaassenbildung erscheinen , entbehren sie doch der Selbständigkeit, insofern sie keinen eigenen Muskelapparat, wie die Gliedmaassen der Arthropoden, besitzen, und vorzüglich durch die Be- wegung der bezüglichen Metameren in Thätigkeit gesetzt werden. Aeussere Kiemen (Hautkiemen). § 102. Sowohl die am Kopfe wie die an den Metameren der Chätopoden vorkommenden Anhangsgebilde erleiden mancherlei Umwandlungen in Anpassung an die respiratorische Function. Wenn diese bei dem grössten Theile der Würmer durch die gesammte Körperoberfläche vermittelt wird, so erscheint sie bei den Chätopoden auf bestimmte Theile localisirt, die dadurch, wie aus ihrem Verhalten zum Gefäss- apparat und aus ihrem sonstigen Bau zu ersehen, zu Kiemen sich um- wandeln. * Diese trifft erstlich die Kopftentakel (§ 100). Bei einigen (Pectinaria, Terebella) führen diese Gebilde nur perienterische Flüssig- keit, und erscheinen noch nicht sicher als Kiemen. Bestimmter ergeben sie sich als solche bei den Pheruseen (Siphonostoma) , und bei den Sa be lüden sind sie in der oben angegebenen Weise noch weiter dif- ferenzirt und die einzelnen Kiemenfäden sind sogar mit secundären Fiederchen besetzt. Wie aus den Kopftentakeln durch weitere Ausbildung Kiemen her- vorgehen, so erscheinen auch Kiemen als A n hangsge bilde der einzelnen Körpersegmente durch Modifikationen der den Para- podien angefügten, oder auch als besondere Anhänge sich darstellenden Cirren. Im einfachsten Zustande zeigen die Girren keine Umbildung, ausser einer Fortsetzung der Leibeshöhle, so dass nur die perienterische Aeussere Kiemen. 137 Flüssigkeit in sie eintreten kann. Das Vorkommen von Cilien auf den Cirren ist für deren respiratorische Bedeutung von Belang. Indem die Wand der Girren an einzelnen Stellen bedeutend dünner ist, werden diese für das Zustandekommen des Gasaustausches bevorzugt. In der Fig. 45. Begel sind die dorsalen Girren zu Kiemen umgewandelt, welche diese bestimmtere Beziehung zur Athemfunclion durch den Eintritt von Blut- gefässen empfangen. Die Kiemen bleiben entweder einfache Fortsalze, zuweilen von blattförmiger Gestalt, oder sie zeigen Bamificalionen in ver- schiedenem Grade. Als sehr verlängerte einfache Fäden erscheinen sie bei Cirratulus. Die andere Form umfasst die exquisiteren Kiemen, die entweder kammförmig gestaltet (Euniceen) (Fig. io. A. br), oder auch baumförmig verästelt (Fig. 82. br) (z. B. bei Amphinomeen) erscheinen. Da nicht selten neben ihnen noch ein Dorsalcirrus vorhanden ist, so stellen sie selbständigere Gebilde vor, sowie sie auch häufig von den Parapodien entfernt direct von der Rückenfläche entspringen. Alle diese mannichfachen Befunde sind durch Uebergänge verknüpft, die zuweilen an demselben Thiere sich vorfinden. Ihre Verbreitung über den Körper findet in verschiedenem Maasse statt. Bald treffen sie sich an allen Körpersegmenten, gegen das Körper- ende meist von geringerem Umfange (Eunice sanguinea , Amphinome) . Bald sind sie auf eine Anzahl von Segmenten beschränkt und gehen gegen die kiemenlosen Segmente zu allmählich in rudimentäre Bildungen über ^Arenicola , Uermella). Bei den Böhrenbewohnern ruft die Le- bensweise die Ausbildung vorderer, das Schwinden hinterer Kiemen hervor. An drei vorderen Segmenten besitzen die Terebellen verästelte Kiemenbüschel (Fig. 82. br) , an zweien trägt Pectinaria kämm förmige Kiemen , und einfache fadenförmige Anhänge sind an derselben Stelle bei Branchiosabella und Sabellides vorhanden. Auch in anderen Abtheilungen der Würmer ist die respiratorische Function an Körperfortsätze geheftet. Das gilt von den Tentakeln der Bryo/.oen. Specielle Ausbildungen von respiratorischen Fortsätzen be- stehen bei Gephyreen , wo das Hinterleibsende von Sternaspis blul- eefässführende Anhange trä&t. Endlich kommen selbst bei den Hiru- Fig. 45. Schemata senkrechter Querdurchschnitte von Ringelwürmern, zur Darstellung der Anhangsgebilde. A Querdurchschnitt von Eunice. B von Myria- nida. p Bauchstummel, p' Rückenstummel, br Kiemen, br' Girren. 138 Würmer. dineen lamellen artige Ausbreitungen des Integumentes in metamerer Anordnung vor (Brancbellion). Integument. § 103. Das aus dem Ectoderni gesonderte Integument der Würmer sieht in enger Verbindung mit der Muskulatur, durch die es sich bei man- gelnder Leibeshöhle ins Körperparenchym fortsetzt. So verhalten sich die meisten Plattwürmer und Hirudineen. Bei dem Vorhandensein einer Leibeshöhle stellt das Integument mit der Muskulatur einen Haut- muskelschlauch vor, wie er bei Acanthocephalen , Tunicaten , Gephyreen und den meisten Annulaten besteht. Wenn wir den Hautmuskelschlauch in die beiden ihn zusammen- setzenden Theile zerlegen, so finden wir die Muskulatur in der Hegel als die bedeutendere, die als eigentliches Integument anzusprechende Schichte als die relativ geringer entwickelte Lage. Die eigentliche Hautschichte besteht in der Regel aus einer Zellenlage, deren Elemente oft sowenig gesondert sind, dass sie ein Syncytium vorstellen. Diese Schichte entspricht einer Oberhaut, Epi- dermis. Bei den Türbellarien ist sie überall mit Wimpern besetzt. Bei vielen sitzen die Wimpern auf einer anscheinend homogenen Schichte , die wie eine Cuticula sich ausnimmt. Aber selbst bei sol- chen die, wie die Cestoden , später des Wimperkleides entbehren, ist doch wahrend der embryonalen Stadien ein Cilienüberzug vorhanden. Auch Embryonen von Trematoden besitzen ihn. Bei vielen Anneliden bestehen an verschiedenen Körpertheilen bewimperte Stellen, oder es sind sogar grosse Strecken des Körpers mit Cilien bekleidet. Die locomotorische Bolle dieses Wimperbesalzes tritt besonders für die kleineren Formen hervor. Ausschliessliches Bewegungsorgan bleibt das Wimperkleid daher meist nur in den .Jugendzuständen. Durch Fortsatz- bildungen des Körpers wird die wimpertragende Oberfläche vergrössert, und daraus entspringt für die Cilien eine erhöhte Leistung für die Locomotion. Aehnlich verhalten sich die Larven der Gephyreen und der meisten Anneliden. Die Cilien ordnen sich auf leistenartige Vor- sprünge, die bestimmte Strecken der Leibesoberfläche als Wi mp er- sehn u r oder Wimperkranz umziehen, und in ihrer Anordnung für die einzelnen Abiheilungen meist charakteristisch sind. Ein oder mehrere Wimperkränze umgürten den Körper, darnach man die Larven von Chäiopoden in mesotroche , telotrochc und polytroche unter- schied. Wenn auch sonst die Körperoberfläche noch Cilien trägt, sind die der Wimperreifen doch mächtiger entwickelt und ihr Schlagen för- dert wesentlich die raschere Ortsbewegung. Von diesen Wimperreifen ist einer (Fig. 40. C D v) beständiger als die übrigen, er tritt zugleich Intesument. uo am frühesten auf, und theilt den Körper in einen vordem und hintern Abschnitt. Der erstere stellt den oberen Thcil des spatern Kopfes des Wurmes vor, während aus dem andern Abschnitt der ganze übrige Leib desThieres sich^ entwickelt. Der primitive Wimperkranz erhält sich in einer Abtheilung der Würmer, bei den Rä derthieren. Indess der hintere Abschnitt in einen mehr oder minder gegliederten Körper sich diffe- rerizirt, bildet sich der vordere auf einer wulslförmigen Verdickung lange Cilien tragend zu einem besonderen Organe aus, welches für Fig. 46. diese Abtheilung charakteristisch wird. Dieses Räderorgan — von der Bewegung seiner Cilien so bezeichnet — zeigt sich in sehr verschie- denen Formzuständen. Es bleibt entweder einfach, mehr im Anschlüsse an das primitive Verhallen , oder es breitet sich in lappenartige Fort- sätze aus (Tubicolaria) oder bildet tentakelartige Verlängerungen (Ste- phanoceros), die häufig nur in den Jugendzuständen der Ortsbewegung dienen, indess sie später bei festsitzender Lebensweise des Thieres für Zuleitung von Nahrungsstoffen , durch den mittelst der Wirri- peraction erzeugten Strudel, in Verwendung stehen. Bei den Bryozoen besteht vor der Entfaltung der Tentakel gleichfalls ein Wimperkranz, innerhalb dessen die Tentakel hervorsprossen. Durch die Lagerung der Mundöffnung entbehrt dieser Wimperkranz der Uebereinstimmung mit i\ev verbreiteteren Form , allein es bestehen doch noch für einige Abtheilungen nahe Beziehungen z. B. mit den Gephyreen , deren Larven gleichfalls einen das Mundfeld umgürtenden Wimperkranz be- sitzen. Auch bei dem sonst mit Bundwürmern übereinstimmenden Polygordius kommt ein Wimperkranz vor, in welchem wir somit eine Einrichtung erkennen, die von einer vielen Abiheilungen der Würmer gemeinsamen Stammform aus sich forlvererbt hat. Fig. 46. Anordnung der Wimperschnüre bei Echioodermen- [A B) und Wurmlarven [C D) . v vorderer, iv hinlerer Wimperkranz, o Mund, i Darm- canal. a After. 140 Würmer. Fig. 47. § 104. Beim Mangel von Cilien wird die Epidermisschichte von einer sehr verschiedengradig entwickelten Cuticula bedeckt, "die als Abson- derungsproduct der epider- malen Zellen- oder Proto- plasmaschichte erscheint. Diese Cuticula ist unter den Plaitwürmern bei Tremalo- den und Cestoden als eine dünne oder doch weiche Schichte vorhanden. In ähn- licher Weise kommt sie auch den Anneliden zu, wo sie sogar eine besondere Mäch- tigkeit erreichen kann. (S. Fig. 47. c.) Mit bedeutender Verdickung dieser Schichic treten Porencanäle in ihr auf. In der G lasse der Rundwür- mer ist sie am beträchtlich- sten entwickelt und übertrifft die unter ihr liegende Matrix mehrfach an Dicke. Sehr häufig lässt sie mehrere in ihrem näheren Verhalten von einander verschiedene Schichten wahrnehmen , deren Substanz dem Chitin nahe verwandt zu sein scheint. Durch grössere Derbheit einzelner Abschnitte des Guticular Überzuges kann bei Ringel- würmern eine Art von Hautskelet hervorgehen , welches , wenn auch nicht von des Härte des Chitinpanzers der meisten Arthropoden , doch morphologisch jenem völlig gleich kommt. Vollkommene Uebereinstimmung mit dein Chitinskelet der Arthro- poden bietet der Uautpanzer der Räderthiere dar. Wenn er auch nicht eine bedeutende Mächtigkeit erreicht, so verleiht ihm doch die Rigidität des vordersten Abschnittes sowie der folgenden durch weichere Zwischenstücke verbundenen Segmente, den Charakter eines wahren Skeletes , welches Muskeln zur Ursprungsstätte dient. An die Culiculargebilde reihen sich die Gehäuse der Bryozoen, die bald gallertartig (Lophopus crystallinus) weich und biegsam , bald durch Kalkeinlagerungen von bedeutender Härte erscheinen. Letztere Fig. 47. Verticaler Querschnitt durch das Integument eines Ringelwurms (Sphaerod orum). c Dicke Cuticularschichte mit weiten Porencanälen. m Muskel- schichte. m Muskeln des Borstenbüschels s, welches den centralen Fussstummel p einnimmt , indess der dorsale d durch einen Drüsen chläuche umschliesscnden Knopf vorgestellt wird. Inteaumenf. 141 kommen bei den meisten Gymnolaemen vor. Durch die innige Ver- bindung mit dem Körper unterscheiden sie sich von den Gehäusen mancher Botatorien sowie der tubicolen Anneliden, doch löst sich bei manchen die Leibeswand vom hinteren Abschnitte des Gehäuses. Die Ausbildung des festen Gehäuses erstreckt sich nicht über den ganzen Körper. Es umfasst nur den hintern Abschnitt desselben und setzt sich in eine schwächere den vorderen , tentakeltragenden Theil über- kleidende Chitinschichte fort, die sogar häufig fehlt. Diese verschieden- artige Diff'erenzirung des Integumentes führt zu einer verschiedengradigen Beweglichkeit beider Körperabschnitte, und gestattet eine Retraetilität des vordem Theils, der sich in dem gehäusetragenden Ilintertheile sammt der Tentakelkrone zu bergen vermag. In der Ausbildung) dieses Verhält- nisses bieten sich am Gehäuse mannichfache Differenzirungen. Den Cuticularbildungen reiht sich entfernt das Integument der Tunicaten an. Es bildet den sogenannten »äussern Mantel«. Sehr häufig erhält die als »Mantel« bezeichnete Körperhülle das Ueberge- wicht über alle andern Organe, und zeigt sich bei einer gewissen Rigidität auch als Slützorgan für die umschlossenen Theile. Die Consistenz dieser Hülle variirl von gallertiger Weichheil bis zu knorpel- jutiger Härte. Sie ist meist glasartig durchscheinend, bei Ascidien nicht selten auf mannichfache Art gefärbt. Das Gewebe des Mantels wird in der Regel durch eine den Bindesubstanzen zugehörige Form vorgestellt, in der die sehr verschiedenartigen Zellen gegen die Inter- cellularsubslanz oft zurücktreten, dem entspricht auch die Genese, die den Mantel als das Product einer Zellenschichte (Epidermis) kennen lehrt, von der eine Intercellularsubstanz abgesondert wird, in welche einzelne Zellen eintreten. § 105. Von dem Integumente der Würmer gehen eigenthiimliche Bildungen aus, die als Stacheln, Borsten, Haken u. s. w. im Haushalte der Thiere oft eine wichtige Rolle spie- len und als Ausscheidungen der Epider- mis aufzufassen sind. Diese ausseror- dentlich mannichfaltigen Formalionen lassen sich nach ihren Beziehungen zur Oberfläche des Körpers in zwei Gruppen theilen. Die eine davon besteht aus ein- fachen Erhebungen des Integumentes. Auf papillenförmigen Fortsätzen bildet sich eine dickere Culicularschichte , die in Form einer Warze, Fig. 48. Fig. 49. Fig. 48. Kopf von T aen i a coen u ru s (Blasenform : Coenurus cerebralis) von vorn gesellen. Sichtbar sind die vier Saugnäpfe und der in Mitte von diesen lie- gende Hakenkranz. Fig. 49. a — e Verschiedene Häkchen aus dem Hakenkranze von demselben. (Nach v. .Siebold.) 142 Würmer. oder, wenn länger ausgezogen, haar- oder borstenartig gestaltet sein kann. Bei bedeutenderer Festigkeit stellt dieser Abschnitt der Cuticula eine allerdings nur scheinbar selbständige Bildung vor. Hierher ge- hören die derben Papillen und Stacheln , wie sie sich an der Haut vieler Trematoden finden , und zuweilen den Vorderlheil des Körpers in verschiedener Ausdehnung besetzen; ferner die Stacheln der Echi- norhynchen , endlich die Haken der Gestoden, die bei manchen am vordem Körperende zu einem Kranze zusammengereiht sind (vergl. Fig. 48. 49) oder in der Wandung von vier ausstülpbaren Schläuchen sitzen (Tetrarhynchus). Indem diese, als Verdickungen der Cuticula beginnend, mit ihrer Chitinisirung sich auch gegen die Matrix und noch liefer zu einsenken, bilden sie einen Uebergang zur zweiten Gruppe. In dieser entstehen die Borsten oder Stacheln nicht mehr an der Oberfläche, sondern in besonderen Einsenklingen, die recht treffend mit Drüsen verglichen werden. Die Ausscheidung geht von Zellen (einer oder mehreren) oder von einem Syncytium aus, und gestaltet sich unter allmählicher Chitinisirung in bestimmter Weise, in verschie- denem Grade über die Körperoberlläche hervortretend. In der Begel tritt die Borstenbildung erst mit der Metamerie auf. In Volum und Form sind diese Gebilde ausserordentlich wechselnd, und sogar bei den ein- zelnen Gallungen und Arten vielfach verschieden. Die Hirudineen ausgenommen sind sie bei den Annulalen allgemein verbreitet. Fast immer finden sie sich in Büscheln gruppirt (s. oben Fig. 47. s), deren jedem Metamer zwei oder vier den Parapodien zugelheilt zukommen. Sie fimgiren zum Theil als Locomotionsorgane, bei den Schwimmenden (Vagantes) wie Ruder wirkend; bei einer Umbildung vermögen die Haken als Haft- oder Klammerorgane thälig zu sein (Tubicolae). Am mächtigsten sind die Borslenbildungen bei den Aphroditeen entwickelt, wo ein Theil der feineren zu einer den Bücken und die Elytren decken- den Schichte verfilzt. Wie einfach auch die das eigentliche Inlegument darstellende Schichte, mag sie aus Zellen oder Syncylien bestehen, sich verhalten mag, so zeigt sie sowohl durch die Differenzirung der vorhin betrachte- ten Geltilde, als auch durch die Compiicirung mit anderen Theilen einen höhern Grad der Ausbildung als bei den Cölenleraten. An diese erinnert noch das Vorkommen von stäbchenförmigen Körpern im lnlegumenle bei Turbellarien sowie bei Anneliden, Organe die in einzelnen Fällen den Nesselzellen verwandt scheinen. An die vom lnlegumenle aus entstandenen Dill'erenzirungen kann ein in seiner Function noch ziemlich räthselhaftes Organ angeschlossen wer- den : der sogenannte Busse 1 de r Ne in e r t i n e n. Er bildet einen Über dem Darm gelegenen in einer besonderen Seheide eingeschlossenen häufig gewundenen Schlauch, der am vordem Körpertheil über dem Munde sich öffnet, und daselbst hervorgestülpt werden kann. An diesem Schlauche sind mehrfache Abschnitte unterscheid bar, deren einer in seinem Grunde Integument. \ 43 Stacheln trägt, meist einen grössern in der Mitte und beiderseits in besonderen Taschen einige kleinere, die bald als Reserveslacheln, bald als ausser Gebrauch getretene Gebilde gedeutet sind. Der hinter dem Slachelapparate liegende Theil des Schlauches erscheint drüsiger Natur und besitzt neben dem Stachel einen Ausführcanal. Am blinden Ende des Schlauches befestigt sich ein von der Leibeswand entspringender Muskel, der als Retractor aufzufassen ist. Manchen Nemertinen (Lineus, Nemcrtes u. a.) fehlt der Stachelapparat. Bei einigen ist der Schlauch von unansehnlicher Grösse (Polia involuta) und verknüpft dadurch andere Plaltwürinern zukommende Gebilde, welche vielleicht als Anfangszustande des bei Nemertinen hoch difierenzir- ten Rüssels gelten können. Diess sind die am vordem Körperende der Gercarien vorhandenen, zum Einbohren dienenden Stacheln, welche entweder oberflächlich oder im Grunde einer tieferen, follikelartigen Einbuchtung gelagert sind. Das Verhalten seitlicher Stacheln zu einem medianen grösseren ist oft ganz ähnlich wie im Nemerlinen -Rüssel, und lassl auf eine ursprünglich einer grösseren Abtheilung der Plattwürmer zukommende Gleichartigkeit dieser Organisation schiiessen. § 10«. Durch die Diff'erenzirung von Drüsen, als besonderer Secrelions- organe, nimmt das Inlegument der Würmer eine höhere Stelle ein. Solche Organe sind in fast allen Abiheilungen der Würmer nachgewiesen, und linden sich bei den Annulaten sogar in grossei' Verbreitung. Sie scheinen in (h-n meisten Fallen einzellig zu sein , und lagern bald unmittelbar unter dem Integumente, bald in den tieferen Theilen des Körpers, letzteres bei dem Mangel einer gesonderten Leibeshöhle. Unter dem Platlwürmern sind einzellige Hautdrüsen bei den Trema- loden bekannt geworden. Sie lagern meist in Gruppen am Vorder- theile des Körpers, und kommen auch am hinlern Körpertheile in Verbindung mit Saugnäpfen vor. Eine mächtige Ausbildung besitzen die Drüsen bei den Hirudineen, besonders bei den Blutegeln, wo sie, im Körperparenchyin zerstreut, mit langen Ausführgängen zur Haut treten. Gleichfalls einzellige Drüsen sind im Integument der Scole'men und zwar zwischen den Zellen der Matrix nachgewiesen. In manchen Lallen rücken die Drüsen jedoch tiefer und lassen blos den Ausführ- gang zwischen den Zellen hindurch treten. Bei den Gephyreen sind Drüsenschläuche gleichfalls mit dem Inte- gumente verbunden, und ebenso finden sie sich bei den Anneliden (Fig. 17. (/;. Eine Drüsenschichle entfallet sich an einem Abschnitte des Körpers der Lumbricinen als Sattel; der Bau dieser Gebilde scheint jedoch nicht mehr so einfach zu sein, da die Schläuche ein besonderes Epithel als Auskleidung, und zuweilen auch eine gelappte Form besitzen. Sehr verbreitet linden sieh unler den Ghiilepoden 144 Würmer. Drüsenschläuche mit Massen von stäbchenförmigen Körpern. (Spio, Aricia). Den Nemertinen kommen gleichfalls Drüsen, die ein schlei- miges Seefei liefern, zu. In vielen Füllen wird das Secret der Haut- drüsen zur Bildung von Eihüllen verwendet. S k e 1 e t. § 107. Bei etwas festerer Beschaffenheit spielt das Integumenl in vielen Abtheilungen der Würmer eine bedeutende Bolle als Slützorgan, welcher Beziehungen bereits oben gedacht ward. Beachtenswerther sind die Organe, welche jene Function ohne Nebenbeziehungen besitzen. Als solche Stützorgane trifft man bei einer Anzahl von tubicolen Anneliden im Kopfsegmente Knorpelstücke, von denen aus Fortsätze in die feder- buschartigen Kiemen sich verzweigen, und dort bis in deren Fieder- blättchen als feine Streifen verlängert sind. Während jener Kopfknorpel aus einer auf eine kleine Abtheilung beschränkten Anpassung hervorging, treffen wir bei Tunicaten einen Stützapparat anderer Art und von grösserer morphologischer Bedeutung. In dem schwanzartigen Buder der A pp e ndic ular ien besteht nämlich ein vom Körper des Thieres her sich fortsetzendes Axenorgan. Es wird aus eigentümlich modificirten Zellen gebildet, die einen von contiriuirlicher Scheide umgebenen Strang formiren. Dieses Axenorgan erhält siph bei allen jenen Tunicatenlarven , welche den beweglichen Ruderschwanz besitzen , somit bei Ascidien und Cyclomyariern. Mit dem Schwänze geht es verloren. Seine Lagerungsbeziehungen lassen in der Chorda dorsal is der Wirbel thiere ein llomologon erkennen; Endlich rnuss noch als Stützorgan das Kiemenskelet der Enlero- pne usten hervorgehoben werden, welches aus einem Gitterwerk von homogenen Stäbchen (Culiculaigebilden) zusammengesetzt wird, und in Anordnung wie in Genese mit dem Kiemenskelele des niedersten Wirbel- thieres (Amphioxus) grosse Aehnlichkeiten besitzt. Muskelsystem. § 108. Die Muskulatur der Würmer liegt unmittelbar unter dem Integu- rnente, und bildet bei den meisten den mächtigsten Theil der die inneren Organe umschliessenden Hülle. In der allgemeinen Anordnung (\cv Fasern lassen sich mehrere Typen unterscheiden, die in folgender Weise charakterisirbar sind. 1) Bing-, Fangs- und Badiärfasem bilden eine zusammenhängende Muskelmasse, bei welcher die beiden ersteren in Schichten gesondert und von den senkrechten Fasern durchsetzt sind. Die Bingfasern Muskelsystem. U5 bilden eine äussere und eine innere Schichte, zwischen welchen die Längsfaserschichte eingeschlossen liegt. Die senkrechten Fasern gehen von den Binnentheilen des Körpers gegen die Oberfläche aus. An den Seitenrändern des Körpers erstrecken sie sich unmittelbar von der Rücken- zur Bauchfläche. Diese Anordnung der Muskulatur besitzen Plattwürmer, dann Hirudineen und Onyehophoren (Peripatus). Dabei kommen aber auch noch schräg gekreuzte Muskelfasern vor, die bei den Rundwürmern und rhabdocölen Turbellarien fehlen. K A M m I Fig. 56. B AM I 2) Die Liingsfaserschichte bildet die ausschliessliche Muskulatur, bei den Nematoden, Chätognathen und bei Polygordius, wobei in der Vertheilung der Fasern verschiedene Verhältnisse gegeben sind. Die Muskelfasern verlaufen entweder als flache , mit den Breit- seiten an einander liegende Bänder, unmittelbar unter der Epidermis- schichte (Matrix der Culicula) , oder sie sind mit den Kanten gegen einander, also mit den Flächen je nach aussen und innen gerichtet. In beiden Fällen bieten sie Eigentümlichkeiten in der Gruppirung. Durch eine dorsale und ventrale von anderen Geweben eingenommene Medianlinie werden sie in zwei seitliche Massen geschieden , die aus unmittelbar aneinander liegenden Fasern bestehen (Gordius, Tricho- cephalus). Bei der Mehrzahl der Nemathelminthen tritt an beiden Seiten- hälflen des Haulmuskelschlauehes durch Zwischentreten anderer Organe eine weitere Differenzirung auf. Diese Seitenlinie (Fig. 50. A. r) verbreitert sich bei sehr vielen Nematoden zu einem in verschiedenem Grade entwickelten Seitenfelde, welches auch den Chätognathen zukommt. 3) Die Muskulatur des Körpers besteht aus einer äussern Ring- und innern Längsfaserschichte. Beide sind bei den Gephyreen und Fig. 50. Querschnitte von Ascaris lumbrico i'des A und Hirudo B. c Cuticularschichte. m Muskelschichte, r Seitenlinie mit dem Excretionsorgan. pp obere und untere Medianlinie, p' Quere Fasern, v Darm, d dorsaler, l seitlicher Gefässstamm. s Blase des Excretionsorganes. n Bauchmark. Gegenbaur, Orundriss. \ 0 \ 46 Würmer. Acanthocep halen nicht in bestimmte Felder gesondert, obwohl bei den ersteren die einzelnen Limas- oder Quermuskelzüge häufig in Abstän- den von einander gelagert sind. Dagegen besitzen die Anneliden durch die Anordnung der Längsmuskeln in zwei dorsalen und zwei ventralen Zügen ein deutliches Seilenfeld, die Längsfaserschichte ist die mächtigere. Eine in der Regel durch einzelne Bündel vorgestellte Schichte trans- versaler Fasern geht von der ventralen Medianlinie zu den Seitenfeldern. Ausser dieser dem gesammten Körper zukommenden Muskulatur sind noch einzelne Muskeln für besondere Organe vorhanden. Sie werden wo es nüthig ist bei diesen berücksichtigt werden, und hier soll nur der die Borstenbündel bewegenden Muskeln Erwähnung geschehen. Besondere DifTerenzirungen des Hautmuskelschlauchs stellen die bei Trematoden, Cestoden und Ilirudineen verbreiteten Saugnäpfe vor, die im wesentlichen des Baues miteinander übereinstimmen. § 109. Als äussere Rins;- und innere Längsfaserschichte gibt sich die Muskulatur der Bryozoen zu erkennen (Phylactolaemen). Nicht selten ist die Bingmuskelschichte in einzelne Bänder gesondert. Am mäch- tigsten ist die Muskulatur an der Verbindung des protractilen Kürper- abschnittes mit dem Gehäuse. Bei vorwiegend starren Wandungen des letzteren sind die Bingbänder unterbrochen (Fluslra) und stellen von den Seitenwänden des Gehäuses zur oberen freien Fläche tretende Züge dar. Einige davon inseriren sich an dem als Deckel fungirenden Abschnitt des Gehäuses. Beim Bestehen einer Längsmuskulalur lost sich ein Theil der Muskelfasern hinler dem invaginirten Abschnitte des Körpers ab und tritt nach innen zur Duplicatur der Leibeswand, um sich grösstentheils bis zur Tenlakelbasis fortzusetzen. Sie bilden Bück- zieher des vordem Körperlheils (Parieto- Vaginalmuskeln). Unter den Tunicaten sind Muskeln als Längs- und Ringfasern entwickelt, wo sie eine unter dem Manlel der festsitzenden befindliche continuirliche Schichte bilden, und um die Athem- und Kloakenöffnung einen Schliess- muskel herstellen. Bei den schwimmenden Tunicaten ist diese Mus- kulatur in einzelne, bald isolirt verlaufende (Cyclomyaria), bald theil— weise zusammenhängende Beifen (Salpa) aufgelöst. Eine besondere Muskulatur besitzt der Ruderschwanz der Appendicularien. Im Baue der Formelemente des Muskelsyslems bieten die Würmer beträchtliche Verschiedenheiten. Die Muskelfasern sind längere oder kürzere Gebilde, die in der Begel selbst da, wo sie eine beträchtliche Ausdehnung besitzen , das Product einer einzigen Zelle sind , wie aus dem Vorhandensein eines einzigen Kernes geschlossen werden muss. Unter den Plattwürmern besitzen die niedern Formen nur blasse oft schwer unterscheidbare Fasern, die auch Verästelungen darbieten. Bei den höhern Plattwürmern stellen sie Bohren vor, indem die contractile Nervensystem. 1 47 Substanz einen hohlen Cylinder bildet, welcher indifferentes Protoplasma mit dem Kerne umschliesst. Der contractile Theil der Faser zeigt zu- weilen eine fibrHIäre Streifung. Dieses Verhalten findet sich bei den Ünych op hören, Hirudineen, Acan th oeepha len und Ge- phyreen. In den beiden letzten Abtheilungen bilden die Fasern jeder Schichte ein Netzwerk. Un ter den N e m athelminthen zeigt Gordius die einfachsten Zustande. Die Muskelfasern sind breite dünne mit den Flachen an einander gereihte Bänder. Bei andern sind besondere Differenzirungen derFasern bemerkbar, welche rhomboidale, häufig auch in langgestreckte Fasern übergehende Platten bilden. Die contractile Substanz ist fibrillär gestreift und liegt an der äusseren Seite der Faser, während der gegen die Leibeshöhle gerichtete Theil der Faser aus indifferent gebliebenem — einen Kern einschliessenden Protoplasma gebildet wird. Daran reihen sich eigentümliche Umgestaltungen der Fasern in rinnen- förmige oder auch plattcylindrische Formen. Jede Faser stellt eine sehr tiefe, entweder als solche auslaufende oder gegen die Enden zu cylin- drisch sich abschliessende Binne vor, deren offener Theil immer gegen die Leibeshöhle gerichtet ist. Die Wandungen bestehen aus contracliler Substanz mit fibrillärer Zerklüftung. Den schmalen Baum der Binne füllt Protoplasma und von den Bändern setzt sich eine zarte Membran in ein beuteiförmiges Gebilde fort, welches von jeder Muskelfaser aus in die Leibeshöhle einragt, deren grösster Theil durch diese beulei- förmigen Anhänge der Muskelfasern ausgefüllt wird. (Ascaris lumbri- eo'ides. Vergl. Fig. 50. A.) Von den Beuteln verlaufen schräge Stränge (Querfasern) zu den Medianlinien. Sie zeigen nicht selten eine fibril- läre Beschaffenheit, und sind als Nerven betrachtet worden. An einzelnen Stellen findet man sie deutlieh als Muskelfibrillen. Wo die Beutel nicht entwickelt sind , treten diese Stränge an Fortsätze der Muskelfasern, die häufig in seitlich plattgedrückte Bohren übergehen. Beiderlei Zustände finden sich übrigens nicht nur innerhalb gleicher Gattungen , sondern sogar in allmählichem Uebergange an einem Indi- viduum vor. Bei der letztaufgeführten Form der Muskelzellen liegt meist eine grössere Anzahl von Fasern im Muskelschlauche neben ein- ander. Eine deutlich ausgesprochene Querstreifung besitzen die Mus- kelfasern der Chaetognathen wie jene der Tunicaten. Nervensy s tem. § 110. In der allgemeinen Anordnung des Nervensystems der Würmer zeigt sich die enge Beziehung dieses Apparates zu der gesammten Organisation. Centren und peripherische Theile verhallen sich einfach, wo der Körper nicht in Metameren getheilt ist, während sich bei einer 10* 148 Würmer. Gliederung des Körpers diese Erscheinung fast regelmässig auch für die Centralorgane des Nervensystems wiederholt. — Allen ist die Lagerung der wichtigsten Centralorgane im vordem Köipertheile meist in der Nähe des Anfangsstückes vom Darmcanal gemeinsam. Eine Difl'e- renzirung aus dem Ectoderm ist wenigstens für mehrere Ablheilungen nachgewiesen. Eine dorsale Medullär platte sondert sich zu einem allmählich ins Innere des Körpers gelangenden Nervencentr um , welches mit der Ausbildung der hinteren Köipertheile im vorderen T h e i I e , dem K o p f e , gelagert bleibt, u n d d e n V o r d e r - Fig. 51. d arm untersi c h h a t. Es versorgt stets die am Kopfe entfalteten Sin- nesorgane, und entsen- det N e r v e n s t ä m m e nach der Peripherie des Kör- pers, w e 1 c h e j e n a c h d e r g r ö s s e r n o d e r g e r i n g e r n Länge des Körpers eine v e r s c h i e d e n g r a d i ge A u s- dehnung zeigen. Nach dem näheren Ver- hallen dieser Länesnerven- stamme lassen .sich zwei Hauptformen des gesanunlen Nervensystems unterscheiden. Diese theilen sich wieder in Untergruppen, je nachdem den Längsstämmen centrale Elemente in regelmässiger Gruppirung eingelagert sind oder nicht. Die erste dieser Ablhei- lungen wird durch die Platt — voriges teilt die w u r in e r zwei grössere durch eine Quercommissur zusammen- hängende Ganglienmassen im vordem Theile des Körpers besitzen. Diese »llirngan- glien« bilden mit zwei davon ausgehenden Längsnervenstämmen den Ilaupttheil des Nervensystems, von dem feinere Verzweigungen nach Fig, 51. Kopf einer Nemertine (Ommatoplea alba), g Centrales Nervensystem. n Seilenstamme, o Augenlleeke. p p' p" Küssel. ps Rüsselscheide. «' Darm, e Sei- tenorgan. d Dursaler, / lateraler Gel'ässslamm. (Nach Carm. M'Intosh.j Nervensystem. 149 dem Haütmuskelscblaücbe, sowie nach inneren Organen verlaufen. Die Längsstänmie folgen den Seitenrändern des Körpers und sind je nach der Breite desselben näher an einander gelagert oder weiter aus einander gerückt. Sowohl die dendrocölen Turbellarien als auch viele Treinaloden zeigen diese lateralen Längsstämme nur wenig entwickelt, so dass sie von anderen , von den Hirnganglien entspringenden Nerven oft kaum unterscheidbar sind. Bei den rhabdocölen Turbellarien sind sie stärker, wenn auch nur auf kurze Strecken hin verfolg- bar. Endlich sind sie bei den Nemertinen in der ganzen Lange des Körpers entwickelt, und stellen von den übrigen vom Gehirne aus- gehenden Nerven zweigen leicht unterscheidbare Gebilde vor (Fig. 51. , b Heller, in zwei Doppelschleifen aufgereihter Canalabschnitt. c, c Engerer Abschnitt mit Drüsenwänden. ') steht durch eine Anzahl vielfach unter einander anaslo- mosirender Quercanäle [v") mit dem Bauchstamme in Verbin- dung. Zwischen dem vorderen Theile des Bückengefässes und dem hinteren aus dem Herzen hervor- kommenden Gefässe besteht noch eine directe Gomraunication, die durch mehrere die Kieme durchziehende und dort sich verzweigende Gefässe hergestellt wird. Allen Tunicalen eigentümlich ist die wechselnde Richtung des vom Herzen in Bewegung gesetzten Blutstromes, der bald nach der einen, bald nach der andern Seite hin bewegt wird, so dass also von einem arteriellen oder venösen Abschnitte der Blutbahn nicht wohl die Bede sein kann. Wenn das Herz eine Beihe von Pul- sationen nach der einen Richtung hin vollführt hat, so tritt plötzlich ein Moment des Stillstandes ein und es beginnen die peristaltischen Bewegungen des Herzschlauches nach der entgegengesetzten Richtung. Auch diese Erscheinung entspricht einer unvollkommenen Ausbildung des Circulationsapparates. § 154. Den Inhalt der Leibeshöhle wie des Gefässsvstems bildet die er- nährende Flüssigkeit, deren Formbes tandtheile meist wenig diffe- Fig. 84. Circulationssystem vonSalpa maxima. o Eingangsöffnung, b Aus- wurfsöffnung. br Kiemenbalken, br' Ansatz der Kieme an der oberen Körper- wand, vi Eingeweideknäuel (Nucleus). c Herz, v Bauchgefässstamm. v' Rücken- gefässstamm. Verbindende Quergefässstämme. (Die feineren Verästelungen der Gefässe sind nicht angegeben.) (Nach Milne-Edwards. 204 Würmer. renzirte Zellen sind. Bei bestehender Sonderung des Gefässystems von der Leibeshöhle wird das Contentum des ersteren als Blut be- zeichnet. Farblos sind dessen Formelemenle bei vielen Anneliden wie bei allen Tunicaten. Bei manchen Nemertinen erscheint eine rothe Färbung der Blutzellen (Borlasia) , auch bei vielen Anneliden ist die Blutflüssigkeit gefärbt, seltener grün, häufiger roth, wobei in mehrfachen Fällen die Formelemente als Träger des Farbstoffes sich ergeben. Doch besteht bestimmt auch eine Färbung des Plasma z. B. bei Lumbricinen. Die Sonderung des Gefässsystems lässt den Inhalt der Leibeshöhle meist auf einem indifferenteren Zustande, so dass dann ausser dem Blute noch eine stets ungefärbte Perivisceralüüssigkeit (auch als Chylus bezeichnet) vorkommt. Bei rückgebildetem Gefäss- systeme erscheint das die Leibeshöhle füllende Fluidum nicht selten, in Uebereinslimmung mit dem Blute anderer, in rother Färbung (Glyccreen). Dritter Abschnitt. Echinodermen. Allgemeine Uebersicht. § 155. Eine durch Ausprägung eines besonderen Typus sich enger ab- grenzende, und damit selbständiger darstellende Gruppe bilden die Echinodermen. Die Sonderung des Därmcanals unter Bildung einer Perivisceralhöhle unterscheidet sie von den Cölenteraten , sowie die Ver- kalkung der jene Leibeshöhle umschliessenden Integumentschichte (Peri- som) im Zusammenhalte mit der radiären aus mehr als zwei An- timeren bestehenden Körperanlage eine gegen die höher stehenden Abtheilungen ziemlich scharfe Grenzmarke abgibt. Diese Unterschei- dung der ausgebildeten Echinodermenform von anderen Typen ist in den Larvenzuständen noch nicht vorhanden, daher auch an diesen ver- wandtschaftliche Beziehungen mit anderen Typen zu erkennen sind. Diese sind um so mehr hervorzuheben, als der actinol'de Typus der Echinodermen Veranlasung gab, sie mit den Cölenteraten zu einem grossen Kreise, jenem der Badiaten oder Strahlthiere, zusammenfassen, welche Verbindung bei genauerer Prüfung nicht zu rechtfertigen ist. Diese spricht sich in der Erkenntniss der Verwandtschaft mit den Würmern, besonders mit Anneliden und Gephyreen, aus. Sowohl die innere Organisation der Echinodermen , als auch die äussere in' der Metamerenbildung sich kundgebende hat diese Vorstellungen fester be- gründet. Daraus entwickelte sich endlich die durch Häckel aufgestellte, den Echinodermen-Organismus erklärende Hypothese, der zufolge diese Theile aus Stöcken wurmartiger Organismen sich hervorbildeten. In der Larvenform der Echinodermen zeigt sich eine völlige Ueber- einstimmung mit den Larven von Würmern. Wie bei manchen der letztern legt sich auch hier im Innern des Larvenleibes ein neuer Or- ganismus an. Die auftretende Knospung lässt die Differenzirung einer Mehrzahl von Individuen wahrnehmen, und damit tritt die Erscheinung in eine bereits genauer gekannte Beihe ein. Die einzelnen Sprossen sondern sich allmählich bis zu einem gewissen Grade von einander, 206 Echinodermen. um jedoch niemals völlig sich zu trennen, so dass ihnen eine Anzahl von Organen , oder einzelne Abschnitte von Organsyslemen gemein- sam angehören. Die knospenden , zu einem einzigen Organismus verbunden bleibenden Individuen verlieren dadurch ihre Selbständig- keit und sinken zur Bedeutung von Körpertheilen (Anlimeren) herab. So bildet sich durch eine eigenthümliche Ontogenese ein beson- derer Thierstamm, der die Würmer voraussetzt, da er von ihnen sich ableitet, und desshalb über sie geordnet werden muss. Die einzelnen Abtheilungen der Echinodermen ordnen sich in fol- gende Uebersicht: I. Asteroida*). A s t e r i d a . Asteracanthion, Solaster, Aslropecten, Luidia. Brisingida. Brisinga. 0 p h i u r i d a . Ophioderma, Ophiolepis, Ophiolhrix, Ophiocoma. Euryalida. Astrophyton. II. Cr in 01 da. Bra chiata. Pentacrinus, Comatula. III. EchinoTda. De s m o s t i c h a (Hkl. ) . C i dar ida. Cidaris. - E chinida. Echinus, Echinomelra. Petalosticha (Hkl.). Spatangida. üpatangus. Clypeastrida. Clypeaster, Laganum, Scutella. IV. Holoth uro ida. Eupodi a. Holothuria, Molpadia, Pentacta. Psolus. Cuvieria. A p o d i a . Synapta, Chirodota. Literatur. Tikükmann, Anatomie der Rührenholothurie, des pomeranzenfarbigen Seesteines und Steinseeigels. Landshut 4816. — Agassiz, Monographie d'Eehino- *) Weil die ältesten Echinodermen umfassend, und auch bezüglich der Or- ganisation den Stammformen am nächsten stehend , müssen die Asteroiden voran gestellt weiden. In ihnen beizuzählenden fossilen Formen erscheinen zugleich mit der folgenden ('.lasse (Crinoidcn) verwandte Zustände. Körperform. 207 dermes vivans et fossiles. Neufschätel 1838—42. Davon vorzüglich die letzte Lieferung: »Valentin, l'Anatomie du gerne Echinus« enthaltend. — Suarpey, Art. Echinodermata in Fodd Cyclopaedia II. — Fobises, Ed., A history of british S.tarfishes. London 184t. — J. Müller und Troscuel, System der Ästenden. Braunschweig 1842. — Quatrefages, Anatomie der Synapta Duvernaea. Ann. sc. nat. II. xvm. — J. Miller, lieber den Bau des Pentacrinus Caput medusae. Abh. d. Berl. Acad. 1844. — J. Müller, Ana- tomische Studien über die Echinodermen. Archiv f. Anat. u. Phys. 1850. — Derselbe, Die Erzeugung von Schnecken in Holothurien. Berlin 1852. — Der- selbe, Ueber den Bau der Echinodermen. A. B. 1S53. — Balr , Beiträge zur Naturgeschichte der Synapta digitata. N. A. L. C. XXXI. — Sars, Oversigt of Norges Echinodermer. Christiania 1861. — W. Thomson, On the embryogeny of Antedon rosaceus Phil. Trans. 1865. II. — Carpenter, Researches on structure etc. of Antedon rosaceus. Phil. Transact. 1866. — Sars, Memoire pour servir a la connaissance des Crinoidesvivants. Christiania 1868. — C. K. Hoffmann im Niederländ. Archiv f. Zoologie. 1871, 72. Von gleich grosser Bedeutung sind die Schriften über Entwickelung der Echinodermen: J. Müller, Sieben Abhandlungen über die Larven und Metamorphosen der Echinodermen in den Abhandlungen der Berliner Academie. 1848—55. — Agassiz, Embryology of the Starfish. Contrib. to the nat. bist, of ü. S. Cambridge 1864. Körperform. § 156. » Die morphologischen Beziehungen der verschiedenen Echinodermen- abtheilungen zu einander wie zu den niederen Formen , sind vorzüg- lich durch die Entwickelung verständlich. Die aus dem Ei hervor- gegangene Larve besitzt nur zwei Antimeren (bilaterale Symmetrie) und Fig. 85. stimmt in allen wesentlichen Puncten mit den Larven von Ringel- Würmern überein. Eine Wimperschnur umgibt entweder die den Mund tragende orale Fläche (vergl. Fig. 85. A) oder sie ist in zwei Fig. 85. Larvenformen in seitlicher Ansicht. A Larve einer Holothuric. B Larve eines Seesternes (Bipinnarienlypus). CD Wurmlarven, o Mund, i Magen. a After, v Praeorale Wimperschnur in B, C, D selbständig, in A ein orales Feld umsäumend. 208 Echinodermen. Fig. 86. Kränze gesondert, davon einer ein praeorales, der andere ein posturales Feld umschliesst (Fig. 85. B). Die erstere Larvenform findet sich bei Ilolothurien, die zweite bei Ästenden. Diese Formen liegen auch den Larven anderer Echinodermen zu Grunde, wobei jedoch bei Ophiuren und Seeigeln eine Anzahl von Fortsätzen sich ausbildet (Fig. 86.), auf welche die Wimperschnur gleichfalls übergeht. In vereinzelten aus Anpassungen erklärbaren Fällen wird die Larvenform übersprungen und der Organismus des Echinoderms geht ohne jenes Zwischensladium aus dem durchfurchten Eie hervor. Die Anlage des Echinodermenkörpers erfolgt um den Darm der Larve. Bei den Asteroiden sprossen aus einer gemeinsamen Anlage fünf oder mehr Theile hervor, die künftigen »Arme« oder »Strahlen« des Seesternes (Fig. 86. A). Das freie Ende des Strahls erscheint zuerst selbständig, das andere Ende bleibt mit der gemeinsamen Masse verbun- den. Dieses entspricht dem Vorder- theile, das freie Radienende dem Hin— tertheile eines Wurmkörpers. Indem die Anlage jedes Armes wächst, er- scheinen an ihm Gliedstücke (Meta- meren) zwischen Basis und Spitze. Jedem Arme eines Seesternes kommt ein gewisses Maass von selbständiger Organisation zu ; seine Organe, wie Darm, Nerven- und Gefässsystem, auch Geschlechtsorgane , stimmen in ihren Lagerungsbeziehungen genau mit den homologen Organen von Ringelwürmern überein. Nimmt man von da aus einen Beweggrund, jeden der sprossenden Arme mit einem wurmartigen Organismus zu ver- gleichen, so wird man den aus dem Sprossungsprocess hervorgehenden Seestern als einem Multiplum solcher Organismen entsprechend beurtheilen müssen, und in der ganzen Erscheinung einen ähnlichen Vorgang sehen, wie er bei andern niedern Thieren Platz greift, z. B. bei den zu- sammengesetzten Ascidien (vergl. oben §. 99). Es ist ein Sprossungs- process mehrfacher Einzelthiere , der nicht zu einer vollständigen Trennung der letzleren hinführt, sondern dieselben zu einem Indivi- duum höherer Ordnung verbunden bleiben Iässt. Dass in Folge der Unvollständigkeit der Sonderung nicht blos äusserlich ein Zusammenhang der Sprossungsproducte besteht, sondern dass auch eine gewisse Summe innerer Organe verbunden, und daher Fig. 86. Larve einer Ophiure (Pluteusform). A Anlage des Echinoderms mit sprossenden Armen, d d' e' Fortsätze des Larvenkörpers mit dem Gerüste von Gitterstäben. (Nacli J. Müller.) Körperform. 209 für den Gesammtorganismus gemeinsam bleibt, scheint nicht schwer zu verstehen. § 457. Wir sehen also einen Organismus entstehen, dessen Anlimeren in den radiär angeordneten »Armen« sich darstellen, deren jeder ursprüng- lich den Werth einer Person besitzt. Aus der Concrescenz derselben entsteht ein Individuum höherer Ordnung, ein Thierstock. An jedem der Arme des Seesterns wird eine orale und aborale Fläche unter- scheidbar. Die Verbindungsstelle sämmtlicher Arme bildet den ge- meinsamen Körper, der die Mundöffnung trägt. Diese liegt an der ventralen Fläche, welche dadurch als orale erscheint und sich der aboralen entgegenstellt. Sie ist an den Armen durch Reihen von schwell- baren und beweglichen Fortsätzen — Ambulacralfüsschen — aus- gezeichnet, die an einer längs des Armes laufenden Vertiefung (Ambula- cralrinne) angebracht sind. Sie entsprechen einer auch an andern Theilen ausgedrückten Metamerenbildung der Arme, 4 Reihen finden sich bei Asteracanthion, 2 Reihen bei der Mehrzahl der übrigen. Ob diese Gebilde mit den Parapodien der Würmer nahe verwandt sind, ist un- bestimmt. Die ventrale Fläche wird nach ihnen als ambulacrale be- zeichnet. Ambulacrale und antiambulacrale (dorsale) Flächen besitzen gleiche Ausdehnung. Das Maass der Selbständigkeit der Arme im Vergleiche zum ge- meinsamen Körper ist sehr verschieden , und bei nicht wenigen zeigt sich eine Verkürzung derselben zu Gunsten der Körperscheibe, und lässt dadurch in gleichem Grade (Oreaster, Pteraster, Goniodiscus, Fig. 87. Drei Formen von Seeslernen ABC, an denen die Concrescenz und damit das Aufhören der Selbständigkeit der Arme sich allmählich vervollständigt. Alle drei sind von der oralen Körperfläclie dargestellt, welche zugleich die am- bulacrale ist. Die Ambulacra sind durch Punctreihen dargestellt, o Mundöflhung. v Radien (Arme), ir Interradien. Oegenbaur, örundriss. \ 4 210 Echinoderinen, Asteriscus) die Vorstellung der ursprünglich individuellen Bedeutung der Arme verloren gehen. Die Vergleichung der drei umstehenden Formen von Seesternen (Fig. 87. A. B. C) gibt das deutlich zu ver- stehen. Auch die Zahl der Radien steht bei den Seesternen nicht fest. Sie ist bei einzelnen Gruppen derselben variabel, steigt bei Solaster auf 1 4 , bei Asteracanthion kann sie in einzelnen Fallen auf 4 sinken , doch bilden sich bei der Mehrzahl fünf Radien typisch aus, und lassen dadurch auf eine gemeinsame Abstammung der bezüg- lichen Abtheilungen schliessen. § 158. Von der für die Seeslerne geltenden Form leiten sich die Ver- Fis. 88. hältnisse der übrigen Echinodermen ab, und zwar nach zwei divergenten Richtungen. In beiden kommt es zu einer grösseren Centralisation des Organismus, aber auf verschiedene Weise. In der einen Richtung ergibt sich eine grössere Entfaltung der Arme unter stufenweise aus- geprägtem Verlust der Beziehungen derselben zu den inneren Organen. Bei der andern Bichtung spricht sich ein vollständiges Aufgehen der Arme in den ge- meinsamen Körper aus. Die Fünfzahl der Badien erscheint constant. Die erstere Er- scheinung findet sich bei Brisinga und den Ophiuriden, deren Leib in einen schei- benförmigen centralen Theil (Fig. 88. s) und davon ausgehende, aber scharf abgesetzte Arme (r) gesondert ist. Die Arme bethei- ligen sich nur in geringem Grade an der Bildung der Leibeshöhle , welche fast aus- schliesslich auf die Körperscheibe beschränkt ist. Den Ophiuren fehlt die Ambulacralfurche, die Ambulacra sind aber noch längs der Arme ausgedehnt. Durch dichotomische vielfach wiederholte Theilungen sind die Arme der Euryaliden bedeutender ausgebildet. Eine flache Binne setzt sich auf die Theilungen fort. Dio in früheren Perioden in grosser Verbreitung und bedeutendem Formenreichthum erscheinenden, gegen- wärtig nur in einigen Gattungen vertretenen G rino'iden sind unter Ver- lust der freien Ortsbegung in festsitzende Zustände übergegangen. Bei der die lebenden Formen mit umfassenden Abtheilung der Brachiata hat sich vom antiambulacralen Theile des kelchförmigen Körpers aus ein oft mächtiger, gegliederter, durch Verzweigungen und Anhangs- gebilde complicirter Stiel entwickelt, der zur Befestigung dient. Die nicht immer in der Fünfzahl , häufig zahlreicher vorhandenen Arme Fig. 88. Schematische Darstellung der Körperform einer Ophiure. o Mund. s Korperscheibe, r Arme. Körperform. 211 Fig. 89. bieten in der Regel eine bedeutende Ausbildung durch Theilungen oder secundäre Anhänge. Die Ambulacralrinne erstreckt sich auf die Arme und lässt die Ambulacralfüsschen als (cntakelartige Gebilde her- vortreten. Der festsitzende Zustand ist bei einigen auf die Jugend beschränkt, und später löst sich der armtragende Körper vom Stiele (Antedon, Comatula). § 159. Die andere Reihe der Modifikationen der Körperform führt zu den Ec hin oi den. Die Armbildungen sind als selbständige Theile gänz- lich zurückgetreten. Der bei den ächten Seeigeln (Desmosticha) mehr oder minder kugelförmige Körper zeigt die Ambulacralbildung über den grössten Thcil der Oberfläche ausgedehnt. Die Ambulacral- felder bilden fünf vom Mund- pole (Fig. 89. A. o) bis zum entgegengesetzten Pole (Fig. 89. B. o) ziehende Streifen, die durch ebenso viele der Saugfüsschen entbehrende Felder (Interambulacra) von einander getrennt sind. Das aborale Polfeld (Apicalpol) wird von der in hohem Grade beschränkten antiambulacralen Fläche eingenommen. Die bei den Seesternen ziemlich gleichmässige Ver- theilung von ambulacraler (oraler) und antiambulacraler (aboraler Oberfläche des Körpers ist also hier vollständig umgeändert, indem die crstere das Uebergewicht über die andere erhielt. Denkt man sich also eine Seesternform, deren Arme ganz in den gemeinsamen Körper übergingen (vergl. Fig. 87. C) , so wird eine Rückbildung der an- tiambulacralen Fläche und eine daran geknüpfte Ausbildung der am- bulacralen, zur Seeigelform hinüberführen. Diese Einrichtung erscheint bei den Petalostichen theils durch Ver- änderung der Lagebeziehungen von Mund und Afteröffnung, theils durch die Ambulacralfelder modificirt. In letzterer Beziehung ist die Beschränkung der Ausdehnung jener Felder von Belang. Sie bilden eine auf der Dorsalfläche befindliche fünfblättrige Rosette, von deren Blattenden bei den Clypeastriden noch Spuren einer Fortsetzung der Felder bis zum Munde verfolgbar sind. In noch höherem Maasse als bei den Seeigeln gehen die Spuren der ursprünglichen Bildung des Echinodermenkörpers aus einem Multi- Fig. S9. Schematische Darstellung^ eines Seeigels. A von der oralen Fläche. ß in seitlicher Ansieht. Ambulacra durch Punclreihen dargestellt, r Radien. ir Interradien. o Mund, a Afteröffnung. Letztere von deren antiambulacraler Fläche umgeben. 212 Echinodermen. plum von Individuen bei den HolothuroTden verloren. Der walzen- förmige Körper kann aber von den regulären Seeigeln abgeleitet werden, wenn man sich letzteren gestreckt vorstellt. Orale und aborale Pole beider entsprechen sich, ersterer durch die Mundöffnung, letzterer durch den After ausgezeichnet. Die antiambulacrale Fläche ist ver- schwunden. Bei den ächten Holothurien (Eupodia) wechseln ambula- crale und interambulacrale Felder vom Munde bis zum Alter ziehend. In verschiedener functioneller Verwendung können jedoch einzelne der Ambulacralfelder eine Ausbildung, andere eine Rückbildung eingehen. So erhalten sich drei Ambulacralfelder an einer als ventralen oder Sohl- fläche fungirenden Fläche bei Psolus, indess die beiden übrigen der als Dorsalfläche fungirenden Strecke der Körperoberfläche zugehörigen rück- gebildet sind. Bei Cuvieria ist dieses Verhalten zu einer scheinbaren Auflösung der drei ventralen Ambulacra weitergeführt. Die Rückbildung der Ambulacra erscheint allgemein bei den Synapten und damit ist auch äusserlich die in der Vertheilung der Ambulacra ausgesprochene radiäre Organisation aufgelöst, nachdem schon bei den Asteroiden die Radien zu Gunsten eines sich centralisirenden Organismus die auf sie verlheillen Organe abzugeben begannen. Gliedmaassen. § 160. Nicht so mann ichfach als bei den Würmern erscheinen die An- hangsgebilde des Integumentes, welche als Gliedmaassen sich betrachten lassen. Von solchen Theilen müssen die Saugfüsschen , Am- bulacralfüsschen, voran gestellt werden, da sie die verbreitetste Einrichtung bilden, die, offenbar aus gemeinsamer Stammform ent- sprungen, zum Typischen der Echinodermen - Organisation gehört. Es sind schlauchförmige, meist cylindrische Fortsätze der Leibeswand, die sowohl durch ihre Anordnung in Reihen (der Metamerie der Radien gemäss) wie auch durch das Wesentlichste des Baues mit den Fara- podien der Anneliden überein kommen, aber im Ganzen sich doch einfacher verhalten, als diese. Der grösseren Gleichartigkeit ihres Baues entspricht die mindere Verschiedenheit der Function. Das freie Ende dieser röhrenförmigen Gebilde ist entweder abse- plattet und mit einem saugnapfartigen Ende ausgestattet (Seeigel) ; oder es ist konisch zugespitzt oder abgerundet (Seesterne) , zuweilen auch noch mit einer knopfartigen Anschwellung versehen. Andere besitzen seitliche Einkerbungen oder secundäre Fortsätze (Ophiuren und Cri- noTden) , und diese bilden dann den Uebergang zu jenen Formen der Ambulacralgebilde, die nicht mehr locomotorisch sind, sondern als Anibulacralkiemen oder auch als Ambulacraltaster (fühlerartige Bil- dungen) erscheinen. Durch die Anlüllung mit Flüssigkeit gerathen die Füsschen in den Gliedniaassen. 213 Zustand der Schwellung und werden in Folge dessen erigirl, so dass sie sich mehr oder minder weil ausstrecken. Ihre Ausdehnung richtet sich nach der Länge der starren Integumentanhänge, so dass man die längsten Saugfüsschen bei den langstacheligen Seeigeln antrifft. Beim Strecken heftet sich das Ende fest, und das Füsschen vermag nun, sich contrahirend , den Körper des Thieres nach der Anheflungsstelle hin fortzuziehen, eine Art der Ortsbewegung, die namentlich bei See- igeln oft ziemlich behend ausgeführt wird. Bei der Bewegung be- theiligt sich immer eine ganze Gruppe von Füsschen, durch deren Zu- sammenwirken eine gewisse Energie ermöglicht wird. Die Verlheilung dieser Gebilde über den Körper ist in den vorhergehenden §§ berück- sichtigt, und ihrer Beziehungen zum Gefässsysteme wird bei diesem Erwähnung geschehen. Bei den Crinoiden übernehmen um den Mund stehende Saug- fusschen die Bolle von Tentakeln, welche Bedeutung in manchen andern Fällen mit der locomotorischcn Function -sich combinirt. Da- durch treffen sich auch selbständiger differenzirte Tentakelbildungen mit jenen Organen verknüpft, nämlich die Tentakel in der Nähe der Mundönhung bei Ilolothuro'klen (vergl. Fig. I Ol. T). Sie erscheinen bald gefiedert, bald verzweigt, und sind meist vollständig einziehbar. Bei manchen Synapten tragen sie Saugnäpfe (S. duvernaea). Ihr Binnen- raum steht mit demselben Gefässsystem wie die AmbulaeralfUsschen in Gommunicätion. Verschieden hiervon sind die sogenannten Hautkiemen, welche auf der antiambulacralen (dorsalen) Körperfläche der Seeslerne ver- breitet sind, und bei den Echiniden als fünf Paare contractiler Bäum- chen in der Nähe des Mundes stehen. Sie communiciren mit der Leibeshöhle. Integument und Hautskelet. § 161- Bei den Echinodermen erscheint derselbe Hautmuskelschlauch, wie bei den Würmern, allein das Integument ist von der Muskulatur schärfer gesondert. Letztere bildet grosstentheils eine die Leibeshöhle begren- zende Schichte, der das Integument aussen auflagert. Dieses wird durch einen besonderen Zustand ausgezeichnet, indem die Beweglichkeit des Körpers durch Einlagerung von Kalk in die mit der Muskulatur zum »Perisom« verbundene lnlegurnentschichte mehr oder minder beein- trächtigt wird. Diese Erscheinung tritt bereits selbständig in der Larve auf, er- reicht aber hier nie ein bedeutendes Volum, vielmehr bietet sie durch stabförmige Bildungen einer reichen Entfaltung von Fortsätzen eine feslere Stütze. Auf den Forlsätzen ziehen sich saumartig wimpernde 214 Echinodermen. Wülste hin, welche, in verschieden complicirter Anordnung, den loco- motorischen Apparat der Larve vorstellen (s. Fig. 86. d, d' e), Der Vertheilung der Cilien auf die leistenförmigen Vorsprünge der soge- nannten Wimperschnüre geht eine allgemeine Bewimperung des Kör- pers voraus, die auf den indifferentesten Zustand der Larve be- schränkt ist. Diese Bewimperung erhält sich auch später an vielen Stellen der weichen das Kalkskelet überkleidenden Hautschichte; so ist sie z. B. sehr entwickelt an den bei den Spatangen zum Munde ziehenden Wim- perbahnen (Semitae). An anderen Stellen wie an den Hautkiemen (s. oben S. 213) scheint die Bewimperung mit der respiratorischen Function des Integuments in Verbindung zu stehen, an der übrigens auch die Ambulacralfüssehen betheiligt sein werden. Der Grad der Verkalkung ist sehr verschieden. Bald sind die Kalktheilchen in grösseren Abschnitten unter einander vereinigt, und stellen entweder beweglich oder fest mit einander verbundene Platten vor, ein Verhalten, welches theils über den ganzen Körper verbreitet, theils auf bestimmte Strecken der Körperoberffäche beschränkt ist. Bald erscheinen die Kalktheilchen wieder zerstreut und gestatten mannich- fache Formveränderungen des Körpers. In diesem Falle geht auch in der übrigen Organisation ein Fig. 90. grosser Theil des Echinodermen- charakters verloren , so dass das Schwinden der Hautverkalkung ein Auslaufen des Typus bezeich- net, und die ganze Erscheinung der mangelhaften Kalkablagerung nicht als ein Anfangszustand der Formenreihe, sondern als deren Ende sich herausstellt. Durch die Verkalkung wird das Integument Stützorgan des Körpers, Hautskelet, welches in manchen Fällen auch Fort- sätze ins Innere des Körpers ab- sendet. Durch letztere entstehen \erkalktc Bildungen, die als in- nere Skelete sich mit dem äusse- ren combiniren. Die Verkalkung ergreift nie die ganze Dicke dos Perisoms. Immer bleiben die ver- kalkten Theile sowohl innerlich, als auch an der Oberfläche mit einer Fig. 90. Ansicht des Kalknetzes aus einer [Malle paarige Reihen. Rei Seeigeln früherer Perioden ist die Zahl der letzteren eine grössere gewesen ; es sind solche mit 3, 5 , bis 7 Reihen in einem Interambula- cralfelde bekannt. Die Verbindung der Plattcnstücke unter einander bietet verschiedene Ver- hältnisse dar. Wie bei den Seesternen die Kalkplalten des Perisoms durch be- wegliche Verbindungen Formverände- rungen des Körpers gestatten, so bestand auch bei den Seeigeln ein ähnlicher Zu- wie schuppenartige Platlenslücke fossiler Seeigel schliessen Diese bilden ein reales Zwischenglied zu hypothetischen zur stand , lassen. Seesternform führenden Zuständen. Von der regulären Form des Hautskclets der Echino'iden bilden sich mehrere wichtige, nicht mehr unmittelbar mit dem bei den See- sternen gegebenen Verhalten vergleichbare Modificationen , welche von einem Verschwinden des Restes des primitiven Dorsal-Perisoms be- gleitet sind und sich im Uebergange der Radiärform in andere Formen ausdrücken. Die Ambulacralfelder erstrecken sich nicht mehr gleich- massig vom Munde zum Rücken ; sie beschränken sich bei Spataii- Fig. 92. Apicalpol der Schale eines Echinus mit den oberen Enden der Plattenreihen, a Ambulacralfelder. i Interambulacralfelder. g Genitalplatten, ig In- tergenitalplatten. m Eine als Madreporenplatte erscheinende Genitalplatte, x After- öflnung in dem von den Genitalplatten umgebenen Apicalfelde. - Die Höcker der Platten sind nur auf einem Interambulacralfelde und einem Ambulacraifelde ge- zeichnet, auf letzterem sind auch die Poren angedeutet, auf den übrigen vieren weggelassen, Integument und Hautskelet. 219 giden und Clypeastriden auf eine nur auf der Dorsalfläche gelagerte fünfblätterige Rosette (Ambulacra petaloidea). Damit verbindet sieh zumeist eine Verminderung der bei den regulären Seeigeln noch sehr zahlreichen Platten, sodass bei geringerer Zahl viel grössere Plattenstücke vorkommen. Die bei den Seesternen durch das Skelet der Ambulacralrinne vor- gestellte innere Skeletbildung wird bei den Echino'iden durch Fortsätze der Ambulacralplatten repräsentirt. Soiche, namentlich bei Cidaris ausgebildete Fortsätze umfassen sowohl Nerven als Ambulacralcanal, und zeigen damit jene Verwandtschaft. Als eine hievon unab- hängige Einrichtung ist das den Echiniden und Clypeastriden zukom- mende Skelet des Kauapparates anzuführen, welches, den Anfangstheü des Darmes umgebend, aus einer Anzahl gerüstartig zusammengefügter Kalkstäbe besteht. Mit dem Integumente der Seeigel sind wie bei den Seesternen stachelartige Fortsätze verbunden , die jedoch eine grössere Selbstän- digkeit erreichen, da sie beweglich sind. Sie articuliren auf beson- deren Protuberanzen der Kalkplatten und besitzen einen besonderen Muskelapparat. Form und Volum der Stacheln ist sehr verschieden, bald sind sie haarartig fein (Spatangen) , bald keulenförmige Gebilde (Acrocladia) oder lange Spiesse (Cidaris). Andere Hautorgane eigenthümlicher Natur sind die Pedicellarien, die sowohl den Seesternen als den Seeigeln zukommen. Sie bestehen aus einem stielartigen, muskulösen Integumentfortsatze , der gegen das Ende durch ein feines Kalkskelet gestützt wird und in zwei bis drei zangenartig gegen einander bewegliche Klappen ausläuft. Diese besitzen gleichfalls ein Kalkskelet. Fig. 93. Bei den Echinoiden herrschen die dreiklappigen, bei den Asteriden die zweiklappigen Formen vor. Sie finden sich über den ganzen Körper zerstreut, bei den Seesternen besonders an der Basis der Stacheln , bei den Seeigeln vorzüglich auf dem den Mund umgebenden Perisom vertheilt. Diese Körper dürfen als derart modificirte Stachelbildungen gelten , dass der nicht vollständig verkalkende Stiel der Pedicellarie dem Stiele einer Asteriden -Paxilla entspräche, das auf letzlerer befindliche Büschel von Stachelchen aber durch die Arme der Pedicellarie dargestellt wird, die ähnlich durch Muskeln bewegt werden, wie dies bei Echinidenstacheln der Fall ist. § «65- Bei den H olo thuro iden verliert das Integument seine Bedeu- tung als Hautskelet. Unzusammenhängende Kalkeinlagerungen in die Fig. 93. Pedicellarien von E Chinas saxatilis. A Eine Pedicellarie mit offenen Zangenarmen. B Mit geschlossenen Zangenarmen, (Nach Erdl.) £TO A 220 Echinodermen. derbe Hautschichte stellen die Kalkplalten der übrigen Echinoder- men vor. Die Kalkeinlagerungen der Haut ergeben bestimmte, meist sehr regelmässige Formen, die bei den Synapten wie bei den llolothurien charakteristisch sind. Zuweilen bilden sie grössere feste Theile, wie die schuppenarligen Gebilde, welche bei Cuvieria die der Sohl- tläche entgegengesetzte Rückenfläche des Körpers bedecken , und welche, wenn auch viel kleiner, aber allseitig Fig. 94. verbreitet in der Haut von Echinocucumis vor- kommen. Bei den Hololhurien erreicht die lederartige Bindegewebsschiclite eine ansehnliche Mächtigkeit. Recht schwach ist sie bei den Synapten. Auch i I 1 J] "xC^/^ h'el" lagern Kalktheile in ihr und zwar sind es V / häufig solche von bestimmter Form, wie die Kalk- rädchen der Chirodolen, oder die durchbrochenen Plättchen (Fig. 94. B) , welche die Basen ankerförmiger Hakenstücke (A) eingefügt tragen. Letztere ragen aus dem Integumente hervor und bedingen das klettenartige Haften der Synaptenhaut, Auch den Hololhuriden kommt eine vom Hautskelet ausgehende innere Skeletbildung zu. Sie besteht aus einem den Schlund um- gebenden Kalkringe , der den Körpermuskeln als Insertion , anderen Organen als Stütze dient. Aus 1 0 gesonderten Stücken besteht er bei den Hololhurien, 12 — 15 besitzt er bei den Synapten. Bei den ersteren alterniren fünf grössere Stücke mit ebenso vielen kleineren und sind mehr oder minder beweglich mit einander verbunden. Sie sind den Fortsätzen homolog, die bei den Seeigeln vom Mundrande der Schale aus nach innen treten. Wie diese bieten sie bei Synapten Oefthungen zum Durchlasse von Nerven- und Ambulacralcanälen, die bei den Ho- lothurien durch gabelförmige Fortsätze hervortreten. Muskelsystem . § 166. Die Muskulatur der Echinodermen ist wie bei den Würmern mit dem Integumente und den davon ausgehenden Bildungen verbunden. Auch die Anordnung der Muskulatur ist im Wesentlichen von der Ent- faltung des Ilautskelets abhängig, so dass sie nur da, wo (\w Körper durch Gelenkverbindungen der einzelnen festen Stücke (Asteroiden und Grino'iden), oder beim Bestehen unzusammenhängender Kalkab- lagerungen im Integumente, (llolothurien) eine Veränderung seiner Form zulässt, zu einem Systeme von Körpermuskeln entwickelt ist. Fig. 94. A Kalkanker. ß Kalkplatte, ersterem zur Befestigung dienend ; aus dem Integumente von Synapta Lappa. (Nach J. Müller.) Muskelsystem. Nervensystem. 221 Bei den Asteroiden und Crinoiden ist die an den Armen sich vertheilende Muskulatur wie diese seihst gegliedert, indem sie die Zwischenräume der soliden Theile des Grundes der Ambulacral- rinne ausfüllt. Bei den Crinoiden , deren Armskelettheile elastisches Gewebe verbindet, lagern die bezüglichen Muskeln auf der ambula- cralen oder Bauchflache des Thiers, und dienen vorzugsweise zur Beugung, indess das elastische Zwischengewebe der Gliedstücke streckend wirkt. In den Pinnulae der Crinoiden besteht dieselbe Einrichtung. Den Echinoiclen, deren Perisom zu einer festen aus unbeweg- lich verbundenen Stücken bestehenden »Schale« erstarrt ist, ist jene Muskulatur rudimentär geworden , und wir finden hier nur einzelne Muskeln auf der Schale zur Bewegung der Stacheln oder stachelartigen Forlsätze , die sowie die im Innern des Körpers vorhandenen nur zur Bewegung bestimmter Organe dienen," wie z. B. die Muskeln des Kau- apparates der Seeigel. Diesem entgegengesetzte Verhältnisse bieten die Holothurien dar, bei denen der Mangel grösserer Skeletstücke eine gleichmässige Entwicklung der Muskulatur gestaltet, Die Verbindung mit dem lntegumente besteht in ausgesprochener Weise. Unter der Bindege- websschichte der Haut liegt eine Bingmuskelschichle, auf welche nach innen zu fünf durch verschieden breite Zwischenräume getrennte mus- kulöse, zuweilen getheilte Längsbänder (Fig. 101. m) folgen, die sich vorne an dem bereits oben beschriebenen Kalkringe (R) inseriren. Die Verbindung findet an den fünf zum Durchlasse der Nerven- und Ambulacralgefässe durchbohrten Stücken satt. Die Bingschichle ist nur bei den Synapten continuirlich , und besitzt bei den Holothurien radiale Unterbrechungen , so dass sie eigentlich nur aus interradialen Ouerfaserfeldern besteht. Nervensystem. § 167. Das Nervensystem der Echinodermen wird in seinen Haupltheilen aus einer der Zahl der Anlimeren des. Körpers entsprechenden Summe von Stämmen dargestellt, die radial verlaufend und ventral gelagert, um den Schlund durch Gommissuren verbunden sind. Diese Gommissuren entstehen dadurch, dass jeder der die Ambulacralgefässe begleitenden Nervenslämme sich in der Nähe des Mundes in zwei Hälften theilt, die nach beiden Seiten gehend , mit den ihnen von den nächsten Nervenstämmen entgegenkommenden Strängen verbunden sind. Dadurch entsteht ein den Schlund umgebender Bing, der jedoch nach der Art seiner Bildung nicht mit dem Schlundringe der Würmer verglichen werden darf. Jeder der radialen Nervenstämme entspricht vielmehr der ventralen Ganglienkette oder dem Bauchmarke der Annulaten, die Gommissuren zwischen mehreren solchen Stämmen sind also Verbindungen des Bauch- 6 222 Ech'modermen. Fig. 95. marks , die aus der Concrescenz mehrerer unvollständig getrennter Personen hervorgehen. Von den Nervenstämmen entspringen jederseils zahlreiche, vor- züglich für die verschiedenartigen Ambulacralgebilde bestimmte Zweige. Bei den CrinoTden und Asteroiden liegen die radialen Nerven- stämme ausserhalb des Ambulacralskelets der Arme, und zwar bei den ersteren unter der von Weichtheilen gebildeten und nur von Kalkplätlchen gestützten Ambulacralrinne, wo sie am Ursprünge jeder Pinnula eine kleine Anschwellung zeigen. Von den Bauchschildern der Arme verdeckt verlaufen die Nervenstämme der Ophiuren, während sie bei den eigentlichen Seesternen in die nur von Weich- theilen ausgekleidete Ambulacralrinne sich einbetten. Bei den letzteren entspricht das Verhalten des Nervensystems der mindest veränderten Form. Das Nervenpentagon der Echino'i'den ist bei der mit einem Kauapparate versehenen Gruppe, dem letzteren eng angelagert. Bei Echinus liegt es (Fig. 95) über dem Boden der Mundhöhle, zwischen dem Oesophagus und den Spitzen der Stücke der Kauapparates, und wird durch fünf Bandpaare in dieser Lage befestigt. Die Nervenstämme (c) be- geben sich von den Ecken des Pentagons in die Zwischenräume der Pyramidenstücke, und verlaufen von hier aus über die Mundhaut hinweg zu den Ambulacralfel- dern. In der Mitte ihres Verlaufes zeigen sie eine starke Verbreiterung, und eine Medianfurche theilt sie in zweiSeitenhälflen. Die von den Hauptstämmen abgehenden Seitenäste begleiten die Aeste der Ambu- lacralgefässe. Aehnlich ist die Anordnung des Nervensystems der Spatangen , doch bildet der Mundring ein ungleichschenkliges Pentagon. Der Nervenring der Holothurien liegt dicht vor dem Kalkringe, etwas nach innen von ihm, und wird nach vorne von der Mundhaut begrenzt (Fig. 101. 11). Da er — verschieden von dem Nervenringe der Seesterne und Seeigel — stärker ist als jeder der aus ihm her- vortretenden fünf Nervenstämme (Fig. 101. ?/), so mag ihm mit grösserer Bestimmtheit die Bedeutung eines Cenlralorganes zukommen, und darin einige Aehnliehkeit mit dem ganglionären Schlundringe anderer Thiere zu erkennen sein. Dass mit solchem jedoch keine Spur einer wahren Fig. 95. Nervensystem von Echinus lividus, der .Kauapparat ist entfernt. a Querdurchschnittener Oesophagus, b Die Commissuren der Nervenstämme, einen pentagona len Scblundring darstellend, c Die nach i]en Radien verlaufenden Nerven- stämme, d Bänder, welche die Spitzen der Pyramiden des Kauapparates aneinan- der tieften. (Nach Krohn.) Sinnesorgane. Excretionsorgnne. 223 Homologie besteht, wird aus der oben bei den Seesternen angeführten Genese des Echinodermen -Schlundringes verständlich. Die periphe- rischen Nervenstämme treten durch Oeffnungen der fünf grösseren Stücke des Kalkringes , und verlaufen dann breiter werdend und mit einer Medianfurche versehen auf den Längsmuskel bändero , unter Ab- gabe feiner Zweige bis zum Hinterleibsende, wo ihre Breite in der Gegend der Cloake wieder abnimmt. Ausser diesen radialen Stämmen sendet der Mundrins auch Tentakelnerven ab. Sinnesorgane. § 168. Bestimmte Theile des Integumentes erreichen auch hier eine beson- dere Bedeutung für den Tastsinn. Ausser den mit dem Wasserge- fässysteme in Verbindung stehenden Saugfüsschen können noch die Tentakelgebilde als Tastorgane hieher gezahlt werden, denen mit der Beschränkung des Ambulacralsyslems bei den Holothurien, be- sonders bei den Synapten, eine voluminösere Entfaltung, und dadurch eine höhere Bedeutung zukommt. Als Gehör werk zeuge sind bei Synapten fünf Bläschenpaare beschrieben worden, die an den Ursprüngen der radialen Nervenstämme gelagert sind. Sie sind ebenso problematische Sinnesorgane, wie die sogenannten Augenflecke dieser Gattung. Sehwerkzeuge wurden nur bei den Ästenden näher bekannt, während bei den übrigen Echinodermen blosse Pigmentanhäufungen als Augen oder »Augenflecke« gedeutet werden. Die Augen der Seesterne lagern an der gewöhnlich aufwärts gebogenen und damit dem Lichte zugekehrten Spitze jedes Armes auf einer polsterartigen Erhebung des Endes der Ambulacralrinne. Sie bestehen aus sehr vielen oberflächlich sphärischen Körpern (Krystallstäbchen ?), deren jeder von einer Pigment- hülle umgeben ist, die auf einer kugeligen oder halbcylindrischen Markmasse als der Grundlage des Augenpolsters ruht; zu diesem tritt das Ende des Ambulacralnerven. Das ganze Auge bedeckt eine Epithellage mit einer Cuticula. Es bestehen also hier Augenformen, welche nach Analogie der einzelnen Würmern und den Gliederthieren zukommenden als zusammengesetzte zu betrachten sind. Excretionsorgane. § 4 69. Die unter den Bingelwürmern verbreiteten Einrichtungen der Se- gmentalorgane oder Schleifencanäle kommen bei den Echinodermen nicht mehr vor, dagegen findet sich wenigstens in einigen Abtheilungen der 224 Echinodermen. letzteren eine Reihe von Organen , welche vielleicht auf die bei man- chen Gephyreen bestehenden, wahrscheinlich excretorisch fungirenden Organe bezogen werden dürfen , und wie diese mit dem Darme ver- bunden sind. Obschon eine Vergleichung zwischen beiderlei Organen keineswegs unmöglich erscheint, so ist sie doch bei der bis jetzt noch sehr wenig genauen anatomischen Kenntniss der wesentlichsten Puncte jener Theile vorläufig noch zurückzuhalten. Ich zog daher vor jene Organe mit dem Darmcanal aufzuführen, dessen Endabschnitt sie angefügt sind (vergl. § 173). Uebrigens darf es auch für höchst wahrscheinlich gelten, dass dem sogenannten Wasser- gefässsysteme zugerechnete Einrichtungen ursprünglich excretorische Organe waren, in Uebereinstimmung mit jenen der Würmer. Darmcanal. Das bei den ausgebildeten Echinodermen sehr verschiedenartige Verhalten des Nahrungscanais besitzt im primitiven Darmrohr der Larvenform eine einfachere für alle Echinodermen übereinstimmende Vorbildung. Dass auch jene , deren Entwicklung zusammengezogen ohne den typischen Larvenzustand verlauft, nicht hieher gezählt werden können, wird begreiflich sein. Die erste Anlage des Darmes erfolgt als eine Wucherung der den Körper der jungen Larve überziehenden peripherischen Zellschichte. Daraus geht allmählich ein in den Körper eingesenkter Blindschlauch hervor, dessen Wände das Entoderm bildet, während die äussere Zellschichle das Ectoderm repräsenlirt. Eine Oeffnung dient als Mund und After. Bald wächst gegen das blinde Darmende von einer Seite des Körpers her eine zweite Einbuchtung aus, die sich mit dem Darme vereinigt, hohl wird, und so mit dem erstgebildeten Stücke ein Continuum bildet. Die letztgebildete Abtheilung soll den Mund und den damit zusammenhängenden Oesophagus vorstellen , die erstge- bildele den Mittel- und Enddarm. Der spätere After und der damit verbundene Darmtheil wäre somit das vom gesammten Darme zuerst Gebildete. Der Larvendarm setzt sich aus drei Abschnitten zusammen. Eine weite Mundöffnung führt in eine in der Längenaxe des Körpers liegende contractile Röhre, die als Schlund oder Oesophagus bezeichnet wird. Dieser Abschnitt bildet den Munddarm. Darauf folgt ein weiterer Theil, der Miltehlarm oder der Magen, der sich in ein engeres, retortenförmig gekrümmtes Bohr auszieht, welches als Enddarm sich zum After begibt. Diese drei Abschnitte entsprechen genau der primitiven Gliede- rung des Darmes, die bei fast allen Würmern unterscheidbar ist. (Vergl. Fig. 85. A Ji.) Mund und After liegen anfänglich auf verschiedenen Flächen des Larvenkörpers. Mit der Differenzirung der Körperform, Darmcanal. §25 besonders durch Ausbildung der Wimperschnur, kommen sie scheinbar auf eine und dieselbe Fläche, die sogenannte Vorderseite, zu liegen. Es ist jedoch leicht ersichtlich, dass die Wimperschnur zwei Körper- flächen deutlich trennt: eine beschränktere Mundfläche, und eine aus- gedehntere, gegen erstere umgeschlagene Afterfläche. Bei der Bildung des Echinodermenleihes in der Larve und theil- weise aus ihr, geht der Larvendarm nicht vollständig in ersteren über. Das entstehende Perisom umwächst zunächst dessen Mittelstück , und nimmt bei den Seesternen nur dieses und den Enddarm in sich auf. Bei den Seeigeln scheint auch der After neu gebildet zu werden. Endlich soll bei den Holothurien , deren Darmanlage bei der vollstän- digen Umwandlung der Larve in das Echmoderra ganz in den Darm des letzteren übergeht, gleichfalls eine Neubildung des Mundes vor sich gehen. Die Verdauungsorgane lagern später in einer oft weiten Leibeshohle und ergeben in ihrer Differenzirung verschiedene im Allgemeinen an das Verhalten des Perisoms sich anschliessende Stufen. Eine Trennung in einzelne Abschnitte fehlt zwar nie, ist aber im Ganzen wenig anders markirt, als durch Verschiedenheit des Lumens. Der Mund besitzt eine centrale Lagerung auf der ventralen Körperfläche. (Vergl. Fig. 87. 88. 89. A o) bietet jedoch mit anderen Umbildungen des Leibes zusammenhängende mannichfache Lageveränderungen dar. § 171. Bei den Seesternen besitzt die Mundöffnung eine radiäre Gestalt, indem interradiale Vorsprünge gegen sie einragen. Harte, vom Perisom gebildete Papillen und Stacheln sind gegen die Mundöffnung gerichtet und fungiren als Kauwerkzeuge. Sie sind besonders bei den Ophiuren , meist in mehreren übereinander liegenden Reihen ausge- bildet (Fig. 91. d). Das Hautskelet liefert also hier die Organe zur Zer- kleinerung der Nahrung. Vom Munde beginnt eine kurze weite Speise- röhre, die sich in einen die Mitte des Körpers einnehmenden weiten Magen fortsetzt. Ein blind geschlossener Sack bleibt der Magen bei den Ophiuren und einer Abtheilung der Ästenden (Astropecten , Luidia) , denen eine Afleröffhung fehlt. Doch zeigt er bei allen Asteroiden Ausbuchtungen, und vor allem blindsackartige Anhänge, die bei den Ophiuren durch radiäre Einschnürungen angedeutet sind. Die Magenblindsäcke der Seesterne erstrecken sich paarweise in die Arme, als dünnwan- dige dicht mit seitlichen, zuweilen wieder ramificirten Anhängen be- setzte Schläuche (Fig. 96. h) , die in der Regel vor der Einmündung in den Magen paarweise zu einem Canale vereinigt sind. Diese Strecke repräsentirt einen unpaaren Abschnitt des jedem Antimer (Arm) des Seesternes zukommenden Darmantheiles, von dem die Blindschläuche Gegenbaur, Otrundriss. \ 5 226 Echinodermon. Fie. 96. den paarigen Abschnitt vorstellen. Hält ..man die Vorstellung von der oben (§ 1 56) vorgetragenen Entstehung des Echinodermentypus aufrecht, so wird in diesen den Seesternen zukommenden Darmtheilen der primitive Darm des Organismus zu sehen sein, der mit andern gleich- artigen an der Larve sprosste und mit jenen wie bei einem Thier- stocke verbunden blieb. Eine fernere Modification besitzt das Darmrohr der CrinoTden (Comatula), indem der um eine in die Leibeshöhle einragende Kalkspindel gewundene Magendarm, von einer an letzterer vorspringenden Leiste eine Strecke weit derart eingestülpt wird, dass sein Lumen in zwei über einander gelegene, jedoch nicht völlig getrennte Ab- schnitte sich theilt. Der Darm beschreibt so eine Spiraltour und geht mit seinem engeren kurzen Endstücke in die in der Nähe des Mundes inter- radial gelagerte, röhrenförmig vorragende Afterötlhung über. Dieses durch die Windung scheinbar sehr abweichende Verhalten wiederholt das bei jungen Seesternen gegebene. Die Windung des Darm roh rs ist hier zum bleibenden Zu- stande ausgebildet, während bei den Ästenden sie nur während der Entwicklung des Echinoderms vorübergehend bestand. Die Ausbildung des Darms nach der Radiärform des Körpers ist auch bei allen übrigen Echinodermen aufgegeben, und so harmoniren diese Verhältnisse mit der Verschmel- zung der Antimeren zu einem einheitlichen Organismus. Radiär verlaufende Fasern befestigen den Darm an die Körper- wand. Eine besondere Verbindung mit derselben Körperwand be- sitzen die radialen Blinddärme der Seesterne durch eine längs jedes derselben sich hinziehende sogenannte Peritonealduplicatur. § 172. Bei den Echino'i'den ist die Mundöffnung gleichfalls mit Kau- werkzeugen ausgestattet, die aber entfernter von der Oberfläche in Fig. 96. Asterisc us verrucul a tus , von der Dorsnlfläche geöffnet, a After. i Rosettenförmig erweiterter Darm (Magen), h Schlauchförmige Radialanhänge des Darms, g Genitaldrüsen. Darmcanal, 227 die Leibeshöhle eingelagert sind. Sie stellen dort einen bei Glypeastriden aus fünf Paar dreieckigen Kaikslüeken gebildeten, bei den Cidariden und Echiniden viel eompllcirleren Apparat vor. Fünf gegen einander gerichtete Stücke tragen eine zahnartige Spitze und sind mit mehr- fachen andern zu einem als Laterne der Aristoteles bezeichneten Complexe vereinigt, durch welchen der Oesophagus hindurchtritt. Das Dannrohr beschreibt immer mehrere Windungen. Der engere Mund- darm geht in einen weiteren den längsten Darmtheil vorstellenden Ab- schnitt über. Er besitzt bald wenig deutliche Aus- Fig. 97. buchtungen (Echiniden), bald wirkliche Blindsäcke (Glypeastriden), welche (z.B. bei Laganum) in die von den Stützpfeilern der Kalk- schale abgegrenzten Leibes- hohlräume einragen. Längs des ganzen gewundenen Darmes verlaufen bei den Seeigeln »Mesenterialfasern« ,- zur Leibeswand. Bei den Holothurien bildet das Darmrohr, den Körper an Länge übertref- fend, eine Doppelschlinge, während es bei den Syn- apten (mit Ausnahme der Chirodoten) sich mit vielen Ausbuchtungen gerade durch die Leiheshöhle erstreckt. Als eine besondere Differen- zirung ist ein auf den Oesophagus folgender mus- kulöser Darmabschnitt zu beachten , der besonders bei Synapten ausgedehnt, als Muskelmagen zu fungiren scheint. Ange- deutet ist dieses Verhalten auch bei den Seesternen, deren Oesophagus gleichfalls eine stärkere Muskel wand als der übrige Darm besitzt. Dem Magen der Seesterne entspräche somit bei den Holothurien der hinter dem muskulösen Abschnitte gelegene Darm. Das Darmende geht bei den Holothurien in eine Erweiterung über, die obwohl als Cloake be- ., m Fig. 97. Darmcanal und bäum form ige Organe einer Holothurie. o Mund. i Darmrohr d Gloake. a After, c Verästeiter Steincanal. p Poli'sche Blase. rr Baumförniige Organe, r' Vereinigung derselben an der Einmündestelle in die Cloake. m Längsmuskulatur des Körpers. N 15* 228 Echlnodermen. zeichnet, doch nur dem Enddarme der Ästenden entspricht, und zwei oder mehrere baumartig verzweigte Organe aufnimmt. Eine siebförmig durchbrochene Lamelle befestigt den Darm an die Leibeswand. Einfacher ist dieses Mesenterium bei den Synapten mit geradem Darmeanale, während es sich bei Chirodola nach den Strecken der Darmschlinge in drei je einem interradialen Abschnitt der Leibes- wand zukommende Theile gesondert hat. Aiihangsorgane des Darmcanals. § 173: Als solche durch einen am primitiven Darm auftretenden Son- derungsvorgang entstandene Gebilde könnten die schon oben aufge- führton radialen Blindschläuche der Seesterne gelten, wenn dieselben nicht in phylogenetischer Hinsicht anders zu beurtheilen wären. Ich rechne daher bei den Seesternen nur andere, interradiale Blind- schläuche hieber, die in sehr verschiedener Ausbildung vorkommen. Bei den afterlosen Seesternen fehlen sie, oder sind auf 2 reducirt (Astropecten) , dagegen sind sie bei den anderen oft sehr ansehnlich ausgebildet. Archaster zeigt fünf gegen das Ende zu sogar getheilte Blindsäcke, und bei Culcita ist die Theilung noch weiter vorgeschritten, so dass jeder Ast einen traubig gelappten Schlauch vorstellt. Dadurch erscheinen diese Anhänge in der Gestalt von Drüsen, und gewinnen einen Zusammenhang mit einer bei Holothuriden ver- breiteten Einrichtung. Diese wird mit dem als »Cloake« bezeichneten Endabschnitte des Darmcanals in Verbindung getroffen, und besteht in der Begel aus zwei auf einer kurzen Strecke verzweigten Hauplslämmen , die sich durch die ganze Länge der Leibeshöhle nach vorn erstrecken (Fig. 97. r) und mit zahlreichen ramificirten Blindschläuchen besetzt sind. Wenn auch die Function dieser früher als »Lungen« bezeichneten und als innere Athemorgane gedeuteten Organe von der der interradialen Blindschläuche des Seesterndarmes verschieden ist, so kommen sie doch wohl morpho- logisch diesen gleich und erscheinen als eine Weiterentwickelung der bei den Asterien meist einfacheren Schläuche. Die Function dieser Organe ist keineswegs sicher gestellt. Ihrer Auffassung als Athmungsorsjane stellt sich die Thatsache enlcecien, dass nur eines derselben Zusammenhang mit dem Blulgefässnelz er- kennen liess, indess das andere nur an die Körperwand befestigt in die Leibeshöhle ragt. Immerhin jedoch ist die Thatsache, dass von diesen Organen Wasser aufgenommen und vorzüglich unter Beihülfe der stark muskulösen Wand des Enddarms wieder ausgestossen wird, von Wichtigkeit. Anhangsorgane des Darmcanals. Geschlechtsorgane. 229 Die reichen Verästelungen dieser Organe reduciren sich hei einzel- nen Holothuriden. Bei fusslosen Gattungen, wie Molpadia (M. borealis), sind sie nur streckenweise mit verästelten Blindschläuchen besetzt, während bei anderen wieder eine Vermehrung vorkommt. So ist bei M. chilensis nicht nur einer der Bäume getheilt, sondern der End- darm trägt auch noch eine Anzahl kleinerer Bäumchen. Noch einfacher erscheinen sie bei Echinocucumis (E. typicus) , wo sie lange, dünne, mit nur einem kurzen Aste versehene Schläuche vorstellen. Den Synapten fehlen die baumartigen Organe der Holothurien, dagegen findet sich eine bis jetzt nur sehr unvollständig erkannte Ein- richtung, die vielleicht von jenen Organen abgeleitet werden darf. Es sind längs der Mesenterialinsertion vorhandene in Längsstämme führende Canäle, die mit trichterförmigen bewimperten Mündungen in die Leibes- höhle sich öffnen, und darin auch mit Excretionsorganen der Annulaten übereinkommen. Ausser den baumartigen Organen kommen dem Enddarme der Holothurien noch drüsenähnliche Organe zu. Diese CuviER'schen Organe zeigen verschiedene Formen, und erscheinen bald als blinddarmförmige, unverzweigte Bohren, die einzeln oder in reichen Büscheln inserirt sind (Bohadschia u. a.), bald als traubige, aus zahlreichen, mit einem Stiele verbundenen Bläschen bestehende Gebilde (Molpadia) , und endlich fadenförmige Canäle, die wirtelartig mit gelappten Drüsenbüscheln besetzt sind (Pentacta und Muelleria). Bei den ächten Synapten scheinen sie zu fehlen und die der Holothurien bedürfen genauerer Unter- suchung. Geschlechtsorgane. §. 174, Die bei den Würmern so verbreiteten ungeschlechtlichen Vermeh- rungsweisen sind bei den Echinodermen zurückgetreten, nachdem der Thierstamm selbst das Product einer Sprossung vorstellt. Eine An- deutung dieser Zeugungsform hat sich noch bei den Ästenden erhalten, freilich in ganz anderer Bedeutung: als Begeneration verlorengegange- ner Antimeren (Arme). Auch in der geschlechtlichen Differenzirung findet sich ein Fort- schritt angebahnt. Fast alle Echinodermen — nur einige sind ausgenommen — ■ sind getrennten Geschlechtes und zeigen in der Anordnung der Organe eine Uebereinstimmung mit der radiären Körperform. Männliche und weib- liche Organe zeigen dieselben einfacheren Formverhällnisse, und sind nur zur Zeit der Beife der Geschlechtsproducte leicht unterscheidbar, indem die Ovarien meist durch lebhaftere Färbung der Eier, gelb oder roth, vor den fast immer weiss erscheinenden Hodenschläuchen aus- gezeichnet sind. Die Formelemente des Sperma sind ziemlich überein- 230 Eehinodermen. stimmend fadenförmige mit einem Köpfchen versehene Gebilde. Der Bau der Apparate ist einfach, Complicationen der Ausführwege fehlen, und ebenso Begaüungsorgane , so dass das umgebende Wasser bei der Befruchtung die Vermittelungsrolle spielt. Im Ganzen besteht eine grosse Uebereinstimmung mit den bei Würmern vorhandenen Bildungen In Zahl, Anordnung, wie auch im specielleren Verhalten der Organe bieten sich die niedersten Zustände bei den Aste ro'f den dar. Hoden oder Eierstöcke erscheinen als röhrenförmige oder gelappte Drüsen- schläuche, welche bei einigen in zwei Beihen angeordnet eine der Me- tamerie der Arme angemessene Vertheilung zeigen (Ophidiaster, Ar- chaster). Bei anderen treffen auf jeden Arm nur zwei Gruppen, die sich aber längs der ganzen Armcavität ausdehnen können, endlich er- scheinen sie auf den Interradialraum beschränkt (Fig. 96. g). Die Ver- gleichung dieser Verhältnisse lehrt also eine allmähliche Beduction der Anzahl der Keimdrüsen kennen , die der bereits bei den Seesternen statt- findenden allmählichen Centralisation des Organismus entspricht. Bei den afterlosen Seesternen entbehren die Schläuche der Ausführöffnungen, und die Zeugungsstoffe werden in die Körperhöhle entleert. Auf welchem Wege sie nach aussen gelangen, ist noch unermittelt. Bei anderen Seesternen öffnen sich die Keimdrüsen auf besonderen, durch feine Oeffnungen ausgezeichneten Platten (Sieb- platten) in den Interradien des Bückens big. 98. nach aussen , oder sie zeigen einen einfachen Ausführgang mit einer spalt- förmigen Oeffnung (Pteraster). Die Anordnung und der Bau der Ge- schlechtsorgane der Ophiuren ist jenen der Seesterne ähnlich. Hermaphrodi- tische Zustände sollen vereinzelt vorkom- men (Ophiurasquamata). Die Geschlechts- drüsen (Fig. 98. g) , zu zweien in jedem Interradialraum , sind auf die Körper- scheibe beschränkt, und scheinen ihre Producte auch hier in die Leibeshöhle zu entleeren, von wo sie wohl durch die an den Interradien der Bauch- fläche befindlichen spaltartigen Oeffnungen (vergl. Fig. 91 g) nach aussen gelangen. Bei den lebendig gebärenden Ophiuren gibt sich in der Grösse dieser Spalten ein Anpassungszustand kund. Wie sich bei den Ophiuren die Organe von den Armen auf die Körperscheibe zurückge- zogen haben, so erscheinen sie, gleichfalls aus dein bei den Seesternen gegebenen noch indifferenten Verhalten ableitbar, bei den Crinoiden auf die Arme verlheilt. Sie nehmen hier die Pinnulae der Arme ein Fig. 98. Geschlechtsorgane einer Ophiure (Opliiodenna longicauda). Rückenintegumcnt und Verdauungsorgane sind entfernt, r Arme, g Ovarial- traubcn. Geschlechtsorgane. 231 und entsprechen damit in ihrer Verbreitung wieder der Metamerie. Ihre Entleerung geschieht durch Dehiscenz. Fig. 99. § 175. Die bei Asteroiden jedem Radius paarig zukommenden Geschlechts- drüsen sind bei den Echino'iden impaare Gebilde geworden, womit eine fernere Centralisation ausgedrückt ist. Die Bezie- hung zum ursprünglichen Zustande ist nur noch aus der interradialen Vertheilung erkennbar, so dass jedes Organ aus zwei radialen ent- standen gedachtwerden kann. Sie stellen reich verästelte, meist weit in die Leibeshöhle auf die Interambulacralfelder vorragende Drüsen (Fig- 99. g) vor, die auf den Ge- nilalplatten (Fig. 92. g) aus- münden. Eine der fünf für die Echiniden typischen Ge- schlechtsdrüsen verkümmert bei den Spatangen , dem entsprechend ist eine der Genilalplatlen, die zugleich Madreporenplalte war, ausschliesslich zur Madreporenplatte umgebildet. Verschieden von den bisher aufgeführten Einrichtungen verhalten sich die Geschlechtsorgane der Holothurien. • lloden oder Eierstock bilden Büschel reich verzweigter Röhren , die sich zu einem gemein- samen Ausführgange vereinigen (Fig. 102. G). Des letzteren Mündung findet sich in der Nahe des Mundes, meist zwischen den Tentakeln. Die Beziehungen zu den Badien sind also hier aufgegeben, die sonst ver- teilten Organe sind zu Einem vereinigt, und durch den Ausführgang wird die bereits bei den Seeigeln gegebene höhere Stufe festgehalten. Bei den Synapten bestehen nach dem bei den Holothurien ge- gebenen Typus geformte Zwitterorgane. Die einzelnen schlauch- förmigen Drüsen vereinigen sich zu einem gemeinsamen Ausführgange, der über dem Kalk ringe nach aussen sich öffnet. In jedem Schlauche (bei S. digitata) entwickelt sich das Sperma auf der Innenfläche, indess die Eier darunter entstehen und bei voller Entwickelung ins Schlauch- lumen vorspringende Längsstreifen vorstellen. Für beiderlei Producte Fig. 99. Geschlechtsorgane eines Seeigels (Echinus neapolitanus). Etwas mehr als die ventrale Hälfte der Schale ist weggenommen, a Ampullen der Am- bulacren. t Letztes Darmstück, g Ovarialtrauben. 232 Echinodermen. dient ein gemeinsamer Ausführweg. Wenn dieser Zustand als ein niederer angesehen werden muss, aus welchem im Allgemeinen die getrenntgeschlechtlichen Verhältnisse hervorgingen, so ergibt sich für die Synapten die interessante Erscheinung, dass sich bei ihnen der primitive Bau mit der primitiven Function der Keimdrüse erhalten hat, indess sowohl in der Beschränkung der Zahl als in der Complication mit einem Ausführgange für den Gesammtapparat grosse Umbildungen staltfanden. Leibeshöhle. §. 176. Die vollständige Sonderung der Leibeswand von der Darmwand bedingt die Bildung einer Leibeshöhle, welche wie den höheren Würmern auch allen Echinodermen zukommt. Je nach dem Grade der Concres- cenz der den Eehinodermenleib zusammensetzenden Personen, besteht sie aus den letzteren zukommenden Cavitäten , oder ist einheitlicher aus dem Zusammenfliessen jener einzelnen Bäumlichkeiten gebildet. Die Seesterne liefern auch hier wieder in den mannichfalligen Stufen des Individualitätswerthes ihrer »Arme« maassgebende Beispiele. Bück- bildungen des auf die Arme entfallenden Theiles der Leibeshöhle ent- stehen mit der Sonderung einer Körperscheibe bei den Ophiuren oder des jener entsprechenden »Kelches« der Grinoiden, doch sind hier überall, soweit den Armen Gefäss- und Nervenstämme zugetheilt sind, Spuren eines letztere umschliessenden Hohlraumes erkennbar. Vollkommen einheitlich wird der Leibeshohlraum bei den Seeigeln und Holothurien, wenn auch bei ersteren mannichfache, besonders in der Abtheilung der Petalostichen entwickelte , solide Fortsatzbildungen vom verkalkten Integumente her eine secundäre Sonderung in untergeord- nete Bäume hervorrufen. Der besonders bei Seeigeln nachgewiesene Wimperüberzug sowohl an den Wandungen wie an den in der Leibes- höhle liegenden Organen ist von Bedeutung für die functionellen Be- ziehungen des Baumes, sowie darin nicht minder ein an die wimpern- den Wandungen der Leibeshöhle vieler Anneliden sich anschliessendes Verhalten erkannt werden darf. Von der Leibeshöhle ist allgemein ein Gefässsystem gesondert, welches jedoch an einzelnen Stellen mit der ersteren in Communication zu stehen scheint, denn der Inhalt der Leibeshöhle ist eine mit dem Inhalte der Gefässe übereinstimmende Flüssigkeit die als Blut bezeichnet werden darf. Dass für die Leibeshöhle ähnlich wie bei Würmern auch Communicationen nach aussen bestehen, die somit eine Zumischung von Wasser zur Blutflüssigkeit gestatten, ist in manchen Fällen erweisbar, bedarf jedoch noch vielfach genauerer Feststellung. Gefässsystem. Blutgefässe. 