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GRUNDRISS

DER

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DER

WIRBELTHIERE

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FÜR STUDIRENDE BEARBEITET

VON

DR. ROBERT WIEDERSHEIM,

0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE UND VERGLEICHENDEN ANATOMIE, DIREGTOR DES ANATOMISCHEN INSTITUTES DER UNIVERSITÄT FRFIBURG I.iB.

ZWEITE, GÄNZLICH UMGEARBEITETE UND STARK VERMEHRTE AUFLAGE.

MIT 302 HOLZSCHNITTEN.

JENA,

VERLAG VON GUSTAV FISCHER.

1888.

I^l^l

Vorwort zur ersten Auflage.

Wenn sicli auch mein in den Jahren 1882—83 erschienenes Lehr- buch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere nach mancher Richtung hin als brauchbar erwiesen haben sollte, so bin ich mir doch wohl bewusst, dass dies nach einer Seite hin nicht der Fall gewesen ist. Es ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, kein Studenten buch geworden. Dazu war das zusammengebrachte, wissenschaftliche Ma- terial, wie das bei der ersten Bewältigung eines ausgedehnten Stoffes nur allzuleicht zu geschehen pflegt, zu wenig gesichtet, d. h. Wichtiges und Nebensächliches zu wenig auseinander gehalten, und auch die da und dort eingeflochtenen Discussionen mögen für den Gang der Dar- stellung nicht überall förderlich gewesen sein.

So entstand in mir der Gedanke, bevor ich in einer zweiten Auflage jene Fehler verbessern könnte, an die Abfassung eines ganz neuen, in einem kleineren Rahmen sich bewegenden Buches heranzutreten. Dabei folgte ich dankbar und gerne dem Rathe meines Herrn Verlegers, nach dem Vorgange anderer Autoren, durch verschiedenen Schriftcharakter den Grundtext von dem mehr Nebensächlichen zu scheiden und so den Stoff" für den Anfänger zu einem durchsichtigeren zu gestalten.

Aus diesem Grund habe ich mich auch auf die allernöthigsten Ab- bildungen beschränken zu sollen geglaubt, so dass ich nur etwa ein Drittel der früheren und nur eine kleine Zahl von neuen Figuren auf- genommen habe.

VI Vorwort.

Als wesentliche Verbesserung dem ersten Buche gegenüber dürften die mit grösserer Sorgfalt ausgeführten, farbigen Gefässbilder anzusehen sein; ferner habe ich nicht versäumt, auf Grund der in den letzten zwei Jahren erschienenen, grossen Fachlitteratur überall den neuesten wissenschaftlichen Standpunkt zu vertreten und so manche Capitel, wie z. B. die Wirbeltheorie des Schädels, sowie gewisse Abschnitte des Integumentes , des Nervensystems und der Sinnesorgane gänzlich um- zuarbeiten.

Dass ich dabei die Autorennamen aus dem Text weggelassen, da- gegen jedem Capitel eine kurze Litteratur - Uebersicht angefügt habe, dürfte sich als nicht unpraktisch erweisen.

Im Uebrigen aber verfolgt dieses neue Buch dieselbe Idee, wie das frühere. Hier wie dort war ich bestrebt, den Leser, und vor Allem den Studirenden der Medicin, zu einer wissenschaftlichen Auffassung der Anatomie hinzuleiten und ihm den innigen Zusammenhang aller biologischen Disciplinen zu klarem Bewusstsein zu bringen.

Freiburg i/B. im Juli 1884.

Der Verfasser.

Vorwort zur zweiten Auflage.

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage des „Grundrisses" sind vier Jahre verflossen, und was dieser, wenn auch nur kurze Zeitraum, für den Fortschritt der biologischen Wissenschaften zu bedeuten hat, bedarf für die Fachgenossen keiner weiteren Erörterung. Vieles, was veraltet war, habe ich allerdings in der zweiten Auflage meines Lehr- buches verbessert, allein seit dem Erscheinen derselben sind bereits wieder zwei Jahre vergangen und so ist auch dort Vieles der Correctur bedürftig.

Wenn ich aus diesem Grunde die Gelegenheit zu einer Neubearbeitung des „Grundrisses" gerne ergriff', so war ich mir dabei meiner schwierigen

Vorwort. VII

Aufgabe wohl bewusst, da icb einerseits entschlossen war, das Buch seines allzu skizzenhaften Charakters zu entkleiden, andrerseits mir aber in der Aufnahme neuen Stoffes weises Masshalten auferlegen musste. Viel- leicht habe ich nicht immer das Richtige getroffen und den gleich- massigen Fluss der Darstellung nach Form und Ausdehnung nicht überall eingehalten. Ich denke dabei z. B. an das Venensystem, auf das ich, unterstützt durch eine umfangreiche, neue Litteratur, sowie durch briefliche Mittheilungen, die ich Herrn Dr. Hochstettek in Wien ver- danke, ganz besondere Sorgfalt verwendet habe. Hieraus wird mir aber wohl Niemand, der mit dem Lückenhaften unserer bisherigen Kenntnisse in diesem Gebiete vertraut ist, einen ernstlichen Vorwurf machen. Allein nicht nur hierin habe ich die verbessernde Hand angelegt, sondern auch in den einleitenden Bemerkungen über die Anlage und den allgemeinen Bauplan des Thierkörpers, in den Capiteln über die Mammarorgane, die Wirbelsäule, das Kopfskelet, das Vogelbecken, das gesammte Nerven- system und das Geruchsorgan. Ferner erhielten eine wesentlich andere Fassung jene Abschnitte, die von der Glandula thymus und thyreoidea, der Darmmucosa der Fische, den Fori abdominales, dem Respirations- apparat der Vögel, den branchialen Arterienbogen, dem Vornieren- und Urnierensystem, sowie von der Anlage der Geschlechtsdrüsen und den Nebennieren handeln.

Ganz neu sind jene Capitel, welche die Beziehungen zwischen Mutter und Frucht sowie die Stammesentwicklung der Wirbelthiere im Allgemeinen betreffen. Mancher Leser hätte letztere wohl gerne weiter ausgeführt gesehen, allein ich glaubte, dabei gewisse Grenzen einhalten zu sollen, und zwar nicht nur, weil hier noch Vieles schwankend und unsicher erscheint, sondern vor Allem deshalb, weil mir ein für Stu- diren de bestimmtes Buch nicht als der richtige Platz erschien, auf welchem Hypothesen mit ihrem Für und Gegen auszufechten sind. Aus diesem Grund habe ich den betreffenden Passus nur in sehr all- gemeiner Form gehalten und mich darauf beschränkt, den inneren, auf die Blutsverwandtschaft sich gründenden Verband aller thierischen Organismen hervorzuheben.

Was das Nervensystem anbelangt, so schöpfte ich hierin aus dem wechselseitigen Gedankenaustausch mit meinen früheren Schülern, be- ziehungsweise jetzigen Collegen van Wijhe und Beard vielfach neue Anregung. Ihnen gebührt daher mein freundhcher Dank ; nicht minder

VIII Vorwort.

dankbar gedenke ich meines hochverehrten Herrn Verlegers, der in bekannter hochsinniger Weise Alles daran setzte, auch dieser zweiten, durch eine grosse Zahl neuer Abbildungen verbesserten Auflage eine durchaus würdige Gestalt zu verleihen.

So möge denn das Buch, das in Folge seiner gänzlichen Um- arbeitung fast den Namen eines neuen Werkes verdient, sich einer freundlichen Aufnahme erfreuen dürfen. Welche Tendenz es verfolgt, habe ich am Schlüsse des Vorwortes zur ersten Auflage bereits ausgesprochen.

Fr ei bürg i/B., im August 1888.

Der Verfasser.

Inhaltsverzeichniss.

Uebersicht über grössere Werke der vergleichendeu Anatomie und

Entwicklungsgeschichte im Allgemeinen XIII XI\

Einleitung. I. Wesen und Bedeutung der vergleichenden

Anatomie 1

II. Entwicklung und Bauplan des Thier-

körpers '^

Specieller Theil.

A. Integument

der Fische der Amphibien der Reptilien der Vögel der Säuger .

Milchdrüsen Litteratur

B. Skelet

I. U.

Hautskelet Inneres Skelet

1. Wirbelsäule

der Fische

der Amphibien

der Reptilien

der Vögel

der Säuger

Litteratur

2. Rippen

,, der Fische und Dipnoer

,, der Amphibien

,, der Reptilien, Vögel und Säuger 55-

3. Sternum

4. Epistemum

Litteratur

5. Der Schädel

a) Hirnschädel (Craninm). Allgemeine Uebersicht und Entwicklung

IG 17 18 19 21 24 28 30 31 31 34 34 36 40 44 47 50 52 52 53 54 -57 57 60 61 61 63

L InlialtsTerzeicliniss.

Seite

b) Das Visccralskclet. Allgeirieinc Uebersiclit mid Entwicklung . 65

c) Die Schädelknochen 67

Kopfskelet der Fische 68

,, der Dipnoer 74

,, der Amphibien 76

der Reptilien 81

der Vögel 85

,, der Säuger 87

Litteratur 92

6. Gliedmasson 93

a) IJnpaare Gliedmassen 94

b) Paarige Gliedmassen 95

Schultergürtel 96

,, ,, der Fische und Dipnoer 96

,, ,, der Amphibien und Reptilien 97

,, der Vögel 100

,, ,, der Säuger 101

Beckengiirtcl 101

,, ,, der Fische und Dipnoer 101

n ,, der Amphibien 102

,, ,, der Reptilien und Vögel 104 105

,, der Säuger 106

Freie Gliedmassen 107

,, ,, der Fische und Dipnoer 107

Allgemeine Betrachtungen über die Gliedmassen der höheren

Wirbelthiere HO

Freie Gliedmassen der Amphibien 113

), der Reptilien 114

der Vögel 116

,, der Säuger 118

Litteratur 121

C. Myologie 122

I. Hautinusculadir 124

II. lusculatiir des Skeletes 124

Parietale Muskeln der Fische 125

,, ,, der Amphibien 125

,, der Reptilien 126

der Vögel 127

,, der Säuger 127

Viscerale Muskeln der Fische 128

,, ,, der Amphibien 129

,, ,, der Amnioten 130

Mimische Muskeln 130

Muskeln der Extremitäten 133

Diaphragma i34

Litteratur 135

D. Elektrische Organe 136

Litteratur 139

E. Nervensystem 139

1. Das Ceiitraliierrensysteni ^^o

1. Das Rückenmark 141

Inhaltsverzeichniss. XI

Seite

2. Das Gehirn. Allgemeine Uebersicht und Entwicklung . . . 142

Hirn- und Rückenmarkshäute 149

Das Gehirn der Cyclostomen, Selaehier und Ganoiden 149 153 Das Gehirn der Teleostier, Dipnoer und Amphibien . 153 159

Das Gehirn der Reptilien 159

,, der Vögel 164

der Säuger 167

11. Peripheres Nervensystem 172

Rückenmarksnerven 175

Gehirnnerven 177

Syiiipathicus 187

Litteratur 188

III. Sinnesorgane. Allgemeine Uebersicht 189

Hautsinn 190

Stäbchenförmige Organe bei Fischen, Dipnocrn und Amphibien,

Nervenhügel 190

Endknospen 194

Terminale Ganglienzellen 195

Litteratur 197

Geruchsorgan. Allgemeine Uebersicht und Entwicklung ... . 198

Das Geruchsorgan der Fische 199

,, ,, ,, der Dipnoer und Amphibien .... 203

der Reptilien , . 204

,, ,, der Vögel 206

,, ,, ,, der Säuger 206

Jacobsoii'sclies Organ 209

Spritzapparat der Gymnophioiien 210

Litteratur 211

Sehorgan. Allgemeine Uebersicht und F]ntwicklung 212

Das Sehorgan der Fische 214

,, ,, der Dipnoer und Amphibien 216

,, der Reptilien 217

der Vögel 217

,, ,, der Säuger 219

Retina 220

Hilfsorgane des Auges 223

Litteratur . '. 226

Das Gehörorgan. Allgemeine Uebersicht und ^Entwicklung .... 227

Das Gehörorgan der Fische und Dipnoer 231

,, ,, der Amphibien 233

,, ,, der Reptilien 234

der Vögel 234

,, ,, der Säuger 236

Knöchernes Labyrinth und die Schnecke der Säugethiere .... 239

Lymphbahnen des Gehörorgans 240

Histologie der Säugethierschnecke 241

Beziehungen des Gehörorgans zur Schwimmblase der Fische . . 233

Litteratur 243

F. Organe der Ernährung ^^*

Darmcanal und seine Anhänge . 244

Vorderdarm im Allgemeinen (Adnexa desselben) 247

XII Inhaltsverzeichniss.

Vorderdarm im engeren Sinn 264

Mitteldarm 268

Enddarm 270

Histologie der Darmsclileimhaut 272

Anhangsorgane des Darmcanals 275

Litteratur 277

G. Athmungsorgane 278

Kiemen . 279

Schwimmblase und Lungen 287

Schwimmblase 287

Lungen 288

Luftwege 290

Lungen im engeren Sinn 296

Luftsäcke der Vögel 298

Coelom und Pori abdominales 306

Litteratur 308

H. Organe des Kreislaufs (Gefässsystem) 308

Entwicklung des Herzens und der Gefässe 309

Foetaler Kreislauf 310

Das Herz und seine Gefässe 314

Arteriensystem 322

Venensystem 324

Beziehungen zwischen Mutter und Frucht 334

Wundernetze 338

Lymphgefässsystem 339

Litteratur 341

J. Organe des Harn- und Geschlechtssystems 34 1

Entwicklungsgeschichte 341

Geschlechtsdrüsen 348

Harnorgane 351

Harnorgane der Fische und Dipnoör 351

,, ,, Amphibien 352

,, Reptilien 356

Vögel 356

Säuger 358

Geschlechtsorgane 360

Geschlechtsorgane der Fische 360

,, Amphibien 362

Reptilien 366

Vögel 366

Säuger 368

Begattungsorgane 374

Nebennieren 379

Begister 384

Uebersicht über grössere Werke der vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte im Allgemeinen.

A. E. von Bär. tJeher Enttuicklunyayeschichbe der Thlere. Küidysbtrg 1828 1837. F. M. Balfour. Handbuch der vergl. Embryologie. Deutsch v. B. Vetter. 2 Bde. Jena 1881. H. G. Bronn. Die Klassen und Ordnungen des Thierreiches. Leipzig and Heidelberg. Noch in hortsetzung begriffen.

F. Jeffrey Bell. Comparative Änatomy and Physiology. London 1885.

W. H. Caldwell. The Embryology of Monotrernata and Marsnpialia. Part 1. Philos. Transact. of the Royal Society of London. Vol. 178. 1887. (In Fortsetzung begriffen.) [Enthält zugleich die ganze M 07iotr emefi- und M ar supialier- Liter atur.)

G. Cuvier. J^econs d'anatoniie comparce V. Vol. Paris 1799 1805. Deutsch und vut

Anmerkungen versehen von H. Froriep und J. F. Meckel. A. Dohrn. Der Ursprung der Wirhelthiere und das Princip des Functions- Wechsels. Leipzig

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H. Kathke. EntwicM.-Geschichte der Wirbelthiere Leipzig 1861.

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0. Schmidt. Jlantlhuch der vergl. Anatomie. VIII. Auf,. Jena 1882.

V. Siebold u. Stannius. Handbuch der Zootomie. Berlin 1854. Von dem Handbuch der Anatomie der Wirheühiere int nur Bd. I. Heft 1—2 {die Anatomie d. Fische, Amphibien und Reptilien enthaltend) erschienen.

C. Vogt u. E. Yung. Lehrb. der pract. vergleichenden Anatomie. Braunschweig 1885 [noch nicM vollendet).

R Wiedersheim. J.ehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbelthiere, auf Grundlage der Ent- wicklungsgeschichte. 2'e Aufl. Jena 1886.

K Zittel. Handbuch der Palaeontologie. München u. Leipzig. [Abtheilung der Wirbelthiere begonnen 1887. In Fortsetzung begriffen.^

Verzeichniss wichtiger, auf einzelne Thiere und

Thiergruppen sich erstreckender Arbeiten, insoweit sie in

vorstehender Uebersicht nicht bereits enthalten sind.

Fische und Dipnoer.

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B. Hatschek. Studien, über Entnncklung des Amphioxus. Arbeiten a. d. zool. Institut der

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Ichthyophis glutinosus. Wiesbaden 1887. R. Wiedersheim. Salamandrina perspicillata und Geotnton fasctis. Versuch einer nergl.

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Dumeril et Bibron. Lrpetologie generale. Paris 1834 1854.

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W. Dames. Ueher Archaeopteryx. Palaeont. Abhandlungen. Herausyegeb. von W. Dames

und E. Kays er. Bd. IL Heft 3. Berlin 1884. M. Fürbringer Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel, zugleich ein

Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane. I. Specieller Theil: Brust,

Schulter und proximale Fitigelregion der Vögel. IL Allgemeiner Theil: Residtate und

Reflexionen auf morphol. Gebiete , systematische Ergebnisse und Folgerungen. Amsterdam

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der Naturforsch Oesellsch. zu J'Veiburg ifB. II. Bd. 1887.

Einleitung.

I. Ueber das Wesen und die Bedeutung der vergleichenden Anatomie.

Bevor es sich um eine Vergleicliung der Formerscheinungeu der thie- rischen Organismen in ihrer fertigen Gestalt handeln kann, ist die Frage nach der Entstehung, d. h. nach den Entwicklungsgesetzen derselben zu beantworten. Zu diesem Zweck hat die „Vergleichende Anatomie" die Ontogenie und die Paläontologie mit in den Kreis ihrer Be- trachtung zu ziehen. Erstere befasst sich mit der Entwicklungsgeschichte des Individuums, letztere erstrebt die Kenntniss der unterge- gangeneu Organismen in ihrer geologischen Aufein- anderfolge, d.h. ihrer Stammesgeschichte (Phylogenie).

Beide Wissenschaften ergänzen sich insofern, als die Ontogenie in ihren einzelnen Etappen eine im Individuum sich vollziehende Wiederholung der Stammesgeschichte dar- stellen kann. Dabei ist aber wohl im Auge zu behalten, dass jene Wiederholung in vielen Fällen als keine reine (P alingenese) zu be- trachten ist, sondern dass häutig genug durch Anpassung erworbene „Fälschungen" mit unterlaufen, welche die ursprünglichen Verhältnisse entweder gar nicht mehr oder doch nur mehr oder weniger verwischt zeigen (C a e n o g e n e s e). Zwei Factoren sind es, die hierbei eine wichtige Rolle spielen, die Vererbung und die Variationsfähigkeit. Während erstere das conservative , auf die Erhaltung des Bestehenden gerichtete Princip darstellt , resultirt aus der" zweiten eine unter dem Einfluss des Wechsels äusserer Verhältnisse stehende Veränderung des Thierkörpers, den wir somit nicht als starr und unveränderhch, sondern gleichsam wie in stetigem Fluss begritfen aufzufassen haben. Die daraus hervorgehenden A n p a s s u n g e n" werden dann , sofern sie ihrem Träger von Nutzen sind, wieder auf die Nachkommen vererbt werden und so im Laufe der Erdperioden zu immer weiteren Veränderungen führen. So stehen also Vererbung und Anpassung in steter Wechselwirkung, und wenn wir diese Thatsache in ihrer vollen Bedeutung erfassen, so erööhet sich uns dadurch nicht nur ein EiubHck in die Blutsverwandtschaft der thierischen Organismen im Allgemeinen, sondern wir gewinnen daraus auch ein Verständniss für zahlreiche Organe und Organtheile, die uns in ihrer rückgebildeten, rudimentären Form im fertigen, ausgebildeten Thierkörper einfach un- erklärlich sein und bleiben würden.

Eine weitere grosse Rolle in der Anbahnung eines klaren morpho-

Wiedersheim, Grundriss der vergl. Anatomie. 2. Aufl. 1

2 Einleitung.

logischen Verständnisses spielt die Lehre von den Form ele menten sowie diejenige von den Functionen, d. h. die Histologie und Physiologie. Indem sich so alle auf den genannten Arbeitsgebieten gewonnenen Resultate gegenseitig ergänzen und zu einem einheitlichen Ganzen durchdringen , entspringt daraus eine helle Leuchte für unsere Kenntniss der thierischen Organisation im Allgemeinen, d. h. der Zoo- logie im weitesten Sinne.

Die Formelemente , d. h. die Bausteine des Körpers, bestehen im Wesentlichen aus Zellen und Fasern. Sie verbinden sich zu Geweben und aus diesen bauen sich die Organe auf, welch' letztere sich dann weiterliin zu Organsystemen vereinigen.

Die Gewebe scheiden sich in folgende vier Hauptklassen:

1) in das Epithel- und in das genetisch auf letzteres zurückführ- bare Drüsengewehe ;

2) in das Stützgewehe (Bindegewebe, Knorpel, Knochen);

3) in das Muskel- \ ^ ,

4) in das Nerven- J ^'«weöe.

Auf Grund des physiologischen Verhaltens kann man das Epithel- und das Stützgewebe als passive, das Muskel- und Nervengewebe als active Gewebe bezeichnen.

Unter 0 r g a n e n versteht man gewisse , auf eine bestimmte phy- siologische Function gerichtete Apparate, wie z. B. die gallenbereitende Leber, die mit dem Gasaustausch betrauten Kiemen und Lungen , das als Blutpumpe functionirende Herz etc.

Die Organsysteme, wie sie der Reihe nach in diesem Buche abgehandelt werden sollen, sind folgende : 1) die äusseren Körper- decken, das sogenannte Integument; 2) das Skelet; 3) die Muskulatur mit den elektrischen Organen ; 4) das Nervensystem mit den Sinnesorganen ; 5) die Organe der Ernährung, der A t h - mung, des Kreislaufs, des Harn- und Geschlechtssystems.

II. Entwicklung und Bauplan des Wirbelthierkörpers.

Die im vorigen Abschnitte als Bausteine des Organismus bezeichneten Formelemente , d. h. die Zellen , stammen alle von einer einzigen Urzelle ab, nämlich vom Ei. Dieses bildet also den Ausgangspunkt für den gesammten Thierkörper und soll deshalb seiner fundamentalen Bedeutung wegen hier etwas eingehender besprochen werden. Die sich daran knüpfende Schilderung der Entwicklungsvorgänge kann sich al)er, dem Plane dieses Buches entsprechend, natürlicherweise nur in einem ganz allgemeinen Rahmen l)ewegen.

Das unbefruchtete thierische Ei stellt ein ''^ rundliches Bläschen dar, in dessen Innerem man drei verschiedene Theile unterscheidet, den Dotter (vitellus), das Keimbläschen (Vesicula germinativa) und den Keimfleck (Macula germinativa). Die Aussenhülle des Eies wird von der sog. Dotter haut (Membrana vitelHna) gebildet. Fig 1 D a s u n b e f r u c h t e t e ^^ ^as thierischs Ei in der soeben ge-

thierischeEi. z>Dotter,.S'£ Schilderten, ursprünglichen Form den Grund- Keimbiäschen, KF Keimfleck, typus einer Zelle darstellt, so haben wir nur die

Einleitung. 3

Bezeichnungen zu wechseln, indem wir für Dotter den Namen Proto- plasma, für Keimbläschen Kern (Nucleus) und für Keimfleck Kern- körperchen (Nucl eolus) setzen ^ ). Eine äussere Begrenzungshaut, der Membrana vitellina entsprechend, ist kein integrirender Bestandtheil der Zelle, sie kann sich aber aus einer Verdichtung der Randzone des Protoplasmas entwickeln, beruht also schon auf einem Ditferenzirungs- vorgang.

Der Dotter besteht aus zwei verschiedenen Substanzen , welche als Bildungsdotter und Nahrungsdotter unterschieden werden. Ihre gegenseitigen Lagebeziehungen im Ei können sehr mannigfache sein und dasselbe gilt auch für ihre Mischungsverhältnisse. Dies ist deshalb von Wichtigkeit, weil der gleich näher zu schildernde Furchungsprocess in der Art und Weise seines Verlaufs dadurch stark beeinflusst wird. Es kann übrigens hierauf jetzt noch nicht näher eingegangen werden und ich be- schränke mich vorderhand nur darauf, hervorzuheben, dass der mit activer Kraft ausgestattete Bildungsdotter zum Aufbau des Thierkörpers eine directe Verwendung findet, während der eine Art von Vorrathsmaterial darstellende Nahrungsdotter erst secundär in obigem Sinne herbeigezogen wird.

Während das Ei heranreift, gehen in seinem Innern gewisse Ver- änderungen vor sich, welche es zur Aufnahme des männlichen Zeugungs- stolfes vorl)ereiten. Die dal)ei sich abspielenden Vorgänge können hier nicht näher verfolgt werden und es mag genügen, auf das Endresultat hinzuweisen. Dieses besteht in der Ausstossung eines Theiles des Keimbläschens, und zwar unter Erscheinungen, wie sie die Zelltheilung begleiten (Karyokinese).

Die Bedeutung dieses Vorganges, der Bildung der sogenannten ßich- tungskörper, wird von A. Weismann in folgender Weise aufgefasst. Mit 0. Heetwig und Stkasbukgee sieht er indem Chromatin die wich- tigste Substanz der Zelle, den materiellen Träger der Entwicklungs- Tendenzen, die Vererbungssubstanz; er stellt sich vor, dass diese Substanz es sei, welche das Wesen einer Zelle, ihre Gestaltung und ihre fernere Entwicklung bestimme, ihr also den Stempel ihrer specifischen Natur aufdrücke. Darauf fussend schliesst er weiter, dass das Chromatin, welches die junge, noch wachsende Eizelle beherrscht und ihr das bestimmte histologische Gepräge der betreffenden Art gibt, nicht dieselbe Substanz sein könne, welche später das Chromatin der reifen, befruchtungsfähigen Eizelle ausmacht, denn dieses übt ja ganz andere Wirkungen auf die Eizelle aus, zwingt sie zur Furchung und Embryonalbildung. Er nimmt nun an, dass mit der Abscbnürung der ersten Eichtungszelle diejenige Hälfte der Kernsubstanz aus dem Ei entfernt werde, welche bis jetzt die Herrschaft darin führte, indem sie der jungen Eizelle den histologischen Stempel aufdrückte, ihre histologische Ausbildung leitete. Er nennt diese

1) Die Uebereinstimmung zwischen Zelle und Ei erstreckt sich auch auf die feineren, ausserordentlich verwickelten Structurverhältnisse des Protoplasmas und des Kerns resp. des Vitellus und der Vesicula germinativa. Hier wie dort begegnen wir zwei verschiedenen Substanzen, einer Art von Gerüstsubstanz von maschiger Beschaffenheit, dem Spongioplasma oder Chromatin, und einer mehr flüssigen Masse, welche jene maschigen Hohlräume durchdringt, dem Hyaloplasma oder Achromati n. Beide Substanzen sind, je nach verschiedenen physiologischen Zuständen, einem beständigen Wechsel unterworfen und dies gilt in erster Linie für das Spongioplasma des Kerns, welches bei der Fortpflanzung der Zelle resp. beim Furchungsprocess des Eies eine hoch- wichtige Rolle zu spielen berufen ist.

1*

4 Einleitung.

Substanz histogenes Idioplasma der Eizelle oder kurz: oyogenes Plasma. Durch die Entdeckung des sogenannten „Zahlengesetzes der R i eil tungskörp er", welches besagt, dass bei befruchtungs- bedürftigen Eiern stets zwei Richtungskörper gebildet werden, bei parthenogenetischen aber stets nur eines, er- hielt diese Ansicht eine starke Stütze und wurden andere Deutungen der Richtungskörper ausgeschlossen , wie sie früher von Minot, E. van Be- neden und Balfoür versucht worden waren. Freilich wurde dadurch auch zugleich auf eine Verschiedenheit in der Natur des ersten^ und des zweiten Richtungskörpers hingedeutet, welche es unmöglich machte, die Kernsubstanz des zweiten ebenfalls als ovo gen es Plasma anzusehen. Zur Erklärung dieser zweiten Halbirung der Kernsubstanz der Eizelle nimmt Weismann die folgende Erklärung zu Hilfe. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung vereinigen sich gleiche Mengen mütterlicher Vererbungs- substanz (Chromatins) mit solchen väterlicher Vererbungssubstanz. Da nun jede dieser beiden Substanzen nicht völlig gleichartig ist, sondern sich aus einer gewissen Anzahl von ähnlichen Substanzen der Vorfahren zu- sammensetzt, aus „Ahnonplasmen", wie Weismann dieselben nennt, so muss also bei jeder Befruchtung die Zahl der Ahnenplasmen sich verdoppeln. Im phyletischen Beginn der geschlechtlichen Fortpflanzung wird diese Ver- doppelung auch eine Zeit lang ohne Massenzunahme möglich gewesen sein, aber nur so lange, als die einzelnen Ahnenplasmen noch mehrfach vor- handen waren. Sobald ihre Zahl so sehr gewachsen war, dass von jedem derselben nur noch eines vorhanden war, gab es nur noch ein Mittel, um ein grenzenloses Wachsthum der Masse der Vererbungssubstanz zu ver- hindern, nämlich eine Herabsetzung der Zahl der Ahnenplasmen, welche in jeder der beiden Keimzellen vorhanden waren, auf die Hälfte. Diese Herabsetzung nun geschieht nach Weismann bei derEizelle durch di e Ab s ch nüru ng des z w ei ten Richtungs- körpers, seine Entfernung bedeutet die Halbirung der Zahl der Ahnen- plasmen. Es ist klar, dass diese Halbirung auch bei der männlichen Keimzelle statthaben muss, wo sie indessen bis jetzt noch nicht mit dei*- selben Sicherheit nachgewiesen werden konnte, wenn auch gewisse Er- scheinungen der Spermatogenese sich so deuten lassen. Die WEisMANN'sche Theorie gibt zugleich die Erklärung dafür, warum bei parthenogenetischen Eiern nur einmalige Halbirung der Kernsubstanz eintritt, da hier eben nur das ovogene Kernplasma aus dem Ei entfernt werden muss, damit die eigentliche Vererbungssubstanz, das Keimplasma allein, fortan das Ei beherrschen und seine Embryonalentwicklung leiten kann. Eine zweite Halbirung braucht nicht einzutreten, da bei Parthenogenese kein fremdes Keimplasma zu dem des Eies hinzukommt, folglich auch keine Vermehrung der Ahnenplasmen eintritt, deren Zahl sich vielmehr durch alle Generationen hindurch gleichbleibt.

Wenn man nun auch heute noch nicht mit Sicherheit sagen kann, ob Weismann's Theorie ganz das Richtige getroffen hat, so ist doch nicht zu leugnen, dass sie auf manche, bisher dunkle Punkte der Fortpflanzungs- lehre Licht in einer Weise wirft, welche vermuthen lässt, sie könne nicht sehr ferne vom Ziel vorbeigeschossen haben. Um nur Einiges anzu- führen, so wird durch sie die Thatsache der fast bis zur Identität ge- steigerten A ehnli chk ei t solcher Z w i 1 1 i n g e verständlich, welche aus einem Ei stammen , denn hier ist es genau das gleiche Keimplasma, welches beiden Kindern den Ursprung gab. Umgekehrt lässt sich auch leicht verstehen, warum Zwillinge, die aus zwei verschiedenen Eiern

Einleitung. 5

stammen, sich niemals so ähnlich sehen, sondern nur den Grad von Aehnlich- keit besitzen , den Kinder desselben Elternpaares in der Regel aufweisen. Denn es ist klar, dass bei der Halbirung des Keimplasmas, welche in jeder reifen Eizelle einer Mutter ihren Ablauf nimmt , selten oder nie genau die nämliche Combination von Ahnenplasmen ausgestossen , folglich auch selten oder nie im Ei zurückbleiben wird. Das Keimplasraa verschiedener Eier derselben Mutter muss deshalb verschieden sein und verschieden ver- anlagten Kindern den Ursprung geben. So begreift man, warum die Kinder eines menschlichen Elternpaares niemals identisch sind, es seien denn Zwillinge aus einem Ei.

Wie schon früher augedeutet wurde, ist die Verschmelzung des männ- lichen Geschlechtsstoft'es, d. h. der Samenzelle, mit dem Ei eine uner- lässliche Bedingung für die enil)ryonale Entwicklung des letzteren. Die zur Schaftung eines neuen Individuums führende Befruchtung beruht also auf einer m a t e r i e 11 e n V e r e i n i g u n g der Z e u g u n g s s t o f f e beider Geschlechter oder genauer ausgedrückt: des Samenkerns und Eikerns , welche zum Furchungskern verschmelzen. Die letzte Ursache der Vererbung beruht somit a u f der m o 1 e - cularen Structur der beiden Geschlechtszellen und jene Structur ist der morphologische Ausdruck des Art- Charakters.

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Fig. 2. A Erstes Furchungsstadium. B u. C Weitere Furchuiigs- stadien. RK Ri ch tu n gs k ö r p e r. D M o r ul as ta di u m.

Nachdem der Furchungskern gebildet ist, spaltet er sich nach einer kurzen Ruhezeit in zwei gleiche Hälften, welche als zwei neue Centren die Theilung des ganzen Eies in zwei Hälften vorbereiten.

Die definitive Theilung oder, was dasselbe bedeutet, der Beginn des Furchungsprocesses geschieht durch Bildung einer Ringfurche, welche tiefer und tiefer einschneidet, bis die Trennung eine vollständige ist.

6

Einleitung.

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Fig. 3. Blastula iH. Furchungshöhle.

BD Blastoderm.

Damit ist das erste Stadium des Furcliuiigsprocesses vollendet, und indem das zweite sich auf ganz dieselbe Weise einleitet, ist das Resultat eine Thcilung in vier, dann in Folge des immer weiter fortschreitenden Processes in 8, 16, 32 etc. innner kleiner werdende Kugeln, wovon jede ihren eigenen Kern besitzt. Kurz aus dem ursprünglichen, einer einzigen Zelle entsprechenden Ei ist nun eine Vielheit von Zellen geworden, die das Baumaterial des Thierkörpers darstellt und die man wegen ihrer Aehnlichkeit mit einer Maulbeere Morula zu nennen pflegt (Fig. 2 D).

Indem sich nun im Innern dieser Morula eine mit Flüssigkeit erfüllte H<")hle bildet, entsteht die sog. Keimblase oder Blastula. Die den Hohlraum umschliessendcn, periphe- ren Zellen nennt man die Eeimhaut oder das Blastoderm (Fig. .3 BD). Anfangs nur aus einer einzigen Zell- lage bestehend, wird das Blastoderm später zwei- und endlich gar drei- schichtig. Diese drei Schichten be- zeichnet man ihrer Lage nach als das äussere, mittlere und innere Keimblatt, oder als das Ektoderm (Epiblast), Mesoderm (Mesoblast) und Entoderm (Hypoblast). Der oben in seinen Grundzügen geschilderte Furchungsprocess kann nun, wie früher schon erwähnt, auf Grund einer ungleichen Vertheilung des Bildungs- und Nahrungsdotters , beziehungsweise in Folge einer massenhaften Ansammlung des letzteren gewisse Modificationen seines ursprünglichen Verhaltens erfahren. Dieselben fallen in den Kreis der caenogenetischen Erscheinungen und finden ihren Ausdruck entweder in einer u n g 1 e i c h m ä s s i g e n oder gar nur in einer partiellen Fur- chung. Die ursprüngliche, äquale, auf das gesammte Ei sich erstreckende Furchung findet sich bei den S ä u g e t h i e r e n und unter den übrigen Wirbelthieren (bis zu einem gewissen Entwicklungsstadium wenig- stens) auch bei Amphioxus. Eine in äquale Furchung tritt auf bei weitaus der grössten Zahl der Amphibien^), bei K n o r p e 1 g a n o i d e n und Cyclostomen. Selachier, Knochenfische, Reptilien und V (■) g e 1 zeigen von Anfang an eine partielle F u r c h u n g. Letztere Art stellt die stärkere Modification der äqualen Furchung dar. Die Frage nach der Entstehung der Keimblätter ist, weil von in'incipieUer Bedeutung, eine der brennendsten in der Morphologie und bis heute ist man hierüber noch zu keinem ganz vollständig befrie- digenden Abschluss gelangt. Eines aber lässt sich doch mit Sicherheit ])ehaupten , nämlich das , dass die Eier sänmitlicher Wirbelthiere von der Blastula aus in ein Stadium eintreten oder in früheren Zeiten ein- mal eingetreten sind , welches man als Gastrula bezeichnet. Diese Entwicklungsform kann man sich aus der Blastula so hervorgegangen denken, dass sich die Wand derselben (Fig. 3 BD) in sich selbst ein- stülpt, woraus dann ein Sack mit doppelter Wandung resultirt. Die äussere stellt nach wie vor das Ektoderm dar , welches als Schutz-

1) Die einzige Ausnahme machen die Schleichenlurche (Gymnophiouen).

Einleitung.

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Fig. 4. Gastrula. ^Ä;i Ektoderm, £^w« Entoderm, Blp Blastoporus, U Urdarmhöhle.

und Empfindung sorg an fungirt, während die innere, das Entoderm, einen centralen Hohlraum , die pri- märe Darmhöhle ( A r c h e n t e r o n) umschliesst und als assimilirender, verdauender U r d a r m zu betrachten ist. Aus dem Ektoderm geht später das gesammte Nervensystem, die Sinneszellen, die Epider- mis mit ihren Derivaten, sowie ein gewisser Abschnitt des Urogenital- apparates (Vomieren gang) her- vor, aus dem Entoderm dagegen ent- stehen die Darmepit hellen, die Darmdrüsen, sowie die epi- thelialen Bestandtheile der Lungen, der Schilddrüse, der Thymus, der Leber und des Pankreas. An der Uebergangs- stelle beider Keimblätter ineinander

findet sich eine Oeftnung, die man als Urmund (Blastoporus) (Eig. 4 Blp) bezeichnet.

Wenn man sich nun aber auch auf die eben angegebene Weise das Ekto- und Entoderm, d. h. die beiden primären epithelialen Grenz- blätter ^ ) , ursprünglich entstanden denken kann , so ist damit das Problem der Mesodermbildung noch nicht als vollkommen gelöst zu betrachten. Was bis jetzt darüber ausgesagt werden kann, ist kurz Folgendes : Das M e s o d e r m ist eine secundäre, phyletischjüngere Bildung, als die beiden anderen Keimblätter. lia vielen Punkten an das „Mesenchym" der Wirbellosen erinnernd, nimmt es seine erste Entstehung immer von jener Stelle aus, wo das Ektoderm und das Entoderm ineinander übergehen , also von der Gegend des Urmundes, oder, was für höhere Vertebraten dasselbe bedeuten will, von der Primitiv-Rinne aus. Zwischen den beiden übrigen Keimblättern sich entwickelnd, fällt ihm als erste und wichtigste Aufgabe die Bildung von Blut Zellen und zwar zunächst von weissen (Leukocyten, Lymphzellen) zu; weiterhin entstehen aus ihm das Herz, die Ge fasse, die Leder haut, die gesammte Stütz- oder Binde- substanz,d. h. Bindegewebe, Fettgewebe, Knorpel und Knochen, ferner die serösen Häute, der weitaus grösste Theil des Harn- und Geschlechtsapparates, sowie endlich die Musculatur.

Ein im mesodermalen Gewebe vorhandener, grosser Spaltraum zerlegt dasselbe in eine parietale, der Innenfläche des Ektoderms sich anlegende, und in eine viscerale, mit dem Entoderm verwachsende Schicht. Erstere bezeichnet man als Hautfaserblatt (Somatopleura), letztere als Darmfaserblatt (Splanchnopleura) (Fig. 5 und 6 /SoP, ÄpP). Der die beiden trennende Spaltraum stellt die K ö r p e r h ö h 1 e , das Coelom, dar.

1) Dabei ist wohl zu beachten, dass sich jener principielle Unterschied bezüglich der histologischen DifiFerenzirung der einzelnen Keimblätter nicht in der ganzen Thierreihe und ich habe dabei gewisse Typen der Wirbellosen im Auge mit derselben Schärfe und Gesetzmässigkeit durchführen lässt.

Einleitung. Fig. 5.

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Fig. 5 u. 6. D Darm, Eni Entoderm, iu Fig. 5 hei Ch iu Wucherung begriffen zur Chordaanlage, CA» (Fig. 6) die vom Entoderm abgeschnürte Chorda, So Somiten, UG Vor- nieren- resp. Urnierengang, A Aorta, SpP Splanchnopleura, SoP Somatopleura, Coel Coelom, // Spuren des abgeschnürten Coeloms im Innern der Somiten, Ekt Ektoderm, Med Medullar- rohr, welches in Fig. 5 eben im Begriff steht, sich vom Ektoderm abzuschnüren. In Fig. 6 ist dies bereits geschehen. (Beide Figuren schematisch.)

Der dorsale Bezirk des Mesoderras, welcher rechts und links ent- lang der Mittellinie liegt, zeigt schon in sehr früher embryonaler Zeit eine Gliederung oder Segmentirung in einzelne hinter einander hegende Abschnitte, welche man als Ursegmente oder als Somiten M bezeichnet. Der im Innern derselben befindliche Hohlraum hängt ur- sprünglich mit dem Archenteron zusammen und stellt eine in meta-

1) Der lateralwärts , beziehungsweise ventralwärts von der Somiten -Zone liegende Bezirk, d. h. die sogenannten Seitenplatteu, zeigen nie eine Segmentirung.

Einleitung.

9

Später wird jene

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Fig. 8.

merer Weise erfolgende Aussackung desselben dar. Verbindung gelöst (vergl. das Urogenitalsysteni).

Die Somiten stehen in eng- ster Beziehung zur Bildung des Axenskeletes, der Runipfnuiscu- latur und des Urogenitalappara- tes. In der weiteren Entwicklung des Wirbelthierkörpers macht sich nun die uns von der Gastrula her bekannte Tendenz des Eies, durch Höhlen- und Falten- b i 1 d u n g e n Forniveränderun- gen einzugehen, innner mehr gel- tend, und um letztere in ihrem Zustandekommen verstehen zu können, muss ich etwas weiter ausholen.

Bei allen Vertebraten findet sich in einer gewissen Entwick- lungsperiode auf dem dorsalen Pol des Eies eine verdickte scheibenförmige Stelle, welche sich von der übrigen Eicircum- ferenz mehr oder weniger deut- lich al)hebt. Dies ist die soge- nannte Keimscheibe, d. h. die eigentliche Leibesaulage , und während nun an ihrem Vorder- und Hinterende, sowie zu l)ei- den Seiten Furchen tiefer und tiefer einschneiden, wird die Ab- hebung V(nn Dotter eine immer deutlichere. Die weitere Folge davon ist, dass die Verbindung der Leibesanlage mit dem ven- tral anhängenden Dottersack, d. h. der Ductus vitello- intestinalis, eine immer grössere Beschränkung erfährt, bis sie endlich nach Verbrau- chung des gesammten Dotter- materiales gänzlich schwindet (Fig. 7 Do, t, Fig. 8 und 9 bei f ). Gleichzeitig treten bei höheren Wirbelthieren, nämlich l)ei Rep- til i e n , Vögeln und Säug e- t h i e r e n, an eben den Stellen, wo wir die Fm^chen einschnei- den sahen, Falten auf, welche

Fig. 7, 8, 9. Bildung des Körper- und Darm nabeis. Schema. Fig. 7 u. 8 stellen einen Längs-, Fig. 9 einen Querschnitt dar. E Embryo. Dh Darmhöhle, Do Dotter- sack, f Ductus vitello-intestinalis. PP Pleuro-peritoneal , ^A Amnionhöhle, -4i''Amnion- falte , A Amnion, AI Allantois , a u. 6 Somato- und Splanchnopleura. M Meduila spinalis, C Chorda dorsalis.

Fig. 9.

10

Einleitung.

man als Kopf-, Schwanz- und Seitenfalten bezeichnet. Diese erhellen sich nun höher und höher, und indem sie endlich dorsalwärts niitehiander zur Verschmelzung kommen, entsteht daraus ein häutiger, kui)pelartig den Embryo überspannender, eine Flüssigkeit einschliessender Sack, das sogenannte Amnion oder die Schaf haut (Fig. 7 ÄF, Fig. 8 und 9 A, Ä, Ah, Ah).

Auf G rund dieses Verhaltens pflegt man die genannten drei höheren Wirbelthierklassen als Amnioten den zwei niederen, d. h. den Fischen und A m \) h i b i e n , bei welchen es zu keiner Amnionbildung kommt, als den Anamnia gegenüberzustellen.

Wenn ich bisher den Dottersack nur als Nahrungsquelle des sich aufbauenden Leibes bezeichnet habe, so muss ich jetzt noch hinzu- fügen, dass derselbe, in Folge eines auf seiner 01)erfläche sich aus- breitenden Gefässnetzes, auch als Athmungsorgan fungirt. Letzteres ist aber nur von vorübergehendem Bestände, da sehr frühe schon eine aus dem hinteren Darmabschnitt hervorgehende gefässführende Aus- stülpung au dessen Stelle tritt. Dieses neue Respirationsorgan, welches auch zur Aufnahme des Urnierensecretes dient („embryonaler Harnsack"), wird Allantois genannt. Anfangs nur von geringem Umfange, dehnt

B-(fW

Fig. 10- Schematisches Durchschnittsbild durch den schwangeren Uterus des Menschen.

U Uterus, Tb, Tb Tuben, ÜB Uterushöhle, Dv Decidua vera, welche bei Pu zur Pla- centa uterina wird, Dr Decidua reflexa, Pf Placenta foetalis (Chorion frondosum), Chi Cho- rion laeve, A, A die von einer Flüssigkeit erfüllte Höhle des Amnion.

Innerhalb berindet sich der an der Nabelschnur hängende Embryo. H Herz, Ao Aorta, et und CS Vena cava inferior und superior, p Vena portarum, AI Allantoisarterien (Art umbilicalis), f die von der Vena umbilicalis durchsetzte Leber, D das rudimentäre Dotter- bläseben.

Einleitung. 11

es sich bald mehr und mehr aus und umwächst den Embryo als schlauch- artig gestaltete Blase, welche sich den Gasaustausch vermittelnd der Eischalen-Innenfläche eng anlegt. Später, wann sich die Embryonal- Entwicklung ihrem Abschluss nähert, geht die Allantois eine alhnälige Rückbildung ein. Ihr proximales schlauchartiges Ende jedoch kann sich blasenartig ausdehnen und so die Vesica urinaria (Harnblase) bilden.

Das Thier verlässt nun das Ei und bedient sich, unter gleich- zeitigem Wechsel der Circulations - Verhältnisse des Blutes , seiner Kiemen (Fische und Amphibien resp. deren Larven) oder gleich seiner Lungen (Amnioten) als neuer Respirationsorgane.

Die eben geschilderten Verhältnisse, welche in ehiem späteren Capitel, das von den Beziehungen zwischen Mutter und Frucht handeln wird, eine weitere Ausführung erfahren werden, gelten für die Eml)ryonen sännutlicher Vertebraten, allein von den Säugethieren kommen hierbei nur die zwei niedersten Gruppen, nämlich die Schnabel- und Beutel- thiere in Betracht. Die übrige, weitaus grössere Zahl der Mammalia bringt es, nachdem die o])genaunteu Entwicklungsstadien durchlaufen sind, noch zur Entwickluuug sogenannter Cotyledoneu, beziehungs- weise einer Placenta, weshalb man dieselben als Placentalia den Aplacentalia (Schnal)el- und Beutelthiere) gegenüberstellt. Das Wesen der Placentarbildungen beruht darin , dass die auf der Allantois ver- laufenden Gefässe in das Gewebe der Gebärmutter einwachsen, dort mit dem mütterlichen Blutsystem in Verbindung treten und so einen äusserst innigen, ernährenden und zugleich respiratorischen Connex zwischen Mutter und Frucht vermitteln.

Zur weiteren Schilderung des Aufbaues des Thierkörpers ist vor Allem hervorzuheben, dass einstweilen, in Folge weiterer Faltungs- und Abschnürungsprocesse , drei weitere sehr wichtige Organe in die Erscheinung getreten sind, nämlich das Neuralrohr,^ das Vis- ceralrohr und die zwischen beide sich einschiebende Rückensaite (Chorda dorsalis). Alle drei Gebilde liegen streng median, genau in der Längsachse des Körpers, was zur Folge hat, dass letzterer sowohl im Median- wie im Querschnitt jene zwei Röhren und zugleich einen bilateral symmetrischen Aufbau erkennen lässt (Fig. 11).

Das Neuralrohr umschhesst das Rücken m a r k und das Gehirn, welch' beide man als centrales Nervensystem dem peripheren gegenüberstellt. Das Visceralrohr (Coelom), welches später durch die in den fleischigen Leibesdecken entstehenden Rippen eine weitere Festigung erfährt, enthält die Eingeweide. Die Rippen, welche elastische, bogenförmig verlaufende Spangen darstellen, stehen mit der auf Grundlage der Chorda dorsalis sich aufbauenden knorpeligen oder knöchernen Wirbelsäule in Gelenkverbindung und eine grössere oder geringere Zahl derselben kann in der ventralen Mittel- linie das sogenannte Brustbein erreichen, wodurch die Ringform des beiderseitigen Rippenbogens eine vollständige wird.

Das sich erweiternde Vorderende des Neural- und Visceralrohres tritt dadurch in nächste Beziehung zur Aussenwelt, dass sich in ersterem das Gehirn und die höheren Sinnesorgane, d. h. der Sitz der höheren geistigen Functionen , des Intellectes, in letzterem gewisse Vor- richtungen zur Nahrungsaufnahme und Athmung entwickeln.

Man bezeichnet diesen Körperabschnitt als den Kopf, an welchen sich weiter nach hinten der Hals und Rumpf anschliessen. In den

12

Einleitung.

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Fig. 11. Querschnitt durch den Wirbelt hierkörper, schematisch. W Wirbelsäule, welche die Neuralröhre NR bildet. In dieser liegt das Rückenmark {Med) mit seiner peripheren, weissen und seiner centralen, grauen Substanz. Ep Epidermis, Co Corium oder Cutis, KW Körperwand (Somatopleura), VR Visceralröhre, vom Peritoneum (Serosa) Per aus- gekleidet. Dieses sogenannte Peritoneum parietale erzeugt bei Ms (Mesenterium) eine in die VisceralRöhre einspringende Falte, welche als Peritoneum viscerale (Pe»') das Darmrohr umschliesst, DH Darmhöhle, von einem Epithel Ep ausgekleidet. Auswärts davon liegt die Submucosa [Subm) und nach aussen von dieser die Musculatur des Darmes {Msc). Ao Aorta.

hinteren Bereich des letzteren fallen die Ausführungsgänge des Darmes und des Urogeuitalapparates. Der hinterste, keine Leibeshöhle mehi* umschliessende Körperabschuitt führt den Namen Schwanz. Hals und Kumpf fasst mau als Stamm zusammen und stellt ihm die von ihm auswachsenden Gliedmassen als Äppendiculär -Organe gegenüber.

Aus der obigen Darstellung, in welcher ich den Aufbau des Verte- braten-Körpers in seinen Grundzügen klar zu legen versucht habe, erhellt, dass in einer gewissen Eutwicklungsperiode desselben ein deut- licher Zerfall in gleiclimässige Segmente, die als Somiten man be- zeichnet, auftritt.

In späteren Stadien begegnet man dann noch weiteren Gliederungen, wie sie sich in der Anlage der embryonalen Harndrüsen, im Bau der Wirbelsäule und der Lage der Rippen und der kurzen Biickenmuskeln etc. aussprechen.

Auf Grund dieser Tliatsachen könnte man sich und in gewissem Sinne ist diese Annahme auch .sicherlich berechtigt veranlasst fühlen, eine geghederte wirljcllose Thierform als Stammvater der heutigen Wirbelthiere zu betrachten. Dabei ist aber wohl zu bedenken, dass die Tendenz zur Gliederung aller der letztgenannten Organe in <ler Ontogenese verhältnissmässig spät erfolgt , so dass sicli nur unsichere phylogenetische Speculationen daran knüpfen lassen. Anders aber verhält es sich in dieser Beziehung mit der wenn ich mich so aus-

Einleitung. 13

drücken darf Urgliederung der embryonalen Stammzone, d. h. mit dem Auftreten der Somiten. Darin liegt gewiss der Hinweis auf eine sehr alte, segmentirte Ahnform , allein auch diese kann nicht als der eigentliche Ausgangspunkt für die Entstehung der ersten Urchor- daten betrachtet werden, und zwar sprechen zwei schwerwiegende Gründe dagegen: erstens eimnal die, wie wir früher schon gesehen haben, erst secundär gemachte Erwerbung des Mesoderms, d. h. des Bildungs- m ateriales j euer Somiten, und zweitens die absolut einheit- liche, ungegliederte Anlage des Cent ra Ine rvensystems. Letzteres aber geht l)ekanntlich aus einem jener epithelialen Keimblätter hervor, die, weil sie ein ungleich höheres Alter besitzen als das ver- hältnissmässig junge Mesoderm , in erster Linie m a s s g e 1) e n d sind für die Lösung phylogenetischer Probleme. Auf Grund davon nniss man annehmen, dass eine anfangs ungegliederte Urform unter dem Einfluss des j\I u s k e 1 s y s t e m s allmälig geghedert wurde. Erst später traten dann , im Interesse günstigerer Ursprungs- und Ansatzpunkte, Skelett heile hinzu, welche zugleich ihie stützende und schützende Wirkung auszuül)en im Stande waren.

Auf weitere Betrachtungen ül)er die Urgeschichte der heutigen Wirbelthiere einzugehen, ist hier nicht der Ort und es soll genügen, nur jenen kurzen Ausblick in eine graue Vorzeit erötthet zu haben, für deren Aufliellung, wie dies in der Natur der Sache liegt, von Seiten der Paläontologie Nichts zu erwarten ist.

In richtiger Erkenntniss dieser Thatsache hat man von der ver- gleichenden Entwicklungsgeschichte Aufschluss geheischt und sie sollte, wie ich dies schon anfangs erörtert habe, in jener Hinsicht ergänzend eintreten. Wenn nun auch nicht zu leugnen ist, dass sich dieses Arbeits- gebiet als ein äusserst fruchtbares erwiesen hat, so sind die Resultate doch noch lange nicht ausreichend, um einen klaren Einblick und eine einheitliche Auffassung zu erzielen. Mit der Anhäufung des wissen- schaftlichen Materials wuchs vielmehr der Widerstreit der Meinungen und von einer Wiedergabe derselben niuss ich hier ebenfalls absehen. T rotzalledem stehtaber Einesfest, unddasistder inner- liche, auf die Blutsverwandtschaft sich gründendeConnex zwischen den beiden grossen Gruppen der thierischen Organismen, den Wirbellosen und Wirbelthieren , mögen nun die verbindenden Zwischen formen beschaffen ge- wesen sein, wie sie wollen.

Die systematische Zoologie hat auf Grund der verwandt- schaftlichen Beziehungen der Thiere zu einander dieselben in gewisse Abtheilungen und Unterabtheilungen gebracht, die man als Klassen, Ordnungen, Unterordnungen, Familien, Gattungen und Arten bezeichnet.

Es mag am Platze sein, die Hauptvertreter der grösseren Gruppen, soweit sie sich auf die Wirbelthiere beziehen , kurz zu betrachten.

14

Einleituug.

A. Acrania

Amphioxus.

B. Craiiiota

a) Anamnia (ohne Amnion)

1) Pi 8 ces :

Cyclostomata (Saug- und Rundmäuler) [Myxinoiden und Petromyzonten]

Selachii (Squali, Eajae)

Holocephali

Ganoidei (Knorpel- und Knoclienganoiden)

Teleostei (Physostomi (mit offenem ) und Physoclysti (mit geschlossenem Yerbindungsgang zwischen Vorderdarm und Schwimmblase).

Ichthyopsiden

Sauropsiden

Mammalia <

2) Di pnoi: [Monopneumones (Ceratodus) und Dipneumones (Protopterus und Lepidosiren).]

3) Amphibia: Urodela (Perennibranchiata, Derotremata, Salaman-

drina) Gymnophiona (^fusslose Schleichenlurche) Anura (Frösche, Kröten).

b) Amniota (Vertebraten , welche während der Pötalzeit ein Amnion entwickeln).

1) Reptilia: Chelonii Saurii Ophidii Crocodilini

2) A ves : Katitae (Laufvögel) Carinatae (Flugvögel).

1) A-placentalia

a) Ornithodeiphia (Monotremata , Schnabelthiere, 0 V i p a r),

b) Didelphia (Marsupialia, Beutelthiere).

2) Placentalia Edentata, Sirenia, Cetacea, Ungulata, Hyracoidea,

Proboscidea, Rodentia, Chiroptera, Insectivora, Carnivora, Lemuroidea, Primates.

Einleitung.

15

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Specieller Theil. A. Integument.

Die äussere Haut besteht aus einer oberflächlichen, ektoderraalen und aus einer tiefen, mesodernialeu Schicht. Erstere ist die Epidermis (()berhaut\ letztere das Corium (Lederhaut oder Cutis). Vom Corium grenzt sich das sogenannte Unterhautbindegewebe in der Regel nicht scharf ab, sondern beide gehen oft ganz allmälig ineinander über. Während nun die Epidermis stets nur aus Zellen besteht, finden sich in der Cutis vorzugsweise Fasern von bindegewebiger, elastischer und contractiler Natur. Auch Gefässe, Nerven, Drüsen, Farbzellen und Knochenbildungen besitzen ihre Haupt- beziehungsweise ausschliessliche Verbreitung im Corium. Letzteres gilt z. B. für die Gefässe und Knochenbildungen.

Aus dem Mitgetheilten erhellt schon zur Genüge, dass sich die Haut durch eine ausserordentliche Vielseitigkeit nach der morpho- logischen, wie nach der physiologischen Seite hin auszeichnet, und das kann auch nicht befremden , wenn man ihre periphere , den äusseren modificirenden Einflüssen sehr zugängliche Lage in Erwägung zieht.

An der Epidermis unterscheidet man ganz allgemein eine ober- flächliche, aus verhornenden Zellen bestehende Schicht (Stratum cor- neum, Hornschicht), sowie eine tiefere, aus weichen, saftreichen Zellen sich aufbauende Lage (Stratum Malpighii, Schleimschicht). Letztere fungirt als Matrix, d. h. sie sorgt für immerwährende Kegenera- tion der an ihrer freien Oberfläche einem stetigen Abschilferungsprocess unterliegenden Hornschicht. Von der Epidermis nehmen alle Haut- drüsen sowie alle jene Organe ihren Ausgang, welche man als Epi- dermisgebilde bezeichnet, also die Haare, Borsten, Federn, Nägel, Klauen , Hufe etc. Auch die letzten Endapparate der Hautsinnes- organe sind aus einer Differenzirung von Epidermiszellen hervorgegangen zu denken. Finden wir viele dieser Organe später in bestimmten Be- ziehungen zum Corium , so sind diese stets als secundär erworben zu be- trachten.

Wasserbewohnende Thiere besitzen im Allgemeinen eine dünnere, imbibitionsfähigere Hornschicht, als Landthiere, welche in der Regel grös- seren, mechanischen Schädlichkeiten ausgesetzt sind. Ferner sei noch er- wähnt, dass die Bindegewebsbündel des Coriuras bei Fischen, Amphi- bien und Reptilien insofern eine typische Anordnung zeigen, als wag-

Integument. 17

rechte Züge mit senkrechten regelmässig abwechseln. Im Gegensatz dazu ist ihre Anordnung bei Yögeln und Säugern regellos, d, h. die Fasern sind dichter verfilzt.

Fische und Dipnoer.

Bei dem niedersten Fische, dem Amphioxus, findet sich im Larvenstadium (Gastrula) auf der freien Epidermisfläclie ein Wimper- kleid, das wir unzweifelhaft als ein Erbstück von wirbellosen Vorfahren zu betrachten haben. Vielleicht ist der gestrichelte Cuticular-Saura, wie er bei zahlreichen anderen Fischen, z. B. bei Cyclo stomen, Teleostiern, Dipnoern und, wie ich gleich hinzusetzen will, auch noch bei Amphibienlarven an der obersten Epidermislage vor- kommt, in demselben Sinne zu deuten.

Zwischen den eigentlichen Epithelzellen treten bei Amphioxus und den Cyclostomen hohe cylindrische, mit starren Borsten versehene Sinnes- zellen auf. Doch werden uns diese, sowie ähnliche, zu complicirteren Appa- raten vereinigte Elemente erst später, bei der Lehre von den Sinnesorganen, wieder beschäftigen.

Ueber die Bedeutung der bei Petr om y z onten und Malopterurus vorkommenden „K ö r n erz eil en", sowie über die sogen. Kolben- oder Becherzellen in der vielschichtigen Epidermis der Knochenfische fehlen bis jetzt noch sichere Erklärungen, es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass es die letztgenannte Zellenart mit der Bereitung eines ölartigeu , die Ober- haut gegen den Einfluss des Wassers schützenden Secretes zu schafi'en hat.

Bei Protopterus ist der ganze Körper während des Sommerschlafes von dem ölartigen Sekret der Becherzellen überzogen (Schutz gegen Ein- trocknung).

Pigmentzellen, die unter dem Einfluss des Nervensystems stehen und einen Farbenwechsel veranlassen können, finden sich l)ald in beiden Hautschichten, bald nur in einer derselben, wie z, B. in der Epidermis. Muskeln und Drüsen im Sinne der übrigen Wirbelthiere kommen in der Fischhaut nicht vor^).

Die Schuppen der Fische entstehen nicht, wie man vielleicht anzunehmen geneigt sein könnte, als Epidermiswucherungen, sondern als Ossificationen des Coriums. Sie stecken in sogenannten Schuppen- taschen, welche von den Bindegewebsfibrillen der Lederhaut gebildet werden. Die Epidermis geht entweder zeitlebens, wie bei den Teleo- stiern und Dipnoern, über sie hinweg, oder ist dies, wie bei den Ganoiden und Selachiern, nur in embryonaler Zeit der Fall. Ueber ihre Genese und ihre verschiedenen Formen, sowie über ihre genaueren Beziehungen zum Hautskelet denn letzterem sind sie zuzurechnen vergleiche man das betreff"ende Capitel.

Manche Fische bekommen zur Paarungszeit einen Hautausschlag

1) Die wenigen Ausnahmen betreffen die auf der Bauchflosse männlicher Haitische vorkommende Glandula pterygopodii, den im Bereich der Rückenflosse und des Opercularapparates voaTrachinus (auch T h al as s o p h r y n e und Synanceia ge- hört wohl hierher) liegenden Giftapparat , sowie endlich das drüsige und zugleich erectile Anhangsgebilde hinter der Urogenitalpapille von Plotosus anguillaris (Siluroide). Auch die Dipnoer, so wenigstens Protopterus, besitzen Drüsen in der Haut (KÖL- LiKER , W. N. Pakkee). Dieselben sind sackförmig und treten während des Sommer- schlafes in Function (vergl. oben die BecherzeUen).

Wiedersheim, Grundriss der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. 2

18 Specieller Theil.

(„Perlausschlag"), welcher auf einer Wucherung der Epidermis beruht und sich über den Körper mehr oder weniger weit verbreiten kann, so z. B. bei Chondrostoma nasus, Gobio fluviatilis, Leuciscus rutilus. Bei andern tritt ein förmliches Hochzeitskleid auf, oder macht sich die Farbe nach stattgehabtem Kampf mit Rivalen in brillantester Weise bemerk- lich (Stichling). Wieder bei anderen kommen unter dem Willenseinlluss stehende Anpassungen an die Farbe der Unterlage vor (Pleuronectes).

Jene Organe, welche mau früher als ,,Ne b e n aug e u" bezeichnet hat, sind auf Grund neuerer Untersuchungen als Lcuchtorgane aufzufassen. Sie liegen im Bereich der Haut und finden sich bei Scopelinen, Chaulio- dus u. A. Es handelt sich um röhrenartige, an tubulöse Drüsen er- innernde Gebilde, an deren Aufbau sich spindel- und keulenförmig gestaltete Epithelien, sowie auch Ganglienzellen betheiligen. Offenbar handelt es sich um umgewandelte Drüsen, deren Secret im Moment seines Entstehens unter Nerven-Einfluss zu leuchten im Stande ist. Dabei dienen die silberglänzen- den Kapseln als vorzügliche Retlectoren. Somit kann man diese Organe sowohl als defensive Waifen, als auch, soweit sie am Kopfe sitzen, als eine Art von Blendlaternen betrachten (Lendenfeld).

Amphibien.

Die Amphibien und z. Th. auch schon die Dipnoer (s. oben) nehmen, ihren biologischen Verhältnissen entsprechend, im Bau ihres Inte- gumentes eine Mittelstellung zwischen den Fischen und den Reptilien ein.

Die Epidermis der wasserbewohnenden Larve besteht aus zwei scharf gesonderten Schichten. Die äussere wird aus platten , an ihrer freien Fläche mit dem uns schon von den Fischen her bekannten, ge- strichelten Randsaum versehenen Zellen gebildet (Fig. 12 a, CS), die

Fig. 12. Haut der Larve von Salamandra mac. jEp Epidermis, Co Corium, o Stratum corneum, b Stratum Malpighii, LZ Leydig'sehe Zellen, welche die Bedeutung von einzelligen Drüsen haben, CS Gestrichelter Randsaum.

innere Schicht dagegen setzt sich aus mehr cylindrischen oder cubischen Zellen zusammen (Fig. 12 h). Erstere entspricht einem Stratum corneum, letztere einem Stratum Malpighii.

Später, mit der fortschreitenden Entwicklung, wird die Epidermis mehrschichtiger ') und sackt sich allerorts gegen das Corium hinunter zu zahlreichen, kugel- und schlauchförmigen Drüsen aus, welche sich an bestimmten Stellen , wie vor Allem im Bereich des Kopfes , des Nackens und der Flanken besonders stark anhäufen.

Ihr Secret dient dazu, die Haut vor der Wasserverdunstung zu

l) Zwischen den Epidermiszellen liegt ein reich verzweigtes Netz von Lymph- räumen, welche theils nach der Cutis, theils nach der freien Hautfläche hin sich öflFnen. Letzteres gilt jedoch nur für das Larvenstadium; nach der ersten Häutung findet das Stratum corneum nach aussen einen Abschluss. Bei Gymnophionen- Larven ist eine Communication jener intercellularen Lymphräume mit den Blutcapillaren der Haut nachgewiesen. (Sarasin.)

Integument.

19

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Fig. 13. Schnitt durch die Haut von Salamandra niac. (Erwachsenes Tbier.) Ep Epidermis, Co Corium, in dessen bindegewebigem, von reichlichem Pigment (Pt) durchsetzten Stroma (i?) die verschieden grossen Hautdrüsen (^, C, Z*, Z), ^) eingebettet liegen, M'^ die einwärts von der Propria {Pr) liegende Muskelschicht der Drüsen, M die- selbe von der Fläche gesehen, F. Drüsenepithel, S Drüsensecret, Mm, Subcutane Muskel- schicht, durch welche Gefässe [ff) gegen das Corium aufsteigen.

schützen, es ist aber auch, wie Experimente gezeigt haben, vermöge seiner giftigen Eigenschaften, ein wiclitiges Schutzmittel. Die einzelnen Drüsen sind von glatten Muskeleleraenten, Bindegewebsfasern, Pigment, Blutgefässen und Nerven umsponnen.

Dieser Drüsen reichthum l)ildet das charakteri- stischste Merkmal der Amphibienhaut und ihm verdankt dieselbe ihre feuchte schlüpferige Beschaffenheit. Gleichwohl aber fühlt sie sich durchaus nicht immer glatt an, sondern zeigt häufig, wie z. B. bei Kröten, in Folge von leistenartigen, stacheligen und warzigen Epi- dermiswucherungen ein rauhes, höckeriges Aussehen.

Das hauptsächlich in der Cutis angehäufte, theils diti'use, theils an Zellen gebundene Pigment ermöglicht einen, unter dem Einfluss des Nervensystems stehenden Farbenwechsel und dadurch eine Anpassung an die Unterlage (in schützendem Sinn).

Nicht selten kommt es im Corium zu Verkalkungsprocessen oder, wie z. B. bei Ceratophrys dorsata, zu förmlicher Knochen- entwicklung.

Ueber die bei der Abtheilung der Schleichenlurche auf- tretenden Ringbildungen, Hautschienen und Schuppen vergl. das Haut- skelet.

Reptilien.

Im Gegensatz zur Haut der Amphibien ist diejenige der Reptilien ausserordentlich arm an Drüsen. Bei Ei- dechsen finden sich solche auf der Ventralfläche des Oberschenkels, sie sind deshalb unter dem Namen der „Schenkeldrtisen" bekannt. Das aus dem Drüsenschlauch hervortretende Secret erstarrt zu einer harten Papille oder Warze und scheint so als Haft- und Haltapparat beim Copulationsact eine Rolle zu spielen.

Die charakteristischste Eigenschaft der Reptilien-

2*

20 Specieller Theil.

haut beruht auf der Fähigkeit, Schuppen, Höcker, Stacheln, Schilder (Schildpatt), Krallen und ähnliche Bildungen zu erzeugen. Genetisch fallen alle diese Horngebilde mit den Vogelfedern und den Säugethierhaaren unter einen und denselben Gesichtspunkt, insofern sie auf eine Wucherung der tieferen Epiderraiszellen (Malpighi'sche Schicht) zurückzuführen sind. Auch das Corium spielt dabei eine wichtige Rolle, und ich verweise bezüglich dieses Punktes auf das Capitel, welches von der Feder- und Haarentwicklung handeln wird.

Die einfachsten Schuppenbildungen finden sich bei Ascalaboten und Chamaeleouten. Bei Schlangen begegnet man auf der Schuppen- oberfläche den mannigfachsten Sculpturen und häufig auch einem sogenannten Kiel (Ringelnattern, Vipern). Das Stratum corueum, welches beim Häutungsprocess in grösseren oder kleineren Fetzen oder wohl auch in toto („Nat t er nhemd") abgestossen wird, kann in seinen äusseren Schiebten pneumatisch, d.h. lufthaltig, sein. Wenn es sich auch auf der freien Epidermisfläche um keine eigentliche Cuticula handelt, so finden sich doch da und dort Cuticularbildungen mannigfachster Art auf der Oberfläche der Epidermis, wie z. B. haarartige Bildungen bei den Geckotiden, bei Draco, Anolius u. A. Man begegnet ihnen bei den Geckotiden au der Bauch-, Bücken- und Kiefergegend , sowie an der ventralen Schwanzseite. Dabei können sie entweder auf der Fläche oder auf der Kante der Schuppe stehen und auf letztere kommen 1 20 und mehr solcher Haare. Ihre durchschnittliche Länge beträgt 20 Mikrom. In ausserordentlicher Zahl und Grösse (120 Mikrom.) finden sie sich auf der Unterseite der Haftlappeu, wo sie zu 10 und 20 büschelartig angeordnet sind. Sie unterstützen die be- kannte Function der Haftlappen in mechanischer Weise und dasselbe gilt auch für die an der Uuterfiäche des Schwanzes vorkommenden Cuticularborsteu.

Alle diese Cuticularbildungen, die sich in vorübergehender Weise auch in gewissen Embryonalstadien der Schlangen (Natter) finden, entstehen kurz vor der Häutung als Ausscheidungen auf grossen, protoplasmatischen Cylinder- zellen, welche nach aussen vom Stratum Malpighii liegen. Stets sieht man auf Durchschnitten unter den alten Cuticularborsteu schon die zweite (Ersatz-)- Lage nachwachsen und diese steht dadurch , dass sie eine Trennung der Epidermisschichten bewirkt, in engster Beziehung zum Häutungsprocess, d. h. sie leitet ihn auf mechanische Weise ein, Aehnliches ist auch beim Fluss- krebs nachzuweisen.

Knochenbil düngen in der Lederhaut gehören bei den Reptilien zu fast regelmässigen Vorkommnissen und dies gilt z. B. in erster Linie für Blindschleichen und Eidechsen. Auch die Haut von As- calaboten ist , wie das Mikroskop lehrt , förmlich belegt mit rund- lichen, rhombischen und eckigen Kalkschuppen, in deren Centrum sich Knochenkörperchen finden. Auf den starken Knochenpanzer der Schild- kröten werde ich beim Hautskelet näher eingehen.

Pigment und ein darauf beruhender, in Verbindung mit soma- tischen und psychischen Aifectionen stehender Farbenwechsel ist auch bei den Reptilien (Chamaeleonten, Ascalaboten, Schlangen und Schleichen) zu verzeichnen. Derartige Verfärbungen erreichen übrigens mit der Klasse der Reptilien noch nicht ihr Ende, denn auch bei Vögeln wechselt oft das Federkleid seine Farbe und dasselbe gilt für den Pelz der Säugethiere. Dahin gehört auch das oft plötzliche Ergrauen der mensch- lichen Haupthaare.

Integument. 21

Vögel.

Die Vögel besitzen unter allen Wirbelthieren die dünnsteLeder- haut; auch ist sie weniger stark vascularisirt, dagegen, wie ich später zeigen werde, reich an Sinnesorganen (Tastkolben). In den tieferen Schichten liegt ein sehr entwickeltes Netz von glatten, mit Spuren von Querstreifung versehenen Muskelfasern, welche sich mit kleinen Sehuchen theils an das Corium, theils an die Federbälge an- setzen und so das Aufrichten, Sträuben der Federn zu Stande bringen.

Abgesehen von den Federpapillen , finden sich noch zahlreiche, freie Papillen, so z. B. an der Planta pedis und in der Umgebung des Auges.

Die Vogelhaut ist drüsenlos bis auf eine einzige, in der Nähe des Schwanzendes gelegene Stelle, wo die zum Einfetten des Gefieders dienende Bürzeldrüse (Gl. uropygii) ihren Sitz hat. Sie ist als eine modificirte Talgdrüse zu betrachten und steht unter dem Einfluss eines starken Constrictors \).

Hautknochen fehlen spurlos, dagegen sind Epidermisgebilde reichlich vertreten (Schnabel- und Fusssporenscheide , Haut der Zehen, Krallen und Federn).

Was die Entwicklung der Federn betrifft, so ist sie interes- sant genug, um etwas eingehender betrachtet zu werden.

An der betreffenden Bildungsstätte baucht sich das Cutisgewebe (Fig. 14 A Cu) gegen das Ektoderm (^c^, SM^) hinaus und erzeugt so eine Papille (Pap). Während diese zu einem lang gestreckten, am freien Ende zuge- spitzten Kegel, dem sogenannten Federkeim (Fig. 14 B Flf), auswächst, senkt sie sich zugleich mit ihrer Basis immer tiefer in das Cutisgewebe ein und wird so von einer Art von Tasche, dem Feder-Follikel (F,F) umgeben. Die Hornschicht, sowie das Malpighi'sche Lager der Epidermis (Sc,SM) setzen sich in den Grund des Follikels und von hier aus auf den Federkeim fort (Sc^, S3P). Das Innere ist nach wie vor von den Zellen des Coriums, wie von einer Pulpa-Masse erfüllt (F). Während nun der Federkeim immer mehr auswächst, beginnen die Zellen seiner Malpighi'schen Schicht stark zu wuchern und eine Anzahl radiär zur Centralaxe angeord- neter und gegen die Pulpa vorspringender Falten zu bilden , welche von der äusseren Hornschicht unmittelbar begrenzt werden (Fig. 14 C Fal (5#/^) und HS (5c')). Diese Falten unterliegen hierauf einem Verhornungspro- cess, lösen sich von den umgebenden Zellen los und verwandeln sich, unter allmäliger Vertrocknung der centralen Pulpasubstanz , in ein Büschel von Hornstrahlen , welche aber fürs Erste immer noch von dem Mantel des Stratum corneum zu einem einheitlichen Organ zusammengehalten werden. Jn diesem Entwicklungsstadium schlüpfen die meisten ^) Yögel aus und er- scheinen nun wie mit pinselartigen Haaren bedeckt, so dass phylogene- tische Schlüsse auf die Beschaffenheit des ursprünglichen Federkleides sehr nahe liegen.

Nach Entfernung der umgebenden Hornschicht werden die Strahlen

1) Die Bürzeldrüse fehlt den Ratiten, einigen Papageien und Tauben, der Trappe und andern.

2) Eine Ausnahme machen die Fusshühner (Megapodier), insofern sie bereits mit dem definitiven Gefieder das Ei verlassen.

22

Specieller Theil. B.

C.

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FullSM'} HSISc^

Fig. 14. Sechs Stadien der Feder-Entwickelung. Zum grössten Theil nach Th. Stüder. Cu Cutisgewebe, ÄiJ/ Stratum Malpighii, Sc Stratum corneum, SM'^ , Sc'^ dieselben Gewebe zur Federpapille Pap ausgestülpt, i'Vv' Federkeim, F^ i*'! Federfollikel, PPulpa-Masse fal (^SM'^) Faltungen der Malpigbi'schen Schicht im Innern des Federkeims, die aussen von der äusseren Hornschicht HS (Sc'*) umschlossen werden. Beide sind im Querschnitt sicht- bar. FSp Federspule, welche nach oben in ein Büschel von Strahlen HSt auseinanderfährt. sec, sec die au diesen sitzenden secundären Strahlen, E Rhachis, V Vexillum.

Bezüglich der genaueren Erklärung der einzelnen Entwicklungs-Etappen A E ist auf den Text zu verweisen.

frei (Fig. 14 D HSt), und indem alle ein gleichartiges Verhalten zeigen,' ist das gebildet, was man als Embryonal- Dune (Pluma) bezeichnet. Man hat sich aber dabei den Vorgang nicht so. zu denken, als fasere sich die gesammte Masse des f ederkeimes auf, sondern dieser bleibt in seinem untersten, eingesenkten Abschnitte mehr einheitlich und stellt so die Fe- derspule dar (E Sp).

Die Embryonaldune (Fig. 14 E), an deren Einzelstrahlen {HSt) sich wieder kleinere, secundäre Strahlen {sec, ser^ entwickeln, kann ihren Cha- rakter als solche das ganze Leben bewahren, oder sie wird durch eine de- finitive Feder ersetzt. Im letzteren Falle bildet sich vom Grund des Follikels der Embryonaldune aus schon in früher Zeit ein zweiter Follikel, der mit dem ersteren durch einen Zellstrang in Verbindung steht und im Uebrigen sich ganz ähnlich verhält (Fig. 14 D F'). Die in ihrem Innern sich entwickelnde Papille wächst rasch heran und schiebt die Spule der Embryonalfeder vor sich her, bis diese schliesslich aus ihrer Tasche her- ausgehoben und abgestossen wird. Diese zweite Federgeneration ähnelt nun in ihrem Bau anfangs sehr der Embryonaldune, insofern sie ursprüng- lich auch aus ganz gleichartigen Strahlen besteht, welche wieder mit se- cundären Strahlen besetzt sind. Nach kurzer Zeit aber verdickt sich ein Strahl fortschreitend, nimmt die andern Strahlen in sich auf und wird zum

Integument.