233 Gefässsystem. Blutgefässe. § 177. Die ernährende Flüssigkeit besteht bei den Echinodermen aus einem klaren oder leicht opalisirenden, seltener getrübten oder auch gefärbten Fluidum , welches höchst wahrscheinlich mit von aussen eingeführtem Wasser vermischt ist. In dieser Flüssigkeit enthaltene Formelemente sind einfache Zellen. Als Blutbahn dient erstlich ein besonderes Canalsystem, dann aber auch der die Eingeweide umschliessende Leibeshohlraum, der auf eine noch nicht ermittelte Weise mit den Gefässen in Verbindung steht. Eine vollständige Erkenntniss des die Kreislauforgane bildenden Canalsyslems ist bis jetzt noch nicht ermöglicht, und besonders be- züglich des Zusammenhanges mit dem sogenannten Wassergefäss- systeme besteht noch manche ungelöste Frage. Der ganze radiär angelegte Apparat wird vorzüglich von einem den Anfangstheil des Darms (Mund oder Speiseröhre) umkreisenden Ganale dargestellt, der theils vom Darme kommende Gefässe aufnimmt, theils mit einem anderen Blutgefässringe in Verbindung steht. Dieser Verbindungscanal erscheint als ein pulsirender Schlauch, der als »Herz« fungirt. Von den Ringcanälen treten radiäre Aeste ab. Da die Be- ziehungen des Blutgefässsystems zu Athmungsorganen keineswegs fest- gestellt sind, so kann von einer Scheidung in eine arterielle und eine venöse Bahn keine Rede sein; die ganze Einrichtung scheint vielmehr darauf zu zielen, die vom Darm aus gebildete Ernährungsflüssigkeit in den übrigen Körper überzuführen und sie dort zu vertheilen , wo zugleich für die Vermiltelung des Gasaustausches überall Anordnung getroffen ist. Die Zartheit der Wandungen dieses Gefässsystems erschwert die Einsicht in die Verbreitungsweise, namentlich die Beziehungen zum sogenannten Wassergefässsysteme, und wenn man früher die beiden Gefässsysteme als scharf von einander geschieden annahm, so besteht gegenwärtig wieder Grund zu entgegengesetzter Meinung. Der Zusammenhang beider Svsteme stellt sich als immer wahrscheinlicher heraus. Bei den Asteroiden steht ein den Mund umziehendes dicht am Nervenring befindliches Ringgefäss mit einem unter dem dorsalen Peri- som um den After laufenden Ringcanale durch ein schlauchförmiges Herz in Verbindung. Von den Ringgefässen treten Ganäle sowohl an den Darm, 'als zu den Armen. Für die Echinoiden verläuft der als Mundgefässring bezeich- nete Canal dicht mit dem entsprechenden Wassergefäss am Ende des Kauapparates. Von ihm erstreckt sich ein schlauchförmiges Herz zum 234 Echinodermen. Analringe, der dicht am Skelele gelagert ist. Von beiden Ringen aus gehen Aeste zum Darm ©anal. Von den Blutgefässen der Holothurien sind nur solche, die den Dann begleiten, mit Sicherheit erkannt, während das Ringgefäss um den Schlund in ein Gefässnetz aufgelöst zu sein scheint. Die Darm- gefässe verlaufen an entgegengesetzten Flächen und können in ein dor- sales und ein ventrales gesondert werden. Das ventrale verzweigt sich in Aeste für eine der sogenannten Lungen, und daraus gehen in einen andern Abschnitt des Bauchgefässes einmündende Gefässe hervor. Beim Mangel von Beziehungen zu den baumförmigen Organen bestehen ein- fache directe Verbindungen zwischen den verschiedenen Abschnitten des an den Darmschlingen auf- und absteigenden Bauchgefässes. Dasselbe gilt auch für die Synapten, bei denen durch den häufig einfacheren Verlauf des Darmcanals , sowie durch den Mangel baum- förmiger Organe eine noch weitere Reduction des Gefässsystems gegeben ist. Dass damit eine Aehnlichkeit des Gefässsystems mit jenem mancher Würmer, besonders der Gephyreen , auftritt, ist mehrmals erkannt worden, aber ebenso bestimmt wird auch behauptet werden dürfen, dass es bei jener Aehnlichkeit sein Bewenden hat. Gegen eine Homo- logie spricht der Mangel eines vorn Darme unabhängigen Ventralstammes, der bei den Gephyreen wie bei den Annulaten vorhanden ist. Ob die beiden Längsstämme des Darmes die einzigen sind, ist ungewiss, sicherer ist ihre functionelle Wichtigkeit, denn sie sind contractu und haben die Bedeutung vom Herzen. W assergefässe. § ^8. Bei der Darstellung der Ambulacra (§ 160) ist eines »Wasser- ge fässs ys tems« gedacht worden, welches von aussen her Wasser aufnimmt, und dasselbe den ambulacralen Gebilden zuleitet, um sie in den Zustand der Erection zu versetzen. Ausser den bei der Loco- motion betheiligten Gebilden werden von diesem Canalsystem noch andre Organe geschwellt, die wir oben als Modificationen der Ambula- cralfüsschen deuteten. Dass dieses Canalsystem einen Theil des Blut- gefässsystems ausmache , ward bereits als wahrscheinlich dargestellt. Inwieweit jedoch die Bahnen beider vielleicht erst seeundär vereinigt sind, bedarf noch der Feststellung. Jedenfalls ist eine selbständige Betrachtung des Wassergefässsystems für jetzt noch geboten, zumal ihm durch die Entwickelung eine solche Stelle gesichert ist, und ein ihm zugehöriger bedeutsamer Theil (Steincanal etc.) als ein demCircula- t i o n s a p p a r a t ursprünglich völlig fremdes Gebilde erscheint. In den Larven der Echinodermen erscheint das Wassergefässsystem als ein glasheller, an seiner Innenfläche wimpernder Schlauch, der auf dem Rücken der Larve mit einem wulstig gerandeten Porus ausmündet. Wassergefässe. 235 Fis. d' 100. ,4 Er entsteht (bei Asterien) aus zwei am Darmcanal der Larve sich bildenden Anlagen , die ein paarig zur Seite des Larvenmagens ge- lagertes Gebilde vorstellen , das durch Verschmelzung beider Anlagen auf dem Rücken der Larve einheitlich wird. Häufig zeigt sich eine ungleiche Ausbildung beider Hälften des Schlauches, der bei Manchen durch einen einfachen Blindsack dargestellt wird. Immer liegt er mit seiner Hauptmasse in der Nähe des Larvenmagens , wenn er auch zuweilen, wie bei gewissen Seesternlarven (Brachiolaria) , sich mit zipfelförmigen Verlängerungen in Fortsätze des Larvenkörpers hinein erstreckt. In diesem Zustande hat das Organ grosse Aehnlichkeit mit dem Excretionsorgane mancher Wurmlarven (Sipunculiden) , und lässt auch von dieser Seite her die Sonderung des Wassergefässsystems aus einem ursprünglich excretorischen Apparate nicht unwahrscheinlich erscheinen. Mit der Anlage des Echinoderms (Fig. 100. A) wird der Schlauch allmählich vom Perisom umwachsen , und ändert dann seine Form, indem er in eine fünfstrahlige Rosette (Fig. 100. i) auswichst. Durch allmähliche 'Lagerungsveränderungen kommt dieser im- mer noch mit dem Rückenporus nach aussen mündende Abschnitt auf die ven- trale Fläche des Echinoderms zu liegen, und nun entwickelt sich jedes Blatt der Rosette in einem gestreckten, mit seitlichen Ausstülpungen besetzten Canal , der einem Fiederblatte gleicht und die Anlage des auf ein Ambulaerum treffenden Wasser- gefäss- Abschnittes vorstellt. Bei den Ho- lothurien bildet die gleiche rosettenförmige Anlage die Mundtentakel, deren Beziehung zum Ambulacralsystem dadurch unzweifel- haft wird (§ \ 60) . Die ferneren wich- tigen Vorgänge betreffen den centralen Theil der Rosette, an welchem die Canäle der fünf Blätter zusammenmünden. Dieser wandelt sich in einen Ringcanal um , der auch ferner als Centraltheil des Apparates fortbesteht, indess die in den Blättern der Rosette an- gelegten Canäle radiär auswachsen , und sich unter Vermehrung ihrer Seitenäste über die gleichfalls grösser werdenden Ambulacren erstrecken. Von diesen während der Entwicklung des Echinodermenkörpers sich bildenden Einrichtungen lassen sich die Zustände des Erwachse- Fig. 100. Asterienlarve (Bipinnaria) mit knospendem Echinoderm. e e' d' g g' Fortsätze des Körpers, jenen homolog, die in Fig. 86 gleiche Bezeichnung tragen. b Mund, o After der Larve. A Anlage des Echinoderms. h Wimpernder Schlauch. i Ambulacralrosette (Anlage der »Wassergefässe«). (Nach J. Müller.) 236 ISehinodermen. nen unmittelbar ableiten. Aus dem primitiven Wimperschlauche hat sich ein verzweigter Gefässapparat (Fig. 101) entwickelt, dessen Enden mit dem Saugfüsschen (p) und anderen ähnlichen Fortsätzen in directer Verbindung stehen. Die radialen Hauptstämme dieses Systems commu- niciren mit einander durch den Ringcanal (c), und dieser selbst wieder steht mit dem umgebenden Medium in Verbindung. Eine Verbindung des den Mund umgebenden Wasser- Fig. 101. gefässringes mit einem Darmgefässe ist neuestens für Spatangus aufge- stellt worden, so dass bei der Gleich- artigkeit des Inhaltes von beiderlei Canalsystemen nicht blos deren Com- munication, sondern auch deren Zu- sammengehörigkeit sehr wahrschein- scheinlich ist. Anders verhält es sich mit der Verbindung nach aussen, die auf verschiedene Weise zu Stande kommt. Bei Differenzirung des Echinoderms in der Larve bleibt jener Theil der Anlage des Wassergefässsystems, der vom Echinodermenkörper aufgenom- men wird, an einer Stelle mit dem Perisom in Verbindung und dort ent- wickelt sich eine poröse Kalkplatte — die Madreporenplatte im), welche mit dem Lumen des ver- bindenden Canalabschnittes in Communicalion steht. Der von der Madreporenplatte zum Ringcanale führende Gang [m') , gleichfalls ein Stück des primitiven Wassergefässsystems, besitzt häufig kalkige Ein- lagerungen und wird demgemäss als Stcincanal bezeichnet. Durch die siebförmig durchbrochene Madreporenplatte wird Wasser in den Stein- canal, von da in das Ringgefäss eingeführt. Auch mit der Leibes- höhle werden von da aus Verbindungen angegeben. Das Verhalten der Madreporenplatte zum primitiven Wasser- gefässsystem ist sehr verschieden, je nachdem ein grösserer oder ge- ringerer Theil des letzteren in das Echinoderm mit übergenommen wird. Auch der ganze primitive Apparat kann ins Echinoderm über- gehen, und dann wird die Madreporenplatte nahe am Rückenporus der Larve entstehen, oder dieser selbst geht in sie über. Fig. 101. Schematische Darstellung des Wassergefässsystems eines See- sternes. c Ringcanal. ap Poli'sche Blasen, m Madreporenplatte. m' Steincanal. r Radiär angeordnete Hauptstämme (Ambulacralcanäle). r' Seitliche Verzweigungen. p Saugfüsschen. a Ampullen derselben. (Die Ambulacralcanäle mit ihren Anhängen sind nur zum Theil gezeichnet). Wassergefässe. 237 Der dem Steincanal entsprechende Abschnitt verbindet sich nicht in allen Fällen mit dem Perisom. Bei den Holothurien löst sich die Verbindung nahe am Rückenporus der Larve; letzterer schwindet, und der Steincanal hängt frei in die Leibeshöhle, und nimmt von hier aus durch einen sehr complicirten porösen Endapparat Wasser auf. Diesen Grundzügen der Einrichtung des Wassergefässsystems müssen noch Complicationen begefügt werden, die durch contractile Ausstülpun- gen der Wassercanäle gegen die Leibeshöhle zu entstehen. Diese sind mehrfacher Art, und zwar grössere birnförmige Blasen (Fig. 104. ap) am Ringcanale (Poli'sche Blasen), dann an dem Uebergange der Ambu- lacralcanäle in die Saugfüsschen kleine , immer in die Leibeshöhle ragende Ampullen (Fig. 401. a) , die als Erweiterungen oder Aus- stülpungen der Ambulacralcanaläste genommen werden können. Sie l)esitzen einen cavernösen Bau. Beiderlei Gebilde dienen als Behälter für das in den Canälen strömende Fluidum, und sind aus Anpassung an die Function dieses Gefässsystems ableitbar, derart, dass bei einer Einziehung der Saugfüsschen immer deren Ampullen sich füllen, sowie bei einer Ausstreckung derselben zunächst der Inhalt der Ampullen sie schwellt. Was die Ampullen für die einzelnen Saugfüsschen sind, leisten die Poli'schen Blasert des Ringcanals für das gesammte Canal- system , so dass hierdurch eine viel rascher erfolgende Action der Ambulacralgebilde , sei es Schwellung oder Retraction, möglich ist, als wenn das zur Erection jedes einzelnen Füsschens nothwendige Flüssig- keitsquantum bei jeder Ausdehnung erst von aussen her durch den Steincanal oder die Madreporenplalte eingenommen werden müsste. — Diese Thätigkeit der Ampullen der Saugfüsschen und der Poli'schen Blasen des Ringcanals besorgt die Conlractilität ihrer Wandungen, in denen eine Muskelschicht nachgewiesen ist. Ausserdem sorgt ein überall im Wassergefässsystem verbreitetes Flimmerepithel für die Vertheilung und den steten Wechsel des Wassers, und dient damit gewiss auch der respiratorischen Function. Das vorhin Auseinandergesetzte hat am vollständigsten seine Gel- tung für die Seesterne. Bei diesen inserirt sich der Steincanal immer an einer Madreporenplatte, die in der Begel auf der Dorsalseite in einem Interradius des Körpers liegt. Auch eine Mehrzahl von Madreporenplatten (2 — 5) sowie eine dem entsprechende Vermehrung des Steincanals, kommt in einzelnen Fällen vor, doch wechselt dies Verhältniss selbst bei den Arten einzelner Gattungen. — Der Steincanal verläuft immer in der Nähe des herzartigen Schlauches. Die Kalkab- lagerungen bilden an ihm ein feines Netzwerk, und sind von denen des Perisoms nicht verschieden. Sie sind ringweise angeordnet, im Innern tritt eine Längsleiste vor, von der zwei eingerollte dünnere, eben- 238 • Echinodermen. falls verkalkte Lamellen entspringen. Die Ambulacraleanäle laufen über dem Skelete der Arme in die Ambulacralfurche eingesenkt, und senden hier ihre Aeste an die zwischen den seitlichen Fortsätzen der Gliedstücke des Ambulacralskelets entspringenden Füsschen , während die Ampullen der letzteren durch die Spalten zwischen den Glied- stücken hindurchdringen und so ins Innere des Armes zu liegen kommen. Die Anzahl der Poli'schen Blasen variirt, zuweilen sind sie vermehrt, bilden traubige Büschel (Astropecten aurantiacus) oder sie fehlen auch gänzlich. Bei den Ophiuren inserirt sich der Steincanal an einem der den Mund umgebenden Plattenstücke, welches jedoch nicht als Madreporen- platte gebaut ist, so dass der Steincanal nurFluidum aus der Leibeshöhle aufnimmt. Am Bingcanale erweitert sich der Steincanal ampullenartig, und fügt sich einem interradialen Abschnitt ein. Den Saugfüsschen fehlen die Ampullen. Aehnlich wie bei Asteroiden scheinen sich auch die Crino'jden zu verhalten. Im Anschlüsse an die Seeslerne stehen die EchinoTden. Die Madreporenplatle liegt immer am aboralen Pole; entweder ist eine der Genitalplatten, (Fig. 92. m) oder deren mehrere, oder es ist auch noch eine Inte Fgenital platte zur Madreporenplatle umgewandelt, oder diese stellt eine besondere Platte vor (Clypeastriden). Der Steincanal er- scheint bald weich (Echinus) , bald mit festen Wandungen versehen (Cidaris). Der mit fünf Poli'schen Blasen (sie fehlen den Spatangen) versehene Bingcanal liegt bei den Seeigeln an der Basis des Kauappa- rates und sendet die Ambulacraleanäle abwärts, von wo sie dann an die Ambulacren ausstrahlen. An der Innenseite der Schale, einem jeden Ambulacralfelde entlang verlaufend, vertheilen sich die Aeste der Ambulacraleanäle an die Poren und versorgen, querliegende ampullen- artige Erweiterungen (Fig. 99. a) bildend, die hier entspringenden Saugfüsschen oder deren Aequivalente. Durch die Loslösung des später als Steincanal fuugirenden Ver- bindungsstückes vom Perisom der ins Echinoderm übergehenden Larve, wird bei den II oiothuroTden ein von den übrigen Echinodermen abweichendes Verhalten erreicht. Die Wände des frei in die Leibes- hühle hängenden Sleincanals sind bald weniger, bald mehr verkalkt und bilden im letzten Falle eine starre Kapsel. Gewöhnlich zeichnen die Verkalkungen die porösen Stellen des Canals aus, und wieder- holen so die Bildung der Madreporenplatle im Innern. Bei Veräste- lungen des Sleincanals tragen die Enden jedes Astes jene porösen Stücke, und so entstehen durch Vervielfältigung traubenförmige Ge- bilde, die einer Summe um den Steincanal gruppirter Madreporenplalten nur functionell gleich werthig sind. Wie die Einrichtung der einzelnen Sleincanäle verschieden ist, so wechselt auch ihre Zahl. Häufig ist nur einer vorhanden, in anderen Fällen, vorzüglich bei Synapten, kommen deren zahlreiche vor, die am Umfange des Bingcanals ver- Wassergefässe. 239 theilt sind. Ebenso wechselt die Zahl der auch hier nicht fehlenden Poli'schen Blasen (Fig. 102. p) , deren Holothuria und Molpadia eine, Synapta Beselii gegen 50, Cladolabes gegen 100 be- Fig. 102. sitzt. Die vom Ringcanal (C) abgehenden Canäle verlau- fen innerhalb des Kalkringes (R) nach vorne, und treten sich verzweigend zu den Mundtentakeln (7), wo mit jedem eine den Ampullen der Saugfüsschen entspre- chende blindsackartige Ver- längerung in Verbindung steht. Diese ist ansehnlich bei den Holothurien , und liegt nach aussen vom Kalk- ring, nur wenig entwickelt ist sie bei den Synapten (vergl. Fig. 102). Mit den zu den Tentakeln tretenden Fortsätzen des Ringcanals schliesst das Wassersefäss- system der Synapten ab, während bei den Holothu- rien noch radiale Stämme zu den Ambulacren verlau- fen. Sie zeigen jedoch schon bei den Molpadien Rückbildungen, in- dem bei einzelnen der Ambulacren entbehrenden Gallungen nur blind- geendigte Fortsätze ins Integument sicherstrecken, die endlich bei an- dern gar nicht mehr zur Ausbildung kommmen. Andere Veränderungen bieten die nur mit einer Anzahl der Ambulacra ausgestalteten Holo- thurien (Psolus) bei denen zwei Wassergefässstämme die Verbindung mit Saugfüsschen verloren haben. Fig 102. Längendurchschnitt des vordem Körpertheils der Synapta digi- tata. RR' Kalkring. r Davon ausgehende Muskeln zum Schlünde. 0 MundölT- nung. D Darmrohr. C Ringcanal. t Canäle zu den Tentakeln T. p Poli'sche Blase, n Nervenring, n' Radialnervenstamm , den Kalkring R' durchsetzend, m Längsmuskelbänder. G Ausführgänge der Geschlechtsorgane. (Nach Baur.) Fünfter Abschnitt, Arthropoden. Allgemeine Ueber sieht. § 180. Der Körper der in dieser Abtheilung vereinigten Thiere besteht aus einer für die einzelnen Gruppen meist bestimmten Zahl in der Regel verschiedenartig differenzirter Metameren. Diese Ungleichartigkeit äussert sich nicht allein in der Verschiedenheit der äusseren Gestaltung und des Volums, sondern ebenso auch in der Differenzirung der innern Organe. Eine Anzahl unter sich mehr oder minder gleichartiger Me- tameren verbindet sich zu grösseren Abschnitten und kann verschmolzen die Selbständigkeit der einzelnen völlig aufgeben. Bald bestehen noch Andeutungen einer solchen Zusammensetzung grösserer Körperab- schnitte aus einer Summe von Metameren , bald sind auch diese ver- schwunden, oder doch nur in frühen Entwickelungsstadien erkennbar. Aus diesem Verhalten resultirt eine Umgliederung des Leibes. Dass wir es hier mit einer den Würmern entsprossenen Abtheilung zu thun haben, geht sowohl aus der Metamerenbildung, als aus der Uebereinstimmung der Beziehungen der einzelnen Organsysteme hervor. Aber es ist zweifelhaft, ob diese Abstammung gemeinsam ist, da manche Gründe bestehen für die Branchiaten und Tracheaten geson- derte Stammformen anzunehmen. Wie bei den Annulaten bildet das Nervensystem einen mit einer ventralen Ganglienkelte verbundenen Schlundring, und ebenso hat das Ccntralorgan der Kreislauforgane eine dorsale Lagerung. Auch bezüglich der Leibesanhänge gibt sich die Abzweigung des Arthropodenslannnes von jenem der Würmer kund. Die am meisten verbreiteten ventralen Anhänge stellen als Gharakte- risticum der ganzen Abtheilung gegliederte Bildungen vor. Daneben ist die Zusammenziehimg des vieltheiligen Organismus in einen einheitlichem Allgemeine Uebcrsiclit. 2H mehr hervortretend. Bei den Würmern für jedes Segment sich wieder- holende Organe kommen bei den Arthropoden dem ganzen Körper gemeinsam zu , und selbst bei äusserer Gleichartigkeit der Metameren zeigt häufig die innere Organisation, dass die Metamerenbildung nicht mehr den Gesammtorganismus beherrscht, sondern von Centralisations- bestrebungen überwunden ist. Bezüglich der Systematik der Arthropoden gebe ich folgende Uebersicht : A. Branchiata. I. Crustacea1}. a) E ntomostraca. 1. Cirripedia2). Baianus, Coronula, Lepas. R 1 1 i z o c e p h a 1 a 3) . Sacculina, Peltogasler. 2. Copepoda. Cyclops, Ci/clopsina, C'orycaeus, Sapphirina. Siphonostoma4). Caligus, Ergasüus , Dichelestiurn , Chondracanthus , Achtheres, Lernaea, Lernaeocera, Penella. 3. Ostra coda5). Ci/pris, Cypridina. 4 . Branchiopoda6). Cl a doce ra "). Daphnia, Skia, Polyphemus, Eradne. Phyllopoda. Branchipus, Apus, Limnadia. 1) An den einzelnen Körpersegmenten erhalten sich die Gliedmaassen am voll- ständigsten, wenn auch in vielen durch Anpassung hervorgerufenen Modifikationen. Sie fungiren entweder direet als Athmungsorgane , oder letztere sind doch mit ihnen in engster Verbindung. Als Grundform hat die Naupliusform zu gelten, die für die meisten sonst sehr weit divergenten Abtheilungen den ersten Entwicke- lungszustand bildet, und selbst in jener Abtheilung beobachtet ist, deren meiste Glieder diesen Zustand überspringen. 2) Eine den Körper vom Rücken her bis auf eine ventrale Oeffnung um- schliessende Duplicatur des Integumentes ist durch harte Schalenstücke ausge- zeichnet. 3) Eine durch Parasitismus umgestaltete Unterabtheilung. 4) Ein auf den verschiedensten Stufen sich zeigender Parasitismus lässt eine grosse Anzahl von Familien in diese besondere Unterabtheilung bringen, welche man den übrigen frei lebenden Copepoden gegenüberstellen kann. 5) In der die zweiklappige Schale vorstellenden Mantelduplicatur geben sie sich mit Entwickelungsstadien der Cirripedien verwandt. 6) Diese Abtheilung erscheint als die unmittelbarste Fortsetzung der Nauplius- form, insofern sie durch einfache Metamerenbildung aus jenem Stadium hervor- geht, und an den Gliedmaassen zuweilen sogar nur sehr geringe Veränderungen erleidet. 7; Wesentlich durch geringere Vermehrung der Metameren von den Phyllo- poden unterschieden. Opgetibanr, Gmndriss. 4 6 h, am Gephalothorax angebracht, den sie mit den Kiefer- "/' Fig. 107. Muiulgliedmaasscn von Aslacus fluviatitis md Mandibel. mx' zweite Maxille. mp, mp', mp" Kiefernisse, c Anhang. mx Erste, Gliedmaassen. 253 Fig. 108. füssen und Kiefern aus ebenso viel Metameren entstanden beurkunden helfen. An den Endgliedern der meisten dieser Schreitfüsse kommt durch bedeutende Ausdehnung des vorletzten über das letzte die Scheeren- bildung zu Stande, die meist am ersten Fusspaare überwiegend ent- faltet als Waffe dient. Wie die Kieferfüsse besitzen auch die Schreit- füsse Kiemenbüschel als Anhänge. Am Abdomen sind endlich fünf Fusspaare in schwache Schwimm- füsse umgewandelt , davon das erste bei den Männchen als Begattungs- organ fungirt, bei den Weibchen rückgebildet ist. Bei den letztern tragen die 4 übrigen (Fig. 108. p2 — ph) die Eier. Am bedeutendsten endlich ist das letzte Gliedmaasspaar verschieden , indem es (p6) mit dem Endsegmente des Körpers zusammen eine kräftige Schwanzflosse herstellt, deren seitlichen Theil es bildet. Andere Malacostrakenabtheilungen zeigen hiervon mehr oder minder be- deutende Verschiedenheiten je nach der Zahl der Mundorgane oder der als Locomotionsorgane verwendeten und diesen Functionen angepassten Glied- maassen. So sind z. B. bei den Asseln 4 Gliedmaassen in Mundtheile verwandelt, die folgenden 8 er- scheinen als Gehfüsse, und die letzten vier endlich bilden der Athmung die- nende Platten. Die Verknüpfung der Athmung mit der Locomotion , wie sie sich in der Umwandlung der Gliedmaassen in Kiemenblättchen oder in der Son- deruns von Kiemen der verschiedensten Gestalt an den Glied- maassen ausspricht, trifft sich als eine tiefgehende Erscheinung, (s. Kiemen.) Fig. 108. Gliedmaassen von Astacus fluviatilis, von der Baucliiläche gesellet». at vordere, at hintere Antenne, ms' Mandibelslück. mp'' dritter Kiefei fuss , alle übrigen Mundgliedmaassen bedeckend. P1 — P5 Schreitfüsse. p-— p5 Schwimm- füsse des Abdomens. pG Flossenfuss. a Afteröffnung, o Mündung des Oviductes am Basalgliede des dritten Schreitfusses. 25 k Arthropoden. Kiemen. § -184. Die an den Gliedmaassen der Crustaceen bestehende Spaltung macht diese Gebilde bei Verbreitung ihrer Gliedslücke ebenso zur respiratorischen Function geeignet, wie sie es zur Locomotion sind. Mit einer Verdünnung des Integumentes an bestimmten Abschnitten entstehen den Gasaustauch zwischen dem im Innern der Gliedmaassen circulirenden Blute und dem umgebenden Medium fördernde Einrich- tungen , welche bald die gesammte Gliedmaasse bald nur ein Gabel- stück derselben als Respirationsorgan erscheinen lassen. Eine fernere Differenziruns; führt dann zu einer Vermehrung der respiratorischen Lamellen einer Gliedmaasse oder zu fadenförmigen . Umbildungen derselben. Die Verbreitung von Kiemenbildungen mit den Gliedmaassen der Würmer lässt darin eine Vorbildung der bei Crustaceen weiter entwickelten Einrichtung erscheinen, die hier typisch ward. Die allmähliche Ausbildung der Kiemen lässt sich von Stufe zu Stufe durch die Reihe der Krustenthiere verfolgen, und die Functionen der Athmung und der Ortsbewegung sind häufig so innig mit einander verbunden, dass es schwer ist zu entscheiden, ob gewisse Formen der paarigen Körperanhänge als Kiemen oder als Füsse oder als beides zugleich gelten dürfen. Nicht selten ist diese Umwandlung der Loco- motionsorgane in Athmungswerkzeuge in der Reihenfolge der Glied— maasen eines und desselben Individuums wahrnehmbar. Die kiemen- tragenden Metameren sind sehr verschieden, so dass man sagen kann, die Gliedmaassen jedes Segmentes seien befähigt, Kiemen vorzustellen, oder aus einem ihrer beiden primitiven Aeste Kiemengebilde entwickelnd, als Träger derselben aufzutreten. Wie der Ort, so wechselt auch die Zahl und die specielle Slructur dieser Athmungsorgane. Wo die Füsse selbst Kiemen vorstellen , erscheinen sie als breite, dünne Lamellen (vergl. Fig. 103. A br), deren Oberflächen der Wechsel- wirkung zwischen dem in ihnen kreisenden Blute und dem umgeben- den Wasser günstig sind. Solche Gebilde zeigen sich verbreitet bei den Branch iop öden , bei denen meist eine grössere Anzahl von Fusspaaren als Kiemen erscheint und noch besondere beule] förmige Anhänge als vorzugsweise mit jener Function betraut unterscheiden lässt. Als Kiemenblälter erscheinen auch die Bauchfüsse derlsopoden. Bei den Amphipoden sind die Kiemen schlauchförmige Anhänge der Thorakalsegmente , die in der Begel an den Basalgliedern der Füsse befestigt sind. Dagegen tritt bei den Stomapoden eine aus der Grundform hervorgegangene andere Bildung auf, indem die fünf Sehwimmfusspaare des Abdomens an ihrer Basis ein median gerichteles Büschel verzweigter Kiemenfäden tragen (Fig. 103. R br.). Kiemen. 255 Eine continuirliche Reihe von den einfachsten zu den complicir- testen Verhältnissen führt von den Schizopoden zu den Decapoden. Ersteren fehlen gesonderte Kiemen nicht selten (Mysiden) , oder sie erscheinen als verästelte Anhänge der Gliedmaassen des Cephalolhorax, frei nach aussen flottirend (Thysanopoden). Allmählich entwickelt sich eine Daplicatur vom Hautskelete des Cephalothorax her und bildet eine den seitlichen Raum über den Rrustfüssen bedeckende Lamelle (S. 248). In diesen Raum lagern sich die von den Rrustfüssen oder von der Körper- wand entspringenden Kiemen, er wird dadurch zur seitlich geschlosse- nen Kiemenhöhle (Decapoden) , welche durch eine vom freien Rande jener Lamelle und der Rasis der Füsse begrenzte Spalte mit dem um- gebenden Medium in Verbindung steht. Indem sich die Decklamelle der Kiemenhöhle ventral enger an den Körper anlegt, wird die an- fänglich einfache, Einlass gebende Längsspalte in zwei Abschnitte zer- legt, und es bildet sich so eine grössere hintere und eine weiter nach vorne gelegene kleinere Oeffnung, durch welche das durch die grössere eingetretene Wasser, nachdem es die Kiemen bespült hat, wieder nach aussen gelangt. Die Kiemen können sich theilweise von der Fussbasis entfernen und von der Wand der Kiemenhöhle entspringen, entsprechen aber dann noch häufig in ihrer Zahl den Gliedmaassen. Rei den meisten Decapoden ist jedoch die Zahl der Kiemen beträchtlich vermehrt, indem die vordersten Fusspaare mit mehreren Kiemen versehen sind und überdies noch einige Paare der Kieferfüsse an dieser Einrichtung theilnehmen. Eine schärfere Sonderung der respiratorischen Glied- maassen drückt sich bei den Pöcilopoden aus, deren vordere Glied- maassen der Anhangsgebilde entbehren , indess die dem Abdomen angefügten o Fusspaare in breite Platten umgewandelt eine bedeutende Anzahl von Kiemenlamellen tragen. § 185. Ein rascherer Wasserwechsel um den Kiemenapparat wird auf mannichfache Weise bewerkstelligt. Am einfachsten sind diese Ver- hältnisse da, wo die Gliedmaassen selbst als Kiemen fungiren , oder wo die Kiemen, wenn auch als besondere Organe, den Schwimmfüssen angeheftet sind. Die Aclion der Gliedmaassen ruft hier einen bestän- digen Wasserwechsel um die Organe hervor, und bringt die Respiration mit der Ortsbewegung in directe Reziehung. Die Gliedmaassen der Rranchiopoden und die Schwimmfüsse der Stomapoden können als Reispiele für diese Einrichtung angeführt werden. Rei anderen besorgt den Wasserwechsel ein besonderer aus den modilicirten After- Rissen gebildeter Deckapparat der Kiemen, wie dies bei den Pöcilo- poden und bei den Asseinder Fall ist. Durch die stete Rewegung dieser Deckplatten ist auch im ruhenden Zustande der Thiere eine be- ständige Erneuerung des Wassers ermöglicht, 256 Arthropoden. Die Bildung einer Kiemenhöhle bedingt die Sonderung neuer Vor- richtungen, durch welche der Wasserwechsel besorgt wird. Bei den mit Kiemenhöhlen versehenen Decnpoden bestehen jederseits be- sondere Strudelorgnne i'Flagella) , Fig. 109. Fig. 1 09. f): welche über sämmt- liche Kiemen als schmale und dünne Fortsätze sich hinweg erstrecken und an die Basis eines Kieferfusses ge- heftet, von diesem in beständige Bewegung gesetzt werden. (Brachy- uren.) Von respiratorischer Bedeutung müssen die Lamellen des Integu- ments gelten, welche bei vielen Ento- mostraken die Träger der Schalen- bildungen sind. Diese Beziehung zur Athmung wird dadurch ver- ständlich, dass diese Mantellamellen ein nicht unbedeutender Blutslrom durchkreist, und durch die Dünn- wandigkeit des Organs für den Gas- austausch günstige Bedingungen ge- geben erscheinen, dass ferner durch die Schwimmbewegungen der Glied- maassen ein energischer Wasserwechsel an der Innenfläche des Mantels besorgt wird. Mit einer Ausdehnung der Mantellamellen (Limnadia- ceen) wird diesen auch ein grösseres Gewicht bei der Vermittelung der Athmung zufallen, welches sich in dem Maasse noch erhöhen muss, als die Gliedrnaassen an Zahl reducirt, und nur von geringen Blut- mengen durchströmt, an respiratorischer Bedeutung verlieren, wie dies bei den Ostracoden, dann auch hei den Daphniden der Fall ist. Während in diesen Fällen der Mantel keine besonders hervor- tretende Organisation als Kiemenorgan besass , erscheint eine solche bei den Cirripedien. Bei den Balaniden erheben sich von der Innen- fläche der Mantelhöhle, zwischen der Seitenwand und der Basis, ge- faltete als Kiemen fungirende Lamellen und zeigen damit die Diileron- zirung eines besonderen Organes. Fig. 109. Kiemen eines Bracliyurcn. Das Rückenintegument des grössten Thcils des Cephalothorax ist entfernt. In der Mitte ist die Leibeshöhle mit dem vom Kaumagen v kommenden Darme sichtbar, seitlich davon ist die Kiemenhöhle geöffnet, rechts finden sieh die Kiemen in sechs Blätterreihen, links sind vier der- selben abgeschnitten, ebenso das Flagelltim f, um den unter den Kiemen liegenden Strudelapparaf f /" sichtbar zu machen, o Augen. (/ Fühler, ar Eine einzelne Kieme, bei re abgeschnitten. Gliedmaassen. 257 Gliedmaassen der T r a c h e a t e n . § 186. Die Gliedmaassen der Tracheaten unterscheiden sich von jenen der Krustenlhiere durch den Mangel der Gabeltheilung, so dass sie aus einer einfachen Reihe von Gliedstücken sich zusammensetzen. Alle Tracheaten zeichnet ferner ein einziges Antennen paar aus, worin auch die Pöcilopoden ihnen sich anschliessen. Diese Antennen sind bei den Pöcilopoden wie bei den Arachniden den Mundorganen zugetheilt, bei den Scorpionen als Scheerenlaster (Scheerenkiefer), bei den Spinnen als Kieferfühler (Klauenfühler) bezeichnet. Ungeachtet dieser Bezieh- ungen sind diese Gebilde den Antennen der Myriapoden und Insecten homolog, indem sie wie diese ihre Nerven vom oberen Schlundganglion empfangen. In Anpassung an zahlreiche Leistungen im Dienste mit ihnen verbundener Sinnesorgane bieten sie bei den Insecten höchst mannichfaltige Ausbildung dar. Ventrale Gliedmaassen erscheinen gleichartig angelegt und lassen damit die auftretende Sonderung als einen später erworbenen Zustand erkennen , mit dem sie verschiedenen Leistungen gemäss in verschiedene Formzustände treten. Vorderen Metameren angehörige Gliedmaassen gehen wieder in Mundorgane über, hinteren zugetheilte in Füsse, und an den letzten Metameren erleiden die Gliedmaassen voll- ständige Rückbildung und treten oft nicht einmal in der Anlage auf. Im Ganzen ist die Zahl dieser Gliedmaassen viel beschränkter als bei den Krustenthieren , und innerhalb der Classen hält sie sich stets in feststehenden Grenzen, und die Zahl der Mundgliedmaassen, wie die der Füsse ist constant. Den Arachniden kommt nur ein einziges Paar solcher Mundgliedmaassen zu. Es stellt bei den Spinnen die einen mehrglied- rigen Taster tragenden Kinnladen vor, die bei den Scorpionen den Scheerenfüssen, bei den Phryniden den mit einem mächtigen Haken be- waffneten »Tastern« entsprechen. Die Milben besitzen die beiderseitigen Stücke zu einer rinnenförmigen Unterlippe verbunden , in welcher die stiletförmigen Kiefergebilde geborgen sind. Die vier übrigen Glied- maassenpaare stellen Füsse vor, deren erster bei den Phryniden geissei- förmig gestaltet ist. Bei den Myriapoden stimmen die Mundgliedmaassen mit denen der Insecten überein. Von drei Paar Anhängen bildet das erste meist starke zangenartig gegeneinander wirkende Kiefer, das zweite stellt bei den Ghilopoden ein Maxillenpaar vor, indess das dritte zu einer Unterlippe sich verbindet. In diese geht bei den Chilognathen auch das erste Maxillenpaar ein. Alle übrigen Gliedmaassen stellen Füsse dar, die zuerst in drei Paaren auftreten, hinter welchen dann neue hinzukommen , so dass jedem Leibesmelamer ein Paar Füsse — bei Gegenbaur, Uruudriss, 4 7 258 Arthropoden. den Ghilognathen mit Ausnahme der vorderen Metameren — sogar je 2 Fusspaare — zukommen (Diplopoden). § «87. Aus der ursprünglich gleichartigen Gliedmaassenanlage (vergl. Fig. 110. A) sondern sich bei den Insecten Antennen, Mundorganc und Füsse (Fig. HO. B) . Die Mundorgane bilden gegeneinander wirkende Kiefertheile , von denen die beiden hinteren Paare (Maxillen) in be- wegliche, dem ersten Paare fehlende Fig. iio. Anhänge, Taster, forlgesetzt sind. Sie stellen Kauorgane vor. Durch das Ver- wachsen des zweiten Maxillenpaares zu einerUnlerlippe, derdie Taster als Lippen- tasler ansitzen, entstehen fernere Modifi- calionen. Die Verschmelzung ist unvoll- ständig bei den meisten Pseudoneurop- teren , z. B. bei den Libellen, den Heuschrecken, oder sie ist vollkommen wie bei den Coleopteren. Noch bedeutendere Modifikationen ent- stehen an diesen Theilen mit der An- passung ihrer Function an eine andere Art der Nahrungsaufnahme , mittels Saugen. DieHymenoptern, deren Mund- theile in beiderlei Richtung fungiren können , zeigen die Organe noch in ziemlich derselben Form wie andere In- secten mit Kauorganen, aber die Maxillen sind bedeutend verlängert und ebenso die Unterlippe mit ihren Tastern. Auf ihrer gegen die Mundöffnung gerichteten Fläche ist ein Vorsprung, die Zunge, entstanden, der an seiner Basis noch zwei seitliche An- hänge, Nebenzungen, zeigt. Bei Manchen kommt den letzteren eine der Zunge ähnliche Ausdehnung zu. Minder leicht sind die Mundtheile der ausschliesslich saugenden Insecten von den Kauwerkzeugen ableitbar. Hemiplera und Diptera besitzen die Mandibeln und Maxillen in Borsten umgestaltet, von denen die Maxillenborsten bei vielen Dipteren rudimentär sind. Die Unterlippe bildet für diese Borsten eine bei Hemipteren gegliederte, bei Dipteren meist weiche Scheide, welche noch die Lippentaster oder deren Rudimente trägt. An der kurzen Oberlippe sitzt ein den Hemipteren fehlendes Zungen- rudiment. Die Mundorgane der Schmetterlinge sind in einer andern Fig. HO. Entwickelungsstadien von Hydrophilus piceus in ventraler Ansicht. A Ein früheres, B ein späteres Stadium. Is Oberlippe, at Antenne, md erstes Mundgliedmaassenpaar (Mandibel). mx Zweites Paar (Maxille). li Drittes Paar (Unterlippe), p' p" p'" Füsse. (Nach Kowalewski.) Gliedmaassen. 259 Richtung diflerenzirt. Hier bilden die rinnenförmig gestalteten, zu einer Röhre verbundenen Maxillen einen meist beträchtlich langen , spiralig einrollbaren Rüssel, an dessen Rasis kleine Kiefertaster sich vorfinden, die von den meist grossen Tastern der kurzen rudimentären Unterlippe bedeckt sind. Während die Mundgliedmaasseil den zum Kopfe verschmelzenden Melameren zugelheilt sind , erscheinen die folgenden Gliedmaassen als Fiisse, als Anhangsgebilde der drei nächsten oder thorakalen Metameren. Die an ihnen auftretende Gliederung ergibt sich bei ihrer Ueberein- stimmung als eine gemeinsam ererbte und nur an den der Anpassung zugänglicheren Endabschnitten sind bedeutendere Differenzen wahr- nehmbar. Andere Eigenthümlichkeilen stellen sich als Ausdruck man- nichfalliger Anpassungen an modificirte Verrichtungen dar. Obwohl drei Fusspaare conslant sind , so ist doch bei vielen In- secten eine grössere Zahl in der Anlage erkennbar, woraus auf eine Abstammung von mehrfüssigen Formen geschlossen werden kann. Von diesen hinter den drei Thorakalfüssen befindlichen Fussrudimenten erlangen einzelne eine bedeutendere Entfaltung und werden , wenn auch nicht so hochgradig wie die vorderen ausgebildet, doch während gewisser Entwickelungsstadien in locomotorische Function gestellt, wie die sogenannten Aflerfüssc der Schmetterlings- und Rlattwespenlarvenr oder sie stellen nicht locomotorische Anhänge vor, wie bei manchen Käferlarven oder ausgebildeten Zuständen der letztern. § 188. Ausser den Antennen treten dorsale Gliedmaassen unter den Tracheaten nur bei den Insecten auf. Da sie stets den hinter dem Kopfe befindlichen Metameren zukommen, empfangen sie — wie sämmt- liche ventrale Gliedmaassen — ihre Nerven vom Rauchstrange. Ob sie mit den bei Crustaceen sich nicht selten von den Füssen entfer- nenden und selbständig den Metameren angefügten Kiemen verwandt sind, ist in hohem Grade zweifelhaft, und schwerlich dürften sie von jenen her sich ableiten, woraus eine selbständige Rehandlung dieser Organe sich rechtfertigt. Die dorsalen Gliedmaassen erscheinen als blatt- oder fadenförmige, zuweilen in Rüscheln gruppirte Fortsätze der Metameren im Wasser lebender Larven der Ephemeriden, Perfiden, Phryganiden u. a. Diese Anhangsgebilde besitzen respiratorische Function , und werden wegen der in sie eintretenden Tracheen, als Tracheen-Kiemen bezeich- net. Sie besetzen den Körper meist in grösserer Ausdehnung. Die blattartig verbreiteten Formen werden in einer für den Wasserwechsel wichtigen Rewegung getroffen, ähnlich den respiratorischen Gliedmaassen der Phyllopoden , ohne dass sie jedoch locomotorische Reziehungen erkennen liessen. 17* 260 Arthropoden. Mit den blattförmigen Tracheenkiemen müssen die Flügel homolog gelten, die sowohl in der Anlage, wie in der Verbindung mit dem Körper und in ihrem Bau viele Ueberstimmung zeigen. In ihrer Beschränkung auf das 2te und 3te Thorakalsegment würden sie Beduclionen der Zahl der Kiementracheen vorstellen. Die Nolhwendigkeit der Voraus- setzung, dass der Flügel nicht als solcher entstand, sondern aus einem in anderer Function stehenden Organe sich hervorbildete, gibt bei der Vergleichung mit den Kiementracheen gleichfalls einen Factor ab. In manchen Fällen gibt sich die Gliedmaassennatur der Flügel in einer Gliederung kund, die nur als Anpassung gelten kann. Sie findet sich an dem einschlagbaren 2ten Flügelpaare der Coleopteren und der Forfi- culiden, in beiden Fällen mit der Umwandlung des ersten Paares in Flügeldecken zusammenfallend. Beide Flügelpaare besitzen die gleichartigsten Verhältnisse bei den Pseudoneuropteren. In den übrigen vierflügligen Ordnungen sind sie grösseren Diflerenzirungen unterworfen. Ausser Grössenverschieden- heiten , die schon bei Hymenopteren und Lepidopteren meist in einem Ueberwiegen des ersten Paares sich zeigen , ergeben sich noch Modifi- cationen im Bau , wodurch ein geänderter functioneller Werth sich ausspricht. Bei den Orthopteren erscheint das erste Flügelpaar häufig nur als Deckorgan des zweiten , deutlicher bei den Käfern , deren zweites Paar häufig rudimentär wird. Die Flügeldecken sind dann zu Schutzorganen des unter ihnen geborgenen Abdomens geworden. Die Hemipteren bieten eine ähnliche Difterenzirung. Nur das vordere Flügelpaar besitzen die Dipteren, bei denen ein hinteres Paar noch spurweise in den sogenannten Schwingkölbchen (Halteren) sich fort- erhält. Dagegen besteht nur das hintere, am dritten Thorakalseg- mente befestigte Flügelpaar bei den Slrepsipteren. Integument und. Hautskelet. § 189. Das Integument der Arthropoden erscheint selbständiger und un- abhängiger von der Muskulatur und lässt stets zwei Lagen unterscheiden. Die von einer Zellschichte oder einem Syncytium abgeschiedene Cuticularschichte überzieht im Anschlüsse an die bei vielen Würmern be- stehenden Befunde die gesammte Oberfläche des Körpers, und setzt sich an den Oefl'nungen innerer Organe als Auskleidung letzlerer fort. Durch ihre Mächtigkeil bildet sie den bedeutendsten Theil des Integu- mentes, an Dicke und Festigkeil ausserordentlich wechselnd. Weich und biegsam ist sie zwischen den Körpersegmenten, wo dieselben be- weglich mit einander verbunden sind , fester dagegen zumeist an den Metameren selbst, sowie an den Gliedmaassen; im Allgemeinen bewegt sich ihre physikalische Beschall'enheit innerhalb einer grossen Breite, Integument und Hautsketet. 261 und von der weichen Körperhülle der Spinnen und der meisten In- sectenlarven, finden sich alle Uebergänge zu dem starren Panzer, der den Körper der meisten Krustenthiere, der Tausendfüsse, der Scorpione und unter den Insecten vorzüglich jenen der Käfer u. s. w. bedeckt. Der verschiedene Grad der Festigkeit hängt nicht blos von der Dicke der Cuticula , sondern vorzüglich von der Chitinisirung der Schichten derselben ab. Im neugebildeten Zustande erscheinen auch dicke Lagen noch weich, um erst mit dem Platzgreifen jener chemischen Veränderung an Resistenz zu gewinnen. Zur Erhöhung der Festigkeit dieses Chilin- panzers trägt bei vielen Kruste nthie ren , wie auch bei Myriapoden i die Ablagerung von Kalksalzen bei. Dieses Starrwerden der Cuticula setzt der Ausdehnung des Körpervolums beim Wachsthum eine Grenze, und daraus entspringt in jenen Fällen für die Zeit der Fortdauer des Wachs- thums ein in Intervallen wiederkehrendes Abwerfen der Cuticula — die Häutung — . Gemäss ihrer Entstehung zeigt die Cuticularschichte überall deut- liche Lamellen. In der Regel werden sie von Porencanälen durchsetzt, in welche Fortsätze der Matrix sich einsenken. Die relativ dünne Matrix der Cuticularschichte ist homolog der Epi- dermis anderer Thiergruppen. Obgleich sie in manchenFällen (Crusta- ceenj Pigmente einschliesst, ist sie in der Regel doch farblos, denn die Färbung der Gliederthiere rührt meist von Pigmentablagerungen in der äusseren Chitinhülle her. Unter dieser eigentlichen Epithelschichte (die auch als Hypoderm unterschieden wird] kommt noch eine Binde- gewebsschichle vor, welche jedoch im Vergleiche zur Cuticularschichte wie zur Matrix meist wenig entwickelt ist. § I 90. Durch erhöhte Festigkeit der abgesonderten Chitinschichten treten diese in eine neue Function und werden zu einem Hautskelete, welches nicht blos ein Schutzorgan für die in den Leibesraum gebette- ten Organe vorstellt, sondern auch zum Stützapparat wird, und der Leibesmuskulatur Ursprungs- und Insertionsstellen darbietet. Dieses Verhältniss erstreckt sich vom Körper auf dessen Gliedmaassen , deren Integument ebenfalls als Skelet fungirt. Die Entstehung grösserer ungleichartiger Abschnitte wirkt in mancher Beziehung umgestaltend auf das Hautskelet, indem sie Differenzirungen hervorruft. Solche sind durch Vorsprünge und Fortsatzbildungen des Hautskelets nach innen zu gegeben , welche sich besonders an den die als Mundwerk zeuge oder als Organe der Ortsbewegung fungirenden Gliedmaassen tragenden Abschnitten treffen und hier einen Zusammen- hang mit der Mächtigkeit der Ausbildung letzterer nicht verkennen lassen. Sehr entfaltet sind diese Fortsätze an der Kopfbrust der höhe- ren Krustenthiere. Auch fehlen sie nicht bei den übrigen Classen in den Gliedmaassen tragenden Abschnitten des Körpers. Sie finden sich 262 Arthropoden. besonders im Kopfe und Thorax bei manchen Insectenordnungen (Käfer, Hymenopteren, Orthopteren), wo ihr Complex als Endolhorax bezeich- net ward. Diese Theile bilden häufig einen Stützapparat für das Ner- vensystem und können dasselbe sogar auf einzelnen Strecken um- schliessen. Ihre Bedeutung läuft auf eine Vergrösserung der Muskel- ursprünge tragenden Binnentläche des Hautskelets hinaus. Als Skeletbildungen sind ferner die Schalen von Bedeutung, welche aus der Chilinbedeckung der Mantelduplicaturen mancher Branchiopoden sowie der Ostracoden hervorgehen, ebenso gehören hieher die Gehäuse der Cirripedien. Bei aller Verschiedenheit ihrer Form und Grösse bilden sie constante Einrichtungen. Zwei Paar Leisten oder Platten umschliessen den Eingang in die Mantelhöhle, und bilden einen beweglichen Deckel- apparat. Bei den Balaniden entwickeln sich unter den Lepadiden nur angedeutete Schalenstücke zu einem zusammenhängenden starren Ge- häuse (Fig. 104. ff), an welchem nur der den Eingang zur Mantelhöhle verschliessende Deckelapparat beweglich bleibt. § 191. Verlängerungen oder Fortsätze des Inlegumenles erscheinen mannich- fach als Stacheln. Borsten oder haarähnliche Bildungen, die bei Kruste n- thieren, Arachniden und Insecten in unendlich vielen Modifi- cationen vorkommen und bald innig und unbeweglich mit dem Chitin- panzer verbunden sind, dessen Auswüchse sie darstellen, wie die Borsten an gewissen Körpertheilen der Krustenlhiere, die Haare der Spinnen, Baupen u. s. w. , bald im ausgebildeten Zustande nur lose dem Körper ansitzen, wie die Schuppen der Schmetterlinge. In beiden Fällen steht die Chitinbekleidung des Fortsatzes mit dem übrigen lnte- gumente in continuiriiehem Zusammenhang. An den beweglichen An- hangsgebilden dieser Art findet sich an derVerbindungslelle ein weicherer Abschnitt der Chilinlage, während die Cuticula gleichartig auf die starren Fortsätze sich erstreckt. — Auch zu Stimmorganen werden Integumenlgebilde, wie Zähnchen und Leisten bei manchen Insecten (Heuschrecken , Cicaden) verwendet. Dem Integumente gehören Drüsenorgane an, welche aus Modi- ficationen der Lpidermisschichte sich ableiten. In geringerer Ver- breitung treffen sie sich bei den Krustenthieren, häufiger bei Insecten. Der secernirende Theil der Drüse besteht entweder nur aus einer ein- zigen Zelle, oder aus einer geringen Anzahl derselben, und der Aus- führgang wird grossentheils von Poiencanälen der Cuticularschichte dargestellt. Eine ansehnliche Entwicklung bieten die Hautdrüsen bei wachs- bereitenden Insecten an gewissen Körperstellen. Bei den Aphiden, mehr noch bei einzelnen Hymenopleren sind Gruppen von Hautdrüsen in wachsabsondernde Apparate umgewandelt. Fernere Differenzirungen Muskelsystem. 263 von Hautdrüsen stellen die Spinndrüsen der Araneen vor. Im Abdomen lagernde, auf mehreren Paaren unterhalb der Afteröffnung angebrachter Warzen (Spinnwarzen) ausmündende Drüsen liefern ein Secret, welches an der Luft zu einem Chitinfaden erstarrend den Faden des Gewebes der Spinnen bildet. Ein durch die Beschaffenheit seines Secretes ahnlicher Apparat findet sich bei den Larven vieler Insecten. In den Larven von Schmetterlingen, manchen Käfern und Hymenopteren liegt neben dem Darme ein Paar langer, meist gewundener Drüsenschlauche, deren dünne Ausführgänge an der Unterlippe vereint sich öffnen. Ihr Secret liefert den Seidenfaden der Gespinnste dieser Larven. Vor dem Ein- tritte des ruhenden Puppenzuslandes bieten die »Spinngefässe« (Seric- larien) den höchsten Grad ihrer Ausbildung dar; nach der Fertigung des Gespinnstes erliegen sie einer Rückbildung. Andere Drüsen erscheinen endlich durch ihr Secret als Gift- drüsen, z. B. bei Spinnen am Klauenfühler mündend, bei Scorpionen am Schwanzstachel , und vergrössern den Reichthum der aus dem Drüsenapparat des Integumentes gestalteten Difierenzirungen. Muskelsystem. § 192. Die Muskulatur bietet bei den Arthropoden nicht mehr jenes gleichartige Verhalten einzelner Rings- oder Längsfaserschichten wie am Uautmuskelschlauche der Würmer. Vielmehr ist eine Sonderuns; eingetreten , und wir treffen discrete Bündel aus einer verschieden grossen Summe quergestreifter Muskelfasern. Der Hautmuskelschlauch hat sich zu einem Complexe einzelner Muskeln umgebildet, die zusam- men ein Muskelsystem vorstellen. Da das Skelet der Arthropoden ein äusseres ist, nehmen die Muskeln Ursprungs- und Ansatzstellen im Innern der Hohlcylinder oder Cylinderabschnilte, als welche sich sowohl die Körper- wie die Gliedmaassensegmenle darstellen. Sowohl in der Zahl der einzelnen .Muskeln als in der mannichfachen Anordnung derselben bietet das Muskelsystem eine hohe Entwicklungsstufe, die immer der verschiedenartigen Bedeutung der Körpersegmente und der verschiedengradigen Ausbildung derselben entsprechend sich verhält und in gleicher Weise von der Muskulatur der Ringelwürmer diflerirt, wie diese durch die mehr homonome Metamerie von der heteronomen der Arthropoden sich unterscheiden. Bei einer Gleichartigkeit der Metarneren ist auch die Muskulatur derselben gleichartig, sowie durch die ungleichartige Entwicklung ein- zelner Metameren, sei es durch die Verschmelzung einiger oder meh- rerer derselben zu einem grösseren Körperabsehnitle oder sei es , dass durch Rückbildung eine entsprechend ungleichartige Anordnung der 264 Arthropoden. betreffenden Muskeln zu Stande kommt. Einen bedeutenden Einfluss auf die Entfaltung der Muskulatur besitzt die Ausbildung der Glied- maassen. Die zur Bewegung derselben (Füsse oder Flügel) dienenden Muskeln inseriren sich häufig an besondere, von den betreffenden Theilen der Chitinhülle jener Gliedmaassen nach innen gerichtete Fortsätze, welche sowohl als Verlängerungen der Hebelarme erscheinen . als auch zur Vergrösserung der Insertionsfläche dienen. Das Zahlenverhältniss der Muskeln sowie ihre Anordnuug erleidet bei den einer Metamorphose unterworfenen Arthropoden oft beträcht- liche Veränderungen. Dies gilt sowohl für die progressive als für die rearessive Form. Bei der ersteren ist die Veränderung eine Differen- zirung in ungleichwerthige Gruppen ; bei der letzteren eine Bückbil- dung grösserer Partieen, wie solches bei den parasitischen Crustaceen, auch bei festsitzenden Formen derselben, sich trifft. Nervensystem. § 193. Das Nervensystem der Arthropoden leitet sich von jenem der Würmer ab, indem es in seinen Grundzügen mit diesem vollständig im Einklang sich findet. Eine über dem Schlünde lagernde Ganglien- masse erscheint als K opfga ngl ion oder Gehirn, von welchem zwei Gommissuren den Schlund umgreifen, mit einem ventralen Ganglienpaare sich zum Nervenschlundring verbindend. Von den untern Gan- glien aus erstreckt sich eine durch Längscommissuren verbundene Beihe von Ganglien längs der ventralen Innenfläche des Leibes, die Bauch- ganglienkette. Das Ueberge wicht des Kopfganglions über die ven- tralen Ganglien, schon bei Bingelwürmern vielfach wahrnehmbar, wird bei den Arthropoden im Allgemeinen noch ausgeprägter, und dieser zum Theile durch die Beziehungen zu höher entfalteten Sinneswerk- zeugen bedingte Umstand lässt es begreifen, wenn man in der dorsalen Schlundganglienmasse etwas dem Gehirne der Wirbelthiere Aehnliches hat erkennen wollen. Von einer ähnlichen Anschauung geleitel, ver- glich man dann auch die Bauchganglien, als Bauchmark, mit dem Kückenmarke der Vertebralen, und hat diese Bestrebungen sogar noch weiter auszuführen gesucht. Diese Versuche ignoriren die gänzliche Verschiedenheil des bei Arthropoden und Wirbelthieren sich ausprägen- den Typus und müssen als verfehlte bezeichnet werden. Wenn wir daher das obere Schlundganglion als »Gehirn« bezeichnen , so soll da- mit keine exclusive Vergleichung mit dem so benannten Theil des Nervensystems der Vertebraten ausgedrückt sein, denn es ist wie jenes der Würmer dem gesammten Gentralnervensystem der Verlebraten ho- molog. Die Massenentfaltung des Gehirns steht, wie oben angedeutet, in Nervensystem. 265 directem Zusammenhang mit der Entwickelung der höheren Sinnes- organe, besonders der Sehwerkzeuge, und zeigt ihre Modificationen zum grossen Theile von diesen abhängig. Auch die Bauchganglienkette er- leidet wesentliche Modificationen, bei denen sich aber überall eine ge- setzmässige Abhängigkeit von dem Zustande der. Metameren des Kör- pers nicht verkennen lässt. Das Vorhandensein gleichartiger Metameren (bei vielen Kxustenthieren , den Myriapoden und Insectenlarven) be- dingt die Gleichartigkeit der Ganglien des Bauchstranges und eine gleichmässige Folge derselben. Bei vorwiegender Ausbildung einzelner Metameren trifft sich auch eine bedeutendere Entfaltung der bezüg- lichen Ganglien, sowie bei Concrescenz von Metameren (höhere Cr usta- ceen, Arachniden, Insecten) , auch an dem Bauchstrange des Nervensystems eine Annäherung einzelner Ganglien -Gruppen bemerk- bar ist, die nicht selten zur völligen Verschmelzung in mehrere grössere Ganglien oder zur Bildung einer einzigen grossen Bauchmarkmasse führt. Die Ganglien der Bauchganglienkette sind ursprünglich paarig, durch eine Quercommissur verbunden, wie bei den Ringelwürmern. Durch Verkürzung dieser Quercommissuren tritt eine Annäherung und endlieh eine jedoch mehr äusserliche Verschmelzung ein. Das peripherische Nervensystem entspringt aus den durch Ganglienzellen ausgezeichneten Anschwellungen des centralen, nämlich des Gehirns und der Bauchkette. Die Nerven treten entweder un- mittelbar aus dem ganglionären Abschnitte heraus, oder sie verlaufen noch eine Strecke weit mit den Längscommissuren, um erst von diesen abzugehen. Die höheren Sinnesnerven entspringen in der Regel von dem Ge- hirnganglion. Das gilt vorzüglich für die Nerven der Augen und der Antennen, nicht jedoch für die mannichfaltigen Hörorgane , welche bei sehr verschiedenartiger Lagerung mit verschiedenen Nerven verbunden sein können. Neben den für die Muskulatur und das Integument bestimmten Nerven gibt es noch solche für die Eingeweide, von denen die Darm- nerven am genauesten bekannt sind. Sie schliessen sich zum Theil an die bei den Anneliden bestehenden Einrichtungen an. Da ihrem Verlaufe eigene Ganglien eingebettet sind, stellen sie ein in gewissem Grade selbständiges Nervensystem vor, das man als »Mundmagennerven- system« bezeichnet. Ein besonderes , vorzugsweise bei den Insecten bestehendes Eingeweidenervensystem nimmt seine Wurzeln von den Ganglien des Bauchmarks, und ist als sympathisches Nervensystem bezeichnet worden. § 194. Für die im vorigen § aufgeführten Erscheinungen bieten sich am Nervensystem der Grustaceen zahlreiche Beispiele dar. Die Aus- bildung des Gehirnes in Abhängigkeit von der Entfaltung der Seh- 266 Arthropoden. Werkzeuge zeigt sich sowohl bei den Thoracostraken , wie unter den Arthrostraken bei den grossäugigen Hyperiden (Phronima), deren Seh- p.erven aus besonderen, übrigens auch bei den Asseln unlerscheidbaren Lappen hervorgehen. Eine Sonderung der Gehirnrnasse in einzelne Gangliengruppen tritt im Allgemeinen als Ausdruck höherer Differenzirung auf. Diesem Verhalten stellen sich die Rückbildungen gegenüber, welche das Gehirn bei einer Reduction oder gänzlichem Verluste der Sehorgane erleidet, womit meist auch ein Schwin- den der Antennen verbunden ist. Sowohl bei den parasitischen Cope- poden wie bei den Cirripedien (Fig. 11:2. B. gs) finden sich solche Zu- stände, denen zufolge das Gehirn in einzelnen Fällen nur durch eine Com- missur repräsentirt erscheint. Was die Rauchganglien betrifft, so ist das vorderste derselben durch eine sehr verschieden lange Commissur mit dem Gehirne in Zusammenhang. Die Länge dieses Stranges erscheint von der Lagerung des Mundes in Re- zug auf die Gehirnganglien (resp. zu den Augen und Antennen) abhängig. Sehr bedeutend ist die Länge bei den Malacostraken (Fig. III. c, Fig. A 12. A), auch bei manchen niederen Kru- stenthieren, z. B. Cirripedien (Fig. III. B. c) , während bei anderen wieder eine so bedeutende Verkür- zung besteht, dass Gehirn- und Bauchganglien eine einzige, vom Oeso- phagus durchsetzte Nerven masse bil- den (z. R. bei CorycaeTden). Die Vertheilung der Ganglien der Rauchkette nach den einzelnen Metameren erscheint am gleichmässigslen bei den Phyllopoden, die darin am wenigsten von primitiven Verhältnissen sich entfernt haben. Der Bauchstrang wird hier aus einer grossen Anzahl von Ganglienpaaren N/V^ Fig. Hl. Nervensystem von Squilla. 0 Augen, a' Erstes, a" zweites Antennenpaar, p Kangfüsse, mit einschlagbaren Endgliedern versehen, p' Ruder- füsse, das letzte Paar der Hissartigen Anhänge geht in die Schwanzflossenbildühg ein. in Muskeln. ~. Larvenzustande in den vollkommenen treten Aenderungen auf. Die vorwiegende Ausbildung einzelner Metameren , die innige Vereinigung anderer zu grösseren einheitlichen Körperabschnitten, die bedeutendere Entfaltung der nur an wenigen Metameren fortbestehenden Gliedmaassen und die daselbst entstandene mächtigere Muskulatur, sowie zahlreiche untergeordnetere Einrichtungen, müssen mit den Umwandlungen des Nervensystems in Wechselwirkung gedacht werden. Der Verminderung der Ganglienzahl durch Verkürzung der Längscommissuren und die damit auftretende Verschmelzung einzelner Ganglien ruft eine Verkür- zung des gesammten Bauchstrangs hervor. Bei der Selbständigkeit, welche der Kopf des Insects den übrigen Segmenten gegenüber behält, bleibt auch das erste in den Kopf gebettete ursprünglich aus dreien bestehende Ganglion (unteres Schlundganglion (Ganglion infraoesopha- geum) des Bauchmarks ausser Betheiligung bei den die übrigen Ganglien betreffenden Concrescenzen, und nur in selteneren Fällen — bei durch Parasitismus verkümmerten Insecten — findet eine Vereinigung auch dieses Ganglions mit dem übrigen Bauchmarke statt. Fig. 114. Nervensystem von Insecten. A von Ter nies (nach Lespes). B eines Käfers (Dytiscus). C einer Fliege (nach Blanchard). gs Oheres Schlund- ganglion (Gehirnganglion), gi Unteres Schlundganglion, gr g2 gs Verschmolzene Ganglien des Bauchmarks, o Augen. Nervensystem. 271 Dns Gehirnganglion (Fig. 111 A B C ys) zeigt fast immer deutliche Scheidung auf zwei Hälften, deren jede wieder aus einzelnen kleineren oft complicirt gebauten Ganglienmassen sich zusammensetzt. Die ursprünglich paarigen Ganglien des Bauchmarks gehen meist innige Verbindungen ein. Dagegen erhalten sich die Längscommissuren, auch bei dichter Aneinanderlagerung, doppelt. Eine Scheidung des Bauch- stranges in einen oberen und unleren Abschnitt entspricht einer func- tionellen Differenzirung. Das erste Ganglion des Bauchmarks entsendet Fäden für die Mundorgane. Die darauf folgenden drei im sogenannten Thorax liegen- den Ganglien geben vorzugsweise die Nerven für die Gliedmaassen — Füsse und Flügel — ab, und ergeben sich demgemäss von bedeuten- derer Grösse. Dagegen sind die folgenden Ganglien in der Begel un- ansehnlich, und nur das letzte macht eine Ausnahme, indem es ent- sprechend seiner Beziehung zu dem Geschlechtsapparate grösseren Unifanges ist. Bezüglich der einzelnen Ordnungen ist hervorzuheben , dass die Pseudoneuroplera die geringsten Veränderungen darbieten. Ihr Bauch- mark durchzieht die Länge des Körpers, und ausser den drei Thorakal- ganglien sind noch 5 — 9 Abdominalganglien vorhanden. (Vergl. Fig. 114. A.) Daran schliessen sich die Orthopteren mit 5 — 7 Abdominal- ganglien. Grosse Verschiedenheit bieten die Goleopteren dar. Bei den einen erstreckt sich das Bauchmark bis zum Ende des Abdomens, zuweilen mit 8 einzelnen Ganglien z. B. bei Cerambyciden, Carabiden u. a.), bei anderen dagegen sind nicht blos die 3 Ganglien des Brust- abschnittes durch zwei dargestellt, indem das zweite und dritte ver- schmolzen , sondern es sind auch die abdominalen Ganglien zu einer Masse verbunden , die dem vorhergehenden Ganglion unmittelbar folgt (Curculioniden und Lamellicornier). Zwischen diesen die Extreme repräsentirenden Zuständen finden sich bei anderen Familien vielerlei Verbindungsglieder vor. Bei den Hymenopteren treffen wir meist eine Beduction der Thorakalganglien auf zwei, wogegen der abdominale Theil des Bauchstranges häufig fünf oder sechs getrennte Ganglien aufweist. Diese reduciren sich jedoch bei vielen auf i — 3, ja sogar bis auf eines. Der abdominale Theil des Bauchmarks rückt bei den Hemipteren in den Thorax, und wird hier durch eine Ganglienmasse dargestellt, die mit den gleichfalls einfachen Thoracalganglien bald durch eine kürzere, bald durch eine längere Commissur verbunden ist. Die für das Abdomen bestimmten Nerven nehmen demnach einen längeren Verlauf und bilden zwei vom letzten Ganglion entspringende Längs- stämme. Eine ähnliche Verschiedenheit der Ganglienzahl des Bauch- marks wie bei den Käfern und Hymenopteren herrscht bei den Dip- teren, wo die Abdominalgauglien bis auf 6 sich erheben, aber auch bis auf eines reducirt sein können (Fig. III. C). Daran schliesst sich die völlige Verschmelzung des Bauchmarks zu einem einzigen länglichen 272 Arthropoden. Knoten bei den schmarotzenden Pupiparen. Aehnliches bietet sich bei den Strepsip leren dar. Was die Lepidopleren betrifft, so be- steht hier grössere Einförmigkeit , indem sowohl bei den Larven eine constante Ganglienzahl sich trifft , wie auch bei der Umwandlung in den Schmetterling der gleiche Modus der Verschmelzung im Wesent- lichen überall zu herrschen scheint. (Vergl. Fig. 121, 122, 123. n.) Fig. 115. § 197. Das Eingeweidenervensystem der Arthropoden lassl in der grossen Mannichfaltigkeit der einzelnen Bildungen doch manche gemein- same Einrichtungen wahrnehmen. Unter den Cruslaceen sind es von der Schlundcommissur zum Darme tretende Nervenfädchen, die dort meist unter Ganglienbildung verschmelzen , oder es ist das Bauchmark , von dem ein Nerv zum Darmcanal tritt. (Bei Aslacus aus dem letzten Ganglion des Bauchmarks.) Auch bei den Arachniden ist es nur theilweise erkannt. Vom Gehirn ausgehende Nerven treten auf den Oesophogus , und bilden zu- weilen dort ein Ganglion, und von Bauchgan- glien der Spinnen und Opilioniden ausgehende Nerven verlaufen auf den hinteren Theil des Darmes , sowie zu den Geschlechtsorganen , bei Opilioniden mit zahlreichen Ganglien ausgestattet. Bei den Insecten und Myriapoden zerfallt das Eingeweidenervensystem in mehrere Ab- schnitte. Der eine bildet das sogenannte paarige System, welches aus zwei vom Gehirnganglion nach hinten zur Seite des Oc. jphagus verlaufen- den Stämmchen besteht, durch die jederseits eine einfache Ganglienkette (Fig. 115. s' s") ge- bildet wird. Die Zahl dieser Ganglien wechselt, und es ist wegen ihrer plexusartigen Ver- bindung mit dem unpaarigen Systeme oft schwer zu entscheiden, welche davon dem einen oder dem anderen Systeme angehören. Das unpaarige System (Fig. 115. r r') hat seinen Ursprung in einem vor dem Kopf- ganglion (Gehirn) liegenden Ganglion, welches mit letzterem in ein- oder mehrfacher Verbindung steht. Von erwähntem Ganglion aus ver- läuft ein stärkerer Nerv (r) rückwärts über den Oesophagus bis zum Magen herab und bildet mit den Zweigen des paarigen Abschnittes ein Fig. 115. Oberes Schlundganglion nebst Eingeweidenervensyslem eines Schmetterlings (Buinbyx Mori). g s Oberes Schlundganglion (Gehirn), a Fühler- nerv, o Sehnerv, r Unpaarer Stamm des Eingeweidenervensystems, r' Dessen Wurzeln aus dem oberen Schlundganglion. s Paariger Nerv mit seinen Ganglien- anschwellungen s' s" . (Nach Brandt.) Sinnesorgane. Tastorgane. 273 Geflechte, aus dein die benachbarten Theile, vorzüglich jene des Ver- dauungsapparates, versorgt werden. In manchen Insecten bildet jener Nerv (N. recurrens) ein einziges Ganglion (Käfer und Orthopteren), bei anderen mehrere (Schmetterlinge). Mit diesen Geflechten steht noch ein anderes System von Nerven- stämmchen in Verbindung, welches vorzüglich für die grösseren Tracheen- äste und die Muskulatur der Stigmen bestimmt ist. Diese Einrichtung kommt durch ein auf der Oberfläche der Bauchkette verlaufendes Nervenfädchen zu Stande , welches sich vor jedem Ganglion gabel- förmig in zwei Aesle spaltet (Nervi transversa accessorii). Die Aeste nehmen von dem oberen Strange der Bauchkette Nervenzweige auf und verlaufen theihveise nach aussen zu den Tracheenstämmen und der Muskulatur der Stigmen , theihveise nach hinten , wo sie dann in der Mitte zusammentreffen, um am nächsten Ganglion wieder in gleicher Weise sich zu verhalten. Sinnesorgane. Tastorgane. § 198. Nur wenige lassen keine solche Verbindung Fie. 116. Die Sinnesorgane der Arthropoden schliessen sich grösstenteils an jene der Würmer an. erkennen und sind als erst innerhalb dieser Abiheilung zu Stande gekommene Einrichtungen anzusehen. Die panzerartige Körperdecke der meisten Arthropoden ruft zur Vermittelung der Tastempfindung be- sondere Apparate hervor, deren Formele- mente mit Ganglienzellen verbundene stäb- chenförmige Nervenendigungen vorstellen. An den verschiedensten Stellen des Körpers verbreitet, bilden diese Endorgane indifferente Sinneswerkzeuge, die an be- stimmten Theilen sich zu Tastappa- ralen gestalten. Vergl. Fig. 116. Solche Organe sind im Allgemeinen vorzüglich auf Fortsatzbildungen des Körpers vertheilt, und lassen dort stäbchenförmig vorragende Endigungen erkennen (Leydig) Die Glied— maassen, und von diesen wieder die An- tennen sind im Allgemeinen der Vorzugs- weise Sitz dieser Organisation. Fig. 116. Nervenendigung mit Taststäbchen vom Rüssel einer Fliege, n Nerv. g Ganglionäre Anschwellung, s Taststäbehen, c Feine Härchen der Cutieula. (Nach Leydig.) Gegenbaur, Gruiuhiss. 1 8 274 Arthropoden. In der Abiheilung der Grustaceen sind diese Ta s Istäbchen in grosser Verbreitung erkannt worden, und zwar nicht blos an Antennen, besonders der niedern Grustaceen , sondern ebenso auch an andern Anhangsgebilden des Körpers. Bei Myriapoden und Insecten sind Taststäbchen an den Antennen, bei den letzteren auch an den Tarsal- gliedern der Füsse anzutreffen. Ausser diesen Taststäbchen finden sich an den Antennen von Krusten thieren und Insecten noch besondere den Taststabchen ähnliche Gebilde, zuweilen von bedeutender Aus- dehnung vor, die auf dieselbe Weise wie die Taststäbchen mit Nerven versorgt werden. Bei den Grustaceen finden sie sich nur an dem inneren (vordem) Antennenpaare. Bei den Insecten sind sie weit kürzer und von konischer Gestalt. Die Localitäten ihres Vorkommens, sowie der Umstand, dass sie von längeren indifferenten Borsten über- ragt werden, oder in Vertiefungen sitzen, macht es wahrscheinlich, dass diesen Organen eine andere Verrichtung zukommt, und es liegt nahe, an die Geruchs w ah rn eh in ung zu denken, oder doch an eine dieser nahe stehende Empfindung. Somit würden also die An- tennen durch Differenzirung besonderer Nervenendigungen eine mehr- fache Function verrichten, und nicht blos dem Tastsinne vorstehen. liürorgan e. § 199. Hororgane sind bei den Arthropoden nur in beschränkter Weise bekannt geworden, indem man bei den Myriapoden und Arachniden jede Spur davon vermisste, bei K rüsten th i eren und Insecten dagegen nur in einigen Abtheilungen solche Organe nach- weisen konnte, die zur Schal lempfmdung geeignet erscheinen. Es sind vorzüglich zwei Organformen, welche sich streng nach dem Medium, in dem die Thiere leben, vertheilen. Die eine Form findet sich bei Krusten thieren und besteht aus einem sackartigen, durch eine Einstülpung des Integumentes gebildeten Baume, der bald offen bleibt, bald sich schliesst. Durch den Zusammenhang mit dem Inte- gumenle sind diese Vorrichtungen von den Ilörorganen anderer wirbel- loser Thiere verschieden. Diese Horb lasen liegen bei den meisten höhern Kruslenthieren am Basalgliede der inneren Antennen. So bei Leucifer, Sergestes und anderen Malacostraken. Sie können auch an anderen Körpertheilen vorkommen. So liegen sie bei den Mysiden in den beiden inneren Lamellen des Schwanzfächers. In den Hörblasen finden sich feste Gebilde vor, Otolithen, welche bei den geschlossenen Hörblasen (bei Mysis und Ilippolyta) aus einem Concremente bestehen, weiches von feinen, in regelmässiger Weise angeordneten Härchen (a) festgehalten wird. Bei den offenen, unter den Deeapoden sehr verbreiteten, aber auch den Scheerenasseln (Tanais) zukommenden Hörblasen finden Hörorgane. 2/5 sich manche Complicationen in der Ausmündung. Die Stelle der Olo- lilhen wird hier durch von aussen eingebrachte Sandkörnchen vertreten, welche von bestimmten von der Hörblasen wand entspringenden Haaren in regelmässiger Weise befestigt werden. (Hensen.) Diese sind andern Haaren des Integumentes ähnlich, aber dadurch ausgezeichnet, dass ihr Schaft nur indirect mit dem Boden der Hörblase verbunden ist, indem er grössentheils auf einem zarten membranösen Vorsprunge steht, zu welchem Endigungen von Nerven treten. Sie stimmen dadurch mit den stäbchenförmigen Fortsätzen überein, welche bei den Mysiden den Otolithen tragen, denn auch zu diesen tritt der Nerv. Der Hörnerv ist bei den Vorgenannten ein Zweig der innern Antennenerven , wo die Hörblase der inneren Antenne eingebettet ist. Beide Gebilde stellen somit Endapparate von Nerven vor, welche durch Erschütterungen des von ihnen getragenen festen Körpers (Otolithen) in Schwingungen ver- setzt werden, und dadurch eine Nervenerregung vermitteln. Die Gesammteinrichtung dieser merkwürdigen Apparate lehrt uns, wie die Hörorgane aus einer Differenzirung indifferenter, mit dem Inle- gumente verknüpfter Empßndungsorgane hervorgehen. Die Hörhaare sind nur Modificationen anderer, Nervenendigungen bergender »Haare« des Integuments, wie sie auch an freien Körperstellen vorkommen können (Taststäbchen). Die Bildung der ungeschlossenen Hörblasen oder der »Hörgruben« repräsentirt dann eine zweite Stufe jener Diffe- renzirung, und in der Umwandlung in eine geschlossene Blase ist für diese Erscheinung ein weiteres Stadium ausgedrückt. § 200. Die andere Form von Hörorganen besteht bei Insecten, wo sie allerdings nur bei einer kleinern Anzahl nachgewiesen ist. Vorzüglich sind es die auch mit Slimmorganen begabten Orthopteren, die ein Organ zur Aufnahme von Schalleindrücken erkennen lassen. Die all- gemeine Einrichtung besieht in einer trommelfellartig an einem festen Chitinring ausgespannten Membran, mit der einen Fläche nach aussen, mit der anderen nach innen gekehrt. An der Innenfläche lagert eine Tracheenblase, und auf dieser oder auch zwischen ihr und dem »Tym- panum« findet eine ganglionäre Nervenausbreitung statt, von welcher eigenthümlich modificirte Nervenendigungen in Gestalt von kleinen keulenförmigen Stäbchen mittelst feiner Fäden entspringen. Sowohl das Tympanum als die Tracheenblasen dienen als schallleitende Organe. Die pereipirenden Organe werden durch die in bestimmter Anordnung gelagerten Nervenendigungen vorgestellt. Bei den Acridiern liegt das Organ im Metalhorax dicht über der Basis des dritten Fusspaares und empfängt seinen Nerv vom dritten Bruslganglion. Die Locustiden und Acheliden besitzen das Organ in den Schienen der beiden Vorderfüsse verborgen. Bei den ersteren liegt auf beiden Seilen des genannten 18* 276 Arthropoden. Fusses ein Tympanum, entweder oberflächlich oder im Grunde einer Höhlung, die vorne mit einer einzigen Oeflhung ausmündet. Den Raum zwischen beiden Tympanis nehmen zwei Tracheenslämme ein, von denen einer den Nervenendapparat in Gestalt einer Leiste trägt. Bei Locusta wird diese Ilörleiste von einer Reihe gegen das eine Ende zu allmählich kleiner werdender Zellen gebildet, deren jede ein ent- sprechend grosses »Stäbchen« umschliesst. An der äussern Seite der Vorderbeinschienen liegt das Typanum der Achetiden. An diese in ihrem ganzen Baue als Hörwerkzeuge sich darstellen- den Organe reihen sich andere, deren Natur minder sicher bestimmt ist; doch lässt das Vorkommen derselben stiftartigen Körper als En- digungen von Nerven diese Organe wenigstens den Hörapparaten bei- zählen, sowie auch in der ganglionären Ausbreitung der bezüglichen Nerven längs eines Tracheenstammes eine Verwandtschaft ausgesprochen ist. Die Nervenenden richten sich gegen das Integument, dessen Chitinschichte anstatt eines Tympanums stets dichte Gruppen von feinen Porencanälen besitzt. Solche Organe sind bis jetzt in der Wurzel der Hinterflügel von Käfern , sowie an der Schwingkolbenbasis von Dipteren nachgewiesen. Beide Formen von Gehörorganen der Arthropoden sind zwar im Einzelnen ihrer Ausführung von einander bedeutend verschieden, allein es besteht dennoch ein Zusammenhang, indem in beiden Fällen die chili- nogene Zellenschichte die Trägerin abgibt für die eigenthüm liehen Endorgane, welche bei den Crustaceen mit Fortsätzen des Integuments, den Hörhärchen, in Verbindung treten, indess sie bei den Insecten, zu jenen Stiftchen umgebildet und damit in anderer Richtung difle- renzirt, innerhall) des Hautskelels und ohne Beziehungen zu Fortsätzen desselben verharren. Aus der Verschiedenheit der Localität dieser Organe geht der Mangel einer Homologie derselben hervor, aber auch ein neuer Beweis für die Entstehung complicirlerer Organe aus einer allgemein im Integumente verbreiteten Anlage. Sehorgane. §201. Die Seh werk zeuge der Arthropoden erscheinen theils in der- selben Beschaffenheit wie bei den Würmern , theils stellen sie weiter vorgeschrittene Bildungen vor, die sich aus wesentlich denselben aus dem Integumente (Ectoderm) hervorgehenden Elementen zusammen- setzen. Wie bei den Würmern ist die Lage der Augen am Kopfe ; nur ganz selten tragen auch andere Körperlheile Sehorgane, z. B. bei manchen Krebsen (Euphausia). Wir unterscheiden am Auge den percipi- renden t heilweise von Pigment umgebenen Apparat, dann als äussere Umhüllung einen häulig zu einem lichtbrechenden Organe modilicirten Theil des Integumentes. Sehorgane. 277 Der percipirende Apparat besteht wieder aus stäbchenartigen Ge- bilden, die in Form einer Keule, eines Kegels oder eines mehrseitigen Prisma's sich darstellen .(Fig. 117. Cr) und mit den Endfasern des Sehnerven in Zusammenhang stehen. Sie erscheinen dadurch als End- apparate. Die Beschaffenheit dieser »Krystallstäbchen« ist an den ein- zelnen Abschnitten verschieden. Am vorderen freien, derAussenwelt zu- gewendeten Ende erscheinen sie stark lichtbrechend, und gegen ihr inneres centrales Ende nehmen sie allmählich die Eigenschaften der Nervenfaser an. Der Zusammenhang des centralen Theiles mit dem peripherischen wird jedoch sehr verschieden aufgefasst. Ausserdem finden sich an und in ihnen noch manche andere Differenzirungen vor. Eine körnige Pigment- schichte bildet fast immer die äussere Hülle, welche scheidenförmig die Stäbchen umfasst und nur das vordere , in der Regel gewölbte Ende des Krystallkegels frei lässt. Ein besonderes lichtbrechendes Organ wird durch das Integument gebildet. Dasselbe geht in allen Fallen pigmentfrei über das Auge hinweg, ist daher hell und durchscheinend, so dass es die Stelle einer »Cornea« vertritt. In vielen Fällen zeigt diese Schichte eine beträcht- liche nach innen convexe Verdickung, wodurch sie zum lichtbrechen- den Organe wird, und dies in höherem Grade in jenen Fällen, wo sie auch nach aussen sich hervorwölbend , einer Linse ähnlicher ge- staltet erscheint. Möglich ist, dass die lichtbrechendc Eigenschaft des peripherischen Endes der Krystallstäbchen hier gleichfalls in Bedacht kommt. Als Accomodationsapparat sind sowohl bei Krustenthieren als Insecten beobachtete Muskelfasern zu deuten, welche längs der Krystall- stäbchen verlaufend, ohne Zweifel auf letztere einwirken können. Aus den verschiedenen Graden der Betheiligung der vorerwähnten Gebilde an der Zusammensetzung eines Auges entstehen mannichfaltige Gombinationen, aus welchen ich die Hauptformen hervorhebe : I. Augen ohne lichtbrechende Cornea. 1) Einfaches Auge. Jedes Auge wird nur von Einem Krystall- stäbchen gebildet, welches in eine Pigmentmasse eingesenkt und immer vom Inlegumente sich entfernt hat. Zwei solcher meist unmittelbar dem Gehirne aufsitzender Augen sind für die Larven (Naupliusform) der Entomostraken charakteristisch und kommen auch noch mit com- plicirteren Sehorganen vor. 2) Zusammengesetztes Auge. Mehrere Krystallstäbchen treten zur Bildung eines Auges zusammen , ohne dass das über das Auge wegziehende Integument Verbindungen mit diesem eingeht, oder direct sich am Sehapparate betheiligt. Niedere Cruslaceen bieten diese Augen- form dar, die ebenfalls bei Würmern (Sagitta) ihr Vorbild hat. 278 Arthropoden, II. Augen mit Cornea. 1) Einfaches Auge. Der pereipirende Apparat wird nur durch ein einziges, meist beträchtlich grosses Krysta II Stäbchen vorgestellt, vor welchem ein entsprechender Abschnitt der Gulicularschichte des Intc- gumentes eine linsenartige Bildung eingeht. (Coryciyden.) 2) Zusammengesetztes Auge. a. Mit einfacher Cornea. Mehrere Krystallstäbchen ver- einigen sich zu einem Sehorgane, welches von einer linsenförmig ge- wölbten Cornea überzogen wird. Die letztere ist dem gesammten per- cipirenden Apparate gemeinsam. (Arachniden.) b. Fig. 417. Mit ^mehrfacher Cor- 9 cettirtes Auge nea. Meist zahlreiche, um die gan- glionäre Sehnervenanschwellung radiär geordnete Krystallstäbchen (Fig. 117. Ar) sind zu einem oberflächlich gewölbten Sehorgane vereinigt, über welchem die Chitinhülle den einzelnen Krystallstäb- chen entsprechende Facetten bildet [Ii), die nach innen convex vorspringend (Cc) , für jedes Krystallstäbchen ein lichtbrechendes Organ herstellen. (Fa- der Krusten thiere und Insecten.) Die Facetlirung ist entweder nur innerhalb bemerkbar, und die Oberfläche des Auges erscheint glatt (Crustaceen) , oder sie drückt sich auch auf der Ober- fläche aus. Hei diesen zusammengesetzten Augen muss jedes einzelne Krystall- stäbchen einem einfachen Auge (II. 1 .) analog gelten, und in gleicher Weise verhalten sich auch die Theile des sub I. 2 beschriebenen Auges zu dem gänzlich einfachen Auge I. 1 . Die zusammengesetzten Augen erscheinen somit als Aggregate der einfachen. Die Zahl der bei Bildung eines zusammengesetzten Auges ^coneurrirenden^ Krystallstäbchen ist äusserst verschieden , von zweien an bis zu mehreren Tausenden variirend. Bei allen zusammengesetzten Augen bildet der Sehnerv vor seinem Eintritte ins Auge ein Ganglion (Fig. 117. A g) , welches mit dem hinteren Ende der Stäbchen "so enge:, verbunden ist, 'dass diese wie in das Ganglion eingesenkt sieh 'ausnehmen. Indem die eine oder die andere Art dieser Sehwerkzeuge für sich allein vorkommt, oder neben einer andern besteht, ergeben sich für den Sehapparat der einzelnen Fig. 117. A Schematischer Durchschnitt durcli ein zusammengesetztes Ar- thropodenauge. n Sehnerv, g Ganglienanschwellung desselben, r Krystallstäbchen aus dem Ganglion hervortretend, c Facetlirte Cornea . vom Integument gebildet, wobei jede Facette durch Conyexität nach innen als lichtbrechendes Organ (Linse) erscheint, B Einige Hornhautfacetten von der Flache gesehen. C Krystallstäbchen {>') mit den entsprechenden Cornealinsen (c) aus dem Auge eines Käfers. Sehorgane. 279 Arthropoden- Abtheilungen mannichfaehe Verschiedet! heilen. Nicht ge- ringere Eigentümlichkeiten entstehen durch die Umbildungen der Seh- organe; gewisse Formen herrschen in den ersten Entwickelungszu- ständen, um später nach dem Auftreten anderer, höher differenzirter Sehorgane zu schwinden, oder in rudimentärer Gestalt fortzubestehen. § 202. Die zuerst erwähnte einfache Augenform herrscht bei den Ento- mostraken. Beide Augen sind dicht aneinander gerückt, durch das- zusammenhängende Pigment zu Einem Organe verschmolzen ; wo sie nicht dem Gehirn selbst aufsitzen, trägt sie ein von diesem ausgehen- der medianer Fortsatz. Die Cirripedicn und Rhizocephalen besitzen sie während des Larvenzustandes und verlieren sie später. Sie finden sich ferner bei den Copepoden, Ostracoden und Branchiopoden. Bei vielen frei lebenden Copepoden ist das Auge bald mehr, bald minder deutlich in zwei geschieden. Das Vorkommen mehrerer Krystallstäb- chen in jedem Auge bildet einen Uebergang zur zusammengesetzten Augenform, und indem sich das über dem einfachen Augenpaar befind- liche Inlegument in zwei den Krystallsläbchen entsprechende Facetten verdickt, knüpft sich schon hier die Bildung von Cornealinsen an. Neben dem medianen, zuweilen durch einen blossen Pigmentfleck dargestellten Auge besitzen die Cladocera und Phyllopoden noch zwei zusammengesetzte Augen, welche bei (Fig. 119. oc) den ersleren in verschiedenem Grade untereinander verschmolzen sind und von be- sondern Muskeln bewegt werden. Durch die Beweglichkeit und die unmittelbare Lagerung unter dem Chitinpanzer bilden die Augen der Branchiopoden Uebcrgänge zu jenen, wo der Chitinpanzer sich am optischen Apparate unmittelbarer betheiligt. Auch bietet die Einlagerung des Auges in einen stielartigen Forlsatz (Arteinia und Branchipus) eine Anknüpfung an die stieläugigen Malacu- straken dar. Eine Facetlirung der vom Chitinpanzer gebildeten Cornea ist nur an der Innenfläche bemerkbar. Sie fehlt den gleichfalls zu- sammengesetzten Augen der Lämodipoden, dagegen sind die aus Haufen oder Gruppen von Einzelaugen dargestellten Sehorgane der Asseln mit Cornealinsen ausgestattet. Aus zahlreichen Krystallsläbchen zusammengesetzte Augen mit facettirtem Ueberzuge besitzen die Thoracostraken (Podophlhalmata), bei denen jedes Auge von einem durch Muskeln beweglichen, vor den Antennen eingelenkten Stiele getragen wird; damit erreichen die seillichen Augen ihre höchste Entfaltung und der in den nieder n Ableitungen der Kru- stenthiere noch fungirende mittlere Theil des primitiven Sehapparales (das Entomostrakenauge) , ist entweder nur in Larvenzusländen vor- handen, oder entwickelt sich gar nicht mehr. Gegenüber der grossen Mannichfaltigkeil , welche Zusammensetzung und Anordnung der Seh- '2 «SO Arthropoden. organe bei den Grustaceen bietet, trifft sich bei den Trachea ten ein gleichartigeres Verhallen. Die Augen der Myriapoden schliessen sich an die der Isopo- den an. Ihre jederseits am Kopfe in einer oder zwei Reihen ange- ordneten einfachen Augen zeigen wechselnde Zahlenverhältnisse (4 — 8). Bei den Arachniden herrscht die Form der zusammengesetzten Augen mit ein- Fig. 118. fachen Hornhaut, die eine nach aussen wie in- nen gewölbte Linse (Fig. 118. L) vorstellt. Ausgezeichnet sind die Augen der Ara- neen durch die entwickelte Pigmentschichle (p) , welche sich theils zwischen den Kry- stallstäbchen verbreitet, theils sich seitlich bis an die Cornealinse fortsetzt und dort sogar einen irisähnlichen Ring bildet. In diesen sind circuläre Muskelfasern eingebettet, welche eine Verengerung des Pigmentringes bewerkstelligen. Bei vielen Spinnen zeigt das Auge in seinem Inneren einen lebhaften Metallglanz , der durch eine den Augengrund überziehende Körnerschichte (Tapetum) bewirkt wird. Sowohl in Lage als in Zahl dieser Augen ergeben sich manche Eigenthümlichkeilen. Zwei grosse Augen sind bei den Scorpionen ein- ander sehr nahe gerückt, und jederseits lagert noch eine Gruppe (2 — 5) kleinerer Augen. Bei den Spinnen und Phryniden finden sich in der Regel 8, seltener 6 Augen am Vorderthcile des Gephalothorax symmetrisch vcrtheilt, meist auch an Grösse verschieden, während die Opilioniden an derselben Stelle nur drei oder vier tragen , von denen die grösseren auf einer Erhabenheit des Gephalothorax stehen. Auch bei den Pycnogoniden nehmen vier Augen eine ähnliche Stelle ein. Dagegen reduciren sie sich bei vielen Milben auf zwei, ebenso bei den Tardigraden , und sind bei manchen parasitischen Milben vollständig verschwunden. Die Sehorgane derlnsecten müssen ihrer Slruclur nach in zwei Gruppen gesondert werden, die eine bilden die face ttir ten Augen, welche meist durch ihre Grösse ausgezeichnet an der Seite des Kopfes stehen, die andere wird durch sogenannte Nebenaugen (Ocelli, Stemmala, Punclaugen) dargestellt. Letztere stellen bei den meisten Larven die einzigen Sehorgane vor , in verschiedener Zahl seitlich am Kopfe angebracht. Bei grösserer Anzahl trifft man sie in Gruppen vcr- theilt, oder in regelmässige Reihen geordnet. Jedes dieser Augen besteht nur aus einem oder einer geringen Anzahl Kryslallstäbchen, über welchen das Inlegument eine Gornea-Linsc bildet. Bei manchen Fig. 118. Auge einer Spinne. L Cornca-Linsc von der Chitinschichte (e) des Integumentes gebildet, s krystallstäbchen. g Ganglienzellen, p Pigment. (Nach Leydig.) Excretionsorgane 28 1 Insecten persistirt diese Form der Sehorgane; so sind sie nur zu zweien vorhanden als eine Eigenthüinlichkeit durch Parasitismus rückgebildeter Hemipteren (Pediculiden , Cocciden etc.) Eine andere Forin dieser einfacheren Augen findet sich bei vielen Insecten mit den zusammen- gesetzten: sie sind zwischen diesen meist zu zweien oder dreien auf der Stirnfläche angebracht und unterscheiden sich von den vorhin erwähnten durch die Zusammensetzung aus einer grösseren Anzahl Kryslallstäbchen, welche wie am Arachnidenauge, eine einfache Cornea- linse überdeckt. Die faceltirten Augen kommen mit den gleichen , schon bei den Crustaceen näher beschriebenen überein, mannichfaltige Zustände des Volums und der Lagerung darbietend. Excretionsorgane. § 203. Zu dem aus dem Integumente gesonderten Drüsenapparat, dessen mannichfaltige Gebilde grossentheils bereits oben (§ 191) Erwähnung fanden, gehören noch Organe, welche durch grosse Verbreitung unter den Crustaceen als ererbte erscheinen und nähere Beziehungen dieser' Abtheilung zu den Würmern vermitteln. Das eine besteht aus einem gewundenen, unter dem Integumente des Kopfes gelegenen Schlauche , der an der Basis des zweiten (äusseren) Antennenpaares ausmündet. Bei den Entomostraken ist dieses Organ auf das Larvenleben beschränkt, und da in den meisten Abtheilungen nachgewiesen. Vielleicht erhält es sich jedoch bei den Girripedien in den sogenannten ))Cementdrüsen«/ welche bei den Lepadiden im Stiele lagern und am untern Stielende münden, bei den Balanidcn zu einem in vieler Beziehung der genaueren Untersuchung bedürfenden Drüsen- complexe umgestaltet sind. Persistent ist das Organ bei den Po- dophlhalmen, als »grüne Drüse« beim Flusskrebs bekannt. Ein zweites hieher gehöriges Drüsenorgan besteht gleichfalls bei den Entomostraken, fehlt aber den höheren Krustenlhieren. Es liegt in der mantelartigen Duplicatur des Integumentcs als ein mehrfach schleilcnfürmiger, heller Ganal, der unter dem Mantel ausmündet (vergl. Fig. 119 g). Durch die Lagerung unter der Schale wird das Organ als Schalendrüse bezeichnet. Es bestehen demnach bei den Krustenlhieren zweierlei schleifen- förmige Drüsenorgane, deren Ilomodynamie jedoch zweifelhaft erscheint. Das, zweite Organ dürfte den seh leifenförm igen Excretionsorgancn der Würmer homolog sein, und so von einer gemeinsamen Stammform her sich fortgesetzt haben, mit Aufgabe seiner metameren Bedeutung. Diese in ihren functionellen Beziehungen noch nicht sicher zu be- urlheilenden Organe , von denen nur die grüne Drüse bestimmter als 282 Arthropoden. nierenartiges Excretionsorgan sich darstellt, weiden bei den Tracheaton vermisst. Die Function der Excretion wird liier von Organen ttber- nonmien, welche aus dem Darmrohr sich sondern und daher mit diesen ihre anatomische Darstellung linden müssen. Darmeanal. § 204. Die Sonderung des Darnicanals der Arthropoden schliesst sich zwar im Allgemeinen an die hei Würmern sich treffenden Verhallnisse an, allein es bestehen durch die grössere Vollständigkeit der während des embryonalen Lebens erlangten , durch reicheres , dem Eie zugetheiltes Dottermaterial bedingten Ausbildung mancherlei Eigentümlichkeiten, welche als Anpassungen an jenes Verhalten erklärbar sind. Diesen Verhältnissen entsprechend umschliesst das Entoderm das bei der ersten Differenzirung nicht verbrauchte Dottermaterial, welches mit der allmählichen Weiterentwickelung resorbirt wird. Mund und After ent- stehen durch seeundäre Vorgänge. Mit der vollständigen Differen- zirung der Darmwand trifft sich der Nahrungscanal als ein die Länge 'der Leibeshöhle durchsetzender, seltener auch Anpassungen an die Mctameren des Leibes bietendes Rohr, das mit der ventral am Kopf gelegenen Mundöffnung beginnt und zu der in der Hegel im letzten Metamer gelagerten Afleröffnung hinzieht. Der äussere Chitinüberzug des Leibes setzt sich auch in den Darmeanal fort. Um die Mundöff- nung gruppiren sich die zu Kauwerkzeugen und anderen Apparaten umgewandelten Gliedmaassen (s. §§ 183. 187), wozu noch ein vom Inlegumente gebildeler Vorsprung als Oberlippe tritt. Die drei bei den Würmern unterschiedenen Abschnitte des Darm- rohrs sind auch bei den Arthropoden nachweisbar, und erscheinen in zahlreichen durch Anpassungen an das Nahrungsnialerial versländlichen Modifikationen. § 205. Der Darmeanal der Crustacecn ist sowohl durch seinen geraden Verlauf, wie durch die geringe Complication seiner Abschnitte aus- gezeichnet. Die Mundöffnung befindet sich in ventraler Lagerung häufig weit nach hinten gerückt, so dass der von ihr beginnende Mund- darm erst eine Strecke nach vorne verläuft, um mit kleieförmiger Uni- biegung sich rückwärts zu wenden. Der Endabschnitt des in der Uegel engen , als Schlund oder auch als Speiseröhre bezeichneten Munddarms stellt einen meist erweiterten Theil des Darmrohrs vor, der sich vom folgenden Stücke, dem Milteldarm, scharf absetzt und bei vielen einen zapfenartig in letzteren einragenden Vorsprung bildet. Die Wandungen dieses Abschnittes sind gewöhnlich stärker, und die Innenlläche ist Darmcanal. 283 häufig durch ein festes Chitingerüste ausgezeichnet, welches zahnartig gegeneinander gerichtete und durch Muskeln bewegliche Vorsprünge darbietet, die als Leisten, Zacken, Stacheln, Borsten von grosser Complication erscheinen und aus der den Tractus intestinalis zum Fig. 119. ay 7 grossen Theil auskleidenden Chitinhaut hervorgehen. Sie bilden einen zur Zerkleinerung der Ingesta dienenden Apparat , daher dieser Ab- schnitt als Kaumagen bezeichnet wird. In der Regel ist der Kau- magen beträchtlichen Umfangs und erhält durch sein festes Gerüste eine regelmässige Gestalt. Am ansehnlichsten ist er bei den Decapoden entwickelt (Fig. 109. v). Bei den Entomostraken ist er wenig oder gar nicht ausgebildet, dagegen besitzen unter den Arthroslraken die isopoden in dem kleinen Kaumagen ein ziemlich complicirles Gerüste, von welchem auch bei Amphipoden (Gammarus) Andeutungen bestehen. Der Mitteldarm (Fig. 119. i) bildet den an Länge beträchtlichsten Theil des Darmrohrs , in welchen meist ansehnliche Anhangsdrüsen einmünden (Fig. 119. h) , sowie an ihm auch in Beziehung auf die Weite und die Bildung von blindsackartigen Ausbuchtungen eine grosse Mannichfaltigkeit besteht. In manchen Fällen ist er von gleichmässigem Caliber, in anderen erscheint er vorne oder in der Mitte etwas erwei- tert (»Chylusmagen«) , oder die Erweiterung ist über den gesammten Mitteldarm ausgedehnt (»Chylusdarm« der Isopoden). Am Beginne des Mitteldarms finden sich bei Crustaceen aller Ord- nungen blindsackartige Ausbuchlungen vor. Sie entstehen als paarige, selten unpaare Cöca (Fig. 126. h). Unter den Copepoden, nur in we- nigen Gattungen vorhanden, sind sie bei den Branchiopoden verbrei- teter, bald als ein einfaches Paar kurzer Blindschläuche (Fig. 119. //) Fig. 119. Organisation einer Daphnia. a Taslantennc. 