23

Kiel, an dem man den basalen Abschnitt als Spule, den frei aus der Haut herausragenden als Schaft (Rhachis) bezeichnet, während jene Seitenstrahlen die Fahne (Vexillum) bilden (Fig. 14 P R, HSt, sec). Jeder Seitenast der Rhachis, d. h. jedes Theilstück des Vexillums {H St), bildet so im Verein mit seinen kleinen Strahlen {sec), die einen secundären Federbart darstellen, eine Wiederholung der ganzen Feder. So entstehen die Contourfedern (Pennae), wie sie sich z. B. an den Flügeln und am Schwänze finden. Hier wie dort schliessen die Einzeltheilchen des Vexillums oder Federbartes sehr innig unter einander zusammen, so dass beim Fluge ein ausserordentlich starkes luftdichtes Gefüge zu Stande kommt. Die in der Basis jeder Federspule steckende Papille scheidet an ihrer Oberfläche periodisch dütenartig ineinandersteckende Membranen aus, und diese bezeichnet mau als Federseele. Der allen Vögeln zukommende, periodisch immer wiederkehrende Federwechsel, die sog. Mauserung, ist

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Fig. 15. Aichaeopteryx lithographicus Nach Dames. Berliner Museum.

24 Specieller Theil.

als ein von den Amphibien und Reptilien her vererbter, dem Häutungs- process entsprechender Vorgang zu betrachten. Die Epidermis ist dabei so wenig als bei Säugern in toto jenem Process unterworfen, sondern es kommt im nachembryonalen Leben und unter normalen Verhältnissen nur zu einer Abstossung, Abschilferung von Epidermiszellen.

Bei weitaus der Mehrzahl der Vögel sind die Federn in bestimmten „Fluren" im Körper angeordnet und zerfallen also, wie wir gesehen haben, in Contour- und Dunenfedern. Von diesem Verhalten machen gewisse Ratiten, wie der Apteryx und Dromaeus und ebenso die Pinguine, insofern eine Ausnahme, als ihr, abgesehen von den Steuer- und Schmuckfedern, nur aus Dunen bestehendes Feder- kleid ohne Flurenbildung gleichmässig über den ganzen Körper ange- ordnet ist. Wir haben hierin somit einen embryonalen Charakter zu erkennen und müssen die für das Fluggeschäft äusserst ungünstige Be- fiederung dieser Vögel für phyletisch älter erklären. Immerhin aber ist im Hinblick auf fossile (tertiäre) Pinguine, welche einen ungleich längeren Humerus besassen als die jetzt lebenden Arten, die Möglichkeit offen zu halten, dass jene Befiederung bei letzteren wenigstens ein secun- därer Erwerb ist (Studer).

Wenn wir erwägen, dass die Federn mit Schaft und Fahne, neben Dunenfedern, schon in vollkommenster Ausbildung bei den Vögeln der Jurazeit, beiArchaeopteryx, bestanden, so ist man berechtigt, ihre ersten Anfänge noch in viel weiter zurückliegenden Erdepochen zu suchen. Gleichwohl sind bis jetzt Federformen, die ein Uebergangsgiied zwischen der Reptilschuppe und der ausgebildeten Vogelfeder repräsentiren, paläontologisch noch nicht nachgewiesen; dass sie aber einst bestanden haben müssen, weist, wie wir oben gesehen haben, die Entwicklungs- geschichte aufs überzeugendste nach. Von den Zahnvögelu Amerikas, Englands und Böhmens sind bis jetzt nur bei Ichthyornis Spuren von Federn nachgewiesen , doch kann dieser fast negative Befund möglicherweise nur in der iS'^atur des solche zarte Gebilde schlecht oder gar nicht conservirenden Gesteins seinen Grund haben.

Säuger.

Ein specifisches Merkmal der Säuger i) liegt in dem Besitz von Haaren, und so soll gleich mit der Schilderung ihrer Entwicklungsweise begonnen werden. Wie bei den Schuppen und Federn handelt es sich auch hier zunächst um eine Wucherung der Epidermiszellen, in specie des Stratum Malpighii, gegen das Corium hinab (Fig. 16 A u. B Sc, SM, C). Dadurch entsteht der Haar keim. Die so entstandene Ver- dickung der Epidermis umgiebt sich, zapfenartig auswachsend, mit den Zellen der Cutis, wodurch sie, ganz wie wir dies bei der Feder con- statiren konnten, in eine Art von Tasche, den sogenannten Haar- Follikel, zu liegen kommt (Fig. 16 C, D F). Weiterhin differenzirt sich das ursprünglich einheitliche Zellgefüge des Haarkeimes in eine periphere und eine centrale Zone (Fig. 16 E, F PZ, CZ). Letztere besteht aus mehr gestreckten Zellen und wird später zum Haar seh aft

1) Die geringste Behaarung findet sich bei Zah n w alen , wo sie oft nur auf ein Paar Borsten in der Lippengegend beschränkt ist. Bei manchen treten Haarbildungen nur noch in fötaler Zeit auf oder fehlen sie sogar auch hier.

Integument.

25

Fig. 16. Sechs E'n twick lun gs Sta- dien des Haares, äc Stratum corneum, SM Stratum Malpighii, C Cutis, F Follikel, Dr Haarbalgdrüse, CZ centrale , PZ peri- phere Zone des Haarkeimes, HK Haarknopf, P Beginn der Bildung der Haarpapille, P* dieselbe in späteren Entwickelungsstadien, vascularisirt.

Fig. 17. Längsdurchschnitt durch ein Haar. Schematisch. i^Aeussere Längs-, i^i innere Querfaserschicht des Follikels, Seh Haarschaft, M Mark-, R Rindenschicht, O Ober- häutchen des Schaftes, WS, WS^ Äussere und innere Schicht der Wurzelscheide ; letztere reicht nur bis zur Einmündung der Haarbalgdrüsen HBD nach oben und wird oberhalb derselben vom Stratum corneum der Epidermis fortgesetzt, HP Haarpapille mit Gefässen im Innern, GH Glasbaut, welche zwischen der inneren und äusseren Haarscheide, d.h. zwischen der Wurzelscheide und dem Follikel liegt. Ft, Ft Fettgewebe im Corium Co, Ap Arrectores pili, Sc Stratum corneum , SM Stratum Malpighii der Epidermis.

mit seiner Mark- und ßindenschicht, sowie zum Ol) er häutchen (Cu- ticula) des Schaftes und zur sogenannten inneren Wurzelscheide; erstere wird zur äusseren Wurzelscheide ( vergl. Fig. 17, welche das fertige Haar in allen seinen Einzelheiten darstellt). Die Basis des den Grund des Follikels ausfüllenden Haarschaftes verbreitert sich kegel- artig zum Haar knöpf (Fig. 16 E, F HK) und wird von der yer- hältnissmässig erst spät entstehenden, reich vascularisirten Haarpapille (Fig. 16 E, F P, P') von unten her eiogedrückt (Fig. 17 HP). Bei Dr auf Fig. 16 entstehen durch einen Wucherungsprocess der Malpighi'- schen Zellen die H aarbalgdrüsen. Der Durchbruch der Haare er- folgt in der Regel in schiefer Richtung zu der betreffenden Hautstelle. So kann man also einen Haarbalg oder einen Haar- Follikel

26 Specieller Theil.

(Fig. 17 F, F^) und einen Haar- Schaft unterscheiden (Fig. 17 Seh). Letzterer ist stets spindelförmig und besteht aus drei Theilen, 1) dem Mark(J/), 2) der Rinde (li) und 3) aus dem Oberhäutchen (0). yVlle drei bauen sich aus Zellen auf, der wichtigste Theil aber ist stets das Mark, welches eine so verschiedene Entwicklung zeigt, dass darauf grösstentheils die Unterscheidung der Haare der einzelnen Thier-Species beruht. Die Farbe des Haares hängt von drei verschiedenen Momenten ab ; einmal von der mehr oder weniger starken Anhäufung von Pigment in den Zellen der Rindenschicht, ferner vom Luftgehalt der Intercellular- Räume der Markschicht und endlich von der Oberflächenbeschaffenheit, ob rauh oder glatt (Waldeyp:r).

Im späteren Leben, beim periodischen oder nicht periodischen Haar- wechsel, bildet sich das neue (Ersatz-) Haar im Balg des alten, und zwar nach Zugrundegehen der alten Papille, auf einer neuen, unter Vermittlung der Zellen der äusseren Haarscheide vom Grunde des Haar- balges aus. Die Haare sind entweder cylindrisch oder plattgedrückt, schlicht oder kraus. Eine besondere Beachtung verdienen die durch quergestreifte Muskeln beherrschten Tastborsten, deren Bälge von venösen Bluträumen umgeben und die mit sehr starken Nerven versehen sind. Auch die gewöhnlichen Haare sind stets gut innervirt. Wie die Federn nach sog. Fluren, so sind auch die Haare an besonderen Körper- stellen besonders reichlich nach „Haarströmen" angeordnet. Häufig, wie z. B. beim Menschen, trifft man in embryonaler Zeit ein reichlicheres Haarkleid (Lanugo) als im späteren Leben (Steisshaarwirbel , Ecker). Dieser Umstand lässt ebensogut wie die sog. „Haarmenschen" auf eine Zeit schliessen, in welcher sich der Mensch durch ein ungleich stattlicheres Haarkleid ausgezeichnet haben muss als heutzutage ^).

Abgesehen von den Haaren, spielen auch andere Formen von Epi- dermisgebilden bei Säugern eine grosse Rolle. Dahin gehören die Hufe, Klauen , Krallen, Hörner, Schw ielen, die sehr ver- dickte Epidermis bei kahlen Cetaceen und haarlosen Dickhäutern, das Gesäss mancher Affen, die Borsten und Stacheln (Igel, Stachelschwein), die Barten der Wale, das Hörn des Rhinoceros, etc.

Die Nägel gehören ebenfalls hierher. Sie stellen wie die Haare mit ihrer inneren Wurzelscheide einen eigenthümlich umgewandelten Theil eines besonderen Abschnittes des Stratum Malpighii der Oberhaut dar. Derselbe wird während seiner ersten Entwicklung ganz und gar vom Stratum corneum bedeckt. Die Nagelbildung geht von jener Stelle aus, die man beim mensch- lichen Nagel als Lunula bezeichnet; sie ist als die eigentliche Matrix des Nagels zu betrachten.

Die Haut ist an verschiedenen Körperstellen von sehr verschiedener Dicke und dies gilt auch für die Stärkeverhältnisse des Stratum corneum und Malpighii.

Da, wo Pigment vorkommt, wie z. B. an der Schnauze, an den Genitalien, der Brustwarze des Menschen etc. , findet es sich stets in Zellen des Rete Malpighii, in das es übrigens erst aus der Tiefe, d. h. vom Corium aus, einwandert, ein Satz, der für die ganze Vertebratenreihe gilt.

1) Ainos und Australiieger sind vielleicht die normal am stärksten behaarten Menschen.

Intearument.

27

Man kann die obere Schicht des Coriums als Pars papil- laris, die untere, welche mehr netzartig durchbrochen ist und welche ganz allmälig in das subcutane Bindegewebe sich ver- liert, als Pars reticularis bezeichnen. Die Papillen der Lederhaut, welchen sich die dar- über wegziehende Epidermis in ihrer Schichtung genau adaptirt, zerfallen in gefässtragende, und zwar Lymph- und Blutcapillaren enthaltende, sowie in Nerveupa- pillen, welch' letztere mit Tast- körperchen ausgestattet sind (Fig. 18).

Diese Papillen sitzen entweder Fig. 18. Schnitt durch die Haut des

unregelmässig zerstreut oder in Menschen, ä- Stratum corneum, Äl/Stratinn

1 •■ . -1 Malpiehii, Co Corium, F. F Subcutanes Fett, NP

regelmässiger Anordnung, wie in ^"^^'p-g' ' ri-cn <■••,. „..iii^„ a7 n a \m

o » ^.^ ., =■' ^ NervenpapiUen, GP GefasspapUlen, iV u. (r im

der ventralen Hand- und J^USS- Corium verlaufende Nerven und Gefässe, SD, fläche. Ausnehmend stark ent- SD Schweissdrüsen mit ihren Ausführungsgängen wickelt sind sie an den Sohlen- ^Z)i ÄZ>i, ^ Haar mit Balgdrüsen 2>. ballen der Carnivoren , des Ka- meeis, ferner am Küssel und der Schnauze anderer Säuger. Eine mon- ströse Grösse erreichen sie in der kahlen Haut der Cetaceen. Im Unter- hautbindegewebe, das die Anheftung an die unterliegenden Theile, wie die Muskeln vermittelt, liegen mehr oder weniger reiche Fettmassen (P an niculu s adiposus). Ausser einer grossen Menge elastischer Fasern finden sich im Corium zahlreiche glatte Muskeln, wie z. B. in der Dario?, deren temporäre Schrumpfung durch sie bedingt wird. Ausserdem finden sie sich am Glied, in der Perinealgegend, sowie im Warzenhof und in der Brustwarze selbst, welche durch sie in eine Art von Erectionszustand versetzt und so zum Fassen für das Junge geschickt gemacht werden kann; endlich begegnen wir glatten Muskelelmenten an allen behaarten Körperstelleu, allwo sie sich als sog. Arrectores pili an den Haarbälgen unterhalb der Talgdrüsen ansetzen (vergl. Fig. 17). Das Sträuben der Haare, sowie die sog. Gänse- haut, ist auf sie zurückzuführen. Eine ausnehmend starke Muskulatur findet sich in der Haut des Igels und des Stachelschweins.

Die Hautdrüsen, welche nur den Cetaceen (mit Ausnahme der Milchdrüsen) fehlen, zerfallen in die zwei grossen Gruppen der tubu- lösen und der acinösen Drüsen. Erstere werden m der Kegel als Schweissdrüsen, letztere als Talgdrüsen bezeichnet, eine wegen der in ihr liegenden Beschränkung ungeeignete Bezeichnung 0- ^«n beiden

1) Von hohem Interesse sind die Mittheilungen von M. Weber über roth und blau gefärbte Hautsecrete gewisser Säugethiere. Es handelt sich dabei um Drusenapparate von tubulösem resp. gemischtem Charakter, welche beim Känguruh in der Haut der Brust- und Bauehgegend, bei der Z w er g a n t ilop e, nach Analogie gewisser l:resichts- drüsen der Wiederkäuer, im Gesicht unter dem Auge liegen. Bei der Zwergantilope mann- lichen Geschlechts besitzt das sauer reagirende Drüsensecret einen penetranten t^eructi, welcher, beim Sexualleben eine Rolle spielend, als Excitans auf das Weibchen wirken soll.

28

Specieller Theil.

finden sich die mannigfachsten Modificationen. So sind z. B. die Ohr- schmalzdrüsen des Menschen, die Flotzmauldrüsen des Rindes und die Seitendrüsen der Spitzmäuse als modificirte Schweissdrüsen aufzufassen, während die Praeputial-, die M ei bom 'sehen, sowie die Inguinaldrüsen gewisser Nager in die Kategorie der Talgdrüsen gehören.

Auch die für die Säugethiere charakteristischen Milchdrüsen sind als modificirte Hautdrüsen zu betrachten. Der Beweis hiefür liegt nach den Untersuchungen Gegenbaue's in dem Verhalten dieser Organe bei den S c h n a b e 1 1 h i e r e n , und zwar erkennt man bei 0 r n i - t h o r h Y n c h u s aufs Deutlichste , wie es sich um Schweissdrüsen handelt, welche sich von den gewöhnlichen nur quantitativ unterscheiden. Aehnliches gilt auch fürEchidna, obgleich die Verhältnisse hier noch nicht vollkommen klar liegen. Da nun die Milchdrüsen der übrigen Säuger in ihrer gröberen und feineren Structur von den betreffenden Organen der Monotremen abweichen und sich als modificirte Talgdrüsen erweisen, so postulirt Gegenbaur für die Mammarorgane der Säugethiere einen diphyletischen Ursprung. Offenbar haben , in Folge des Säugens, die Talgdrüsen (denn solche treten, neben den Schweissdrüsen, auch schon bei Echidna auf und ihre dop- pelte Existenz auf dem Drüseufeld muss auch bei dem den Monotre- men vorhergehenden Ursäuger angenommen werden) allmälig das Ueber-

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Eig. 19. A Unterseite ein es brüten den Weibchens von Echidna hystrix. 77 Die zwei Haarbüschel in den Seilciifalten des Brutbeutels, von welchen das Secret abtropft. B Rückseite der Bauchdecke eines brütenden Weibchens von Echidna hystrix. In den von starken Muskeln umgebenen Brutbeutel (5) ergiesst sich jederselts ein Büschel Milchdrüsen M, M. C, O bedeutet in beiden Figuren die Cloake. Nach W. Haack£.

Das von letzterem gelieferte Secret reagirt alkalisch und ist geruchlos. Der Thatsache, dass das blaue Drüsensecret der Zwergantilope (Cephalolophus pygmaeus) eiweiss- halti g ist, sei hier im Hinblick auf die Phylogenie der Mammar-Organe ausdrücklich gedacht.

Integument. 29

gewicht über die Schweissdrüsen erlangt. Was die chemische Beschaffenheit des Secretes betrifft, so hat man, gestützt auf den Bau der Drüsen, wenig Aussicht, dasselbe bei den Monotremen als „Milch" bezeichnen zu dürfen. Darüber sind also noch weitere Untersuchungen anzustellen und dasselbe gilt auch von der Art und Weise, wie das Junge zum Genuss des Secretes kommt. Zitzen sind nämlich bei Schnabelthieren noch nicht entwickelt und mau muss deshalb annehmen, dass das Secret entlang den Haaren, welche an der betreffenden Stelle büschelartig an- geordnet sind (Fig. 19 A ff), abtropft und von dem Jungen aufgeleckt wird (Haacke).

Während bei Ornithorhynchus das Ei, welches das zum Aus- schlüpfen reife Junge enthält, von der Mutter in einer Erdhöhle unter- gebracht wird, bildet sich bei Echidna zur Aufnahme desselben ein Brutbeutel heran, in welchem es längere Zeit zu verweilen hat (Fig. 19 B, B). Schlüpft es aus, so gelangt es höchst wahrscheiuHch in der oben geschilderten Weise zum Genuss der Milch ^).

Die betreffenden Drüsen öffnen sich an der Stelle , wo die früher schon beschriebenen Haarbüschel liegen, in zwei Hauteinsenkungen an den Seitenfalten des Brutbeutels. Diese kann man als Mammar- ta scheu bezeichnen und sie sind deshalb von hoher Bedeutung, weil sie den Ausgangspunkt abgeben für die Entwicklung der verschiedenen Zitzenformen der über den Monotremen stehenden Mammalia.

Jene Mammartaschenanlage repetirt sich nämlich hier ontogenetisch derart, dass die Epidermis gegen das Corium einwuchert und dann vom Grund der Tasche, d. h. vom sogenannten Drüsenfelde aus, cylin- drische , mehr oder weniger verzweigte Fortsätze in die Tiefe treibt. Nur letztere sind die eigentlichen Drüsen, während die Mammartasche nichts anderes als die eingesunkene Hautoberfläche bedeutet und als solche alle Gebilde tragen kann , welche genetisch zur Haut gehören, wie z. B. Haare etc.

Nun sind , wie Geuenbaur gezeigt hat , bezüglich des Modus der Zitzenbildung zwei Möglichkeiten denkbar. Entweder erhebt sich der die Tasche begrenzende Cutiswall und bildet so eine, vom sogen. Strichcanal durchzogene Röhre, in deren Grund die eigentlichen Drüsencanäle einmünden (Fig. 20 B), oder aber das Drüsenfeld erhebt sich zu einer Papille, während der Cutiswall zurücktritt. Im letzteren Fall (Fig. 20 A), welcher auf die Beut 1er, auf die Halbaffen, Affen und den Menschen An- wendung findet , wäre somit die a ' ' yr ^ '/^ ^ Zitze eine secun da re, im ersteren Fig. 20. ^ w^ahre- und £ Pseudo-zitze Fall dagegen, welcher die Carni- "^ch Gegenbaur voren, Schweine, Pferde und

Wiederkäuer betrifft, eine primäre Bildung. Letztere findet sich schon bei gewissen Beutlern (Phalangista vulpina) angebahnt und setzt sich von hier aus auf die Carnivoren fort.

1) Jener Beutel, welcher mit seinem Grunde gegen das hintere Körperende gerichtet ist, wächst mit dem Jungen weiter aus, und zwar so lange, bis letzteres eine Länge von vier Zoll erreicht hat. Verlässt es dann die Mutter, so bildet sich die Tasche wieder voll- kommen zurück, so dass also weibliche Echidnen ohne Eier und Junge nichts davon er- kennen lassen.

30 Specieller Theil.

Die Zahl der Zitzen entspricht im Allgemeinen der Zahl der gleich- zeitig erzeugten Jungen. Häufig sind sie, wie z. B. bei Carnivoren und Schweinen, in zwei, nahezu parallelen, an der Bauch- und Brust- gegend dahinziehenden Reihen angeordnet, oder sitzen sie in der In- guiualgegend, wie bei ü n g u 1 a t e n und Cetaceen, oder endlich sind sie auf die Brustgegend beschränkt, wie bei E 1 e p h a n t e n , Sirenen, manchen Halbaffen, Chiropteren und Primaten.

Bei deu Männchen ist der Milchdrüsenapparat rückgebildet, doch gehört es zu den gewöhnlichsten Vorkommnissen , dass neugeborene und auch in der Pubertätszeit stehende Knaben wirkliche Milch, sog. „Hexenmilch" produciren. Auch milchende Ziegenböcke und (castrirte) Schafböcke sind mit Sicherheit coustatirt. Sehr merkwürdig ist das Auftreten überzähliger Brüste und Brustwarzen bei Weibern und Männern (Polymastie und Polythelie). Sie finden sich vorzugsweise im Bereiche des Thorax und sind im Sinne eines Rückschlages in eine durch zahlreichere Brüste, sowie durch eine grössere, auf einmal producirte Zahl von Jungen charakterisirte Urform zu deuten. Ein solcher Rückgang der Polymastie auf die Bi- mastie vollzieht sich heute noch vor unseren Augen, und zwar bei den P r 0 s i m i e n. Hier gehen nämlich die inguinalen und abdominalen Zitzen einer regressiven Metamorphose entgegen, während das Brustzitzenpaar flo- rirt. Damit steht auch im Einklang, dass die meisten Halbaffen nur ein Paar Junge werfen, die sie an der Brust mit sich herumtragen. So ver- mögen sie sich am günstigsten, d. h. am freiesten (beim Klettern z. B.) zu bewegen, und diese Thatsacheu erklären den Rückgang der übrigen Zitzen.

Die anfangs solid sich anlegenden Drüsenmassen höhlen sich erst secundär aus und ditlerenziren sich später in Acini, Milchgänge, M i 1 c h s i n u s und A u s f ü h r u n g s g ä n g e. Das ganze Zwischengewebe ist während der Lactation von weissen Blutkörperchen (Leukocyten) strotzend erfüllt, und möglicherweise verdanken die unter dem Namen des Colostrums und der Milchkügelcheu bekannten Formelemente der Milch den oben genannten, die Wand der Acini durchsetzenden Zellen ihren Ursprung.

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B. Skelet.

. I. Hautskelet.

Die Betrachtung des Hautskeletes wird derjeuigeu des Iiineii- skeletes passend vorangestellt, da wir in ihm eine phyletisch ältere Bildung zu erblicken haben, als in letzterem. Dieser Satz wird nicht nur durch paläontologische Befunde, wie z. B. durch die Panzerfische des Devons, des Silurs, durch die stark gepanzerten Am- phibien der Kohlen-, Trias- und Juraformation, sondern auch durch die 0 n 1 0 g e n i e bestätigt , insofern im werdenden Thierkörper Kalkab- lagerungen resp. Verknöclierungen im Corium oder Perichondrium lange vorher auftreten können , bevor es zur Bildung centraler , in den ein- zelnen Theilen des Knorpelskeletes platzgreifeuder Ossiticationsherde kommt. Am besten illustrirt wird dieses durch das Verhalten der Fische und Amphibien. So ist, um nur ein Beispiel anzuführen, der junge B allstes schon mit einem fertigen Hautpanzerkleid ausgerüstet, wann am Primordialcranium kaum die erste Verknöcherung beginnt.

Das Exoskelet ist nach den Untersuchungen GE(iENBAUR's und 0. Hertwig's in seiner ersten Entstehung zurückzuführen auf die Bil- dung von kleinen, je auf einem Basalplättchen befestigten Zähnen, welche über die ganze Haut zerstreut liegen und welche ganz denselben Bau aufweisen, wie wir ihn von den eigentlichen, das Gebiss der Wirbel- thiere constituirenden Zähnen später eingehend zu schildern haben werden.

Solche Hautzähnchen finden sich nun in der Haut der Selachier , der Ganoiden, Silur oiden und D i p n o e r, und wenn man bedenkt, wie die obgenannten Basalplättchen unter einander zu Bändern und Netzen zusammenfliessen können (Fig. 21, 22), so hält es nicht schwer, aus diesem Vorgange auch die mächtigen Schilder abzuleiten, welche sich bei Panzerganoiden, Panzerwelsen, Lophobranchiern u. a. zu einem festen Knochenkürass zusammenfügen. Ja man darf dies füglich noch weiter ausdehnen und mm fliehe Schu ppen bildu ngen der Fische^) sowie die Belegknochen des Seh ul tergür tels und des

1) Den Ausgangspunkt bilden stets die bei Selachiern vorkommenden Placoid- schuppen. Ganoidsehuppen mit glatter, spiegelnder Oberfläche, d. h. mit einem Emailüberzug, finden sich in bester Ausprägung bei Lepidosteus und Polypterus.

32

Specieller Theil.

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i^ig. 22. Hautzähne von Pro- topterus. D der eigentliche Zahn, 8, 8 der Zalinsockel, dessen obere Oeff- nung bei /S'i, ä^ durch den transparen- ten Zahn ((S") hindurch im optischen Quer- schnitt erscheint.

Fig. 21 (nach O. Hertwig)- a Haut- panzer von Hypostoma Comm. h Zähn- chen aus der Bauchhaut von Callichthys. c Flossenplättchen (Schwanzflosse) von Hypostoma. Z Hautzähne, welche bei Z'^ von ihrem Sockel abgebrochen sind. BP Basalplatte.

Primordialschädels in ihrer ersten (phyletischen) Entstehung auf jenen Process zurückführen.

Ich werde auf diesen Punkt in dem Capitel über das Kopfskelet noch ' näher einzugehen und dort auf die typische, von Geschlecht zu Geschlecht, weit über die Fische hinaus, bis zu den Säugern sich vererbende Vertheilung jener Deckknochen hinzuweisen haben, die als Stirn-, Scheitelbeine etc. unterschieden wei'den. Repetirt sich hier ihre Anlage aus Zähnen und Zahnsockeln ontogeuetisch nicht mehr, so ist dies eben als ein abge- kürzter Entwicklungsprocess anzusehen. Der beste Beweis hierfür liegt in der Embryonalanlage des Vomers und anderer Knochen der Mundhöhle, deren Entstehung aus Zähnen sogar bei Amphibien noch nachzuwei- sen ist.

Von dem ol^en schon erwähnten starken Hautpanzer untergegangener Amphibiengesclilechter haben sich auf die lieutigen Formen dieser Thier- gruppe nur geringe Spuren vererbt. Dahin gehören die Knochenplatten, welche sich in der Rückenhaut gewisser Anuren (Ceratophrys dor-

Sturionen besitzen Knochenplatten, Spatulariaist nackt. Bei Teleostiern unterscheidet man C y cl o i d - und Cteuoid-Sc huppen. Erstere sind ganzrandig und rundlich , letztere an den Uändern gezahnt. Zwischen beiden bestehen die ver- schiedensten Uebergangsformen.

Skelet.

33

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Fig. 23. Hautpanzer von Callichthys. 5 Barteln, ^r-f Brustflosse, 5F Bauch- flosse, RE Rückenflosse, BS und VS dorsale und ventrale Knocheuschilder.

sata und Ephipj^ifer aurantiacus) entwickeln, und ferner die zwischen die Hautschienen eingesprengten Schuppen der fusslosen Amphibien, der Gymnophionen oder Coecilien. Letztere lassen sich auf das Schuppenkleid der uralten Molche (Discosaurus) der Kohlenformation zurückführen.

Noch viel mächtiger aber gestaltete sich der Hautpauzer unterge- gangener Reptiliengeschlechter, wie z.B. derjenige mancher Ornitho- se e 1 i d e n (Stegosaurus). Hier entwickelten sich metergrosse Knochen- platten und Knochenstacheln bis zu 63 Centim. Länge in der Rücken- gegend. Auch der Teleosaurus sowie der triassische Aetosaurus ferratus besassen ein starkes Exoskelet. Unter den heutigen Rep- tilien zeichnen sich die Crocodilier und namentlich die Schild- kröten durch ein wohl entwickeltes Hautskelet aus. So unterscheidet man bei den letzteren einen aus zahlreichen Stücken bestehenden Rücken- und Bauchschild (Carapax und P 1 a s t r o n). Beide entstehen z. Th. unabhängig vom knorpelig präformirten Innenskelet, d. h. nur als reine Bindegewebsverknöcherungen , was aber nicht aus- schliesst, dass das Aussenskelet an manchen Stellen zu dem Innenskelet

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Fig. 24. AundBCarapax und Plastron einer jungen Testudo graeca, C Plast ron von Chelone midas. N, N Neuralplatten, C, C Costalplatten, M, M Mar- ginalplatten, Np Nuchalplatte , Py, Py Pygalplatten , E Entoplastron, Ep Epiplastron, lly Hyoplastron, Äp Hypoplastron, -¥z Xiphiplastron. (F bedeutet vorne, /f hinten.) ÄÄ Rippen.

Wi e der sli u i . (jmiicliiss der vergl. Aiiatuniie. 2. Auti. ii

34 Specieller Theil.

in innige Lagebezieliung treten und letzteres wohl auch da und dort verdrängen kann. Bezüglich der den Carapax und das Plastron zusammen- setzenden Einzeltheile verweise ich auf die Figur 24 A, B und C.

Dass die Vögel ])eim Hautskelet nicht in Betracht kommen können, wurde schon oben, im Capitel über die Haut, bemerkt.

Unter den Säuge thieren sind allein die Loricata (Gürtel thiere) mit einem Hautskelet versehen. Es bildet hier einen aus fünf beweg- lich unter einander verbundenen Platten componirten Rückenschild ; die eine Platte deckt den Kopf, die andere den Hals, eine dritte die Schultern, eine vierte und fünfte die Rücken-, Lenden- und Beckengegend. Auch Schwanz- und Gliedmassen können von unvollständigen Knochenringen und Platten bedeckt sein. Ob dieses Hautskelet direct von jenem der Reptilien abzuleiten ist, erscheint sehr zweifelhaft; viel wahrschein- licher ist, dass es als selbständige Bildung aufzufassen ist.

So ergibt also ein Rückblick auf das Aussenskelet, dass dasselbe bei den heutigen Thierformen, zumal bei den höheren Klassen, keine allzu grosse Rolle zu spielen berufen ist. Es steht dadurch im Gegensatz zu dem eine viel grössere morphologische Bedeutung beanspruchen- den Iniienskelet, dessen Schilderung nun folgen soll.

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II. Inneres Skelet.

1. Wirbelsäule (Columua vertebralis).

Vorläufer nicht nur der Wirbelsäule, sondern des ganzen Skeletes ist, wie schon aus der entwicklungsgeschichtlichen Einleitung zu ersehen war, ein in der Längsaxe des Embryos verlaufender elastischer Strang, den man mit Chorda dorsalis odei' Rückeiisaite bezeichnet. Am Kopf- wie am Schwanzende zugespitzt, baut er sich aus einem Gewebe auf, das aus dem inneren Keiml)latt hervorgeht, also epithelialen Ursprungs ist. In Folge davon fehlt auch dem aus grossen, saftreichen Zellen bestehenden Parenchym ursprünglich jegliche Zwischensubstanz (Inter- cellular-Substanz); Ijald aber treten in den mit einer Membran sich

Skelet.

35

umgebenden Zellen Vacuolen auf, und während eine schleimige Um- wandlung des Protoplasmas nebenhergeht, wird eine regressive Meta- morphose der Chorda eingeleitet. Dass dieselbe schon in so frühen Stadien der Entwicklung auftritt, beweist, dass das ganze Organ seiner ursprünglichen physiologischen Function schon vor sehr langer Zeit verlustig gegangen sein muss.

Indem jener Process immer weiter fortschreitet, bleiben schliesslich von den im Innern Bezirk der Chorda liegenden Zellen nur noch die Wände übrig. Diese platten sich gegenseitig ab und so erhält das Gewebe eine wabige, maschige, liollundermarkähnliche Structur.

Anders verhält es sich an der Peripherie , wo die betreffenden Zellen saft- und protoplasmareich bleiben und bei der Schaffung jenes Gebildes, welches man als innere Chordaseheide (Elastica s. Limitans interna) bezeichnet, die Hauptrolle spielen.

Ob man im Recht ist, wenn man, der bisherigen Auffassung folgend, die „innere Scheide" als etwas ausserhalb der Chorda Liegendes be- trachtet, ist neuerdings sehr zweifelhaft geworden. Es handelt sich vielmehr höchst wahrscheinlich nur um eine Differenzirung der äussersten Randsehicht der peripheren Chordazellen, d. h. also um ein der Chorda selbst inhärentes Gebilde (Lvoff). Der Begriff Chordascheide würde einzig und allein der aus dem Gewebe der Somiten hervorgehenden skeleto- geueii (mesodermalen) Schicht zukommen, die man bisher als äussere Chordascheide zu bezeichnen gewohnt war. Sie ist sowohl zelliger als faseriger Natur und zeigt bei verschiedenen Wirbel- thiergruppen sehr verschiedene Modificationen des |

(concentrisch angeordneten) Bindegewebes ; doch 1

kann hierauf nicht näher eingegangen werden. Zu J^

erwähnen ist aber noch, dass an der Peripherie der skeletogenen Schicht ein dichtes Geflecht von elastischen Fasern auftreten kann , in welchem Falle man dann von einer Elastica s. Limitans externa spricht (Fig. 25 Ee).

Das Fasergewebe der skeletogenen Schicht wächst nun dorsal von der Chorda über dem Rückenmark zusammen und bildet so ein con- tinuirliches, häutiges Rohr, welches nur an der Stelle der durchtretenden Rückeinnarksnerven unterbrochen ist. Von einer eigentlichen Glie- derung, wobei später das Muskelsystem, als formatives Princip, eine grosse Rolle spielt, ist in diesem Entwicklungsstadiura, welches man als häutige Wirbelsäule bezeichnet, noch nichts zu erkennen. Sie wird erst dadurch eingeleitet, dass in der vorher faserig-häutigen Masse des skeletogenen Gewebes, in unmittelbarer Nähe der Chorda, knorpehge Herde auftreten, welche eine seg mentale Anordnung (Metameren- bildung) zeigen und welche die Mlage der Wirbelbogen darstellen^). Damit ist das zweite, das knorpelige

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Fig. 25. Querschnitt der Wirbelsäule von Ammocoetes. C Chorda, Cs Chordascheide (skeletogene Schicht), Ee Elastica, SS fibril- läres Gewebe, Oi obere Bögen, Üb untere Bögen, F Fettgewe- be, 31 Medulla spiu., P Pia.

Wirbelkörper, resp.

l) Wie paläontologische Befunde aus der permischen Epoche (Pelycosauria, Cope) beweisen, ist jedes C o rp u s vertebrae ursprünglich aus me b r er e n E 1 em e nte n be-

36 Specieller'Theil.

Eiitwickliingsstadiiim der Wirbelsäule erreicht, und endlich kann es noch zu Ossiticatiousprocessen kommen (knöchernes Stadium). Die

sich nicht consolidirenden Gewebstheile werden zu den Bandapparaten der Wirbelsäule (Ligamenta intervertebralia etc.).

Bei diesen eben beschriebenen Differenzirungen des skeletogenen Gewebes erleidet die Chorda dorsalis bei den verschiedenen Thiergruppen ein sehr verschiedenes Schicksal; so kann sie als ein gleichmässig cyliudrischer Strang fortbestehen, resp. weiterwachsen, oder erfährt sie von Seiten der Wirbelkörper die mannigfachsten Wachsthums- beschränkungeu (Einschnürungen etc.), oder endlich kann sie gänzlich zu Grunde gehen.

Dazu gesellen sich dann im knorpeligen und knöchernen Stadium die verschiedensten Fortsatzbildungen (Processus spinosi, transversi, arti- culares etc.), oder kommt es, wie z. B. in der Nacken-, Kreuz- und Steiss- beingegend, zu Verschmelzungen einzelner Wirbel untereinander.

Die alte Anatomie hat die das Eückeuraark, das Neuron, um- schliessenden Spangen oder Bogen als Neurapophysen bezeichnet und ihnen die vom Wirbelkörper entspringenden, ventral gerichteten Fortsätze, welche da und dort die grossseu, in der Längsaxe des Körpers verlaufenden Blutgefässe umschliessen, als Hämapophysen gegenübergestellt.

Alle diese ontogenetisch auftretenden Stadien finden nun in der S t a m m e s e n t w i c k 1 u n g ihre vollständige Parallele, wie dies die folgenden Capitel darthun werden.

Fische und Dipnoer.

Die Wirbelsäule aller Fische zeichnet sich durch einen sehr einheit- lichen Charakter ihrer Elemente aus, so dass man stets nur einen Rumpf- und einen Schwanztheil unterscheiden kann. Die Grenze zwischen beiden fällt mit dem Hinterende der Leibeshöhle zusammen.

Während die die ganze Körperlänge durchsetzende, nur von weichem Blastem umgebene Chorda dorsalis des Amphioxus noch den frühesten,- erabryonalen, gänzlich ungegliederten Typus darstellt, treten in der Reihe der Cyclostomen, und zwar namentlich bei Petromyzonten schon maimigfach gestaltete Knorpelelemente auf, welche der derben, fibrillären Chordascheide in Form von Bogen rudimenten direct aufsitzen, dorsal aber in der Mittellinie nicht zusammenfliessen. Jene Knorpel- stücke, von denen je zwei Paare auf ein jMuskelsegment entfallen, sind den später zu betrachtenden Intercalar stücken der Selachier homolog, und zwar ist massgebend dafür der Durchtritt der Spinal- nerven. Sie dienen in erster Linie als Ansatz- und Ursprungspunkte für die Muskeln, welche dadurch an Leistungsfähigkeit gewinnen, zu- gleich erhält auch das Rückenmark einen Schutzapparat.

In der mittleren Körperregion treten auch dorsal von den Wirbelbogen lie- gende Pro ce ssus spinosi, also D orn fort Sätze, auf. In der Schwanz-

stehend zu denken. So finden sich bei den eben genannten Schuppenlurchen zwei seitliche Keile (Centra propria, Cope), welchen der aus paariger Knochenanlage hervorgehende obere Bogen mit seinen Fortsätzen aufsitzt. Zwischen die eigentlichen Wirbel einge- sprengt liegt das Intercentrum (Cope) oder Hypocentruni (Gaudry). Dieses fungirt als Rippenträger. Alle jene verschiedenen Knochencentren sind auf mechanische, im Laufe der Phylogenese einwirkende Ursachen (schlängelnde Bewegung) zurückzuführen.

Skelet. 37

R uH B M, JV Tr ^^y OB Oh j^f.

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Fig. 26. Kopfskelet von Petromyzon Planer i. -L5 Labialknorpel, J? knorpelige, ringförmige Inlage des Saugmundes, A, B, C drei weitere Stützplatten des Saugmundes, ZB Zungenbein, A'^a Apertura nasalis externa, A'' Nasensack, ^Tr Trabekel, P^^ Palato-Quadratum, I(j Spange, die uoeh zum Palato-quadratum gehört, S8 fibröses Schädelrohr, welches nach hinten bei MC (Medullarkanal) durchschnitten ist, OB Ohrblase. Ob obere Bogen , Hy Hyoid, KO Kiemenöfifnungen, f hinterer Blindsack des Kiemenkorbes, **Querspangen des Kiemenkorbes, C Chorda.

gegend, wo die Bogen zu einer continuirlichen , nur von den Nervenlöchern durchbrochenen Knorpelleiste zusammeufliesaen , erscheinen auch untere Bogen und diese vereinigen sich mit unteren Processus spinosi in ganz ähnlicher Weise, wie dies mit den oberen X)ornfortsätzen der Fall ist (vergl. den Passus auf pag. 36 , wo von Neuro- und Hämapophysen die Rede ist.

Bei Ammocoetes finden sich Knorpelelemente nur in der Schwanz- gegend. Der Schwanzknorpel von Myxine und Bdellostoma ähnelt sehr dem der Petromyzonten und des Ammocoetes. Bei allen diesen unter- scheiden sich die knorpeligen Dornfortsätze von denjenigen der Haie und Rochen dadurch , dass sie ungegliedert sind. Zwei von der Basis cranii von Petromyzon an der Ventralseite der Chorda nach rückwärts sich er- streckende, schmale Knorpelstreifen sind, wenn auch nicht immer regel- mässig, segmentirt und können als die ersten Andeutungen von Wir- belkörpern gelten, ganz ähnlich, wie sie z. B. bei Chimaera vor- kommen. Auch bei Sturionen finden sich derartige Bildungen.

Wir sehen also, dass die Myxinoiden und Ammocoetes mit ihrer ungegliederten Wirbelsäule eine niedrigere Entwicklung darbieten als die Petromyzonten, bei welchen die Spuren einer Segmentirung nicht zu verkennen sind.

An diese Verhältnisse der Cyclostomen lassen sich diejenigen der Knorpelganoiden, Chimären und Dipnoör diiect anknüpfen, insofern sich bei ihnen der metamere Charakter im Wesentlichen durch die oberen Bogen ausspricht.

Statt der Wirbelkörper fungirt hier die starke, concentrisch ge- schichtete Chordascheide (Fig. 28 Cs), in welcher sich dorsal wie ventral paarig angeordnete Knorpelplatten entwickeln. Die dorsalen wachsen zu den schon erwähnten oberen, die ventralen zu unteren Bogen aus (Fig. 27, 28 Ob, üb). Letztere uraschliessen in der Schwanzgegend die Aorta- und die Vena caudalis, weiter nach vorne aber kommt es nicht mehr zum Zusammenschluss des Knorpels in der ventralen Mittellinie, und in Folge dessen endet der untere Bogen jeder- seits in einem lateralwärts gerichteten Knorpelzapfen „Basal stumpf", der sich abgliedern und rippenartige Anhängsel darstellen kann. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei Selachiern und Teleostiern. Zur weiteren Festigung der Wirbelsäule treten bei Knorpelganoiden

38

Specieller Theil.

UDd Sei ach lern zwischen den oberen und unteren Bogen sogenannte Schaltstücke (Intercalaria) auf (Fig. 27, 28 Ic).

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Ic

Cs

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Fig. 27.

Fig. 27. Wirbelsä ul e von Spatularia, seitliche Ansicht. Fig. 28. Wirbel- säule von Acipenser ruth. aus dem vorderen Körperabschnitt. Ps Pro- cessus spinosi, .EZ elastisches Längsband, /S'/S' fibrilläres Gewebe, 05 obere Bogen, i)7Medulla spinal., P Pia, Ic Intercalarstücke, Cs Chordascheide, C Chorda dors., Ee Elastica externa, üb untere Bogen, Ao Aorta, Fo medianwärts einspringende Querspangen der unteren Bogen, welche ventralwärts die Aorta umschliessen, Z Basalstümpfe der unteren Bogen.

Fig. 29. Stück der Wirbelsäule von Protopterus, seitliche Ansicht. C Chorda, DF Dornfortsätze, FT Flossenträger, FS Flossenstrahlen.

Eine viel höhere Stufe erreicht die Wirbelsäule der Knochen- ganoiden dadurch, dass sich bei ihnen rings um die Chorda Knorpel entwickelt, von dem die Bögen unmittelbar auswachsen und von dem auch die Bildung der eigentlichen Wirbelkörper ihren Ausgang nimmt. Zugleich tritt im Bereich des ganzen Wirbels ein ausgedehnter Ossificationsprocess auf, welcher der Wirbelsäule ein ungemein derbes und festes Aussehen verleiht. Hand in Hand damit zeigt die Chorda kein gleichmässiges Wachsthum mehr, sondern erscheint im Centrum jedes Wirbelkörpers, also vertebral,- d. h. innerhalb des Wirbelkörpers eingeschnürt, resp. ganz abge- schnürt, während sie intervertebral ausgedehnt bleibt und so ge- wissermassen die Kitt- oder Ausfüllmasse abgibt für je zwei aneinander- stossende Wirbelkörper (Fig. 31 0, C^). Diesen Vorgang können wir

Fig. 31.

Pig. 30.

Fig. 30. Stück der Wirbelsäule von Polypterus. WK Wirbelkörper, BF Basal fortsätze (Basalstümpfe), Ob obere Bogen, Ps Processus spinosi.

Fig. 31. Schematische Darstellung des i n te r ve r t eb r al en Chorda- wachsthums. C, C^ ausgedehnte und eingeschnürte Chorda, WK Wirbelkörper, Li Li- gamenta intervertebralia.

Skelet.

39

bei sämmtlichen übrigen Fischen, also bei Selachiern und Tele- 0 stiem wieder constatiren und so wird also hier der Wirbelkörper stets tief biconcav sein und einen Doppelkegel darstellen.

Von diesem Verhalten macht einer der Knochenganoiden , nämlich Lepidosteus, eine bemerkenswerthe Ausnahme, insofern es zwischen den einzelnen Wirbelkörpern zu förmlichen Gelenkbildungen kommt. Am hinteren Umfang jedes Wirbelkörpers entwickelt sich hier eine Grube, in welcher der nächst hintere Wirbel mit einem Gelenkkopf eingelassen ist. Bei ausgewachsenen Exemplaren ist die Chorda (mit Ausnahme der Schwanz- gegend) gänzlich verschwunden , in der Fötalperiode aber zeigt sie sich intravertebral ausgedehnt, intervertebral aber eingeschnürt, ein Verhalten, das uns erst wieder bei höheren Typen, wie z, B. bei Repti- lien, entgegentritt.

JCnJOi'

Li

Ob

Ic

FK

jm:

Fig. 32.

Fig. 33.

Fig. 32. Stücli der Wirbelsäule eines jungen Haifisches (Scylliumcan.). Nach Cartier. C Chorda, Kn äussere, Kn'^ innere Knorpelzone, FK die dazwischen lie- gende, in Verkalkung begriflfene Faserknorpelmasse, Li Intervertebralligament.

Big. 33. Stück der Wirbelsäule von Seymnus. PFiT Wirbelkörper, Ob obere Bogen, Ic Intercalarstücke. Die in den Bogen und den Interealarstücken sichtbaren Löcher bezeichnen den Austritt der Spinalnerven.

Der primitive Charakter der Fischwirbelsäule findet auch darin seinen Ausdruck, dass es nur ausnahmsweise zu einer dorsalwärts erfolgenden Ver- wachsung der Bogentheile untereinander kommt. In der Hegel wird der Abschluss durch besondere Knorpelplättchen und ein stets vorhandenes, elastisches Längsband erzielt. Zuweilen keilen sich auch die Dornfortsätze pflockartig zwischen die Bogenhälften hinein. Dasselbe gilt auch für die im Caudalabschnitte der Wirbelsäule auftretenden unteren Bildungen gleichen Namens,

Haie und Ganoiden besitzen eine grössere Wirbelzahl (bis nahe an 400) als die Teleostier, bei welchen selten mehr als 70 Wirbel getroffen werden; der Aal besitzt übrigens circa 200.

Eine besondere Aufmerksamkeit erheischt die Schwanzwirbel- säule der Fische und wir haben dabei von dem primitiven Verhalten des Amphioxus, der Cyclostomen und Dipnoer auszugehen. Hier läuft die Chorda dorsalis vollkommen gerade bis ans Hinter ende des Körpers und wird ganz symmetrisch von der Schwanzflosse umgeben. (Homocerker Fischschwauz.) Diesem Verhalten begegnen wir auch bei devonischen Fischen, sowie in den Jugendstadien der Knochen- fische (Fig. 34). Bald tritt aber hier, in Folge ungleicher Wachsthums- verhältnisse, eine stärkere Entwicklung der ventralen Hälfte der Schwanz-

40

Speoieller Theil.

Fig. 34. Schwanz von Protopterus.

Fig. 35. Schwanz von Lepidosteus.

flösse resp. ihres Stützskeletes ein und dadurch erfährt die Wirbelsäule eine Abweichung in dorsaler Richtung (Heterocerker Fisch- schwanz) (Fig. 35). Die Heterocerkie kann eine äusserlich sofort erkennbare sein (viele fossile Fische), oder ist sie nur eine innerliche und wird durch eine mehr oder weniger symmetrische Schwanzflosse äusserlich maskirt (Lepidosteus, Amia, Salmo,Esoxu. v, a.).

Amphibien.

Abgesehen von den fusslosen Schleichenlurchen kann man an der Wirbelsäule aller Amphibien einen Hals-, Brust-, Lenden-, Kreuzbein- und Schwanztheil unterscheiden, und diese Abgrenzung in zahlreichere Regionen lässt sich von hier bis zu den Säugethieren hinauf durchführen.

Wie bei den meisten Fischen, so erleidet auch bei den Urodeleu im Larvenzustand die Chorda dorsalis eine vertebrale Einschnürung, während sie intervertebral weiterwächst und sich dem entsprechend ausdehnt. Also handelt es sich auch hier um amphicöle Wirbel. Weiterhin entwickeln sich intervertebrale Knorpelmassen, welche, central- wärts fortwuchernd, die Chorda mehr und mehr einschnüren, so dass sie schliesslich ganz zum Schwund gebracht werden kann. Endlich tritt ein Diflferenzirungs-, sowie ein von der Peripherie fortschreitender Re- sorptionsprocess in den betreflenden Knorpeltheileu auf; es kommt in ihrem Innern zur Bildung einer Gelenk höhle, so dass man am

Skelet.

41

Wirbelkörper der höheren Urodelen vorne einen von Knorpel überzogenen Gelenkkopf, hinten dagegen eine von Knorpel ausgekleidete Pfanne unterscheiden kann (opisthocoeler Wirbelcharacter). (Ein Blick auf die Fig. 36 Ä D wird dieses deutlich illustriren.)

Itiql

Fig. 36. Längsdurchschnitte durch die Wirbelsäule einiger Uro- delen. A von Ranodonsib., B von Amblystomatigrinum, C von Gy- rinophilus porphyr. (die drei vordersten Wirbel /, //, HI), D von S a 1 a m a n d r i n a perspicill. (?/« Chorda, Jyjfc Intervertebralknorpel, C-ff^ Intervertebrale Knorpel- und Fett- zellen, K Peripherer Knochenmantel des Wirbelkörpers, R Rippen- und Querfortsätze, S In- tervertebrale Einschnürung der Chorda bei Amblystoma tigr. ohne Knorpel- und Fettzellen. ** Die intervertebral liegenden Knorpelcommissuren. Mh, Mh Markhöhlen, Gx), Gk Gelenk- pfanne und Gelenkkopf. Ligt Ligamenta intervertebralia.

Somit kann man in der Ausbildung der Urodelenwirbelsäule drei Etappen unterscheiden: 1) eine Verbindung der einzelnen Wirbelkörper durch die intervertebral ausgedehnte Chorda dorsalis. 2) eine Verbindung durch interverte- brale Knorpelmasseu und 3) endlich eine gelenkige Ver- bin d u n g. Diese drei verschiedenen Entwicklungsstadien finden ihre vollkommene Parallele in der Stammesentwicklung der geschwänzten Amphibien, indem sowohl alle fossilen Formen, wie z. B. die Stego- cephalen der Kohle und die Labyrinthodonten, als auch die Ichthyoden, Derotremen , sowie viele Salaman drin en ein-

42

Specieller Theil.

SU^

l'fc

fach biconcave Wirbel ohne Differenziriing von Gelenkköpfen und -Pfannen aufweisen ').

Während sich nun die Wirbel der Urodelen nicht von der Chorda- scheide aus, sondern im umgebenden Bindegewebe, ohne präformirte Knorpelgrundlage, entwickeln, sind diejenigen der un geschwänzten Amphibien (Anuren), genau wie diejenigen der Selachier, Knochen- ganoiden und höheren Vertebraten , knorpelig p r ä f o r m i r t. Stets kommt es zwischen den einzelnen Wirbelkörpern zu echten Gelenk- bildungen, und zwar entsteht der Gelenkkopf in der Regel am hinteren, die Gelenkpfanne am vorderen Wirbelende (procöler Wirbelcha- rakter). Ein weiterer Unterschied liegt in dem Verhalten der Chorda, indem sie intra- vertebral länger persistirt als vertebral, ein Verhalten, das zu den Reptilien hin- überführt. Endlich wäre noch auf die Confi- guration der Schwan z Wirbelsäule , als einen Hauptdifferenz-Punkt zwischen geschwänz- ten und ungeschwänzten Amphiljien, aufmerksam zu machen. Der lange, an die Urodelen erin- nernde Caudaltheil der Froschlarven-Wirbelsäule geht mit der Verwandlung des Thieres allmälig einer regressiven Metamorphose entgegen und die innerhalb des Rumpfes gelegenen Wirbel fliessen schliesslich zu einem langen, unge- gliederten, dolchartigen Knochen, dem sog. Steissbein(Os coccygis) synostotisch mit einander zusammen (Fig. 37 Oc).

Die oberen Wirl)el bogen entstehen in directem Zusammenhang mit den Wirbelkörpern und dies gilt auch für die unteren. Letztere sind einzig und allein auf die Schwanzwirbelsäule der Urodelen beschränkt und entsprechen offen- bar den früher schon erwähnten Basalstümpfen ' der Ganoiden- Wirbelkörper. Die vordersten von ihnen fungiren da und dort noch als Rippen- träger und dieser eine Umstand genügt schon, um die frühere Ansicht, wonach die unteren Bogen modihcirte Querfortsätze oder festge- wachsene Rippen sein sollen, als unhaltbar er-

wirbelOJ oberer Bogen des scheinen ZU laSSCU ( WiEDERSHEIM). ersten Wirbels, Sa seine seit- -r^- t% r \ •■ ^ t

lieben Geienkflächen, Po sein Dl« D 0 r n f 0 r t sa tz c , sowie die vom

vorderer Fortsatz, B. Rippen, zwciteu Wirbel an auftretenden , in der Regel

doppel wurzeligen Querf ortsätze zeigen die allerverscliiedensten , häufig nach Körpergegenden variirenden Gestal- tungen und Grössenverhältnisse. Eine l)esonders starke Entfaltung und dies gilt vor Allem für die Anuren zeigt der Processus trans- versus des das Becken tragenden, einzigen Sacralwirbels.

1) Die paläozoischen Lurche zeigen einen dreifach verschiedenen Wirbelbau. Danach kann man dieselben in folgende drei Gruppen bringen: 1) Rhachitomi: Wir- belkörper aus einem Complex mehrerer Knochencentra bestehend, zu welchen stets nur ein Bogen gehört. 2) Embolomeri: Jeder Wirbel aus zwei hintereinander liegenden Segmenten bestehend. Je zwei dieser Wirbelkörper tragen nur einen oberen Bogen. 3) Stegocephalen: Wirbelkörper einheitlich mit je nur einem oberen Bogen.

Fig. 37. Wirbelsäule von Discoglossus pictus. Pa Processus articulares, P.s Processus spinosi, Pt Processus transversi der Rumpfwirbel- säule, PU Processus trans- versi der Caudalwirbelsäule (Os coccygis, Oc), SW Sacral

Skelet. 43

An jedem Wirbel imtersclieidet man bei allen Amphibien zwei Paare von Geleukfortsätz en (Processus articulares s. obliqui), welche an der vordem und hinteren Circumferenz der Basis des Wirbel- l)ogens angeordnet sind und mit überknorpelten Flächen von Wirbel zu Wirbel dachziegelartig übereinandergreifen (Fig. 37 Pa)- Rechnet man dazu noch das Verhalten der Dornfortsätze, die, wie oben erwähnt, bei manchen Urodelen mit einander articuliren können, so lässt sich ver- stehen, wie aus der in ihren einzelnen Ghedern nur wenig beweglichen Wirbelsäule der Ganoiden und Selachier bei Amphibien, wie vor allem bei Urodelen, eine elegante , in ihren einzelnen Stücken leicht be- wegliche Kette geworden ist, welche in letzter Instanz zurückzuführen ist auf die veränderte, dem Landleben angepasste Bewegungsart des Thieres.

Es erübrigt noch, auf den ersten Rumpfwirbel, die einzige Ver- tebra cervicalis der Amphibien , einen Blick zu werfen. Durch seine Beziehungen zum Schädel ist er in einer Weise modificirt, wie dies nirgends in der Reihe der Fische zur Beobachtung kommt. Von den Amphibien an macht sich von Seiten der Halswirbelsäule und des Schädels das Bestreben bemerklich , eine immer freiere Beweglichkeit zu erreichen. Der erste Wirbel der Amphibien zeichnet sich den übrigen Wirbeln gegenüber im Wesentlichen durch negative Charaktere aus, in- dem er nur einen einfachen Ring darstellt mit einem schwach ent- wickelten Wirbelkörper; Querfortsätze und Rippen fehlen in der Regel, oder sind sie, was die ersteren anbelangt, doch nur rudimentär vorhanden. Seine directe Anlagerung an den Schädel hat diesem Wirljel den Namen Atlas verschafft, jedoch mit Unrecht, da der eigentliche Atlas der Amphibien, d.h. der erste Wirbel der übrigen Vertebraten, wohl ur- sprünglich als discrete Masse sich anlegt, später aber seine Selbständig- keit aufgibt und mit dem Occipitaltheil des Schädels zu einer Masse zu- sammenfliesst (Ph. STr»Hii). Aus diesem Grunde ist der sogenannte Atlas der Amphibien kein solcher, sondern entspricht dem Epistropheus der höheren Vertebraten, d. h. dem zw ei ten Wirbel derselben. Er besitzt an der vorderen Circumferenz seines unteren Bogens einen schaufel- artigen, an seiner ventralen Fläche von Knorpel überzogenen Fortsatz (Proc. odontoides aut. Fig. 37 Po)^ der mit der Basalplatte des Schädels articulirt. Seine Entwicklungsgeschichte beweist, dass er aus dem hintersten Abschnitt der verknorpelnden Schädelchorda entsteht, indem letztere sich aus der Basalplatte allmälig herausschnürt, um späterhin synostotisch mit dem W^irbel zu verschmelzen. Rechts und links vom Proc. odontoides liegen zwei mit den Occipitalhöckern des Schädels articulirende Gelenkfacetten {Sg\ die als umgewandelte Proc. transversi aufzufassen sind. Processus articulares sind nur am hinteren Umfang entwickelt.

Was die Zahl der den einzelnen Regionen der Columna vertebralis an- gehörigen Wirbel betrifft, so beläuft sie sich bei den heutigen Anuren con- stant auf acht präsacrale und einen sacralen Wirbel, welch' letzterer ent- weder noch wohl differenzirt oder mit der Masse des dahinterliegenden Steissbeins untrennbar zusammengeflossen ist. Die Frösche des Diluviums und der Tertiärzeit besassen im Ganzen elf wohl differenzirte Wirbel, wovon zwei auf das Steissbein kamen. Viel schwankender sind die Zahleuverhält- nisse der Urodelenwirbel, wovon ich hier einige übersichtlich zusammenstellen

44

Specieller Theil.

will. Ich bemerke aber dazu, dass sogar bei Individuen einer und derselben Art Schwankungen vorzukommen pflegen.

Halswirbel

Stamm- wirbel

Sacral- wirbel

Caudal- wirbel

1

13

1

32—42

1

15

1

36

1

12

1

23—25

1

14

1

23

Summe

aller Wirbel

Salamandrina perspic. Triton cri Status . Triton helveticus Spelerpes fuscus .

47—57

53 37—39

39

Eine viel grössere Wirbelzalil findet sich bei Perennibranchiaten, Derotremen und Gymnophioneu. So besitzt z. B. Siren lacer- tina etwa 100, Proteus 60 Wirbel u. s. w.

Reptilien.

Im Gegensatz zu den zahlreichen fossilen Formen zeigen nur wenige der heutigen Reptilien, nämlich Hatteria und die Ascalaboten, zeitlebens den primitiven, biconcaven Wirbelcharakter mit interverte- bral ausgedehnter Chorda dorsahs. Dazu kommt noch, dass der bei den paläozoischen Schuppenlurchen erwähnte Zerfall des Wirbels in mehrere Theilstücke auch bei den Rhynchocephalen noch durch Suturen angedeutet ist. Man kann nämlich hier zwei obere Bogen- liälften , das eigentliche Wirbelcentrum und das Intercentrum, unter- scheiden.

Bei allen übrigen bleibt die Chorda intravertebral länger ausge- dehnt, geht aber nach vollendetem Wachsthum spurlos zu Grunde und wird durch Knochengewebe ersetzt. Darin, d. h. in der durchweg stär- keren solideren Verknöcherung liegt überhaupt der charak- teristische Unterschied zwischen dem Gesammtskelet der Ichthyop- siden einer- und demjenigen der Amnioten andererseits. In der Regel kommt es zu einer, nach dem p r o c ö 1 e n Typus gebildeten Ge- lenkverbindung zwischen den einzelnen Wirbelkörpern ; eine Ausnahme machen nur die oben genannten Sauriergeschlechter mit intervertebralem Chordawachsthum, sowie die Crocodilier, bei welchen interverte- brale Bandscheiben existiren.

Was den Zerfall in einzelne Regionen, sowie das Auftreten von Fortsätzen anbelangt, so gilt dafür die für die Amphibien- Wirbel- säule aufgestellte Eintheilung, doch besteht bei den Reptilien die Hals- wirbelsäule nicht wie dort nur aus einem, sondern stets aus mehreren Wirbeln ; auch sind stets mindestens zwei S a c r a 1 w i r b e P ) mit kräf- tigen Querfortsätzen vorhanden. Ein gewöhnlich aus drei Stücken (bei C r 0 c o d i 1 i e r n finden sich vier) bestehender Atlas (über den sog. Proatlas vergl. Fig. 08) und ein mit einem Zahnfortsatz versehener Epist r opheus, welch' letzterer den Amphibien gegenüber als eine neue Erwerbung erscheint, sind überall gut entwickelt. Der Kopf ei-- hält eine freiere Beweglichkeit ; die Wirbelsäule difierenzirt sich schärfer in die einzelnen Regionen.

1) Bei Crocodiliern finden sich nicht selten drei Sacralwirbel, wodurch dann die Zahl der präsacralen Wirbel eine Beschränkung erfährt. Bei den M a m m a 1 i a besteht hierfür eine Parallele.

Skelet.

45

In Folge des mangelnden Schultergürtels kann man an der Wirbelsäule der Schlangen und Amphisbänen, wie dies auch für die Schlei- chenlurche gilt (s. oben), nur einen Rumpf- und Caudaltheil unter- scheiden.

Sehr variable, ja sogar individuell schwankende Yerhältnisse zeigt die Wirbelsäule der Schildkröten; es können hier in einem und demsel- ben Individuum procöle, amphicöle, opisthocöle, ja selbst bi- convexe Wirbel mit knorpeligen, von der Chorda durchsetzten Inter- vertebralscheiben in bunter Reihenfolge mit einander abwechseln. Zuweilen kommt es im Schwanz- und Halstheil nicht einmal zur Herausbildung eigent- licher Gelenke, und die Wirbelsäule bleibt so gewissermassen auf embryo- naler Stufe stehen (Seeschildkröten).

Eine ganz besondere Beachtung verdient die Wirbelsäule der Chelo- nier, auch deshalb, weil ein grosser, acht Wirbel umfassender Theil von ihr in synostotische Beziehungen zu den Hautknochen des Rückenschildes tritt und so in seinen einzelnen Theilen starr und unbeweglich wird (vergl. das Hautskelet).

Die Wirbelkörper und -bogen der Ophidier, Lacertilier und Chelonier sind synosto- tisch mit einander verbunden, bei Crocodiliern aber bleiben sie durch eine Naht getrennt. Das- selbe wird ausnahmsweise auch bei C h e 1 0 n i e r n , z. B. bei C h e - lone midas, beobachtet.

F^

Bei der verschiedenen Wirbel- zahl verschiedener Regionen gilt als durchgehendes, für die ganze Wirbelthierreihe anwendbares Gesetz, dass sich die Regionen stets auf Kosten benachbarter vergrössern ; so besitzen z. B. die Lacertilier viel weni- ger Halswirbel und desto mehr Brustwirbel , während bei an- dern , namentlich bei ausge-. storbenen Formen (z. B. bei P 1 e s i 0 s a u r u s) , die Hals- wirbelsäule wieder an Länge prävalirt und andererseits der abschnitt sich verkürzt.

Fig. 38. Vorderer Abschnitt der Wirbelsäule eines jungen K r o ko d i 1 s. WK Wirbelkörper, Oh obere Bogen, T& Proces- sus spinosi, 18 Intervertebralscheibeii, Pt Proces- sus transversi, von der Bogenwurzel entspringend und bei f mit den Rijjpen (2?, Ä*, iJ2) articulirend, A Atlas, u sein unteres Schlussstück, s seine Bogen- theile, o der sogenannte Proatlas, d. h. letzter Rest eines einst zwischen Atlas und Hinterliaupt existirenden Wirbels, wie er auch noch bei R h y n - chocephalen und Chamäleon iden ange- deutet ist, E}) Epistropheus, bei h mit den Seiten - theilen des Atlas articulirend, Po Processus odon- toides.

Thorax und der zugehörige Wirbelsilulen-

Bei den Reptilien der Vorzeit, die sowohl nach Grösse als nach Reich- thum der Arten die heutigen Vertreter der Gruppe weit übertrafen, bestand das Kreuzbein nicht selten aus mehr als zwei, nämlich aus 4 5 Wirbeln.

Von den monströsen Verhältnissen dieser alten Reptiliengeschlechter kann man sich durch folgende Thatsachen eine Vorstellung machen :

Der zu den Dinosauriern gehörige Atlantosaurus immanis Nord-Amerikas erreichte eine Länge von circa 80 Fuss und besass einen

46 Specieller Theil.

Oberschenkel , der über 8 Fuss lang und oben 25 Zoll breit war. Der Uuerdurchmesser der einzelnen Wirbel betrug 16 Zoll, ja der in denselben Schichten vorkommende Apatosaurus 1 a ti co 11 i s besass Halswirbel, die eine Breite von 3| Fuss erreichten.

Sehr merkwürdig geformt waren die Wirbel des einst die warmen Jura- meere bewohnenden Ichthyosaurus und Eosaurus, beides Formen, die Anknüpfungspunkte darbieten an die heutigen Amphibien und Saurier, wie vor Allem au die Derotremeu. Wirbelkörper und -bogen waren ab- geplattete, hohe, tief biconcave Scheiben, ähnlich wie bei Fischen ; die rudi- mentären Querfortsätze zeigen sich jederseits durch zwei seitliche Protu- beranzen repräsentirt. Die oberen Bogen waren dorsalwärts, ähnlich wie bei Dipnoern und G a n o i d e n , nicht , oder doch nur durch Knorpel oder Bindegewebe geschlossen. Die ganze Wirbelsäule zerfällt, da ein Sacrum fehlt, nur in zwei Abschnitte, einen präcaudalen und einen cau- d a 1 e n ; letzterer war mit unteren Bogen versehen.

Fig. 39. Ram p h orliy ucli u s phyllurus, Marsh. Restaur. von Prof. O. C. Marsh.

Während sich demnach die Wirbel des Ichthyosaurus wesentlich durch negative Charaktere auszeichnen, sind diejenigen des Plesiosaurus, Pliosaurus, Nothosaurus, Simosaurus etc. mit allen, den heute lebenden Reptilien zukommenden, Fortsätzen ausgestattet, doch herrscht auch bei ihnen der biconcave Charakter vor. Körper und Bogen sind wie bei Dinosauriern meist getrennt, Sacralwirbel sind stets vorhanden: Atlas und Epistropheus waren häufig verwachsen, was auch für Plesio- saurus und Pterodactylus gilt. Die Halswirbel des letzteren waren lang gestreckt und nach Vogelart geformt; der Schwanz war rudimentär. Fig. 40.

Von besonderem Interesse ist der aus Eichstädt im fräuk. Jura stammende Rhamphorhynchus phyllurus, Maesh. Dieser besass am Ende seiner langen, aus sehr schlanken und dünnen Gliedstücken be- stehenden Schwanzwirbelsäule eine Art von häutigem Steuerruder. (Fig. 39.) Ferner war er mit enormen Flügeln ausgerüstet, die, ähnlich wie bei Fledermäusen, aus einer zarten, häutigen Membran bestanden. Die Spuren derselben sind im Gestein auf's deutlichste erhalten, und mit einer ähnlichen Flughaut ausgerüstet hat mau sich auch den Pterodactylus (Fig. 40) vorzustellen.

Die Keuntuiss der untergegangenen Reptiliengeschlechter ist deswegen vom allerhöchsten Interesse , weil wir in manchen Gruppen wichtige An- knüpfungspunkte an die Vögel erblicken dürfen.

Dass letztere von reptilartigen Vorfahren abstammen, kann keinem Zweifel mehr unterliegen, allein ihre Entwick- lungsbahnen durch die geologischen Perioden hindurch im Einzelnen zu ver-

Skelet.

47

Fig.

Pterodactylus, nach Goldfuss. (Des Handskelet ist conigirt.)

folgen, ist bis jetzt nicht möglich ; dazu reicht das zu Tage geförderte paläon- tologische Material noch nicht aus.

An der Spitze aller der dahin gehörigen Reste aus einer uralten Zeit steht der früher schon erwähnte, aus dem Solenhofener Jura stammende, Archae- opteryx lithographicus. Hier liegt uns ein Thier vor, welches die specifischen Merkmale eines Reptils mit denjenigen eines Vogels vereinigt. Vom grössten Interesse dabei ist die, wie bei einer Eidechse gebaute, aus zahlreichen Stücken bestehende Schwanzwirbelsäule. Was das Thier aber wieder als Vogel erscheinen lässt, das ist ein achtes Federkleid, und wie die Federn in biserialer Anordnung auch am Schwänze sitzen , lehrt ein Blick auf die Figur 41.

Vögel.

Nicht nur in phylogenetischer, sondern auch in ontogenetischer Be- ziehung stimmt die Vogelwirbelsäule mit derjenigen der Reptilien überein. Hier wie dort geht die Chorda dorsalis später gänzlich ver- loren und überall prägt sich eine starke Verknöcherung aus. Ein bi- concaver Wirbelcharakter, wie er noch bei Arch aeopteryx und dem. aus der Kreide Amerikas stammenden Ichthyornis vorliegt, kommt bei erwachsenen recenten Vögeln nirgends mehr zur Beobachtung, wohl aber finden sich in der Ontogenese noch Andeutungen davon. Erst in späteren Embryoualstadien bahnt sich das umgekehrte Verhalten an, wie ich dies bei den Reptilien auseinandergesetzt habe.

Wie bei letzteren , so unterscheidet man auch hier einen Hals-, Brust-, Lenden-, Kreuzbein- und Schwanztheil. Wirbel- körper und -bogen sind stets aus einem Guss und nirgends mehr in

48

Specieller Theil.

Fig. 41. A r ch a e o p t e r y X 1 i th og ra p h i c u s. Nach Owkn. Britisch. Museum. Linkerseits ist ein Theil der hinteren Extremität isolirt und in grösserem Formate darge- stellt. US Untersehenkel, MF Mittelfuss, ZZ^ Zehen.

(lor Art getrennt, wie dies bei gewissen Reptilien der Fall ist. Dies gilt auch nainentlicli für den Atlas, in welchem sogar häutig das den /ahnfortsatz des Epistropluuis fixireude Querl)aud verknöchern kann, so dass jeuer in einer Art von knöchernem Becher rotirt.

Fig. 42. Atlas und Epistropheus von Picus viridis. Ob Oberer Atlasbogen, A unterer Atlasbogen, f Articulationsstelle des letzteren mit dem Hinterhaupt , Po Processus odontoides , Wh Körper des Epistropheus, Sa sattelförmige Gelenkfläche an der hinteren Circumferenz desselben, Pt, Pt Processus trans- versi, Ps Processus spinosus des Epistropheus.

Skelet.

49

An der oft sehr langen und schlanken Halswirhelsäule, welche einer ausserordentlichen Beweglichkeit fähig ist, stehen die Wirbelkörper durch Sattelgelenke mit einander in Verbindung. Ihre Querfortsätze, wovon die obere Spange am Bogen, die untere vom Körper entspringt, sind durchbohrt und dem entsprechend sind auch die proximalen Rippen- enden gabelig getheilt. (Vergl. hiermit die Wirbelsäule der Crocodilier, Fig. 38.)

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Fig.

44.

Fig. 43.

Fig. 43. Becken von Strix bubo. Ventral-Ansicht. W Gegend der primären Sacralwirbel, zwischen R und //, sowie nach hinten von W liegen die secundären Sacral- wirbel. II Ileum , Is Ischium , P Pubicum , f Lücke zwischen Os ilei und Os pubis. B- Letztes Rippenpaar.

Fig. 44. Dritter Halswirbel von Picus viridis von vorne. Sa Gelenk- fläche des Wirbelkörpers, Oh obere Bogen, Pa Processus articul., Pi, Pt die beiden Spangen des Processus transversus, welche auf der einen Seite mit der Halsrippe R synostotisch zusammengeflossen sind, Ft Foramen transversarium, Psi dornartiger Fortsatz an der Unter- fläche des Wirbels.

In der Rumpfgegend sind die Wirbel unter einander zu einer nur wenig beweglichen, ja oft geradezu starren Masse verbunden und die zwischen ihnen liegenden faserknorpeligen, in ihrem Centrum durch- l)ohrten Bandscheiben dienen sozusagen als Kittsubstanz.

Was den Sacraltheil anbelangt, so fanden wir ihn bei den re- centen Reptilien durch zwei Wirbel dargestellt, während wir l)ei fossilen Formen die Zahl bis auf fünf oder gar sechs steigen sahen.

Im Hinblick darauf ist es interessant, dass auch l)ei Vogelem- b r y o n e n anfangs nur zwei Sacralwirbel mit dem Darmbein in Ver- bindung treten, während in der weitern Entwicklung immer mehr Wirbel, und zwar lumbale, thoracale und caudale ins Sacrum einbe- zogen werden und mit einander verschmelzen (Gegenbaur). Während man jene beiden ersten als primäre oder ächte Sacralwirbel betrachten kann (Fig. 43 "PT), sind letztere als secundäre Erwerbungen auf- zufassen. Die Gesammtzahl der Sacralwirbel kann bis auf 23 steigen.

Die Uuerfortsätze der beiden ächten Sacralwirbel ossificiren für sich, also nicht vom Wirbelbogen aus. Somit sind sie morphologisch als Rippen

Wi ed e rs he i m , (iriuidriss der vergl. Anatomie. 2. Auli. 4

50 Specieller Theil.

zu betrachten , so dass auch hier, so gut wie bei Amphibien und Eeptilien, das Becken eigentlich von Rippen getragen wird. Allerdings sind die eigentlichen Querfortsiitze, womit sich die Kippen verbinden, auch daran betheiligt.

Der Caud altheil zeigt bei den heutigen Vögeln stets einen mehr oder weniger rudimentären Charakter, ja die letzten Wirbel fliessen zu einer sagittal stehenden und manchmal auch seitlich sich ausbreitenden Platte zusammen. Sie ist aus sechs bis zehn Wirbeln zusammengeflossen zu denken , ist nach hinten zugespitzt und trägt die Steuerfedern ; bis auf minimale Spuren der Quer- und Dornfortsätze sind alle Wirbel- charaktere verwischt (Pygostyl). Eine Ausnahme von dieser Regel machen nur gewisse Ratiten, indem bei ihnen die einzelnen Wirbel bis zur Schwanzspitze hinaus abgegliedert bleiben. Dass dieses Ver- halten als das ursprünglichere gelten muss, wird, abgesehen von der Entwicklungsgeschichte , auch durch den Archaeopteryx litho- graphicus bewiesen (Fig. 15, 41). Dahin gehört auch die Thatsache, dass der Schwanz mancher Vögel, z. B. des Wellenpapageis, in embryo- naler Zeit in viel grösserer Länge angelegt wird, als er später zur Aus- bildung gelangt (M. Braun), und ähnlichen Verhältnissen werden Avir bei Säugethier-Embryonen wieder begegnen ^).

Säuger.

Dir acte Anknüpfungspunkte an Reptilien und Vögel existiren nicht. Die Chorda erhält sich intervertebral länger als intravertebral , geht aber mit dem Abschluss der Entwicklung gänzlich zu Grunde.

An ihrer Stelle liegt dann zeitlebens eine gallertige, pulpöse Masse im Centrum der faserknorpeligen Scheiben, welche sich zwischen den Wirbelkörpern entwickeln. Die gesammte Wirbelsäule ist knoi^pelig präformirt und die Bogen entwickeln sich in Continuität mit den Körpern, erhalten aber, wie auch die verschiedenen Fortsätze, besondere, nach vollendetem Wachsthum miteinander verschmelzende Ossificationspunkte. Nirgends kommt es zur Difl'erenzirung von eigentlichen Gelenken zwischen den einzelnen Wirbelkörpern, wold aber existiren, so gut wie bei Am- phibien, Reptilien und V()geln, wohl ausgebildete, von den Wirbelbogen entspringende Processus articulares. Der grössten Beweglichkeit erfreut sich in der Regel die Halswirbelsäule , wo die Wirbelkörper so stark gehöhlt sein können, dass es zur Ausprägung eines opisthocölen Cha- rakters kommt. Andrerseits beobachtet man aber auch gerade wieder an der Pars cervicalis die ausgedehntesten Verwachsungen der Wirbel untereinander (Cetaceen u. a.).

Der Atlas und Epistropheus unterscheiden sich principiell nicht von den gleichnamigen Theilen der Vögel, wohl aber erscheint die Ditterenzirung der Wirbelsäule in die einzelnen Regionen durch formelle Verschiedenheiten der zugehörigen Wirbel viel schärfer durchgeführt, als bei allen übrigen Wirbelthierklassen.

1) Rechnet man auf das Pygostyl heutiger Vögel circa 6, auf den Beckenantheil 7 8, auf den freien, abgegliedert bleibenden Schwanztheil etwa 5 Wirbel, so resultirt auch hier in embryonaler Zeit noch die stattliche Zahl von 18 19 freien Schwanzwirbeln. Erst der Assimilationsprocess seitens des Beckens, sowie die Bildung des Pygostyls , erzeugt dann jene grosse Kluft zwischen der Schwanzwirbelsäule des Archaeopteryx einer- und derjenigen der heutigen Vögel andrerseits.