175 Gehirn, oc Auge. i Darmcanal (Mitteldarm), h ßlindschlauchc am Anfang desselben, g Schalen- drüse, c Herz. I Oberlippe, ov Eierstock. 0 Ein Ei in dem zwischen Körper und- Mantel gebildeten Brulraume 0 befindlich. (Nach Leydig.) 284 Arthropoden. auftretend (Daphniden). bald reicher verasielt (Argulus, Hedessa), oder in grösserer Anzahl vom Darme ausgehend und am Ende in drüsige Bildungen diffcrcnzirt (Apus). Dieselbe Erscheinung der Um- wandlung von genau an derselben Stelle gelagerten Darmcöcis in secrelorische Apparate treffen wir bei den Malacostraken. Die nie- deren Abtheilungen derselben (Schizopoden) bieten jene Anhänge als einfache, meist zu mehreren Paaren geordnete Blinddärme. So treten sie auch bei den Phyllosomen auf, und haben hier die aus einem Blinddarmpaare hervorgehende allmähliche Verästelung erkennen lassen. Aus ihnen gehen hei den höheren Malacostraken entschieden drüsige Bildungen hervor, die wahrscheinlich als »Leber« fungiren (s. unten § 209J. Der Enddarm bildet den kürzesten, meist engeren Abschnitt des Tractus intestinalis. Seltener ist er in seiner Mitte erweitert, und nur bei wenigen mit blinddarmartigen Anhängen versehen. Die Function des Darmcanals beschränkt sich nicht bei allen Cruslaceen auf die Verdauung. Bei einigen (Aslacus, Limnadia, Daph- nia) ist am Enddarme fast rhythmisch erfolgendes Aufnehmen und Aus- stossen von Wasser beobachtet worden, so dass diesem Abschnitt noch ejne respiratorische Thätigkeit zuzukommen scheint. Bei manchen niederen Crustaccen erliegt der Darmcanal einer Bückbildung. Er schwindet bei den verkümmerten Männchen der parasitischen Copepoden, wie einiger Cirripedien und allgemein bei den Rhizocepha len, wo die Ernährung durch andere Einrichtungen besorgt wird. (Vergl. oben S. 249.) § 206. Das Darmrohr der Arachniden besitzt mit Ausnahme rück- gebildeter Formen eine reichere Gliederung. Der enge Munddarm (Fig. 120. oe) führt in einen meist langgestreckten Mitteidarm, dessen vorderster Abschnitt (v) in seitliche Blindsäckc ausstrahlt, die bei den Phryniden und Scorpionen fehlen sollen. Bei den Araneen erstrecken sie sich zu fünf Paaren (i/) nach der Basis der Beine und Taster. Vier Paare, davon die beiden letzten gabelig getheilt, laufen bei den Gale- oden bis in die Gliedmaassen (Füsse, Scheerenfühler und Palpen), bei den Pycnogoniden sich sogar fast durch die ganze Länge der Glied- maassen erstreckend. Der Binnenraum des Magens erhält durch diese Anhänge eine ansehnliche Vergrösserung. Dieselben Blindsäcke treffen sich bei [den Milben auf den Körper beschränkt, meist sind es deren acht, doch wird eine Minderung der Zahl häufig durch Verästelung der Cöca compensirt. Eine viel grössere Anzahl (gegen 30) besitzen die Opilionidcn in mehreren Reihen ge- ordnet, in denen ein mittleres Paar noch seeundäre Anhänge trägt. Der dem Magen folgende bald längere, bald kürzere Abschnitt des Darmcanal. 285 Falle meist gegen sein Ende zu dem fast immer erweiterten Mitteldarms erweitert sich im ersteren und wird durch eine Einschnürung \ Enddarm abgesetzt. Letzterer ist von ansehnlicher Länge bei den Scorpionen, kürzer bei Galeodes, wo er einen Blindsack trägt. Auch bei den Araneen ist der Enddarm (Fig. 120. r) von Fig. 1ä0. ansehnlicher Weite, desgleichen bei den Milben. Die Myriapoden bieten in der Einrichtung ihres Verdauungsapparates einfache Verhältnisse dar. Der kurze Munddarm führt in einen langen meist gerade verlaufenden Mitteldarm, aus dem der gleich- falls gerade verlaufende kürzere, meist eine Er- weiterung aufweisende Enddarm hervorgeht. § 207. Das Verhalten des Darmcanals der lnsecten bietet im Specielleren eine nähere Verwandtschaft mit dem Darm der Myriapoden. Die ausser- ordentliche Mannichfaltigkeit in den Formverhält- nissen der einzelnen Abschnitte lässt sich hier- durch zwar einer morphologischen Reduction unter- ziehen , da aber in der Untersuchung der Vorrich- tungen der einzelnen Abschnitte, ihrer Erweiterungen oder Anhangs- bildungen und der Beziehungen dieser einzelnen Differenzirungen zu den drei primitiven üarmabschnitten kaum die ersten Anfänge gemacht sind, so bleibt die Herstellung einer einheitlichen Auffassung dieser Bildungen ein Desiderat. — Von bedeutendstem Einflüsse auf die allgemeine Ge- stallung des Darmcanals erscheint auch hier die Lebensweise, und es ist , wie sonst noch vielfach im Thierreiche , bei den Pflanzenfressern häufig eine grössere Länge des Darmrohrs vorhanden, als bei jenen, die von animalischen Stollen sich nähren. Ein anderes, in Betracht kommendes Moment bietet noch die Beschaffenheit der Nahrungsstoffe, wir treffen demnach einfachere Darmbildungen bei lnsecten , die von Flüssigkeiten sich nähren, während feste Substanzen Verzehrende eine grössere Complication bieten. Diese Verhältnisse treten am auffallendsten bei der Vergleichung des Darmrohrs von Insectenlarven mit jenem ausgebildeter lnsecten hervor, wir sehen z. B. eine Raupe (Fig. 121) mit einem weilen, den Körper ge- rade durchziehenden Darmrohr ausgestattet, und diese Einrichtung der Ungeheuern Masse täglich verzehrten Materiales angepasst, während der Fig. 120. Verdauungsorgane einer Spinne, oe Oesophagus, c Obere Schlund- ganglien (Gehirn), v Magen, v' Seitliche Fortsätze desselben, v" Nach oben ge- richtete Anhange. » Mitteldarm, r Cloakenartig erweitertes Endstück des Darms. h h Einmündungen der Leber in den Darm, e Harncanale. (Nach Duges.) 28G Arthropoden. nur wenig und flüssige Nahrung aufnehmende Falter ein zwar längeres, aber viel schmächtigeres Darmrohr besitzt (Fig. 123). I > f- $1 M Fig. 123. a in 11 f! m U Ausserdem beruht die Verschiedenheit des Darmes des ausgebildeten Insects zum Darme seiner Larve in einer Aenderung der Verhältnisse der einzelnen Darmabschnitte. Während der Mitlei- darm im Larvenzustande in der Regel der mäch- tigste Abschnitt ist, tritt er allmählich zurück, und in demselben Maasse gewinnt der Enddarm an Länge. Dabei ändert sich der gerade Verlauf des Darmrohrs. Das Längerwerden der einzelnen Abschnitte ruft Krümmungen des die Länge der Leibeshöhle übertreffenden Darmrohrs hervor, die bis zu vielfachen Windungen führen können. Diese treffen auf Mittel- Fig. 121. Larve eines Schmetterlings (Sphinx liguslri) in seitlicher Ansicht mit Darstellung der inneren Organisation. Fig. 122. Puppe desselben. Fig. 123. Image- derselben, i Kopf. 2, 3, 4. Thoracalsegnienle. 5— 13. Ab- dominalsegmonte. V Vorderdarm. M Mitteldarm. E Enddarm. Gs Gehirnganglion. ,/i unteres Schlundganglion, n Bauchganglien. Vm MAi.riGHi'sche Gefasse. C Herz. G Geschlechtsorgane. (Nach Nrwport). ?V Darmcanal. 287 und Enddarm, indess der Vorderdarm am beständigsten den ursprüng- lichen Verlauf behält. (Vergl. Fig. 124. 122. 123.) Mit diesen Differenzirungen verbinden sich neue an den einzelnen Abschnitten und verwischen häufig die Grenzen der letzteren. Der Mitteldarm unterscheidet sich vom Munddarm durch seinen Drüsen- besatz, und wo letzterer Anhänge oder Ausbuchtungen zeigt, dienen sie zur Aufnahme und zur ferneren Zerkleinerung der Nahrung, im letzleren Falle die Bildung eines Kaumagens wiederholend. Der End- darm charaklerisirt sich endlich durch die in seinen Anfang ausmünden- den MALPiGHi'schen Gefässe. Den einfachsten, von der Larvenform am wenigsten sich entfer- nenden Zustand bietet der Darm der meisten Pseudo-Neuropteren dar, von denen nur einige (Panorpa) eine Erweiterung am Ende des Vorder- darmes als Kaumagen besitzen. Ein solcher (Fig. 124. A r) zeichnet auch die Orthopteren aus und trägt auf seiner Innenfläche Längsreihen von festen Chitinplatten. Er kommt ferner bei Coleopteren (Carabiden, Cicindelen, Dytisciden etc.) vor, Borsten und leistenartige Vorsprünge tragend. Auch manche Hymenopteren (Formica, Cynips) besitzen ihn, ja sogar Larven von Dipteren. Eine andere Differenzirung des bei manchen (Ilemipleren) überaus kurzen Vorderdarmes besteht in einer Erweiterung desselben, die bald allseitig, bald nur einseitig vorkommt. Sie dient bei einer Beiheiligung der Fig. 124. ganzen Circumferenz des Oesophagus als Kropf (Jugluvies) (i) , der sich bei vielen Käfern und bei Orthopteren vorfindet. Eine ähnliche Ausbuchtung des Vorderdarmes trifft sich bei Hyme- nopteren (Wespen, Bienen) verbreitet, fungirt aber hier als ein Saugapparat und leitet damit zu einer Bildung über, die sich bei anderen Insecten als Saugmagen verbreitet findet. Derselbe stellt einen dem Verlaufe oder dem Ende des Munddarmes an- gefügten blasenförmigen, dünnwan- digen Anhang vor, der bei Lepidop- teren unmittelbar (Fig. 123. v) , bei Dipteren mittelst eines kürzeren oder längeren Stieles ausmündet (Fig. 124. B, v, s). Auch bei den Hyme- nopteren trifft sich die Bildung eines selbständigen, gestielten Saug- magens (Grabro) . Bei den Ilemipleren scheint derselbe durch eine oft Fig. 124. A Verdauungscanal der Feld grille, B einer Fliege, oe Oeso- phagus, i Kropfartige Anschwellung desselben, v Magen, c Anhänge desselben. r Erweitertes Ende des Enddarmes. vm MALPiGHi'sche Canäle. 288 Arthropoden. mehrfach ausgebuchten? Erweiterung des Munddarms vertreten zu sein (Wanzen) . Der Mitteldarm (»Chylusmagen«) bietet nicht minder mannich- faltige Zustände. Bei vielen Käfern ist er in seiner ganzen Länge oder auch an einzelnen Abschnitten mit kurzen Schläuchen besetzt, die man als »Drüsen« bezeichnet. An seinem Anfange treffen sich zuweilen blindsackartige Ausstülpungen besonders bei Orthopteren, auch bei ein- zelnen Familien der Dipteren. Bei den letzteren ist er meist einer grösseren Länge entsprechend in Windungen gelegt (Fig. 124. B v). Dasselbe zeigt sich an dem langen Mitteldarm einiger Käfer (z. B. Me- lolontha), der Bienen und Wespen unter den Hymenopteren und vieler Hemipteren, bei denen neue Abschnitte an ihm sich sondern. In manchen Fällen ist dev Mitteldarm blind geendigt und entbehrt des Zusammenhanges mit einem Enddarm. Dies trifft sich bei den Larven der Bienen und Wespen, der Ichneumonen und mancher Dip- teren u. a. m. Der Enddarm bildet bei den Inseclen mit gerade verlaufendem Darme den kürzesten Theil desselben. Er zeigt sehr häufig eine Tren- nung in zwei Abschnitte, von denen der zweite erweitert ist (»Bectum«) (Fig. 124. A B r). Bei Käfern (z. B. Dytiscus) erscheint der engere Vordertheil des Enddarmes von beträchtlicher Länge, auch bei manchen Orthopteren, wo sich eine grössere Anzahl von verschieden weiten Ab- schnitten wahrnehmen lässt, am längsten endlich ist er bei den Ci- caden , bei allen diesen in Windungen gelegt. Da bei manchen die sonst in den Enddarm mündenden MALPiGin'schen Gefässe dem letzten Abschnitte des Mitleldarmes zugetheilt sind, scheint ein Uebergang eines Theiles des ersteren in den letzteren stattzufinden , und die scharfe Abgränzung des Enddarmes wird verwischt. Das erweiterte Endstück dieses Darmtheiles wird bei einer grossen Anzahl von Insecten durch papillenartig nach innen vorspringende Wülste ausgezeichnet, in denen reiche Tracheen Verästelungen stalt- finden. Bei den im Wasser lebenden Larven der Libellen bietet der- selbe Abschnitt zahlreiche in Längsreihen geordnete Blätter mit dichten Tracheenverzweigungen. Die Lamellen fungiren bei dem durch Oeffnen und Schliessen des Afters erfolgenden Ein- und Ausströmen von Wasser als Athemapparat. Zwischen diesen Tracheenkiemen und den papillen- artigen Vorsprüngen des Enddarmes kommen mehrfache Uebergangs- formen (bei Phryganeenlarven) vor, so dass hier homologe Bildungen zu erkennen sind. Diese Einrichtungen leiten zur Annahme der frühern Existenz gleicher Larvenzustände auch für solche Insecten, die gegenwärtig gar keine Beziehungen zu einer Lebensweise im Wasser zu besitzen scheinen, und begründen damit die für die Entstehung des Tracheensystems weiter unten vorgetragene Auffassung. Anhangsorgane des Darmcanals. 289 Anhangsorgane des Darmcanals. 1 ) A n h a n g s o r g a n e des Munddanns. § 208. Am Darmcanale der Arthropoden sind an verschiedenen Abschnitten Drüsenorgane gesondert. Die in den Vorderdarm führenden Speichel- drüsen sind bei den Crustaceen nur wenig ausgebildet. Ein- zellige in der Nähe des Mundes liegende Drüsen sind bei niederen Krustenlhieren (Copepoden , Daphniden) als Speichelorgane gedeutet. Von den übrigen sind solche Organe nicht mit Sicherheit bekannt ge- worden. Dagegen finden wir sie in grosser Verbreitung bei den Trachealen, bei denen sie sogar differenle Functionen besitzen können. Unter den Arachniden bieten die Scorpione zwei Paar gelappte, in den Oesophagus einmündende Drüsen, die bei den GaTeoden zum Theil knäuelförmig gewundene Schläuche darstellen , und bei den Araneen scheinen solche Organe gleichfalls nicht zu fehlen. Sehr entwickelt sind die Speicheldrüsen bei den Milben, die deren mehrere verschieden gebaute Paare besitzen , und ihr Secret wahrscheinlich theilweise als Giftstoff verwenden. Bei den Myriapoden sind einfache schlauchförmige (Julus) oder gelappte (Lithobius), sogar traubig verästelte Drüsen (Scolopendra) als Speicheldrüsen gedeutet. In sehr mannichfaltiger Ausbildung sind die Speicheldrüsen bei den Ins ecten vorhanden, sowohl was Zahl, Form und feinere Structur betrifft. Es wird daher gewiss auch ihre Function sehr verschieden- artig sich verhalten. Nur Wenigen scheinen sie gänzlich zu fehlen wie den Ephe- meriden , Libellen und Aphiden , oder sie sind nur gering entwickelt, wie bei Myrmeleoniden und Sialiden. Bei den Uebrigen erscheinen sie bald als lange gewundene Röhren, bald als gelappte oder man- nichfach verzweigte Gebilde, die häufig den Darmcanal eine Strecke weit begleiten. Häufig kommen zwei , nicht selten auch drei Paare vor, die in ihrem Baue sehr wechselnde Verhältnisse darbieten. Was die äusseren Formen und die Vertheilung derselben auf die verschie- denen Inseclengruppen angeht, so erscheinen sie als ein Paar längerer Schläuche bei den Käfern, dann bei Fliegen und Schmetterlingen. Ver- ästelte, traubenförmig gestaltete oder gelappte Formen herrschen in den Ordnungen der Hemipteren und Orthopteren, finden sich auch mehr- fach bei Käfern. Wo mehrere Speicheldrüsenpaare vorhanden sind (Hemipteren) , treten zu den verästelten noch einfach schlauchförmige in einem oder in mehreren Paaren hinzu. Gegenbaur, Grundriss. 19 290 Arthropoden. 2) Anhangsorgane des Mitteldarms. § 209. Eine andere Gruppe von Drüsenorganen mündet in den Mittel- darm aus. Sie stellen die Leber vor. Zwei durch die Verbindungs- stelle mit dem Darme verschiedene Organe müssen hier aus einander gehalten werden. Das eine davon verbindet sich mit dem vordersten Abschnitte, in Gestalt einfacher oder verästelter Schläuche, welche bei reichlicherer Entwickelung allmählich in einen zusammengesetzten Drüsenapparat übergehen (vergl. § 205). Die Enden dieser Schläuche erscheinen als secrelorische Organe, die Ausführgänge dagegen bilden durch ihr weites Lumen dem Darme zugehörige Räume. Das Organ hat sich also noch nicht vollständig vom Darme diff'erenzirt. Die Branchiopoden, und unter diesen besonders die Phyllopoden , weisen diese Einrichtung auf; einige besitzen jederseils einen einfachen oder verästelten Blindschlauch (Fig. 119. /?), andere zeigen ihn in eine Leber umgewandelt (Limnadia, Apus) , die vorwiegend im Kopfschilde ihre Ausbreitung nimmt. Aehn- Fig. 125. liehe Organe besitzen die Girripedien. Bei den Ar- throstraken sind diese Blindschläuche (Fig. 125. A. h) lange, nach hinten verlaufende Organe von verschiedener Zahl. Ver- ästelungen fehlen, werden aber durch Ausdehnung in die Länge compensirl. Unter den Thoracostraken erscheinen sie bei man- chen Schizopoden jenen ähnlich, bei den meisten dagegen , wie bei allen Decapoden, stellen sie ein Paar den Cephalolhorax ausfüllende, in büschelförmige Gruppen verlheilte Drüsenmassen (Fig. 125. B. h) vor. Da sie bei den Larven der Decapoden als einfache Ausstülpungen der Drüsenwand erscheinen ist zweifellos, dass sie nur weiter entwickelte Stadien jener bei vielen Entomostraken einfacheren Schläuche sind. Eine zweite Form dieser Leberorgane ist von der ersten durch grössere Anzahl der Einzeldrüsen und durch die weiter nach hinten Verlegte Einmündung in den Mitteldarm unterschieden. Andeutungen Fig. 125. Darmcanal und Leber von Crustaceen. A von Oniscus, B von Phyllosoma. v Kaumagcn. i Chylusmasen. a Aller. // Leberscbläuche. Anhangsorgane des Darmcanals. 291 hierfür bestehen bereits bei Gopepoden in mehrfachen auf einander folgenden Ausbuchtungen des Mitteldarms. Wir finden sie ausgebildet bei einzelnen Isopoden (Bopyrus) , wo sie den ganzen Mitteldarm als paarweise angeordnete, verzweigte Drüsenbüschel besetzen. Aehnlich besieht auch bei den Slomapoden eine grössere Anzahl (10 Paare) ge- lappter Drüsenbüschel an der ganzen Länge des Mitteldarms. Beide Formen können nicht direct von einander abgeleitet werden, da. in der zweiten die bei der ersten Drüsen tragende Stelle derselben entbehrt. In einer gemeinsamen Stammform mögen beiderlei Organe vereinigt gewesen sein. Wir können uns in dieser den ganzen Mittel- darm mit Aussackungen besetzt denken , von wo aus zwei Drüsen- reihen sich entwickeln ; bei der einen kommt nur das vorderste Drüsen- paar zur Ausbildung, bei der andern bleibt das vorderste Paar unter- drückt und es entwickeln sich die hinteren in verschiedener Anzahl. Diese hintern Drüsen zeichnen als zwei Paare verzweigter Büschel den Mitteldarm der Pöcilopoden aus. Beide Formen von Darmausstülpungen liegen den Darmanhangen der Arachniden zu Grunde. Die vorderen entwickeln sich jedoch nicht allgemein zu Drüsenorganen , sondern beharren als mehr oder minder weile Taschen und Schläuche, wie dieselben bereits als Magen- blindsäcke des näheren geschildert sind (§ 206). Nur bei den Opilio- niden kommt denselben eine drüsige Bedeutung zu und die Magen- säcke fungiren zugleich als Leberorganc. Bei den Scorpionen und Araneen münden in den hinteren Theil des Mitteldarms gesonderte Drüsenbüschel ein. Zwei bis drei Paar sind es bei den Araneen (Fig. 125. h), fünf Paare bei den Scorpionen, Den Myriapoden wie den Insecten fehlen diese Anhänge des Milteldarms, doch kann in den bei manchen vorhandenen Blindsäcken eine in andere Verwendung gezogene Umbildung der ersten Form dieser Anhänge gesehen werden. 3) Anhangsorgane des Enddarms. § 2I0. Bei der meist nur geringen Länge des Enddarms werden mit ihm gesonderte Drüsen kaum noch Secrele liefern, die für die Verdauung oder für die Aufsaugung von Bedeutung sind. Ihr Secret wird sich mehr in die Beihe der Auswurfssloffe stellen. Da auch der chemische Nachweis geliefert ist, dass diese Stoffe den Harnausscheidungen der Wirbelthiere an die Seite zu stellen sind, dürfen wir die bezüglichen Organe als Excret i onsorgane bezeichnen, womit jedoch ihren Beziehungen zu andern Functionen , die sie in einzelnen Fällen besitzen, kein Eintrag geschehen soll. Bei den Crustaceen linden sich am Enddarme in einzelnen 19* 292 Arthropoden. Fällen Blindsackbildungen vor, so z. B. bei Copepoden -Larven, doch kann weder über ihre morphologische noch über ihre funclionelle Be- deutung ein sicheres Urtheil abgegeben werden. Dagegen sind bei den Tracheaten ganz allgemein excretorische Drüsenorgane in Ver- breitung, die als Ausstülpungen der Darms entstehen, und als lange, einfache oder verzweigte Canäle erscheinen, die oft vielfach gewunden oder schleifenförmig am Darmcanale aufgereiht sind, und in den letzten erweiterten Abschnitt des Darmcanals, fast immer hinter dem Milleldarme, ausmünden. Sie weuden nach ihrem ersten genauem Beobachter als Malpigh i'sche Gefässe bezeichnet, mit Beziehung auf ihre Function werden sie Harncanäle benannt. Unter den Arachniden sind sie bei den Scorpionen einfache, zwischen den Leberlappen verlaufende Canäle, von denen ein Paar Verästelungen besitzt. Sie münden in den Anfang des Enddarms. Vielfach verästelt und zu einem Netze verbunden, sind die Harncanäle der Araneen, bei denen sie sich in zwei gemeinsame Ausführgänge (Fig. 4 20. e) vereinigen und mit diesen in den weiten Enddarm oder den Blindsack desselben ausmünden. Zwei lange und vielfach gewundene Canäle stellen sie bei den Opilioniden vor, und ähnlich erscheinen sie bei den Milben, zuweilen mit Verästelungen versehen. Eine ebenfalls geringe Anzahl einfacher Harngefässe kommt bei den Myriapoden vor, ein Paar bei den Juliden und zwei Paare bei den Scolopendern. Sie schliessen sich nicht nur durch ihre Zahl und einfache Bildung, sondern auch durch ihre Anordnung am Darmcanale den entsprechenden Organen vieler Insectenlarven an. Die grösste Mannichfaltigkeit in Zahl, Anordnung und speeieller Bildung herrscht bei den llarngefässen der Insecten. Unter den Thysanuren fehlen sie allen Poduriden , sind dagegen bei Lepisma in der Vierzahl vorhanden. Die Function der Harncanäle ist nament- lich bei den Insecten, mit vollkommener Verwandlung während des Larvenzustandes eine gesteigerte , wie sich nicht allein aus der mäch- tigen Ausbildung dieser Organe (Fig. 121. vrn), sondern auch aus der während desPuppenzuslandes sich massenhaft im Enddarme ansammeln- den Harnmcnge ergibt. Diese Erscheinung entspricht also gerade jener Periode, in welcher mit der Ausbildung des vollkommenen Körpers die intensivste plastische Thätigkeit im Organismus zur Aeusserung kommt. Dass die Function der Malpighi'schen Canäle der Insecten nicht aus- schliesslich in der Harnabsonderung zu suchen ist, dass vielmehr eine ältere Annahme, die in ihnen galleabsondernde Organe erblickt, nicht ganz unberechtigt ist, ist durch das Vorkommen verschieden gebauter Strecken dieser Canäle, sowie durch die Verschiedenheit des Secreles an jenen Strecken begründbar. (Leydig.) Die Harncanäle gelten sich meist durch ihre braungelbliche oder auch weissliche Färbung leicht zu erkennen , welches Coloril von den in den Zellen der Canalwand abgelagerten Stollen herrührt und um so Geschlechtsorgane. 293 intensiver erscheint, je reichlicher die Secretion von Statten geht, und je mehr auch das Lumen der Canäle mit Secrelmasse gefüllt ist Was die Zahlenverhältnisse angeht, so kann Folgendes darüber bemerkt werden: Am verbreitelsten finden sich vier, paarweise mit einander verbundene Harncanäle bei den meisten Dipteren (Fig. 12 4. B vm) und llemipteren; sechs trifft man bei Schmetterlingen, bei vielen Netzflüg- lern , sowie bei manchen Pseudoneuropteren (Termiten) an ; vier bis sechs sind bei den Käfern vorhanden ; eine grosse Anzahl kurzer Harn- canäle zeichnet die llymenoplercn aus, so dass bei diesen, sowie auch bei vielen Orthopteren (Fig. 124. A vm) Hunderte von Harncanälen getroffen werden. Verästelungen kommen im Ganzen selten vor; da- gegen finden sich häufig schlingenförmige Verbindungen zwischen den Enden der einzelnen. Die Ausmündung findet je nach der Länge des Enddarms an scheinbar sehr verschiedenen Stellen statt. Sehr weit nach vorne münden sie bei den Cicaden, Fliegen und Schmetterlingen Auch bei den Ilymcnopteren ist die Mündung dicht hinter dem Magen. Am Ende dagegen fügen sie bei verschiedenen wanzenartigen Insecten sich ein. Geschlechtsorgane. § 211. Die Fortpflanzung der Arthropoden wird ausschliesslich durch den Geschlechlsapparat besorgt, und was man hier als ungeschlechtliche Ver- mehrungsweise bezeichnet, wie die Erscheinungen der Parlhenogenesis und des Generationswechsels geht in allen Fällen aus geschlechtlicher Differenzirung hervor und darf mit den Vermehrungsweisen durch Thei- lung, Sprossung oder Knospcnbildung nicht verknüpft werden. Die bei den Würmern nur in einzelnen Abtheilungen vorhandene Vertheilung der Generationsorganc auf verschiedene Individuen ist bei den Arthropoden zur Regel geworden, und nur bei wenigen hat sich die hermaphroditische Bildung erhalten. Die geschlechtliche Differen- zirung erstreckt sich bei vielen auch auf äussere Theile , auf Umfang und Beschaffenheit des Körpers. Die Keimdrüsen sind stets gesonderte Organe, die nicht mehr auf die Melameren vertheilt, und entweder einfach oder doch in nur einem Paare vorhanden sind. Die Centralisation des Organismus ist hierin eine vollständigere geworden. An den Keimdrüsen wie an deren Aus- führwegen drücken sich zahlreiche Complicationen aus, vor Allem durch Verlängerung der Ausführwege und durch Differenzirung derselben in einzelne verschieden fungirende Abschnitte. Endlich werden bei voll- kommenerem Grade der Arbeilstheilung einzelne Abschnitte in acces- sorische Organe umgewandelt, die nicht mehr blosse Theile der Aus- leilegänge, sondern selbständige Anhangsgebilde vorstellen. ?94 Arthropoden.. Für die weiblichen Organe treffen wir einen immer erweiterten Abschnitt der Ausführwege in der Function als Uterus. In demselben gewinnen die Eier eine weitere Ausbildung, und werden in der Regel auch noch mit einer Umhüllung, der Schale, versehen. Der letzlere Umstand steht mit einer drüsigen Structur der Wandung im Zusammen- hang, und kann zur Sonderung drüsiger Anhangsgebilde dieses Abschnittes hinführen. Die Befruchtung erfolgt mit Ausnahme der festsitzenden Cirripcdien durah Begattung. Dem entsprechend findet sich näher oder entfernter vom Endabschnitte ein Raum zur Aufnahme des Sperma (Receptaculum seminis) durch eine Ausbuchtung einer Strecke der Ausführwege vorgestellt, die zu selbständigeren Anhangsgebilden sich umgestaltet. Wo die Eier nicht frei abgesetzt, sondern wie das häufig der Fall, entweder untereinander oder an andere Gegenstände befestigt werden, sind am Ausfuhrgange noch Killsubstanz liefernde Drüsen gesondert, so- wie endlich beim Vorhandensein besonderer Begattungsorgane des Männchens, Räume des weiblichen Apparates zur Aufnahme derselben ausgebildet sind. Ausnehmend mannichfach sind die Organe, welche zum Bergen und zum Schutze der bereits aus dem Körper getretenen Eier verwendet werden. Häufig ist ein Theil der Gliedmaassen, be- sonders bei Krustenthieren, in dieser Richtung, umgebildet. Aber auch ganze Körperregionen können zu Brulbehällern umgewandelt sein. Aus diesen Beziehungen entspringt ein grosser Theil der Verschieden- heit weiblicher und männlicher Individuen. Endlich ist noch als ein auf alle Theile des weiblichen Apparates modificirend wirkender Um- stand die Quantität der producirten Eier in Anschlag zu bringen, indem aus einer beträchtlichen Vermehrung nicht blos Erweiterungen der ausleitenden Bäume, sondern auch vielfällige Umänderungen aller accessorischcn Organe abzuleiten sind, die wieder in der Volumzunahme 'des Weibchens sich aussprechen. Dem weiblichen Apparat gegenüber verhält der männliche sich einfacher. Erweiterungen des Ausführweges (vas deferens) dienen als Behälter für das abgesonderte Sperma (vesicula seminalis) , die Wan- dungen der Ausführwege oder daraus gesonderte Drüsen mischen dem Sperma besondere Secrete zu, deren Bedeutung nur dann erkennbar ist, wenn dadurch die Samenelemente in Massen vereinigt und als Samenpaquete (Spermatophoren) , an oder in die weiblichen Organe übertragen worden. Wo nicht das ausstülpbarc Ende der Ausführ- wege zur Begattung dient, finden sich besondere Copulaliousorgane, an deren Herstellung bald die Gliedmaassen (Krebse) , bald ganze Leibessegmente (Inseclen) sich betheiligen. Den Gliedmaassen kommen überdies noch j manche andere Beziehungen zum Geschlechtsapparate zu, indem sie als Organe zum Einfangen und Festhalten der Weib- chen dienen , und damit in Verbindung stehende Umbildungen auf- weisen. Geschlechtsorgane. 295 § 212. Unter den Crustaceen treffen wir bei einem Theile der Cirri- pedien Zwitterbildungen* Hoden wie Eierstöcke sind vielfach 'ver- astelle , äusserlich nur durch ihre Lagerung unterschiedene Schläuche. Die Ovarien liegen bei den Lepadiden in dem durch eine Ausstülpung des Mantels gebildeten Stiele verborgen und senden jeder seits ein Üviduct zur Mantelhöhle. Bei den Balaniden sind sie in den Mantel eingebettet. Die männlichen Zeugungsdrüsen sind in beiden Familien um den Traclus intestinalis gelagert und vereinigen sich an jeder Seite zu einem Vas deferens, welches, den Enddarm begleitend, mit dem der andern Seite verbunden am Ende des Postabdomens mündet. Bei den übrigen getrennt geschlechtlichen Crustaceen bietet die Einrichtung von beiderlei Apparaten einen hohen Grad der Ueberein- stimmuim dar. Nach dem Fie. 126. ■s> paarigen oder unpaaren Ver- halten der Keimdrüsen lassen sich zwei verschiedene For- men des Geschlechtsappa- rates unterscheiden, die jedoch durch Verbindung zweier Keimdrüsen zu einem äusser- lich unpaaren Organe unter einander verknüpft sind. Un paare Keimdrüsen treffen wir bei den freilebenden Cope - poden. Ovarium oder Hoden (Fig. 120. t) liegt in der Medianlinie dem Mitteldarm (v) auf. Das Ovar sendet jederseits einen Eileiter ab, der entweder einfach nach hinten verläuft, oder an seinem End- abschnitte mehrfache als Uterus fungirende Windungen bildet (parasi- tische Copepoden) , oder auf seinem ganzen Wege mit vielfachen Aus- buchtungen (Fig. 127. B) zur Aufnahme der Eier besetzt ist (Corycäiden). Der kurze Endabschnitt ist entweder in seinen Wandungen drüsig, oder es sitzt ihm eine besondere Kittdrüse an. Eine Erweiterung des End- abschnittes fungirt als Beceptaculum seminis , welches auch in vielen Fällen , z. B. bei den Parasiten, einen zur Aufnahme der Sperma mit selbständiger Mündung versehenen besonderen Abschnitt vorstellen kann. Bei vielen parasitischen Copepoden ist das Ovarium doppelt; beide Ovarien sind aber häufig einander genähert. Aehnliches bietet sich bei den männlichen Copepoden, von denen die freilebenden einen ein- fachen, bei den Corycäiden in zwei Hälften getrennten Hoden besitzen, Fig. 126. Darm und mannlicher Geschlechtsapparat von Plcuromma. Seil- liche Ansicht, oe Munddarm. v Mitteldarm, h Unpaarcr Blindsack, i Enddarm, c Herz, t Hoden, vd Gewundenes Vas deferens. (Nach Claus.) 296 Arthropoden. der jederseits in ein besonderes Vas deferens übergeht. Bei manchen Familien ist der rechte Samenleiter rückgebildet. Das häufig gewun- dene Ende des Samenleiters (Fig. 126. vd) dient als Samenblase, in der die Bildung der Spermatophoren geschieht. Bei den Branchiopoden liegen die Keimdrüsen, als getrennte Schlauche zur Seile des Darmcanals. Einfach sind sie bei den Cla- doceren, wo sie sich unmittelbar in den wenig veränderten Aus- führgang fortsetzen, der sowohl bei männlichen als weiblichen Organen nahe am Körperende mündet. Daran reihen sich die Phyllopoden. Hoden oder Eierstöcke nehmen bald nur den hintern Theil der Leibes- höhle ein, und senden dann von ihrem vorderen Ende einen rück- wärts umbiegenden Ausführgang ab (Artemia , Branchipus) , oder sie beginnen weiter vorne und lassen den Ausführgang am hinleren Ende oder nahe daran hervorgehen (Holopedium). Ein erweiterter Abschnitt des Oviductes dient bei ersteren als Uterus, ähnlich wie am Samen- leiter eine Anschwellung die Samenblase bildet. Diese einfachere Form der Geschlechtsorgane geht bei den meisten Phyllopoden durch Ver- grösserung der Keimdrüsen Modificationen ein. Das Ovarium von Limnadia ist mit kurzen taschenartigen Ausbuchtungen besetzt, die bei Apus durch weiter gehende Verästelungen eine gelappte Drüse von be- deutender Ausdehnung herstellen. Dies Organ dient auch als Behälter (Uterus) für die bereits reifen Eier. Formell ähnlich verhält sich der Hoden. Unter den Arthrostraken waltet eine Trennung der beider- seitigen, meist auch gelrennte Ausmündungen besitzenden Geschlechts- organe vor. Die weiblichen Organe bestehen bei den Amphipoden aus einfachen, in der Begel an der Basis des fünften Thoracalsegments aus- mündenden Schläuchen. Bei den Isopoden (Fig. 127. C) sind diese Schläuche sowohl nach vorne als hinten blindgeendigt und der Aus- führgang entspringt im Verlaufe derselben. Als eigentliche Keimdrüsen sind die Enden der Schläuche anzusehen , indess der übrige grösslc Theil einem Uterus gleichkommt. Die männlichen Organe kommen damit überein, doch trifft sich für die Isopoden eine Eigenlhümlichkeil, indem jederseits mehrere Hodenschläuche (Fig. 128. B) sich zu einem besonderen Abschnitte vereinigen, aus dem ein engerer häufig gewun- dener Ausführgang entspringt. Dieser nimmt entweder seine eigene Ausmündung, oder ist vor der Mündung mit dem der anderen Seite vereinigt. § 213. Unter den Malakostrakon bieten die Schizopoden (Mysis) die einfacheren Geschlechtsorgane. Die weiblichen Organe (Fig. 127. A) bestehen aus einer unpaaren Keimdrüse (o) , an die sich seillich Aus- führwege, zu einem nach vorne zu blindsackartig fortgesetzten Uterus Geschlechtsorgane. 297 erweitert, anschliessen , und an ihrem hinteren Ende einen Gang (od) zur Geschleehtsöffnung absenden. Diese Verbindung kurzen beide r- Fig. 127. seiliger Organe besteht auch für den Hoden. Er wird aus einer Dop- pelreihe von Drüsenfol- Iikeln gebildet, welche in einen schlingenförmig verlaufenden Canal zu- sammentreten, der den einfachen an der Basis des letzten Fusspaares mündenden Ausführgang bildet. Die Geschlechtsorgane der Decapoden reihen sich durch die gleichfalls bestehenden Medianverbindungen an jene von Mysis an, und er- scheinen durch mannichfache Differenzirungen weitergebildet. Die weiblichen Organe werden durch zwei lange nach vorne und nach hinten ausgezogene und unter einander querverbundene Röhren vor- gestellt, die theils als Keimdrüse, aber auch zum grossen Theilc als Eileiter und Uterus fungiren. Beim Flusskrebs sind die beiden vor- deren Abschnitte als kürzere Lappen gestaltet, indess die beiden hinteren zu einem unpaaren Stücke verschmolzen sind. Ein kurzer Ausführgang begibt sich jederseits zur Gcschlechtsöffnung, die bei den Garidinen wie bei den Schizopoden gelagert, bei den Macruren an den Basalgliedern des dritten Fusspaares, bei den Brach yuren dagegen an dem dieses tragenden Körpersegmente angebracht ist. Die Brachy- uren sind überdies noch durch eine taschenartige, als Samentasche zu betrachtende Erweiterung des Ausführganges ausgezeichnet. Der männ- liche Apparat zeigt die Hoden aus zwei vielfach gewundenen vorne der Quere nach unter einander verbundenen Schläuchen dargestellt, die, wie auch die weiblichen Organe, meistenteils im Gephalothorax lagern und nur bei Pagurus ins Abdomen sich einbetten. Sie entsenden bei den letzteren zwei lange, eng gewundene, allmählich sich erweiternde Daran schliessen sich die meisten übrigen Decapoden Ausführgänge. an , doch ergeben sich mannichfache Eigenthümlichkeiten theils in der Ausdehnung der durch die Windungen des Samencanals gebildeten Lappen, theils auch in der Bildung des unpaaren, beiderseitige Drüsen vereinigenden drüsen bei Astacus Seite zur Stückes. Vollständiger ist die Vereinigung der Keim- Ein langgewundenes Vas deferens tritt an jeder äusseren Gcschlechtsöffnung, die in der Regel am Basalgliede Fig. 127. Weibliche Geschlechtsorgane von Grustaceen. A von Mysis. B von Sapphirina. C von Oniscus. o Ovarium. od Oviduct. u Uterus. 598 Arthropoden. Fig. 128. des letzten Fusspaares angebracht, bei den kurzschwänzigen Krebsen jedoch am Ende eines, aus einer umgewandelten Gliedmaasse hervor- gegangenen , doppelten Penis sich findet. Es erhält sich also nur fin- den männlichen Apparat die gleiche Ausmündung wie bei den Schizopoden , während die weibliche Oefihung weiter nach vorne gerückt ist. Eigentümlich verhält sich der Geschlechtsapparat der Stomapoden, der nicht in der gleichen Weise wie jener der Decapoden mit den Or- ganen der niederen Krusten- thiere in Zusammenhang ge- bracht werden kann. Die Ovarien werden bei Squilla aus zahlreichen die Seite des Abdomens einnehmendenDrü- senschläuchen gebildet, die sich in ein den Darm um- lagerndes Mittelstück ver- einigen. Vom Vorderende desselben treten drei Paar Ausführgänge zur Bauchfläche herab , und verbinden sich in der Medianlinie unter Bildung von Erweiterungen zu einem Längscanale, der weit vorne zu einer auf einem Vorsprunge gelegenen einfachen Genitalöffnung tritt. Vom männlichen Apparate verhallen sich nur die Keimdrüsen dem weiblichen gleich, indess die beiden aus den Hoden hervorgehenden Vasa deferenlia in zwei an der Basis der beiden letzten Füsse vorragende Begaltungsorgane übergehen. Eine Vereinigung der beiden in der Abiheilung der Gruslaceen repräsenlirten Formen bietet sich bei den Pöcilopodcn. Von der einen Form ist die Medianverbindung der beiderseitigen Apparate, von der andern sind die mehrfachen Keimstätten vorhanden, als welche die feinen Endäste des die Geschlechtsorgane zusammensetzenden Netz- werkes sich darstellen. Die weiteren Strecken dienen zu Ausführ- wegen, bei den Weibchen zur Ansammlung grosser Eiermassen be- trächtlich erweitert, und jederseits in einen selbständigen Ausführgang fortgesetzt. Fig. 128. Männliche Geschlechtsorgane. A von Homarus und B von Oniscus. tt Hoden, v d Vas deferens. v s Samenblasen, o Ausmündung der- selben, p Begattungsorgan, Geschlechtsorgane. 299 § 2U. Bei den Arachniden sind beiderlei Geschlechtsdrüsen in der Regel unpaar oder, wenn paarig, doch transversal verbunden, und mit vereinigten oder getrennten Ausführgängen weit vorne an der Bauch- iläche ausmündend. Ausser acccssorischcn Drüsenorganen oder beson- deren , zur Aufbewahrung und Aufnahme der Samenmassen oder der Eier dienenden Erweiterungen der Ausführgänge, kommen noch äussere Apparate zur Ausleitung der Gcschlechtsproducte vor, je nach den Geschlechtern als Ruthen oder Legeröhren bezeichnet. Die männlichen Organe wiederholen mit geringen Verschiedenheiten den Typus der weiblichen. Die Verbindung der beiderseitigen Gcnilaldrüsen und der diiraus hervorgehende unpaare Abschnitt des Apparates erinnert an ähnliche Verhältnisse bei den Branchiaten, vorzüglich den Pöcilopoden. Bei den Scorpionen stellen die Ovarien drei an ihrem hinteren Ende bogenförmig in einander übergehende und ausserdem noch durch vier Queranastomosen mit einander verbundene Längsröhren vor, in deren oft schlauchartig ausgebuchteten Wandungen die Eier entstehen. In den queren, jederseits vier weite Maschen erzeugenden Verbindungen spricht sich eine durch ihre Lage genau jener des Abdomens folgende Gliederung des Organs aus. Aus den beiden äusseren Längsschläuchen gehen spindelförmig erweiterte Oviducte hervor, die wegen des von ilinen aufgenommenen Sperma als Receplacula seminis fungiren , und an der Basis des Abdomens ausmünden. Auch die Hoden der Scorpione erscheinen als ein Paar schleifen- förmiger Canäle mit quer verlaufenden Verbindungen. Zwei auf beide Seilen verlhcilte Röhren lassen eine vollkommene Duplicilät bestehen. Das vorne aus jedem Hoden hervorkommende Vas deferens mündet, mit dem der andern Seite vereinigt, an derselben Stelle, an der beim Weibchen die GeschlechtsöfThung sich findet, nach aussen. Zu dem Vas deferens treten jederseits noch accessorischc Organe, in der Begel in Form von zwei Paar verschieden langen Blindschläuchen, die theils als Drüsen theils als Samenblasen fungiren. Die Trennung der beiderseitigen Keimdrüsen ist bei den Galeo- den und Araneen in beiden Geschlechtern vollständig. Die Ovarien stellen zwei Schläuche vor, an deren Aussenfläche sich die Eier und zwar bei den Spinnen auf stielartigen Fortsätzen entwickeln. Aus der Vereinigung der beiden zur Ausleitung der Eier dienenden Ovarial- röhren bildet sich ein zuweilen erweiterter Scheidencanal (Galeodes), der an seinem Ende mit einer oder zwei Samenlaschen besetzt ist. Die männlichen Organe lassen sich bei den Galeoden von den Scorpionen her ableiten , indem die aus jederseits paarigen Längsschläuchen ge- bildeten Hoden ohne Querverbindungen sind. Bei den Spinnen endlich sind diese Längsschläuche auf zwei reducirt. 300 Arthropoden. § 215. Sowohl bei den Opilioniden als bei den Milben ist in der herrschenden Ringform der Keimdrüsen eine gemeinsame Einrichtung gegeben , die sich von der bei den Scorpionen gegebenen Querver- bindung der Ovarien ableitet. Bei den Opilioniden (Fig. 129. Do) ist diese Ringform am voll- Fig. 129. ständigsten. An der Ober- fläche des Ringes bilden sich die Eier, wie bei den Spin- nen und Scorpionen, in ge- stielten Ausbuchtungen, von wo sie in das Innere der Ovarialröhre und von da in den Ausführgang gelangen, der eine beträchtliche Er- weiterung (u) (Uterus) be- sitzt. Eine enge gewun- dene Fortsetzung desselben führt zur ausstülpbaren Legeröhre (Ovipositor) (op). Den Ovarialring vertritt bei den Männchen ein Ringcanal, von dem nur ein Abschnitt (Fig. 129. A t) den Hoden vorstellt, dessen beide Enden in die den Rini* abschliessenden Ausführgänge [vd] übergehen. Diese vereinigen sich in einen knäuclförmig gewundenen Abschnitt aus dem ein erweiterter Canal als Samenblase entspringt und sich an ein der Legeröhre ähnliches und ebenso hervorstülpbares Gebilde, den Penis fügt, mit dessen Ende noch zwei mächtige Büschel accessorischer Drüsen (gi) sich verbinden. Bei den Acarinen ist die Ringform der Keimdrüsen bei vielen noch vollständig erhalten. Im weiblichen Apparate wird der grössere Theil des Ringes durch Beschränkung der Eibildung auf einen kleinen Abschnitt, dem Ausführapparate zugetheilt. Am ausgesprochensten ist das bei Pentasloinum, dessen Ovarium einem Ringcanal angefügt ist. Von den Ausführwegen sind die in den unpaaren Abschnitt über- gehenden Theile des Ringes häufig zu einem zweihörnigen Uterus erweitert, oder dieser wird ausschliesslich vom unpaaren Abschnitte vorgestellt. Letzteres ist auch bei Pentastomum der Fall wo der Uterus einen bedeutend langen gewundenen Canal bildet. Am männlichen Apparat ist der letztere meist sehr verkürzt, und die beiden in ihm sich vereinigenden Theile des Ringes sind zu Samenblasen erweitert. Fig. 129. Geschlechtsorgane von Phalangium opilio. A Männliche Or- gane, t Hoden, v d Vas deferens. p Penis, m Retractoren desselben, gi An- hangsdrüsen. (Nach Krohn.) B Weibliche Organe, o Eierstock, u Uterus, op Lege- rölire. m Retractoren derselben. Geschlechtsorgane. 301 Mit dem unpaaren Abschnitte verbinden sich in beiden Geschlechtern Anhangsdrüsen, die wiederum bei den Männchen ausnehmend umfang- reich sind. Die verschiedenartige Verlheilung der Functionen an dem- selben Ringcanale führt zu einer Trennung des Ringes in zwei Genital- schläuche , wenn in der Mitte des keimerzeugenden Abschnittes des Ringes eine sterile Partie auftritt. Die beiden Hälften des Ringes vertheilen sich dann, in einzelnen Fällen noch durch einen Canal oder durch indifferentes Gewebe verbunden, nach beiden Seiten, und so gehen Organe hervor, die nur an den Mündungen oder an einem damit zu- sammenhängenden unpaaren Abschnitte vereinigt sind (Ixodes). Ganz unabhängig von diesen Einrichtungen verhalten sich die hermaphroditischen Geschlechtsorgane der Tardigraden. Sie be- stehen aus einem unpaaren Ovarium, und zwei zu Seiten des Darm- canals liegenden Hoden , welche ihren Ausführgang in einem Samen- behälter einfügen, und meist mit besonderen Drüsen sämmtlich in eine Cloake ausmünden. Ebenso eigenlhümlich verhalten sich die Pycnogoniden deren Geschlechtsproducte an der Wand der Leibeshöhle entstehen , und durch besondere bald an allen , bald an nur einem Fusspaare vor- handene Oeffhungen entleert werden, damit an niedere bei Annulalen bestehende Refunde erinnernd. § 216. Die Geschlechtsorgane der Myriapoden stehen in Form und An- ordnung jenen der Arachniden am nächsten und münden zum Theil wie jene, weit vorne am Körper, nämlich am dritten Leibessegmente aus. Nur die Geschlechtsöffhung der Scolopender ist am llinterleibes- ende angebracht. Rei den Weibchen sind die Geschlechtsdrüsen ent- weder äusserlich einfach , einen langgestreckten Schlauch vorstellend, an dessen Innenfläche die Eier Vorsprünge bilden, (Juliden , Scolo- pendriden und Glomeriden) ; oder sie erscheinen doppelt (Craspedo- soma) und vereinigen sich dann an ihrem vorderen Ende, woraus wiederum zwei besondere Oviducte hervorgehen , die nach bogenför- migem Verlaufe von einander getrennt münden. Rei den Scolopendern ist ein einfacher Oviduct als Fortsetzung des einfachen Ovarialschlauches die Regel , doch ist im Allgemeinen die Duplicilät dieser Organe nicht nur durch die weit verbreiteten doppelten Oviducte, sondern auch durch die beiderseits im einfachen Ovarialschlauche stattfindende Eibil- dung ausgesprochen. Die accessorischen Organe werden aus zwei Paaren , zuweilen in die Oviducte, meistens direct in die Geschlechtsöflhung ausmündender Gebilde dargestellt (Fig. 130. gl). Ein Paar davon erscheint in Form gestielter Rläschen, die nach ihrem Inhalte als Receplacula seminis zu 302 Arthropoden. Fig. 130. deuten sind, während ein anderes, zuweilen noch verdoppeltes Paar sich als »Kittdrüsen« kundgibt. Die Duplicität der männlichen Organe ist gleichfalls häufig auf die Ausführgänge und accessorischen Apparate beschränkt. Doch sind manche dornenden und Juliden mit einem doppelten Ilodenschlauche versehen 7 der in ein gemeinsames Vas cleferens übergeht und nicht selten auf seiner ganzen Länge durch zahlreiche Querverbindungen zu einem Organe vereinigt erscheint. Wo nur Ein Uodenschlauch existirt, da ist er häufig mit rundlichen oder länglichen Follikeln besetzt (Fig. 131. / /). Das Vas deferens bleibt selten einfach (einige Scolopendriden, Fig. 131. v), son- dern theilt sich in der Regel, gleich dem Oviducte, in zwei ent- weder je auf einer kurzen Pa- pille ausmündende (Juliden , Glo- meriden) oder sich vereinigende Aeste, die in einen am Hinterleibs- ende angebrachten kurzen Penis übergehen (Scolopendriden). Der letzte Abschnitt der Ausführgänge ist häufig mit Erweiterungen oder Ausbuchtungen versehen, die zu Ansammlung des Sperma dienen (Fig. 131. v') . Dicht vor der Aus- mündung inseriren sich noch meh- rere Drüsenpaare (Fig. 131. gl), unbestimmter Function. In dem Gesarnmtverhalten des Geschlechts- apparates sind in den getrennten Mündungen ausgedrückte Annähe- rungen an die Krustenthiere, durch die Bildung ringförmiger Abschnitte Aehnlichkeiten mit den Arachniden unverkennbar. Die bei den Crustaceen bestehende Umbildung von Gliedmaassen in Begattungsorgane besieht bei den Arachniden nur unter den Spinnen und zwar sind es hier die Palpen, welche bei den Männchen als com- plicirt gestaltete Organe die Ueberlragung des Sperma auf die weib- liche Genitalöffnung vornehmen. In wiefern die in beiden Geschlechtern der Scorpione vorkommenden knmmförmigen Anhänge des Genilalseg- ments hierher bezogen werden können, ist noch nicht bestimmbar. Fig. 130. Weibliche Geschlechtsorgane von Scolopendra complanata. ov Ovarium. yl Drüsen. (Nach Fabhe.) Fig. 131. Mannliche Organe von derselben. t Hoden, v Vas deferens. v' Als Sperniatophorenbehälter funetionirender Abschnitt des Vas deferens. s Samenblase. , 144. p), der aus der Mantelspalle, bei einigen in bedeuten- der Länge hervorgestreckt werden kann. Er ist dann beilförmig oder keulenähnlich gestallet und fungirt als Locomolionsorgan. Die beiden Fig. 144. Seitliche Ansicht der Mantelhöhle einer Mactra nach Entfernung der rechten Mantellamelle, br , br' Kiemenblätter, t Tentakel, ta, tr Siphonen. ma Vorderer, mp hinterer Schlicsbinuskel. p l-'uss. c Schloss der Schale. Kör per form. 331 von der Seile kommenden Flachen des Fusses laufen gewöhnlich in eine mediane Kante aus , doch besieht bei einigen an letzlerer Stelle eine ebene Flache als Sohle. Viele Muschelthiere leben unter Verhältnissen, welche eine Benutzung dieses Organs ausschliessen und demgemäss es sich rückbilden lassen, wie die festsitzenden Auslern und Anomien , oder die Kammmuscheln, deren Locomotion durch Aclionen des Mantels und seinen Schalen ausgeführt wird. Andere Modificationen erleidet der Fuss bei den Bohrmuscheln. § 235. Das V e l u m erlangt die grösste Entfaltung bei den Cephalophoren und fehlt nur jenen, deren erste Jugendzuslande einer freien Lebens- weise entzogen sind, z. B. die Pulmonaten. Bei den meisten Pteropoden, und Gastropoden gestaltet es sich zu einem ansehnlichen , nicht selten in symmetrische Lappen ausgedehnten Organe (Fig. 145. ABCv), welches bei einzelnen Gtenobranchialen sogar noch längere Zeit fort- besteht und dem Körper damit die Fortdauer der Schwimmbewegung sichert (Macgillivraya). Mit der Ausbildung eines Velums verbindet sich die Sonderung eines Kopfes, an dessen oberer Flache das Velum sich entfaltet, und der nur unter den Pteropoden bedeutende Rückbildungen eingeht. Der Mantel erhebt sieh wie bei den Lamellibranchialen als eine die Dorsalfläche umsäumende Falte und lässt auf seiner Oberfläche die Fig. 145. Schale hervorgehen. Indem dieses von der Mantelduplicalur umsäumte Dorsalfeld des Körpers mit der zum Gehäuse sich ausbildenden Schale immer weiter sich ausbuchtet, stellt es allmählich einen Blindsack vor, der nach und nach den grössten Theil der Eingeweide beherbergt (Eingeweidesack ) , und dieselben somit unter den directen Schulz des Gehäuses gelangen lässt. Mit weiterer Ausbildung hebt sich die Mantel- duplicalur freier vom Körper ab, und lässt unter sich einen weiteren, Fig. 145. Larven von Cephalophoren. A von einem Gas teropoden. B Spateres Stadium. C von einem Pteropoden (Cymbulia). v Velum. c Schale, p Fuss. up Deckel, t Tentakel, 332 Mollusken. die hervoi sprossenden Kiemen bergenden Raum entstehen , homolog der Kienienhöhle der Musehelthiere (vergl. Fig. 143. AB). Diese Kiemen höhle der Cephalophoren und die mit ihrer Genese zu- sammenfallende Entfallung des Mantels schlagt sehr divergente Rich- tungen ihrer Ausbildung ein. Den einfachsten Refund bieten die Cyclo- branchiaten, deren Kiemenhöhle durch eine seichte auf beiden Seiten des Körpers gleichmassig entwickelte Manlelfurche reprasentirt wird. Die Ausdehnung des Dorsalfeldes mit der Entwicklung des Gehäuses ver- bindet sich mit einer Verliefung der Kienienhöhle, welche nicht mehr gleichmässig in der Mantelfurehe liegt, sondern sich an einer bestimmten Stelle weiterbildet und gleichfalls unter den Schutz des Gehäuses ge- langt. Diese Stelle liegt bald unter einem hinteren bald unter einem vorderen Abschnitte des Mantels; ersteres bei Pteropoden (Fig. 145. C), letzleres bei den meisten Gasteropoden (Fig. 145. B) wie bei den Hete- ropoden. Die durch das Auftreten von Gehäuse- Windungen bedingte Asymmetrie gibt der Kiemenhöhle der Gasteropoden eine meist einseitige Lagerung, welche als eine Anpassung an die durch den bezüglichen Theil der Schale gebotene grössere Räumlichkeit sich darstellt. In vielen Fällen ist für diese einfache Kiemenhöhle die Entstehung aus einer paarigen auf beide Körperseiten vertheilten Räumlichkeil nachzuweisen, wodurch Verknüpfungen mit dem erst erwähnten Zustande möglich sind. Von diesem Verhalten leiten sich sowohl Reihen von Rückbildungen wie auch Reihen von Ausbildungen ab. Die letzlern sind grossen Theils Differenzirungen des Mantelrandes , die mit der Function der Kiemenhöhle in Connex stehen. Ein Theil des Mantelrandes wächst in eine der Zuleitung von Wasser dienende Rinne aus, und kann durch Uebereinanderschlagen der Ränder in eine Röhre sich umwandeln, wie wir sie als Sipho bei vielen meerbewohnenden Kammkiemen an- treffen (Ruccinum, Dolium, Harpa, Tritonium, Murex u. a.). Ein auf ähnliche Alt gebildeter zweiter Sipho von geringerer Ausdehnung be- steht meist am entgegengesetzten Ende der Kiemenhöhle und ist zur Ausfuhr des Wassers bestimmt. Mancherlei andere Forlsatzbildungen (z. R. bei Slrombus, Pterocera) sowie tenlakelarlige Anhänge bedingen neue Complicationen. Rückbildungen des Mantels ergeben sich wieder im Zusammen- hange mit Rückbildungen der Schale. Am meisten greifen sie in der Abtheilung der Opislhobranchiaten Platz, von denen ein Theil mit sehr verschiedengradig rudimentären Schalen ausgestattet ist, ein anderer, wie z. R. die Aeolidier, derselben im ausgebildeten Zustande vollständig entbehrt. Da bei allen diesen schalentragende Larvenstadien vorkommen, der Verlust der Schale also sogar erst während der Onto- genese erworben wird , so müssen auch die später nackten Opistho- branchialen von schalenlragenden Formen abzuleiten sein. Die Larven- schale und die damit wenn auch gering ausgebildete Manlelfalte stellen somit als rudimentäre Organe den nackten Opisthobranchialen ein Zeug- Körperform. 333 3 niss für die mit den Prosobranchinten gemeinsame Abstammung aus. Wo solche Schalenrudimente auch dem ausgebildeten Thiere noch zu- kommen , werden sie in ähnlicher Weise zu beurtheilen sein , als lückgebildete, und nicht als erst in der Ausbildung begriffene Gehäuse, denn wieder die Vergleichung mit den Larvenformen lässt da das Gehäuse in viel höherer Bedeutung erkennen als es im Rudimente des ausgebildeten Zustandes jener Organismen erscheint, und ebenso trifft sich die Lage des Afters wie der Kiemen in einem nur aus einer mächtigeren Gehäusebildung erklärbaren Verhältnisse. Die Reihe der Rückbildungen zeigt sich auch innerhalb kleinerer Abtheilungen, so bei den Heleropoden , unter denen Atlanta mit aus- gebildeter Schale und entwickeltem Mantel erscheint, die beide bei Garinaria rudimentär, und bei Pterotrachea völlig geschwunden sind. Aehnliche Reihen von Rückbildungstadien finden sich auch bei den Pulmonaten repräsentirt. Bedeutend umgestaltend auf die Körperform wirkt die diver- gente Ausbildung des Fusses ein. Derselbe erscheint bei den Larven der Pteropoden und der Ga- steropoden unterhalb des Mun- Fig. 146. des als ein kurzer konischer Forlsatz (Fig. 145. A. p) , der sich meist etwas verbreitert und dann auf seiner hintern dorsalen Fläche einen die Mündung des , Gehäuses verschliessendenDeckel als schalenartiges Abscheide- produet trägt. Unter Volums- zunahme besonders in aboraler Richtung, gestaltet er sich bei Gasteropoden zu einem meist mit breiler Sohlfläche ausgestatteten Gebilde, von welchem die Bezeichnung Fuss ent- nommen ward (Fig. 145. B). Bald ist er mehr in die Länge gestreckt, bald mehr scheibenförmig gestaltet. Bei den meisten Gasteropoden* kommt dem Fusse nur an seinem Sohlenrande eine scharfe Umgrenzung zu. Die darüber befindliche Körperoberfläche zieht sich bei manchen Prosobranchialen (Fig. 167. p) und vielen Opisthobranchiaten in einen saumartigen Rand aus (Epipodium) , der schon dadurch, dass er auch den Kopf mit umfasst, vom Mantel verschieden sich darstellt. Selbst- ständiger sondert sich am Fusse der Heteropoden ein Abschnitt der als senkrecht stehende Flosse die Bauchseite des Thieres einnimmt. Dieser »Kielfuss« repräsentirt den vorderen und mittleren Abschnitt (Pro- und Mesopodium) jener Strecke, welche bei den meisten Gaste- ropoden zum Fusse umgebildet ist, indess der hinterste (Metapodium) Fig. 4 4 6. Schematische Darstellung des Verhaltens von Mantel und Fuss auf senkrechtem Querdurchschnitt. A bei Lamellibranchiaten, B hei Cephalophoren. m Mantel, p Fuss. br Kiemen. 334 Mollusken, Theil des Gasteropodenfusses dorn Übrigen Körper der Heteropoden sich anscbliesst und hei Atlanta auch einen Deckel trügt. Die muskulöse Sohle des Gasteropodenfusses ist dahei auf ein saugnapfartiges Gebilde reducirt, welches bei denPterotracheen nur dem männlichen Geschlechte zukommt. Noch bedeutender sind die Modificationen des Fusses der Ptero- poden. Der in den ersten Larvenstadien in derselben Weise wie bei den Übrigen Cephalophoren angelegte Fuss entwickelt bei den Cym- bulioen und Ilyaleen einen medianen und zwei laterale Theile (vergl. Fig. 145. C. pp) j von denen der erstere dem Fussende der Gastero- poden, die letzleren dagegen dem vordem und mittlem Fussabschnitte der Gasteropoden oder der Flosse der Heteropoden entsprechen. Wäh- rend der mediane Abschnitt bei den Ilyaleen sich rückbildet, ein- wickeln sich die lateralen Lappen zu zwei grossen, den rudimentären Kopf wie Flügel umfassenden Flossen, und bei den Cymbulieen geht auch der mediane Lappen eine Weiterbildung ein. Er verschmilzt bald nur an der Basis (Cymbulia), bald in der ganzen Länge Tiedemannia) mit den beiden seitlichen, und daraus gehen die ansehnlichen Flossen dieser Thiere hervor. § 236. Bei den Cephalopoden erscheint die bedeutendere Ausbildung des Kopfes als eine wichtige Eigentümlichkeit der Körperform, bei wel- cher der Mantel allgemein in anderen Fig. U7. Beziehungen zu der von ihm umschlosse- nen Mantelhöhle, als bei den meisten Ce- phalophoren steht. Wie bei den Pleropoden nimmt die von einer Mantelduplicalur über- wölbte Cavität den hinteren Theil des Rückens ein, bildet also jene Körperpartie, die gewöhnlich als Bauchflaehe bezeichnet wird. Um diese Verhältnisse sich zu ver- anschaulichen , muss man das Thier in einer Stellung sich denken, in welcher das ab- orale Ende aufwärts, der Kopf dagegen nach vorne und abwärts gerichtet ist. (Vergl. nebenstehende Fig. 147.) Der ge- sammte über dem Kopfe befindliche Kör- «per wird dann dem Bücken der Cephalophoren entsprechen. Der Mantel setzt sich vom Kopfe bald durch eine ringsum laufende Falte ab (Sepia), bald gehl diese Mantelfalte an der Seite des Nackens glatt ins Inte- gumenl des Kopfes über (Octopus) , so dass der Mantel nur soweit er die Mantelhöhle überragt, als eine Duplicalur sich darstellt. Seitliche Fig. 147. Schematische Darstellung für das Verhalten des Mantels. A bei Pteropoden und H bei Cephalopoden. c Kopf, p Medianer Theil des Fusses. tr Darnuanal. br Kiemen, p' Trichter. Bei A Andeutungen des Kopflosen, bei B Andeutungen der Arme. Körperform , 335 Flg. 148. Fig. 149. Fortsätze dieses Mantels, hei den Sepien meist schmal, aber in der ganzen Länge vorhan- den , bei den Loliginen brei- ter, jedoch nur aufs hintere (resp. aborale) Korperende be- schränkt, fungiren als Be- wegungsorgane (Flossen). Sowohl die Bildung der Mantelhohle als auch die Lage des Afters lässt schliessen, dass diese Gestaltung aus dem ur- sprünglichen Besitz einer den ganzen Mantel bedeckenden Schale hervorging, wie denn auch die gehäusetragenden Ge- phalopoden allgemein als die älteren Formen sich darstellen, und in der ausserordentlichen Divergenz der Gehäusefonnen eine sehr weit zurückliegende Entstehung dieses Gebildes an- nehmen lassen. Weniger deutlich als der Mantel lassen sich einem Fusse homologe Theile nach- weisen. Vielleicht dürfen die den Kopf der Cephalopoden auszeichnenden Gliedmaassen hieher zählen (Tentakel, Arme), die aus einem Abschnitte der Embryonalanlage hervorgehen, der in seiner Lagerung zu an- deren Körpertheilen einem Ce- phalophorenfusse entspricht. (Vergl. Fig. 148 — 152.) Fig. 148—152. Entwickelungsstadien von Sepia. (Nach Kölliker.) Fig. 14 8. Embryonalanlage auf der Keimscheibe, o Augen, !> Kiemen, /Tridhterwulst, Fig. 1 49. Etwas alterer noch auf dem Dotier aufliegender Embryo von vorne ge- sehen, o Mund, a hinterer Kopflappen mit dem Auge a' ; /'vorderer Kopflappen ; v Dotter. Fig. 150. Späteres Stadium in seitlicher Ansicht; 1 — 4 Anlagen von 4 Armen, * Trichterknorpel. Fig. 151. Noch spateres Stadium von vorne. 5' Fünftes Paar der hier all- mählich nach vorne gerückten Arme (vergl. hierzu vorige Figur.) Fig. 152. Aelterer Embryo in seitlicher Ansicht. Der Körper hat sich bedeu- tender vom Dotier abgehoben, und die Trichterhälften haben sich vereinigt. Fig. 151, Fi«. 152. 336 Mollusken. Ein zweilos wenigstens in seiner Lagerung am Körper einige Verwandtschaft mit dem Cephalophorenfusse ergebende Organ ist der Trichter. Bei Nautilus wird es aus zwei von der Ventral- fläche unter dem Kopfe entspringenden Lamellen gebildet, die über einander gerollt eine aus der Mantelhöhle vorragende Röhre vorstellen (Fig. 154. /). Bei den Dibranchiaten erscheint dieses Organ nur in der Anlage (Fig. 148 — 152. f) aus zwei seillichen Abschnitten zu- sammengesetzt, die in dem Räume zwischen Mantel [m) und Armanlagen auftreten. Durch Gegeneinanderwachsen und allmähliche Concrescenz entsteht eine ähnliche aber abgeschlossene Röhre (Fig. 153. /, 1 57. g). Diese muskulösen Trichterbildungen stehen bei der Ortsbewegung in Function. Indem der gleichfalls muskulöse Mantel sich dann an den TD Umfang des Trichters legt, und durch kräftige Gontraclionen das zwischen Trichter und Mantelrand in die Mantelhöhle tretende Wasser austreibt, wird durch den ausgestossenen Strom ein das Thier in aboraler Richtung fortbewegender Rücksloss hervorgebracht. Gliedmaassen. § 237. Die Entfaltung eines Kopftheiles steht auch bei den Mollusken mit der Sonderung von tentakelartigen Gliedmaassen in engem Zusammen- hange, und wenn auch bei den Brachiopoden mit der Entfaltung von Mantel und Schale ein Kopf keine Bolle mehr spielt, sind doch während des Larvenstadiums die später so mächtig entfalteten Arme als Anhangsgebilde eines Kopftheiles aufgetreten. Sie stellen die ein- zigen Gliedmaassen vor, die jedoch bei dem Festsitzen der Thiere keinerlei locomotorische Bedeutung haben, sondern vielmehr theils zum Herbeischaffen der Nahrung theils als Kiemen für die Respiration in Function stehen. Rei den La mel libra nchia ten sind lappenförmige Anhänge (Fig. IH. / (sogenannte Mundlappen) am völlig rudimentären Kopfe angebracht, vielleicht den bedeutender entfalteten Tentakeln homolog, welche bei den C e p ha lopho ren den Kopftheil auszeichnen. Wie bei vielen Plallwürniern stellen sie im einfachsten Zustande wenig vor- ragende, aber bedeutende Difl'erenzirungen eingehende Körperfortsätze vor. Bei den Prosobranchiaten sind sie wie bei den Heteropoden meist auf zwei beschränkt, und nehmen ihre Entstehung auf der vom Velum umsäumten Fläche (vergl. Fig. 145. B.t). Bei vielen liegt das Auge an der Fühlerbasis, die sogar zu einem besonderen Fortsatze sich ausbilden kann. Daran schliessen sich die Pulmonalen, deren Seh- organe bei vielen gleichfalls auf einen von den Tentakeln sich son- dernden Augensliel tritt, der mit dem Erlangen grösserer Selbständigkeit bei Helix , Limax u. a. wie ein zweites Tentakelpaar sich darstellt. Gliedmaassen. 337 Ein besonders hoch entwickeltes Fühlerpaar zeichnet die Opisthobran- chiaten aus (Fig. 155. / /) , aber dazu treten noch neue tentakelartige Kopfanhange, welche für die einzelnen Unterabtheilungen in Zahl und Anordnung charakteristisch sind. Unter den Pteropoden erscheint eine bedeutende Tentakelentfaltung bei den Gymnosomaten von denen Pneumodernion sogar noch Saug- näpfe an seinen zwei retractilen Tentakeln trägt, Grosse Rückbildungen gehen bei den Thecosomaten vor sich, indem die hier zu Flossen um- gebildeten Theile des Fusses weit über den rudimentären Kopf ausge- dehnt die Entfaltung von Fühlern verhindern oder nur auf unansehn- liche Fortsätze beschränken. Gänzlich fehlen sie bei Chitonen. § 238. Für die Cephalopoden sind zahlreiche jederseits in reihen- weisen Gruppen auf lappenartigen Fortsätzen sich erhebende Tentakel am Kopfe der Telrabranchiaten bemerkenswerth. Von diesen Gebilden scheinen weniger die Tentakel selbst als die sie tragenden Platten den Armen der Dibranchiaten homolog zu sein , wobei dann die Tentakel den auf den Dibranchiaten -Armen entwickelten Saugnapfbildungen entsprächen. Zehn Arme zeichnen die Loligincn, Sepien, Spirulen aus. Zwei längere, auch sonst von den andern verschieden gebaute Arme stehen dabei ausserhalb des von den andern acht gebildeten, den Mund umstellenden Kreises, und treten aus dem Grunde seitlich am Kopfe sich herabsenkender Taschen hervor. Die bei Octopoden nur zu acht vorkommenden Arme sind wie die acht gleichartigen der Decapoden an der Basis durch eine saumartige Membran verbunden mit Ausnahme des der Trichterseile nächsten Paares. Diese Verbindung erstreckt sich bei einigen Octopoden weiter, bald nur auf eine Anzahl von Armen (vier bei Tremoctopus) bald auf alle (Hislioteuthis, vollständiger bei Cirroteuthis um sich in ganzer Länge derselben fortzusetzen. Beson- dere Bildungen an den Cephalopoden- Armen erscheinen als Saugnäpfe, welche meist in zwei Reihen (eine Reihe bei Flledone) die orale Fläche besetzen, nicht selten von Stielen gelragen. Ihr freier Rand besitzt häufig eine cuticulare Verdickung in Form eines zuweilen gezähnelten Chitinringes. Unter mächtiger Ausbildung eines einzelnen Zahnes tritt der Saugnapf selbst zurück, und seine Stelle wird durch einen Haken vertreten. Solche hakenbesetzte Arme besitzt Onycholeuthis. Einzelne Arme der Cephalopoden erleiden bei vielen besondere Umbildungen, indem sie bei dem Begaltu ngsgeschäfte in Function stehen, die schon bei Nautilus durch die Tentakel besorgt wird. Der zum Begattungswerkzeuge umgebildete Arm ist unbeständig, in der Re^el ist es einer von den der Bauchseite des Thieres anee- hörigen. Die Art der Umwandlung tritt in den einzelnen Abtheilungen in sehr verschiedenen Graden auf. bald erscheint sie blos in einer Gegenbaur, Grundriss. 22 338 Mollusken. Fig. 153. Verminderung einer Stelle an der Basis des Arms, die beträchtlich ver- breitert ist und nur spärliche Saugnäpfe aufweist (Sepia), bald beruht sie in seiner Veränderung der Saugnapfform auf grösserer oder geringerer Länge , oder die Spitze des betreffenden Armes ist mit einer löffelartig ausgehöhlten Bildung ver- sehen (Octopus, Eledone). Der höchste Grad dieser aus einer An- passunghervorgegangenen Umformung äussert sich sowohl durch eine ansehnliche Ver- grösserungdes bezüglichen Armes (Fig. 153. h) als auch durch eine differente innere Organi- sation (Argonaula und Tremoclopus). Ein solcher Begattungsarm entwickelt sich nicht wie die andern frei hervorsprossend, sondern er entsteht in einer Blase zusammengewunden, aus der er sich erst nach erlansler Ausbil- düng löst. Eine ähnliche blasenförmige Umhüllung besitzt das vielfach zusammen- gewundene geisseiförmige Ende des Arms (Fig. 153.?/), welches erst bei der Begattung frei wird. Dieser Anhang sammt der um- hüllenden Membran (x) entspricht dem mo- dificirten Armende von Eledone und Octopus. Die höher differenzirten Begattungsarme ver- mögen nach ihrer Ablösung in der Mantel- höhle des Weibchens noch längere Zeit fort- zuleben, so dass man solche abgerissene Arme früher für parasitische, den Trematoden verwandt^ Organismen hielt . und als »Hectocotyli« bezeichnete. Integument. § 239. Die Körperbedeckungen der Weichthiere werden von einer weichen Hautschichte dargestellt, die in der Regel so innig mit der darunter liegenden Muskulatur verwebt ist, dass, wie bei den Würmern, eine Art von Hautmuskelschlauch entsteht, dessen Gestalt die Form des ganzen Thieies bedingt. Durch vorwiegende Ausbildung der Musku- latur an gewissen Stellen des Körpers, somit durch Differenzirung ein- Fig. 153. Mannchen von Tremoctopus Gare na e. 0 Oberes, t- zweites Armpaar. <3 Dritter linker Arm. r1 Unteres Armpaar. // Hectocotylus-Arm. x Endblase desselben, y Fadenförmiger Anhang des Armes aus der Endblase ge- löst, i Trichter. Integument. 339 zelner Theile des Hautmuskelschlauches entstehen die Organe der Ortsbeweeune. In den meisten Abtheilungen der Mollusken, so bei den Lamelli- branchiaten und Cephalophoren, besteht wahrend der ersten Larven- zustände eine Wimper bek leid ung, welche auch später noch den Körper oder Theile desselben überzieht. Die bedeutendste Aus- bildung empfangen die Cilien au dem das Velum (s. § 2.32) umsäumen- den Wimperkranze. Am meisten verbreitet kommen sie sonst an den Alhmungs-Organen vor. Auch bei den Gephalopoden besieht während der Entwicklung eine Wimperbedeckung der Oberfläche an fast allen Stellen der Keimscheibe (mit Ausnahme der Kiemen) und später er- scheint auch am Dottersack Wimperepithel. Bei den meislen Mollusken ist das Integument deutlich in Epider- mis und Cutis trennbar. Eine eigentümliche Modifikation empfängt das Integument bei manchen Heteropoden (Carinaria, Pterolrachea), bei denen eine mächtige glashelle Bindegewebeschichte dem Körper nur einen geringen Grad des Gestaltwechsels erlaubt. Bei den übrigen Mollusken wird einer Formveränderung des Körpers vorzüglich durch die vom Integumente ausgehenden Gehäusebildungen eine Schranke gesetzt. Färbungen des Körpers finden sich durch Pigment- Einlagerungen in die Cutis bedingt. Von diesen Gebilden sind die eigenthümlichsten die bei manchen Pteropoden, wie bei allen Cephalopoden vorhandenen »Chromatophoren«. Dies sind in verschiedenen Tiefen der Haut liegende rundliche Zellen, mit körnigem Pigmente erfüllt und in ihrer Peripherie mit radiären Muskelfasern ausgestattet, deren Contraction eine flächen- hafte Ausdehnung der Zelle und dadurch eine Vertheilung des Pigment- inhalles hervorruft , so dass sie als grössere , häufig sternförmig ver- ästelte Flecke dem Auge leicht wahrnehmbar werden. Das wechselnde Spiel dieser mehrfachen Chromalophorenschichten ruft jene Farbenpracht hervor, die man an der Haut lebender Tintenfische bewundert. Von andern Einlagerungen in das Integument sind solche von kohlensaurem Kalk sowohl im Mantel von Brachiopoden vorhanden als auch allgemein bei den Gasteropoden verbreitet und finden sich bald als einfache Körnchen oder grössere rundliche Concrelionen, bald als stäbchenförmige gezackte oder auch verästelte Formen , die oft in beträchtlicher Masse ein wahres Kalknetz darstellend vorkommen können. So treffen wir sie bei Opisthobranchialen z. B. bei Doris, Polycera u. a., bei welchen die einzelnen Arten durch eine besondere Anordnung oder Gruppirung, sowie auch durch eigenthümliche Formation der einzelnen Kalkstäbchen ausgezeichnet sind. Als Hautgebilde eigenthümlicher Art erscheinen die den Mantel- rand der Brachiopoden besetzenden Borsten. Sie entstehen zwar ähnlich wie die Borsten der Würmer in besonderen Einsenkungen. 22* 34ö Mollusken. unterscheiden sich ober von jenen durch ihre Textur. Aehnlicho Borsten finden sieh auch am Mantel der Chitonen vor. § '240. Als Differenzirungen der Epidermis erscheinen Drüsen, die sich zum Theile an die hei Würmern vorhandenen Gebilde anreihen. In der einfachsten Form finden sich diese Organe als Modifikationen von Epidermiszellen , zwischen anderen Zellen gelagert, aber durch den feinkörnigen Inhalt, sowie durch eine Mündung ausgezeichnet (Becher- zellen). Sie kommen sowohl den Muschelthieren wie den Cephalö- phoren zu. Bei Gephalopoden finden sie sich mehr gruppenweise an- geordnet, und dehnen sich mit ihrem blinden Ende unter das Niveau der Epidermis. In weiterer Entfernung von der Oberfläche sind sie bei Gasteropoden — besonders bei Landpulmonaten ■ — zu treffen, wo sie tiefer ins Integument eingesenkt sind. Immer erscheinen diese Gebilde somit als einzellige Drüsen. An einzelnen Körperstellen gehen dieselben verschiedenartige Modificationen ein. Hierher gehören z. B. die am Mantelrande beschälter Gasteropoden vorhandenen, eine kalkhaltige Flüssigkeit absondernden Drüsen, mit denen auch farbsloff- liefernde vorkommen. Bei Aplysia entleeren die Hautdrüsen eine dunkel- rothe Flüssigkeit. Bei Murex und Purpura besteht in der Mantel- höhle zwischen Kieme und Enddarm eine als Drüse fungirende Epithel- schichte, die aus grossen, auf der Oberfläche wimpernden Zellen gebildet wird, deren Secret den als »Purpur« bekannten Stofl' liefert. (Lacaze-Dutbiers.) Eine Eigentümlichkeit einiger Opisthobranchiaten ;z. B. Aeolidia) bildet das Vorkommen von Nesselkapseln in den drüsig gebauten Enden der Bückenpapillen. Selbständiger entwickelte Drüsenorgane des Integumenles sind ferner die Byssusdrüse der Lamellibranchiaten, ein Organ, dessen Auftreten von Modificationen des Fusses begleitet ist. Derselbe erscheint näm- lich zu einein zungenförmigen , an seiner ventralen Fläche mit einer Binne ausgestatteten Fortsatze verkümmert. Die Binne verläuft eesen eine an der Basis des Fusses befindliche Vertiefung, in deren Grund eine Drüse die als »Byssus« bekannte Substanz absondert. Ein solches Organ findet sich bei Pecten, Lima, Area, Tridacna, Malleus, Avicula, Mytilus verbreitet, wird jedoch als allgemeiner vorkommend gelten dürfen, da es auch bei den Embryonen der Najaden, sowie bei Cyclas vorübergehend besteht. Bei den Cephalophoren findet sich in ein- zelnen Abtheilungen gleichfalls eine im Fuss gelegene Drüse (Heli- einen, Limacinen) , die sich vorne unter dem Munde öffnet. Auch die Kiemenhöhle vieler Gasteropoden trägt die Mündung eines ansehn- lichen Drüsenormans. Sclialenbildungen. 34 <| Schalenbildungen. § 2-H. Eine besondere Wichtigkeil erlangt die Hautbedeckung durch die Abscheidung fester, in Schichten sich lagernder Substanzen, aus welchen die mannichfaltigen für den Molluskenstamm charakteristischen Gehäuse und Schalen hervorgehen. Somit sind die in dieser Abtheilung getroffenen Hartgebilde durch die Art ihrer Entstehung von jenen anderer Thierclassen wesentlich unterschieden. Es sind vom Körper ausgeschiedene, nach aussen hin abgelagerte Producle, die als Stütz - und Schutzorgane für die betreffenden thierischen Organismen von grosser Bedeutung sind , und bezüglich des sie bildenden Vorganges der Genese des Chitinskelets der Arthropoden sich anreihen. In beiden ist die Aeusserung einer und derselben secretbildenden Thatigkeit der äusseren Hautschichte zu erblicken. Wenn auch die äusseren Schichten dieser Gebilde häufig, besonders bei massiven Schalen, dem Organis- mus sich entfremden, so stellen sie doch immer Theile desselben vor, und an manchen Stellen, z. B. da, wo Muskeln den Schalen inserirt sind, besteht beständig ein unmittelbarer Zusammenhang. Die Beziehung des Mantels zur Schalenbildung ist eine sehr innige, der Mantel entsteht mit der Schale , und wo letztere sich nicht ent- wickelt, oder sich rückbildet, erleidet auch er Rückbildungen, wenn nicht in der Lebensweise den Mangel jenes Schutzorganes compensirende Einrichtungen bestehen (Bohrmuscheln). Dieser Zusammenhang lässt bei erkannter Homologie des Mantels auch in den Schalen- und Ge- häusebildungen eine Uebereinstimmung wahrnehmen , wie sehr sie auch formal von einander verschieden sind. So wird die zweiklappige Schale der Brachiopoden in eine dorsale und ventrale oder vielleicht besser in eine vordere und hintere geschieden , indess die Schale der Lamellibranehiaten aus einer rechten und linken Klappe be- steht. Diese Schalen stimmen in ihrer Bildungsweise, wie in ihrer Textur vielfach mit einander überein. Im einfachsten Falle bieten sie nur gleichartig geschichtete Lamellen dar. Diese compliciren sich durch das Vorkommen von Schichten schräg und senkrecht gerichteter Pris- men, sowie durch das Auftreten von Porencanälen. Das Flächenwachsthum der Schalen geht am freien Rande vor sich und erfolgt hier durch schichtenweise Ablagerungen von Seite des Mantels, die sich auf der Oberfläche der Schale als concentrische Ringe zu erkennen gehen. Die Verdickung der Schale wird an der ganzen Innenfläche von der Aussenfläche des Mantels besorgt. Durch diesen verschiedenen Modus der Bildung entstehen verschiedene Structurver- hältnisse der fertigen Schale, deren innerer Theil aus zahlreichen, über einander liegenden und gefalteten Schichten besteht, aus denen der Perlmutterglauz sich ableitet. Auf die Perlmutterschichte folgt die 3 {.2 Mollusken. äussere ; aus senkrechten Säulehen zusammengesetzte , die ihre Ent- stehung dem Mantelrande verdankt. Auf Rechnung des letzteren kommt auch der hörn artige Ueberzug (Epidermis, Periostracunr) vieler Muschel- schalen. Da beide Schalenklappen der Lamellibranchiaten dorsal — durch das Schlossband — unter einander con- ti nuirlich verbunden sind, erscheinen sie als ein einheit- liches Organ, dessen beide Hälften nur durch ihr Volum wie durch die Verkalkung vom medianen Theile sich unterscheiden. Das Schloss- band bildet das Verbindungsstück beider Schalen , und lässt seine La- mellen in die der Schalen übergehen. In der Nähe des Schlossbandes gelagerte, wechselseilig ineinander greifende Vorsprungsbildungen der Schalen dienen zum festen Schlüsse der Schalen (Schlosszähne). Die Cephalopho ren-Gehäus e sind von den Schalen der Muschelthierc wesentlich nur dadurch verschieden , dass die Schalen- Anlage nicht nach zwei Seiten sich ausbildet, sondern sogleich als ein Continuum verkalkt. Das Gehäuse erhält sich daher stets in ausge- sprochen dorsaler Lagerung zum Körper. Die Beziehung des Mantels zum Gehäuse ist mit Hinsicht auf die Genese des letzteren verschieden. Entweder entsteht die Schale im Innern des Mantels und tritt erst später unter Zerreissung des Mantels hervor, um zur äusseren Schale zu werden, oder sie entsteht gleich anfänglich auf der Oberfläche. Ersteres Verhalten bieten die nieist mit rudimentärer Schale versehenen Pleurobranchiaten und die landbewoh- nenden Pulmonaten. Bei diesen wird das Gehäuse sehr frühzeitig zum äusseren, und verhält sich fernerhin ebenso. Es entsteht hierbei die Frage, ob aus der Verbreitung des Vorkommens innerer Schalen (auch bei Cephalopoden) bei sonst sehr verschiedenen Abtheilungen nicht auf eine ursprünglich allgemeinere Erscheinung geschlossen wer- den darf. Bei den anderen Cephalophoren ist die Entstehung der Schale auf der Oberfläche die Regel und zwar gibt sich der Besitz einer Schale als ein durchgreifender Charakter kund, indem er vielen nur vorüber- gehend zukommt. Ein solches vergängliches nur während des Larvenzu- standes bestehendes Gehäuse besitzen z. B. die meisten Opisthobran- chiatcn, ferner die Pterotracheen unter den Heteropoden. Die Schalensubstanz, Absonderungsproduct des Mantels, bietet zahlreiche Verschiedenheiten dar von weichen, bis zu festen, soliden Bildungen , als welche die Gehäuse der meisten Kammkiemer erschei- nen. Erstere Schalenformen bestehen nur aus organischer Substanz. Durch Imprägnation mit Kalksalzen werden sie fesler, von hornartiger Beschaffenheit, und beim Vorwiegen der anorganischen Substanzen gehen derbe Schalengebilde hervor. Durch schichtenweise Ablagerung der Schalensubstanz von Seiten der Manteloberfläche entsteht die Verdickung der Schale, sowie ihre Vergrösserung vom Mantelrande her erfolgt. Schalenbildungen. 343 Der einfache Zustand der napfförmigen embryonalen Schale bleibt bei einigen bestehen und wird durch gleichmässiges Wachsthum in bald mehr, bald minder (lache oder konische Formen übergeführt (z. B. Patella) ; bei der Mehrzahl dagegen entsteht durch ungleichseitiges Aus- wachsen eine Spiralform, die selbst wieder zahllosen Modificationen unterworfen ist. Da die embryonalen Gehäuse auch bei den später derselben Entbehrenden , zur Bergung des ganzen Körpers dienen , so wird hierin die Grundform zu suchen sein, von der die übrigen Schalenformen sich abzweigten. Nach der einen Seite gehen also daraus weiter entwickelte Gehäuse hervor, sowie andererseits die rudimen- tären Schalenformen sich als Rückbildungen hierzu verhalten. § 242. Die Schalenbildungen der Cephalopoden bieten in ihrer stufen- weisen Ausbildung eine Parallele zu den Cephalophorenschalen. Auch hier dürfen die einfachen Formen aus den complicirteren und voll- ständigeren abgeleitet werden, da die geologische Reihenfolge eine all- mähliche Rückbildung der Schale erkennen lässt. Sowohl hinsichtlich der Texturverhältnisse als auch in den Beziehungen zum Körper, d. i. zu dem als »Mantel« erscheinenden Abschnitt des dorsalen Inlegumentes ergeben sich Wiederholungen der bereits angeführten Einrichtungen. Wir treffen entweder gerade gestreckte (diese nur untergegangenen Familien angehörig), oder gewundene Gehäuse, die vom Mantel gebildet, bald das Thier vollständig umhüllen , bald in rudimentärem Zustande im Innern des Mantels verborgen sind und dann unter Aufgeben ihrer Bedeutung als Gehäuse nur noch als innere Stützorgane erscheinen. Die vollkommener ausgebildeten Gehäuse der Cephalopoden , wie sie uns bei den fossilen Ammoniten , Orthoceratiten und den in der gegenwärtigen Periode durch eine einzige Gattung repräsentirten Nau- tiliden entgegentreten , zeigen einen von jenem der Cephalophorenge- häuse verschiedenen Bau. Sie sind in einzelne hinter einander gelegene Kammern getheilt, von denen nur die vorderste vom Thiere bewohnt wird, obgleich auch die hinteren durch eine röhrenförmige, die Scheide- wände durchsetzende Verlängerung (Sipho) des Thieres mit letzterem in inniger Verbindung stehen. Das Thier (vergl. Fig. 154) bewohnt also nur die letztgebildete, jüngste Kammer. Die einzelnen Kammern ent- sprechen ebensovielen Wachsthumsstufen des Thieres , welches mit jedem neugebildeten Abschnitt der Schale vorrückt und durch Bildung einer Scheidewand eine neue Kammer entstehen lässt. So verhalten sich die geraden Gehäuse der fossilen Orthoceratiten, die in einer Ebene spiralig gewundenen der Ammoniten und jene Nautiliden. Bei den letzteren (Fig. \ 54) schlägt sich ein Manlellappen [b) von der Rückseite des Thieres über einen Theil der Schale hinweg und scheint zur Ver- dickung derselben beizutragen. Fast ganz in den Mantel eingeschlossen 344 Mollusken. treffen wir das ähnlich wie bei Nautilus construirle, in seinen Win- dungen jedoch nicht zusammonschliessende Gehäuse von Spiral a und den Uebergäng von den vollständig nur vom Mantel umhüllten Schalen zu jenen, die im Mantel verborgen sind, bilden die Gehäuse der fossilen Fig. 154. Belemniten. Dieser Vermittelung wegen sind die Reste dieser wahr- scheinlich zum grossen Theile inneren Schalenformationen von grosser morphologischer Wichtigkeit. Die Kammerbildung erscheint hier nur auf einen kleinen kegelförmigen Thcil, den sogenannten Phragmoconus, beschränkt, dessen einzelne, wie horizontale Kegelschnitte über einan- der geschichtete Kammern auch hier durch einen Sipho untereinander in Verbindung gesetzt waren. Der ganze Phragmoconus wird von Ver- dickungsschichlen umhüllt, die sich jedoch nicht gleichmässig über ihn ausdehnen, sondern hinler seiner Spitze einen mächtigen soliden Fort- satz (Hostrum) darstellen. Der nach vorne über die Basis des Phrag- Fig. 1.:>4. Nautilus mit dein Mediandurchschnitt der Schale, i Trichter. I Tentakel, v Kopflappen, o Auge, b Dorsaler Mantellappen. // Verbindungs- stelle des Mantels mit der Schale, s Ein Stückchen der Schale, welches mit dem rechten Mautelmuskel im Zusammenhang geblieben ist. a Mantel, s Sipho. s' Siphocanal der Schale. (Nach Owen.) Schalenbildungen. 345 moconus sich hinaus erstreckende lamellenartig .ausgebreitete Abschnitt der Verdickungsschichten bildet das »Hornblatt«. Der Phragmoconus ist das Homologon der gekammerten Schalen der anderen Cephalo- poden, während die von ihm ausgehende Lamelle, das ebongenannte Hornblatt, wie eine Verlängerung der vordersten Kammerwand sich darstellt und das massive, von der ganzen Schale zumeist am voll- ständigsten erhaltene Roslrum von einfachen, von dem umgeschlagenen Mantel gebildeten Verdickungsschichten abzuleiten ist. Eine völlig im Mantel verborgene, nicht selten mit einer hinleren Spitze hervorragende und dadurch schon an die Schalenbildung der Belemniten erinnernde flache Schale stellt das als »Os Sepiae« bekannte Gebilde der Sepiden vor. Es besteht aus mehrfachen an organischer Substanz reichen Schichten , welche durch Schichten von Kalkablage- rungen von einander getrennt sind, und es somit aus über einander ge- lagerten Blättern zusammengesetzt erscheinen lassen. Die äusserste, der sogenannten Rückenoberfläche desThieres zugewandte Lamelle ist von be- sonderer Festigkeit, sie zieht sich direct in die hintere Spitze aus und bildet die Grundlage für die blättrigen Ablagerungen , die sich auf der Innenfläche der schwach gewölbten Schale oft bis zu beträchtlichem Durch- messer erheben. Diese Schalen lassen sich unmittelbar von jenen der Belemniten ableiten, besonders wenn man jene Sepienschalen, die wie S. Orbigniana in eine starke, freie Spitze auslaufen, in Betracht zieht. Die solide Spitze entspricht dem Rostrum der Belemniten, während die Alveolarhöhle der letzteren, sowie das vom Rücken derselben aus- gehende Hornblatt dem ganzen übrigen Theil der Sepienschale homo- log ist. Die in der Alveole der Belemniten die Kammern des Phrag- moconus darstellenden Scheidewände sind in der Sepienschale durch die flach oder nur wenig concav angesetzten Lamellen repräsentirt. Anstatt von einander getrennte Kammern zu bilden, folgen die Schichten unmittelbar auf einander, und so tritt die complicirte Schale der Be- lemniten durch Reduction in der Sepienschale auf eine niedere Stufe. Noch mehr reducirt ist die Schale der Loliginen , welche nur durch ein langgestreccktes , biegsames, im Rückenlheile des Mantels verborgenes Hornblatt (Calamus) dargestellt wird. Seiner Mitte entlang verläuft ein nach aussen vorspringender Kiel , der oben am stärksten, nach unten zu abnimmt und an den Seiten sich continuirlich in die Ränder des Hornblattes fortsetzt. Dieses Schalen- rudiment entspricht dem äusseren gewölbten und an organischer Substanz reicheren Theile einer Sepienschale und ist damit auch dem Hornblatte eines Belemnitengehäuses homolog. — Endlich findet man in der Gattung Octopus , deren Mantel im Nacken nicht mehr vom Kopfe abgesetzt ist, ein Paar dünne, dem Rückenintegumente einge- lagerte Plättchen als die letzten Ausläufer einer vom Mantel ausgehen- den Schalenbildung, welche sich jener bei Cephalophoren beschriebenen somit vollständig parallel verhält. 346 Mollusken, Als etwas von all' diesen durch eine streng durchführbare Homo- logie erfassbaren Gehäusen Verschiedenes ist die Schale von ÄKgonauta anzusehen, die nicht vom Mantel, sondern von einem lamellös ver- breiterten Armpaare secernirt wird. Es ergibt sich daraus, dass auch noch andere ^Oberflächen - Strecken des Körpers zur Schalenbildung geeignet sind, wie denn bei den Cephalopoden etwas Aehnliches in der Bildung des sogenannten »Deckels« erscheint, welcher auf der Rücken- fläche des Melapodiums vieler Prosobranchiaten auftritt, dem ins Ge- häuse zurückgezogenen Thiere zum Verschlusse dienend. Kiemen, § 243. Dem Aufenthalt der Mollusken im Wasser entspricht die Art der bei ihnen verbreiteten Athmungsorgane , der Kiemen , die sämmtlich Diffe renz irungen des Integumentes sind, und demgemäss ursprünglich eine oberflächliche Lagerung besitzen, wenn sie auch durch Duplicaturen anderer Hautregionen (Mantelbildungen) überdeckt, und so in besonderer Höhlung — der Kiemenhöhle — geborgen sind. Bei den Branchiopoden fungiren die Arme als Kiemen, und zwar sind es zunächst die tentakelartigen Fädehen , welche zur Vcr- mittelung der Athmung günstige Verhältnisse darbieten , und mit den die Arme durchziehenden Blutsinussen in Communication stehen. Doch stehen diese Gebilde mit den übrigen Kiemenbildungen der Mollusken in keinem morphologischen Zusammenhange. Diese Kiemen der Mollusken sind seitlich am Körper befindliche Fortsätze, die im wenigst veränderten Zustand zwischen Mantel und Fuss entspringen. (Vergl. Fig. 146. A. B. br.) Sie bieten sowohl an Ausdehnung des ganzen Apparates als auch in Bezug auf Zusammen- setzung aus einzelnen Fortsätzen eine lange Reihe vielartiger Modifica- tionen. Unter den Lamellibranchiaten stellen sie blattartige Gebilde dar, die zwischen Mantel und dem mit dem Fuss endigenden Einge- weidesack entspringend , in die vom Mantel beiderseits umschlossene Höhle einragen (Fig. 155. br, br'). Ihr freier Rand ist gegen in Ven- tralfläche gerichtet. Fast alle Muschelthiere besitzen zwei Paare solcher Kiemen, ein inneres, mediales und ein äusseres, lateral gelagertes Paar. Das erste re ist häufig das grössere. Mit Ausnahme von Anomia, bei der durch Anpassung auch zahlreiche andere Modificationen der Organisation entstanden sind, ist die Anordnung der Kiemen symmetrisch. Jedes Kiemenblalt entwickelt sich aus einer Reihe neben einander hervor- sprossender Fortsätze, die bei vielen (z. B. den Arcaceen) auch ferner isolirt bleiben, und einzelne parallel neben einander gelagerte Kiemen- fäden vorstellen. In dieser Art des ersten Auftretens wird der Ansehluss Kiemen. 347 an die Kiemenbildungen der andern Abteilungen erkannt. Bei der Mehrzahl dagegen geht die Kieme aus jenem embryonalen Zustande in einen andern über, indem die Kie- Fig. 155. menfäden sich untereinander ver- binden. Die Vereinigung der abge- platteten mit der Fläche gegen ein- ander gerichteten Fäden oder Blättchen zu einem »Kiemenblatte« geschieht bald nur durch Verkleben der Fäden, bald auch durch Verwachsung, in- dem von jedem Kiemenfaden aus wulstartige Vorsprünge in regel- mässigen Abständen gegen einander treten und verschmelzen. Da zwi- schen diesen Verbindungen feine, das Wasser durchlassende Spalten übrig bleiben, erhält jedes Kiemenblatt eine gitterförmige Beschaffenheit. Jeder Kiemenfaden bildet gleich von seinem ersten Auftreten an keine einfache und solide Verlängerung, sondern vielmehr eine Schleife, und uni- schliesst damit einen Raum (Intrabranchialraum) , der mit dem Ver- wachsen der Kiemenfäden das ganze Kiemenblatt durchzieht und durch die zwischen den Fäden bleibenden Spalten nach aussen communicirt. Das durch letztere eintretende Wasser sammelt sich in einem an der Befestigungsstelle des Kiemenblattes befindlichen Canal , durch den es am hinteren Körperende wieder austritt. Jedes Kiemenblättchen umschliesst neben den blutführenden Canälen einen Stützapparat , der aus kurzen hinter einander gereihten Chitin- stäbchen besteht, die somit in jeder Kiemenlamelle mehrfache Quer- reihen bilden. Die Oberfläche sämmtlicher Kiemen überkleidet ein Wimperepithel. Beihen grosser Cilien ziehen sich der Länge nach an den leistenartigen Vorsprüngen der Kiemen herab, und dicht stehende feinere Cilien ordnen sich dazwischen und vollenden den zur Unterhaltung einer beständigen Wasserströmung thätigen Apparat. Am freien Bande jedes Kiemenblattes besteht eine durch Einbuchtungen jedes einzelnen Kiemenblättchens gebildete, mit längeren Cilien ausgekleidete Binne, in der eine zum Munde führende und damit auf die Nahrungszufuhr gerichtete Wasserströmung erzeugt wird. Bedeutende Modificationen entstehen durch Verwachsung der Kiemen, welche bei einer Ausdehnung der letzteren über den Ein- Fig. 155. Senkrechter Querschnitt durch eine Anodonta. m Mantel, br äusseres, br' inneres Kiemenblatt, f Fuss. v Herzkammer, a Vorhof. p p' Pericordialliöhle. i Darmcanal. 348 Mollusken. geweidesack stattfindet, und entweder durch eine unmittelbare Vereinigung, oder durch eine besondere die beiderseitigen Kiemen verbindende Membran zu Stande kommt. Am meisten ist diese Verwachsung bei den sichelförmig gekrümmten Kiemenblättern von Anomia ausgeprägt, wo der ganze Kiemenapparat von dem sehr redu- cirten Eingeweidesacke sich entfernt hat, und nicht mehr auf die Seilen verlheilt erscheint. Durch die Einlagerung der Kiemen in die Mantelhöhle wird die letztere zur Athemhöhle , woraus für den Mantel mannichfache, als Anpassungen erklärbare Umgestaltungen entspringen (vergl. oben § 234). § 244. Der Kiemenapparat der Cephalophorcn bietet bei noch grösserer Mannichfaltigkeil der einzelnen Vorrichtungen im Allgemeinen dieselben Verhältnisse wie bei denMuschellhieren dar, indem er in seiner typischen Form aus parallel aneinander gereihten Blättchen oder auch mehr cylind- rischen Fortsätzen besteht, die von der Oberfläche des Körpers vor- ragen, und damit vom umgebenden Medium, dem Wasser, umspült sind , während ein Blutstrom ihr Inneres durchzieht. Noch mehr wird diese Uebereinstimmung durch die Lagebeziehungen zum Mantel aus- gedrückt , zu welchem sie in denselben Verhältnissen wie bei den Lamellibranchiaten getroffen werden (vergl. Fig. 146. B. br). Sowohl in der Zahl als in der Ausdehnung ergeben sich gegen die Muschel- thiere bedeutende Beschränkungen und dasselbe gilt auch vom Baue, der gegen jene bedeutend einfacher ist. Niemals existiren in deut- licher Weise mehr als zwei Kiemen an der Stelle der vier Kiemen- blätter der Lamellibranchiaten. Eine beiderseits gleichmässige Anord- nung der Kiemen in der ringsum laufenden Mantelfalte besitzen die Gyclobranchiaten. Dieses noch am meisten an die Anordnung bei den Muschelthieren erinnernde Verhalten besteht ähnlich auch bei Phyllidia. Bei den meisten übrigen ist es verloren gegangen ; Fissurella und Emarginula besitzen noch zwei seitliche Kiemen in der Mantelhöhle, aber bei Haliotis liegen beide Kiemen schon auf einer Seite, und so bildet sich das bei den Ctenobranchiaten auch sonst allgemein wal- tende Verhältniss aus, dass in Anpassung an die von der Schale abhängige Asymmetrie der Kiemenhöhle eine (die linke) Kieme verküm- mert und die der andern Seite eine grössere Ausbildung darbietet. Die verkümmerte Kieme rückt meist nahe an die andere heran , und tritt in asymmetrische Lagerung, die von der Bildung des wiederum mit der Entwicklung einer Schale in Zusammenhang stehenden Mantels abhängig erscheint. Hinsichtlich des Baues erscheinen die Kiemen bald als einfache Falten des Integuments (z. B. bei Pteropoden) , oder sie treten als blättrige, ein kammförmiges Organ darstellende Fortsätze auf, die wieder Kiemen. 