Skelet. 51

Bei langhalsigen Ungulaten (Pferd , Kamel etc.) erreichen die Doru- forlsätze der vorderen Rumpfwirbel eine sehr starke Entwicklung, und Hand in Hand damit tritt ein kräftiges Nackenband als Träger des schweren Kopfes auf. Letzteres gilt auch für geweihtragende Thiere.

Die Querfortsätze entspringen stets nur ein wurzelig von der Wurzel des Wirbelbogens und auf der Ventralseite ihres distalen Endes sind sie zur Anlagerung des Rippenhöckers (Tuberculum costae) von Knorpel überzogen. An der Halswirbelsäule sind sie ähnlich wie bei Vögeln mit rudimentären Rippen zusammengeflossen und dazwischen existiren Foramina transversaria. In dem so gebildeten Canalis verte- bralis verläuft wie bei Crocodiliern und Vögeln die Arteria und Vena vertebralis.

Im Gebiet der Lumbal- und Sacralwirbelsäule , wo die Querfort- sätze vom Wirbel k ö r p e r entspringen, sind in diesen zugleich Rippen- elemente enthalten, w^eshalb man dafür besser den Namen Seiten- fortsätze gebrauchen würde (Rosenbeeg).

Es wird uns dies bei Besprechung der Rippen noch einmal be- schäftigen und für jetzt möchte ich nur betonen, dass bei den Säugern so gut wie bei Amphibien, Reptilien und Vögeln das Becken von Rippen resp. solchen plus Querfortsätzen getragen wird. Wie bei Reptilien und Vögeln, so sind auch bei Säugern zwei primäre S a c r a 1 w i r b e 1 vorhanden, zu denen dann in der Regel (bei Beutelthieren allein bleibt es bei der Zweizahl) noch einige Caudalwirbel secundär hinzutreten. Anfangs wie die übrigen Wirbel von einander getrennt, fliessen sie später synostotisch zusammen, ohne dass jedoch die früheren Trennungs- spuren ganz verloren gehen würden. Sie sind sowohl durch die Fora- mina sacralia, als durch quere, intervertebral gelagerte Knochenleisten angedeutet. Die Fortsatzbildungen sind am Sacraltheil mehr oder w'e- niger verwischt, jedoch unter Vergleichung mit der anstossenden Lenden- wirbelsäule immer leicht nachweisbar. Der erste Sacralwirbel erscheint bei Anthropoiden und vor Allem beim Menschen vom Lendeu- theil wie abgeknickt, ein Verhalten, das beim Embryo und auch noch im ersten Kindesalter nur schwach ausgeprägt ist, später aber durch den aufrechten Gang resp. Muskelzug und Druckverhältuisse sich immer mehr herausbildet. Die Folge davon ist, dass das unterste Ende der Lendenwirbelsäule ins Beckenlumen immer tiefer hereintritt und so das bildet, was man mit Promontorium bezeichnet. Auf der Dorsalseite des Kreuzbeins öfinet sich der Wirbelcanal (Hiatus sacralis), die Oeff- nung ist aber durch fibröses Gew^ebe und die äussere Haut verschlossen.

Die Schwauzwirbelsäule , an welcher sich mit Ausnahme der Si- renen, Cetaceen, Känguruhs und gewisser langschwänziger Affen, nie mehr untere Bogen entwickeln, zeigt in ihrer Ausdehnung grosse Extreme. Am meisten reducirt ist sie bei Primaten, wie z. B. beim Menschen, wo sich in raaximo 5—6, ja bei Affen mitunter eine noch geringere Zahl, das Os coccygis darstellende, Wirbel ent- wickeln. Der ganze Complex stellt einen kurzen, stummelartigen An- hang dar, der, was speciell die menschlichen Verhältnisse anbelangt, beim Mann häufiger als beim Weib mit dem Sacralende synostotisch verschmelzen kann. Die einzelnen Wirbel sind, namentlich gegen das hintere Ende zu, äusserst rudimentär und stellen hier, aller Fortsätze entbehrend, nur noch Wirbelkörper dar.

4*

52 Specieller Theil.

lu der fünften Woche seiner Entwickelung besitzt der menschliche Embryo die Anlage von 38 Caudalwirbeln , wovon allerdings die beiden letzten nicht mehr deutlich differenzirt erscheinen und kein Knorpelstadium mehr erreichen. Später tritt durch Zusammenfluss eine Eeduction ein, bis das oben erwähnte definitive Verhalten erreicht ist.

Es erhellt daraus zur Genüge, dass der Mensch früher ein längeres Axenskelet besessen haben muss, und damit stimmt auch das Verhalten des embryonalen Kückenmarkes überein.

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3. Hippen (Costae).

Die Rippen stellen zwar Anhangsgebilde der Wirbelsäule dar, sind aber im Allgemeinen nicht als Sprossen oder Auswüchse derselben auf- zufassen, sondern entwickeln sich selbständig in der skeletogenen Schicht, d. h. in dem Gewel)e der Somiten. Ihre Verbindung mit der Wirbelsäule erfolgt erst secundär (C. Hasse, E. Fick). In engstem Connex zu den Myocommata stehend, sind sie wie diese metamer und zwar int ervertebral angeordnet und durchlaufen ontogenetisch und phylogenetisch ein häutiges, knorpeliges und knöchernes Stadium. Der Ossificatiousprocess ist stets ein selbständiger, was

Skelet. 53

allein genügt, um sie genetisch von der Wirbelsäule zu trennen. Ihre Ausbildung, Beweglichkeit und Zahl ist in den verschiedenen Thier- kreisen eine sehr verschiedene; so stellen sie entweder nur kurze, zapfenartige, fast ganz horizontal gerichtete Anhänge der Wirbelsäule dar, oder sie wachsen länger aus und umscliliessen , erst bauchwärts zum Abschluss gelangend, nach Art von Fassreifen, die ganze Leibeshöhle. Die Rippen können sich über die ganze Länge der Wirbelsäule hin erstrecken, und wir haben dieses Verhalten, wie früher schon erwähnt, den höheren und höchsten Typen gegenüber, wo eine mehr oder weniger starke Reduction derselben eintritt, als das primitivere zu bezeichnen.

Fische und Dipnoer.

Bei Amphioxus, den Cyclostomeu, Chimären und man- chen Rochen kann man noch nicht von Rippen sprechen , an ihrer Stelle fungirt ein von der skeletogenen Schicht auswachsender fibröser Faserzug, welcher, basalwärts von der Chorda entstehend, sich zwischen die dorsale und ventrale Schicht des grossen Seitenrumpfmuskels hinein erstreckt. Bei allen übrigen Fischen sitzen die Rippen theils knorpelig, theils verknöchert den Basalstümpfen auf, entspringen also lateral und ventral von den zugehörigen Wirbelkörpern. Ich hebe dies ausdrücklich hervor, weil die Fische dadurch in schroffem Gegensatz zu den höheren Vertebraten stehen. Bei denDipnoern, wo eigentliche Basalstümpfe fehlen, liegen die proximalen Rippenenden direct am ventralen Umfang der Chordascheide.

Bei der Beschreibung der unteren Bogen wurde erwähnt, dass die- selben im Caudaltheil der Ganoiden gegen den Rumpf zu allmählich nicht mehr zusammenschliessen, sondern zapfenartige Anhänge darstellen, die sich weiterhin zu Rippen abgliedern können. Ich möchte daran jetzt wieder erinnern, da die Rippen der Ganoiden und wahrscheinlich auch der Dipnoer, indem sie auf die genannte Weise sich bilden, einen ganz anderen Entwicklungsplan besitzen , als er für die übrigen Wirbelthiere gilt. Sie sind, mit anderen Worten, Differenz! rungen unterer Bogen.

Da bei Selachiern und Teleostiern die unteren Bogen selbst Rippen tragen können, so fallen letztere unter einen andern morpholo- gischen Gesichtspunkt als diejenigen der Ganoiden, und gerade so ver- hält es sich mit den Rippen aller höheren Vertebraten. Ueberall muss man im Auge behalten, dass die im Caudaltheil auftretenden unteren Bogen (Hämapophysen) eine Bildung eigener Art sind, welche mit Rippen genetisch nichts zu schaffen hat, also nicht aus einer Con- crescenz derselben hervorgegangen sein kann. Ebensowenig darf man die unteren Bogen der Amphibien, Reptilien etc. für umgewandelte Querfortsätze halten, denn diese existiren, wie ich schon im Jahre 1875 gezeigt habe, im Caudalabschuitt ebenso gut neben den ujateren Bogen fort, als die Rippen (vergl. die Wirbelsäule der Urodelen). Die Rippen der Fische zeigen insofern ein sehr primitives Verhalten, als sie sich in der Regel über die ganze Länge der Wirbelsäule hin erstrecken. Rippenlose Fische , zu welchen die L o p h o b r a n c h i e r und Spatularia gehören, sind selten ; dagegen giebt es viele, welche nur rudimentäre Rippen besitzen (viele Knochenfische, Haie). Wieder bei andern, wie z. B. bei zahlreichen Knochenfischen und Ganoiden, zeigen sich die Rippen statthch entwickelt und um-

54

Specieller Theil.

greifen die Körperhöhle fassreifenartig , ohne jedoch in der ventralen Mittellinie zusamraenzuschliessen , und letzteres ist ein für die ganze Fischreihe giltiges Gesetz.

Von den bei gewissen Teleostiern bestehenden Beziehungen der vor- dersten Kippen zum Gehörorgan wird später die Rede sein.

Ainphilbien.

Hier Rippen in

begegnen

Sir

wir bedeutenden Rückbildungen ; einmal sind die der Regel auf den Rumpf beschränkt, oder greifen sie (bei gewissen Urodelen) höchstens noch auf die ersten Schwanzwirbel über, und ferner sind sie, zumal bei den ungeschwänzten Batra- c h i e r n , so ausserordenthch kurz , dass von einem Umgreifen der Körperhöhle keine Rede mehr sein kann. Bei vielen Anuren sind überhaupt keine deutlich abgegliederten Rippen mehr vorhanden, sondern sie sind mit den breiten Querfortsätzen zusammengeflossen (Fig. 45 i?).

Die Kippen der Urodelen sind an ihrem proximalen Ende gegabelt und articuliren so mit den früher schon erwähnten , gespaltenen Quer- fortsätzen am Wirbelbogen einer- und am Wirbel- körper andrerseits. Nur die an letzterem eingelenkte Spange entspricht ihrer Lage nach den Basais tümpfen der Ga- noiden, die andere (dorsale) ist als eine neue Erwerbung zu betrachten. In ganz gleichem Sinn sind die gespaltenen Rippenenden der Reptilien und Vögel, sowie die doppelten Con- tactflächen der Säugethierrippen an der Wirbelsäule aufzufassen.

Abgesehen vom ersten Wirbel, sind in der Regel alle übrigen Rumpfwirbel der Urodelen mit Rippen versehen, und nur in sehr seltenen Fällen (Spelerpes) existiren einige rippen- lose (Lenden-) Wirbel (Wiedersheim).

Reptilien.

Hier begegnen wir durchweg sehr stattlich entwickelten Rippen, und stets fliesst eine grössere oder geringe reAnzahl der- selben bauchwärts zu einem soge- zusammen. Die hieran betheihgteu Rippen werden als „wahre" den „falschen" gegenübergestellt.

Die geringste Ditferenzirung zeigen die Rippen der Schlangen, indem sie sich hier, ohne ein Brustbein zu bilden, in ziemlich gleich- massiger Form und Grösse vom dritten Halswirbel an den ganzen Rumpf entlang bis zum After erstrecken. Bei Lacertiliern, wo man ein dorsales knöchernes, ungegabeltes und ein ventrales knor-

rig. 45. Wirbelsäule von Discoglossus pictus. Ta Processus articulares, Fs Processus spinosi, i^ Processus transversi der Rumpfwirbel- säule , Pte Processus trans- versi der Caudalwirbelsäule (Os coccygis, Oc) /SfFSacral- wirbel, Oh oberer Bogen des ersten Wirbels, Sg seine seit- lichen Gelenkflächen, Po sein vorderer Fortsatz, ü Rippen.

nannten Brustbein

Skelet.

55

peliges Stück unterscheiden kann, erreichen sie zu dreien oder vieren das Brustbein.

Bei den Cheloniern ver- J>

wachsen die Halsrippen mit den Wirbeln mehr oder weniger voll- ständig, im Rumpftheil dagegen kommt es zu einer Verlöthung der Rippen mit den sogenannten p^ Costalplatten des Rückenschil- .j. ^-; des. Ihr proximales, ungega- jt^j^ beltes Ende entspringt zwischen , je zwei Wirbeln am Zusammen- ^ stoss des Corpus und Arcus vertebrae.

Die proximalen Enden der

Po

M^

M

Fig. 46. Vorderer Abschnitt der Wirbelsäule eines jungen Krokodils.

CrOCOdilier- Rippen sind ir^ Wirbelkörper, Oh obere Bogen, P, Proces- in der Halsgegend den doppel- sus spinosl, IS Intervertebralscheiben, Pt Proces- ten Querfortsätzen entsprechend sus transversi, von der Bogenwurzel entspringend

gegabelt, wodurch ein Canal ge- ^°*^ ^^' i" ""^^ ^^" ^^'I'P'^" (^' ^'. ■«') articuiirend,

hilHpt wirrl Wpitpr narh hintPn "^'*' " **®'" unteres Schlussstück, s seine Bogen-

Dliaei WirCl. VV euer nacn nmien ti,g;ig^ ^^j. sogenannte Proatlas, d. h. letzter

ZU nehmen die Rippen an Länge Rest eines einst zwischen Atlas und Hinterhaupt

ZU und gliedern sich in zwei existirenden Wirbels, wie er auch noch bei R h y n -

bis drei celenki^" verbundene chocephalen und Chamäleonlden ange-

Ähtjplinittp^ Dabpfln^^f mVb qll- ^""^^^^ '^*' ^^ Epistropheus, bei h mit den Seiten-

AOSCnnilie. Uaijei lObl SlCn an theilen des Atlas articuiirend, Po Processus odon-

mählich die Rippe vom W^irbel- toides. k ö r p e r los , und der immer

stärker auswachsende Querfortsatz wird nun zum alleinigen Rippen- träger.

Beim Crocodil erreichen neun Rippen das Sternum, beim Alli- gator acht. Am siebenzehnten Wirbel hängt die letzte abgegliederte Rippe, vom achtzehnten an tragen die Processus transversi nur kurze, knorpelige Apophysen. Ausser den eigentlichen Rippen existiren, wie oben schon erwähnt, bei Crocodiliern (auch Hatteria gehört hieher) noch sog. Bauchrippen, und zwar acht Paare. Sie sind nicht knorpelig präformirt, sondern nur als verknöcherte Inscriptiones tendineae, somit nur als secun- däre Gebilde zu betrachten. Die Bezeichnung „Bauchrippen" ist also eine höchst unpassende. Sie entbehren einer vertebralen Verbindung, stossen dagegen ventralwärts in der Mediänlinie zusammen. (Vergl. das Dipnoerbecken.)

Vögel.

Eine viel ausgesprochenere, offenbar mit dem Athmungsgeschäft in Verbindung stehende Gliederung in einen vertebralen und ster- nalen Abschnitt zeigen die Vogelrippen, an welchen sich ausserdem noch sogen. Hackenfortsätze (Processus uncinati) entwickeln. Diese greifen dachziegelartig auf die nächsthinteren über und bringen dadurch ein sehr festes Gefügs zu Stande, Die Festigkeit steigert sich noch durch die oben schon erwähnte (oft synostotische) Vereinigung der Dorsal Wirbel. In den Processus uncinati , wie auch in manchen andern Punkten , liegen verwandtschaftliche Beziehungen zu den Reptilien , wie z. B. zu Hatteria und den Crocodiliern. Die das Sternum er- reichende Zahl der Rippen schwankt zwischen zwei und neun.

56

Specieller Theil.

Fig. 47. Rumpfskelet eines Falken. -S" Scapula, G Gelenkfläche derselben für den Hiimerus, Ca Coracoid, welches mit dem Sternum {8€) bei f gelenkig verbunden ist, Fu (Cl) Furcula (Clavicula) , Cr Crista sterni, V vertebraler-, Sp sternaler Abschnitt der Rippen, Un Processus uncinati.

Dass es in der Halsgegend zwischen Rippen und Querfortsätzen bei- Vertretern aller Amnioten zu knöchernen Verbindungen kommen kann, wurde schon oben erwähnt und ich will hier nur noch auf die Sjnostosen zwischen den Kippen der Schildkröten und den Platten ihres Hautskeletes aufmerksam machen.

Säiigethiere.

Bei Säugethieren verwachsen die Halsrippen vollständig mit den Wirbeln unter Bildung eines F o r a m e n t r a n s v e r s a r i u m ; die letzte kann frei und gelenkig mit dem zugehörigen Wirbel verbunden sein. Die Zahl der mit knorpeligen oder seltener mit knöchernen Endstücken das Sternum erreichenden Rippen ist eine sehr schwankende. Das Sternum kann von den Rippen direct (Costae verae) oder indirect (Costae spuriae) unter Bildung eines sog. Rippen l)Ogens erreicht werden. Kommt es nicht mehr zu letzterer Bildung, und stecken die betreffenden Rippen einfach in den fleischigen Bauchdecken , so spricht man von Costae fluctuaiites. Bei Cetaceen sind die letzten Rippen ohne jegliche Verbindung mit der Wirbelsäule.

Skelet. 57

Die Costae verae und spuriae besitzen stets ein Capitulum, ein Collum, ein Tuberculum und ein Corpus (vergl. Fig. 48).

PsPt

Das Capitulum articulirt in der Gegend der

Intervertebralscheiben mit je zwei Wirbelkör- pern, oder kommt es auch nur zur Verbindung mit einem Wirbelkörper. Die Tubercula arti- culiren mit der überknorpelten Ventralfläche der Querfortsätze , die ihnen gewissermasseu als Strebepfeiler dienen. Auf die Homologie des Capitulum und Tuberculum einer- sowie der am proximalen Rippenende auftretenden Gabel niederer Vertebraten andrerseits habe ich schon bei der Anatomie der Wirbelsäule Fig. 18 Rippen -Ring

aufmerksam gemacht. Bei den fluctuireuden ?.«' Menschen. PFiT Wirbel- -r,. .,,,-,. TT 1 ..1, 1 1 korper, Pt, Fs Processus trans-

Bippen sind alle diese Verhältnisse inehr oder ^g^sus und spinosus vertebrae,

weniger verwischt; dabei sind sie viel kürzer Cp Corpus-, Ca Capitulum-, Co

und besitzen einen durchaus rudimentären Cha- Collum-, T Tuberculum costae,

rakter ^"* Rippenknorpel, St Sternum.

Die Entwicklungsgeschichte lehrt, dass sich auch im Bereich der Len- den- und Kreuzbeinwirbel der Säugethiere Rippen anlegen, die aber später mit der vorderen Circumferenz der Seitenfortsätze verwachsen (Rosenbeeg). Dies ist speciell für den Menschen nachgewiesen, und dass derselbe vor nicht allzu langer Zeit noch ausgebildete Len de n ripp en besessen haben muss, beweist das nicht seltene Vorkommen einer dreizehnten Rippe. An- dererseits können wir aus dem rudimentären Charakter und den indivi- duell schwankenden Grössenverhältnissen der elften und zwölften Rippe ent- nehmen, dass auch diese Rippen einem allmählichen Schwund entgegengehen. Damit stimmt auch die durch die Entwicklungsgeschichte erhärtete Thatsache, dass sich früher mehr als sieben Rippenpaare beim Menschen mit dem Sternum verbunden haben (Rüge). Bei Chiropteren ist die Zahl der wahren Rippen noch geringer, sie beläuft sich auf sechs.

Es findet also eine successive Verkürzung derBrust- wirbelsäule zu Gunsten einer stets sich verlängernden Lenden Wirbelsäule statt, so dass wir für die ganze Wirbelthierreihe den Satz aufstellen können: Die Ver- ringerung der Rippenzahl steht in correlativem Verhält- niss zu einer höheren Entwicklungsstufe des Wirbel- thierkörpers im Allgemeinen.

3. Sternum.

Bei Fischen nirgends vorhanden, tritt uns das Sternum (Brust- bein) zum erstenmal bei Amphibien entgegen, und zwar in der Form eines kleinen, in der Medianlinie der Brust gelegenen, mannigfach ge- stalteten Knorpelplättcheiis, welches von zwei, in die Inscriptiones ten- dineae der Brustgegend eingesprengten Knorpelspangen seine Entstehung nimmt und mit welchem die Coracoid- resp. die Epicoracoidplatten des Schultergürtels in lockere oder festere Verbindung treten. Letzteres gilt z. B. für Rana, während bei der Unke noch eine lockerere An- heftung an den Schultergürtel besteht (vergl. Fig. 49 und 51).

58

Specieller Theil.

Die Phylogenese des Sterimnis der Amphibien ist noch gänzlich un- bekannt und es ist nicht sicher erwiesen, ob es mit dem gleichnamigen Skeletstück der Amiiioteii in directe Parallele gestellt werden darf. Auch bezüglich eines zweiten, ähnlich gestalteten Skeletstückes, welches sich bei R a n a vom Schultergürtel aus in der ventralen Mittellinie kopf- wärts erstreckt, gehen die Ansichten auseinander. Mit einem Epi- sternum hat es jedenfalls nichts gemein und so mag es vorderhand nach dem Vorgang von W. K. Parker als Omosternum bezeichnet werden (Fig. 50, Om). (Vergl. das Becken der Dipnoer.)

Fig. 49. Schultergürtel und Stern um von Bombinator igneus. St Sternum mit seinen beiden Ausläufern (a, a^), S Scapula, SS Suprascapula, auf der linken Seite in situ, rechterseits horizontal ausgebreitet, Co Coracoid, Coi Epicoracoid, welches sich jederseits in den oberen Sternalrand einfalzt, Cl knorpelige, Cl'^ knöcherne Clavicula, Fe Fensterbildung zwischen Clavicula und Coracoid, G Gelenkpfanne für den Humerus.

X Trr

Fig. 50. Ventraler Theil des Schultergürtels von Rana esculenta. St knöchernes, Kn knorpeliges Sternum, S Scapula, KC Knorpelcommissur zwischen letzterer und der Clavicula (Cl), Co Coracoid, Co^ Epicoracoid, m Nahtverbindung zwischen beiden Epicoracoiden , G Gelenkpfanne für den Humerus, Fe Fensterbildung zwischen Coracoid und Clavicula, Om Omosternum.

Skelet.

59

Was nun das Stenmm der Amnioten anbelangt, so ist es, wie oben schon angedeutet, costalen Ursprungs. Es entsteht in der Art, dass jederseits von der ventralen Mittellinie eine Anzahl von Rippen zu einem Knorpelstreifen („Sternallei ste") zusammenfliesst. Indem sich nun Ijeide Streifen mediauwärts bis zur vollständigen Vereinigung entgegen wachsen, bildet sich schliesslich eine unpaare, knorpelige Sternal- platte , von der sich die betreffenden Rippen , unter Bildung von Ge- lenken, secundär abgliedern. Weiterhin kommt es dann zur Abscheidung von Kalksalzen (Reptilien) oder zur Bildung von wirklicher Knochen- substanz (Vögel, Säuger).

Dieselben Lagebeziehungen, wie wir sie oben für das Sternum und den Schultergürtel der Amphibien constatiren konnten, existiren nun auch bei Reptilien und Vögeln, ja sogar noch bei den niedersten Säugethieren (Schnabelthiere). Ueberall treten hier (Fig. 53 Co, Co^) die Coracoide mit dem oberen oder dem seitlichen Rande der Brustbeinplatte in directe Verbindung (vergl. Fig. 47 bei St und Ca, und Fig. 50, 52 St).

Eine mächtige Entfaltung gewinnt das (häufig gefensterte) Sternum bei den Vögeln, wo es eine l)reite, mit einem scharfen Kamm (Crista sterni) ürsprungsleiste für die Flugmusculatur^) versehene Platte darstellt („Aves carinatae") (Fig. 47). Im Gegensatz dazu stehen die durch ein breites, schwach gewölbtes, schildartiges Sternum charak- terisirten Laufvögel, die Ratiten. Es gibt jedoch auch Ca, ri- naten mit rudimentärer Crista sterni.

Am Aufbau des S ä u g e r b r u s t b e i n s l)etheiligt sich in der Regel eine viel grössere Anzahl von Rippen als bei Reptilien und Vögeln. Anfangs aus einer einheitlichen Knorpelplatte bestehend, gliedert es sich später in einzelne Knochenterritorien, deren Zahl den sich an- setzenden Rippen entsprechen kann. In andern Fällen aber, wie z. B. bei Primaten, fliessen die einzelnen Knochenbezirke zu einer langen

Fig. 51. A Brustbein vom Fuchs,

B ,, ,, Wal r o s s ,

C ,, ,, Menschen.

Mb Manubrium 1

C Corpus ?

Pe Processus ensiformis J B, B Eippen.

sterni.

Platte (Corpus sterni) zusammen, während sich das proximale Ende zum sogenannten Handgriff und das distale zum Schwertfortsatz (Manubrium und Processus ensiformis) differenzirt. Letzterer verdankt, wie Rüge nachgewiesen hat, seine Entstehung dem in fötaler Zeit ven- tralwärts zusammenfliessenelen achten Rippenpaar (Fig. 51 C).

1) Ein solcher Kamm existirt auch am Brustbein der Pterosaurier und Fl e der mause (functionelle Anpassung).

60

Specieller Tlieil. 4. Episteriium.

Unter Episteril um verstellt mau eine Kiioclienplatte, welche dem proximalen Ende oder auch noch z. Theil der Ventralfläche des Sternums aufsitzt und welche mit letzterem entweder nur durch fibröses oder knorpeliges Gewebe oder mittelst einer Synostose verbunden ist. Gene- tisch ist das Episternum z. gr. Th. auf die medialen, später sich ab- schnürenden Schlüsselbeinenden zurückzuführen, so dass bei Mangel einer Clavicula nie von einem Episternum die Rede sein kann (Götte). Diese Zusammengehörigkeit findet auch darin ihren Aus- druck, dass beide Theile zeitlebens in enger Verbindung bleiben.

Zum erstenmal begegnen wir einem Episternalapparat bei Reptilien, wo er eine kreuz- oder T- förmige, dünne Knochenplatte darstellt (Fig. b2EpX welche mit der Ventralseite des Sternums sehr fest verlöthet ist. Sie erinnert in gewisser Beziehung an die Hautknochenschilder in der Brustgegend der Labyrinthodonten.

Fig. 52. Schultergürtel und Sternum von Hemidactylus verru- cosus. St. Sternum, E Rippen, Si Knorpelhörner (Sternalleisten), an welche sich die letzte Rippe anheftet, &9 Suprascapula, S Scapula, Co Coracoid, Co^ knorpeliges Epicoracoid, Ep Episternum, a, b, c durch Membranen verschlossene Fensterbildungen im Coracoid, Ol Clavicula, G Gelenkpfanne für den Humerus.

Bei Chelouiern und Ophidiern existirt kein Episternum und dasselbe gilt für C h a m a e 1 e o n und A n g u i s. Bei Vögeln sind selb- ständige discrete Skeletgebilde, die einem Episternalapparat entsprechen könnten, noch nicht nachgewiesen und offenbar sind sie schon seit sehr langer Zeit zurückgebildet, beziehungsweise verschwunden, da sie auch ontogenetisch nicht mehr auftreten. An ihre Stelle ist das unpaare Ligamentum cristo-claviculare getreten, ohne ihnen aber speciell homolog zu sein. Ausserdem kann vielleicht noch in Frage kommen: der von dem Hinterende der Clavicula ausgehende Processus interclavicularis , soweit er mit separatem Knochenkerne verknöchert (Interclavicle, Pakker), und die periostale Begleitung des ventralen Randes der Crista sterni, die vorne mit dem Lig. cristo-claviculare un- mittelbar zusammenhängt (Für bring er).

Bei manchen Säugern zerfällt das Episternum nach seiner Ab-

Skelet.

61

schnüruDg iu drei Theile, einen mittleren dolchartigen und zwei seitliche kugelförmige. Bei Beutel- und Schnabelthieren existiren alle drei und stellen einen vom Vorderende des Steruums abgegliederten Fortsatz dar, der wie bei Reptilien seitlich in zwei Hörner ausläuft und mit den Schlüsselbeinen in Verbindung tritt (vergl. Fig. 53).

Bei andern Säugern, wo es zu einer eigentlichen Gelenkbildung zwischen Episternum, Clavicula und Brustbein kommt, verschmilzt das Mittelstück mit dem Manubrium oder mit dessen Periost, und nur die Seiten theile per- sistiren in Form der Cartilagines interarticulares (Primaten) oder gehen auch sie zu Grunde, und es erhält sich als letzter Rest nur ein fibröses Band zwischen Clavicula und Sternum (Chirop teren).

Ob alles das , was man in der Ver- tebraten-Reihe als Episternum be- zeichnet, durchweg homologe Bildungen darstellt, ist mehr als zweifelhaft, und dies gilt, wie oben erwähnt, in erster Linie für den Versuch, das Epister- num der anuren Amphibien mit

r^'

Fig. 53. Schultergürtel von O r n i t h 0 r h yn c h US paradoxus. St Sternum, Ep Episternum, Co Cora- coid, Co^ Epicoracoid, S Scapula, Cl Clavicula , G Gelenkpfanne für den Humerus.

demjenigen der Amnioten in Parallele bringen zu wollen.

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sternum. Boy. Soc. 1867. G. Buge. Unter stichungen über Entivicklungsvorgänge am Brustbeine und an der Sternoclavi-

cidarverbindtmg des Menschen. Morph. Jahrb. Bd VI. 1880.

5. Der Schädel.

Wie bei der Wirbelsäule, so unterscheidet man auch am Schädel sowohl onto- als phylogenetisch drei Stadien, nämlich ein häutiges, knorpeliges und knöchernes. Spricht sich nun auch hierin schon eine bedeutsame Uebereinstimmung zwischen beiden aus, so wird dieselbe noch durch folgende Thatsachen wesentlich gesteigert. Die Chorda dor- salis erstreckt sich stets noch eine gewisse Strecke in die Schädelbasis hinein, so dass sich also letztere auf derselben skeletogenen Grundlage wie die \Yirbelsäule und zugleich in deren directer Axenverlängerung entwickelt.

Weit schwerer aber noch wiegt der Umstand, dass dem Kopf, wie dem ganzen dorsalen Abschnitt des Rumpfes, d. h. der sogenannten Stamm-

62 Specieller Theil.

Zone, in embryonaler Zeit eine Serie von Somiten zu Grunde liegt, so dass also beide einen metameren Entstellungsmodus zeigen. Daraus folgt aber noch weiter, dass der Kopf, im engsten Anschluss an die phyletische Entwicklung des Gehirns und der höheren Sinnesorgane, aus einer Umbildung des vordersten Rumpfabschnittes hervorgegangen sein muss. Aus jenen Kopfsomiten, welche (vergl. die entwicklungsgescliichtliche EiiileituDg) eine, dem Cölom entstammende Höhle einschli essen, bilden sich sowohl die in der betreffenden Region liegenden Muskeln, als auch die Grundlage des Schädelskeletes. Bei der fortschreitenden Entwicklung verwischt sich nun die ursprünglich segmentale Anlage mehr und mehr und das Cranium erscheint später, zumal bei den niedersten Vertebraten, wie z. B. bei Knorpelfischen, wie aus einem Gusse.

An der Ventralseite des eigentlichen Hirnschädels, des C r a n i u m s , entsteht in serialer Anordnung ein knorpeliges oder knöchernes Bogen- system, welches den Anfang des Vorderdarmes reifenartig umspannt und welches als viscerales Skelet dem crniiialcn Skelet gegenübergestellt wird. Es steht in wichtigen Beziehungen zur K i e m e n a t h m u n g , insofern je zwei Bogen eine vom Entoderm des Vorderdarmes her durch- brechende und auf den Durchtritt des Wassers berechnete Oeffhung („Kiemenloch") umrahmen. Der vorderste Visceralbogen begrenzt den Mundeingang und wird so, eine feste Stütze für letzteren liildend, zum Kiefer- und weiterhin , bei höheren Typen, zum Gresichtssltelet. Die weiter nach hinten liegeaden Bogen fungiren als Kiemen trag er. Kur der craniale Abschnitt fällt unter den Gesichtspunkt einer Summe von Somiten; die Segmentatiou des visceralen dagegen besitzt eine gewisse Selbständigkeit und ihre r)eziehungen zur Metamerie des eigentlichen Craniums erscheinen zum grossen Theil verwischt. Gleichwohl aber darf man nicht ausser Acht lassen, dass sich von den Kopfsomiten aus nicht nur mesodermales Gewebe in die betreffenden Kiemenbogen erstreckt, sondern dass sogar den beiden vorderen der- selljen zu einer gewissen Entwicklungsperiode je ein Cölomabschnitt zukommt, welcher von dem Cölom der bezüglichen Kopfsomite her entsteht, d. h. also mit jenem eine einheithche Bildung darstellt.

In der klaren Erfassung dieser Verhältnisse liegt und ich ver- weise daljei auch auf das Capitel über die Hirnuerven ein grosser Fortschritt unserer Kenntnisse über die Urgeschichte des Wirbelthier- kopfes. Dies gilt namentlich im Hinblick auf die seiner Zeit von Goethe und Okex inaugurirte, sogenannte „\V irbeltheorie des Schädel s". Letztere war lange die herrschende und gipfelte in dem Bestreben, das Kopfskelet in eine Summe von Wirbeln mit allen ihren Adnexa auf- zulösen. Dieser Versuch , bei welchem man im Wesentlichen von dem fertig ausgebildeten Säugethierschädel ausging, musste von jener Zeit an als ein durchaus verfehlter erkannt werden, als man (Huxley, Gegexhaur) anfing, den Kopf zusammt dem Gehirn, den Nerven und dem ganzen Bereich des Vorderdarmes der niederen Wirbelthiere in den Kreis der Untersuchungen zu ziehen. Alles nahm nun eine ganz andere Gestalt an, und als dann später noch die weittragenden onto- genetischen Thatsachen durch die Arljeiten Baleoik's, Milnes Mak- siiall's und van Wy[ii:"s mit in die Wagschale geworfen werden konnten, war die Frage nach der Phylogenese des \^'irbelthierkopfes in die dritte Phase ihrer Entwicklung getreten.

Auf diesem Boden stehen wir heute, und wenn auch durch fleissige,

Skelet.

63

zielbewusste Arbeit sehr Vieles erreicht ist, so bleibt doch noch Vieles zu thun übrig, um zu einer vollkommen klaren Erkenntniss der ur- sprünglichen Verhältnisse vorzudringen. Ein befriedigender Aufschluss darf nicht mehr allein nur von einer entwicklungsgeschichtlichen und vergleichend-anatomischen Analyse des Skelet es erwartet werden, er setzt vielmehr das Verständniss der Urgeschichte einer ganzen Reihe von Organen voraus, die in ihrer Anlage zeitlich ungleich w^eiter zurück- reichen als jenes. Ich meine die Sinnesorgane, das Gehirn mit seinen Nerven und das ganze Gebiet des Vorderdarmes mit Mund und Visceralsp alten. Mit einem Worte: die Erage nach der ersten Entstehung des Wirbelthierschädels ist mit der Stammesge- schichte jener eben genannten Organe aufs Innigste verknüpft. Nur dieser weite Umweg führt zur Lösung des ersten aller morphologischen Probleme auf dem Gesammtgcbiet der Wirbelthier-Anatomie, d. h. zum Verständniss der Stammesgeschichte des Kopfes.

a) Hirnschädel (Cranium).

In dem anfangs noch ganz häutigen Schädelrohr treten uns die ersten Knorpelanlagen in Eorni zweier Spangen-Paare entgegen. Sie liegen basalwärts vom Gehirn, fassen die Chorda dorsalis zwischen sich und w^erden als Par achor dal-Elemente und Tra- becu lae cranii (Schädelbalken) unter- schieden (Fig. 54 PE und Tr). Bald ver- einigen sie sich zu einer sog. B a s i 1 a r p 1 a 1 1 e, welche die Chorda ventral- und dorsalwärts umwächst, so dass dadurch in sehr früher Zeit ein solides Widerlager für das Gehirn geschaffen ist. Nach vorne zu ragen aber nach wie vor die schlanken Schädelbalken hervor und schliessen einen Hohlraum ein, den man als primitive Pituitargrube be- zeichnen kann (Fig. 54 PK).

Diese kann nun, je nach verschiedenen Thiergruppen, auf sehr verschiedene Weise einen Abschluss erfahren, und zwar dadurch, dass sich die Schädelbalkeu medianwärts bis zur vollständigen Verschmelzung ver- einigen (Fig. 55 A, IV), oder dadurch , dass das häutige Zwischengewelje von der Mund- schleimhaut aus verknöchert (Bildung eines Os parasphenoideum, Fig. 55 B, Ps). Eine dritte Möglichkeit ist die, dass es (wie z. B. bei gewissen Reptilien und allen Vögeln) durch excesssive Ausbildung der Augen zu einer Com- pression und einem theilweisen Schwund der Schädelbalken kommt, in welchem Fall dann ein knorpelig-häutiges Interorbitalseptum an ihre Stelle tritt (Fig. 55 C, Tr, IS).

Verfolgen wir die Wachsthumsvorgänge auf Grundlage solcher Verhältnisse weiter, wie wir sie uns als die ursprünglichen vor- zustellen haben. Dabei ist an die oben erwähnte Möglichkeit einer

Fig. 54. Erste knorpe- lige Schädelaulage. 0 Chorda, PE Parachordal - Ele- mente , Tr Trabeculae cranii, PB Pituitar-Raum, N, A, O die drei Sinnesblasen (Geruchs-, Seh- und Gehörorgan).

64

A

Specieller Theil. B

Fig. 55. Schematische Darstellung von Querschnitten durch den in der Entwicklung begriffenen Kopf von Stören, Selachiern, Anuren und Säugern A, von Urodelen, Crocodiliern und Ophidieru B, und von gewissen Teleostiern, Sauriern und Vögeln C. Tr Trabeculae cranii, Q Gehirn, A Augen, Ps Parasphenoid, 18 Interorbital-Septum, F Os frontale, Olf Nervi olfactorii.

medianen Verwachsung der Schädelbalken anzuknüpfen. Die dadurch erzielte knorpelige, basale Schädelplatte tritt nun durch Fortsatzbil- dungen in derartige Beziehungen zu den höheren Sinnesorganen, dass letztere und dies gilt in erster Linie für den Geruchs- und Gehör- apparat — eine schützende Hülle oder anfangs wenigstens eine Stütze erhalten. So differenzirt sich in einer für die Architectur des Schädels charakteristischen Weise in früher Zeit eine Regio olfactoria, or- bitalis und auditiva.

PI*

Fig. 57.

Fig. 56. Zweites Stadium der Entwicklung des Primordial- schädels. C Cliorda , B Basilarplatte , T Trabekel, welclie sich nach vorne zu der Nasenscheidewand (8) vereinigt haben, Ct, AF Fortsätze derselben zur Umschliessung des Geruchsorgans [i^K), Ol Foramina olfactoria für den Durchtritt der Riechnerven, P F^ AF Post- und Antorbitalfortsatz der Trabekel, NK^ A, 0 die drei Sinnesblasen.

Fig. 57. Drittes Entwicklungsstadium des Primordial-Schädels. Schematischer Querschnitt. C Chorda, Tr Trabekel , welche von unten und seitlich das Gehirn [G) umschliessen, O Ohrblase, IUI die vom Visceralskelet umschlossene Rachen- höhle, 1 4 die einzelnen Componenten der Visceralbogen , welche sich ventralwärts bei C'p (Copula) vereinigen.

Während nun die erstere und die letztere von diesen dreien immer mehr von Knorpelgewebe unischlossen und namenthch bei höheren Ty])en in das eigentliche Schädelskelet immer mehr mit einbezogen werden, erhebt sich die anfangs rein horizontale, basale Knoii)elplatte an ihren Seitenrändern und beginnt das Gehirn von allen Seiten, und schliesslich auch dorsalwärts zu umwachsen. So kann es schliesslich zu einer contiiuiirliclieii Kuorpelkai)sel , wie sie uns z. B. Iieim Selachier-

Skelet.

65

Schädel zeitlebens vorliegt, kommen. Bei weitaus der grösseren Mehr- zahl der Wirbelthiere spielt nun aber der Knorpel keine so grosse Rolle und beschränkt sich im Allgemeinen auf die Basis und auf die Sinnes- kapseln. Der übrige Schädel, und dies gilt vor Allem für das Dach, wird aus dem häutig-fibrösen Zustand dir e et in den knöchernen überge- führt. Im Allgemeinen lässt sich der Satz aufstellen, dass beim fertigen, ausgebildeten Schädel der Pteichthum an Knorpelelementen immer mehr zurück-, derjenige an Knochensubstanz dagegen immer mehr hervortritt, je höher die systematische Stellung des betrefifenden Thieres ist.

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b) Das Visceralskelet.

Die stets in hyalinknorpeligem Zustand sich anlegenden Visceral- bogen umgreifen, wie wir bereits gesehen haben, den ersten Abschnitt des Vorderdarmes und liegen in die Schlundwand eingebettet (Fig. 58 B B). Bei kiemenathmenden Thieren stets in grösserer Zahl (bis zu 7) vorhanden, unterliegen sie bei höheren Typen ( Amnioten) einer immer grösseren ßeduction und treten da und dort, mittelst eines Functionswechsels , in be- stimmte Beziehungen zum Gehör- organ.

Der vorderste, als Stützelement der Mundränder dienende und im Bereich des Nervus trigemi- n u s liegende Bogen entsteht zuerst und wird als unächter, oraler oder mandibularer Kiem en - bogen den ächten oder p o s t - oralen Bögen gegenübergestellt (Fig. 58 M).

Die Ausdrücke acht und u n ä c h t beziehen sich auf die physio- logische Function, insofern nur die postoralen Bogen als Kieraenträger fungiren; ja auch unter diesen ist der vorderste, im Gebiet des N. facia- lis liegende, den übrigen nicht mehr ganz gleichwerthig und wird als Hyoidbogen (Fig. 58 Hy) den weiter hinten liegenden, in den Bereich desN. glossopharyngeus und vagus fallenden Branchial- bogen (jB, B) gegenübergestellt. Gleichwohl spricht Alles dafür, dass früher einmal eine Zeit existirte, in welcher alle Bogen des Visceral- skeletes Kiemen getragen haben müssen.

In ihrer ersten Anlage ungegliedert, können die einzelnen Bogen später in verschiedene Stücke (bis zu 4) zerfallen, wovon das oberste unter die Schädelbasis resp. unter die Wirbelsäule sich einschiebt, während das unterste ventral zu liegen kommt und hier mit seinem Gegenstück durch eine sogenannte Copula (Basibranchiale), ähnlich wie die Rippen durch das Stern um, verbunden wird (Fig. 57, 1 4, Op).

Auch die zwei vordersten Visceralbogen , der Mandibular- und Hyoidbogen, unterliegen einer Abgliederung. So theilt sich ersterer in ein kurzes, proximales Stück, das Quadratum, und in ein längeres, distales, die Cartilago Meckelii (Fig. 58 Qu, M). Das Quadratum

Wi ed er sli ei m , (irundriss der vergl. Anatomie. 2. Aufl. 5

Co fo S B Hy

Fig. 58. Entwicklung des Vis- ceralskelets (Schema). N^ A, O die 3 Sinneskapseln, Tr Trabekel, welcher sich aus einer nach vorne abgeknickten Lage (f) wieder aufgerichtet hat, M Meckel'scher Knor- pel , Qu Quadratum , Hy Hyoidbogen, B B ächte Kiemenbogen , zwischen welchen die Kiemenspalten sichtbar sind, S Spritzloch, Co, Co Copulae.

66

Specieller Theil,

Fig. 59. Halbschematische Darstellung der segmentalen Kopf- nerven mit Zugrundelegung des Selachierschädels. N^ A, 0 die 3 Sinnesblasen, Tr Trabekel, Q und PQ Quadratum und Palatoquadratum, bei f mit den Trabekeln durch Bindegewebe verbunden, 31 Mandibel, L, L^ Labialknorpel, H Hyoman- dibulare, A' Hyoidbogeu, a e ächte Kiemenbogen, zwischen welchen die Kiemenspalten (7 V) sichtbar sind, -S" Spritzloch, C Chorda, W, W Wirbelkörper, V N. trigeminus, 1, 2, 3 seine 3 Haupt-Aeste, Ep'^ sein Ramus palatinus, Vll N. facialis, Rp sein Ramus palatinus, IX, X Glossopharyngeus und Vagus.

wächst nach vorne in einen Fortsatz aus, in das sogenannte Palato- Quadratum oder P tery go - Palatinum (Fig. 60 A-C , PQ) ^ welches sich mit der Basis cranii verbindet und so eine Art von Ober- kiefer formirt. Ein zweites, aus dem proximalen Abschnitt des I. (mandibularen) Kiemenbogeus stammendes Stück heisst Hy omandi- b u 1 a r e.

Fig. 60. Halbschematische Darstellung des Suspensorialap pa- rates der Wirbelthiere (zum grössten Theil nach Gegenbaur). A Notidaniden, B die übrigen Haie, C Torpedo, D Knochenfische, E Amphibien, Reptilien, Vögel, F Säuge- thiere. M Meckel'scher Knorpel, PQ Palato-Quadratum, Hm Hyomandibulare, hy Hyoid- bogen i. e. S., Sy Symplecticum, Q Quadratum , welches sich bei Säugethieren (Fl in Q und <2' (= n.ammer und Ambos) gliedert. Beide liegen in der Paukenhöhle (P). W^ Pro- cessus styloideus, durch das punktirte Ligt. stylo-hyoideum mit dem kleinen Zungenbeinhorn (Ä) verbunden, b das sog. grosse Hörn und c der Körper des Zungenbeins der Säugethiere

Das Quadratum, welches als Träger (Suspensorium) des Unterkiefers dient, bleibt entweder vom Schädel durch ein Gelenk getrennt, d. h. verbindet sich mit ihm nur Ijindege webig , oder verwächst es mit ihm zu einer Masse.

Der Hyoidbogen , welcher stets in sehr nahen Beziehungen zum Mandibularbogen steht und sich auch an dessen Suspensorialapparat (Fig. 60) betheiligen kann , zerfällt analog den ächten Branchialbögen, in eine Anzahl von Stücken (Fische), die man von oben nach unten als Symplecticum und Zungenbeinbogen (Hyoid) im engeren Sinn unterscheidet (Fig. 60 A-D Hm, Sij, hy). Ventral wärts in der Mittel- linie fungirt als Copula für die Hälften l)eider Seiten ein Basi-hyale,

Skelet. 67

welches verknöclieru und sich als Os entoglossiim iu die Substanz der Zunge einbetten kann.

c) Die Schädelknochen,

Man kann zweierlei, genetisch verschiedene Knochen unterscheiden. Die einen entstehen im Innern der Knorpelsubstanz, die andern an ihrer Peripherie, vom Perichondrium aus, oder auch ganz unabhängig vom Knorpel, an solchen Stelleu des Schädels, wo sich letzterer nur häutig (bindegewebig) anlegt. Wieder in andern Fällen kommt es gar nicht zur richtigen Knochenbildung, sondern nur zu einer kalkigen Incrustation des Knorpels (Kalkknorpel).

Die in den häutigen Schädeltheilen resp. im Perichondrium ent- stehenden Knochen fallen ursprünglich unter den Begriff des H a u t - s k e 1 e t e s und sind , wie dies für letzteres früher schon ausgeführt wurde, in genetischer, beziehungsweise in phylogenetischer Beziehung auf Zalinlbildungen zurückzuführen. Nach diesem Modus entstehen z. B. heute noch die die Mundhöhle der Fische und Amphibien be- grenzenden Knochen, und das kann uns auch nicht befremden, wenn wir bedenken, dass das Epithel des Cavum oris durch Einstülpung von der äusseren Haut her entstanden ist.

Diese primitive Entstehun gs weise der ersten Kopf- knochen lässt sie uns als die ältesten und zugleich als die bei niederen Thieren (Fischen) am reichsten ent- falteten erscheinen. Dies gilt auch für den Fall, dass sie aus einer Kalksalzablagerung hervorgehen, welche (ohne vorhergehende Zahn- bildungen) direct in einer bindegewebigen Grundlage erfolgt, wie solches bei vielen Deckknochen, wie z. B. denjenigen des Schädeldaches aller Verte- braten, von den Amphibien bis zu den Säugethieren hinauf, zu beachten ist. Es handelt sich eben hier um eine abgekürzte Entwicklung.

Die phyletisch jüngeren, endochondralen Knochen treten erst von den Reptilien an auf, während bei Amphibien in der Kegel die perichondrale Entstehungsweise, neben dem oben geschilderten, ursprünglichsten Bildungs- modus, noch vorherrscht. Nicht selten gerathen endochondrale und Deck- knochen in gegenseitige Berührung und verwachsen mit einander. So kann es geschehen, dass im Laufe der Generationen an Stelle eines Knorpel- knochens ein Deckkuochen tritt, die Knorpelbildung ein für allemal unter- drückt wird und sich nicht einmal ontogenetisch mehr wiederholt.

Ich gebe nun eine Uebersicht über die Namen der wichtigsten Knochen nach ihrer verschiedenen Vertheilung am Schädel.

I. Knochen der Mundhöhle (theils innerhalb derselben gelegen , theils dieselbe von aussen her begrenzend).

Parasphenoid.

Vomer.

Prae- oder Intermaxillare.

Maxillare.

Jugale.

Quadrato-jugale (z. Th.).

Dentale.

Spleniale.

5*

f ^•

§

2.

3.

W

o

4.

f^

5.

r^

6.

P^

7.

y 8.

68 Specieller Theil.

O

9. Augulare.

10. Supraangulare.

11. Coroüoideum.

12. Palatiuum.

13. Pterygoideum.

II. Knochen an der Aussenfläche (von vorue nach hinten gezählt).

1. Prae- oder Intermaxillare.

2. Maxillare (seitlich).

3. Nasale.

4. Lacrimale.

5. Frontale.

6. Praefrontale.

;;| 7. Postfrontale.

^

8. Postorbitale.

9. Supraorbitale oder Squamosum.

10. Parietale.

11. Temporale oder Squamosum. '

12. Supra-Occipitale (z. Th.).

III. Knorpelknochen.

2 Basi Sphenoid ^ ^^^ ^^^ Amnioten (die Schädelbasis for-

3'. Praesphenoid ) ^"'^"^>-

4. Occipitale laterale. (Supraoccipitale z. Th.)

5. Pro-, Epi- und Opisthoticum, Sphen- und Pteroticum (knöcherne

Gehörkapsel).

7. Ali- I Sphenoid, in der Gegend der Schädelbalken sich

entwickelnd.

8. Ethmoid sammt dem übrigen knorpeligen Nasenskelet (Septum,

Muscheln etc.).

9. Quadratum.

10. Articulare.

11. Visceralskelet (z. Th.).

A Fische.

Hier zeigt das Kopfskelet je nach den verschiedenen Gruppen eine so reiche Ausstattung, dass sich die Schilderung, soll sie sich nicht in Weitläufigkeiten verlieren, nur in skizzenhaften Umrissen bewegen kann.

Dem Amphioxus fehlt mit dem Gehirn auch ein eigentlicher Schädel, jedoch besitzt er ein aus zahlreichen elastischen Stäben be- stehendes Kiemenskelet. Gleichwohl kann von einer directen Anknüpfung an irgend einen andern Wirbelthierschädel nicht die Rede sein. Viel besser steht es in dieser Beziehung mit dem Kopfskelet der nächst höheren Fische, der Cyclostomen , deim dieses weicht in seiner ur- sprünglichen Anlage, wie ich sie oben für alle Wirbelthiere in ihren Grundzügen vorgezeichnet habe, principiell nicht ab. Später aber zeigt der Schädelbau, in Folge der saugenden Lel)ensweise dieser Thiere, so viel Eigen thümliches , dass er eine isolirte Stellung einnimmt. Vor Allem fehlen eigentliche Kieferbildungen im Sinne der

Skelet. 69

übrigen Vertebraten, weshalb man diese Fische als C 3' c 1 o - s 1 0 m e n allen übrigen Wirbelthieren als G n a t h 0 s 1 0 ni e u gegenül)er- gestellt hat.

An Stelle des otteubar rückgebildeten Kieferapparates liegt z. B. bei dem geschlechtsreifen Neunauge eine Reihe dachziegelartig sich deckender Kuorpelplatten, die nach vorne durch einen, den Mundeiugang

R ^L B A'a .V 7r SS OB üi ^j^.

C

KO

V\^. 61. Kopfs kelet von Petromyzon Plane ri. Lh Labialknorpel, II knorpelige, ringförmige lulage des Saugmundes, A. B. G drei weitere Stiitzplatten des Saugmundes, ZB Zungenbein, Na Apertura nasalis externa, ^V Nasensack, 7V Trabekel, P(> Palato-Qu.-idratum, Ig Spange, die noch zum Palato-Quadratum gehört, SS fibröses Schädelrohr, welches nach hinten bei MC (Medullarkanal) durchschnitten ist, OB Ohrblase, Ob obere Bogen, Ily Hyoid, Kiemenötfnungeu, f hinterer Blindsack des Kiemenkorbes, **Querspangen des Kiemenkorbes, G Chorda.

umsäumenden Pdngknorpel abgeschlossen werden (Fig. 61). Letzterer entwickelt auf seiner Innenfläche eine grosse Anzahl von Hörn zahnen, welche beim Ausaugen des Thieres als Haftappaiat fungiren. Zu diesen Eigenthümlichkeiteu kommt noch ein ganz im Niveau der äusseren Körperdecken liegendes complicirtes Kiemeuskelet, dessen Spangen nicht, wie dies sonst die Regel bildet, in einzelne Gliedstücke zerfallen. End- lich verdient eine besondere Beachtung der knorpelig-fibröse Riech- sack, welcher, oö'enbar ebenfalls in Anpassung an das Sauggeschäft, eine dorsale Lage und Ausmündung gewonnen hat (Fig. 61). Ueber seine unpaare Anlage vergi. das Capitel über das Geruchsorgan.

Während das Riechorgan der Neunaugen nur eine kurzhalsige, gegen die Mundhöhle blind geschlossene Flasche darstellt, ist es bei den Myxi- noiden zu einer langen, von Knorpelringen umspannten Röhre kaminartig ausgewachsen. Ausserdem aber unterscheidet es sich dadurch wesentlich von dem der Petromyzonteu , dass es durch einen langen Nasen- Gaumengang mit dem Cavum oris in C omm u n i cat i on steht.

Was nun den Selachierscliädel betrifft, so repräsentirt er nach jeder Beziehung die einfachsten , am leichtesten zu verstehenden Ver- hältnisse , so dass man ihn füglich als den besten Ausgangspunkt für das Studium des Kopfskeletes aller übrigen Wirbelthiere bezeichnen kann. Er stellt eine ivnorpelig-häutige Kapsel aus einem Gusse dar und ist mit der Wirbelsäule entweder unbeweglich (Squaliden) oder gelenkig verbunden (Rochen und Chimaeren).

Nirgends kommt es noch zur Entwicklung von eigentlichen Knochen, dagegen zeigt die Palato-Quadratspange sowie der Unterkiefer eine reichliche Bezahnung (Fig. 62 Z).

70

Specieller Theil,

pr^cs:

MU

Fie-. 62.

,y/' Orb rtjr. mr Die Riech Säcke liegen an

der lateralen und ventralen Seite der, zu einem oft langen Wasser- brecher (Rostrum) ausgedehn- ten Regio nasalis. Letz- tere wird durch eine fibröse L a m i n a c r i b r o s a vom Schädelcavum abgeschlossen. Nach hinten davon folgt die tiefe O r b i t a 1 b u c h t (Fig. 62 Orh) und an diese endlich grenzt die stark ausgedehnte c . , , , , . R e g i o a u d i t i v a ( GK), durch

Is c n a de 1 von H ep t an c hus. ^^, ,. , ,, .\ ,^.. '

H'-Ä Wirbelsäule, öA- Gehöikapsei, Pi'-, ^i^' Postor- wclclie die halbcirkeltoimigen

bital- und Antorbitalfortsatz, ö>-6 Orbita, ÄRostrum, Cauäle deS GehÖrapparateS lliu- NK Nasenkapsel, f Articulationsstelle des Palato- durcllSChimmeril. Quadratum (PQ) mit dem Cranium, (? Unterkiefer- gelenk, Md Mandibuia, Z Zähne. Das Palato-Quadratum {PQ) ist

in der Regel nur durch Band- massen an der Basis cranii, beziehungsweise am Hyomandibulare, welches als Träger des ganzen Apparates dienen kann, befestigt, bei Chimaeren aber fliessen beide zu einer Masse zusammen (daher der Name : Holocephalen). Am vorderen Umfang des Hyomandibulare liegt ein in die Mundhöhle führender Schlitz, das sog. Spritzloch (Spiraculum), in dessen Nähe sich Andeutungen einer früher vorhandenen Spritzlochkieme finden können. Sie hat ihre Lage auf einer das Spritzloch von vorne her umrahmenden Knorpellamelle (Spritzloch- oder Spiracularknorpel).

Da und dort findet man in der Reihe der Selachier Andeutungen eines in der Occipital-Region vor sich gehenden Assimilationsprocesses, d. h. man kann erkennen, wie nächst hinten liegende Wirbel im Laufe der Ent- wickelung ins Schädelskelet mit einbezogen werden. Derselbe Vorgang lässt sich auch bei Ganoiden, Dipnoern und Teleostieru consta- tiren. Es fällt also jener Schädelabschnitt, als ein secuudärer Erwerb, unter einen andern morphologischen Gesichtspunkt als das übrige , phyletisch ältere, nach ganz anderen Entwicklungsgesetzen construirte Cranium (Gegenbätte).

Das stets reich entwickelte Branchialskelet zeigt viele, durch secun- däre Abgliederuugen und Verschmelzungsprocesse charakterisirte Modi- ficationen. Am äusseren Umfang jedes Branchialbogens entwickeln sich radienartig angeordnete Knorpelstrahlen, die als Stützelemente für die Kiemensäcke dienen. Sie finden sich auch am Hyomandibulare und Hyoid und werden hier K i e m e n h a u t - oder B r a n c h i o s t e g a 1 - strahlen genannt.

Während bei Sei ach lern die Kiemenötfnungen frei nach aussen münden, legt sich bei den Chimaeren (auch C h 1 a m y d o s e 1 a c h e gehört hierher) eine vom Hinterrand des Hyomandibulare ausgehende Hautfalte über sie hinweg. Es ist dies die erste Andeutung eines Kiemendeckels, wie wir ihm, als Ausdruck einer höheren Ent- wicklungsstufe, bei Tel eo st lern und Ganoiden wieder begegnen werden.

Unter den Granoideii nehmen jene; Formen , bei welchen sich der mit der Wirbelsäule unbeweghch verbundene, hyaline Primordialschädel

Skelet.

71

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Cop

Fig 63. Kopfskelet des Störs, nach Entfernung des Aussen-Skeletes. WS Wirbelsäule, SpN Austrittsöffnungen der Spinalnerven, Psp Processus spinosi, Ob obere Bogen, G Chorda dorsalis, QK Gehörkapsel, PF, AF Postorbital- und Antorbitalfortsatz, Oi-h Orbita, // Opticus-, x Vagusloch, Na Cavum nasale, R Rostrum, * vorspringende Kante an der Basis cranii (Basalecke), Ps, Ps"^ , Ps^ Parasphenoid, PQ Palato-quadratum, Qu Quadratum, Md Mandibula, De Dentale externum, Ar Articulare, Hm Hyo-mandibulare, Sij Symplecticum, Ih Interhyale, h>/ Hyoid, / V erster bis fünfter Kiemenbogen mit den einzelnen Gliedern, dem gespaltenen Pharyngobranchiale (a), dem Epi- (b), Kerato- (c) und Hypobranchiale (d), Cop Copula des Visceralskeletes, Ri Rippen.

noch in voller Ausdehnuug erhält, die niederste Stufe ein. Mau nennt sie Knorpel ganoiden. Wie bei Selachiern reicht das Cavum cranii auch hier nach vorne bis in die Ethmoidal-Gegend, wird aber von letzterer nicht durch fibröses, sondern durch knorpeliges Gewebe getrennt. Mit der Wirbelsäule ist der Schädel zu einem knorpeligen Continuum un- beweghch verbunden und zugleich schiebt sich das das Dach der Mundhöhle bildende Parasphenoid in Form einer platten, aber schmalen Kuochen- schiene noch eine beträchtliche Strecke am ventralen Umfang der Wirbelsäule nach hinten.

Während nun Selachier und Knorpelganoiden in der Gestaltung des Chondrocraniums im Wesentlichen übereinstimmen, nehmen die letzteren gleichwohl dadurch eine ungleich höhere Stufe ein, dass bei ihnen noch Knochen hinzutreten. Diese bedecken in einer grossen Anzahl von reich sculpturirten Schildern und Platten panzerartig die Schädeloberfläche. Zum Theil finden sie sich auch, wie oben schon angedeutet, im Bereich der Mundhöhle resp. des Visceralskeletes. Auch im Kiemendeckel, der hier schon viel deutlicher ausgeprägt ist als bei Chimären, treten Knochenbildungen auf, allein diese erfahi-en bei Knochen ganoiden und Teleostiern eine noch ungleich reichere Ausgestaltung in ein- zelne Platten , die man als O p e r c u 1 u m , P r a e -, S u b - und I n t e r - operculum bezeichnet.

Der ganze Palato -Mandibular- Apparat, welcher durch das Hyomandibulare und Symplecticum, sowie durch Bandmassen nur sehr lose an der Schädelbasis befestigt ist, macht einen sehr rudimentären Eindruck (Fig. 63 Md, Sy, Hm, Qu, PQ).

Das schon oben erwähnte Hautskelet , welches auch hier wieder auf Zahnbildungen, beziehungsweise auf Schuppen, welche aus solchen her- vorgingen, zurückzuführen ist, gelangt nun bei einer zweiten Abtheilung dieser Fische, nämlich bei den Knochenganoiden, zu einer ganz excessiven Entwicklung und stellt auf der Schädeloberfläche einen, aus zahlreichen Stücken und Stückchen bestehenden, steinharten Panzer dar (Fig. 64). Die Knochenbildungen beschränken sich aber nicht nur auf

72

Specieller Theil.

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PO

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Op

Fig. 64. Schädel von Polyptei'us bichir von der Dorsalseite. Pmx Prae- maxillare , Na Apertura nasalis externa, N Nasale, Sh, Sb'^ Suborbitale anterius u. po- sterius, Orb Orbita, M Maxilla, Sp Spiracu- laria, PO Praeoperculum (?), SO Suboper- culum, Op Operculum, F Frontale, P Parie- tale , a, b, c, d Supraoccipitale Knochen- schilder. Die beiden, unter die Spiracular- schilder hinabgehenden Pfeile zeigen die Mündung des Spritzloches an der freien Schädeloberfläche.

die Oberfläche, sondern greifen im ganzen Kopfskelet, wie z. B. in den Trabecularmassen und im Unter- kiefer, Platz, so dass das Knorpel- gewebe eine starke Reduction er- fährt 1).

Das Kiemenskelet besteht bei Ganoiden aus 4—5, mehr oder weniger stark verknöcherten Kie- menbogen, die, wie bei Selachiern, von vorne nach hinten an Grösse abnehmend, bei K n o c h e n g a n o i- den an ihrer dem Schlund zu- schauenden Fläche über und über von bürstenartigen Zahnmassen überzogen sind.

Es gab eine Zeit von ungemessener Dauer (Silur, Devon, Kohle), wo die Knochenganoiden im Ver- ein mit Selachiern die ganze Fischfauna überhaupt vertraten ; erst viel später traten die K n o c h en - fische auf, welche sich, wie am besten ein Vergleich mit A m i a zeigt, aus ihnen heraus entwickelt haben. Aber nicht allein deshalb sind die Knochenganoiden von hohem In- teresse, sondern auch wegen ihrer offenbar nahen Verwandtschaft zu den Dipnoern sowie den ältesten Am- phibien der Kohle und Trias, d. h. den Ganocephalen, den Laby- rinthodonten und Stegoce-- phalen. Es wird uns eine darauf gerichtete Vergleichung später noch einmal bei den Amphibien be- schäftigen.

Teleostier. Hier finden sich die allergrössten Verschiedenheiten, allein in seinem Grundplan ist jeder Teleostierschädel auf denjenigen der Knochenganoiden zurückzuführen. Auf der anderen Seite aber zeigen sich keine Anknüpfungspunkte an die Amphibien, sondern wir haben die ganze Gruppe der Knochenfische als einen auslaufenden Seitenzweig des Wirbelthier Stammes zu betrachten.

Der knorpeligcPrimordialschädel persistirt bei den meisten Teleostiern in grosser Ausdehnung, und das Cavum cranii kann sich so gut wie bei allen bis jetzt beschriebenen Schädeln in Form einer knor- peligen Röhre zwischen den Augen hindurch bis zur Ethmoidalgegend

1) Die einzige Ausnahme macht Amia, wo das knorpelige Primordialcranium in vollem Umfang erhalten bleibt.

Skelet. 73

erstrecken, oder aber ist es zwischen den beiden Augäpfeln eingeschnürt und verkümmert (Fig. 55 C).

Die Palatoquadratspange differenzirt sich in eine ganze Kette von Knorpelplatten , die man als Quadratum, Meta-, Mesopte- rygoid, Pterygoid, sowie als Palatinum bezeichnet. In der Regio occipitalis und auditiva, sowie auf der dorsalen Schädelfläche entwickeln sich zahlreiche Knochencomplexe, auf deren Schilderung hier aber nicht näher eingegangen werden kann. Ich verweise deshalb auf Fig. 65 und 66 A, B.

Erwähnenswerth ist ein bei manchen Teleostiern auftretender, in der Längsaxe der Schädelbasis liegender Canal, der die Augenmuskeln umschliesst und der sich jederseits vor der Gehörkapsel in die Augenhöhle öffnet.

Alle, die Mundhöhle be- grenzenden Knochen, wie z. B. der V o m e r , das Parasphe- noid, das (in seinem Vor- kommen und seiner Entwick- lung sehr schwankende) P r a e - ra a X i 1 1 a r e und M a x i 1 1 a r e etc. können bezahnt sein.

Die R i e;c h 0 r g a n e stellen , wie bei allen Fischen, einfache, nach dem Gaumen zu in der Regel nicht durchbohrte Gru- ben im Ethmoidalknori)el dar.

Ausser der oben schon er- wähnten Palato-Quadratspange umgibt sich die eigentliche Schädelkapsel der Teleostier noch mit weiteren platten- oder spangenartigeu Vorwerken. Die- selben entstehen als reine Haut- verknöcherungen in der Um- gebung des Auges (Orl)i talring) (Fig. 65 0 0 0) und im Bereich des Kiemendeckels (Opercular- knochen) {Fr, Op, Sop, Jop).

jvr

Fig. 65. Kopfskelet der Bachforelle. Ep Epioticum, Pt Pteroticum, Sph Sphenoticum, Os Occipitale superius (Supraoccipitale), P Parie- tale, F Frontale, Sp.eth Supraethmoid, Cmi Oeflf- nung des Riechnerveiicanales, Nl Nasale, Pmx Praemaxillare, M J/i Maxillare, Ig Jugale, Ms Mesopterygoid, Jftp Metapterygoid, o o o Orbital- ring, Hm Hyomandibulare, s Symplecticum, Qu Quadratum, Pr Praeoperculum , lop Interoper- culum, Sop Suboperculum, Op Operculum, BsS Branchiostegalstrahlen, Ar Articulare, De Dentale, A Auge.

ventralen Verlängerung

In der

der Kiemendeckelfalte entwickelt sich eine grosse Zahl von K i e m e n h a u t oder Branchiostegalstrahlen. Nach vorne stösst der Kiemendeckel an eine aus drei Gliedstücken, dem Hyomandibulare, Sym- plecticum und Quadratum bestehende Knochenkette, welche als Aufhängeapparat für den Unterkiefer dient (Fig. 65 Hm, s, Qu). Letz- terer besteht aus dem Meckel'schen Knorpel und dann noch aus mehreren Knochenstücken, wovon das grösste Dentale {De) genannt wird; die andern heissen Articulare {Ar), Angulare und Coro- noideum. Die beiden letzteren können auch fehlen.

74

Specieller Theil.

CethCan

Meth

An I Sph

MJ jx

AC B9

Ton Pro Äs Oös

Fig. 66. Kopfskelet der Bachforelle, vergrössert. A Seitliche Ansicht nach Entfernung sämmtlicher Deckknochen des Kiefer-, Suspensorial-, Pterygoid- und Opercularapparates. B Dasselbe Präparat in der Medianlinie durchschnitten und von der Schädelhöhle aus betrachtet.

Ceth Cavum ethmoidale, Can Canalis olfactorius, Eeth Ektethmoid, Sor Septum inter- orbitale, // Foramen opticum, in einer Membran {Mb) liegend, As Alisphenoid, Obs Orbi- tosphenoid, Ac Augenmuskelcanal, Sph Sphenoticum, Pro Pro'^ Prooticum, Pte Pteroticum, Ep Epioticum, Ps Parasphenoid, Pi> Fortsatz dieses Knochens, welcher die Ohrkapsel seitlich umgreift und den Augenmuskelcanal formiren hilft, Ob, Ob^ Occipitale basilare, Olat Occipitale laterale, Pon Fontanelle, V, VII, IX, J Austrittsöffnung des Nerv, trige- minus, facialis, glossopharyngeus und vagus.

B. Dipnoi.

Diese Thiergruppe nimmt in Hinsicht auf ihre Schädelbildung eine Mittelstellung ein zwischen den Chimären, Ganoiden und Tele- ostiern einer- sowie den Amphibien andrerseits. Dazu kommen aber gewisse Besonderheiten, welche weder nach dieser noch nach jener Seite hin einen directen Anschluss erlauben. Jedenfalls ist das Alter der Dipnoi ein sehr hohes, denn sie finden sich schon in der Trias und in der Kohle; ja sie haben sehr wahrscheinlich auch schon im Devon existirt.

Der primordiale Knorpelschädel erhält sich entweder ganz (Cera- 1 0 d u s) oder doch in grösster Ausdehnung (Protopterus'), Lepi- dosiren). Die perichondral entwickelten Knochen sind lange nicht so zahlreich wie bei den Ganoiden.

Die Schädelhöhle erstreckt sich zwischen beiden Orbitae hindurch

1) In diesem Fall treten oben die F r o n to p ar i e t al ia , unten das Parasphenoid ergänzend in die Lücke ein.

Skelet.

75

bis zur Kegio ethmoidalis , wo sich eine grösstentheils knorpelige Lamina cribrosa befindet.

SE ^9' W ^f

Psp

Fig. 67. Kopf skelet, Schultergürtel und vordere Extremität von Protopterus. W^ W^ in das Kopfskelet einbezogene Wirbelkörper mit ihren Processus spinosi {Psp, Psp'^), Occ Supraoccipitale mit den Hypoglossuslöchern, Ob Ohr- hlase, Tr Trabekel mit den Oeffnungen für den Trigeminus und Facialis , FP Fronto- Parietale, Bt häutige Fontanelle, vom Opticusloch (//) durchbohrt, SK Sehnenknochen, SE Supra-Ethmoid, NE knorpelige Nasenkapsel, AF Antorbitalfortsatz (der Labialknorpel, welcher eine ähnliche Lage und Richtung hat, ist nicht eingezeichnet), PQ Palato-Qua- dratum, welches bei PQ^ mit dem der andern Seite convergirt, Sfi Squamosura, das Qua- dratum bedeckend, ÄA Articulare durch ein fibröses Band [B) mit dem Hyoid [Hy) ver- bunden, D Dentale externum, ff frei zu Tage liegender, in Prominenzen auswachsender Meckel'scher Knorpel, SL Schmelzleiste, a, b zwei Zähne, Op, O^)' rudimentäre Opercular- knochen, / VI die sechs Branchialbogen, KPi Kopfrippe, i/i, MK laterale und mediale, den Schulterknorpel {Kn, Kn^) einscheidende Knochenlamelle, co fibröses Band, welches das obere Ende des Schulterbogens mit dem Schädel verbindet, ,<; Gelenkkopf des Schulter- gürtels, mit welchem das Basalglied (ö) der freien Extremität articulirt , ** rudimentäre Seitenstrahlen (biserialer Typus) desselben, 1, 2, 3 die drei nächsten Glieder der freien Extremität.

Der nach aussen mit einem Squamosum (Fig. 67 Sq) belegte Quadratknorpel ist mit dem Chondrocranium zu einem Gusse ver- schmolzen, und auch die Verbindung der mit ihrem Gegenstück nach vorne zu unter der Schädelbasis zusammenstossenden Palatoquadrat- Spange mit dem Cranium ist eine sehr innige (Fig. 67 TQ).

Die gitterartig durchbrochenen , hyalin knorpeligen Nasenkapseln liegen dorsal rechts und links von der Schnauzenspitze (iVX). Nach hinten öffnet sich das Cavum nasale durch Choanen in den Gaumen, ein Verhalten, welches von nun an alle über den Dipnoern stehenden Wirbelthiere charakterisirt.

Der Occipitalabschnitt des Schädels, an welchem sich, wie schon oben erwähnt, den ersten Wirbeln {W, TF\) gegenüber ein Assimilations- process abspielt, ist mit der Wirbelsäule durchaus fest und unbeweghch verwachsen.

Erwähn enswerth sind die mit scharfen Messern vergleichbaren, von Email überzogenen Zähne.

76 Specieller Theil.

Kiemen de ekel sowie Kiemeiihautstrahlen sind in schwachen Sjjuren vorhanden und auch die 5 (C e r a t o d u s) bis 6 (P r o t o p t e r u s) hyalinen Kiemenbogen machen einen sehr rudimentären Eindruck.

An dem kräftigen Unterkiefer unterscheidet man ein Articu- lare, Dentale und Angulare. Nach vorne vom Dentale liegt der iMeckcrsche Knorpel eine Strecke weit frei zu Tage (Fig. 67).

Die Keantniss der Entwicklungsgeschichte des Dipnoer-Kopfes wäre von grossem Interesse und sie würde wohl Manches klar legen, was uns bis jetzt noch räthselhaft erscheint, wie z. B. die als „Kopfrippen" be- zeichneten Spangen (Fig. 67 KR),

C. Amphilbieii.

Urodeleii. Das Kopfskelct der geschwänzten Amphibien unter- scheidet sich von dem der Fische hauptsächhch durch negative Charak- tere, nämlich einerseits durch geringere Entwicklung der knorpeligen Theilc, andrerseits durch eine viel geringere Zahl von Knochen. Kurz, es tritt uns überall ein viel einfacherer Bauplan entgegen. Letzteres gilt namentlich für das Larvenstadium (Fig. 68), wo übrigens der Knorpelschädel noch eine sehr grosse Kolle spielt, und wo die von uns oben für den Wirbelthierschädel im Allgemeinen aufgestellte Eintheilung in eine Regio auditiva, nasalis und orbitalis aufs deutlichste zu Tage tritt. Die in der ventralen und dorsalen Mittellinie (Fig. 68 70 Osp und Bp) durch eine basi- und supraoccipitale Kuorpelcommissur verbundenen und später in der Regel stark verknöchernden (der Ossificationsprocess geht von verschiedenen Centreu aus) Ohrkapseln (OB) zeigen uns eine, den Fischen gegenüber neue und sehr wichtige Einrichtung, nämlich eine nach aussen und abwärts schauende OeÖnung, die Fenestra ovalis (Fig. 68, 69 Fov). Sie wird von einem Knorpeldeckel, dem sog. Stapes (St), verschlossen und wird uns bei der Anatomie des Gehör-Organs wieder beschäftigen. Die halbcirkelförmigen Gänge springen häufig als starke Wülste hervor.

An der ventralen Circumferenz des Hinterhauptloches entwickeln sich zwei, für a 1 1 e A ra p h i b i e n charakteristische, Gelenkhöcker zur Verbindung mit dem ersten Wirbel (Fig. 68—70 Cocc).

Die grossen, zeitlebens aus viel Knorpelmasse bestehenden Nasen- kapseln (Fig. 68 Na) hängen mit den Ohrblasen durch die schlanken, die Seitenwände des Schädels bildenden TrabekeP) {Tr) zusammen und zwischen diesen liegt ein weiter Hohlraum, welcher doisalwärts von dem Os frontale und parietale (Fig. 69 F, P), ventralwärts aber von dem zuweilen mit bürstenartigen Zähnen besetzten Parasphenoid (Fig. 68 und 70 Ps) abgeschlossen wird. Nach vorne von letzterem hegt der die hinteren Nasenlöcher (Fig. 68 und 70 Ch) begrenzende Vomer ( Vo) und mit diesem ist bei ausgewachsenen Thieren die schlanke, an der Ventralfläche des Parasphenoids sich hinziehende Spange des Palatinum (Fig. 70 Vop) verwachsen. Diese Verhältnisse sind erst secundär erworben, denn im Larvenstadium existirt noch eine typische Palato-Qu adr at- oder Ptery go- Palatinspange (Fig. 68 Pt,

1) Letztere verknöchern mehr oder weniger voUständig und werden dann als A 1 i - und Orbitosphenoid bezeichnet" (Fig. 69, 70 As, Os).

Skelet.

77

Ttc, Fl). Allein letztere besitzt später eine wesentlich andere Richtung, wie ein Vergleich der Fig. 68 und 70 zeigt.

Fig. 68.

jPmv Yo IN

Fol/

Cocf

Coci Osp

Fig. 68. Schädel eines jungen A X o 1 0 1 1 s (Ventralansicht).

Fig. 69. Schädel von Salamandra atra. (Erwachsenes Thier, Dorsalansicht).

Fig. 70. Schädel von Salamandra atra. (Erwachsenes Tliier, Ventralansicht), jfr Trabekel, OB Ohrblasen. Foo Fenestra ovalis, welche auf der einen Seite vom Stapes (Ä) verschlossen dargestellt ist, L(jt Band- apparat zwischen letzterem und dem Suspen- sorium des Unterkiefers, Cocc Condyli occipi- tales , Bp knorpelige Basilarplatte zwischen den beiden Ohrblasen, Osp dorsale Spange des Occipitalknorpels, IN Internasalplatte, welche seitlich zu den die Choane begrenzenden Fortsätzen [TB und AF) auswächst, NK Nasenkapsel, Oan Cavum nasale. Na äussere Nasenöffnung, Fl Durchtrittsöfifnung für den Riechnerven, Z Zungenartiger Knorpelaüswuchs der Internasalplatte, welcher als Dach für das Cavum internasale {Ci) fungirt (Fig. 70). Qu Quadralum, Ptc knorpeliges Pterygoid, Pot Processus oticus-, Ped Pediculus-, Pa Proc.

ascendens des Quadratum, Ps Parasphenoid, Pi knöchernes Pterygoid, Vo Vomer, PI Pala- tinum, Pp Gaumenfortsatz desselben, Vop Vomero-palatinum, Pm.c Praemaxillare, 31 Ma- xillare, Os Orbito- und As Alisphenoid, N Nasale, Pf Praefrontale, bei D vom Thränen- Nasengang durchbohrt, F, P Frontale und Parietale, Squ Squaraosum, II Opticus, V Tri- geiuinus- , VII Facialis-Loch , Rt Eintrittsstelle des Ramus nasalis Trigemini in die Nasenkapsel.