349 Fig. 156. seeundäre Fallen oder leistenartige Erhebungen tragen können. An die Clenobranchiaten schliessen sich die Heteropoden an , bei denen unter Rückbildung der Schale und des Mantels es sogar zu einem Schwin- den der Kiemen kommen kann (Firoloi'des) . Wenn die Kiemen schon anfanglich unter dem Mantel gelagert er- scheinen, so treten sie mit der von letzterem ausgehenden Bildung einer Kiemenhöhle in noch nähere Beziehung zu demselben, wie dies schon bei den Aplysien und Pleuröbranchen , mehr bei Bulliden, vollstän- diger bei den Prosobranchiaten der Fall ist. Die Mantelhöhle oder ein besonderer Abschnitt derselben hat sich hier zur Kiemenhöhle um- gestaltet, zu welcher meist nur durch einen als »Athemloeh« bezeich- neten Ausschnitt am Bande der Zugang gestattet ist. Indem dieser Theil des Mantelrandes in einen rinnenförmigen Forlsatz auswächst, bildet sich ein Zuleiteapparat für das der Athmung dienende Wasser, analog den Siphonen der Muschelthiere (vergl. oben § 235). An diese Einrichtungen schliessen sich Aenderungen der Lage und Anordnung der Kiemen bei einem Theile der Opisthobranchiaten, der mit der Schale zugleich den Mantel verloren hat. liier finden sich als Kiemen blattförmige oder büschelartige ramifi- cirte Anhangsgebilde bald in der Nähe des Af- ters (Doris) , hald reihen weis über den Körper verlheilt (Tritonia , Scyllaea). Wenn man in richtiger Würdigung der Thatsache, dass die Be- schalung der Larven aller Opisthobranchiaten die Ableitung dieser Cephalophoren von schalen- tragenden Formen nothwendig macht, auch für die Kiemen eine ursprüngliche Lagerung in einer Mantelhöhle annehmen muss , so wird man in Berücksichtigung der gleichfalls in der Mantel- höhle befindlichen Afteröffnuna die Anordnung der .Kiemen bei den Doriden als eine im We- sentlichen von jenem Zustand her erworbene be- trachten dürfen. Von da an ergeben sich nun mannichfache Uebergangsformen zu einer grösse- ren Verlheilung der Kiemen über den Bücken des Körpers, zugleich Modifikationen der Kiemen selbst, die, wie auch ihre specielle Gestalt sein mag, immer mehr blossen Hautfortsätzen ähnlich erscheinen. Ebenso wichtig als diese Uebergangsformen sind jedoch die Beziehungen jener Organe zum circulatorischen Apparate , woraus für dieselben die völlige Uebereinstimmung mit Kiemen hervorgeht. In ihren weitest ditferenzirten Formen erscheinen die Kiemen dann über den ganzen Bückentheil des Körpers verbreitet, jederseits in ein- Fig. 136. Ancula (Polycera) cristata von der Rückenfläche. u After- öffnung, br Kiemen. / Tentakel. (Nach Alder und Hancock.) 350 Mollusken. fachen oder mehrfachen Reihen von Papillen oder zottenartigen Fort- sätzen, die sogar wieder Verästelungen darbieten können (Aeolidier). Der Verlust des Gehäuses gestaltet also eine grössere Ausbreitung der Kiemen , sowie die Entstehung und Ausbildung jenes Schutzorgans auf eine Beschränkung der Lage der Kiemen wirkt. Bei manchen Opisthobranchiaten kommt es zu einer Rückbildung dieser Kiemen, wo bei dann wieder das gesammte Integument die respi- ratorische Function übernimmt (Phyllirhoe, Elysia, Pontolimax). Die andere aus der zuerst vorgeführten Einrichtung des Athmungs- apparates hervorgehende Modifikation gründet sich auf die Entwicklung des respiratorischen Canalsystems in der Wandung der Mantelhöhle. Bei manchen Kiemenschnecken verbreitet sich jenes Netzwerk von Ca- nälen auch über die Kiemen hinaus in benachbarte Theile der Kiemen- höhle, die dadurch an der Athmungsfunction sich betheiligen kann. Durch einen solchen von der Mantelhöhle gebildeten und von einem respiratorischen Canalsysteme begrenzten Hohlraum bildet sich der Uebergang zu einer andern Art der Athmung, der Luftathmung. Die Mantelhöhle oder vielmehr ein Theil ihres vom übrigen gesonder- ten Raumes wird zur Lunge. Ein solches den für das Leben im Wasser organisirten Mollusken ursprünglich fremdes Organ ist in einzelnen Fällen mit Aenderung der Lebensweise entstanden, und als eine durch Anpassung erworbene Bildung anzusehen. Zugleich mit einer Kieme findet sich eine Lunge bei Ampullaria, wo sie einen parallel mit der Kieme gelagerten, mit contractiler Mündung versehenen Sack vorstellt. Ganz verloren gegangen ist die Kieme bei der landbewohnenden Gat- tung Cyclostoma, welche wie Ampullaria im Baue mit Kiemenschnecken übereinstimmt. Endlich treffen wir einen Theil der Manlelhöhle in eine Lunge umgewandelt bei den das Land bewohnenden oder im Süsswasser lebenden Pulmonaten; die Luftathmung ist hier die ausschliessliche. Als Lunge erscheint eine vom Mantel überwölbte Cavität, welche durch eine seitlich am Mantelrande befindliche, durch stark entwickelte Mus- kulatur verschliessbare Oeffnung mit der Aussenwelt communicirt. Ein Theil der Decke dieser Mantelhöhle wird von einem reichen leisten- förmige Vorsprünge bildenden Gefässnetze durchzogen, und in diesem sammeln sich rückführende Canäle zu einem zum Vorhofe des Her- zens führenden Gefässstamme. § 245. Die Classe der Cephalopoden bietet in dem Verhalten der Kiemen wieder engern Anschluss an die Mehrzahl der übrigen. Die Kiemen nehmen ihre Entstehung zwischen Mantel und Fuss (Fig. 117. 150. b) in ganz ähnlicher Weise, wie sie bei manchen Gasteropoden dauernd erscheinen. Erst mit der Entwickeln!!» des Mantels rücken sie in die Kiemen, 351 Tiefe, und lagern dann in einer Mantelhöhle, die nicht, wie bei den meisten Cephalophoren vorne, sondern wie bei den Pteropoden, an der bei Vergleichung des Thiers mit den Cephalophoren der Hinterseite gleich zu setzenden Fläche sich öffnet (siehe Fig. 147. A. H. br). bei Fig. 157. allen sind die Kiemen symmetrisch angeordnet, vier sind bei Nautilus, bei allen übrigen lebenden Cephalopoden nur zwei vorhanden. Jede Kieme bietet meist eine pyramidale Gestalt dar, mit der Spitze nach aussen gerichtet, mit der Basis nach innen (Fig. 157. Br). Fig. 157. Manfelhöhle und Trichter von Sepia officinalis. Die Mantel- liöhle ist durch einen Mediansehnilt der Länge nach geöffnet. Man sieht darin in der Mitte den Eingeweidesack vorragen, hinter dem z^ei Muskelpfeiler m emporsteigen, zu Trichter und Kopf. Zwischen diesen Pfeilern liegt die Schale nur von einer dünnen Membran bedeckt. Br Kieme, v br Kiemenvene, v br' Bulbusartige Er- weiterung derselben. * .Tintenbeutel, r Mündung des Excretionsorganes, welches rechterseits geöffnet dargestellt ist und in R die Venenanhänge erblicken lässt. g Genitalpapille, a After. J Trichter, durch einen medianen Längsschnitt geöff- net, i Zungenförmiges Organ, c Vertiefung zur Anfnahme des am Mantelrande liegenden Vorsprunges (Mantelschloss) c'. C Kopf. P Flossen. 352 Mollusken, Sie besieht entweder aus dicht aneinander liegenden, sich allmählich gegen die Spitze hin verjüngenden Bliittchen (Nautilus und die meisten Loliginen), oder aus vielfach gewundenen Hautfaltengruppen, welche zwischen den beiden am Kiemenrande sich hinziehenden Kiemengefäss- stämmen ihren Ursprung nehmen (Octopoden). Der Athmungsmechanismus combinirt sich auch hier mit der Orts- bewegung der Thiere. Bei jedesmaliger Erschlaffung der Muskulatur des Mantelrandes strömt Wasser in die Kiemenhöhle durch deren Spalte, namentlich zu beiden Seiten des Trichters, ein und wird nach Bespülung der Kieme durch die Contractionen des Mantels wieder aus- getrieben. Dabei schliesst sich die Spalte der Atliemhöhle, so dass nur noch der Trichter als Ausweg besteht, der dem Wasser zum Durchtritte dient und sich beim Ausstossen desselben activ betheiligt. Fig. 158. Inneres Skelet. § 246. Bei der Mehrzahl der Weichthiere wird der Mangel eines inneren Skelets aufgewogen durch die in § 241 beurtheilten Schalen und Ge- häuse, die häufig auch zu inneren Stützen werden können. So sind die unter den Brachiopoden bei den Terebratuliden vorkommenden festen , die Arme tragenden Gerüste nur innere Fortsetzungen der äusseren Schale und deshalb nicht als wahre innere Skelete anzu- sehen. Dieser Apparat wird bei Terebratula durch zwei von der dor- salen Schale ausgehende Leisten gebildet, die, nachdem jede mit einer anderen, vom Boden der Schale kommenden Leiste sich vereinigt hat, nach vorne verlaufen, um dann bogen- förmig sich nach hinten zu wenden, und in der Mitte mit einander sich zu ver- einigen (vergl. Fig. 159). Andere Galtungen bieten zahlreiche Modifi- calionen dar. Anders verhallen sich innere Stülz- organe bei den Cephalophoren. Im Kopfe dieser Thiere liegen , von der Muskulatur des Pharynx umschlossen, zwei oder zuweilen auch vier mehr oder minder innig mit einander verbundene Knorpelslückchen, die für die Reibplalte und ihre Adnexa einen Stützapparat bilden und für einen Theil der Pharynxmuskulatur , besonders für die Muskeln der Beibplatte, In-" sertionsstellen darbieten. Fig. U>8. Kopfknorpel von Nautilus. A von hinten. B von vorne. (Nach Valenciennes.) Muskelsystem. 353 Reichlicher entwickeil treffen wir knorpelige Stützorgane bei den Cephalopoden. Das bedeutendste derselben liegt im Kopfe und dient als Hülle der Nervencentren , als Stütze der Seh- und Hörorgane, so- wie als Ursprungsstelle einer reichen Muskulatur. Bei Nautilus wird dieser Kopfknorpel durch zwei median verschmolzene, vorne wie hinten in Fortsätze ausgezogene Stücke dargestellt (Fig. 158), welche den Anfangstheil der Speiseröhre umfassen. Um vieles mehr entwickelt ist der Kopfknorpel der Dibranchiaten. Er ^besteht aus einem mittleren, vom Oesophagus durchbohrten Theile und zwei Seitenflügeln , welche bald nur als flache Ausbreitungen erscheinen und dann zur Bildung von Orbiten mit accessorischen Knorpelplältchen versehen sind, bald in höherer Ausbildung auch nach oben in Fortsätze übergehen und die Orbita vollständiger umschliessen. In dem vom Oesophagus durch- setzten Theile des Kopfknorpels lagert das centrale Nervensystem. Ausser dem Kopfknorpel besitzen die Dibranchiaten noch andere knorpelige Skeletstücke. Ein Rückenknorpel ist der verbreitetste. Der- selbe liegt bei den Sepien als ein halbmondförmiges Stück im vordem Dorsallheile des Mantels, und setzt sich seitlich in zwei schmale Hörner fort, die bei Octopus, wo das Mittelstück geschwunden, selbständig fortbestehen. Dazu kommt noch ein Knorpelstück im Nacken, sowie zwei Knorpel an der Trichterbasis, die Schlossknorpel. Sie sind weniger constant als die an der Basis der Flossen liegenden Knorpelstücke, die bei allen mit Flossen versehenen Dibranchiaten zur Befestigung der Flossenmusku- latur bestehen. Muskelsystem. § 247. Aus dem Vorkommen eines mit dem Integumente verbundenen Hautmuskelschlauches, sowie der im Ganzen, trotz der vielgestaltigen Modilieationen doch einförmigen Bildung äusserer Stützapparate wird die geringe Entfaltung gesonderter Muskelbildungen verständlich. Eben dahin wirkt der Mangel innerer Stülzorgane in den unteren Ab- theilungen, oder deren geringe Entwicklung in den höheren Classen. Die Muskulatur besteht aus bandförmigen Fasern, an denen Andeutungen von Querstreifen nicht selten auf eine höhere Differenzirung hinweisen. Ausser der unmittelbar dem Hautmuskelschlauche angehörenden Muskulatur, wie jene des Mantels und der Arme, findet sich bei den Brachiopoden eine Anzahl von selbständigen, die Leibeshöhle durch- setzenden Muskeln (vergl. Fig. 4 59), welche zum Oeflnen und Schliessen der Schale, sowie zu Drehbewegungen dienen. Da, wie oben ge- zeigt, die Schalen der Brachiopoden von jenen der Lamellibranchiaten verschieden sind, so hat die innere Muskulatur mit jener der letzteren morphologisch nichts gemein. (iegenbaur, Grundriss. 23 354 Mollusken, Bei den Lamellibranchiaten sind vorzüglich Schliessmuskeln ent- wickelt , die quer oder schräg durch den Körper von einer Schalen- klappe zur andern ziehen. Sie sind entweder auf zwei weit von einander liegende Gruppen — eine vordere (Fig. 144, \ 64. ma), und eine hintere (mp) — vertheilt und bilden zwei getrennte Mus- keln (Unio, Anodonta), oder beide Muskeln nähern sich einander und treten endlich zu einer ein- zigen , die Mitte der Schale einnehmenden Masse zusammen (Austern). Zum Rückziehen des Fusses wirken gleichfalls besondere dem Integument verwebte Muskeln , die vom Rücken der Schale entspringen und zuweilen in mehrere Paare gesondert sind. Diese Retractoren finden sich wieder bei den ge- häusetragenden Cephalophoren. Sie bilden hier meist einen einfachen, im Grunde des Gehäuses entspringenden Muskel, der sich, an Umfang zunehmend, zu den vordem Körperl heilen begibt. Bei den Pteropoden strahlt er in die Flossen aus. Bei den Gasteropoden versorgt er ausser dem Fuss noch den Kopf mit dem Anfang des Darmrohrs (Schlund- kopf). Er gibt besondere Bündel an andere hervorstreckbare Theile, so an die Tentakel und das Begattungsorgan ab. Von der Spindel des Gehäuses entspringend und auch in seinem Verlaufe ihr anliegend, wird er als M. columellaris bezeichnet. Auch bei den Heteropoden ist er vorhanden und hat seine Endausbreitung im Kielfusse. Ausser diesen Muskeln finden sich noch einzelne zu den Eingeweiden tretende Bündel. Durch das Bestehen eines entwickelten inneren Skeletes wird die Muskulatur der Cephalopoden differenzirter. An den Kopfknorpel be- festigen sich bei Nautilus zwei mächtige Retractoren, die seitlich in der Wohnkammer der Schale entspringen (Fig. 154. s). Bei den mit innerer Schale versehenen Dibranchiaten (Decapoden) nehmen dieselben Muskeln ihren Ursprung von der Wand des Schalenüberzuges und bei den Octo- poden von einem dort liegenden Knorpel. Von diesen beiden Muskeln zweigen sich zwei Züge für den Trichter ab. Ein anderes mächtigeres Muskelpaar entspringt im Nacken des Thieres und tritt breit zur Ven- tralfläche in den Trichter. Auch im Mantel ordnet sich die Muskulatur in gesonderte Lagen , und die Flossenmuskeln zeigen ebenso deutlich ge- trennte Schichten. Die Muskulatur der Arme entspringt zum Theil vom Kopfknorpel, und umschliesst einen in der Armaxe verlaufenden Canal. Fig. 459. Muskulatur von Terebratula. ab Die beiden Schalenhälften. c Das Armgerüsle. d Der Stiel, efgh Muskulatur zum Oeffnen und Schliessen der Schale. (Nach Owen.) Nervensystem. 355 Nervensystem. Centralorgane und Körpernerven. § 248. Auch für dieses Organsyslem können wir bei den Würmern An- knüpfungen nachweisen. Der gesammle Gentralapparat scheidet sich nämlich in eine obere dem Anfang des Darmrohrs aufliegende Ganglien- masse, die oberen Schlundganglien, und eine ventral gelagerte, durch Commissuren mit der erste ren verbundene Masse, die unteren Schlund- ganglien. Beide sind paarig und setzen sich wieder aus einzelnen mehr oder minder deutlich abgegrenzten Gangliencomplexen zusammen. Vom Nervensystem der ungegliederten Würmer unterscheidet sich das Nervensystem der Mollusken durch das Vorkommen einer unteren Schlundganglienmasse, und von jenem der gegliederten Würmer wie auch der Arthropoden ist es durch den Mangel einer Wiederholung derselben untern Ganglienpartie verschieden. Der letzteren Form steht es aber dennoch am nächsten, da in den unteren Schlundganglien eine der Bauchganglienketle oder doch dem ersten Ganglion derselben ho- mologe Einrichtung besieht. Die Thatsache, dass untere Ganglien bei Würmern meist mit einer Metamerenbildung auftreten, mag auch für die Mollusken dahin verwerthet werden , im Zusammenhalte mit andern Organisationsverhältnissen (siehe Circulalions- und Excretionsorgane) die Andeutung einer Metamerie zu erkennen. Demnach ist die Bildung der untern Schlundganglienmasse nicht etwa als eine Verlegung sonst in obern Ganglien enthaltener Apparate nach der ventralen Seite, aber auch nicht als eine nur durch die Ausbildung der ventralen Körper- theile (vorzüglich des Fusses) erworbene Neubildung zu erklären, son- dern auf demselben Wege, auf dem auch bei Würmern die Differen- zirung ventraler Ganglien erscheint. Der so gebildete Schlundring erleidet eine Beihe von Modifi- cationen, die sich vorzüglich in der Lagerung der Ganglien, sowie in einer feineren Differenzirung dieser Theile kund geben. Die Ganglien können in ihrer Masse bald oben oder unten, bald auch mehr seitlich präponderiren , je nach der Entfaltung der sie verbindenden Faser- massen (Commissuren). So können die unteren zur Seite rücken und sowohl unter sich als auch mit den oberen durch lange Commissuren verbunden sein ; oder sie können sich mit den oberen derart verbin- den, dass eine untere Ganglienmasse zu fehlen scheint, und nur ein Commissurstrang den Schlundring an der ventralen Seite vervoll- ständigt. Zum Theile leitet sich hieraus die Verschiedenheit der Ur- sprungsstellen der Nerven gewisser Sinnesorgane ab. Die wechselnde, fast an allen Theilen des Schlundringes stattfindende Lagerung der Ganglien lehrt zugleich , dass in vielen Fällen die Annahme eines 23* 356 Mollusken. absoluten Mangels einzelner Abschnitte des Gangliensystems eine un- gerechtfertigte ist, so dass wir also da, wo z. B. nur ein einziges Ganglion oben oder unten an einem Schlundringe vorkommt, dasselbe nicht blos einem oberen oder blos einem unteren Schlundganglion aequivalent ansehen dürfen , sondern es muss solches als der ganzen Summe von Ganglien, die in entwickelteren Verhältnissen am Schlund- ringe sich finden, homolog gelten. Das peripherische Nervensystem entspringt aus den Gentralheilen des Schlundringes und vertheilt sich an den Körper, häufig unter Ver- bindung mit kleineren Gan- Fig. 160. glien. Mit den oberen Schlund- ganglien (seltener mit den unteren) steht gleichfalls eine Anzahl andererGanglien durch verschieden lange Commissu- ren in Verbindung , die wir sammt den von ihnen aus- gehenden Nerven als ein sympathisches oder Einge- weidenervensyslem ansehen. In der allgemeinen Anlage entspricht dasselbe jenem bei den Würmern und den Glie- derthieren vorgeführten und zerfällt wie dort in einen vorderen und hinteren Ab- schnitt. Das Nervensystem der Brachiopoden wird aus Ganglienmassen zusammenge- setzt, die in der Nähe des Oeso- phagus (Fig. 160. d) lagern. Solch' ein grösseres Ganglion (») liegt (bei Terebratuliden) Oesophagus und schickt um denselben zwei zu kleineren tretende Commissuren , die einen Schlundring herstellen. (In 160 ist derselbe nicht angegeben und muss um den Oeso- phagus (d) verlaufend gedacht werden.) Die Hauptäsle des grossen, am dicht Ganglien der Fig. Fig. 160. Nervensystem von Waldheimia von der dorsalen Fläche ans. Die dorsale Schalenklappe ist entfernt, ebenso die linke Hälfte des dorsalen Man- tels D, der somit auf der rechten Seite sichtbar ist. V Linke Hälfte der ventralen Mantellainelle, P Stiel, d Oesophagus, durchschnitten. (Ein Paar vor dem Oeso- phagus liegender Ganglien , die durch dünne Fädchen mit dem Ganglion n ver- bunden sind, sind nicht angegeben.) n Vorderes, n' hinteres Oesophagalganglion. g g Geschlechtsorgane, m Occlusor-Muskel. m' Divariator. in" Ventraler Adjustor. in Accessorischer Divariator. (Nach A. Hancock. Nervensystem. 357 unter dem Oesophagus liegenden Ganglion treten nach Bildung einer Anschwellung (ri) zum Stiele. Von diesen Anschwellungen treten reich verzweigte Nerven zur ventralen Mantellamelle ab, während die dorsale ihre Nerven unmittelbar vom Ilauptganglion empfängt. Sieht man nun, wie oben (§ 223) erörtert wurde, die beiden Schalen sammt den bezüglichen Mantellamellen als dorsale und ventrale, so werden die kleinen, dem Oesophagus aufgelagerten Ganglien den Hirn- ganglien anderer Mollusken entsprechen , und ihre geringe Ausbildung von dem Mangel höherer Sinnesorgane ableitbar sein. JA § 249. Bedeutende Uebereinslimmungcn bietet das Nervensystem der höheren Mollusken, indem bei Allen ein Schlundring vorhanden ist, der seine mannichfalligen Modificationen theils aus Differenzirungen, theils aus Bückbildungen ableiten lässt. Die relativ geringe Entwicklung der oberen Schlundganglien ist bei den Lara eil i brauch iaten aus dem Mangel eines mit Sinnesorganen versehenen Kopfes abzuleiten. Die oberen meist dicht über der Mund- ölVnuug gelegenen Ganglien (Fig. 161. o) treten häufig so zur Seite, dass zwischen ihnen eine längere Commissur besteht (Lucina, Pano- paea, Anodonta , Unio, Mytilus , Area, Gardium, Pholas u. a.). Diese obern Schlundganglien geben ausser ansehnlichen nach hinten ver- laufenden Verbindungssträngen zu einem dem Eingeweidenervensystem angehörigen Ganglion nur einige klei- nere Zweige ab. Die unleren Schlund- ganglien haben den Verbreitungsbezirk ihrer Nerven im ventralen Theile des Körpers besonders im Fusse , daher sie als Fussganglien (ganglia pedalia) be- zeichnet werden. Sie lagern an der Wurzel des Fusses zuweilen auch tiefer in ihn eingebettet. Je nach der Ent- wicklung des Fusses und der Entfer- nung desselben vom vorderen Theile des Körpers sind die Commissurstränge von verschiedener Länge. Bei wenig ausgebildetem Fusse , oder wenn der- selbe sehr weit nach vorne gerückt ist, können obere und untere Schlundgan- glien einander beträchtlich genähert sein (Solen, Mactra). Sogar eine Aneinan- Fig. 161. Nervensystem von Lamellibranchialen. A von Teredo, B von Anodonta, C von Pecten. a Obere Sehlundganglien (Geliirnganglicn) . 6 Un- tere Schlundganglien (Fussganglien). c Kiemen- oder Eingeweideganglien. 358 Mollusken. derlagerung kann stattfinden , wie dies bei Pecten sich trifl't (Fig. 161. C), wo die durch eine weilgespannte Bogencommissur verbundenen oberen Ganglien (o) die kleineren Fussganglien (6) zwischen sich nehmen. Die voluminöse Ausbildung der Fussganglien hängt von der Entwicke- lung des Fusses ab. Sie sind in der Regel, ohne ihre Selbständigkeit aufzugeben, innig mit einander verbunden. Die peripherischen Nerven der oberen Schlund- oder Gehirnganglien haben ihre vorzügliche Ver- breitung in den dem Munde zunächst gelegenen Körperlheilen und senden auch Aeste zum Mantel. Bei einigen erscheinen diese Mantel- nerven (Fig. 164. /') als zwei starke Stämme, die dann am Rande des Mantels mit anderen, dem Eingeweidenervensyslem angehörigen Aeslen sich verbindend entweder einen einfachen stärkeren Randnerven, oder ein förmliches Nervenseflechte darstellen helfen. ■.-' § 250. Die Ausbildung eines Kopfes und die Entfaltung von mehrfachen oft sehr hoch differenzirten Sinnesorganen in demselben lässt das Nerven- system der Cepha lophoren von jenem der vorigen Abtheilungen vorzüglich durch die grössere Ausbildung der Gehirnganglien ausge- zeichnet erscheinen. Es besteht nicht allein eine grössere Anzahl ein- zelner Ganglienpartieen , sondern auch eine innigere Verbindung der Ganglien unter einander, wodurch ein höherer Centralisationsgrad aus- gedrückt ist. Ein Fehlen der oberen Schlundganglien oder vielmehr eine Vereinigung derselben mit den anderen unterhalb des Schlundes, so dass nur eine einfache Commissurschlinge über den Oesophagus hin- weg läuft, ergibt sich bei den schalentragenden Pteropoden und erin- nert an die bei Lamellibranchiaten gesehene Bildung. Doch dürfte hierin mehr eine mit der aus dem Fusse hervorgehenden Flossen- bildung zusammenhängende Rückbildung zu erkennen sein. Von den Ganglienmassen gehen starke Nerven theils zu den Flossen, theils seit- lich an den Mantel, sowie auch einige weniger bedeutende Fäden rück- wärts an die Eingeweide zu verlaufen scheinen. Eine andere aus der typischen Form ableitbare Rildung spricht sich in der Trennung der unteren Ganglien aus, zwischen denen eine verschieden lange Commissur sich entwickelt. Wenn nun in dem- selben Maasse die seitlichen Commissuren verkürzt werden, so nähern sich die Fussganglien den Gehirnganglien und können endlich ihnen dicht angelagert sein. Dieses Verhallen ist bei sehr vielen Opistho- branchiaten ausgesprochen, doch kann auch hier eine Annäherung der Fussganglien unter sich und an die oberen Ganglien stattfinden, so dass der Schlundiing, mit Zurücktreten der Commissurstränge, aus einer zusammenhängenden Ganglienmasse gebildet wird (z. B. Doridopsis). Die einzelnen Ganglien, vornehmlich die oberen, sind immer in mehrfache aus Haufen von Ganglienzellen gebildete Gruppen gesondert, Nervensvstem. 359 Fig. 162. von denen bestimmte Nerven hervorgehen , so dass sie nach dem functionellen Werthe der letzteren bestimmt werden können. So gehen aus dem medialen Ganglienpaare unter andern die Tentakelnerven hervor, und man hat es, um so mehr als es auch durch Grösse sich auszeichnet, als Hirn- ganglion benannt. Ein hinter diesem ge- legenes Ganglienpaar sendet Nerven zu den Kiemen oder zu Visceralganglien, und wird als Kiemenganglion der obern Schlund- nervenmasse unterschieden. Dieser Ab- schnitt ist besonders bei den Opistho- branchialen entwickelt, und soll das Kiemenganglion vorstellen, welches bei den anderen Cephalophoren wie bei den Lamellibranchiaten nur durch lange Commissuren mit den oberen Schlundganglien in Verbindung steht. Während die Fussganglien in den oben erwähnten Abtheilungen zu den oberen Ganglien empor- rücken, bleiben sie bei andern einander genähert, so bei den meisten Prosobranchiaten und bei den Pulmonaten. Ihre Beziehung zum Fusse geben sie durch ihre Lagerung bei den Heteropoden zu erkennen, in- dem sie hier, durch lange Commissuren mit den Gehirnganglien im Zusammenhange, an die Basis der Flosse gerückt sind. Die beide Fussganglien vereinigende Quercommissur (Fig. 1 62t. e) , welche den Schlundring ventral abschliesst, kann bei dem Aneinanderrücken der beiden Fussganglien sich vervielfältigen, oder es besteht zwischen den Kiemenganglien eine besondere den Oesophagus umgreifende Com- missur, wie z. B. bei Aeolidiern (Fig. 162. e). Von den peripherischen Nerven nehmen die für die Sinnesorgane aus den oberen Schlundganglien ihren Ursprung. Ansehnliche Stämm- chen treten zu den Kopftentakeln , in denen sie in der Begel eine Ganglienbildung eingehen. Auch* für Seh - und Hörorgane treten Nerven ab. Die unteren Schlundganglien versorgen den Fuss , der bei vollständiger Ausbildung zwei starke Stämme empfängt. Ausser- dem gehen noch Zweige an andere Theile des Hautmuskelschlauchs. § 251. Im Anschlüsse an die bei den Cephalophoren gegebenen Verhält- nisse steht das Nervensystem der Cephalopoden. Die centralen Appa- Fig. 162. Centrales Nervensystem einer Aeolidie (Fiona atlantica). ^1 Obere Schlundganglienmasse, aus den vorderen oder Cerebral- und hinteren oder soge- nannten Branchial-Ganglien bestehend. B Fussganglien. C Buccalganglien. D Ga- stro-ösophagealganglien. a Nerv zu den oberen (hinteren) Tentakeln, b Nerv zu den unteren Tentakeln, c Nerv zu den Geschlechtsorganen. d Fussnerven. e Commissur der Fussganglien. c' Commissur der Branchialganglien. (Nach K. Beruh.) 360 Mollusken. rate bilden hier einen Schlundring mit so kurzen Commissuren , dass die ganglionären Partieen sich dicht aneinander drängen. Die Gesammt- masse des Schlundringes wird zum grössten Theil von der knorpeligen Schädelkapsel aufgenommen, so dass nur der vordere und untere Theil davon unbedeckt bleibt und statt dessen eine besondere Membran als Hülle besitzt. Dieser Verschluss ist unvollständig bei den Tetra- branchiaten , vollständig bei den Dibranchiaten , bei denen die vom Schlundringe entspringenden Nerven durch Löcher im Knorpel ihren Austritt nehmen. Weiter ist der Ring bei Nautilus, enger zusammen- gerückt sind seine einzelnen Theile bei den Dibranchiaten. Die obere Partie des Schlundringes ist die minder beträchtliche. Sie wird entweder durch ein quer liegendes Doppelganglion dargestellt (Nautilus, Fig. 1(33. a. a) , oder durch mehrere kleine, hinter einander liegende Ganglienmassen (Octopoden) . Bei den Decapoden sind diese mehr concentrirt, so dass sie fast wie eine ein- zige Masse erscheinen. Diese setzt sich, nur eine kleine zum Durchtritt der Speiseröhre dienende Oeffhung umfassend , seitlich in die untere, beträchtlich grössere fort, an welcher immer mehrere symmetrische Ganglienpartieen, mehr oder minder innig mit einander verbun- den sind und vielerlei Deutungen erfuhren. Vier solche Ganglienmassen , jederseits mit den oberen Ganglien zusammenhängend, sind bei Nautilus vorhanden. Das vordere Paar (b) entsendet Nerven zu den Tentakeln (t'j , auch zu einem Ganglien-Paare (/), welches den Lippen- tentakeln Zweige abgibt. Das hintere Ganglienpaar gibt viele Nerven (m) zu den grossen Schalenmus- keln, ferner Verbindungen zu den Eingeweide- ganglien' (Kiemenganglien). Concentrirter er- scheinen diese zwei Paar Ganglien bei den Di- branchiaten, bei denen zugleich die Verbindung mit den oberen Ganglien so innig wird, dass alle zusammen fast eine einzige Nervenmasse bilden. Die Scheidung der unteren in einen vor- dem und einen hintern Abschnitt ist aber auch hier noch deutlich, wenn sie auch nicht mehr durch einen Zwischenraum getrennt sind. Von dem hinteren Theile treten ausser Nerven zum Mantel und den zur Verbindung mit den Eingeweideganglien bestimmten Nerven, noch ein Paar Stämmchen nach der Seile zu zwei im Mantel gelagerten Gan- glien (G. stellala), von welchen nach allen Seiten Nerven für den Mantel Fig. 163. Nervensystem von Nautilus pompilius. a Ganglien des Schlundrings , c hiotere Ganglien (Gangl. stellala; ganglien. m Mantelnervcn. 1 1' Tentakelnerven. (Nach Owen.) Obere , b untere d Eingeweide- Eingeweidenerven. 361 ausstrahlen. Somit werden diese bei den Tetrabranchiatcn fehlenden Ganglien von der hinteren Partie der unteren Schlundnervenmasse er- setzt. Die Armnerven entspringen gleich den Tentakelnerven von Nau- tilus, sie sind nicht selten von ihrem Ursprünge an eine Strecke weit vereinigt, und lösen sich erst dann divergirend ab. Auch die Hör- nerven gehen von den unteren Ganglien ab , die Sehnerven dagegen nehmen von den Gehirnganglien ihren Ursprung und jeder bildet dicht hinter dem Auge ein ansehnliches Ganglion. Für eine genaue Vergleichung der Centralorgane der Cephalopoden mit jenen der Gephalophoren fehlen bis jetzt noch feste Anhaltepuncte, und es ist nur als wahrscheinlich anzuführen, dass die bei den ersleren vorhandene reichlichere Enlwickelung der ventralen Ganglien dem primitiven Zustande naher steht, so dass nicht blos die von den Tetra- branchiaten auf die Dibranchiaten sich fortsetzende Erscheinung der Gentralisirung der unteren Schlundganglienmassen , sondern auch noch eine das Volum betreffende Reduction dem bei Gephalophoren bestehen- den Verhalten jener Ganglien zu Grunde liegt. Eingeweidenerven. § 252. Die um den Schlund gruppirten Ganglienmassen und die davon ausgehenden Nerven bilden ein Körper nervensystem, mit dem sich ein die Eingeweide versorgendes, besondere Ganglien besitzendes Ein- geweidenervensystem auf ähnliche Weise wie bei den Würmern und Arthropoden verbindet. In ausgesprochener Weise tritt es in den höheren Classen auf und lässt die schon bei den niedern Typen aufgeführten allgemeinen Ver- hältnisse wahrnehmen. Wie dort, ist auch hier ein zweifacher Abschnitt vorhanden, nämlich ein vorderer, dessen Verbreitungsbezirk sich auf die Mundorgane und den Anfangstheil des Darmcanals beschränkt; dann ein hinterer, der den übrigen Theil des Nahrungscanais, die Athmungs-, Kreislauf- und auch Genitalorgane mit Nerven versorgt. Beide Abschnitte können mit einander vorkommen ; doch ist der hintere am meisten verbreitet. Beide haben ihre Wurzeln im Schlundringe, entweder in den oberen oder in den unteren Nervenmassen und sind auf ihrem Verlaufe mit eigenen Ganglien ausgestattet. Der vordere Abschnitt des Eingeweide -Nervensystems ist bei den Lamellibranchiaten nur durch wenige Nervenfädchen vertreten. Um so entwickelter ist der hintere Theil , dessen centrale Partie von dem grössten Ganglion des gesammten Nervensystems dargestellt wird. Es ist dies der dem hinteren Schliessmuskel angelagerte Nervenknoten (Fig. 16 1. c, Fig. 164. c), welcher durch lange Commissuren mit den Gehirnganglien in Verbindung steht. Dieser Umstand, sowie die bc- 362 Mollusken. Fig. 164. t trächtliche Grösse des Ganglions hat manche Anatomen veranlasst, es dem animalen Systeme einzureihen , wahrend doch gerade die besagte Verbindung, sowie seine Lage es als Homologon eines bei den Cephalophoren unzweifelhaft dem Eingeweidenervensystem angehörigen Ganglions erschei- nen lässt. Das Ueberwiegen an Grösse über die anderen Ganglien kaiin hierbei nur ein unwesentlicher Umstand sein, welcher der beträchtlichen Entwicklung der zu ver- sorgenden Theile parallel läuft. Man vermag an diesem Gan- glion zwei durch kurze Com- missuren verbundene Hälften zu erkennen, die sich ver- schieden nahe rücken und zu- letzt einen einfachen vier- eckigen Knoten vorstellen , je nachdem die beiderseitigen Kiemen dieser Thiere frei oder mit einan- der verwachsen sind. Schon aus diesem Umstände geht die Beziehung dieses Ganglions zu den Kiemen hervor; noch deutlicher wird sie durch die starken, aus jenen hervortretenden und die Kiemen versorgen- den Nervenslämme. Diese Verhältnisse begründen seine Bezeichnung als Ganglion b r a n e h i a 1 e. Ausser Zweigen zu den benachbarten Partieen des Mantels gibt es noch zwei starke Nerven ab , die bei vielen Lamellibranchiaten an den Mantelrand verlaufen und dort entweder mit den von den Gehirnganglien entgegenkommenden Nerven ver- schmelzen oder in eine längs des ganzen Mantelrandes verbreitete Plexusbildung übergehen. Bei vorhandener Siphonenbildung treten von dem besagten Gan- glion starke Nerven ab und verzweigen sich nicht nur auf der ganzen Länge der Athmungsröhren, sondern gehen auch noch eine besondere, an der Basis der Siphonen gelegene Ganglienbildung ein (Fig. 164. d). Solche Siphonalganglien finden sich bei Solen, Mactra , Mya, Lutraria, Cytherea u. a gehenden Nerven Organen Bezüglich der vom ist nur Branchialganglion wenig beobachtet bei Pinna , Anomia , sowie zu den bekannt, bei Area und Solen Dergleichen äusseren sind wo sie Fig. 164. Nervensystem von Cytherea Chione. a Obere Schlund- (Ge- hirn-) Ganglien, b Fussganglien. c Eingeweide- oder Fussganglion. d Ganglien der AUiemröhren (Siphonalganglien;. ma Vorderer, mp hinterer Schliessmuskel der Schale, p Fuss. t Mantelrand, l' Mantelrandnerv, br Kieme, i Darmcanal. h Leber, r Enddawn. tr Athernsipho. tu Cloakensipho. (Nach Duvernoy.) Eingeweidenerven. 363 entweder vom Ganglion selbst oder von dessen Coinniissursträngen hervorgehen. § 253. Mit der Entwicklung des Kopftheiles und complicirter Mundorgane tritt bei den Cephalophoren der vordere Abschnitt des Eingeweide- nervensystems in selbständiger Ausbildung hervor. Nur bei den schalentragenden Pteropoden scheint er rudimentär zu sein. Sonst wird er aus einem oder mehreren Paaren von Ganglien gebildet, die dem Schlundkopf aufgelagert, mit dem oberen Ganglion des Schlundrings Fig. 165. in Zusammenhang stehen. Diese Buccalganglien (Fig. 162. c) sind in der Regel durch eine ventrale Commissur vereinigt und können auch in ein Einziges zusammenfliessen, oder durch mehrfache vertreten sein. Die von ihnen entspringenden Nerven versorgen die Mundorgane, treten Fig. 165. Nervensystem von Haliotis. Das Thier ist nach Entfernen der Schale vom Rücken geöffnet, t Tentakel, o Augen, br Kieme, p Penis, r Aus- mündung der Niere, a After, ov Geschlcchlsöffnung. p Epipodium. m Mantel- rand, gs Obere Schlundganglien, gi Untere Schlundganglien, c Schlundringcom- missuren. gbr gbr' Kiemenganglion. gc Ganglion anale. (Nach Lacaze-Duthiers.) 364 Mollusken. von da auch auf den Oesophagus , bei den Pulmonaten sogar bis zum Magen. Aehnliches findet sich auch bei Opisthobranchialen (z. B. bei Doris) vor. — Der hintere Abschnitt des Eingeweidenervensystems weist gleich- falls mehrere Ganglien auf. Bei den Abranchiaten wird er durch feinere Nervenge flechte gebildet, welche am Darmcanal verbreitet sind. Bei den meisten übrigen Cephalophoren liegt ein , zuweilen auch ver- schmolzenes Ganglienpaar an der Basis der Kiemen und versorgt diese, sowie auch die Eingeweide mit Nervenzweigen. Dieses Ganglion zeigt sich besonders da, wo es durch Gommissuren mit den oberen Schlund- ganglien in Zusammenhang steht, z. B. bei Aplysia, als das Homologon des Branchialganglions der Muschelthiere. Wo es in zwei Ganglien (Fig. 1 65. br br') aufgelöst ist, sind diese unter einander in Verbindung und können an der Commissur noch ein drittes verschiedene Organe ver- sorgendes Ganglion (Fig. 165. yc) besitzen, wie bei Haliotis, oder es schliessen sich noch mehrere Ganglien daran. Die Verbindung dieser Ganglien mit dem Schlundringe wird dann gewöhnlich von Nerven besorgt, die einem Paare der unteren Ganglien entspringen. Bei Cyclo- stoma gehen sie aus ungleichen Anschwellungen der seitlichen Com- missuren des Schlundrings hervor. Der rechte Nerv verläuft nach der linken Seite, und der linke nach rechts, so dass sie unterwegs sich kreuzen. Dieser Verlauf, sowie die ganze Asymmetrie der Anordnung dieses Nervensystemabschnittes steht mit der asymmetrischen Lagerung der Kiemen sowohl, wie auch des Herzens im Zusammenhang, ist also eine secundäre Anpassung. § 254. Unter den Cephalopoden scheint den Tetrabranchiaten der vordere Abschnitt des Eingeweidenervensystems als gesonderter Theil zu fehlen, indem die betreffenden Nerven direct aus der Ganglienmasse des Schlundrings hervorkommen. Der hintere, ebenso mächtig entwickelte Abschnitt entspringt mit einem oder zwei starken Stämmen von der hinteren Peripherie der unteren Schlundringmasse. Die Stämme bilden in der Nähe des Herzens ein Ganglion, welches zwei starke Zweige an die Kiemenherzen sendet und dort wiederum eine Ganglienbildung ein- gehen lässt. Ein hieraus entspringendes Nervenstämmchen nimmt unter reichen Verzweigungen längs der Kiemenarterie seinen Verlauf. Bei den Dibranchiaten wird der vordere Abschnitt aus einem oder zwei oft ansehnlichen Buccalganglien gebildet, die entweder dicht der oberen Nervenmasse anlagern (Octopoden), oder entfernter davon dem Pharynx aufliegen und durch Nervenstränge mit der oberen Nerven- masse verbunden sind (Loliginen). Häufig steht damit durch seilliche Gommissuren noch ein unleres, aber ziemlich grosses Ganglion in Ver- bindung, welches auch mit der unteren Nervenmasse des Schlundrings Sinnesorgane. 365 communicirt. Von allen diesen Ganglien gehen feine Zweige an die benachbarten Mundthcile, und ein starker, im unteren Buccalknoten wurzelnder Nerv läuft (bei Ommastrephes) in zwei parallele Stämmchen gespalten längs des Oesophagus zum Magen, um hier ein ansehnliches Ganglion darzustellen, welches auch noch mit der hinteren Abtheilung des sympathischen Systems in Verbindung steht. Die hiervon aus- strahlenden Nerven verlaufen zu Magen, Blinddarm und Leber. Die hintere Abtheilung des Eingeweidenervensyslems wurzelt im hinteren Theil der unteren Ganglienmasse des Schlundrings, und schickt ausser kleinen Fäden zwei stärkere längs des grossen Venenstammes herab. Diese vereinigen sich entweder hier in ein Ganglion, aus dem neben Verbindungen zum Magenganglion Nerven für die Kiemen ab- gehen, oder die letzteren gehen unmittelbar aus den unteren Schlund- ganglien hervor und treten an der Kiemenbasis in den Kiemenganglien anderer Mollusken homologe Ganglien über (Fig. 165. d d) , deren Nerven längs der Kiemen verzweigt sind. Sinnesorgane. Tast- und Riechorgane. § 255. In dem Verhalten der Sinnesorgane schliessen sich die Mollusken enge an die Würmer an. Den Gefühlssinn treffen wir überall, wo nicht Hiirtgebilde bestehen, an der Körperoberlläche verbreitet, und als anatomische Vorrichtungen trifft man an verschiedenen Körperstellen in verschiedener Vertheilung feine , borstenartige Verlängerungen von Zellen, die wenigstens theilweise im Zusammenhange mit Nerven erkannt sind. Diese Gebilde finden sich am beständigsten an speciell als Tastorgane fungirenden Körpertheilen , die meist von ansehnlichen Nerven versorgt, als Fortsätze des Integumentes , Tentakel, sich darstellen. Die in einer Doppelreihe die Arme der Brachiopoden besetzenden Fädchen dürfen vielleicht hieher gezählt werden. In grosser Ver- breitung bietet auch der Mantelrand der Lamellibranchiaten , bald in seinem ganzen Umfange, oft in mehreren Beihen angebracht (z. B. bei Mactra, Lima, Pecten u. a.) , bald nur auf gewisse Stellen beschränkt solche Tentakelbildungen, die auch nicht selten an den Siphonen vor- handen sind, und in beiden Fällen zur Controlirung der mit dem Wasser in die Manlelhöhle gelangenden Theile verwendet werden. Diese Gebilde zeigen eine beträchtliche Contractililät und erhalten Fädchen vom Bandnerven des Mantels. Auch die Fortsatzbildungen am Mantelrande vieler Cephalophoren, sowie nicht minder die Cirren am Bücken vieler Opislobranchiaten können als solche Organe thätig sein. 366 Mollusken. Ob das bei den Muschelthieren den Mund seitlich besetzende Lappenpaar hierher gerechnet werden darf, ist zweifelhaft, dagegen finden wir an den in fast regelmässiger Verbreitung bei den Cephalo- phoren sich findenden Kopftentakeln jene Tastorgane in grösserer Menge angebracht. Sehr häufig kommen ihnen noch besondere Differen- zirungen an den die Endapparate tragenden Strecken zu. Wenn es nicht sehr schwer ist, den vorhin aufgeführten Organen eine Function in der Wahrnehmung von Tasteindrücken zuzuschreiben, so ist es fast unmöglich, eine Reihe anderer Organe physiologisch zu bestimmen , die gleichfalls mit dem Integumente verbundene Sinnes- organe sind. Es sind grösstentheils wimpertragende Stellen, zu denen ein Nerv verläuft, der häufig dort Anschwellungen bildet. Welche Qualität des umgebenden Mediums auf diese Organe erregend wirkt, ist unsicher, und es geschieht nur auf eine sehr entfernte Analogie hin, wenn man sie als Riechorgane auffasst. An die Nähe der Athmungsorgane sind sie bei den Cephalophoren gebunden , wo ich sie bei Heteropoden und Pteropoden in allgemeiner Verbreitung auffand. Rei den nackten Gattungen dieser Abtheilungen liegt oberflächlich , dicht an den Kiemen ein solches Wimperorgan, welches bei Pneumodermon radförmig gestaltet ist. Die schalen tragen- den besitzen es in der Mantelhöhle. Rei den Pteropoden lagert es als eine quere Leiste an dem Theile der Mantelhohlenspalle, durch welchen das Wasser seinen Weg zu den Kiemen nimmt. Rei den Opisthobranchialen soll das hinlere Tentakelpaar die Rolle eines Riechorganes spielen und besitzt dieser Function gemässe Umge- staltungen höchst variabler Art, wobei eine Oberflächen vergrösserung durch Leisten und mannichfache andere Vorrichtungen erkennbar wird. Ein Wimperbesatz scheint nie zu fehlen. Wenn man beachtet, dass hier die Athmung grösstentheils in Organen vollzogen wird , die dem Rücken des Thieres entspringen, so erscheint die Reziehung der als Riechorgane fungiienden Tentakel ähnlich wie jene der vorerwähnten Apparate, und damit mag auch die zuweilen weit nach hinten ge- rückte Stellung dieser Tentakel in Zusammenhang stehen. Die Cephalopoden zeigen Riechorgane in bestimmterer Form. Es sind zwei hinter den Augen liegende Grübchen oder auch flach stehende Papillen, welche mit Wimperhaaren überkleidet sind. Zwischen den wimpertragenden Zellen treten die Fortsätze der tiefer gelegenen Riech- zellen empor. Ein neben dem Sehnerven entspringender Nerv ver-~ sorgt sie. Sehorgane. § 256. Sehorgane kommen allen freierer Rewegung sich erfreuenden Ab- thcilungen der Mollusken zu. Sie sind dagegen, wie auch sonst, bei Sehorgane. 367 den festsitzenden Formen rückgebildet, wenn sie auch während des Larvenlebens vorhanden waren. In diesem Falle finden sich Brachio- poden , deren Larvenform in einem dem Nervencenlrum aufgelagerten Pigmentfleckenpaar Andeutungen von Augen besitzt. Solche dem Nervencentrum angelagerte und dem Kopfe zugetheille Gebilde sind bei den Lamellibranchiaten gleichfalls nur im Larvenzu- stande beobachtet, sogar mit einem lichtbrechenden Körper versehen, und erliegen später der Rückbildung. Anders verhält es sich mit den Organen, die meist in hoher Aus- bildung am Mantelrande vieler Blattkiemer sitzen, und von besonderen Augenstielen getragen werden (Area, Pectunculus, Teilina, Pinna u. a.) und bei manchen (Pecten, Spondylus) durch ihren von einem im Augen- grunde gelegenen Tapetum herrührenden smaragdgrünen Farbenglanz schon den älteren Forschern aufgefallen waren. Obgleich in dem Baue dieser Augen manches Eigenthümliche besteht, so stimmen sie doch im Wesentlichen mit den Sehorganen anderer Mollusken überein. Die Nerven empfangen sie von den am Mantelrande verlaufenden Stämmchen. In der Ausbildung dieser Organe herrschen manche Verschiedenheiten, und zuweilen werden sie durch blosse Pigmentflecke vertreten. Diese Ein- richtung muss von dem bereits früher hervorgehobenen Gesichtspuncte aus beurtheilt werden, nach welchem Difl'erenzirungen von Sinnesorganen aus einfachen Nervenendigungen an jeder Stelle des Integumentes möglich sind, so dass diese Augen des Mantelrandes nur functionell den sonst am Kopfe liegenden Sehorganen vergleichbar sind und mor- phologisch eigenartige, wie ähnliche Organe bei den Würmern, aus An- passung entstandene Bildungen vorstellen. Die Augen der Cephalophoren wie der Cephalopoden zeichnen immer nur zu einem Paare vorhanden den Kopftheil des Thieres aus. Sie werden bei den ersteren häufig durch blosse dem oberen Schlund- ganglion aufgelagerte Flecke vertreten, und sind bei dem Verluste freier Ortsbewegung verschwunden (Denlalium, Vermetus). Auch bei Chiton fehlen sie, wie den meisten Pteropoden. In der einfachsten Form lagert das Auge unter dem Integumente (z. B. bei vielen Opislhobranchiaten). Bei anderen ist es in den llautmuskelschlauch eingebettet, und erhält damit eine oberflächliche Lagerung, wodurch zugleich die Bildung eines längern Sehnerven bedingt wird. Die das Auge tragende Körperstelle findet sich dann in der Regel an der Tentakelbasis (Prosobranchiaten, Süsswasserpulmonaten) , die sich zu einem besonderen Augenstiele (Ommatophor) umbilden kann. Oder es steht das Auge auf einem vom Tentakel entspringenden Fortsatze (Strombus, Pterocera), oder dieser Fortsatz ist vom Tentakel entfernt und damit selbständig geworden (Landpulmonaten) . Durch den Augenstiel erhält das Auge Beweglich- keit , die bei den Heteropoden dadurch gegeben ist, dass der Augen- bulbus von einer weilen Kapsel umschlossen (Fig. 166. o) und durch Muskeln an jene befestigt wird. Durch die Thäligkeil der letzteren 368 Mollusken. vermag der Bulbus seine Stellung zu andern. Die Gestalt des Bulbus ist meist rundlich oder oval, sehr eigentümlich bei den Heleropoden (Fig. 166). Der Bulbus besitzt eine dünne äussere Umhüllung, die nach vorne in die vom Integumente gebildete Cornea (Pellucida) übergeht. An dem hinteren Umfange Fig. 166. des Bulbus lagert eine gan- glionartige Anschwellung (?•) des Sehnerven. Nach innen folgt die Netzhaut mit den Endapparaten des Sehner- ven, die in einer gegen den Binnenrauin des Auges ge- richteten Stäbchenschichte angebracht, von der äussern Netzhautschichte durch eine Pigmenllage getrennt sind. Eine dicht hinter der Cornea gelagerte und nach hinten von einer Glas- körperschichte umgebene Linse (/) füllt den Binnenraum des Auges. § 257. In engem Anschlüsse an das Auge der Cephalophoren findet sich das Cephalopoden-Auge. Bei Nautilus bildet jeder von einer Art Augenstiel getragene Bulbus eine seitliche Vorragung (s. oben Fig. 4 5 i . o) , die bei einigen Dibranchiaten angedeutet ist, während der Bulbus sonst von Fortsätzen des Kopfknorpels eine Stütze empfängt, und wie in einer Orbitalhöhle lagert. Die Kapsel des Bulbus geht bei Nautilus in den Augenstiel über, bei den Dibranchiaten legt sie sich an die knorpelige Orbita an, und umschliesst daselbst eine Ganglien- bildung des Sehnerven (Fig. 170. go) , die bei Nautilus durch eine den Bulbus in weiterer Ausdehnung überkleidende Schichte vorge- stellt wird. Vorne bildet die Augenkapsel einen dünnen als Cornea bezeichneten Ueberzug (c), hinter welchen die lichtbrechenden Medien des Bulbus lagern. Diese Cornea fehlt bei Nautilus, bei dem auch eine Linse vermisst wird. Die Augenkapsel setzt sich daher vorne unmittelbar in eine mit dem Integumente des Augenstieles zusam- menhängende Membran fort, die eine pupillenartige ins Innere des Bulbus führende Oeffnung trägt. Diese directe Communication des Binnenraums des Bulbus mit dem umgebenden Medium ist bei den Dibranchiaten durch das Vor- Fig. 166. Obere Schlundganglien und Sinnesorgane von P terotrachea. gs Obere Schlundganglien (Gehirn), c Commissuren. o Augenkapsel. / Linse. ch Pignientschiehle (Chorioidea). r Ganglion-Ausbreitung des .Sehnerven, a Hör- organ. Sehorgane. 369 kommen einer Linse (L) aufgehoben, da aber der durchscheinende Theil der Augenkapsel bei manchen (Loligopsis, Ilistiotheutis etc.) ganz fehlt oder von einer Oeffnung durchbrochen ist (Sepia, Loligo, Octopus , wird die vordere Fläche des von der Kapsel umschlossenen Bulbus noch von Wasser bespült. Dieser nach aussen communieirende Raum setzt sich nicht nur durch das Sehloch zur Linse fort, sondern dehnt sich auch in verschiedenem Maasse um den Bulbus. Bei Vielen bildet das Integument nur im Umkreise der Cornea Falten, die als »Augen- lider« bald an beschränkter Stelle vorkommen, bald im ganzen Um- kreise sich erheben, und dann mit Schliessmuskeln ausgestattet zu einem Schutzapparate des Auges werden. i Fig. 167. Die Grundlage des Bulbus bildet eine knorpelige Kapsel (Fig. 167. /,') , welche in dem die Pupille umschliessenden Abschnitt des Bulbus als Irisknorpel [ik] auftritt. Ausserhalb dieses Augenknorpels lagert hinten das Sehnervenganglion, in dessen Umkreis ein bald sehr weit nach vorne ragendes, bald beschränktes weissliches Organ (w) Fig. 167. Horizonlalschnitt durch das Auge von Sepia (Schema). A'A' Kopf- knorpel. C Cornea. L Linse, ci Ciliarkörper der Linse. H Innere Schichte der Retina. Re Aeussere Schichte der Retina. P Pigmentschichte der Retina, o Seh- nerv, go Sehnervenganglion, k Augapfelknorpel. , ik Irisknorpel, tr Weisser Körper, ae Argentea externa. (Nach Hensen.) Gegenljaur, Grundriss. 24 iniL Mollusken. sich findet. Darauf folgt eine Längsfaserschichte von Muskeln , sowie endlich eine bis zum Pupillenrande sich fortsetzende silberglänzende Membran , welche als Argenlea externa (ae) den Ueberzug des Bulbus gegen den vorerwähnten Raum bildet. Nach innen von ihr liegt eine zweite ähnliche Membran (Argentea interna). Am hinteren Umfange der knorpeligen Kapsel (/,) treten aus dem Ganglion (go) kommende Nervenbündel durch mehrfache Oeffhungen des Knorpels zur Netz- haut, welche nach innen von der Knorpelkapsel sich bis nahe an den Rand eines die Linse tragenden Organes fortsetzt. Sie besteht im Wesentlichen aus denselben Schichten wie die Retina der Ceph;ilo- phoren , indem sie eine innere (Ri) den percipirenden Apparat ent- haltende, von einer äusseren (Be) durch eine Pigmenllage (P) geschie- dene Schichte wahrnehmen lässt. Von der Muskelfaserschichte aus setzt sich eine Bindegewebslamelle nach innen zur Linse (L) fort, welche sich am Rande der letzteren einsenkt und sie in zwei durchaus gelrennte Theile spaltet, einen vordem kleineren und einen hinteren grösseren, beide zusammen einen ovalen Körper vorstellend, dessen Längsaxe der Augenaxe entspricht. Sowohl auf der vorderen als auf der hinteren Fläche jener Bindegewebslamelle lagern epitheliale Ver- dickungen, die zusammen ein am Rande der Linse in letzlere umbiegen- des Lamellensyslem vorstellen und als Ciliarkörper (c?) (Corpus epithe- liale nach Densen) bezeichnet werden. Der Raum hinler der Linse wird von einer Flüssigkeit ausgefüllt. Hörorgane. § 258. Die als Hörorgane bezeichneten Theile sind von den bei Würmern bestehenden Bläschen ableitbar, in denen feste Concretionen oder auch kryslallinische Gebilde (Ololilhen) enthalten sind. Zu der Bläsehen- wand tritt der Nerv, der in den genauer untersuchten Fällen mit einem Theile der die Hörbläschen auskleidenden Zellen in Verbindung steht. Den Brachiopoden kommen nur im Larvenstande Hörorgane zu, als zwei dem Nervencenlrum angelagerte Bläschen , die bei festsitzenden Thieren rückgebildet zu sein scheinen. Die Lamollihranchialen besitzen die Hörbläschen dem Fuss"ani»lion ancelaeert. Das Innere des Bläschens wird von einem Wimperepithel (Fig. 1 GS. e) ausge- kleidet, und umschliessl einen kugeligen Ololilhen (o). Zuweilen rücken diese Bläschen von den Ganglien ab, und sind nur mit einem Nerven im Zusammenhang (Flussmuscheln) oder sie liegen Fite. 168. Hörorgan von Cyclas. c Gehörkapsel, e Wimpertragende Epi- thelzellen, o Ülolilh. (Nach Levdig.) Höporgatie. • :i7 i tiefer im Fusse (Cythera). — Auch bei den Cephalophoren liegen sie bald in der Nahe der oberen Schlundganglien und dann sind sie mit diesen durch einen kurzen, den Hörnerven repräsenlirenden Stiel ver- bunden (Heteropoden, viele Opisthobranehiaten) , bald finden sie sich den unteren Schlundganglien benachbart, in welchem FaJle der gleichfalls von den oberen Ganglien entspringende Hörnerv bedeutend verlängert ist , und meist einen vom Bläschen her sich fortsetzenden Canal um- schliesst (Prosobranchialen, Pulmonaten). Die Verhältnisse der Otolilhen sind im Ganzen wechselnder als in der vorigen Classe; bald sind sie zahlreich vorhanden, bald grösser und dann in geringerer Zahl, bald endlich nur von einer einzigen, kugel- runden , concentrisch geschichteten Concretion gebildet (Heteropoden) (Fig. 166. a). Eine Wimperauskleidung der Hörblase scheint regel- mässig vorzukommen. Manchmal (Heteropoden) sind die Cilien durch starre, nur an der Ursprungsstelle bewegliche Haare vertreten, die um so mehr als Hörhaare bezeichnet werden dürfen, als mit den sie tragen- den Zellen Nerven in Zusammenhang zu stehen scheinen. Sie können dann den Hörhaaren änderer Thiere functionell an die Seite gesetzt werden, doch erübrigt noch der allgemeinere Nachweis des Zusammen- hanges der Epithelzellen mit dem Nervenapparate, auf den übrigens die Sonderung des Epithels in verschiedene Zellformen hinweist (Pul- monaten). In der Form der Hörwerkzeuge der Cephalopoden lässt sich eine wesentliche Verschiedenheit von den Hörbläschen der andern Mollusken insofern erkennen als die Bläschen aus Differenzirungen des Ecloderms entstehen , und bei vielen auch später noch durch einen feinen Canal mit der Körperoberfläche in Verbindung bleiben. Bei Nautilus liegen die beiden Hörbläschen dem Kopfknorpel an. Bei den Dibranchiaten da- gegen sind sie in den Knorpel selbst eingetreten , so dass sie auch nach aussen von demselben umschlossen sind. Damit ist ein häutiges und ein knorpeliges Labyrinth unterscheidbar, das zu den betreffen- den Theilen der Vertebraten ein Analogon abgibt. Die Form der Hörbläschen ist einfacher bei den Octopoden, durch Ausbuchtungen und Vorsprünge bei den Decapoden comphcirter. Zugleich ist die Verbindung mit dem Knorpel inniger, während das Hörbläschen der Octopoden ziemlich lose in seiner Höhle liegt. Der in einer wässerigen Flüssigkeit befindliche Otolith ist verschieden ge- staltet, bald flach, bald rundlich, und kann in kleinere, nadeiförmige Stücke zerfällt werden. Die Endigungen der Hörnerven unterscheidet man an Verdickungstellen des Epithels als »Hörplatte« , an der die Zellen haarfürnüge Fortsätze (Hörhaare) aussenden (Sepia) , und dann als eine meist gebogen verlaufende »Hörleiste« , die ebenfalls modificirtes Epithel trägt. Wie die Genese dieser Organe sie in der Abtheilung der Mollusken als selbständige Gebilde darstellt , so sind sie auch von jenen der 24* 372 , Mollusken. Vertebraten gänzlich verschieden, da der Hörnerv vom untern Schlund- ganglion seinen Ursprung nimmt. Excretionsorgane. § 259. Ausser den mancherlei bereits bei dem Integumente aufgeführten Organen, welche der Excretion dienen, bestehen noch andere auf der Oberfläche des Körpers mündende Organe, die eine viel wichtigere Rolle spielen. Diese typischen Excretionsorgane derMollusken sind den unter den Würmern verbreitet getroffenen Organen homolog, die dort als nieren artige bezeichnet werden, und bei den Annulaten als Schlei fencanäle erscheinen. Wir finden sie bei den Mollusken mit einer äusseren Oeffhung be- ginnen und auf kürzerem oder längerem Wege in die Leibeshöhle ausmünden. Die innere Mündung ist meist durch besondere Vorrich- tungen , am häufigsten, vielleicht allgemein, durch Wimperbesatz aus- gezeichnet. Schon durch diese Vermittelung einer Communication der Binnenräume des Körpers mit dem umgebenden Medium vermögen sie der Wassereinfuhr in den Körper zu dienen, sowie sie auch sonst wie ihre Homologa bei den Würmern noch anderen Verrichtungen vor- stehen können. Zu diesen gehört die Beziehung zu den Geschlechts- organen , die bei einem Theile der Lamellibranchiaten noch nach- weisbar ist, und auch bei den Cephalopoden die hypothetische Ansicht begründet, dass die Ausführwege der Geschlechtsproducte aus solchen Excrelionsorganen entstanden. Ihre Beziehung zur Excretion ist daher keineswegs beständig. Wo die letzlere ihnen zugetheilt ist, treffen wir an den sonst einfacheren Canälen Umbildungen, besonders hin- sichtlich der Wandungen , an denen ein drüsiger Bau sich erkennen lässt. In solchen Fällen können sie zufolge der chemischen Constitution ihrer Producte als »Nieren« betrachtet werden. Die mikroskopische Untersuchung weist dann immer Secretionszellen nach, mit einem aus granulären oder concentrisch geschichteten Goncrementen gebildeten Inhalt, wie solche auch in den Harnausscheidungen anderer Thiergruppen eine grosse Rolle spielen. Am wenigsten modificirte Verhältnisse besitzen die Brachiopoden, deren Organe entweder zu zwei Paaren oder nur in einem Paare vor- handen sind. Im ersteren Falle (Rhynchonella) gehören zwei Canäle der sogenannten dorsalen , zwei der ventralen Hälfte an , woraus zu- gleich wieder ein Grund zur Unterscheidung der letzteren in vordere und hintere, entspringt. Die dorsalen fehlen bei Lingula und den Tere- braluliden. Die meist in der Nähe der Armbasis nach aussen geöfi- ueten Canäle münden nach bogenförmigem Verlaufe in die Leibeshöhle Excretionsorgane. 373 mit einer durch radiale Fällungen ausgezeichneten trichterförmigen Er- weiterung. Diese Mündung durchsetzt das Ileoparietalband und wird dadurch gegen den Pericardialraum gerichtet. Das Ileoparietalband steht damit zur inneren Mündung in einem mit einem Dissepimente von Würmern übereinstimmendem Verhallen (vergl. oben §. 136). Obgleich die Wandungen dieser Canale durch Vorsprünge, zotten- artige Fortsätze oder Faltungen eine drüsige Beschaffenheit zu besitzen scheinen, so ist bezüglich ihrer Function nur ihr Verhällniss zu den Geschlechtsorganen bekannt, welche sie als Oviducle erscheinen lässt. § 260. Bei den höheren Mollusken bietet das Excretionsorgan in allen wesentlichen Beziehungen mit den Brachiopoden Uebereinstimmung ; aber es erleidet zahlreichere Modifikationen , so dass nur noch die Verbindungen, die eine nach aussen, die andere nach innen gegen den Perica rdia lsinus, also die beiden Enden des ursprünglichen Canals, unverändert übrig bleiben, indess der Canal selbst in Umfang und Wandungen mo- dificirl ist. In der Function erscheint es am häufigsten von exere- torischer Natur, und darf als Niere bezeichnet werden, wenn es auch noch anderen Verrichtungen vorsteht. Bei den Lamellibranchia ten ist es unter dem Namen des Bo- j an us 'sehen Organ es bekannt und liegt als eine stets paarige, zu- weilen in der Mittellinie zu einer Masse verschmolzene Drüse an der Bückseile des Körpers, der Kiemenbasis zunächst. Seine Substanz wird von einem gelblich oder bräunlich gefärbten schwammigen Gewebe gebildet, dessen Maschenräume häufig zusammenfliessen und meist einen grösseren centralen Hohlraum darstellen. Aus diesem führt jederseits eine Oeffnung in den Herzbeutel, eine andere stellt den Aus- führgang vor. Dieser liegt entweder in der Nähe der Geschlechtsöff- nung, oder ist mit der Geschlechtsöffnung gemeinsam, oder es öffnen sich die Geschlechtsorgane in das Bojanus'sche Organ, so dass die Geschlechtsproducle durch letzleres nach aussen entleert werden (Pecten, Lima, Spondylus). Vereinigle Ausführgänge besitzen Area und Pinna. Getrennte Oeffnungen für Excretions- und Geschlechtsorgan zeigen Cardium. Chama, Mactra, Pectunculus, Anodonta, Unio u. a. Die faltig vorspringenden Wände oder das maschige Balkengewebe des Organcs besitzen einen dichten Beleg von Secretionszellen, welche die erwähn- ten, bis jetzt freilich des charakteristischen Auswurfsstoffes der Harn- säure in vielen Fällen entbehrende Concrementc abscheiden. Das sein Inneres durchströmende Blut ist jenes, welches aus dem Eingeweide- sacke, theilweise auch aus dem Mantel zurückgekehrt ist, um sich in einen venösen Blutsinus an der Kiemenbasis zu sammeln. ;V74 Mollusken. In grösserer Mannichfaltigkeil erseheint das Excrelionsorgan bei den Gephalophoren. Ein paariges, den Vorläufer der bleibenden Niere bildendes Excrelionsorgan besitzen die Landpulmonaten. Am ausge- bildeten Thiere ist das Organ fast stets unpaar, auf einer Seile \or- handen , doch bleibt es bei Dentalium paarig, und verbindet damit Einrichtungen; die an jene der Lamellibranchiaten erinnern. Die Rück- bildung des einen Organs scheint mit Rückbildungen anderer paariger Organe, z. B. der Kiemen, in Verbindung zu stehen. Soweit nähere Untersuchungen vorliegen, mündet es mit einer Oeffnung in den Peri- cardialsinus , mit einer andern nach aussen. Bei der Mehrzahl der Gasteropoden ist in dem Organe Harnsäure nachgewiesen worden. Das gilt besonders von den Pulmonaten, deren zwischen Herz und Lungen- venen gelagerte Niere durch die meist weissliche oder gelbliche Färbung sich leicht zu erkennen gibt. Sie besitzt einen blättrigen oder schwam- migen Bau und die sie zusammensetzenden Lamellen oder Balken tragen einen Beleg von grossen Secretionszellen, in denen sich verschieden geformte feste Concretionen bemerkbar machen. Bei den Prosobranchiaten liegt die Niere zwischen Kieme und Herz, eine ähnliche Lage besitzt sie bei einem Theile der Opisthobranchier. Ein Ausführgang läuft in der Regel nach vorne und begleitet den Enddarm , neben welchem er häufig nicht weit hinter der Analöffnung ausmündet. Bei manchen Opisthobranehialen (z. B. bei Polycera) scheint die exeretorische Bedeutung zurückzutreten , oder es findet eine Abschei- dung in llüssiger Form statt. Die Niere erscheint hier (auch bei Phyl- lirhoe , Actaeon etc.) in Gestalt eines länglichen glashellen Schlauches, der nahe am Rücken in der Mitte des Körpers gelegen, sich vom Herzen aus ziemlich weit nach hinten erstreckt, eine mit Wimpern besetzte Oeffnung in den Pericardialsinus und eine andere, conlraclile, auf der Oberfläche des Körpers besitzend. Ganz ähnliche Verhältnisse bieten auch nackte Pteropoden dar. Bei den schalentragenden Pleropoden, ebenso wie bei den lleteropoden, theilt die Niere, abgesehen von der Ueberein- stimmung ihrer beiden vorerwähnten Mündungen, mit jenen der Proso- branchiaten die Eigentümlichkeit eines spongiösen Baues. Unter den lleteropoden ist sie bei Carinaria mit einem deutlichen Belege von Secretionszellen versehen, der bei den anderen durch eine helle Zellen- schichte vertreten wird. Das Balkengerüste der Niere erscheint starr, wahrend es sowohl bei Atlanta als bei den Firolen contractu ist, und energische, Schluckbewegungen ähnliche Actionen vollführt. Auch unter den beschälten Pteropoden ist die Niere in dieser Richtung thalig, z. B. bei Chreseis (Fig. 169. r). Da im Falle des Mangels concremenlhaltiger Secretionszellen die drüsige Natur dieses Organs zweifelhaft ist, darf um so grösseres Gewicht auf seine Beziehungen zur Einfuhr von Wasser gelegt werden, die in diesen Fällen am bestimmtesten beobachtet ist. Die vom Organe Excreliönsorgane. 375 ausgeführten Bewegungen bestehen dann nicht nur in einem Offnen und Schliessen des äusseren Osliums, sondern auch in einem Weitertreiben des aufgenommenen Wassers und Mischung desselben mit dem aus dem Körper- kreislaufe zu den Athmungsorganen rückkehrenden Blute , in dessen Strom- gebiete das Organ immer seine Lage hat. Wenn die Wasseraufnahme durch das Excretionsorgan nur bei den an- geführten Cephalophoren direct beob- achtet ward , so ist dadurch noch nicht ausgeschlossen, dass sie bei den übrigen im Wasser lebenden Kiemen- schnecken nicht ebenfalls bestehe. Nur bei den Landpulmonaten dürfte das Verhällniss ein anderes sein, doch besitzt die Niere auch hier ganz ähn- liche Beziehungen zum Blutcanal- syslem, da eine Entleerung von Blut- flüssigkeit durch die Ausmündung der Niere erweisbar ist. § 261. Die bedeutende Verschiedenheit des specielleren Verhallens des Ex- cretionsorganes der Cephalophoren lässt es nicht befremdend erscheinen, wenn dasselbe Organ bei den Gephalo- poden wieder mit anderen Modili- calionen auftritt. Bei allen Cephalo- poden bestehen in den Eingeweidesack eingeschlossene Säcke, welche in der Mantelhöhle ausmünden. Da die Aus- führwege derGeschlechtsproducte durch die Verbindung ihres die Keimdrüsen umschliessenden Abschnittes mit der Leibeshöhle sich in Uebereinstinnnung mit Excretionscanälen zeigen, wird die Entstehung dieser Ausfuhrwege aus ursprünglichen Exeretions- organen wahrscheinlich, so dass dann den Cephalopoden eine grössere Fig. 169. Organisation von Chreseis. pp Die Kopfflossen (nicht voll- ständig gezeichnet), oe Speiseröhre, v Magen, mit Andeutung der nach innen vorspringenden Kauleisten, r Enddarm, in die Mantelhöhle «ausmündend, h Le- ber, a Vorhbf. c Herzkammer, re Niere, x Deren Oellnung in den Pericardial- sinus. x' Oeffnung in die Mantelhöhle, b Schildförmiges Wimperorgan in der Mantelhöhle, g Zwitterdrüse, g' Gemeinschaftlicher Ausführgang, g" Ruthen- tasche, m Hinteres Ende des Rückziehmuskels des Körpers. 376 Mollusken. Anzahl dieser Organe zukommen musste, von denen nur ein Theil in der primitiven Bedeutung sich forterhielt. Von den letzteren linden sieh vier bei Nautilus, zwei bei den Dibranchiaten, bei denen die Mündungstelle zuweilen auf einem papillenförmigen Vorsprunge (Fig. 157. r) liegt. In diese Säcke ragen die grossen Kiemengefässstämme ein, wodurch die Wandungsver- hältnisse sich unregelmässig gestalten. Die Wandungs- flächen dieser Gefässe müssen aber, soweit sie in die Säcke einragen, als der Wand der letzteren zugehörig betrach- tet werden. An den Kie- menarlerien bietet die Wand jedes Sackes zahlreiche ins Lumen der letzteren vor- springende ramificirte An- hänge ( 1 70 Fig vergi . re) Fig. 157. tf, blindgeendigte welche durch Ausbuch- tungen des Gefässes , und einen darauf liegenden Drüsenbeleg gebildet sind. Bei Nautilus sind diese Anhänge der vier Kiemenvenen mit schlauchförmigen Drüsen bekleidet, die in den betreffenden Sack geöflhet sind. Wie die an anderen in den Pericardialsinus ragenden Blutgefässen vorkommenden Anhänge aufzufassen sind, ist noch räthselhaft. Da jener Sinus indess mit der Mantelhöhle communicirt, stellen sie vielleicht ebenfalls exerc- torische Organe vor. Die Dibranchiaten lassen die Venenanhänge von etwas anderen Baue erscheinen. Vorwiegend aus phosphorsaurem Kalk gebildete Concremente sind als die Producte dieses Apparates zu betrachten, der besonders bei den Sepien (Fig. 170) eine bedeutende Ausdehnung, auch auf kleinere Wurzeln der Kiemenvenen, besitzt. In dieser Einrichtung zeigt der Secrelionsapparat Beziehungen zu dem zu den Kiemen treten- den venösen Blutstrom und erscheint damit in derselben Weise wie das Excretionsorgan der Lamellibranchiaten und Cephalophoren. Weniger sicher ist eine innere Communieation der die exereto- rischen Venenanhänge bergenden Säcke. Während einige Autoren Fig. 170. Girculations- und Excretionsorgane von Sepia, br Kiemen, c Heiz. a Vordere Körperarterie (Aorta), a' Hintere Körperarterie, v Erweiterungen der Kiemenvenen, Vorhöfe des Herzens darstellend, v' Kiemenvene, an der Kieme entlang verlautend, vc Vordere grosse Hohlvene, vc' Die Kiemenarterien (Aeste der Hohlvcnen). vc" Hintere Hohlvenen, re Schwammige Anhange der Hohl- venenaste. x Ausstülpungen derselben. Die Pfeile deuten die Richtung des ßlut- stromes an. (Nach .1. Hinter.) Darmcanal. 377 eine solche mit dem Blutgefasssystem, speciell mit dem Pericardialsinus staluirenj wird diess von andern in Abrede geslelll. Darmcanal. §. 262. Die Mollusken haben mit den meisten Würmern und allen Arthro- poden die vollständige Trennung der Wandung des Darmcanals von der Körperwand gemein, so dass eine, ernährende Flüssigkeit führende Leibeshöhle überall vorkommt, aber die Lagerungsverhältnisse des Darmrohrs in dieser Leibeshöhle bieten abweichende Verhältnisse dar. Der Darmcanal durchzieht nicht mehr allgemein den Körper in geradem Verlaufe, so dass das aborale Körperende zugleich das anale ist, son- dern bildet meist Schlingen oder bei längerer Ausdehnung Windungen, wobei sein Ende vom aboralen Körperende entfernt liegt. Wenn wir annehmen, dass eine symmetrische Anordnung auch für den Darm das ursprüngliche Verhalten bietet, so dass also jene Lageveränderung der Analöffnung eine nach und nach erworbene ist, so muss dieses Ver- hallen in einer sehr weit zurückliegenden Periode sich gelrollen haben, da es auch ontogenelisch nicht mehr besieht. 'Das Ca usal inonieii t in der allgemein v e r b r e i - dieser Lageveränderung muss t e t e n Gehäusebildung gesucht werden dorsalen Mantels mit der Schale und die bei den Meisten asymmetrische Ausbildung beider macht jenen Einlluss ebenso ver- sländlich, wie die Thatsache, dass bei symmetrischem Verhalten des Mantels und der Schale die Lagerung des Afters am wenigsten modificht ist, wie auch immer das Darmrohr in seinem Verlaufe sich verhallen mag (Lamellibranchiaten). Bei- spiele , wo die Analöfl'nung des Körpers der Mundöffnung genähert erscheint, bie- ten die Cephalopoden und Pleropoden dar. (Vergl. Fig. 171. AB tr.) Die Sonderung des Darmrohrs in ein- zelne Abschnitte sowie mit diesen ver- bundene Anhangsorgane schliesst sich völlig an die Würmern bestehenden Einrichtungen an. Die Entfaltung des Fig. 171. besonders bei Fig. 171. Schemalisehe Darstellung des Verhaltens des Darmcanals A bei Pteropoden und B bei Cephalopoden. c Kopf mit den aus Moditicationen des Fusses hervorgegangenen Flossen bei A und Annen bei B. p Trichter, br Kieme. tr Darmcanal. 378 Mollusken. den drüsige Organe ein. Fig. 172. Bei den Bracbiopoden beginnt das Darmrohr mit der in der Mantel- höhle zwischen den beiden Annen gelagerten Mundöllnung, von wo es als ein nieist kurzer Canal in den erweiterten nieist als Magen be- zeichneten Mitteldarm sich fortsetzt. In denselben (Fig. I72. v') tnün- Der hieraus hervorgehende Enddarm verläuft bei den Ecardines in eine zur rechten Seite umbiegende Darmschlinge aus, welche mit dem in der Mantelhöhle ge- legenen After endet. Dieses letzte Darm- stück ist bei dem Testicardines rückgebil- det, und endet mit einem gegen die ventrale Schalenklappe zu verlaufenden Blindsack , von dem zuweilen noch ein solider Strang, vielleicht als obliterirter Darmrest fortgesetzt ist. Als eine besondere Eigenlhünilichkeil ist die Befestigung des Darms zu erwähnen, indem eine zur Körperwand verlaufende Lamelle, das Gastro -parietalband, von dem Mitteldarm ausgeht, wodurch zu- gleich eine Art von Scheidewand in der Leibeshöhle gebildet wird. Ich möchte darin ein Dissepimcnt erkennen, welches auf die bereits oben berührte Mctamcrenbildung hinweist. Eine andere Verbindung betrifft den Enddarm, der jederscils durch eine andere Lamelle (lleo- parietalbandj befestigt wird. § 263. Der Darnicanal der La mellibranch iaten bietet eine grössere Complicirung vorzüglich durch bedeutendere Längenentfaltung. Der Mund liegt als eine Querspalle zwischen dem Fusse und dem vordem Schliessmuskel (Dimyarier) und wird von zwei paarigen nur selten fehlenden gelappten Fortsätzen umfasst, die vielleicht zur Zu- leitung der Nahrung dienen, wohl auch als Taslorgane fungiren können. Für ersteres macht sie ihr Besatz mit Wimperhaaren besonders geeignet. Die Mundöffnung fühlt in ein kurzes Da rm stück , die Speiseröhre, die von dem nur als eine erweiterte Stelle erscheinenden Magen kaum unterschieden werden kann , so dass die Blatlkiemcr wie durch die rudimentäre Enlwickelung eines Kopftheiles auch durch geringe Ent- fallung des vordersten Abschnittes des Darmcanals charaklerisirt werden. Fig. 17*2. Schemafischer Medianschnitt eines Brachiopoden. d Dorsale, i> ven- trale Mantellamelle, mh Mantelhöhle, .s Stiel, n Oberes Schlundganglion. v Mund- olTnung, v Magen. Darmcanal. 379 In diesen als Magen bezeichneten Mitteldarm -Abschnitt münden die Ausführgänge der Leber. Bei vielen Blaltkicniern ist der Magen an seinem Pylorustheile durch eine blindsackartige , oft betrachtliche und durch eine Klappe verschliessbare Ausstülpung ausgezeichnet. In den Blindsackbildungen, oder, wo solche fehlen, im üarmcanale selbst, wird bei Vielen ein eigentümliches Gebilde getroffen, welches unter dem Namen Kr ystal Ist iel bekannt und als eine von dem Darmepithelium gebildete Absonderung zu betrachten ist, Der bei weitem den grösslen Abschnitt des gesammten Tractus bildende Enddarm tritt nach ein- facher oder mehrfacher Windung gegen den Bücken des Thieres und ist in der Begel von gleichem Durchmesser, doch auch zuweilen in engere und weitere Strecken gesondert. Er ist dicht von anderen Organen (Leber, Geschlechtsdrüsen) des Eingeweidesackes umlagert, verläuft mit seinem Endstück unter dem Schlossrande der Schale zum llinterthcile des Körpers und durchbohrt auf diesem Wege bei einer grossen Anzahl von Blatlkiemern Herzbeutel und Herz, um dann hinter dem hinteren Schliessmuskel auf einer verschieden langen, frei in die Mantelhöhle ragenden Papille am aboralen Körperende sich zu öffnen (Fig. 164. r). § 264. Bei den Cephalophoren wie Cephalopoden ist mit der Enlwickelung des Kopfes zugleich der vorderste Theil des Darmcanals bedeutend differenzirt und wird als Schlundkopf bezeichnet. In ihm haben die zur Aufnahme und Verkleinerung der Nahrung dienenden Apparate ihre Lagerung und werden durch Muskeln in Bewegung gesetzt. Die in diesen Organen vorhandenen chemisch dem Chitin nahe verwandten Hartgebilde sind sämmtlich Abscheidungen von Zellen und damit den Cuticularbildungen anzureihen. Dieser Apparate lassen sich dreierlei in bald vereinigtem, bald getrenntem Vorkommen unterscheiden. 1) Senkrecht auf einander wirkende Kiefer werden bei den Cepha- lophoren meist durch ein bogenförmiges, zierlich ausgeschweiftes, häufig am Bande gezähneltes Stück vorgestellt. Dieser unpaare, besonders bei den pflanzenfressenden Landgasteropoden entwickelte Kiefer lagert der oberen Schlundwand an und kann beim Fressen mehr oder minder weit nach vorne bewegt werden. Ein unteres Stück fehlt. Dagegen treffen wir beide bei den Cephalopoden als zwei starke , einem Pa- pageischnabel vergleichbare , mit scharfen Bändern versehene Stücke (Fig. 173. C), von denen das untere {m') über das obere (m) hinweg- greift. Beide Kiefer sind vorne an der Mundöffnung gelegen und werden nur an ihrer Wurzel von den weichen Lippenrändern bedeckt. 2) Horizontal gegen einander gerichtete, seitlich an der Schlund- wand angebrachte Kieferbildungen, bald nur plaltenartig gestaltet, bald mit scharfen Bändern ausgestattet oder auch in Spitzen ausgezogen 380 Mollusken. und somit den Kiefern der Ringelwürmer an die Seile zu stellen, haben ihre grösste Entwicklung bei den fleischfressenden Opislho- Fig. 173. branchiaien und bei den Prosobranchiaten. Indem beide Kiefer oben einander sieh nähern , können sie einen Uebergang zu der bei den Lungenschnecken bestehenden unpaaren Kieferform vorstellen. 3) Ein unpaares, von der unleren Wand des Schlundkopfes in die Sehlundhöhle ragendes Organ trägt eine Reibplatte (Radula). Ein innerer Stützapparat wird von Knorpelslücken (Fig. 173. B k) gebildet, deren schon oben bei dem inneren Skelete gedacht worden ist. Auf seiner Oberfläche liegt eine derbe Platte (A.rB.r). auf der sich rück- wärts gerichtete und in Querreihen angeordnete Zähnchen erbeben. Die Anordnung der Zähnchen oder Häkchen (Fig. 174. ab cd), ihre Form und ihre Zahlenverhältnisse sind ausserordentlich mannichfaltig und wechseln nicht allein nach den grösseren Abiheilungen, sondern auch nach den Ordnungen , Familien , bis auf die Arten herab , doch so , dass die Verwandtschaftsverhältnisse auch in der Bildung dieser Theile ausgesprochen sind. In der Regel ist eine mediane Längsreihe Fig. 173. A Scliluudkopf eines Gasleropodcn (Pleurobr anchus; ; senk- rechter Längsdurchschnitt. B Querschnitt des Schlundkopfes an der in A durch eine senkrechte Linie angedeuteten Stelle, oe Oesophagus. I Lippe, r Reibplatte. k Knorpel. C Schlundkopf eines Cephalopoden (Loligo), senkrechter Längs- schnitt, t Arme, m Oberes, m' unteres Kieferstück. / Lippe, j Zunge, r Rcib- platte. oe Oesophagus. Darmcanal. 381 (u) vorhanden, an welche seitlich symmetrische Zahnchen (b cd) sich anschliessen. Das aus der Summe dieser Häkchen gebildete Organ lungirt vorzüglich beim Einziehen der Nahrungsstoffe. Es ragt bei Manchen (Turbo, Patella) von der sackartig ausgedehnten, durch Ausstülpung der Schlundwand gebildeten Scheide umschlossen weit in die Leibes- höhle und kann sogar die Länge des Körpers übertreffen. Bei den Pleropoden ist die Reibplatte wenig ausgebildet. Bei den Ga- steropoden ist sie bald mehr in die Breite, bald mehr in die Länge gedehnt, und bei Heteropoden zeigt sie insofern eine höhere Bil- dungsstufe , als die äusseren der in Querreihen angeordneten Häkchen nicht allein von- beträchtlicher Länge, sondern auch beweglich eingelenkt sind. Sie können so beim llervorslrecken der Reibplatte sich aufrichten, um beim Zurückziehen, sich zangenartig zusammenschlagend, als Greiforgane zu wirken. Auch bei den Cephalopoden wird die Reibplatte (Fig. 173. Cr) angetroffen. § 265. Aus dem Schlundkopf erstreckt sich bei den Cephalophoren ein meist langer Munddarm nach hinten und bildet an seinem ersten Ab- schnitte eine Speiseröhre, und darauf einen weiteren Abschnitt, den Magen , von welchem der Mitteldarm häufig in Form einer einfachen Schlinge den Eingeweidesack durchsetzend , zu dem wenig scharf ab- gesetzten Endstücke verläuft. Die Afteröffnung findet sich bei den meisten Prosobranchiaten und Pulmonaten in der Mantelhöhle nahe an den Athmungsorganen, bei den Opisthobranchiaten entweder rechter- seits vorne am Körper oder auf der Mitte des Rückens. Als Modificationen bestehen Erweiterungen einzelner Abschnitte der Speiseröhre und führen zur Bildung eines besonderen als Kropf fungirenden Stückes.. Dieser bildet entweder einen spindelförmigen Abschnitt, (sehr lang bei den Heteropoden) den auch viele Proso- branchiaten und Pulmonaten besitzen , oder er erscheint als eine ein- seitige Ausbuchtung, die sich zu einem blindsackartigen Anhang aus- bilden kann (Lymnaeus, Planorbis, Buccinum). Modificationen ergeben sich nicht minder an dem in einen meist erweiterten Abschnitt umgebildeten Mitteldarm , sowohl was seine Ge- stalt betrifft, als auch hinsichtlich seiner Differenzirung in einzelne Theile. Häufig sind es Abschnitte des Munddarms, die als »Magen« Fig. 174. Eine Reihe Zähnchen von der Reibplatte von Litto rina littorea, a Mittlere, b c d seitliche Zähnchen. 382 Mollusken. bezeichnet weiden. Wenig ausgezeichnet erscheint derselbe bei den Pulmonaten. Bei andern kommt es zur Bildung eines Magenblind- sackes, wobei dann Gardia und Pylorus einander sich nähern und dieses ist die häufigere Form. Durch Theilung kann der Magen in mehrere Abschnitte zerfallen. So wird häufig Cardial- und Pylorusabschnitt durch eine in den Magen vorspringende Längsfalte geschieden (bei Littorina), quere Einschnürun- gen bilden hinter einander gelegene Magenabiheilungen. Diese Son- derung entspricht sehr deutlich einer Theilung der Leistung , wie aus der verschiedenartigen Beschaffenheit der Cuticularbildungen der ein- zelnen Abschnitte hervorgeht. So besitzt Aplysia einen Abschnitt mit pyramidal geformten Stücken von knorpelartiger Härte besetzt, einen anderen mit festen Ilornhäkchen ausgestattet. Solche Ilakenbildungen linden sich auch im einfachen Magen von Tritonia, ein breiter Gürtel seharfeekiger Platten in jenem von Scyllaea, sowie feste Beibplalten auch im Magen der mit rudimentären Mundtheilen versehenen Ptero- poden vorhanden sind. Von Eigenlhümlichkeiten des übrigen Darmrohrs ist eine dem End- darm häufig zukommende Erweiterung anzufahren. Bedeutendere Mo- dilicalionen erleidet der ganze Darm bei den Aeolidiern, wo er in dem- selben Maasse Bückbildungen erfährt, als die Leber in seine Function übertritt und damit die bedeutende Verkürzung compensirl (siehe darüber unten) . Mit der Analölhiung mancher Gasteropoden sind Drüsen verbun- den, die zuweilen ziemlich ansehnlich (Murex, Purpura) in ihrer Be- deutung aber noch nicht erkannt sind. § 266. Bei den Cephalopoden geht aus dem Schlundkopf (Fig. 184. pli) eine enge Speiseröhre hervor, die nach ihrem Durchtritt durch den Kopfknorpel entweder gleichmässig zum Magen herabläuft (Loliginen), oder auf ihrem Wege noch mit einer oft ansehnlichen kropfarligen Er- weiterung versehen ist Nautilus, Octopoden). Der Magen ist (Fig. 175. r) oval oder rundlich, meist von beträchtlicher Weite und be- sonders bei Nautilus, aber auch bei Octopus, mit starken Muskelwan- den versehen. Auf jeder der beiden Seiten findet sich eine radiär verlaufende Muskelschichte, in deren Mitte eine besonders bei Nautilus bemerkliche, sehnige Platte angebracht ist. Der neben der Gardia gelegene Pylorus führt in den gleich an seinem Beginne mit einer blinddarmartigen Ausstülpung versehenen Mitteldarm, der anfänglich auf seiner Innenfläche gleichfalls noch Längs- faltung zeigt und sich meist in geradem Verlaufe (wenig gewunden ist er nur bei Nautilus und den Octopoden) nach vorne wendet (Fig. 175. i), um im Anfange des Trichters sich nach aussen zu offnen. Um die Afler- Anhangsorgane des Darmcanals. 3 83 Öffnung sind bei vielen Cephalopoden zwei bis drei Klappen oder doch klappenähnliche Vorsprünge, durch entwickelte Muskulatur ausgezeich- net, vorhanden. Blindsackbildungen (Fig. 175. c) am Beginne des Mitteldarmes zeigen sowohl in ihrer äusseren Form, als auch in der Beschaffenheit der Innen- fläche verschiedene Verhältnisse. Der Blinddarm ist entweder rundlich (Nautilus, Bossia , Loligopsis), oder in die Länge gedehnt und dann oft spiralig gewunden ; so bei Sepia, Octopus. Bei grösserer Länge kommen mehrere Spiral Windungen zu Stande (Fie. IT 5. ee &• (Loligo sagittata fläche zeigt bald blätterartig sprünge (Nautilus) , oder auch circuläre Spiralform folgende Faltenbildungen nehmen die grössten Falten Seiue Innen- angeordnete Vor- der" der der Zwei Ausführgänge Leber auf und sind gegen das Darmlumen zu be- trächtlich ausgebildet, so dass sie einen klappen- artigen Verschluss herstellen können. Bezüglich der Function dieses Blinddarmes ist wahrschein- lich, dass er eine secretorische Bolle spielt, wie er denn auch bei einigen, z. B. bei Loligo vul- garis, der Falten entbehrend in seinen Wan- dungen reichliche Drüsen birgt. Fie. 175. Anhangsorgane des Darmcanals. 1) Anhangsorgane des Vorderdarms. § 267. Von den mit dem Darmcanal verbundenen Drüsenorsjanen finden sich Speicheldrüsen nur bei Gephalophoren und Cephalopoden ver- breitet, so dass ein Zusammenhang dieser Gebilde mit der Ausbildung von Mundorganen erkannt werden kann. Sie sind bei den Gephalo- phoren stets an beiden Seiten des Vorderdarms gelagert und münden in den Pharynx aus. Nicht selten erscheinen sie als kurze Blindschläuche (Pleropoden), die sogar in der Masse des Schlundkopfs verborgen sein können (manche Opisthobranchiaten) . In weiterer Entwicklung ver- längert sich der Ausführgang, so dass der secernirende Abschnitt weiter nach hinten zu liegen kommt, und da bald dem Oesophagus, bald auch dem Magen angelagert ist. Die Drüsen bilden dann rundliche, läng- liche, meist abgeplattete Schläuche (Pulmonalen, Prosobranchiaten), die Fig. 175. Verdauimgsapparat von Loligo sagittata. oe Speiseröhre, v Der Magen, der Länge nach geöffnet. J' Eine durch den Pylorns hindurchgeführte Sonde, c Anfang des Blinddarms, e e Spiraliger Tlieil desselben. * Enddarm. a Tintenbeutel, b Einmündung desselben in das Rectum. (Nach Home.) 384 Mollusken. sogar wieder in einzelne Abschnitte zerfallen können , oder auch als ramificirte Organe erscheinen, wie die dem Magen aufliegenden Drüsen von Pleurobranchus. Nicht selten finden sich auch doppelte Paare, von denen entweder die Ausführgänge immer getrennt erscheinen , oder jene des hinteren Paares sich mit einander vereinigen. Auch bei nur einem vorhandenen Paare ist oft die Verschmelzung in eine einzige Masse zu beobachten, wobei die Duplicität durch die Ausführgänge be- stimmt wird. Eine functionelle Diflerenzirung bieten die Speichel- drüsen mancher Ctenobranchiaten [Dolium , Gassis , Cassidaria , Tri- tonium), bei denen ein Abschnitt in seinem Secrete freie Schwefelsäure erkennen Hess. Aehnliches zeigen die vollständiger gesonderten Drüsen einiger Opisthobranchiaten (Pleurobranchus, Doris). Doppelte Speicheldrüsen, ein vorderes und ein hinteres Paar, sind bei den Cephalopoden verbreitet. Die hinleren liegen seitlich vom Oesophagus, hinter dessen Durchtritt durch den Kopfknorpel. Sie sind entweder glatt oder gelappt und lassen ihre Ausführgänge in der Regel innerhalb des Kopfknorpels zu einem einzigen Gange sich ver- einigen, der vor dem Zungenwulste in die Schlundhöhle einmündet (Fig. \8&.'glsi). Bei Octopus, Eledone und anderen sind ausser den hinteren noch zwei vordere als kurze, dicht hinter dem Pharynx liegende Drüsenmassen vorhanden , aus denen ein die Pharynxwand durchbohrender Ausführgang hervorgeht (Fig. 184. gls s), der sich vor der Ausmündung mit dem der andern Seite vereinigt. Bei Nautilus fehlen die hintern Drüsen vollständig, und die vordem werden durch eine noch innerhalb des Schlundkopfs gelegene paarige Drüsenmasse ersetzt. Anhangsorgane des Mitteldarms. § 268. Am Mitteldarm sind bei den Mollusken Anhangsgebilde in allge- meiner Verbreitung zu treffen; sie repräsentiren die «Leber«. Diese erscheint bei den Brach iopoden in der Form verästelter Schläuche, die bei den Angellosen bald mit vielen Mündungen (Crania), bald in mehrere (4) Ausführgänge vereint (Lingula) in die oben als Magen bezeichnete Darmerweiterung oder auch hinter derselben ein- münden, indess sie bei den Angelschaligen mächtiger entwickelt aui zwei seitliche Drüsengruppen vertheilt sind , welche den Magen um- geben und« von jeder Seite meist mit mehreren Ausführgängen in ihn einmünden. Als eine den Magen und einen grossen Theil des übrigen Darmes umgebende Drüse tritt die Leber der Lamellibranchiaten auf. Sie bildet zahlreiche in grössere Lappen vereinigte Acini die an verschie- denen Stellen, theils in den Magen, theils in den folgenden Darm- abschnitt münden. Anhangsorgane des Mitleldarmes. 385 Eine nicht minder ansehnlich entwickelte Drüse stellt sie bei den Cephalophoren vor. Bei den beschälten Gasteropoden nimmt sie den grössten Theil des im Gehäuse geborgenen Eingeweidesackes ein , im- mer aus mehreren grössern Lappen zusammengesetzt und den Darm auf verschieden langen Strecken umlagernd. Die aus den Lappen hervor- tretenden Gallengiinge münden bald getrennt, bald vereinigt in den Anfang des Mitteldarms, zuweilen auch in die Magenerweiterung. Die Zahl. der gesonderten Leberpartieen ist wie ihre relative Grösse sehr verschieden. Doch lässt sich im Allgemeinen bei Vermehrung des Lebervolums eine mehr einheitliche Bildung erkennen, indessen die einzelnen getrennten Lappen um so kleiner sind, je zahlreicher sie vor- kommen. Bei den Pteropoden ist die Leber in eine grosse Anzahl kleiner Blindschläuche aufgelöst. Solche sitzen bei Pneumodermon in verästelten Gruppen dicht beisammen und die weiten Mündungen ihrer Ausführgänge durchbohren fast siebförmig die Magenwand. Einfachere. Acini besetzen einen Abschnitt des Darmes der übrigen Pteropoden und bilden eine dicht geschlossene Masse, durch welche der Darm hin- durchtrilt (Fig. 169. Ä). Dieses Verhältniss der Vertheilung der Leber auf einen grösseren Abschnitt des Darmcanals führt bei einer Abtheilung der Opislho- branchiaten zu Veränderungen jenes Darmstückes. Indem die Aus- führgänge der einzelnen Leberlappen sich erweitern , bilden sie Aus- buchtungen des Magens und es entsteht an der Innenfläche des letzleren hei einer grösseren Anzahl von Leberschläuchen ein reticuläres Aus- sehen (Doris, Doridopsis). Durch diese Umgestaltung der Ausführgänge der Leber zum Darmlumen erscheint der drüsige Theil der Leber wie ein Beleg jener unregelmässigen Ausbuchlungen. Hieraus geht der oben (§ 265) berührte Zustand des Verdauungs- apparales der Aeolidier u. a. hervor, und die Leber erscheint in Ge- stalt von weiten blind geendigten Anhängen , die von dem als Magen bezeichneten Mitteldarm (Fig. 176. in) entspringen. Die Verbindung ist entweder eine unmittelbare und die Anhänge münden direct in den Milteldarm oder sie ist mittelbar, wenn nämlich noch weite Ausbuch- tungen des Milteldarms vorkommen (Fig. 176), die übrigens gleichfalls aus Umbildungen eines Abschnittes der Leber hervorgegangen sein können. Diese Anhänge durchsetzen die Leibeshöhle und dringen beim Bestehen von Bückencirren in diese mit blinden Endigungen ein. Je nach der Anzahl der Anhänge bilden jene Forlsätze mehr oder minder reiche Verästelungen, welche sogar unter einander anastomosiren können. Sowie die Zahl und die allgemeine Gestaltung der Darmanhänge wechselt, so sind auch ihre Dimensionen verschieden, so dass sie bald nur wie Ausstülpungen des Darmes sich darstellen und durch weile Oeflhungen mit letzterem in Communication , auch Speisemassen auf- zunehmen im Stande sind, bald nur als enge Canäle erscheinen, die an der Nahrungsaufnahme sich nicht direct betheiligen. Zwischen Gegenbaur, Grunilriss. 25 380 Mollusken. Fic. 176. diesen Extremen finden sich Uebergangsformen vor. Für die Auf- fassung dieser Darmbildung erscheint ein nie fehlender drüsiger Beleg von grosser Wichtigkeit. Dadurch stellen sich die Verästelungen nicht blos als phy- siologische Aequivalenle einer Leber heraus, sondern wir müssen sie auch als Modifi- cationen der Leber selbst betrachten , die hier durch Erweiterung der Lumina ihrer Canäle sich an der Vergrösserung des Darmcanals betheiligt hat. Dasselbe Organ, welches bei den anderen Gasteropodcn als Leber erscheint, tritt bei den Aeolidiern in den Darm mit über, und behalt nur an seinen Wandungen oder doch an einem Theile derselben seine ursprüngliche Bedeu- tung bei. Auch in anderen Abtheilungen der OpisthobranchiatCh erscheint die Leber in Form weiter Schläuche z. B. bei Phyl- lirhoe, Limapontia etc. Dass in allen diesen Bildungen kein Anfansszusland der ersten Differenzirung einer Leber, sondern eine. Art Bückbildung gefunden werden darf, geht aus der Phylogenese der Aeolidier her- vor, die von schalentragenden Gasteropodenformen sich ableiten. Die Leber der Cephalopoden ist immer eine ansehnliche, meisl compacte Drüse, die hei Nautilus aus vier locker verbundenen Lappen besieht. Jeder derselben entsendet einen Ausführgang. Bei den Di- branchiaten finden sich nur zwei Lappen vor, die entweder deutlich getrennt (Sepia), oder nur theilweise verbunden sind (Bossia;. Eine engere Vereinigung beider Lappen besteht bei Sepiola und Argonauta, und bei den Loliginen und Octopoden stellen sie eine einzige vom Oesophagus durchsetzte Masse dar. In allen Fällen treten aus der Leber nur zwei Ausführgänge hervor, welche auf die beiden ursprüng- lichen Lappen hinweisen, und ebenso wie bei Nautilus, stets in das Ende des Blinddarmes ausmünden. Sowohl an der Mündungsstelle in den Blinddarm, als auch inner- hall) der Leber selbst tragen die Ausführgänge noch einen Besatz be- sonderer Drüsenläppchen , deren Bau von den Acinis der Leber ver- schieden ist, Man hat diese bald nur an der einen, bald an der andern der genannten Stellen vorkommenden Drüsen für eine Bauch- speicheldrüse erklärt, wobei man jedoch den Mangel jeglicher näheren Verwandtschaft mit dem gleichnamigen Organ der Wirbel- Fig. 176. Darmcanal von Arolid in papulosa, pli Schlundkopf, «i Mittel- diirm mil den Leberanhängen h , deren Endverzweigiingen nicht mit dargestellt sind, e Enddarm, an After. (Nach Aluku and Hancock.) Anhangsorgane des Enddarmes. 3 KT thiere beachten muss. Auch bei Gasteropoden (Aplysia. Doris hat man in der Nähe der Leber noch besondere Drüsen beobachtet. Anhangsorgane des Enddarmes. § 269. Als hieher zu zählende Gebilde finden sich mancherlei erst bei den Cephalophoren vorkommende ürüsenorgane von unbekannter Bedeutung. Bei den Cephalopoden wird der unter den Dibranchiaten verbreitete Tinlelbeulel hier angeschlossen werden können, der bei manchen mit dem Enddarm ausmündet (Loliginen) und desshalb vielleicht als ein vom Enddarme her entstandenes Gebilde sich herausstellt, wenn er auch bei anderen Cephalopoden seine Mündung neben oder hinter der Analufi'nune träst. Er stellt einen ländlichen, mit contraclilen, lamellös ins Innere vorspringenden Wänden versehenen Sack vor (Fig. 157. /), der die bekannte schwarze Flüssigkeit absondert und seinen Ausführ- ung zum Enddarme treten lässt. Geschlechtsorgane. § 270. Die Vermehrung findet bei den Mollusken niemals in einer jener ungeschlechtlichen Formen statt, die man bei den Arthropoden auf dem Boden geschlechtlicher Diflerenzirung entstanden sieht. Sie ist ausschliesslich an die Function von beiderlei Geschlechtsorganen «e- knüpft. Diese Organe bieten für die einzelnen Classen der Mollusken ziemlich selbständige Fanrichtungen , so dass die Ableitung von einer Allen gemeinsamen Grundform nur dann möglich wird, wenn letz- tere auf einer sehr niederen Stufe der Difierenzirung gesucht wird. Bei einem Theile der Brachiopoden sind die Geschlechtsorgane hermaphroditisch angelegt, so dass die Trennung der Geschlechter zu den Ausnahmen zu gehören scheint (Thecidium) . Die Organe bilden bei den ersteren vier Drüsenmassen, zwei bei Thecidium. Bei den Ecardines lagern sie in der Leibeshöhle, theilweise den Darm und die Muskeln umgebend, bei den Angelschaligen sind sie als wulstförmige Massen in die Bäume beider Mantellappen vertheilt (Fig. 162. #), in beiden Fällen an die Verhältnisse der Geschlechtsproducte der Anneliden und Gephyreen erinnernd. Bei den getrennt- geschlechtlichen sind diese in dem einen Falle Ovarien, im andern Hoden. Auf welche Weise die ei- und samenbildenden Stellen bei den hermaphrodilischen sich zu einander verhalten, ist unbekannt. Bezüglich der Ausführwege kommen die oben bei den Excrelions- organen aufgeführten Bildungen ("§ 1559) in Betracht, so dass auch hierein 25* 388 Mollusken. ursprünglich fremder Apparat als Oviduct wie als Samenleiter fungirend die Geschlechtsorgane mit bilden hilft. Die Vereinigung beider Geschlechter in einem Individuum findet sich bei den Lamellibranchia ten nur auf einzelne, von einander ziem- lich entfernte Galtungen, oder auch einzelne Arten beschränkt, welche dadurch den Ueberresl eines vordem der ganzen C lasse zukommenden Verhallens repräsentiren. Bei den Auslern besteht sogar noch ein Uebergang in die geschlechtliche Trennung darin, dass die bezüglichen Organe eines Individuums nicht gleichzeitig sondern alternirend bald nur als männliche, bald nur als weibliche thätig sind. Die Keimdrüsen sind paarig, auf beide Seiten vertheilt, münden auch getrennt von ein- ander aus. Meist nehmen sie einen grossen Theil des Leibeshöhle ein, oft innig andern Organen verbunden. In dem Verhalten von beiderlei Keimdrüsen unter den Zwittern geben sich stufenweise Verschiedenheilen zu erkennen , den Weg be- zeichnend, auf welchem die Trennung der Geschlechter vor sich ging. Bei einigen (z. B. bei Ostrea) ist die Keimdrüse Zwitterorgan im voll- sten Sinne des Wortes. Ei- und samenbildende Follikel sind mit ein- ander vereinigt, und die Ausführgänge für beiderlei Producte gemeinsam. Auch bei Peclen (P. varius) besteht noch das letztere Verhalten, allein die Keimdrüse selbst ist in einen männlichen und einen weiblichen Abschnitt gesondert. Ersterer liegt vorne und oben, letzterer hinten und unten. Indem endlich bei andern (Pandora) die getrennten Keim- drüsen getrennt ausmündende Ausführgänge besitzen, ist die Differen- zirung auf einer höheren Stufe angelangt. Die Ausführgänge der Keimdrüsen sind wenig entwickelt und häufig sitzen die Drüsenläppchen noch nahe an der gemeinsamen Mündung. Somit fehlen auch alle accessorischen Organe. Die jeder- seitige Ausmündung findet auf verschiedene Weise statt. Bald vereinigt sich der Genitalcanal mit dem Excretionsorgane , erscheint damit als eine von letzterem ausgehende Differenzirung und die Geschlechtspro- duete werden durch dieses nach aussen entleert (z. B. Peclen, Lima, Spondylus). bald vereinigt sich der Genitalcanal erst mit der Mündung jenes Organes (z. B. Area, Mytilus, Pinna) , bald endlich mündet der Genitalcanal für sich auf einer besonderen Papille (z. B. bei Ostrea, Unio, Anodonta, Mactra, Chama). Aus den bei den Brachiopoden bestehenden Thatsachen im Zusammen- halte mit jenen, die bei den Lamellibranchiaten erkannt sind; ergibt sich , dass der exeretorische Apparat auch bei den Mollusken für die Herstellung der Ausführwege der Geschlechtsproducle eine bedeutungs- volle Bolle spielt. Bei den Brachiopoden, deren Excretionsorgane noch im wesentlichen das für die Würmer typische Verhalten zeigen, ist die Verbindung mit den Geschlechtsorganen nur eine physiologische, indess sie bei den Lamellibranchiaten zu einer anatomischen sich ausgebildet hat. Der ins Kxcretionsorgan mündende Genitalcanal erscheint dabei Geschlechtsorgane. 389 ;ils eine zu den Keimstätten der Zeugungsloff'e ausgedehnte Differen- zirung und die stufenweise erfolgende Trennung des Genitalcanals vom Excrelionsorgane drückt eine weitersehreitende Sonderling aus, welche zu einer vollständigen Ablösung des Genitalcanals, und damit der Ge- schlechtsorgane vom Excretionsorgane führt. Dieses bei den höhein .Mollusken allgemein vorliegende Verhalten, wird also von einer primi- tiven, funclionellen Verbindung der Geschlechtsorgane mit den Excre- tionsorganen abzuleiten sein, welche Beziehung endlich nur in einer benachbarten Lagerung der äusseren Mündungen dieser Organe sich spurweise angedeutet zeigt. Indem die Mollusken die Wege zeigen , auf denen die Differen- zirung der Ausführgänge der Geschlechtorgane geschah , entfernen sie sich nicht so gar weit von den Würmern, von denen ein Theil noch ähnliche Beziehungen aufweist, indess eine andere mit grossen und anscheinend selbständigen Complieationen der Ausführapparale ausge- stattete Gruppe (Plaltwürmeij die Lösung jener Frage vorerst nur in grösserer Entfernung zeigt. § 271. Die Geschlechtsorgane der Gephalophorc n bieten einein mehr- facher Weise fortgeschrittene Differenzirung dar. Besteht auch eine »Zwillerdrüse« in grosser Verbreitung, so ist doch der Apparat beträcht- lich complicirt, und verbindet sich in der Regel sogar noch mit Begat- tungsorganen. Ferner erscheint der Geschlechtsapparat immer unpaar, in asymmetrischer Lagerung und Ausmündung, so dass im Vergleiche zu den Lamellibranchiaten eine einseitige Rückbildung angenommen werden muss. Nur bei Chiton erhält sich die Duplicität an den Ausfuhr- gängen, von welchen jederseits einer von der unpaaren Keimdrüse zu den seitlich und hinten gelagerten Genitalöflnungen führt. Die Verhältnisse der Zwitlerdrüse sind mannichfaltiger Art. In allen Fallen setzt sie sich aus zahlreichen Läppchen (Fig. 177. A) zu- sammen, welche an ihren äusserslen blinden Enden Eikeime bilden [a)', indess entfernter vom Ende Samenmassen entstehen (6). Diese Stellen sind jedoch nicht von einander getrennt, vielmehr ist der gemeinsame Hohlraum eines Läppchens die Bilduugsstätte der verschiedenen Pro- ducta Somit sind es von Epithelialbildungen ableitbare Zellen, welche an der einen Stelle zu Eiern sich gestalten , an der andern Samen- fäden hervorgehen lassen. Diese doppelte Production scheint in der Regel keine gleichzeitige zu sein, so dass dasselbe Läppchen oder dieselbe Drüse in dem einen Falle Eier, in dem anderen Sperma her- vorbringt. Eine Differenzirung gibt sich an den Läppchen dadurch zu er- kennen , dass die eibildenden Theile Ausstülpungen vorstellen (Fig. 177. B. a) , welche dann an dem samenerzeugenden mittleren Theile 4 390 Mollusken. Tiedemannia) ; Drüsenmassen (b) rosettenförmig gruppirt sind und so immer wie secundäre Acini sich verhalten«. Die Vereinigung der einzelnen Läppchen unter ein- ander begründet verschie- Kig. 177. dene Formverhältnisse der Zwitterdrüse ; so kann jedes Läppchen seinen eigenen Ausführgang besitzen und die gesammte Drüse er- seheint als ein reich ver- üslelles Organ (Opistho- branchiaten) ; oder die Acini münden, reihenweise ge- stellt, an einer Seite eines Ausführganges, wie bei ei- nigen Pteropoden (Cymbulia, oder sie gruppiren sich in traubenförmige oder lappige die entweder in Mehrzahl auftreten (Phyllirhoe), oder eine einzige mehr oder minder compacte Drüse vorstellen (einige Ptero- poden, wie Pneumodermon , Hyalea , dann die meisten Opisthobran- chiaten und Pulmonaten). Hinsichtlich der Ausführgänge bestehen bei den hermaphroditischen Cephalophoren folgende verschiedene Einrichtungen : I) Es besteht ein gemeinschaftlicher Ausfuhrgang für Samen und Eier, der somit Vas deferens und Eileiter vorstellt und von der Zwilter- drüse an bis zur Geschlechtsöffnung beiderlei Producte führt. Als Uterus erscheint nur eine blindsackartige Ausbuchtung, welche auch zur Aufnahme des Begattungsorganes dient. An der Geschlechtsöffnung tritt der Samen entweder direct auf das daneben liegende Begattungs- organ über, oder er wird bei entfernterem Ursprünge des letzteren durch eine wimpernde Kinne diesem zugeleitet. Alle Pteropoden, dann einige Opisthobranchiaten sind mit dieser Einrichtung versehen. -2) Der Ausführgang der Zwitterdrüse ist nur eine Strecke weit gemeinsam, dann erfolgt eine Theilung und jeder Canal nimmt seinen besonderen Weg zur Geschlechtsöffnung. Dabei kann er sich noch mit Nebenapparaten in Verbindung setzen, oder auch einfachere Ditl'eren- zirungen durch Kalibermodificalionen eingehen. Letzteres Verhallen bietet auch der gemeinsame Ausführgang vor seiner Trennung. Sehr häufig erscheint er bei Opisthobranchiaten auf einer grösseren Strecke erweitert, und kann damit für die ausführenden Zeugungsstoffe als Behälter dienen. Bei den Pulmonaten (Fig. 178) besteht am gemein- 1 ig. 177. Zwi tterd rüsen fol likel von Gasteropod cn. A Von Helix hortensis. Die Eier a, a entstehen an der Wand des Follikels, nach innen zu die Samenmassen b. Ji Von Aeolidia. Die samenbereitende Abtheilung (6) eines Follikels ist ringsum mit Biersäckeben (a) besetzt, c Gemeinschaftlicher Aus- führgang. Geschlechtsorgane. 391 KU 78. samen Ausfuhrgange eine Trennung in zwei Abschnitte. Während der obere (ve) aus der Zwitterdrüse (s) kommende einfach ist, erscheint der untere auf einer ansehnlichen Strecke der Länge nach in zwei Räume geschieden, davon der eine engere den weitem wie eine Halbrinne begleitend zur Aus- bildung des Sperma dient, indess der weitere (u) dem weiblichen Apparate angehört. Er ist bei den Landpulmonaten mit Ausbuchtungen besetzt und empfängt an seinem oberen Ende eine eiweissabsondernde Drüse [Ed). Man bezeichnet ihn als Uterus, in dessen Ausbuch- tungen die Eier ihre Umhüllung empfangen. Da der andere Canal gegen diesen Uterus zu nicht völlig abgeschlossen ist, besieht somit eine nur theilweise Trennung. Erst am Ende des Uterus ' setzt sich das Vas deferens als selbständiger Canal [vd) zur Huthe (p) fort. Die letzte Strecke des Canals liefert bei manchen eine die Samenmassen zu einem Samenschlauche (Spermatophor) vereinigende Substanz. Aus dem Uterus geht endlich ein als »Scheide« bezeichnetes Endstück des weib- lichen Canals hervor, der zur gemeinsamen Ceschlechtsötinung seinen Verlauf nimmt, und noch mehrfache Anhänge (Fig. 178. ps. d) tragen kann. Von den letzteren ist (bei den Helicinen) ausser einem Receptaculum seminis (Fig. 178. Rs) eine Gruppe von grösseren Drüsenschläuchen { " g, *V/^ ^ Die symmetrische Anordnung der Vorkammern bei den einander sonst sehr ferne stehenden Abtheilungen der Lamellibranchiaten und Cephalopoden zeigt, dass darin eine liefer begründete Eigentümlich- keit gesucht werden muss, und durch das Bestehen von zwei Paaren hinter einander in die Kammer mündender Vorkammern (bei den tetra- branchiaten Cephalopoden) gibt sich sogar eine Meta meren bi I düng des Gefässappa ra tes zu erkennen, wie sie bei den gegliederten Würmern durch die mehrfachen Querslämme ausgedrückt wird. Diese Gefässe besitzen hier sogar noch soviel ihrer ursprünglichen Natur, dass man sie nicht als Vorhöfe des Herzens, sondern als Kiemenvenen bezeichnet hat. Aus der Homologie der zwei Vorhofpaare mit zwei Querstämmen eines Dors;dgefässes (Fig. 180. A und B) ergibt sich ein primitiver Zustand, der, die Nautiliden eharakterisirend, auch mit den palaeonto- logischen Beziehungen derselben zu den übrigen lebenden Cephalopoden vollkommen im Einklang steht. Das Vorkommen nur eines Vorhofs- paars erscheint dagegen als Bückbildung (dibranchiate Cephalopoden Fig. 180. Schematische Darstellung zur Yergleichung der Modificationen der C ircu 1 a t i o n sc e n tren bei den Mollusken. A Theil des Dorsalgefassstammes und der Querslam me eines Wurmes. B Herz und Vorhöfe von Nautilus. C Herz und Vorhöfe eines Lamellibranchiaten oder Loliginen. ü Die- selben Organe eines Octopus. E Herz und Vorhof eines Gasteropoden. v Herzkammer, a Vorkammer, ac Arieria cephalica. ac Arteria abdominalis. Die Pfeile deuten die Richtung des Blutstroms an. 400 Mollusken. und LameHibranohiaten) , welche der Reduction der Kiemen ent- spricht. So finden wir also den Schlüssel zum Verständniss der Kam- mer- und Vorhofsbildungen bei den Mollusken, durch die Vergleichung mit einem indifferenteren Apparate. Wie ein Abschnitt des Dorsal- gefässes zur Herzkammer umgewandelt ist, so bilden die davon aus- gehenden Fortsetzungen Arterienstämme, die man da, wo sie ihren ursprünglichen Verlauf behalten haben , als vordere und hintere Aorta (Aorta cephalica und Aorta intestinalis oder abdominalis) unterscheidet (siehe Fig. 180. B C). Eine wichtige Lagerungsveränderung erscheint bei einem Theile der Cephalopoden, den Octopoden (/)), wo der Stamm des Dorsalgefässes eine schlingenarlige Krümmung vollführt hat, so dass beide arterielle Abschnitte (ac und ai) noch eine Strecke weil nach einer Richtung verlaufen. Dadurch nähern sich ihre Ursprungs- stellen aus der Kammer, und es wird verständlich, wie aus einer ähn- lichen Einrichtung der Circulationsapparat der Cephalophoren hervor- gegangen sein muss , bei denen der Ursprung eines einzigen Arterien - Stammes aus der Herzkammer charakteristisch ist (E). Dieser Eine Arterienstamm theilt sich in zwei in ihrem Verbreitungsbezirke genau den beiden Arterienstämmen entsprechende Aeste (ac und ai), die bei den Cephalopoden aus den beiden Enden der Kammer hervorgehen. Erslere dürften somit aus den beiden ursprünglich in einer Axe ge- lagerten Arterienstämmen entstanden zu betrachten sein. Auch für eine paarige Vorhofsbildung als Repräsentant des niedern Zustandes bieten die Cephalophoren Reispiele. Die Verschmelzung zu Einem Raum ist durch die Modification der Arterienstämme bedingt, indem durch die Verbindung des hinleren mit dem vorderen eine Vereinigung beider Vorhöfe an der Uebergangsstelle zur Kammer nothwendig Platz greifen muss (vergl. D mit E). In dem von diesem Gesichtspuncte aus beurtheilten Circulations- apparat der Mollusken treten die phylogenetischen Reziehungen dieses Thierslamms deutlich hervor, und machen die paläontologischen That- sachen verständlicher, als die übliche Auffassung es vermag. § 277. Das Herz der Lamel libran chiaten (Fig. 181. v) liegt stets in der Medianlinie des Körpers dicht unter dem Rücken von einem Peri- cardium umhüllt und von zwei seitlichen Vorhöfen (a) Blut empfangend. während vorne und hinten die oben erwähnten arteriellen Gefässstätnme aus ihm entspringen. Bei den meisten Muschellhieren spaltet sieh das Herz in zwei den Enddarm [i) umfassende Schenkel , die nach ihrer Vereinigung die vordere Körperarterie (Aorta) hervorgehen lassen. Dieses Durchbohrlsein vom Bnddarm steigert sich bei Area zu einer Duplicität des Herzens, indem es durch zwei vollständig von einan- der getrennte Kammern, jede mit einem Vorhofe versehen, dar- Gefasssystem.- 401 Kie. 181. P'-\ gestellt wird. Jede Kammer entsendet eine Aorta , die sieh vor einer ferneren Verzweigung mit der anderseitigen vereinigt, so däss also dennoch ein einfacher Arterien- Ha uptsta mm entsteht. Dasselbe gilt auch von dein hinleren Arlerienstamme. Von den beiden Arterienstämmen verläuft der vordere bis in die Gegend des Mundes, um hier unter Verzweigungen sich in weite Blut— räume zu öffnen. Auch der hintere Arterienstamm,. dessen Längen- enlwickelung von der Ausbildung der hinteren die Siphonen darstellen- den Manteltheile abhängig ist, geht schliesslich in Bluträume oder La- cunen über. Besonderer Wandungen entbehrende Räume verzweigen sich nicht allein im Mantel, sondern finden sich auch zwischen den Eingeweiden. Je nach der Weile dieser Räume sind grössere oder kleinere Blutbehäller unterscheidbar, welche sowohl ein Capillar-, als ein Venensystem ver- treten. In regelmässigem Vorkommen bestehen solche grössere Sinusse an der Kiemenbasis , und ein mittlerer unpaarer, die Venenräume des Fusses sammelnder, dehnt sieh der Länge nach zwischen den beiden Schliess- muskeln aus. Alle diese Bluträume stehen unter sich im Zusammenhange und bilden ein in. den verschiedenen Theilen verschieden weites Maschen- werk. Die beiden seitlichen Räume communiciren auch noch mit dem Bojanus'schen Organe (§ 247). Verfolgt man die Bahn , welche das aus den Arterien in die Lacunen ergossene Blut zurücklegt, so trifft man einen Theil davon auf dem Wege zum Mantel , einen andern Theil zu dem Ringeweidesack. Von da strömt ein Theil des Blutes in die Kiemensinusse und von hier aus entweder direct in die Kiemen , oder erst auf Umwegen durch die Bojanus'sche Drüse zu den Athmungsorganen. Dieser letztere Weg ist der von der Hauptmasse des Blutes passirle. Da aber zwischen den Blutbehältern an der Kiemenbasis und den Vorhöfen des Herzens auch noch eine directe Comniunication besteht, so wird ein, wenn auch kleiner Theil des Blutes, ohne in die Kiemen gelangt zu sein , zum Herzen zurückkehren. Hierzu kommt noch das Blut aus dem Mantel, welches gleichfalls direct in die Vor- höfe eintritt, jedoch wegen der respiratorischen Function der Mantel- lamellen nicht absolut als Venenblut betrachtet werden kann. Da in Fig. 181. Senkrechter Querdurchscbnitt einer Anodonta. v Herzkammer. lr^ a Vorhöt'e. p p' Pericardialhöble. i Enddarm; in Mantel, br br' Kiemen Oegenbaur, Gruudriss. 26 /' t-'uss. 102 Mollusken. die Vorhöfe auch alles aus den Kiemen kommende Blut aufgenommen wird, so gelangt die ganze Blulmasse auf verschiedenen Wegen wieder zur Herzkammer zurück. Bemerkenswerth ist das Verhältniss des Kreislaufs zu den Bojanus'- schen Drüsen. Diese Absonderungsorgane sind dem in die Kiemen tretenden, somit venösen Blute in den Weg gelegt, so dass 'durch sie eine Art Pfortaderkreislauf sich einleitet, was um so wichtiger ist, als wir in anderen Abtheilungen der Mollusken, namentlich bei Cephalo- poden. ganz homologe Einrichtungen antreffen. § 27 8. Bei den Cephalopho ren wird das gleichfalls von einem Peri- cardium umschlossene Herz aus einer meist rundlichen Kammer (Fig. 18?. v) und einer Vorkammer gebildet. Die Bückenlage des Herzens ist durch die asymmetrische Entfaltung des Eingeweidesackes inodificirt; immer findet es sich den Athmungsorganen benachbart, gegen welche Fig. 4 82. die dünnwandige Vorkammer gerichtet ist. Die bei Lamellihranchiaten bestehende Beziehung zum Enddarme findet sich bei manchen (laslero- poden wieder (Turbo, Nerita, Neritina), und geht sogar in eine Thei- lung i\ev Kannner über (Chiton, Haliotis, Fissurella, Emarginula). Fig. 182. Organisation von Paludina vipipära. c Kopf, t Tentakeln. p Fuss. op Operculam. o Au^e. a Hörorgan, n Gehirn, n' Unteres Sclilund- ganglion. n" Kieraenganglion. n'" Buccalganglion. ph Pharynx, oe Speiseröhre. br Kiemen, r Niere, s Venöser Sinus, s b Venöser Sinus an der Kiemenbasis. f Kiemenarterie, at Vorhof des Herzens, v Herzkammer, ap Hintere Arterie (Eingeweidearterie), aa Vordere Arterie. (Nach Leydig.) Gefässsystem. 403 Von der Kammer entspringt eine Körperarterie, die eine rückwärts verlaufende Eingeweidearterie (up) abgibt, während der Stamm als Aorta cephalica (aa) sich fortsetzt. Diese verläuft gerade zum Vorder- theile des Körpers und sendet meist einen starken Ast zum Fusse, der zuweilen als Fortsetzung des Ilaupislammes erscheint. Ausserdem gibt sie auf ihrem Wege häulig noch Aeste zum Magen, zu den Speicheldrüsen u. s. w. und endet entweder einfach oder unter wiederholten Ver- zweigungen in der Nähe des Pharynx. Bei sehr entwickeltem Kopfe tritt sie noch durch den Schlundring; so bei den Heteropoden , bei denen sie eine beträchtlich grosse Fussarterie abgibt. Einen grössern Verbreitungsbezirk hat sie bei den Pleropoden, bei welchen sie im Kopfe in zwei grosse Endäste sich spaltet und diese in reichlicher Ver- zweigung in die Flosse eintreten lässt. Die der hinteren Arterie der Lamellibranchiaten entsprechende Eingeweidearlerie zeigt bei den Ptero- poden und niederen Gastropoden nur geringe Verästelungen und löst sich dann , wie die Kopfarlerie in grössere Bluträume auf. Sehr ent- wickelt und vielfach an die Eingeweide verzweigt, erscheint sie bei den Prosobranchialen und Pulmonaten. Die rückführenden Wege sind nach der Zahl, Form und Lagerung der Athmungsorgane verschieden. Bei den Opisthobranchiaten mit rückgebildeten Kiemen sammelt sich das Blut aus der Körperhöhle in der Nähe des Vorhofs, um von hier aus vom Herzen wieder aufge- nommen zu werden. Bei den übrigen, mit distineten Athmungsorganen versehenen Cephalophoren bestehen bestimmte Canäle oder sogar mit be- sonderen Wandungen versehene Gefässe, welche das Blut aus den venösen Bahnen zu den Athmungs- orsanen hinführen. Von diesen tritt es im ein- fachsten Falle , wie bei manchen Opisthobran- chiaten, ohne Dazwischentreten von Kiemenvenen, zum Vorhofe des Herzens über. Dies ist auch bei den meisten Pleropoden und Heteropoden der Fall. Mit einer 'grösseren Entwickelung der Kiemen sam- melt sich das rückkehrende Blut in besondere Ve- nenstämme, welche einzeln oder vereinigt in den Vorhof münden. Die Anordnung dieser Kiemen- venen ist immer genau der Ausdehnung wie der Lagerung der Athmungsorgane angepasstv. Bei vielen Opisthobranchiaten, z. B. Aeolidia, Scyllaea , Tritonia , gehen von den Kiemenorgauen wirkliche Gefässe ab, welche sich nach und nach in grössere Stämme vereinigen und so einen mitt- leren oder zwei seitliche Kiemenvenenstämme her- Fiy 183. Fig. 483. Ein Theil der Circulationsorgane von Tritonia. s Venensinusse, geölinet dargestellt. Die Wand ist von Oeffnungen durchsetzt, in weiche Kiemen- venen einmünden, v Herzkammer mit der aus ihr entspringenden Arterie. 26* 404 Mollusken. stellen, die sich mit dein Vorhofe des Herzens verbinden. Bei Verkei- lung der Kiemen über eine grössere Körperoberfläche ist dies rück- führende Kiemengefässsystein ausgedehnt, bei beschränkter Locali- sation dagegen reducirt (Doris, Polycera). Ersteres Verhalten ergibt sich z. B. bei Tritonia (Fig. 183),- bei der zwei laterale Kiemen- venenslämme (ss) durch einen Querstamm zum Herzen führen. Der Quereanal bildet eine Art von doppeltem Vorhof (a) , der jedoch nur mit einem Ostium in die Kammer [v) mündet. Die Wege, auf welchen das Blut zu den Kiemen gelangt, sind immer auf einem grössern oder kleineren Abschnitt lacunär. Bei manchen Opisthobran- chiaten sammelt es sich aus der Leiheshöhle in Ganäle, die im Jntegu- mente verlaufen , von wo es in die Kiemen vertheilt wird. Dahin gelangt jedoch nicht alles Blut, ein Theil wird, nachdem er in der Haut sich vertheilte, zum Herzen zurückgeführt. Was die Lungenschnecken betrifft, so findet sich insofern eine weitere Complication als die in die Alhemhöhlenwand tretenden Blut- räume, also schon das den Athmungsorganen zuführende System, eine Differenzirung in gefässartige Canäle besitzen. Diese lösen sich hier in ein reiches Gefässnelz auf, aus welchem mehrere grössere, be- stimmter absesrenzte Stämme hervorkommen und sich zu einer in den Vorhof tretenden Lungenvene vereinigen. Man kann sich das Netz der Lungengefässe auch als einen grossen, in der Lungenwand ausgedehn- ten Blutsinus vorstellen, der von Stelle zu Stelle von Substanzinseln unterbrochen wird. § 279. Das Herz der Gephalopoden liegt im Grunde des Eingeweidesackes, durch eine rundliche oder quer-ovale Kammer gebildet (Fig. 170. c, Fig. 184. c), welche ebenso viele Kiemenvenen aufnimmt, als Kiemen vorhanden sind. Bei Nautilus münden demnach vier, bei den übrigen Cephalopoden zwei Kiemenvenen in die Herzkammer. Vor der Ein- mündung zeigen die Kiemenvenen zumeist eine beträchtliche Erweite- rung (Fig. 184. v.br, Fig. 170. r, die als Vorkammer gedeutet weiden muss. Vom Heizen entspringen regelmässig zwei Arterienstämme ; ein stärkerer, der gerade nach vorne verläuft, die Arteria cephalica (Fig. 170. ) sich zuerst um die Chorda angelegt hat, auf dem früheren Umfange bestehen bleibt. Aus diesem Verhalten geben ähn- lich wie in li dargestellt, biconcave Wirbelkörper hervor, deren Ver- tiefungen von der interverlebralen Chorda ausgefüllt werden. Hierdurch sind zugleich die für den Bau der Wirbel fast aller übrigen Fische maassgebenden Verhältnisse angebahnt. Untergeordnete Modificalionen bildet bei den Selachiern Knorpelverkalkung, die in manniohfaltiger Weise im Innern der Wirbelkörper erscheint. § 296. Bei den Gano'i'den schliessen die niedersten der sehr mannich- fachen Zustände der Wirbelsäule an die einfachste Organisation der Selachier sich an. Ausser den oberen mit den Wirbelkörpern zu- sammenhängenden Bogen beiheiligen sich bei den Stören wie bei Sela- chiern und Chimären noch besondere Schaltknorpel. Die Chordascheide bildet bei den Stören bedeutend verdickt ein ansehnliches Rohr, an welchem eine Scheidung in Wirbel nur durch die aufsitzenden Bogenstücke angedeutet wird. Einige der letzteren stellen am vorderen Rumpftheile der Wirbelsäule einen zusammen- hängenden, sogar mit dem Schädel verbundenen Abschnitt vor. Von dieser niedersten Form wird die Wirbelsäule der übrigen Gano'iden durch eine weitere Kluft getrennt. Bei Amia sitzen ursprünglich gleichfalls getrennte knorpelige Bogenstücke der Chorda auf. Diese wird aber sammt den Bogen von einer Knochenschichle umwachsen, woraus nicht blos knöchere Bogen , sondern auch knöcherne Wirbel- körper hervorgehen. Wie bei den Selachiern, kommen biconcave Wirbelkörper durch intervertebrales Wachsthum der Chorda zu Stande. In ähnlichem Verhallen erscheinen die Wirbel von Polypterus, während aber bei Amia an den Verbindungsstellen der Bogen mit dem Körper ein Best des primitiven Knorpels sich erhält, gehen die Knochen- schichten bei Polypterus vom Wirbelkörper auf die Bogenstücke über. Am meisten verschieden zeigt sich Lepidosteus, bei welchem nicht nur ein die Bogen aussendender Knorpelbeleg um die Chorda besieht, sondern auch in terver'te brale Ei nschn ürungen der letzteren zu Stande brinet. Die Chorda erhält sich auf diese Weise im Innern des Wirbelkörpers (verlebral) länger als interverlebral, an welch' letzterem Orte eine Gelenkfläche sich bildet, so dass die opisthoeölen Wirbel- körper mit einander articuliren. Hierin bietet sich ein Anschluss an die Amphibien (Salamandi inen) , doch geht der verlebrale Chordarest später verloren und durch Verknöcherung des Knorpels bildet sich ein knöcherner, mit den oberen Bogen continuirlich verbundener Wirbelkörper aus. Wirbelsaule. 435 In der Regel erscheint an der Chorda die Fig. 193. An der Wirbelsäule der Teleoslier spielt das Knorpelgewebe eine untergeordnete Rolle und nur in seltenen Fällen wird der primordiale Wirbelkörper von ihm gebildet, so dass im Vergleiche mit den GanoT- den, eine Reduction der knorpeligen Anlage charakteristisch wird. Diese Reduction ist als eine allmähliche nachweisbar und sogar an einer und derselben Wirbelsäule lässt sich die von vorne nach hinten vor sich gehende Abnahme der Knorpelanlage in gewissen Entwicke- ln nassiadien erkennen Anlage von vier, oberen und unteren Rogen zuge- hörigen Knorpelstücken, die sich jedoch in verschie- denem Maasse an der Rogenbildung betheiligen. Nur sehen werden vollständige obere Rosen durch sie hergestellt. Mit dem Auftreten von Knochensub- stanz werden diese Knorpel meist ins Innere des Wirbelkörpers eingeschlossen und stellen dann auf senkrechtem Querschnitte ein schräg stehendes Knorpel- kreuz vor (vergl. Fig. 193. /./»'), dessen Schenkel gegen die knöchernen Rogen gerichtet sind. Immer findet sich intervertebrales Wachsthum der Chorda, wodurch der Wirbelkörper eine biconeave Gestalt em- pfängt. § 297. Die Wirbelsäule der Fische bietet nur eine vordere, den) Rumpfe entsprechende, und eine hintere oder Schwanzregion dar. Beide sind durch das verschiedene Verhalten der untern Wirbelforlsälze ausge- zeichnet, während die oberen Rogen in Verbindung mit der Wirbel- säule ihr gleichartiges Verhalten beibehalten, und meist durch mediane Erhebungen , Dornfortsätze , ausgezeichnet sind. Die untern Rogen sind am Rumpftheile in Rippen, und meist auch noch in diese tra- gende Stücke, Querfortsätze (Parapophysen) gegliedert, die am Schwanz- theile bei Selachiern und Ganoi'den noch auf indifferenter Stufe stehend mit dem Wirbelkörper conlinuirlich verbundene Theile vorstellen, und wie die oberen Rogen in Dornfortsätze auslaufen. Rei den Teleostiern gehen die rippentragenden Querfortsätze (Parapophysen) unter allmählicher Convergenz am Caudalabschnitte der Wirbelsäule in unlere Rogenbildungen über und umschliessen den Caudalcanal. Das Ende der Schwanzwirbelsäule, welche bei den Cyclostomen Fig. 193. Senkrechter Querschnitt durch die Mitte eines Wirbels von Esox lucius. ch Chorda, es Chordascheide, k k' Arme des Knorpelkreuzes, davon k den oberen, k' den unleren Bogenanlagen entspricht. /( Knöcherner unterer Bogen. n Rückgratcanal, darüber gleichfalls Knorpel als Rest einer medianen Verbindung der oberen Bogen. . 28* 436 Wirbelthiere. wie bei den Dipno'i, bei Polypterus und vielen Teleosliern unter gleichmässiger Verjüngung ausläuft, zeigt bei den meisten Fischen be- deutende aus der Entfaltung der Schwanzflosse erklärbare Modifi- cationen. Diese betreffen zunächst die unteren Bogenstücke, welche bei den Haien in terminal bedeutend verbreiterte Dornforlsätze auslaufen, denen die vorzüglich ventral entwickelte Schwanzflosse angeheftet ist. Während dieses Schwanzskelet bei den meisten Rochen wie bei Chi- mären sich rückbildet, geht es schon bei manchen Haien, mehr aber noch bei Gano'i'don (Störe) eine sehr ungleiche Differenzirung ein. Die mächtigere Ausbildung der unteren Dornforlsätze ist nämlich von einer Rückbildung der obern Dornfortsätze wie der oberen Bogen der letzten Caudalwirbel begleitet, woraus eine Aufwärtskrümmung des Caudal- endes der Wirbelsäule resultirt. Der bei den Haien untere Lappen der Schwanzflosse empfängt damit eine terminale Stellung. Bei den übrigen GanoTden tritt noch eine Verkümmerung des Axentheiles der Wirbelsäule hinzu , indem eine Anzahl der letzten Wirbelkörper mit ihren oberen Bogen sich unvollständig oder gar nicht mehr entwickelt, indess deren untere Bogenstücke erhalten bleiben, muss die Aufwärtskrümmung nicht nur fortbestehen, sondern sie wird in demselben Maasse sich steigern, als Zahl und Volumsentfaltung der unteren Bogenstücke über die oberen das Uebergewicht gewinnt. Dieser Zustand erscheint auf viele Teleostier vererbt (Fig. 194) und setzt sich hier noch weiter fort, indem eine grössere Anzahl von Wirbelkörpern sich rückbildet, und nur noch durch untere Bogenstücke vertre- ten wird (Physostomen) . Endlich verschwinden die Wirbel völlig und die ansehnliche senk- rechte Platten vorstellenden Reste der unteren Bogen des Schwanz- theiles verbinden sich, meist auch in der Zahl reducirt , mit einem einzigen das Ende der Wirbel- säule darstellenden Wirbel, von dem ein aufwärts gerichteter griffel- förmieer Fortsatz f'Urostvl) das Ende der Chorda aufnimmt. Für diese weitere Reduction liefern die Acanthopteri viele Beispiele, bei denen das allmähliche Schwinden der unleren Bogen und das schliessliche Aufgehen der letzteren in eine dem letzten Wirbel angefügte senkrechte Knochen- platte in verschiedenen Stadien nachgewiesen werden kann. Fig. 194. Ende der Schwanzwiibelsüule eines jungen Cyprinoiden. v Wirbel- kürper. n Obere, h untere Bogen (die knorpeligen Theile sind durch Punclirung ausgezeichnet), c Ende der Chorda, d Deckende Knoclienlamelle. r Knochen- Strahlen der Schwanzflosse nur theilweise dargestellt. Wirbelsäule. 437 Fig. 195. § 298. Bei den Am ph i bien wirbeln umwächst die knorpelige Anlage die Chorda, und bildet durch intervertebrale Wucherungen Ein- schnürungen der Chorda (Fig. 192. C), die bei vielen an diesen Stellen endlich zerstört wird. Bei den Anuren persistirt die Chorda zwischen den intervertebralen, zu Grunde gegangenen Abschnitten, somit in Mitte des Wirbelkörpers, wovon nur jene eine Ausnahme bilden, deren Wirbelkörper sich auf der Chorda entwickeln, so dass die letztere nicht in die Wirbel eingeschlossen, allmählich völlig sich rückbildet (Hyla, Bom- binator, Pelobates etc.) . Aus dem intervertebralen Knorpel gehen mit dem Auftreten von Gelenkflächen zwischen den Wirbelkörpern die Gelenk- enden der letzteren hervor. Nur unvollständig sind diese Interverte- bralgelenke bei den örodelen , deren Wirbelkörper bei den Salaman- drinen eine procöle Form besitzen wie auch bei Pipa unter den Anuren. Bei den Derotremen und Perennibranchiaten erhält der intervertebrale Knorpel nur eine ge- ringe Entwickelung, so dass die Chorda von ihm nur wenig oder auch gar nicht eingeschnürt wird. Sie erhält sich damit in der ganzen Länge der Wirbelsäule und bietet abwechselnd einge- schnürte und erweiterte Stellen dar z. B. bei Menobranchus , Siredon, Menopoma. Bei den letzteren tritt die Betheiligung des Knorpels am Aufbau der Wirbel beträchtlich zurück und es lässt sich eine bei den Salamandrinen begin- nende bis zu Proteus hinführende Beihe nach- weisen, in welcher der Interverlebralknorpel allmählich rückgebildet wird. In demselben Maasse als diese Bückbildung stattfindet, wird der Wirbel ähnlich wie bei den Knochenfischen durch Ablagerungen von knöchernen Schichten dargestellt, so dass er nur in geringem Maasse knorpelig angelegt ist. Bildet der intervertebrale Knorpel nur eine schmale Zone , so lagern die Knochenschichten des Wirbelkörpers un- mittelbar der Chorda auf, welche Erscheinung, so sehr sie auch an ihrem Endpuncle durch das, biconeave Wirbelkörper herstellende intervertebrale Chorda wachsthum an den gleichen Vorgang bei Knochen- fischen erinnert, doch nicht von diesen her abzuleiten ist. Sie er- weist sich vielmehr als eine Rückbildung, und die mit knorpeligen W/irbelanlagen ausgestatteten Anuren besitzen den primitiven Zustand viel vollständiger, wenn man erwägt, dass solche Verhältnisse bereits Fig. 195. Wirbelsäule und Becken des Frosches. tr Querfortsätze der Wirbel, s Sacralwirbel. c Steissbein. H Ilium. is Sfham-Sitzbein. /"Femur. 438 Wirbelthiere. bei den Gano'iden (Lepidosteus) vorkommen, und die knorpelige Wirbel- anlage ein schon bei Selachiern verbreitetes Verhältniss ist. Die Verkümmerung des hinteren Endes der Wirbelsäule bei den Anuren liissl eine gelinge Wirbelzahl zur Entwicklung kommen. Mit dem Verschwinden des Schwanzes bildet sich dann aus einigen Wirbelanlagen ein langes, dolch förmiges, gewöhnlich als Steissbein be- zeichnetes Knochenstück (Fig. 195. c) , so dass mit diesem höchstens zehn Wirbelsegmente unterscheidbar .sind. In viel grösserer Zahl er- scheinen sie bei den Urodelen : bei Amphiuma bis über 100, Menopoma 48, Salamandra 42, und bei den Cöcilien gegen 230. Von den Fortsätzen der Wirbel sind die Querfortsätze (tr) , be- sonders bei Anuren beträchtlich entwickelt, während obere Dornforl- sätze nur rudimentär sind. Gelenkverbindungen der Bogentheile der Wirbel kommen an paarigen Gclenkfortsätzen in allgemeiner Ver- breitung vor. Durch die Verbindung des Beckengürlels mit der Wirbelsäule trennt sich nicht nur der Gaudalabschnitt schärfer vom Rumpftheile, sondern es wird noch ein Sacralabschnitt durch einen Wirbel repräsen- tirt, der meist durch mächtigere, bei manchen sogar eine bedeu- tende Breite erlangende Querfortsätze sich auszeichnet (Pipa). § '299. • Um die Chorda dorsalis bildet sich bei den Reptilien und Vögeln die Anlage der Wirbelsäule, ähnlich wie bei den Amphibien. Knor- pelige Wirbelkörper senden eben solche Bogenstücke aus, die den Bück- gratcanal abschliessen. Auch die interverlebrale Einschnürung der Chorda besteht (vergl. Fig. 192. D) , doch gehl die ganze Chorda zu Grunde. Eine Ausnahme bilden die Ascalaboten, deren Bückgrat von der in vollständiger Länge erhaltenen Chorda durchsetzt wird. Die Trennung der continuirlichen Anlage in einzelne Wirbelkörper geschieht bei Eidechsen und Schlangen durch die Trennung des Intervertebral- knorpels in einen hinteren Gelenkkopf und eine vordere Pfanne. Bei Crocodilen und Vögeln dagegen werden die zwischen den Wirbelkörpern des Halses liegenden Knorpelpartieen der Anlage zu einem besonderen in- tervertebralen Apparate verwendet, welcher der übrigen Wirbelsäule abzugehen scheint. Die Ossifikation der knorpeligen Wirbelsäule ergreift Bogen und Wirbelkörper getrennt, beide bleiben bei Crocodilen und Schildkröten von einander gesondert, entsprechend der langen Fortdauer des Körper- wachsthums; bei den sehr frühe ihre definitive Grösse erreichenden Vögeln jedoch tritt eine baldige Verschmelzung ein. Von den oberen Bösen erstrecken sieh Gelenkfortsätze zu den nächst vordem und hinteren Wirbeln. Sic sind sehr entwickelt an dvv Halswirbelsäule der Schild- kröten. Dornfortsätze dieser Bogen linden sich meist in verschiedenem Wirbelsäule. 439 Maasse, besonders an den Rumpfwirbeln, bei den Crocodilen und vielen Eidechsen auch noch an den Schwanzwirbeln vor. Querforlsätze nehmen entweder vom Wirbelkörper selbst, oder doch dicht an diesem ihren Ursprung. Sie sind an der Rumpf- und Schwanzwirbelsäule de\- Crocodile ansehnlich entfaltet, ebenda auch bei den Sauriern indess sie bei den Schildkröten nur dem Caudaltheile zukommen. Rippen sind bei Reptilien und Vögeln längs des ganzen Rumpf- Iheiles der Wirbelsäule vorhanden, und fehlen nur der Halswirbelsäule der Schildkröten. Die bei den übrigen Reptilien beweglichen Haisrippen- rudimente verwachsen bei den Vögeln (Fig. 196. co) mit den Wirbeln und bilden mit Wirbelkörper wie mit Querfortsalz in Verbindung ein Foramen transversa rium. Untere Rogen linden sich am Caudaltheile der Wirbelsäule bei Eidechsen, Schildkröten und Crocodilen, wo sie sich immer zwischen zwei Wirbelkörpern be- festigen und zur Herstellung eines Caudalcanals bei- tragen. Rudimentär sind sie bei den Vögeln vorhan- den. Als ganz verschiedene Gebilde müssen die von den Wirbelkörpern ausgehenden sogenannten unteren Dornfortsätze gelten, die bei den Schlangen an den meisten Rumpfwirbeln vorkommen und auch bei Eidechsen und Vögeln vorhanden sind. In Vergleichung mit den Amphibien tritt an der Wirbelsäule der Reptilien und Vögel eine reichere Gliederung hervor. Durch die Ver- bindung einer Anzahl von Rippen mit einem Brustbein , sondert sich sowohl ein Halstheil der Wirbelsäule schärfer, wie auch ein Lenden- theil, der, die vor den Sacralwirbeln liegende mit nur kurzen Rippen ausgestattete Wirbelgruppe umfassend, bei Eidechsen und Crocodilen deut- lich wird. Die mangelnde Sternalverbindung der Rippen bei Schlangen lässt hier die Sonderung von Rrust- und Halsabschnitt ebenso zurück- treten, wie weiter nach hinten auch eine Lendenregion nicht unterscheid- bar ist. Auch bei den Schildkröten bieten die Wirbel des Rumpfes ein gleichartiges Verhallen dar. Die Diffcrenzirung jener Abschnitte ist jedoch bei alledem keine scharfe, insofern bei Eidechsen und Crocodilen wie bei Vögeln die letzten Rippen des Halstheiles nur wenig an Länge von den nächstfolgenden an das Slernum gelangenden ver- schieden sind. Aehnliches gilt vom Lendentheile der Eidechsen, der bei den Vögeln sogar mit dem eigentlichen Sacralabschnilt sich ver- bindet. Zu dem bereits bei Amphibien bestehenden Sacralwirbel tritt mindestens noch ein zweiter (Fig. 197. a. b) (Eidechsen, Crocodile, Schildkröten), indess schon bei fossilen Sauriern (Pterodaclylen, Dino- saurier und anderen) eine grössere Anzahl Beckenwirbel sich vor- findet. Diese Einrichtung steigert sieh bei den Vögeln, indem zu den Fig. 196. Halswirbel von Vultur cinereus. c Körper, p Bogenstüeke. s Dornfortsatz, vv Rippenrudiment. 440 Wirbelthiere. zwei achten Sacralwirbeln (Fig. 198. a. b) noch eine grössere Anzahl präsacraler und postsacraler Wirbel mit dem Darmbein Verbindungen eingeht, lumbale Im wie sogenannten Sacrum caudale Wirbel zu der erkennen Vögel Fig. 197. Fig. 198. sind sowohl thorakale als welche die Gesammtzahl bis auf 23 (bei Stru- thionen) erheben. Die beiden achten Sacral- wirbel sind bei Hühner- vögeln, vielen Schwimm- vögeln, auch bei Raub- vögeln sehr deutlich unterscheidbar, am we- nigsten bei Sing- und Klettervögeln. Die schwankendsten Verhältnisse bietet der Caudalabschnitt dar, an welchem sowohl bei Schildkröten als Vögeln eine im Vergleich zu Eidechsen und Croeo- dilen bedeutende Re- duction sich ausspricht. Unter den Schildkröten ist jener Abschnitt bei verhältnissmässig wenig geringerer Wirbelzahl bei den Chelonien dem Volum nach am meisten verkümmert. Noch mehr reducirt sich die Zahl und auch das Volum der Wirbel bei einem Theil den Flugechsen (Pterodactyli) , während ein anderer älterer noch eine bedeutende Schwanzlänge besass (Rham- phorhynchi). Eine parallele Erscheinung bieten die Vögel dar, deren gegen- wärtig lebende Formen durch eine Rückbildung dieses Abschnittes charakterisirt sind. Ausser der Reduclion der Zahl tritt bei den Carinaten auch eine Verschmelzung von i — 6 discret angelegten Wirbeln ein, woraus der letzte ein grösseres Stück darstellende, gewöhnlich als »Steissbein« bezeichnete Abschnitt der Wirbelsäule hervorgeht, der in Anpassung an die durch Entwickelung der Sleuerfedern bedingten Verhältnisse, meist in eine senkrechte Platte sich auszieht. mit den benachbarten Fig. 197. Sacraltheil der Wirbelsaule eines Reptils prae- und poslsacralen Wirbeln. Fig. 198. Sacraltheil der Wirbelsäule eines Vogels. Beide schematische Figuren sind von der ventralen zeigen linkerseits die Nervengeflechte. Für beide Figuren Hache dargestellt und a erster Sacralwirbel, b zweiter Sacralwirbel. 1, 2, 3, 4 sacralwirbel (Caudalwirbel). Präsacralwirbel. \', 2', 3', 4' Post- Wirbelsäule. 441 § 300. Bei den Säugethieren bietet die knorpelige Anlage der Wirbel- säule durch ihre Beziehung zur Chorda dorsalis eine bedeutende Ver- schiedenheit, indem die Chorda je an den einem Wirbelkörper ent- sprechenden Stellen eingeschnürt wird , sich also intervertebral länger erhält (vergl. Fig. 192. E). Aus dem sie intervertebral umgebenden Knorpel bildet sich ein Zwischenknorpel (Interverlcbralknorpel) aus, in welchem der Chordarest mit mehrfachen Modifikationen als Gallert- kern fortbesteht. Die Zwischenknorpel sind ursprünglich Theile des aus der skeletogenen Schichte entstandenen continuirlichen Knorpelrohrs. Von den Wirbelkörpern aus erstreckt sich der Knorpel continnirlich in die oberen Bogen, so dass die Anlage des knorpeligen Wirbels ein Ganzes darstellt. Sowohl im Wirbelkörper als an den Bogen entstehen selbständige Ossifikationen und die von da aus verknöchernden Stücke verschmelzen erst nach Abschluss des Wachslhums. Bei der Ver- knöcherung der Bogen erstreckt sich der Process von da aus auf einen nicht unbeträchtlichen Theil des Wirbelkörpers, so dass man den knöchernen Wirbelkörper beiderseits von einem Theile des Bogens ge- bildet betrachten muss. Die Bogen bilden an den meisten Wirbeln Dornfortsätze. Bei den langhalsigen Ungulalen (Giraffe, Karneel, Pferd) fehlen sie an der Hals- wirbelsäule, sind dagegen am Rumpftheile bedeutend entwickelt. Letzteres gilt auch von den Cetaceen , an deren Caudaltheil sie sogar noch ansehnlicher sind. Allgemein bestehen Gelenkfortsätze, ähnlich wie bei den Reptilien, und nur bei den Cetaceen haben sie Rück- bildungen erlitten. Als Querfortsätze pflegt man sehr verschiedenartige Bildungen zu bezeichnen, die bald von den Wirbelbogen, bald von den Körpern entspringen. Den einfachem Zustand bieten diese Pro- cessus transversi an der Hals- und Brustregion. An ersterer erleiden sie eine Complication durch die Verbindung mit Rippenrudimenten, die mit ihnen verwachsend ein Foramen transversarium uinschliessen helfen. An der Brust tragen sie gleichfalls Bippen, die ihnen venlralwärls ange- schlossen sind. Doch können sie auch terminal Bippen tragen, wie die hinteren Brustwirbel der Cetaceen. Beim Uebcrgang der Brust- wirbel in den Lumbalthcil der Wirbelsäule erscheint in grosser Ver- breitung eine DilTerenzirung der Querfortsätze in drei besondere Fort- sätze. Nach vorne gerichtete, zuweilen sehr ansehnlich werdende Höcker bilden die Processus mamillares, die auch auf die Wurzel der vordem Gelenkfortsätze rücken können. Nach hinten und aufwärts gerichtete Fortsätze stellen die Proc. accessorii vor, und ein dritter Fortsatz ist lateral, häufig auch abwärts gerichtet, und bildet die Proc. transversi der Lendenwirbel. Die einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule sind bei den Säuge- thieren schärfer als bei den Reptilien und Vögeln differenzirt. Vornehm- 442 Wirbelthiere. lieh ist es die Halsregion die, durch den eonstanten Besitz von 7 Wirbeln ausgezeichnet, von dein Brustabschnitte sich bestimmter abgrenzt, indem ihre Rippenrudimente zu den Brustrippen keine allmählichen Ueber- gänge darbieten. Eine Vermehrung der Halswirbel bei Bradypus auf frontale posterius. Fr Frontale. Na Nasale. Ps Parasphenoid. Vo Vomer. Px Praemaxillare. gl Gelenkfläche für das Hyomandibulare. Elli Ethmmdalknorpel. vag AustritlsöfTnung des Nervus vagus. Kopfskelet. 464 Fig. 215. dem anderseitigen innerhalb der Schädelhöhle verbinden. Ein zweites Stück bildet das Occipitale extern um oder Epioticum , welches oben an die Occipitalia lateralia angeschlossen, meist einen Sehädel- vorsprung vorstellt (Fig. 215). Ein drittes, Intercalare oder Opisthoticum liegt meist seitlich vor dem Occipitale laterale, und erscheint ausserordentlich variabel. Häufig ist es klein (Esox) oder fehlt sogar, zuweilen aber ist es ein sehr ansehnlicher Theil des Schädels (Ga- dus, Fig. 215. b) . Da dieses Stück in den meisten Fällen gar keine Be- ziehungen zum Labyrinth besitzt, sowie letzteres auch sehr hiiufi" noch andere Knochen des Schädels für sich in Anspruch nimmt, z. B. die Occ. lat. , können engere Beziehungen dieser Knochen zum Labyrinthe nicht wohl aufrecht erhalten werden. Endlich gehört dieser Begion noch ein vierter Knochen an, der als äusseres Belegstück des Primordialcraniums auftritt, aber allmählich mit dem letzteren sich inniger verbindet. Er liegt über dem Intercalare und bildet meist einen nach hinten und seitlich ausgezogenen Fortsatz. Wir bezeichnen dieses an der Verbindungsstelle mit dem Uyomandibulare betheiligte Stück als Squamosum (Fig. 2115. A. Sq). An dem weiter nach vorne folgenden Abschnitte des Craniums sind in der Ausbildung der Knochen bedeutende Verschiedenheiten be- merkbar, die mit dem Ausdehnungsgrad der Schädelhöhle in Zusam- menhang stehen. Erstreckt sich nämlich der Baum der Schädelhöhle weiter noch vorne, so entspricht dem eine grössere Vollständigkeit der Wandungen des Primordialcraniums , als wenn ein kürzerer Abschluss jenes Baumes eine Verkümmerung seiner Wandungen und eine theil — weise Substitution derselben durch membranöse Gebilde hervorruft. Durch letzteren Umstand können in der ganzen Orbitalregion die Seiten- wände des Craniums reducirt sein, an den Seiten der Schädelhöhle gelagerte Theile kommen vor dieselbe zu liegen, und zwischen den Orbiten finden sich entweder nur die unmittelbar mit einander ver- bundenen früher paarigen Wandstücke des Craniums, die jetzt die Schädelhöhle von vorne sehliessen , oder es sind häutige Interorbital- theile an die Stelle der knorpeligen getreten. Als Ossifikationen dieses Abschnittes erscheinen seitliche Theile, und zwar ein hinteres und ein vorderes Paar. Das hintere Paar bildet das Ali-Spheno'j'd (Sphenoidale laterale posterius), das vordere das Orbito-Sphenoid (Sphen. later. anter.). Bei Ganoiden (Amia) er- Fig. 215. Hinterer Abschnitt eines Craniums von Gadus (seilliche Ansicht). \ Occipitale basilare. 2 Occ. laterale. 3 Occ. superius. 5 Parasphenoid. 6 Opistho- ticum. 6' Squamasum. 7 Epioticum. 46. Durchschnittsbilder der unvollständigen Kegelstücke). Der zum Theil schon aus der Bildung und Richtung der Kegel sich ergebende Verlauf der Septa ist somit oben von vorne schräg nach hinten , und dann wieder zur Unischliessung der Kegel im Bogen nach vorne , um hier mit dem ent- sprechenden Sehnenbande des unteren Muskels zusammenzutreffen. Diese Verhältnisse bestehen im We- sentlichen noch für die Seitenmuskeln der Perennibranchialen wie der Larven- zustände der übrigen Amphibien , so dass dieselbe Zickzacklinie der Liga- menta intermuscularia nur in weniger scharfen Biegungen zu beobachten ist. Bei dem mehr geraden Verlauf der Ligamenta intermuscularia ist die Kegelbildung verloren gegangen. Bei den ausgebildeten Salamandrinen ist der Bauchtheil des Seitenmuskels am Rumpfe verschwunden und nur noch am Schwänze zeigt sich zwischen oberer und unterer Hälfte eine symmetrische Bildung; der persistirende Rückentheil dagegen verhält sich ganz fischähnlich durch Ligamenta intermuscularia in einzelne Abschnitte getrennt. § 343. In den höheren Wirbelthierclassen sind aus dem Bauchtheil der Seitenmuskulatur des Rumpfes andere Muskeln hervorgegangen, dagegen besteht er am Schwänze der Reptilien und Säugethiere unter Modi- fikationen noch fort, und wandelt sich in ähnliche Muskeln um, wie der bei allen luftathmenden Wirbelthierclassen bestehende Rückentheil, der sich beständig und gleichmässig auch über den Schwanz erstreckt. Während bei den Eidechsen eine Trennung des dorsalen Seilen- muskels durch Ligamenta intermuscularia noch erkannt werden kann, hat eine weiter gehende Differenzirung bei den Uebrigen eine Reihe discreter Rückenmuskeln entstehen lassen. Diese sondern sich in eine oberflächliche und eine tiefe Partie. Die erstere umfasst den nur auf den Halstheil beschränkten Splenius , der theils am Schädel theils an Querfortsätzen vorderer Halswirbel inserirt. Dann gehört jener ober- flächlichen Partie noch der Sacrospinalis an, der in eine mediale und la- terale Portion zerfällt, in den lliocostalis und Longissimus. Beide besitzen gemeinsame vom Kreuzbein und Darmbein entspringende Fleischmassen: Fig. 246. A Durchschnitt der Schwanznuiskeln von Scomber s com her. a Obere, a' untere [Seitenrumpfmuskeln. b und V Durchschnitt unvollständiger oberer und unterer Kegelmäntel, d Wirbelkörper. B Zickzacklinien der ober- flächlichen Enden der Ligg. intermuscularia am Schwänze von Scomber. (Nach .1. Müller. 1 Muskulatur des Skelels. r> | ."i Aber auch, accessorische Vorsprünge treten in der ganzen Länge der Muskeln bis zum Schädel auf, theils von den Rippen , theils von den Querforlsätzen kommend. Die Insertionen gelangen vom Iliocostalis und vom Longissimus an Rippen , von letzterem auch noch an Quer- fortsätze. Die liefe Lage wird vom Tränsversospinalis gebildet, der aus einem von Querforsätzen entspringenden , zu Dornfortsälzen ge- langenden System von Bündeln dargestellt, und nach verschiedenen Schichten bald mehr bald minder gesondert ist (Semispinalis, Multifidus). Die zum Hals gelangenden Abschnitte dieser Muskeln zeigen meist eine der Beweglichkeit dieses Theiles der Wirbelsäule entsprechende voluminösere Entfaltung, die sie auch als besondere Muskeln hat be- schreiben lassen. Dasselbe gilt von den noch selbständiger ausge- bildeten zum Schädel gelangenden Enden. Die Schädelporlion des Longissimus ist der TrachelomastoYdeus, die des Semispinalis ist der Biventer und Complexus. Endlich gehören zu dieser Gruppe die Musculi spinales, von Dorn- fortsätzen entspringend und nach Verlauf längs einem oder einigen der letzteren wieder zu Dornfortsätzen gelangend, und die Interspinales , die zwischen den Dornfortsätzen sich vorfinden. Den vordersten Spinalis bildet der Reetus capitis p. major; der Rectus capitis p. minor ist der erste Interspinalis. §344. Als eine aus den Seilenrumpfmuskeln hervorgehende Gruppe müssen die Intercos tal muskeln betrachtet werden. Bei den Fischen ist diese noch nicht differenzirt, und die zwischen den Bippen und ihren Aequivalenten befindlichen Muskeln sind Theile der Seitenmuskeln, die Bippen selbst liegen in den gegen die Bauchwand gerichteten, Enden der Ligamenta intermuscularia. Aehnlich verhalten sich die Amphibien. In den übrigen Wirbelthierabtheilungen findet eine schärfere Sonderung statt. Die Ausdehnung der Inlercostalmuskeln richtet sich dann nach der Ausdehnung und Verbreitung der Rippen. Am mächtigsten ent- wickelt sind die genannten Muskeln bei den Schlangen. Auch die zwischen den mit Wirbeln verschmolzenen Bippenrudimenten oder zwischen Querfortsätzen vorkommenden Muskeln (Inlertransversarii) müssen der intercostalen Gruppe beigezählt werden. Ferner gehören hieher die Levalores costaruin sowie die an der Innenfläche der Thoraxwand liegenden Muskeln (Thoracica interni) und die Scaleni. Von den letztem erscheint der Scalenus anticus den Intercostalmuskeln am nächsten zu kommen, indess Scalenus medius und posticus an die Levatores cost. sich anreiht. Die Ausbildung aller dieser Muskeln er- leidet je nach dem Umfange und der Beweglichkeit der Bippen be- deutende Verschiedenheiten und zu den Hebern können , wie bei den Schlangen, noch besondere Rückzieher hinzukommen. Dem Systeme der Intercostalmuskeln werden wahrscheinlich auch 33* 516 Wirbelthiere. die breiten Bauchmuskeln beigezählt werden dürfen, welche an den wahre Rippen entbehrenden Stellen der Bauchwand zu finden sind. Sie bestehen aus dem M. obliquus externus, obliquus internus und trän s versus abdominis. Der Obliquus externus entspricht dem Intercost. ext., der Internus dem Intercost. internus. Die Entstehung dieser Muskeln muss aus einer Aenderung der Richtung der anfanglich nur longitudinal verlaufenden Bündel her- vorgehen. Die bei manchen Amphibien wie bei den Eidechsen be- stehenden Inscriptiones tendineae haben demgemäss als Reste der primitiven Zwischenmuskelbänder zu gelten. Die Ausdehnung des Ursprunges des Obliq. externus weit nach vorne auf den Thorax, sowie die Sonderung des Muskels in mehrere Schichten bei den Reptilien sind jene Auffassung begründende Erscheinungen. Auch ein Transversus abdominis besitzt schon bei den Amphibien eine bedeutende Ausdehnung, ebenso unter den Reptilien mit Ausnahme der Schlangen , denen er fehlt. Er erstreckt sich bis vorne in die Brustgegend. Bei den Vögeln reicht er nur bis zum Hinterrande des Sternums, dagegen findet er sich bei Säugethieren in grösserer Aus- breitung vor. Als ein verhältnissmässig wenigst veränderter Rest der primitiven Muskulatur erscheint der Rectus abdominis, indem er nämlich den Längsverlauf seiner Fasern beibehält und in seinen Inscriptiones tendineae wiederum Spuren der primitiven Scheidewände besitzt. Er tritt erst von den Amphibien an allgemein vom Brustbein bis zum Becken, kann jedoch bei geringerer Länge des Sternums continuirlich in den Sternohyoideus übergeben (Amphibien). Bei den Crocodilen ossificiren die Sehnenstreifen , und stellen die sogenannten Bauchrippen vor. Zu den geraden Bauchmuskeln muss auch der M. pyramidalis gezählt werden, der den Salamandrinen, den Crocodilen, Straussen und endlich vielen Säugethieren zukommt. Mono- tremen und Beutelthiere besitzen ihn in besonderer Ausbildung, so dass er, von einem Rande des Beutelknochens entspringend, nahe bis ans Brustbein reicht, und dabei den Rectus überlagert (deshalb von Owen als oberflächlicher gerader Bauchmuskel benannt). § 345. Das bei den Fischen bestehende Bogengerüste des Vi sceralskel ets besitzt ein besonderes zwischen den einzelnen Abschnitten sich wieder- holendes System von Muskeln, durch welche die einzelnen Abschnitte bewegt werden. Da die primären Kieferstücke gleichfalls dem Visceral- skelele angehören, so werden die ihnen zukommenden Muskeln als Diffe- renzirungen des Muskelapparates des Visceralskelets zu gelten haben. Ein grosser Theil der Muskulatur des letzteren entspringt vom Schädel, ein anderer liegt zwischen den Bogen einer Seite, und noch andere be- Muskulatur des Skelets. '-> I i"i sitzen eine quere Anordnung und bedingen eine Annäherung der beiderseitigen Bogen. Von den Kieinenbogen gehen Muskeln zu den Kiemenstrahlen. Bei den Selachiern sehr entwickelt, sind sie bei den Knochenfischen rudimentär, und erscheinen am zweiten primitiven Vis- ceralbogen in die Muskulatur des Kiemendeckels und der Kiemenhaul- strahlen umgewandelt. Den Amphibien kommt während des Larvenzustandes eine ähn- liche Muskulatur zu, sie ist zum Theile aus jener der Fische ableitbar, und erhält sich bei den Perennibranchiaten. Mit dem Verschwinden des Kiemengerüstes und der dabei wachsenden Selbständigkeit des Zungenbeins geht ein Theil der Kienienmuskulatur an dieses über. Der geänderte Werth des Apparates ist von Complicationen der Muskulatur begleitet, welche eine grössere Selbständigkeit der Bewegung der ein- zelnen Theile herbeiführen. Zu den Muskeln des Visccralskelets gehören die zur Bewegung des Kieferbogens und der aus ihm hervorgegangenen Theile dienenden Muskeln. Ein Adductor der beiden Stücke des Kieferbogens ist bei den Selachiern in ziemlicher Differenzirung als die Anlage des Kau- muskelapparates zu erkennen. Mit der Befestigung des Palato-Qua- dralums oder der an ihm gesonderten Knochen ans Cranium erhalten diese Muskeln ihren Angriffspunkt am Unterkiefer. Bei Amphibien und Beptilien hat sich von der Kaumuskelmasse eine innere Portion als Pterygo'ideus gesondert, die selbst wieder in zwei Abtheilungen (Pterygoideus externus und internus) zerfallen kann (Saurier) , und auch die Scheidung des Temporaiis und Masseter ist durch Schichtenbildung angedeutet. Das Herabziehen des Kiefers be- sorgt in beiden Classen ein Digastricus, der einen kurzen aber mächtigen Bauch am Uinterrande des Unterkiefers bildet. Eine Vermehrung der Muskeln zeichnet die Schlangen aus, indem sowohl Adductoren der Unterkieferäste als besondere das. Quadratbein und einzelne Knochen des Gaumengerüstes bewegende Muskeln bei den Eurystomata in nicht unbedeutender Entwicklung getroffen werden. Aehnliche Muskeln, als Heber der Flügelbeine und des Quadratbeins bestehen auch noch bei den Vögeln und bewirken die Bewegung des Oberkieferapparates. Von den eigentlichen Kiefermuskeln hat der Temporaiis die grösste Aus- dehnung, und der in den unteren, mit beweglichen Kieferhälften ver- sehenen Abtheilungen vorhandene Adductor wird durch einen quer zwischen den Kieferästen ausgespannten Muskel von anderer Bedeutung vertreten. Die Kaumuskeln der Säugethiere stimmen in Zahl , Ursprung und Insertion mit der menschlichen Bildung überein und weichen ausser einem allgemein grösseren Volumen nur in jenen Verhältnissen ab, die durch Form der Ursprungs- und Insertionsflächen an den be- treffenden Knochen gegeben sind. Der Digastricus ist häufig nicht der einzige Senkmuskel des Unterkiefers, indem er noch durch 5 I 8 Wirbelthiere. Muskeln, die vom Sternum (Kamee!) zum Unterkiefer treten, unter- stützt wird. § 346. Zur Bewegung der unpaaren Flossen der Fische dienen mehr- fache Systeme kleiner Muskeln, welche an der Medianlinie des Rückens gelagert, theils an die Flossenslrahlträger, theils an die Flossenslrahlen selbst gehen und deren Hebung und Senkung bewirken. Von den paarigen Gliedmaassen besitzen die den Extremi- täten der höheren Wirbelthiere homologen Flossen der Fische sowohl an ihrem Gürtelapparate als an dem freien Abschnitte eine Anzahl von Muskeln, die mit denen der übrigen Wirbelthiere noch keineswegs erfolgreich verglichen werden können. Für die Flosse selbst bestehen der oberen wie der unteren Flache angelagerte lieber und Senker, die in theilweiser Kombination auch adductorische oder abductorische Be- wegungen ausführen. Sie verlheilen sich auf die einzelnen Abschnitte der Flosse und sind am reichsten bei Selachiern ausgebildet. Mit der Umgestaltung der Gliedmaassen tritt eine Veränderung be- züglich der Muskulatur ein, und zwar zunächst eine Vereinfachung der Zahl, aber auch eine Vermannichfachung der Leistung durch die grössere Freiheit und Selbständigkeit der Skelettheile, sowie durch die Diffe- renzirung in einzelne ungleiche erthige Abschnitte bedingt. Als bedeutendste Verschiedenheit gegen die bei den Fischen vor- handenen Einrichtungen ist die bei höheren Wirbellhieren stattfindende Ausbreitung der Muskulatur des Brustgürtels und der Vorderex tremi tä t über die dorsale Körperfläche hervorzu- heben. Die aus den oberen Seitenrumpfmuskeln hervorgegangenen Theile werden von mehrfachen Schichten zur Gliedmaasse gelangender Muskeln überlagert, die bei den Fischen durch eine vom Kopfe ent- springende Muskelpartie vertreten sind. Diese sind weniger bei den Perennibranchialen , mehr bei den Caducibranchialen gesondert, und lassen die Muskeln erkennen, welche in den höheren Abtheilungen den Cucullaris mit dem Sterno - CleTdo- mastoideus, sowie die Bhomboidei und den Levator scapulae vorstellen. Aus ähnlichen Sonderungen gehen die Brustmuskeln hervor. Die übrigen, den Gliedmaassen selbst zukommenden Muskeln leiten sich von den bei Fischen mehr gleichartigen Schichten ab, welche die , dorsale und ventrale Fläche des BrustUossenskelels bedecken. Mit der Beduction des letzleren und den zahlreichen Moditicationen seiner einzelnen persistirenden Theile kommt auch der Muskulatur eine be- deutende Aenderung zu, und daraus erwächst die der functionellen Mannichfaltigkeil des Werthes der Gliedmaassen gleichlaufende Ver- schiedenheit des anatomischen Verhaltens der Muskulatur in den ein- zelnen Abtheilungen. Zu einer methodischen Vergleichung der Glied- maassenmuskeln der grösseren Abtheilungen bestehen nur die ersten, Muskulatur des Skelets. 519 wenige Muskelgruppen betreffenden Anfänge, so dass ein näheres Ein- gehen für jetzt nur wenig zusammenhängende Einzelheilen, die ausser- halb der hier gesteckten Aufgabe fallen, vorführen könnte. Für die hintere Gliedmaasse bestehen zunächst durch das Ver- hältniss des Beckengürtels zum Axenskelete die Muskulatur beein- flussende Facloren , indem der Mangel eines Zusammenhanges jener Skelettheile bei den Fischen eine grössere Selbständigkeit des Becken- gürtels auftreten lässt, die jedoch bezüglich der Muskulatur durch die Indifferenz der letzleren eine Compensation empfängt. Die freie Lage des Beckenskelets ist also nicht von einer selbständigeren Beweglich- keit begleitet. Die innigere Verbindung des Beckengürtels mit dem Axenskelete bei den Amphibien wie bei den Amnioten lässt gleichfalls die Beweglichkeit zurücktreten, und damit die Ausbildung einer dieser vorstehenden Muskulatur. Die der Gliedmaasse selbst angehörige Mus- kulatur besitzt theils ihren Ursprung am Beckengürtel, theils am Glied- maassenskelet, und erscheint im Grossen in ähnliche Gruppen gesondert, wie jene der Vordergliedmaasse, mit den aus der functionellen Ver- schiedenheit beider resultirenden Modifikationen. Bezüglich der Ver- gleichung der einzelnen Muskeln gilt das vorhin für die Vorderglied- maasse bemerkte, so dass auch für diesen Theil des Muskelsystems das wissenschaftliche Fundament noch zu legen ist. § 3«- Eine besondere Gruppe bilden die unteren Muskeln der Wirbelsäule. Hierunter sind solche Muskeln zu begreifen, welche unterhalb der Wirbel und ihrer lateralen Fortsätze, somit am thora- calen Abschnitt innerhalb des Thorax liegen. Einen vorderen Abschnitt der unteren Muskeln der Wirbelsäule bildet der Musculus longus, der bei Beptilien zuerst erscheint und meist schon innerhalb der Brusthöhle beginnend sich längs der Halswirbelsäule bis zum Schädel erstreckt. Er zerfällt in mehrere nach ihrer Insertion als Longus colli et capitis unterschiedene Portionen, von denen bei den Säugethieren auch der zum Atlas gelangende Abschnitt gesondert ist. Eine ähnliche subverlebrale Muskulatur scheint zur Bildung des Zwerchfells zu führen. Eine solche Einrichtung fehlt den Fischen, und auch bei den Amphibien ist es noch fraglich , ob einzelne die Speiseröhre umgreifende Muskelbündel als Anfänge eines Zwerchfells betrachtet werden dürfen. Unter den Beptilien besitzen Schildkröten einen deutlicheren Zwerchfellmuskel als Beleg der die Lungen um- schliessenden Peritoneallamelle. Diese Muskelschichte entspringt theils von Wirbelkörpern, theils von den rippenartigen Querfortsätzen. Bei den Crocodilen fehlt ein Zwerchfellmuskel , da man in der sehr ent- wickelten Peritonealmuskulatur schon wegen ihres Ursprungs von der vorderen Beckenwand keine direel hieher beziehbare Bildung wird er- kennen dürfen. Dagegen ergibt sich unter den Vögeln bei Apteryx U2jO Wiibclthierc. ein von der Wirbelsäule mit zwei ansehnlichen Portionen entspringendes Diaphragma , welches einen Raum für die Lungen umschliesst, allein das Heiz noch hindurch treten lässl. Bei den übrigen Vögeln wird es durch aponeurolische, nur an wenigen Stellen mit muskulösen Strecken verbundene Partieen vertreten. Erst bei den Säugethieren erscheint ein ausgebildeter Zwerchfell- muskel als Scheidewand zwischen Bauch- und Brusthöhle, in welch' letztere auch das Herz aufgenommen wird. Die schräge Stellung des Muskels bei Reptilien und Vögeln setzt sich damit in eine quere um. Die fleischigen Partieen entspringen theils von Wirbelsäule theils von Rippen, und gehen in eine mittlere Sehnenhaut (Centrum lendineumj über, die nur selten fehlt (Delphine). Elektrische Organe. § 348. Eigenthümliche, nur einer kleinen Anzahl von Fischen zukommende Apparate stellen die sogenannten elektrischen Organe vor, die in ana- tomischer Hinsicht durch die in ihnen stattfindende Endigung mäch- tiger Nerven massen , in physiologischer aber durch die Enlwickelung von Elektricität wichtig geworden sind. Die Nerven leiten centrifugal, und bieten auch in ihrer Endigungsweise mit jenen der motorischen Nerven in den Muskelfasern übereinkommende Verhältnisse dar. Aus diesen Umständen leiten wir die Berechtigung ab, diese Organe dem Muskelsysteme anzufügen. Ob sie in genetischem Zusammenhange mit Muskeln stehen oder nicht, ist unbekannt. Die mit diesen Organen ausgestatteten Fische gehören zu den Gattungen Torpedo und Narcine unter den Rochen , Gymnotus unter den Aalen, Malaplerurus unter den Welsen; auch Mormyrus besitzt ähnliche Organe, die aber bezüglich der bei den Uebrigen nachgewie- senen Elektricitätsentwickelung noch nicht näher geprüft wurden.» Ein pseudo-eleklrischer Apparat ist bei Raja vorhanden. Obwohl in Lage wie» in dem gröberen anatomischen Verhallen in den einzelnen Gattungen sehr von einander abweichend, kommen alle die erwähnten Organe darin mit einander überein , dass sie aus ver- schiedenartig gestalteten , durch Rindegewebe abgegrenzten und mit einer gallertartigen Substanz gefüllten »Kästchen« zusammengesetzt er- scheinen. Zu der einen Fläche dieser »Kästchen« treten die Nerven heran, um feine Netze zu bilden, aus denen schliesslich eine die Ner- venendigungen darstellende »elektrische Platte« hervorgeht. Das Verhalten derselben zum gesammten Apparate, sowie die Re- ziehungen zu den Nerven ergibt sich in folgendem für den Zitter- rochen (Torpedo. Das elektrische Organ [op] liegt hier zwischen dem Kopfe, den Kiemensäcken (Fig. 'ii-1. br) und dem Proplerygium der Riustflosse , die ganze Dicke des Körpers durchsetzend und von Elektrische Organe. 521 einer sehnigen Membran umhüllt, welche oben wie unten nur vom Körperintegumente überzogen wird. Jedes Organ setzt sich aus zahl- reichen parallel neben einander stehenden Prismen zusammen , die ihrerseits wiederum aus einer mente, den oben erwähn- ten Kästchen , bestehen. Letztere sind durch Binde- gewebe inniger unter ein- ander vereinigt, alle em- pfangen die in die Prismen eindringenden Nerven von unten her, indem die der Nervenendigung entgegen- gesetzten Flächen der elek- trischen Platten im ge- sammten Organe dorsal gerichtet sind. Zum Organe treten fünf starke Nerven- stämme, Rami electrici, welche verschiedenenKopf- nerven , vorzüglich dem Vagus, angehören, und zwischen den Prismen sich vertheilen. Bei den übrigen elek- Beihe aufeinander geschichteter Ele- Fig. 247. trischen Fischen die bezüglichen zwar einen mit schilderten besitzen Organe dem Ge- der bezüglich feineren Verhältnisse über- einstimmenden Bau, allein in der Oertlichkeit ihres Vorkommens , wie nicht minder im Verhalten der die elektrischen Platten bergenden »Kästchen« ergeben sich zahlreiche Verschiedenheiten. So liegen beim Zitteraal die Organe am Schwanztheile des Körpers dicht unter der äusseren Fig. 247. Ein Zitterrochen (Torpedo) mit dem präparirten elektrischen Organe, in dorsaler Ansicht dargestellt. Rechterseits ist das Organ oe blos an der Oberfläche frei gelegt. Median grenzt es an die noch von einer gemeinsamen Muskelschichte überzogenen Kiemensäcke [br), die auf der andern Seite einzeln dar- gestellt sind. Auf derselben linken Seite sind zugleich die zum elektrischen Organe tretenden Nervenstämme präparirt, und eine Strecke weit ins Organ verfolgt. Die geöflhete Schädelhöhle zeigt das Gehirn: / Vorderhirn, // Zwischenhirn, 7// Mittel- hirn. Dahinter ist die Medulla oblongata mit dem Anfange des Rückenmarks sichtbar, v Nervus vagus. tr Nervus trigeminus. tr' Elektrischer Ast desselben, o Augen. /' Spritzloch, t Gallertröhren der Haut br Kiemen. 522 Wirbelthicre. Haut. Beim Zitterwels ist das Organ unter dem Integumente über die Oberfläche des Körpers verbreitet, und bei den Mormyren finden wir wieder den Schwanz damit ausgestattet. Entsprechend verschieden verhalten sich auch die Nerven, woraus man seh Hessen darf, dass die genannten Organe trotz ihrer histologischen und physiologischen Über- einstimmung morphologisch verschieden sind , und nicht von einander öder von einem gemeinsamen Stammorgane abgeleitet werden können. Nervensystem. § 349. Die Centrale rgarie des Nervensystems lagern in dem über der Axe des Rückgrates, von dem oberen Rogensystem des Axenskelets umschlossenen Ganale. Sie bestehen aus symmetrisch angeordneten Nerven messen, die nur bei den Acrania in der ganzen Länge ein mehr gleichartiges Verhalten darbieten, wählend sie bei den Cranioten in zwei grössere Abschnitte, das- Gehirn und das Rückenmark gesondert sind. Wenn auch in letzterem einige Aehnlichkeil mit der bei wirbel- losen gegliederten Thieren bestehenden Ganglienkette nicht zu ver- kennen ist, so kann doch das Rückenmark von dieser keineswegs abge- leitet werden; vielmehr ist das centrale Nervensystem der Wirbelthiere als eine im hohen Maasse weiter entfaltete A u s b i 1 d u n g d e r o b e r e n S c h 1 u n d g a n g I i e n w i r b e 1 1 o s e r T h i e r c anzusehen. Diess wird durch die Uebereinstimmung in der ersten An- lage begründet, die in beiden Fällen aus einer Differenzirung des dem Eclo- derm homologen äusseren oberen) Keimblattes erfolgt. Während aber die daraus entstehende »Meduliarplatte« bei den Wirbellosen sich nicht in der ganzen Länge der Körperanlage ausdehnt, oder wenn auch anfänglich von solcher Länge, doch bald mit dem weiter wachsenden Körper nicht mehr gleichen Schritt hält, so findet bei der Wirbellhieranlage die Ausdehnung der Meduliarplatte in einer dem Längewachsthum der Anlage adäquaten Weise statt, und bedingt damit für das daraus entstehende Centralnerven- s\ stein eine der Gesa mmtlänge des Körpers entsprechende Ausdehnung. Aus der Meduliarplatte geht Fig. 248. mit Erhebung ihrer in das Horn- blatt (Fig. 248. h) sich fortsetzen- den Ränder (iül eine Rinne her- vor, die allmählich zu einem Rohre sich abschliesst. Dieses rückt von der Oberfläche, von der es ent- standen, allmählich in die Tiefe, indem nicht nur das Hornblatt, sou- Fig. 24s. Schematischer Querschnitt durch die Emhnonalanlage des Hühn- chens vom Ende des eisten Brättages, ch Chorda dorsalis. u Urwirbel. sp Seiten- platten, m Meduliarplatte, bereits zur Rinne umgebildet, am Rande w in das Hornblatt h übergehend, d Darmdrüsenblatt. (Nach Remak.) Nervensystem. 523 Fig. -249. dem auch aus dein mittleren Keimblatte gesonderte Theile darüber wachsen. Das so gebildete Medullarrohr bleibt bei den Acrania als ein eleichartiaer Slrane bestehen, an dem wesentlich nur histologische Sonderungen statt- linden. Diese Gleichartigkeit ist bei den Cra- niolen sehr frühzeitig aufgegeben, und noch vor vollständigem Schlüsse des Rohres treten and vordersten Abschnitte Ausbuchtungen (Fig. 24 9. a) auf, welche die Anlage des Gehirnes abgeben, indess der übrige Theil des Medullar- rohr-s unter gleichartiger Diflerenzirune; als An- läge des Rückenmarks erscheint. Die Differefi- zirung des Gehirnabschnittes ist bei allen Cra- nioten dieselbe, und selbst nach der Anlage der einzelnen Theile des Gehirns findet sich zwischen entfernten Abtheilungen grösste leber- einstimmung vor. Bei den Cyclostomen erhall sich der indifferente Zustand des Gehirns sehr lange, indess er sonst auf früheste Stadien der Entwickelung beschränkt ist. § 350. Durch die Erweiterung des vordersten Abschnittes entstehen an- fanglich drei Fig. 249. a) , dann bei oberflächlicher Ansicht fünf auf einander folgende blasenförmige Abschnitte Gehirnblasen), deren Binnen- räiune unter sich zusammenhängen , sowie der letzte in das ihm fol- gende Medullarrohr ohne scharfe Grenze sich fortsetzt. Die erste Ge- hirnblase bezeichnet man als Vorderhirn Fig. 2-">0. a) , die darauf folgende stellt das Zwischen hirn (6) dar: eine dritte Erweiterung bildet das Mittel hirn (c), auf welches das Mint er hirn //), sowie das unmittelbar ins Rückenmark übergehende und mit dem Hinterhirn zusammengehörende Nachhi rn e folgen. Dabei erscheint das Hinter- hirn nur als der vorderste Theil des Daches des Nachhirnes . so dass er keineswegs die Selbständigkeit der übrigen Hirnblasen theilt. An- fänglich in dieser Reihe hintereinander gelagert, erstrecken sich die Rlasen in der Forlsetzung der Längsaxe des Rückenmarks, um jedoch sehr bald gegen letzteres in Winkelstellung zu treten. Damit verbin- Fig. 249. Embryonalanlage des Hundes, vom Rücken her gesehen, mit der Anlage des centralen Nervensystems, von welchem die Medullarplätle (6) eine nach oben offene Rinne bildet. An dieser sind vorne die Anlagen der drei primitiven" Hirnblasen a als ebensoviele Ausbuchtungen bemerkbar, während der hinlere Ab- schnitt der Rinne in den Sinus rhomboidalis (a') der Lendengegend erweitert ist. c Seitenplatten, die Leibesanlage abgrenzend, d Aeusseres und mittleres Keimblatt. f Darmdrüsenblatt. (Nach Bischokf.) 524 Wirbeltliiere. den sich ungleiche Wachsthumserscheinungen am oberen und am un- teren Abschnitte, so dass minder voluminös sich entwickelnde Partieen durch Ausdehnung einzelner Strecken der oberen Theile bedeckt werden. Zwischen Vorder- und Zwischenhirn bildet sich unter Verdünnung der Wand eine spaltähnliche Stelle, durch welche von den Umhüllungen des Gehirns ein Forlsatz ins Innere sich erstreckt. Unter den Gyclostomen kommt es nur bei den Petromyzonlen zu dieser Spalten bildung, an deren hinterem Endo das als Zirbel oder Epiphysis cerebri bekannte Gebilde liegt. Der untere Abschnitt des Zwischenhirns stellt den Boden der zweiten Hirnblase dar und bildet eine allen Craniolen gemeinsame als Trichter be- zeichnete Ausbuchtung. Gegen sie wachst von der Schlundwand her eine Fortsetzung der Schleim- haut ein , die , spater sich abschnürend , einen Theil des dem Trichter angefügten Hirnanhangs (Hypophysis) vorstellt. Wie die Räume der pri- mitiven Gehirnblasen unter einander cominuni- ciren, so stehen auch später die Räume (Hirn- kammern oder Ventrikel; der aus den Hirnblasen hervorgegangenen Ab- schnitte mit einander in Zusammenhang. Von diesen Gestaltungsver- hältnissen ausgehend, verfolgen wir die für die einzelnen Abtheilungen charakteristischen Differenzirungen. Der Sonderung des vordersten Abschnittes der Anlage des Nerven- systems gegenüber bieten sich am hinteren Theile viel einfachere Ver- hältnisse , indem derselbe mehr oder minder gleichartig sich zum Rückenmarksrohre abschliesst, in welchem der ursprüngliche Binnen- raum in der Fortsetzung des dem Nachhirn angehörigen Ventrikels als Cenlralcanal sich forterhält. Ungeachtet mannichfacher Veränderungen, welche das einfache Rückenmarksrohr bis zu seiner späteren Aus- bildung eingeht, hat es doch im Verhältniss zum Gehirn als der in- differentere Theil zu gelten , wie schon durch das mehr gleichartige Verhalten der aus ihm hervorgehenden Nerven im Vergleiche mit den aus dem Gehirn entspringenden ersichtlich ist. Die Verbreitung des peripherischen Nervensystems ent- spricht der in der Wirbelbildung ausgesprochenen Metamerie des Kör- pers. Sie ist in diesem Verhalten am spinalen Abschnitte deutlich, wo jedem Wirbelsegmente ein Nervenpaar bestimmt ist. Am cere- bralen Theile dagegen sind mit der Umbildung der Wirbelsegmente Fig. 250. Senkrechte Medianschnitte durch Wirhelthierhirne. A Von einem jungen Selachier (Heptanchus). ß Vom Embryo der Natter. 6' Von einem Ziege n- Embryo, a Vorderhirn, b Zwischenhirn, c Mittelhirn, d Hinterhirn. e Nachhirn, s Primitiver Hirnschlitz. Centralorgane des Nervensystems, 525 auch für die bezüglichen Nerven bedeutende Modifikationen aufgetreten, so dass ein mit den Spinalnerven harmonirendes Verhalten nur schwer nachweisbar ist. A. Centralorgane des Nervensystems. a) Gehirn. § 351. Unter den Fischen bietet das Gehirn der Cyclostomen die ein- fachste Form dar, und unter diesen nehmen wieder die Myxino'iden die niederste Stufe ein, indem die einzelnen Abschnitte ziemlich gleich- artig sich darstellen. Grössere Complicationen ergeben sich bei den Gnathostomen. Ein vom Vorderhirn aus gebildeter, die Riechnerven entsendender Abschnitt (Bulbus oder Lobus olfactorius) erscheint meist als ansehn- licher, bei den Selachiern durch einen verschie- den langen Tractus olfactorius mit dem Gehirne Kig. 251. verbundener Lappen (Fig. 251. h). Obgleich median immer von einander getrennt, können sie doch so dicht aneinander gerückt sein , dass sie durch ihre Lage vor dem Vorderhirn als den übrigen Abschnitten gleichwerthige Gebilde er- scheinen. Auch Verschmelzungen mit dem Vor- derhirn kommen vor. Das Vorderhirn selbst bietet bei den Selachiern (Fig. 251. q) eine die übrigen Abschnitte übertreffende Volumsenlfaltung und zeigt Spuren einer Theilung in zwei, vier und mehr paarige Abschnitte. Auch bei Gano'fden (Fig. 252. q) wird es ansehnlich getroffen, indess es bei vielen Teleostiern gegen andere Hirntheile am Volum bedeutend zurück tritl. Das Zwischenhirn ist bei den Selachiern (Fig. 251. d) deutlich vom Mittelhirn getrennt, bei vielen Teleostiern mit diesem enge verbunden. Der vordere Theil seines Daches trägt die oben erwähnte Spalte, und dieser Abschnitt ist nicht selten zu einer ansehnlich in die Länge ge- zogenen Strecke ausgebildet, die wie eine Längscommissur zum Vor- derhirn verläuft. (Manche Haie und GanoTden.) Der Rest des ur- sprünglichen, den hinteren Theil der Spalte abschliessenden Daches ist zuweilen sehr ansehnlich und in zwei Hemisphären getheilt, so bei Selachiern und vielen Teleostiern. Der das Infundibulum umfassende Boden dieses Abschnittes bildet zwei an der Hirnbasis vorspringende Anschwellungen, die Lobi inferiores, welche bei den Cyclostomen Fig. 251. Gehirn eines Hai (Scyllium catulus). h Lobi olf'aetorii. r/ Vor- derhirn, d Zwischenhirn, b Mittelhirn, a Nachhirn, o Nasenkapseln. (Nach Busch.) 526 Wirbelthiere. einfach sind und auch bei den Selachiern nur Andeutungen einer Trennung zeigen. Erst bei den Teieostiern sind sie bedeutender ent- faltet. Das folgende Mittelhirn erscheint unansehnlich bei den Myxi- noiden, mehr bei Petromyzon entwickelt. Bei den Selachiern stellt es einen meist bedeutend sich erhe- benden Tlieil vor, der entweder unpaar oder auch (wie schon bei den Cycloslomen) in zwei Hälften getheilt , die vor oder hinter ihm liegöri'den Hirntheile deckt Fig. 251. 6). Durch Faltungen seiner Oberfläche entstehen Windungen ähnliehe Zustande. Solche Win- dungen besitzt das Mittelhirn man- cher Haie (z. B. Carcharias) . Eine verhältnissmässis bedeutendeGrösse erreicht das meist als Cerebellum gedeutete Mittelhirn bei den Teie- ostiern, bei denen es zuweilen als eine nach vorne oder in die Hohe gerichtete Frotuberanz erscheint. Der hinter dem Mittelhirn liegende übrige Theil des Gehirns muss als Ganzes betrachtet werden. Aislirsprungs statte der meisten Hi r n ner \ en kommt ihm eine besondere Wichtigkeit z u. Sein Dach ist un- gleichartig ausgebildet. Am hinteren grösseren Abschnitte bildet es sich nämlich frühzeitig zurück, so dass der nach vorne zu erweiterte Binnen- raum (Sinus rhombo'idalis) nur von einer Membran bedeckt wird. Der Band dieser Bautengrube erscheint bei Selachiern und Chimären nach vorne zu stark gewulslet und stellt daselbst die faltig ausgebogenen Lolti Nervi trigemini vor. Bei den Gano'iden und Teieostiern ist er ein- facher. Bei allen aber tritt er median in eine quere Lamelle über, welche die Bautengrube von vorne her deckt und bei stark volumi- nösem Mittelhirn von diesem überragt wird. Diese Querlamelle reprä- sentirt das Hinterhirn oder Cerebellum, indess Boden und seitliche Theile der Bautengrube durch die M e d u 1 1 a oblongäta oder das Nachhirn gebildet sind. Von den Selachiern zu den Teieostiern ist eine Abnahme des Volums der Medulla oblongäta bemerkbar, indem sie bei vielen Haien den längsten Abschnitt des Gehirns vorstellt, und andrerseits bei manchen Teieostiern so kurz ist, dass das Mitlelhirn sie vollständig bedeckt. Bei beträchtlicherer Entfaltung geben sich in den Seilentheil der Fig. 252. Gehirn von Polyplerus bichir. A Von oben. B Seillich. C Von unten, h Lobi ölfactorii. g Vorderbirn. /' Zwischenhirn. d Mittel hiin . bc Hinter- hirn, a Nachhirn 'Medulla oblongäta). ol N. oll'actorius. o N. opticus. (Nach J. Müller.] Centralorgane des Nervensystems. 52: Rautengrube einragende Anschwellungen kund, die in einer Reihe ge- lagert den Ursprungsstellen der Vaguswurzeln entsprechen (Lobi Nervi vagi). Aehnlich zu deuten sind die Lobi electrici der Torpedines. Fig. 253. X u § 352. Das Gehirn der Amphibie n schliesst sich in vielen Puncten enge an jenes der Fische an und namentlich sind es die Selachier und Dipnoi, welche auch hier Anknüpfungen darbieten. Das Vorderhirn (Fig. 253. b) erscheint in zwei seitliche Hälften, die Hemisphären, getheilt und zeigt Andeutungen einer Ausdehnung nach hinten. Der von ihm umschlossene Raum trennt sich nach beiden Hälften in dieSeitenvenlrikel, die sich nach vorne in die Lobi olfaclorii (a) fort- setzen. Letztere erscheinen an der Seite des Vorderhirns [b, und sind diesem unmittelbar angefügt, können alter auch in indifferente- rem Zustande mit dem Vorderhirn unmittel- bar verschmolzen sein. Das Zwischenhirn ditVerenzirt sich erst während des Larven- zuslandes aus einem mit dem Mittelhirn ge- meinsamen Abschnitte. Vor ihm findet sich der llirnschlitz, welcher in verschiedenem Grade sich aufs Zwischenhirn fortsetzt und wieder die Epiphysis trägt. Er führt nach vorne in die von den beiden Hemisphären des Vorderhirns umschlossenen Seitenven- trikel. Die Unlerfläche dieses Abschnittes trägt eine einlach bleibende Erhabenheit, die den Lobi inferiores der Fische entspricht. Das Mitlelhirn bleibt bei den Urodelen auf einer von den Anuren durchlaufenen Stufe, und erlangt erst bei den letzteren ein beträcht- licheres Volum und eine Theilung in zwei Hälften (c). Das Hinterhirn hält sich dagegen in seiner primitiven Form als eine über die Rauten- grube sich brückende Lamelle (d) und die bei den Fischen vorhande- nen Differenzirungen der Medulla oblongata kommen nicht mehr zur Entwicklung. Am Gehirne der Reptilien tritt die bereits bei den Fischen vor- handene, durch bedeutendere Enlwickelung der oberen Theile bedingte Reugung in der Region des Zwischen- und Mitlelhirns starker hervor und bedingt eine Lage Veränderung, die sich in die höheren Abthei- lungen fortsetzt. (Vergl. die Durchschnitte in Fig. 250.) Das Vorder- Fig. 253. Gehirn und Rückenmark des Frosches. A Von oben. B Von unten, a Lobi olfactorii. b Vorderhirn, c Mittelhirn, d Hinterhirn, e Nach- hirn, i lnfundibulum. s Rautengrube, m Rückenmark, t Filum terminale desselben. 528 Wirbelthiere. hirn bietet sich in ansehnlicher Entwicklung in Gestalt von zwei das Zwischenhirn deckenden Hemisphären dar, die ihre grösste Breite am hintern Abschnitte besitzen. Ihnen unmittelbar angeschlossen finden sich die Lobi olfactorii. Das unansehnliche Zwischenhirn besitzt eine Längsspalte , indem sich der Hirnschlitz auf es ausgedehnt hat. Be- deutend gross sind die Seiten Ventrikel , die am Hirnschlitze mit dem Fig. 2."»/,. zwischen den Hälften des Zwischenhirns gelagerten dritten Ventrikel communiciren, der ein ansehnliches Infundibulum besitzt. Eine flache Furcho theilt das Mittelhirn in zwei Hemisphären. Das Hinterhirn zeigt bedeutendere Verschiedenheiten ; bei Schlangen und Eidechsen bleibt es als schmale aber senkrecht erhobene Lamelle auf niederer Stufe; bei Schildkröten (Fig. 254. A. IV) und Crocodilen ist es breiter geworden und bei den letzteren ist ein mittlerer Abschnitt von zwei seitlichen durch bedeutendere Anschwellung ausgezeichnet. Dieser Zustand verknüpft die Beplilien mit den Vögeln , die durch ein noeh bedeutenderes Ueberwiegen des Vorderhirns sich auszeichnen, dessen Hemisphären bald mehr in die Breite, bald in die Länge entwickelt sind. Sie stehen nur durch eine schmale vordere Commissur in Zu- sammenhang (Fig. 254. B. c) , und umsch Messen eine von der seitlichen Wand her einragende Ganglienmasse, welche die primitive Höhle in einen engen, von dem dünnwandigen Hemi- sphären - Dache gedeckten Baum ver- wandelnd, den grössten Theil des Vor- Sie sind bereits bei den Amphibien nachweisbar Fie. 255. derhirns darstellt. Fig. 254. A Gehirn einer Schildkröte (nach Bojanur). B Eines Vogels. Senkrechte Medianschnille. / Vorderhirn. ///Mittelhirn. IV Hinterhirn. I'Nach- hirn. ol Olfaktorius, o Opticus, h Hypophysis. a (in A) Verbindung beider Hemisphären des Mittelhirns, c Commissura anterior. Fig. 255. Gehirn des Haushuhns. A Von oben, ß Von unten, a Lobi olfactorii. b Hemisphären des Vorderhirns, c Mittelhirn, d Hinterhirn, d' Seiten- theile desselben, e Nachhirn. (Nach C. G. Carus.) Cenlralorgane dos Nervensyslems, 529 und bei Reptilien sogar sehr deutlich vorhanden (Fig. 21)4. A. st). Das kleine , von den Hemisphären des Yorderhirns völlig bedeckte Zwischen- hirn ist an seinem Dache gespalten. Das beim Embryo sehr grosse Miltelhirn ist in zwei zur Seite gelagerte Hälften getheill 'Fig. 2§5. c), in welche sich der gemeinschaftliche Binnenraum fortsetzt. Der ansehnliche mittlere Abschnitt bietet zwei seitliche Anhänge und ist durch querstehende Lamellen ausgezeichnet, so dass senkrechte Durchschnitte eine dendritisch verzweigte Figur als Ausdruck dieser Art der Oberflächenvergrösserung aufweisen. Durch diese Entfaltung des Hinterhirns wird das Nachhirn vollständig bedeckt. § 353. Das Gehirn der Säugethiere bietet nur in seinen frühesten Zuständen unmittelbare Anknüpfungen an niedere Formen (vergl. Fig. 250), indem es sich von ersteren weiter als die Gehirne der Reptilien und Vögel ent- fernt und zugleich eigentümliche Differenz innigen darbiete), welche von Fig. 256. B jenen des Vogel- und Reptiliengehirns bedeutend abweichen. Die umfassendsten Veränderungen zeigt das Vorderhirn, welchem die Lobi olfaclorii an der Unterfläche angelagert sind , und je nach der Aus- bildung des vorderen Abschnittes Vorderlappen) minder oder mehr von Fig. 256. bitferenzirung des Vörderhirns. A Gehirn einer Schildkröte. B eines Rinderföt us. C einer Katze. In A und B ist linkerseits das Dach der Vorderhirnhühlc abgetragen, rechferseits auch noch der Fornix entfernt. In C ist rechterseits der ganze seitliche und hintere Abschnitt des Vörderhirns abgetragen, und auch linkerseits soweit, um die Krümmung des Ammonshorns nach abwärts darzustellen. In allen Figuren bezeichnet 1 Vorderhirn, // Zwischenhirn , /// Mittel- hirn, IV Hinterhirn, V Nachhirn, ol Bulbus olfactorius (in A in Communicalion mit der Vorderhirnhöhle dargestellt), st Corpus Stria tum. /' Fornix. h Pes llip- pocampi major, s r Sinus rhomboidalis. § Kniehöcker. (jegenbaur, Grundrlss. 34 530 Wirbeltkiew. diesem bedeckt werden. In der Regel persistirt der ursprüngliche Hohl- raum jener Lobi oder er bleibt mit dem Binnenraume der Hemisphären lange in Gommunication. Beide Hemisphären des Vorderhirns sind immer durch einen auch vorne tiefgehenden Einschnitt getrennt. Ihre Verbindung geschieht anfänglich durch eine vor dem primitiven Hirn- schlitze gelagerte Commissur, und durch jene Oeft'nung gelangt man in die Räume des Vorderhirns, die Seiten Ventrikel. Mit der ferneren Ausbildung entfallen sich die hinteren Theile der Hemisphären , und die anfänglich wenig bedeutende Spalte wird in die Breite gezogen, und verschwindet dabei von der Oberfläche, indem die hintere Wand der nach hinten und seitlich ausgedehnten Seitenventrikel sie voll- ständig deckt. Damit steht eine Differenzirung der primitiven Commissur zu einem complicirteren Gommissurensystem in Zusammenhang, wobei Monotremen und Marsupialia den niedersten Zustand repräsentiren. Die primitive Commissur differenzirt sich in einen unteren und einen oberen Abschnitt; erstem* stellt die Commissura anterior vor, letzterer bildet eine schmale über den Vorderrand des Zwischenhirns sich lagernde Brücke , unter welcher jederseits der Eingang zum nach hinten und unten ausgedehnten Seitenventrikel liegt. Im vorderen Räume der letztem springt das Corpus striatum wulstartig vor, (Fig. 256. B. C. sl< und in dem hinleren Räume findet sich ein mit dem oberen Theile des Commissurensyslems in Zusammenhang stehender gewulsteter Vorsprung, welcher den Rand der immer mehr über das Zwischenhirn sich lagernden Spalte von hinten umgrenzt und als Ammonshorn oder Pes Hippocampi major [C. h.) bezeichnet wird. In weiterer Veränderung ergibt sich eine Umbildung der oberen Commissur in zwei differente aber zusammenhängende Gebilde. Das eine umzieht mit seinem seillichen Rande den Eingang in die Seiten- ventrikel von oben her, um seitlich und abwärts in einen wiederum jene Spalte begrenzenden Streif überzugehen, der dem Hippocampus major sich anlagert. Dieses als Gewölbe Fornix) B. C. /') bezeichnete Gebilde beginnt vorne mit aufsteigenden Schenkeln (Säulen) , legt sich dann etwas verbreitert über das Zwischenhirn weg, wo es in die hinleren absteigenden Schenkel sich fortsetzt. Es steht oben im Zusammen- hang mit einem mächtigen Theile des Commissurensystems. dem Balken, der anfänglich mit dem Fornix verbunden sich vorne von ihm abhebt, in demselben Maasse als der Fornix sich nach hinten entwickelt, und steht daselbst nur durch eine doppelte senkrechte Marklamelle (Seplum pellucidum) mit ihm in Zusammenhang. Ein Theil des Balkens setzt sich in den Hippocampus fort. Die Ausdehnung dieser Commissuren nach hinten zu hängt von der Entwicklung der Hemisphären des Vorderhirns ab, welche bei Nagethieren, Edentaten, Inseclivoren noch wenig entfaltet sind. In dem Grade ihrer Volumsentfaltung nimmt die Commissura anterior an Umfang ab. Bei den Implacentalien noch sehr beträchtlich, wird sie zu einem dünnen vor den Säulen des Centralorgane des Nervensystems. 