Die Lamina cribrosa ist entweder knorpelig, wie z. B. bei Sa- lamandra, oder häutig, wie bei den meisten S al a m a n d r i n e n (z.B. Triton). Wieder in anderen Fällen (Salamandrina perspicil- lata, Proteus u. a.) wird der vordere Abschluss der Schädelhöhle durch besondere Modificationeii der Stirnbeine zu Stande gebracht.

78

Specieller Theil.

Nach aussen vom Vomer liegt der Oberkiefer (Fig. 68 70 M) und nach vorne der, in der Regel eine Höhle einschliessende oder we- nigstens begrenzende , Zwischenkiefer (Pmx). Dieser zieht sich auf die Dorsalfläche des Schädels herauf und stösst hier nach hinten an das Nasale, auf welches weiterhin das Praefrontale folgt (Fig. 69

JV, Pf).

Der Suspensorialapparat des Unterkiefers, in welchem auch in der Embryonalzeit wahrscheinhch kein Hy oman dibulare (vielleicht entspricht der Stiel des Stapes einem solchen) und Symplecticum mehr zur Entwicklung kommt, ist, wie dies ein Blick auf die schema- tische Abbildung 60 E beweist, ungleich einfacher gebaut als bei Fischen. Er besteht nur aus dem Quadratum, welches secundär mit dem Schädel verwächst und an dessen Aussenfläche sich ein Deckknochen, das Squaniosum, entwickelt (Fig. 68—70 Qu, Squ).

Ueber das Visceralskelet s. später.

Der durch einen ungemein derben und soliden Charakter sich aus- zeichnende Schädel der OyinnopMouen weist auf das Kopfskelet der alten untergegangenen Amphibiengeschlechter der Kohlenformation zurück. Er zeigt in manchen Punkten auch eine gewisse Verwandtschaft zum Anuren- schädel und beansprucht namentlich durch eine sehr complicirte Archi- tectur der Nasenkapseln das allergrösste Interesse (vgl. das Geruchsorgan). In früheren Erdperioden zeigte sich der Schädel der geschwänzten Amphibien, wie z.B. derjenige der Labyrinthodonten und Ganoce- phalen, von einer viel grösseren Menge von festen und starken Knochen- schilderu überzogen, und allgemein verbreitet war ein zur Zirbel resp. zu dem Parietalauge in Verbindung stehendes Loch in der Parietaluaht,

ganz ähnlich, wie es unsere heutigen Lacertilier besitzen. Fig. 71. (Vergl. das Eeptiliengehirn.)

In der Circumferenz der Orbita trifft man häufig einen knöchernen Scleral- ring, wie ihn auch Ichthyosaurus besass und wie er den heutigen Vögeln und einem Theil der Reptilien zu- kommt. Wenn man den an die Knochen- ganoiden erinnernden Reichthum von Kopfknochen der untergegangenen Am- phibiengeschlechter, sowie ihre oft ins Ungeheuerliche gehenden Dimensionen (es kommen solche mit Schädeln von 3 4 Fuss Länge vor) erwägt, so sieht man sich gezwungen, wie wir dies auch von den heute lebenden Reptilien schon con- statiren konnten, die heutigen Amphibien nur als schwache Ausläufer einer einst viel reicher entwickelten Thiergruppe aufzufassen.

J*mvMt

Sorr

Fig. 71. Re st a u r ir t er Stego- saurierschädel aus der böhmischen Gaskohle nach Fritsch. Pmx Prae- maxiUa, M MaxiUa, N Nasale, A'a Na- senloch, t Frontale, Pf Praefrontale, P Parietale , P'p Foramen parietale, Socc Siipraoccipitale, Br Kiemenapparat, Oc knöcherner Scleralring.

Aiiiiren. Der Schädel der ungeschwänzten Batrachier zeigt auf den ersten Blick sehr viel Uebereinstimmeudes mit dem der heutigen Urodelen, allein er hat eine wesenthch andere, viel complicirtere Entwicklung durchzumachen und lässt sich somit keineswegs direct von

Skelet.

79

letzterem ableiteu. Dies beweist, dass die gemein same Urform in sehr weit zurückliegenden geologischen Perioden gesucht werden muss.

Im Larvenstadium ist ein von Lippenknorpeln und Horuzähneu gestützter Saugmund vorhanden; was aber viel wichtiger ist, das ist die Anlage einer knorpelig-häutigen Paukenhöhle (Cavum tym- p a n i) , welche nach aussen durch ein Trommelfell (Membrana tympani) abgeschlossen wird, während sie nach innen durch die Ohrtrompete (Tuba E u s t a c h i i) mit der Mundhöhle communicirt (vergl. das Gehörorgan).

Mit Ausnahme einiger kleiner Stellen auf seiner Dorsalseite entsteht der gesammte Anurenschädel als eine einheitliche Knorpelmasse und in Folge dessen legt sich auch die ganze Ethmoidalregion knorpelig an. An der Durchtrittsstelle der Riechnerven kommt es zu einer gürtelförmigen Ossif icationszone (Os en ceinture, Cuvier), welche für den Anurenschädel typisch ist. Uebrigens zeigen auch die Gymnophionen in diesem Punkte ähnliche Verhältnisse.

Die Knochen des erwachse- nen Schädels sind nicht so zahl- reich wie bei Urodelen, da die Stirn- und Scheitelbeine

Fig. 72. Schädel von Ran.-x esculenta, ventrale Ansicht Nach Ecker. Auf der einen Seite sind die Deckknochen entfernt. Cocc Condyü occipitales, Olat Occipitale laterale, ö^A' Gehörkapsel, Qu Quadratuni, Qjg Qua- drato-Jugale, Fro Prooticum, Fs Para- sphenoid, As Alisphenoid, Pt knöchernes Pterygoid, FP Palato-Quadratum, BF Fronto-Parietale, E Ethmoid (Os en ceinture), Fol Palatinum, Yo Vomer, M Maxiila, Fmx Praemaxillare, A^iV' knorpeliges Nasengerüst , 77, F, VI Austrittsöffnung des N. opticus, Trige- minus und Abducens.

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Olaf \ / Co VC

in der Regel jederseits zu einer einzigen Knochenplatte, einem Frontoparietale zusammenfliessen .

Die Oberkiefer Spangen wachsen viel weiter nach hinten aus als bei Urodelen und verbinden sich durch ein kleines Mittelstück (Q u a d r a 1 0 j u g a 1 e) mit dem Suspensorialapparat des Unterkiefers (Fig. 72 Qjg). Ueber die formellen Verhältnisse der die Mundhöhle begrenzenden Knochen vergl. Fig. 72.

Das Visceralskelet der Amphibien unterliegt, abgesehen vom Unterkiefer, zahlreichen Variationen, doch haben wir uns die Grundform, wie sie uns im Larvenstadium (Fig. 73 A) entgegentritt, als aus fünf Spangen paaren bestehend zu denken. Das vorderste Paar besteht aus dem in zwei Stücke (Fig. 73 A iTpif, KeR) zerfallenden H y o i d - bogen und darauf folgen nach hinten vier ächte Kiemenbo gen, welche sich ebenfalls in je zwei Stücke {Kehr I, II, Ephr I, II) glie- dern. Die zwei letzten, viel kleineren Stücke sind eiugliederig (Epbr III, IV). Alle die genannten Bogenpaare werden in der Mittellinie durch ein einfaches oder zweigliederiges Copularstück verbunden (Fig. 73 A Bhr I und Bhr II). Nach Ablauf des Larvenstadiums, d. h. der

80

Specieller Theil.

Kiemoiiatliuiuiig, sclnviiuien die /.\Yoi hintersten Bogenpaare ganz, wah- rond die vorderen nach Lage und Form Veränderungen eingehen und mehr oder weniger stai'k verknöchern (Fig. 73 B, C).

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Fig. 73. Z u Dgen be i n - Ki em e n bo ge n - Ap p ara t von Urodelen.

A Axolotl (Siredon pisciformis). B Salamandra maculosa. C Triton cristatus. D Spelerpes fuscus.

Bhr I, II Erstes und zweites Basibrancliiale, KeH Keratohyale, HpII Hypohyale, Kebr I. II erstes und zweites Keratobranchiale , Epbr I IV erstes bis viertes Epibranchiale, KU, KH^ vorderes und hinteres Paar der kleinen Zungenbeinhöruer, 0,th Os thyreoideum, G,th Glandula thyreoidea.

Bei der Gattung Sp elerpes, die eine Schleuderzunge besitzt, wächst das laterale (dorsale"* Stück des ersten ächten Kieraeubogens, das sog. Epi- branchiale I, zu einem langen Knorpelfaden aus, der sich weit unter der Piückenhaut hin erstreckt (Fig. 7 3 D^ (Wiedebsheim).

Der H y o i d - und B r a n c h i a 1 a p p a r a t erfährt hei A n u r e n eine bedeutende Rückhildung, und über das Verbleiben des Hyoman-

/^

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Fi2. 7i. Z:i-5er.bi:n-K:e:

-z,.,t. 81

dibulare lässt sich so wenig als bei

Urodelen etwas Sicheres aussagen. Es z:^^^ -5? ^-'^^^v

ist übrigens, wie oben schon erwähnt, nicht munögiich, dass die Columella einem solchen entspricht. Während Vieles von dem Kiemenbogenapparat schwindet, fliessen die basalen Theüe zu einer breiten, am Boden der Mund- höhle Kegenden, knorpelig-knöchernen Platte zusammen. Die daran befind- ip-w'BJt

liehen Fortsätze entsprechen theils dem Hvoidbogen. dessen proximales Ende sich aussen an der Ohrkapsel befestigt, . '

theils dem ersten bis vierten Kiemen- k__ .... _ .. _. . „i

bogen. Bezüglich der einzelnen Details ^^'^ ^^^ Tiener BräuchiäicrDgeii- verweise ich auf die Fig. 74.

Auch die der Kohlenperiode angehörigen Stegoee: ssen

bereits dieselbe Kiemenbogenzahl . wie die heutigen Ur-jüe! und

es ist von Interesse, nachweisen zu können, dass auch jt:_. ._ _ eine Metamorphose durchliefen, i h. dass sie es schon zur -Lunge na th- mung brachten. Dies gilt z. B. für Branchiosaurus. Erst nach der Metamorphose kam es dann voDends zur vollkommenen Herausbüdung des charakteristischen Hautpanzers , von dem die Larve nur die erste Anlage besass XiiEi^>"EEj.

B. Beptilien.

So enge die verwandtschaftlichen Beziehungen stad. welche zwischen dem .Schädel der Reptilien und demjenigen der Vögel bestehen, so gross ist die Kluft, welche um von demjenigen der Amphibien und der Säugethiere trennt.

Der knorpelige Primordialschädel wird, abgesehen von der Vaso- Ethmoidalgegend . durch einen ausge«lehnten, über das g?iize E^T-f^kelet sich ei^treckenden Verknöcherungsprocess zum grössten T . ^ imd

gebracht. Nur bei Sauriern (zumal bei Hatteria» e:_..: .. ;.._ zu- weilen noch in ziemlicher Ausdehnung; kurz, der Keptüienschädel macht im Grossen und Oanzen einen festeu, starkknochigen. - •- Eindruck.

Die Schädelhöhle erstreckt sich bei Ophidierr z^iphis-

bänen interorbital bis nach vorne ztir Ethmoidalgegenü . T ; er-

tiliern, Cheloniern und Crocodiliern dagegen, w: ._ _.itig- knorpehges, von den Pdechnerven durchzogenes Interorbitaiseptum besteht, hört sie schon weit hinten auf (vei^L das < ;-^ " - ' - Teleo stier Schädel, wo auf die hierbei in Betr Grössen Verhältnisse des Bulbus oculi verwiesen isis.

Der bei Fischen und Amphibien eine so grosse BoUe - ^ . Belegknochen am Dache der Mundhöhle, das Parasphenoid.

zu verschwinden und an seiner Stelle figurirt an der Basis cr^i. . w_c

Längsreihe knorpelig präformirter Knochen, die man als Basi-occi- pitale. Basi- und Praesphenoid unterscheiden kann. Im Gegen- satz zu den Amphibien existirt zur Verbindung mit der Wirbelsäule nur

Wieder! äei^ .rr vargi. Aiosceie. i. K'zä- 6

82 Specieller Theil.

ein einziger, unp aarer Gelenkkopf, der übrigens, genau genommen, aus drei Tlieilen hervorgegangen zu denken ist.

Im Bereich des Schädeldaches entwickelt sich, ähnlich wie bei Teleo stiem, ein reicher Knochen-Complex, dagegen treten die Tra- becularmassen (Ali- und 0 r b i t o s p h e n o i d e) in postembryonaler Zeit sehr in den Hintergrund und werden wohl auch, wie z. B. bei S chlan gen, z. Th. durch senkrecht absteigende Fortsätze der Stirn- und Scheitel- beine ersetzt.

Letztere sind nur bei Schildkröten paarig , bei allen übrigen Reptilien dagegen in postembryonaler Zeit unpaar^). Das schon bei Besprechung der fossilen Amphibienschädel erwähnte Parietalloch (Fig. 75 Fp) findet sicli bei zahlreichen Sauriern, wie z. B. bei L a c e r t a und A n g u i s.

Bezüglich der topographischen Beziehungen der verschiedenen Knochen zu einander verweise ich auf die Fig. 75 78. Man wird daraus erkennen, dass sich hierin derselbe, uns von den Ur od eleu her schon bekannte Grundplan ausspricht. Neu hinzugetreten aber ist ein Postorbitale^), ein Lacrimale, ein das Scheitelbein mit dem Pterygoid verbindender schlanker Knochenstab, die sogenannte C 0 1 u m e 11 a (Epipterygoid) , und endlich ein Os transversum, welches sich wie ein Strebepfeiler zwischen dem M axillare und Pterygoid ausspannt (Fig. 75—79 Ts).

Zu der Fenestra ovalis der auch hier von mehreren Centra aus verknöchernden Gehörkapsel ist bei den Reptilien noch eine Fenestra rotunda getreten und in der Regel communicirt die Paukenhöhle durch eine Eustachische Röhre mit dem Cavum pharyngis. Als schallleitender Knochen dient die Columella auris, deren di- staler Abschnitt aus dem obersten Ende des ersten mandibularen Kiemen- bogens hervorgeht (H y o m a n d i b u 1 a r e) •' ).

Der Suspenso rialap parat des Unterkiefers besteht einzig und allein aus dem Quadratum, welches dem Schädel nur lose an- liegen (Ophidier^), Lacertilier) oder fest mit ihm verbunden sein kann (H a 1 1 e r i a , C h e 1 o n i e r , C h a m a e 1 e o n t e n , C r o c o d i 1 i e r).

Die Bezahnung ist durchweg eine kräftigere, wie bei Am- phil)ien , können ausser den eigentlichen Kieferknochen auch noch die Gaumen- und Flügel b eine Zähne tragen (Fig. 76 PI, Pt). Bür- stenartige Sphenoidalzähne kommen bei Reptilien nicht mehr vor und die Chelonier sind sogar ganz zahnlos. Ihre Kieferknochen sind an ihrer freien Kante mit starken Hornscheiden überzogen.

Nur Hatteria unter allen recenten Eeptilien besitzt auch einen be- zahnten Vom er, allein es handelt sich jederseits nur noch um einen einzigen Zahn. Darin liegt der Hinweis auf uralte Verhältnisse, wie sie sich auch im gesammten übrigen Skelet jenes Thieres aussprechen (G. Baue).

1) Letzteres gilt auch für die Stirnbeine manclier Saurier und aller Croco- d i 1 i e r. Auch das P r a e m a x i 1 1 a r e ist meistens unpaar.

2) Erwähnenswert!! ist auch ein auf fossile Amphibienformen zurückweisender circumorbitaler Knochen ring (Fig. 75 O, O).

3) Die Anlagerung der Columella auris an das obere Ende des Ilyoldbogens ist erst secundär erworben.

4) Bei Schlangen (Fig. 76, 77 Squ, Qu) ist es nur indirect, d. h. mittelst des Squaraosum, mit dem Schädel verbunden. Dabei springt es weit nach hinten aus und garantirt so, indem auch das Gclenkende des Unterkiefers entsprechend weit nach hinten reicht, eine sehr weite Mundspalte.

Skelet.

83

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Fig. 77.

Fiff. 78.

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Fig. 75. Schädel von Lacertaagilis. Fig. 76, 77 Schädel von Tropidonotus natrix. Cocc Condylus occipitalis, Os und Osp Occipitale supe- rius, Ol Occipitale laterale, Fov Fenestra ovalis, Pe Petro- sum, P Parietale, Fp Foramen parietale, Ji Frontale, F 1 Postorbitale, Pf Praefrontale, Eth Ethmoid, N Na- sale, Pmx Praemaxillare, M Maxillare, O, O knöcherner Orbitalring (nur auf einer Seite dargestellt), Bp Basioccipitale, Bs Basisphenoid, Ch Choane, Vo Vomer, PI Palatinum, Pt. Pterygoid, Ts Os transversum, Qu Quadratum, Squ Squamosum, Stp Supratemporale, lug Jugale, Art Articulare, Ag Angulare, SA Supraangulare, Dt Dentale, // Opticiisloch.

Fig. 78. Schädel einer jungen Emys europaea. Seitliche Ansicht. Cocc Condyli occipitales, Ol Occipitale laterale, Osp Occipitale superius , welches hier einen Kamm erzeugt, P Parietale, i'' Frontale, P'i Postfrontale, Pf Praefrontale, welches sich stark am vorderen Abschluss der Augenhöhle betheiligt, 1 Eintrittsöffnung des N. olfactorius in die Nasenhöhle, Si Septum interorbitale. Na äussere Nasenöffnung, M Maxillare, Pmx Prae- maxillare, IIK Hornscheiden, Vo Vomer, lug Jugale, QJg Quadrato-jugale, Qu Quadratum, Mt Membrana tympani , Squ Squamosum, Bp Knorpelnaht zwischen Basioccipitale und Basisphenoid, 3Id Mandibula.

84

Specieller Theil.

Der Pterygo-palatinbogen ist bei sämmtliclien Reptilien gut entwickelt ; während er aber bei 0 p h i d i e r n und Lacertiliern mehr oder weniger weit von der Basis cranii abgerückt und beweglich ist, erscheint er bei Cheloniern und noch viel mehr bei Crocodilieru derart basal wärts am Schädel gelagert, dass sich die Hälften beider Seiten ganz oder theilweise in der Mittellinie berühren. Indem nun auch noch die Gaumenfortsätze des Ober- kiefers (Fig. 79 M) sich verbreitern und in der Mittellinie mit ein- ander, beziehungsweise mit den Palatina {PI) in Berührung treten, resultirt daraus und dieser wichtige Vorgang tritt hier zum

erstenmal am Wirbelthierschädel in die Er- scheinung — ein von der eigent- lichen (sphenoidaleu) Schädel- basis sich abhebendes und diese von der Mundhöhle abschliessen- des zweites Dach des Cavum oris. Der zwischen letzterem und der Basis cranii gelegene Hohlraum fällt in die Rückwärts- verlängerung der Nasenhöhle, welche da- durch schärfer von der Mundhöhle difteren- zirt erscheint und deren Choanen sich in Folge davon gewissermassen zu langen, erst weit hinten in der Regio basi-occipitalis ausmündenden Röhren ausdehnen. Vergl. Fig. 79, 83 und 84.

Bei Crocodiliern werden die Oeff- uungen der letzteren von den Pterygoiden umschlossen, bei Cheloniern dagegen lie- gen sie noch vor denselben am Zusammen- stoss des V 0 m e r s und der Palatina. Es sind also hier die Flügelbeine in die Begren- zung des Nasen-Rachenganges noch nicht mit einbezogen, und letzteres gilt auch für die fossilen Stammväter der Crocodilier, für B e - lodon und Teleosaurus.

eines ventrale

Fig. 79. Schädel jungen Crocodils, Ansicht. Cocc Condyli occipitales, Ob Occipitale basilare, Ch Choa- nen, Pt Pterygoid, Orh Orbita, PI Palatinum, M Processus palatinus des Maxillare, Pmx Praemaxillare, Ts Os transversum. Ig Jugale, (?yQuadrato-jugale, Qu Quadratum.

(KB), Hy Hyoid- und B^ erster Kiemenbogen.

Im Bereich des Unterkiefers entsteht eine ganze Anzahl von Knochen, so z. B. ein Dentale, Angulare, Supraangulare, Arti- culare etc. (Fig. 77 Bt, Äg, SÄ, Art).

Der Bran chialappar at spielt, ent- sprechend der ohne Kiemeuathmung ver- laufenden Entwicklung der Reptilien, keine grosse Rolle und bildet sich oft bis auf minimale Spuren zurück, so dass z. B. bei Schlangen nur noch die Hyoide und auch diese nicht immer übrig blei- ben. Bei Schildkröten persistirt auch noch eine Copula, sowie der erste Kiemen- bogen.

Fig. 80. Kiemenbogen apparat von Emys e u r o p a e a. Co Copula , mit anhängenden kleinen Hörnern

Skelet.

85

E. Vögel.

Wie ich oben schon auseinandergesetzt habe, steht der Vogelschädel in den nächsten verwandtschaftlichen Beziehungen zu demjenigen der Reptilien, zumal zu dem der Lacertilier. Trotzdem bestehen

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Fig. 81. Kopf skelet der Ente, A von oben, B von unten, C von der Seite. Nach einem Präparat von W. K. Parker, als Alisphenoid, ag Angulare, ar Articulare, a.p.f Foramen palatinum anterius, h.t Basitemporale, h.o Basioccipitale, h.prj Basipterygoid, h.s Basisphenoid, d Dentale, e.n Apertura nasalis externa, eth Ethmoid , e.o exoccipitale, e.M Oeffnung der Eustachischen Röhre , fr Frontale, f.m Foramen magnum , i.c Loch für die A. carotis interna, j Jugale, Ic Lacrimale, mxp Processus palatinus ossis maxillae, mx Maxiila, n Nasale, n.px Processus nasalis ossis praemaxillaris, ipx Praemaxillare, 'p Parie- tale, j}.s Praesphenoid, j)g Pterygoid, pl Palatinum, p.n Apertura nasalis posterior (Choanen), 2 Quadratum, qj Quadrato-jug^le, sg Squamosum, s.o Supraoccipitale, ty Cavum tympani, V Vomer, // Oeffnung für den N. opticus, F, IX, Z, XU desgleichen für den Trigeminus, Glossopharyngeus, Vagus und Hypoglossus.

86 Specieller Theil.

zwischen beiden gewisse Unterschiede, die besonders hervorgehoben zu werden verdienen.

Vor Allem zeigt die Hirnkapsel, entsprechend dem auf höherer Stufe stehenden Gehirn, eine grössere Geräumigkeit. Die in schroffem Gegensatz zu den Reptilien eine zarte, spongiöse („pneumatische") Structur besitzenden Knochen zeigen das Bestreben, unter Verstreichung der Nähte, zu einer einheitlichen Masse zusammenfliessen ^) (Fig. 81 A, C).

Der Condylus occipitalis liegt nicht mehr an der hinteren Circumferenz des Schädels, d. h. nicht mehr in der axialen Verlängerung der Wirbelsäule, sondern ist mehr nach abwärts und vorwärts an die Schädelbasis gerückt, so dass die Koptläugsaxe von der Axe der Wirbel- säule wie abgeknickt erscheint, ein Verhalten, das bei gewissen Säugern noch stärker hervortritt.

Die in der Trabecularzone liegenden 0 r b i t o - und Alisphenoide kommen zu besserer Entwicklung als bei L a c e r t i 1 i e r n. Das Q u a d r a- tum ist mit dem Cranium beweglich verbunden. Zwischen der zarten Pterygopalatinspange einer-, sowie dem unpaaren, inconstanten Vomer andrerseits können die mannigfachsten Verbindungen, bis zum vollständigen Zusammenfluss, existiren. Von einem Palatum durum im Sinne der Crocodilier kann, da die Palatinbögen mehr oder weniger weit in der Mittellinie von einander getrennt bleiben, keine Rede sein. Die Choanen liegen stets zwischen Vomer und Palatinum.

Ueber die zarte Jochbrücke zwischen Maxilla und Q,uadratum, sowie über die Lagebeziehungen der übrigen Knochen zu einander vergl. die Fig. 81.

Was ich beim Reptilienschädel bezüglich der aus verschiedenen otischen Knochencentra zusammengesetzten Gehör kapsei gesagt habe, gilt auch hier, und ebenso verhält es sich mit den Fenstern der Paukenhöhle und den Eustachischen Röhren, nur dass die beiden letzteren durch eine gemeinsame Oeffnung am Schädelgrund ausmünden. Inwieweit der Stapes resp, die Columella mit dem schallleitenden Apparat der Rep- tilien homologisirbar ist, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Einzig und allein in der Nasenhöhle, deren morphologische Verhältnisse uns beim Geruchsorgan wieder beschäftigen werden, bleiben grössere Knorpelmassen das ganze Leben bestehen.

Dass der Vogelschädel früher be-

os zahnt war, beweisen die fossilen Vögel

,.^-'i^&^ jy der Jura- und Kreideperiode (Fig.

/V "x 82). Die Vögel des Tertiärs besassen

schon keine Zähne mehr und, wie es scheint, legen sich solche auch ontogenetisch bei keinem recenten Vogel mehr an.

Jede ursprünglich aus einer grösse- «'''^'^ ren Zahl von Knochen sich anlegende

Fig. 82. Kopf des Archae- Unterkieferhälfte zeigt in postembryonaler opteryx lithogr. Nach Zeit einen durchaus einheitlichen Charak- ^^^^^ ter und verwächst am Vorderende syno-

stotisch mit ihrem Gegenstück. Dazu tritt

1) Eine Ausnahme hiervon macht der Pingui n sc hädel und auch der Straussenschädel weist in dieser Beziehung auf primitive Verhältnisse zurück. Der Archaeoptery'i verhielt sich hierin schon wie die recenten Vögel.

Skelet.

87

noch die einen theilweiseu Ersatz für die fehlenden Zähne liefernde hornige Schnabelscheide, und diese überzieht auch den Zwischenkiefer. Das Visceralskelet bildet sich stark zurück, der erste Kiemen- bogen aber persistirt nicht nur, sondern kann (Spechte) zu einer ausserordentlich langen, den ganzen Schädel von hinten und oben um- greifenden Spange auswachsen. Die Copularia existiren in Form eines Basihyale und B asibranchial e I und IL Ersteres bildet, in die Zunge eingebettet, deren festes Substrat, das Os entoglossum.

r. Säuger.

Hier handelt es sich um eine viel in n iger e Verb in düng zwischen dem cranialen und visceralen Schädel abschnitt, als dies bei den bis jetzt betrachteten Wir

Fig. 83. Medianschiiitte durch den Kopf von Salamandra macul. (A), Chelonia midas (B) und von Corvus corone (C)- Man beachte das Verhältniss des Craniums zur Nasenhöhle.

88 Specieller Theil.

belthieren der Fall ist. Beide erscheinen nach vollendeter Ent- wicklung, abgesehen vom mandibularen Bogen, wie aus einem Guss und bei den höchsten Typen, wie z. B. beim Menschen, stellt man den sogen. Gresichtsschädel (Facies) dem Hiriischädel (Cranium) gegenüber. Beide gehen derartige Lagebeziehungen zu einander ein, dass der erstere, je höher man in der Keihe der Säugethiere emporsteigt, immer mehr an die untere (basale) Seite des letzteren zu hegen kommt, so dass man also bei den höchsten Formen bezüglich der gegenseitigen Lagerung nicht sowohl mehr von einem Vorne und Hinten, als von einem Unten und Olben reden kann. Dabei tritt der Gesichtsschcädel, als der vegetativen Sphilre angehörend, bei dem höchsten Typus, dem Menschen, gegenüber dem grossen, auf eine hohe geistige Stufe hin- weisenden Hirnschädel stark in den Hintergrund, und zugleich ist die Abknickung der Schädelbasis von der Axe der Wirbelsäule noch viel weiter gediehen, als dies bei den Vögeln zu constatiren war.

Die Schädelbasis, zusammt der ganzen Ethmoidalgegend, ist wie bei Reptilien und Vögeln, knorpelig präformirt, während sich die Schädel decken direct in einer haut ig -fibrösen Grundlage entwickeln.

"Wie überall, so begegnet man auch am Säugethierschädel im Be- reich des Hinterhaupts verschiedenen Knochencentra, einem S u p r a - und Basioccipitale, sowie den die Gelenkhöcker tragenden Occi- pitalia lateralia. Die Condyli occipitales sind also hier paarig.

Nach vorne vom Basi-occipitale folgt, den Schädelgrund bil- dend, ein B a s i - und P r a e s p h e n o i d mit flügelartigen Anhängen, die mau als Alae majores (Alisphenoide) und minores (Orbito- sphenoide) bezeichnet. Während beide eine mehr oder weniger hori-

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Fig. 84. Mediansclinitte durch den Kopf von Cervus capreolus (A), C y - nocephalus (B) und Homo (C). Man be- achte das Verhältniss des Craniums zur Nasen- höhle.

Skelet. 89

zontale Lage besitzen und sich so an der Bildung der „Schädelgruben" und der seitlichen Schädelwand betheiligen, erstreckt sich ein unter dem Namen des Processus pterygoideus bekannter Fortsatz senkrecht nach abwärts und verschmilzt hier mit dem selbständig ent- stehenden Os ptery goideum (Fig. 85 B D). Letzteres vereinigt sich mit dem Gaumenbein zum P t e r y g o - p a 1 a t i u b o g e n.

Dem Praesphenoid laufen vorne die Stirnbeine entgegen, und indem sie einen Theil des Ethmoids, d. h. die vom Riechnerven durchbohrte Lamina er ib rosa, zwischen sich fassen, wird der vor- dere Abschluss des Craniums zu Stande gebracht.

In der Gegend der Gehörkapsel treten auch hier wie überall mehrere Ossificationscentren auf, welche man als Pars epiotica (mastoidea), opisthotica und prootica (petrosa) unter- scheidet. Alle drei, namentlich die letztgenannte, betheiligen sich am Aufljau des Schädelgrundes. Dazu treten aber noch von aussen her zwei Belegknochen, das Squamosum und der Annulus tympanicus 1), welcher, bei höheren Typen rölirenartig auswachsend, die Pars ossea des äusseren Gehörganges bildet. Aus der Vereinigung aller dieser fünf Knochen und sie unterbleibt nur bei Marsupi aliern bildet sich das Schläfenbein (Os temporis) im Sinne der menschlichen Anatomie.

Die so gebildete Schädell)asis wird von dem oben schon erwähnten Supraoc cipitale, dem Interparietale, dem Parietale und dem paarigen oder unpaaren Frontale überlagert.

Letzteres kann Hörner und Geweihe tragen, wobei es in sogenannte Stirnzapfen auswächst, welche die betreffende Hautpartie erheben. Zwischen letzterer und den Zapfen bildet sich eine Hautverknöcherung, welche mit den Stirnzapfen verwächst, nach Abschluss ihres Wachsthums vertrocknet und nach vollendeter Brunst sich löst. Erst im M i o c ä n beginnt die Scheidung von Geweih- und Hornträgern, d. h. vor jener Periode waren Hirsche und An tilop en noch nicht von einander zu unterscheiden.

Beim Nasenskelet, dessen Höhle mit lufthohlen Räumen be- nachbarter Knochen in Verbindung stehen kann (vergl. das Geruchs- organ), spielen Muschel bildungeu resp. das Siebbeinlaby - rinth eine grosse Rolle. Dazu kommt eine von der Lamina cri- b r 0 s a , d. h. von der vorderen Vereinigungsstelle der Trabekel aus- wachsende senkrechte, knorpelige Platte (Mese thmoid), welche die Nasenhöhle in zwei Hälften theilt. Auf ihr bildet sich als Belegknochen der ursprünglich paarige Vom er. Nur im Bereich der Nasenscheide- wand und der äusseren Nase erhalten sich zeitlebens knorpelige Theile, die sogen . A 1 i n a s a 1 - und A 1 i s e p t a 1 k n o r p e 1. Die nie knorpelig präformirten Oberkiefer hälften, zwischen die sich von vorne her das die oberen Schneidezähne tragende Praemaxillare ein- keilt, bilden den Grundstock des Gesichtsschädels und be- theihgen sichln ausgedehntester Weise an der Umschliessung des Ca- vum nasale. Sie erzeugen horizontale Gaumenfortsätze, welche ebenso wie diejenigen des weiter rückwärts Hegenden Os palatinum in der Mittellinie zusammenschliessen und so, unter Trennung der Nasen- und Mundhöhle, ein Palatum durum zu Stande bringen.

1) Bezüglich der specielleren Verhältnisse, namentlich hinsichtlich der sogen. Bulla tympanica verweise ich auf mein Lehrbuch der vergl. Anatomie.

90

Specieller Theil.

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Occ.las.

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Fig. 85. Kopfskelet vom Windhund. A von oben, IS von der Seite, C von unten, D im Medianschnitt, von der Schädelhöhle aus gesehen.

Skelet.

91

Jni Os intermaxillare, N Os nasale, M Maxillare mit dem Foramen infraorbitale (Finf), J(j Jugale, Fjt Processus jugalis ossis temporis, L Lacrimale mit dem Canalis lacrimalis, P Parietale, Sq.occ Squama ossis occipitis (Supraoccipitale) , C occ Condyli occipitales (Occipitale laterale), B.occ Basioccipitale, Pal Palatinum, Pt Pterygoid, Sph Alisphenoid, Sph^ Basisphenoid, Sph'^ Praesphenoid, Sq Squama temporis, Maud Meatus auditorius ex- ternus, T Tympanicum, For.m Foramen occipitale magnum, Pet Petrosum, Cho Choaneii, Vo Vomer, Eth Lamina perpendicularis ossis ethmoidei, Eth^ Lamiiia cribrosa ossis eth- moidei, Cav.gl Cavitas glenoidalis für den Unterkiefer.

In seltenen Fällen (Edentaten, Cetaceen) betheiligen sich daran auch noch die Pterygoid e. Bei Echidna, Dasypus, Myrmeco- phaga und gewissen Cetaceen kann das Palatum durum eine ausserordentliche Länge erreichen, so dass die Choanen sehr weit nach hinten zu liegen kommen.

In der Wangengegencl siiid in der Regel (nur die Eden taten machen eine Aiisnahnie) die M a x i 1 1 a r i a durch ein Jugale mit einem

Fig. 86. Kopfskelet von Tatusia (Dasypus) hybrida, nach einem Präparat von W. K. Parkek. Die knorpeligen Partieen sind punktirt.

a.ty Annulus tympanicus, b.hij Basihyale, h.hij Hypohyale, c.hy Keratohyale, e.hy Epi- hyale, tr Trachea, er Cartilago cricoidea, th Cartilago thyreoidea, mh Cartilago Meckelii, d Dentale, ml Malleus, in Incus, st.m Musculus stapedius, st Stapes, au Gehörkapsel, occ Condylus occipitalis, eo Exoccipitale, s.o Supraoccipitale, sq Squamosum, ]} Parietale, i Ju- gale, pa Palatinum, / Frontale, Ic Lacrymale, mx Maxillare, s.t knorpeliges Nasenskelet (Gegend der oberen Muschel), n Nasale, px Praemaxillare, e.n Apertura nasalis externa, F^, F2 erster und zweiter Ast des N. trigeminus, // Oeftnung für den Austritt des N. opticus.

Fortsatze des S q u a m o s u m verbunden . Häufig (Einhufer, Wie- derkäuer, P r i m a t e n) verl^indet sich dasselbe auch mit dem Stirn- bein, wodurch die Augenhöhle von der Fossa temporalis bis auf einen kleinen Schlitz (Fissura orbitalis infe- rior) abgeschlossen wird.

lieber den Verbleib des Quadratums im Säugethierschädel sind die Ansichten noch sehr getheilt, und es lässt sich noch nicht sicher entscheiden, ob demselben der oben schon erwähnte Processus zygomaticus des Squamosum, d.h. der Schläfenschuppe, entspricht, oder nicht. Ist dies

92 Specieller Theil.

der Fall , so sieht man sich der Schwierigkeit enthoben, das Unterkiefer- gelenk der Säugethiere als eine besondere, dem betreffenden Gelenk aller übrigen Vertebraten nicht homologe Bildung erklären zu müssen, d. h. es würde sich dann durchweg um eine Articulatio quadrato-man- dibularis resp. quadrato-articularis handeln.

Die Entscheidung dieser Frage ist auch für die morphologische Be- urtheilung der schalUeiteuden Gehörknöchelchen von grosser Bedeutung, und indem ich auf ihre Entwicklungsgeschichte hiermit etwas eingehe, lasse ich zugleich eine Schilderung des Visceralskeletes des Säugethierschädels im allgemeinen folgen.

Das proximale Ende des ersten (mandibularen) Kiemenbogens schnürt sich in embryonaler Zeit zweimal ab. Aus dem ersten Stück entsteht der A m b o s s , aus dem zweiten der Hammer; der übrig blei- bende lange Rest ist der M e c k e 1' s c h e Knorpel Letzterer , auf welchem sich der Unterkiefer als Belegknochen (Dentale) bildet, ist auf der Figur 8(3 mit dem Hammer noch in voller Verbindung. Das dritte Gehörknöchelchen, der Steigbügel, besteht aus einer Platte, welche sich aus der Substanz der knorpeligen Gehörkapsel heraus- schnürt, und aus einem bogen- oder bügeiförmigen Stück, das seinen Ursprung aus dem obersten Ende des Hyoidbogens nimmt. Alle drei Gehörknöchelchen spannen sich als eine in ihren Gliedern gelenkig ver- bundene Kette durch die Paukenhöhle hindurch, wobei sich der Hammer dem Trommelfell und der Steigbügel der Fenestra ovalis anlegt (vergl. das Gehörorgan).

Der Hyoidbogen verbindet sich nach Abschnürung des Stapes- bogens proximalwärts mit dem Boden der Ohrkapsel und distalwärts mit dem dritten Visceral- d. h.mitdem ersten, eigentlichen K i e m e n b 0 g e n. Die dazwischen liegende Strecke, anfangs knorpelig, kann ganz oder theilweise verknöchern, wird aber meistens fibrös oder ganz rudimentär. Das proximale Ende wird zum Processus styloi- d e u s des Felsenbeins , das distale zu den kleinen Hörnern des Zungenbeins. Letzeres baut sich im übrigen auf aus einem Mittel- stück (Corpus) und den nach hinten davon abgehenden sog. grosseii Hörnern. Jenes ist also als ein Basi -bran chi ale aufzufassen, während diese dem dazu gehörigen ersten Branchialbogen entsprechen. Der ganze so gestaltete Zungenbeinapparat tritt durch eine Membran (Ligt. thy r eo-hyoideum) in Verbindung mit dem oberen Rande des Kehlkopfes, dessen Schildknorpel im Blastem des IV. Visceral- bogens entsteht (Fig. 86).

Bei den Säugern sind die Zähne auf die Maxillaria, Prae- m a X i 1 1 a r i a und den Unterkiefer beschränkt. Sie unterliegen nach Zahl, Form und Grösse starken Difterenzen, die uns in dem Capitel über den Tractus intestinalis noch einmal beschäftigen werden.

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Skelet. 93

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ko'pfes. Amsterdam 1882.

6. Crliedinassen.

Die Gliedmasseu oder Extremitäten, welche Appen- dicular -Organe des Stammes darstellen, fungiren in erster Linie als Stütz- und Bewegungsorgane, können aber auch zu Greif- werk zeugen umgebildet sein. Sie zerfallen in unpaare und paarige, und beide sind bezüglich ihrer Entwicklung gerade bei jener primitiven Fischgruppe, von der wir auch bei der Betrachtung des Kopfskeletes auszugehen hatten, nämlich bei den Selachiern, in den letzten Jahren aufs genaueste bekannt geworden. Es handelt sich liier nämlich um das Auftreten gewisser Hautfalten, einer unpaare n dorsalen und einer paarigen seitlichen (Fig. 87 A D, SS). Was zunächst die letztere betrifft, so entsteht sie, wie Dohrn gezeigt hat, jederseits hinter der letzten Kiemenspalte und zieht von hier aus der Art nach rückwärts, dass sie sich allmählich auf die Ventralfläche begiebt und, mit ihrem Gegenstück verschmelzend, schwanzwärts fort- läuft, bis sie schliesslich in die unpaare dorsale Falte umbiegt. Aus jener lateralen Falte entstehen nun die paarigen Gliedmassen, d. h. die Brust- und Bauchflosse (Fig. 87 B JBrF und BF), dadurch, dass aus den betreffenden Körpermetameren je zwei Muskelknospen aus- sprossen, welche sich später abschnüren und wovon sich jede wieder in ein dorsales und ein ventrales Bündel spaltet. Zwischen den beiden entsteht je ein Knorpelstrahl und dazu gesellt sich der zu- gehörige Nerv. Später kommt es dann an derjenigen Stelle der Sei- tenfalten, wo die Brust- und Bauchflosse sich bildet, zu lappigen Ver- breiterungen (Fig. 87 B), und da diese stets eine grössere Anzahl von Muskelknospen, Knorpelstrahlen und Nerven in convergirender Richtung in sich vereinigen, so kann man die Extremitäten für ur-

94

Specieller Theil.

sprüngich nietamere Bildungen erklären und die Seiten falten in metameriscli getrennte Fortsätze der meute auflösen ').

Seg

BF An

Fig. 87. Schema tische Darstellung der Entwicklung der paarigen und un paaren Flossen.

A- Die noch contiuuirliche Seiten- und Rückenfalte, S S, D. S^ bezeichnet die Stelle, wo die Seitenfalte hinter dem After {An) ventralwärts verläuft.

J5 Die definitiven Flossen. RF Rücken-, BrF Brust-, BF Bauch- oder Beckenflosse, AF Anal-, SF Schwanz-, FF Fettflosse, An After.

Eine wesentliche Stütze erhält diese Anschauung dadurch, dass auch die zwischen Brust- und Bauchflossen liegenden Meta- meren, genau wie die für die Flossenmuskulatur in Be- tracht kommenden Myotome, in embryonaler Zeit je zwei Muskelknospeu produciren, die aber im Laufe der Entwick- lung wieder zu Grunde gehen.

a) Unpaare Gliedmassen.

Die oben besprochene dorsale und ventrale Hautfalte kann entwe- der in voller Ausdehnung erhalten bleiben, oder es tritt insofern ein Reductionsprocess ein , als nur gewisse Stellen persistiren, weiter aus- wachsen und so das darstellen, was man mit Rücken-, Fett-, Schwanz- und Afterflosse bezeichnet (Fig. 87 B). Zu ihnen treten nicht nur Muskeln und Nerven, sondern auch knorpelige oder knöcherne Skeletstücke , sogenannte F 1 o s s e n t r ä g e r, in Beziehung. Letztere entwickeln sich durchaus selbständig und gehen mit dem Axen- skelet, d. h. der Wirbelsäule, erst secundär eine Verbindung ein. Diese gestaltet sich bei der Schwanzflosse, die das wichtigste Locomo- tionsorgan des Fisches darstellt, zu einer besonders festen und in- nigen.

Jene Flossenträger liegen in der Regel mehr an der basalen, dem Körper ansitzenden Partie der Flosse, während deren grössere Ab- theilung von dicht nebeneinanderliegeiiden Hornfäden eingenom- men wird. Dadurch und dasselbe gilt auch für die paarigen Flossen der Selachier kommt es zu einer bedeutenden Flächenver- grösserung der betreuenden Orgaue.

1) Diese Befunde Dohrn's haben in neuester Zeit von Seiten van Bkmmelen's, welcher seine Untersuchungen an Schlangen-Embryonen anstellte, eine Bestätigung erfahren.

Skelet. 95

Dem Amphioxus uud den Cyclostomen kommen nur uupaare Flossen zu, allein es ist nicht unwahrscheinlich, dasa die Rundmäuler früher auch paarige besassen, die allmählich eine Rückbildung erfahren haben (Dohen).

Spuren der unpaaren Gliedmasseu triÖ't man auch noch bei Aui- l)liibieii, uud zwar entweder zeitlebeus (Ichthyoden und manche Sala- mandrinen) oder nur in der Larvenperiode (Uro delen, Gymnophio- nen). Sie bestehen hier aus einem continuirlichen, namentlich bei Tri- ton en während der Fortpflanzungszeit stark entwickelten Hautsaum am ventralen und dorsalen Umfang des Schwanzes, der sich auch noch über den ganzen Rücken in Form eines Kammes bis gegen den Kopf verlängern kann. Es muss jedoch als Hauptunterschied von den ent- sprechenden Gebilden der Fische scharf hervorgehoben werden, dass bei Amphibien nie feste, weder vom Innen-, noch vom Aussenskelet ge- lieferte Elemente in jenen Hautsaum eingehen. Ob bei Reptilien auch noch Spuren von unpaaren Gliedmassen vorkommen, muss dahin- gestellt bleiben, und was bei höhereu Thierformen (Cetaceen) daran er- innern könnte, ist als secundär erworben aufzufassen.

b) Paarige Gliedmassen.

Sie sind an kein bestimmtes Körpersegment gebunden, sondern zeigen sowohl in ihren Lagebeziehungen zum Rumpf, als auch bezüg- lich der in sie eintretenden Zahl von Nerven ein äusserst schwanken- des Verhalten.

An der vorderen , wie an der hinteren Extremität unterscheidet man einen dem Rumpf angelagerten, centralen, spangenartigen Abschnitt, d. h. einen Schulter- und Bcckeiiglirtel. Jeder dieser beiden zerfällt in einen dorsalen und in einen ventralen Abschnitt, und auf der -^^ '

Grenze zwischen beiden befindet sich die vom Rumpfe abstehende , freie Extremität (Fig. 88 Sd, Sv, F).

Fig. 88. Schematische Darstell uug des Schulter gürteis und der Brustflosse. W^'ä Wir- belsäule, 8d, Sv dorsales und ventrales Stück des Scliulter- bogeiis, F freie Extremität (Brustflosse).

Ueber die Urgeschichte der beiden Extremitätengürtel lässt sich bis jetzt noch nichts Sicheres aussagen, denn auch die s. Z. von Gegenbaük aufgestellte Ansicht , dass es sich beim Schultergürtel um einen umgewan- delten Kiemenbogen handle, ist, seitdem sich die ,,A r c hi p t e r y gi um - theorie" als unhaltbar erwiesen hat, mehr als zweifelhaft geworden.

Hier sind also weitere Untersuchungen abzuwarten, und bis dahin kann auch die Frage, inwieweit die beiden Extremitätengürtel parallelisirt werden können, keine durchaus sichere Beantwortung erfahren. Gleichwohl aber lässt sich jetzt schon auf Grund ontogenetischer Erfahrungen mit einem grossen Grad von Wahrscheinlichkeit behaupten, dass es sich zwi- schen beiden nicht um homologe, sondern nur um homodyname Ver- hältnisse handelt; ja vielleicht ist ein directer Vergleich dabei überhaupt ausgeschlossen. (Vergl. das D i p n o ö r -Be cken.)

96 Specieller Theil.

Schultergtirtel.

Fische.

Bei Amphioxus und den Cyclostomen fehlt mit den paarigen Gliedmassen auch ein Becken- und Schultergürtel. Bei Selachiern handelt es sich um einen ventral durch hyaline oder fibröse Masse, geschlossenen, höchst einfachen Knorpelbogen, der auch bei Granoiden- und Teleostier-Embryonen in ganz homologer Weise auftritt.

Später aber entwickelt sich in diesem Bereich bei den beiden letzt- genannten Fischgruppen, und zwar vom Perichondrium ausgehend, eine Reihe knöcherner Gebilde, so dass man jetzt einen secundären oder knöchernen Schultergürtel dem primären oder knorpeligen gegenüber- stellen kann.

Die freie Extremität, die F 1 o s s e , verbindet sich mit der hinteren, äusseren Circumferenz des Schultergürtels, und so kann man, von dieser Stelle ausgehend, an demselben einen oberen, dorsalen und einen unteren, ventralen Abschnitt unterscheiden. Ersterer, welcher

SB-

Fig. 89. Schultergürtel und Brustflosse vonHeptanchus. SB, SB^ Schultergürtel, bei NL von einem Nervenloch durchbohrt, Pr, Ms, Mt die drei Basalstücke der Flosse, das Pro-, Meso- und Metapterygium, Ra knorpelige Flossenstrahlen (Radien), a, h in der Axe des Metapterygiums liegender Ilauptstrahl der Flosse, f jenseits des letz- teren liegender Strahl (Andeutung eines biserialcn Typus), FS durchschnittene Hornfäden.

sich mit dem Schädel verl)indet, entspricht einem Scapulare, der zweite einem Coracoid plus Procoracoid (Claviculare) der über den Fischen stehenden Wirbelthiere ^ ).

1) Der Schultergürtel der Dipnoer nimmt eine Mittelstellung ein zwischen dem- jenigen der Selacliier und dem der Ganoiden. Nach Form und Lage besitzt er aber so viel Eigenartiges, dass hier nicht näher darauf eingegangen werden kann.

Skelet.

97

AmphiMen und Reptilien.

Ein unmittelbarer Anschluss an die Fische besteht nicht, da- gegen ist der Schultergürtel aller höheren Wirbelthiere in demjenigen der Amphibien in seinen fundamentalsten Punkten bereits vorgebildet.

Stets handelt es sich um eine knorpelige resp. knöcherne, dorsal gelagerte Platte (Scapula) ' ), die sich seitlich am Rumpf herabkrümmt und dann, ventral umbiegend, in zwei Fortsätze, einen vorderen (Clavi- ciila oder Procoracoid) und einen hinteren (Coracoid) auseinander- fährt (Fig. 89 S, Cl, Co).

S'S'

Tn

Fig. 90. Schultergürtel von Salamandra mac. Rechte Seite, stark vergrös.sert und in einer Horizontalfläche ausgebreitet. 88 Supra- scapula, 8 Scapula, verknöchert, Co, Cl Coracoid, Clavicula, in welche sich knöcherne Fort- sätze (a, b) hineinerstrecken , G Gelenkpfanne, von einem Limbus cartilagineus (L) um- geben.

Fig. 91.

Fig. 92.

Fig. 93.

Fig. 91. Grundschema des S c hu 1 1 e r g ü rt el s s ä m m 1 1 i c h er W i r b e 1- thiere von den Amphibien bis zu den Säugethieren. 8 Scapula, Co Cora- coid, Cl Clavicula (Procoracoid), H Humerus.

Fig. 92. Halbschematische Darstellung des Schultergürtels und des Sternums der Urodelen. 8t Sternum , a Vereinigungspunkt der beiden Coracoidplatten, Cl Clavicula, 88 Suprascapula, die der linken Seite quer nach aussen ge- schlagen, f knöcherne Scapula, H Humerus.

Fig. 93. Schulter rtel einer Schildkröte, V e n t ra 1 a n s i ch t. »S^ Sca- pula, Co Coracoid, Co^ Epicoiacoid, Cl Clavicula, B fibröses Band zwischen diesen beiden Stücken, Fe Fensterbildung zwischen ihnen, G Gelenkpfanne.

Von einer Verbindung mit dem Schädel ist nirgends mehr die Rede, wohl aber erfolgt eine solche brustwärts mit dem Sternum, be-

1) Dazu kann sich noch eine Suprascapula gesellen. Wiedßrsheim, Grundiiss der vergl. Anatomie. 2. Aufl. 7

98

Speciellee Theil.

zieliungsweise mit dem Episteruimi. Dabei schieben sich die beiden Coracoidplatten in der ventralen Mittellinie dachziegelartig übereinander, oder legen sich ihre freien Ränder enge zusammen und verwachsen mit- einander.

Ersteres gilt für die ürodelen (Fig. 92) und gewisse Anuren (z. B. für Bombinator und Hyla) (Fig. 94), letzteres ebenfalls für

Fig. 94. Schulte rgürtel und Stern um von Bombinator igneus. St Sternum mit seinen beiden Ausläufern (a, a^), S Scapula, SS Suprascapula, auf der linken Seite in situ, rechterseits horizontal ausgebreitet, Oo Coracoid, Co^ Epicoracoid, welches sich jederseits in den oberen Sternalrand einfalzt, Ol knorpelige, Cl'^ knöcherne Clavicula, Fe Fensterbildung zwischen Clavicula und Coracoid, G Gelenkpfanne für den Humerus.

Anuren, wie z. B. für Rana. In beiden Fällen aber handelt es sich dabei noch um eine, im Gegensatz zu den Ürodelen, mehr transver-

Fig. 95. Ventraler Theil des Schultergürtels von Rana esculenta. .S'( knöchernes, Kn knorpeliges Sternum, S Scapula, KC Knorpelcommissur zwischen letzterer und der Clavicula (Ci), Co Coracoid, Co' Epicoracoid, Nahtverbindung zwischen beiden Epicoracoiden , (r Gelenkpfanne für den Humerus, Fe Fensterbildung zwischen Coracoid und Clavicula, Om Omosternum.

Skelet.

119

seile Lagerung des Procoracoids, beziehungsweise um einen Anschluss des freihen (medialen) Endes desselben an das Coracoid, wodurch eine Rahmen- oder Fensterbildung zu Stande kommt. Zugleich tritt auch eine reichere, z. Th. perichondral entstehende Knochenbildung hinzu, wodurch der 'ganze Apparat ein festeres, soli- deres Gefüge erhält (Fig.^ 94, 95).

Wie überhaupt im Skelet der Reptilien, so tritt auch in ihrem Schultergürtel das Knochengewebe in den Vordergrund. Das ursprüng- lichste Verhalten begegnet uns bei Schildkröten (Fig. 93), wo die Verhältnisse ohne Weiteres klar liegen und noch an Amphibien er- innern. Aehnliches gilt auch für Hatteria.

Fig. 96. Schultergürtel und Stern um von Hemidactylus verru- cosus. St Sternum, iJ Rippen, *%'Knorpelhörner (Sternalleisten), an welche sich die letzte Rippe anheftet, SS Suprascapula, S Scapula, Co Coracoid, Co^ knorpeliges Epicoraeoid, Ep Episternuin, a, b, c durch Membranen verschlossene Fensterbildungen im Coracoid, Cl Clavicula, G Gelenkpfanne für den Humerus.

Auch für die Saurier gelingt es leicht, den ursprünglichen Typus festzustellen, nur zeigt sich hier die Clavicula dem übrigen Schulter- gürtel gegenüber insofern emancipirter, als sie sich nicht mehr in knor- peliger Continuität mit demselben anlegt; doch ist nicht zu verkennen, dass ihr ursprüngliches, noch aus indifferenten Bildungszellen bestehen- des Blastem mit der Scapula in directem Zusammenhang steht (Götte). Später besitzt die Clavicula übrigens keine knorpelige Grundlage, sondern verknöchert direct, und erscheint somit bei Reptilien als secun- därer Knochen, welcher sich als schlanke Lamelle von der Scapula, wo sie durch Bindegewebe in einer Delle befestigt ist, zur Spitze des Episternalapparats herüber erstreckt.

Bezüglich des genaueren Verhaltens verweise ich auf die Fig. 96.

Crocodili ern^^und Chamaeleonten fehlt eine Clavicula ent- weder vollständig oder ist sie nur in Rudimenten vorhanden.

Das Auftreten eines Schultergürtels bei zahlreichen fusslosen Rep- tilien (Scincoiden, Amphisbaenen) spricht für das frühere Vor-

7*

100

Specieller Theil.

handensein von Extremitäten. Letztere können sogar in embryonaler Zeit noch auftreten, bilden sich aber dann vollständig zurück (Anguis fra- gilis). Auch bei Schlangen kommt es vorübergehend noch zur Anlage von Extremitäten (van Bemmelen).

Vögel.

Hier stellt die Scapula eine dünne, schmale, oft sehr weit nach hinten reichende Knochenlamelle dar, von welcher die kräftigen C o r a - coide^) unter scharfer Knickung abgebogen erscheinen (Fig. 97 S und Ca). Ihr unteres Ende ist in einen Falz am oberen Sternalrand fest eingelassen, ihr oberes betheiligt sich am Aufbau der Pfanne.

Bei allen Flugvögeln (Carinaten) ist die als Deckknochen auf Knorpelgrundlage entstehende Clavicula wohl entwickelt und fliesst mit ihrem Gegenstück zur sog. Furcula zusammen. Letztere zeigt eine, in Anpassung an das Fluggeschäft ausserordentlich verschie- dene Grösse und Gestalt und kann auch eine mehr oder weniger starke

Rückbildung resp. einen Schwund erfahren (D r o - maeus, Casuarius, Rhea, Struthio, Ap- t e r y X , einige P s i 1 1 a c i u.a.). (lieber ihre Lage- beziehungen zum übrigen Schultergürtel und zum Sternum vergi. Fig. 97.) Die Gelenkgrube für den Humerus wird von der Scapula und dem C 0 r a c 0 i d gemeinschaft- lich gebildet.

Fig. 97. Rumpfskelet eines Falken. ^S" Scapula, G Gelenkfläche derselben für den Humerus , Ca Coraeoid, welches mit dem Sternum (St) bei f gelenkig verbunden ist, I'u (Cl) Furcula (Clavicula), Cr Crista sterni, V vertebraler-, Sp sternaler Abschnitt der Rippen, ün Processus uncinati.

*^ 1) Das gefenstertc Coraeoid des afrikanischen Strausses zeigt Beziehungen zu dem- jenigen der Chelonier und gewisser Saurier. Ein Procoracoid ist bei R a t i t e n deutlicher ausgeprägt als bei Carinaten, wo es rückgebildet oder ganz geschwunden ist (FCrbringkr).

Skelet. 101

Säugethiere.

Unter den S ä ii g e t h i e r e n erstreckt sich das C o r a c o i d nur noch bei Monotremen, welche überhaupt in ihrem Schultergürtel primitive Verhältnisse bewahrt haben, brustwärts bis zum Sternum (vergl. Fig. 53), bei allen übrigen erfährt es eine starke Rückbildung. Immerhin aber tritt es noch auf in Form eines besonderen, am Auf- bau der Schultergelenkpfanne sich betheiligenden Ossificationscentrums. Jener Fortsatz, den man als P r o c e s s u s c o r a c o i d e u s oder Raben- s chnabel fortsatz bezeichnet, scheint dem letzten Rudiment eines Epicoracoids zu entsprechen (Howes).

So wird lüer die Scapula allmähhch zum alleinigen Träger der Extremität; zugleich erfährt sie eine stärkere Verbreiterung und ent- wickelt, im Zusammenhang mit der immer mehr sich ditferenzirenden Extremitäten-Musculatur, auf ihrer Dorsalseite eine kräftige Leiste (Spina s c a p u 1 a e) , die lateralwärts in das sogen. Acromion aus- läuft. Beide sind als ein neuer Erwerb, in Anpassung an die immer reicher sich differenzireude Musculatur, aufzufassen. Mit dem Acromion verbindet sich das laterale Ende der Clavicula, während das mediale mit dem oberen Rand des Stern ums in Gelenkverbindung tritt.

Bei Säugethieren, deren vordere Extremitäten sich einer mannigfaltigen und freien Beweglichkeit erfreuen , gelangt die Clavicula zu besonders starker Entwicklung. Bei andern, wie z. B. bei Canivoren und U n g u - laten, kann sie gänzlich fehlen oder rudimentär sein und in letzterem Fall ändern sich dann auch die Lagebeziehungen zur Scapula.

Beckengürtel. Fische und Dipiioer.

Als die älteste auf uns gekommene Beckenform haben wir die- jenige der Dipnoer zu betrachten.

Es handelt sich hier um eine, in der ventralen Mittellinie gelegene Knorpelplatte, an welcher zwei Paare von Fortsätzen zu bemerken sind, ein hinteres und ein vorderes. Am ersteren (Fig. 98 b) gclenken die hinteren Extremitäten, während das vordere vielleicht im Sinne von zwei Processus iliaci (vergl. die höheren Vertebraten) zu deuten ist (Fig. 98 a). Letztere variiren stark nach Form und Ausdehnung und können sich, z. B. bei jungen Exemplaren von Protopterus, in einem Myocomma eingebettet ^), weit lateral- und sogar noch etwas dorsal- wärts erstrecken (Wiedersheim). Zwischen ihnen erhebt sich von der Mitte des vorderen Plattenrandes ein schlanker, gertenartiger Fortsatz, der sich in der ventralen Mittellinie weit nach vorne erstreckt (Fig. 98 c).

l)Sie sind geradezu aus einem Myocomma hervorgegangen zu denken und erinnern insofern an die Bauchrippen von Hatteria und der Croco- d i 1 i e r. Bei ganz jungen Exemplaren erfolgt der Zusammenfluss in der ventralen Mittel- linie wohl erst secundär , jedoch sind darüber noch weitere Untersuchungen anzustellen. Jedenfalls erscheinen mir die genetischen Beziehungen der Myocommata des grossen Rumpf- muskels zur ersten Anlage eines, wenn auch noch sehr primitiven Wirbelthierbeckens, von grösster Bedeutung.

Von diesem Gesichtspunct aus betrachtet werden auch andere Skelettheile höherer Vertebraten, wie z. B. die Cartilago epipubis, das Sternum und Episternum der Amphibien einem Verständniss näher gerückt. (Wiedersheim)

102

Specieller Theil.

Von dem Dipnoerb ecken lässt sich jenes Gebilde, welches man bei Selachiern als „Becken" zn bezeichnen pflegt, nicht ableiten. Die hierbei in Betracht kommende paarige oder unpaarige Knorpelplatte

entsteht nämlich nicht als verknorpeln- des Myocomma zwischen den Rumpf- muskeln, sondern aus dem Zusammen- fluss einiger Basalknorpel derBauch- flosse selbst. Man kann also hier und dies gilt auch für alle Te- leostier von einem Becken im Sinne der Dipnoer gar nicht reden.

Fig. 98. Becken desProtopterus von der Ventralseite, a Processus ilia- cus, welcher sich an seinem lateralen Ende gabeln kann , b Fortsatz zur V^erbindung mit der hinteren Extremität HE, Cr scharfe Muskel- leiste, c unpaarer Fortsatz, i)/, M Myomeren, 71/', Jl/i Myocommata.

Unter den Ganoiden scheinen nur bei Polypterus An- knüpfungspunkte an das Dipnoerbecken zu existiren (Wiedersheim).

Amphibien.

Hier, wie bei allen übrigen höheren Vertebraten, kann man am Beckengürtel, welcher stets am hinteren Rumpf ende, vor der Ausmün- dung des Darmes und des Urogenitalapparates gelegen ist, eine mit der Sacralwirbelsäule sich verbindende dorsale und zwei ventrale Spangen unterscheiden. Erstere stellt die Pars iliaca (Darmbein) dar, von den letzteren ist die vordere als Pars pubica (Schambein), die hintere als Pars ischiadica (Sitzbein) zu bezeichnen. Dazu kommt als viertes Element eine zwischen die Pars pubica und die Gelenk- pfanne eingeschobene Pars acetabniaris (Pfannenltnochen). An der Vereinigungsstelle alier Theile liegt die Gelenkpfanne für den Ober- schenkel (A c e t a b u 1 u m).

Im Becken der TJrodelen und Anuren trifft man ventralwärts jeder- seits nur eine einzige Platte, welche mit der der anderen Seite unter Bil- dung einer Symphyse (Fig. 99 Sy) zusammenstösst. Sie ist entweder ganz verknöchert, oder bleibt, was für die U r 0 d e 1 e n als Regel gilt, die vor- dere, d. h. kopfwärts gerichtete Partie

Fig. 99. Becken von Salamandra mac. Ventrale Ansicht. 11 Ileum, Js Ischium, P Pubis (V) (Pars acetabularis ?), Fo Foramen obturatum, Sy Symphysis ischio-pubica, f zwei, bei zahlreichen Urodelen vorkommende Protu- berauzen, Ep Cartilago epipubis mit ihren zwei gabeligen Enden (a, h), G Gelenkpfanne für den Oberschenkel.

Skelet.

103

(Fig. 99 P), zeitlebens knorpelig. Ob dieser Abschnitt als Pars pubica oder, was wahrscheinlicher ist, als Pars acetabularis zu deuten ist, lässt sich bis jetzt nicht mit Sicherheit entscheiden. Die hintere, stets ver- knöcherte Partie (Is) ist zweifellos eine Pars ischiadica. Von der Mitte des vorderen Beckenrandes der Urodelen entspringt ein schlanker Knorpelstab, der sich proximalwärts in zwei Schenkel spaltet (Fig. 99 Ep, a und h). Er tritt bei Anuren, und zwar in etwas anderer Form, nur noch bei Dactylethra capensis auf und erinnert an die oben beschriebene schlanke Knorpelgerte (Fig. 98 c) am D i p n o e r - becken. Früher als Cartilago ypsiloides oder epipubis be- zeichnet, würde er, da sich aus ihm bei höheren Vertebraten später wahrscheinhch die Beutelknochen entwickelt haben, besser Car- tilago m a r s u p i a 1 i s heissen ^ ). Inwieweit die übrigen Beckentheilc terrestrischer Wirbelthiere mit dem Dipnoer-Becken homologisirbar sind, müssen künftige Untersuchungen zeigen.

In Anpassung an die hüpfende Bewegungsweise der Anuren trifft man hier die Pars iliaca jederseits zu einem langen Stab aus- gezogen (Fig. 100 II), und die bei Urodelen horizontal, d. h. in der

Fig. 100.

Fig. 101.

Fig. 100 und 101. Beckengürtel von Rana esculenta. Fig. 100 von der Ventralseite, Fig. 101 im Profil. II Ileum, Is Ischium, durch die knorpelige Pars aceta- bularis {En) vom Pubicum (P) getrennt, Cr in der ventralen Mittellinie vorspringende Crista ischio-pubica, G Gelenkpfanne für den Oberschenkel, Oc Os coccygis, Pt Processus trans- versus des Sacralwirbels.

Ebene der Bauchdecken liegenden, ventralen Plattenhälften erscheinen in der Sagittalebene derart zusammengeklappt, dass ein ventralwärts weit ausspringender Kiel resultirt. Der Knorpel Kn entspricht hier unverkennbar einer Pars acetabularis.

Ueber das Verbleiben des Schambeines im Becken der Amphibien lassen sich vorderhand noch keine sicheren Angaben machen, jedoch spre- chen paläontologische Befunde dafür, das jener Knochen, welchen fossile Formen noch in selbständiger Anlage erkennen lassen, im Laufe der Zeit wieder verloren ging.

1) Die Cartilago marsupialis kommt nichl allen Urodelen zu, so fehlt sie z. B. Spelerpes, Proteus u. a.

104

Specieller Theil.

Jü^

Reptilien.

Bei eleu Reptilien sind die stets wohl verknöcherten Beckenabschnitte scharf difterenzirt, und indem die Schambeine mei- stens steil nach vorne und medianwärts ge- richtet sind, existirt zwischen ihnen und dem Sitzbein eine grosse Oeffnung (Foramen CO rdi forme), welche bei Echsen, Cro- codiliern und Seeschildkröten durch einen knorpelig-häutigen Strang in zwei Hälften zerlegt wird (Fig. 102 Kn, Kn^, B). Bei Land- und Süsswasserschildkröten , wo die medialen Enden der Scham- und Sitz- beine, an der Stelle des soeben von den Sauriern geschilderten Stranges, also in der ventralen Mittellinie, von vorne und hinten her in gegenseitige Verbindung tre- ten, wird das betr. Loch (F o r a m e n o b - t u r a t u m) rings von Knochen umgeben ^).

En, Kn^ Knorpelstücke, welche

einerseits der Symphysis ossis ischii, andrerseits der Symphysis ossis pubis aufsitzen, B fibröser Verbindungsstrang zwischen beiden, Fe Foramen cordiforme, f Tuberculum ossis ilei, G Gelenkpfanne.

B

Fig. 102. Becken von L a- certa muralis, Ventralan- sicht. II Ileum, Is Ischium, Fo Foramen obturatum im Os pubis,

und z beine

weiter und

Fig. 103. Becken von einem jungen Alligator lucius. A ventrale, B seitliche Ansicht. II Ileum, Is Ischium, P Pubicum, Sy Symphysis ossis ischii, F Foramen cordiforme + obturatum, B fibröses Band zwischen Symphysis pubis und ischii, -j- Knorpelapophyse des ventra- len, acetabularen Fortsatzes des Ischium, welche sich zwischen den Fortsatz a des Ileum und des Pubicums einschiebt, b Loch in der Hüftgelenks- pfanne, nach rückwärts von den beiden zusammen- stossenden Fortsätzen a und h des Ileums und Ischiums begrenzt, * Andeutung des bei Dinosau- riern und Vögeln nach vorne auswachsenden Ileums, G Gelenkpfanne für den Oberschenkel, /, //erster Sacralwirbel, M fibröse Membran zwisclien den Vorderenden der beiden Scham- dem letzten Bauchrippenpaar (^BB).

1) Die Scinke besitzen Rudimente des Ileum, die Tortricineu, Typhlo- p i d e n und Peropoden solclie der S c h a m s i t z b e i n e.

Skelet.

105

Bei Crocodiliern begegnen wir zum erstenmal einer stärkeren Verbreiterung der Pars iliaca, und zugleich springt letztere nach hinten und vorne aus, so dass sich eine p r a e - und postacetabulare Partie daran unterscheiden lässt. Erstere (Fig. 103 B*) ist hier noch sehr schwach entwickelt, gewinnt aber am Dinosaurier- und Vogelbecken das Uebergewicht über die hintere (Fig. 104).

Das im Embryonalzustand noch rein quer gelagerte Schambein der Crocodilier richtet sich später ganz steil nach vorne und wird durch die Pars a c e t a b u 1 a r i s (Fig. 103 B f) von der Pfanne ab- gedrängt. Letztere ist durchbrochen, die Lücke wird durch fibröses Ge- webe ausgefüllt.

V ö g- e L

Hier ist das gertenartig schlanke Schambein, in schroffem Ge- gensatz zu dem uns von den Crocodiliern bekannt gewordenen Verhalten, steil nach hinten gerichtet und nimmt eine mit dem Sitzbein und der

Fig. 104. Becken von Apteryx australis, seitliche Ansiclit, nach Marsh. il Ileum, is Ischium, p^ Pubicum, Sp Spina iliaca, a Acetabulum.

postacetabularen Partie des Darmbeins parallele Lage ein. Letztere kommt aber in embryonaler Zeit erst ganz allmählich zu Stande, inso- fern Schambein und Sitzbein ursprünglich eine an fossile und recente Saurier erinnernde senkrechte Lage zum Darmbein besitzen.

Alle drei Haupttheile des Vogelbeckens entstehen ganz getrennt, später aber, nach vorausgegangener selbständiger Verknöcherung, fliessen sie zu einer Masse zusammen. Dabei nimmt jener Theil, den man bis jetzt als eine Pars acetabulariszu bezeichnen gewohnt war, allmählich an Grösse zu, bestätigt also die Erwartung, ihn als ein rudimentäres Organ auffassen zu dürfen, nicht. Genetisch gehört die Pars acetabularis zu dem in die Pfannenbildung eintretenden Abschnitt des Darmbeins und ossificirt auch von letzterem aus. Diese „Spina iliaca" ist also als eine secundäre, nicht von den Reptilien vererbte, sondern erst von den Vögelne rworbene Bildung zu betrachten (Mehnert).

106

Specieller Theil.

Säuger.

Hier bleiben die vier Beckenstücke Zonen getrennt, später aber fliessen sie sanimen. Stets spielt das S c h a m b e i n lums den andern Knochen gegenüber eine kann sogar gänzlich davon ausgeschlossen die Axe des Darm

lange Zeit durch Knorpel- doch zu einer Masse zu- beim Aufbau des Acetabu- untergeordnete Rolle, ja es sein. Der Winkel , welchen wird von

und Kreuzbeines mit einander erzeugen den M o n 0 1 r e m e n aus durch die Reihe der Säugethiere hindurch bis zu den Nagern immer spitzer.

Der ursprünghche Typus einer Sitz- und Schambein-Symphyse findet sich noch bei Beutelthieren, vielen Nagern, Insekten- fressern und Hufthieren. Bei manchen Insektenfressern, bei Carnivoren, noch ausgeprägter aber bei den höchsten Formen, den Primaten, kommt es mehr und mehr nur zu einer Verbindung der beiden Schambeine (Symphysis pubis). Nirgends herrscht eine grössere Mannigfaltigkeit in der Formation des Beckengürtels als bei Insektenfressern. Das Foramen obturatum ist stets rings von Knochen umrahmt ^ ).

Bei Monotremen, Ha 1 baffen und Fl e dermäu sen findet sich die Pars acetabularis nicht, wohl aber bei zahlreichen Vertretern sämmt- licher übrigen Hauptgruppen der Säuger. Relativ am stärksten ist sie bei Talpa, wo sie sowohl das Schambein als das Darmbein von der Pfanne ausschliesst. Das Sitzbein wird nie ausgeschlossen. Bei älteren Individuen kann sie mit jedem der drei andern Beckenknochen verschmelzen, so z. B. beim Menschen und den Beutelthieren mit dem Schambein. Bei allen Pinnipedia betheiligen sich sämmtliche vier Beckenstücke am Aufbau des Acetabulums.

Stets wird das Os acetabuli viel später als die übrigen Becken- elemente angelegt und verknöchert auch viel später.

Fig 105.

Fig 106.

Fig. 105. Becken des Menschen, rechte Hälfte von aussen. AUe drei IJecken- knochen, O. ilei {II), O. ischii (/s) und O. pubis (P) im Acetabulum noch getrennt, Fo Foramen obturatum.

Fig. 106. Lagebeziehungen der Pars acetabularis zu den übrigen Knochen des Säugethierbeckens. Ac Acetabulum, A Pars acetabularis, / Ueum, Is Ischium, P Pubicum.

1) Der Schwund der Hinterextremitäten ist natürlich auch auf den Beckengürtel von Einfluss, so dass letzterer z. B. bei Walthieren auf zwei in den Leibesdecken steckende Knochen reducirt ist. Diese sind als rudimentäre S ch a m - S i t z be i n e zu betrachten und stehen weder unter sich, noch mit der Wirbelsäule in Verbindung. Die Bartenwale

Skelet. 107

Bei Schnabel- und Beu telthi eren beiderlei Geschlechts er- heben sich vom vordeien Rande des Schambeines, rechts und links von der Mittellinie, zwei starke Knochen, die in gerader oder schiefer Richtung nach vorne ragen und Beutelkiiochen (0 s s a m a r s u p i a 1 i a) genannt werden. Sie entziehen sich vorderhand jeder sicheren mor- phologischen Beurtheilung , doch mag hier noch einmal an den früher schon erwähnten unpaaren Knorpel des Dipnoer- und Urodelen- b ecken s, d. h. an die Cartilago epipubis, erinnert sein. Ihrer Beziehung zum Musculus p y r a m i d a 1 i s wird im Capitel über die Musculatur gedacht werden.

Ehe wir den Beckengürtel verlassen , sei noch darauf hingewiesen, dass derselbe so wenig als der Schultergürtel an ein liestimmtes Körper- segment gebunden ist , sondern dass beide den mannigfachsten Wanderungen und Verschiebungen (auf phylo- und onto- genetischem Wege) unterworfen sind.

Freie Gliedmassen.

Fische und Dipnoer.

Bei Selachiern verbindet sich die Brustflosse mit dem Schulter- gürtel gewöhnlich durch drei Knorpelstücke, und diese sind aus einer grösseren Anzahl von kleineren Einzelstrahlen hervorgegangen zu denken. An jene drei Basalstücke, die als Pro-, M e s 0 - und M e t a p t e r y g i u m unterschieden werden, reiht sich, in mosaikartiger Anordnung, ein Coraplex kleinerer Knorpelstück- chen , die durch kurzes , strattes Bindegewebe untereinander verlöthet sind. In peripherer Richtung schliessen sich daran die früher schon er- wähnten Hornfäden, wodurch (unter Zuhilfenahme der Haut) die ganze Flosse eine mächtige Flächenausbreitung erhält.

Von den erwähnten drei Basalstücken spielt das im Embryo zuerst sich anlegende Metap terygium die Hauptrolle, und die in seiner axialen Verlängerung liegenden peripheren Knorpelspangen stellen zu- sammen mit ihm den Hauptstrahl der ganzen Flosse dar. An diesen reihen sich die s e c u n d ä r e n Strahlen an , und zwar hat dies im Wesentlichen nur auf einer Seite statt (uniserialer Flossentypus); nur in wenigen Fällen finden sich auch noch einige Strahlen spuren auf der gegenüberliegenden Seite (biserial er Flossentypus). Letz- teres Verhalten wird nun al)er typisch bei den Dipnoern, und zwar speciell bei Ceratodus , wo noch keine so starken Rückbildungen auf- getreten sind, wie bei Protopterus (vergl. Fig. 67) und Lepido- siren. Bei Ceratodus also tritt uns eine exquisit biseriale Flossenform entgegen, und zwar stimmt hier die vordere mit der hinteren Extremität in ihrem Aufljau so gut wie ganz überein. Hier

besitzen ausserdem noch ein Rudiment des Femur (Bala e n o p t e r a und M egap t e r a) ; Balaena dazuhin noch ein Rudiment der Tibia. DieZahnwale zeigen von den beiden letztgenannten Knochen keine Spur.

108

Spezieller Theil

Fig. 107. Schultergürtfil und Brustflosse von Heptanchus. SB, SB^ Schultergürtel, bei NL von einem Nervenloch durchbohrt, P>-, 3fs, 3ft die drei Basalstücke der Flosse , das Pro- , Meso- und Metapterygiutn, ii'a knorpelige Flossenstrahlen (Radien), a, h in der Axe des Metapterygiums liegender Hauptstrahl der Flosse, f jenseits des letz- teren liegender Strahl (Andeutung eines biserialen Typus), Fs durchschnittene Hornfäden.

wie dort unterscheidet man einen aus knor- peligen Glie(lstücken bestehenden Haupt- oder M i 1 1 e 1 s t r a h 1 , an den sich rechts und links eine grosse Zahl von ebenfalls ge-- gliederten Nebenstrahlen anreihen, ohne dass man jedoch dabei von einer strengen Sym- metrie sprechen kann. So entsteht das Bild eines Federbartes, und der Vergleich liegt um so näher, als sich in i)eripherer Rich- tung noch eine Menge dicht gedrängter Horn- fäden anschliessen (Fig. 108). Das oberste (basale) Stück des Hauptstrahles, welches keine Nebenstrahlen trägt, steht in Gelenk- verbindung mit dem Schultergürtel und ent- spricht sicherlich einem der drei Basalstücke der Selachierflosse , ob aber einem M e s o - oder M e t a p t e r y g i u m, lässt sich vorder- hand nicht entscheiden.

Auf Grund neuerer Untersuchungen kann

Fig. 108. Brustflosse von Ceratodus For- ste ri. a,h Die zwei ersten Gliedstücke des axialen Hauptstrahles, tt Nebenstrahlen, FS Hornfäden, welche nur auf einer Seite erhalten sind.

Skelet. 109

es nicht mehr zweifelhaft sein, class der iiniseriale Typus der Selac hier flösse als der ursprünglichere zu betrachten ist; gleichwohl aber ist es höchst wahrscheinlich, d a s s sich die paarigen Flossen der Selachier und Dipnoer u n a 1) h ä n g i g von einander aus einem ähnlichen Typus heraus entwickelten, wie er durch die heute lebenden Chimären dargestellt wird^.

Was nun die Bauch flösse der Selac hier Ix^tiiHt, so ähnelt sie der vorderen, doch bleibt sie auf niedrigerer Entwicklungsstufe stehen, was sich vor Allem in einer Beschränkung der Zahl der Basalglieder ausspricht.

Ein Mesopterygium legt sich nie mehr an, und auch das Pro- pterygium ist mehr oder weniger rudimentär und kann auch ganz fehlen (Chimären), so dass das Metapterygi um hier so gut wie bei der Vorderextremität die; Hauptrolle zu spieh^n berufen ist und häufig allein noch von allen drei Basalia persistirt.

Mit dem distalen Eude des Metapterygiums, und zwar iu dessen Axen- verlängerung liegend, verbindet sich eine Anzahl von Knorpelstückchen, sog. Bas alanhänge, welche beim Männchen als Begattungsorgane fun- giren. Einfacher gebaut als bei vielen Haien und Rochen ist der Apparat bei Chimären, wo man drei discrete, stabförmige Gebilde unter- scheidet, wovon zwei die directe Kückwärtsverlängerung des Basale meta- pterygii vorstellen. Auf der medialen Fläche besitzt jedes dieser beiden Stücke eine Rinne, welche von einem dritten, platteuartigen Stück zu einem Kanal abgeschlossen wird. Beim Weibchen findet sich an Stelle dieses complicirten Apparates nur ein am Hintereude des Metapterygiuras liegendes, dünnes Kuorpelstäbchen.

Bei Gaiioiclen und noch mehr bei Telcostieni erfährt das seiner Hauptanlage nach von den Selachiern her vererbte Flossenskelet täne bedeutende Rückbildung, und es lässt sich in Folge des Auftretens knöcherner Elemente ein primäres und secundäres Skelet unter- scheiden.

Die drei Basalsttickc der Selachierflosse finden sich unter den Ganoiden nur noch l)ei Polypterus, allein nur zwei, nändich das Pro- und Metap terygium, treten mit dem Schultergürtel in Ge- lenkverbindung , das dritte Stück , das M e s o p t e r y g i u m , ist davon ausgeschlossen.

Was die Bauchflosse der Knorpelganoiden betrifft, so ist schwer zu entscheiden, ob es sich dabei um Ptückbildungen oder vielleicht noch um sehr primitive Verhältnisse handelt. Zunächst fehlt, in der Regel, eine mediale Verbindung beider Hälften; was aber wichtiger ist, das ist die bei den meisten Formen, wie z. B. bei Polyodon folium (Fig. 109), zu beobachtende Auflösung des Me tapfer y- goids in eine stattliche Zahl von Einzelgliedern. Dies ist im Hinblick auf die ursprünglich segmentale Anlage der Extremitäten (vergl. pag. 94) sehr bemerkenswerth, und dabei ist weiter zu bedenken, dass, wie ich früher schon hervorhob, auch die Basalstücke der Selachier-

1) Zur endgiltigen Lösung dieser Frage ist sehr zu wünschen, dass die von Caldwell in Aussicht gestente Entwickhuigsgeschichte von Ceratodus nicht mehr allzulange auf sich warten lässt.

110

Specieller Theil.

Trtr

lia Ra

Fig. 109. Rechte Hinter extremität von Polyodon folium (Dorsalseite, junges Exemplar). M Metapterygium, Pni Processus uncinati (Processus iliaci, Thacher, MiVART, Davidoff). Ra, Ba^ Radien erster und zweiter Ordnung, FiS Flossenstrahlen.

flösse ontogenetisch aus dem Zusammenfluss kleiner Einzelstrahlen her- vorgegangen zu denken sind. Darin liegt also offenbar der Hinweis auf primitive Verhältnisse.

Bei den Teleostiern handelt es sich an der Brust- wie an der B a u c h f 1 0 s s e um sehr starke Rückbildungsprocesse, dennoch aber Hegt auch ihnen die Entwicklungsgeschichte beweist dieses derselbe Bildungsplan zu Grunde. Auf Einzelheiten kann aber hier nicht weiter eingegangen werden , und ich verweise deshalb auf den betrefieuden Passus meines Lehrbuches der vergl. Anatomie der ^Yirbelthiere.

Allgemeine Betrachtungen über die Gliedmassen der höheren

Wirbelthiere.

So leicht sich auch das Flossenskelet sämmtlicher Hauptgruppen der Fische auf einen Grundtypus zurückführen lässt, so schwierig erscheint von hier aus die Anknüpfung an die Extremitäten der Amphibien. Zwischen beiden scheint eine tiefe, auf die verschiede- nen Lebensbedingungen zurückzuführende Kluft zu existiren und es wird sich um die Beantwortung der Frage handeln: wie ist aus der nur für das Wasser eingerichteten Flosse die Gliedmasse eines luftath- menden , für die Bewegimg auf dem Lande bestimmten Wirbelthieres entstanden ?

Zur Beantwortung dieser Frage liegen gar keine paläontologischen Anhaltspunkte, d. h. keine Zwischenglieder vor, und wir müssen uns deshalb nach anderen Erklärungen umsehen und den Weg der Hypo- tliese betreten . Zunächst haben wir davon auszugehen , dass aus dem einarmigen Hebel, wie er in der Flosse gegeben ist und wie er für

Skelet.

111

die Fortbewegung des Körpers in einem flüssigen Medium vollkommen ausreicht, in dem Moment ein m. e h r a r m i g e s H e b e 1 s y s t e m werden musste, wo das betrefiende Ur-Amphibium ein terrestrisches Leben zu führen begann.

Mit anderen Worten: als es sich nicht mehr darum handelte, den Körper nur einfach vorwärtszuschieben, sondern ihn zugleich von seinerUnterlage zu erheben, müssen sich die in der Flosse noch starr mit einander verbundenen Skelettheile allmählich von einan- der gelöst, winklig zu einander (Knie, Ellbogen) gestellt haben und in proximo-distaler Richtung in gegenseitige Gelenkverbindung ge- treten sein. Zugleich musste die Extremität aus einer horizontal ab- stehenden Lage nach und nach in eine solche übergehen, dass der Winkel, welchen sie mit der Medianebene des Rumpfes erzeugte, ein immer

Fig. 110.

Fig. 111.

Fig. 110. Hintere Extremität von Ra- nodon sibiricus. Ä Humerus, i/Ä Hauptstrahl, i* Fibula , T Tibia , i Intermedium , t Tibiale , /Fi- bulare , c c die zwei Centralia, 1 6 Tarsalia im engeren Sinne, f Spur eines sechsten Strahles inner- halb der proximalen Handwurzelreihe, 1 V die fünf Metatarsen.

Fig. 111. Schematische Darstellung derLagebeziehungen der freienExtre- mität zum Rumpf bei Fischen (4) und den höheren Wirbelthieren {S). S Schul- tergürtel , 3It Metapterygium , welches dem ulnaren Hauptstrahl (Ul) entspricht, Bd radialer Neben- strahl.

Fig. 112. Vorderarm, Carpus und Hand von Salamandramac. Rechte Seite von oben gesehen. R Radius , U Ulna, r Radiale, u i Intermedio-ulnare, c Centrale, 1 4 erstes bis viertes Carpale , Mc Mc Metacarpus , P/t Phalangen, / IV erster bis vierter Finger.

112 Specieller Theil.

kleinerer wurde, bis schliesslich beim Säugethier die Läugsaxe der in Ruhe befindlichen Extremitäten parallel ging mit der Medianebeue des Körpers. Bei höheren Typen übernimnjt dieses Geschäft vornehmlich die hintere, oder, wie man beim Menschen sagen kann, die untere Extremität, während die vordere den mannigfaltigsten Anpassungen und Modificationen unterliegen kann; sie wird, je nach Umständen, zu einem Tast-, Greif-, Flieg- oder, wie bei wasserlebenden Säugern, wohl auch wieder zu einem Ruderorgan.

So lässt sich , wie dies für die Fische möglich war , auch für alle über ihnen stehenden Vertebraten ein einheitlicher Grundtypus des Ghedmassenskeletes nachweisen, ja noch mehr: der oben geschil- derte, in einem Haupt- und in Nebenstrahlen sich aussprechende Bauplan der primitiven Fischflosse ist auch bei Amphibien und Am- nioten nachweisbar. Ein Blick auf die Figuren 110 und 111 bestätigt dies, ^^'ir können dort eine von H ausgehende Linie HS durch F und weiter durch *, c, ß, 2 nach II ziehen. Diese können wir als Haupt- strahl betrachten, von welchem sich hoch oben schon (bei H) ein zweiter, ein Neben strahl, abghedert, welcher sich durch T, ^, 1 nach I wendet. Eine zweite Serie von Nebenstrahlen geht von der an- dern Seite des Hauptstrahles ab.

So könnte man auch hier von einer biserialen Anordnung der Strahlen reden, allein man ist keineswegs berechtigt, hierin ursprüng- liche Verhältnisse zu erbhcken.

Ganz abgesehen davon , dass sich die heutigen Urodelen in ihrem Extremitätenbau sicherlich nicht direct an die Dipuoe r anschliessen, spricht dagegen auch die Entwicklungsgeschichte. In frühen Embryonalstadien nämhch ist von einem Haupt- oder Stamm strahl mit radiär dazu angeordneten Nebenstrahlen durchaus nichts zu erkennen, alles dies tritt erst verhältnissmässig spät in die Erscheinung, ist also als spätere Erwerbung aufzufassen.

Was nun die Form und Lage der einzelnen Stücke anbelangt, so haben wir an den vorderen wie an den hinteren Extremitäten ganz ho- mologe Verhältnisse. Stets handelt es sich um eine Gliederung in vier Hauptabschnitte, die man einerseits als Oberarm, Vorderarm', (An tibrachium), Handwurzel (Carpus) und Hand (Manus), andrerseits als Oberschenkel (Femur), Unterschenkel (Grus), Fu SS Wurzel (Tarsus) und Fuss (Pes) bezeichnet. Während der dem Metapterygoid entsprechende Oberarm oder Oberschenkel- knochen stets unpaar ist, treten im Vorderarm wie im Unterschenkel zwei Knochen auf. Die ersteren heissen Radius und U 1 n a , die letzteren T i b i a und Fibula. Auch die Hand und der Fuss zerfallen in zwei Al)schnitte, in die Mittelhand und den Mittelfuss (Metacar- pus, Metatarsus), sowie in die aus den sogen. Phalangen l)estehenden Finger und Zehen (Digiti).

Die beiden oberen (proximalen) , sowie der unterste (distale) Ab- schnitt der Extremitäten bestehen aus mehr oder weniger langen, cylin- drischen Knochen , die wegen ihres durch die ganze Reihe hindurch principiell gleichartigen Verhaltens weniger Interesse bieten als das stark variirende Hand- und Fusswurzelskelet. Gleichwohl ist auch für letzteres ein Grundtypus festzustellen, und zwar folgender. Es handelt sich stets um einen, aus kleinen Stückchen bestehenden Knorpel- oder Knochencomplex. Um ein Os centrale, das auch doppelt vorhanden sein kann , liegt ein Kranz von weiteren Stücken,

Skelei 113

unter welcheu mau drei proximale uud eiue wechselnde Anzahl (4—6) distale unterscheiden kann. Erstere werden wegen ihrer Lagebeziehuugen zu den Knochen des Vorderarmes resp. Unterschenkels als Radiale (Tibiale), Ulnare (Fi bulare) und als Intermedi um, letztere als C a r p a 1 i a resp. T a r s a 1 i a I VI (sensu strictiori) unterschieden. Dabei wird von der radialen, beziehungsweise von der tibialen Seite aus gezählt (Fig. 110 und 112).

Amphibien.

Während die Hinter- und Vorderextremitäten der Urodeleii mehr oder weniger nach dem soeben beschriebenen Grundtypus gebaut sind (Fig. HO, 112) \), kommt es bei Anureii zur Verschmelzung von Radius und Ulna und im Carpus zum Ausfall des Inter mediums. Letzteres ist auch im Tarsus nicht mehr nachzuweisen. Hier trifft man in der proximalen Reihe nur zwei, häufig durch einen gemeinsamen Knorpelüberzug vereinigte Knochen von cylindrischer Form. Der eine entspricht einem Tibiale (Astragalu s), der andere ist ein Fibu- 1 are (Calcaneus),

In der distalen Reihe des Carpus legen sich ursprünglich noch vier discrete Stücke an, doch kann es durch secundären Zusammen- fluss zu einer Verminderung dieser Zahl kommen. In seltenen Fällen ist noch ein fünftes Carpale vorhanden. Was man bisher als ein solches bei allen Anuren beschrieben hat, entspricht nach Howes einem „postaxialen Centrale". Da aber auch stets noch ein „prae- axiales Centrale", das Naviculare-) der früheren Autoren, vor- handenist, so erscheinen die Anuren als die einzige recente Thier-Ordnung, welche durch den constanten Besitz eines doppelten Centrale charakterisirt ist (Howes).

In der distalen Reihe des Tarsus erscheinen das Tarsale II uud III als die constantesten Elemente, doch können auch diese zusammen- fliessen. Das IV. und V. Tarsale ist in der Regel durch eine Baud- masse ersetzt; bei den Discoglossidae ist das Tarsale IV noch knorpelig. Constant legt sich noch das Tarsale I an, allein es tliesst häufig später mit jenem Element, das frühere Autoren als Naviculare bezeichnet haben, zusammen. Letzteres entspricht, wie Howes auf das Ueberzeugendste nachgewiesen hat, einem Centrale und dieses hat mit dem, bei allen Anuren an der tibialen Tarsus-Seite auftretenden P r a e h a 1 1 u X - S t r a h 1, d. h. mit der ein- bis viergliedrigen „sechsten Zehe" nichts zu schaffen.

Die Metatarsalknochen sowie die Phalangen, zwischen welcheu sich die S c h w i m m h a u t ausspannt, erscheinen bei Anuren sehr laug und schlank ausgezogen. Auch der Oberschenkel-, sowie die zu einem Stück verwachsenen Unterscheukelkuochen sind ausserordentlich laug uud deuten auf eine hüpfende Bewegungsweise hin. Der Verkuöcheruugs-

1) Dies schUesst niebt aut., dass, wie dies auch für die Anuren gilt, zwischen den einzelnen Carpal- und Tarsalstücken zahlreiche, secundäre Verschmelzungen vorkommen können. Die Vorderextremität besitzt in der Kegel nur 4 Finger, doch deutet Manches darauf hin, dass auch sie ebenso, wie die hintere, einst fünf besass. Die Phalangenzahl variirt.

2) Die Lagebeziehungen des ,,N a vi cul ar e" zu den umgebenden Carpalelementen sind bei verschiedenen Formen sehr verschieden. Es kann selbst mit dem Radius in Contact gerathen, was aber stets als ein secundärer Vorgang zu betrachten ist.

W i c d H r s li f i ui , (j^ull(iri^s dur veisl. An:duiuif. 2. Autl. b

114

Specieller Theil.

process ist im Extreiuitätenskelet der Auiiren in der Regel ein stärkerer als bei Urodelen, wo sich noch sehr viel knorpelige Elemente finden.

Reptilien.

Die Scliildkröten , deren Extremitäten zu Ruderorganen umgebil- det sein können, sowie die Saurier sdiliessen sich in ihrem Carpusbau direct an die Urodelen an ^), und auch hier weisen gewisse Spuren auf den früheren Besitz von sechs Fingern zurück (T r i o n y x, C h e 1 o n i a, Emys u. a.) Tibia und Fibula bleiben stets getrennt.

IV ^ jr

Pig. 114.

Fig. 113. Carpus von Emys europ., rechte Seite von oben. Ä, ?7 Radius und Ulna, r c Radiale und Centrale zusammengeflossen, i Intermedium, u Ulnare, 1 5 die Carpalia, wovon 4 und 5 miteinander verschmolzen sind, ^ und * ein am ulnaren und radialen Rand gelegenes Sesambein (Andeutung eines sechsten und siebenten Strahle^), / F die fünf Metacarpen.

Fig. 114. Carpus von Lacerta agilis, linke Seite von oben. U, R Ulna, Radius, u Ulnare, i Intermedium, r Radiale, c Centrale, 1 5 die fünf Carpalia, t Sesambein, / V die fünf Metacarpen.

Bei Crocodilierii, wo, wie bei Anuren, jede Spur eines Inter- mediums fehlt, finden sich in tler proximalen Carpalreihe zwei sanduhrförmige Knochen, wovon der eine , grössere , als R a d i a 1 e , der andere, kleinere, als Ulnare zu deuten ist. Seitlich von diesem existiren auch hier die Spuren eines sech- sten Fingers. Das Centrale ist wie bei Anuren und Säugern an den radialen Rand gerückt. Die distale Reihe der Carpalia tritt gegen die proxi- male stark in den Hintergrund. (Fig. 115.)

Fig 115. Carpus von Alligator lue. (junges Thier),

rechte Seite von oben, i?, f Radius, Ulna, r Radiale, m Ulnare

C Centrale, 1 5 die fünf noch nicht ossificirten Carpalia,

wovon 1 und 2, sowie 3, 4 und 5 je zu einem Stück zusam-

Jf, if mengeflossen sind, -j- Sesambein, /— V die fünf Metacarpen.

Von Interesse ist das Handskelet der Flugsaurier, bei denen der vierte, beziehungsweise fünfte (ulnare) Finger sich zu einem enorm langen und starken, vielfach gegliederten Stab verlängerte , der im Dienste der

1) Dies gilt in erster Linie für Chelydra serpentina, deren Carpus sogar noch ein doppeltes Centrale besitzt. Letzteres kommt übrigens auch noch Hatteria und dem fossilen Proterctsaurus zu.

Skelet.

115

zwischen ihm und der ganzen Körperseite ausgespannten Flughaut ge- standen haben muss (Pterodactylus, Rhamphorhynchus phyl- lurus, Fig. 116).

Fig. 116. Pterodactylus, nach Goldfüss. (Das Handskelet ist corrigirt.)

Merkwürdig ist, dass bei manchen fossilen Sauriern (Anomodontia, Theri odo n tia) auf der medialen Seite des Humerus ein Foramen sup- racondyloideum für den Durchtritt des Nervus medianus und der Arteria brachialis auftritt^). Jene triassische Reptilgruppe erscheint aber dadurch noch interessanter, dass die Beschaffenheit ihrer Vorderarm- knochen nicht nur auf Beugung und Streckung, sondern auch auf Pronatio und Supinatio schliessen lässt. Es scheint sich also, ähnlich wie bei gewissen recenten Mammalia, um eine Greif band gehandelt zu haben.

Der Tarsus erfährt bei allen Rep- tilien, zumal in seinem proximalen Ab- schnitt, eine überaus starke Reduction und leitet allmählich zum Vogeltypus hinüber.

So messen bei Schildkröten (Fig. 117) und Sauriern alle Stücke der pro-

Fig. 117. Tarsus vonEmys europaea, rechte Seite von oben. T Tibia, B Fibula, [ptf.t.c. die zu einem Stück vereinigten Tarsalia (In- termedium (?), Fibulare, Tibiale, Centrale) der ersten Keihe, 1 4 Tarsalia der zweiten Reihe, PÄ' erste Phalanx des 5. Fingers, / V die fünf Metatarsalia.

(ciftc.

1) Auch auf der Radialseite des Humerus findet sich in weiter Verbreitung bei recenten und fossilen Reptilien ein für den Nerv, radialis bestimmter Canal.

110

Specieller Theil.

ximalen Reihe zu einer Knochenmasse zusammen, welche bei Chelo- niern einem Tibiale, Fibulare und Centrale entspricht. Bei Sauriern lässt sich ein Centrale tarsi nicht einmal mehr ontoge- netisch nachweisen. Die Spur eines sechsten Strahles ist auch hier vorhanden. Ueber den Verbleib des lutermediums ist nichts bekannt.

In der zweiten Reihe legen sich drei bis vier discrete Tarsali a an, die aber z. Th. unter sich (Schildkröten) verwachsen können, so dass sich der Fuss immer mehr im In te r ta r s a 1 g e 1 enk bewegt (vogelähnli- ches Verhalten).

Bei Crocodiliern liegen in der proximalen Tarsalreihe zwei Knochen, wovon der eine einem Tibiale, In ter medium und Cen- trale, der andere einem Fibulare entspricht. Ersterer wird als A s t r a g a 1 u s , letzterer , an welchem sich hier zum erstenmal in der Thierreihe ein Fersenhöcker entwickelt, als C a 1 c a n e u s l^ezeichnet. In der distalen Reihe legen sich ursprünglich vier kleine Knorpel an, die aber später theilweise unter sich zusammenfliessen.

M nr

Fig. 119.

Fig. 118. Tarsus von Lacerta muralis, rechte Seite von oben. T Tibia , 7' Fibula, t, /", «, c der einem Tibiale, Fibulare, Intermedium und Centrale entspre- chende Knochen der proximalen Reihe, f Sesambein (Spur eines sechsten Strahles im Tar- sus der Ascalaboten), 3 5 die drei Tarsalia der distalen Reihe, / V die fünf Meta- tarsen.

Fig. 119. Tarsus vom Crocodil, rechte Seite von oben. T Tibia, F Fibula, i, z, c das zu einem Astragalus vereinigte Tibiale, Intermedium und Centrale, /Fi- bulare (Calcaneus), 1 3 erstes bis drittes Tarsale, zu einem Stück zusammengeflossen, 4 viertes Tarsale, / IV erster bis vierter Metatarsus, F? Tarsale oder IVIetatarsale 5.

Vögel.

Indem die Vorderextreinität derVögel aus einem Gehwerkzeug zu einem Flugapparat geworden ist, verliert sie in ihrem peripheren Abschnitt ihre ursprünglichen Charaktere und erleidet Rückbildungen. H u m e r u s und A n t i b r a c h i u m dagegen erfahren durch ihre Beziehungen zum Fluggeschäft eine ausserordentliche Entwicklung, strecken sich in die Länge und treten der llinterextremität gegenüber, welche zu einem Träger der gesammten Körperlast geworden ist, in den Vordergrund (Fig. 120). Eine Ausnahme von dieser Regel machen nur die Laufvögel, bei denen die Vorderextremität ein regressives Verhalten zeigt.

Im Carpus treten in embryonaler Zeit noch siel)en getrennte

Skelet.

117

Fig. 120. Gliedmassen und Schwan z-Skelet eines Vogels (Cariuate). Das Rumpfskelet ist durch Punkte angedeutet. Seh Schulterblatt, B Rabenschnabelbein (Coracoid), St Sternum mit Crista {Cr), OA Oberarmknochen, Rd Radius, Ul Ulna, HW Handwurzel, J/fl" Mittelhand, F, B Finger, Os Oberschenkel, T Tibia, i*Y Fibula, il/i' Mittel- fuss, Z, Z^ Zehen, Py Pygostyl.

Stücke auf, worunter auch noch eiu Centrale und I n t e r m e d i u ni. Ein Theil davon fliesst später mit den Basen der Metacarpen zusammen, und im Carpus des erwachsenen Vogels bleiben schliesslich nur noch zwei freie Stücke, ein Radiale und Ulnare, erhalten.

Der Meta carpus besteht aus drei Spangen, welche basalwärts und z. Th. auch an der Peripherie (II und III) miteinander verwachsen sind. Daran schliessen sich die rudimentären Finger, welche nur aus einer geringen Zahl von Phalangen bestehen (Fig. 120).

Fingerkrallen, welche noch an allen drei Endphalangen des Archaeopteryx sassen, finden sich bei recenten Vögeln nur noch aus- nahmsweise, wie z. B. bei S t r u t h i o n e n , bei M e g a p o d i u s u. a.

Wie W. K. Paekek gezeigt hat, legen sich in der Vogelhand ausser den bleibenden drei Fingern noch drei weitere an, wovon einer als „Prae- pollex" (vergl. hierüber die Säugethierhand) zu deuten sein soll. Er liegt

118 Specieller Theil.

einwärts vom I. Metacarpus. Die andern liegen ulnarwärts vom II. resp. vom III. Metacarpus. Es fragt sich sehr, ob wir darin einen Hinweis auf primitive Yerhältnisse zu erblicken haben.

Die schon bei Reptilien mehr und mehr zur Geltung kommende Reduction der Fusswurzelkiiocheii erreicht bei den Vögeln ihr Maxi- mum. Beim Embryo besteht der T a r s u s noch aus drei Stücken, zwei kleineren, proximalen (Tibiale und Fibulare) und einem breiten, distalen Stück, welches dem Tarsale I V entspricht.

Das Tibiale und F i b u 1 a r e verwachsen später mit dem distalen Ende der Tibia, das distale Stück dagegen mit den Basen der Meta- tarsen, so dass also der Fuss des erwachsenen Vogels gar keine getrennten T a r s a 1 i a mehr besitzt. Gleichwohl aber darf man sagen, dass er sich, wie bei C h e 1 o n i e r n und Sauriern, im Intertars algelenk bewegt.

Der Anlage nach sind fünf wohlgesonderte Metatarsen vorhanden; später aber, nachdem sie zum grössten Theil miteinander zum „Laufkno- chen" verwachsen, weisen nur noch einige Spalten und Einsenkungen am proximalen und distalen Ende auf die frühere Trennung zurück.

Die Zahl der Zehen ist bei Vögeln auf vier, drei oder gar, wie bei Straussen, auf zwei herabgesunken.

Die Fibula, welche stets nur einen rudimentären Knochensplitter darstellt, ist mit der starken Tibia mehr oder weniger verwachsen und erreicht nie den Tarsus.

Säuger.

Hier bleibt die vordere Extremität entweder im Zustand eines ein- fachen Geh Werkzeug es, oder sie wird unter viel schärferer Indivi- dualisirung der Knochen des Vorderarms zu einem Greiforgan. Bei dieser Umwandlung lösen sich nämlich die anfangs straff miteinander verbundenen Vorderarmknochen allmählich von einander los und treten derart in gegenseitige Gelenkverbindung, dass der Radius eine aus- giebige Beweglichkeit erreicht, während die Ulna fest bleibt. Die ideale Bewegungsaxe geht in proximo-distaler Richtung durch das obere Ende des Radius und verlässt ihn dann, um, in die Ulna übertretend, diesen Knochen zu durchziehen. Wenn man nun daraus folgern kann, dass der Radius an seinem oberen Ende um seine eigene Axe, mit seinem unteren dagegen um eine fremde, d. h. ausser ihm liegende Axe sich dreht, so wird sich daraus weiter ergeben, dass er bei dieser Bewegung oben in loco bleibt, während er unten einen Bogen um die Ulna be- schreibt, dabei die an ihn befestigte Hand mit sich nimmt und zu- gleich um ihre Längsaxe dreht. Diese durch eine besondere Muskel- gruppe vollführte Bewegimg, bei der die anfangs nach oben schauende Handfläche (Palma manus) nach abwärts gewendet wird, heisst Pro- natio, die gegentheilige Supinatio.

Beide zeigen sich schon bei M arsupial lern angel)ahnt, zur höchsten Ausbildung aber gelangen sie erst bei den Primaten. Bei ihrem Zustandekommen spielte die während der Phylogenese immer

Skelet.

110

reicher sich differeiizirende Musciilatur eine grosse Rolle, allein darin liegt noch keine zureichende Erklärung für die verschiedene Lagerung, wie sie die homologen Knochen am Unterarm und Unterschenkel that- sächlich besitzen. Am letzteren Ort liegt die Tibia median-, an dem in Supinatiousstellung befindlichen Unterarm der Radius lateralwärts. Während wir im ersteren Fall primitive Verhältnisse beibehalten sehen, handelt es sich im zweiten um eine Verschiebung derselben. Der Grund davon liegt in einer phylogenetisch und ontogenetisch zum Ausdruck kommenden Drehung des distalen Hu merusen des.

Carpus und Tarsus stimmen am meisten mit demjenigen der Urodelen und Schildkröten überein, und hier wie dort kann es zum Zusammenfluss einzelner Stücke untereinander kommen. Dies gilt z. B. als Regel für das mit dem Tibiale zum Astragalus sich vereinigende Int er medium, sowie für das vierte und fünfte Gar pale und Tarsale, welche im Carpus zum sogen. Hacken - bein (Os uncinatum), im Tarsus zum Wurf elbein (Os cuboides) verschmelzen. Seiner Anlage nach ist das Centrale im Carpus aller fünffingerigen Mammalia nachzuweisen, häufig aber verschmilzt es schon in fötaler Zeit mit dem benachbarten Radiale. Dies ist z. B. der Fall bei dem Gorilla, dem Chimpanze und dem Menschen, doch kann es l)ei letzterem (in 0,4 "'/o f^Gi" Fälle) zeitlebens persistiren. Im Tarsus zeigt das Centrale ein conservativeres Verhalten und liegt häufig am medialen (tibialen) Fussrand.

Für die frühere Existenz eines sechsten und siebenten Eingers an der Hand und dem Fuss der Säugethiere sprechen zahlreiche vergleichend- anatomische und ontogenetische Beweise, und darauf deutet auch schon, wie wir gesellen haben, da und dort das Verhalten der Amphibien und Rep- tilien hin. Der eine der verlorenen ,, Strahlen" lag ulnar- resp, fibularwärts und wird noch durch das Os pisi forme angedeutet (Fig. 121 p)\ der andere befand sich einwärts vom Daumen, beziehungsweise der grossen

^, R

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Fig 121. 4CarpusdesMeDschen, ^Pussskelet desMenschen. Prae- p o 1 1 e X und Praehallux sind schennatisirt. ü Ulna, iJ Radius, r Radiale-(Naviculare), i Intermedium-(Lunatum), ?t Ulnare (Triquetrum), P Pisiforme, ce Centrale mit dem Radiale verwachsen, ce^ zweites Centrale (Kopf des Capitatum) (Carpale 3). 1 5 Die fünf Car- palia-(Tarsalia), wovon 4 und 5 zum Hamatum resp Cuboides, Cub. verwachsen sind, f f f Spuren des Praepollex resp. Praehallux. Tarsale 1 3 wird als erstes bis drittes Keilbein (fiu. I III) bezeichnet, c Centrale-(Naviculare) tarsi, it Intermedio-tibiale = Astragalus {As) oder Talus, f f P das zum Calcaneus {Ca) vereinigte Os pisiforme tarsi und das Fi- bulare. / F Die fünf Metacarpen resp. Metatarsen.

120

Specieller Theil.

Zehe. Sie werden als PraepoUex und Praehallux bezeichnet (Fig. 121 ff). So hat also nicht die pent adacty le, sondern die heptadactyle Urform als Ausgangspunkt zu gelten.

Inwiefern die Tarsalia im Einzelnen den Carpalia entsprechen, ist z. Th. noch Gegenstand der Controverse. Dies gilt aber nur für die proximale Keihe zusammt dem einfachen oder doppelten Centrale ; für die Elemente der distalen Reihe liegen die Verhältnisse ganz klar und ich ver- weise zu dem Behufe auf Fig. 121.

Von hohem Interesse ist der Rückbildungsprocess , welchem das Fuss- und Handskelet der Hufthiere im Laufe der geologischen Epochen unterworfen war. Diese Thiergi'uppe zerfällt in zwei grosse Abtheilungen, die Artiodactyli und Perissodactyli. Ersteres sind die Zweihufer, bei welchen der dritte und vierte Finger prävalirt und den Boden erreicht (Fig. 122 A— F), während bei den

letzteren, den Einhufern, nur einer, nämlich der dritte Finger, jene Be- ziehungen eingeht (Fig. 123, 1 6).

Es lässt sich nun durch eine grosse Reihe (30) tertiärer Zwischen- formen beweisen , d a s s alle Huf- thiere von einer und dersel- ben pen t adactylen Urform abstammen; jedoch waren Zwei- hufer und Einhufer in der älte- sten Tertiärzeit bereits scharf diffe- renzirt, so dass man die gemeinsame Stammform in der Kreide suchen muss, und von dieser haben sich wahr- scheinlich auch die Rüsselthiere abgezweigt.

Fig. 122. 4 Vorder fuss vom Schwein, jB von Hyomoschus, C von Tragu- lus, D vom Rehbock, E vom Schaf, .Fvom Kamel. 2 5 zweiter bis fünfter Finger. Nach G a r r o d (aus Beils Grundriss der vergl. Anatomie.)

yivniii vivnr n ^^^ ^ iv^n lynin ly'^'ir

Fig. 123. Vorderfuss der Stammformen des Pferdes. 1 Orohippus (Eocän), 2. Mesohippus (oberes Pliocän), 3. Miohippus (M i o c ä n), 4. Protohippus (oberes Pliocän), 5. Pliohippus (oberstes Pliocän), 6. Equus. II V Finger.

Skelet. . 121

Auf die verschiedenen , zu der Lebensweise in engster Beziehung stehenden Modificationen der vorderen Extremität kann hier nicht näher eingegangen werden und ich erinnere nur an die ausserordentliche Verlänge- rung der Phalangen bei Fledermäusen, an die grabenden Extremitäten des Maulwurfs und der Mo no treme n , an die in ein Ruder umgewan- delten Gliedmassen der Cetaceen, ferner an die Oppositionsfähig- keit des Daumens etc. etc. Alles dieses erklärt sich von selbst, wenn man erwägt, dass ein so exponirter Apparat, wie die vordere Extremität, im Kampfe ums Dasein den ersten Verstoss zu machen hat, so dass die ihn umgebenden, äusseren Einflüsse in allerstärkster Weise modificirend wirken müssen.

Bei der hintern Extremität der Säuger spielt die F i h u 1 a der T i b i a gegenüber eine nur untergeordnete Rolle und der Oberschenkel ist häufig kürzer als der Unterschenkel.

Die vor dem Kniegelenk liegende Patella oder Kniescheibe kommt schon bei gewissen Sauriern, z. B. bei Varauus, und auch bei Vögeln, jedoch hier schon in weitester Verbreitung, vor. Mächtig entwickelt ist sie z. B. bei den Pinguinen. Unter den Säugern fehlt sie nur den Cetaceen, Sirenen, den C h i r o p t e r e n und einigen Marsupialiern. Ueberall, wo sie auftritt, steht sie ausser allem genetischen Zusammenhang mit den Ober- und Unter- schenkelknochen, ist also nicht, wie man früher annahm, mit dem Olecranon der Ulna zu homologisiren. Sie ist vielmehr ein äch- ter Sesamknoch en, welcher durch die Reibung zwisclien der Sehne des M. quadriceps femoris und der Kniegelenkkapsel entstanden zu denken ist.

Literatur.

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122 Specieller Theil.

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C. Myologie.

Die Muskeln, oder, wie der vulgäre Ausdruck lautet, das Fleisch, zerfallen auf Grund ihrer histologischen Beschaffenheit in zwei Gruppen, nämhch in solche mit glatten und in solche mit quergestreiften Zellen, beziehungsweise Fasern. Erstere sind phylogenetisch älter und als Vorstufe der letzteren zu betrachten M.

Während die glatten oder organischen Muskelfasern l)ei Wirbel- thieren vorwiegend an die Eingeweide, die H a u t , den Urogeni- talapparat und die Ge fasse gebunden und dem Willen nicht unter- worfen sind, findet die, fast ausnahmslos vom Willen beherrschte, quer- gestreifte oder animale Musculatur ihre vornehmliche Verwendung beim Aufbau der Körper wände und des Bewegungsapparates.

Im vorliegenden Capitel haben wir es ausschliesslich mit letzterer zu thun und auf Grund der Entwicklungsgeschichte kann man diese Muskeln folgen dermassen eintheileu :

fa) Rumpfmuskeln nebst dem M. co- raco-hy oideus (sterno-hyoideus) der. o ., , I Fische und seinen Derivaten bei den

^«"^Jten stammen-^ ^^^^^^ Vertebraten.

de Muskeln. W^ Gliedmassenmuskeln.

(c) Muskeln des Augapfels.

II. In viscerale, aus r

den Seitenplatten ) Kopf muskeln mit Ausnahme der oben

stammende Mus-| unter a) und c) erwähnten, kein. I

1) Nach neueren Untersuchungen lassen sicli die quergestreiften Muskeln aller darauf bis jetzt untersuchte Wirbelthiere in zwei histologisch und physiologisch verschiedene Kategorieen bringen. In die eine gehören weiss liehe, resp. s c li w a c h r ö t h 1 i c h e , k e r n a r m e , in die andere d u n k e 1 r o t h e , an Hämoglobin und Kernen reiche Jluskeln. Die weissen coiitraliiren sich schnell, die rothen langsam : zugleich ermüden die weissen ungleich schneller als die rothen. In jedem daraufhin genauer untersuchten ]\rus- kel finden sich beiderlei Arten gemischt, wie dies z. B. in exquisiter Weise für den Triceps humeri des Kaninchens gilt ; allein die Mischung ist keine regellose , sondern eine ganz gesetzmässige. Gewisse Muskeln enthalten mehr von der einen, andere wieder mehr von der andern Art und dadurch wird ihre Leistungsfähigkeit, sowohl nach Kraft als nach Aus- dauer, in bestimmter Weise beeinflusst. Die rothen Muskeln scheinen dauernd in einem gewissen Tonus zu sein, die weissen nicht.

Myologie. 123

Alle diese Muskeln stehen in der Regel in engen Beziehungen zum Skelet, welches sie unter Bildung von Sehnen theils als Ursprungs-, theils als Ansatzpunkt benützen, und aus diesen innigen Beziehungen beider folgt, dass eine reiche Dilt'erenzirung des einen Systems die- jenige des andern nothwendig bedingt. Dieser Skeletmiisculatur kann man ein anderes, ol)erflächlicher gelagertes, als Hautmusculatiir gegen- überstellen.

An jedem Muskel , in seiner einfachsten Form, unterscheidet man einen Kopf oder Ursprung (Origo), einen Bauch (V enter) und einen Schwanz oder Ansatz (Insertio). Während die Muskeln des S t a m m e s in der Regel platt sind, besitzen diejenigen der Extre- mitäten meistens eine langgestreckte, cylindrische oder prismatische Form. Dane])en existiren aber noch Muskeln von den mannigfachsten Gestaltungen, wie z.B. mehrköpfige, z weibäuchi ge, einfach- oder d 0 p p e 1 1 g e f i e d e r t e , säge- und t e r i- a s s e n f ö r m i g e Mus- keln. Bei allen diesen ist natürlich das Verhältniss zur Sehne ein äusserst wechselndes.

Sämmtliche Muskeln werden von fibrösen Scheiden , sogenannten Fascien, umgeben und sind dadurch sowohl unter sich (Ligamenta intermuscularia) als mit dem Integument und dem Skelet in der verschiedensten Weise verbunden. Jene Fascien sind mehr oder weniger Producte der Muskeln selbst und vermögen als sogenannte A p o n e u - rosen Theile des Skeletes zu vertreten.

An allen den Stellen, wo es sich um eine bedeutende Reibung handelt, kann in dem Muskel oder seiner Sehne eine Verknöcherung (S e s a m b e i n) auftreten.

Die Neubildung, Entstehung mehrerer selbständig zu nennender Muskeln aus einem gegebenen Sul)strat, kann auf folgende verschiedene Weise vor sich gehen: erstens, durch Theilung des ursprüng- lichen Muskels in einen proximalen und distalen Ab- schnitt (Auftreten ein er Zwischensehne), zweitens, durch Spaltung einer Mus k einlasse in Schichten, drittens, durch Spaltung der Muskeln der Länge nach, viertens, durch Ver- wachsung zweier früher einmal getrennter und gemäss der Innervation nicht zusammengehöriger Muskeln. Durch letzteren Vorgang wird die Gesammtzahl der Muskeln natürlich vermindert.

Durch Aenderuug seines Ursprunges und seiner Insertion kann ein Muskel nach Gestalt und Lage sehr bedeutende Veränderungen und Umwandlungen erfahren. Ist die Wirkung eines Muskels unnöthig ge- worden, so trägt er entweder mit seinem Rest zur Verstärkung eines benachbarten Muskels bei oder verschwindet spurlos.

In embryonaler Zeit sind die einzelnen Muskelgruppen, wie z. B. der hohe und tiefe Fingerbeuger des Armes oder die einzelneu Kaumuskeln, noch nicht von einander geschieden, sondern stellen noch ein einheitliches (mesodermales) Blastem vor, dessen Zerklüftung durch einwachsende, binde- gewebige Scheidewände erst in späterer Entwicklungsperiode erfolgt. Erst dann differenziren sich die einzelnen Muskel-Individuen und diese indivi- dualisiren sich noch stärker beim allmählichen Gebrauch, also in der post- embryonalen Zeit. Dabei verschwinden gewisse Muskelanlagen schon wieder in embryonaler Zeit und ebenso finden Lageverschiebungen statt.

124

Specieller Theil.

I. Hautmusculatur.

Bei Fischen und Amphibien nur spärlich entwickelt, spielt dieselbe bei Reptilien und Vögeln durch ihre Beziehungen zu den Scliienen, Schuppen und Federn eine grössere Rolle. Am mächtigsten aber entfaltet sie sich bei zahlreichen Säuge thi er en, wo sie sich über den Rücken, Kopf, Hals und über die Flanken ausdehnen kann (Echidna, Dasypus, Pinnip edier, Erinaceus etc.). Beim Menschen findet sich nur ein schwacher Rest in Form des über den Hals, sowie über einen Theil der Brust und des Gesichts sich erstrecken- den Platysma myoides (vergl. die mimische Musculatur).

II. Musculatur des Skeletes.

Parietale Muskeln.

Dieselben bestehen in ihrer einfachsten Form auf jeder Seite des Körpers aus je zwei Hälften , einer dorsalen und ventralen. Erstere reicht nach vorne bis zum Hinterhaupt, letztere bis zum Schultergürtel, beziehungsweise bis zum Unterkiefer^). Beide stossen in der Seiten- sowie in der ventralen und dorsalen Mittellinie zusammen und jede l)esteht aus vielen, von Bindegewebe (Myocommata) umrahmten Muskel- portionen (Myomeren oder Somiten), welche eine seg mentale Anordnung zeigen und sich unter allmählicher Verschmälerung bis zum Schwanzende erstrecken (Fig. 124, 125). Dieser ursprüng- lich metamere Charakter der Parietalmuskeln bildet ein charakteristisches Merkmal aller Wirbelthiere und steht mit derSegmentirung des Axenskeletes und der Spinal- nerven derart in c o r i- e s p o n d i r e n d e m V e r h ä 1 1 n i s s , d a s s je ein M y o m e r in der Regel je einem Wirbel und einem Paar Spinalnerven entspricht.

Mo

RM

^^C^P\^

Fig. 124. Die gesammte Miusculatur von Siredon pisciformis. LI Linea lateralis. D Dorsale und V ventrale Hälfte der Schwanzmuskeln , RM dorsale Hälfte der Seitenrumpfmusculatur (Rückenmuskeln). O, 0 Aeusserstes , von der Linea lateralis

1) Amphioxus besitzt noch keine Seitenlinie, indem hier die dorsale und ventrale Hälfte des Seitenrumpfmuskels noch vollkommen ineinander übergehen.

JVfyologie.

126

entspringendes und in die Fascie F ausstrahlendes Stratum des M. obliquus abdominis ex- ternus. Bei * ist ein Stück davon ausgeschnitten, so dass das zweite Stratum dieses Muskels (Ob) l'rei zu Tage liegt. Bei Ee geht dessen Faserverlauf aus der schiefen Richtung in die ge- rade über (beginnende Differeiizirung des Rectus abdom.). Bei 7?e ' sieht man das Rectus- system zum Visceralskelet verlaufen Me Myocommata des Riiekentheils der Seitenrumpf- musculatur. 7' Temporaiis, Ma Masseter, Dij Digastricus mandibulae, Mh'^ Mylohyoideus (hintere Portion), Ce Kerato-hyoideus externus, Lv Levator arcuum branchialium, ftt Leva- tor branchiarum, Cph Hals-Ursprung des Con^trictor pharyngis, Th Gl. thymus. JA Latis- simus dorsi, Ds Dorsalis scapulae, Ca Cucullaris. SS Suprascapula, Ph Procoraco-hume- ralis.

Fische, Dii>rioJ'r und Amphibien.

Hier herrschen noch sehr primitive Verhältnisse, doch kommt es schon bei Fischen an der ventralen Körperseite zu Dititerenzirungen gewisser Muskelcomplexe , die man als Vorläufer von geraden und schiefen Bauchmuskeln (liectus et Obliqui abdominis) bezeichnen kann. Im Gegensatz dazu besitzt die dorsale Hälfte der Parietalmuskeln durch die ganze Wirbelthierreihe hindurch ein conservativeres d. h. ursprünghcheres Verhalten, als die ventrale, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass letztere die in ihrem Volumen starken Schwankungen unter- liegende Leibeshöhle zu uni- schliessen hat.

Noch weiter gediehen ist jener Differenzirungsvorgang bei gewissen D i p n o (' r n und namentlich bei g e s ch w an z- t e n Amphibien. 1 »ei

Fig. 125. Die gesammte Musculatur von Siredon pisciformis von der Ventral- seite. O äusserstes Stratum des Obliquus externus , bei F' in die Fascie ausstrahlend , welche hier durchschnitten ist, Oh zweites Stra- tum desselben Muskels, lle Rectus abdominis, bei Be^ in die Visceral- musculatur (Sterno - hyoideus) und bei P in den Pectoralis major aus- strahlend. Ji/j, il//t' Vordere und hintere Portion des Mylohyoideus, welcher in der Mittellinie durch- schnitten ist, so dass hier die ei- gentliche Visceralmusculatur frei zu Tage liegt. Ce, Ci Keratohyoideus externus und internus. Ersterer be- festigt sich am Hyoid (IJy). Add Adductor arcuum branchialium, C Coiistrictor arcuum branchialium. Cph Vom hintersten Kiemenbogen entspringende Portion des Constric- tor pharyngis. Dp Depressores bran- chiarum, (rh Genio-hyoideus, Ph Pro- coraco-humeralis, Spc Supracoracoi- deus, Cbb Coraco-brachialis brevis, Clo Cloake, La Linea alba abdo- minis.

126 Specieller Theil.

letzteren kommt es sogar zu einer vierfachen Spaltung, d. h. -Schicli- tung, der ventralen Rumpfmusculatur, und bei den höheren Typen, wie bei der geschleclitsreifen S a 1 a m a n d r a , sowie bei T r i t o n e n ist ein rechts und links von der Medianlinie liegender Rectus abdominis deutlich ditferenzirt (Fig. 125 jRe, Re).

Die äusserste Schicht des seitlichen Bauchmuskelsystems des A X o 1 0 1 1 s und der S a 1 a m a n d e r 1 a r v e n ist unsegmentirt und scheint sich auf höhere Formen nicht weiter zu vererben , wohl aber gilt dies für die drei übrigen Schichten, die man ihrem typischen Faserlauf ent- sprechend von aussen nach innen als 0 b 1 i q u u s abdominis e x t e r- nus, internus und transversus unterscheidet (Fig. 124, 125 0, Ob).

Bei dieser stetig fortschreitenden Bildung neuer, immer schärfer individualisirter Muskeln und Muskelgruppeu spielen wohl die ver- änderten Locomotions- und Respiratiousverhältnisse eine grosse Rolle.

Während der äussere und innere schiefe Bauchmuskel von der Kopf- gegend bis zum Beckengürtel reicht, ja, was den ersteren betrifft , sich in die ventrale Schwanzmusculatur direct fortsetzt, hört der Transversus in der Höhe des Herzens auf und steht in engster Verbindung mit der die Leibeshöhle auskleidenden Fascia transversa resp. dem Peritoneum, an deren äusserer Fläche er gelegen ist, ein Verhalten, das von den Urodelen an bei sämtlichen Wirbelthieren zu beobachten ist.

Diesen soeben von den Urodelen geschilderten Verhältnissen gegen- über zeigt das Rumpfmuskelsystem der A n u r e n insofern ein negatives Verhalten , als hier nur zwei Schichten von seitlichen Bauchmuskeln vorhanden sind und als der in der Larvenperiode noch vorhandene metamere Charakter derselben später mehr und mehr verwischt erscheint.

Eeptilien.

Hier erheben sich die Parietalmuskeln auf eine wesentlich höhere Entwicklungsstufe. Massgebend dafür ist die feinere Ausgestaltung des Skeletes, die sich namentlich in den Rippen und dem Schultergürtel ausspricht. Das treibende Princip dabei ist die veränderte, rhythmisch werdende Respirationsweise , bedingt durch die mehr und mehr sich entfaltende Lunge.

Immer deutlicher bereitet sich eine Scheidung vor iu Brust und Bauch und es kommt zu wohl ausgeprägten Musculi interco- stales externi und interni. In der Lumbaigegend, wo sich die Rippen mehr und mehr aus der zwischen ihnen befindlichen Musculatur herausziehen , verliert letztere ihren intercostalen , d. h. segmentirteu Charakter und bildet zusammenhängende, zwischen den letzten Rippen und dem Beckengürtel liegende, breite Massen, wie z. B. den dicht neben der Wirbelsäule liegenden Quadratus lumborum.

Der stets gut entwickelte Rectus abdominis zerfällt jederseits in drei Portionen, nändich in eine Pars ventralis, interna (Unter- al)theilung der vorigen) und lateralis.

Während sich in der dorsalen Hälfte des Seitenrumpfmuskels der Urodelen noch kein bedeutender Differenzirungsprocess bemerklich macht, ist dies in der Reihe der Reptilien in hohem Grade der Fall. Man unterscheidet hier einen M. 1 o n g i s s i m u s , i 1 e o c o s t a 1 i s , Mm. inte r spinales, semi spinales, multifidi, splenii, leva- tures costarum sammt den zu den letzteren gehörigen Scaleni.

Myologie. 127

Abgesehen von der Region der Cloaken-Gegend und der Schwanz- wurzel, wo es ebenfalls zur Herausbildung neuer Muskeln (Ilio-, Ischio-, Pubi- und Lumbo caudalis, d. h. zu Hebern, Beugern, Vorwärtsziehern des Schwanzes, zu Muskeln des Afters und der Geschlechtsorgane) kommt, bewahrt die übrige Ca udalmus cu- latur ihr primitives, von den Ahnen her vererbtes Verhalten.

Vögel.

Hier ist der ursprüngliche Charakter der Stamm-Musculatur noch ungleich verwischter als bei Reptilien.

Dies beruht in erster Linie auf der excessiven Entwicklung der Vor der-Extr emitäten- Muskeln, wie vor Allem des Pect o - ralis major und der damit Hand in Hand gehenden Verlängerung des Brustbeines nach rückwärts.

Da ferner die letzten Rippen dem Becken sehr nahe liegen, so er- leidet der für die Seitenbauchmuskeln bestimmte Raum eine starke Beschränkung.

Der M. obliquus abdominis externus und internus sind vorhanden, allein nur spärlich entwickelt, was namentlich für den letz- teren gilt, der geradezu in Rückbildung begriffen scheint. Ein Trans- versus ist in der Bauchregiou nicht einmal mehr in Spuren nach- weisbar , dagegen tritt jederseits ein paariger , u n s e g m e n t i r t e r Rectus auf. Er sowohl wie die schiefen Bauchmuskeln wirken durch Herabziehung der Rippen als kräftige Inspiratoren und zugleich als Compressoren der Bauchhöhle.

Die Intercostales extern i und i n t e r n i sind kräftig angelegt, und zum erstenmal tritt an der Innenfläche der Sternalenden der Rippen ein Triangularis sterni auf (letzter Rest des T r a n s v e r s u s).

Die dorsale Partie der Stammmusculatur zeigt sich im Bereich des Rumpfes nur sehr spärlich, am Halse dagegen ausserordentlich reich entwickelt.

Beim Vogel erscheint Alles darauf berechnet, dem hoch entwickelten, den ganzen Organismus tief beeinflussenden Respirations-System, be- ziehungsweise dem Flugapparat, eine möglichst grosse Zahl von Muskeln dienstbar zu machen, und darin liegt eine wesentliche Difl'erenz gegen- über den Reptilien (vgl. den Respirationsapparat der Vögel).

Säuger.

Hier sind stets drei Seitenbauchmuskeln, ein M. obliquus exter- nus, internus und transversus, vorhanden. Sie sind mit einer einzigen Ausnahme (Tupaia) gänzlich unsegmentirt, stellen also ein- heitliche, breite Muskelplatteu dar. Gegen die ventrale Mittellinie zu strahlen sie in starke Aponeurosen aus, welche den Rectus abdo- minis eiuscheiden. Letzterer ist jederseits nur einfach und besitzt eine wechselnde Zahl von Myocommata; nie hängt er mehr, was z. B. bei Urodelen noch der Fall ist, mit den (ab origine zu seinem System gehörigen) axialen Halsmuskeln , dem Sternohyoideus, Sterno- thyreoideus etc. zusajumen, sondern stets schiebt sich zwischen beide das Sternum ein , ein Verhalten , das auch schon bei S a u r o p s i d e n zu beobachten ist.

128 Specieller Theil.

Au der Ventralseite des Rectiis abdorainis liegt bei Schnabel- und B e u t e 1 th i e r e n der kräftige M. p y r a m i d a 1 i s. Er nimmt seinen Ur- sprung von dem inneren Kaud der Beutelknochen, steht zum M a r s u p i u m in wichtiger Beziehung und kann bis zum Sternum emporreichen. Mit dem Verlust der Beutelknochen unterliegt bei den höheren Säugern auch der M. pyramidalis einer Reduction resp. einem gänzlichen Schwund. Er ist übrigens häufig bis zu den Primaten hinauf noch in Spuren nachweisbar und entspringt dann stets in paariger Anordnung vom horizontalen Schambeinast, rechts und links von der Mittellinie.

Wie bei den Sauropsiden, so begegnen wir auch bei Säugern dem M. obliquus abdominis externus und internus in der Brustgegend wieder unter der Form der Mm. intercostales externi und in terni.

Was ich oben von der Differenzirung der dorsalen Partie des Rumpfmuskels der Reptilien gesagt habe, gilt im Wesentlichen auch für die Säuger.

Viscerale Muskeln.

Sie gehen, wie oben erwähnt, aus den Seitenplatten (van Wijhe) hervor und können als Muskeln des Visceralskeletes (Kiemen- und Kiefermiiskelii) bezeichnet werden ^). Auf Grund jener Ver- schiedenheit dei" parietalen und visceralen Muskeln wird man auch eigen thümliche Verhältnisse der Kopfnerven gegenüber den Rücken- marksnerven erwarten dürfen.

Fische.

Abgesehen von den Cyclostomen, die ihrem eigenthümlichen Kopfskelet (Saugapparat) und Kiemenkorb entsprechend eine besondere Umgestaltung der cranio -visceralen Musculatur zeigen , lässt sich letztere bei Selachiern von einem einheitlichen Gesichtspunkt aus betrachten. Sie zerfällt in folgende vier Gruppen oder Systeme:

1) Oberflächliche Ringmuskeln.

2) Obere Z w i s c h e n b o g e n m u s k e 1 n.

3) Mittlere Beuger der Bogen.

4) Ventrale Längs muskeln.

Letztere nehmen den drei ersten gegenüber, welche enger zusammen- gehören, eine selbständigere Stellung ein.

Der oberflächliche, in das Gebiet des Vagus, Glossopharyn- geus, Facialis und Trigeminus (Ramus III) fallende Ringmuskel wirkt im Wesentlichen als Constrictor, d. h. er verengert die ge- sammte Mund- und Kiemenhöhle, schliesst die Kiemenspalten und hebt das gesammte Visceralskelet sammt dem Boden der Mund- und Kiemen- höhle. Dabei zerfällt er in vier Unterportionen.

Die oberen und mittleren Beugemuskeln fallen ihrer Hauptmasse nach in das Gebiet des Vagus und Glossopharyngeus und wirken im Wesentlichen als Adductores arcuum l)ranchia- 1 i u m , d. h. sie nähern die Kiemenbögen einander.

1) Dabei ist aber zu bemerken, dass einige Muskeln des Zungenbein-Kiemenapparates aus den Soiniten stammen , dass sie also, worauf ich gleich zu Anfang hingewiesen habe, zu den parietalen Muskeln zu rechnen sind.

Myologie. 1 29

Die in das Gebiet des I. und IL Spinalnerven fallende ventrale L ä n g s m u s c u 1 a t u r ist als die directe Fortsetzung des ven- tralen Abschnittes der Stammmusculatur, also des bei Fischen gewissermassen noch latenten Rectus-Systemes aufzufassen. Wie letzteres, so besitzt auch die ventrale Längsmusculatur Myocommata und erstreckt sich vom vorderen Rand des Schultergürtels bis zum Un- terkiefer, beziehungsweise nur bis zum Hyoidbogen (Muse, coraco- mandibularis und c oraco-hyoideus).

Von diesem nur in seinen Grundzügen skizzirten Verhalten der cranio-visceralen Musculatur entfernen sich die Ganoiden und Tele- o stier nicht unbedeutend, und von einem directen Anschluss an die Selachier kann keine Rede sein. Der Grund der Verschiedenheit liegt in den gänzlich veränderten Skelet-Verhältnissen, und diese bedingen auch wieder eine scharfe Trennung der Ganoiden und Teleostier von einander. Bei letzteren hat man zu unterscheiden : 1) eine Kiefer- musculatur, 2) Muskeln an den dorsalen- und 3) an den ventralen Enden der Visceralbogen.

Der einzige Vertreter des bei Selachiern so reich entwickelten Systems der ventralen Längsmuskeln ist der Sternohyoideus.

Jede der obgenannten drei Gruppen zerfällt wieder in Unter- abtheilungen, doch kann auf die oft sehr complicirten Einzelheiten hier nicht näher eingegangen werden.

Amphibien.

Es ist a priori zu erwarten, dass die Musculatur des Vis- ceralskeletes bei kiemenathmenden Amphibien reicher ent- wickelt ist, als bei 1 u n g e n a t h m e n d e h. Dort werden wir also pri- mitiveren , an niedrigere Formen sich anschliessenden , hier dagegen modificirten resp. reducirten Verhältnissen begegnen.

Zwischen beiden Unterkieferhälften liegt als letzter Rest des Mus- culus constrictor der Fische ein in das Gebiet des dritten Trigeminus und des Facialis fallender, quergefaserter Muskel (M. mylohyoideus). Er steht als Heber des Bodens der Mundhöhle in wichtigen Beziehungen zum Athmungs- und Deglutitions- ge schält und setzt sich durch die ganze übrige Reihe der Wirbel- thiere fort bis zum Menschen hinauf (Fig. 124, 125 Mh, Mh^).

Ueber dem Mylohyoideus, d. h. dorsal von ihm, liegt wieder die mit Myocommata versehene Fortsetzung der Stammmusculatur, nämlich der Omo-, Sterno- und Geniohyoideus (Fig. 125 Be^^ Gh). Auch diese Muskeln, welche als Rück- resp. als Vorwärtszieher des Visceralskeletes fungiren, werden vom L und IL Spinalnerven versorgt.

Im Gegensatz zu den Fischen kommt es bei Amphibien zur Differenzirung einer eigentlichen Zungenmusculatur, nämlich zu einem Hyoglossus und Genioglos sus, aber auch diese sind aus dem vordersten Ende der ventralen Stammmusculatur hervorgegangen zu denken (Wiedersheim) und setzen sich von den Amphibien auf alle übrigen Wirbelthiere fort. Ihr Innervator ist der Hypoglossus resp. der I. Spinalnerv.

Was nun die Muskeln des Zungenbeines und derKiemen- bogen betrifft, so kann man sie bei Perennibranchiaten und

Wiedersheim, Grundriss der vergl. Anatomie. 2. Aufl. 9

130 Specieller Theil.

Salamauderlarveu nach Analogie der Fische in eine ventrale und dorsale G r u p p e zerfallen ; bei erwachsenen Salamandern und Anuren schwindet letztere und nur die ventrale persistirt. Es handelt sich dabei um eine He1)ung und Senkung , sowie um ein Vor- und Rückwärtsziehen der Branchialbogen. Dazu kommen noch Con- strictoren des Pharynx, sowie (bei kiemenathmenden Thieren) Levatoren, Depressoren und Adductoren der Kieraen- büschel (Fig. 124 und 125) (Innervatoren : Vagus und Glosso- p h a r y n g e u s).

Die Kiefermuskelu zerfallen in einen vom N. facialis ver- sorgten Senker (Digastricus s. Biveuter mandibulae, Fig. 124 Dg) und in mehrere in das Gebiet des III. Trigeminus fallende Heber des Unterkiefers (Masseter, Temporaiis und Pterygoideus, Fig. 124 Ma, T). Alle diese Muskeln, welche sich auf den Adductor mandibulae der Selachier und Ganoiden zurückführen lassen, nehmen ihren Ursprung vom Schädel, und zwar in der Gegend der Gehörkapsel.

Aiunioten.

Mit der Vereinfachung des Visceralskeletes ist hier auch eine be- deutende Reduction der zugehörigen Musculatur eingetreten. Selbstver- ständlich fehlen sämmtliche auf die Kiemen athmung berechneten Muskeln und die ventrale Stammmusculatur wird , wie schon oben er- wähnt, in ihrem Lauf nach vorwärts stets durch das Brustbein resp. den Schultergürtel unterbrochen. Gleichwohl aber begegnen wir auch hier am Hals und Boden der Mundhöhle den uns schon von den Am- phibien her bekannten Muskeln, also dem Mylohyoideus, Stern o-, Omo- und Geniohy oideus, sowie dem Hyoglos sus und Genio- glossus. Dazu kommt noch ein M, sterno-thyre oideus und (in dessen Verlängerung gelegen) ein M. thyreo-hy oideus.

Eine neue Erwerbung der Säuger stellen dar die vom Processus sty- 1 oideus oder vom Ligamentum stylo-hyoideum entspringenden, zahlreichen Variationen unterworfenen Mm. stylo-hyoidei, stylo- glossi und stylo-pharyngei. Sie liegen theils im Facialis-, theils im Glossopharyngeus-Gebiet und wirken als Retractoren der Zunge und Levatoren des Pharynx und Zungenbeines.

Die Kief ermuskeln sind dieselben wie bei den Amphibien, doch unterliegen sie, besonders was die Pterygoidei betrifft, einer viel schärferen Differeuzirung und durchweg einer kräftigeren Ausbil- dung. (Bei Vögeln und Reptilien kann es noch zu secundäreu Abspaltmigen kommen, wie z. B. beim M. temporalis.)

Mimische Muskeln.

Die mimische Musculatur ist zwar schon bei niedrigeren Vertebraten- Formen in Spuren nachweisbar, allein erst bei den Säuge thieren gelangt sie zu höherer Entwicklung. Vor Allem gilt dies für die Pri- maten, so dass mau sagen kann, sie hält unter der Herrschaft des N. facialis stehend gleichen Schritt mit der Entwicklung des Gehirnes, beziehungsweise des psychischen Lebens.

Kyologie.

131

Bezüglich ihrer Phylogenese gelten folgende Gesichtspunkte. Der Umstand, dass das ganze vom N. facialis versorgte Miiskelgebiet zusammengehört, lässt annehmen, dass die von dem genannten Nerv beeinflussten, zum Visceralskelet gehörigen und dem Antlitz ursprünglich fremden Muskeln Verlage- rungen eingingen. Sie müssen sich von der Unterkiefer- und Nackengegend aufwärts l)ewegt haben, wobei sie in enge Beziehungen zu- erst mit den die Ohr- und Mundöffnung umgebenden Weichtheileu, d. h. mit den ebenfalls erst secundcär entstehenden Lippen und der Ohrmuschel^), traten.

Von diesen beiden Punkten dehnten sie sich weiter aus und er- reichten neue Beziehungen zum Auge, zur Nasenöffnung, zur Stirn e und zur Schläfengegend (Fig. 126, 127). Die Scheitel-

M.orb.ocull

Morbit.aur.

MMuric.sup. , M.aum.ocdpit.

M.max. lab

M, Terato/- \

labiis ^A-'

M.orb.oris

M. auriciüo-Lahiaisup.

M.helic.

Depressorhelicä-

M.antUrag Mmidakinf

Fig. 126. Gesichtsmuskeln und -Nerven von Propithecus. Ober- flächliche Muskellage mit den Verzweigungen des Facialis. Nach Rüge. Die Namen der einzelnen Muskeln sind aus der Figur ohne Weiteres ersichtlich.

l) Die auf der hinteren (medialen) Fläche der Ohrmuschel liegenden M m. transver- sus und obliquus auriculae gehören dem System des M. auriculo-occipitalis resp. M. auricularis posterior an, während der M. tra g o- an t i t rag i cu s als Abkömmling" eines M. auriculo-labialis inferior zu betrachten ist. Die Helixmuskeln end- lich, incl. M. pyramidalis (trago-helicinus) entstammen dem System des M. auri- culo-labialis superior.

9*

132

Specieller Theil.

gegeud wurde walirsclicinlich gleichzeitig erreicht, und zwar auf einem doppelten Wege, nämlich von der Stirn- und Schläfengegend einerseits, sowie von der Occipitalregion andrerseits. Dieser Doppelweg, für wel- chen die Ohrgegend die Grenzmarke bildete, war sozusagen vorgezeich- net durch den gleich nach seinem Austritt aus dem Schädel in einen V ordere n (praeauricularen) und einen hinteren ( postauricularen) Zweig sich theilenden N. facialis. Beide Muskelgruppen hingen einst unterhall) der Ohröffnung inniger zusammen und erst weiter oben, indem sie neue Ursprünge an dem sich immer mehr dift'erenzirenden Kopfskelet gewannen d. h. zu neuen Theilen in Beziehung traten, wurden sie selbständiger. Daneben her kam es da und dort durch Aberration von Muskelportionen zu schichtenweise erfolgenden Neubildungen von Mus- keln und dadurch zu einer Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit (Rüge).

Somit stellt das Platysma myoides (M. subcutaneus colli) den Mutterboden der Gesichtsmuskeln vor; es ist der unverbrauchte Rest einer auf den Kopf fortgesetz- ten M u s c u 1 a t u r , die am Hals in indifferenter Form sich fort erhalten hat (Gegenbauk).

Der beste Beweis hiefür liegt in dem Umstand, dass das Pl'a- t y s m a des Menschen hie und da mit dem Z y g o m a t i c u s minor, dem Orbicularis oculi, dem Auricularis anterior und dem T r a n s V e r s u s nuchae direct zusammenhängt.

Es ist nun interessant, wie neben der Entstehung neuer, selb- ständiger Muskeln auch Umformungen in der Gesichtsmusculatur ein- treten, welche mit einer mehr oder weniger vollständigen Rückbil- dung von Muskeln endigen.

Im letzteren Falle treten uns dann entweder sehnige, membranöse Gebilde, d. h. Fascien, an den betreffenden Stellen entgegen, oder han-

M.levatorlabii

M.orhifo^uric. M.heUiis

M.orl. oculi \ M.auricMip /

aiirmdo\.f.

antitracf.

M.mandi:

huln-unnciil.

Fig. 127. O ber f 1 iic li 1 ic li e Gesichtsmusculatur von Lepilemur in u - stelinus; die tiefe Schicht ist am Halse erkennbar. Nach Rugk. Die Namen der ein- zelnen Muskeln sind ohne Weiteres aus der Figur ersichtlich.

Myologie. 133

delt es sich um einen totalen Schwund. So trat z. B. beim Menschen an Stelle des M. auriculo- (temporo-) labialis der Halbaffen die Fascia temporalis superficialis, an Stelle des M. sphincter colli derselben die Fascia parotideo-masseterica. Ebenso besteht ein grosser Theil der Galea aponeurotica des Menschen aus sehnig umgewandelten Bündeln des M. o c c i p i t a 1 i s (Rüge).

Bis jetzt war nur von dem Platysma myoides und seinen De- rivaten in der Gesichtssphäre die Rede; nun liegt aber bei Halbaffen im Bereich des Halses unter jenem Muskel noch ein zweites, tieferes Hautmuskel-System, nämhch der Sphincter colli. Von diesem sind folgende Gesichtsmuskeln abzuleiten : der Sphincter oris, de- pressor tarsi, caninus (levator anguli oris des Menschen), der m a X i 1 1 0 - 1 a b i a 1 i s (levator labii proprius), buccinatorius, sowie endlich die specielleu Naseumuskeln.

So sehen wir also sowohl die Derivate des Platysma myoides als die des Sphincter colli in ihren Hauptzügen um die Siunes- apparate herum gruppirt, indem sie hier als Oetfner und Schliesser oder was die Lippengegend betrifft auch als Werkzeuge zur Nahrungsaufnahme eine ausgedehnte Rolle spielen.

Mit ihrer Differenzirung geht nun eine Verästelung beziehungs- weise Plexusbildung des Facialis derart Hand in Hand, dass dieser Nerv gewissermassen ausgesponnen wird. Bezüglich der hierbei in Be- tracht kommenden Anordnung seiner Fasern vergi. das Capitel über die Hirnnerven.

Muskeln der Gliedmassen.

Wenn irgendwo, so gilt hier der Satz, dass nur unter Berücksich- tigung der Homologieen der Skelettheile, der Lagebeziehungen zu be- nachbarten W'^eichtheilen und der Nerven ^) etwas ErspriessHches auf dem Gebiet der vergleichenden Myologie geleistet werden kann.

Leider sind aber die Arbeiten auf dem Gebiete der Extremitäten- Musculatur noch nicht ausreichend, um ein umfassendes Gesammtbild zu entrollen, und wir müssen uns deshalb darauf beschränken, nur eine in ganz allgemeinen Zügen gehaltene Sldzze zu entwerfen.

In ihrer primitivsten Form , wie wir die Extremitäten-Musculatur, entsprechend den noch sehr einfachen Gliedmassen, bei Fischen und Dipnoern finden, weist Alles darauf hin, dass wir sie als ein Derivat der Parietalmuskeln betrachten dürfen, und dies fanden wir ja auch durch die Entwicklungsgeschichte der S e 1 a c h i e r bestätigt.

Bei Fischen und noch mehr bei Dipnoern lässt sie sich (und dies gilt im Allgemeinen auch für die übrigen W'irbelthiere) in zwei Ab- theilungen bringen. Die eine greift von der Seitenrumpfmusculatur, und zwar theils von der dorsalen, theils von der ventralen Hälfte auf den Schulter- und Beckengürtel über, die andere liegt im Bereich der freien Extremität. Letztere besteht bei den Fischen und Dipnoern im Wesenthchen aus Levatoren, Adductoren und Depressoreu der Flosse und diese können wieder in mehrere Schichten, in tiefe und hohe, zerfallen. Schon bei Amphibien aber werden die Verhältnisse, ent-

1) Von hohem Interesse sind die von Gadow ausführlicher behandelten Muskeln mit doppelter Innervationsquelle. Sie schicken sich gewissermassen dazu an, sich durch einen Abspaltungsprocess zu vermehren, und so muss man sie in phyletischer Be- ziehung als sehr primitive, einen niederen Zustand repräsentirende Muskeln betrachten.

134 Specieller Theil.

sprechend der Umwaudlimg der Flosse in ein G e h - 0 r g a n , d. h. in einen me h rar m igen Hebel, viel coniplicirtere. Es treten Heber, Sen- ker, Anzieher, Rückwärts-, Vorwärts-Zieher und Dreher des Schulter- und Beckengürtels auf. Dazu gesellen sich Strecker und Beuger der freien Extremitäten, und diese gliedern sich wieder in solche des Oberarmes und Obers chenkels, des Vorder- armes und Unterschenkels, der Hand, des F u s s e s , der Fin- ger und Zehen. Kurz, die Zahl der Muskeln nimmt von den Uro- delen an durch die Fieilie der Reptilien und Vögel ^) hindurch bis zu den Säugethieren beständig zu. Dabei tritt ihr Einfluss auf die Umge- staltung des Skeletes, wie vor allem auf den Gesichtsschädel, die Sca- pula, das Becken und den Tarsus deutlich hervor.

Die wichtigsten Schultermuskeln, welche wir bei höheren Formen einen immer breiteren Ursprung am Rumpfe gewinnen sehen, sind der C u c u 1 1 a r i s , der morphologisch zu ihm gehörige S t e r n o - cleido - masto ideus, die Rhomboidei und der Levator scapulae. Es handelt sich dabei um Dreher, Vor- und Rückwärts- zieher des Schulterblattes. Als Antagonisten dieser Muskeln fungiren der Serratus anticus major und der Pectoralis minor.

Am Beckengürtel, dessen Beweglichkeit derjenigen des Schul- terblattes gegenüber sehr in den Hintergrund tritt, darf man nicht ohne Weiteres auf homologe Muskelgruppen schliessen; man hat es vielmehr in vielen Punkten mit ganz andern Verhältnissen zu thun. Viel ähnlicher verhält sich die im Dienst der freien vorderen und hin- teren Extremität stehende Musculatur. Hier wie dort finden sich A u s - und Einwärtsdreher des Oberarmes wie des Oberschenkels, ferner an der medialen Seite mächtige Anzieher (Adductoren). Entspre- chend der verschiedenen Winkelstellung des Ellbogen- und Kniegelenkes liegen die Streckmuskeln der vorderen Extremität an der hinteren, die der hinteren Extremität an der vorderen Peripherie, und gerade umgekehrt Hegen die Beuger. Aus letzteren sind auch die an der Vorderextremität viel schärfer als an der hinteren individualisirten Pro- natoren hervorgegangen. Die Supinatoren nahmen ihre Entstehung aus Streckmuskeln (vergl. das Nervensystem).

Wo es sich um Kückbildungsprocesse am Skelet handelt, geben die- selben immer auch die betreffenden Muskeln an. So tritt bei S c i n k e n mit einer Verkümmerung des Gliedmassenskeletes gleichzeitig auch eine in distal-proximaler Hichtung fortschreitende Verkümmerung der zugehörigen Musculatur ein.

Diaphragma.

Die ersten Spuren einer zwischen Brust- und Bauchhöhle sich einschiebenden musculösen Scheidewand begegnen uns bei den Uro-

1) Was die Muskeln der Schulter und des Oberarmes der Vögel anbelangt, so gewäh- ren Crocodilier und Saurier undz. Th. auch Chelonier Anknüpfungspunkte. Der höhere Differenzirungsgrad beruht vor Allem auf einer ausserordentlichen Entfaltung der- jenigen Muskeln, welche vornehmlich die Hauptexcursionen des Flügels bestimmen. Auf Grund dieses Verhaltens haben sich die betrefifenden Muskeln auf benachbarte Skelettheile ausgedehnt, wodurch z. Th. sehr weitgehende Verlagerungen (Transpositionen) und Kreu- zungen dorsaler und ventraler Muskelgruppen eingetreten sind. Die ventralwärts gehende Wanderung schlägt dabei vor. In vielen Fällen reicht das Skeletsystem für den Ursprung der betreffenden Muskelbildungen nicht mehr aus, weshalb hier andere Vorrichtungen binde- gewebiger Natur (Flugmembranen) zu Hilfe genommen werden, um die ürsprungsfläche zu vergrössern. (Fürbringeb.)

Myologie. 135

delen. Hier sehen wir nämlich das vordere Ende des M. transversus abdominis sich mit einigen Ring- und Halbringfasern zwischen Pericard und Leber hineindrängen.

Bei Cheloniern und namentlich bei Crocodiliern und Vö- geln^), wo die betreuenden Muskelbündel theils von der Wirbelsäule, theils von Rippen entspringen, zeigt sich die Anlage des Zwerchfells schon viel deutlicher, allein die durch Muskelsubstauz bewirkte Ab- kammerung der Ijeiden grossen Körperhohlen ist insofern noch keine vollkommene, als das Herz bei den Vögeln z. B. noch hindurchtritt. Erst bei Säugethieren erscheint ein vollkommen abschliessendes, kuppelartiges, von der \\ irbelsäule, von den Rippen und dem Sternum entspringendes Zwerchfell, das als wichtiger Respirationsmuskel eine Verlängerung des Cavum thoracis in sagittaler Richtung erlaubt. Er erhält seine Innervation von dem aus dem Plexus cervicalis stammenden Nervus phrenicus und entsteht aus zwei Theilen, die ganz unabhängig von einander sind, einem pericardialen oder s t e r n a 1 e n und einem pleuralen oder dorsalen. Ersterer ist fibrös, entsteht phy- letisch früher und bildet das sogen. Centrum tendineum, in das die Muskeln von der Leibeswand hereinwachsen (vergl. das Pericar- d i u m). Bei dem ganzen Process der Diaphragmabildung handelt es sich also um allmähliche Al)trennung der drei ursprünglich zusammen- hängen den Räume , nämlich des Cavum abdominale, pleurale und peri cardiale.

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f. milcroskop. Anat. Bd. XXII 1883.

1) Eine erneute Bearbeitung der betreffenden Verhältnisse bei Sauropsiden wäre sehr wünsciienswerth. Vieles liegt hier noch im Unklaren.

136

Specieller Theil.

D. Elektrische Organe.

Elektrische Organe finden sich bei gewissen Fischen, und zwar am stärksten entwickelt bei einem in südlichen Meeren häufig vorkommenden Rochen (Torpedo marmorata), einem südamerikanischen Aale (Gymnotus electricus) und einem afrikanischen Welse (Malo- pterurus electricus). Gymnotus, der Zitteraal, besitzt weitaus die stärkste elektrische Kraft, an ihn reiht sich der Zitterwels und an diesen der Zitterrochen. Die elektrischen Batterien dieser drei Fische liegen an ver- schiedenen Körperstellen, so bei Torpedo in Form einer breiten, den ganzen Körper durchsetzenden Masse seitlicli am Kopf zwischen den Kiemensäcken und dem Propterygium (Fig. 128, E), ))ei Gymnotus in der ventralen Hafte des ungeheuer langen Schwanzes (Fig. 129, 130 E), also an der Stelle, wo man sonst die ventrale Hälfte des grossen Sei- tenrampfmuskels zu finden gewohnt ist.

Bei Malopterurus endlich trifi"t man die Organe fast in der ganzen Circumferenz des Leibes, wo sie zwischen Haut und Musculatur, namentlich an den Seiten stark entwickelt sind und den ganzen Fisch mantelartig umhüllen.

Fig. 128

Fig. 130.