531 Fornix lagernden Strange. Nach Maassgabe ihrer Ausdehnung nach hinten überlagern die Hemisphären des Vorderhirns die folgenden Ab- schnitte des Gehirns, Zwischenhirn, Mittelhirn, und endlich auch das Hinterhirn, wie bei den Primaten. Mit der Ausdehnung der Hemi- sphären nach hinten setzt sich der Seitenventrikel in den Hinterlappen fort und bildet eine als Hinterhorn bezeichnete Räumlichkeit. Bezüglich der Oberfläche des Vorderhirns bieten viele Säugethiere durch die glatte Beschaffenheit der Hemisphären einfache dem embryo- nalen Verhalten der Andern entsprechende Zustände , die sich den meisten durch das Auftreten bestimmter als Windungen bezeichneter, durch Furchen von einander getrennter Erhebungen compliciren. Die Windungen treten stets in regelmässiger Weise und in symmetrischer Anordnung auf um erst bei reicherer Entfaltung eine Asymmetrie ein- zugehen, wie sie z. B. beim Menschen sich darstellt. Aber selbst da lassen sich die Windungen in Gruppen sondern , deren Grenzen von den erst auftretenden und bei gewissen Säugethieren allein persistiren- den Furchen vorgestellt sind. Das Zwischenhirn scheidet sich in zwei unmittelbar hinter den Streifenkörpern der Seitenventrikel des Vorderhirns liegende Massen, die Sehhügel (Thalami optici), welche aus seitlichen Verdickungen der primitiven zweiten Gehirnblase hervorgehen. Am Hinterende der sie trennenden Spalte lagert die Epiphysis, die also im Vergleiche zu den unteren Abtheilungen eine Lageveränderung einging. Die Höhle dieses Abschnittes reducirl sich auf eine zwischen beiden Sehhügeln liegende senkrechle Spalte (Fig. 256. /?), deren Fortsetzung in das vom Tuber cinereum getragene Infundibulum führt. Mit dem Ende des Infundi- bulums verbindet sich die meist sehr umfängliche Hypophysis. Das eine Zeit lang den grössten Abschnitt des Gehirnes vorstellende Mittelhirn (vergl. Fig. 250. C. c) , lässt seinen primitiven Binnen- raum allmählich in einen engen Canal verwandeln, der den dritten Ventrikel mit dem vierten verbindet (Aquaeductus Sylvii). Die Ober- fläche ist durch eine seichte Längs- und Querfurche -in vier Hügel (Fig. 256. R. C. III) geschieden , woher dieser Abschnitt als Corpus bigeminum, Vierhügel, bezeichnet wird. Sehr schwach ist diese Scheidung bei den Monotremen. Am Hinterhirn (Cerebellum) bleibt das mit Fischen und Am- phibien übereinstimmende Verhallen (Fig. 250. C. d) nur während früher Embryonalperiode. Die einfache Lamelle entwickelt sich zu einem an- sehnlichen Gebilde, an welchem, wie bei Crocodilen und Vögeln, der mittlere Abschnitt zuerst sich diflerenzirt. Bei den Beutelthieren stellt derselbe längere Zeit eine dünne Quercommissur vor, indess die seit- lichen Theile schon voluminöser gestaltet erscheinen. An beiderlei Theilen entstehen Windungen in Form cpierer, in verschiedene Gruppen geordneter Lamellen. Der mittlere Abschnitt bleibt überwiegend bei den Monotremen , ansehnlich auch noch bei Beutelthieren , Edentaten, 34* 532 Wirliellliit're. Chiroptern. Erst bei den Carnivoren und Ungulalen treten die Seiten- theile als Hemisphären des Cerebellum voluminöser auf, und bei den meisten Primaten präpon- Vi° 257 deriren sie derart, dass das mittlere Stück , als Wurm bezeichnet , da- gegen zurücktritt. Durch die Ausdehn- ung des Vorderhirns, be- sonders mit Entwickl- ung der Hinterlappen werden die übrigen Ab- schnitte des Gehirns all- mählich überdeckt. Bei manchen Beutelthieren, auch bei Nagern (vergl. 257. A) und Insectivoren ist dies noch nicht für die Vierhügel eingetreten , und selbst bei den meisten übrigen Säugethieren bleibt das Hinterhirn ganz oder doch grossentheils frei, indess hei Affen auch dieser Abschnitt völlig unter die Hinterlappen der Hemisphären des Vorderhirns tritt, worin die anthropoiden Affen sich dem Menschen am nächsten stellen. Mit der Ausbildung der Hemisphären des Hinterhirns entsteht an der unteren Fläche des primitiven Nachhirns eine Quer- commissur, die Varolsbrücke, welche den vordem Abschnitt des Nach- hirns mit dem Cerebellum inniger verbunden erscheinen, und ihn bei einseitiger Berücksichtigung des ausgebildeten Säugethierhirns nicht einmal dem Nachhirn zurechnen lässt. Diese Brücke ist wenig bei Monötremen und Marsupialien, am meisten bei den höheren Primaten entwickelt. Der vor der Brücke liegende Abschnitt der Hirnbasis stellt den ursprünglichen Boden des Mittel- und Zwischenhirns vor, und wird vorwiegend durch die als llirnsehenkel (Crura cerebrij bezeich- neten von der Medulla ohlongata herausstrahlenden Fasermassen ge- hildet. Fig I) R ii c ken nia rk. § 354. Das ausser Medülla oblongata continuirlich sich fortsetzende Bücken- mark steht bezüglich seiner Grösse im umkehrten Verhältnisse zur Aus- Fig. 2">7. Gehirn des Kaninchens. A Von oben. B Von unten, lo Lobi olfactorii. / Vorderhirn. /// Mittelbirn. IV Hinterhirn. V Nachhirn. // Hypo- ph\sis. ± Opticus. 3 Oculomotorius. 5 Trigeminus. 6 Abducens. 7. 8 facialis und Acusticus. In A ist das Dach der rechten Hemisphäre abgetragen , so dass man in den Seilenvenlrikel blickt, und dort vorne den Streifenkürpcr, dahinter den Fprtlix mit dem Anfang des Pes ltippocampi major wahrnimmt, Centralorgane des Nervensystems. 533 bHttung des Gehirns, so dass es hei den niederen Classen das letztere oft beträchtlich in seiner Masse überwiegt. Durch Entwicklung der seitlichen Hälften der Wand des primitiven Rohrs entsteht jene Voluros- entfaltune, welche bei dem medianen Aneinanderschliessen heider Hälften eine vordere Längsspalte hervorgehen lässt. Die centralen Apparate (Ganglienzellen) des Rückenmarks nehmen die inneren Theile ein, und bilden eine graue Markmasse, welche seitliche nach hinten und nach vorne gehende Fortsätze (Hörner; aussendet. Von den beiden hinteren nehmen die sensiblen, von den beiden vor- deren stärkeren Hörnern die motorischen Fasern der Nerven des Rücken- marks ihren Ursprung. Rei den Cyclostomen erstreckt sich das Rückenmark wie bei den Fischen ziemlich gleichmässig durch den Rückgratcanal, flach, beinahe bandartig oder mehr eylindrisch geformt, nach hinten Fjg 258 sich massig verjüngend. Den Ursprüngen stärkerer Nerven entsprechen häulig besondere Anschwell- ungen , die bei Arten von Trigla (vergl. Fig. 259. B) auffallend entwickelt sind, und in geringer Zahl das ausnehmend kurze Rückenmark von Orthagoriscus u. a. zusammensetzen (A). Wie die vorn Rückenmarke entspringenden Ner- venmassen dessen Volumsverhältnisse influenziren, zeigt sich in den vier höheren Wirbelthierclassen, bei denen die bedeutende Entwicklung der Extremitäten und die dahin gelangenden mächtigen Nervenstränge mit einer an ein- zelnen Abschnitten sich äussernden voluminösen Rildung des Rücken- marks in Zusammenhang steht. Dadurch kommen zwei Anschwellungen zu Stande, eine Hals- oder Rrust- und eine Lendenanschwellung, die in einzelnen Abtheilungen, z. R. bei Schildkröten und Vögeln sehr be- trächtlich sind. Durch Offenbleiben der in den Centralcanal sich fort- setzenden primitiven Medullarhöhle entsteht an der Lendenanschwellung der Vögel eine rautenförmige Vertiefung (Sinus rhomboi'dalis), jener ähn- lich , die dem verlängerten Marke allgemein zukommt. Sie findet sich auch bei Embryonen von Säugethieren vorübergehend vor. In der Regel erstreckt sich das Rückenmark durch den ganzen Rückgratcanal, doch zieht es sich bei Amphibien (Frosch), Vögeln, am auffallendsten aber bei einigen Säugethieren (Insectivoren, Ghiroptern) durch die Ungleichmässigkeit der Entwicklung der umschliessenden und umschlossenen Theile mehr nach vorn, so dass die von ihm ab- gehenden Nerven für die hinteren Körperpartieen eine Strecke weit im Rückgratcanal verlaufen, ehe sie ihre Austrittsstelle erreichen. Die da- Fig. 258. A Gehirn und Rückenmark von Orthagoriscus niola (nach Arsaky). B Gehirn und Anfang des Rückenmarks von Trigla adriatica. (Nach TlEDEMANN.! 534 Wirbelthiere. durch entstehende, als (lauda equina bezeichnete Bildung schliesst sich an die gleiche der höheren Primaten an. c. Hüllen des centralen Nervensystems. § 355. Da der Binnenraun) des Schädels in Anpassung an die von letz- terem umschlossenen Theile des Gehirns sich ausbildet, so füllt das Gehirn anfänglich stets die Schädelhöhle aus. Das Gleiche gilt vom Bückenmarke für den Bückgratcanal. Die Oberfläche des gesammteu centralen Nervensystems wird dabei von den vom Skelete gelieferten Wandungen der ersteres umschliessenden Bäume von Theilen getrennt, die entweder dem Skelete oder dem Nervensystem angehören oder in- terstitieller Natur sind. Man pflegt sie sämmtlich als Hirn- oder Bücken mark shüllen aufzufassen. Die periostale Auskleidung der bezüglichen Skeleträume lässl die Dura mater entstehen. Diese Membran ist überall in den unleren Abiheilungen als blosse Periost- (resp. Perichondrium -) Schichte nach- weisbar, und empfängt erst von den Beptilien an eine bedeutendere Mächtigkeit, womit sie den Anschein einer selbständigen Bildung ge- winnt. In der Schädelhöhle bildet sie bei Vögeln einen Fortsalz zwischen die Hemisphären des Vorderhirns (Hirnsichel) , der auch bei Säugethieren allgemein vorkommt, und hier mit einem besonders in den höheren Abtheilungen ausgebildeten, zwischen Gerebellum und Hinter- lappen des Vorderhirns eindringenden Fortsatze — dem Tentorium cerebelli — zusammenstösst. Bei vielen Säugethieren (Carnivoren, Einhufern etc.) verknöchert das Tentorium. — Der Bückenmarks- abschnitt der Dura mater bietet geringere Eigenthümlichkeiten. Bei den Säugethieren ist die Dura mater des Bückenmarks schon vom Fo- ramen occipitale an vom Perioste gesondert und bildet einen das Bückenmark lose umschliessenden Sack. Die dem Nervensystem angehörige Pia mater bildet eine ersteres überkleidende Bindegevvebsschichte , in welcher die Blutgefässe der Nervencentren verlaufen. Sie dringt in die Vertiefungen zwischen den einzelnen Abschnitten ein und setzt sich beim Bestehen von Windungen in die Tiefe der Sulci fort. Vom grossen Gehirnschlitze aus sendet sie gefässreiche Gonvolute (Adergeflechle) ins Innere der Seitenventrikel des Vorderhirns. Ueber den Sinus rhomboidalis des Nachhirns er- streckt sie sich dachförmig hinweg, bei Selachiern in regelmässiger Wölbung durch gefaltete abwärts ragende Querleisten ausgezeichnet. Bei Fischen und Amphibien ist sie häufig dunkel pigmentirt, bei letz- leren an gewissen Stellen durch Ablagerungen mikroskopischer Kalk- krystalle ausgezeichnet. Die grösste Mannichfaltigkeit bietet die Arachnoidea. Bei Peripherisches Nervensystem. 535 Fischen erscheint sie, so lange das Hirn die Schädelhöhle ausfüllt, als eine dünne Bindegewebsschichte, die kaum den Namen einer Membran verdient, da sie mit Pia wie mit Dura mater gleich innig zusammen- hängt. Mit der Entstehung eines weiteren Raumes zwischen Hirn und Schädel wand gehl aus jenem interstitiellen Gewebe entweder ein die Dura mit der Pia verbindendes, zuweilen sehniges Netzwerk hervor, dessen Räume mit Lymphe gefüllt sind (Squatina) oder es wandelt sich in Gallertgewebe um (Seymnus) , oder lässt Fettzelleu entstehen (viele Teleostier). Die höheren Wirbelthiere zeigen die Araohnoidea meist als zarte Bindegewebsschichte, die bei den Säugethieren in der vom Menschen bekannten Difi'erenzirung erscheint. ß. Peripherisches Nervensystem. § 356. Die im Körper verlaufenden Nerven gehen aus den als Gehirn und Rückenmark geschilderten Centralorganen hervor, und wo diese peri- pherischen Nerven von besonderen, vom Gehirn und Rückenmark ab- gelösten Centren zu entspringen scheinen , besteht nicht minder mit ersteren ein continuirlicher Zusammenhang, welcher durch die Verbin- dung jener abgelösten Gentren oder Ganglien mit dem Gehirne oder Rückenmark zu Stande kommt. Die nur durch ganz allmählich sich äussernde Modificalionen alte- rirte Gleichartigkeit des Rückenmarks in seiner ganzen Länge ist von einem für die dort entspringenden Nerven gerade die wesentlichsten Verhältnisse betreffenden hohen Grad der Uebereinstimmung begleitet. Am Gehirn dagegen wird die Gleichartigkeit sowohl durch die Differen- zirung dieses Organes , wie auch durch die Complication der dem Schädel verbundenen Theile aufgehoben, und ebenso durch das Auf- treten speeifischer Sinnesorgane modificirl. Somit wiederholt sich am peripherischen Nervensystem, was bereits vom .centralen gesagt ward, und ebenso für die dieses umschliessenden Organe , Rückgrat und Schädel , gilt. Hiernach unterscheiden sich Rückenmarksnerven und Hirnnerven, die noch bei den Acrania gleichartig sind. Nur ein vorderer stärkerer Stamm ist bei Amphioxus durch seinen Verlauf wie durch reichere Verästelung am vorderen Körperende ausgezeichnet. Er ist wohl einem der Hirnnerven der höheren Wirbelthiere vergleichbar, doch muss hie- bei beachtet werden, dass in der Gesammtorganisation des Amphioxus den Granioten gegenüber der Zustand der Indifferenz gegeben ist. Die übrigen Nerven des Medullarrohrs (jene für Riechgrube und Auge aus- genommen) bieten das Verhalten von Rückenmarksnerven dar. 536 Wirbelthieie. a) Rücken in a r k s n e r \en. § 357. Die zuerst in der Bildung von Urwirbeln auftretende Gliederung des Wirbelthierkörpers äussert sich nicht minder in dem Verhalten der Kückenmarksnerven und ihrer Vertheilung. Je einem Wirbelabschnitte entspricht ein Nervenpaar. Jeder dieser Nerven kommt durch die Ver- einigung von zwei von den Seitenhälften des Rückenmarks austreten- den Nervenwurzeln zu Stande. Die obere oder sensible Wurzel bildet vor ihrer Vereinigung mit der unteren oder motorischen ein Ganglion, und die daraus hervortretenden Fasern vermischen sich mit der un- teren, um den Stamm eines Spinalnerven herzustellen. Bei den Se- lachiern treten untere wie obere Wurzeln getrennt durch besondere Oeffnungen des Rückgratcanals. In der Regel verlassen die Nerven den Rückgratcanal zwischen zwei Bogen. Jeder Spinalnerv theilt sich in zwei Hauptäste, deren einer nach oben tritt (Ramus dorsalis) , Muskulatur und Haut des Rückens ver- sorgend, ein anderer Ramus ventralis) sich an die Seitentheile und die Bauchwand des Körpers begibt und einen Ramus visceralis zu den Eingeweiden entsendet. Dieser letztere stellt die Verbindung des so- genannten sympathischen Nervensystems mit dem cerebrospinalen her. Bei den Fischen treffen die Spinalnerven immer auf ein Ligamen- tum intermusculare. Sie folgen genau der Metamerie des Leibes, und dieses Verhallen besteht da fort, wo die Metameren gleichmässige Ver- hältnisse bewahren. Die Stärke der Nerven entspricht der Ausbildung der von ihnen versorgten Theile. Mit dem Auftreten von Extremitäten erlangen die Rami ventrales der betreffenden Abschnitte eine besondere Stärke, und dann bildet eine Anzahl Rami ventrales vorderer Spinalnerven Cervi- calnerven; ein Geflechte Plexus brachialis) , aus welchem die Nerven der vorderen Extremität sich ablösen , sowie aus weiter nach hinten vor dem Becken oder im Becken gebildeten Geflechten (z. B. Plexus lumbalis, Plexus sacralis' die Nerven der hinteren Extremität hervor- gehen. Diese Geßechlbildungen sind auf die txpische Verbindung benachbarter Spinalnerven unter sich zurückzuführen, von der sie Wei- terbildungen vorstellen. Die für die Gliedmaassen bestimmten Nerven bilden erst von den Amphibien an bedeutende Geflechte. Drei bis vier Nerven bilden den Plexus brachialis der Amphibien bei Fröschen der 2. , 3. und I. Spinalnerv . Bei den Beptilien wird der Plexus brachialis meist aus dem 0. — 9. Cervicalnervcn zusammengesetzt, der 7. — 10. bildet ihn bei Monitor, und beim Alligator kommt noch der erste Thoracalnerv hinzu. Die Vögel zeigen ihn aus dem letzten Cervical- und ersten Thoracalnerv oder aus dem H. und l"2. Cervical- oder I — "2. Thoracal- B. Peripherisches Nervensystem. 537 nerv gebildet. Bei den Säugethieren betheiligen sieh die 3, i oder 5 letzten Cervicalnerven und der erste, zuweilen auch noch der zweite Thoracalnerv an der Plexusbildung. Die für die Hinlerextremitäten bestimmten Nerven gehen bei den Amphibien aus einem meist durch drei Nerven gebildeten Geflechte hervor. Ein daraus entstehender vorderer Nerv bildet den Nervus cruralis , ein um vieles stärkerer, weiter nach hinten aus fast allen in den Plexus eingehenden Kamis sich zusammensetzender Nerv stellt den Ischiadicus vor, welcher auch bei den höheren Wirbelthieren den Hauptnerv der Extremität bildet. Gesonderter erscheinen Plexus cruralis und Plexus ischiadicus bei den Reptilien und Vögeln. Bei ersteren gehen meist i Nerven in diese Geflechte ein (Fig. 197'. Die Vögel bieten zumeist 6 — 8 grösstentheils für den Ischiadicus bestimmte Nerven (Fig. 198), während er bei den Säugethieren aus einer viel geringeren Zahl sich zusammensetzt. b) H im nerven. § 358. Die vom Gehirn entspringenden, von der beschreibenden Anatomie meist einfach der Reihe nach aufgeführten Nerven sondern sich bei vergleichender Prüfung nach wichtigen anatomischen Verhältnissen in zwei scharf getrennte Abtheilungen. Die eine grössere begreift mehr oder minder mit Spinalnerven übereinkommende oder doch von solchen ableitbare Nerven, die andere dagegen solche, welche auch nicht die geringste Aehnlichkeit mit Spinalnerven besitzen. Die letztere Abtheilung umfasst zwei spezifische Sinnesnerven, den Ol facto rius und den Opticus. Der Olfactorius wird aus einem Gomplexe von Nervenfädchen gebildet, die aus dem vorderen Ende des beim Gehirn behandelten Lobus olfactorius entspringen, und in der Riechschleimhaut ihre Ver- breitung nehmen. Je nach der Lagerung des Lobus in grösserer oder geringerer Nähe der letzteren setzen diese Nerven jederseits einen Stamm zusammen ^wie bei vielen Fischen, auch bei Amphibien, Reptilien und Vögeln , unter den Säugethieren bei den Monotremen) , oder sie ver- lassen einzeln die Schädelhöhle, indem sie eine Lamina cribrosa durch- bohren fSelachier und Säugethiere* . Der aus dem Zwischen- und Mittelhirn stammende Opticus bildet sich mit einem Theile des Auges aus einer vom primitiven Vorderhirn aus entstehenden Blase, der Augenblase, deren Stiel er vorstellt. Nach Differenzirung der Vorderhirnblase ist er mit dem Zwischen- und Mittel - hina in Zusammenhang. Bei den Cyclostomen verläuft der Opticus jeder Seite zum be- treffenden Auge, und nur dicht an der Austrittsstelle ist eine Verbindung 538 Wirbelthiere. zwischen den beiderseitigen Nerven zu erkennen. Bei den Gnatho- stomen dagegen ist eine grössere Strecke des Opticus an der Hirnbasis gesondert, woraus an einer Stelle eine Durchkreuzung der Fasern ersichtlich wird. Die bis zu dieser Stelle (dem Chiasma) verlaufenden Faserstränge stellen den Traclus N. optici vor. Die Kreuzung ist eine vollständige bei den Knochenfischen : Der Opticus des rechten Auges tritt zum linken, der des linken zum rechten, indem der eine über oder unter dem andern hinwegläuft. Seltener tritt der eine Opticus durch eine Spalte des andern (Clupea). Bei Selachiern und Gano'idcn scheint eine theilweise Kreuzung vorzukommen, und so verhalten sich auch im Allgemeinen die höheren Wirbelthiere. Wie beide Sinnesnerven keinen einzigen der für die Spinalnerven aufgeführten Charaktere erkennen lassen, sind sie auch nicht auf Meta- meren beziehbar, wie sie denn auch jenem Theile des Craniums zu- gehören, der nicht aus der Concrescenz von Wirbeisegmenlen ableitbar ist (vergl. § 309). Damit empfängt die Vermulhung Wahrscheinlichkeit, dass jene Nerven sammt den ihnen zugehörigen Organen aus einem der Melamerenbiklung noch entbehrenden niedern Zustand in den Wirbelthiertypus mit übergingen. § 359. Die zweite Abtheilung umfasst die nach dem Typus der Spinal- nerven sich verhallenden Nerven. Sie lassen zum Theile zwei Wurzeln unterscheiden ; ihr Ramus dorsalis ist häufig in Zusammenhang, mit dem unansehnlichen Verbreitungsbezirke sehr gering entwickelt. Der Ramus ventralis ist dadurch der Hauptast, der an den Bogen des Vis- ceralskelets und deren Abkömmlingen sich verzweigt. Der Ramus vis- eeralis tritt zur Schlundwand. Die hieher gehörigen Nerven treten (mit einer einzigen Ausnahme) aus dem als Nachhirn bezeichneten Abschnitte des Gehirns hervor und verlassen die Schädelhöhle , indem sie die oben (§ 309) als vertebralen Theil unterschiedene Partie des Craniums durchsetzen. Während diese Verhältnisse an den dem primi- tiven Zustande am nächsten stehenden Kopfnerven der Selachier am vollständigsten sich erkennen lassen, treten um so bedeutendere Ver- änderungen ein, je weiter der Organismus von jener tiefen Stufe em- porstieg oder doch in andrer Richtung sich differenzirte. An den einzelnen Nerven, d. h. so wie sie als mit Spinalnerven homodynam den Kopinerven zu Grunde liegend aufzufassen sind, nehmen wir verschiedene besondere Erscheinungen wahr. Einzelne Aeste eines Nerven erscheinen im Uebergewichte über andere, die dagegen rückgebildet sind, oder die Wurzeln eines Nerven bieten, eine selbständige Bahn einschlagend, das Verhalten eigner Nerven. Wie sich so ein Nerv aufgelöst hat, so ist andrerseits eine Concrescenz von Nerven aufgetreten , so dass ursprüngliche Nerveneomplexe wie ein einziger Nerv sich darstellen. Peripherisches Nervensystem. 539 Letzteres Verhalten zeigt sich an zwei Gruppen der vorzuführenden Hirnnerven, die nach den in ihren vorherrschenden Nerven als Tr ige - minus- und Vagus -Gruppe unterscheidbar sind. § 360. Die Trigeminusgr uppe versorgt den vordersten und grössten Theil des Kopfes. Ihr gehören zu : der Trigeminus, als bedeutendster Nerv der Gruppe, der, einer mächtigen Differenzirung des Endgebietes entsprechend , einem weiter entfalteten Spinalnerven homolog ist. Unbestimmt ist, ob er nicht durch Concrescenz zweier Nerven entstand , wofür einige Thalsachen sprechen. Als Hamus dorsalis besitzt er den Raraus ophtha Im icus der die Orbita wie die Elhmo'idalregion versorgt (Fig. 259. Tr'). Ein bei Tele- ostiern vorkommender Schädelhöhlenast hat wohl gleichfalls als Ramus dorsalis zu gelten. Der Ramus maxillaris superior (TV") verläuft stets am Bo- den der Orbita und verbreitet sich mit sensiblen Zweigen in der Ober- kieferregion. Sein Infraorbitalast ist besonders bei Säugethieren der bedeutendste. Er stellt einen Ramus ventralis vor wie der Ramus maxillaris inferior, der bei Selachiern sehr klar als Nerv des Kiefer- bogens sich erkennen lässt (Tr'") , und dadurch als der bedeutendste Abschnitt des Trigeminus erscheint, Seine Verbreitung geschieht zu den Kiefermuskeln wie zum äussern Inlegumente und einem Abschnitte der Mundhöhlenschleimhaut (Ramus lingualis). Den Ramus intestinalis stellt ein Ramus palatinus des zweiten Astes vor, der bei Fischen direct zum Gaumen tretend, bei höheren Wirbelthieren erst nach Verbindung mit einem sympathischen Ganglion (Ganglion sphenopalatinum) dorthin gelangt. Dem Trigeminus zugehörig und wie abgelöste Theile desselben sich darstellend erscheinen die A u g e n m u s k e 1 n e r v e n , namentlich 0 c u - 1 o in o l o r i u s und A b d u ce n s , welche bei Petromyzon und Lepidosiren, bei letzterem vollständig, bei ersteren wenigstens theilweise, durch Aeste des Trigeminus vorgestellt sind. Auch bei Amphibien ist eine Ver- bindung des Abducens mit dem Trigeminus beobachtet, und bei andern soll auch der Trochlearis vom Trigeminus stammen (Sala- mandra) . In diesem Verhalten würde also die Fortdauer eines primitiven Zustandes zu erkennen sein , der bei den übrigen Wirbelthieren in grössere Selbständigkeit bezüglich des Austrittes und Verlaufes der Nerven sich umänderte. Es bedarf aber dieser Hypothese kaum, da ein selbständiger Austritt einzelner Wurzeln von Spinalnerven eine bei Se- lachiern verbreitete Thatsache ist , und der selbständige Verlauf zum mo- torischen Endorgane — dem Muskel — aus der unmittelbaren Nähe der letztern an der Austrittsstelle der Nerven aus dem Granium erklärlich wird. Der zweite der Trigeminusgruppe beizuzählende Nerv ist der 540 Wirbelthiere. Facialis mit dem Ae us tieus. Der letztere erscheint als ausschliess- lich sensibler Raums dorsalis eines Spinalnerven, und ist mit seinem Endgebiete von dem nolhwendig vorauszusetzenden ursprünglichen Niveau auf der Kopfoberfläche in dem Maasse in die Tiefe gerückt, als das La- byrinihbläschen vom Integumente sich abschnürte und in die Tiefe der Schädelwand eingetreten ist vergl. unten über das Hörorgan). Wenn dieses den ursprünglichen Verlauf eines Ramus dorsalis aufwärts durch die Schädelwand voraussetzt, so harmonirt damit der Verlauf dor- saler Aeste anderer Kopfnerven, selbst der Ramus ophlhalmicus trigemini. Der Facialis (Fig. 259. Fa) verhält sich als ein dein Zungenbein- bogen angehörender Ramus ventralis. Ausser der Muskulatur dieses Ab- schnittes versorgt er auch Hauttheile, ist somit anfänglich gemischter Natur. Rei den Teleostiern geht er Verbindungen mit dem Trigeminus ein, und schon bei manchen Haien verschmilzt er mit demselben. Ebenso er- scheint er bei den ungeschwänzten Amphibien mit dem Trigeminus vereinigt. Während er bei den Urodelen wie bei den höhern Wirbel- thiereu sich selbständig erhält und bei den Säugethieren seine sensiblen Elemente anscheinend eingebüsst hat. Hier empfängt er durch die Ausbildung der Gesichtsmuskulatur ein bedeutenderes Verbreitungs- gebiet , während sein Ramus stapedius . Ramus digastricus und stylo- hyo'ideus dem ursprünglichen Zungenbeinbogen -Gebiete zugehören, ebenso der Ramus auricularis. Als Ramus visceralis erscheint der bei Fischen vorhandene Ramus palalinus, der bei den Säugern durch den N. petrosus superficialis major vorgestellt wird, und durch das Ganglion sphenopalatinuni zur Muskulatur des Gaumensegels tritt. Einen schon bei Fischen bestehenden Verbindungszweig des Facialis mit dem dritten Aste des Trigeminus bildet die Chorda tympani. § 3(51. In der Yagusgruppe bietet deren erster Nerv, der Glosso- pharyngcus, die einfachsten Refunde. Rei den Selachiern ist er discret, und scheint auch bei den Teleostiern sich allgemein so zu verhallen, dagegen verlässt er bei Chimären die Schädelhöhle mit dem Vagus, mit welchem er auch bei Cyclostomen wie bei Lepidosiren ver- bunden ist. Aehnlieh verhält es sich bei den Amphibien, indess er bei den anmieten YVirbellhieren in allgemeiner Selbständigkeit sich trifft. Er besitzt bei Fischen (manche Haie) einen Ramus dorsalis, der im Craniuni emporsteigend sich oberflächlich verästelt. Der Hauptslamm Fig. 259; Gp) erscheint damit als ventraler Ast, der längs des ersten kiemenbogens sieh verbreitet und als Ramus visceralis einen Rani US pharuigeus zur Schlundwand schickt. Dieses Verhalten wird mit der Umwandlung des ersten Kiemenbogens dahin inodilicirt, dass der Ramus pharyngeus mit dem in der Zungensehleimhaut endigenden Ramus lingualis den Haupltheil des Nerven vorstellt. Peripherisches Nervensystem 541 An den Glossopharyngeus reiht sieh im Austritte aus dem Nachhirn unmittelbar der Vagus an, dessen Beurtheilung die Kenntniss seines einfachsten Verhaltens voraussetzt , wie es am vollständigsten bei den Haien zu erkennen ist (vergl. Fig. '259). Der Vagus wird hier von Fig. 259. Fig. 259. Kopfnerven eines Hai (Hexanchus griseus.) Rechterseils sind sämmtliche Kopfnerven in ihren von oben her sichtbaren Bahnen dargestellt. Die Schädelhöble ist geöffnet, ebenso der Riickgratcanal , so dass Gehirn und Rücken- mark biosliegen. Das rechte Auge ist mit seinen Muskeln entfernt. Links ist nur das Dach der Orbita weggenommen, so dass der Bulbus mit den Muskeln sichtbar ist. Die rechtsseitige Labyrinth- und Occipitalregion des Craniums ist bis auf das Niveau der hier durchtretenden Nervenstämme abgetragen. A Vordere Schädel- lücke. N Nasenkapsel. Bo Bulbus olfactorius. Tr' Erster Ast des Trigeminus. a Endzweig desselben auf der Ethmoidalregion. Tr" Zweiter Ast. Tr'" Dritter Ast. tr Trochlearis. Fa Facialis. Gp Glossopharyngeus. Vg Vagus. C Ramus lateralis. J Ramus intestinalis, os Muse, obliq. oc. sup. ri M. rectus internus. r'e M. rectus externus. rs M. rectus superior. S Spritzloch. Pq Palatoquadratum. Hm Hyomnndibulare. T Kiemenstrahlen. 4 — 6 Kiemenbogen. brl — br'y Kiemen. 542 Wirbelthtere. ■ einer grossen Anzahl discret vom Nachhirn bis ziemlich weit hinter der Raulengrube hervortretender Wurzeln zusammengesetzt, von denen die vordem dicht hinter dem Glossopharyngeus austretenden die stärkern sind. Daran schliessen sich nach hinten zu immer schwächere an, die in demselben Maasse an der Austrittsstelle weiter von einander entfernt sind. Die letztern sammeln sich nach vorne verlaufend zu einem den vordem sich anfügenden Stämmchen. Der hieraus gebildete gemeinsame Stamm verlässt die Schädelhöhle in schräg nach hinten und aussen gerichtetem Verlaufe und sendet auf dem Wege einen un- ansehnlichen Ramus dorsalis zur Occipitalregion empor. Aus dem Cranium getreten theilt sich der Vagusstamm an die Kiemen , indem er auf den Dorsalgliedern der Kiemenbogen verlaufend eine der Zahl der Kiemenbogen entsprechende Zahl von Kiemenästen abgehen lässt (Fig. 259. 2 — 6). Der erste Kiemenast verläuft zum zweiten Kiemenbogen und sendet noch einen feinen Zweig zum ersten. Darin kommen die Rami branchiales des Vagus mit dem Glossopharyn- geus wie mit dem Facialis überein, die gleichfalls je zu dem nächst vor- hergehenden Rogen feine Zweige entsenden (vergl. Fig. 259). An der Theilungsstelle des Kiemenastes tritt ein Ramus pharyngeus ab, was sich gleichmässig für sämmtliche Rami branchiales wiederholt. Die Fortsetzung des die Kiemenäste abgebenden Vagusstammes tritt als Ramus intestinalis (J) auf den Darmcanal und verzweigt sich auf Schlund und Magen, gibt auch Aeste zum Herzen ab. Vor der Abgabe der Kiemenäste geht vom Vagusstamme ein ansehnlicher Ast dorsal- wärts nach hinten , der als Ramus lateralis (L) längs der Seitenlinie des Körpers an die Haut sich verzweigt und bis zum Schwänze verläuft. Während die den geschilderten Vagusstamm zusammensetzenden Nervenwurzeln in einer Reihe das Nachhirn verlassen, treten dem Vagus noch andere Wurzeln zu, die unterhalb der vorgenannten als höchstens fünf, meist nur 3 oder 2 Fädehen aus dem Nachhirn aus- treten , und jedes durch einen besonderen Canal in der Schädelwand, nach aussen gelangen. Sie sollen mit dem Vagus verschmelzen , und können als untere "Vagus wurzeln bezeichnet werden, wählend die vor- benannten obere sind. Die Austrittsöfmungen der unteren liegen in gleicher Reihe mit den A us trittsöffuun gen der untern Wurzeln der Spinalnerven, die Austrittsstelle des Complexes der obern Wurzeln liegt höher und fällt in eine Linie mit den Durch- lässen für die oberen Wurzeln der Spinalnerven. § 362. Aus den vorhin aufgeführten Thatsachen ergibt sich für d enge- sammten Vagus d ie Au ffass u ng a 1 s ei n es Complexes zahl- reicher mit S p i n alnerven ho m o d y n a m e r N e r v e n . Dafür sprechen einmal die mehrfachen getrennt austretenden untern Wurzeln, Peripherisches Nervensystem. 543 dann aber vorzüglich die Verbreitung des aus den obern Wurzeln sich bildenden Stammes. Indem jeder Ramus branchialis des Vagus sich gleich verhält einem Ramus ventral is eines Spinalner- ven, indem ferner die von ihm versorgten Kiemenbogen als ur- sprünglich dem Cranium angehörige ventrale Bogen zu gelten haben (vergl. § 323) und da endlich jeder der andern Visceralbogen (Kiefer-, Zungenbein- und 1. Kiemenbogen ebenso von je einem Nerven ver- sorgt werden wie ein Metamer des Rumpftheiles von einem Spinal- nerven, so erscheint auch die Summe jener oberen Wurzeln des Vagus als das Aequivalent einer Summe einzelner Nerven , deren Betrag mindestens der Maximalzahl der von ihnen versorgten Kiemenbogen entsprechen muss. Da Gründe zur Ausnahme bestehen, dass schon bei den Selachiern eine bedeutende Rückbildung der Zahl ursprüng- lich vorhandener Kiemen stattfand, wie ein solcher Vorgang wenn auch nur in kleinem Maasse noch innerhalb des Selachierstammes zu beob- achten ist," so ist die Fortsetzung des Vagus auf eine Strecke des Darmrohrs weniger aus einem Uebergreifen des Nerven auf ein ihm ursprünglich fremdes Gebiet, als aus dem Uebergange einer zuerst der Kiemenspalten tragenden Wandung- des Schlundes angehörigen Strecke in einen ausschliesslich der Nahrungsaufnahme dienenden Abschnitt des Tractus intestinalis zu erklären. Auch für die Herzäsle findet sich eine Erklärung, sobald die Entstehung des Herzens zum Theile inner- halb des vom Vagus versorgten Gebietes gewürdigt wird. Was den Ramus lateralis betrifft, so erscheint in demselben ein sensibler Ast des Vagus, der wohl erst allmählich mit der Ausdehnung des von ihm versorgten Sinnesapparales der Seitenlinie sich in diesem Maasse entfaltet hat. Im gesammten Vagus tritt uns also, ganz ähnlich wie es oben in kleinem Maassstabe für andere Nerven, z. B. den Facialis und Trige- minus erweisbar war, eine Vereinigung von Nerven entgegen, die so- wohl in ihrem Austritte, wie im peripherischen Verhalten noch die Spuren eines ursprünglich discreten Bestandes erkennen lassen, und so gelangt diese Auffassung des Vagus mit der Deutung des hinteren Theiles des Craniums in engste Verbindung. Die Erscheinung der Goncrescenz discreter Nerven setzt sich am Vagus der Selachier noch weiter fort, und hebt, indem bei den meisten (z. B. bei allen Rochen) die einzelnen Wurzeln dichter an einander treten, die Andeutungen einer Selbständigkeil auf, welches Verhalten auch für die übrigen Fische vorwaltet. Eine Umbildung einzelner Verhältnisse erleidet der Vagus bei Teleostiern. Von den hinteren Wurzeln desselben sind nämlich einige Fädchen mit einer unteren Wurzel zusammengetreten und bilden einen besonderen das Cranium separat verlassenden Nerven, der zu der Mus- kulatur des Schultergürtels verlaufen soll. Dieser übrigens nur wenig genau gekannte Nerv kommt weder den Selachiern noch den höheren 54 i Wirhelthiere. Wirbelthieren zu, und kann als Accessorius Weberi unterschieden werden. Das übrige peripherische Verhalten (h>s Vagus kommt mit dem oben geschilderten überein. Nur ein einem Theile der Teleostier zu- kommender Dorsalast des Vagus verdient Erwähnung. Derselbe ver- bindet sich mit einem aus dem Trigeminus kommenden Dorsalast (R. recurrens) und \ erläuft von einzelnen Spinalnerven Verbindungs- zweige empfangend zur Basis der Rückenflosse. § 363. Bei den Amphibien verhält sich der Vagus für die Dauer des Be- stehens der Kiemen in einer mit den Fischen übereinkommenden Weise und sendet sogar einen Bamus lateralis ab, der bei den Gaduci brauch iaten nach Rückbildung der Kiemen mit den Kiemenäslen gleiches Schicksal theill. Die amnioten Wirbelthiere besitzen den Vagus nur aus dem vor- deren Abschnitte der bei den Selachiern als obere Wurzeln beschrie- benen Reihe, und der daraus gebildete Stamm nimmt seine Vertheilung an dem Tractus intestinalis bis zum Magen herab, nachdem durch den Mangel von Kiemen die Kiemenäste verschwinden, oder, was wohl richtiger, theilweise in Bami pharyngei umgebildet sind. Wie bei den Fischen die aus dem Darmrohre difterenzirte Schwimmblase Vagus- zweige empfängt, so erhält auch der eine gleiche Genese besitzende Athmungsapparat der Amphibien wie der Amnioten Nerven vom Vagus, von denen sich einzelne mit der Ausbildung eines Kehlkopfes und seiner Muskulatur zu eonstanten Zweigen gestalten. Auch die Be- ziehungen zum Herzen erhalten sich fort, da aber sowohl letzteres als auch das Endgebiet des Vagus am Magen wie an den Lungen viel weiter als bei den Anamnia vom Kopfe sich entfernt hat, so wird da- durch der Verlauf des Vagus heeinflusst , der jenen Lageveränderungen sich anpassend einen langen Nervenstamm repräsentirl. Der hintere Abschnitt der bei Selachiern in den Vagus eingehen- den Wurzeln schliessl sich bei den Amnioten zu einem Nervenstämm- chen zusammen, das als Accessorius Willisii bezeichnet, theil- weise mit dem Vagus- sich verbindet, theilweise in Muskeln des Schulter- gürtels tritt. Die den Nerven bildenden Wurzelfäden reichen mit ihrem Ursprünge aus der Medulla besonders bei Säugelhieren weit nach hinten, zwischen die Austrittsslelle der oberen und unleren Wurzolreihen von Spinalnerven gelagert, und zwar bis zum 6. oder 7. hinab. Endlich formiron auch die unteren Wurzeln des Vagus -Gebietes bei den Amnioten einen besonderen Norvcnslamin, den 11 \ poglossus , der die Muskeln der Zunge versorgt. Von seinem primitiven Verhalten behält er die Zusammensetzung aus mehreren und zwar gelrennt aus dem Schädel tretenden Wurzelfäden bei, die auch noch bei Säuge- thieren zu zweien sieh vorfinden. Somit trifft sieh also für den un- B. Peripherisches Nervensystem. 545 teren aus dem Nachhirn austretenden Nervencomplex die grösste Summe von Umgestaltungen. Aus einer den ursprünglichen Kiemenbogen ent- sprechenden Anzahl von discreten Nerven entstanden , erscheint er noch am indifferentesten bei den Selachiern , sondert bei Teleostiern einen hintern Abschnitt als besonderen Nerven ab, indess bei den höheren Wirbelthieren (Amniota) aus jenem Complex drei verschiedene Nerven gebildet werden. c) Eingeweidenervensystem. § 364. Die bei den Spinal- und Cerebralnerven erwähnten Rami visce- rales bilden die cerebrospinalen Wurzeln des sympathischen oder Eingeweidenervensystems. Nach dem Abgange aus den Cerebrospinal- nerven stehen jene Eingeweideäste meist durch eine längs der Wirbel- säule verlaufende, auch an die Schädelbasis sich fortsetzende Commissur jederseits unter sich in Verbindung, wodurch der Grenzstrang des Sympathicus zu Stande kommt. An den Verbindungsstellen desselben mit den Rami viscerales der Gerebrospinalnerven finden sich Ganglien, die Ganglien des Grenzstranges, und von da aus setzen sich die aus den dem Sympathicus eigenen Fasern und Cerebrospinalfasern bestehen- den Nerven zu ihren Verbreitungsbezirken fort. Die einzelnen , sei es direct zu den Eingeweiden tretenden, sei es erst den Grenzstrang durchsetzenden Nerven, sammeln sich meist in grössere für die Haupt- abschnitte der Eingeweide bestimmte Stämme, die als N. cardiaci, splanchnici etc. bekannt sind. Sie bilden reiche Geflechte, in welche wiederum zahlreiche Ganglien sich einlagern , wie denn auch verein- zelte Ganglienzellen vielfach in den Verlauf der sympathischen Nerven- bahnen eingeschaltet sind. Die Verbreitung dieser Geflechte findet am Darmrohr und allen aus demselben hervorgehenden Organen, sowie am Gefässsystem und den Urogenitalorganen statt. Den Acrania scheint dieser Theil des Nervensystems zu fehlen, und unter den Cyclostomen wird er bei den Myxino'fden vermisst, wo der Vagus wenigstens das Darmgebiet des Sympathicus versorgen soll. Von den Fischen an besteht dagegen allgemeine Verbreitung, wenn auch mit zahlreichen Modificationen der Ausdehnung und des Verlaufs des Grenzstranges, sowie der aus dessen Ganglien zum Verbreitungsbezirke abgehenden Nerven. Sinnesorgane. § 365. Die Anordnung und der Bau der Sinnesorgane lassen im Allge- meinen ähnliche Zustände wie hei vielen wirbellosen Thieren erkennen, allein diese Apparate bieten so viel Besonderes , dass eine unmittel- Gegenbaur, Grundriss. 35 546 Wirbelthiere. Fig. 260. bare Anknüpfung an die Sinnesorgane Jener vornehmlich für die Organe der höheren Sinne nicht gerechtfertigt ist. Für alle gemeinsam bestehen Differenzirungen des Integumentes, die sich mit Nerven in Zusammenhang setzen. Die Art der Betheiligung des Integumentes ist nach der Qualität des Organes verschieden. Man unterscheidet die Sinnesorgane in solche, welche einer specifischen Wahrnehmung vorstehen, als höhere Sinnesorgane, und in solche, welche indifferenterer Natur verschiedenartigen Wahrnehmungen zu dienen scheinen , die man sämmtlich dem Gefühlsinne unterstellt. Da unter den nicht zu den bekannten spe- cifischen Sinnesorganen zu zählenden Apparaten manche durch eine hochgradige Differenzirung sich auszeichnen . ohne dass die Einrichtungen erlaubten, sie als einfach dem »Tastsinn« die- nende Organe anzusehen, ist es nicht ungerecht- fertigt, ausser den bekannten noch andere spe- cifische Sinnesorgane anzunehmen. Die grösste Mannichfaltigkeit der hieher be- züglichen Organe waltet bei den Fischen , und scheint mit dem Leben im Wasser in Zusammen- hang zu stehen, da manche dieser Einrichtungen auch bei Amphibien wiederkehren. Als die wichtigsten Organe dieser Art sind folgende auf- zuführen : I. Becherförmige Organe. In die Epidermisschichte eingebettete , grössere , von langen , wie es scheint contractilen Zellen um- gebene Gebilde, welche stäbchenförmige End- apparate von Nerven bergen , sind in der Haut von Teleostiern und vom Stör beobachtet und scheinen auch bei Amphibien verbreitet zu sein. Auch am Kopfe von Reptilien kommen sie vor. 2. Schle i mcanäle. Ein am Kopfe von Fischen in regelmässiger Form sich verzweigendes Röhrensystem verläuft in der Lederhaut und öffnet sich an bestimmten Stellen mit Seitenzweigen nach aussen. Nahe der Mündung enthält die Röhre den Endapparat eines Nerven- zweiges. In gleichem Verhalten vom Kopfe aus erstreckt sich ein Canal längs der Seite des Körpers bis zum Schwänze. Sowohl an dieser Seitenlinie wie am Kopftheile des Röhrensystems erhalten die Nerven- endigungen bei Gano'iden und Teleostiern einen vom Hautskelete ge- lieferten Schutzapparat, indem sie entweder in modificirte Schuppen Fig. 260. Becherförmige Organe aus der Gaumenschleimhaut von Tinea. n Die Lamellen der Lederliaut durchsetzende Nervenbündel, welche zu den in der Epidermis gelagerten, von Papillen getragenen Bechern b treten. Von diesen ist nur die äussere aus langen Zellen gebildete Partie dargestellt. (Nach E. Schulze.) Sinnesorgane. 547 eingebettet sind oder sogar auf Strecken in den grössern Deckknochen des Kopfes sich bergen. Sie wurden früher für einen schleimabson- dernden Apparat gehallen. Von diesen Organen sind bei Amphibien- larven Spuren beobachtet, welche später verschwinden. 3. Gallertröhren. Verschieden lange mit einer Gallerte ge- füllte dünnwandige Röhren münden mit feinen Oeffnungen aus, und tragen am entgegengesetzten Ende in einer ampullenartigen mannichfallig gestal- teten Erweiterung gleichfalls Nervenendigungen. Diese Organe sind am Kopfe der Selachier in grosser Menge verbreitet, meist in die Nähe des Rostrums gelagert , aber auch an entfernte Theile verlaufend ; so sind sie z. B. bei den Rochen bis über die Brustflosse erstreckt (Fig. 247. /) . Bei den höheren Wirbel thieren erscheinen die Nervenendigungen im Integumente, soweit sie bis jetzt bekannt, mit minderen Compli- cationen, wie z. B. in den in den Cutispapillen gelagerten Tastkörper- chen der Säugelhiere. Modificationen verschiedener Körpertheile in Verbindung mit Aus- bildung der dem bezüglichen Integumentüberzuge zukommenden End- organe der sensiblen Nerven lassen besondere als Tastorgane fun- girende Apparate entstehen. Die einzelnen Vorrichtungen dieser Art sind ausserordentlich mannichfacb, und gehören zu den aus speciellen Anpassungen entstandenen Bildungen, daher sie nur kurz zu erwähnen sind. Bei den Fischen werden solche Organe durch die bei vielen in der Nähe des Mundes stehenden »Barteln« vorgestellt, die jedoch sicher- lich ebenso gut als Lockorgane fungiren. Sie finden sich bei Stören, Welsen , manchen Cyprinoiden etc. Bei den Triglen fungiren einige von den Brustflossen abgelöste nervenreiche Strahlen vorzugsweise als Tastorgane. Bei den Vögeln hat der Tastsinn nicht selten seinen Sitz in der weichen Spitze des Schnabels; so bei den Schnepfen, Enten etc. Dann finden wir bei den Säugethieren als Tastapparate steife, borsten- ähnliche, an der Oberlippe oder auch über den Augen stehende Haare, die nicht allein beträchtlich verlängert sind , sondern auch durch den Nervenreichthum ihrer Follikel vor den übrigen Haarbildungen sich auszeichnen. Endlich dienen bei vielen Säugethieren die Gliedmaassen selbst sowohl durch den Nervenreichthum ihrer Volar- und Plantar- fläche, als durch die Beweglichkeit ihrer Endglieder zu solchen Vor- richtungen. § 366. Da der Geschmackssinn sich unserer Beurtheilung in dem Maasse entzieht, als ein Organismus dem menschlichen entfernt -steht, wird über Geschmacksorgane der meisten Wirbelthiere mit wenig Sicherheit zu urtheilen sein. Es können daher nur im Allgemeinen die in der Mundschleimhaut gelegenen Endorgane von Nerven als solche Organe angenommen werden. Diese bieten bei Fischen nichts Spezi- fisches dar, sind vielmehr mil den auch im äussern Integumente ver- 35* 548 Wirbelthiere. breiteten becherförmigen Organen in Uebereinstimmung , was aus der Genese der Mundhöhle leicht begreiflich wird. Am genausten sind sie von der Gaumenregion bekannt (vergl. Fig. 260), an der bei den Cypri- no'i'den die Schleimhaut mit reichen Muskelfasern durchwebt ist. Bei den Amphibien erscheint die Zunge als der vorzugsweise Sitz jener Gebilde die man auch als »Schmeckbecher« bezeichnet hat, und wenn die Zunge bei Reptilien und Vögeln in der Regel jenen Beziehungen entfremdet erscheint, so findet sie sich doch wieder bei den Säugethieren mit denselben Schmeckbechern ausgestattet, die an den Seitenflächen der Papulae circumvallatae angebracht sind. Ri echorgane. § 367. Riechorgane treten bei allen Wirbelthieren als flache, am Kopfe gelegene Gruben auf, in denen der Olfactorius mittels stäbchenförmiger Endapparate vom umgebenden Medium Erregungen zu empfangen im Stande ist. Es ist also eine differenzirte Strecke des Integumentes, welche das Sinnesorgan vorstellt. Wenn wir auch bei den im Wasser Lebenden — Fischen und Amphibien — keineswegs im Stande sind, diesen Gebilden genau dieselbe Function zuzuschreiben , die sie bei den in dem anderen Medium lebenden nachweisbar besitzen, so muss es doch gestattet sein , sie wenigstens mit dem Namen jener Organe zu bezeichnen, da wir sie in conlinuirlicher Folge zu den complicir- teren, bestimmt Geruchswahrnehmungen dienenden Organen der höheren Wirbelthiere übergehen sehen. Bei den Leplocardiern ist jene Riechgrube unpaar (Monorhina). Ebenso erscheint das Organ bei den Gyclostomen, jedoch in einen tieferen Schlauch (Fig. 211. g') umgewandelt, der bei Petromyzon blind geendigt (gr), bei den Myxinoiden in einen den Gaumen durchbohren- den Canal umgestaltet ist , dessen Wandungen ein durch Knorpelringe gebildetes Rohr stützt. Die ührigen Wirbelthiere (Amphirhina) be- sitzen paarige Riechgruben. Bei den Fischen bleiben sie meist in diesem Zustande bestehen oder erscheinen nur wenig vertieft. Vom Rande her ragen bei den Selachiern zwei Fortsätze einander entgegen, durch welche die ursprünglich einfache Oefmung in eine ein- und eine ausleitende zerlegt wird. Die Knochenfische zeigen dies Verhältniss noch weiter gestaltet, indem über die Grube eine continuirliche Haut- brücke gespannt ist , und beide somit völlig gelrennte Oeffnungen zu- weilen sogar weit auseinander rücken können. Beide Oeffnungen, am häufigsten die vordere, können röhrenförmig vorspringen. Die aus- kleidende Schleimhaut bildet bald radiäre bald parallele Falten, welche mit secundären Fältchen eine beträchtliche Oberflächenvergrösserung hervorrufen. Die gesammte Fläche nimmt die Endigungen des Riech- Fig. 261, Riechorgane. 549 nerven auf. In einer andern Modifikation erstreckt sich die Riech- schleimhaut über eine papillenartige Vorragung, wobei unter Entfaltung der Oberflächenvergrösserung nach aussen hin , die Grubenbildung aufgehoben wird. Viele Selachier und die Chimären besitzen eine Verbindung der Riechgrube mit der Mundöflhung, indem eine von ersterer ausgehende Rinne (Nasen rinne) zum Mundwinkel führt (Fig. 261). Die Rinne wird häufig von einer medialen Hautfalte überlagert, und gestaltet sich nicht selten zu einem tieferen Canale (Rochen). In dieser Einrich- tung erkennen wir einen Schrittt zu dem Verhalten der übrigen Wirbel- thiere, deren Riechgruben nur während einer frühen Embryonalperiode ober- flächlich gelagert sind. Die bei den Fischen bleibende Einrichtung geht hier vorüber, und ein während der Weiter- entwickelung sich abspielender Process lässt die Riechgruben in die Tiefe tre- ten. Dies geschieht durch bedeuten- des Wachsthum der die Gruben me- dial, vorne und lateral begrenzenden Theile, und indem auch die Ränder der Nasenrinne gegeneinander wachsen, entsteht ein Canal, der von der Riechgrube, und damit von aussen nach innen zur primitiven Mundhöhle führt, und hinter dem nunmehr von neuen Theilen gebil- deten Kieferrande sich öffnet. Dieses Verhalten repräsentiren die Dipno'i und die Amphibien. Die innere Oeffnung des Nasencanals liegt bei den ersteren wie bei den Perennibranchiaten sogar noch innerhalb des weichen Mundrandes. Rei den Salamandrinen und bei den Anuren ist sie von festen Kiefer- theilen umgrenzt. Die primitive Riechgrube selbst ist mit der Rildung eines Nasen- canals in die Tiefe einer Höhle gerückt, die als eine Ausbuchtung des Canals erscheint, und durch diesen sowohl nach aussen als nach innen communicirt. Die Fläche der Riechgrube complicirl sich dabei durch Rildung von Vorsprüngen, welche vom Knorpel der Ethmoidalregion eine Stütze erhalten, die Nasenmuscheln. Rei den Amnioten kommen fernere Complicationen zum Vorschein durch welche der obere Theil der primi- tiven Mundhöhle zu einem die Riechgrube aufnehmenden Räume sich ge- staltet, in dessen oberem Abschnitte die Riechschleimhaut ausgebreitet ist. Die den Endapparat des Olfactorius tragende Schleimhautfläche ist bei den meisten Säugethieren durch gelbliche oder bräunliche Färbung Fig. 261. Untere Fläche des Kopfes von Scyllium. m Mundspalte, o Ein- gang zur Riechgrube, n Nasenklappe in natürlicher Lage, n' Aufgeschlagene Nasenklappe, r Nasenrinne. Die Puncte stellen Mündungen der Schleimcanäle vor. 550 Wirbelthiere. charakterisirt. Die primitive Riechgrube ist dabei nicht mehr als deut- lich abgegrenztes Organ unlerscheidbar, so dass die neue Einrichtung der Nasenhöhle am besten bei jenem Apparate betrachtet wird, dem sie ihre Entstehung verdankt, der Mundhöhle. Sehorgane. § 368. Das Auge der Wirbelthiere erscheint im Wesentlichsten auf ähn- liche Weise gebaut wie bei höher entwickelten Abtheilungen niederer Thiere, allein schon in der Ontogenie des Organes spricht sich ein anderer Typus aus, der nicht minder in den feineren Structurverhäll- nissen wiederkehrt. Wir haben deshalb keine unmittelbare Verknüpfung mit den relativ ausgebildeten Zuständen des Sehorganes anderer Thier- stämme, treffen dagegen in der niederen Form des Auges von Amphi- oxus Verknüpfungen mit den bei Würmern bestehenden Verhältnissen. Jenes Auge erscheint als ein unmittelbar dem centralen Nervensystem aufgelagerter Pigmentfleck. An der Zusammensetzung des Auges betheiligt sich sowohl das centrale Nervensystem als das Integument. Ersteres lässt die licht— pereipirenden, letzteres die lichtbrechenden Apparate hervorgehen. Als erste Anlage des Auges erscheint eine seitlich vom Vorderhirn sich entwickelnde Ausbuch- Fig. 262. tung (Fig. 262. A. a), die sich zu einer durch einen Stiel (6) mit der Hirnanlage (c) zusam- menhängenden Blase ge- staltet. Indem diese »primitive Augenblase« gegen das Integument vorwächst, tritt sie mit letzterem zusa mmen und von dem die Epidermis- schichte repräsentiren- den Hornblatte des Integumentes beginnt eine Wucherung, welche die vordere Wand der Blase gegen die hintere einstülpt (Fig. 262. B). In gleicher Weise wächst unter dieser Wucherung von der Anlage des Corium her gegen die Augenblase ein Fortsatz , welcher auch deren Fig. 262. A Senkrechter Querschnitt durch die Kopfanlage eines Fisches. c Gehirn, a Primitive Augenblase, b Stiel derselben , durch den sie mit dem Medullarrohr communicirt. d Hautschichte. B Spateres Stadium. Bildung der seeundären Augenblase, p Vordere Wand (Pigmentschichte), r Hintere Wand (Retinaschichte) der primitiven Augenblase, e Hornblatt (Epidermis) in die seeun- däre Augenblase die Linse / einsenkend. Dahinter Glaskörper. (Nach S. Schenk.) 1 Sehorgane. 551 seilliche Wand mit der vorderen Einstülpung in Zusammenhang bringt. Die vordere und hintere Wand der primitiven Augenblase werden durch diese Vorgänge gegen einander gelagert, und das Ganze erhält als secundäre Augenblase die Gestalt eines Bechers, dessen Rand die vom Hornblatte gelieferte Wucherung umfasst. Letztere wird allmäh- lich von ihrem Zusammenhange mit dem Hornblatte getrennt und bildet die Anlage der Linse (/). Hinter der letzteren geht mit der Umbil- dung des Stieles der primären Augenblase in den Sehnerven in diesen mit eingeschlossenes Gewebe in eine allmählich den grösslen Theil des Bulbus füllende Substanz über, welche den Glaskörper vorstellt. Von dem die secundäre Augenblase umlagernden Gewebe wird die innerste Schichte zu einer gefässhaltigen Haut, der Chorioidea, indess die ausserhalb der letzteren liegende Schichte eine festere faserige Mem- bran bildet, die als Sclerotica die secundäre Augenblase umhüllt, und nach vorne zu gegen die Verbindung der Linse mit dem Horn- blatte auswächst. Die Fortsetzung dieses Vorganges bedingt die Ab- schnürung der Linse , und ein vor derselben gelagerter durchsichtiger Abschnitt der Faserhaut bildet die Cornea, die gleichzeitig mit der vor ihr liegenden Integumentanlage (Gonjunctiva) sich verbindet. Wir finden also für dieses Stadium das Auge durch eine rund- liche Kapsel (Bulbus oculi) vorgestellt, deren Hülle (Sclerotica) sowohl als Ueberzug über den Sehnerven, und von da zur Dura mater sich fort- setzt, als auch vorne in die Cornea übergeht. Im Innern dieser Kapsel liegt die aus der eingestülpten primären hervorgegangene secundäre Augenblase, welche durch die Chorioidea von der Sclerotica getrennt wird. Die secundäre, durch das Einwachsen des »Glaskörpers« mit einer seitlichen Spalte versehene Augenblase umfasst vorn die Linse. Ihre beiden an diesem Vorderende wie an der seitlichen Spalte (Fig. 263. s) in einander um- Fja 263 biegenden Schichten [a. b) gehen eine verschiedene Differenzirung ein, indem die innere (6) schon sehr frühzeitig bedeutend verdickte, zur Retina, die äussere dünne (a) dagegen zum Tapetum nigrum wird. An der untern inneren Seite der Anlage des Augapfels wird mit dem Auf- treten des Pigmentes im Tapetum nigrum ein heller Streifen deutlich, der vom Sehnerv bis zum freien Vorderrande der Chorioidea sich er- streckt. Er entspricht der durch das Einwachsen der Glaskörperanlage an der secundären Augenblase auftretenden Spalte (s), die somit Retina Fig. 263. Durchschnitt durch die secundäre Augenhlase eines Fischembryo, senkrecht auf die «Chorioidea Ispalte« s. a Aeussere Lamelle (Tapetum nigrum). c Innere Lamelle (Retina) der Augenblase, c Vom Glaskörper erfüllter Raum. d Linse, an welche die eingestülpten Ränder der Chorioidealspalte sich anlegen. (Nach S. Schenk.) 552 Wirbelthiere. und die Pigmentschichte der Ghorioidea (Tapetum pigrum) betretfen muss. Man bezeichnet sie als Chorio'i'dealspalte , obgleich die ausser- halb der hier getrennten Theile liegende Ghorioidea keineswegs davon betroffen ist. An dieser so gestalteten Anlage des Auges ergeben sich fernere Veränderungen theils durch Differenzirung der einzelnen oben ange- führten Theile, theils durch Modificationen der Gestalt des Ganzen. Mit dein Eindringen des Gutisfortsatzes in die seeundäre Augenblase, wobei derselbe Vorgang auch an dem den Stiel der Blase darstellenden Sehnerven stattfindet, gelangen, (wenigstens bei Säugethieren) Blut- gefässe in den Binnenraum und verbreiten sich in der Peripherie der Glaskörperanlage, wo ihnen ein bedeutender Antheil an der Ernährung und am Wachsthum dieses Gebildes zuerkannt werden muss. Auch die Linse wird bei Säugethieren von einer gefässführenden Bindegewebs- kapsel umgeben, die vor der Geburt, bei manchen sogar erst später, wieder verschwindet. § 369. Bezüglich der Formverhältnisse des Bulbus ergibt sich für die Fische (Fig. 262) eine bedeutende Abflachung des vorderen Segmentes, indem der im Verhältnisse zur Sclerotica sehr ausgedehnten Cornea bei bedeutender Dicke nur eine geringe Wölbung zukommt. Auch unter Fig. 264. Fig. 265. Fig. 266. den Amphibien finden sich einzelne Abtheilungen mit vorne abge- flachtem Bulbus, während unter den Reptilien bei Schlangen und Grocodilen eine bedeutendere Wölbung der Cornea charakteristisch ist. Bei den meisten Vögeln (Fig. 266) wird der Bulbus in ein vor- deres und hinteres Segment getheilt, wovon das erstere die stark convexe Cornea trägt und vom hinteren scharf abgesetzt ist. Diese eigenthüm- liche Augenform erscheint am meisten bei Raubvögeln ausgeprägt, da- gegen treten bei den Schwimm- und Stelzvögeln mit bedeutender Abflachung der Cornea die umgekehrten Verhältnisse auf. Auch unter c Cornea, p Pro- fi Processus Fig. 264. Auge von Esox lucius. Horizontalschnitt cessus falciformis. s' s' Verknöcherungen der Sclerotica. Fig. 265. Auge von Monitor. Horizontalschnitt, c Cornea falciformis. Fig. 266. Auge von Falco chrysaetos. Horizontalschnitt, j) Kamm. (Nach W. SÖMMERMNG.) Sehorgane. 553 den Säugethieren besieht bei vorherrschender sphärischer Form doch eine grosse Mannichfaltigkeit. Bezüglich der einzelnen Theile des Wirbelthierauges ist für die Sclerotica anzuführen, dass sie durch die verschiedenen Formen der Bindesubstanz dargestellt sein kann, und bald aus derbem Binde- gewebe besteht, bald aus knöchernen Theilen oder aus Knorpel ge- bildet wird. Letzteres Verhalten findet sich bei den Selachiern, Chi- mären und Gano'iden , ferner bei den Amphibien vor. Bei den Knochenfischen sind diese Verhältnisse am mannichfaltigsten und bald ist die Sclerotica nur aus Bindegewebe , bald aus Bindegewebe und Knorpel, bald wieder aus diesem und Knochenstücken gebildet. Bei Eidechsen, Schildkröten und Vögeln wird der vordere, an die Cornea stossende Theil der Sclerotica durch einen Kranz flacher anein- ander liegender oder über einander sich wegschiebender Knochenstücke (Scleroticalring) gestützt (Fig. 266. s'). Mit Ausnahme der Monotremen wird die Sclerotica der Säugethiere aus Binde- gewebe dargestellt. Die Dickeverhältnisse der Sclerotica sowohl in den einzelnen Gassen der Säugethiere, wie auch an verschiedenen Stellen des Auges sind vielen Schwankungen unter- worfen. In der Begel ist die Dicke am beträcht- lichsten am Uebergange in die Cornea ; bei den im Wasser lebenden Säugethieren nimmt die Dicke nach hinten bedeutender zu, z. B. bei Walfischen, (Fig. 267. s). Die Chorio'idea setzt sich aus mehreren Schichten zusammen, die im Ganzen mit den vom Menschen bekannten übereinstimmen. Die gefässhaltigen Schichten, sowie der Pigmentüberzug sind die wich- tigsten davon. Vorne bildet sie die faltigen, bei Selachiern und Ga- noi'den (Stör) wenig entwickelten, bei den meisten Teleostiern fehlenden Ciliarfortsätze und setzt sich von da als Iris fort, die mit ihrem Innen- rande die in ihrer Gonfiguration sehr verschiedene Pupille begrenzt. Diese ist z. B. unter den Säugethieren in die Quere ausgedehnt bei Wiederkäuern und Einhufern , zuweilen mit vorhangartigen Fransen ausgestattet (Ziegen, Kameele). Vertical verlängert erscheint sie bei Carnivoren. Eine eigenthümliche Modification der Chorioi'dea findet sich im Augengrunde vieler Wirbclthiere als Tapetum lucidum, welches eine meist grünliche oder bläuliche, metallisch schimmernde Stelle von verschiedener Ausdehnung vorstellt und bald durch Gruppen nadei- förmiger Krystalle in den Zellen der Tapetumschichte (Selachier), bald durch ein faseriges Gewebe (carnivore Säugethiere und Wieder- Fig. 267. Auge von Balae na mysticetus. Horizontalschnitt. (Nach W. Söm- MERRING.) 554 Wirbeltliiere. kauer) dargestellt wird. Sie bedingt das Leuchten der Augen im Dunkeln. Als eine besondere der Chorioidea äusserlich anliegende Bildung kommt bei Fischen ein Gefasspiexus vor, die sogenannte Chorioideal- drüse. Eine den vorderen Abschnitt der Chorioidea umgebende mus- kulöse Schichte bildet zum grössten Theil den als Ligamentum ciliare bekannten Ring, der meist in mehrere Schichten geordnet ist. Von da aus setzt sich die Muskulatur in die Iris fort, in der radiäre und circuläre Fasern vorkommen. Bei Fischen, Amphibien und Säugethieren besteht diese Muskulatur aus glatten Fasern; aus quergestreiften bei Reptilien und Vögeln. Die der Chorioidea angelagerte Retina erstreckt sich bis zum Anfange des Ciliarkörpers der ersteren nach vorne. In ihr findet der Sehnerv seine Ausbreitung und Endigung. Die Verlheilung der Seh- nervenfasern nimmt die innerste vom Glaskörper nur durch eine dünne Membran getrennte Schichte der Retina ein, darüber, also nach aussen zu liegt eine Schichte von Ganglienzellen, worauf noch zwei aus kleinen Zellen gebildete Schichten (sog. Körnerschichten) folgen , die durch Schichten theilweise radiärer Fasern von einander getrennt sind. Diese Schichten werden von den Endfasern des Opticus derart durchsetzt, dass die Elemente der Schichten mit jenen zusammenhängen , gleich- sam in sie eingeschaltet sind. Zu äusserst folgt endlich eine aus Stäb- chen - und zapfenförmigen Gebilden zusammengesetzte Schichte, die Stäbchenschichte. Diese den Krystallstäbchen des Arthropodenauges oder den Stäbchen des Molluskenauges ähnlichen Endapparate sind also hier der Oeflhung des Auges abgekehrt, und dadurch unterscheidet sich das Wirbelthierauge von den Sehwerkzeugen der Wirbellosen, wie sehr auch sonst, z. R. im Molluskenauge, manche Uebereinstimmun- gen bestehen. Dieses gänzlich verschiedene Verhalten des percipiren- den Apparates ist ein neuer, verwandtschaftliche Verhältnisse zwischen Mollusken und Vertebraten ausschliessender Punkt. Mit der Ent- stehung der secundären Augenblase hängt die Rildung eines besonderen Organes zusammen, welches von der Uebergangsstelle des Sehnerven in die Retina in den Glaskörper eindringt, und ohne directe Verbin- dung mit der Chorioidea einen gefässhaltigcn dunkel pigmentirten Fort- satz vorstellt. Ein solcher findet sich als processus falciformis im Auge mancher Teleostier. Das bei manchen Fischen durch eine Schichte glatter Muskelfasern ausgezeichnete Ende bietet eine an den hinteren Theil der Linsenkapsel befestigte Anschwellung, (Campanula IIa II er i) (Fig. '264. p). Diese Fortsatzbildungen bestehen in etwas modificiiter Weise auch im Auge der Reptilien und Vögel. Rei Eidechsen kommt eine kolbig verdickte, den Rand der Linsen- kapsel erreichende Falte vor, die auch Wiederholungen mehrerer Falten neben sich haben kann (Fig. 265. p). Im Auge der Crocodile ist dieses Gebilde wenig entwickelt. Rei den Vögeln ist es durch Ver- Sehorgane. 55ö mehrung der Falten ausgezeichnet, und wird als Kamm unterschieden (Fig. 266. p). Mit breiter Basis entspringend ragt es in den Glas- körper und erreicht bei manchen Schwimm- und Stelzvögeln gleich- falls die Linsenkapsel. Bei den Struthionen ist das Ende des mehr konisch gestalteten Kammes beutelartig erweitert 'Marsupium). Dem Apleryx fehlt er ebenso wie den Säugethieren. Daraus ergeben sich Verschiedenheiten für die Eintrittsstelle des Sehnerven, die je nach der Ausdehnung der Basis dieses Fortsatzes verschieden weit sich nach der Seite erstreckt. Hinsichtlich der Linse ist die nach den Medien wechselnde Form bemerkenswert!!. Sehr gross und vollkommen sphärisch erscheint die Linse der Fische, auch bei Amphibien wiederholt sich die runde Ge- stall und bei den im Wasser lebenden Säugethieren, indess sonst, wie bei Beptilien und Vögeln, mehr abgeplattete Formen, allerdings in verschiedenen Abstufungen bestehen. Durch die Befestigung der Linse an den Ciliartheil der ChorioTdea wird der Binnenraum des Auges in einen vorderen und hinteren Baum geschieden. Den hinteren füllt der Glaskörper, der vordere zwischen Vorderfläche der Linse und Cornea liegende ist häufig auf einen minimalen Abschnitt beschränkt, indem die Linse bei Beptilien , und bei Vögeln sehr nahe hinter der Cornea liegt, und dann unmittelbar vor sich die Iris aufgelagert hat. § 370. Mit dem Auge stehen Hilfsorgane in Verbindung, welche theils zur Bewegung, theils zum Schutze des Bulbus dienen, und in ihrer Umbildung sehr .verschiedene Grade aufweisen. Die Bewegungen des Augapfels werden allgemein durch sechs, bei den Myxinoiden rückge- bildete Muskeln vermittelt. Von diesen sind vier als gerade, zwei als schiefe zu unterscheiden. Die geraden nehmen ihren Ursprung vom hinteren Theile der Orbita und sind bei vielen Teleostiern in Anpassung an eine durch bedeutenderes Volum des Bulbus bedingte Länge in einen Canal an der Schädelbasis eingebettet. Allgemein ist ihr Ursprung ziemlich weit hinter der Austrittsstelle des Opticus, erst in den höhern Abtheilungen werden Beziehungen zu jener Stelle erlangt. Zu den vier geraden Augenmuskeln kommt bei den Amphibien und Beptilien noch ein den Bulbus rückziehender Muskel, welcher den Opticus um- lagert. Dieser erhält sich auch bei den meisten Säugethieren und zer- fällt in mehrere , von der Eintrittsstelle des Sehnerven in die Orbita zum Bulbus tretende Abschnitte (bei Carnivoren in vier). Von den beiden an dem vorderen Theile der medialen Orbitalwand entspringen- den Obliqui geht der obere bei den Säugethieren eine Aenderung des Verlaufs ein. Er hat nämlich seinen Ursprung mit den geraden Augen- muskeln gemein , und sendet die Endsehne durch eine Gelenkrolle im Winkelverlaufe zum Bulbus. 556 Wirbeltliiere. Die Schulzorgane des Auges zerfallen in die Augenlidbildungen und einen Drüsenapparat. Das Auge erhält schon bei der Anlage des Bulbus einen Ueberzug des Integumentes, welcher stets die Cornea überkleidet (Conjunctiva corneae), oder über einen Theil des vorderen Abschnittes der Sclerotica sich erstrecken kann (Conj. scleroticae) . Durch Faltenbildung des Integumentes in der Nähe des Bulbus ent- stehen vor ihn sich lagernde und ihn mehr oder minder deckende Duplicaturen. Die innere Lamelle dieser Falten ist eine Fortsetzung der Conjunctiva. die am Bande ins äussere Integument übergeht. Solche Augenlidbildungen bestehen bereits bei Fischen. Zwei wenig vorragende und bewegliche Duplicaturen erscheinen bei Selachiern als Andeutungen eines oberen und unteren Augenlides , und bei manchen Haien ist noch eine am vorderen Augenwinkel entstehende dritte Du- plicatur vorhanden, die vor die Aussenfläche des Bulbus gezogen werden kann (Nickhaut). Gano'i'den und Teleoslier besitzen nur die unbe- weglichen Falten oder auch nur Andeutungen davon, und dann meist derart gelagert, dass sie als vorderes und hinteres Augenlid unter- schieden werden. Am häufigsten geht das Integument sogar glatt an die Cornea über. Eine derartige Verbindungsweise zeigt sich auch bei den Perennibranchiaten und Derotremen. Manche Salamandrinen und die Mehrzahl der ungeschwänzten Amphibien sind mit horizontal ge- lagerten Augenlidern versehen , von welchen das untere bewegliche wie eine Nickhaut fungirt. Bei den Beptilien und Vögeln ist die bei Selachiern vorhandene Ein- richtung weiter entwickelt, indem nicht nur die Nickhaut, sondern auch ein oberes und unteres bewegliches Augenlid vorhanden ist. Bei manchen Sauriern (Ascalabotae) und den Schlangen werden Augenlider als eine ringförmige Falte angelegt, die weiter vorwachsend schliesslich eine vor dem Auge liegende pellucide Membran bilden , welche die Cornea von aussen gänzlich abschliesst. Der circulären Anlage dieser Bildung entspricht das kreisförmige Augenlid der Chamäleonlen. Für die beiden horizontalen Augenlider wie für die Nickhaut besteht ein Muskelapparat, besonders für letztere von complicirter Beschaffenheit. Während die beiden horizontalen Augenlider bei Säugethieren fortbe- stehen , nur mit der Verschiedenheit , dass das obere gegen das bei Beptilien und Vögeln grössere untere überwiegt, ist die Nickhaut Bück- bildungen unterworfen. Sie besteht zwar noch bei Vielen, und besitzt wie auch die beiden anderen Augenlider eine Knorpellamelle als Stütze, aber in einzelnen Abtheilungen ist sie auf eine am vorderen (innern) Augenwinkel liegende Falte reducirt, die bei Affen wie beim Menschen als Plica semilunaris ihre ursprüngliche Bedeutung verlor. Ein den Augenlidern zugetheilter Drüsenapparat kommt erst bei Amphibien und Beptilien zur Sonderung, und tritt mit einer unter der Nickhaut ausmündenden Drüse, der Harder'schen Drüse, auf. Sie besteht bei Vögeln fort und ebenso bei Säugethieren, wo sie, zuweilen Hörorgane. 557 in zwei Theile zerfallen , am innern Winkel der Orbita gelagert ist ; den Primaten fehlt sie. Eine zweite Abtheilung von Drüsen bilden die am äusseren Augen- winkel gelagerten Thränendrüsen. Sie erscheinen erst bei den Reptilien, von geringerer Grösse als die Harder'sche Drüse, und ver- halten sich in dieser Weise auch bei den Vögeln. Eine grössere Aus- dehnung besitzen sie bei den Schlangen, Schildkrölen und Säugethieren, deren Thränendrüse aus einem Complexe einzelner, meist in 1 oder 2 grössere Massen gruppirter Drüsen besteht; den Celaceen fehlen sie. Für das unter das obere Augenlid abgesonderte Secret dieser Drüsen bildet sich ein besonderer Abführweg schon im Embryonalzu- stand aus. Die zwischen dem Oberkieferfortsatze und dem äusseren Nasenfortsatze durch die Differenzirung dieser Theile gebildete, von der Gegend des inneren Augenwinkels gegen den Rand der Nasengrube führende Rinne, wird mit der Ausbildung jener Fortsätze mehr ver- tieft (Thränenrinne) und bald von ihren Rändern überwachsen, so dass sie einen Canal vorstellt , der nach Entstehung der Nasenhöhle in letztere, und zwar unterhalb der unteren Muschel ausmündet. Am inneren Augenwinkel erleidet dieser Thränencanal mehrfache fernere Differenzirungen , von denen die Scheidung in Thränencanälchen (eine grössere am unteren Augenlide liegende Anzahl [3 — 8] bei Crocodilen, eine geringere [2] bei Vögeln und Säugethieren) aufgeführt werden kann. Hörorgane. § 371. Das nur bei den Acrania vermisste Hörorgan der Wirbelthiere nimmt gleichfalls seine Entstehung aus dem Integumente , und wird während der ersten Embryonalperiode als eine in der Höhle des Nach- hirns nach innen sich erstreckende Wucherung angelegt. Ein solches oberflächliches, somit die Endigungen eines Hautnerven tragendes Organ muss als der Ausgangspunkt der hochgradigen Sonderung gelten, die Fig. 268. Fig. 268. Entwickelung des Labyrinthes beim Hühnchen. Senkrechte Querschnitte der Schädelanlage, ß Labyrinthgrube. lv Labyrinthbläschen, c An- lage der Schnecke. Ir Recessus labyrinthi. csp Hinterer Bogengang, cse Aeusserer Bogengang, vj Jugularvene. (Nach Reissner.) 558 Wirbelthiere. bei den Wirbelthieren ziemlich frühzeitig eingeleitet wird. Aus der ersten Anlage geht ein mit einer deutlichen Communication nach aussen versehenes Bläschen hervor (Huschke) , welches allmählich sich ab- schnürt (vergl. Fig. 268) und mit der Differenzirung der knorpeligen Schädelkapsel, von dem hinteren seitlichen Abschnitte derselben um- schlossen wird. Dieses primitive Oh rb las ch en ist die Anlage eines com- plicirten Hohlraumsystemes, in dessen Wänden der Acusticus mit End- apparaten in Verbindung steht. Aus ihm entsteht das häutige Laby- rinth, und die es und seine Differenzirungen als knorpelige Ohrkapsel umgebenden Wandungen des Craniums werden zum knorpeligen und knöchernen Labyrinthe. Zu jenem wichtigsten Abschnitt des Hörorganes treten in den höheren Abtheilungen der Wirbelthiere noch besondere Vorrichtungen als Hilfsorgane, vorzüglich als Apparate der Schall -Leitung hinzu. Der einfachste Zustand des Labyrinthes findet sich bei den Cyelo- stomen. Von dem primitiven Bläschen hat sich bei Myxino'iden eine an zwei Stellen mit ihm in Zusammenhang bleibende Strecke gesondert, die einen halbkreisförmigen Canal bildet, und so das ganze Labyrinth ringförmig erscheinen lässt. Die Petromyzonten bieten zwei dieser Canäle dar, jeder mit einer ampullenartigen Erweiterung beginnend, und der übrige Theil des Labyrinthbläschens bildet den «häutigen Vor- hof« (Vestibulum), an dem eine besondere Ausbuchtung als Anlage einer neuen Differenzirung auftritt. Bei den gnathostomen Wirbelthieren kommt es noch zur Bildung eines dritten Canals, so dass von nun an drei halbkreisförmige Canäle mit dem Vorhof in Verbindung stehen. Die bei der Einsenkung des Labyrinthbläschens entstehende stielarlige Verlängerung bleibt auch nach der Differenzirung des Labyrinthes als eine Fortsatzbildung desselben (Ductus endolymphaticus) bestehen und wird sogar bis zur Oberfläche des Craniums offen gefunden (Se- lachier). Auch bei Beptilien (Natter, Eidechse) besteht jener Canal, der sehr frühzeitig sich nach aussen abschliesst, und an diesem blinden Ende sich erweitert. Er wird mit der Entwicklung des knöchernen Schädeldaches in die Schädelhöhle mit eingeschlossen , und bildet bei den Embryonen jener Thiere den Becessus labyrinthi. Bei den Vögeln besteht derselbe (Fig. 268. /. r) nur vorübergehend als offener Baum, ähnlich auch bei den Säugethieren , wo er später den sogenannten Aquaeductus vestibuli vorstellt. Vorhof und Bogengänge füllen die Bäume des soliden Labyrinthes nur theilweise aus. Sie sind bei allen Fischen von beträchtlicher Grösse. Bei Selachiern und Lepidosiren wird das Labyrinth vollständig von den. Wandungen der Schädelhöhle um- geben, während bei Chimaera, den Ganoiden und Teleostiern diese Umschlicssung sich nur auf einen Theil des Labyrinthes erstreckt, und ein anderer, der mediale, frei in die Schädelhöhle sieht (Fig. 269). Von den drei Bogengängen sind zwei in der Bichtung von mehr oder minder senkrechten Ebenen gelagert, und werden als vorderer (Fig. 269. e) Hörorgane. 559 und hinterer (d) unterschieden. Ein dritter, äusserer, liegt in einer mehr horizontalen Ebene. Die beiden senkrechten besitzen nieist ein gemeinsames Einmündestück (c) in den Vorhof und an den beiden anderen Enden Ampullen. Der horizontale Bogengang besitzt die Ampulla an seinem hinteren Schenkel. § 372. Der die Bogengänge entsendende Theil des Labyrinthes sondert sich schon bei den Fischen in mehrere Abschnitte. Ein oberer steht mit den Bogengängen in unmittelbarem Zusammenhange (Utriculus, Alveus communis), und verbindet sich zugleich in verschiedenem Maasse deutlich mit einem unter ihm gelegenen Säckchen (Sacculus). Sowohl Sacculus als Utriculus enthalten als Otolithen Concremente von con- stanter, nach den Abtheilungen wechselnder Form, die oft eine an- sehnliche Grösse erlangen können ; der des Sacculus wird als Sagitta, jener des Utriculus als Lapillus bezeichnet. Am Utriculus zeigt sich eine fernere Sonderuns: in mehrere Abschnitte. Sowohl an der Wand beider Bäume als auch an den Ampullen der Bogengänge findet der Uebergang von Acusticus-Aesten in Endapparale statt; in den Ampullen liegen sie auf einer Querleiste (Crista acustica), in den Säckchen bilden sie die Maculae acüsticae. In dem Verhalten des Utriculus und Sacculus finden sich zahlreiche Modilicalionen vor, ebenso in der Lagerung der Bogengänge zu ein- zelnen Theilen des Schädels. In erslerer Beziehung sind Verbin- dungen des häutigen Vorhofes mit der Schwimmblase bemerkenswert!). Die Einrichtung selbst kommt auf verschiedene Art zu Stande, findet Fig. 269. Gehörorgan von Cyprinus carpio. a Vestibulum mcmbrana- ceum. b Ampulle des hinteren und äusseren halbkreisförmigen Canales. c Ver- einigter vorderer und hinterer Canal. d Hinterer, e vorderer, /'Canalis sinus im- paris. g Sinus auditorius membranaceus impar. /* Claustrum, i k l Kette der Ver- bindungsknöclielchen. m n Schwimmblase, o Luftgang, p q r s Dornfortsälze der ersten Wirbel. Die Zahlen bezeichnen die einzelnen Schädelknochen : 1 Occipitale basilare , 2 laterale. 3 4 Occipitale superius. 6 Petrösum. 7 Scheitelhein. 10 Ali- sphenbi'd 11 Frontale. (Nach E. H. Wkber.) 560 - Wirbelthiere. sich am einfachsten bei einigen PercoTden und Sparenden, wo der Vor- hof sich zu durchbrochenen, nur mit einer Membran geschlossenen Stellen des Schädels fortsetzt, an welche Verlängerungen der Schwimm- blase sich anlegen. Complicirter gestalten sich die Verhältnisse bei vielen Familien der Physostomen. Bei CyprinoTden erstreckt sich der Sacculus (Fig. 269. a) nach hinten, um sich mit dem der anderen Seite durch einen querliegenden Ganal (Sinus impar) zu verbinden. Aus letzterem tritt jederseits ein häutiges Säckchen (Atrium sinus imparis) zu einer am hinteren Schädelabschnitte gelegenen Oeffnung, welche zum Theile von einem napfförmigen Knochenstückchen ver- schlossen wird. Dieses verbindet sich durch Bandmasse mit einer Reihe verschieden geformter Knochenstückchen (t, k, l) , von welchen das letzte und grösste dem vorderen Ende der Schwimmblase (w) ange- heftet ist. Diese Knöchelchen gehen aus den Anlagen vorderer Rippen hervor, und bilden eine continuirliche Kette zwischen dem Vorhofe und der Schwimmblase. Auch die Siluro'iden und Clupe'i'den bieten ähnliche aber in anderer Weise ausgeführte Verbindungen mit der Schwimmblase dar. § 373. Das Labyrinth der Amphibien wird vollständiger von der Schädel- wand umschlossen, und jenes der Reptilien, Vögel und Säugethiere liegt ganz in knöcherne Theile eingebettet. An Umfang tritt es gegen die bei Fischen gegebenen Dimensionen bedeutend zurück. Relativ ansehnlich ist es noch bei den Amphibien, am wenigsten umfänglich bei Säugethieren. Die allgemeinen Verhältnisse des Labyrinthes bieten im Wesentlichen Uebereinstimmungen dar. Verschiedenheiten liegen theils in der Art der Verbindung der beiden Vorhofsräume , des Utri- culus und Sacculus, untereinander, sowie in dem Verlaufe der vom Utriculus entspringenden Bogengänge. Von den letzteren kann der hintere sich mit dem äusseren kreuzen (Vögel). Dem mehr gleichartigen Verhalten des geschilderten Abschnittes des Labyrinthes gegenüber stellt sich ein erst in den höheren Abtheilungen selbständig entfalteter Theil , der bei den Säugethieren seiner Gestalt gemäss als Schnecke (Cochlea) bezeichnet wird und von den unteren Abtheilungen her eine continuirliche Reihe allmählicher Differenzirungen nachweisen lässt (Hasse). Bei Fischen findet sich eine Spur hievon in einer meist unansehnlichen nur in einigen Fällen ausgedehnteren Ausbuchtung des Sacculus. Sie führt bei den Selachiern viele kleine Ololithen , bei Teleostiern einen grösseren (Asteriscus). Bei den Am- phibien ist diese Ausbuchtung des Sacculus selbständiger geworden, ohne die Verbindung verloren zu haben und liegt noch nach hinten gerichtet. Einen weiteren Schritt der Differenzirung zeigt dieser die Endi- gung eines Acusticuszweiges tragende Theil bei Reptilien und Vögeln, Hörorgane. 561 wo die ihn bildende Ausbuchtung (Fig. 268. C. D. E. c) als ein kurzer Kegel von der medianen Labyrinthwand abwärts gerichtet ist, und mit dem anderweitigen convergirt. Das blinde Ende dieses Gebildes ist abgerundet und zuweilen kolbig verdickt (Lagena). Unter den Säugethieren erscheint dasselbe nur bei den Monotremen noch auf jener Stufe, die es bei den anderen durchläuft, indem es in einen spiralig gewundenen Canal auswächst, von dessen Gestalt die Bezeichnung genommen ist. Anfänglich nur von einer Verlängerung des Vorhofs (Sacculus) Gebildet, treten an ihm be- sondere DifFerenzirungen auf. indem jener vom Sacculus hervorgehende Canal (Ductus cochlearis) nur durch einen engeren Canal (Canalis reuniens) mit dem Sacculus verbunden bleibt, und auf seinem Ver- laufe von zwei Seiten her von Hohlräumen umlagert wird, die ihn auf seinen Windungen begleiten , um am Ende (Kuppel der Schnecke) in einander überzugehen. Während der eine mit dem knöchernen Vor- hofe verbunden ist, ist der andere an seinem Beginne davon abge- schlossen und steht nur mittelbar, eben durch jene Communication am Ende der Schnecke, mit dem Vorhofsraum in Zusammenhang. Somit sind drei Bäume in der Säugelhierschnecke unterscheidbar, von denen nur einer, eben der Ductus cochlearis, mit den häutigen Theilen des Vorhofs in Verbindung steht. Die beiden andern bilden die Scalae; die mit dem um die häutigen Theile des Vorhofs befind- lichen Baume in Verbindung stehende Scala ist die Scala vestibuli, der zweite, bei aufrecht gedachter Schnecke unter der Vorhofstreppe verlaufende Baum, die Scala tympani. Beide Scalae umfassen den nach der Peripherie der Windungen gelagerten Schneckengang, in welchen die Endapparate des Schneckennerven (Corti'sches Organ) sich ausbreiten. Da die Scalae als Lücken in dem den Ductus cochlearis begleitenden Gewebe auftreten, so sind sie den Bäumen gleich zu er- achten, welche zwischen den häutigen Bogengängen und ihren knöcher- nen Wandungen , oder auch zwischen häutigem und knöchernem Vor- hofe sich bilden, und mit der Perilymphe erfüllt sind. In dem an der Aussenfläche des Craniums liegenden Theile der Wandung des knöchernen Labyrinths treten von den Amphibien an Lücken auf, welche eine auf verschiedene Weise zu Stande kommende Communication mit anderen dem Gehörorgane sich zufügenden Ein- richtungen gestatten. Eine solche Durchbrechung des knöchernen Vor- hofs bildet die stets durch einen plattenförmigen Skeleltheil ver- schlossene Fenestra ovalis. Eine zweite erst bei den Beptilien bestehende, an die Ausbildung der Schnecke geknüpfte Oeffnung (Fe- nestra rotunda) liegt durch eine Membran verschlossen in der Wand der Scala tympani. Beide Einrichtungen stehen mit dem Auftreten äusserer Leiteappa- rate in Zusammenhang. (ipgenliaiiT, Grnndrias. 36 562 Wirbelthiei e. § 374. Mit dem Hörorgane setzen sich von den Visceralbogen gebildete Theile in Zusammenhang. Die erste, bei Selachiern und GanoTden zwischen dem oberen Theile des Kiefer- und des Zungenbeinbogens gelagerte, als »Spritzloch« fortbestehende Kiemenspalte tritt von den Am- phibien an in nähere Beziehung zum Labyrinthe , indem sie an der von der aufgeführten Oeffnung durchbrochenen Labyrinthwand vor- überzieht. Sie gestaltet sich zu einem Hohlräume, der an seinem wei- teren, medial von der Labyrinthwand begrenzten Abschnitte als Pau- kenhöhle, an dem in die primitive Mundhöhle führenden Stücke als Tuba Eustachii bezeichnet wird. Eine offene, dem Verhallen des Spritzloches ähnliche Communication von aussen nach innen besteht bei Allen während des ersten Entwickelungszustandes. Dann bildet sich jedoch, wie es scheint durch Wucherung der Wandung, ein Ver- schluss der Spalte, der zu verschiedenen Zuständen führt. Bei den Cöcilien und den Urodelen bleibt die Spalte geschlossen, so dass eine Paukenhöhle sowie deren Fortsetzung in die Mundhöhle fehlt. Die Anuren schliessen sich mit einer Abtheilung hieran an (Pelobatiden), indem bei diesen nur Andeutungen einer Ausstülpung der Rachen- höhlenschleimhaut gegen jene der Paukenhöhle entsprechende Stelle vorkommen. Dagegen setzt sich diese Ausstülpung bei den meisten Anuren weiter fort, und führt in eine Paukenhöhle, welche nach aussen durch das Trommelfell abgeschlossen wird. Bei den Reptilien fehlt den Schlangen und Amphisbänen die Paukenhöhle, und bei Chamäleo ist zwar die mit der Rachenhöhle verbundene Paukenhöhle vorhanden, allein das Trommelfell fehlt, während diese Theile bei den übrigen Reptilien wie bei den Vögeln vorkommen. Die inneren Oeffnungen beider Tuben sind bei Crocodilen und Vögeln in einen gemeinsamen Canal vereint, wie es unter den Am- phibien bei Pipa der Fall ist. Die bei Säugethieren stets getrennt aus- mündende Tuba führt in eine verschieden weile Paukenhöhle, die durch ein Tympanum nach aussen abgeschlossen ist. Von der Pauken- höhle aus entstehen neue in andere Theile eindringende Bäume unter- geordneter Bedeutung. Crocodile und Vögel, auch Säugethiere sind mit solchen versehen. § 375. Die mit der knöchernen Labyrinthwand in Verbindung tretenden Theile des Visceralskelets setzen den Apparat der Gehörknöchel- chen zusammen, deren Homologieen für die einzelnen Classen noch nicht festgestellt sind. Der oberste Abschnitt des zweiten Visceral- bogens — bei Fischen das Hyomandibulare — bildet einen die Fe- nestra ovalis verschliessenden, dort mittelst eines Bincbandes befestigten Skelettheil, der sich von dem folgenden Abschnitte getrennt hat. Bei Hörorgane. 563 den Urodelen ist jenes Verschlussstück entweder ein plattes Knöchelchen (Operculum), das mit einem Bande zum Palalo-Quadratum zieht, oder es besitzt einen stielartigen Fortsatz. Bald ist das Operculum knor- pelig und sein Stiel knöchern (Siredon), bald trifft sich das umgekehrte Verhalten (Menopoma). Beide Theile sind bei den Cöcilien verknöchert. Aehnlich verhalten sich die Schlangen (Eurystomata) , bei denen ein Knochenstückchen (Columella) sich zum Quadratbein erstreckt. Beim Auftreten eines Trommelfells geht die Columella mit diesem eine Verbindung ein, indem deren knorpeliges, häufig durch Fortsätze eigenthümlich gestaltetes Ende in jenes sich einsenkt. Die Auskleidung der Paukenhöhle umfasst dann einen Theil der Columella , und lässt letztere in verschiedenem Grade in der Paukenhöhle gelagert erscheinen. Diese Einrichtungen beginnen mit den Anuren, und finden bei Sauriern, Cheloniern, Crocodilen und Vögeln eine weitere Ausbildung. Wesent- lich äussert sich diese durch die Ausdehnung der Paukenhöhle über die Columella hinaus. Letztere stellt ein besonderes, bei Schildkröten sehr langes, dünnes Knochenstück vor, dessen der Fenestra ovalis an- gepasste Platte das eine Ende bildet. Mit zwei Schenkeln verbindet sich der Stab der Columella mit seiner Platte bei einigen Vögeln (Dro- maeus) , während er sonst einfacher ist oder gegen die Platte zu nur eine Verbreiterung aufweist. Für die Säugethiere haben die Verhältnisse der Columella gleich- falls noch ihre Geltung, mit der Modification jedoch, dass sie sich nie- mals direct ans Trommelfell befestigt, sondern immer mit anderen Skelettheilen in Verbindung steht. Man bezeichnet sie hier als Stapes. Die Gestalt desselben ist bei Monotremen und bei manchen Beutel- thieren einfach. Bei den monodelphen Säugethieren waltet die Spal- tung in zwei die Platte tragende Schenkel vor. Die anderen Gehör- knöchelchen werden durch Besidua der Skelettheile des ersten Visceral- bogens gebildet, wie oben angeführt ward (S. 481). Sie bilden den mit dem Stapes verbundenen Ambos, sowie den Hammer, der sich mit einem stielartigen Fortsatze dem Trommelfell einfügt. Was vorher einfacher durch die Columella allein , wird hier durch sie und zwei andere Knochen bewerkstelligt : eine Verbindung des Tympanum mit der Fenestra ovalis. Auch diese »Kette« von Gehörknöchelchen ist wenigstens zum grossen Theil in die Paukenhöhle gelagert, indem die vom Bachen her durch die Tuba sich fortsetzende Schleimhautaus- kleidung sie überzieht. Die Paukenhöhle selbst erhält jedoch eine an- dere Beziehung, da sie ausser der von der Labyrinthwand gebildeten Umgrenzung vorzüglich noch durch das Os tympanicum gebildet wird, welches anfänglich als Bahmen für das Tympanum auftrat. § 376. Aus einer Forlsetzung der Bänder der ersten Visceralspalte geht das äussere Ohr hervor. Bei Amphibien, Beptilien und Vögeln fehlen 36* .")0i Wirlicltliierc derartige Theile entweder vollständig, oder sie sind nur als vereinzelte, aus Anpassungen verschiedener Art entstandene Einrichtungen ange- deutet. Eine solche kommt bei Crocodilen als eine das Trommelfell deckende, eine Knochenplatte um seh liessende Ilaulfalte vor, und ähn- lich erscheint bei manchen Vögeln (Eulen) eine bewegliche häutige Klappe. Durch eine, von den das Trommelfell tragenden Schädel- knochen ausgehende Vorsprungsbildung kommt das Trommelfell selbst, wie schon bei Sauriern , tiefer zu liegen , und so entsteht ein kurzer »äusserer Gehörgang«. Verschieden von diesem ist der äussere Gehör- gang der Säugethiere, indem gerade sein tieferer Theil vom Tympani- cum gebildet wird. Daran schliesst sich das äussere Ohr, welches mit knorpeliger Grundlage in einen engen knorpeligen Gehörgang über- gehl. Es fehlt den Monotremen. Die »Ohrmuschel« bietet zahlreiche Modilicalionen, theils in der Gestaltung, theils in den Beziehungen zu einem Muskclapparale, durch welche die Muschel oder Theile von un- bewegt werden können. Ausser den, auch beim Menschen zuweilen noch sehr leistungsfähigen Muskeln, welche das gesammte äussere Ohr bewegen, finden sich noch Muskeln an dem Knorpel der Muschel selbst, welche theilweise, freilich als rudimentäre Organe noch dem Menschen zukommen. Einer grösseren Rückbildung erliegt dieses äussere Ohr bei den im Wasser lebenden Säugethieren. Heducirt bei Otaria , ist es bei anderen Pinnipedien ganz geschwunden, und ebenso verhalten sich die Sirenen und Walfische. Excretionsorgane. § 377. Die als Excretionsorgane unter den Wirbellosen verbreiteten Ein- richtungen erscheinen in ihren wesentlichsten Verhältnissen auch auf die Wirbelthiere vererbt und lassen darin nicht wenig deutlich auch für den Wirbelthierstamm Verknüpfungen mit niederen, im übrigen weit davon entfernt stehenden Formen erkennen. Den einfachsten Zustand des Excretionsorgans repräsentirt ein längs des Körpers verlaufender Canal, der U rn ierengan g, der hinten in der Nähe des Afters nach aussen, und vorne mit abdominalem Ostium in die Leibeshöhle, in deren dorsaler Wand er liegt, ausmündet. Liegen darin bedeutende Uebereinslimmungen mit den Excretionsorganen der Würmer, so ist doch mit Hinblick auf die Metamerie des Wirbelthierkörpers die Eigen- thümlichkeit nicht zu übersehen, dass der Urnierengang kein metameres Organ vorstellt, und damit auch zu den metameren Schleifencanälen der aeeliederlen Würmer kein vollständiges Homoloi^on abgibt. Er wird demnach aus einem noch niederem , d. h. einem noch nicht in Meta- meren getheillen Zustand des Organismus abzuleiten sein und repräsen- tirt damit, der gleichfalls ungegliederten Chorda dorsalis ähnlich, eines der phylogenetisch ältesten Organe. Excretjonsorgane. »69 Fig. 270. § 378. In der ersten Anlage tritt er vom mittleren Keimblatte gebildet, in manchen Abtheilungen in oberflächlicher Lage , unter dem vom äusseren Keimblatt stammenden Hornblatte auf, und erscheint darin den Excretionsorganen der Nematoden ähnlich , erst allmählich tiefer rückend und so der Leibeshöhle sich nähernd. Eine jenem ersten Be- funde entsprechende Lage besitzt bei Amphioxus ein in den Seilcn- falten des Integumentes verlaufender Canal, der zwar bezüglich seiner Mündungsverhällnisse noch nicht ausreichend gekannt , doch die Vermuthung entstehen lässt, dass in ihm der niederste, der Ver- bindung mit der Leibeshöhle noch entbeh- rende Zustand des Urnierenganges der Cra- nioten dauernd bestehe. In engerem Zusammenschlüsse erschei- nen die Cranioten, deren Urnierengang stets der Leibeshöhle nahe rückt. Er zeigt sich am einfachsten unter den Cyclostomen bei Bdellostom a. Ein langgestreckter Canal (Fig. 270. A B a) entsendet von Strecke zu Strecke lateral verlaufende kurze Quercanäl- chen (6), deren blindes, durch eine Ein- schnürung abgesetztes Ende (c) einen Blut- gefässknäuel (Glomerulus) ^Fig. 270. B) ein- schliesst. Damit hat sich der Typus der Craniotenniere ausgeprägt, die Quercanälchen bilden die secretorischen Apparate (Harn- canälchen) der Urnierengang selbst erscheint hier als Sammelröhre, fungirt als Harnleiter. In voluminöserer Weise, allein mit ganz ähnlichem Verhalten der Harncanälchen, zeigen sich die Nieren der Myxinen und Petromyzonten, die längs des hinteren Drittels der Leibeshöhle gelagert sind. Bei beiden Abiheilungen tritt der lateral verlaufende Harnleiter zum Bauchporus, bei den Petro- myzonten nachdem er sich mit dem anderseitigen zu einem unpaaren weiteren Abschnitte verbunden hat. Das vordere Ende des Urnierenganges bietet eine bemerkenswerthe Complication, indem es mit mehrfachen trichterförmigen Anhängen besetzt Fig. 270. A Ein Theil der Niere von B de llos t oma. a Harnleiter, b Harn- canälchen. c Terminale Kapsel. B Ein Stück davon stärker vergrössert. o, c wie vorhin. In c ein Glomerulus, in welchen eine Arterie d eintritt, während eine austretende e sich auf Harncanälchen und Harnteiler verzweigt. (Nach .1. Müller.) 366 Wirbelthiere. Fig. 271 ist, welche mit langen Cilien ausgekleidet frei in die Leibeshöhle münden. Dadurch empfangt die Vergleichung mit den Excretionsorganen der Wür- mer eine festere Grundlage. Der Urnierengang entspricht dem Schleifen- canal, dessen inneres Ostium (zuweilen gleichfalls in Mehrzahl vorhan- den) den Wimpertrichtern der ersteren im Allgemeinen homolog sein wird ,. und den drüsigen Abschnitt des Schleifencanals treffen wir an der Urniere durch die lateral vom Gange abtretenden Canälchen vor- gestellt. Der secernirende Theil der Drüse tritt bei den Fischen am vor- deren Abschnitte des Urnierenganges zuerst auf, und bildet jenen Abschnitt, der bei vielen bis zum Kopfe reicht. An diesen Abschnitt schliesst sich der hintere als später gebildeter an. Das Ganze stellt ein compactes Drüsenorgan vor, welches von Peritoneum überkleidet längs der Wirbelsäule sich hinzieht, in einzelnen Abschnitten mehr, in anderen minder ausgebildet. Eine Sonderung in Lappen wird meist durch voluminösere Entwicklung einzelner Abschnitte ausgedrückt. Die Ausführwege (Fig. 271. u) verlaufen bald an der vorderen Fläche, bald mehr am lateralen Rande und treten bei Teleostiern meist zu einem un- paaren Abschnitte zusammen, der unter oder hinter der Genitalöffnung ausmündet. An verschiedenen Stellen bieten diese Ausführwege Erweiterungen, bald am gemein- samen Abschnitte, bald am gesonderten, welche Gebilde zwar als »Harnblasen« fungiren, aber morphologisch mit der Harnblase der höheren Vertebraten keine Gemeinsamkeit haben. Die Ausführwege dieser Nierenbildungen fungiren nur bei einem Theile in ausschliess- lichem Dienste der Excretion wie bei den Cyclostomen, indem schon bei den Fischen am Urnierengange eine Sonderung auftritt, die ihn, in analoger Weise wie es bei den Ex- cretionsorganen der Würmer und Mollusken der Fall ist, als Ausleitweg der Geschlechts- produete fungiren lässt. Bei Ganoi'den tritt nämlich der das Ostium abdominale tragende, bei Cyclostomen terminal gelagerte Theil weiter nach hinten und erscheint damit wie ein Anhang des Urnierenganges (Störe) , so dass der vor diesem Stücke gelagerte Theil des letzteren ausschliesslich der Niere angehört. Da nun jenes Fig. 271. Harnorgane von Salmo fario. R Nieron. u Uretercn. v Blasen- artige Erweiterung der Vereinigung heider Ureteren. ur Ausführgang derselben. rr Cardinalvenen (Venac renales revehentes). d Ductus Cuvicri. s Vena subclavia. (Nach Hyktl.) Excretionsorgane. 567 Ostium abdominale zur Aufnahme der Geschlechtsproducle dient, so wird der letzte Abschnitt des Urnierenganges gleichfalls als Ausführ- weg für jene Stoffe erweitert, und tritt damit in verschiedene Ver- richtungen über. Unter den Teleostiern ist diese Sonderung eines Ab- schnittes des Urnierenganges wahrscheinlich noch weiter gediehen, und führte sogar zu innigeren Verbindungen mit den Geschlechtsdrüsen. Bestimmter ist dieses bei den Selachiern , Chimären und Dipno'i's der Fall, doch geht hier die Verwendung des vom Urnierengange sich son- dernden Abschnittes in beiden Geschlechtern eine diffcrenle Richtung ein, wie beim Geschlechtsapparate dargelegt wird. § 379. Bei den Amphibien erhält sich der vordere zuerst auftretende Theil der Urnieren nur unvollkommen, entweder verbindet er sich mit dem männlichen Geschlechtsapparate , oder er bleibt als ein Rudiment dem primitiven Urnierengange angeheftet. Der "hintere Abschnitt bildet wieder den ansehnlichsten Theil, in Ausdehnung sehr wechselnd, in Lagerung der Niere der Fische gleichkommend. Wenn der vordere Abschnitt der Verbindung mit dem männlichen Geschlechtsapparate entbehrt, so ist der hinlere in diese Beziehung getreten, und zeigt auch dadurch seine Zusammengehörigkeit zum vorderen an. Er er- scheint entweder als eine zusammenhängende Masse oder ist bei ge- streckterer Gestalt in eine Anzahl hinter einander gelegener Lappen aufgelöst. Bezüglich der Ausführwege bestehen zwar sehr verschiedene, allein doch von einander ableitbare Verhältnisse. Alle Theile der Urniere münden anfänglich in den vom vordersten Abschnitte kommen- den seitlich verlaufenden Urnierengang. Bei Manchen bleibt dieses Verhalten bestehen z. B. bei Proteus; indess bei Anderen die queren Ausführgänge sich unter einander vereinigen , um erst am Ende des Urnierenganges einzumünden. Aus der Vereinigung dieser Canäle geht ein neuer Canal hervor, den ich als secundären Urnierengang bezeichne. Der primäre Urnierengang geht dabei nicht zu Grunde, sondern wird zu Functionen des Geschlechtsapparales gezogen, von denen unten weiter die Rede sein wird. So spielt also das aus einem einfachen Canale — dem Urnierengang — differenzirte Organ schon bei den Anamnia eine verschiedenartige Rolle und erhält sich keineswegs gleichmässig in seiner primitiven Bedeutung. In höherem Grade tritt das bei den Amnioten hervor. Anfänglich in grösserer Ausdehnung durch die ganze Länge der Leibes- höhle vorhanden, erleidet die hier auch als Wolff'scher Körper bezeichnete Urniere eine Rückbildung und wird theilweise dem Ge- schlechtsapparat untergeordnet. Die Rückbildung der Urniere sieht bei den Amniolen mit der 568 Wirbelt liiere. ti ve Entwicklung der bleibenden Niere im Zusammenhang, indem die letztere als ein Sonderungsproduct der ersteren erscheint. Die erste Anlage der Niere repräsentirt wieder ein Canal , der manchen Angaben zufolge als eine Sprossung vom Urnierengange nahe an der Einmündungsslelle desselben in die Cloake sich bildet. Dieser Nierengang wächst vorwärts und bildet mit seinem blinden Ende neue Wucherungen, die Anlage der drüsigen Niere, während der Gang zum Ureter wird. Bei den Reptilien und Vögeln beginnt mit der Differen- zirung der Niere die völlige Trennung vom Urnierengange, indem das schon anfänglich sehr kurze gemeinsame Stück des Urnierenganges sich verkürzt, bis endlich Urnierengang und Ureter getrennt in die Cloake münden. Indem so die Niere der Amnioten als eine Differenzirung aus der Urniere erscheint, die wir bei den Anamnia als exclusives Nierenorgan antreffen , entsteht grosse Wahrscheinlichkeit für die An- nahme, dass die Urniere der Anamnia nur einem Abschnitte der Am- nioten-Niere entspricht. Die letztere wäre dann ein nur bezüglich der zeillichen Erscheinung von der Urniere verschiedenes Organ , welches durch Ausbildung in einer späteren , andere Fig. 272. Bedingungen bietenden Periode, etwas andere formelle Zustände erreicht. ß /J Wie die Urniere das allgemein vererbte Organ ist, so ist dann die bleibende Niere ein durch Anpassung eigenthümlich differenzirter Abschnitt derselben. Für den feineren Bau der Niere stellt sich das Wesentliche des für die Urnieren an- gegebenen Verhaltens heraus. In der Anord- k!^^ nung der Harncanälchen , sowie der Gestaltung einzelner Abschnitte und deren Beziehungen zu den Ausführwegen ergeben sich mannich- fache Verschiedenheiten der einzelnen Ab- theilungen. In Lage und Ausdehnung bieten die Nieren der Reptilien und Vögel manche an die Fische sich anschliessende Verhältnisse dar. Sie liegen weit nach hinten, der Cloake benachbart, nur bei den Schlangen weiter davon entfernt, und zugleich mehr in die Länge gestreckt. Durch die Bildung von Win- düngen oder Lappen bietet ihre Form grössere Mannichfaltigkeit. Bei den Vögeln sind sie in die Vertiefungen zwischen den Querfortsätzen der Sacralwirbel einge- bettet, und zerfallen meist in drei zuweilen mit einander verbundene Fig. 272. Niere von Py thon bivitattus. A von der Vorderfläche. B von der Hinterfläche, u Ureter, va Vena renalis advehens. ve Vena renalis revehens. Excretionsorgane. 569 Lappen, die je einen verschiedenen Umfang erreichen können. Die Ureteren (Fig. 272. u) sind meist am Innenrande der Nieren gelagert, von Stelle zu Stelle grössere Harncanäle aufnehmend (Schlangen, Schild- kröten), oder sie werden vom Nierenparenchym umschlossen, um meist erst am Ende des Organs hervorzutreten Saurier, Crocodile). Bei den Vögeln verlaufen sie zum grossen Theile ausserhalb der Niere. Bei Allen münden sie in Folge der oben erwähnten Trennung vom Ur- nierengange gesondert in die Cloake aus, oder in einen auch die Gc- schlechlswege aufnehmenden Sinus urogenitalis. § 380. Die Nieren der Säugethiere bieten dieselbe Anlage wie die der Beplilien und Vögel, allein nach der Sonderung der Anlage vom t'r- nierengange ergeben sich mancherlei Lageveränderungen besonders für die Ureteren in ihren Beziehungen zu den Ausfuhr wegen derGeschlechls- apparate. Die am blinden Ende des Nierencanals entstehenden Nieren treten nach ihrer Differenzirung hinter die Urnieren , die sie allmählich an ihrem vorderen Bande überragen. Sie scheinen anfänglich eine glatte Oberfläche zu besitzen, welche mit der Sonderung des drüsigen Paren- chyms in einzelne Lappen uneben wird. In jedem Lappen treten die Harncanälchen auf einem papillenartigen Vorsprunge zusammen, an welchen sich der gemeinsame Ausführgang des Lappens anschliesst. Er bildet die Nierenkelche , deren Vereinigung als Nierenbecken be- zeichnet wird und den Ureter hervorgehen lässt. Die Zahl der be- stehenden Lappen ist beträchtlich verschieden. Sehr zahlreich (gegen 200) sind sie bei den Cetaceen, wo sie von einander gesondert bleiben. Eine geringere Zahl gesonderter Lappen besitzen die Pinnipedier, ebenso manche Carnivoren (Ursus, Lutra) , indess bei Andern eine theilweise Verschmelzung der Lappen stattfindet, wodurch die Nieren eine höckerige Oberfläche erhalten (z. B. Hyaena, Bos , Elephas). Dies ist für Andere ein gleichfalls vorübergehender Zustand , und mit völliger Verschmelzung der Corticalsubstanz der Lappen empfängt die Niere eine glatte Oberfläche, an der wohl noch einzelne Furchen die ursprüng- liche Trennung in Lappen andeuten. Im Innern der Niere dagegen erhält sich die Trennung mehr oder minder vollständig, und man findet die Zahl der ursprünglichen Lappen in den verschiedengradig ver- schmolzenen Papillen ausgedrückt (z. B. beim Menschen). Die Ver- schmelzung kann aber auch einen grossen Theil , oder sämmtliche Lappen betreffen , so dass eine viel geringere Zahl von Nierenpapillen besteht, die sogar in eine einzige zusammentreten können (Marsupialien, Edentaten, Naeethiere. manche Carnivoren). Die aus dem Nierencanale gebildeten Ureteren senken sich nach ihrer Trennung vom Urnierengange anfänglich in den in der Bauchhöhle 570 Wirbelthiere. des Embryo vorlaufenden , mit der primitiven Be'ckendarfnhöhle ver- bundenen Abschnitt der Allantois ein (Urachus). Dieser bildet sich allmählich in ein spindelförmig erweitertes Organ um, die Harnblase, während die Fortsetzung des Urachus zum Nabel und von da in den Nabelstrang oblilerirt. Ersterer Abschnitt bildet das Ligamentum vesico- umbilicale medium. Die ursprünglich spindelförmige Gestall der Harn- blase erhält sich bei manchen Säugethieren (Robben] , während sie bei anderen allmählich bedeutendere Modifikationen erleidet, welche mit Differenzen in den Einmündungsverhältnissen der Ureleren verbunden sind. So öffnen sich die Ureteren bei vielen Nagern weit oben an der hinteren Blasenwand. Auch in der Lagerung treten Modifikationen ein , denn während die Harnblase anfänglich sich durch einen Theil der Bauchhöhle erstreckt, rückt sie mit der Ausbildung der aus letzterer sich fortsetzenden Beckenhöhle in diese hinab. Das fernere Verhallen der Ausführwege ist mit dem Geschlechts- apparate gemein und wird bei diesem Erwähnung finden. Darrncanal. § 381. Der Darmeanal der Wirbelthiere bildet ein unterhalb des Axen- skelcles verlaufendes Bohr, welches bei der ersten Anlage des embryo- nalen Körpers vom inneren Keimblatte (dem Darmdrüsenhlalle (Bemak's) und einem inneren Abschnitte Darmfaserblalt B.) des mittleren Keim- blattes dargestellt wird. Jene Sonderung des mittleren Keimblattes lässt zugleich die allgemeine Leibeshöhle (Cölom , Pleuropcriloneal- höhle) entstehen, in welcher das primitive Darmrohr verläuft. Anfäng- lich , wenigstens bei den höheren Wirbelthieren , geschlossen , bilden sich erst seeundär, am vorderen und hinteren Ende Communicationen nach aussen, indem zuerst von aussen her Einbuchtungen nach innen wachsen, in deren Grunde schliesslich Durchbrechungen stattfinden, welche die Mund- und die Afleröffnung bilden. Aus dem die Aus- kleidung des primitiven Darmrohrs vorstellenden epithelialen Darmdrüsen- blatte entsteht bei den Wirbelthieren eine ansehnliche Beihe von Organen, welche theils auf die Function der Ernährung Bezug haben, und dann mittelbar oder unmittelbar mit dem Darme verbünden bleiben, theils aber auch andere Beziehungen besitzen, und dann mehr oder minder vom Tractus intestinalis sich sondern. Am primitiven Darm- rohr erscheinen zwei Hauptabschnitte sehr frühzeitig sowohl morpho- logisch als physiologisch von einander gesondert. Der vorderste Abschnitt steht unmittelbar mit der Leibeswand im Zusammenhang, und fungirt von den Visceralspalten durchsetzt als Athmungsorgan, indem an den zwischen den Spalten liegenden , Blutgefässe führenden Bogen respiratorische Apparate zu Stande kommen. Dieser Abschnitt gehört so- Respiratorische Vorkammer (Kopfdarm) 571 mit nicht ausschliesslich den Verdauungsorganen an, wenn er auch zur Einführung von Nahrung verwendet wird. Er stellt eine Athem- höhle vor, von deren Grunde erst der zweite Abschnitt als Nahrungs- canal im engeren Sinne beginnt durch die Pleuroperitonealhöhle von der Leibeswand gesondert. Diese beiden Abschnitte des Darmrohrs haben die Wirbelthiere mit den Tunicalen gemein. Bei den Acrania umfasst die respiratorische Vorkammer des Darmrohrs einen sehr ansehnlichen Abschnitt, der ähnlich wie bei den Ascidien einen grossen Theil des Körpers vorstellt. Bei den Cranioten empfangt dieser Baum eine all- mähliche Beschränkung, und wenn er auch bei Fischen und Amphibien dieselbe respiratorische Bedeutung be- hält, so treten doch an ihm mancherlei zu anderen Leistungen führende Differenzirungen auf, welche ihm eine gewisse Selbständigkeit aufprägen. Respiratorische Vorkammer (Kopfdarm). § 382. Dieser Abschnitt erscheint bei Amphioxus in seinem vordersten Theile gegen den die Mundöffnung tragenden Baum durch einen Wimperapparat abge- grenzt und ebenda erscheint eine Anzahl beweg- licher Fortsätze, welche gegen das Lumen gerichtet werden und dadurch das Eindrinc;en von Fremd- körpern verhindern können. Der nahezu zwei Fünf- theile der Gesammtlänge einnehmende Baum dieser Vorkammer (Fig. 273. d) ist an seinen Wandungen von einer grossen Anzahl schräg stehender Spalten durchbrochen , wodurch ein complicirtes Gitterwerk entsteht, dessen Stützen bereits oben (S. 482) erwähnt sind. Das durch die Mundöffnung (a) eingenommene Wasser gelangt durch die Spalten anfänglich direct nach aussen. Da aber zwei seitliche Hautfalten all- mählich über die spaltentragende Fläche ventralwärts sich fortsetzen und dort sich unter einander ver- binden, so entsteht ein das aus den Spalten strö- mende Wasser aufnehmender Baum von dem eine Fig. 273. B> W/ Fig. 273. Amphioxus lanceolatus 21/2 mal vergrössert. a Mundöffnung von Cirren umgeben, b Afteröffnung, c Abdominnlporus. d Kiemensack, e Magen- artiger Abschnitt des Darms. / Blinddarm, g Enddarm, h Leibeshöhle. * Chorda dorsalis, unter welcher fast in der ganzen Länge die Aorta verläuft, k Aorten- bogen. I Aortenherz, in Anschwellungen der Kiemenarterien, n Hohlvenenherz. o Pfortaderherz. (Nach Quatrefages.) 572 Wirbelthiere. weit hinten gelegene Oeffnung (Fig. 273. c) nach aussen leitet. Da in den Wandungen der Spalten ein Gefassnetz sich verbreitet, besorgt das da vorbeiströmende Wasser die Athmung, die Spalten fungiren als Kiemenspalten , und die gesammte mit diesen besetzte Cavität stellt eine Kiemen höhle vor. Zu diesem Verhalten kommen noch manche andere Verschieden- heiten, z. B. die asymmetrische Anordnung des Kiemengitters, woraus eine bedeutende Verschiedenheit des ganzen Apparates von dem der Cranioten entspringt. Vielmehr bietet die gesammte Einrichtung in vielen Stücken Aehnlichkeiten mit dem Athemsacke der Ascidien dar. Kiemen. § 383. Bei den Cranioten ist allgemein eine bedeutende Minderung der Zahl der Kiemenspalten und dem entsprechend auch der Bogen des Viseeralskeletes zu beachten, die als Bückbildung einer ur- sprünglich ähnlich wie bei Amph.iox.us grösseren Zahl dieser Gebilde aufgefasst, in der Ausbildung der das respiratorische Gefassnetz tragenden Flächen eine Com- pensation ergibt. Diese Ausbildung erscheint mit der Entfaltung von Kiemen, wodurch die bei den Acrania auf zahlreiche Bogenge- bilde vertheilten Blutgefässe auf kleinere Strecken beschränkt, und damit auf eine geringere Zahl jener Bogen geordnet sind. Der wesent- liche Charakter der Kiemenbildung liegt auch hier in einer gegen das zu respirirende Medium gerichteten Oberflächenvergrösserung, die ent- weder durch Blättchen oder durch cylindrische Fortsätze geschieht. Solche das reicher entfaltete respiratorische Blutgefässnetz umschliessende Theile besetzen in mannichfaltiger Ausbildung die Bogen des Viseeral- skeletes, die dadurch Kiemenbogen vorstellen. In einem eigentümlichen an den Befund von Amphioxus wenig sich anschliessenden Verhalten treten uns die bezüglichen Organe der Cyclo- stomen entgegen, bei denen schon der Mangel eines inneren Vis- eeralskeletes eine Besonderheit der Einrichtung bedingt. Die anfäng- lich gleichfalls einfache Spalten darstellenden Durchbrechungen der Leibeswand differenziren sich in längere Bohren, deren mittlerer Theil unter Erweiterung seines Baumes den Kiemensack (Fig. 274. br) bildet. Von der Wand der Kiemensäcke erheben sich die Kiemen- blättchen als Falten , in denen das respiratorische Gefassnetz sich ausbreitet. Jeder Kiemensack steht durch einen »inneren Kiemengang« mit dem Anfangsstücke des Darmrohrs in Verbindung. Nach aussen leitet ein äusserer Kiemengang (br'). In dem Verhalten dieser beiden von jedem Kiemensacke entspringenden Canäle bestehen manche Ver- schiedenheiten. Der innere Kiemengang mündet entweder für sich am Kiemen. 573 Darmrohre nach innen (Btlellostoina, Myxine) (Fig. 271), oder alle ver- einigen sich in ein unter dem Darm verlaufendes medianes Athmungs- rohr , welches . vorne mit dem Darmrohr verbun- den, den einzelnen Kiemensäcken Wasser zuführt (Petromyzon). Die äusseren Kiemengänge kommen entweder einzeln an der Seite des Körpers zur Ausmündung (Bdellostoma, Petromyzon), oder dies sämmtlichen Gänse einer Seite vereinigen sich in einen hinter dem Kiemenapparale liegenden Porus branchialis (Fig. 274. s) , wobei linkerseits noch ein besonderer aus der Speiseröhre kommender Ganal (Ductus oesophago- cutaneus) (c) hinzutritt (Myxine), Diese verschiedenen Formen lassen sich aufein- ander zurückführen und sowohl für das Verhalten der inneren als auch der äusseren Kiemengänge ist jener Zustand als der ursprüngliche zu erachten, welcher die directerc Verbindung des Darmes mit der Körperoberlläche vermittelt. Dagegen ist die Bildung der Athmungsrohrs , als auch die Ver- einigung der äusseren Kiemengänge das Frgebniss einer späteren Differenzirung. § 38 4, engerei Bei den Fischen stehen die Kiementaschen in Beziehung zum Visceralskelet. Die hier auftretenden Erscheinungen berechtigen zum Schlüsse, dass ursprünglich jeder Bogen des Visceralskelets Kiemen trug. Der obere Theil des ersten Visceralbogens (Kieferbogen) ist hiervon nicht ausgenommen, wie aus der grossen Verbreitung einer Kieme an der bei vielen Selachfern vorhandenen , zwischen dem ersten und zweiten Bogen (Kieferbogen und Zungenbeinbogen) gelegenen Oeffnung, dem sogenannten Spritzloch, hervorgeht (Fig. 259. s). Auf den eine rückgebildete Kiementasche darstellenden zum Spritzloch führenden Canal folgen die eigentlichen Kiementaschen, deren in der Begel fünf existiren, nur selten sechs bis sieben (Nolidaniden). Die Wand der ersten Kiemen- tasche wird vorn vom Zungenbeinbogen, hinten vom ersten, d. h. dem dritten primitiven Kiemenbogen dargestellt, und so verhalten sich ähn- lich die übrigen Taschen. Bei allen erstreckt sich ein von dem inneren Fig. 274. Athmungsorgan von Myxine glutinosa von der Banchseite. o Oesophagus, i Innere Kiemengänge, br Kiemensäcke, br' Aeussere Kiemen- gänge, die sich zu einem gemeinschaftlichen bei s ausmündenden Kiemengange jederseils vereinigen, c Ductus oesophago-cutaneus. a Vorhof des Herzens, v Herz- kammer. «.6 Kiemenarterie, an jede Kieme einen Ast abgebend, d Seitenwand des Leibes nach aussen und rückwärts umgeschlagen. (Nach Joh. AIlller.) 574 Wirbelthiere. Visceralskelet ausgehendes Septum nach aussen und dient als Hinter- wand einer vorhergehenden , als Vorderwand einer nachfolgenden Tasche. Wie die Taschen mit spallförmigen , von den knorpeligen Kiemenbögen begrenzten Oeffnungen mit der Rachenhöhle communiciren, so münden sie andererseits mit ebenso vielen Spalten an der Seite des Körpers , bei den Rochen auf der ventralen Fläche aus. An den Wandungen der von den knorpeligen Kiemenstrahlen gestützten Kiemen- laschen, liegen die Reihen der Kiemenblättchen, von denen im embryo- nalen Zustande fadenförmige Verlängerungen, als äussere Kiemen, nach aussen hervortreten. Solche fehlen auch dem Spritzloch nicht. An der letzten Kiementasche ist nur die vordere Wand mit einer Kieme versehen. Aus diesem Verhalten sind die Kiemeneinrichtungen der Gano'fden, und von diesen jene der Teleostier abzuleiten. Die Spritzlochkieme, die bei den Selachiern im ausgebildeten Zustande des Thiers nicht mehr respiratorisch fungirt, da sie arterielles Rlut empfängt und solches wieder abgibt, erleidet zunächst die bedeutendsten Rückbildungen. Rei einigen ein Spritzloch besitzenden Gano'fden (z. R. Acipenser) ist die Kieme, obgleich häufig noch vorhanden, niemals ein respiratorisches Organ, sie wird zur Pseudobranchie deren Polypterus und Amia entbehren Den Knochenfischen scheint sie zu fehlen , oder hat alle Aehnlichkeit mit einer Kieme verloren. Die am Zungenbeinbogen angebrachte vordere Kiemenblättchen- reihe der Selachier kommt unter den Gano'i'den als respiratorisch fun- girende Kieme ndeckelkieme gleichfalls noch vor (Acipenser, Lepi- dosteus). Ebenso besteht sie während der embryonalen Stadien der Teleostier, allein hier nur in vergänglicher Weise, denn sie erleidet nach Verlust ihrer respiratorischen Redeutung Rückbildungen. Rald be- steht sie nur aus einer am oberen Abschnitte des Kiemendeckels be- festigten kurzen Kiemenblättchenreihe, bald isj sie näher an die Schädel- basis gerückt. Häufig besitzt sie keine vorspringenden Rlättchen, sondern liegt ganz unter der Schleimhaut verborgen. Auch in diesem Zustande können noch knorpelige Stäbchen als Rudimente früherer Bildung in ihr vorkommen. Bei noch weiterer Rückbildung (z. R. bei Esox) erscheint sie als ein drüsenartiges aus einzelnen Läppchen zu- sammengesetztes Gebilde, das aber durch seine Lagerung sowie durch sein Verhalten zu den Rlutgefässen mit den minder rückgebildelen Formen der Opercularkieme übereinstimmt. Rezüglich der übrigen Kiemen blattrdihen ist bei Gano'i'den und Teleostiern nicht minder eine Veränderung eingetreten. Mit dem gänz- lichen Verluste des äusseren Kiemenskeletes ist das bei den Selachiern von jedem inneren Kiemenbögen entspringende Septum geschwunden oder auf einen schmalen Saum reducirt. Letzteres ist bei den Stören, ähnlich auch bei den Chimären der Fall. Dadurch kommen die Reihen der Kiemenblättchen in unmittelbare Reziehung zu den betreffenden Kiemen. 575 Fig. 275. Kiemenbogen und werden sich demnach in zwei Reihen (Fig. 275. b b) an allen jenen Bogen angeordnet vorfinden , welche zwischen je zwei Kiementaschen verliefen. Die vordere Kiemenblättchen- reihe am Kiemenbogen eines Teleostiers oder Ganoiden entspricht somit der Kieme an der hintern Wand der Kiementasche eines Selachiers, und die hintere Blätt- chenreihe einer Teleostierkieme der vorderen Kieme in der Kiementasche eines Selachiers. Die Beziehung der auf den Kiemenbogen sitzenden Kiemenblattreihe der Knochenfische zu den in den Taschen geborgenen Kiemen der Selachier lassen sich in folgendem Schema ausdrücken , wobei b die in- differenten Zustände der Kiemenblattreihen, B ihre in den einzelnen Abtheilungen differenzirte Anordnung ausdrücken soll, ß bedeutet eine in eine Nebenkieme umgewandelte Kiemenblättchenreihe. Selachier: Ganoiden (Stör, Lcpidosteus) u. Teleostier: P ßi b b b b B* b b b b ß5 - 3' ß1 B1- ß3 ß* Durch die Rückbildung der Kiementaschen-Septa, wird der gesammte Kiemenapparat compendiöser, be- sitzt daher nicht mehr die Ausdehnung auf den An- fang der Rumpfregion , die er bei Selachiern auf- wies, sondern lagert ausschliesslich an der Schädel- basis. Während aber jedes vorspringende Septum für die nächst- folgende Kiementasche ein Schutzorgan bildete, wird bei Chimären, Ganoiden und Teleostiern ein solches von einem einzigen Visceralbogen, nämlich vom Zungenbeinbogen geliefert, indem dessen lntegument nach hinten zu auswachsend die sämmtlichen Kiemen bedeckt und bei Ganoiden wie Teleostiern in den Opercularapparat und die Mem- brana branchiostega mit ihren verschiedenen Stützorganen sich aus- bildet (§ 313. 325). § 385. Gewöhnlich sind vier Kiemenbogen mit Kiemenblättchen besetzt. Doch bieten sich hiervon mancherlei Ausnahmen , indem der vierte Bogen nur eine einzige Reihe von Blättchen trägt, oder indem auch nur drei Blättehen tragende Bogen vorkommen. Daran reihen sich be- deutende Beduclionen, da mit dem Schwinden der Blättchen am vierten. Fig. 275. Darstellung der Gefässvertheilung in den Kiemenblättchen. a Quer- durchschnitt des knöchernen Kiemenbogens. bb Zwei Kiemenblättchen. c Kiemen- arlerie. c Aestchen der Kiemenarlerie in den Blättchen, d Kiemenvene. d'd'Aest- chen der Kiemenvene in den Kiemenblättchen. (Nach Cuviek.) .)/ 6 Wirhclthiere. sowie der hinleren Blättchenreihe nrn drillen Bocen die vierte Kiemen- spalte sieh schliesst. In dem Verhallen der Blätlehen sowohl hinsicht- lich ihrer Zahl , Grösse und Gestalt sind gleichfalls viele Wandlungen wahrzunehmen, von welchen die Umbildung in zottenförmige Fortsätze hei den Lophobranchiern hervorgehoben werden mag. Eine Umbildung der Kiemenbogen erscheint in einzelnen Abtheilungen der Teleostier aus einer Anpassung ableitbar, welche auf das Zurückhalten von Wasser im Kiemenapparate abzuzielen scheint. Hieher gehören die Organe der Laby rinthob ra nchia; Modificationen einzelner Kiemenbogen oder Kiemenbogenglieder bilden gewundene lamellenartige Vorsprünge, durch welche ein über den Kiemen gelegener Abschnitt hergestellt wird (Anabas, Polyacanthus). Ein anderer Apparat kommt bei Clupe'iden vor, und besteht aus einem spiralig gewundenen, als Ausstülpung der oberen Rachenschleimhaut erscheinenden Schlauche (Kiemenschnecke), der meist mit dem oberen Gliedslücke des vierten Kiemenbogens zu- sammenhängt, und in seinen Wandungen Fortsätze dieser Skelettheile enthält. Diese Kiemenschnecke ist sehr entwickelt bei Heterotis, Luto- deirä , Melelta u. a. Ferner gehören hierher dendritisch verzweigte Fortsätze von Kiemenbogen, die in besonderen Verlängerungen der Kiemenhöhle geborgen noch ein respiratorisches Gefässnetz tragen (Heterobranchus, Ciarias) . Gleichfalls mit der respiratorischen Bedeutung der zu den Kiemen führenden Vorkammer desTractus intestinalis stehen Ausbuchtungen dieses Raumes in Zusammenhang. So erstreckt sich bei Saccobranchus jederseits ein langer Schlauch von der Kiemenhöhle bis in die Seiten- rumpfmuskeln, und bei Amphipnous geht jederseits hinter dem Kopfe ein solcher Sack hervor, dessen Eingangsöffnung im oberen seitlichen Theile des Rachens über der ersten Kiemenspalte liegt. Beide Bildungen enthalten respiratorische Gefässnetze. § 386. Aeussere Kiemen , unter den Fischen allgemein nur bei Selachiern während eines Embryonalstadiums verbreitet, bei Polypterus gleichfalls auf einen Jugendzustand beschränkt, und wie bei Protopterus nur einem einzigen Bogen zugetheilt, treffen sich erst wieder bei den Am- phibien , bei denen sie wie bei den Selachiern als Vorläufer innerer Kiemen auftreten. Sie erscheinen als zwei bis drei Paare verästelter Blältchen und Fäden , welche von ebenso vielen Kiemenbogen ent- springen. Bei den Perennibranchialen bleibt dieser Apparat in Function, und durch die Kiemenspalten besteht eine beständige Communication der Mundhöhle mit dem umgebenden Wasser. Bei den übrigen Am- phibien gehen diese äusseren Kiemen verloren , um bei den unge- schwänzten Amphibien, denen sie nur während einer kurzen Periode zukommen, einer Entfaltung kürzerer Kiemenblättchen, in Gestalt innerer Kiemenspalten der Anamnia. — Gaumen der Amnioten. 577 auf vier Bogen des Visceralskelets aufgereihter Kiemen, Platz zu machen. Bei diesen entwickelt sich zugleich eine von vorn nach hinten wachsende Membran, welche die Kiemen bedeckend äusserlich nur eine einzige Oeffnung bestehen lässt. Durch ferneres Auswachsen dieser Membran kommen die beiderseitigen Oeffnungen näher aneinander, um zu einer einzigen ventral zusammen zu treten. Mit der Beendigung des Larven- stadiums trifft die inneren wie die äusseren Kiemen der Derolremen und Salamander eine Bückbildung, und die Kiemenspalten schliessen sich. Nur bei den Derotremen bleibt jederseits eine Spalte übrig, während bei den Salamandrinen und Anuren jede Spur des ursprüng- lich vorhandenen Kiemenapparates zu Grunde geht. Kiemenspalten der Anamnia. — Gaumen der Amnioten. § 387. Der bei den Anamnia als respiratorische Vorkammer fungirende Baum verliert bei den Amnioten einen Theil seiner funclionellen Be- deutung, indem keinerlei Kiemenbildungen mehr zur Entfaltung kom- men. Als eine von kiemenbesitzenden Stammältern ererbte Einrichtung erhalten sich jedoch auch in dieser Abtheilung die- Schlundwand durch- setzende Spalten in gewissen Embryonalperioden. Das Auftreten dieser wie es scheint auf die Vierzahl beschränkten Kiemen oder Visceral - spalten erfolgt von vorne nach hinten, doch so, dass mit der Er- scheinung der letzten an den vorderen meist schon Veränderungen ein- getreten sind. Allmählich erleiden sämmtliche eine Bückbildung, und verschwinden gänzlich, bis auf die erste, welche in Theile des mitt- leren und äusseren Ohres sich umgestaltet (vergl. oben §. 376). Indem schon mit der Bückbildung der embryonalen Kiemenspalten die Verbindung mit den Anamnia sich lockert, tritt durch eine Differen- zirung der primitiven Mundhöhle eine neue Eigenthümlichkeit auf. Sie führt zur Bildung der secundären Nasenhöhle und der secundären Mundhöhle. Der dahinter gelegene, nicht in diesen Vorgang mit eingezogene Best der primitiven Mundhöhle stellt den Pharynx vor. Das bei den Amphibien breite , beide Nasenhöhlen trennende Eth- mo'i'dalknorpelstück wächst bei den Amnioten zu einer dünnen senk- rechten Lamelle aus (Fig. 276. e), welche die Nasenscheidewand bildet. Zum Theile bleibt diese knorpelig , zum Theile gehen knöcherne Ge- bilde an und aus ihr hervor, deren oben beim Kopfskelete bereits ge- dacht ward. , Eine zweite Veränderung bildet sich durch das Auswachsen hori- zontaler Leisten oder Fortsätze, die sowohl von dem Oberkieferfortsatze des ersten Visceralbogens wie auch vom unteren Ende des Stirnfort- satzes ausgehen (Fig. 276. p) und allmählich eine, die primitive Mund- höhle in zwei Etagen theilende Platte entstehen lassen. Diese bildet Oegenbaur, tirundriss. 37 578 Wirbelthiere. für den oberen Raum, die Nasenhöhle (n), den Boden, für den unteren (m) das Dach. In letzterer Beziehung wird sie als Gaumen bezeichnet. Indem die erwähnte Nasenscheidewand diese Gaumenplatten erreicht, sondert sie zwei Nasenhöhlen von einander, und in jede mündet nun- mehr der Nasencanal aus, während sie bereits von früher her eine mit der äusseren Oeffnung des Nasencanals zusammenfallende äussere Oeffnung besassen. Die durch die Gaumenplatte PI 276 von der Mundhöhle, durch die senkrechte Nasen- scheidewand von einander getrennten hinteren Oeffnungen der Nasenhöhlen werden als Choanae bezeichnet. Sie münden in den Pharynx ein. Durch diesen Vorgang gelangt das Riechorgan in einen Raum, der ursprünglich zum grössten Theile der primitiven Mundhöhle zugehörte. Die Entwicklung der Gaumenplatten reprä- sentirt sehr verschiedene Stadien. Bei Schlangen, Sauriern und Vögeln ist dieser Scheidungs- vorgang minder vollständig, die Ghoanen erscheinen als eine Längs- spalte, indem die Gaumenfortsätze nur vorne einander erreichen, nach hinten zu aber von einander getrennt bleiben. Zuweilen sind die Ghoanen bei Vögeln getrennt und dann bedeutend schmal. Bei den Crocodilen dagegen sind sie am weitesten nach hinten gerückt, weiter sogar als bei den Säuge thi er en , wo sie aber ebenso nicht mehr in die secundäre Mundhöhle sich öffnen, sondern in den oben bereits als Pharynx bezeichneten Raum, welcher schon durch die gleichfalls in ihn einmündenden, jederseits aus der ersten Visceralspalle hervorgegangenen Tubae Eustachii als ein der ursprünglich respira- torischen Vorkammer angehöriger Abschnitt sich kundgibt. Den Gaumen stützen bei Reptilien und Vögeln Skeletgebilde ,-* bei den Säugethieren (s. oben) wird er zum Theil durch Weichtheile vor- gestellt, welch' letztere den weichen Gaumen bilden im Gegensatz zu dem feste Grundlagen besitzenden harten. Nasenhöhle. § 388. Während die Nasenhöhlen schon durch den vom Gaumen besorgten Abschluss von der Mundhöhle an Länge gewinnen , trägt hiezu noch die Ausdehnung des Gesichtstheiles des Kopfes nicht wenig bei, und sie werden, dadurch in die Länge wie in die Höhe sich entfaltend, zu bedeutenden Räumen. Nur an ihrem oberen und hinteren Abschnitte Fig. 276. Schematische Darstellung der Sonderung der primitiven Mundhöhle in Nasenhöhle n, n, und secundäre Mundhöhle m. p Gaumenplatten, c Nasen- scheidewand, Nasenhöhle. 579 findet die Ausbreitung und Endigung des Olfactorius statt, während der untere und vordere vorwiegend als Luftweg dient, und damit zu den Athmungsorganen Beziehungen empfängt. Man unterscheidet demgemäss die Innenfläche der Nasenhöhle in" eine Regio olfactoria und eine Kegio respiratoria. Die nicht mehr ausschliesslich von der Schleim- haut gebildete Oberflächenvergrösserung des Binnenraums nimmt man- nichfache Gestaltungen an. Immer betheiligt sich daran die vom Prim- ordialcranium gebildete laterale Wand der Nasenhöhle , deren gefaltete und gewundene Vorsprünge die Nasenschleimhaut überzieht. Diese lamel- lenartigen frei geendigten Vorsprünge bezeichnet man als Muscheln (Conchae). Den Reptilien kommt in jeder Nasenhöhle nur eine einzige Muschel zu, die von einem mit der äusseren Nasenöffnung beginnenden Vor- hofe aus meist in horizontaler Lagerung nach hinten zieht, und bei den Schildkröten wenie;, am meisten bei den Croeodilen entfaltet ist. Diese Muschel findet sich ebenso bei den Vögeln , wo sie in grosser Mannichfaltigkeit auftritt. Bald ist sie einfach (Tauben), bald durch Einrollung complicirter (Raubvögel; , oder sie kann auch in mehrfache Lamellen sich spalten (Strauss). Vor und unterhalb dieser Muschel kommt ein muschelartiges Gebilde vor, welches immer mit der Nasen- scheidewand im Zusammenhang , schon dadurch von den stets lateral entspringenden Muschelbildungen sich unterscheidet. Diese Pseudoconcha scheidet den Vorhof der Nase vom innern Nasenraume, und ist nicht selten schon an der äussern Nasenöffnung mit ihrem Vorderrande sichtbar. Eine andere Vorsprungsbildung liegt über der Muschel , und nimmt in der Regel das obere blinde Ende der Nasenhöhle ein. Es wird durch einen höckerförmigen bald rundlichen , bald eingebogenen Vorsprung der knorpeligen Seitenwand der Nasenhöhle vorgestellt, der durch einen in der Orbita liegenden luftführenden Sinus gebildet wird. Auf diesem den Tauben fehlenden Vorsprunge endet ein -Theil des Olfactorius, ein anderer am entsprechenden Abschnitte der Nasen- scheidewand. Bei den Säugethieren werden drei Muscheln unter- schieden. Die beiden oberen gehören zu dem das Siebbein bilden- den Abschnitte, die untere der einzigen Muschel der Reptilien und Vögel entsprechende bleibt in der Regel ein selbständiger Knochen, der zahlreiche Verschiedenheiten bietet, indem er bald in mehrfache in verschiedenen Richtungen eingerollte Lamellen sich spaltet, bald an diesen Lamellen wieder mehrfache Verzweigungen besitzt, z. B. bei Carnivoren (am complicirtesten bei Lutra und Phoca). Am wenigsten entwickelt sind diese Muscheln bei manchen Beutelthieren (Macropus, Phascolomys), dann bei den Affen (am einfachsten bei den Platyrhinen) und beim Menschen, wo wir also Rückbildungen vor uns haben. Durch die von den Muscheln gebildeten VorSprünge wird der Raum der Nasenhöhle in mehrere Abschnitte, die Nasengänge, zerlegt. Die Begio olfactoria gehört der oberen Muschel und dem oberen Theile 37* 580 Wirbelthiere. des Septums an. Eine Rückbildung der Nasenhöhle unter Verlust ihrer olfactorischen Bedeutung hat bei den Walthieren stattgefunden. Die auf der oberen Schädelfläche befindliche äussere Oeflhung führt in einen senkrecht absteigenden durch die Nasenscheidewand getheilten Canal, der durch einen Schliessmuskel von der Rachenhöhle abge- schlossen werden kann und von Muschelbildungen keine Spur aufweist. § 389. Der Nasenhöhle gehören accessorische Apparate an. Solche sind : 1) Nebenhöhlen der Nase. Diese entstehen durch Auswachsen der Nasenschleimhaut in Theile der festen Wandung. Sie treten zu- erst bei den Crocodilen auf, wo sich ausser den einzelnen Knochen, auch im Knorpel der seitlichen Nasenhöhlenwand eine mit der Nasen- höhle communicirende Hohlraumbildung vorfindet. Bei den Vögeln sind Verbindungen der Nasenhöhle mit Räumen benachbarter Knochen sehr allgemein verbreitet. Ein im vorderen Orbilalraum gelegener Sinus communicirt mit dem Grunde der Nasenhöhle und führt zugleich in den Hohlraum, welcher die über der Muschel gelegene Ausbuchtung gegen die Nasenhöhle bildet. Bei den Säugethieren communicirt die Nasenhöhle mit einer Anzahl in verschiedenen Knochen des Schädels liegender Höhlen , von denen vorzüglich die Sinus frontales hervorzu- heben sind. Es sind im Stirnbein liegende, bald einfache, bald in kleinere Abschnitte getrennte Cavitäten, die bei Wiederkäuern mächtiger entwickelt sind. Andere Gommunicationen finden mit der Höhle des Keilbeins statt, sehr entwickelt z. B. beim Elephanten, wo die Hohl- räume sich sogar durch Scheitel- und Schläfenbeine bis in die Gon- dylen desOccipitale erstrecken, und endlich bestehen auch Verbindungen zwischen der Nasenhöhle und dem Oberkiefer, den Sinus maxillaris bildend, der bei Beutelthieren und Wiederkäuern, sehr beträchtlich bei Einhufern entfaltet ist. Bei Primaten minder umfangreich, fehlen sie den meisten Carnivoren, den Edentaten und Nagern. 2) Drüsen. Ausser den der Nasenschieimhaut im Allgemeinen zukommenden drüsigen Gebilden, stehen noch grössere Drüsen mit der Nasenhöhle im Zusammenhang, und werden als entwickeltere Schleimhautgebilde gelten müssen, die bei Volumszunahme auch ausser- halb der Nasenhöhle Platz nehmen. Solche Nasendrüsen finden sich bei den Schlangen, auch bei manchen Sauriern und den Grocodilen, bei den ersteren äusserlich dem Oberkiefer anliegend, bei den letzteren in eine Höhle des Oberkiefers eingeschlossen. Eine äussere Nasen- drüse, bald auf den Stirnbeinen, bald auf den Nasenbeinen gelegen, findet sich auch bei Vögeln. 3) Jacobson'sches Organ. Dies ist ein am Boden der Nasenhöhle meist im Anschluss an das Septum nasale liegender, am Gaumen mit der Mundhöhle communicirender, aber gegen die Nasen- Mundhöhle. 581 höhle abgeschlossener Canal, dessen Wandung an einem inannichfach gestalteten Vorsprunge die Endigungen einiger Olfactoriuszweige trägt, die am Septum herablaufen. Bei Schlangen und Eidechsen wird der Canal theilweise vom Vomer umschlossen, und bei den Säugethieren sind diese Organe mehr in die Länge gestreckt und setzen sich als Stenson'sche Gänge durch die Ganales incisivi zur Gauinenfläche fort, vorzüglich bei Wiederkäuern und Nagern ausgebildet. 4) Aeussere Schutzorgane. Solche die Eingänge in die Nasen- höhle theilweise überragende Gebilde werden bald vom Integumente geliefert, bald trägt eine Fortsetzung der dem Primordialcranium zuge- hörigen knorpeligen Wandung der Nasenhöhle dazu bei , letzteres ist an der äussern Nase der Säugethiere der Fall, wo einzelne Knorpel- thcile eine grössere Selbständigkeit erlangen, und durch einen Muskel- apparat beweglich sind. Mundhöhle. § 390. Mit der durch die Gaumenbildung eingeleiteten Scheidung der primitiven Vorkammer des Darmrohres in die Nasenhöhle und die Mundhöhle, wird eine Anzahl der schon der primitiven Einrichtung zu- kommenden Organe der Mundhöhle zugetheilt, indess andere als erst nach der Scheidung gebildete erscheinen. Zu den ersteren gehören die Zahnbildungen , die Zunge und mancherlei Drüsenorgane. Als neu entstandenes Gebilde erscheint der weiche Gaumen oder das Gau- mensegel. Dieses erst bei den Säugethieren auftretende Organ be- steht aus einer muskulösen vom Hinterrande des harten Gaumens be- ginnenden Platte, welche von der Schleimhaut continuirlich bedeckt wird, und sich jederseits abwärts in zwei Schenkel (Gaumenbogen) theilt. Diese fassen eine nischenförmige Vertiefung zwischen sich , in welcher ein als Mandel bezeichnetes, sehr verschieden gestaltetes Organ meist einen wulslartigen Vorsprung bildet. Dieser bewegliche Apparat bildet die hintere Grenze der Mundhöhle, die er vom Pharynx scheidet. Eine mediane Verlängerung des Gaumensegels stellt das Zäpfchen als eine den Primaten zukommende Einrichtung vor. Die vordere und ^seitliche Begrenzung der Mundhöhle bilden bei Beptilien und Vögeln die vom Integumente überkleideten Rieferränder mit den jenem zukommenden Harlgebilden. Bei Eidechsen und Schlangen stellt das Integument längs des Kieferrandes in einem wulstartigen Vor- sprunge die Anfänge der Lippen vor. Bei den Säugethieren tritt mit Ausnahme der Monotremen das Integument von den Kieferrändern ab, und überkleidet eine von den Kiefern entspringende, complicirte Muskel- schichte, welche bis in die Lippen reicht und dieselben beweglich erscheinen lässt. Durch dieses Verhalten entsteht ein vor der Mund- höhle liegender Baum, das Vestibül um oris, dessen seitliche Ab- 582 Wiibellhiere. schnitte als Wangenhöhle erscheinen, und grosser Dehnbarkeit fähig bei vielen Säugethicren besondere taschenartige Ausstülpungen (Backen- Laschen bei Nagern, Allen) herstellen. Organe der Mundhöhle. § 394« Von den Organen der Mundhöhle sind die zum Ergreifen und zu Zerkleinerung der Nahrung dienenden Hartgebilde ulannichf acher Art. Ein Theil davon entsteht durch Verhornung von Epithelzellen. Die saugnapfartig gestaltete Mundöffnung der Cyclostomen (Fig. 277) ist mit solchen Hornzäbnen besetzt, deren auch noch an einem zungen- artigen Organe dieser Thiere vorkommen. Aehnliche Belege der Kiefer- ränder bestehen auch bei Amphibien, theils im Larvenzustande als vorübergehende Bildungen (Anuren) , theils bleibend bei Siren. Sie werden bei ersteren durch zahlreiche dicht nebeneinander gestellte Zähnchen gebildet. Etwas verschieden von diesen bestimmt geformten Zahnbildungen sind die ausgedehnteren hornigen Ueberzüge der Kieferränder, wie sie bei Schildkrölen, Vögeln und bei den Mono- tremen im Zusammenhange mit dem hier vor- handenen Mangel wirklicher Zähne als compen- satorische Einrichtungen bestehen. Dieser Mangel von Zähnen ist aus einer Rückbildung abzuleiten, und die Ausstattung der Kiefer mit Zähnen ist als ursprüngliches Verhallen anzusehen. Dies beweisen die wenn auch seltenen Fälle, wo wäh- rend des Embryonalzuslandes ein vorübergehendes Auftreten von Zähnen beobaehtel ist, wie bei Trionyx unter den Schildkröten. Die wahren Zähne sind das Product der Mundschleimhaut, an dessen Bihlung sowohl die Bindegewebschichte wie das Epithel betheiligt ist. Bei den Selachiern stimmen sie in ihrem Baue wie in ihrer Genese vollkommen mit den Schüppchen des Integumentes über- ein, mit denen auch grosse äussere Aehnlichkeiten bestehen, so dass bei der Conlinuilät der Matrix beider, sowie bei der vielen Selachiern zu- kommenden Verbreitung derselben Integumentschüppchen über einzelne von den Kieferrändern entfernter liegende Strecken der Mundhöhlen- wand, eine primitive Gleichartigkeit der Zähne mit jenen Schüppchen erschlossen werden kann. Die auf den Kiefer rändern sieh entwickelnden Zähne erscheinen demgemäss n u r a I s volu- Fig. "All. Mundöffnung von Pctromyzon marinus mit den »Hornzahnen«. (Nach IIeckll und Kner.) Organe der Mundhöhle. 583 in i n ö s e r gestaltete, häufig a u ch s o n s t d i f f e r e n z i r t e r e G e - bilde derselben Art wie sie im lnlcgumente vorkommen. Ihre Veränderungen im Gegensatz zu den letzteren sind dann aus Anpassung an neue, d u r c h die Beziehungen zu den Kieferrän dein erlangte Functionen, deren erste Entstehung zeillich wohl mit der D i f lere n zi r ung des primitiven Kieferbogens zusammenfiel, erklärbar, wie sich die Ausbreitung dieser selben Gebilde in der pri- mitiven Mundhöhle aus der Entstehung der letzteren erkl ä r t. Der Betheiligimg zweier Gewebe an der Zusammensetzung der Selachierziihne entspricht die Bildung zweier Substanzen, eine aus der Bindegewebsschichte der Schleimhaut gebildete Zellenschichte sondert das Zahnbein ab, und eine diese deckende dem Epithel an gehörige Schichte liefert eine besondere Schichte , welche als Schmelz zu deuten ist. Wenn die letztere Substanz nach manchen Angaben auch nicht ganz allgemein in allen Zähnen der Vertebraten verbreitet verkommt, so spielt sie jedenfalls eine wichtige Bolle, da sie bestimmt wieder bei Reptilien und Säugethieren sich trifft. Die Verbreitung einer die Ansätze zur Zahnbildung tragenden Haut über Strecken, welchen bei Selachiern ausgebildetere Zahnformationen abgehen, ist für die Erklärung einer grösseren Ausdehnung von Zahn- bildungen bei Gano'i'den und Teleostiern von grosser Wichtigkeit. Die bei Selachiern nur durch jene Schüppchen ausgezeichneten Stellen sind bei jenen Fischen durch mehr oder minder exquisite Zahngebilde ein- genommen. Ausser den Kieferstücken können Gaumenbeine, Vomer, Parasphenoid, endlich Zungenbein und Kiemenbogen Zähne tragen. Von den Kiemenbogen ist es meist der hinterste, der auf einfache Platten reducirt durch Zähne ausgezeichnet ist (Schlundzähne). Auch an den oberen Gliedern der Kiemenbogen sind Zähne in grosser Verbreitung vorhanden. Bei den Amphibien linden sich noch am Gaumenbein und Vomer Zähne, seltener am Parasphenoid ; Gaumenzähne und Zähne am Ptery- go'i'd bestehen bei den Reptilien nur bei Schlangen und Eidechsen, während bei den Grocodilen die Zahnbildung wie bei den Säugethieren auf die Kieferknochen beschränkt ist. Wie die Zähne unabhängig von den unter ihnen befindlichen Skelel- theiien stets in dem Schleimhautüberzuge ihre Entstehung nehmen, so bieten sie in den unteren Abtheilungen auch nur lose Verbindungen dar. Bei den Selachiern sind sie theil weise beweglich. Bei den meisten Fischen behalten sie die oberflächliche Lagerung, und wo festere Ver- bindungen zu Stande kommen, gehen diese aus einem Verwachsen der Zähne mit den betreffenden Skelettheilen hervor. Solches trifft sich auch noch bei den Amphibien, während bei den Reptilien bald blosse Anlagerungen (pleurodonte Saurier), bald Einsenkungen der sieh enl- 584 Wirbellhiere. wickelnden Zähne in die betreffenden Kieferstücke stattfinden. Bei einem Theile der Saurier sind die Zähne dem Kieferrande angefügt (acrodonte Saurier). Bei anderen, z. B. den Ucckonen, auch bei Schlangen, stets aber bei den Crocodilen, weiden die sich bildenden Zähne von den Kieferrändern theilweise umwachsen und somit in Al- veolen gebettet (Fig. 278. B). Bei den Säugelhieren besteht ein ähn- licher Vorgang. Eine in die Schleimhaut des Kieferrandes einwachsende Epithelialmasse (Fig. 278. C. s) umschliesst kappenförmig eine Papille (p), auf welcher die erste Zahnanlage erfolgt; indem diese ein »Zahn- säckchen« darstellende Bildung vom Kiefer umwachsen wird , nimmt der Zahn seine ganze Differenzirung innerhalb des Kiefers , um erst mit seiner allmählichen Ausbildung die Schleimhaut zu durchbrechen, von welcher das ihn erzeugende Säckchen sich abgeschnürt hatte. Fig. 278. Allgemeines Verhalten der Zahnbildung bei Fischen Reptilien und Säugethieien. Senkrechte Durchschnitte durch den Unterkiefer. A Von einem jungen Acanthias. B Von einem jungen Alligator. C Von einem Hunde-Embryo. Aa Junge Zähne, unterhalb des untersten einige zur Zahnbildung bestimmte Schleim- hautpapillen, mit einer Epithelschichte überdeckt, die an den übrigen Theilen der Figur weggelassen ist. «' In Gebrauch befindlicher Zahn, a" An die Vorderfläche des Kiefers gerückte ältere Zähne, b Knorpeliger Kiefer, c Kalkplättchenschichte des Kieferknorpels, d Schleimhaut. B a Junger Zahn auf einer gefässführenden Schleimhautpapille p. a' Aelterer aus dem Kiefercanale vorragender Zahn, an dessen Wurzel ein Stück resorbirt ist. e e e Theile des knöchernen Unterkiefers (das grössere Stück gehört dem Dentale an). Cc Kieferrand mit einer verdickten Epithelschichte, e Kieferknochen, p Gefässhaltige Zahnpapille, auf welcher eine Epithellage p' mit einer Schichte Zahnbein sich lindet. s Schmelzorgan, das sich gegen die Zahnanlage mit einer Epithelschichte s' abgrenzt , unter welcher eine der Zahnbeinschichte aufsitzende Schmelzlage tinlerscheidbar ist. Organe der Mundhöhle. 585 § 392. Die Gestaltung der Zähne bietet ausserordentlich verschiedene Ver- hältnisse , so dass von breiten plattenartigen Gebilden bis zu langen und feinen stachelartigen Formen alle Uebergangszustände bestehen ; besonders bei den Fischen herrscht diese Verschiedenheit, so zwar, dass einzelne Zahngruppen bei demselben Thiere durch Mannichfaltigkeil der Formen von einander unterschieden sind. Eine grössere Gleichartiekeit in der äusseren Gestalt bieten die Zähne der Amphibien, die wenig- stens bei den lebenden Formen meist einfach konisch gestaltet sind, oder spärliche Zacken besitzen. Unter den Reptilien bieten die Saurier grössere Differenzen, auch theil weise die Schlangen, bei denen eine Abtheilung eine Verbindung gewisser Zähne mit einem besonderen Giftdrüsenapparate besitzt. Konische Form der Zähne herrscht auch bei den Grocodilen, bei welchen unter den bereits gebildeten Zähnen stets neue, von den älteren scheidenartig bedeckte entstehen. Bei den Säugethieren ist die erste Anlage von einer Weiterbildung der bei Fischen (Selachiern) bestehenden Befunde ableitbar, indem ein in die Schleimhaut einwachsender Epithelfortsatz eine die Zahn- papille bedeckende Lage herstellt, allein diese besteht nur an der die Papille bedeckenden Schichte epithelartig fort und wandelt sich vom Mullerboden abgeschnürt in ein besonderes Organ, das Schmelzorgan, um, welches mit der Zahnpapille das Zahnsäckchen herstellt. Die Bil- dung der beiden Substanzen des Zahnes erfolgt in gleicher Weise wie in den niederen Abtheilungen, nur empfängt die Schmelzschichte eine besondere Diffeienzirung, welche diesen auf gleiche Weis,e gebildeten Bestandtheil des Zahnes bei niederen Wirbelthieren in anderer Auf- fassung beurtheilen liess. Von diesem allgemeinen Verhalten bestehen übrigens auch bei den Säugethieren mancherlei oft bedeutende Modifi- calionen (z. B. bei Edentaten). Zugleich tritt eine grössere Verschiedenheit an einzelnen Zähnen hervor, so dass das gesammte Gebiss mannichfache Zahnformen ein- schliesst. Diese theilen sich wieder in verschiedene Leistungen bei der Bewältigung der aufzunehmenden Nahrung und bieten zahlreiche, nach der Art der Nahrung wechselnde Eigenlhümlichkeiten ; nur bei den Delphinen bleibt der niedere Zustand der Gleichartigkeit aller Zähne fortbestehen, und bei den Balaenen erfolgt nur eine Anlage von Zähnen, die in den Alveolarhöhlen sogar wieder rückgebildet werden. Ein Wiederersalz der verbrauchten und dann ausfallenden Zähne wird bei den Fischen durch fortgesetzte , neben den allen auftretende Neubildungen eingeleitet. Die Zahnbildung wird damit zu einem durch das ganze Leben des Thieres fortlaufenden , sich stets erneuernden Vorgange. Auch bei den Amphibien und Reptilien treffen wir neue Folgen von Zähnen, wie deren bereits bei den Grocodilen gedacht ward, so dass continuirliche Neubildung das Gebiss vollständig erhält. 586 Wirbelthiere. Dieser Vorgang beschränkt sich bei den meisten Säugethieren auf einen nur einmaligen Wechsel, indem das erste Gebiss (Milchzahngebiss) durch ein zweites und zwar an Zähnen reicheres ersetzt wird. Eines solchen Zahnwechsels entbehren die Cetaceen und Edentalen, die man als Monophyodonten den anderen, Diphyodonten, gegenüberstellt. Zwi- schen beide Abtheilungen stellen sich die Beutelthiere, bei denen das diph\odonte Verhalten nur rudimentär ist, indem es sich auf jeder Kieierhälfle auf einen einzelnen Zahn beschränkt. Achnlichcs bietet sich auch bei manchen Anderen, wie z. B. beim Elephanten und beim Üugong dar, sowie auch die Nagelhierc sich hier anreihen lassen, in- sofern deren Schneidezähne ohne Vorläufer sind. Dadurch verknüpfen sich beide Reihen und der Zahnwechsel der Säugelhiere kann im Ver- gleiche zu dem Verhallen der Reptilien als ein analoger Vorgang be- trachtet werden, der aus einem den Ausgang bildenden polyphyo- donten Zustand sich entwickelt hat. § 393. Ein zweiter in der Mundhöhle sich diflerenzirender Apparat wird durch die Zunge vorgestellt, die bei den Fischen durch einen häufig nur durch denSchleimhaulüberzug des Zungenbeinkörpers gebildeten flachen, nur mit dem gesammten Visceralskelct lig. 279. beweglichen Vorsprung repräsentirt wird, und durch häufigen Zahnbesatz mit an- deren Theilen der Wand jenes Binnen- raumes übereinstimmt. Eine selbstän- dige Muskulatur tritt in diesem Organe erst bei den Amphibien auf, wo es als ein dickes, bei vielen sogar vorslreck- bares Gebilde erscheint. Es ist bei Pipa und Dactylethra nicht ausgebildet. Meist ist nur das vordere Ende mit dem Boden der Mundhöhle verbunden, und das hintere erscheint in zwei Lappen aus- gezogen als der beweglichere Theil. Eine muskulöse Zunge besteht gleichfalls bei den Reptilien, bei Schlangen und Eidechsen sogar von einer besonderen Scheide umgeben , aus der sie hervor- geslreckt werden kann. Das Epithel der meist schmalen Zunge stellt häufig ver- hornte Partien dar, bildet Schuppen und Fig. 279. Zungenbeinapparat mit Zunge und Luftröhre von Varanus. e Me- dianes Stück des Zungenbeins (Zungenbeinkiel), h' Vorderes, h" hinteres Zungen- beinlioin. m vi' Muskeln. Ir Trachea, z Zunge. -m' Organe der Mundhöhle. o87 Höcker an der oberen Flache, und das vordere Ende (Fig. 279. s) zieht sich in zwei dünne Spitzen aus (Fissilingues). Breit und flach ist sie bei den Schildkrölen und Crocodilen , bei letzteren längs des Bodens der Mundhöhle befestigt und ungeachtet der bedeutend differen- zirten Muskulatur nicht vorstreckbar. Auch bei den Vögeln ist das vordere Ende der Zunge in der Regel von einer verhornten Epithel- schichte bedeckt, häufig sogar mit seillichen Widerhaken (Spechte) oder leinen Borsten besetzt (Tukane), und nur bei wenigen bildet die Zunge ein massiveres fleischiges Organ (Papageien) . Unter den Säuge t hie ren linden wir die Zunge durch bedeutendere Entwicklung der Muskulatur von beträchtlicherem Volum und zugleich bezüglich ihres Schleimhaul- überzuges mit zahlreichen Ditf'crenzirungen , von denen die Papillen- bildungen die wichtigsten sind. Mit der complicirteren Struclur ver- mannichfachl sich die Function des Organes, so dass es selbst bei der Nahrungsaufnahme sehr verschiedene Verrichtungen übernehmen kann, (lieber die Beziehungen zur Geschmacksfunrtion siehe § 366.) § 394. Mit der Mundhöhle verbundene Drüsenapparate entwickeln sich von der Schleimhaul der Mundhöhle aus, um dann bei voluminöserer Ausbildung und Lagerung ausserhalb der Schleimhaut nur ihre Aus- führiiämie dort einzusenken. Sie können somit als mächti2;er entwickelte Drüsen der Schleimhaut betrachtet werden. Derartige grössere Drüsen kommen zwar schon hin und wieder bei Fischen und Amphibien vor, doch sind am häufigsten in der Schleimhaut zerstreute kleinere Follikel vorhanden. Bei den Reptilien sind von den letzteren die längs der Kieferränder gelagerten grösser und werden als Lippendrüsen bezeichnet (Schlangen und Eidechsen). Ein mächtigeres Drüsenorgan bildet die Giftdrüse der Schlangen, die wohl ebenso aus einer Modiücalion einfacher Drüsen hervorging. Bei den Schildkröten kommt ein unter der Zunge gelagertes Drüsenpaar vor, welches man als Speichel- drüsen ansieht. Aehnliche Gruppen einzelner Drüsen besitzen auch die Eidechsen. Solche grössere, zur Bildung einer Mundhöhlenllüssig- keit beilragende Drüsen finden sich neben den an verschiedenen Stellen verlheilten, constant bei Vögeln und Säugethieren vor, und werden als Glandulae submaxillares, sublinguales und Parotides unterschieden. Letzlere münden bei den Vögeln im Mundwinkel aus, bei den Säuge- thieren im Vestibulum oris. Den Cetaceen fehlen diese Drüsen gänz- lich und bei den Pinnipedicrh sind sie gering entwickelt; so besonders die Parotis, die auch bei Echidna vermisst ward. Ihren bedeutendsten Umfang erreichen die drei Drüsenpaare bei Pflanzenfressern mit über- wiegender Ausbildung bald des einen, bald des anderen Paares. 588 Wirbelthiere. § 39a. Die Scheidung der respiratorischen Vorkammer des Darmes bei den Tunicaten wie bei den Balanoglossen in zwei über einander ge- legene Abschnitte, von denen der eine vorzugsweise der Zuleitung der Nahrungsstofle zu dienen scheint (vergl. § 128), hat sich auch auf die niederen Wirbelthiere fortgesetzt, indem bei Amphioxus längs der ventralen Wand der Athemhöhle ein mit der Bauch rinne der Tunicaten in allen wesentlichen P u n c t e n üb e r e i n s t i mm en- der Halbcanal besteht, der bei den Cranioten in eigentümliche Umbildungen übergeht. Unter den Cyclostomen ist diese Rinne nur noch während des Larvenzuslandes vorhanden, und zeigt sich mit dem bei Amphioxus persistenten Apparate völlig =homolog, allein mit der Difl'erenzirung des als Zunge fungirenden Organs tritt die Rinne in Rückbildungen , und geht in einen allmählich vom oberen Räume sich abschnürenden Canal über, der endlich sich vollständig trennend beim ausgebildeten Thiere in einen vom zweiten bis vierten Kiemensackpaar sich erstreckenden Complex mit Epithel ausgekleideter Follikel sich verwandelt, und damit die Schilddrüse vorstellt (W. Müller). Bei den Gnathostomen kommt es nicht mehr zur Bildung einer längere Zeit bestehenden Rinne, vielmehr schnürt sich an der homo- logen Stelle ein Forlsatz der Schlundhöhle ab (Remak) und bildet einen unpaaren vom Epithel der Schlundwand ausgekleideten Follikel, der unter allmählicher Sprossung sich in eine Summe einzelner Follikel auflöst, die durch Binde- gewebe vereinigt bleiben. Nicht selten sondern sich die Follikel in mehrfache Gruppen. Bei Fischen liegt das Organ wenig von seiner Bildungsstätte entfernt am vorderen Ende des Kiemenarterien- stammes zwischen diesem und der Copula des Zungenbeinbogens. Bei den Am- phibien findet sie sich in der Kehlgegend als paariges Knötchen (unpaar bei Proleus) an der inneren Fläche der hinteren Zungen - beinhörner, zuweilen in mehrfache Gruppen vertheilt. Unpaar, dicht vor den Aorten- bogen liegend, erscheint sie bei den Rep- tilien, paarig dagegen bei Vögeln (Fig. 580. /) in der Nähe des Ursprungs der Caroliden. In beiden Abtheilungen ent- fernt sie sich somit weit von der Bil- Fig. 280. Fig. 280. Thymus vulgaris, tr Trachea. [th) und Thyreoidea (t) eines reifen Embryo von Buteo Eigentlicher Darmcanal (Rumpfdarm). 589 dungsstätte, was durch das Zurücktreten der grossen Arterienstämme beeinflusst scheint. Unter den Säugethieren wird sie bei Mono- tremen, vielen Beulellhieren und manchen anderen aus verschiedenen Abtheilungen gleichfalls in 2 Theile getrennt, während sie sonst ihre beiden seitlichen Massen durch eine mediane Querbrücke (Isthmus) verbunden zeigt. Immer liegt sie dicht unterhalb des Kehlkopfes auf der Luftröhre. Die Fortdauer dieses schon bei den niederen Wirbelthieren seine ursprüngliche Bedeutung aufgebenden Organs in der langen Reihe der höheren Formen wird aus der phylogenetisch sehr frühzeitig erfolgten Vererbung verständlich, die ein Organ betraf, dessen Function bei Wirbellosen wie bei Amphioxus mit der Nahrungsaufnahme in wich- tiger Beziehung stand. Bringt man hiemit die Verbreitung der Bauchrinne bei sonst sehr weit von einander entfernten Abtheilungen in Zusam- menhang, so wird daraus auf ein ursprünglich in viel zahlreicheren Formen bestehendes Vorkommen dieses Organes geschlossen werden können, woraus wieder die tiefe , typische Bedeutung des Organs für die Veitebraten hervorgeht. Die Schilddrüse gehört also zu den rudimentären Organen , deren ursprüngliche Function erloschen ist, ohne dass an deren Stelle eine neue auch nur mit einiger Sicherheit erweisbar wäre. Eigentlicher Darmcanal (Rumpfdarm). § 396. Aus dem hinteren Ende der respiratorischen Vorkammer oder des Kopfdarmes beginnt der ausschliesslich der Aufnahme der Nahrung und ihrer Veränderung dienende Abschnitt des Tractus intestinalis, der das Darmrohr im engeren Sinne vorstellt. Aus seiner vorderen Gränze sondert sich von ihm ein bei Fischen in mehr indifferentem Verhalten die Schwimmblase, von den Amphibien an dagegen ein re- spiratorischer, Lunge und Luftwege darstellender Apparat. Der vorderste Abschnitt des Nahrungscanais entbehrt der scharfen Abgrenzung gegen den Kopfdarm. Da er ebenso wie der letzlere vom N. vagus versorgt wird, besieht zur Annahme Grund, dass er ursprüng- lich aus dem respiratorischen Theil des primitiven Darmrohrs , nach Rückbildung einer grösseren Anzahl hinterer Kiemenspalten hervor- ging, und damit dem hinteren Abschnitte der bei Amphioxus ansehn- lich langen respiratorischen Vorkammer entspricht. Die Einbettung eines beträchtlichen Theiles jenes VorderdarmabschniU.es in die Leibes- höhle, wodurch jener Strecke ein Peritonealüberzug zugetheilt wird, würde jener Hypothese entsprechend einen secundären Befund bilden, der aus der Anpassung des bezüglichen Abschnittes an eine neu über- nommene Verrichtung erklärbar erscheint. Jener Darmtheil hätte sich 590 Wirbelthiere. demzufolge erst allmählich weiter nach hinten zu, in die Leibeshöhle hinab ausgedehnt, und es liegt nahe, hierbei der Bewältigung festerer Nahrungssubstanzen eine activ wirksame Rolle zuzuerkennen, nachdem die Beziehung zum N. vagus eine Aenderung der primitiven Lage als nothwendig voraussetzen und für diesen Vorgang ein Causalmoment suchen lässt. Bei den Craniolen entspringen nicht blos einige eigenthümliche Ver- hältnisse der Darmanlage sondern auch spätere Zustände der Ontogenie des Darmes aus den Beziehungen des Eies zur gesammten Embryonal- anlage und aus einer Vermehrung des Dottermaterials. Bei den Selachiern umwächst die Darmanlage den Dotter, aber nur der unter dem Axenskelele der Embryonalanlage befindliche rinnen- förmige Theil der Gesammtanlage wandelt sich in den Darm um, und schliessl sich allmählich gegen den übrigen dotterführenden Theil ab, welch' letzterer dann als ein Anhang des Darms, als Dottersack, erscheint. Anfänglich ausserhalb des Körpers gelagert und auch von einer Fortsetzung der Integumentschichte umhüllt, steht der Dottersack nur durch einen Stiel mit dem Darm in Verbindung (äusserer Dotiersack) und wird allmählich in den Leib aufgenommen (innerer Dottersack). Unter allmählichem Verbrauche des Dotters bildet der Dottersack sich zu- rück. Ein durch geringere Quantität des als embryonales Ernährungs- material fungirenden Dotters charaklerisirtes Verhalten bieten die Tele- oslier (und GanoTden '?) dar. Der voluminösere Dotter des Eies der Reptilien und Vögel bedingt einen ähnlichen Gegensatz zwischen Darmcanal und Dottersack, doch empfängt der Dottersack keine Umhüllung vom Integumente , da die bei den Anamnia ihn umschliessenden Theile zur Bildung des Amnion und anderer fötaler Eihüllen verwendet werden. Da auch bei den Säugethieren , bei noch bedeutender Reduction des Ei- < materials , die Darmanlage sich von der hier den Dottersack repräsen- tirenden Keimblase abschnürt, kann diese Einrichtung von einem durch reicheres Dottermaterial ausgezeichneten Zustande abgeleitet werden. In der Entwickelung der Frucht im mütterlichen Organismus, und in der mehr oder minder innigen Verbindung der Frucht mit dem Uterus ist die den Mangel eines reichlichen Dottermaterials compensirende Einrichtung zu suchen. Vorn Dottersacke erhält sich aber doch ein Rudiment als Nabelbläschen niederer Abtheilungen, welches als ein zur Ernährung des Embryo nichts beitragendes Gebilde auch nicht in die Leibeshöhle mit aufgenommen , sondern mit den Eihüllen nach der Geburt vom Körper getrennt wird. Als einzelne Abschnitte des Nahrungscanais können folgende drei aufgestellt werden : Vorderdarm, Mitteldarm, Enddarm, welche durch die ganze Reihe der cranioten Wirbelthiere stets deutlich ge- trennt sich darstellen, sowohl durch äusserliche Merkmale als durch eine verschiedene Beschaffenheit ihrer feineren Struclur. Vordeidarm. 591 Vor de r darin. § 397. Diese erste Strecke des eigentlichen Nahrungscanais erscheint bei den Acrania als ein ausnehmend kurzer Abschnitt mittelbar vor einer nach vorne gewendeten Ausbuchtung gelagert, welche als Leber ge- deutet wird. Dagegen bildet er bei allen Cranioten eine mächtig entfaltete Strecke, deren Verbindungsstück mit der Vorkammer als Schlund oder Speise- röhre (Oesophagus) bezeichnet wird. Daran fügt sich der Endab- schnitt als Mage n , durch eine klappenartige Vorrichtung vom Mitteldarm getrennt. *Bei den Fischen geht die sehr weite und meist mit Längsfaltungen der Schleimhaut ausgestattete Speiseröhre meist ohne scharfe Grenze in den Magen über, der von letzterer meist nur durch andere Be- schaffenheit der Schleimhaut zu unterscheiden ist. In der Regel bildet der Magen (Fig. 281) einen nach hinten ge- richteten Blindsack , von dem ein nach vorne umbiegender engerer Abschnitt als »Pylorusrohr« unterschieden sich zum Mitteldarm (?) be- gibt. So bei allen Selachiern und GanoTden , auch bei vielen Teleo- stiern , indess andere Teleostier durch den Mangel oder die beträchtliche Aus- Fig. 281 . dehnung des Blindsacks nach hinten mannichfache Differenzen darbieten. Unter den Amphibien finden wir bei Proteus eine niedere Stufe, indem hier das gerade verlaufende Darmrohr nicht einmal eine den Magen reprä- sentirende Erweiterung besitzt. Da- gegen grenzt sich der Magen bei an- deren Urodelen (Fig. 286. v) als ein weiterer Abschnitt ab, und dies bleibt auch für die Anuren, deren Magen zu- weilen sogar in eine Querstellung über- geht (Bufo). Unter den Reptilien, zeigt der Munddarm bei Schlangen und Ei- dechsen sowohl durch grössere Weite des Oesophagus als durch geraden Verlauf des Magens niedere Zustände. Doch ist bei den Eidechsen ein an die Bildung des Pylorusrohres der Selachier sich anschliessendes Ver- Fig, 281. Darmcanal von Fischen. ^tVonGobius melanostomus. B Von Salmo. o Oesophagus, v Magen, t Mitteidann. ap Appendifes pyloricae, r Enddarm. A 592 Wirbel thiere. Fia. 282. halten bemerkbar, woraus eine allmähliche Querstellung des Magens ab- leitbar wird. Bei Schildkröten und Crocodilen ist eine schärfere Sonde- rung des Oesophagus vom Magen aufgetreten , und bei den ersteren zeigt sich durch bedeutendere Hebung des Pylorustheils eine grosse und kleine Curvatur. Durch Näherung der Gardia an den Pylorus erhält der Magen der Crocodile eine sackförmige, rundliche Gestalt, und wird noch durch eine auf jeder Fläche der Muskelwand liegende sehnige Scheibe ausgezeichnet, wodurch ein Anschluss an den Magen der Vögel gegeben ist. § 398. Bedeutendere Differenzirungen treten am Vorderdarm der Vögel auf, der mehrfache Arbeitslheilung bekundend in mehrere verschieden fungirende Theile zerlegt wird. Der Einfluss der Anpassung an die Le- bensweise , hier speciell an die Nahrung, tritt in der Mannichfaltigkeit der einzelnen Einrichtungen überall gleich aufs deutlichste hervor. Die verschieden weite, der Länge des Halses entsprechende Speiseröhre. erscheint in ihrem Verlaufe entweder gleich- massig oder mit einer erweiterten Stelle ver- sehen (Fig. 282. A) , oder sie zeigt eine blindsackartige, wie ein Anhang erschei- nende Ausbuchtung (ß). Solche nicht minder durch Modiflcationen des Drüsenapparates der Schleimhaut charakterisirte Abschnitte (Fig. 282. i) werden als Kropf (Jugluvies) be- zeichnet. Fleischfressende und körner- fressende Vögel besitzen ihn am meisten ausgebildet, und zwar erscheint er bei den ersteren meist als spindelförmige, selten scharf abgesetzte Erweiterung, indess er bei den letzteren als einseitige Ausbuchtung auf- tritt, die zu einem blindsackartigen, bei manchen sogar ein engeres Verbindungsstück besitzenden Anhang differenzirt ist. Der darauf folgende meist engere Ab- schnitt der Speiseröhre geht in den Magen über, an welchem zwei Theile unterscheid- bar sind ; der erste häufig continuirlich aus der Speiseröhre kommende Abschnitt wird als Vormagen (Proventriculus) (Fig. 282. A. B. pv) be- zeichnet, und empfängt durch die überaus reiche Enlwickelung seiner Drüsenschichte eine ansehnliche Verdickung der Wandung. Der zweite Abschnitt ist durch Enlwickelung der Muskelschichle charakterisirt, deren Stärke je nach der Lebensweise der Thiere sehr verschieden ist. Fig. 282. A Vorderdarm eines Raubvogels (Buteo). B eines Huhnes, oe Speise- röhre, j Kropf, po Drüsenmagen, v Muskelmagen, d Duodenum. Vorderdarm. 593 • Wo sie mächtig entwickelt ist, bemerkt man jederseits eine Sehnen- scheibe (Fig. 282. A. B). Bei Raubvögeln, auch bei vielen von ani- malischer Nahrung lebenden Schwimmvögeln ist die Muskelschichte wenig entfaltet. Sehr stark wird sie bei Körnerfressern (Hühnern, Gänsen, Tauben, Singvögeln), wo sie zwei gegeneinander gerichtete derbe Platten bildet. Dieser zur Verkleinerung der Nahrung dienende Abschnitt enthält noch weitere hierauf hinzielende Einrichtungen, indem seine Innen- däche mit einer hornartig festen Lage überzogen wird, welche häufig von bedeutender Dicke als Reibplatte fungirt. Sie ist die Abscheidung einer drüsigen Schichte, deren Secret in jenen festen, starren Zu- stand übergehl. Der jeder Drüse zukommende Antheil lässl sich in Fällen als ein Büschel feiner Fäden nachweisen, deren jeder einzelne mit je einer Drüsenzelle in Verbindung steht. § 399. Die Trennung des Vorderdarmes wird bei den Säuget hi er en durch die schärfere Abgrenzung der Speiseröhre vom Magen vollstän- diger als in fast allen übrigen Abtheilungen ausgeführt. Die Gestal- tung des Magens reiht sich in manchen Fällen an niedere Zustände an und er behält bei den Phoken (Fig. 283. A) sogar eine Längsstellung bei, während bei den übrigen eine Querstellung vorwaltet. Die Grund- form des Magens stellt auch hier eine Erweiterung des Darmrohrs vor, an der durch allmähliches Auswachsen der ursprünglich der Wirbel- säule zugewendeten Randfläche eine grosse Curvatur entsteht, ent- gegengesetzt der damit gleichfalls gebildeten kleinen Curvatur. Die erstere wird mit einer Axendrehung des Magens und Hebung des Py- lorustheils nach vorne gerichtet. Als Anpassungsergebniss an die Nahrung muss eine Reihe von Eigenthümlichkeiten betrachtet werden , die theils bei den grösseren Abtheilungen constant erscheinen, theils innerhalb engerer Grenzen sich halten. Sie beruhen sowohl auf einer Erweiterung des Rinnen- raumes wie auf einer Differenzirung des ursprünglich einheitlichen, und, wie es scheinen muss, gleichartig fungirenden Magens in mehrere functionell ungleichwerthige Abschnitte. Das erste Verhältniss gibt sich bereits bei der Querstellung des Magens kund , wobei die grosse Curvatur eine bedeutendere Ausdeh- nung erlangt, und sich besonders nach der Cardialportion ausbuchtend Blindsackbildungen hervorruft. Sie fehlen den meisten Carnivoren, sind dagegen bei Monolremen , Beutelthieren , Nagethieren , sowie bei Edentaten entwickelt und kommen den meisten Primaten zu. Die stärkere Entwickelung des Magenblindsacks (Fig. 283. B) führt zur Scheidung in mehrere Abschnitte, welche Sonderung nicht selten nur innerlich an der Schleimhaut ausgedrückt ist und sich sogar mit Gegenbaur, Grundriss. 38 594 Wirbelthiere. einer scharfen Begrenzung kund gibt (Equus). Weiter setzt sich dieses Verhältniss durch eine quere Einschnürung fort, durch welche der Magen bei vielen Nagethieren (Cj in einen Cardial- und Pylorus- theil getrennt wird, zu welchem noch kleinere Ausbuchtungen treten Fig. 283. können. Solche zusammengesetzte Magen bieten sich vorzüglich bei Wiederkäuern, Tylopoden und Walthieren dar. Der Magenblindsack bildet immer eine bedeutende Erweiterung, auf welche bei den Wal- thieren eine Anzahl dem Pylorusabschnitle angefügter Divertikel folgt, die den Magen aus vier bis sieben durch verschieden weite Verbindungs- stellen communicirende Räume zusammengesetzt darstellen. Bei den Wiederkäuern Fig. 284. (Fig. 283. F) führt diese Dift'erenzirung zu der eigen- thümlichen Erscheinung, wel- che der Abtheilung ihren Na- men gab. Der erste als er- weiterter Magenblindsack er- scheinende Abschnitt wird als Rumen (Jugluvies) (Fig. 284. /J bezeichnet, und fungirt we- sentlich als Behälter für massen- haft aufgenommene Nahrungs- stoffe. Dicht neben der Gardia steht er mit dem zweiten Ab- schnitte, dem Netzmagen (Re- ticulum) (77) im Zusammen- hange, auf welchem als dritter Abschnitt der den Tylopoden (Fig. 283. F) Fig. 283. Magenformen verschiedener Säugethiere. A Von Phoca. B Von Hyaena. C Von Cricetus. D Von Ma na tus. £ Von Cam elus. F Von Ovis. c Cardin, p Pylorus. Fig. 284. Magen einer Antilope. A Von vorne gesehen. B Von hinten ge- öffnet, oe Speiserohre. / Ruinen. // Netzmagen. /// Blattermagen. IV Labmagen, p Pylorus. s Schlundrinne. Mitteidann. 595 ■ fehlende Blättermagen (Omasus) (///) folgt. Diesem schliesst sich als letz- ter aus dem Pylorustheil gebildeter Abschnitt, der Labmagen (Abomasus) (Fig. 283. E. 3. F. 4) an, dessen Schleimhaut die Labdrüsen enthält. Durch den Schluss einer von der Gardia in den Netzmagen gehenden, durch einen faltenförmigen Vorsprung (Fig. 284. B. s) gegen die beiden ersten Abtheilungen des Magens abschliessbaren Rinne kann der aus dem Netzmagen in den Oesophagus und von da in die Mundhöhle ge- langte Bissen nach vollzogenem Wiederkäuen unmittelbar in den Blätter- und Labmagen zurückgebracht werden, während das Offenstehen jener »Schlundrinne« den Eintritt des Futters in Rumen und Netzmagen ge- stattet. Der Einfluss der Nahrung auf die Grösseverhältnisse der ein- zelnen Abschnitte ergibt sich aus der Verschiedenheit, die Rumen und Labmagen in verschiedenen Altersperioden zeigen. Der Labmagen bildet den grössten Abschnitt beim Säugling, indess er später vom Rumen wohl zehnmal an Grösse übertroffen wird. Mi 1 1 e 1 d a r m . § 400. Der meist durch eine ringförmige Falte , die Pylorusklappe , vom Magen abgegrenzte Mittel darin ist an seinem Anfangsslücke durch die Verbindung mit Drüsenorganen (Leber und Bauchspeichel- drüse) charakterisirt. In seinen Längeverhältnissen ist er der varia- belste Abschnitt des Darmrohrs. In geradem Verlaufe bei den Cyclo- stomen . auch bei einigen Teleostiern und bei Chimaera , ist er bei letzteren durch eine bei den Selachiern bedeutender entwickelte spi- ralige Falte ausgezeichnet, welche den grössten Theil des Mitteldarms in zahlreichen, bald dichteren, bald weiter abstehenden Umgängen durchsetzt (Fig. 285. C. vs). Diese Spiralklappe bleibt auch den GanoTden, ist jedoch bei Lepidosteus fast bis zur Unkenntlichkeit rück- gebildet und fehlt vollständig den Teleostiern. Am Anfange des Mitteldarms der Selachier ist eine Erweiterung bemerkbar , an welcher Stelle bei den Stören ein grosses , äusserlich mehrfach gebuchtetes Drüsenorgan sich vorfindet, dessen Inneres in grössere, den Buchtungen entsprechende Bäume zerfällt, die in einen weiten mittleren Baum einmünden und wieder zahlreichere kleinere Al- veolen an ihren Wandungen besitzen. Bei Lepidosteus sind die einzelnen Abschnitte schärfer von einander getrennt und erscheinen als Gruppen kurzer Blindschläuche, die denPylorusabschnitt des Mitteldarms besetzen, und wie bei den meisten Teleostiern die als Appendices pylo- ri cae bezeichneten blinddarmartigen Anhänge (Fig. 285. A. ß. ap) vor- stellen. Sie besetzen eine verschieden lange Strecke des Mitteldarms in wechselnder Zahl und Grösse. Bald mündet jeder gesondert in den Darm, bald vereinigen sich mehrere zu grösseren Stämmen, woraus 38* 596 Wirbelthiere. verästelte Bildungen entstehen. Die grösste Zahl kommt bei Gadiden und Scombero'i'den vor. Bei manchen werden die einzelnen zu ge- meinsamem Ausführgange verbundenen Schläuche noch durch Binde- gewebe zusammengehalten , so dass sie dann das Ansehen einer compacten Drüse gewinnen (Scombero'i'den) , sowie auch schon durch die häufige Vereinigung der Mündungen die Verwandtschaft mit der Drüse der Störe ausgesprochen ist. Bei vielen Teleosliern übertrifft der Mitteldarm die ihm zugewiesene Strecke der Bauchhöhle um bedeutendes an Länge, und findet sich dann in Windungen (Fig. 285. B. i) oder durch mehrfaches Auf- und Absteigen in Schlingen gelegt. Darm spricht sich eine Anpassung an den Raum der Leibeshöhle ebenso aus, wie das stets aus einer gerade gestreckten Anlage hervorgehende Auswachsen in die Länge wieder einer Anpassung an die durch die Ingesta beeinfiussle Leistung entspricht. § 401. Bei den Amphibien bleibt das einfache Verhalten des Mitteldarms nur selten bestehen , meist bildet er (Fig. 286. i) w~ie auch bei den Reptilien ein längeres Rohr und demzufolge mehrfache Windungen, die am geringsten bei Schlangen, bedeutend dagegen bei Schildkröten und noch mehr bei Crocodilen entwickelt sind. Eine beträchtliche Längen- ausdehnung des Mitteldarms erfolgt bei den Larven der unge- schwänzten Amphibien, bei denen dieser Abschnitt eine in spiraligen Fig. 285. Darmcanal von Fischen. A von Salmo salvelinus. B von Tra- chinus ra diät us. C von Squatina vulgaris, oe Oesophagus, v Magen. dp Ende des Ductus pneumaticus. p Pylorus. ap Appendiees pylorieae. d Ductus choledochus. vs Spiral klappe, i Mitteldarm, c Enddarm, x Anhang desselben. Enddarm. 597 Fig. 286. Windungen gelagerte lange Schlinge vorstellt. Mit der Aenderung der Ernährungsweise geht in den letzten Larvenstadien eine Reduclion vor sich , die den Darm wieder auf einige Schlingen verkürzt. Die Länge des Mitteldarms ist bei den Vögeln gleichfalls nach den Nahrunosverhältnissen beträchtlich verschieden. Der eanze Darmab- schnitt zeigt sich in Schlingen gelegt, von denen die erste (Duodenalschlinge) am meisten ausgebildet ist und immer die Bauchspeicheldrüse umfasst. Am Mitteldarm der Säugethiere zeigt sich das verschiedene Verhalten der Länge nicht minder in deut- licher Abhängigkeit von den Nahrungsverhältnissen und daraus ergeben sich für Fleisch- und Pflanzenfresser sehr verschiedenartige Zustände. Ausser der Längeentfaltung des Mitteldarms bieten sich für die Oberflächenvergrösserung mehrfache , von der Schleimhaut ausgehende Einrichtungen dar. Wäh- rend in den unteren Abtheilungen grössere Faltungen der Schleimhaut auftreten, die in der Bildung der Spiralklappe der Selachier ihren höchsten Ausdruck fanden, sehen wir bei den Amphibien und Reptilien vorzüglich feine Längsfaltungen vorherrschend. Solche bestehen zwar auch noch bei den Vögeln , allein sie zeigen sich als ungleiche Erhebungen , die sogar durch Querfalten verbunden sein können. Feine, in Zick- zacklinien angeordnete Falten kommen bei Amphibien und Reptilien, besonders bei Crocodilen vor, und finden sich auch am Mitteldarm der Vögel wieder. Unter den Säugelhieren herischen Längsfaltungen der Schleimhaut bei Walthieren; bei den meisten übrigen erhebt sich die Schleimhaut in Querfalten, die sehr allgemein mit Zotten besetzt sind. Bei geringer entwickelter Faltenbildung finden sich solche Zotten auch bei Vögeln bedeutend entwickelt, während sie bei Anwesenheit von Falten nur kleinere Erhebungen vorstellen. Eüddarra. § 502. Der End darin erscheint in den unleren Abtheilungen als der unansehnlichste, meist nur durch ein kurzes, etwas weiteres Stück vorgestellte Abschnitt (Fig. 281. r. 285. C. c). Erst bei den Am- phibien empfängt er durch grössere Länge und Weile einige Bedeutung, behält jedoch ebenso wie bei Reptilien einen seiner Kürze entsprechen- den geraden Verlauf bei, daher er meist als »Rectum« bezeichnet ward. Fig. 286. Darmcanal von Menobranch us lateralis, p Anfang des Mund- darms mit dem Pharynx, oe Speiseröhre, v Magen, i Mitteldarm. r Enddarm. 598 Wirbelthiere. Gewöhnlich wird er vom Mitteldarm durch eine Querfalte oder Klappe geschieden. Ein blinddarmartiger Anhang kommt vielen Reptilien zu und erscheint als eine wenig bei Schlangen, mehr bei Eidechsen ent- wickelte Ausbuchtung des Enddarms. Eine grössere Beständigkeit erhalten Blinddärme bei den Vögeln, deren Enddarm gleichfalls noch kurz und gerade gestreckt ist. Der Blinddarm ist meist paarig vorhanden, und wird nur in einzelnen Familien vermisst (z. B. bei den Spechten, bei Psittacus u. a.). Die Ausbildung dieser Coeca bietet sehr verschiedene Grade dar, so dass sie bald ganz kurze papillen- artige Anhänge, bald sehr lange Schläuche (z. B. bei Apteryx, bei Hühnern) vorstellen. Die Längenentfaltung des Enddarms erreicht ihre höchste Stufe bei den Säugethieren, wo dieser Theil gleichfalls durch grössere Weite als Dickdarm vom engeren Mittel- oder Dünndarm immer deutlich abgegrenzt erscheint. Seine bedeutendere Länge lässt ihn in Windungen gelagert sein, so dass nur der letzte Abschnitt den geraden Verlauf des Enddarmes der übrigen Wirbelthiere besitzt. Der erstere bildet in der Regel eine von der rechten Seite der Bauchhöhle nach vorne und von da nach links und wieder nach hinten umbiegende , ins Rectum sich fortsetzende Schlinge, welche zu- weilen wieder in secundäre Schlingen zerlegt wird. An der Grenze gegen den Dünndarm bestehen gleichfalls Blindsackbildungen, bald zu zweien (Fig. 287. c. d), bald einfach vorhan- den. Die Ausbildung dieses Blind- darmes erscheint in engem Zusam- menhange mit der Nahrung ; bei Fleischfressern ist er kurz und kann sogar gänzlich fehlen (Ursina, Mustelina) , von bedeutendem Volumen tritt er bei Pflanzenfressern auf, wo er jedoch bei ansehnlicher Länge des Colons auch reducirt vorkommen kann , und somit zwischen beiden Abschnitten ein gewisses compensatorisches Verhältniss wahrnehmen lässt. Am Blinddarm selbst ergeben sich wiederum Difierenzirungen. Das Ende desselben ist häufig verkümmert (z. B. bei manchen Pro- simiae und vielen Nagern) (Fig. 287. c). Auch bei manchen Primaten, wie beim Menschen entwickelt sich das anfänglich mit dem übrigen gleich weite Endstück nicht in demselben Maasse wie der übrige Theil, und scheidet sich von dem letzteren , weiter werdenden Abschnitte immer deutlicher ab, bis es endlich einen blossen Anhang desselben, den Appendix vermiformis, vorstellt. Der Enddarm öffnet sich anfänglich mit den Harn- und Geschlechts- Fig. 287. Blinddarm und Colon von Lagomys pusillus. a Dünndarm. b Einmündung des grösseren (c) und des kleineren [d] Blinddarms, efg Diver- tikel des Colons. (Nach Pallas.) Anhangsorgane des Mitteldarms. 599 wegen in einen gemeinsamen Raum, die Cioake. Dieses hei Sela- ehiern , Amphibien , Reptilien und Vögeln bestehende Verhalten findet sieh bei den Säugethieren nur bei den Monotremcn bleibend, bei den anderen auf frühere Stadien besehrankt, um einer Trennung in zwei Oeilhungen zu weichen (S. unter Geschlechtsorganen). Anhangsorgane des Mitteida r ms. § 403. Fig. 288. Mit dem Anfange des Mitleidarms stehen zwei grosse Drüsenorgane in Verbindung, Leber und Rauchspeicheldrüse, die beide auf übereinstimmende Weise aus den Wandungen der Darmanlage sich entwickeln. Rei Amphioxus erscheint ein als Leber zu deutendes Organ in Gestalt eines nahe am Anfange des Nahrungscanais beginnenden, nach vorne gerichteten Rlindschlauches (Fig. 273. /), der eine grünlich gefärbte Epithelauskleidung besitzt. Ein ähnlicher Zustand findet sich sonst nur während der ersten Bildungsstadien gegeben, wo die Anlage der Leber als eine hinter dem eine einfache! spindelförmige Erweiterung dar- stellenden Magen (Fig. 288. d) liegende paarige Ausbuchtung (f, f) des Darmrohrs erscheint. An ihr betheiligen sich sowohl die äussere aus dem Darmfaserblatte gebildete, als auch die innere Schichte der Darmanlage, das Darmdrüsenblatt. Da Reptilien, Vögel und Säugethiere hierin über- einstimmen, wird dieser Zustand als ein funda- mentaler zu betrachten sein , der zugleich auf die Formverhältnisse des Leberorgans bei Am- phioxus und vielen wirbellosen Thieren (Würmer, manche Mollusken) verweist und in jenen ver- gleichbare Einrichtungen erkennen lässt. Durch Wucherungen des Darmfaserblattes und Verbindung desselben vorzüglich mit dem venösen Abschnitte des Gefässvstems, wie durch gleichzeitige Wucherungen des Darmdrüsenblattes entstehen Verhält- nisse, w eiche die Leber der Craniota von jener der Acrania sowohl als der wirbellosen Thiere unterscheiden. Während die erste Anlage der Leber als eine Ausbuchtung erscheint, gehen die späteren Differen- Fig. 288. Anlage des Darmcanals und seiner Anhangsgebilde von einein Hunde-Embryo, von der Ventraltläche dargestellt. a Ausbuchtungen des Darmrohrs nach den Visceralspalten. c Anlage der Lungen, d des Magens b Anlage des Schlundes und Kehlkopfes. /' der Leber, g Dottersackwände in ihrer Verbindung mit dein Mitleldarm. h Enddarm. (Nach Bishoff.) 600 Wirbelthiere. zirungen aus Wucherungen des Darmdrüsenblattes hervor, welche solide, überall ins Darmfaserblatt und den in dasselbe eingebetteten Gefäss- apparat einwachsende Stränge bilden und, neue Sprossen treibend, sich schliesslich unter einander netzförmig verbinden. Diese anfäng- lich soliden Stränge stellen sammt ihren secundären etc. Ausläufern das Leberparenchym her, und lassen mit dem Auftreten intercellulärer, in der Axe der Zellenstränge verlaufender Gänge, die Gallenwege hervor- gehen. Die beiderseitig entstandenen, bei den Myxinen getrennt bleiben- den Leberlappen sind bei den anderen untereinander zu Einem Organe verschmolzen. Die zwei primitiven Ausbuchtungen stellen, nachdem sich die Gallenwege von ihnen aus ins Leberparenchym bildeten, und ins Netzwerk der Zellenstränge desselben sich fortsetzten , die Aus- führgänge der Leber vor. Die auf diese Weise vom Darme differenzirte Leber bildet ein einheitliches, meist sehr voluminöses Organ, welches in eine vom vor- deren Abschnitt des Darmrohrs zur vor- deren Bauchwand tretende Peritoneal- duplicatur sich einbettet. § 404. In der äusseren Form wie in den Volumsverhältnissen ergeben sich viel- fache Verschiedenheiten. Bei den Fischen treffen wir die Leber bald nur als eine einzige ungelappte Masse (viele Knochen- fische, bald aus zwei Lappen bestehend (Selachier, viele Knochenfische) , bald ist sie in eine grössere Anzahl von Lappen und Läppchen getheilt (Knochenfische). Zwei grössere Abschnitte besitzt sie bei den Amphibien ; einfach ist sie meist bei den Schlangen, und nur am Bande gekerbt bei den Sauriern , bei Crocodilen und Schildkröten wieder in zwei Lappen getheilt, die bei den letzteren weit aus- einander gerückt durch eine schmale Querbrücke vereinigt werden. Die An- deutung zweier Lappen tritt bald mehr, bald minder auch in der Classe der Vögel (Fig. 289. h) vor, und ist bei den Fig. 289. Darrrwsanal von Ardea cinerea, i Oesophagus mit Kropf, pv Drii- senmagen. v Muskelmagen, v' Antrum pylori, d Duodenalschlinge. ü Mitteldarm. b Enddarm, c Stück eines der beiden Blinddärme, cl Clöake mit Bursa Fabricii. h Leber, dh Ductus hepato-entericus. /Gallenblase, p Bauchspeicheldrüse, dp Du- ctus pancreaticus. Mesenterium. 601 Säugethieren die Regel, da zwar bei Garnivoren, Nagern, einigen Beutel- thieren, Allen und Anderen, mehrlappige Formen vorhanden sind, die sich aber immer auf zwei grössere Hauptlappen zurückführen lassen. Im Verhalten der Ausführgänge (Ductus hepato-enterici ergeben sich zahlreiche in Bezug auf die ursprüngliche Duplicität dahin auf- zufassende Modifikationen, dass entweder der erstere Zustand fortbesteht, oder dass die beiden Ausführgange allmählich mit einander verschmelzen, d. h. sich vom Darme her zu Einem Gange umwandeln, oder dass endlich eine Rückbildung der primären Ausführgänge erfolgt, wobei Canäle secundärer Ordnung zu Ausfuhrgängen werden , die dann in grösserer Anzahl vorkommen, z. B. bei Eidechsen und Schlangen. An diesen Ausführgängen findet sich eine einseitige blindsackartige Aus- buchtung, die Gallenblase (Fig. 289. /') , und zwar in sehr man- nichfachen Beziehungen und keineswegs als constantes Gebilde. Die Bauchspeicheldrüse entsteht auf eine ähnliche Weise wie die Leber, aus einer hinter der Anlage der letzteren sich bildenden Ausbuchtung der Darmwand. Die Epithelschichte des Darmes, also wieder das Darmdrüsenblatt, bildet Wucherungen, aus welchen unter fortgesetzter Knospung die Drüsenläppchen mit ihren Ausführgängen entstehen , indess der Ductus pancreaticus aus der ersten Anlage sich bildet. Dieses nur in einzelnen Abtheilungen der Fische vermisste, immer dem Anfange des Mitteldarms oder auch dem Magen benachbart gelegene Organ verbindet seinen Ausfuhrgang häufig jenem der Leber, oder senkt ihn mit jenem in den Darmcanal ein. Nicht selten kommen zwei Ausführgänge vor bei Schildkröten, Crocodilen, Vögeln (Fig. 289) und einigen Säugethieren) , von denen einer in der Regel mit dem Ductus hepato-entericus verbunden ist. Mesenterium. § 405. Mit der Rildung des Darmcanals entsteht die ihn überkleidende Peritonealduplicatur , durch welche er an die hintere Bauchwand be- festigt wird. Diese den Darm umfassende Doppellamelle stellt das Mesenterium vor, von dem der zum Magen tretende Abschnitt als Mesogastrium bezeichnet wird. Letzteres schlägt sich aber nicht ein- fach um den Magen, wie das Mesenterium des grössten Theils des Mitteldarmes, sondern geht mit seinen beiden Lamellen von dem Magen in eine zur vordem Bauchwand sich fortsetzende Doppellamelle über, die erst an letzterer Stelle wieder mit dem Peritoneum der Bauch- wand zusammenhängt. In dieser Fortsetzung des Mesogastriums zur vorderen Bauchwand ist die Leber aufgetreten , welche dadurch nicht nur gleichfalls einen Peritonealüberzug erhält, sondern auch durch denselben sowohl mit dem Darmrohr (speciell dem Magen und dem Anfange des Mitteldarms}, wie mit der ventralen Wandung der Leibes- 602 Wirbelthiere. höhle in Zusammenhang sich findet. So lange das Darmrohr seinen ursprünglich geraden Verlauf behält, sind auch die Verhältnisse des Mesenteriums einfach, und Besonderheiten werden nur durch theilweises Schwinden grösserer Strecken desselben, z. B. bei Fischen, hervor- gerufen. Auch die Volumentfaltung der Leber bedingt Veränderungen an der vom Magen zur vorderen Bauchwand tretenden Duplicatur, die als Verbindungsstück mit dem Magen als kleines Netz bezeichnet wird, während ihr vorderer zur Leibeswand tretender Abschnitt das Liga- mentum Suspensorium der Leber vorstellt. Andere Veränderungen werden durch die Beziehung zum Zwerchfell , durch Krümmung des Magens und durch die Verlängerung des Mitteldarms hervorgerufen, welch' letztere das Mesenterium in krausenartige Falten legt (Gekröse). Diese Verhältnisse treten bereits bei Fischen auf und zeigen sich noch einfach bei Amphibien, dann bei den Schlangen und Eidechsen, bei Schildkröten und Crocodilen besonders durch Veränderung der Lage und Form des Magens modificirt. Am bedeutendsten sind die Veränderungen des Mesogastriums der Säugelhiere , welches mit einer Lageveränderung des Magens in einen weiten Sack auswächst (Bursa omentalis) , der entweder über die Schlingen des Mitteldarms herabhängt, wie bei den meisten Säuge- thicren, oder den Magen theilweise umhüllt (Wiederkäuer). Das Mesen- terium des Enddanns bleibt bei den Wirbelthieren mit kurzem End- darm in seinem primitiven Zustande. Bei der bei den Säugethicren stattfindenden Längenentfaltung der als Colon bezeichneten Strecke des Enddarmes folgt das Mesenterium als Mesocolon mit, und rückt zu- gleich mit einem Abschnitte gegen die Wurzel des Mesogastriums empor, so dass beide dicht beieinander entspringen. Von da aus gehen nun bei den Primaten allmählich Verbindungen des Mesocolons mit der hinteren Doppellamelle des Mesogastriums vor sich , die mit der beim Menschen bestehenden Aufnahme eines Theiles des Colon (C. trans- versum) in die hintere Wand des Netzbeutels abschliessen. Zugleich verwächst die vordere und hintere Wand des Netzbeuleis , wodurch das somit aus 4 Periloneallamellen zusammengesetzte Omentum majus entsteht. Pneumatisch e Nebenhöhlen des Darmrohrs.