Fig. 128. Torpedo marmorata, das elektrische Organ (E) freigelegt. S Schädel, Sp Spritzloch, KK Kiemen, Au Auge.

Fig. 129, 130. Das elektrische Organ von Gymnotus electricus. A. In seiner ganzen Ausdehnung, ß Im Querschnitt. // Aeussere Haut, M Flosse, BM, DM' dorsale, theilweise im Quer-, theilweise im Längsschnitt sichtbare dorsale Hälfte des grossen Seitenrumpfmuskels, VM , Fßl^ ebenso der ventralen Hälfte desselben. E das elektrische Organ im Querschnitt (E) und von der Seite (£"'), JVS, WS^ Wirbelsäule von der Seite mit den austretenden Spinalnerven und im Querschnitt, LH letztes Ende der Leibeshöhle, Sep sagittales, fibröses Septum, welches das elektrische Organ und die ventrale Rumpfmusculatur in zwei gleiche Hälften scheidet, A After.

Elektrische Organe. 137

Vie] schwächere Schläge ertheilen jene Fische, die man früher als „pseudoelectrische" bezeichnete, deren elektrische Kraft aber jetzt durch Experimente positiv nachgewiesen ist. Dahin gehören nach Abzug von Torpedo die übrigen Kochen, die verschiedenen Mormyrus-Arten und endlich Gymnarchus^). Bei allen diesen liegen die elektrischen Organe auf beiden Seiten des Schwanzendes, und zwar derart angeordnet, dass sich die metamere Schichtung der weiter nach vorne liegenden Mus- kelsegmente direct auf sie fortsetzt, wodurch z. B. bei den Mormyriden jederseits eine obere und eine untere Reihe von elektrischen Organen existirt.

Die elektrischen Apparate aller genannten Fische fallen in gene- tischer wie anatomischer Beziehung unter einen einheitlichen Gesichts- punkt. Alle sind als umgewandelte Muskelfasern und die dazu gehörigen Nerven als Homologa der motorischen Endplatten, wie wir sie sonst bei den Muskeln zu finden gewohnt sind, aufzufassen. Damit ist auch ihre Einreihung in das Capitel über das Muskelsystem hinlänglich motivirt^).]

Was den feineren Bau der elektrischen Organe anbelangt, so begegnen wir im Wesentlichen überall denselben Einrichtungen. Das Gerüste wird gebildet aus fibrösem Gewebe, welches theils in der Längs-, theils in der Queraxe des Organs verlaufend zu einem Fachwerk angeordnet ist, an dem wir Tausende von polygonalen oder auch mehr abgerundeten Kammern oder Kästchen unterscheiden. Indem sich letztere, sei es in der Längsaxe des Körpers (Gyranotus, Pig. 131. Eiek-

Malopterurus) oder in dorso-ventraler Pachtung trische Säuien (Torpedo) an einander reihen, entstehen förmliche ^m°ar JoVa^ta*^^ prismatische Säulen, wie dies aus Fig. 131 zu er- »(Haibschematisch.) sehen ist.

In dem zwischen den Kästchen resp. Säulen liegenden Bindegewebe verlaufen zahlreiche Gefässe und Nerven, welch letztere in ausseror- dentlich dicke Scheiden eingeschlossen sind und je nach der Art des Fisches den allerverschiedensten Ursprung haben. So entspringen sie bei Torpedo aus dem in der Gegend des Nachhirns liegenden Lobus electricus, nur ein Ast kommt aus dem T r i g e m i n u s ; bei sämmt- lichen pseudo-elektrischen Fischen, ebenso auch bei Gymnotus, wo über 200 Nerven zum elektrischen Organ treten, stammen sie vom Rückenmark und höchst wahrscheinlich stehen sie zu den, bei letzterem Fisch besonders stark entwickelten Vorderhörnern des Rückenmarks in nächster Beziehung. Sehr merkwürdig ist, dass die elektrischen Nerven des Zitterwelses jederseits von einer monströsen, in der Nähe des zweiten Cervicalnerven gelegenen Ganglienzelle entspringen, die sich bis gegen das Schwanzende des Thieres in eine enorme, immerwährend sich theilende Nerven-Primitivfaser fortsetzt. Letztere ist von einer dicken Scheide umgeben.

1) Nach G. Fritsch stehen die elektrischen Organe des G y m n ar chu s histologisch noch niedriger, als die des Genus Raja, und sind sie wahrscheinlich keiner willkürlichen Ent- ladungen fähig ; ja vielleicht handelt es sich nur um W^undernetze und um gar keine elektrischen Organe.

2) Dieser Auifassung steht eine andere von G. Fbitsch schroff gegenüber. Danach würden die elektrischen Organe von Malopterurus nicht aus Mu.skelgewebe , sondern aus umgewandelten Drüsen elementen hervorgehen.

138

Specieller Theil.

Erkundigen wir uns nun nach dem feineren histologischen Verhal- ten der peripheren Nervenenden, so werden wir dadurch zugleich auch auf die Definition jener Gebilde geführt, die man als elektrische oder als End -Platten zu bezeichnen pflegt.

Ich kann summarisch verfahren, indem alle elektrischen Fische l)rincipiell hierin miteinander übereinstimmen.

Nachdem der im Kästchenseptum verlaufende Nerv unter immer zu- nehmender Verjüngung seine dicke Nervenscheide nach und nach ver- loren und er allmählich aufgehört hat doppelt contourirt zu sein, schwillt er plötzlich keulenförmig an und zerfällt darauf in eine Unzahl von Pi:imitivfasern, die sich baumartig feiner und feiner verästeln, ohne je- doch unter einander geschlossene Maschen zu bilden, so dass man von keinem eigentlichen Nervennetz sprechen kann. Bei Torpedo erfolgt die letzte Nervenausbreitung an der ventralen Seite jenes Gebildes, das man als elektrische Platte bezeichnet (Fig. 132 EP), bei Gymnotus dagegen auf dessen hinterer, dem Schwanz zugekehrten Fläche. Bei Malopterurus endlich tritt der Nerv, wie bei Gymnotus, auch von hinten an die elektrische Platte heran , macht an ihr aber nicht Halt, sondern perforirt sie, um sich auf ihrer vorderen , dem Kopf zu- gekehrten Fläche zu verbreiten ^). Man muss diese Differenz wegen der später zu besprechenden Richtung der elektrischen Schläge wohl im Auge behalten.

Die elektrische Platte stellt eine homogene, in frischem Zu- stand transparente Scheibe dar, die von einer besonderen Membran um- geben ist und in deren Innerem sich sternartige Zellen mit langen Fort- sätzen finden. Ihre beiden Flächen (Fig. 132 EP) zeigen unregelmässige Erhabenheiten , die durch seichtere oder tiefere Einschnitte von einan- der getrennt sind und so dem Ganzen ein gelapptes Aussehen verleihen. Indem nun diese Scheibe, die wir, wie oben schon erwähnt, als um- gewandelte Muskelsubstanz aufzufassen haben, mit der anliegenden Nervenplatte untrennbar fest verwachsen ist, so geht daraus hervor, dass die elektrische Platte nicht, wie man früher glaubte, ein ein- heitliches Gebilde darstellt, sondern aus zweierlei Gewebselementen hervorgegangen zu denken ist. Das Kästchen wird durch sie nicht ganz ausgefüllt, sondern stets bleibt an ihrer oberen (T o r p e d o) resp. vordem (Gymnotus, Malopterurus) Fläche und der nächsten Kästchenwand ein Raum übrig, der von Gallertgewebe, oder da und dort auch nur von Flüssig- keit erfüllt ist (Fig. 132 G). Die Seite

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Fig. 132. Schnitt durch die elektrischen Kästchen. Starke Vergrösserung, halbschematisch. BG Bindegewebiges Gerüste (Kästchenwände), EP elektrische Platten, N Nerv im Begriff, in die Septa der Kästchen einzutreten , KN lezte Endfasern des einge- tretenen Nerven an der hinteren , beziehungsweise unteren Fläche je eines Kästchens, G Gallertgewebe, der Pfeil zeigt die Richtung gegen den Kopf, resp. gegen die Dorsalseite des Thieres an.

1) Babüchin , der Malopterurus in frischem Zustande zu untersuchen Gelegenheit hatte, bestreitet die Durchbohrung der Platte durch den Nerv aufs Entschiedenste; ob mit Recht, müssen neuere Untersuchungen lehren.

Elektrische Organe, 139

der elektrischen Platte, an welcher sich die Nerven-Endausbreitung findet, ist im Moment des Schlages elektro negativ, die entgegen- gesetzte elektro positiv, und es ist deshalb bei der entgegengesetzten Anordnung der Theile bei Gymnotus und M a 1 o p t e r u r u s erklär- lich, dass der elektrische Schlag bei diesen Fischen nicht in derselben, sondern in verschiedenen Richtungen erfolgen muss ; so bei M a 1 o - p t e r u r u s vom Kopf gegen den Schwanz , bei Gymnotus aber in umgekehrter Pachtung. Bei Torpedo geht der Schlag von unten nach oben.

Experimente haben gelehrt, dass alle elektrischen Fische gegen elektrische Ströme immun sind ; doch hat dies seine Beschränkung, in- dem frei präparirte Muskeln und Muskelnerven , sowie die elektrischen Nerven sell)st durch den Strom erregbar sind. „Die höchste und letzte Frage in Betreff der Zitterfische ist natürlich die nach dem Mechanis- mus, wodurch die elektrischen Platten vorübergehend in Spannung ge- rathen. Die Beantwortung dieser Frage, (»l)Schon vermuthlich nicht so schwierig, wie die der Frage nach dem Mechanismus der Muskelver- kürzung, ist doch noch im weiten Felde." (du Bois-Reymond.) Das Einzige, was man mit Sicherheit behaupten kann, ist das, dass sie unter dem Einfluss des Willens elektromotorisch werden.

Literatur.

Babuchin. Uebers. der neueren Untersuchungen über EntvicMung etc. der eleJctrischen tind

pseudoelehtrischen Organe. Arch. f. Anat. und Physiol. 1876. E. du Bois-Beymond. Gesammelte Abhandlungen zur allg. Muskel- und Ntrvenphysik. Bd. 11. A. Ecker. Entwicht, der Nerven des elehtr. Organs von Torpedo Galv. Zeitschr. f. v-iss.

Zool. Bd. I. 1848. Derselbe. Unters, zur Ichthyologie. J^reiburg 1857. G. Fritsch. Die elektr. Fische. Nach neuen Untersuchungen anatomisch-zoologisch dargestellt.

Abth. I. Malopterurus electricus. Leipzig 1887. [Siehe mich die andern Schriften

dieses Autors in den Sitz. -Berichten der Berliner Academie der letzten 5 JaJire.) C, Sachs. Beobachtungen, und Versuche am sii damer ihanischen Zitteraale {Gymnotn,s electricus).

In Briefen an den Herausgeber (du Bois-Ileymond) und mit Vorbemerhungen des letzteren.

Arch. f. Anat. und Physiol. 1877.

E. Nervensystem.

Dem aus dem Ektoderm („Sinnesblatt") stammenden und durch seine frühe Anlage schon auf seine hohe Bedeutung hinweisenden Nervensystem hegen dreierlei Bauelemente zu Grunde, erstens Craii- glienzellen, zweitens doppel tc ontou rirte und blasse Fasern, drittens das als Scheide resp. als Kittsubstanz fungirende Neurilemm und die Neuroglia ^ ). Dazu treten endlich noch m eso dermale (bin- de w e b i g e) Hüllmassen .

1) Letztere, welche sich sowohl an der äusseren Fläche als auch an den das centrale Lumen begrenzenden Flächen des Centralnervensystemes in besonders starker Ausprägung findet, kann geformt (Zellen mit Ausläufern) oder ungeformt sein und bildet durch ihr netziges Gefüge eine Art von Grundsubstanz , in welche die nervösen Elemente wie in einen Rahmen eingelassen sind (Neuro- oder Myelospongium). Die Neuroglia- oder Glia- zellen können verhornen (,,Ho r n s p on gi o s a"), und dies ist in Anbetracht ihrer Abkunft aus ektodermalem Gewebe leicht begreiflich.

140

Specieller Theil.

Das Nervensystem zerfällt in folgende drei Hauptab- schnitte, das centrale, das periphere und sympathi- sche System. Das erstere, unter welchem wir das Ge- hirn und Rückenmarli; be- greifen, entsteht direct aus dem Ektoderra, während die peripheren Nerven mit ihren Ganglien sich erst s e - c u n d ä r anlegen. Der Zeit nach als drittes entsteht das sympathische Nerven- system, und zwar in eng- stem Connex mit dem peri- pheren, doch kann erst später näher darauf eingegangen werden.

Fig. 133. Das gesammte Nervensystem des Fro- sches nach A.Ecker. ITe Gross- hirnhemisphären (Vorderhirn). Lob Lobi optici (Mittelhirn), Lc Tractus opticus, ü/ Rückenmark, iü/i J/'o Rückenmarksnerven, welche bei SM schlingenartige Verbindungen mit den Ganglien (Ä' S**) des Sympathicus S eingehen, No Nervus obturatorius, Ni Nervus ischiadicus , / X erstes bis zehntes Hirnnervenpaar (die Na- men sind aus dem Text zu entneh- men), G Ganglion N. vagi, Vg Gang- lion Gasseri , o Bulbus oculi , N Nasensack, Va Fe die verschiede- nen Aeste des Trigeminus, F'i^. fa- cialis, Vs Verbindung des Sympas thicus mit dem Ganglion Gasseri, XI X^ die verschiedeneu Aeste des Vagus. Einzelne Fasern des Sym- pathicus sollten den Vagus in periphe- rer Richtung begleiten.

I. Das centrale Nervensystem.

Das centrale Nervensystem erscheint in seiner ersten Anlage als eine dorsal von der Rückenseite, in der Köri)erlängsaxe gelagerte Rinne, die man als Mediillar-Rinne bezeichnet. Von der Hautoberfläche her sich einsenkend, l)estcht sie wie diese ursprünglich nur aus isolirten, epi- thelialen Zellen; erst später, nachdem sich die Rinne, mit ihi'en Rändern dorsalwärts verwachsend, zur Medullar-Röhre geschlossen hat, kumnit es zur Au-sbildung von Fasern und dadurch zur physio-

Nervensystem.

141

logischen Leitung in ccut ripet aler (sensible Bahnen) undcen- trifugaler (motorische Bahnen) Richtung.

Frühe schon lilsst sich der vordere, kopfwärts schauende Abschnitt des Medullar-Rohres durch seine stärkere Ausdehnung als Gehirnan- läge, der hintere, ungleich längere und schlankere Abschnitt, der an- fangs mit dem Schwanzdarm durch den Ductus neuroentericus in offener Verbindung steht, als späteres Rückenmark unterscheiden ^ )• Beide entstehen also aus einer und derselben einheitlichen Grund anläge und schliessen einen C anal ein, den man im Rücken- mark als Canalis centralis, im Gehirn als Ventrikelraum bezeichnet. Anfangs sehr weit, erfahren beide, zumal der erstere, eine um so grössere Beschränkung, je mehr sich die Wandungen verdicken.

Bei zahlreichen Wirbelthieren (Tel eo s ti er , Salamaudra atra, Lacerta, Hühnchen, vielen Säugern z. B. Maus, Hund, Rind, Schaf, Mensch) existirt in embryonaler Zeit eine t heilweise Seg- mentation der Medullar-Röhre ; allein, da letztere, worauf ich schon in den allgemeinen Betrachtungen über die Stammesgeschichte der Vertebraten auf- merksam gemacht habe, ihrer ursprünglichen Anlage nach ein durch- aus einheitliches Gebilde darstellt, so handelt es sich bei jener Glie- derung, so gut wie bei der Gliederung der Wirbelsäule, nur um eine secun- däre Erscheinung und um keine primäre Metamer! e.

1) Das Rückenmark (Medulla spinalis).

Während das Rückenmark anfangs von gleichmässiger Dicke ist, treten an ihm bei fortschreitender Entwicklung in der Regel an ganz bestimmten Regionen Anschwellungen auf. Dies gilt für die Arm- und Lenden ge- gend, d. h. für jene Stellen, wo es sich um Aussendung stärkerer, für die Gliedraassen bestimmter Nerven handelt.

Ursprünglich in gleicher Länge, wie das Wirbelrohr sich anlegend (Fig. 134 A), bleibt das Rückenmark später häufig im Wachsthum hinter jenem zurück und erscheint dann wesent- lich kürzer. In diesem Falle (Primaten, Chiropteren, In s e c tivo ren, anure Batrachier) strahlt es an seinem Ende in ein Nervenbüschel, die sogen. Gau da equi- na"'^) (Fig. 134 JB), auseinander; diese liegt noch innerhalb des Wirbelkanales und lässt die Sacralnerven aus sich hervorgehen. Gleich- wohl erstreckt sich auch unter solchen Ver-

Fig. 134. Schema ti sehe Darstellung desRückenmarkes mit den aus- tretenden Nerven. A. Ein solches, welches bis zur Scliwanzspitze geht, ß Ein anderes, welches weit nach vorne von letzterer schon aufhört und nur das Filum termi- nale I.t. nach hinten entsendet. 3Io Medulla oblongata, Pc Plexus cervicalis, Pb PI. bra- chialis, Pth Nervi thoracic! , PI PI lumbo-saeralis, Ce Cauda equina.

1) Bei Cyclostomen, Teleostiern und Knochenganoiden handelt es sich um eine compacte Anlage des Centralnervensystems und um eine erst secundär erfolgende Höhlung desselben. Wenn auch darin kein principieller Unterschied ;^_zu sehen ist, so ist die Thatsache doch sehr bemerkenswerth.

2) Bei Vögel n kann man von keiner Cauda equina sprechen, da die austretenden

142 Specieller Theil.

hältnissen noch eine axiale Verlängerung der MeduUa weit nach hinten, allein dieselbe ist auf einen dünnen, fadenartigen Anhang reducirt (Filuni terminale).

Der bilateral-symmetrische Bau des Rückenmarkes spricht sich in einer au seiner Dorsal- und Ventralseite verlaufenden Längs- furche aus, und denkt man sich die Austrittsstellen der dorsalen (sen- siblen) und der ventralen (motorischen) Nervenwurzeln je untereinander durch eine Längslinie verbunden, so lässt sich jede Rückenmarkshälfte in drei Stränge, nämhch in untere (ventrale), seitliche (laterale) und obere (dorsale) zerfallen. Die menschliche Anatomie gebraucht hiefür die Bezeichnungen Vorder-, Seiten- und Hin ter stränge.

Was den feineren Bau betrifft, so lassen sich im Rückenmark stets zwei Substanzen, eine nur aus Fasern bestehende weisse und eine vor- zugsweise aus raultipolaren Ganglienzellen zusammengesetzte graue unterscheiden. Beide zeigen in ihren gegenseitigen Lagebeziehungen bei verschiedenen Thiergruppen, wie auch nach verschiedenen Regionen des Rückenmarkes, ein sehr wechselndes Verhalten, doch nimmt die weisse Substanz in der Regel eine mehr periphere, die graue dagegen eine mehr centrale Lage ein.

Die Häute des Rückenmarkes werden später behandelt werden.

2. Das Gehirn (Cerebrum).

An jener vorderen Partie des Neuralrohrs, welche schon sehr frühe eine grössere Dicke gewinnt, machen sich gleichzeitig drei Auftreibungen bemerklich, die mau als primitives Vorder-, Mittel- und Hiiiterliiru- bläsclieii bezeichnet (Fig. 135 G, I, II, III). Der Binneuraum dieser unter sich (morphologisch) gleichwertigen Bläschen entspricht, wie oben schon erwähnt, den späteren Ventrikeln und steht mit dem Cen- tralcaual des Rückenmarkes in directer Verbindung.

Indem sich nun später das pri- mitive Vorderhirn und Hinterhirn ^^_________^__^ iu je zwei Bläschen diöerenziren,

"^^j kommt es zur Fünf zahl. Von ^ vorne nach hinten gezählt, heissen

Fig. 135. Embryonalanlage des uuu die einzelnen Abschuitte secun-

centralen Nervensystems (Schema) därCS Vordcrlliril odcr (xrOSSllim, G Gehirn mit seinen drei primitiven Blas- /wisollPll- Miffpl- SPCllluläreS eben (/, //, IIT) R Rückenmark. ^WlStUeil , MlUei- , hetUIlUdlCS

Hinter- und Naciiiiirii^) [Prosence- phalou, Thalamencephalon, Mesence- phalon, Metencephalon, Myeleucephalon (Huxley)]. Das Mittelhirn wird auch als Vierhüge Iregion (ein der meuschl. Anatomie entlehnter Ausdruck), das Hinterhirn als Kleinhirn und das Nachhirn als ver- längertes Mark (Medulla oblongata) bezeichnet. Letzteres kommt sehr frühe zur Ausbildung.

Nerven den Canal sofort verlassen. Im Bereich der Lendenanschwellung weichen die später zu erwähnenden Hinterstränge weit auseinander, wodurch ein Sinus rhomboi- dalis sacralis erzeugt wird. Ein Filum terminale fehlt ganz oder ist doch nur in sehr beschränktem Masse vorhanden.

1) Es liegt auf der Hand, dass das secundäre Vorder- und Hinterhirn- b 1 ä s c h e n unter einen andern morphologischen Gesichtspunkt fällt, als die gleichnamigen primären Bläschen und das Mittelhirnbläschen. Es handelt sich also um keine homo- dyuamen Verhältnisse.

Nervensystem. 143

Aus dem secuDdiiren Vorderhirn, welches bald iu zwei Halb- kugeln (Hemisphären) zerfällt, gehen die Riechlappen hervor, und diese stelle ich gleich in den Vordergrund, weil sich das secundäre Vorderhiru iu phylogenetischer Beziehung sehr wahrscheinlich in engstem Anschluss an das Riechorgan gebildet hat.

Indem sich die basale Bläschenwand dieses Hirntheils zu einem mächtigen, ins Ventrikellumen einspringenden Stammganglion ver- dickt, kann man letzteres dem übrigen Theil des Bläschens, welcher als Mantelzone (Pallium) bezeichnet wird, gegenüberstellen (Fig. 130 VE, Olf, Cs).

Letztgenannter Hirntheil ist dazu berufen, in der Thierreihe die grösste Rolle zu spielen, denn von einer geringeren oder grösseren Ent- faltung und histologischen Ditferenzirung seiner Rindenzone („Rin- dengrau"), beziehungsweise von dem Auftreten gewisser, damit iu engster Verbindung stehender Leitungsbahnen, hängt die niedrigere oder hiihere geistige Stufe des Individuums ab.

Dem entsprechend werden wir das secundäre Vorderhirn bei Säu- gern und vor Allem beim Menschen in höchster Ausbildung treffen, dabei ist aber zu bemerken, dass man entgegen der gewöhnlichen

TE z zimc 3IK s-i) jiK nr

Fig. 136. Sagittalschnitt durch Schädel und Hirn eines (idealen) Wirbelt hierembryos. Zum Theil nach Huxlet. Bc Basis cranii, C7i Chorda dorsa- lis. SD Schädeldecke, NH ' Nasenhöhle, VH secundäres Vorderhirn, basalwärts mit dem Corpus striatum [Cs), nach vorne mit dem ausgestülpten Lobus olfactorius (Olf), ZU Zwi- schenhirn (primäres Vorderhirn), welches sich dorsalwärts zur Zirbel {Z) und basalwärts zum Infundibulum (7) sammt Hypophyse {M) ausgezogen hat. Nach vorne hat sich der Sehnerv {Opt) und in der Seitenwand der Sehhügel (Tho) angelegt. HC hintere Commis- sur, MH Mittelhirn, HH Hinterhirn, NH Nachhirn, Cc Canalis centralis.

Annahme nicht bei allen Vertebraten von jener grauen Rindenschicht sprechen kann. Letztere kommt also nicht noth wendig dem secundären Vorderhirn zu, sondern erst ganz allmählich und verhältnissmässig spät in der Thierreihe vereinigen sich die Nervenzellen im Mantel zu einer solchen Schicht. Eine ununterbrochene Entwicklungsreihe von den nie- dersten Formen bis zu den höchsten ist nicht vorhanden. Grosse Lücken bestehen zwischen den Fischen und den Amphibie n, sowie zwischen diesen und den Reptilien. (Edinger.)

Auch wenn die Hirnrinde mit den aus ihren Zellen auswachsenden Axencylinderfortsätzen einmal im Sinne der höheren Vertebraten gebildet ist, so überzieht sie noch nicht das ganze Gehirn, wie denn auch bei dem hochstehenden Gehirn der Primaten noch rindenlose Stellen (Septum p e llucidum) vorkommen. Bei Cyclostomen, Teleostiern und den Ganoiden besteht der Mantel aus einer einfachen Epithel- schicht, ist also physiologisch latent, bei allen übrigen Verte- braten wird er durch Nervengewebe dargestellt, doch bleibt auch hier sein

144 Specieller Theil.

hinterstes , an das Vorderende des Zwischenhirus anstossendes Gebiet ein- fach epithelial und wird mit dem Plexus chorioideus durch die Ge- fässe der Pia mater in den Hohlraum des Vorderhirnes eingestülpt.

Zwischen dcu beiden Hemisphären des seciindären A^orderhirns existiren gewisse Verbindungssysteme, die man als Commissuren, Balken (Trabs s. Corpus callosum) und als (xewölbe (Foriiix) bezeichnet. Von den ersteren, welche wesentlich Basalt heile mit- einander verbinden, unterscheidet man drei, nämlich eine vordere, mittlere und hintere. Von diesen gehört aber nur die C. anterior dem secundären Vorderhirn an, die 1)eiden andern liegen im Bereich des Zwischen- und Mittelhirns.

Wenn auch vom Balken und Gewölbe schon bei niederen Ver- tebraten Andeutungen zu beol)achteu sind, so gelangen beide doch erst in der Pteihe der M a m m a 1 i a , und auch hier erst bei den höheren Formen, zu ihrer vollen Entwicklung.

Bei allen unterhalb der Säugethiere stehenden Vertebraten er- scheint die Aussenfiäche der Hemisphären mehr oder weniger glatt, erst bei den M a m m a 1 i a treten Furchen (F i s s u r a e , S u 1 c i) und Windungen (Gjri) auf. Die Folge davon ist eine Faltung der ge- sammten Mautelzone und daraus resultirt eine 0 b e r f 1 ä c h e n v e r - grösserung des Rindeugraus.

Ich wende mich nun zur Betrachtung des Zwischenhirns.

Aus diesem, welches nach vorne durch die sogenannte Lamina terminalis abgeschlossen wiixl, gehen folgende Gebilde hervor: durch Verdickung der Seitenwäude die Thalami optici oder Sehhügel, durch eine basalwärts erfolgende, paarige Ausstülpung die primären Augen- Masen, beziehungsweise die Netzhaut des Auges und die Seh- nerven. Endlich entsteht aus dem schlauchförmig auswachsenden Dach die Zirbeldrüse (Epiphysis cerebri s. Grlandnla pinealis) und durch eine Aussackung des Bodens der Trichter (Infundibulum) sowie ein Theil des Hirnanhanges (Hypophysis cerebri).

Um auf die Epi- und Hypophyse etwas näher einzugehen, so han- delt es sich bei der ersteren ursprünglich um ein unpaa res Sehorgan, welches durch die Anordnung seiner Ketinal-Elemeute, beziehungsweise durch die Lageverhältnisse des zutretenden Nerven zur Eetina au dasjenige gewis- ser wirbelloser Thiere erinnert (Parietal- oder Pinealauge). Dasselbe ist mit Ausnahme gewisser Saurier und z. gr. Th. auch schon bei letzteren in Rückbildung begriffen, und wie sich in dieser Beziehung die verschie- denen Wirbelthier-Abtheilungen verhalten, ersieht man aus Fig. 13 7^). Ursprünglich lag das Parietalauge bei allen Vertebraten auf der freien Schädeloberfläche im Niveau der äusseren Haut oder dicht darunter und stand durch das Forameu parietale, wie ein solches noch viele heu- tige Saurier (vergl. den Schädel) charakterisirt, mit seinem Mutterbodeu, dem Zwischenhirn, in Verbindung. Dieses Verhalten persistirt auch heute noch bei gewissen Sauriern (vergl. diese), während bei Selachieru, Ganoiden (aller), bei ungeschwänzten B atrachi ern schon in em- bryonaler Zeit eine Abschuürung des Organs durch die einwachsenden Schä- deldecken erfolgt. Wieder in andern Fällen (viele Fische, alle Uro-

1) Auf der Figur habe ich auch das Sehorgan der Tunicaten abgebildet, ohne je- doch damit meine Uebereinstimmung mit B. Spencer, was die Phylogenese des Organs be- trifft, bekunden zu wollen.

Nervensystem.

145

Fig. 137. Schematische Darstellung des Pariet a I a uge s in den ver- schiedenen Thierklassen. Nach W. B. Spencer.

^Embr. Tunicaten. (Verhalten des Parietalauges bei Urchordaten ?) JB Larve von Bufocinereus. C Späteres Entwicklungsstadium von Bufo cinereus. D An- lage des Parietalauges beiden Embryonen aller höheren Vertebraten. iJCyclodus und Sei ach i er. jP Frühes Stadium des P. A. bei Anuren, L a - certiliern und Vögeln. Bleibend bei Chamaeleo. G Lacertilier, Labyrin- thodonten (S t ego c ep h al e n ), Vorfahren der Sauropsiden. ITViele La- certilier (Calotes, Seps, Leiodera etc.) tTErwachsene Anuren JSI Gewisse Lacertilier (Ceratophora). L Erwachsene Vögel. M"Erwachsene Säuger.

Die schraffirten Theile bedeuten die Schädeldecken; die darüber liegende helle Schicht die Haut.

Wi ed er sheim, Gnmdiiss der vergl. .\n.itomie. 2. Aufl.

10

146 Specieller Theil.

delcu, viele Reptilien, alle Vögel uud Säuger) handelt es sich auch in embryonaler Zeit um keine Beiheiligung des Integumentes d. h. um keine üeberschreituug des Schädelraumes mehr, und damit ist die letzte Etappe der Kückbildung erreicht.

Bezüglich der feineren Structurverhältnisse des Parietalauges verweise ich auf das Gehirn der Reptilien. Es würde schwer zu entscheiden sein , ob das paarige oder das unpaare Auge der Wirbelthiere phyletisch älter ist. Die Ontogenie spricht bei Reptilien für den ersteren Fall, insofern bei Lacerta die paarigen Augenblaseu bereits ziemlich weit in ihrer Entwicklung vorgeschritten sind, während die Epiphysenausstülpung eben erst sichtbar wird.

Was nun die Hypophyse anbelangt, so besteht sie aus zwei Lappen, einem hinteren, nervösen und einem vorderen, drüsigen. Ersterer gehört, wie oben schon erwähnt , zum Zwischenhiru, und wenn man seine, ganz nach Art der Epiphysen- und Augenblasen-Ausstülpuug erfolgende Anlage erwägt, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass es sich auch hier ursprünglich um ein Sinnesorgan gehandelt haben muss. Zu beweisen ist dies allerdings vorderhand nicht, aber die Aeusserung jenes Gedankens scheint mir nichtsdestoweniger erlaubt.

Der zweite vordere Abschnitt des Hirnanbanges entsteht durch eine allmähliche Abschnürung aus dem Epithel der primären Mundbucht und bildet sich später in ein drüsenartiges Organ um, das offenbar mit einer secretori- schen Function (Abscheidung von Ventrikelflüssigkeit?) betraut ist*).

Das bis jetzt betrachtete primäre uud das secundäre Vorderhini liegt in dem praechordalen Schädelabschuitt ; bei seiner Phylogenese spielten Wühl zwei Sinnesorgane, nämlich das Seh- und Riechorgan, die Hauptrolle.

Die weiter nach hinten liegenden Hirnbläschen fallen in den Bereich des chordalen Schädelabschnittes ; sie zeigen ein um so spinalartigeres Verhalten, je weiter sie nach hinten liegen. Abgesehen vom secuiidären Hinterhirii oder Kleinhirn, ^Yelches sich bei höheren Typen in zwei Seitentheile (Hemisphären) und einen diese ver- bindenden mittleren unpaaren Abschnitt, den sogenannten Wurm, diffe- renzirt, unterliegen jene keinem so starken Umbildungsprocess, als die zwei vordersten Hirnbläschen. Es sei deshalb nur noch darauf hin- gewiesen, dass aus dem Mittelliirnbläschen die oben schon genannte Vierliügel-Region mit den basalwärts daran sich schliessenden Gross- hirnschenkeln (Crura cerebri) entsteht, und dass das Dach des Nachhirns, d. h. der Medulla oblongata, eine Rückbildung erleidet, während sich der Boden stark verdickt uud weiter nach vorne im Be- reich des secundären Hinterhirns die sogenannte Brüclke bildet. Bem erk enswerth ist, dass im Bereich des Nachhirns die Ursprünge der meisten Hirn nerven liegen, ein Umstand, der für die hohe physiologische Bedeutung jenes Hirntheiles schwer genug in die Wagschale fällt.

Bei der weiteren Entwicklung des Gehirns spielen sich nun noch folgende wichtige Vorgänge ab.

Die Wände der Hirnbläschen verdicken sich mehr und mehr, so dass der zu den Ventrikeln sich umgestaltende Binnenraum eine immer grössere Beschränkung erfährt. ' Stets kann man ein in der Längsaxe des Gehirns liegendes, uu-

1) Je weiter man in der Wirbelthier-lleihe beiabsteigt, um so grösser fiudet mau die Hypo- physe. Dies gilt z. B. in erster Linie für die S e 1 a c li i e r , G a n o i d e n und D i p n o e r.

Nervensystem.

147

n^

paares, sowie ein paariges Ventrikelsystem unterscheiden. Letzteres (Fig. 138 SV) liegt in den Hemisphären des Vorderhirns, ist unter dem Namen der Seitenventrikel (Ventriculus 1 und 77) bekannt und communicirt jederseits durch eine Oeffnung, das Foramen Monroi {FM), mit dem unpaaren Ventrikelsystem. Dieses paarige Höhlensystem ist nicht als directe Fortsetzung des ursprünglichen Me- dullar-Lumens aufzufassen, sondern als dorsale Abzweigung einer Höhle, die den vordersten Abschnitt des Canales darstellt. Letztere Höhle findet ihren Abschluss in der Gegend, welche basalwärts durch das Chiasma N. opticorum bestimmt wird. Das unpaare Ventrikelsystem ^) besteht aus dem dritten, dem vierten und aus dem fünften Ventrikel sowie aus der sogenannten Wasserleitung (Aquaeductus Sylvii)^). Ueber die genaueren Details, wie namentlich über die Lagebeziehungen der einzelnen Ventrikel zu den verschiedenen Hirntheileu vergl. die Fig. 138. Im engsten Anschluss an die Entstehung des Balkens und des Gewölbes (Septum pellucidum) tritt zu den genannten Ventrikeln bei Säugern noch der soeben erwähnte fünfte hinzu. Er ist somit den übrigen nicht gleichwerthig , sondern fällt unter einen ganz anderen morphologischen Gesichtspunkt.

Fig. 138. Schema der Ventrikel des Wirbel- thierhirnes. VH Secundäres Vorderhirn (Grosshirn-Hemi- sphären) mit den Seitenventrikeln (erster und zweiter Ventrikel) ÄF, ZH Zwischenhirn mit dem dritten Ventrikel {Hl)-, in seiner Vorwärtsverlängerung liegt bei Säugethieren das paarige Septum pellucidum, welches den fünften Ventrikel einschliesst. Dieser ist auf der Figur nicht eingezeichnet. Durch eine enge Oeffnung (Foramen Monroi) stehen die Seitenventrikel mit dem III. Ventrikel in Communication {FM). MH Mittelhirn, welches den Verbindungscanal (Aquaeductus Sylvii) zwischen dem III. und IV. Ventrikel einschliesst {Aq), HH Hinterhirn, {NE) Nach- hirn mit dem IV. Ventrikel {IV), Cc Canalis centralis des Rücken- marks {B).

Fig. 139. Hirnbeuge eines Säugethiers. VII Vorderhirn, ZH Zwischenhirn mit der basalwärts liegenden Hypophyse H, MH Mittelhirn , welches bei SB den höchst liegenden Theil des gesammten Hirnrohres, die sog. ,, Scheitel- beuge", repräsentirt. HH Hinterhirn, NH Nachhirn, bei NB die ,, Nackenbeuge" bildend. An der vordem Circumferenz des Ueberganges von HH in NH entsteht die ,, Brückenbeuge". R Rückenmark. Fig. 139.

Lagen nun anfangs alle fünf Hirubläschen in einer Horizontalen, so tritt jetzt im Lauf der Entwicklung die sogen. Hirnbeuge auf, d. h. die Bläschen beschreiben mit ihrer Axe einen ventralwärts offenen Bogen, so dass das Mittelhirn in einer gewissen Periode die höchste Kuppe desselben darstellt (Fig. 139). Mau nennt dies die Scheitel- beuge {SB) und stellt ihr zwei weitere, namentlich bei Säugern deut- liche Beugestellen als Brücken- und Nackenbeuge gegenüber {BB, NB). Dabei spielt sowohl das Schädelwachsthum als auch die

1) Auch der dritte Ventrikel kann übrigens, durch Bildung seitlicher Aussackungen, einen paarigen Charakter erhalten.

2) Darunter versteht man einen Verbindungscanal zwischen dem dritten und vierteu Ventrikel (Fig. 138, Aq).

10*

148 Specieller Theil.

rasch zunehmende Längenausdehuuug des Gehirnes eine grosse Rolle. Es handelt sich theils um eine Art von Umkippen des Hirurohres, theils wird dasselbe von hinten und vorne her zusammengeschoben und mannigfach gekrümmt.

Während nun diese Krümmungen bei Fischen und Amphibien später wieder so gut wie ganz ausgeglichen werden, persistiren sie mehr oder weniger stark bei höhereu Typen, wie vor Allem bei den Säugern. Hier werden die ursprünglichen Verhältnisse namentlich auch dadurch noch complicirt, dass die Hemisphären des secuudären Vor- derhirues, eiue gewaltige Ausdehnung gewinnend, nach hinten wachsen und so sämmtliche übrigen Hirntheile allmählich überlagern, Dieser Zustand wird am vollkommensten beim Menschen erreicht. In Folge dessen wird aus der ursprüng- lichen Hinte reinander läge ruug der einzelnen Hirnabschnitte eine derartige Uebereinanderlagerung, dass das Zwischen-Mittel- Hinter- und Nachhirn basalwärts von den Grosshirnhemisphären zu liegen kommt.

Hirn- und Rückenmarkshäute.

Aus der Differenzirung einer indifferenten, zwischen den Central- organen des Nervensystems und den umgebenden Skelettheilen gelegenen Bindegewebsschicht gehen die U m h ü 1 1 u n g s m e m b r a n e n des Gehirnes hervor. Bei Fischen unterscheidet man nur zwei Häute, eine die Innenfläche der Schädelkapsel überziehende Dura- und eine das Gehirn bedeckende Pia inater. Letztere entspricht zugleich der Arachiioidea der höheren Wirbelthiere; diese ist also hier noch nicht als besondere Haut dif ferenzirt. Beide führen Gefässe, und zwar dient die erstere als Matrix, d. h. als Perichondrium resp. als Periost der Schädelkapsel, letztere dagegen, welche ungleich gefäss- reicher ist, hat es mit der Ernährung des Gehirnes selbst zu thun. Die Dura mater^) besteht aus zwei Lamellen, die aber nur bei niederen Wirbelthieren im Bereich des ganzen Centralnervensystems getrennt bleiben. Bei höheren Vertebraten persistirt die Doppelnatur nur deutlich im Bereich der Wirbelsäule, im Schädel dagegen kommt es zur Verwachsung. Da nun das Gehirn der Fische die Schädel- kapsel lange nicht ausfüllt, so liegt zwischen beiden ein grosser perice- rebraler, beziehungsweise perimedullarer Lymphraum, und dieser ent- spricht dem sogen. S üb dural räum der höheren Wirbelthiere.

Eine Differenzirung jener primären Gefässhaut des Gehirnes in Pia und Arachnoidca geht so vor sich, dass sie sich an jenen Stellen, wo tiefere Einschnitte zwischen einzelnen Hirntlieileu vorkommen, in zwei Lamellen trennt, wovon nur die tiefere dem Gehirn fest anhaftet und in Form der Telae chorioideae und Plexus chorioidei auch in die Ventrikel eindringt, während sich die oberflächliche über den Einschnitt hinüberspannt (Fig. 140).

1) Bei den Säugetliiereii erzeugt sie Fortsätze gegen das Gcliirn lierein, die mau als S i eil e 1 (F a 1 x) und als Z e 1 1 (T e n t o r i u m) bezeichnet. Die Sichel, welche bei Vö- geln erst in sehr schwachen Andeutungen auftritt, senkt sicli in die grosse Sagittalspaltc zwischen beiden Vorderhirnhälften hinein, das Zelt dagegen kommt zwischen das Hinterhirn und die Occipitallappen des Vorderhirns zu liegen und kann wohl auch verknöchern. Die Dura mater der Säugethiere umschliesst sogenannte Blutleiter, weklie, das venöse Hlut des Gehirnes aufnehmend , in der Vena jugularis interna eontliiiren.

Nervensystem.

149

So entsteht also zwischen beiden ein lymphoider Spalt- raum, das sogen. Cavum subarachnoideale, wel- ches jedoch niemals den Grad der selbständigen Ditferenzi- rung erreicht, wie der Sub- duralraum.

Indem ich mich jetzt zur Schilderung des Gehirns der einzelnen Thiergruppeu wende, will ich bemerken , dass ich die Gehirnnerven als eigenes Capitel abhandeln und sie des- halb hier ganz aus dem Spiele lassen werde. Uebrigens sind dieselben auf den betreffen- den Figuren so genau eingezeichnet , dass ihre Lagebeziehungen ohne Weiteres deutlich zu erkennen sind. Sie figuriren stets unter den von der menschlichen Anatomie entlehnten Bezeichnungen resp. Zahlen.

Fig. 140. Schwalbe). Arachnoidea,

Hirnhäute des Menschen (nach DM Dura mater, SR Subduralraum, A PM Pia mater, GB Graue Rindensub-

stanz des Gehirns.

Fische.

Amphioxus.

In der conischen Auftreibung des vorderen Rückenmarkerides findet sich eine Erweiterung des Centralcanales und diese ist einem Ventrikel gleich zu erachten. Dorsalwärts öffnet sich der Ventrikelraum frei gegen das umgebende Medium und jene Oeflfnung kann nichts Anderem als einem Neuroporus, d. h. dem Umbildungsproduct einer letzten Verbindung des Hirnes mit der Oberhaut, entsprechen (Hatschek). Ist dies wirklich der Fall, so steht auch der Annahme nichts im Wege, dass die kegelförmige Hirnblase des Amphioxus der Vor der- und vielleicht auch Mittelhirnblase der übrigen V er teb raten entspräche, während sich die weiter nach hinten liegenden Hirntheile, d. h. das Hinter- und Nachhirn noch nicht vom Rückenmark differenzirt haben. Ob es sich dabei auch noch um ein damit verschmolzenes Riechorgan handelt, lässt sich vorderhand nicht bestimmen (siehe später).

Cyclostomen.

Die Cyclostomen zeigen eine sehr niedere, in mancher Beziehung auf rein eml)ryonalem Typus stehen bleibende Entwicklungsstufe des Gehirns (Fig. 141). Dies gilt in erster Linie für das Gehirn des Am- mocoetes, welches sich durch eine schlanke, lang gestreckte Gestalt auszeichnet. Die einzelnen Hirnpartien liegen in fast rein horizontaler Richtung hintereinander und das Interessanteste ist das, dass der in der Einleitung als Manteltheil oder Pallium bezeichnete Abschnitt des secundären Vorderhirnes nur aus einer zusammenhängenden, einschichtigen Lage von Epithel-

150

Specieller Theil.

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Fig. 141. Gehirn von Ammocoetes. 4 ventrale-, ^ dorsale-, C7 Profil- Ansicht. FW Vorderhirn resp. dessen Basalganglion (i?os. ö.), Z/. ol. Lobus olfactorius, .Zif Zwischenhirn. Gp Glandula pinealis , Hyp Hypophyse, Sv Saccus vasculosus, MH Mittelhirn, HH Hinter- hirn, NH Nachhirn, Med Medulla, / XII erster bis zwölfter Hirnnerv.

Zellen besteht^. Diese wird au ihrer Dorsalfläche von der Pia raater überzogen. Auf der Figur 141 ist der Manteltheil entfernt, dagegen die verdickte basale Partie erhalten. Vorne schliesseu sich an letztere die Riechlappen {Lol) an, in welche sich der Ventrikel fortsetzt.

Von auti'allender Längeist das Hinter- und Nachhirn, so dass das Gehirn des Ammocoetes einen spinalen Habitus besitzt. Im Gegensatz dazu erscheinen die einzelnen Hirntheile, zumal das jM i 1 1 e 1 - hirn, von Petromyzon und der in ihrer Gehimorganisation ofl'eiibar

1) Dasselbe gilt auch für den Hirnmantel von Petromyzon. Bdellostoma ist hierüber nichts bekannt.

Von Myxiue und

Nervensystem. 151

noch niederer stehenden Myxine mehr zusammengeschoben und in die Breite entwickelt. Bei keinem C y c 1 o s t o m e n durchbricht die E p i - physis die Schädeldecken.

An der Epiphyse von Ammocoetes und Petromyzon kann man eine proximale, stielartige und eine aus zwei übereinanderliegenden Blasen bestehende distale Partie unterscheiden. An der ventralen Circumferenz der dorsalen, voluminöseren Blase findet sich ein mehrschichtiger Epi- thelbelag mit radiärer Streifung und spärlichem Pigment den letzten Spuren des Parietalauges. Von einer Linse ist nichts zu sehen. Yon Interesse ist, dass sich das Organ fast immer bei erwachsenen Pe- tromyzouten, seltener dagegen bei Ammocoetes, über und über von Pigment erfüllt zeigt und dass es mehr dorsalwärts rückt, als wollte es seine frühere physiologische Bedeutung zurückerobern (Beaed).

Selachier.

Wie das Gehirn der Cyclostomen, so stellt auch dasjenige der Selachier einen besonderen, in sich abgeschlossenen Entwicklungs- typus dar, allein es kommt hier zu einer viel reicheren Ausgestaltung der einzelnen Hirnregionen , als wir sie dort beobachtet haben. Nach der äusseren Form kann man zwei grosse Gruppen von Selachier- gehirnen aufstellen. Die eine, welche durch die Spinae es, Scymni und Notidani daigestellt wird, zeichnet sich durch ein sehr schlankes, in die Länge gestrecktes, der ül)rige Theil der Selachier dagegen durch ein gedrungeneres, in seinen einzelnen Theilen rsehr zusammengeschobenes Gehirn aus. Fast bei allen Haien prävalirt das Vorderhirn durch bedeutende Grösse über alle übrigen Hirnabschnitte. Sein paariger Charakter ist bald deutlich (Noti/aniden), bald nur sehr undeutlich cx ausgesprochen (z. B. bei Scyllium). Allein auch im letztgenannten / Fall sind im Innern Spuren des bilateralen Ventrikelsystems zu con- statiren. Zu einer völligen Trennung des Mantels in zwei Hemi- sphären kommt es bei Selachiern nie.

Die Erklärung dafür liefert die Entwicklungsgeschichte, indem sie be- weist, dass die Hauptmasse des Selachiergehirns durch das primäre un- getheilte Vorderhirn dargestellt wird. Die Rochen besitzen nur dieses (wobei Mantel und Stamm in eines verschmelzen), die Haie dagegen zeigen bereits, bei den verschiedenen Arten wechselnde, Anlagen eines secundären Vorderhirnes (Edinger).

Bemerkenswerth sind die mächtigen, in ihrer Länge und Form übrigens grossen Schwankungen unterliegenden Riechlappen, in welche sich die Ventrikel fortsetzen (vergl. die von J. Steiner darüber angestellten Experimente).

Das zwischen Vorder- und Mittelhirn wie eine schmale Commissur eingekeilte Zwischen h im wächst an seinem Dach zu einer kamin- oder röhrenartigen Epiphyse aus, die eine solche Länge erreichen kann, dass sie das Vorderende des Gehirnes noch um eine grosse Strecke überragt. Mit seinem Vorderende dringt der Zirbelschlauch bis in die Schädeldecke hinein (vergl. Fig. 137).

Am Boden des Zwischenhirnea und in Höhlenverbindung mit ihm liegen zwei Paare von kleinen Lappen, die man als Lobi inferiores und als Saccus vasculosus oder Processus infundibuli bezeichnet. Sie stehen in genetischen Beziehungen zum Infundibulum und auch zur Hypophyse.

152

Specieller Theil.

WivnS! 1 / } ' •"" ^^f^ ^'^' Selachiern immer einen sehr mächtigen Himtheil dar der in mehrere, hinter einander hegende Blätter oder Lappen zerfallen und das Nachhirn mehr oder weniger weit über- agern kann Letzteres ist bei Haien ein langgestreckter, cyhndrischer Korper, wahrend es bei Rochen mehr zusSnmengezogen und drei- eckig erscheint. Auf dem Bodengrau des IV. Ventrikels liegen beim

T nb, PI?.". '\rr ^'°^' '^^'^^'" Ganglienzellen einschliessenden i^oDi electrici. lieber weitere Details vergl. die Fig. 142 A, B, C.

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ansieht VH vV^Vw" ^""^ Scyllium canicula. ^ dorsale-, £ ventrale, CProfil- h"rn X rf 77^''^''V 'f ^"^"' olfactorius, Tro Tractus olfactorius, Zfi Zwischen- h.rnö^ Glandula pineal.s, abgeschnitten, t'i. Unterlappen, i/Ä i/ HvDODhvse -sJwn.

erstei bis zehnter H.rnnerv. Der Schlitz des Z^ischenhirns und der Fossa rhomboidal!.

Nervensystem. 153

Cranoiden.

Hier ist das Gehirnrohr, ähnlich (wenn auch nicht mehr so stark) wie bei Selachiern (und Dipnoern), am vorderen Abschnitt des Mittelhirns ventralwärts gekrümmt und geht basalwärts in die Wand des Infundibulum über.

Im Hirnmantel, welcher bei Selachiern fast in seiner ganzen Ausdehnung aus Nervenmasse besteht, sind bei G a n o i d e n regressive Veränderungen vor sich gegangen, so dass er hier, wie wir dies auch bei den Cyclostomen constatiren konnten , nur aus epithelialen Gebilden und membranösen Hüllmassen besteht^). Durch die Anwesenheit einer Falx ist der paarige Charakter der epithe- lialen Ventrikelsäcke deutlich ausgesprochen.

Das Zwischenhirn, welches in die Tiefe versenkt ersdieint, entwickelt einen kräftigen Zirbelschlauch^), dessen distales Ende in eine grubige Vertiefung der Schädeldecke eingelassen ist='). Die Hypo- physe*), Lobi inferiores und Saccus vasculosus sind sehr voluminös.

Das Mittelhirn ist an seinem -Gewölbe bei Acipenser nicht so deutlich, wie bei Knochenfischen, in zwei Lappen getheilt; seine Basis liegt in der directen Axenverlängerung der Medulla oblon- g a t a.

Was endlich das Hinterhirn betrifft, so springt es ganz wie bei Teleostiern unter der Form einer Valvula cerebelli weit in den Ventrikel des Mittelhirns herein. Seitlich ragt es höckerartig vor.

Das Gehirn von Amia leitet zu demjenigen der Teleo stier hinüber.

Teleostier.

Auch hier handelt es sich wieder um ein epitheliales Pallium, welches aber keine mediale Einstülpung erfährt. Gleichwohl kann man von Seiten Ventrikeln reden , die allerdings ihrer geringen Aus- dehnung wegen bei der Untersuchnng leicht übersehen werden. Basal- wärts liegen, wie bei Ganoiden, mächtige Nervenmassen, welche wahr-

1) Bei Amia, wo uur die mediale Wand des Palliums aus Epithejgewebe besteht, ist der Reductionsprocess noch nicht so weit fortgeschritten.

2) Ein ganz eigenthümliches regressives Verhalten zeigt die Zirbeldrüse von Polypterus. Sie besteht aus einem enormen epithelialen, median gelagerten Sack, der in seiner Ausdehnung einer der beiden epithelialen Hemisphären -Blasen nahezu gleich kommt. Wie letztere so ist auch er von dichtem lymphoidem Gewebe bedeckt und entspricht morphologisch der gewaltig ausgedehnten Decke des Zwischenhirnes. Die so gestaltete Zirbelblase erstreckt sich über einen grossen Theil der Dorsalfläche des Gehirnes hinweg, d. h. sie reicht vom secundären Vorderhirn bis zum Beginn des Nach- hirns ( Wal Ds c H All d).

3) Ob die Epiphyse bei ganz jungen Sturionen, wie von einer Seite behauptet wird, die Schädeldecken wirklich durchbricht, müssen neue Untersuchungen bestätigen.

4) Bei Polypterus zeigt die Hypophyse einen deutlich drüsigen Bau. Es han- delt sich um zahlreiche, dicht verfilzte, epitheliale Schläuche, welche sich an verschiedenen Stellen ins Infundibulum hinein öffnen und welche off-enbar mit der Ab- scheidung der Ventrikel flüssigkeit betraut sind. Von grossem Interesse ist ferner der Umstand, dass bei Polypterus auch noch in postembryoualer Zeit ein oralwärts gerichteter Hy p oph y s e n g a ng persistirt. Derselbe liegt zusammt der in reich- liches lymphoides Gewebe eingebetteten Hauptmasse der Hypophyse in einem besonderen, von dem eigentlichen Cavum cranii abgekammerten Knochencanal, welcher durch die me- diauwärts einspringenden (trabeculären) Schädelwände gebildet wird (Waldschmidj.

154

Specieller Theil.

scheinlich dem P u t a m e n und dem N u c 1 e u s c a u d a t u s der höheren Wirbelthiere entsprechen. Aus jenen basalen Vorderhirntheilen , die durch eine Commissur (Com missura interlobularis s. an- terior)^) untereinander verbunden werden, entspringen markhaltige Faserzüge (Pedunculi cerebri), welche durch das Zwischenhirn und Mittelhirn spinalwärts ziehen.

Wie bei andern Fischordnungen, so ist auch bei Teleostiern das gesammte Hirn durch eine Schicht fett- und lymphartiger Flüssig- keit von der Schädelwand getrennt, so dass es also das Cavum cranii lauge nicht ausfüllt.

Zeigt nun das Gehirn der Selachier schon einen vielgestaltigen Charakter, so ist der unter den verschiedenen Teleostiergruppen

Fig. 143. Sagittalschiiitt durch die vordere Hälfte des Teleostier- Gehirns mit Zugrundelegung einer Abbildung von Rabl-Rückhard, das Gehirn der Bachforelle darstellend.

Tro Tcctum loborum opticorum , Tl Torus longitudinalis , Cp Commissura posterior, Gp Glandula pinealis mit einer Höhle Gp^ im Innern. Bei •{- geht die vordere Wand des Zirbelschlauchs , welclier so gut wie die ganze Innenfläche der Hirnventrikel von dem Ependym [Ep, Ep) ausgekleidet wird, in die epitheliale Decke des secundären Vorderhirns Pa (Pallium) über. Letztere erzeugt bei /' eine Falte. V.cm Ventriculus communis des secundären Vorderhirns, V.t Ventriculus tertius, B.oU N.ol Bulbus und Nervus olfactorius, Ca Commissura anterior, C.st Corpus striatum, welches man sich seitlich von der Median- ebene, in welcher sonst das ganze übrige Gehirn dargestellt ist, liegend zu denken hat, Ch.n.opt Chiasma nerv, opticorum, Ci. Commissura inferior (Glddkn), Ch Commissura hori- zontalis (Fritsch), J Infundibulum, H.H^ Hypophyse , Sk Saccus vasculosus , Li Lobi in- feriores, Aq Aquaeductus Sylvii, tr N. trochlearis, Val Valvula cerebelli

1) In dieser Commissura anterior liegen Faserbündel, welche nicht nur die Lobi olfactorii, sondern auch die Hemisphären mit einander verbinden.

So ist also hier schon ein Corpus callosum und eine Commissura anterior im Sinne der höheren Vertebraten angebahnt (Oskokn).

Nervensystem.

155

uns entgegentretende Forraenreichtlium des Ge- hirns noch ungleich grösser, ja weitaus am grössten unter allen Wirbelthieren. Es liegt somit auf der Hand , dass hier nicht alle Einzelheiten aufgezählt werden können,

Fig. 144. Querschnitt durch dasTeleostier- Gehirn, fr Os frontale, unter weichem der Zirbelschlauch Gp im Querschnitt sichtbar ist, Fm darunter die Pia mater, Fa das aus einer einfachen Epithellage gebildete Pallium, d. h. die Decke des secundären Vorderhirns oder der He- misphären, V.cm Ventriculus communis, Ep Ependym, TT Tractus olfactorii basalwärts von den Corpora striata (Csi).

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Fig. 145. Gehirn von Salmo fario. A. dorsale-, B ventrale-, C Proliiansicht. FH Vorderhirn, PaZZ Mantel , BG und Bas.G Basalganglion desselben, /y.oZLobus olfactorius, G.p Glandula pinealis, /w/Infuudibulum, Hyp Hypophyse, Sv Saccus vasculosus, ÜL Unter- lappen, Tr. opt Tractus opticus, Ch Chiasma, il/ZZ Mittelhirn, äEZ Hinterhirn, iV^T Nachhirn, 3Ied Mediilla, / XII erster bis zwölfter Hirnnerv. Der zwölfte wird durch den ersten Spinalnerven (1) dargestellt, 2 zweiter Spinalnerv.

156 Specieller Theil.

sondern summarisch verfahren werden muss. Vor Allem wird es darauf ankommen, die Hauptdifferenzen dem Selachiergehirn gegenüber hervor- zuheben , und diese l)este]ien in erster Linie darin , dass das Tele o - s t i e r g e h i r n durchweg kleinere Dimensionen besitzt.

Das Zwischenhirn erscheint auch hier (vergl. die Ganoiden) zwischen Vorder- und M i 1 1 e 1 h i r n in die Tiefe gerückt und letzteres ist durchweg stattlich entwickelt (Fig. 145).

Die Einschiebung des mächtig sich entfaltenden Hinter- h i r n s in die Höhle des Mittelhirns (V a 1 v u 1 a c e r e b e 1 1 i) ist bei Teleostiern zur Regel geworden, doch herrschen die mannigfachsten Variationen.

Lobi olfactorii sind allgemein vorhanden , die Zirbel aber erscheint im Allgemeinen mehr rückgebildet, als bei Ganoiden und Sei ach lern. Lobi inferiores, Hypophyse und der drüsige Saccus vasculosus spielen eine grosse Rolle, unterliegen aber eben- falls starken Form- und Grössenschwankungen.

Das Tel eo stier -Gehirn macht in seinem gesammten Aufbau den Eindruck einer in sich abgeschlossenen Bil- dung; es erscheint als letzter Ausläufer einerlangen Reihe von Entwicklungsformen, deren Ausgangspunkt l)is jetzt nicht genau zu bestimmen ist. Weder an das Cyclostomen - noch an das SelacMerliirn direct sich an- schliessend, hat es das lässt sich mit Sicherheit be- haupten — ganoidenar t ige Zwischenstufen durchlaufen. Dass aber beim Granoideiihirn selbst schon reducirte Ver- hältnisse vorliegen, wurde früher schon erörtert.

1) i p n 0 i.

Hier lassen sich in mancher Hinsicht Anknüpfungspunkte an das Amphibienhirn constatiren. Dahin gehört z. B. die Existenz eines wohl differenzirten , nervösen Hirnmantels und die statt- liche Entwicklung des Vorderhirns im Allgemeinen. Auch das Hinterhirn entfernt sich in seiner äusseren Erscheinung weit von demjenigen der Fische; es impouirt ausser lieh nicht mehr als ein so gewaltiger Hirnabschnitt, wie dies z. B. bei Se lach lern und Tele- ostiern der Fall ist, andererseits aber weist das Vorhandensein einer Valvula cerel)elli noch auf niedrigere Typen zurück.

Bei Ceratodus sind beide Grosshirnhemisphären dorsalwärts mit einander verwachsen ; bei P r o t o p t e r u s dagegen schneidet die Mantel- spalte gänzlich durch, so dass erst weit hinten, von der Commissura anterior an, eine Verbindung zwischen Rechts und Links besteht. Riechlappeu treten nur bei Ceratodus aus serlich zu Tage, und dasselbe gilt für das C h i a s m a n e r v o r u m o p t i c o r u m. Gleich- wohl existiren ])eide auch l)ei Protopterus, nur sind sie hier ins Innere der betreffenden llirnabschnitte verlegt.

Die Glandula pinealis ist auf einen epithelialen Sack reducirt, welcher dem Z wische nh im aufsitzt und die Schädeldecke nicht erreicht. Inf und ib ulu ni und Hypophyse sind mächtig entwickelt

Nervensystem.

157

und letztere erstreckt sich bis in den Bereich des Nachhirns nach rückwärts.

Wie früher schon erwähnt, erscheint das Zwischen- und Vorder- hirn von den weiter nach hinten liegenden Hirntheilen stark ventral- wärts abgeknickt.

Amphibien.

Das Vorderhirn unterscheidet sich von dem der Dipnoer durch eine noch höhere Ausbildung des Mantels, an dem man übrigens, ganz wie bei D i p n o e r n , eine äussere faserige und eine innere zellreiche

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Fig. 146. Gehirn von Rana esculenta. 4 dorsale-, B ventrale-, C Profilansieht. VH Vorderhirn, ZU Zwischenhirn, MH Mittelhirn, HR Hinterhirn, NH Nachhirn, Med Me- dulla spinalis, / XII erster bis zwölfter Hirnnerv , 1,1 erster Spinalnerv resp. Hypo- glossus {XII (1)), L.ol Lobus olfactorius, f klafifende Lücke zwischen beiden Hemisphären, Trui)t Tractus opticus, Inf Infuudibulum, Hyp Hypophyse.

158 Specieller Theil.

Schicht unterscheiden kann. Das Basalgangliou tritt hier aber noch mehr zurück, indem es nur eine mehr oder weniger stark einragende Verdickung der Hemisphärenwand in das VentrikeUumen darstellt. Das Amphibien-Gehirn vermittelt ich betone dies ausdrücklich nicht etwa den Uebergang zu demjenigen der Reptilien, sondern ist eine ganz abseits von diesen liegende Bildung. Ist das Vorder hirn schon anders gebaut als das niedriger stehender Vertebraten, so überrascht vollends die durchsichtige Einfachheit des Zwischen- und Mittel- liirns denjenigen, der vorher die coraplicirteu Verhältnisse kennen ge- lernt hat, welche bei den Fischen an dieser Stelle bestehen.

Das A m p h i b i e n g e h i r n ist das einfachste Gehirn, wel- ches in der Verte braten- Reihe vorkommt (Edinger).

Das Urodelen-Gehirn steht noch etwas tiefer als das der Anuren. Die einzelnen Abschnitte sind hier noch schlanker und mehr auseinandergerückt, und in Folge davon liegt das Zwischenhirn freier zu Tage.

Die Hemisphären des Urodelengehirus sind fast walzenförmig, kleiner und durch die Mantelspalte bis nach hinten zur Commissura an- terior M von einander getrennt, während sie bei Anuren in ihrem vor- deren Abschnitt, dicht hinter dem Lobus olfactorius, median wärts mit einander auf eine kurze Strecke verwachsen sind. Ein Lobus olfacto- rius ist stets deutlich ausgeprägt. Das paarige Mittel hirn sowie das Zwischenhirn sind wie bei Dipnoern eingeschnürt und bilden so nur eine schlanke brückenartige Commissur zwischen dem Nachhirn und Hinterhirn einer-, sowie dem Vorderhirn andrerseits. Im Gegensatz dazu springt das aus zwei mächtigen ovalen Körpern bestehende Mi t tel- h i 1' n der Anuren weit lateralwärts aus und stellt so den breitesten Hirnabschnitt dar. Das Hinter hirn erscheint bei Anuren und Urodelen nur unter der Form einer zarten Querlamelle mit massiger Auftreibung der mittleren Partie; dahinter klafft [nach Entfernung des Plexus chorioideus und Epithelbelages] die Rautengrube.

Um noch auf das Zwischenhirn etwas näher einzugehen, so ist zu bemerken, dass das I n f u n d i bulum und die H y pophy s e stets deut- lich entwickelt sind. Am Dach liegt ein Plexus chorioideus und die stark reducirte Zirbeldrüse. Bei Urodelen stets auf das Cavum cranii beschränkt, erstreckt sich die Zirbeldrüse lang auswachsend, bei Anuren - larven mit ihrem Endstück bis ins Niveau der Haut. Später aber wird sie durch die knöchernen Schädeldecken abgeschnürt und degenerirt binde- gewebig, bevor es zur Anlage eines Parietalauges gekommen ist^).

Wenn man in Betracht zieht, dass bei paläozoischen Stego- cephalen, sowie auch bei ächten fossilen Sauriern, ein wohl- ausgebildetes Parietal-L och vorhanden ist, welches bei Anthracosau-

1) Die dorsale grössere Fasermasse in dieser Commissur entspricht einem Corpus c a II o s u m , die ventrale dagegen ist als eine eigentliche Commissura anterior im Sinne der Säugethiere zu betrachten. Während jene wesentlich dorsale und mediale Abschnitte der Hemisphiüen verbindet , handelt es sich bei dieser um Beziehungen zum ventro-lateralen Bezirk der Hemisphären, ferner zum Rieehlappen und zur Tem- poralgegend. Bei Reptilien verhält es sich ganz ähnlich, doch läs^t sich hier ein besonderes Bündel schon als Fornix unterscheiden. Dasselbe gilt auch für die Vögel, nur ist hier die Balkenfaseruiig, entsprechend der stark reducirten medialen Palliumpartie, ungleich schwächer, als bei Amphibien und Reptilien (vergl. auch das Teleostier- gehirn) (Osborn).

2) Bei der gemeinen Kröte (Bufo cinereus) tritt in diesem Organ noch Pig- m e n t auf.

Nervensystem. 159

rus raniceps von beschuppter Haut nicht überzogen war, sondern ebenso wie die Orbitae, offen lag, so liegt der Gedanke nahe, dass es sich bei diesen Vor- fahren der heutigen Amphibien noch um ein wohlausgebildetes Parietalauge gehandelt haben muss.

Das Gehirn der Gymnophioneii zeigt mächtigere, mit ge- waltigem Lobus olfactorius versehene Hemisphären, als alle übrigen Amphibien. Im Innern liegt ein sehr grosses, von einem Plexus chorioideus überlagertes Basalganglion. Die weiter nachbluten fol- genden Hirnpartieu werden zum grossen Theil von den Hemisphären überlagert und erscheinen wie zusammengedrängt. Trichter und Hypophyse ragen weit rückwärts und letztere erstreckt sich bis an die Ventralseite des Nachhirns. Die Glandula p i u e a 1 i s ist stärker rückgebildet, als bei irgend einem andern Aniphibium (Waldschmid).

Reptilien.

H i e r t r e f f e n w i r , wie Edinger nachgewiesen hat, zum ersten- mal im dorsalen Dez irk der Hemisphären eine unzwei- felhafte, dreischichtige, durch Pyramidenzellen cha- rakterisirte Hirnrinde, an welche nun bei allen folgenden höheren Formen bis zum Menschen hinauf die psychischen Functionen geknüpft erscheinen. Wo letztere bei den Anamnia zu suchen sind, bleibt weiteren experimentellen Versuchen vorbehalten, doch wird es sich dabei im Wesentlichen um das Mittel- und Hinterhirn handeln (vergl. die Experimente von J. Steiner).

Bei allen Reptilien zeigen sich die H e m i s p h ä r e n gut entwickelt, wie denn überhaupt die ganze Gehirnorganisation auf eine höhere Stufe hinweist. Dies gilt ganz besonders auch bezüglich der Faser Systeme, auf die ich z. Th. früher schon (vergl die Anmerkung auf pag. 158) auf- merksam gemacht habe. Ich habe dabei nam'entlich die P' o r n i x b i 1 d u n g im Auge und will hier noch beifügen, dass zugleich mit ihr bei Iteptilien zum erstenmal auch die A m monsfor mation mit dem zugehörigen Plexus chorioideus in die Erscheinung tritt. Ein zweites wichtiges Faser system verknüpft dorsale Rinden partien mit caudal gelegenen Theilen ; es zieht an der medialen Hemisphärenwand dahin, liegt später dorsal von den Pedunculi cerebri und gelangt wahr- scheinlich zum Thalamus. Bei Vögeln, wo es mächtig entwickelt ist, ist dasselbe längst bekannt und heisst hier Bündel der sagittalen Scheidewand (Edinger). Zur besseren Erläuterung lasse ich hier zwei Abbildungen folgen, welche das Frosch- und H a 1 1 e r i a g e h i r n im Sagittalschnitt zeigen (Fig. 147). Dieselben ermöglichen auch einen Einblick in das V e n t r i k e 1 s y s t e m.

Auch darin spricht sich der höliere Entwicklungstypus des Reptilien- gehirnes aus, dass sich die einzelnen Partien mehr übereinander thür- men. Letzteres tritt am meisten hervor bei Agamen und Ascala- boten, weniger stark bei S c h 1 a n g en , S c h i 1 d k r ö t e n und C r o c o - diliern. Wer mit der Anatomie des Schädels vertraut ist,. wird sich alles dies gut erklären können, und ich verweise deshalb auf jenen Passus der Einleitung zum Kopfskelet , wo ich von einer interorbitalen Einschnürung des Schädelrohres gehandelt habe.

Wie überall, so liegt auch hier im ventralen Bezirk der Vorder- hirnaussenwand das Stamm gan gl ion, doch variirt dasselbe stark

160

Specieller Theil.

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Fig. 147. ^Sagittalschnitt durch das Gehirn von Ran a. ^Der- selbe Schnitt durch das Gehirn von Hatteria punctata. i^A. nach H. F. OSBORN.) Ansicht der Ventrikelhöhlen.

FIT, J///, HH, NR Vorder-, Mittel-, Hinter- und Nachhirn, H Hemisphäre des Vorder- hirnes von Hatteria, welche medianwärts eine von zahlreichen Gefässlöchern (s) durch- bohrte Furche (Fu) besitzt ; dieselbe grenzt bei * das Vorderhirn gegen den Tractus olfacto- rius ab, f Hauptwurzel desselben, Lol Lobus olfactorius, /, //, IV Ursprünge des N. olfacto- rius, opticus und trochlearis, Ep** abgeschnittene Epiphyse, Ch.opt und Ch Chiasma nervorum opticum, Lt Lamina terminalis, Co. a Commissura anterior ; dieselbe ist bei Hatteria durch ein * dargestellt, Ba, Ca Balken (Corpus callosum), darüber ist das Foramen Monroi [F. 31o und Mo], dorsalwärts davon liegt im Froschgehirn der lappige (weiss gehaltene) Plexus chorioideus, Cos Commissura superior, Co. p Commissura posterior, FHI^ 7 IV dritter und vierter Ventrikel, Th. opt , M Thalamus opticus. An der lateralen Wand des UI. Ventri- kels von Hatteria liegt eine Oeffnung (Lo) und eine Furche {Fu), Aq und Aq.Syl. Aquaeductus Sylvii, Inf Infundibulum, Hyp Hypophyse.

nach Form und Ausdehnung und zeigt weitere Difierenzirungen ange- bahnt. Bei Hatteria, die ja bekanntlich auch in ihrem Skelet manche Anklänge an die Amphibien besitzt, erinnert es übrigens noch an die Verhältnisse der Urodelen. Die Grosshirn Schenkel, auf die ich schon beim Fischgehirn hingewiesen habe, sind als strahlende Fa- serzüge deuthch zu erkennen. Ihre Elemente sind markh altig.

Ein Lobus olfactorius kann deutlich ausgeprägt sein oder äusserlich ganz fehlen ; in der Regel findet sich ein auf den lang aus- gezogenen Tractus olfactorii sitzender Bulbus olfactorius, aus welchem die Rieclifäden entspringen (vergl. Fig. 148, 149).

Nervensystem.

161

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Fig 148. Gehirn von Hatteria punctata. JL dorsale-, J5 ventrale-, C Profi 1- ansicht VH Vorder-, 3III Mittel-, HH Hinter-, NH Nachhirn, Med Medulla, I—XII erster bis zwölfter Hirnnerv, Bol Bulbus olfactorius, GH8 Grosshirnschenkel (Peduncuh cerebri), Lp lappenartiger Vorsprung des Grosshirns (Lobi occipitales ?), N opt N. opticus, Ch Chiasma desselben, Tr Tractus N. optici, Inf Infundibulum , Hyp Hypophyse , Q.p Glandula pineahs bei Pa (in der Profilansicht) mit dem Parietalauge endigend ; auf der dorsalen Ansicht ist die Lage der Glandula pinealis nur schematisch durch Schraffirung angedeutet, R i ringartige Leiste an der Basis des Mittelhirns, h kleiner Höcker vor dem Hinterhirn.

erirl. Anatomie. 2. Aufl. 1 1

\Vi ed e rshe i m , Giuiidi'

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162

Specieller Theil.

Das Z wisch eil hirn ist stets in die Tiefe gesenkt und von der Dorsalseite kaum oder gar nicht sichtbar. Dagegen entwickelt es ein

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Fig. 149. Gehirn vom Alligator, A dorsale-, B ventrale-, C Profil-Ansicht.

TV/ Vorderhirn, .^/i Zwischenhirn , MH Mittelhirn, Zf// Hinterhirn , NU Nacliliirn, J XII erster bis zwölfter Hirnnerv, 1, 2 erster nnd zweiter Spinalnerv, B.ol Bulbus olfactorius, Tro Tractus olfactorius, G.p Glandula pinealis , Tr. opt Tractus opticus , Jnf Infundibulum, Hijp Hypophyse. Med. MeduUa spinalis.

Nervensystem.

163

deutliches lufundibulura, sowie eine Epipliyse, von der gleich weiter die Rede sein wird.

Das Mittelhirn, von dem die Tractus optici ausstrahlen, stellt immer einen starken, paarigen^) oder gar vierfachen Abschnitt dar, und das Hinterhirn lässt eine dickere Mittel- und zwei lappen- oder flügelartige Seiteupartieu unterscheiden. Das Hinterhirn legt sich häufig klappenartig eine Strecke weit über die Rautengrube und er- reicht seine grösste Entwicklung bei Crocodiliern. Bei vielen Rep- tilien, so vor Allem bei Sauriern, zeigt es den Amphibien gegenüber nur sehr unerhebliche Fortschritte und steht dadurch in schroffem Gegensatz zu dem gewaltigen Hinterhirn der meisten Fische.

Auf alle Einzelheiten und die bei verschiedenen Reptilien-Ordnungen zu beobachtenden Verschiedenlieiten kann hier nicht näher eingegangen werden, ein Punkt aber, wodurch das Gehirn der Saurier primitivere Charaktere aufweist als dasjenige aller übrigen Vertebraten, erfordert eine besondere Besprechung, ich meine die Glandula pinealis, die hier ihre ursprüngliche Bestimmung, ein un paar es Sehorgan zu bilden, welches mit dem Auge mancher Wii-bellosen eine gewisse Aehnlichkeit besitzt, noch beibehalten hat.

Fig. 150. Längsschnitt durch dieBindegewebs- kapsel mit dem Pinea 1- auge von Hat t er ia punc- tata. Schwach vergrössert. Nach Baldwin Spencer.

Der vordere Theil der Kap- sel füllt das Scheitelloch (Fo- ramen parietale) aus.

K bindegewebige Kapsel ; l Linse ; h mit Flüssigkeit ge- füllte Höhle des Auges ; r retinaähnlicher Theil der Au- genblase ; M Molecularschicht der Retina ; g Blutgefässe ; x Zellen im Stiel des Pineal- auges ; St dem Sehnerv ver- gleichbarer Stiel des Pineal- auges.

Es handelt sich dabei um das oberste blasenartig erweiterte Ende des Zirbel schlauch es, welches unter jene Stelle des Schädels zu liegen kommt, wo man das Scheitelloch zu suchen gewohnt ist. Die obere Wand hat sich zu einer Linse verdickt, während der Hin-

1) Dass es sich hier bereits um die Anlage eines hinteren Paares von Vier - hügeln im Sinne der Mammalia handelt, habe ich schon von längerer Zeit nach- gewiesen. Das Prioritätsrecht kommt also nicht Bellonci zu.

11*

164

Specieller Theil.

tergruiid der (häufig abgeplatteten) Epiphysenblase von einer mehr- schichtigen Retina eingenommen wird. An der Aussenseite wird das Organ von einer bindegewebigen Kapsel umgeben. BeiHatteria und zahlreichen anderen Sauriern ist ein aus dem ursprünglich hohlen Zirbel-

Fig. 151. Schnitt durch die K e t i n a von H a 1 1 e r i a punctata. Nach W. B. Spencer.

Fl Flüssigkeit im Innern der Augen- blase, St dem Centrum der Augenblase zugekehrte Stäbchen, von Pigment um- geben, J.K innere kugelförmige Ele- mente (Körner), MO Moleculare Schicht, A.K kegelförmige , S.K spindelför- mige Elemente, welche beide mit Nerven in Verbindung stehen, .A''.i^ Nervenfaser- schicht, B.8 Bindegewebsschicht, welche das Parietalauge nach aussen (gegen das Foramen parietale) abgrenzt.

schlauch hervorgehender Sehnerv deutlich zu constatiren, allein bei der Eidechse und Blindschleiche erscheint er bindegewebig degene- rirt, und in Folge dessen ist das Pinealauge von seinem Mutterboden, d. h. dem Dach des Zwischenhirnes, abgeschnürt. In seinem ganzen Ver- halten ist es bei Lacerta und Anguis ungleich einfacher als bei H a 1 1 e r i a und dies gilt namentlich für die Structur der Retina.

In vielen Fällen bleil)t die über dem Parietalauge liegende Haut- partie, sowie das darunter befindliche Binde- und Duralgewebe pig- m entlos, ja zuweilen ist es so hell und durchsichtig, dass man von einer Art von Cornea sprechen kann. Dies berechtigt zur Annahme, dass die Function des Organes auch heute noch nicht vollständig er- loschen ist.

Vögel.

Hier entwickelt sich das Stammganglion des Vorderhirns zu einer bei keiner anderen Thierart erreichten relativen Grösse , während die Rindenformation den Reptilien gegenüber keinen wesentlichen Fortschritt aufweist. Im Innern des Stammgaiiglions entstehen neue Zellgruppen und Faserstränge, während daneben die uns schon von den Fischen her bekannten Pedunculi cerebri fortbestehen. lieber das Mark- bündel der sagittalen Scheidewand, sowie über das Corpus call 0 SU m und den Fornix vergl. das Amphibien- resp. Reptil- gehirn.