- § 406. Obgleich die Wirbelthiere in ihren niederen Abtheilungen dem Aufenthalte im Wasser adaequate Anpassungen in ihrer gesammten Organisation kundgeben, so treten doch schon bei jenen zur Auf- nahme von Luft fungirende Einrichtungen hervor, womit der Wechsel des Mediums wenn auch auf grossen Umwegen vorbereitet wird. Wie für Alles von aussen her aufzunehmende das Darmrohr die Bahn bietet, für das zur Alhmung dienende Wasser, ebenso wie für Schwimmblase. 603 die im Organismus als Nahrung zu verwerthenden Substanzen, so vermag der Darmtract auch Luft aufzunehmen, die in besonderen von hm aus differenzirten , also Theile des primitiven Darmrohrs dar- stellenden Räumen gesammelt wird. Diese Aufnahme von Luft hat wenigstens ein zeitweiliges Emporsteigen zur Wasseroberfläche zur Voraussetzung, und bildet damit eine nicht unwichtige Uebergangs- stufe von den ausschliesslich auf das Leben im Wasser angewiesenen Zuständen, zu solchen die auch ausserhalb dieses Mediums zu leben im Stande sind. Die mit der Aufnahme von Luft entstehenden Apparate werden als Schwimmblasen bezeichnet. Welcher Art die praktische Be- deutung dieser Organe für den Gesammtorganismus ist, ist noch unbe- stimmt, doch werden sie bei ihrer grossen Verbreitung als wichtige Theile angesehen werden müssen. Da luftführende Räume im Körper im Wasser lebender Thiere nicht ohne Einfluss auf die spezifischen Gewichtsverbältnisse des Körpers bestehen können, wird die Annahme einer hydrostatischen .Function für jene Organe wahrscheinlich gemacht. In diesem Verhalten tritt mit Aenderung der Kreislaufverhältnisse eine wichtige Umwandlung ein. Die Organe fungiren respiratorisch, indem die in ihnen befindliche Luft mit dem der Wand des Organes zugeführten Blute einen Gasauslausch eingeht, so dass sauerslofi'reicheres Blut abgeführt wird. Damit tritt das Organ in die Reihe der Athmungs- organe und wird Lunge benannt. Die' pneumatischen Apparate des Darmrohrs sondern sich also in zwei functionell ausserordentlich verschiedene, aber morphologisch homologe Organreihen , deren jede für sich zahlreiche Differenzirungen eingeht. a) Schwimmblase. § 407. • Diese Organe fehlen bei Amphioxus wie bei den Cyclostomen. Bei Selachiern (einigen Haien) findet sich ein dorsal in den Schlund mün- dendes Divertikel der Wandung, welches als Rudiment einer Schwimm- blase betrachtet werden darf. Den Ganoi'den kommen Schwimmblasen allgemein, den Teleostiern in grösser Verbreitung zu. Prüfen wir die bei Ganoiden bestehenden Einrichtungen näher, so treffen wir sie als einfache oder als paarige Säcke, die mit dem Schlünde durch einen kürzeren oder längeren Luft gang in Verbindung stehen. Der Luft- gang mündet an der oberen Wand des Vorderdarms aus, an derselben Stelle, wo bei den Selachiern der kurze Blindsack sich vorfindet. Sehr weit nach hinten ist die Ausmündung bei Acipenser gelegt, dessen Schwimmblase sich hier mit dem Magen verbindet, dagegen treffen wir bei Polypterus eine paarige Schwimmblase (Fig. 290. A) mit Aus- mündung an der unteren Wand des Oesophagus, und bei Lepidosteus 604 Wirbel thiere. ist die dorsal gelagerte, äusserlich einfache Blase durch sie durch- setzende Trabekel in zwei Längshälften gelhcilt, deren jede durch zahlreiche Vorsprünge und Balken wieder in kleinere zellige Hohlräume zerfällt und damit eine Oberfläehenvergrüsserung darbietet. Auch bei Amia ist die zellige Schwimmblase durch eine Falte gelheilt und läuft nach vorne in zwei kurze Hörner aus. Die Ausmündung in den Darm geschieht bei den 3 letzterwähnten Ganoiden mit einer Längsspalte, die in einen kurzen etwas engeren Ductus pneumaticus führt. Wir finden also bereits bei den Ganoiden eine grosse Mannichfaltigkeil in dem Verhallen der Schwimmblase, welche Zustände aus dem Verhältniss der ganzen, nur auf wenige lebende Formen beschränkten Abtheilung be- urtheilt werden müssen. Bedeutungsvoll ist es, dass in den verschie- denen Zuständen der Schwimmblase der Ganoiden alle wesentlichen Einrichtungen erkennbar sind, welche das Organ, bei den Teleostiern noch als Schwimmblase, bei den höheren Wirbelthieren als Lunse zeigt. Der Luftgang erscheint in einer Abtheilung der Teleostier per- sistent (Physostomen) , bei anderen tritt er als vorübergehende Bildung auf, indem er nach der Ent- wicklung der Schwimm- blase wieder verschwindet, und endlich ist bei vielen A \ die Bildung der Schwimm- blase gänzlich sistirt (Phy- soclysten). * Die Verbindung des Luftganges mit dem Darm zeigt bedeutende Verschie- denheiten. Die Einmün- dung kann sowohl oben als seitlich geschehen, und zwar an allen Abschnitten des Munddarms vom Schlünde an (Fig. » 285. A. dp) bis zum Ende des Magens. Bezüglich {\n Form Verhältnisse besieht eine ausserordentliche Mannichfaltigkeil, sowohl bei den Schwimmblasen mit, als bei jenen ohne Luftgang. Eine Quertheilung in zwei hinter einander liegende Abschnitte, von denen der letztere den Luftgang ab- sendet, besteht bei den CyprinoTden fvergl. Fig. 269. m n), bei Anderen kommen seitliche Ausbuchtungen vor, die als Fortsätze der verschie- densten Gestalt sich darstellen /Fig. 270. B. C. a) und in mehr oder Fig. 290. Verschiedene Formen von Schwimmblasen. A von Polypterus bichir nach J. Müller. B von Johnius lobatus. C von Corvina tiispi- nosa nach Cuvier und Valknciennes. a Anbänse der Schwimmblase 6 Mülldune. Lungen. 605 minder reiche Bamiticationen übergehen können. Die Wandung des Organes bietet in ihrer Textur ähnliche Verhältnisse wie die Darm- wand, doch ergeben sich manche eigentümliche, für unsere Zwecke untergeordnete Differenzirunsen. Dahin gehören auch die verschiedenen Anpassungen der Schwimmblase an andere Apparate, wie z. B. die Ver- bindung mit dem Hörorgane bei vielen Physostomen (vergl. oben §. 372) . Die Umwandlung der Schwimmblase in eine Lunge ist bei den DipnoT vor sich gegangen. Wenn das Organ in seinen äusserlichen Verhältnissen noch mit einer Schwimmblase übereinstimmt, so ist durch das Auftreten zuführender Venen und abführender Arterien eine we- sentliche Aenderung aufgetreten , die von nun an das Organ als Ath- mungsorgan erscheinen lässt. Bei Ceralodus, wo es wohl nur zeit- weise als Lunge fungirt, wird es noch durch einen einheitlichen, nur mit der Andeutung einer Längstheilung versehenen, in der ganzen Länge der Leibeshöhle dorsal gelagerten Sack gebildet, bei Lepidosiren und Protoplerus ist es in zwei Hälften gelheil!. b) Lunge n . § 4 OS. Mit der Ausbildung der respiratorischen Form der aus der primi- tiven Darmwand gesonderten pneumatischen Anhangsorgane entsteht an Stelle der unmittelbaren Einmündung in den Pharynx ein besonderes Canalsyslem, die Luft aus- und einleitenden Apparate, welche zugleich mit den Lungen angelegt, zu complicirten Einrichtungen sich ausbilden. Während anfänglich die Lungen selbst die bedeutendsten Theile sind, nehmen allmählich jene Luftwege an Ausbildung zu, indem sie sich in mehrere mit neuen Functionen ausgestattete Abschnitte gliedern, unter denen ein slimmerzeugender Apparat die hervorragendste Bolle spielt. Für die Differenzirung der Luftwege haben wir als Ausgangspunct einen kurzen , weiten , beide Lungen mit dem Pharynx verbindenden Canal. Dieser entfaltet bei grösserer Längenentwickelung in seinen Wandungen knorpelige Stützorgane und geht weitere Sonderungen ein, indem er sich in zwei zu den Lungen führende Aeste spaltet. Dann ist an den Luftwegen ein paariger und ein unpaariger Abschnitt zu unterscheiden. Als Stützorgane dieser bei den Amphibien meist sehr kurzen Luftwege erscheinen zwei seitliche Knorpelstreifen (Fig. 291. A. a) , die auf den Anfang der Lungen (b) sich fortsetzen (Proteus) ; bei anderen (B) gliedern sich die oberen Enden (a) dieser beiden Stücke ab und bilden die Grundlage für einen besonderen Abschnitt, den wir nunmehr mit der Verrichtung der Stimmerzeugung betraut sehen und als Kehlkopf oder Stimmlade bezeichnen. Dadurch wird also ein Theil von den übrieen Luftwegen differenzirt und wäh- 606 Wirbelthiere. rend die letzteren in dem unpaaren Abschnitte der Trachea und in dem paarigen, den Bronchen, mehr gleichartige Verhältnisse darbieten. ergeben sich für den Kehlkopf bedeutendere Ver- schiedenheiten. — Bei den Amphibien bilden jene beiden als Stellknorpel bezeichneten Knorpel (a) eine Stütze für zwei den Eingang zum Kehlkopf umschliessende Falten. Die durch Muskeln bewirkte Lageveränderung der Knorpel bedingt Oeffnung oder Schliessung des Eingangs zum Kehlkopfe. Sie sind daher auch functionell von grösserer Bedeutung als die mehr indifferenten als Stützen sich verhalten- den Theile. Jene Stellknorpel ruhen auf den vor- deren Enden der beiden Längsknorpelleisten, welche durch quere, gegeneinander gerichtete Fortsätze ventralwärts sich verbinden und so bei vielen Am- phibien einen unpaaren Abschnitt des Stimmladen- gerüstes entstehen lassen (Fig. 291. C. c). Bei den Beptilien ist zwar die Verbindung der beiden Längsleisten vollständiger, allein durch den continuirlichen Zusammenhang derselben mit den Stellknorpeln wird besonders bei Schlangen der niedere Zustand ausgedrückt, doch ist bei an- deren die Ablösung jener Knorpel (Fig. 291. D. a) vor sich gegangen; auch bei Sauriern besteht dies Verhalten , nur dass hier der die Stellknorpel tra- gende Abschnitt sich zu einem meist geschlossenen Ringe umgeformt hat. Dadurch wird ein zweiter Theil des Kehlkopfs als ringförmiger Knorpel unterscheidbar, der bereits bei den Amphi- bien (C. c) in Bildung begriffen ist. Bei Schildkröten und Crocodilen ist dieser schärfer vom Trachea'lskelet abgesetzt und erscheint mit seinem Vordertheile in beträchtlicher Verbreiterung. Nicht selten geben sich Andeutungen einer Zusammensetzung aus mehreren Knorpelringen an ihm zu erkennen. Bei den Vögeln wird dieses ringförmige Stück aus einem vorderen breiteren und zwei hinteren schmalen Theilen zusam- mengesetzt, auf welch' letzteren noch ein kleines aufsitzt, welches die Stellknorpel trägt. Bei den Säugethieren endlich ist das grosse Ringstück der Reptilien in zwei Abschnitte getheilt, indem die vordere hohe Platte ein besonderes Stück, den Schildknorpel (Cart. thyreoides) vorstellt, während ein zweites, vorzüglich hinten sehr massives Stück ringförmig Fig. 291. Knorpel des Kehlkopfs bei Amphibien und Reptilien. A von Pro- teus, B von Salamandra, C von Rana, D von Python, a Stellknorpel (Cartilago arytaenoid.es) . b Stützknorpel, bei A. B und C das Skelet des unpaaren und paarigen Abschnittes der Luftwege bildend, bei D blos vom Anfange des un- paaren Abschnittes (der Trachea) dargestellt. (Nach Henle.) Lungen. 607 bleibt (Cart. crico'ides) und an seinem hinteren höheren Abschnitte die Stellknorpel (Cart. arytaeno'i'des) trägt. § 109. Diesem Kehlkopfskelete verbinden sich noch andere mehr oder minder zur Stimmerzeut;ung dienende Theile. Von solchen sind lateral im Eingange des Kehlkopfs gelagerte Schleimhautfalten bemerkenswert!), die bei straffer Ausspannung und Entfaltung von elastischem Gewebe zu Stimmbändern werden. Sie fassen eine Spalte zwischen sich, die Stimmritze, welche durch die Befestigung der Stimmbänder an die beweglichen Stellknorpel veränderlich ist. Stimmbänder finden sich bei den meisten Anuren und unter den Sauriern (Geckonen und Cha- mäleonten) , dann bei den Crocodilen. Den Schlangen fehlen sie durchaus. Bei den Vögeln liegt der Stimmapparat in dem unteren Ab- schnitte der Luftwege, dem sogenannten unteren Kehlkopf, welcher Einrichtung der Stimmbandmangel im eigentlichen Kehlkopfe entspricht. Unter den Säugethieren nur bei den Walthieren rückgebildet, bieten sie im Wesentlichsten Anschlüsse an die beim Menschen bekannten Einrichtungen. Mit der Differenzirung einzelner Knorpelstücke aus dem ursprüng- lichen Laryngotrachealknorpel treten gesonderte Muskeln zur Bewegung der frei gewordenen Abschnitte auf. Diese sind bei den Beptilien durch einen Verengerer und Erweiterer vertreten, die auch mit einigen Modifikationen bei den Vögeln vorkommen. Die Säugethiere bieten eine aus einer Differenzirung der bei Beptilien einfacheren Muskulatur her- vorgegangene Gomplication dar, die theils in der Zahl, theils in der Anordnung der Muskeln sich ausspricht. Im Wesentlichen entsprechen sie jenen des Menschen. Eine den Eingang zum Kehlkopf von vorn her überragende Vor- sprungsbildung, als Kehldeckel oder Epiglottis bekannt, ist bei Bep- tilien nur durch einen vom Slützknorpel ausgehenden, zuweilen nicht unansehnlichen Fortsatz angedeutet, der auch bei Vögeln sehr ent- wickelt vorkommt. Doch besitzen manche derselben eine besondere Epiglottis , deren Knorpel mit dem Stützknorpel nur durch Naht ver- bunden ist. Diese Formen vermögen aber niemals den Eingang zum Kehlkopf vollständig zu decken. Vollständig getrennt ist der Epiglottis— knorpel bei den Säugethieren , wo er einen beim Vorbeigleiten des Bissens über den Eingang zum Kehlkopf sich legenden Schutzapparat bildet. Bei den Sirenen erfährt er eine Bückbildung, während er bei den Walfischen zu einem langen rinnenförmigen Stücke umgestaltet ist, das mit den gleichfalls verlängerten Stellknorpeln einen an die hintere Nasenöffnung emporragenden Kegel bildet, durch welchen die Aufnahme und Ausströmung der Luft erfolgt. 608 Wirbelthiere. Der vom Kehlkopf beginnende Abschnitt der Luftwege sondert sich bei einem Theile der Amphibien deutlicher in die Trachea und ihre beiden Aeste, die Bronchi, welche letztere unmittelbar in die Wan- dungen der Lungensäcke übergehen. Dahin erstrecken sich auch die Enden der Laryngotrachcalknorpel bald als feine Ausläufer Menobran- chus, Menopoma) , bald als breitere, seitliche Fortsätze aussendende Stücke (Bufo). Indem am vorderen Ende jener Leisten die Queräste gegeneinander wachsen (vergl. Fig. 291. C. b) , stellen .sich die An- fänge von Knorpelringen dar. Solche sind an der meist langen Trachea der Reptilien entwickelt, bald ungeschlossen, bald auch vollständig ge- schlossen. In der Verbindung der Ringe unter sich vermittelst Längs- leisten, gibt sich bei Schlangen und Sauriern das primitive Verhalten zu erkennen. Die Trachea der Vögel, immer durch beträchtliche Länge ausge- zeichnet, bietet die Trennung der meist vollständig geschlossenen Ringe in ausgedehnterem Maasse. Denselben Bau besitzen die beiden Bronchi. An einzelnen Stellen finden sich an der Trachea nicht selten Erwei- terungen (Schwimmvögel) , sowie auch Abweichungen vom geraden Verlaufe bei manchen Vögeln vorkommen. So bei Penelopiden , man- chen Schwänen und beim Kranich. Bei den letzteren wird eine Tra- chealschlinge sogar vom Brustbein umschlossen. Am eigenthümlichsten erscheint die den Carinaten zukommende Bildung eines unteren Kehlkopfes, an welchem in der Regel das Ende der Trachea und die Anfänge der Bronchi betheiligt sind. Die Form Verän- derungen dieser Abschnitte bestehen in einer seitlichen Compression, oder in der Verschmelzung einiger Binge des Tracheal- endes, welches durch eine vom Theilungs- winkel der Bronchi vorspringende knö- cherne Leiste (Steg) halbirt wird und die Trommel bildet. Vorne und hinten setzt sich der Steg bogenförmig nach ab- wärts fort und hält eine Schleimhautfalte wie in einem Bahmen ausgespannt (Mem- brana tympaniformis interna). Zwischen dem letzten Tracheal- und dem ersten Bronchalringe oder auch zwischen einem Paare von modificirten Bron- chalringen spannt sich eine andere Membran aus, die bei Annäherung jener Binge erschlaffend nach innen zu vorspringt (Membrana tympani- formis externa). Diese Membranen fungiren als Stimmbänder. Bei den Singvögeln tritt noch eine vom Stege sich erhebende Falte hinzu, als Fort- Fig. 292. Unterer Kehlkopf. Singmuskelapparat des Rahen. A von der Seite, B von vorne gesehen, a — f Muskeln zur Bewegung des unteren Kehlkopfes. g Membrana tympaniformis. b) Lungen. G09 Setzung der Membrana tynipanil'onnis interna. Durch die an beiden Bronchen vorhandenen Slimmniembranen wird eine doppelte Stimmritze begrenzt. Die Thätigkeit einer besonderen Muskulatur ändert sowohl den Spannungszusland der Stimmbänder mannichfach und verengert oder erweitert zugleich die Stimmritze. Mehrere Paare an die Luft- röhre tretender Muskeln (Fig. 292. d) wirken als Niederzieher der ersteren und erschlaffen die Stimmbänder. Ausser diesen findet sich noch ein aus 5 bis 6 Paaren gebildeter Muskelapparat (Fig. 292. a — f), der den unteren Kehlkopf der Singvögel auszeichnet. § 410. Die aus den Enden der Luftwege beginnenden Lungen erscheinen von den Amphibien an als Athmungswerkzeuge der höheren Wirbel- thiere, wenn auch, wie bei allen Amphibien, entweder während des Larvenzustandes oder auch bleibend (Perennibranchinten) noch Kiemen bestehen. In ihrem anatomischen Verhalten bieten sie eine Reihe ähn- licher Dillerenzirungen wie die zu ihnen führenden Luftwege, und an die Stelle einfacher Säcke treten allmählich complicirte Organe, an denen die respiratorische Fläche durch Bildung kleinerer Binnenräume fortschreitend vergrössert wird. Unter den Amphibien schliessen sich die Lungen vollständig jenen der Dipno'i an; bei den Perennibranchiaten bietet ihre Innen- fläche wenig Oberflächen vergrösserungen. Einfache, sehr lange, vorne wenig erweiterte, dagegen mit einer Erweiterung endende Schläuche stellen sie bei Proteus und Menobranchus vor. Bedeutender sind die maschenförmigen Vorsprünge an den Wänden der Lunge von Crypto- branchus, sehr gering dagegen bei Triton. Auch bei anderen Salaman- drinen ist dies noca häufig der Fall, dagegen ist bei den Anuren eine Sonderung in kleinere Bäume durch ein reiches Maschennetz aufge- treten und die Lunge/ wird dadurch geeignet, eine grössere Blutmenge dem Austausch der Gase auszusetzen. Dieses Verhältniss steigert sich bei den Reptilien. Obgleich viele, wie die meisten Saurier, sehr einfache Lungen besitzen, so ist doch sowohl bei Schlangen als bei Crocodilen und Schildkröten jede Lunge in eine Anzahl grösserer Ab- schnitte getheilt, die wieder in kleinere mehrfacher Ordnung zerfallen. Rei den Schlangen zeigen die Lungen durch ihre lange Gestalt eine Anpassung an die gestreckte Körperform, auf welche auch die in verschiedenem Maasse erscheinende Verkümmerung je einer Lunge be- zogen werden muss. Die Verlängerung der Lunge ist von der Aus- bildung einer Eigenthümlichkeit begleitet, dass nämlich der letzte meist beträchtlich ausgedehnte Abschnitt der Lunge unter Vereinfachung seines Raues nicht mehr respiratorisch ist. Solche aus der Athmungs- funclion tretende Abschnitte kommen auch bei Sauriern vor, bei denen wie auch bei den Schlangen der vorderste über die Verbindungsslelle Gegoubaur, Grundriss. 39 610 Wirbelthiere. mit den Luftwegen hinausragende Theil ein dichteres Maschenwerk trägt, während das hintere Ende nur geringe Binnen flächen vergrösse- rungen aufweist. Von diesem Abschnitte gehen bei den Chamälqonten sogar besondere Blindschläuche aus, die weit in die Leibeshöhle ein- ragen und eine Einrichtung andeuten, welche, bei den Vögeln in andere functionelle Beziehungen tretend , zu hoher Entfallung gelangt. Hier entstehen während der Embryonalperiode gleichfalls zipfel- förmige Verlängerungen an der Oberfläche der Lunge , die sich aber mit anderen Organen in Verbindung setzen und luftführende Hohlräume bilden. Dieser pneumatische Apparat wird schliesslich aus häutigen, zwischen die Eingeweide eingebetteten Säcken oder in die Skeletttheile eindringenden Schläuchen dargestellt. Wie im letzteren Falle mit dem Schwinden des Knochenmarks, an dessen Stelle lufthaltige Bäume tre- ten , eine bleibende Verringerung des specifischen Gewichtes des Thieres sich bildet, so kann durch die Füllung der zwischen die Ein- geweide gelagerten Säcke eine vom Willen des Thieres abhängige Gewichtsminderung entstehen, die ebenso wie die erstere das Flug- vermögen unterstützt. Bezüglich des feineren Baues ist für die Lunge der Vögel eine Verbindung der feinsten Bäume unter einander bemerkenswert!). Das Lungenparenchym besitzt eine spongiöse Beschaffenheit. Bei den Säugethieren dagegen ist der lappige Bau auf die kleinsten Ab- schnitte der Lunge forlgesetzt und gibt sich auch äusserlich in grösseren Lappen zu erkennen. Die Zahl der letzteren ist bei den Säugethieren sehr verschieden, meist sind sie an der rechten Lunge zahlreicher als an der linken. In der Lagerung der Lungen ergeben sich bedeutendere Eigen- thümlichkeiten. Während die Lungen der Amphibien sowie der Eid- echsen und Schlangen in die Leibeshöhle ragen , sind sie bei den Schildkröten und Vögeln an die dorsale Wand des Thorax gelagert und werden an ihrer vorderen Fläche vom Peritonaeum überkleidet. Bei den Grocodilen liegt jede Lunge in einem Pleurasäcke, von dem sie einen Ueberzug erhält, und ähnlich verhalten sich die Säugethiere, deren Lungen mit einem Pleuraüberzuge bedeckt, die seitlichen Hälften der Brusthöhle einnehmen. Geschlechtsorgane. § 4M. Die Geschlechtsorgane scheiden sich in beiden Geschlechtern in die keimbereitenden Drüsen und in die Ausführwege der Geschlechtsproducte. Dazu treten noch mancherlei an den Mündungen der Ausführwege gebildete Theiie, welche, grossentheils der Begattung dienend, als äussere Geschlechtsorgane bezeichnet werden. Den Keimdrüsen, Hoden und Ovarien, kommt eine von den Ausführ- Geschlechtsorgane. 61<| wegen gesonderte Bildungsstätte zu, so dass die Verbindung mit den letzteren secundärer Natur ist, und auch darin eine auf niedere Zu- stände verweisende Einrichtung nicht verkennen lässt. Beiderlei Organe nehmen ihre Entstehung an einer median von der Urniere gelegenen Stelle, welche von einer besonderen von dem übrigen Peri- tonealepithel verschiedenen Epithelschichte, dem Keimepithel, über- zogen ist. Hier bilden sich — wenigstens bei den Amnioten — Ein- senkungen des Epithels in das tiefere Bindegewebe, aus welchem allmählich sich abschnürende Schläuche hervorgehen, welche zu ge- schlossenen Follikeln umgebildet, in ihrem Innern eine Zelle zur Eizelle sich ausbilden lassen. Im Protoplasma sich sondernde Körn- chen stellen den Dotter vor, der Kern das Keimbläschen, in dessen Innerm noch besondere Bildungen als Keimflecke vorkommen. Indem so das einen Theil der Wandung der Leibeshöhle auskleidende Keim- epithel den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Eier bildet, finden sich hierin Anschlüsse an die bei niederen Thieren (Würmern) be- stehenden Einrichtungen vor. Diese Beziehungen sind noch deutlicher bei Amphioxus gegeben, dessen Eier ohne Follikelbildung entstehen. Die im Eifollikel um die Eizelle lagernden Zellen bleiben meist in indifferentem Verhalten und tragen zur Bildung einer das Ei umgeben- den Membran, der Dotterhaut, bei. Von diesem allgemeinen Verhalten ergeben sich mancherlei mehr oder minder bedeutende Modificationen. Dieselben betreffen theils das Ei, theils die dasselbe umgebenden Zellen des Follikels. Diese bilden unter gleichmässigem Wachsthume des Eies und des Follikels eine einfache epilhelarlige Schichte bei den Fischen, Amphibien, Beptilien und Vögeln. Bei den Säugethieren daseien vermehren sie sich bei relativ klein bleibender Eizelle und füllen eine Zeit lang den grössten Theil des Follikels aus. Unter Ver- grösserung des letzteren entsteht allmählich in dessen Innerem ein mit Fluidum gefüllter Raum , durch den die Zellschichte der Follikel an der Wandung sich ausbreitet (Membrana granulosa) und an einer etwas verdickten Stelle das Ei mit umschliesst. Die die Eizelle betreffenden Veränderungen gehen vom Dotter aus, und sind von einer Volumszunahme des Eies begleitet. Dieses trifft sich schon bei Teleostiern, deren Dotterkörnchen häufig bedeutende Ver- änderungen eingehen. Aehnlich verhalten sich die Eier der Amphibien. In höherem Grade findet Vermehrung und eigenthümliche Differenzirung der Dotterkörnchen in den Eizellen der Selachier, Reptilien und Vögel statt, und verleiht dem Ei eine bedeutende Grösse. So sind also auch diese durch ihr Volum wie durch ihren Inhalt von den gewöhnlichen Formelementen sehr verschiedenem Gebilde von Zellen ableitbar, und entsprechen solchen noch in ihrem ausgebildetsten Zustande , indem zwischen den Massen der geformten Dotterbestandlheile Protoplasma und Kern (Keimbläschen) sich forterhält. Den männlichen Keimdrüsen dient die mit dem Keimepilhel 39* 6 Aor- tenbogen. (Bei den Fischen besteht meist eine grössere Zahl.) a" Aorta, c Carotis. Fig. 303. Kopf eines Teleostier- Embryo mit der Anlage des Gefasssystems. de CuviER'scher Gang, in welchen ein vorderer und ein hinterer Venenstamm eintritt, sv Sinus venosus. a Atrium, v Kammer des Herzens, a br Kiemen- arterienstamm. ad Aortenslamm. C Carotis. JV Nasengrube, s Kiemenspalten. «34 Wirbclthiere. Die Zahl der aus dem Artcrienbulbus kommenden Kiemenarterien entspricht der Anzahl der in Thätigkeit befindlichen Kiemen. Bei den Cyclostomen und den Selachiern ist sie am bedeutendsten. Fünf Paare kommen auch noch bei Ganoiden vor, während bei den Knochenfischen nur während des Embryonalstadiums eine grössere Anzahl (6 — 7) Arterienbogen vorhanden ist. Die beiden vordersten dem Kiefer- und Zungenbeinbogen angehörigen gehen entweder keine Beziehungen zu Kiemen ein, oder die dem Zungenbeinbogen angehörige Kieme ist nur in vorübergehender Function (Opercularkieme). Durch Verkümmerung der hintersten dem rudimentär werdenden letzten Kiemenbogen ange- hörigen Kieme wird eine Minderung auf vier, ja sogar auf drei Paare gegeben. Die Vertheilung der Ursprünge dieser Kiemenarterien kommt auf mannichfache Weise zu Stande. Sie entspringen entweder paarweise vom einfachen mit Abgabe des letzten Paares endenden Hauptstamme, oder einige gehen jederseits aus einem gemeinsamen kurzen Stamme hervor, wie dies besonders für die hinteren Kiemenarterien der Selachier (auch mancher Ganoiden und Teleoslier) der Fall ist, oder der Haupt- slamm der Kiemenarlerie theilt sich gleich an seinem Ursprünge in zwei seitliche Aeste, von denen die einzelnen Kiemenarterien als Zweige hervorgehen (z. B. bei Bdellostoma unter den Myxinoiden). § 428. Von grosstem umgestaltenden Einfluss ist das Auftreten von Lungen, welche durch Uebernahme der vorher von den Kiemen besorgten Function bedeutende Aendenmgen in der Anordnung der grossen Gefässstämme hervorrufen. Nicht minder äussert sich diese Veränderung im Bau des Herzens, wofür die Dipnoi ein interessantes Beispiel liefern, indem hier eine Trennung der Bäume des Herzens beginnt. Bei Lepido- siren setzt sich von der Vorhofwand ein Maschenwerk von Muskelbalken als eine Art von Scheidewand durch den Vorhof fort. Letzterer zerfällt dadurch in einen rechten und linken Abschnitt , die beide jedoch zwischen den Balken viele Verbin- dungsstellen besitzen , und auch mit ge- meinsamer Oeffnung in die Kammer ein- münden. Der Venensinus mündet dann Fig. 3(H. Aortenbogen von Lepidosircn parodoxa. a Aortenbulbus. 1 2 3 Drei Arterienbogen, die beiden ersten sich in die Aorta vereinigend, p Lnngen- arterie. b Ductus Botalli. br Kiemenspalten. br' Nebenkieme, ao Aorta, c Ar- teria coeliaca. oc Anfang des Oesophagus. (Nach Hvrtl.) Herz uml Arteriensystem. 635 in die rechte Vorkammer und in die linke begibt sich eine Lungen- vene. Auch an der Kammer beginnt eine durch muskulöse Vorsprünge eingeleitete Differenzirung. Der an der Kammer beginnende Bulbus arteriosus (Fig. 304. a) erscheint durch zwei Längsfalten in zwei Räume getheilt, von denen jeder besondere Arterien entspringen lässt. Diese formiren jederseits drei längs der vorderen Kiemenbogen hinziehende Gefässe, von welchen das vorderste jederseits in das zweite Bogenpaar übergeht, und in fernerer Fortsetzung sich mit dem der anderen Seite verbindend eine Aorta [ao) herstellt. Während diese beiden Gefässe (Fig. 304. 1. 2) keine Beziehungen zu Kiemen eingehen, besorgt der dritte Bogen (3) die Abgabe von Kiemenarterien, verbindet sich durch einen engen Gang (b) mit der betreuenden Aorlenwurzel und setzt sich dann als Lungenarterie (p) fort. Dieser Bogen verhält sich somit als Stamm für die an beiderlei Athmungswerkzcuge tretenden Arterien (Art. branchio-pulmonalis) , und die beiden vorderen Bogen können, da sie keine Kiemengefässe entsenden, als Aortenbogen bezeichnet werden. In ähnlichem Verhalten treffen wil- den Girculationsapparat der Amphibien, deren Vorkammer bei den Meisten die Scheidung vollzogen hat (unvollständig bei Proteus) ; dagegen besteht noch eine einfache , nur Spuren einer Trennung besitzende Kammer, deren beide mem- branöse Klappen am Oslium atrioventri- culare . sich wie bei den Fischen ver- halten. Aus der Kammer entspringt ein muskulöser Arterienbulbus (Fig. 305.6a), in welchem die bei Lepidosiren ange- deutete Scheidung sich vervollständigt hat. Er entsendet anfänglich fünf Ar- lerienbogenpaare, die auf drei oder vier sich rückbilden. Diese verlaufen längs jedem Gefässbogen aus entwickelt sich ein Gefässnetz in die sich bil- dende Kieme. So verhallen sich in ziemlich übereinstimmender Weise die Perennibranchialen, wie die Larven der übrigen Amphibien. Jede Kiemenarterie communicirt jedoch von ihrer Verzweigung an der Kieme mit der bezüglichen Kiemenvene durch die ursprüngliche Fortsetzung des jetzt einen Ductus arteriosus vorstellenden Bogens zur primitiven Aortenwurzel. Dadurch ist ein direcler Uebertritt eines Theiles des Blutes der Kiemenarterie in die durch Vereinigung T der Visceralbogen , und von der Fig. 305. Herz und grosse Gefässe einer Triton-Larve, a a Vorliof. v Kam- mer, bu Arterienbulbus. 12 3 4 Aortenbogen als Kiemenarterien, theils zu den Kiemen tretend, theils unter einander verbunden, vb Kiemenvenen, c Carotis. p Lungenarterie, ao Aorta. (Nach M. Ruscom.) 636 Wirbeltliiere. Kiemenvenen entstehende Aorten wurzel möglich. Mit der Entwickeln ng der Lungen sendet die letzte Kiemenarlerie, iihnlich wie bei Lepido- siren, einen Zweig als Lungenarterie ab, oder die letztere (p) ist die unmittelbare Fortsetzung des letzten Arterienbogens. Die Rückbildung der Kiemen ruft bei einem Theile der Amphibien eine Aenderung dieses bei den Perennibranchiaten fortbestehenden Apparates hervor. Zunächst entwickeln sich die zwischen Kiemenarte- rien und Kiemenvenen bereits bestehenden directen Verbindungen (vergl. Fig. 305) so, dass einige Arterienbogen direct aus dem Herzen in die Aorten wurzeln sich fortsetzen. Der letzte bereits die Pulmonal- arlerie entsendende Bogen entwickelt sich zum Stamme dieser Arterie und behält entweder nur unansehnliche Verbindungen (Ductus arterio- sus) mit der Aortenwurzel bei oder gibt auch diese auf und erscheint als selbständiges Gefäss. So verbinden sich also, ähnlich wie bei Le- pidosiren, mehrere Aortenbogen zur Aortenwurzel, indess einer der pri- mitiven Gefässbogen zur Lungenarterie wird. § 429. Ein bedeutender Schritt in der Difl'erenzirung der Kreislauforgane geschieht bei den Reptilien, deren Herz seine Lage in grösserer Entfernung vom Kopfe erhält. Es rückt von seiner Bildungsstätte aus allmählich nach hinten und wird in die Brusthöhle eingebettet, welche Lage es nunmehr bei allen Amnioten behält. Der Kammerabschnitt besitzt meist eine längliche Gestalt, breit ist er bei Schildkröten und manchen Sauriern. Von beiden stets durch ein Septum von einander geschiedenen Vorhöfen (Figg. 306. 307. d. s.) nimmt der rechte wie bei den Amphibien die Körpervenen (vi, vd, vs), der linke die Lungenve- nen (vp) auf. Ersterer (d) ist stets von grösserem Umfange. Die stark muskulöse Kammerwand setzt sich besonders bei Schlangen, Schild- kröten und Sauriern in ein den Binnenraum der Kammer verkleinern- des Maschenwerk fort, ähnlich wie bei Fischen und Amphibien. Durch ein solches Maschennetz wird auch gröstentheils die Kammerscheide- wand dargestellt, nur dass einzelne Muskelbalken hier stärker ent- wickelt erscheinen. Die rechte Hälfte der Kammer empfängt venöses, die linke arterielles Blut, und danach können beide Abschnitte unter- schieden werden. Die UnVollständigkeit der Trennung der beidersei- tigen Bäume wird durch mancherlei Einrichtungen wenigstens theil- weise compensirt. Hieher gehört das Vorkommen einer Muskelleiste, welche den die Lungenarterie abgebenden Baum von dem übrigen Kammerraum partiell abschliessen kann. Vollständig ist die Scheidung der Kammer bei den Crocodilen. Die membranösen Klappen des Ostium atrioventriculare sind an der rechten Herzhälfte bedeutender entwickelt. Bei den Crocodilen ist rechterseits nur eine dieser Klappen vorhanden (Fig. 306. v), die längs Herz und Arteriensystem. 637 des Septum ventriculorum sich erstreckt. Die andere wird durch einen Vorsprung der lateralen Muskelwand der Kaminer vertreten. Der an- Fig. 307. länglich einfache Arterienbulbus hat sich bei allen Reptilien in meh- rere Canäle differenzirt, die äusserlich zu einem Bulbus verbunden bleiben. Dieser entspricht, vorzüglich bei Eidechsen und Schildkröten, Fig. 306. Herz von Alligator lucius mit dengrossen Gefässstämmen, von vorne gesehen. Von der Wand der rechten Vorkammer ist der vordere Abschnitt weggenommen. Man bemerkt an der hintern Wand die Mündung des Venensinus mit zwei häutigen Klappen. Die rechte Kammer ist. gleichfalls geöffnet, und ihre Communication mit dein rechten Aortenbogen und der Pulmonalarterie dargestellt. Andererseits ist die Verbindung der Körperarterienstämme durch theilweise Entfer- nung der Vorderwand angegeben. Fig. 307. Herz desselben von der Rückseite. Bezeichnung beider Figuren: d Rechter, s linker Vorhof. o Ostium venosum des rechten Vorhofs. av Ostium atrioventriculare. v Klappe daran, ba Bulbus arteriosus. art und atr Vordere Ar- terienstämme (Arteriae anonymae) . cp Carotis primaria, ssu, sd .Subclavien. ad Rech- ter (arterieller) Aortenbogen, as Linker (venöser) Aortenbogen, p Arteria pulmonalis. vi Vena cava inferior, vs Vena cava superior sinistra. vd Vena cava superior dextra. vp Vena pulmonalis. r Verbindung des linken Aortenbogens mit dein rechten, m Mesenterialarterie. *Verbindung des Herzens mit dem Pericardium. 638 Wirbellhiere.' in seinem äusseren Verhalten dem rechten Kammerabschnitte, aber die Scheidung der Arterien des Bulbus ist derart, dass beide Kammerab- schnille wie die beiden getrennten Kammern der Crocodile mit beson- deren Arterien des Bulbus in Verbindung stehen. Am Ursprünge der letzteren sind Taschenklappen angebracht. § 430. Von den fünf primitiven Aortenbogen sind die beiden ersten ver- gänglich, und die übrigen erleiden nach den einzelnen Abiheilungen verschiedene Umgestaltungen. Bei den Sauriern bleibt jederseits der dritte bestehen und verbindet sich rechts mit dem vierten, der wie die beiden dritten, aus dem von der linken Kammer stammenden Gefässe hervorgeht. Der vierte linke, mit dem dritten seiner Seite ver- bundene Aortenbogen correspondirt dagegen der rechten Herzkammer. Der fünfte Bogen wird jederseits zum Theile in die anfänglich nur aus ihm entspringenden Pulmonalarlerien übergenommen, diemitderDifferen- zirung des primitiven Aortenbulbus vom Pulmonalarterienstamme (p) abgehen. Somit entstehen jederseits zwei Aortenbogen , von denen einer, der zweite linke, venöses Blut führt. Bei den Ophidiern ist die Verbindung des ersten F'g- 308. i o • Bogenpaars der Saurier mit dem zweiten meist vollständig verschwunden (Fig. 308. A), wodurch dieser Abschnitt nebst seiner Fortsetzung zur inneren Carotis [A. c") wird. Auch bei den Schildkröten und Croco- dilen besteht dieses Ver- halten , dagegen ist bei den ersteren der rechte arterielle wie der linke venöse Aortenbogen mit den aus dem letzten primitiven Bogenpaare hervorgegangenen Pul- monalarlerien durch einen Botallischen Gang in Zusammenhang. Dieser ist bei den Crocodilen verschwunden, so dass also hier aus der linken Kammer ein den rechten Aortenbogen und dieCarotiden entsendendes Ge- fäss entspringt, während aus der rechten Kammer ein linker Aortenbogen Fig. 309. Schema clor Umbildung der AnInge der primitiven Aortenbogen in die Ärterienstämme. A Sehlange. B Eidechse, a Linker Aortenstamm, a' Rechter Aortenstamm, o Carotis communis, c' Carotis externa. <■" Carotis interna, p Pul- monalarterienstamm. p' Aeste. r Arteria verlehralis- s Arteria subclavia. (Nach H atiiki: . Herz und Artoriensystem. 639 (as) und die Pulmonalarlerie (p) hervorgehen. (Fig. 307 ad.) Von der ursprünglichen Verbindung dieser Gefässlämme erhält sich bei den Crocodilen im Arterienbulbus eine Comnmnication zwischen dem arte- riellen und venösen Stamme als Foramen Panizzae, welches je- doch für eine Mischung beider Blutarten von geringem Belange ist. Fig. 309. § 431. Im engen Zusammenhange mit den Einrichtungen des Gefässappa- rates der Reptilien , namentlich der Crocödile, befindet sich jener der Vögel. Sowohl am Herzen als an den grossen Gefässtämmen ist je- doch die Scheidung vollständig und es besteht nirgends mehr eine Mischung arteriellen und venösen Blutes. Die Vorhöfe erscheinen be- deutend kleiner durch geringere Ausbildung ihrer vordem (ventralen) Ausbuchtung. Die Muskulatur der Kam- merwand ist bedeutend verstärkt, beson- ders am linken Abschnitte, um welchen sich die rechte Kammer im Halbkreise an- lagert. Die Atrioventricularklappe der rech- ten Kammer wird durch eine bereits bei den Crocodilen getroffene Einrichtung vor- gestellt, indem die das Ostium von aussen her umziehende Wand sich abwärts in eine in die Kammer vorspringende breite Leiste fortsetzt , die man als »Muskelklappe« be- zeichnet. Von der bei Crocodilen bestehen- den membranösen Klappe sind nur zuweilen Andeutungen vorhanden. Am linken Ostium atrioventiculare kommt eine membranöse Klappe vor, welche das Ostium fast ring- förmig umgibt. Die primitiven Arterienbogen erleiden ähnliche Beductio- nen, wie bei den Beptilien. Der vierte rechte gestallet sich zum Aorten- bogen, während ein Theil des dritten jederseits zu der mit der Aorta (Fig. 309. a) gemeinsam entspringenden inneren Carotis {c") wird und der linke vierte zum Stamme der Subclavia sinistra sich umbildet. Dieser bei den Reptilien aus der rechten Kammer entspringende, also venöses Blut führende linke Aortenbogen ist somit bei den Vögeln vollständig ins ar- terielle Gebiet übergegangen. Beste der Fortsetzung dieses Bogens zu seiner primitiven Vereinigung mit dem rechten finden sich bei man- chen Vögeln (Baubvögel) in Form eines ligamentösen Stranges vor, der den ursprünglichen Verlauf des ganzen Gefässes andeutet. Der fünfte primitive Bogen endlich wird theil weise zu den beiden Aesten der Pul- Fig. 309. Schema der Umbildung der primitiven Aortenbogen in die grossen Arterienslämme hei den Vögeln. Rezeirhnung wie in Fig. 290. (Nnoh Rathkk. fiiO Wirbelthiere. monalarterie (p) verwendet, die wie bei den Reptilien aus der rechten Kammer entspringt. § 432. Obgleich das Herz der Sä ugethiere in der vollkommenen Trennung beider Hälften mit jenem der Vögel übereinkommt, so tritt doch aus dem Bau seiner einzelnen Abschnitte, wie aus der Anordnung der grossen Gefässtämme eine bedeutsame Verschiedenheit hervor. Nur die erste Anlage sowohl des Herzens als des gesammten aus fünf Bogenpaaren bestehenden Systemes ist gemeinsam, und letzteres bildet auch hier den Ausgangspunct mannichfacher Differenzirungen. Während des Embryonalzustandes existirt eine Verbindung zwischen beiden Vorhöfen, hei den Beutelthiercn durch eine schlitzförmige Oeffnung, bei den pla- centalen Säugethieren durch eine grössere Durchbrechung (Foramen ovale) dargestellt. Diese Verbindung gestattet dem aus der Umbilical- vene durch die Vena cava inferior in die rechte Vorkammer gelangen- den Blute den Eintritt in die linke Kammer und von da die Verbrei- tung in den Körperkreislauf durch die Aorta. Bei den Monodelphen wird die Oeffnung durch das Vorwachsen einer gegen den linken Vor- hof gerichteten Scheidewand (Valvula foraminis ovalis) allmählich ge- schlossen, so dass nach der Geburt eine vollständige Trennung der Vorkammern entsteht. Die Umgrenzungsstelle des ursprünglichen Fo- ramen ovale bleibt als ein ringförmiger Wulst auch später unterscheid- bar. Der vorderste (ventrale) Abschnitt des Baumes beider Vorkammern bil- det bei den Säugethieren eine ansehnliche Verlängerung, die »Herzohren«, an beiden Vorkammern verschieden gestaltet. Sie entsprechen dem grössten Theile der Vorhöfe der unleren Classen, indem der hintere Vorhofsraum wenigstens rechterseits aus einem bei jenen vom Vorhofe getrennten Venensinus gebildet wird (vergl. unter Venensystem). Die Herzohren der Säugethiere sind daher Bückbildungen des vorderen Vorhofsabschnittes. Wichtige Veränderungen bieten die Atrioventricularklappen , an deren Stelle niemals jene häutigen Duplicaturen vorkommen, die bei Fischen, Amphibien und auch noch bei Beptilien fungirten. In sehr frühen Zuständen zeigen die Ventrikel bei verhältnissmässig kleinem Binnenraume ihre Wand aus demselben spongiösen Muskelgewebe ge- bildet, wie wir es von den Fischen bis zu den Beptilien hin bleibend antretVen. Allmählich verdicken sich die Balken und ein Theil davon geht in die compactere Herzwand über. Der mehr nach innen zu ver- laufende, das Lumen des Kammerraumes begrenzende Theil dieses Balkennetzes, welcher am umfange des venösen Ostiums inserirt, lässt in der Umgrenzung dieses Ostiums das Muskelgewebe schwinden, so dass die Muskelbalken dort in eine am Ostium entspringende Membran übergehen. Dieser bei den meisten Säugethieren vorübergehende Zu- stand bleibt bei Monotremen (Ornilhorhynchus) in der rechten Kammer Herz und Arteriensystem. 641 bestehen. Von der Ventrikel wand entspringende Muskelbalken gehen in eine membranöse Klappe über. Bei den Uebrigen leitet dieser Zu- stand zu anderen Differenzirungen. Die Muskelbalken ziehen sich noch weiter gegen die Kammerwand zurück und bilden dort die sogenannten Papillarmuskeln, die mit Sehnenfaden (Chordae tendineae) an die nun- mehr rein membranöse Klappe herantreten. Von dem übrigen Balken- netze bleiben nur die den Wandungen der Kammer angelagerten Tra- beculae carneae zurück. Die Atrioventriculark läppen sind so- mit sammt den Chordae t en d ineae Differenzir ungen eines T heiles des ursprünglichen muskulösen Balkennetzes, und der von ihnen umschlossene Baum entspricht dem Hauptraume der primitiven Kammer. Dass die gleichen Klappen in der linken Kammer des Vogelherzens auf ähnliche Weise entstehen, darf angenom- men werden. Von den während des Embryonalzuslandes bei den Säugethieren gleichfalls bestehenden mehrfachen, aus einem Bulbus arteriosus her- vorgehenden Aortenbogen erfolgt ein Uebergang in die definitiven Zustände auf Fi„ 310 eine andere Weise als bei den übrigen Wirbelthieren (vergl. Fig. 310). Die bei- den ersten Bogen schwinden vollständig, der dritte stellt wie sonst einen Theil der Carotis her. Der vierte zeigt auf beiden Seiten ein verschiedenes Verhallen, indem er rechts nur bis zum Abgange der pri- mitiven Subclavia (s) bestehen bleibt, während der linke die Fortsetzung des aus dem dift'erenzirten Bulbus entstande- nen arteriellen Arterienstammes bildet. Ein linker Aortenbogen («,') ist also bei den Säugethieren der Hauptstamm des arteriellen Gefässsystems. Vom fünften Bogen schwindet der rechte vollständig. Der linke bildet die Fort- setzung der aus der rechten Kammer entspringenden Pulmonalnrterie {p) und setzt sich beim Embryo unmittelbar in den (linken) Aorten- bogen fort. Von ihm aus entwickeln sich die beiden Pulmonalarterieu- uste (//) und der Stamm dieses Bogens wird zur Pulmonalarterie, die während des Fötallebens das aus der oberen Hohlvene in die rechte Kammer gelangende Venenblut durch ihre Fortsetzung zum Ende des Aortenbogens in die absteigende Aorta ergiesst. Nach der Geburt Fig. 310. Schema der Umbildung der primitiven Aortenbogen in die grossen Arterienstämme bei Säugethieren. a Aortenstamm, a Aorta descendens. c Ca- rotis communis, c' Carotis externa, c" Carotis interna, s Subclavia, v Arteria vertebralis. p Pulmonalarterienstamm. p' Aeste desselben, b Ductus arteriosus Botalli. (Nach Rathke.) Gegenbaur, Giundriss. 4 1 642 Wirbelthiere. schwindet die Communication zwischen der Pulmonalarterie und Aorta descendens und der betreffende Abschnitt (b) jenes Gelasses wird in einen Strang (Ligamentum Botalli) umgewandelt. § 433. Die Körperarterien der Wirbelthiere nehmen bei Allen im frühesten Zustande ihren Ursprung aus dem einfachen Bulbus arteriosus des Herzens. Bei den durch Kiemen athmenden wird das aus dem Bulbus entspringende arterielle Bogensyslem (die primitiven Aorten- bogen), wie bereits oben (§ 429) bemerkt, in die Gefässe des Kiemen- kreislaufs aufgelöst, und erst aus den ausführenden Gefässen der Kiemen (Kiemenvenen) , geht das System der Körperarlerien hervor. Der anfänglich direct durch die Aortenbogen zur Aorta entsendete Blutstrom wird mit der Entwickelung der Kiemen in neue Bahnen übergeführt, und gelangt somit auf Umwegen, die ihn dem Athmungs- process unterziehen, zu seiner Vertheilung im Körper. Bei den MyxinoTden vereinigen sich fast alle Kiemen venen zur Bildung einer subvertebralen Aorta, die sich nach hinten als Haupl- arterie des Körpers fortsetzt, aber auch nach vorne zu als »Arteria vertebralis impar« verlängert ist. Auf ähnliche Weise sammeln sich zwei seitliche Längsstämme aus den Kiemenvenen, welche vorne mit je einem Ast in die Arieria vertebralis impar eingehen, mit einem anderen Aste dagegen eine Carotis bilden. Die beiden Carotiden theilen sich in einen äusseren und inneren Zweig, von welchen der Kopf versorgt wird. Bei Petroinyzon fehlt die vordere Verlängerung der Aorta, so dass die auf ähnliche Weise wie bei den MyxinoTden ent- stehenden Carotiden die einzigen vorderen Arterien sind. Unter den Fischen entsteht die Aorta bei Selachiern und Chimären aus einem jederseils durch die Vereinigung der Kiemenarterien hervorgehenden Stamme. Aehnlich ist das Verhalten bei den Gano'iden und Teleostiern. Die Carotiden nehmen ihren Ursprung aus der ersten Kiemenvtvie oder aus dem Vorderende des paarigen Arterienstammes , der jederseits als Aortenwurzel die Kiemenvenen sammelt und sich dann mit jenem der andern Seite zur Aorta vereint oder auch vorne eine solche Querana- stomose eingehend, einen arteriellen Circulus cephalicus an der Schädel- basis abschliesst. Eine besondere Augenarterie entsteht aus den Ge- fassen der Nebenkieme, in welche entweder ein direcler Ast der ersten Kiemenvene (Selachier) oder ein den Zungenbeinträger umziehender Zweig aus demselben Gefässe eintritt (Teleostier) . In dem Ursprünge und der Anordnung der einzelnen Gefässe kommen \ iele Modifikationen vor, wovon die bedeutendsten auf das Verhallen der Carotiden und der Augenarlerie treffen. Dieser Abschnilt des Gefässsystems verhält sich in ähnlicher Weise noch bei den Amphibien. Die Kopfarterien entspringen bei den Herz und Arteriensystem. 643 Perennibranchiuten aus dem vorderen Theile der Aortenwurzeln oder bei den nicht mehr durch Kiemen athmenden aus den beiden ersten Arterienbogen (Salamandrinen) , oder sie sind die Fortsetzungen des ersten Arterienbogens selbst (Anuren) . In den ersten Zuständen bieten sich bei den Amnioten überein- stimmende Verhältnisse dar. Die das Gehirn und das Auge versorgende innere Carotis (Fig. 311. A. Bc) erscheint als Fortsetzung der jeder- seitigen Aortenvvurzel nach vorne zu. Die äussere Carotis (c) ist ein Zweig des dritten primitiven Aortenbogens. Schwindet die Verbindung desselben Bogens mit dem vierten , so gehen beide Caroliden jeder- seits aus einem gemeinsamen Stamme hervor (vergl. Fig. 311. C). Sie erscheinen im Allgemeinen als zwei an den Seiten des Halses mit dem F-'ig. 311. Nervus vagus verlaufende Arterien, die meist einen gemeinsamen Stamm (C. communis) besitzen. Bei den Sauriern hängen die Caro- tiden noch mit den darauf folgenden Arterienbogen zusammen , und bewahren dadurch ihr ursprüngliches Verhalten (vergl. Fig. 314. A). Die rechte gemeinschaftliche Carotis erleidet bei vielen Schlangen Fig. 311. Entwicklung der grossen Gefässstämme aus der primitiven Anlage, dargestellt an drei Embryonen. A Reptil (Eidechse). B Vogel. C Säuge- thier (Schwein). Bei Allen sind die beiden ersten Aortenbogenpaare verschwun- den. In A und B bestehen der drille, vierte und fünfte Bogen vollständig. Bei C nur die beiden letzten, und die Verbindung des dritten mit dem vierten Bogen, resp. mit der Aortenwurzel ist gelöst. Vom letzten (fünften primitiven) Bogen geht ein Ast (p) als Pulmonalarterie ab, angedeutet in A, weiter entwickelt in B und C. Der von der Abgabe dieses Astes bis zur Aorta verlaufende Abschnitt des letzten Bogens stellt den Ductus Botalli vor. c Carotis externa, c' Carotis interna, bei A und B noch vordere Fortsetzung der Aortenwurzel , bei C mit der Carotis externa einen gemeinsamen Stamm bildend, der von dem vierten linken Aorten- bogen (dem definitiven) entspringt, o Vorhof. v Kammer, ad Aorta descendens. s Kiemenspalten, w Nasengrube. 1 2 3 Vorder-, Mittel- und Zwischenhirn, m An- lage der Vordergliedmaassen. In A und B ist am Auge noch die Chorioidealspalte wahrnehmbar. (Nach Rathke.) 41* 644 Wirbeltbiere. eine Rückbildung und kann sogar vollständig aufgelöst werden. Auch bei den Vögeln tritt dieselbe Arterie aus ihrer ursprünglichen Bahn und lagert sich median an die Unterfläche der Halswirbel, indess die linke ihren Verlauf beibehält. Indem bei Anderen beide Garotiden diese Abweichung zeigen, wird ein Uebergang zu einer dritten Form gebildet, die durch eine Verschmelzung der beiden aneinander ge- lagerten Gefässe sich ausspricht. Dabei schwindet der isolirt verlaufende Theil der rechten Carotis und es entsteht ein linkerseits entspringender median verlaufender Gefässstamm , der sich als sogenannte Carotis primaria zum Kopfe begibt (vgl. Fig. 312. ac). Dieses Verhalten trifft sich für manche Vögel wie für Crocodile (Fig. 306. cp) gemeinsam. Ver- schieden hiervon ist ein bei Schla nge n und manchen Sa urie rn be- stehender unpaarer Carotidenstamm aufzufassen, der gleichfalls vorne in zwei Kopfarterien übergeht. Diese Bildung entsteht durch die Annähe- rung der Ursprungsstellen beider Garotiden aus dem rechten Aortenbogen und entwickelt sich weiter durch das Auswachsen der beide Stämme entspringen lassenden Partie der Aorta, so dass hiemit die Neubildung eines Gefässstammes repräsenlirt wird. Eine andere Eigenthümlichkeit besteht im Vorkommen einer unpaaren vom rechten Aortenbogen längs der Wirbelsäule nach vorne verlaufenden Subvertebralarterie. Unter den S ä u g e t h i e r e n ergeben sich durch ähnliche Wande- lungen der Gefässstämme während der Entwicklung gleichfalls vielerlei Modificationen , welche besonders die beiden Endäste der Garotiden treffen, von denen die innere, wie auch bei manchen Sauriern und Vögeln keineswegs ausschliesslich für die Schädelhöhle und die Sinnes- organe bestimmt ist. Die Ausdehnung des Gebietes der einen Arterie beschränkt das Gebiet der anderen, wobei fernere Modificationen durch direct aus der gemeinschaftlichen Carotis entspringende Arterien er- zeugt werden. Für die Arterien der Vor der gl iedmaa ssen bestehen mehr- fache, von einander sehr verschiedene Ursprungsstellen, so dass für die Genese dieses Gefässes die Vererbung eine minder bedeutende Rolle zu spielen scheint als die Anpassung. Der Stamm der Aorta setzt sich in gleichmässigem Verhalten längs der Wirbelsäule fort, an dem für den Schwanzlheil bestimmten Ab- schnitte als Arteria caudalis bezeichnet und bei verkümmertem Schwänze die Arteria sacralis media vorstellend. Der Endabschnitt liegt bei allen Wirbelthieren bei dem Vorhandensein sogenannter unterer Bogen in dem von diesen gebildeten Gaudalcanal. Allein auch am Bumpftheile des Körpers kann sie bei manchen Fischen in einen von Fortsätzen der Wirbelkörper gebildeten Canal eingeschlossen werden , wie ein solcher z. B. beim Stör, und auch bei manchen Teleostiern besteht. Die Aorta entsendet in regelmässiger Folge entspringende , für die Metameren des Körpers bestimmte Arterien (Arteriae intercostales), ausserdem die zu den Eingeweiden tretenden und endlich bei der Heiz und Arteriensystera. 645 Bildung die an diesen sich ver- Fig. 312. von Hinterextremitäten solche, theilen. Von den Arterien der Eingeweide besteht bei den Fischen ge- wöhnlich nur ein Hauptstamm (Arteria coeliaco-mesenlerica) , zu dem bei Manchen noch eine hintere Mesenterialartqrie tritt. Für die Nieren, ebenso wie für die Geschlechtsorgane gibt die Aorta eine grössere An- zahl von Arterien an verschiedenen Stellen ab. Bei den Amphibien entspringt die Arteria coeliaco-mesenterica aus dem Ende des linken Aortenbogens. Ebenso ist bei den Beptilien (Saurier, Schildkröten) das mit dem rechten Aortenbogen nur durch einen engen Canal verbundene Ende des linken zur Vertheilung an den Ein- geweiden bestimmt, oder es bestehen mehrfache Einge- weide-Arterien (manche Sau- rier), die besonders bei den Schlangen in Anpassung an die gestreckte Körperforui sehr zahlreich sind. Auch bei den Crocodilen sind die Ver- zweigungen des linken Aor- tenbogens (vcrgl. Fig. 307. m), der gleichfalls mit dem rechten durch einen engen Ductus communicirt, nur auf einen Theil des Verdauungs- apparates verbreitet, und von der unpaaren Aorta ent- springen selbständige senterialarterien. Mit Mo- dem Schwinden des linken Aor- tenbogens bei den Vögeln gibt die Fortsetzung des den rechten Aortenbogen darstel- lenden Stammes eine Arteria coeliaca und mesenterica superior ab, wozu noch eine aus dem Endstücke der Aorta (Sacralis media) stam- mende Mesenterica inferior kommt. Fig. 312. Arterielles Gefässsystem von Podiceps er is latus. « Aorten- stamm, a' Aorta descendens. s Art. subclavia, ac Art. carotis primaria, unter den Processus spinosi anteriores hindurchtretend. aa Art. cutanea abdominis. at und al' Art. thoraciae sinistrae. ai Art. ischiadica. af Art. hypogastricae. as Art. sacralis media, p Der linkeM. pectoralis major, t Trachea. dCloake. (Nach Bahkow.) 646 Wirbellhieie. Die Coeliaca und Mesenterica superior bilden bei den Säugethieren die Hauptarterien des Darmcanals. Eine Mesenterica inferior kommt erst bei den placentalen Säugethieren als bedeutenderer Gefässstamm zum Vorschein. Die bei den Fischen mehrfachen Renalarterien bewahren dieses Verhalten bei Amphibien wie bei den meisten Reptilien, selbst bei den Vögeln bestehen noch mehrere Nierenarterien, von denen eine mittlere aus der Arteria ischiadica entspringt. Ausnahmsweise kommt die Mehrfachheit dieser Arterien auch noch bei Säugethieren vor, die in der Regel nur eine Nierenarterie jederseits von der Aorta abgehen lassen. Die Arterien der hinteren Gliedmaassen erscheinen erst nach der grösseren Ausbildung dieser Theile als direcle Aeste der hinleren Aorta. Die beiden für diese Theile bestimmten Hauptstämme sind nicht immer dieselben und wie aus den Lagerungsbeziehungen zum Recken her- vorgeht, können verschiedene Aeste das Gebiet jener Arterien ver- sorgen. Rei den Reptilien und Vögeln sind die Arteriae ischiadicae die Hauptstämme der Hinterexlremitäten, die bei den Säugethieren von der Arteria cruralis versorgt werden. Im specielleren Verhalten bestehen bei den Säugethieren zahlreiche Modificationen , die hier von unter- geordneter Bedeutung sind. Venensystem. § 434. Das Venensystem der Wirbelthiere bietet durch zahlreiche, von den Fischen bis zu den Säugethieren hin wahrnehmbare Umwand- lungen nicht minder wichtige Erscheinungen , als das Fig. 313. arterielle Gebiet der Blutbahn. Das zum Herzen zu- rückkehrende Blut sammelt sich bei den Fischen in vier Längsstämme, zwei vordere und zwei hintere. Die jeder Seite treten in einen Querslamm (Ductus Cu- vieri. Fig. 313. de) über, der mit jenem der anderen Seite in einen hinter dem Vorhofe des Herzens ge- lagerten Sinus (sv) einmündet. Das vordere vorzüg- lich das Venenblul des Kopfes sammelnde Paar bildet die über den Kiemenbogen gelagerten Jugularvenen (/j, das hintere Paar, welches die Venen der Rumpf- wand , der Nieren und auch der Geschlechtsorgane aufnimmt, die Cardinalvenen (c) (vergl. auch eine unpaare Caudalvene unter der Arterie theilt sich bei den Cycloslomcn und den manchen Teleostiern in zwei in die Car- Fig. 303) ; im Caudalcanal verlaufend , Selachiern , auch noch bei Fig. 313. Schema des primitiven Venensystems, j c Cardinalvene. de Ductus Cuvieri. h Venae hepaticae. sv Sinus venosus. lugularvene. Venensvstem. 647 dinalvenen der betreffenden Seite sich fortsetzende Aeste. Bei vielen Teleostiern setzt sich diese Caudalvene mit einem stärkeren Aste in die rechte, mit einem schwächeren in die linke, dann meist gleich- falls schwache Cardinalvene fort. Daraus leitet sich der Uebergang der ganzen Caudalvene in die rechte Cardinalvene ab, wie solches bei einer Anzahl von Teleostiern beobachtet ist. Indem die Caudalvene in die Niere Zweige absendet, die bald voll- ständig, bald theilweise in diesem Organe sich auflösen, bilden diese Venae renales advehentes, welche durch Venae revehentes in die Car- dinalvenen münden, einen Pfortaderkreislauf der Niere. Ein zweiter, ähnlich sich verhaltender Gefässapparat wurzelt am Darm und führt das Venenblut desselben durch einen als Pfortader be- zeichneten Gefässstamm zur Leber. Darin vcrtheilt, wird es durch meist zu mehreren Stämmen vereinigte Lebervenen zum gemeinsamen Venensinus geleitet. An dieser Anordnung des Venensyslems der Fische können wir den paarigen, meist symmetrisch erscheinenden Abschnitt von dem nur durch die Lebervenen dargestellten unpaaren Abschnitt unter- scheiden, und wollen zunächst den ersteren in seinen Umwandlungen durch die Wirbellhierreihe verfolgen , da er bei Allen wenigstens in den wesentlichsten Zügen sich in frühen Enlwickelungssladien als ver- erbte Einrichtung wieder vorfindet, und als die Grundlage des em- bryonalen Venensystems den Ausgangspunct für spätere Umgestaltungen abgibt. § 435. Bei den Amphibien und Reptilien nimmt der Venensinus die beiden Jugularvenen auf, welche das gleiche Ursprungsgebiet wie bei den Fischen besitzen. Sie persistiren von da an bei allen Wirbelthieren, während das hintere Venen- paar, die Cardinalvenen (Fig. 3-14. vc), nur während der ersten Embryonalperioden in einem mit den Fischen übereinstimmenden Verhalten vorkommt. Sie sind die Venen der Primordiahiieren (C7). Ihr vorderer Abschnitt oblilerirt, und ihr hinterer stellt, Venen anderer Gebiete aufnehmend, Venae renales advehentes vor. Schon vor dem Schwinden des in die CuviEuschen Gänge einmündenden Theiles der Cardinalvenen entstehen bei den Reptilien vier andere • Stämme, welche vorzüglich Inlercostalvenen auf- nehmen und als Venae vertebrales bezeichnet werden. Die vorderen Fig. 314. Vorderer Abschnitt des Venensystems eines Sc li la nge n -E in b ry o. v Herzkammer, ba Bulbus arteriosus. c Vorhof. DC Linker Ductus Cuvieri. vc Linke Cardinalvene. vj Linke .Tugularvene. vu Umbilicalvene. U Urniere. I Labyrinthanlage. (Nach Rathke.) Fig. 314. vc 648 Wirbelthierc. und hinteren jeder Seite vereinigen sich und münden in die Jugular- vene ihrer Seite ein. Die Verbindung mit der linken Jugularvene schwindet spater, worauf die linken Vertebralvenen unter Entwicklung von Queranastomosen mit den rechten sich vereinigen , und wie diese in die rechte Jugularvene einmünden. Mit dem Aufhören der Verbindung der Cardinalvenen mit den CuviER'schen Gängen erscheinen diese als Fortsetzungen der Jugular- venen, welche die von den Vordergliedmaassen kommenden Subclavien aufnehmen, und als obere Hohlvenen bezeichnet werden. Die aus den Körperwandungen das Blut sammelnden Vertebralvenen sind nur wahrend des Embryonalzustandes in grösserer Ausdehnung vorhanden und erleiden meist eine bedeutende Rückbildung. Auch ihre ursprüng- lich paarige Anordnung wird aufgegeben (Schlangen) , und der grösste Theil ihres Gebietes ordnet sich der Vena cava inferior unter. Wesentlich ähnliche Einrichtungen treffen wir bei den Vögeln. Ein Paar Jugularvenen, häufig, wie es schon bei den Schlangen der Fig. 315. IV Fall war, in ungleicher Ausbildung, bildet die Hauptstämme für das aus den vorderen Körpertheilen rückkehrende Blut. An der Schädel- basis sind sie meist durch einen Querstamm mit einander verbunden, der gleichfalls vom Kopfe wie von der Halswirbelsäule Venen eintreten lässt. Mit der Bückbildung der linken Jugularvene bildet dieser Querstamm die Bahn für die Ueberleitung des Blutes in die rechte. Die Vertebralvenen sind dabei zu unansehnlichen Gefässen geworden. Die Jugularvenen vereinigen sich mit den in die Subclavien zusammen- tretenden Venen der Vorderextremität und die beiden dadurch ent- stehenden Stämme erscheinen wieder als obere Hohlvenen. Indem diese noch hintere Vertebralvenen aufnehmen , gibt sich ein Abschnitt von ihnen als aus den bei den Fischen persistirenden Querstämmen (Ductus Cuvieri; hervorgegangen zu erkennen. Diese Hohlvenen münden jedoch Fig. 315. Verhallender grossen Venenstämme am Herzen. I Reptil (Python). 11 Voge 1 (Sareorhamphus). UIBcutelthier (Halmalurus). IV Seh wein. Sämmtlich von hinten dargestellt, i Vena cava inferior, s Vena cava superior sinistra. d Vena cava superior dextra. ap Arteria pnlmonalis. a Aorta, st; Sinus venosus. Venensvslem. 619 getrennt in den rechten Vorhof ein, da der noch bei den Reptilien vorhandene Sinus (verel. 1 *o* 315. I. sv) in die Wand des Vorhofs überging, und somit einen Theil desselben bildet. Von diesem Ein- treten ursprünglich ausserhalb des Vorhofs gelagerter Theile in die rechte Vorhofswand sind im Innern noch Andeutungen wahrzunehmen. Was die Vertebralvenen betrifft, so nehmen dieselben bei den Vögeln ihren Verlauf in einem von den Rippen umschlossenen Canal, so dass sie sich dadurch schon als von den Cardinalvenen zu sondernde Ge- fässe darstellen. § 436. Die Anlage des Venenapparates der Säugethiere stimmt mit jenem der niederen Wirbelthiere vollkommen überein. Zwei Jugular- venen (Fig. 313) nehmen Cardinalvenen auf, und die jederseits ge- bildeten gemeinsamen Stämme treten in einen Venensinus, der sich mit dem Vorhofe verbindet, und später bei der Scheidung des Vor- hofes in den rechten Vorhof aufgenommen wird. In letzteren münden alsdann zwei discrete Venenstämme , von denen jeder in einen vor- deren stärkeren und hinteren schwächeren Stamm sich fortsetzt. In den vorderen (Fig. 316. A) senken sich mit der Rildung der Vorder- A extremitäten die Venae axillares oder subclaviae (s) ein, und die beiden aus dieser Verbindung ge- bildeten Venenstämme wer- den als obere Hohlvenen (Venae cavae sup.) unter- schieden. Das Gebiet der Car- dinalvenen wird mit der Entwickelung des Systems der unteren Hohlvenen all- mählich beschränkt, indem ein Theil des durch die Cardinalvenen gesammel- ten Rlutes der unteren Hohlvene zugeleitet wird. Dabei erleiden die Car- dinalvenen selbst eine Rückbildung durch Uebergang eines Theiles ihrer Wurzeln in neue Längsvenenstämme, die wieder wie bei den Reptilien die Fig. 316. Umwandlung des primitiven paarigen Venensystems bei Säuge- t liieren. A Die Vertebralvenen sind an die Stelle eines Theiles der Cardinal- venen getreten , welche durch punetirte Linien angedeutet sind. B Die linke pri- mitive Jugularvene ist an ihrem unteren Abschnitte rückgebildet, ihr Gebiet ist durch einen Querstamm mit der rechten vereinigt. C Die linke Jugularvene ist mit dem Ductus Cuvieriljis auf ein dem Herzen anliegendes Rudiment verschwunden, das Gebiet der rechten Vertebralvene ist in das der linken aufgenommen, j Jugular- vene. 5 Vena subclavia, es Vena cava superior. 6 Cardinalvene. v Vertebral- vene. cor Vena coronaria. az Vena azygos. 650 WirbeltlikMe. Vertebralvenen vorstellen, und in das in den CuviEii'schen Gang mündende Ende der Cardinal venen fortgesetzt sind. Durch die Minderung ihres Ge- bietes erscheinen diese Vertebralvenen (Fig. 310. A. B. v.) wie Zweige der aus den CuviER'schen Gangen und den Jugularvenen entstandenen Stamme, eben der oberen Hohlvenen. Sie bestehen bei Monotremen, Beulelthieren , vielen Nagern und Insectenfressern fort. Bei Anderen wird durch Entwickelung der Queranastomosen ein Theil des vorher der linken oberen Hohlvene (Fig. 316. B) zugeführten Blutes in die rechte (es) übergeleitet, wobei der linke obere Hohlvenenstamm sich rückbildet (Nager, Wiederkäuer, Einhufer). Bei vollständiger Ausbildung dieses Verhältnisses schwindet der grösste Theil des Stamuies dieser Vene und es besteht von ihr nur der ursprünglich den linken Ductus Guvieri bildende, zwischen linker Kammer und Vorkammer gelagerte Endabschnitt (Fig. 316. C. cor), in welchen che Herzvenen münden, als Sinus der Kranzvene des Herzens fort. Eine halbringförmige Falte scheidet diesen Sinus auch beim Menschen von der eigentlichen Kranz- vene, und die an seiner Mündung in die rechte Vorkammer liegende Valvula Thebesii ist eine Zeit lang Klappe der linken oberen Hohlvene. Die rechte obere Hohlvene ist dann der einzige vordere Hauptstamm geworden (Getacecn, Carnivoren, Primaten). Mit der Beduction des linken oberen Hohlvenenstammes erleiden auch die Cardinalvcnen oder die aus ihrem Gebiete hervorgegangenen Vertebralvenen bedeutende Veränderungen. Während sie in dem ersten Falle jederseils in die bezügliche Hohlvene münden (Fig. 310. A), und auch im zweiten durch Ausbildung einer rechten Hohlvene gegebenen Falle von der linken Seite her selbständig in den rechten Vorhof treten (B) , wird mit der Beduction dieses zum Herzen verlaufenden Abschnittes eine Verbindung mit der rechten Vertebralvene eingeleitet. Die linke Vertebralvene setzt sich durch Queranastomosen mit der rechten in Zusammenhang, und diese wird nach Auflösung der Ver- bindung des oberen Endes mit der linken oberen llohlvene zur Vena hemiazygos, während die rechte in ihrem früheren Verhalten wenig- stens der Lage nach fortdauernd, zur Vena azygos wird (Fig. 318). Beim Bestehen zweier oberer Hohlvenen bleiben die beiden Cardinal- venen nicht immer unverändert, vielmehr überwiegt auch hier häufig der eine Stamm über den anderen, der bis zum Verschwinden redu- cirt sein kann. Dann entsteht eine von beiden Seiten her Intercostal- venen aufnehmende Vena azygos, welche bald in den linken, bald in den rechten oberen Hohlvenenstamm oder auch in die einzige obere Hohlvene einmündet, z. B. bei Carnivoren (Fig. 3 IG. C. az). Bei den meisten Säugethieren werden die Wurzeln der Jugular- venen aus zahlreichen, von äusseren und inneren Kopflheilen kommen- den Venen gebildet, von welchen eine einen Theil des Blutes aus der Schädelhöhle durch das Foramen jugulare ableitet. Sie stellt nur ein untergeordnetes Gefäss dar, indem die Hauptausfuhr jenes Blutes durch Venons\ stein. 65 f einen zwischen Pelrosum und Squamosum oder nur in letzterem ge- lagerten Canal (Canalis temporal is) stattfindet. Unter Erweiterung des Foramen jugulare wird bei anderen die dort beginnende Vene stärker und gewinnt allmählich über die anderen aus dem Schädel leitenden Bahnen die Oberhand , wobei sie sich zu der bei den Primaten vor- kommenden Vena jugularis interna gestaltet. Die übrigen Venen ver- einigen sich allmählich zur Jugularis externa , welche bei den meisten Säugethieren die vorherrschende bleibt. § 437. Das zweite grosse Venengebiel beginnt sehr unansehnlich bei den Fischen, indem es dort einzig durch die Lebervenen vorgestellt wird, die zu mehreren oder in einen Stamm vereinigt in den gemeinsamen Venensinus einmünden. Mit der Verminderung des Gebietsumfanges der Gardinalvenen bildet sich im Zusammenhange mit den Lebervenen ein neuer Bezirk, jener der unteren Hohlvene, der schon bei Amphibien entsteht. Derselbe Venenstamm sammelt Blut aus der Niere und wird damit zur Vena renalis revehens (Fig. 317. A. ci). Das Blut aus den Hinterextremitäten tritt in eine Vena iliaca {A. i), welche bei den urodelen Amphibien jederseits einen Ast der sich spaltenden Caudalvene aufnimmt. Sie bildet, in die Niere sich auflösend, eine Vena renalis advehens. Ein Zweig der Vena iliaca tritt gegen die Me- dianlinie des Abdomen und nimmt von der sogenannten Harnblase Ve- nen (Fig. 317. A. o) auf, worauf er sich mit jener der anderen Seite zu einem unpaaren zur Leber verlaufenden, und damit dem Pfortader- system sich verbindenden Stamm (a) Vena epigastrica, Vena abdominalis) vereinigt. Die Venen des Darmcanals und der Milz sammeln sich zu einem Pfortaderstamme, der längs der Leber sich auflöst. Der hintere Abschnitt des Venensyslems der Reptilien bildet sich nach Auflösung des Systems der Gardinalvenen zunächst aus dem Stamme der Lebervenen und den rückführenden Venen der Nieren. Daraus entsteht der Stamm einer unteren Hohlvene (Fig. 317. B. et), die unter der rechten oberen Hohlvene in den gemeinsamen Venensinus einmündet. In den einzelnen Abiheilungen der Reptilien bestehen je- doch mannichfacbe Modificationen, und nur die Saurier und Ophidier zeigen noch manchen engeren Anschluss an die Verhältnisse des Venen- apparates der Amphibien. Die Caudalvene theilt sich in zwei Stämme, welche bei den Eidechsen Venen der hinleren Extremitäten aufnehmen und Venae renales advehentes vorstellen , indem sie sich schliesslich in den Nieren vertheilen. Mit diesen Venen verbinden sich Venen der Wirbelsäule. Aehnlich verhalten sich auch die Grocodile, deren Vena caudalis (Fig. 3I7. B. c) gleichfalls sich theilt, dann aber einen die Venae renales advehentes (ra) absendenden Querstamm bildet. Die 652 Wirbeltliiere. Venae renales revehentes bilden bei allen diesen einen vor der Wirbel- säule verlaufenden Stamm und in der Niere besteht ein Pfortaderkreis- lauf, der nur bei den Schildkröten zu fehlen scheint. Ein anderes Venengebiet der Reptilien wird durch die Venae epigastricae oder abdominales dargestellt, die aus einem em- bryonalen Venenapparate hervorgehen. Mit der Enlwickelung der C Allantois bildet sich aus dem dieselbe begleitenden Gefässnetze ein Venenpaar aus, welches anfänglich (nach Rathke bei der Natter) mit den Enden der Cu vi loschen Gänge zusammen ausmündet. Diese Venae umbilicales nehmen von der Bauchwand her Venen auf, und stehen zugleich mit der Bildung des Pfortaderkreislaufs der Leber in Verbin- dung. Bei den Schlangen verschwindet diese Umbilicalvene, nachdem die in sie einmündenden Venen der Bauchwand sich in einen Plexus auflösten, dagegen bleibt bei den Eidechsen eine der Umbilicalvenen mit ihrem Endabschnitte bestehen und bildet mit den in sie münden- den Bauchwandvenen eine Vena epigastrica, die auch von der Harn- blase Venen empfängt und nach vorn zur Leber zieht. Bei Crocodilen und Schildkröten bleiben die Enden der zwei Um- lulicalvenenslämme bestehen und werden , da die Venen der Bauch- wand sich in sie fortsetzen, zu Theilen der Venae epigastricae. Wie Fig. 317. Minierer Abschnitt des Vencnsyslems. A vom Frosch, B Alli- gator, C Vogel. Bezeichnung: R Nieren, c (unpaarer Stamm) Caudalvenc. c Vena cruralis. i Vena ischiadica. v Venae vesicales. a Vena epigastrica (ab- dominalis), m Vena coccygeo -mesentcrica. ra Vena renalis advehens. rr Vena renalis revehens. ci Vena cava inferior, h in A und C Vena hypogasti ica, in B Ende der Vena epigastrica in der Leber. Venensystem. 653 die einfachen Venen der Amphibien und Eidechsen treten auch sie zur Leber, und verbinden sich bei den Crocodilen mit Aesten der Pfort- ader, indess sie bei den Schildkröten sich von beiden Seiten her in einen Querstamm vereinigen, der die hier nicht zu einem Pfortader- stamme vereinigten, einzelnen Venae intestinales aufnimmt. In beiden Fallen vertheilen sie sich in der Leber, gehören somit zum Pfortader- systeme derselben. Bei den Crocodilen wie bei den Schildkröten gehen die Venae epigastricae (Fig. 317. B. a) aus den beiden Aesten der Caudalvene (c) hervor und nehmen die Cruralvene (c) auf, sowie vor- her die Venae ischiadicae. Da aber bei den Crocodilen auch die Venae renales advehentes -aus der Caudalvene und der Vereinigung derselben mit den Venae ischiadicae entspringen, so wird hier ein Theil des aus, dem hinteren Körperabschnitte kommenden Venenblutes in den Pfortaderkreislauf der Niere übergeführt, und das übrige in jenen der Leber. Bei den Schildkröten dagegen wird bei dem Mangel zuführen- der Nierenvenen das gesammte Blut aus dem hinteren Körperende in die Leber geleitet, indem in die Venae epigastricae auch noch Verte- bralvenen einmünden. § 438. Manche der bei den Beptilien bestehenden Venen erscheinen bei den Vögeln als vorübergehende Bildungen. Die untere Hohlvene (Fig. 317. C. ci) setzt sich auch hier aus zwei aus den Nieren kom- menden Stämmen zusammen, welche jedoch die Venen der hinteren Gliedniaassen (c) aufnehmen und bei der Grösse dieser Gefässe als Fortsetzungen derselben betrachtet werden können. Ausser den in den Nieren wurzelnden Zweigen verbinden sich mit diesen Stämmen noch zwei Venae hypogastricae (/«), an der Wurzel des Steisses durch eine Queranastomose verbunden, welche von hinten her die Caudal- vene (c) aufnimmt und nach vorne eine zur Vena mesenterica ziehende Vene [m] (Vena coccygeo-mesenterica) abgibt. Die letztere ist auch bei den Crocodilen als ein weiter Venenstamm vorhanden, der mit dem die beiden Aeste der Caudalvene verbindenden Querstamme anastomosirt, und so einen Theil des aus dem Schwänze oder aus den Hinterextremitäten kommenden Venenblutes vom Nierenpfortaderkreis- laufe ableitet. Die bei den Vögeln bestehende Anordnung der Venen in den Nie- ren macht einen Pfortaderkreislauf in diesen Organen möglich, dessen Existenz jedoch des sicheren Nachweises noch entbehrt. Bei den Säugethieren ist er verschwunden. Die Verhältnisse der Umbili- calvenen und der Venae omphalo-mesentericae sind jenen der Beptilien ähnlich. Doch scheinen im Einzelnen, selbst für die grösseren Stämme manche Abweichungen zu bestehen. Sehr frühzeitig bildet sich die von den Nieren und den Keimdrüsen das Blut sammelnde untere Hohl- vene (Fig. 318. ci) aus, welche mit den vereinigten Umbilicalvenen (554 Wirbelthiere. Fig. 348. zusammentritt, und nach dem Schwinden der rechten Umbilicalvene die linke aufnimmt. Mit dem Ende des Hohlvenenstammes (Fig. 318. ei) verbinden sich nach Auflösung; der Cardinalvenen (c) die Venen des Beckens (/?.;/) und der hinteren Extremität (//), und ebenso die Cau- dalvene. Zur Zeit, da die Umbilicalvene den grössten Venenstamm vorstellt, erscheint die Cava inferior nur wie ein Zweig desselben. An der Eintrittsstelle der Umbilicalvene in die Leber bil- den sich Aeste in letzleres Organ , während gleich- zeitig ähnliche Zweige aus der Leber in die Vereini- gungsstelle der Umbilicalvene mit der Cava inferior treten ; letztere stellen die Lebervenen vor. Dadurch wird der Pfortaderkreislauf in der Leber angebahnt, und indem das aus der Umbilicalvene dem Herzen zugeführte Blut den Umweg durch die Leber macht, bildet sich das zwischen ein- und ausführenden Ve- nen liegende Stück der Umbilicalvene zurück, um den Ductus venosus Arantii vorzustellen. Das die Mesenterialvenen aufnehmende Stück der Vena omphalo-inesenterica wird dabei zum Stamme der Pfortader, während die von der Umbilicalvene in die Leber gebildeten Aeste nach Oblilerirung des Ductus Arantii die Aeste der Pfortader vorstellen. So wird die untere Hohlvene zum hinteren Hauptslamme , in welchen die Venen des Beckens, der hinteren Extre- mitäten, der Nieren und der Geschlechtsorgane einmünden, indess die Venen des Darmcanals und der Milz die Pfortader bilden. § 439. Die Vertheilung der Blutgefässe im Körper geschieht in der Regel unter allmählicher Verästelung der einzelnen Stämme, bis dann aus den feinsten Verzweigungen der Arterien und Venen das System der Capillaren hervorgeht, beiderlei Blutgefässe mit einander verbindend. Abgesehen von den eigenthümlichen Einrichtungen, wie sie die Schwell- körper und andere ereclile Organe besitzen, oder wie sie in den von knöchernen Wandungen umschlossenen, oft mehr lacunären Bluträumen bestehen, herrscht im Blutgefässapparate vieler Organe bezüglich der Vertheilung der Gefässe eine vom gewöhnlichen Verhalten etwas ab- weichende Weise. Eine Vene oder Arterie theilt sich nämlich plötz- lich in ein Büschel feiner Aeste, die mit oder ohne Anastomosen sich Fig. 318. Schemader Hauptstämme des Venensystems des Menschen (vergl. damit Fig. 316). es Vena cava superior. s Vena subclavia, je Jugularis externa, ji Jugularis interna, az Vena azygos (rechte hintere Vertebralvene). ha Vena hemiazygos. c Andeutung der Cardinalvenen. et Vena cava inferior. h Venae hepaticae. r Venae renales, il Vena iliaca. hy Vena hypogastrica. Lymphgefässsystem. 655 entweder in das Capillarsystem verlieren, oder sich bald wieder in einen Slamin sammeln. Eine solche Gefässvertheilung bezeichnet man seit langem als Wundernetz, Rote mirabile. Ihre Bedeutung liegt offenbar in einer Verlangsamung des Blutstroms und Vergrüsserung der Oberfläche der Gefässbahn, woraus eine Veränderung sowohl in den Druck- wie in den Diffusionsverhältnissen der ernährenden Flüssigkeit resultiren muss. Geht aus einer solchen Auflösung eines Gefässes wieder ein gleichartiger Gefässstamm hervor, so nennt man das Wun- dernetz bipolar oder amphicentrisch , bleibt das Gefässnetz aufge- löst, so wird die Bildung als diffuses, unipolares oder monocentrisches Wundernelz bezeichnet. Bald sind nur Arterien oder nur Venen (Rele mirabile simplex), bald beiderlei Gefässe unter einander gemischt (Rele mirabile geminum seu conjugatum) an dieser Bildung betheiligt. Solche Wundernetze finden sich als arterielle in der Pseudobranchie, in der Chorio'idea des Auges der Fische, dann sehr mannichfaltig an der Schwimmblase. Bei Vögeln und Säugethieren kommen Wunder- nelze im Bereiche der Carotiden und ihrer Zweige nicht selten vor. Sehr verbreitet sind sie an den Gliedmaassen der Säugethiere (Mono- tremen, Edentaten). Auch im Bereiche der Eingeweidearterien kommen Wundernetze sowohl an Arterien oder an Venen vor, so bildet beim Schwein die Art. mesenterica ein arterielles Wundernetz. Allgemein verbreitet sind arlerielle Wundernetze an den Endzweigen der Nieren- arterien, wo sie die MALPicmsehen Glomeruli bilden, aus denen be- kanntlich wieder eine Arterie zur Capillarvertheilung auf den Harn- canälchen hervorgeht. Lymphgefässsystem. § 440. Das Vorkommen eines mit dem Blutgefässsystem verbundenen Ca- nalsystems, in welchem die auf dem capillaren Abschnitle des ersteren ausgetretene ernährende Flüssigkeit nach Durchlränkung der Gewebe als Lymphe wieder in den Blutstrom übergeführt wird, bildet eine besondere Einrichtung des Wirbelthierorganismus. Sie scheint mit weiteren Ausbildungen des Körpers verknüpft zu sein, da sie bei Amphioxus fehlt, und onlogenelisch relativ erst spät aufzutreten be- ginnt, nachdem das Blulgefässystem sowohl in seinem arteriellen als venösen Abschnitte differenzirt und in Thätigkeit ist. Eine besondere Bedeutung hat der am Darmcanale wurzelnde Abschnitt des Lymphge- fassystems, der das durch den Verdauungsprocess aus dem Ghymus bereitete Ernährungsmaterial als Chylus aufnimmt und der Blutbahn zuführt. Ausser der Rückleitung der Lymphe kommt diesem Canalsysteme noch eine andere, seine anatomischen Verhältnisse complicirende Ver- richtung zu. In seinen Bahnen sind nämlich die Keimslätten der Form- 656 Wirbelthiere. Fiü 319. elemente der Lymphflüssigkeit, der Lymphzellen, eingebettet, die dem Blute zugeführt allmählich in die Formbestandtheile des letzteren sieh umwandeln. Dieses Lymphgefässystcm bietet in den unteren Abtheilungen der Wirbelthiere wenig Selbständigkeit dar, indem seine Bahn zum grossen Ifaeile aus weiten, andere Organe, vorzüglich Arterien umgebenden Bäumen vorgestellt wird. Die bindegewebige Arterienscheide umsehliesst zugleich die Lymph- bahn. Auch Venen können von weiten Lymph- gefässen umgeben sein ; so liegt z. B. die Ab- dominalvene von Salamandra in ein Lymphgefäss eingeschlossen (Leydig) . Ausser den Blutgefässe begleitenden Lymph- wegen finden sich schon in den unteren Abthei- lungen solche mit selbständigerem Verlaufe, wie in der Haut oder auch an Abschnitten des Darms und anderen Eingeweiden. Peripherisch bilden die Lymphgefässe durch zahlreiche Anastomosen Capillarnetze oder diese repräsentirende Bäume. Daraus gehen allmählich weitere Bäume, entweder Canäle, oder unregelmässig abgegrenzte Sinusse hervor, an deren Stelle erst bei den höheren Ab- theilungen in ihrem Baue mit den Venen verwandte Gefässe treten. Während die Lymphbahn von den niederen zu den höheren Wir- belthieren im Allgemeinen eine allmähliche Differenzirung aus dem La- cunensystem der Wirbellosen ähnlichen Bäumen zu einem distinct ge- bauten Canalsysteme wahrnehmen lässt, derart dass die interstitielle Natur der Lymphwege mehr nur den peripherischen Abschnitten zu- kommt : so erhält sich doch allgemein noch eine aus niederen Zustän- den ableitbare Einrichtung in der Bedeutung der Leibeshöhle als eines Lymphraumes. Die Leibeshöhle der Wirbelthiere schliesst sich damit näher an das Cölom vieler Wirbelloser an. Bei der bei manchen Fischen (Stör, Selachier) bestehenden Cominunication der Leibeshöhle mit der Pericardialhöhle, wird auch diese hierher gerechnet werden dürfen, ebenso wie die Pleurahöhlen der Säugethiere, die nur Differenzirungen des gemeinsamen Cöloms sind. § 441. Bei den Fischen erscheinen die Hauptstämme in Gestalt von Lymphsinussen. Solcher finden sich meist zwei paarige vor, oder Fig. 319. Ein Stück der Aorta einer Schildkröte (Chelydra) von einem weiten Lymphraiim umgeben, a Aorta, b Aeiissere Wand des Lymphraumes , bei b' ist dieselbe entfernt, so dass das Blutgefäss frei liegt, c Trabekel, welche vom Blut- gefäss aus zur Wand des Lymphraumes ziehen. (Natürliche Grösse.) Lympbgefasssystem. 657 ein unpaarer unterhalb der Wirbelsäule. Der unpaare Stamm theilt sich nach vorne in zwei Aesle. In diese Stämme sammeln sich theils kleinere Sinusse, theils engere Canäle als Lymphgefässe. Die Verbin- dung mit dem Venensystem geschieht meist an zwei Stellen. Ein Lymphsinus des Schädels mündet jederseits in die betreffende Jugu- larvene ein, und am Schwänze verbinden sich zwei, Seitengefässlämme aufnehmende Sinusse durch eine am letzten Schwanzwirbel zusammen- tretende Queranastomose mit der Caudalvene. Neben einem sehr entwickelten subcutanen Lymphraumsystem, welches besonders bei den ungeschwänzten Amphibien sich über einen grossen Theil der Oberfläche verbreitet, bildet der subvertebrale Lymphraum der Amphibien einen gleich ansehnlichen Abschnitt. In ihn münden die Lymphgefässe des Darmes (Chylusgefässe), wie der übrigen Eingeweide ein, sowie auch von den Extremitäten her Verbin- dungen mit Lymphgefässen bestehen. Beiden Reptilien treten unter dem Fortbestehen mannichfacher, häufig auch subcutaner Lymphräume engere Beziehungen zu den Arterien auf, die Lymphgefässe bilden bald weite, die Arterien umgebende und von Balken durchzogene Räume (Fig. 319), bald stellen sie jene Blutbahnen begleitende Geflechte dar. Letztere lassen sich von ersteren abieilen, indem durch stärkere Aus- bildung jener Balken der Lymphraum in einzelne unter einander anasto- mosirende Canäle zerlegt wird. Der die Aorta umgebende Lymphraum theilt sich bei den Crocodilen und Schildkröten in zwei die Venen der Vorderextremität umgebende Stämme, in welche vom Kopfe und Halse wie von den Extremitäten Lymphgefässe einmünden. Aehnlich ver- halten sich die Lymphslämme der Vögel, bei denen der vor der Aorta verlaufende Hauptstamm (Ductus thoracicus), wie auch die klei- neren Gefässe eine grössere Selbständigkeit hinsichtlich ihrer Beziehun- gen zu den Arterien erreicht haben. Die Einmündung der Ductus thoracici geschieht wie bei den Beptilien in die oberen Hohlvenen (Venae brachiocephalicae). Eine zweite Verbindung findet sich am An- fange des Schwanzes, worin Amphibien und Reptilien übereinkom- men. Das betreffende Venengebiet gehört den Venae ischiadicae oder den zuführenden Nierenvenen an. Bei den Säugethieren sind die Lymphgefässe hinsichtlich ihrer Wand noch bedeutender differenzirt, obgleich auch hier die Arterien- scheide für Theile des Lymphstroms häufig die Bahnen abgrenzt. Sie bilden auf ihrem sonst meist die Blutgefässe begleitenden Verlaufe viel- fache Anastomosen, und sind, wie jene der Vögel, durch Klappen aus- gezeichnet. Sowohl die Lymphgefässe der hinteren Extremitäten, als die Chylusgefässe vereinigen sich noch in der Bauchhöjile in einen selten paarigen Hauptstamm, dessen Anfang häufig eine bedeutende Erweiterung (Cisterna chyli) auszeichnet. Daraus setzt sich ein in den Anfang der linken Vena brachiocephalica einmündender Ductus thora- cicus fort, und in dieselbe Vene münden beiderseitig die Stämme der Gegenbaur, Grundriss. k 2 f658 Wirbeltliiere. Stämme meist beträchtliche Erweiterungen, Lymphgefässe vorderer Körpertheile (des Kopfes und der Vorderext re- mitäl) und der Brustwand. In der Nähe der Einmündung in Venen zeigen die Lymphgefass- deren Wand durch einen Muskelbeleg ausgezeichnet ist , und ryth mische Con- tractionen ausführt. Man bezeichnet derartige Ein- richtungen als Lymphherzen. Si& sind in verein- zelten Fällen am Caudalsinus von Fischen beobachtet, genauer dagegen bei Amphibien (Fröschen) und Rep- tilien (Schildkröten) bekannt; bei ersteren sowohl an den vorderen als an den hinteren Einmündestellen vorhanden , indess bei urodelen Amphibien wie bei Reptilien nur hintere Lymphherzen nachgewiesen sind. Diese letzteren kommen unter den Vögeln nur noch den Ratiten (Strauss, Casuar), und einigen Schwimm- vögeln zu , indess sie bei Anderen ihren Muskelbeleg verloren haben und einfache blasenförmige Erweiterungen vorstellen. Bei den Säimethieren endlich scheinen derartige Gebilde nicht mehr zur Entwicklung zu kommen. § 442. Was die Lymphzellen erzeugenden Apparate betrifft, so finden sich hiefür einfache Formen bei Fischen vor, wo im Verlaufe einzelner Lymph- gefässe Stellen bestehen, an denen eine Zellenproduction in den Maschen eines netzförmig angeordneten bindegewebigen Balkenwerkes vor sich geht. Bei bedeutenderer Entwicklung dieser Einrichtung werden par- tielle Anschwellungen gebildet, die wegen der Beziehungen der Lymph- gefässe zu den Arterien, diese begleiten. Selbst bei den höheren Wirbelthieren besteht dieses Verhalten, wenn auch bei der grösseren Selbständigkeit der Lymphgefässe die Arterienscheiden nicht mehr be- ständig die Bildungsstätten sind. Vorzüglich ist es die Schleimhaut des gesammlen Darmcanals, deren Lymphgefässe mit solchen zellenerzeu- genden Stellen in Verbindung sind, die dann kleine follikelartige An- schwellungen herstellen. Sie finden sich zerstreut oder in verschie- denen Combinalionen gruppirt, und werden als »geschlossene Drüsen- follikel« bezeichnet. Am Anfange der Darmwand bilden Gruppen solcher Gebilde die bereits oben (S. 582) erwähnten Tonsillen, und auf ein- zelnen Stellen der Schleimhaut des Mitleidarms dichter bei einander •stehend, bilden sie die sogenannten »PEYEii'schen Drüsen«, die be- reits bei Reptilien vorkommen, aber erst bei Säugethieren eine grössere Verbreitung besitzen. Die Vereinigung einer grösseren Anzahl solcher einzelnen Follikel stellt grössere Gebilde, Lymphdrüsen, vor, die gleichfalls in die Fig. 320. Caudalsinus a ß. - Änastomosirender Querstamm b. Seitengefasse c und Ursprung der Caudalvene d von Silurus glanis. (Nach Hyrtl.) Lymphgefässsystem. 659 Bahnen der Lymphe eingebettet erscheinen , und ihr Vorkommen an den verschiedensten Körperslellen besitzen können. Bei Fischen, Am- phibien und Beptilien werden die eigentlichen Lymphdrüsen noch ver- misst. Auch den Vögeln scheinen sie nur in beschränkter Weise (am Halse) zuzukommen, und erst bei den Säugethieren treten sie allge- meiner auf, sowohl an dem chylusführenden Abschnitte des Lymph- systems im Mesenterium, als auch im übrigen Körper verbreitet. Bei einigen Säugethieren (z. B. Phoca, Canis, Delphinus) sind die Mesenterial- drüsen zu einer einzigen Masse, dem sog. Pancreas Aselli vereinigt. Zn den lymphzellenerzeugenden Organen gehört auch die Milz, die in ihrem feineren Baue von den Lymphdrüsen nur dadurch ver- schieden ist, dass die in ihr gebildeten Lymphzellen direct ia die Blul- bahn übertreten. Der letztere Abschnitt wird durch ein zwischen ein- und austretende Gefässe eingeschaltetes feines Lacunensystem hergestellt, welches den grössten Theil der sogenannten Milzpulpa bildet. Mit Ausnahme von Amphioxus ist die Milz bei allen Wirbelthieren vorhanden und lagert stets in der Nachbarschaft des Masens, meist zu- nächst des Cardialsackes. Sie erscheint bald als ein längliches oder rund- liches Organ von dunkelrother Farbe, zuweilen wie z. B. bei manchen Se- lachiern in eine Anzahl von kleineren Läppchen zerfallen, von denen auch sonst einzelne als Nebenmilzen mit dem grösseren Organe vorkommen. § 443. Die allgemeine Verbreitung eines Organs, dessen Bau in einigen Puncten an Lymphdrüsen erinnert, während seine Beziehungen zum Lymphgefässsystem noch völlig dunkel sind, gestattet für dasselbe kein gänzliches Uebergehen, und so mag hier noch der Thymus gedacht sein. Dieselbe erscheint als ein gleichfalls aus drüsenartigen Follikeln zusammengesetztes Gebilde, welches in grössere und kleinere Lappen getheilt ist und seine kleinsten Bläschen mit Zellen gefüllt erscheinen lässt. Bei den Selachiern liegt das Organ auf den Kiemensäcken, zwischen diesen und der Muskulatur des Bückens, und beim Stör und manchen Teleostiern hält man ähnliche an der hinteren oberen Grenze der Kiemenhöhle vorkommende Follikel für dasselbe Organ. Bei den Amphibien trifft man die Thymus als ein kleines Knötchen hinter dem Winkel des Unterkiefers. Aehnlich erscheint sie bei den Reptilien, bei Schlansen und Schildkröten über dem Heizen an der Carotis ge- lagert, und bei Crocodilen in Uebereinstimmung mit den Vögeln (Fig. 280. ///) vom Herzbeutel bis zum Unterkiefer emporreichend. Der unlere Abschnitt ist bei Säugethieren der entwickeltere, so dass sie nur selten aus der Brusthöhle heraustritt. Bei allen ist sie in den Jugendzuständen am beträchtlichsten entwickelt, erleidet dann Bück- bildungen und nur bei Wenigen behält sie den früheren Umfang auch im erwachsenen Zustande der Thiere bei (Pinnipedier). 42* 6ß0 Wirbelthicre. § 444. Bis jetzt noch völlig räthselhaft ist ein unter den Wirbelthieren gleichfalls verbreitetes Organ , welches in den höheren Abtheilungen jederseils vor der Niere lagert und daher als Nebenniere (Glandula suprarenalis) bezeichnet ward. Bei den Anamnia sind diese Gebilde durch die Umhüllung sympathischer Ganglien mittels einer aus zellen- haltigen Schläuchen zusammengesetzten Corticalschichte vertreten , und als gelbliche oder weissliche Körper über eine grössere Strecke ver- theilt, indess sie bei den Amnioten jederseits Eine Masse darstellen, und in ihrer Marksubstanz gleichfalls noch Nervenelemente wahrnehmen lassen. Bemerkenswert!! ist ihr relativ bedeutendes Volum während der Fötalperiode bei Säugethieren. Die Bedeutung dieser Organe, welche mit der Unterstellung derselben unter den anatomisch durchaus unklaren und daher verwerflichen Begriff der sogenannten »Blutgefäss- drüsen« in nichts gefördert wurde, dürfte daher in jeder Hinsicht noch festzustellen sein. Corrieendu m. B S. 577. Statt Kiemenspallen der Anamnia — Gaumen der Amnioten lies: Kie- menspalten und Gaumen der Amnioten. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. ^i v/!/1A