Die bei gewissen Reptilien schon augebahnte Uebereinanderlagerung der einzelnen Hirntheile ist hier durcli die gewaltige Grösse des Vor- derhirnes resp. dessen Stammganglions noch viel weiter gediehen , so

Nervensystem.

165

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Fig. 152. Gehirn der Haustaube. A dorsale-, B ventrale-, C Profil -Ansicht. VH Vorderhirn, MH Mittelhirn, //ZZ^ Hinterhirn, iV^Zf Nachhirn, MedMeänWa. spinalis, I—XII erster bis zwölfter Hirnnerv, 1, 2 erster und zweiter Spinalnerv, L.ol Lobus olfactorius, Tr.opt. Tractus opticus, Jnf Infundibulum, Hi/p Hypophyse.

dass die weiter nach hinten liegenden Partien zum grössten Theil überlagert werden und basalwärts rücken. Das Hinterhirn allein l)leibt in seiner vollen Ausdehnung unbedeckt und verschliesst nach rückwärts die Rautengrube. Es besteht aus einer schon bei Repti- lien angedeuteten, starken, wurmartig gekrümmten Mittel- und aus zwei nach Form und Grösse ungemein schwankenden Seitenpartien (F 1 0 c c u 1 i).

Das Mittelhirn^) ist in seinen beiden Hälften auseinander- und nach abwärts gerückt, so dass diese, dem Chiasma der enormen Sehverwen

1) Auch am Mittelhirn lässt sich eine dem hinteren Vierhügelpaar der Säugethiere entsprechende Partie nachweisen.

166

Speci eller Theil.

sich nähernd seitlich iu die vom Vorder-, Hinter- und Nachhirn be- grenzte Bucht zu liegen kommen. Lobi olfactorii sind da, wo sie überhaupt vorkommen, nur schwach entwickelt.

Die Glandula pinealis kann in Folge der starken Volumsent- faltung des Vorderhirns ihre Lage ändern, indem sie bei manchen Vö- geln nicht mehr nach vorne, sondern nach oben und etwas nach hinten gerichtet ist. Ihre Wände sind zum grössten Theile in Bindegewebe

Fig. 153. A Gehirn des Hesperornis regalis, B des Alligators, C des Colymbus torquatus, D des Ichthyornis victor, E der Seeschwalbe (Sterna cantiaca). Sämmtliche Figuren nach Marsh. RL Riechlappen, iiA^ Riech- nerven {R), H Hemisphären, ZH Zwischenhirn, KH Kleinhirn,

umgewandelt, doch haftet ihr distales Ende immer noch an der Dura mater. Im Inneren zeigt das Organ deutlich einen epithelialen, tubulös- drüsigen Charakter, ist reichlich von fil)rösem Gewebe durchwachsen und reicUich vascularisirt. Wie überall an der Epiphysis cerebri, so kann man auch an derjenigen der Vögel eine voluminösere distale und eine

Nervensystem. 167

stielartig ausgezogene proximale Partie unterscheiden. Letztere sitzt dem Dache des Zwischenhirnes auf und dieses liegt mit seiner mittleren und vorderen Partie zwischen das Mittelhirn eingekeilt.

Entsprechend der steil aufsteigenden Schädelbasis nimmt auch die Längsachse des Gehirns eine so steile Richtung an, dass sie mit der von der Schnabelspalte nach hinten gezogenen Kopflängsachse fast einen rechten Winkel beschreibt. Die der Kreideperiode angehörigen Zahnvögel, mit Hesperornis an der Spitze, besassen ein sehr kleines Gehirn, beziehungs- weise sehr kleine Hemisphären. Ihr Gehirn steht demjenigen recenter Rep- tilien (Alligator) ungleich näher als demjenigen irgend eines heute leben- den Vogels. Die Lobi olfactorii, welche, wie wir oben sahen, bei den Vögeln eine nur sehr untergeordnete Rolle spielen, waren bei den Zahn- vögeln stark ausgebildet. Die Riechnerven durchbrechen zwei Löcher, um in die Nasenhöhle zu gelangen. Der Sehnerv und das mit deutlichen Flocculi versehene Hinterhirn waren sehr stark.

Säuger.

Hier wird die l)ei Sauropsidcn noch so unvollständige Rinden- lage des Vorderhirn-Mantels zu einem mächtigen, (unter Umständen) vielgefalteten Ueberzug des ganzen Gehirns. Zahlreiche Säuger besitzen übrigens noch glatte Hemisphären. Das embryonale Organ hat mit dem der Reptilien und Vögel grosse Aehnlichkeit, später aber gewinnt es durch den hohen Ditferenzirungsgrad des Mantels einen durchaus eigenartigen Charakter. Auswachsend legt dieser sich, wie früher schon erwähnt, üljer einen grossen Theil oder gar über alle caudalwärts liegenden Hirntheile herüber.

Der Grund der häufig zu beobachtenden Faltung der Hirnrinde liegt in zwei Factoren, einmal im Eigenwachsthum derselben und dann in einer Nichtcongruenz zwischen Hirn- und Schädelwachsthum.

Aus der Rinde konunt eine sehr grosse Menge von Fasern, der Stab- kranz. Ihre Zahl ist beim Menschen die relativ höchste, bei niederer stehenden Säugethieren eine geringe, und bei manchen, den Nagern z. B., eine sehr kleine. Ausserdem aber hat sich in der Rinde selbst ein reiches Fasernetz entwickelt, welches alle Theile derselben unter einander verknüpft. Andere mächtige Bündel durchziehen die Hemi- sphären, einzelne Gebiete ihres Mantels mit andern verbindend. Auch das C 0 m m i s s u r e n - S y s t e m hat sich bedeutend weiter entwickelt und es ist namentlich die M a n t e 1 c o m m i s s u r , der Balken, ent- sprechend der Ausdehnung des Mantels, ein mächtiges Gebilde gewoi'den. Man darf übrigens nicht glauben, dass dieses Verhalten plötzlich und sprungweise erreicht worden ist, sondern der Process vollzog sich nur ganz allmählich von Stufe zu Stufe bis zu den P r i m a t e n hinauf. Dies beweisen die M o n o t r e m e n , M a r s u p i a 1 i e r und Edentaten, indem sie neben einer äusserst geringen Balkenanlage auch noch eine Reihe anderer niederer Merkmale besitzen, welche für ein Stehenbleiben des Gehirns auf einer niederen Entwicklungsstufe sprechen. Aehnliches gilt auch noch für das Gehirn der Nager, Insectivoren und gewisser Chiropteren.

Fornix und Amnion swindung erreichen eine viel höhere Ent- wicklungsstufe. In der C o m m i s s u r a anterior gelangen die die Schlä- fenlappen verbindenden Fasern zu kräftiger Entfaltung, während der bei Reptilien und Amphibien vorherrschende Riechuervenan theil zwar

168

Specieller Theil.

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Fig. 154. Gehirn des Kanincheus. A dorsale-, £ veutrale-, <7 Profil-Ansicht. VH Vorderhiru, 3111 Mittelhirn, HH, HH^ Seitentheile (Hemisphären) des Hinterhirns, Wu mitt- lerer Abschnitt des Hinterhirnes (Wurm), NU Nachhirn, med Medulla spinalis , G.p Glandula piuealis, Hyp Hypophyse, Po Gegend der Brücke (Pons), Cr.ce Crura cerebri, Fip Fissura pallii (Mantelspalte), B.ol Bulbus olfactorius, aus welchem der Nervus olfactorius entspringt. / XII erster bis zwölfter Hirnnerv.

noch deiitlicli uacliweisbar bleibt, aber bei den P r i ni a t c n z. B. doch stark gegen die übrigen in dieser Commissiir liegenden Fasern zu- rücktritt.

Das Stamm ganglion wird von den aus dem Mantel lierab- kommenden Fasern umschlossen und durchbrochen (vordere Schenkel der Capsula interna der Primaten). Im Gegensatz zu dem ho- mologen Gebilde aller unterhalb der Mammalia stehenden ^Virl)elthiere tritt das Stammganglion bei letzteren mehr und mehr in die Tiefe zurück und wird schliesslich zu einem, im Vergleich mit dem übrigen Gehirn, kleinen Gebilde.

Nervensystem.

169

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Fig. 155. Gehirn eines Hühnerhundes. A dorsale-, ß ventrale-, C Pro- filansicht. VH Vorderhirn, IIU, IUI ^ Seitentheile (Hemisphären) des Hinterhirns , Wu mitt- lerer Theil (Wurm) des Hinterhirns, A'i/ Nachhirn , Med Medulla spinalis , Fi.]) Fissura pallii (Mantelspalte), Cr. ce Criira cerebri, Ily]) Hypophyse, Po Brückengegend, B. ol Bulbus olfactorius, aus welchem die Filamenta olfactoria (Riechnerv) entspringen, / X/7 erster bis zwölfter Hirnnerv.

Seit langer Zeit ist man gewohnt, am Säuger- Gehirn und speciell an dem des Mensehen nicht nur Gyri und Sulci ^), sondern auch Lappen (Lobus frontalis, parietalis, occipitalis, temporalis und centralis) zu unterscheiden (yergl. Fig. 157), obgleich der Ausdruck der Wirklichkeit nicht oder doch nur sehr wenig entspricht. Mit viel grösserem Recht kann man ihn auf den Lobus olfactorius anwenden (vergl. Fig. 154, 155). Dieser liegt entweder in der directeu Yorwärtsverlängerung

1) Bezüglich des bei verschiedenen Säugethiergruppen verschiedenen Windungstypus verweise ich auf Fig. 155 und 157. Genaueres hierüber findet sich in meinem Lehrbuch der vergleichenden Anatomie.

170

Speoieller Theil.

Fig. 156.

Fig. 157.

IM'

Fig. 156. Gehirn des Menschen, Medianschnitt. FZ?^ Vorderhirn, To Thalamus opticus (Zwischenhirn) mit der mittleren Commissur Cm, Z Zirbel, T Trichter (Infundibulum), H Hypophyse, MH Mittelhirn mit dem Aquaeductus Sylvii Aq, nach vorne davon die hintere Commissur C^p, UH Hinterhirn, NH Nachhirn mil Pons P, R Rückenmark, B Bal- ken , G Gewölbe, welches nach vorne und abwärts zu den Columellae Col ausläuft; vor diesen bei Ca die vordere Commissur, zwischen ihnen und dem Sehhügel (To) das Foramen Monroi FM, Tch Tela chorioidea, / N. olfactorius, // N. opticus.

Fig. 157. Hirnwindungen des Menschen, nach A. Ecker.

Lf •» . frontalis

^ iLobus/ P^rietalis

Lo I I occipitalis

T ' ^ temporalis

o, b, c oberer, mittlerer und äusserer Gyrus frontalis, X, ß/ vordere und hintere Central- windung, durch den Sulcus Rolando {R) von einander getrennt , cm an der dorsalen Hirn- fläche eben noch einschneidender Sulcus calloso-marginalis, P, P^ innere und äussere Schei- telwindung, beide durch die Interparietalfurche (/) von einander getrennt, Po Parieto-occi- pitalfurche , FS Fossa Sylvii, 1—3 obere, mittlere und untere Temporalwindung, HH Hin- terhirn, NU Nachhirn, B Sückeumark.

des Stirnhims frei und offen zu Tage, oder er wird, eine Rückbildung ein- gehend, vom Stimhirn überlagert (viele Wassersäugethiere und Primaten).

In Folge dieses ümstandes kann man osmatisohe und a n o s m a - tische Säuger, oder solche mit starkem und solche mit verkümmertem Riechlappen unterscheiden (vergl. das Geruchsorgan).

Mit dem gewaltigen Auswachsen des Grosshirns differenzirt sich auch der Seiten Ventrikel in mehrere Unterabtheilungen, welche man als Vorder-, Hinter- und Unter hörn bezeichnet 0.

Das Mittelhirn (Corpus bigemiuum), welches durch eine Kreuzfurche in vier Hügel zerlegt wird 2), stellt den niedrigen Verte-

1) üeber das Ventrikelsystem im Allgemeinen vergl. die Einleitung zum centralen Ner- vensystem.

2) Auf dem vorderen Paar der Vierhügel ruht die Zirbel, welche sich von ihrem ursprünglichen Verhalten sehr weit entfernt. Erstens ist sie in postembryonaler Zeit unter die Hemisphären des Vorderhirns ganz hinabgerückt resp. von ihnen nach hinten umgelegt und so also ausser allem Contact mit den Schädeldecken und Hirnhüllen gesetzt; zweitens ist sie zu einem rundlich-ovalen oder auch mehr platten , aus compactem epi- thelialem Gewebe bestehenden und mit sogenanntem II i r n s a n d angefüllten Säck- chen umgebildet. Sie bleibt übrigens durch zwei nach vorne laufende, starke Stiele,

Nervensystem.

171

braten gegenüber nur einen sehr kleinen Hirnabsclmitt dar, wogegen das H i n t e r h i r n (C e r e b e 1 1 u m) kräftig ausgeprägt ist. Der von den

Fig. 158. Die Haupt faser- systeme des menschlichen (Säugethier-) Gehirnes, sche- inatisch. Nach einer Zeichnung von A. Ecker. Cach Crura meduUae ad cerebellum, Cap Crura cerebelli ad pontem, Cac Crui-a cerebelli ad Cor- pora bigemina, CO. Crura (Pedun- culi) cerebri, HM Hemisphären, Cs Corpus striatum, Th Thalamus opti- cus, L Lemniscus, V Pons, //// Hinterhirn (cerebellum).

msr Cs

JfFf

Cacb

Cap

E

I'

Fig. 159. Steinkerne von Gehirnen eocäner Säugethiere, nach Marsh.

Jl \ ^Tillotherium fodiens

JS \ c X.-A IV- 1. * n \- 1 Bron totherium ingens

^ ^ Schädel mit emgezeichnetem Gelmn von ' Coryphodon hamatus

JJ 1 ^Dinoceras mirabile

E und J*" ventrale und seitliche Ansicht des Gehirnes von Dinoceras mirabile.

die sogenannten Pedunculi epipliyseos s. conarii, mit ihrem Mutterboden, dem Zwischenhirn, d. h. den medialen Flächen der Sehhügel (Stria medullaris), verbunden. Die zwischen jenen liegende vordere Wand des ursprünglichen Zirbelschlauches ist bindege- webig umgewandelt.

In den Pedunculi epiphyseos allein persistirt zeitlebens die Nervensubstanz.

172 Specieller Theil.

Reptilien an sich kimdgebende Zerfall desselben in einen mittleren und zwei seitliche Abschnitte tritt bei den Säugethieren noch viel stärker hervor. Jener wird hier zmu sogenannten W u r m (V e r m i s), diese dagegen entwickeln sich bei höheren Typen zu den Kleinhirnhemi - Sphären. Mit der Herausbildung der letzteren tritt aber noch eine Avei- tere, grosse Commissur zwischen ihnen auf, nämlich die Brücke (Pons). Sie umschlingt, veutralwärts ausstrahlend, das Kachhirn, d. h. die Me- dulla oblongata, halfterartig und verhält sich in ihi'er Entwicklung pro- portional zu der höheren oder tieferen systematischen Stellung des be- treffenden Säugethiei-es.

Weitere Fasersysteme werden als C r u r a m e d u 1 1 a e ad c e r e - bellum, C r u r a c e r e b e 1 1 i ad c e r e b r u m und als C r u r a s. }> e - dunculi cerebri bezeichnet (Fig. 158).

Zum Schluss sei noch einiger ausgestorbener , aus dem E o c ä n Nord-Americas stammender, Säugethier-Geschlechter Erwähnung gethan, von deren Gehirn wir uns, was die äusseren Formverhältuisse (auf Grund der vorhandenen „Steinkerne") betrifft, eine recht gute Vor- stellung verschaffen können. Jene Gehirne sowohl, wie auch das über das Gehirn der Zahnvögel Mitgetheilte werfen eüi helles Licht auf die Stammesgeschichte des Vertebratengehirnes im Allgemeinen.

Das Gehirn aller jeuer Geschlechter, wie in erster Linie dasjenige von Dinoceras mirabile (Figur 159 D, E, F), ist durch die ausserordentliche Kleinheit charakterisirt und dies gilt vor Allem fürdasVorderhirn. Dazu konmit, dass das Hirn des obgenannten Thieres eine so auffallende Aehnhchkeit mit demjenigen der Lacer- tilier zeigt, dass man dasselbe ohne Kenutniss des Skeletes unbedingt für ein E i d e c h s e u g e h i r n erklären würde. A^'ie klein die Dimensionen des Dinoceras - Gehirnes waren , geht daraus hervor , dass m a n den St ein kern desselben durch den grössten Theil des Wir- bele anales frei hindurchziehen kann (Marsh).

n. Peripheres Nervensystem.

Das periphere Nervensystem vermittelt die physiologische Verbin- dung der Peripherie des Körpers mit dem centralen Nervensystem in cen tripetaler (sensible Nerven) und centrifugaler Richtung (motorische Nerven).

Ihrer Lage nach unterscheidet man zwei Hauptgruppen von peri- pheren Nerven, nämlich spinale und cerebrale, d. h. solche, welche im Bereich des Rückenmarks, und solche, welche im Bereich des Gehirnes liegen. Erstere stellen leichter zu verstehende, sozusagen einfachere Bildungen dar und zeigen eine auf die dorsale und ven- trale Seite des Rückenmarks gleichmässig vertheilte Anordnung, in- sofern man in jedem Körpersegment je ein oberes (dorsales) und ein unteres (ventrales) Paar unterscheiden kann. Jenes führt sensible, dieses motorische Fasern.

So leicht die erste Entstehung des centralen Nervensystems zu ver- folgen ist, so schwer gelingt es mit derjenigen des peripheren. Diese An- gelegenheit ist deshalb bis auf den heutigen Tag noch zum Theil Gegen-

Nervensystem. 173

stand der Controverse, und dies gilt speciell für die Anlage der Spinal- ganglien resp. der dorsalen Spinalnerven.

Dabei handelt es sich aber, wie J. Beaed gezeigt hat, nicht um jenen Bezirk, welchen His als Zwischenstrang bezeichnet hat, sondern um diejenige Zone des Ektoderms, welche zwischen jenem und dem Medullarrohr liegt.

Was meine eigene Ansicht hierüber betrifft, so schliesse ich mich Jenen an, welche die Ganglienanlage nicht aus der Yerschlussstelle des Neural - Rohres, sondern aus dem an die M edul larplatt e an- grenzenden Theil des äusseren Keimblattes ableiten. Es erscheint also die Anlage der Spinalgangliea und dasselbe gilt, wie ich später zeigen werde , auch für die Ganglien der Hirnnerven bereits präformirt, bevor das centrale N er ve nsystem zum definitiven Rohr geschlossen wird, d.h. sie werden sozusagen von der Peripherie her in letzteres mit übernommen.

Nachdem die Ganglien gebildet sind, existirt in der Fötalzeit eine kurze Periode, in welcher dieselben weder mit der Peripherie noch mit dem Neuralrohr in Verbindung stehen (offenbar ein cänogenetischer Vorgang). Eine solche wird nach beiden Seiden hin dadurch erreicht, dass aus den in den Ganglien enthaltenen Zellen Axencylinder sowohl in centrifugaler als cen- tripetaler Richtung aussprossen und t^o zur Bildung der dorsalen oder sen- siblen Nervenwurzeln des Rückenmarks führen. Letztere beziehen also ihr Material aus den 8p i n al gan glien , während die motorischen Wurzeln aus der ventralen Zone des Rücken- marks entstehen. Ob es sich dabei, wie His und Andere annehmen, nur um ein Auswachsen von Axencylindern oder, was mir viel wahr- scheinlicher dünkt, um eine z elli ge Anlage der Nerven handelt, erscheint noch nicht sicher ausgemacht. Für den letzteren Modus sprechen die Arbeiten von Balfofb, Beaed und van Wlthe,

Was die G eh im nerven anbelangt, so fallen sie unter denselben genetischen Gesichtspunkt wie die Spinalnerven, d. h. sie entstehen theils direct aus der ventralen Partie des primitiven Hirn- rohres, also nach Art der motorischen Rückenmarksnerven (N. ocu- lomotorius, trochlearis, abducens, accessorius und hy- poglossus [ventrale Partie]), theils nehmen sie ihren Ursprung rechts und links von der dorsalen Mittellinie. Dabei handelt es sich um einen ähnlichen Entwicklungsmodus , wie ich ihn oben bei den dorsalen Spinalnerven geschildert habe. Die proliferi- rende Zellmasse erstreckt sich also in Form eines continuirlicheu, strangartigen Gebildes („Nervenleiste" der früheren Autoren) nicht nur längs dem ganzen Rückenmark, sondern greift auch auf das Gehirn und zwar fast bis zu seinem Vorderende über. Hier wie dort diti'eren- zirt sich nun jene Zellmasse, welche ursprünglich ein ganz gleichmäs- siges Waclisthum zeigt, in Ganglien, aus welchen im Bereich des Gehirnes der N. trigeminus, acustico- facialis, glosso- pharyngeus und vagus hervorgehen.

Das Ursprungsgebiet aller dieser Nerven liegt also anfangs ganz in der axialen Verlängerung des sensiblen Wurzelgebietes des Rückenmarks, d. h. auf der dorsolateraleu Grenze des Neuralrohres, bald aber machen sich Unterschiede bemerklich. Während nämlich die dorsalen Spinal- wurzeln an ihrem locus nascendi verharren, rücken die betreÖenden Cerebralnerven -W^urzelu (offenbar unter dem Einfluss des sich aus-

174 Specieller Theil.

bildenden Gehirns) basalwärts herab und nehmen so eine von den dor- salen Spinalwurzeln gänzlich verschiedene Lagerung ein.

Die hierin sich ausprägende Difierenz ist geAviss sehr bemerkens- werth , allein von ungleich höherer Bedeutung ist der Umstand , dass die in Frage stehenden Hirnnerven gemischter Natur sind, d. h. dass sie aus sensiblen und m otorischen Elementen be- stehen. Die letzteren versorgen aber nicht etwa, wie dies für die ventralen H i r n n e r v e n gilt , Muskeln , welche aus den K o p f - somit en stammen (Augenmuskeln und einige Muskeln, die vom Kopf zum Schultergürtel ziehen), sondern sie stehen zu Muskeln in Beziehung, welche aus den Seiten platten hervorgehen. Auf Grund dieses Ver- haltens kann das BELL'sche Gesetz für den Kopfabschnitt der Wirbel- thiere nur eine sehr eingeschränkte Geltung beanspruchen (J. W. van Wljhe).

Der obigen Darstellung liegen im Wesentlichen Beobachtungen an S e- lachier-Embryonen zu Grunde und dies verbürgt den ursprüng- lichen Charakter der betreffenden Verhältnisse. Gleich- wohl kann ich nicht umhin, an dieser Stelle der Untersuchungen von W. His über die Entwickelung der menschlichen Gehirnnerven Erwähnung zu thun, da hier einige Punkte zur Sprache kommen , welche beweisen, dass über die schwierige Frage nach der Urgeschichte der Hirnnerven wohl noch lange nicht das letzte Wort gesprochen werden kann. Ich lasse dabei ganz unerörtert, ob und inwiefern es sich dabei um eine Verwischung der ursprünglichen Verhältnisse, beziehungsweise um das Auftreten von secun- dären Erscheinungen handelt.

His spricht von motorischen Vagus-, Glossopharyngeus- und Trigeminuskernen und stellt dabei den gesammten Facia- lis (!) ebenfalls in diese Kategorie. Alle diese Kerne, und dahin gehören auch diejenigen des Accessorius, liegen in der Vorwärtsverlängerung der Seitenhornzone des Rückenmarks.

Im Gegensatz dazu liegen die Kerne der Augenmuskelnerven und des Hypoglossus in der Verlängerung der der Vorderhornzone des Bückenmarkes angehörigen ventralen Spinalnerven. Da sich aber bei der Bildung der letzteren sowohl Seitenhorn- als Vorderhorn- Elemente betheiligen, so kann von keiner engeren Parallele zwischen beiden die Rede sein. Es handelt sich also vom Halsmark d. h. vom Auftreten des Accessorius an, um eine Spaltung des bandartigen motori- schen Rückenmark - Kernes in zwei langgezogene Parallel -Kerne, die sich aufs Gehirn fortsetzen. In der oberen Kernreihe wären die motorischen Theile des Trigeminus, Gl o s so p har y ng e us, Vagus, der gesamte Facialis und der Kopftheil des Accesso- rius, in der unteren (ventralen) die Augenmuskelnerven und der Hypoglossus zu suchen.

Wir haben also wohl im Auge zu behalten, dass im B er eich jed e s dorsalen (sensi blen) Nerven, mag er dem Gehirn 0 der dem Rückenmark angehören, ursprünglich ein Spill alganglion liegt, während ein solches den ventra- len Nerven gänzlich abgeht.

Im Allgemeinen gilt nun der Satz, dass sich beide Nervenwurzeln jenseits des Ganglions mit einander vereinigen ; allein Vieles spricht da- für, dass die Vorfahren der heutigen Wirbelthiere getrennte dorsale

Nervensystem. 175

und ventrale Nerven wurzeln besessen haben müssen, wie dies bei Amphioxus und den P etromyzonten heute noch der Fall ist 0-

Von jenem Vereinigungspunkt an theilt sich der gemeinsame Stamm wieder in einen dorsalen, ventralen und intestinalen Zweig. Ersterer geht zur Musculatur und Haut des Rückens, der ventrale versorgt die seitlichen und ventralen Körperwände, der intestinale da- gegen geht Verbindungen mit jenem Nervensystem ein, das wir oben als sympathisches bezeichnet haben.

1) Rückenmarks nerven.

Während das ol)ere und untere Nervenpaar im Allgemeinen in einer und derselben Querebene hegt, findet bei Amphioxus 2), den Cy- clostomen, Sei ach lern und D i p n o e r n insofern eine Abweichung von dieser Regel statt, als sich mit einer asymmetrischen Verschiebung der/Somiten ein alternirendes Verhalten der Nervenaustritte zwischen rechts und links verbindet, oder als immer ein vorderes Paar mit einem hinteren abwechselt. Auch ])ei G a n 0 i d e n tritit man noch seit- liche Verschiebungen der Nervenwairzeln.

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i i ; : i 1 ! i i i i i i tÜ"

Fig. 160. Kopfnerven und Plexus axillaris von Salamandra atra. R. ophthalmicus, T'* K. maxillaris , Vc R. mandibulaiis Trigemini , ff Durchtritt des R. ophthalmicus in die Nasenhöhle, nach vorne zur Schnauze durchbrechend (1'"), VII Facialis, Vlla sein R. hyoideo-mandibularis, Vllb sein R. palatinus, welcher bei * in die Nasenhöhle eintritt. Co Verbindungsschlinge zwischen Facialis und Glossopharyngeus {IX) ^ IXa Zungenast des Glossopharyngeus, IXa sein Schlundkopf-Ast, A" Vagus. XI Accessorius Willisii, XII Hypoglossus (die zwei ersten Spinalnerven). 1 5 die ersten 5 Spinalnerven, PI. brach. Plexus brachialis, Sy Grenzstrang des Sympathicus, bei Sy'^ mit den Spinalnerven sich verbindend, Or Orbita, M Maxilla.

Während bei Fischen bezüghch der Nervenaustritte (durch die Intercalar stücke, durch die Bogen oder zwischen denselben) die allermannigfachsten Variationen vorkommen, treten die Spinal-Nerven

1) Bei Bdellostoma und Myxine kommt es zu einer Vereinigung der dorsalen und ventralen Wurzeln.

2) Bei Amphioxus alterniren die Nerven nicht nur zwischen rechts und links, son- dern ein dorsaler wechselt auch stets mit einem ventralen ab, so dass ein dorsaler Nerv rechts auf denselben Querschnitt fällt mit einem ventralen links. Die beiden Hirnnerven- Paare dieses Thieres sind nicht verschoben. *

176 Specieller Theil.

vou den Ampliibieu au in der Regel jederseits z wisch e u deu Boueu durch die Foramina transversaria hervor.

lu ihrem ursprüughcheu. iudifierenten Yerhalteu habeu wir uus die Spiualuerveu so vorzustelleu . dass sie sich iu streug metauierer Au- orduimg und gleicluuässigeui Eutwickhmgsgrad aui Körper verhreiteu. Dieser "wird, wie ich bei der Schilderimg des Rückeumarkes schou au- gedeutet habe, diu'ch das Auftreteu vou Extr emitäteu dahiu modi- ticirt. dass eiue grössere Auzahl vou Spiuahierveu zu Plexusbildungen zusamuieutritt. cüe mau ihi-er Lage uach als PI. eervicalis. brachia- lis. lumbalis uud sacralis bezeichuet. Die Zahl der sie compo- uireudeu Xerveu. sowie die Stärke der letztereu steht gewöhulich iu gerader Proportiou zur Eutwickluug der Extremität: doch kauu hier auf eiue specielle Schilderimg uicht eiugegaugeu werden, uud es sei uur das AUeruöthigste bemerkt.

Im Gegensatz zu den Fischen, deren Plexusbilduugen sich ihrer grossen Variationsbreite wegen unter keinen einheitlichen Gesichtspunkt bringen lassen, tritt vou deu Amphibien an durch die ganze Thier- reihe hindurch eiue typische Gruppirung der Aeste des Plexus bra- chialis auf. Mau unterscheidet näudich: 1) Xu. thoracici supe- riores (X. dorsalis scapulae und X. thoracicus posterior s. lateralis der menschl. Anatomie). 2) Xu. brachiales superiores, Homo- loga der menschUcheu Xu. subscapulares, cutaneus brachii internus minor ^mit Beschränkung), axillaris und radiahs. 3) Xn. brachiales in- feriores und thoracici inferiores (X'^n. thoracici s. pectorales anteriores, cutaneus brachii internus major s. medius. musculo-cutaneus, medianus und ulnaris vmit Beschränkung).

Der Plexus lumbalis uud sacralis zeigt im Allgemeiueu, zu- mal bei Säugern, ^iel grössere Schwankungen als der Plexus brachiahs. Die aus ihm entspringenden Xerven werden als Obturatorius, Cru- r a 1 i s und I s c h i a d i c u s beschi'ieben. Letzterer zerfällt an der fi-eien Extremität in einen X. tibialis und fibularis.

Bei Thieren, velche der Extremitäten schon lange verlustig ge- gangen sind, ist auch in der Eegel jede Spur der betreffenden Plexusbildungen rersch-wunden. Dies gilt z. B. für die Schleichenlurche und den hinteren Eumpfabschnitt von Siren lacertina. Schlangen dagegen besitzen noch einen aus zwei bis drei Xerven gebildeten Plexus bra- ch ialis, welcher auf den einstigen Besitz von vorderen Extremitäten hinweist und an den Plexus brachialis der Schleichen erinnert i). Auch vereinzelte Beste der Schultermusculatur sind noch nachweisbar.

Aehniich verhält es sich auch mit der hinteren Extremität der Schlangen, von der aber ihres conservativeren Charakters wegen zuweilen nicht nur der Plexus nervosus, sondern auch noch Muskeln und Skeletreste erhalten geblieben sind. Die allmähliche Verlängerung des Bumpfes muss als das Causalmoment der Beduction der Gliedmassen angesehen werden.

Falls von der vorderen und hinteren Extremität nichts mehr erhalten ist als der Plexus, so versorgt derselbe die Hautmusculatur.

Die letzten Ursachen der Plexusbilduugen liegen 1) iu der häufig zu constatireuden, in der Phylogenese uud theilweise auch in der Ontogenese sich ab.spielenden Verschiebung des Extremitäteugürtels. wcjbei tlie betreffende Gliedmasse zu um so mehr Spinaluerven Be-

1) Vergl. auch die oben scliou citirte Arbeit von v.\x Bemmelen.

Nervensystem.

177

zieliuügen eingelit, je weiter jene sich erstreckt; 2) in der Art und Weise der Extremitätenanlage durch Zusammentritt einer S u m m e von Ur- wirbehi (vergl. das Gliedmassenskelet der Selachier).

2) Gehirnnerven.

Das Uebereinstimmende in der Genese der Rückenmarks- und Gehirnnerven ist früher schon hervorgehoben worden, zugleich wurde aber auch auf die grossen Schwierigkeiten hingewiesen , die sich dem Versuch, einen Einblick in die ursprünglichen Verhältnisse zu gewinnen, entgegenstellen.

Diese Thatsache kann nicht befremden, wenn man erwägt, dass das Gehirn von der Urgeschichte des Kopfes nicht zu trennen ist, und dass alle die hierbei in Frage kommenden Factoren ihren umbildenden und modificirenden Einfluss in gleicher Weise hier wie dort bethätigt haben müssen.

Trotz alledem aber haben zahlreiche, im Laufe des letzten Jahr- zehntes unternommene und in zielbewusster Weise durchgeführte Unter- suchungen zu Resultaten geführt, die, wenn sie auch noch Manches un- erklärt lassen , doch einen gewaltigen Fortschritt unseres Wissens bedeuten und noch weitere Aussichten eröffnen. Obenan steht in dieser Beziehung die Arbeit von J. W. van Wijhe über den Kopf von Se- lachier-Embryonen, wodurch der Beweis erbracht wurde, dass sich die Nerven (abgesehen vom Olfactorius und Opticus) auch im Bereich des Kopfes auf einzelne Ursegmente in ähnlicher Weise wie am Rumpf vertheilen lassen. Ver- gleiche hierüber die folgende Tabelle, welche, mit Ausnahme weniger den Vagus und Hypoglossus betreffender Punkte, auf den Wijhe- schen Angaben beruht.

üebersichtliche Darstellung- der segmentalen Verbreitung der Hirnnerven mit Zugrundelegung- der Kopfmetameren.

Metamer I

(M. rectus sup., inf., in- ternus und Obliquus in- ferior).

M etamer II (Obliquus sup.)

Metamer III (Rectus externus).

Metamer lY (Früh abortiv werdende Muskeln).

M etam er V (Früh abortiv werdende Muskeln.)

Ventrale Aeste

Oculomotorius (III)

Trochlearis (IV)

Abducens (VI)

fehlt

fehlt

Dorsale Aeste

Ram. ophthalmicus profundus desTri- geminus (V).

Trigeminus (V) nach Abzug des Ram. oph- thalmicus profuu- d US.

Acusticus (VIIT) und Facialis (YII).

Glossopharyngeus

(IX).

Wiederslieim, (ii'undriss der vergl, Anatomie. 2. Aufl.

12

178

Specieller Theil.

Metamer YI und VIE

Metamer Vllt und IX

"V Zwei vordere, d. h. oral- / wärts gelegene Wurzeln * des Hypoglossus.

\i

Zwei hintere, d. h. abo-

alwärts gelegene Wur-

I zelndesHypoglossus.

Vagus ^)

Im Schwund begriffene in der Hegel nur noch in embryonaler Zeit auftre- tende Hypoglossus- wurzeln.

Die Aenderung der WuHK'schen Tabelle entsprang gewissen Funden, die ich am Dipnöer-Gehirn gemacht hatte. Ich besprach mich darüber mit VAN WiJHE, und das Folgende ist nun unsere gemeinsame Auf- fassung der Beziehungen des Vagus zum Hypoglossus.

Bei Scyllium -Embryonen existiren vier occipitale Myo- tome, wovon die drei hinteren je eine ventrale Nervenwurzel besitzen. Beim vordersten, sehr rudimentären Myotom ist eine ventrale Wurzel on-

Fig. 161. Hai b seh em a t is ch e Darstellung der segmentalen Kopf- nerven mit Zugrundelegung des Selachierschädels. N, A, O die 3 Sinnesblasen, Tr Trabekel, Q und PQ Quadratura und Palatoquadratum, bei f mit den Trabekeln durch Bindegewebe verbunden, M Mandibel, L, Z/i Labialknorpel, H Hyoman- dibulare, K Hyoidbogen, a e ächte Kiemenbogen, zwischen welchen die Kiemenspalten (/ V) sichtbar sind, -S' Spritzloch, C Chorda, TF, W Wirbelkörper, V N. trigeminus, 1, 2, 3 seine 3 Haupt-Aeste, Ep sein Ramus palatinus, VIl N. facialis, Bp sein Ramus palatinus, IX^ X Glossopharyngeus und Vagus.

togenetisch nicht mehr nachzuweisen, muss aber früher dennoch vorhanden gewesen sein. In einem gewissen Embryonalstadium kreuzt der Vagus das I. und IL Myotom, bei Myotom III und IV dagegen treten besondere dorsale Wurzeln auf, die später wieder schwinden (Feoriep). Auf Grund dessen ist die Annahme erlaubt, dass der ontogenetisch nicht mehr zur Anlage kommende und der nächst hintere Strang des Hypoglossus zum Vagusgebiet gehört. Diese Er- wägungen erhalten eine willkommene Bestätigung durch die Verhältnisse bei Dipnoern und 'zwar speciell bei Protopterus. Hier sind noch alle vier Hypoglossusstränge vorhanden (Fig. 165). Die zwei er- sten, ganz im Mveau des Vagus liegend, gelangen zu dessen Ganglion, die zwei hinteren brechen durch besondere Oeffnungen am Schädel hindurch. Jenseits desselben aber kommen alle vier wieder zur Vereinigung und auch

1) Im Vagusgebiet sind unzweifelhaft Myotonie ausgefallen, welche auch ontogenetisch nicht mehr auftreten.

Nervensystem. 179

der I. Spinalis liefert noch eine Anastomose. So liegen also in den Kopfnerven des Protopterus, der allein unter allenVerte- braten auch noch zeitlebens dorsale Hypoglossuswurzeln besitzt, noch primitivere Verhältnisse vor, als bei Sela- chi ern.

Was den elften Hirnnerven, den Accessorius Willisii an- belangt, so steht derselbe in nahen Beziehungen zum motorischen Theil des Vagus, tritt aber erst von den Reptilien an deutlich in die Er- scheinung. Seine spinale Natur liegt klar vor Augen.

Bevor ich nun zur Besprechung der einzelnen Gehirnnerven über- gehe, muss ich eines interessanten, von van Wi.the, Beaiid und Froriep gemachten Fundes gedenken.

Es handelt sich nämlich bei den Embryonen höherer und niederer Wirbelthiere um eine Verschmelzung der Ganglienanlagen des Facialis, Glossopharyngeus und Vagus mit dem Epithel der äusseren Haut. Letzteres wuchert und verdickt sich an der betreffenden Stelle, d. h. am dorsalen Rand der in den Bereich jener Nerven fallenden Kiemen spalten. Immer schärfer von der Nachbarschaft sich abgrenzend, macht nun das Gebilde den Eindruck, als wollte es zur Anlage eines Hautsinnesorganes („branchial sense organ") kommen. Zugleich aber rückt die gangiiöse Zellmasse mit der damit verbundenen epithelialen immer tiefer ins mesodermale Gewebe hinein.

Bezüglich der Consequenzen, die Beärd aus jenen ,,br an chial en Sinnesorganen" zieht, verweiseich auf mein Lehrbuch der vergl. Ana- tomie und erwähne hier nur noch den Kamus lateralis N. vagi. Auch bei der Anlage dieses vom Kopf bis zum Schwanzende (vergl. die Sinnesorgane) sich erstreckenden Nerven der Fische und wasserbewohnenden Am- phibien — und ebenso verhalten sich alle zu den Hautsinnesorganen in Beziehung stehende Nerven der Anamnia, mögen sie im Bereich des Tri- geminus. Facialis, Glossopharyngeus oder Vagus liegen handelt es sich um eine so innige Verschmelzung des Nerven mit dem im Bereich der Li n ea lateralis sich verdickenden Hornblatte, dass man an jenen Stellen, wo beide eng aneinander liegen, nicht sicher entscheiden kann, ob an der Uebergangsstelle die Zellenkerne zum Nerven oder zu dem betreffenden Hautsinnesorgane gehören. Diese Befunde sind wichtig wegen der oben erwähnten Controverse, die bis dato noch bezüglich der Frage nach der Entstehung der peripheren und in specie der sensiblen Ner- ven besteht.

Nervus olfactorius.

Der Riechnerv besteht überall aus einem Complex von Fasern, und zwar aus blassen, welche aus dem Lobus, beziehungsweise Bulbus olfactorius entspringen. In seinem Bereich wird nie ein Somit ge- troffen.

Was den schon früher erwähnten Lobus olfactorius betrifft, so stellt er einen Appendix des secundären Vorderhims dar, in welchen sich das Ventrikelsystem fortsetzt. Er bleibt zuweilen mit der Hemi- sphärenmasse in breitester Verbindung, oder aber er rückt mehr oder weniger weit davon ab und führt so zur Bildung des sogenannten Tractus olfactorius , der an seinem Ende eine kolbige Anschwellung

12*

180 Specieller Theil.

trägt (Bulbus olfactorius), welche ebenfalls noch unter den Gesichts- punkt eines Hirntheiles fällt.

Aus dem Bulbus entspringt dann in diesem Falle erst der eigent- liche Riechnerv mit einer grösseren oder geringeren Zahl von „Filameiita olfactoria".

Hinsichtlich der Form und Grösse des Lobus und Bulbus olfac- torius, sowie auch in der Lauge und Stärke des Tractus olfac- torius existiren zahlreiche Variationen. Dieses gilt auch für die Faser- zahl, beziehungsweise für die Gesammtstärke des Nerven selbst. Auch die Zahl seiner Wurzeln schwankt beträchtlich. Während z. B, die verschie- deneu, anfangs wohl von einander getrennten Nervenstränge der Teleostier und Säuger in der Regel sich bald enger aneinanderlegen, um zu einem Stamme zu verschmelzen, kommen sie bei manchen Amphibien, wie z. B, bei Pipa dorsigera, erst kurz vor ihrem Eintritt in die Riechkapsel zur Vereinigung, ein Verhalten, das wir bei Gymnophionen (Epicrium glutinosum) insofern noch weiter ausgebildet finden, als hier das schwächere dorsale und das ungleich stärkere ventrale Paar vollständig getrennt bleibt und durch besondere, weit von einander entfernte Oeffnungen das Ethmoid durchbohrt (Wiedeesheim).

Bei allen Amphibien, ausser Menopoma, ferner bei sämmtlichen Reptilien und Vögeln, endlich auch noch bei Monotremen, existirt keine Lamiua cribrosa, sondern der Riechnerv tritt mit seinem ganzen Stamme, also ungetheilt, in die Nasenhöhle. Von den Mar supi ali ern an auf- wärts findet sich dagegen stets eine solche und die aus dem Bulbus olfac- torius entspringenden Fasern treten oft in mehreren Parallel-Reihen neben einander aus.

Nervus opticus.

Wie früher schon erwähnt, geht der Sehnerv aus dem Stiel jener Ausstülpung des primären Vorderhirns hervor, die man mit dem Namen der primitiven A u g e n b 1 a s e bezeichnet. Er stellt also einen H i r n- theil dar und zeigt insofern verwandtschaftliche Beziehungen zum Lo- bus olfactorius.

Auf seine Entwicklung, die von derjenigen der Netzhaut nicht zu trennen ist, wird bei der Anatomie des Sehorgans näher eingetreten werden.

Im Allgemeinen steht der Sehnerv in geradem Verhältniss zur Grösse der Augen, lieber seine Lagebeziehungen zum Gehirn habe ich früher schon Mittheilung gemacht, und ich verweise deshalb auf die Schilderung des Zwischenhirns.

In den meisten Fällen kann man am Sehnerv drei, mehr oder weniger scharf diöerenzirte Abschnitte unterscheiden , die man als Tractus, Chiasma und Nervus zu bezeichnen pflegt.

Ein Chiasma, d. h. eine, wenn auch nicht überall vollkommene, Durchkreuzung der beiden Sehnerven ist wohl stets vorhanden , wenn sie auch nicht überall an der Hinibasis frei zu Tage liegt, sondern, zuweilen, wie z.B. bei Myxinoiden, Dipnoi und zum Theil auch bei Petromy zonteii, in die Hirnsubstanz tief eingesenkt ist und so ihre ursprüngliche centrale Lage bewahrt.

Während es sich bei den meisten T e 1 e o s t i e r n nur um eine ein- fache Uebereinanderlagerung der beiden Sehnerven handelt (Fig. 162 A),

Nervensystem.

181

tritt bei einigen (Harengus, Engraulis) der eine Opticus durch einen Schlitz dos andern hin- durch und dieses Verhältniss sehen wir bei Repti- lien immer weiter gedeihen, bis schliesslich eine sehr complicirte, gegenseitige Durchflechtung zu Stande kommt (Fig. 162 B— D). Am feinsten und zartesten erscheint dieses korbartige Geflecht bei S äu g e t h i e r e n , wo es schhesslich nur noch durch Schnittserien analysirbar wird.

Augenmu skelnerven.

Die Augenmuskelnerven, d. h. der 0 c u 1 o m o - 1 0 r i u s, T r 0 c h 1 e a r i s und A b d u c e n s, versorgen die den Bulbus o c u 1 i bewegenden Muskeln , wie ich dies in der oben aufgestellten Liste über die metamerische Vertheilung der Kopfnerven näher präcisirt habe (vgl. p. 177).

Fig. 162. Chiasma nervorum opticorum. Halbsche- matisch. '"''' "^^ Co

A. Von der grösseren Mehrzahl der Fische. J5 Vom Häring. C Von agilis. D Von einem Agamen. E Von einem höheren Säuger , Chi Chiasma innen liegenden Nervenbündel Cc, Ce^, S, S^ Seitenfasern, Co (7ommissur.

Lacerta der nach

Der N. oculomotorius, welcher den M. rectus superior, in- ferior, internus, sowie den M. obliquus inferior versorgt, ent- springt am Boden des Mittelhirns. In seinem Bereich entsteht ein unter dem Namen des Ganglion oculomotorii bekannter Nerven- knoten, auf den ich beim Trigeminus zurückkommen werde.

Der Trochlearis tritt, trotzdem dass sein Kern ventral liegt, dor- salwärts an der hinteren Peripherie des Mittelhirns aus und führt ursprünglich nicht nur motorische, sondern auch sensible Fasern, welch letztere bei Fischen und Amphibien zur Bindehaut des Auges und zum Endocranium laufen. Auch der Abducens, der stets weit hinten, am Boden der Medulla oblongata hervortritt, enthält bei den A n a m n i a wahrscheinlich gemischte Fasern. Bei A n u r e n verschmilzt er intracraniell mit dem Ganglion Gasser i.

NeiTus trigeminus.

Dieser Nerv, welcher vorne, seithch von der Medulla oblongata, beziehungsweise aus der Brücke entspringt, ist neben dem Vagus der stärkste Gehirnnerv. Seinem Namen entsprechend zerfällt er jederseits in drei Hauptzweige, nämlich einen ß. ophthalinicus (erster Ast), einen ß. maxillaris (zweiter Ast) und einen ß. mandibularis (dritter Ast). Der erstgenannte hat eine getrennte Anlage, während der zweite und dritte Ast ursprünglich nur einen einzigen, dem B. mandi- bularis entsprechenden Stamm darstellen, aus welchem der Bamus maxillaris im Lauf der Ontogenese erst secundär hervorsprosst. Der Durchbruch durch den Schädel erfolgt entweder nur durch eine einzige, oder durch zwei oder gar durch drei Oeffnungen, wobei sich die einzelnen

182

Specieller Theil.

Wurzeln entweder in einem einzigen grossen Ganglion (G. Gasseri)^) vereinigen oder zwei getrennte Ganglien, je eines für den R. ophthal- miciis und den Ramus maxillo-mandibularis aufweisen.

Ausser den genannten drei Trigeminusästen findet sich, und zwar be- sonders deutlich bei Selachiern, Ganoiden und Dipnoern, noch ein zweiter in der Augenhöhle liegender Trigeminusast, so dass man, ihrer gegenseitigen Lage am Dach der Orbita entsprechend, einen Ramus oph- thalmicus superficialis und profundus-) und im Ganzen also vier Trigeminus-Aeste unterscheiden kann. Beide Ophthalmici sind sensibel und stehen zur 0 r b i t a (Conjunctiva, Thränendrüse, Bulbus oculi, Li- der), Stirn- und Schnauze ngegend in Beziehung.

Schon innerhalb der Amphibiengruppe erlischt der R. ophthal- micus profundus als selbständiger Nerv und bleibt von nun an bis zu den Säugern hinauf als Ramus naso-ciliaris enge gebunden an den eigentlichen Ramus I Trigemini (R. ophthalmicus superficialis).

Durch eine Verschmelzung des distalen Endes vom Ophthalmicus profundus mit der Haut (vergl. die „branchialen Sinnesorgane") entsteht ein Ganglion („G. mesencephali", Beabd), welches jedoch nur vor- übergehend (in foetaler Zeit) eine selbständige Bildung darstellt. Später (so wenigstens nach Beaed bei Selachiern) vereinigt es sich mit dem GASSEK'schen Nervenknoten. Es handelt sich also um das Gang- lion der dorsalen Wurzel eines Cranialnerven, ganz wie bei den Ganglien des Trigeminus, Glossopharyngeus etc.

Inwieweit das Ganglion ciliare der höheren Thiere dem Gang-

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Fig. 163. Kopfnerven und Plexus axillaris von Scyllium canicula. // Opticus, /// Oculomotorius, IV Trochlearis, V Ramus superficialis, Va Ramus profun- dus des I. Trigeminus (beide anastomosiren bei * innerhalb der Nasenhöhle), Vhc- R. maxillo- mandibularis, I'* R. maxillaris, I'c R. mandibularis, F/ Abducens, ('// Facialis, F//a sein Ram. hyoideo-mandibularis, 1'//'' sein Ram. palatinus , /A' Glossopharyngeus , A' Vagus, U-lat sein R. lateralis, jyj Kiemenspalten, 1 14 die 14 ersten Spinalnerven, den Plexus brachialis {Pl.hrach) bildend, O Ohrkapsel, Sp Spritzloch, Or Orbita, 3IS Mundspalte.

1) Der Gasse K 'sehe Knoten kann innerhalb oder ausserhalb der Schädelhöhle liegen.

2) Der R, ophthalmicus profundus (vgl. p. 177) entspricht wahrscheinlich der dorsalen Wurzel des Oculomotorius (van Wi.jnE). Im R. ophthalmicus superficialis hat man eine Portio minor und major zu unterscheiden; erstere gehört zum Trigeminus selber, letztere zum Facialis (Scuwalhe),

NerTensystem. 183

^+ 4 IfVv" C O S\^]X:JJJT ,7 4 j <7

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Fig. 164. Kopfiierven von Anguis fragilis. G Ganglion Gasseri, von dem die drei Trigeminusäste F", Vh und l''' ausstrahlen, nach hinten davon Hegt eine schlingen- artige Commissur des Sympathicus (Sy und Co), welche den Trigeminus mit der Vagus- gruppe (/A', A') in Verbindung setzt. Von dieser Commissur entspringt ein sympathisches Ganglion (G(j) , sowie eine Verbindungsschlinge (Si/m) zu dem sympathischen Ganglion Gg^. Vlla, Vllb der Facialis durch zwei getrennte Oeffnungen durchbrechend, -j- Ver- bindung des Ramus palatinus des Facialis mit dem R. maxillaris Trigemini. * f Durch- bruch des R. ophthalmicus Trig. in die Nasenhöhle. Mm, Mm Zweige des R. mandibularis zu den Kaumuskeln. GX Ganglion N. vagi, Li Laryngeus inferior, Ri R. intestinalis N. Vagi, XII N. hypoglossus (die zwei ersten Spinalnerven, die 3 6 folgenden Spinalnerven, O Ohrkapsel, Scap Scapula, A Auge, D, Z)' Thränendrüse und Harder'sche Drüse.

lion mesencephali der Selachier entspricht, müsseo künftige Un- tersuchungen zeigen.

Was nun den II. Trigeminus betrift't, in dessen Bereich sich das Ganglion rhinicum entwickelt, so ist er ebenfalls rein sensibel, geht aber mit dem Facialis Verbindungen ein.

Er verläuft in seinem ersten Abschnitt am Boden der Orbita, ver- sorgt die Glandula lacrimalis und Harderiana, begibt sich dann an den Oberkiefer, bricht als Ramus infraorbit alis hervor, versorgt die dortige Haut und strahlt (zuweilen in gewaltiger Stärke) an die Nase (Rüssel) und die Oberlippe aus.

Der III. Trigeminus ist gemischter Natur; einerseits für die Kaumusculatur bestimmt, erzeugt er andrerseits den starken Ge- fühlsnerv der Zunge (R. lingualis) und durchsetzt mit einem weiteren Zweig den Unterkiefercanal, versorgt die betrejftenden Zähne und bricht mit einem oder mehreren Aesten hervor zur Haut der Unterkiefer- und Unterlippengegend. Er geht durch die Chorda tympani Verbin- dungen mit dem Facialis ein (Ganglion subm axillare).

Nervus facialis und acusticus.

Der siebente und achte Hirnnerv entstehen aus einer gemeinsamen Anlage, schlagen aber dann, ihrer verschiedenen Aufgabe entsprechend, ganz verschiedene Wege ein.

Was zunächst den Facialis anbelangt, so sind seine nahen Be- ziehungen zum N. trigeminus bemerkenswerth. Dies gilt namentlich für die Fische, wo z. B. bei Teleo stiem Facialis- und Trigeminus- wurzeln gleich nach ihrem Austritt am Gehirn eine einzige, präpara- torisch untrennbare Fasermasse bilden können, so 'dass nur das physio- logische Experiment zur klaren Differentialdiagnose führt. Auch bei den übrigen Classen der Vertebraten finden sich, theils in der Wurzel-

184 Specieller Theil.

region, theils mehr au der Peripherie die verschiedenartigsten Verbin- dungen zwischen den genannten Nerven.

Der Facialis ist ursprünglich ein 'gemischter Nerv und es lassen sich an ihm ein R. hyoideo - mandibularis , palatinus und "buccalis unterscheiden. Dazu kommt noch die Portio major des Ophthalmicus superficialis (vergl. den Trigeminus).

Der erstere, d. h. der Hyoideo-mandibularis, welcher mittelst der sogen. Jacobson'schen Anastomose mit dem Glossophary ngeus in Verbindung steht, verbreitet sich, seinem Namen entsprechend , vor- zugsweise im Bereich des I. und IL primitiven Kiemenbogens, also bei Fischen in der Gegend des Spritzloches, welches er von oben her gabelig umgreift (vergl. Fig. 163), und in der den Kiemendeckel und die Branchiostegalmembran beherrschenden Musculatur. Ein letzter Rest dieses Astes versorgt bei höheren Vertebraten den M. stylo- hyoideus und den hinteren Bauch des Digastricus.

Zur mandibularen Portion gehört auch der bei höheren Vertebraten unter dem Namen der Chorda tynipaiii bekannte Pacialiszweig. Bei S e - lachier-Embryonen stellt derselbe, ähnlich wie der für die Oberkie- fer-Eegion bestimmte Ramus buccalis und die zur Orbita in Beziehung stehende Portio major des K. ophthalmicus superficialis, einen Hautsinnesast dar, welcher die in langem Zug an der Aussenseite des Unterkiefers sich hinerstreckenden Hautsinnesorgane versorgt (Stanniüs, Fe 0 Kiep).

Der Ramus palatinus zieht, wie sein Name besagt, am Dach der Mundhöhle nach vorne und versorgt die Schleimhaut der Mundhöhle. Er kann dabei Verbindungen mit dem R. maxillaris Trigemini eingehen und als sogenannter N. petrosus super- ficialis major das Ganglion rhinicum durchsetzen. Von hier aus absteigend, gelangt er bei Säugern zur Musculatur des weichen Gaumens.

Bei Säugern hat der Facialis seine sensiblen Elemente eingebüsst und tritt als rein motorischer Nerv bei höheren Typen mit seiner Hauptmasse in den Dienst der mimischen (Gesichts-) Mus kein, sowie des zu den letzteren im engsten Connex stehenden Hautmuskels des Halses, des Platysma myoides.

Der Aeusticus ist stets ein sehr kräftiger Nerv und zerfällt kurz nach seinem Austritt aus dem Gehirn in einen Ramus cochlearis und V e s t i b u 1 a r i s, Ersterer zieht zur Schnecke, letzterer versorgt den übrigen Theil des Gehörlabyrin thes. Bezüglich genauerer Details verweise ich auf das Capitel über das Gehörorgan.

Yagusgruppe.

Unter diesem Namen kann man die in engen Beziehungen zu ein- ander stehenden drei Nerven Olossophary ngeus, Vagus und Accesso- rius Willisii zusammenfassen.

Während wir es bis jetzt nur mit Gehirnnerven zu thun hatten, die sich in ihrer Ausbreitung auf den Kopf beschränken, tritt uns hier ein Nerven-Complex entgegen, der auf ein grösseres Körpergebiet übergreift und bei dem uns die Vergleichung mit spinalartigen Elementen

Nervensystem,

185

viel näher gelegt und zugleich viel leichter gemacht wird als dort. Es handelt sich nämlich von Seiten des Vagus nicht allein um Versorgung des noch im Bereich des Kopfes gelegenen Pharynx und Kiemen- apparates, sondern auch um diejenige des Herzens, sowie des Larynx, beziehungsweise des ganzen Kespirations-, sowie eines grossen Theiles des Digestionsapparates der höheren Wirbelthiere. Der für diese Organsysteme bestimmte Theil des Vagus heisst Ramus intestinalis, und dieser schickt auch Zweige zur Schwimmblase. Im Folgenden werden wir es zunächst nur mit dem IX. und X. Nerven zu schaffen haben, während der XL als eine jüngere, erst bei Amnioten in die Erscheinung tretende Bildung (vergl. oben) ge- sondert besprochen werden wird.

Bei Fischen weist der vielwurzelige Ursprung des Vagus beziehungsweise des G 1 o s s o p h a r y n g e u s, welch letzterer immer durch das vorderste Glied der ganzen Gruppe dargestellt wird, darauf hin, dass diese beiden Nerven zusammen einer Mehrheit von Spinalnerven gleich zu erachten sind. Dafür spricht auch ihre im Bereich des Vorderdarrnes und des visceralen Bogen apparates erfolgende Ausstrahlung, wobei sich eine gewisse Metamerie nicht verkennen lässt (vergl. Fig. IGl, 163).

Bei Petromyzonten besitzt der Va- gus (im engeren Sinne) vier dorsale Wurzeln, welche sich zu einem zweilappi- gen Ganglion verbinden. Aus diesem entspringt wie an jedem Spinalnerv eine dorsale und eine ventrale Wurzel, und nach vorne zu steht dasselbe durch eine Schlinge mit dem Ganglion N. facialis und dann weiterhin (indirect) mit dem Ganglion Gasse ri in Verbindung.

Wie sich der Vagus bei Selachieru und Dipnoern verhält und wie sich hier seine Beziehungen zum Hypoglossus ge- stalten , wurde oben schon erwähnt (vergl. pag. 178), Seine dorsale Wurzelmasse kann hier aus einer Menge von Fasern (bis zu sieben) bestehen ^),

Fig. 165. Gehirn von P r o to p t er u s , ven- trale Ansieht. T'if Vorderhirn, Z//Zwisclienhirn mit dem Infundibuhim {JnJ), welclies die Hypophyse {H) mit lippigem Saum {Lip) umgreift, Nil Naehhirn, R Rücken- mark, Oh Ohrkapsel. / N. olfactorius, // Opticus, * sein intracranieller Verlauf, f seine Durchtrittsstelle durch die Schädelwand , V Trigeminus mit dem Facialis ( VII) verbunden, VIII die beiden Acustici , IX die eine Wurzel des Glossopharyngeus, IX' die andere, welche sich mit dem Ganglion (6^) verbindet, XII Hypophyse, ISp erster Spinalnerv.

;///

Ein sehr starker, aus einer besonderen Wurzelportion sich con- stituirender Ast des Vagus, der oft doppelt und sogar dreifach ent-

1) Bei Selachiern, Ganoiden, Dipnoern, Teleostiern und Ichthyo- den verlässt der Glossopharyngeus den Schädel durch ein besonderes Loch, bei allen übrigen Hauptgruppen der Vertebraten existirt eine für die gesammte Vagus- gruppe gemeinsame Oeffnung,

186 Specieller Theil.

Avickelt sein kann, läuft als Bamus lateralis bei Fischen, Dipnoern und wasserbewohnenden Amphibien (resp. Am phibienlar- veu) an der Seite des Körpers nach hinten bis zur Schwanzspitze. Er liegt dabei entweder dicht unter der Haut oder, wie z. B. bei Sela- cliiern und Dipnoern, tiefer in der Musculatur in der Nähe der Wirbelsäule; er kann auch einen, längs der Rückenkante verlaufenden Zweig abgeben. (Vergl. das Capitel über die Hautsinnesorgane.)

Bei den Amnioten geht dieser Ramus lateralis Vagi bis auf unbedeutende Reste verloren.

Das Verbreitungsgebiet des (xlossopharyiigeus , welcher ebenfalls aus sensiblen und motorischen Fasern besteht, liegt bei Fischen und kiemenathmenden Amphibien vorzugsweise im Bereich des ersten, dasjenige des, ebenfalls gemischte Fasern führenden Vagus im Bereich aller nach hinten davon gelegenen Kiemenbogen resp. in deren Musculatur und Schleimhaut. Wie das Spritzloch vom Facialis dorsalwärts umfasst wird, so umgreifen, wie oben schon erwähnt, ganz in derselben Weise der Glossopharyngeus und die Vagusäste in segmentaler Anordnung je eine Kiemenöffnung mit einem vorderen und hinteren Zweige (Fig. 161, 163).

Mit der Umwandlung seines ursprünglichen Verbreitungsgebietes, d. h. des L Kiemenbogens, endet der Glossopharyngeus als Ge- schmacksnerv in der Zunge (R. lingualis) und mit einem zweiten im Pharynx (R. pharyngeus). Diese Verhältnisse bahnen sich bei den Dipnoern und Amphibien an und werden bei den Säugern zu den herrschenden.

Ein Accessoriiis Willisii tritt erst bei Reptilien deutlich in die Erscheinung und zeigt hier schon ein Verhalten, wie es durch die ganze Reihe der Säuger hindurch als typisch erscheint. Der Nerv ent- springt im Bereich des Halsmarkes, d. h. vom Niveau des 4. 5. Cer- vicalnerven an, als ein langer, immer von Zeit zu Zeit Spinalnerven auf- nehmender C 0 1 1 e c 1 0 r. Neben dem vordersten Theile des Rückenmarkes und der Medulla oblongata nach vorne laufend, gelangt er endlich in den Schädel, verlässt diesen aber sofort wieder in Gemeinschaft mit dem Vagus. Er versorgt gewisse, zum Schultergürtel in Beziehung stehende Muskeln, wie den Sternocleidomastoideus und den Trapezius. Seine morphologischen Verhältnisse sind nach vielen Beziehungen hin noch sehr dunkel.

NenTis hypoglossus.

Der zwölfte Hirnnerv, welcher stets einer Mehrheit von Nerven entspricht, besitzt sein Verbreitungsgebiet in gewissen am Boden der Mundhöhle liegenden, zwischen Schultergürtel, beziehungsweise Brust- bein und Hyoidbogen gelegenen Muskeln, sowie in den eigenen Muskeln der Zunge. Letzteres gilt namentlich für Säuger, wo jene zur vollsten Entwicklung gelangen. Er beschränkt sich aber nicht hierauf, sondern innervirt, wie oben erwähnt, ähnlich wie wir dies schon bei niederen Thiergruppen vorgebildet sahen, durch Schlingen) )ildungen mit Spinal- nerven ( A n s a h y p o g 1 0 s s i) die axialen Halsmuskeln zwischen Sternum und Zungenbeinkörper, d. h. den Ste rno-hyoide us, Stern o-thy- reoideus, Thyreo-hyoideus und den Omo-hy oideus.

Bei Dipnoern sieht man aufs Klarste, wie durch allmälige Assimi- lation der ersten Cervicalwirbel seitens des Kopfskelets (verg!. dieses) der

Nervensj-stem. 187

Hypoglossus, welcher bei gewissen Telostieru und bei Amphibien durch den I. Cervicalnerv dargestellt wird, in das Cavum cranii ein- bezogen wird. Zugleich besitzt er hier, wie oben schon erwähnt, noch zwei dorsale Würz ein, wovon aber nur noch die hintere mit einem Gangl ion ausgestattet ist (Iveesen). Dass diese dorsalen Wurzeln unsprünglich dem Hypoglossus aller Yertebraten zukamen, beweist die Thatsache, dass sie sich bis zu den Maramalia hinauf ontogenetisch noch nachweisen lassen.

Sympathicus.

Das sympathische Nerveasystem , dessen Verbreituugsgebiet , wie schon früher erwähnt, hauptsächlich im Tractus intestinalis (im weitesten Sinne), im Gefäss System und in den drüsigen Orga- nen des Körpers zu suchen ist, ist ein Abkömmling des spinalen Nervensystems.

Aus jedem Spinalganglion des Embryos sprosst nämlich ein Nerv hervor, welcher sich nach kurzem Lauf, dorsal von den Cardinalvenen, in kleine, unregelmässig gestaltete Haufen von Nervenzellen einsenkt. Aus denselben gehen die sympathischen Ganglien hervor und diese zei- gen demgemäss, so gut wie die Spinalganglien, ursprünglich eine segmen- tale Anordnung. Sie können unter sich durch L ä n g s c o m m i s s u r e n verbunden sein, woraus dann ein gegliederter, paariger Strang entsteht, den man als Orenzstrang des Sympathicus bezeichnet. Letzterer ist also eine secundäre Erwerbung. Von ihm strahlen unter reichlichen Plexusbildungen die Bahnen aus zu den oben ge- nannten Organsystemen, während andrerseits ab origine eine Verbin- dung mit dem Centralnervensystem gegeben ist ^).

Der Sympathicus beschränkt sich in seiner Lage nicht allein auf die Wirbelsäule, sondern er greift auch auf den Schädel über und steht dort mit einer Reihe von Gehirnnerven in ähnlichen Verbindungen, wie dies im Bereich des Rückenmarks mit den Spinalganglien der Fall ist.

Der ursprünglich segmentale Charakter zeigt sich später häufig verwischt, und dies gilt in erster Linie für jene Regionen, wo aus irgend welchen Gründen eine mehr oder weniger starke Modification der ursprünglich metameren Körperanlage stattgefunden hat, d. h. für die Hals-, Rumpf- und Sacralgegend.

Bei Amphioxus ist ein sympathisches Nervensystem nicht nachzu- weisen, und auch bei Petromyzonten resp. Am mo co e tes erscheint es rudimentär, d. h. es handelt sich dabei um keine Verbindung der Ganglien durch Längsstränge, es kommt zu keinem Grenzstrang. Gleich- wohl aber lassen sich zum Tractus intestinalis und zum Gefäss- System ziehende Plexusbildungen wohl constatiren 2). Ein durchgreifender

1) Ueber die Entstehung der peripheren, in den Eingeweiden liegenden sym- pathischen Ganglienzellen ist nichts Sicheres bekannt, es scheint aber der Gedanke , dass dieselben selbständig, d. h. in loco, aus mesodermalem Gewebe entstehen, nicht ausgeschlossen werden zu können.

2) Nach A. Dohrn finden sich bei Petromyzonten sympathische Ganglien- zellen nur im Bereich jenes Rumpfabschnitts, welcher sich von der Basis des sogen. Penis bis zum Ende der letzten Nierencanäle, d. h. bis zu den Nierenausführungsgängen, erstreckt. Die meisten liegen dicht unter den Afterfiossenmuskeln, über den Nierengängen, ferner aussen von der parietalen Wand der Peritonealhöhle , wiederum den Muskeln ange- lagert. Seltener trifift man sie in den Scheidewänden zwischen den beiden Nierengängen, sowie awiscJien Niereugang und Peritonealhöhle, oder aucli oberhalb des Parmroljres,

188 Specieller Theil.

DiflPerenzirungsprocess im primäreu Spinalgauglion tritt erst bei höheren Fischen auf, und zwar phylogenetisch wie outogenetisch am Kopf anfangend und caudalwärts fortrückend. So besitzen z. B. die Teleostier bereits einen wohl ausgebildeten Kopf theil des Sympathicus, während sich die Kette des Grenzstranges beim Frosch schon über den ganzen Rumpf er- streckt. Bei Dipuoern ist bis jetzt noch kein Sympathicus nachgewiesen.

Die häufig auftretenden Anomalien, welche sich im mangelhaften Auf- treten des sympathischen Grenzstranges äussern, lassen sich auf Grund der oben erwähnten Entwicklung leicht erklären. So kommt es zuweilen nur zu einer unvollkommeneu Abschnürung des lutervertebralganglions, oder es unterbleibt dieselbe gänzlich, in welchem Falle dann der sympathische Grenz- strang eine locale Unterbrechung zeigt. Wieder in andern Fällen bleibt das Verbindungsstück zwischen dem spinalen und dem sympathischen Gan- glion sehr kurz, oder es zieht sich in einen laugen Faden aus.

Bezüglich der feineren Verhältnisse, wie namentlich der Genese der Plexusbildungen des sympathischen Nervensystems, stehen wir noch ganz am Anfang unseres Wissens.

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Ueber die Glandula pineali s resp. über das Pineal-Auge handeln:

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In übersichtlicher Weise findet man das irissenschaftl. Material über das Pinealauge

zusammengestellt in den Schriften von Ch. Julin, A. Peytoureau, Beraneck

und Fr anc Ott e.

III. Sinnesorgane.

Die specifischen Endapparate der Sinnesorgane nehmen, wie das Nervensystem im Allgemeinen, ihren Ursprung aus dem äus- seren Keimblatt, dem „SinnesWatt". Stets wird es sich also um die letzte Eudigung der Sinnesnerven in Zellen von epithelia- ler Herkunft handeln, während mesodermale Elemente (z. B. als Hüllmassen) erst secundär hinzutreten.

Die einzelnen Sinnesorgane, wie z. B. das Seh-, Geruchs-, Geschmacks- und Gehörorgan, sind, wie dies später weiter aus- zuführen sein wird, als secundäre Differenzirungen eines diffusen Sinnes aufzufassen. Darauf weisen nicht nur viele Wir- bellose hin, sondern auch zahlreiche genetische Thatsachen bei Fischen, Dipnoern und Amphibien, sowie endlich das niederste Wirbelthier, der A m p h i 0 X u s.

Von den Cyclostomeu an ist die Differenzirung bereits angebahnt und wir sehen von nun an die mit dem Seh-, Riech-, Schmeck- und Höract betrauten Sinnesorgane durch die ganze Wirbelthier-Reihe hin- durch strenge an den Kopf gebunden. Hier erscheinen sie in bestimmte Buchten und Höhlungen des Schädels („Sinneskapseln") einbezogen und stehen dadurch in einem gewissen Gegensatz zu der zweiten grossen Gruppe von Sinnesorganen, die das Tast-und Temper aturgefühl, sowie andere Sinneseindrücke vermitteln. Diese letzteren lassen z. gr. Th. eine über die ganze Körperoberfläche sich er- streckende, also eine diffuse Verbreitung erkennen, und

190

Specieller Theil.

zweitens 1) leiben sie z. gr. TU. im Niveau ihres locus na- sceucli, d. h. der Haut, zeitlebens verharren.

Bei den h ö h e r e u Sinnesorganen hat man stets zweierlei Zellen zu unterscheiden, die jedoch genetisch unter einen und denselben Gesichtspunkt fallen. Zunächst handelt es sich um die eigentlichen, durch Nervenbahn en mit dem Centralapparat verbundenen stäb- chenförmigen Sinneszellen, und dann um Stützzellen, welch letz- tere zugleich als Füll- und Isolirungsmaterial dienen.

Das die Endorganc der höheren Sinnesapparate umgebende Medium muss stets ein feuchtes sein, und da letzteres auch bei dem H a u t s i n n der Fische, der D i p n o e r und wasser bewohnenden Amphibien in Betracht kommt, so werden wir auch hier, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, dieselben oder doch ähnliche ner- vöse Endapparate erwarten dürfen.

Diese Erwartung wird denn bestätigt, insofern wir auch hier stäbchenförmigen Sinneszellen begegnen, ohne dass jedoch der in letztere eintretende Nerv, wie dies bei den höheren Sinnesorganen stets der Fall ist, eine Ganglienzelle durchsetzt. Es handelt sich also in diesem Fall um einen niedrigeren Diüerenzirungsgrad.

Wird das Wasserlel^en aufgegeben, steigen also die Thiere ans Land, so trocknen in der umgebenden Luft die obersten Epiderrais- lagen aus und die nervösen Endorgane rücken unter gleich- zeitiger Formänderung in die Tiefe.

Die stäbchenförmige Endzelle ist damit aus der äusseren Haut ein für allemal verschwunden und es handelt sich nur noch um zweierlei Arten der Nervenendigung, nämlich um terminale Gang- lienzellen und um freie Endigungen.

Fig. 166. A Letzte Eiidigung aller höheren Sinnesnerven, N^ erster-, N zweiter Abschnitt der Nervenendfaser, G zwi- schen beiden eingeschaltete Ganglienzelle, G'' epitheliale Endzelle, C'ä cuticularer Aufsatz der- selben, ß Stäbchenförmige Endzelle eines Haut- sinuesorganes bei Fischen, Dipnoürn und was- serbewohnenden Amphibien resp. Geschmacks- zelle. C freie- , J) gangliöse Nervenendigung der Hautsinnesorgane terrestrischer VVirbel- thiere. Alle Figuren schematisch, mit Zugrunde- legung einer Abbildung von Merkel.

Hautsiiiii.

1) Stäbchenförmige Organe bei Fischen, Dipuoern und Amphibien.

a) Nerven hügel.

Fische und AmphiMeii.

Schon in der Haut des A m p h i o x u s macht sich ein Difterenzirungs- process in dem epithelialen Belag der äusseren Haut, zumal in der Gegend des Kopfes, bemerklich. Zwischen den gewöhnlichen Cyliuder-

Sinnesorgane.

191

Zellen treten da und dort bim- oder auch stäbchenförmige Zellen auf, deren basales Ende mit einem Nerven verbunden ist und deren freies Ende ein ins Wasser hinausragendes Haar trägt. Ihre Lagerung am Körper ist keine regelmässige, bemerkenswerth ist aber, dass sie an gewissen Stellen, wie z. B. an den die Mundöffnung um- gebenden C i r r h e n , zu Gruppen zusammentreten , so dass sie hier schon den Anfang von Nervenendorganen darstellen.

Wenn auch von einem directen Anschluss jener Organe an die Hautsinnesapparate der übrigen Fische nicht wohl die Rede sein kann, so ist doch immer die Thatsache bemerkenswerth, dass auch die letz- teren — und dasselbe gilt für die Amphibien onto genetisch stets mit der Bildung einer einzigen Sinneszelle ein- setzen, aus deren Theilung dann die folgenden Sinnes- zellen hervorgehen.

Fig. 167.

Fig. 168.

MZz

Fig. 1G8. V ert li eiliing der Seitenorgane einer S ala m a n d e r -L a r v e. Nach Malbrakc.

W/'

Fig. 167. Freistehender Nervenhügel, durchschnitten. Die cuticulare Röhre und die umgebenden Epidermiszellen sind weggelassen. CZ Centrale (Sinnes-) Zellen, MZ, MZ^ Mantelzellen.

Stets handelt es sich dabei um c e n t r a 1 e , i n m e i 1 e r a r t i g e r Anordnung liegende, sowie um periphere, mantelartig darum gruppirte Zellen. Erstere stehen mit Nervenfasern im Zusammenhang, tragen an ihrem freien Ende ein starres, cuticulares

eigentlichen Sinneszellen aufzufassen (Fig. (JfZ, MZ^) fungiren nur als Stützmaterial

die

Haar und sind als 167 CZ). Die andern (Fig. 170 a, &, c).

Falls diese Organe frei auf der äusseren Haut sitzen und dies ist in embryonaler Zeit immer der Fall , so kann sich auf ihrer Kuppe eine zarte, aus dem Secret der Stützzellen gebildete Röhre erheben, in welche die Endborsten der Sinneszellen eintauchen und die sich an ihrem freien Ende gegen das umgebende Wasser hinaus öffnet.

Während nun diese Organe bei Dipnoern und wass er be- wohnenden Amphibien und dahin gehören ausser den Ich- thyoden und Derotremen die Larven sämmtlicher Am- phibien — ihre periphere, freie Lage im Niveau der äusseren Haut zeitlebens beibehalten i), können sie bei Fischen (z. Th. gilt dies auch für Dipnoer) in postembryonaler Zeit in Rinnen oder auch in vollständige Canäle eingeschlossen werden, die entweder nur von der Epidermis oder, was viel häufiger der Fall ist, von den

1) Im Moment, wo die Amphibien das W^asserleben aufgeben (Larvenmetamorphose), sinken die betr. Sinnesorgane in die tieferen Lagen der Haut herab, werden dadurch, dass die Epidermis über ihnen zusammenwächst, von der Aussenwelt abgeschlossen und gehen eine Rückbildung ein. Nach andern Autoren würden sie durch eine Rühre mit der freien Hautfläche in Verbindung, d. h. geöflfnet bleiben.

192

Specieller Tlieil.

Schuppen und den Kopfknochen gebildet werden und sich von Stelle zu Stelle nach aussen öffnen. Dadurch erhalten sie eine ge- schützte Lage und die obgenannte hyaline Röhre geräth in Wegfall. Die Vertheilung dieser Sinuesapparate , für welche ein das ganze Leben dauernder Regenerationsprocess zu constatiren ist, erstreckt sich über den gesammten Körper ; doch lassen sich im Allgemeinen gewisse, mit grosser Constanz auftretende Hauptzüge unterscheiden. Dies gilt z. B. für den reichlich damit ausgestatteten Kopf, wo der Verlauf in der Regel so erfolgt, wie dies in der Figur 169 dargestellt ist ; von hier aus setzen sich die Organe in metamerer Anordnung^), und stets durch nervöse Lcängscommissuren unter einander verbunden , in einer oder, wie z. B. bei Proteus und allen Amphibienlarven, in mehreren „Seitenlinien" längs den Flanken des Körpers nach hinten fort bis zur Schwanzflosse (Fig. 168) '''). Diesem Umstand verdanken sie den von manchen Autoren gebrauchten Namen der „Seiteiiorgane" ; sie werden vom Trigeminus, Facialis, Glossophary ngeus und dem Vagus mittelst seines bei den Gehirnnerven schon erwähnten Ramus lateralis versorgt. c'^'zr-

Fig. 169.

Fig 169. Vertheilung des Seite ncanalsystems bei Fischen. Schema. a Supra-, h infraorbitaler, c mandibularer, d occipitaler, c lateraler, seitlich am Rumpf ver- laufender Zug.

Fig. 170. Nervenhügel eines Urodelen, halbschematisch. «, a Zellen der Epidermis, durch welche die Neuro-Epithelieu h, h durchschimmern, c deren Endborsten (die peripheren Mantelzellen sind nicht abgebildet), 11 die hyaline Röhre, iV der zutretende Nerv.

Bei Rochen und Ganoiden kommen freistehende Ner- venhügel nicht vor und auch bei Selachiern spielen sie nur eine untergeordnete Rolle; bei allen diesen Fischen sind die betreffenden Sinnesorgane mehr oder weniger tief in die Haut, d. h. in C anale oder Halbe anale eingesenkt, welche aus Wucherungen der Epidermis gegen das Corium hinein entstehen und ausserordentlich reiche Ver- zweigungen zeigen.

1) Obwohl bei Neunaugen ein wohl entwickelter (bei A m mo co e t es mit dorsalen und ventralen Spinalnerven in Verbindung stehender) Nervus lateralis Vagi vor- banden ist, so ist liier doch das System der Seitenlinie noch ganz regellos, indem die be- treffenden Sinnesorgane wie zersprengt aussehen und durchaus keine streng segmentale An- ordnung zeigen.

2) Bei Di pn Gern finden sich jene Sinnesapparate, abgesehen von der eigentlichen Seitenlinie, auch noch im ventralen und dorsalen Bereich der Rumpfhaut, jedoch handelt es sich hier um keine regelmässige Anordnung derselben (W. N. Parker).

Sinnesorganei

193

Dazu kommen aber noch besondere Modificationen der Nerven- hügel, die man bei Ganoiden als NerTensäckchen und bei Se- 1 ach lern als Ampullen bezeichnet. Beide sind auf den Kopf be- schränkt und sitzen am reichlichsten an der Schnauze. Sie bestehen aus einer Einstülpung der Epidermis , auf deren Grund die Neuro- epithelien liegen. Während die Organe der Ganoiden die ein- fache Sackform beibehalten, stellen die Ampullen kleine Röhrchen dar, welche sich an ihrem Grund unter Bildung einer oder mehrerer Ausbuchtungen („Ampullen") erweitern. Letztere können von sehr verschiedener Form, länglich, oval oder traubenartig gelappt sein. Sie werden durch das von der Wand her radienartig einspringende Binde- gewebe von einander abgekammert und sind von einer gallertigen Masse erfüllt. Die Nerven-Endorgane beschränken sich auf die Ampullen und setzen sich auf das röhrenförmige Ansatzstück nicht fort.

Eine besonders interessante Modification der Nervenhügel ist neuer- dings bei den eben zum Ausschlüpfen reifen Embryonen eines Schleiche n- lurchs (Epicrium glutinosum) bekannt geworden. Es handelt sich um flaschenartige, in der Kopfhaut zerstreute Gebilde, an denen man ein nach aussen offenes Halsstück und eine erweiterte Basis unterscheiden kann (vergl. Fig. 171). Letztere zeigt, wie die eigentlichen Nervenhügel, im Innern ein Sinnesepithel , welches von grossen Mantelzellen umschlossen wird. Die langen Endborsten der Sinneszellen halten einen im Hohlraum des Organs liegenden keulenförmigen Kör- per (Fig. 171, HK) derart in der Schwebe, dass derselbe die Wand berührt. Er erin- nert an einen Otolithen und ist aus dem Secret der Mantelzellen hervorgegangen zu denken. Der ganze Apparat erinnert ganz und gar an ein Gehörorgan und die Entdecker desselben, P. und F. Saeasin, schlagen dafür den Namen H a u t g e - hörorgan oder Nebenohr vor.

Fig. 171. Ein Nebenohr aus der Haut von Epicrium glut. Nach P. und F. Sara- siN. N Nerv, SZ Sinneszellen, MZ Mantelzellen, Ep Zellen der Epidermis, HK Hörkeulchen.

Ueber andere, stiftchenartige Endapparate, wie sie in der Epidermis der verschiedensten Amphibien in grosser Menge nachgewiesen worden sind, lässt sich vorderhand noch kein bestimmtes Urtheil abgeben.

Was nun die Function der Nervenhügel anbelangt, so lässt sich mit voller Sicherheit darül»er nichts behaupten. Jedenfalls sind sie uralte Sinnesorgane, denn mau hat ihre Spuren bereits bei den Selachiern des Jura, ja sogar schon bei den devonischen Ce- phalaspidae und Pteraspidae nachgewiesen, und ich betrachte auch die sogenannte „Brille" von Archegosaurus als hierherge- hörig. Sicherlich spielten und spielen heute noch jene Organe bei der Perception der im umgebenden Wasser vor sich gehenden Erschütte- rungen (Wellenbewegungen) eine grosse Rolle, wovon sich Jeder über-

\V i e der s h i; i m, (inuidriss der versieiclieiiden Aii;itumie. 2. AiiH. 13

194 Speci eller Theil.

zeugen kann, der, vom Fisch selbst ungesehen, irgend einen Gegenstand in dessen Umgebung ins Wasser wirft. Stets wird der Fisch blitz- schnell durch eine Bewegung darauf reagiren und dem Ausgangspunkt der Bewegung zuschwimmen. Er controlirt damit alle in seiner Um- gebung sich abspielenden Vorgänge, und es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich dabei in vielen Fällen um die Auslösung einer Schall-Em- p f i n d u u g handeln wird. Der Gedanke an ein primitives Gehör- organ liegt also nicht allzu ferne.

b) Endkn ospen.

Die Nerven gel durchlaufen in ihrer Entwicklung ein Stadium, welches gänzlich mit den N erven knospen übereinstimmt, und man wird nicht fehlgehen, wenn man letztere als phyletisch ältere Organe, welche einer geringeren Differenzirung unterliegen, betrachtet.

Im Gegensatz zu den Nervenhügelu , welche das Bestreben zeigen, sich nach der Tiefe zurückzuziehen, ragen die P^nd knospen meist kuppenartig über das Niveau der Epidermis hervor. Sie besitzen geringere Formverschiedenheiten als jene, zeigen aber sonst im Bau viel Uebereinstimmeudes , d. h. man kann auch hier die cen- trale Zone der Neuroepithelien und aussen den Manteltheil unterscheiden. Während aber die borstentrageuden , centralen Neuro- Epithelien dort eine kurze Birn- oder Keulenform besitzen, zeigen sie hier eine den Mantelzellen vollkommen gleiche Länge, d. h. sie erstrecken sich durch das ganze Organ hin- durch.

Fische. Bei Petromyzonten und den meisten Selachiern noch auf einer primitiven Entwicklungsstufe stehend, spielen die End- knospen in voller Ausbildung bei Ganoiden und Teleostiern die Hauptrolle und sind in regelloser Anordnung über den ganzen Körper verbreitet. Am zahlreichsten finden sie sich an den Flossen, den Lippen, Lipp en falten , Barteln und in der Mundhöhle bis in den Schlund-Anfang hinunter.

Dies ist sehr bemerkenswerth; denn von den Dipiioern^ ) und Amphibien an, durch alle höheren Thierklassen hin- durch, beschränken sich die Endknospen auf die Mund- höhle und kommen ausserhalb derselben nicht mehr vor. Sie sitzen beiDipnoern, Amphibien und deren Larven auf Papillen der Mucosa, an den Rändern des Ober- und Unterkiefers, am Gaumen, in der Umgebung des Vomers und auf dem Gipfel der Papulae f u n g i f o r m e s der Zunge.

Bei Reptilien ist ihre Verbreitung schon eine etwas beschränktere, und dies leitet zu den Säugethieren hinüber 2), wo sie sich am zahl- reichsten auf der Zunge finden. Man begegnet ihnen übrigens auch noch am weichen Gaumen und im Rachen, weit hinab, bis in den Kehl- kopfeingang hinein.

Auf der Zunge zeigen sie sich an die formell sehr verschiedenen Papulae vallatae, fungiformes, sowie an die seitlich am hin- teren Zungenrand sitzende Papilla foliata gebunden und fungiren,

1) Bei den Dipnoern finden sie sich vielleicht auch noch in der Haut.

2) Bei der Hingelnatter und den Vögeln sind his Jetzt keine Endknospen nach- gewiesen.

Sinnesorgane.

195

mehr in die Tiefe sich zurückziehend, als (xeschmacksorgaiie. Bezüg- lich ihrer feineren Structurverhältnisse verweise ich auf die treffliche Arbeit von F. Hermann.

c) Tastzellen und Tastkörperchen. (Terminale Ganglienzellen.)

Hier ist jede directe Communication mit der Ober- fläche der Epidermis auszuschliessen und es handelt sich um keine Stützzelleu mehr.

Zum erstenmal begegnen wir zu Gruppen („Flecken") vereinigten „TastzeUen" bei ungeschwäiizten Amphibien^), wo sie, z. Th. auf kleinen Wärzchen stehend, über die Haut des ganzen Körpers verbreitet sind (Fig. 172 a, a). Bei ßeptilieii hegen sie vorzugsweise im Bereich des Kopfes, an den Lippen, der Waugengegend und an der Schnauze, doch sind sie auch, wie z. B. bei Blindschleichen, über den ganzen Körper verbreitet. Bei Schlangen und ebenso bei Vögeln-) sind die Tastzellen auf die Mundhöhle (Zunge) und den Schnabel (Wachshaut) beschränkt, bei beiden aber treten sie schon viel enger zusammen und bilden förmliche Pakete, d. h. „Tastkörperchen**. Dieselben sind von einer kernführenden, bindegewel)igen Hülle umgeben und diese schickt Scheidewände ins Innere, wodurch die einzelnen Tastzellen von ein- ander theilweise abgekammert werden. Eine Modilication der Tast- körperchen sind die ebenfalls im Vogelschnabel vorkommenden Gran- d r y ' s c h e n K ö r p e r c h e n.

Bei Säugethieren liegen die Tastz eilen entweder isolirt, wie

Fig. 172. Ein Tast fleck aus der Haut des Frosches, mit Zugrundelegung einer Figur Merkel's. N Zutretender Nerv, der bei iVi und f seine Markscheide verliert. a, a Neuro-Epithelien, b Epidermis.

Fig. 173. Tastkörperchen aus der Vogelzunge. N Zutretender Nerv, H äussere Hülle mit Kernen (A'fl), S, S Septa.

Fig. 174. Ein Tastkörperchen (Endkolben) aus der Conjunctiva eines Säugethiers. N Der austretende Nerv, welcher bei f sein Neurilemm an die Hülle des Tastkörperchens abgiebt, A', E Kerne in der Hülle, N^ der sich aufknäuelnde und zu den Tastzellen T, T tretende Nerv (Axencylinder).

1) Ob sich, wie dies neuerdings von J. Brock behauptet wird, auch schon bei Fischen, wie z. B. bei dem Lophobranchier Gaster otokeus, schon tastkörperchen- und kolbenförmige Organe vom Bau derjenigen höherer Vertebraten finden, lässt sich vorder- hand nicht mit Sicherheit entscheiden, da die zutretenden Nerven bis jetzt noch nicht gesehen wurden.

2) Besonders reichlich ist die Zunge des Buntspechtes mit Pacini'schen Körper- chen besetzt, so dass die Orientirungsfähigkeit der Zunge dieses Thieres einen sehr hohen Grad erreichen muss. Es ist dies die nervenreichste oder wenigstens an Sinnesorganen reichste Vogelzunge, denn es ist zwischen den Nervenendapparaten fast gar keine Zwischen - Substanz vorhanden (Ludwig Ferdtnand, Prinz von Bayern).

13*

196

Specieller Theil.

z. B. au unbeliaarteu Körpertlieilen, oder es handelt sich um ovale, aus einer mehrschichtigen, kernführenden Hülle gebildete Körperchen, in die ein Nerv eintritt, um sich darin knäuelartig aufzuwickeln und in einer oder mehreren terminalen Ganglienzellen zu endigen (Fig. 174).

Die Tastkörperchen der Säuger sind am einfachsten an der G 1 a n s penis et clitoridis gebaut. Ob sie an behaarten Stellen vorkommen, ist zweifelhaft; sicher ist aber, dass die Haare und namentlich die Tast- borsten durch reichliche Versorgung mit Nerven zu vorzüglichen T a s t - Organen sich gestalten.

Am zahlreichsten und zugleich am schönsten entwickelt finden sich die Tastkörperchen an der Volar- und Plantarfläche der Hände und Füsse, an der Cornea und an der Nase (Rüssel).

Zu ganz ausserordentlicher Entwicklung gelangen sie nach den Be- funden T H. E I M E E ' s an der Maulwurfschnauze, die dadurch zu einem, mit mehr als 5000 Papillen und circa 150000 Nerven - End- fäden ausgestatteten, überaus feinen Sinnesapparat wird, welcher dem Thier auf seinen unterirdischen Wegen als einziger Führer dient. Diese That- sache, dass gewisse Sinnesorgane in Anpassung an die äusseren Verhält- nisse vicarirend für andere eintreten können, ist von hohem Interesse und findet auch in der Reihe der Wir be llo s e n, bei Vertretern der H ö h 1 e n - und Tiefsee-Fauna, zahlreiche Belege. Ich werde bei der Schilderung des Geruchsorgans der ebenfalls ein nächtliches Leben führenden Gymnophionen noch einmal darauf zurückkommen.

d. Kolbenkörperchen. (Vater - Pacini'sche Körperchen.)

Bei Fischen und Amphibien kennt man keine Kolbenkörper- chen, dagegen sind sie bei Lacertil lern, Scinken und Ophidiern nachgewiesen. Bei diesen Thieren, wo sie vorzugsweise im Bereich der

Lippen und in der Umgebung der Zähne, jedoch auch am übrigen Körper sitzen (L a c e r t a) , sind sie von langgestreckter, darm- oder wurstartiger Form und noch von sehr einfacher Structur. Im Innern jedes Kolbenkörperchens der S ä u g e t h i e r e liegt eine fadenartige , an ihrem letzten Ende an- schwellende Fortsetzung des A x e n c y - lind er s (Fig. 175 A). Derselbe scheint noch von einer feinkörnigen Protoplasma- schicht, welche auf der Figui- in grauem Ton angedeutet ist, umgeben zu sein. Aus- wärts davon liegt eine Doppelsäule von Zellen, wovon jede halbmondförmig derart um den Protoplasmamantel herumgebogeu ZZ is^i ^^^ss sie mit ihrem Gegenstück in Be-

Y

Fig. 175. Ein Kolbenkörperchen aus dem Schnabel der Ente, z. Th. nach CARRiiiRE.

A, A^ Axencylinder , MS Markscheide der Nerven, Nl äussere Nervenscheide mit Zellen ZZ, welche bei ff in das äussere, längsgeschichtete Lamellensystem L des Aussen- kolbens übergeht, Q quere oder circuläre Schicht des Aussenkolbens, IK Innenkolbeu, von grau gehaltener Protoplasmahülle umgeben.

I

Sinnesorgane. 197

rührimg tritt. Dadurch entsteht eine hohle Zellensäiile, welche den Axen- cylinder-Fortsatz sammt seiner Protoplasmahülle allseitig iimschliesst. Nach aussen von den Zellensäulen, die man als Innenkolben be- zeichnet, unterscheidet man eine aus zahlreichen, kernführenden Lamellen bestehende Hülle von zwiebelartiger Schichtung (A u s s e n k o 1 b e n). Sie zerfällt in eine äussere aus längsgerichteten Blättern sich aufbauende, und in eine circulär geschichtete Lage, ohne dass jedoch eine scharfe Abgrenzung zwischen l^eiden existiren würde.

Die Ko 1 b en kör perchen finden sich nicht nur überall in der Haut, sondern auch in den verschiedensten Organen der grossen Körperhöhlen zahlreich verbreitet. Man hat sie z. B. im Mesenterium, Mesoco- lon, im Pankreas und in der Porta hepatis der Katze nachge- wiesen, ferner in den Mesenterialdrüsen, der Glandula submaxil- 1 a r i 8 , in der Haut des Katzenschwanzes und imLigt. interos- seum des Unterschenkels verschiedener Thiere.

Keine Stelle der Vogelhaut entbehrt dieser Organe vollständige beson- ders schön sind sie aber am Schnabel, an den Conto urfedern, an der Brust, sowie an den Schwanz- und Schwungfedern ent- wickelt ; doch finden sie sich auch in der V o g e 1 z u n g e, in den Gelenken und zwischen den Muskeln der Vögel, sowie in der Con j unc ti va der verschiedensten Säuger und Vögel, in den Fascien und Sehnen, im Vas deferens. Corpus cavernosum penis et urethrae, im Pe- riost, im Pericard und in der Pleura (Räuber), in der Gl ans pe- nis et clitoridis, in der Flughaut der Fledermäuse etc. etc.

Die Grösse der Körperchen schwankt bei einem und demselben Individuum ausserordentlich, stets aber liegen dieselben im Gegensatz zu den Tastzellen, Tastflecken uud Tastkörperchen in den tiefe reu Lagen der Lederhaut, dem Panniculus adiposus resp. dem interstitiellen Bindegewebe hn Innern des Körpers; sie umgeben sich mit um so mehr Kapselhüllen , je weiter sie in die Tiefe rücken.

Bei allen Tastzellen, Tastkörperchen und Kolben- körperchen handelt es sich imi Organe des Tast- und Druck- gefühls, oder allgemeiner formulirt: um Vermittler der Haut- gefühle.

Auf eine endgiltige Eruirung der die T e m p e r a t u r e m p f i n - düngen vermittelnden Nervenendigungen muss man wohl verzichten, es ist jedoch die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass dabei sowohl die Tastzellen, als die in der Epidermis mit knöpfchenartiger Anschwellung frei endigenden Nervenfasern in Betracht kommen mögen.

Literatur.

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Th. Eimer. Die Schnauze des 3Iavltvurfs als Tastwerhzeug. Arch. f. mikr. Anat. Bd. VII. 1871.

F. Hermann. Studien über den feineren Bau des Geschmachsorganes. Sitz.-Ber. d. K. Bayer. Acad. ßfath.-physih. Cl. 1888.

198 Specieller Theil.

F. Leydig. lieber die Schleinicanäle der Knochenfische. Ärch. f. Anat. n. Phijsiol. 1850. D er selbe, lieber Organe eines sechsten Sinnes. Nova acta Acad. Caes. Leopold. Carol.

Germ. not. curios. 34. Bd. 1868. Vergl. anch die zahlreichen anderen Schriften dieses

Autors im Arch. f. miltr. Anatomie, Arch. f. Anatomie und Physiologie, Zeitschr. f. wiss.

Zoologie, Arch. f. Naturgeschichte etc. M. Malbranc. Sinnesorgane der Seitenlinie bei Amphibien. Z. f. wiss. Zool. XXVI. Bd. 1875. Fr. Merkel. Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Hant der WirbeUhiere .

Bostocl- 1880. P. u. F. Sarasin. (Vergl. das bei den Monographieen aufgeführte Werh.)

F. E. Schultze. Ueber die becher/örm. Organe der Fische. Z. f. vnss. Zool. XII. Bd. 1863. D er selbe, lieber die Sinnesorgane der Seitenlinie bei Fischen und Amphibien. Arch. f.

mihr. Anat. VI Bd. 1870.

G. Schwalbe. Lehrb. der Anatomie der Sinnesorgane. Erlange?/ 1883,

B. Solger. Seitenorgane der Fische. Arch. f. mikr. Anat. XVII. und XVIII. Bd.

Geruchsorgan,

In seiner einfachsten Form stellt das Geruchsorgan eine paarige, oberhall) der Mundspalte gelegene, grubige Ein Senkung des Integumentes dar. Aus der Tiefe tritt ein Nerv an den Grund dieser Grube, macht eine gangliöse Anschwellung und strahlt in die betretfenden Sinnes- zellen (Riechzellen) aus. Letztere tritft man bei vielen Fischen, wie auch noch bei manchen Amphibien und Reptilien (Chelonier z. B.) in einer Art und Weise angeordnet, welche ganz an die Structur der Nerven gel erinnert. Wenn man nun auch versucht sein könnte, in diesen, durch epitheliales Zwischengewebe von einander getrennten „G e r u c h s k n 0 s p e n" ein primitives, aufdie Stammesgeschichte des Geruchsorganes hinweisendes Verhalten zu erblicken, so ist dabei doch wohl im Auge zu behalten, dass sich jene An- ordnung der Neuroepithelien outogene tisch erst ganz spät l)emerklich macht, ja dass sie hie und da erst bei voll- kommen erwachsenen Thieren in die Erscheinung tritt. Aus diesem Grund kann man hierbei von keinem alten Erbstück von primitiven Knospenformen her sprechen, sondern muss die Aehnliclikeit durch convergente Anpassung erklären. Hier wie dort ist ja das umgebende Medium das Wasser, und so kann es nicht befremden, wenn beiderseits ähnliche Einrichtungen angestrebt werden.

Ich kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit auf gewisse Funde J. W. VAN Wijhe's aufmerksam zu machen. Derselbe hat an Rochen- Embryonen auf das Ueberzeugendste nachgewiesen, dass das Eiech- organ sowohl wie der Kiechnerv aus dem vorderen Neuro- porus entstehen. Es handelt sich dabei also um jene Stelle, wo der zum Gehirn sich entfaltende vordere Abschnitt des Neuralrohres am längsten offen undmit der freien Ekt od erm fläch e in dire cte r V erbin- dung steht^). Aus diesem Grunde, d. h. insofern hier ab origine schon eine Durchtrittsstelle für den Wasserstrom gegeben war, hält es van WiJHE für unzulässig, dort, wie dies von anderer Seite (Dohbn, Milnes- Maeshall, Beaed) geschehen ist, die frühere Existenz einer Kiemen- spalte anzunehmen.

Aus dem Mitgetheilten erhellt, dass das Geruchsorgan unter den für ein Sinnesorgan denkbar günstigsten Bedingungen entsteht, allein

1) Zu dieser Zeit ist die N e ural lei ste (vergl. die Gehirnnerven) längst geschwunden, folglich kann der Riechnerv auch zu dieser in keiner genetischen Beziehung stehen.

Sinnesorgane.

199

nicht mehr zum Aus- B

von einem klaren Einblick in seine Urgeschichte sind wir noch weit entfernt. Immerhin aber ist der Gedanke erlaubt, dass primitive Haut- sinnesorgane, die sich in der nächsten Umgebung des Neuroporus ent- wickelt haben können, die aber onto genetisch druck kommen, dabei eine Rolle gespielt haben.

Was nun die histologische S t r u c t u r der Riechschleimhaut anbelangt, so hat man dabei, wie oben schon angedeutet wurde, eigent- liche, mit Nervenfäden in Verbindung ste- hende Sinnes- oder Riechzellen und zwei- tens Isolation s- oder S t ü t z z e 1 1 e n zu unter- scheiden. Beide Zellarten sind nur verschiedene Dift'erenzirungsproducte eines und desselben e k to - dermalen M u 1 1 e r b o d e n s. Von den A m p h i- bien an, wo die Luftathmung beginnt, treten auch noch drüsige Elemente zur Feucht- haltung des Nasenraumes, hinzu.

Fig. 176. Epithel der Riechschleimhaut, A von PetromyzonPlaneri, JB von Salamandra atra. li RiechzeHen, E Epitbelzellen.

lieber die Natur der bei vielen Thieren am freien Ende der Riech- zellen sitzenden Haare ist man noch nicht im Klaren. Möglicherweise handelt es sich nur um das Vorquellen des hyalinen Zeil-Inhaltes, bei welcher Annahme man das freie Zeil-Ende für offen erklären müsste (Leydig). Diese Unzulänglichkeit unserer bisherigen Kenntnisse hat eine deprimirende Parallele in unserem Wissen von der Physiologie des Geruchsactes, und namentlich in unseren Vorstellungen über das Riechen im Wasser.

Das Geruchsorgan der Fische zeigt eine höchst einfache, blind- sackartige Form, allein schon von den Dipnoern au kommt es zu einer Durchbrechung des Riechsackes gegen die Mundhöhle zu. In Folge dessen kann man hier Tordere (Nares) und hintere Nasen- löclier (Choanen) unterscheiden, und indem so ein Weg geschaffen ist, durch welchen das umgebende Medium frei hindurchströmen kann (bei Dipnoern findet sich eine interessante Modification, s. später) tritt das Geruchsorgan bei luftathmenden Vertebraten , wo man von einer Pars respiratoria und olfactoria reden kann, in wichtige Be- ziehungen zum Respirationsapparat^).

a) Fische.

Was zunächst den Amphioxus anbelangt, so ist die dem Vorder- ende des centralen Nervensystems dorsalwärts aufsitzende Wimpergrube nicht als Geruchsorgan, sondern als ein Neuroporus zu deuten. Ein Geruchsorgan, beziehungsweise ein N. olfactorius im Sinne der übrigen Vertebraten kommt hier noch nicht zur Entwicklung.

Bei Petromyzonten und Myxinoiden stellt das Riechorgan einen, dicht vor dem Schädelcavum gelagerten, äusserlich unpaaren Sack dar, welcher durch eine mehr oder weniger lange, kaminartige Röhre

1) Die Pars olfactori'a ist aus der in fötaler Zeit eingesunkenen Riechplatte entstanden zu denken.

200 Specieller Theil.

auf der Dorsal fläche des Vorderkopfes ausmündet (vergl. Fig. 26). Gleichwohl aber weist der innere Bau, sowie der doppelte Olfac- torius darauf hin, dass auch das Riechorgan der Cyclostomen aus einer ursprünglich paarigen Anlage hervorgegangen und erst all- mählich in Anpassung an die saugende Lebensweise dieser Fische an die Dorsalfläche des Schädels gerückt sein muss^).

Fig. 177.

Fig. 178 A.

Fig. 177. Ventrale Ansicht des Kopfes von Scyllium canicula. N, N Aeussere Nasenöffnung, M Mundeingang, HSO Hautsinnesorgane.

Fig. 178. A Seitliehe Ansicht eines Hechtkopfes, a und b Vordere und hintere Oeffnung der Geruchsgrubc, f Hautfalte, welche a und b trennt, Ag Auge.

£ Seitliche Ansicht des Kopfes von Muraena Helena. VB, HB. Vordere und hintere Riechröhre, A Auge, HSO Hautsinnesorgane.

1) Ob der in die Mundhöhle sich öffnende Nasengaumengang der Myxinoiden mit der Choanenbildung der höheren Vertebrateu direct vergleichbar ist, scheint bis jetzt noch nicht sicher ausgemacht.

Sinnesorgane. 201

Bei Selachiern nimmt das Geruchsorgan eine den Cyclostomen gegenüber geradezu entgegengesetzte Lage ein, uämlicli ander Unter- fläche der Schnauze. Es ist von hier an durch die ganze Wirbel- thierreihe hindurch paarig und erhält von Seiten des Kopfskeletes eine mehr oder weniger vollständige, knorpehge oder knöcherne Um- hüllung.

Von den Granoiden an treffen wir es stets in denselben Lagebe- ziehungen zum Schädel, uämhch zwischen Auge und Schnauze, entweder seitlich oder mehr dorsal gelagert. Im Lauf ihrer Entwick- lung zerfällt jede äussere Naseuöffnung dieser Fische durch einen aus- wachsenden Hautlappen in zwei Abtheilungen, eine vordere und eine hintere. Die vordere liegt und Alles dies gilt auch für Teleostier häufig auf der Spitze einer tentakelartigen , von Flimmerzellen aus- gekleideten Röhre und der Abstand zwischen ihr und der hinteren Oeff- nung ist ein ausserordentlich wechselnder, je nach der schmäleren oder breiteren Anlage des soeben erwähnten Hautlappens (Fig. 177, 178).

Die Schleimhaut des Riechsackes aller Fische erhebt sich stets zu einem mehr oder weniger complicirten System von Falten, die entweder eine quere, radiäre, rosettenartige oder longitu- d i n a 1 e (im Sinne der Schädelaxe) Anordnung besitzen können. Auf ihnen findet die Ausbreitung des Olfactorius statt und alle haben denselben Zweck, nämlich eine Vergrösserung der Riech - fläche zu bewirken.

Eine besonders hohe, ja vielleicht die höchste Entwicklung in der ganzen Reihe der Fische erreicht das Geruchsorgan von Polypterus bichir. Hier handelt es sich um eine Art Yorhöhle, von der aus man erst in die eigentliche Riechhöhle gelangt. Letztere stellt keine einfache, sackförmige Einsenkung dar, sondern besteht aus sechs, durch complicirte Septa von einander getrennten und um eine central liegende Spindel ra- dienartig gruppirteu Fächern. Der Querschnitt erscheint dem entsprechend wie der einer Pomeranze. Medianwärts liegt noch ein kurzer wurstförmi- ger Appendix , welcher einen besondern Zweig des wahrhaft monströsen N. olfactorius erhält (Wiedeesheim).

Während so bei diesem Knochenganoiden das Geruchsorgan eine ver- hältnissmässig hohe Entwicklungsstufe erreicht, handelt es sich bei gewis- sen Teleostiern um Rückbildungsprocesse, welche einen völligen Schwund desselben anbahnen.

Ich habe dabei einige Vertreter der Familie der Plectognathi Gymnodontes im Auge, und zwar speciell gewisse Tetr o don- Arten. Diese besitzen an Stelle der NasenöfFnung lappenartige Bildungen, in wel- chen der Riechnerv ausstrahlt. Jene können durchbohrt sein (Fig. 179 B) oder es handelt sich um ein solides Sockelstück, das in zwei breite Zipfel auseinanderklappt (Fig. 179 A), auf deren Binnenfläche die Neuro- Epithelien sitzen. Wieder in andern Fällen ist von einem Hautlappen keine Spur mehr nachzuweisen und der Nerv endigt in einer kleinen pig- mentirten Hautstelle (Fig. 179 C). Damit scheint das äusserste Mass der Rückbildung erreicht und der Nerv ist zugleich auf ein haarfeines Fädchen reducirt. In allen diesen Fällen unterscheiden sich die Riechepithelien, wie ein Blick auf die Figur 179 D beweist, bezüglich ihrer Gruppirung in keiner Weise von den Nervenkugeln, wie wir sie beim Hautsinn kennen gelernt haben. Aus allem erhellt also, dass den Tetrodonten im Lauf ihrer Stammesentwicklung eine eigentliche Riechhöhle verloren

202

Specieller Theil.

Fjg. 179. A Kopf von Tetrodon nigropuiictatus, B Kopf von Tetro- don pardalis, C Kopf von Tetrodon papua, D Längsschnitt durch den Nasen läppen von Tetrodon immaculatus.

Z,Z Zähne, SS Sockelstück des Nasenlappens 7j,/j1 , LL Nasenlappen , Ag Auge, * Riechfleck von Tetrodon papua, N Nerv, NE Nervenhügel.

gegangen ist, und zwar auf Grund der excessiven Entwicklung ihrer Kiefer- musculatur. Letztere gewann in Anpassung an die aus hartschaligen Mol- lusken und Korallen bestehende Nahrung immer ausgedehntere Ursprungs- punkte am Schädel, rückte immer weiter nach vorne und zugleich dorsalwärts

Sinnesoro'ane.

203

am Schädel empor und kam so endlich an Stelle der früheren Riechbucht zu liegen (Wiedersheim).

b) Dipnoer.

Hier zum erstenmal begegnet uns ein vom eigent- lichen Schädel wohl diff erenzirtes N asenskelet. Es be- steht bei Protop terus aus einem dicht unter der äusseren Haut liegenden, hyalinknorpeligen Gitterwerk, dessen Seitenpartien median- wärts durch ein starkes , durchaus solides Septum vereinigt werden. Der Boden der Nasensäcke wird zum grössten Theile vom Pterygo-pa- latinum, sowie von Bindegewebe, und nur zum allerkleinsten Theile aus Knorpelgewebe gebildet. In dorso-ventraler Kichtung ist der Bin- nenraum des Cavum nasale sehr beschränkt, lateralwärts aber (vergl. die M a X i 1 1 a r h ö h 1 e der A m p h i Ij i e n) ist er ziemlich ausgedehnt. Im Binnenraum findet sich keine Spur von M u s ch e 1 n oder von einer Nasendrüse (Fig. 67 NK)\ wohl aber ist ein complicirtes Falten- system der Richschleimhaut vorhanden.

Jede Nasenhöhle öffnet sich nach rückwärts, gleich hinter der Oberlippe, durch eine doppelte Oeffnung. Die eine liegt unmittelbar am Lippenrand, die andere weiter nach hinten. Erstere entspricht der Aper tu ra nasalis externa der übrigen Vertebraten. Das Geruchsorgan communicirt also bei Dipnoern, so \yenigstens bei P r o l o p t e r u s, gar nicht mit der Aussen weit, sondern nur mit der Mundhöhle. Es vermag also ähnlich, wie ein Jak ob- son'sches Organ, nur Stoffe vom Cavum oris aus zu beriechen (W. N. Parker).

c) Amphibien.

In engem Anschluss an das Geruchsorgan der Dipnoer steht das- jenige der Ichthyoden. Es liegt seitlich am Vorderkopf in Form einer soliden (Siren lacertina) oder netzartig durchbrochenen Knor- pelröhre (Menobr anchus und Proteus) gleich unter der äusseren Haut, ohne irgend welchen Schutz von Seiten des knöchernen Kopf- skeletes zu erfahren.

Der Boden des Nasensackes ist grösstentheils fibrös. Im Innern erhebt sich die Riechschleimhaut, ganz ähnlich wie bei Cyclostomen und Poly- p t e r u s , in zahlreiche, radiär stehende Falten , ein Verhalten, das uns hier zum letztenmal unter den Wirbelthieren begegnet.

Fig. 180. Riechorgan von Menobran- chus lat., von der Dorsalseite. N Riech- sack, Ol Olfactorius, Pmz Praemaxillare, F Fron- tale, P Fortsatz des Parietale, PP Pterygo-pala- tinum, AF Antorbitalfortsatz.

Von jetzt an wird derselbe Zweck, d. h. eine Ver- grösser ung der Riech fläche, durch Vor Sprünge der skeletogenen Schicht, durch s o g e n a n n t e MuschelMldungen,

au gestrebt.

204 Specieller Theil.

Bei gewissen S a 1 a m a n d r i n e n (S p e 1 e r p e s) uiir in ihren ersten schwachen Spuren angedeutet, erreichen diese Bildungen bei Anuren und namentlich bei Gymnophionen eine ausserordentlich starke Ausbildung, so dass hier das Cavura nasale in ein complicirtes System von Höhlen und Spalträumen umgewandelt wird. Stets aber und

Fig. 181. Querschnitt durch die Riechhöhlen von Plethodon glutinosus. S, S Riechschleimhaut, N Haupthöhle der Nase, K Kieferhöhle, C hyalinknorpeliger , /S' fibröser Theil der Coneha nasalis , welche das Riechepithel E weit in die Nasenhöhle vorstülpt, IB Intermaxillardriise durch die Mundschleim- haut {MS) vom Cavum oris abgeschlossen, i?' Frontale, Pf Praefrontale , M Maxiila, Vop Vomero-palatinum, Sp Septum nasale.

dies gilt auch schon für alle Derotremen und Salamandrinen kann man eine Haupthöhle und eine Nebenhöhle unterscheiden ; letztere könnte auch, weil im Os maxillare gelegen, als Kieferhöhle bezeichnet werden. Sie schnürt sich bei gewissen Gymnophionen von der Haupthöhle sogar ganz ab und erhält einen besonderen Zweig des Olfactorius, so dass man hier also jederseits zwei getrennte Nasenhöhlen mit je zwei Riechnerven (vergl. die Gehirnnerven) zu unterscheiden hat. Ich komme später dar- auf zurück.

Ein weiterer, neuer Erwerb sind die unter der Riechschleimhaut gelegenen diffusen und auch zu grösseren, einheitlichen Organen ver- einigten Drüsen. Sie münden entweder direct in die Nasenhöhle und bewirken hier mit ihrem Secret eine für die Sinnesepithelien unent- behrliche, bei Fischen und Dipnoern noch vom äusseren Medium, resp. von den Becherzellen der Mundschleimhaut (Prot opter us) ge- leistete Anfeuchtung der Mucosa, oder sie entleeren ihr Secret in den Rachen, beziehungsweise in die Choanen.

Letztere liegen stets ziemlich weit vorne am Gaumen und werden dort grösstentheils vom Vom er und wohl auch vom Palatinum umrahmt.

Endlich wäre noch des Thrä neu nasengang es zu gedenken, welcher, vom vorderen Winkel der Orbita ausgehend, die laterale Nasen- wand durchsetzt und also von der Oberkieferseite her in das Cavum nasale ausmündet. Er leitet die Thränenflüssigkeit aus dem Conjuncti- valsack des Auges in die Nasenhöhle und entsteht bei allen Vertebraten, von den Salamandrinen an , als eine von der Epidermis sich ab- schnürende und in die Cutis einwachsende Epithelleiste, welche sich erst secundär höhlt.

Hinsichtlich dieser seiner Entstehung von der äusseren Haut her liegt der Gedanke nicht allzu ferne, dass er sich ursprünglich aus „Schleim- kanälen" (vergl. die Fische) entwickelt hat. Darauf weist auch noch sein Verhalten bei Anurenlarven hin, wo er erst ganz allmählich in den Bereich des freien Lidrandes gezogen wird (Born).

d) Reptilien.

Das bei Fischen seitlich, bei den Amphibien dagegen gerade vor dem Gehirn liegende Geruchsorgan zeigt

Sinnesorgane. 205

von den Keptilieu an das Bestreben , sich mehr und mehr nach hinten auszuziehen und sich so, gleichen Schritt haltend, mit dem Vorwachsen des Gesichtsschädels und mit der Gaumenbildung (siehe Kopfskelet) mehr oder weniger unter das Gehirn hinunterzuschieben.

Das complicirteste Riechorgan unter allen Reptilien besitzen die Cro- codilier, einfacher gebaut ist dasjenige mancher Chelonier, der Saurier, Sciuke und Ophidier. Die drei letzteren können, da sie hierin keine principiellen Abweichungen erkennen lassen, zusammen betrachtet werden und sollen ihrer einfachen Verhältnisse wegen zuerst zur Sprache kommen.

Die Nasenhöhle zerfällt bei Scinken und Sauriern in zwei Abtheilungen, eine äussere und eine innere. Erstere, welche aus dem Zugang zur Nasenliöhle der Amphibien herausentwickelt gedacht werden muss, kann man als Vor höhle, die innere dagegen als eigent- liche Nasenhöhle oder als Riechhöhle bezeichnen (Fig. 1S2 AN, IN) (Leydig); nur letztere ist mit Sinnesz eilen ausgestattet, erstere dagegen mit gewöhnlichem, epidermoidalem Plattenepithel belegt und gänzlich drüsenlos.

£V

Fig. 182. Schematische Darstellung des Geruclisorganes einer Eidechse, Sagittalschnitt. AN , IN Aeussere und innere Nasenhöhle , -f röhrenartige Verbindung zwischen beiden, Ch Choane, P Papille des Ja- kobson'schen Organes , Ca dessen Communication ,mit der Mundhöhle, MS Mundschleimhaut.

Von der Aussen wand der Innern Nasenhöhle springt eine grosse, medianwärts leicht umgerolltes Muschel weit ins Lumen herein und diese ist auch bei Ophidiern, welchen eine eigentliche Vorhöhle abgeht, gut entwickelt und als von den Amphibien her ver- erbt zu betrachten.

In ihrem Innern liegt eine grosse Drüse, welche auf der Grenze von Höhle und Vorhöhle ausmündet. Unter der Muschel mündet der Thränennasengang, doch kann dieser auch am Dache der Rachenhöhle (Ascalaboten) oder in die Choane ausmünden (Ophidier).

Bei den Schildkröten begegnet man einem ebenso complicirten als wechselnden Verhalten der Nasenkapsel. So zerfällt sie z. B. bei den Seeschildkröten jederseits in zwei übereinander liegende Gänge, die aber des durchbrochenen Septums wegen unter sich in Verbindung stehen. Im Gegensatz zu dem verhältnissmässig drüsenarmen Riechorgan der Sau- rier und Ophidier ist dasjenige der Chelonier durch einen unge- wöhnlichen D r üse nr eich thum ausgezeichnet.

Bei den Crocodiliern tritt die oben erwähnte Verschiebung der Riechhöhle nach abwärts und rückwärts am schärfsten hervor und zu- gleich zerfällt dieselbe in ihrem hinteren Bezirk ebenfalls in zwei über einander liegende Räume , wovon der obere die eigentliche , von S i n - nesepithelien ausgekleidete Riechhöhle, der untere dagegen nur eine Pars respiratoria darstellt. Mit der Nasenhöhle stehen gewisse Neben räume in Verbindung, welche aber nur die Bedeu- tung von Lufträumen haben. Eine grosse , in der Höhle des Ober-

206 Specieller Theil.

kiefers liegende Drüse mündet, ähnlich wie bei Srturiern und Ophidieru, in die Nasenhöhle.

Wie bei den übrigen Reptilien , so findet sich auch bei den C r o - codiliern nur eine einzige ächte Muschel, lateral wärts davon liegt aber noch eine zweite Prominenz, die man als Pseudoconcha bezeichnet [vergl. das Geruchsorgan der Vögel (Gegenbaur)].

e) Vögel.

f^j^j- Wie den Sauriern, so kommt auch allen

Vögeln eine tiefer liegende, von Pflasterepithel aus- gekleidete V 0 r h ö h 1 e und eine eigentliche, höher

Fig .183 Querscliuitt durch die rechte Nasen- höhle des kleinen Würgers. OM, MM Obere und mittlere Muschel, a oberer- , h unterer Nasengang , LR Luft- raum , der sich in die obere Muschel fortsetzt und diese vor- baucht.

gelagerte Riechhöhle zu. Auch die Vögel besitzen nur eine einzige, ächte Muschel, insofern man darunter eine freie, selbständige, durch Skeletmasse gestützte Einragung ins Cavuni na- sale versteht. Im Gegensatz dazu stellen die zwei übrigen Promi- nenzen, wovon die eine mit der ächten Concha in der eigentlichen Riech- höhle, die andere aber in der Vorhöhle liegt, gerade so wie die Pseudoconcha der Crocodilier, eine Vorbauchung der ganzen Nasenwand dar (Gegenbaue).

Die wirkliche Muschel, welche meist aus Knorpel, seltener aus Knochen besteht, unterliegt bezüglich ihrer Form zahlreichen Schwan- kungen. Entweder stellt sie nur einen massigen Vorsprung dar oder rollt sie sich mehr oder weniger (bis zu drei Umgängen) auf. Unten und vorne von ihr mündet der Thrä neu nasengang aus. Ueber die Möglichkeit ihrer Parallelisiruug mit der Muschel der Urodelen und Reptilien kann kein Zweifel existiren.

Die sogen, äussere N a s e u d r ü s e der Vögel liegt nicht im Bereich des Oberkiefers, sondern auf den Stirn- oder Nasenbeinen.

f) Säuger.

Durch viel bedeutendere Entfaltung des Gesichtsschädels gewinnt hier das Cavum nasale an Tiefe und Höhe und dadurch ist der Aus- breitung des sogen. Siebbeinlabyrinths, einer neuen Errungen- schaft den niederen Vertebraten gegenüber, ein viel freierer Spielraum gegeben. Einerseits zwischen den beiden Augenhöhlen, andrerseits zwi- schen der Basis cranii und dem Dache der Mundhöhle, dem Palatum du- rum, gelegen, erzeugt das Siebbein eine Menge zelliger, wabiger, von Schleimhaut ausgekleideter Räume („Labyrinth"'), so dass gegen das Cavum nasale herein die mannigfachsten knorpelig-knöchernen Ausbuch- tungen und Vorsprüuge entstehen.

Die daraus resultirenden „Riechwülste" finden sich in sehr wech- selnder Zahl, einreihig (Ornithorhyuchus, Cetaceen, Pinnipe- dier, Primaten) oder in mehreren Reihen (die übrigen Mam- malia). Im letzteren Fall wird es sich, bei gleichzeitiger stattlicher

Sinnesorgane. 207

Entwicklung des Lobus olfactorius, um ein gesteigertes Geruchs- vermögen handeln , während man im ersteren mit einer Verringerung der Zahl der Riechwülste , d. h. mit Rückbildungsprocessen, zu rech- nen hat.

Der Grund davon liegt in Anpassungserscheiuungen, wofür die "W al th i er e, bei denen das Riechorgan rückgebildet und in ein Spritz- organ umgewandelt ist, die schlagendsten Beispiele liefern. Die Eeduction der Riechwülste ist hier offenbar auf die Anpassung an das Wasserleben zurückzuführen, denn das bei lungenathmeuden Thieren auf die Luft an- gewiesene Geruchsorgan konnte aus den im Wasser suspendirten Geruchs- stoffeu (Witterung der Beute) offenbar keinen Nutzen ziehen.

Bei den Primaten, wie z. B. beim Menschen, ist die Atrophie Folge einer ganz anderen Ursache; sie beruht darauf, dass das Geruchsvermögeu in diesem Fall für die Existenz der Art nur eine untergeordnete Rolle spielt. Was hier ausfällt, wird durch die Intelligenz corri- girt. Der Geruchsapparat hat, wie Beoca richtig bemerkt, hier nur noch den Werth eines bescheidenen Vasallen des Gehirns und erreicht nicht mehr den Werth der anderen höheren Sinnesorgane. Die Bedingungen, welche die Wichtigkeit des Riechorgaus in der Wirbelthierreihe vermindern , sind sehr verschiedene.

Es wird sich nun darum handeln, das ursprüngliche Verhalten bezüg- Kch der G r u n d z a h 1 d e r R i e c h w ü 1 s t e festzustellen. Darüber haben die Untersuchungen von Zuckerkanjjl folgenden befriedigenden Auf- schluss gebracht. Die ursprüngliche Zahl der Riech wülste ist eine verhältnissmässig geringe, und wo es sich in der Säugethier-Reihe um eine Vermehrung oder um for- melle Complicationen derselben handelt, hat man es mit secundären Erwerbungen im Sinne einer Vervoll- kommnung zu thun.

Die meisten Säugethier-Ordnungen , wie z. B. die grössere Zahl der Carnivoren, Nager, Insectivoren, Halbaffen und Marsu- piali er besitzen fünf Riechwülste, die Ungulaten in der Regel mehr als fünf, nämlich bis zu acht; sechs bis neun Riechwülste finden sich bei den Edentaten, einer bis drei bei den Primaten.

Die obigen Betrachtungen beziehen sich auf die eigentliche Regio olfa Ctoria, resp. auf das Siebbein -Labyrinth mit seinen „Riech- wülsten". Ich habe dabei absichtlich den Ausdruck Muschelbil- dung vermieden und dafür den von Schwalbe eingeführten Namen „Riechwulst'' gebraucht, um dabei von vorneherein jede Parallele mit der ,, Muschel" niederer Verte braten auszuschliesseu. Nun aber erhebt sich die Frage nach dem Verbleil) der letzteren in der Reihe der Mammalia. Auch auf diese hat sie sich in Form des Nasoturbinal e fortvererbt, aber sie besitzt hinfort kein Riechepithel mehr, sondern hat offenbar einen Functionswechsel ein- gegangen. Was zunächst ihre Gestalt betrifft, so ist sie bei gut riechenden Thieren in der Regel eine gefaltete, oder mehr oder weniger verästelte, d. h. sie weist complicirtere Formverhältnisse auf, als im gegentheiligen Fall, wo es sich um eine einfache oder dop- pelt gewundene Muschel handelt. Letztere ist als die ur- sprünglichste zu b etrachten, aus der sich die übrigen Formen erst secundär entwickelt haben.

208

Specieller Theil.

Die Grössenentwicklung der Muschel verhält sich stets proportional zu der Entfaltung- der in ihren Bereich fallenden Trigeminus-Ausbrei- tung, obgleich sich letztere nicht allein auf die Muschel beschränkt. Es wird somit die Nasenschleimhaut ausser Geruchs- und einfacher Tastempfin- dung auch noch Empfindungen anderer Qualität (Temperatur-, Feuchtigkeits- grad der Luft) vermitteln. Abgesehen aber von der Bedeutung der Mu- schel als Spür- und Witterungsorgan hat dieselbe bei starker Ver- ästelung auch noch sicherlich die Bedeutung eines Luftfilters, eines Erwärmungs- und Durchfeuchtungsapparates. Warum der- selbe aber Thieren, welche in gleichen Verhältnissen leben, dann wiederum nicht zukommt, lässt sich allerdings schwer einsehen.

B

C

1)

E F

Fig. 184. Verschiedene Formen desNasoturbinale derSäugethiere. A. doppelt gewundene Muschel, ß Uebergaug zur einfach gewundenen 1^ F, C üebergang der doppelt gewundenen zur dendritischen Nasenmuschel D. (Fortschreitende Oberfiächen- vergrösserung.) (Nach Zuckerkandl).

Stets liegt das Nasoturbinale in der unteren, durch die C h o a - uen in den Rachen mündenden Partie der Nasenhöhle, d. h. in der sogenannten Pars respiratoria, während die Ri e c h w ü 1 s t e mit der Labyrinthpartie mehr nach oben und hinten in die Pars olfac- toria gerückt erscheinen.

Die Nasenhöhle der Säugethiere steht häufig mit Nebenhöhlen, d. h. mit der Stirn-, Kiefer- und Keilbeinhöhle, in offener Verbindung. Auch in diesen Nebenhöhlen, welche sich alle von dem ursprünglich knorpeligen Ethmoidal-Gerüst aus entwickeln, können sich bei gut ausgebildetem ßiechvermögen ebenfalls noch Riechwülste entwickeln, wie dies z.B. für die Keilbeinhöhle gilt. Erwägt man noch weiter , dass bei Amphibien und Reptilien stets auch noch die Kieferhöhle von Riechschleimhaut ausgekleidet ist, so wird die ur- sprüngliche Bedeutung dieser Nebenhöhlen als wichtiger Beigaben zum Riechorgan ersichtlich. Die Verringerung des Riechvermögens führt dann entweder zu einem theilweisen oder völligen Schwund derselben, oder aber sie bestehen, von gewöhnlicher Schleimhaut bekleidet, als lufthohle Räume fort. Im letzteren Fall betheiligen sie sich also nicht mehr am Riechact, sondern fallen unter einen andern Gesichts- punct , wie ich dies bei der Besprechung der pneumatischen Knochen (vergl. das Respirations - System der Vögel) näher aus- führen werde.

Was die Nasendrüsen der Säugethiere betrifft, so zerfallen sie in zwei grosse Abtheilungen: 1) in die kleinen, überall zerstreuten BowMAN'schen Drüsen, an welchen mau einen doppelten Epithel-

Sinnesorgane.

209

Charakter (seröse und mucöse Zellen) unterscheiden kann, und 2) in einen grösseren, in der Reihe der Säugethiere sehr verbreiteten Drüsenapparat, der schon im 17. Jahrhundert von N. Steno (Stenson) entdeckt, später aber wieder in Vergessenheit gerathen war. Neuerdings wurde er von C. Kancjro unter dem Namen der Steno- schen Nasendrüse wieder beschrieben. Diese Drüse, welche schon in sehr früher eiul;)ryonaler Zeit

auftritt, liegt seitwärts im Cavum nasale und kann sich , beim Vor- handensein einer Highmors-Höhle, in letztere hineinziehen.

Fig. 185. Frontalschnitt durch die menschliche Nasenhöhle. /, //, /// Untere, mittlere und obere Muschel, a, b, c unterer, mittlerer und oberer Nasen- gang, 8 Septum nasale, nd, nd Rudiment der septalen Nasendrüse, * Ausmündungs- stelle des Thränennasenganges, ■\ Eingang ins Cavum maxillare {C.m), SL Siebbein- Labyrinth, HG Harter Gaumen, C.er. Ca- vum cranii, M Maxiila.

Das am meisten in die Augen springende Merkmal der Säugethier- nase besteht in dem Auftreten einer äusseren Nase, die wir uns aus der Vorhöhle der Reptiliennase herausgewachsen, also gewissermaassen als eine Verlängerung derselben zu denken haben. Abgesehen von den prominirenden Ossa nasalia spielt unter den die äussere Nase stützenden Knorpeln der von der Lamina papyracea des Siebbeins entspringende, nach vorne weit ausspringende Scheidewandknorpel eine Haupt- rolle ; jedoch ausser den Diöerenzirungen des Ethmoidalknorpels denn als solcher ist jener zu betrachten existiren auch noch selbständige Stücke, die sich am Aufbau des äusseren Naseugerüstes betheiligen. Als solche figuriren z. B. die drei, in die Spitze und die sogenannten Nasenflügel des Menschen eingefügten kleinen Knorpellamellen, die übrigens sowohl nach Form, als nach Zahl und Grösse bedeutenden Schwankungen unterworfen sind.

Die aus functionellen Gründen den mannigfachsten Modificationen unterworfene äussere Nase steht unter der Herrschaft einer oft reich ent- falteten Musculatur, die namentlich bei tauchenden Säugern von Wichtig- keit wird, indem hier durch einen Sphincter und wohl auch durch einen besonderen Klappenapparat ein completer Abschluss der äusseren Nasen- löcher ermöglicht ist. Eine ganz excessive Entwicklung und Vermehrung der Musculatur findet sich bei Küsselbildungen (Tapir, Schwein, Maul- wurf, Spitzmaus und Elephant, welch letzterer mehr als 30000 Muskeln in seinem Rüssel besitzen soll), und dadurch wird das Organ zu einem Tast- und Greifapparat.

Jakobson'sche Organe.

Unter den Jakobson'schen Organen versteht man eine vom Cavum nasale schon in embryonaler Zeit sich gänzlich abschnürende, paarige Nebennasenhöhle, die vom Olfactorius und Trigeminus versorgt wird und durch eine besondere Oeffnung mit der Mundhöhle in Verbindung steht. Diese Bedingungen

Wiedersheim, Grundriss der vergl. Anatomie. 2. Auü. 14

210 Specieller Theil.

erfüllt vollkommen der oben schon erwähnte, von der Maxillarhölile der Sclileiclienlurche umschlossene Nebennasenramn, und dass dieser dem Maxillar-Raum sämmtlicher \Yirl)elthiere als homolog zu erachten ist, kann Niemand bezweifeln. Bei keinem andern Vertebraten aber kommt es zu einer derartigen Abkammerung, sondern wir sehen im Gegentheil, je weiter wir in der Wirbel thierreihe emporsteigen, das Cavum ma- xillare sich immer mehr dem Riechorgan, nach der physiologischen Seite hin, entfremden, sein Riech- epithel verlieren und schliesslich, wie oben weiter ausge- führt wurde, auf die Stufe eines einfachen Luftraumes herabsinken.

Unabhängig von dem Jakobson'schen Organe der Gymnophionen existiren nun bei Sauriern, Schleichen und Schlangen^) gewisse Apparate, die ebenfalls in obgenanntem Sinne zu deuten sind. Sie liegen, wie ein Bhck auf die Figur 182 P lehrt, zwischen dem Boden der Nasen- und dem Dach der Mundhöhle und stellen eine kleine paarige, von Riech epithel ausgekleidete Höhle dar, von deren Boden sich eine Papille erhebt und welche durch eine besondere Oeff- nung vor der Choane in die Mundhöhle ausmündet.

Bei Crocodiliern, Schildkröten und Vögeln sind keine Jakobson- schen Organe nachgewiesen, allein bei den letzteren trifft man nach W. K. Parker gewisse am Nasenboden liegende Knorpel, die da, wo sie sonst in der Wirbelthierreihe (wie z. B. bei Lacertiliern und Säugern) auftreten , stets enge an die Existenz der Jakobson'schen Organe geknüpft sind. Bei Säugern, und zwar hier vorzugsweise bei Monotremeu, Marsupialiern, Edentaten, Inse ctivoren, Nagern und Hufthieren, existiren Jakobson'sche Organe in weite- ster Verbreitung. Hier handelt es sich stets um zwei basalwärts vom Septum nasale liegende, von Knorpelkapseln (Huschke'sche Pflug- scharknorpel) gestützte Röhren, welche hinten blind geschlossen sind, vorne dagegen durch die den Zwischenkiefer durchbohrenden Sten- son'schen Gänge (C anales incisivi) in die Mundhöhle einmünden.

Beim Menschen scheinen Jakobson'sche Organe nicht einmal mehr in fötaler Zeit aufzutreten, und was man früher dafür gehalten hat, ist das Rudiment einer septalen Nasendrüse, wie sie z. B. bei Prosimiern vorkommt (Gegenbaue). Dass die Vorfahren des Menschen übrigens ein Jakobson'sches Organ besessen haben müssen, beweist die Existenz der Huschke'schen Pflugscharknorpel.

Was die physiologische Aufgabe der Jakobson'schen Or- gane betrifft, so mag sie darin bestehen, die in die Mundhöhle einge- brachten Speisen unter directe Controle des Riechnerven zu stellen. Man erinnert sich dabei unwillkürlich des Volksausdruckes : „es schmeckt etwas gut", anstatt: es riecht gut.

Der Spritzapparat der Crymnophionen.

Bei den Schleichenlurchen existirt ein höchst merkwürdiges Organ, das sowohl zur Nasenhöhle als zur Orbita in den engsten topogra- phischen Beziehungen steht und welches aus diesem Grund wohl am besten an dieser Stelle zur Besprechung kommt.

1) Nach J. Beard finden sich am Boden des Rirchepithels des Jakohson'schen Organes der Schlangen Anordnungen der Ganglienzellen in Knospenform, so dass man dadurch an die B 1 a u e ' s c li e n ü e r u c h s k n o s p e n der A n a ui n i a erinnert wird.

Sinnesorgane. 211

Es handelt sich um eine, in der Orbita gelegene, fibröse, von starken Muskeln umsponnene Blase, die sich nach vorne in einen Canal des Ober- kiefers hinein röhrenartig verlängert und an der freien WangenÜäche, in der Nähe der Schnauze, ausmündet. Diese schlauchartig verlängerte Partie des Organs besteht aus zwei in einander steckenden fibrösen Eöhren.

Das Innere des ganzen Apparates wird durchzogen von einem als Retrac- tor wirkenden Längsmuskel und dieser strahlt in eine an der oben genannten Wangenöffnung gelegene Papille aus.

Rings um den eben genannten Muskel gruppirt sich in dem blasenar- tig erweiterten Abschnitt des Organs eine mächtige Drüse, welche ihr Secret in das Lumen des schlauchförmigen Abschnittes entleert. Eine zweite, in der Maxillarhöhle eingebettete, mächtige Drüs e durchbohrt mit ihren Ausführungsgängen die Seitenwand des Oberkieferknocheus und mün- det ebenfalls in den schlauchförmigen Abschnitt des Organs, und zwar kurz vor dessen peripherem Ende, gerade an der Stelle der oben erwähnten Papille. Die erste Drüse kann man als Orbital-, die zweite als Ten- takeldrüse bezeichnen ( Wiedersheim).

"Worin die physiologische Aufgabe dieses, in der Thierreihe ganz iso- lirt dastehenden und entwicklungsgeschichtlich verhältnissmässig spät auf- tretenden Apparates besteht, ist bis jetzt nicht mit Sicherheit zu bestim- men. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Spritzapparat und weiter, falls sich das Drüsensecret als ein giftiges herausstellen sollte, um eine Vertheidigungswaffe, welche zusammt dem ungemein fein ausgebildeten Ge- ruchsorgane mit dem nicht functionirenden Seh- und Gehörorgan (bis zu einem gewissen Grade wenigstens) in Correlation zu bringen sein wird. Ob es sich dabei auch um einen „Tentakel", also um ein Eühlorgan, liandelt, muss vorderhand dahingestellt bleiben. Die Orbitaldrüse fasse ich als eine modificirte Härder' sehe Drüse auf (vei-gl. das Sehorgan).

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14-^

212

Specieller Theil.

Sehorgan.

Im Gegensatz zu den Wirbellosen , wo das Sehorgan auf einem Differenzirungsprocess des Integunientes beruht, bilden sich die lichtempfindenden Elemente des Wirbel thierauges aus jener paarigen Ausstülpung des primären Vorderhirnbläschens, von welcher schon beim Gehirn die Rede war.

VJ£

ABI

A

Fig. 186. A Anlage der primitiven Augenb lasen {ABl), F//Vorderhirn, F, V Ventrikelraum des Ge- hirns, welcher bei tt mit der Höhle der primitiven Augenblasen in weitester Communication steht.

jB Halbschematische Darstellung der secun- dären Augenblase und der vomEktoderm sich abschnürenden Linse. IB Inneres Blatt der secuudären Augenblase , aus welchem die Retina entsteht, f Umschlagstelle desselben in das äussere Blatt {AB) , aus welchem das Pig- mentepitbel hervorgeht, H Höhle der secundären Augenblase, L Linse, welche als becher- artige Einsenkung vom Ektoderm [E) aus entsteht, * Umschlagsrand des Ektoderms, 3/, M mesodermales Gewebe, welches bei M'^, Jf zwischen Epidermis und der davon sich abschnürenden Linse hineinwuchert und sich zur hinteren Schicht der Cornea sowie zur Iris differenzirt. C Vom Glaskörper erfüllter Raum zwischen Linse und Retina.

Es handelt sich dabei also um einen an die Peri- pherie gerückten Hirntheil.

Jene Ausstülpung wird als primäre Augenblase bezeichnet, und indem diese gegen die äusseren Bedeckungen des Kopfes heranwächst, zieht sich die Verbindungsbrücke mit dem Gehirn mehr und mehr aus, verliert allmählich ihre Höhlung, mittels der sie zuvor mit dem Ventrikel zusammenhing, wird strangartig und lässt aus sich den Sehnerv her- vorgehen.

An der Stelle, wo die Blase die Epidermis berührt, beginnt letztere zu wuchern , während gleichzeitig die vordere Wand der Blase derart einsinkt, dass ein doppelwandiger Becher oder, wie der Ausdruck ge- wöhnlich lautet, eine secundäre AugenWase daraus resultirt (Fig. 186, ß).

Indem dann später die innere und äussere Wand derselben (Fig. 186 B IB und AB) mit einander verwachsen, wird aus der ersteren die definitive hchtpercipirende Haut, d. h. das Sinnesepithel der lletiiia, aus der letzteren dagegen das sogen. Pigment-Epithel.

Die weiteren Entwicklungsvorgänge gestalten sich nun so, dass sich jenes oben erwähnte, epidermoidale Zellpaket in die Augenlinse (L e n s crystallina) difierenzirt, von seinem Mutterboden, dem Ektoderm, abschnürt und das Innere der Augenblase mehr und mehr erfüllt (Fig. 186 B L). Was in letzterer an Raum übrig bleibt , wird von meso- ilermalem, ventralwärts durch den sogen. C h o r i o i d e a 1 s c h 1 i t z ein- wucherndem Gewebe eingenommen , und aus letzterem gehen der der Linse gegenüber später immer mehr zur Geltung kommende Glaskörper (Corpus vitreum) (Fig. 186 B C), sowie gewisse, für die Ernährung

Siunesorgane. 213

des embryonalen Auges hochwichtige Gefässe hervor (Vasa centralia N. optici, Arteria hyaloidea, Tunica vasculosa lentis).

Wie nun im Innern der secundären Augenblase zahlreiche Blut- bahnen verlaufen, so gilt dasselbe auch für deren äussere Peripherie, allwo sich eine förmhche Gefässhaut, die sogen. Chorioidea, ausbildet (Fig. 187 Gh).

Fig. 187. H o r i z on tal sc liii itt dur c li das ^'V c- \

linke Auge des Menschen, von oLcn ge- sehen, schematische Darstellung. O^i N. opticus, OS Opticusscheide, i)£F Mariotte'bclicr (hlin der) Fleck, i'b Fovea centralis (Macula lutea). Et Retina, FE Pigmentepithel der letzteren, C7« Chorioidea mit ihrer Lamina fusca [Lf) und Gefässschicht (6^-S'), Sc Sclera, Co Cornea, Cj Conjunctiva, 311) Membrana Descemettii, CS Canalis Schlemmii (die punktirte Linie sollte durch die Sclera hindurch bis zu der kleinen, ovalen Oefl'uung weiter geführt sein), Ir Iiis, Lc Ligamentum ciliare, C Ciliarfortsatz, VK, IIK vordere und hintere Augenkammer, L Linse, // M. hyaloidea, Z Zonula Zinnii, CP Canalis Pe- titi, Cv Corpus vitreum.

Diese wächst an ihrer vorderen Circumferenz zur sogen. Regeii- Ibogenhaut oder Iris aus (Fig. 187 ir), legt sich unter Erzeugung eines radiär angeordneten Faltensystems (Corpus ciliare) mit dieser vor- liangartig vor die Linse, erhält hier später einen kreisförmigen Aus- schnitt (Sehloch, Pupille) und lässt die Lichtstrahlen einfallen. Dies geschieht in geringerem oder höherem Grade, je nachdem der in der Iris vorhandene Musculus dilatator oder c o n s t r i c t o r (S p h i n c - t e r) in Wirkung tritt. Es handelt sich somit um eine Art von B 1 e n - dun gsap parat.

W^ie nun die Pupille keine constaute Grösse besitzt, so unterliegt auch die Linse zahlreichen Formschwankungen, je nachdem sie mehr abgeplattet oder abgerundet wird. Ersteres tritt ein beim Sehen in die Ferne, letzteres beim Sehen in die Nähe. Kurz es handelt sich um einen sehr feinen Accommodatioiisapparat, und dieser steht unter der Herrschaft eines dem N. oculomotorius unterworfenen Muskels (M. ciliaris s. tensor Chorioidea e), welcher in ringartiger Anordnung an der Uebergangsstelle der Sclera in die Cornea entspringt und sich an dem peripheren Rand der Iris inserirt (Fig. 187 Lc).

Nach aussen von der als Chorioidea bezeichneten Gefässhaut liegt ein auf der Fig. 187 unter dem Namen der Lamina fusca aufgeführ- ter Lymphraum (Perichoroidealr aum), und nach aussen von diesem endlich triftt man auf eine derlje, fibröse, oder wohl auch theil- weise knorpelige oder gar verknöcherte Schicht, die man als Sclera oder Sclerotica bezeichnet (Fig. 187 Sc).

Während diese nach hinten in die Opticusscheide {OS) und von dort aus in die Dura mater übergeht, setzt sie sich nach vorne unter Aufhellung ihres Gewebes in die sogen. Hornhaut oder Cornea fort und erhält hier auf ihrer freien Fläche von Seiten der Bindehaut (Conjunctiva) des Auges einen epithelialen Ueberzug (Fig. 187 Co, Cj). Sclera und Cornea zusammen stellen ihrer derben Beschaffenheit wegen eine Art von Aussenskelet des Auges dar und garantiren so zu- sammen mit der gallertigen Masse des Glaskörpers die für die.Integri-

214 Speci eller Theil.

tat der nervösen En(lai)parate notbwendige Expansion des ganzen Aug- apfels. Zwischen Hornhaut und Cornea liegt ein weiter Lyraphraum, die sogen, vordere Augenkamnier (Fig. 187 FJT).

Einen weiteren Schutzapparat für das Auge bildet die tiefe, vom Ivopfskelet gebildete Orbitalbucht, sowie gewisse Neben- oder Hilfs- apparate, die sich in drei Kategorien bringen lassen:

1) Allgenlider (Palpebrae),

2) Drüsen Organe,

3) Muskeln (Bewegungsapparat des Bulbus oculi).

So finden wir also den Augapfel aufgebaut aus einem System con- centrisch geschichteter Häute, die von innen nach aussen als Retina (Nervenhaut), Chorioidea (mit Iris) (Gefässhaut) und Sclera (mit Cornea) (Skelethaut) bezeichnet werden. Erstere entspricht der ner- vösen Substanz, die zweite der Pia-, die dritte der Dura m a t e r des Gehirns. Das Innere des Auges ist erfüllt von lichtbrechen- den Medien, nämlich von der Linse und dem Glaskö rp er. Dazu kommen noch gewisse Nebenapparate.

Wie das Geruchsorgan , so unterliegt auch das Sehorgan in seiner Structur äusseren Einflüssen. Diese bringen dasselbe bald zu ausserordent- lich feiner Entwicklung, bald zur Rückbildung oder gar zum gänzlichen Schwund, kurz sie wirken in der allerverschiedensten Weise modificireud und umgestaltend auf dasselbe ein.

Von höchstem Interesse sind deshalb jene Thiere, die durch ihren Auf- enthalt an dunklen Orten, wie z. B, in der Tiefe der Meere und Seeen oder in Höhlen , ihre Sehorgane entweder theilweise oder gänzlich eingebüsst haben. Vertreter davon finden sich vorzugsweise unter den Arthropoden, sowie unter den in den Körperhöhlen schmarotzenden "Würmern. Von Vertebraten wären anzuführen der blinde Fisch (Amblyopsis spe- laeus) aus der Kentuckyhöhle Nordamerikas, der im Karstgebirge hausende 01m (Proteus anguineus), die Gymnophionen, der Maulwurf etc. (vergl. pag. 196, 204). Ob dahin auch die zur Cetaceen-Gruppe ge- hörige Platanista gangetica zurechnen ist, die bei einer Körperlänge Yon beinahe zwei Metern ein nur erbsengrosses, offenbar im Schwinden begriffenes Auge besitzt, ist um so schwieriger zu entscheiden, als die andern, unter gleichen Bedingungen im Ganges leben- den Cetaceen (Orcella fluminalis und brevirostris) eine solche Ver- kümmerung des Auges nicht aufweisen (M. Webee).

Ich wende mich nun zur Besprechung des Sehorgans der einzelnen Wirbelthierklassen , wobei ich aber von der Retina absehe, da ihr später ein besonderes Capitel gewidmet sein soll (vgl. pag. 220).

Fische.

Beim Amphioxus ist ein Sehorgan noch nicht mit Sicherheit nach- gewiesen, und dasjenige der Cyclostomen, bei welchen es sich übrigens höchst wahrscheinlich um Rückbildungen handelt, steht noch auf sehr niederer Entwicklungsstufe. Dies spricht sich nicht nur im Bau d(!r Retina, sondern auch (bei M y x i n o i d e n wenigstens) in dem Mangel einer Linse, einer Iris, einer diff erenzirten Sclera und Cor- nea aus^). Zugleich liegt das Auge und das gilt auch für Ammo- 00 et es, wo es sehr klein ist tief unter der Haut und dem Untcr-

1) Vergl. auch das Sehorgan der Dipnoer.

Sinnesorsrane.

215

hautbindegewebe. Bei Petromyzon verdünnt sich die betreffende Hautpartie, das vorher bhnd gewesene Thier wird sehend, der Bulbus gewinnt einen grösseren Umfang und zugleich eine etwas höhere Or- ganisationsstufe. S c 1 e r a und Cornea fehlen aber nach wie vor.

Die Augen aller übrigen Fische sind, mit wenigen Ausnahmen (Rochen, Welse, Aale), von beträchtlicher Grösse, und dies gilt namentlich von denjenigen der Sei ach i er. Ihre Beweglichkeit ist nie bedeutend, und da die grosse Cornea sehr flach ist und der Linse fast direct aufliegt, so besitzt der Bulbus stets eine hemisphärische oder ellipsoide Gestalt und die vordere Augenkammer wird in ihrer Aus- dehnung sehr beschränkt. Im Uebrigen ist das Auge nach dem in der Einleitung entworfenen Grundplan gebaut, allein es sind dabei noch einige weitere Punkte zu berücksichtigen.

Die Linse ist, wie bei allen Wasserthieren, kugelig und besitzt somit ein sehr grosses Brechungsvermögen. Sie füllt das Innere des Bulbus zum grössten Theil aus, so dass für den Glaskörper nicht viel Raum übrig bleibt. Sie ist, im Gegen- satz zu den höheren Verteb ra- ten, im Ruhezustand für das Sehen in die Nähe eingerichtet.

Xc VK Co

Fig. 188. Typus des Fischauges. Op Opticus, OS Opticusscheide, Rt Retina, PE Pig- mentepithel, Tp Tapetum, Lv Lamina vasculosa, Ag Argentea, Ls Lamina suprachorioidea. Sc Sclera mit Knorpel- beziehungsweise Knocheneinlage (f), Co Cornea , Ir Iris, Lc Ligamentum ciliare, VK vor- dere Kammer, L Linse, Cv Corpus vitreum, Pr Pro- cessus falciformis, Cp Campanula Halleri.

Ls

Da nun an Stelle des Musculus ciliar is nur ein fibröses Ligamentum ciliare vorhanden ist, so wird die Accommodation des Fischauges durch einen andern Apparat bewerkstelhgt. Dieser besteht in einer, von der Chorioidea ausgehenden Falte (Processus falciformis), welche sich von der Eintrittsstelle des Sehnerven an bis gegen den Aequator der Linse erstreckt, um sich hier mittelst einer knopfartigen Auftreibung (Campanula Halleri) zu iuseriren.

Im Innern dieses Gebildes liegen Nerven, Gefässe und glatte Muskelfasern, und letztere vermögen durch ihre Contraction einen Einfluss auf die Linse im Sinne eines Accommodationsapparates auszuüben.

Nach aussen von der Chorioidea, dicht unter, d. h. einwärts von dem oben erwähnten , s u p r a c h o r i o i d e a 1 e n L y m p h r a u m , findet sich eine Silber - oder grün - golden schimmernde Membran , die sogen, Argentea. Sie erstreckt sich entweder auf das ganze Augen-Innere (T el e - ostier) oder beschränkt sie sich auf die Ins (Sei ac hier).

Eine zweite, metallisch glänzende Haut, das Tapetum cellulosum s. lucidum, liegt bei Selachiern auswärts von derjenigen Schicht der Chorioidea, welche man als Chorio-capillaris bezeichnet. Bei T e 1 e - 0 s t i e r n und Petromyzon ten scheint kein Tapetum zu existiren ^ ).

1) Die Argentea wie das Tapetum lucidum besteht aus einer Anhäufung zahlloser , irisirender Guaninkalk - Krystalle , ganz von derselben Art, wie sie auch in der

216 Specieller Theil.

Die deu Knochen fischen und gewissen Ganoiden (Amia) zukommende Chorioidealdrüse besteht aus einem von Arterien und Venen gebildeten Wunder netz, welches polsterartig neben der Ein- trittsstelle des Sehnerven zwischen Argentea und Pigmentepithel der Retina eingeschoben ist und welches somit in seiner Lage mit der Chorioidea "übereinstimmt. Von einer „Drüse" ist somit keine Rede; die physiologische Bedeutung des Apparates ist aber nichts weniger als klar.

Die Sclera ist häufig (Selachier, Sturionea) in grösster Ausdeh- nung verknorpelt und nicht selten kommt es gegen den Cornealrand zu auch noch zur Verknöcherung. (Gilt auch für Teleo stier.)

In diesen soliden Stützelementen der Fisch-Sclera liegt ein Ersatzmittel für die mangelhaft gebildeten OrbitaJwände und vielleicht auch eine Schutz- vorrichtung gegen die Bewegungen des Kiefer-Gaumenapparates. Dass sie aber auch bei dem auf dem Fisch oft lastenden Druck einer ungeheuren Wassersäule für die Integrität des Augeninner n, wie vor Allem der Retina, schützend eintreten werden, ist sicher anzunehmen.

Der Bulbus ist fast immer von einem fettigen, gallertigen, von binde- gewebigen und elastischen Fasern durchzogenen Gewebe umgeben und steht an seiner hinteren Circumferenz bei Selachieru mit einem, von der seitlichen Schädelwand entspringenden, schlanken Knorpelstab in eigenthümlicher Ge- lenkverbindung 1).

Dipnoer.

Das Auge der Dipnoer bedarf einer erneuten Untersuchung; es ist sehr klein, besitzt eine dünne, z. Th. knorpelige Sclera (W. N. Par- ker), eine Chorioidea und eine kugelige Linse. Es entbehrt einer differenzirten Iris, eines Processus falciformis, einer Campauula Halleri und eines Ciliarkörpers. Vier gerade Augenmuskeln sind vorhanden.

Amphibien.

Die Augen der Amphibien und Reptilien besitzen durch- schnittlich die geringste Grösse unter allen Vertebraten.

Wie bei Fischen, so enthält auch bei manchen Amphibien, und zwar sowohl bei A n u r e n als bei U r o d e 1 e n , die Sclera hyalin- knorpelige, häufig pigmentirte Elemente eingesprengt. Verknöchc- rungen sind bis jetzt nicht beobachtet.

Die Wölbung der Hornhaut ist kaum beträchtlicher, als bei

äusseren Haut vorkommen, deren Glanz sie bedingen. Sie sind in Epithelzellen eingelagert und letztere sind auf massenhafte Bildung und Umwandlung von Endothelien zurückzu- führen.

1) Bei jungen Pleuronectes liegen die Augen noch ganz symmetrisch zu beiden Seiten des Kopfes. Das eine wandert, wie A. Agassiz gezeigt hat , nicht , wie man früher (Steenstrup) annahm, von der rechten Seite durch den Schädel durch auf die linke, sondern es erreicht diese Lageveränderung mittelst einer Rotationsbewegung um die Längs- axe des Kopfes , und zwar unter gleichzeitiger Vorwärtsverschiebung gegen die Nase hin. Dabei kommt das betreffende Auge in eine Vorwärtsverlängeruug der Rückenflosse oder, genauer, zwischen letztere und das Os frontale zu liegen. Letzteres wird dadurch in seiner Form modificirt und die frühere rechte Orbita geht einem allmählichen Schwund entgegen. Es liegt auf der Hand, dass bei diesem Process der Sehnerv der rechten Seite , sowie die Augenmuskeln bedeutend in die Länge gezogen werden müssen, und dies findet statt unter Entwicklung eines sehr regen Gefässlebens an dieser Stelle.

Sinnesorgane. 217

Fischen, jedoch nähert sich die Gesammtforni des Bulbus mehr einer Kugel. Die Pupille besitzt nicht immer eine runde Form, sondern ist da und dort, wie z. B. bei Bombinator igneus, dreieckig, und das- selbe beobachtet man auch bei manchen Fischen, wie z. B. bei C o r e - gonus.

Der Chorioidea fehlt eineArgentea, ein Tapetum, eine Chorioidealdrüse, einProcessus falciformis sammt einer Campanula Halleri; sie zeichnet sich also den Fischen gegenüber durch ein negatives Verhalten aus. Der Glaskörper besitzt übrigens Gefässe, die der Campanula der Fische homolog sind.

Die goldschimmernde Iris des Frosches beruht auf rundlichen Zellen mit blassgeblich gefärbten Pigmentkügelchen, also nicht auf der Existenz von nadeiförmigen Krystallen , wie wir solche in der Argentea der Fische constatiren konnten.

Nicht nur die Iris besitzt eine wohl ausgeprägte, glatte Musculatur, sondern es ist auch zwischen Sclera und den Ciliar- fortsätzen, also an der Stelle, wo wir bei Fischen ein bindegewebiges Kingband , resp. das C i 1 i a r b a n d angetroffen haben , ein eigent- licher, wenn auch nur schwacher Muskel mit Sicherheit nachgewiesen.

Was ich bei Fischen über das Verhältniss des Glaskörpers zur Linse sowie über die Form etc. der letzteren bemerkt habe, gilt fast wört- lich auch für die Anii)hil)ien. Ueberhaupt können wir consta- tiren, dass das Amphibienauge, abgesehen von gewissen negativen Charakteren, nach dem Typus des Fisch- auges gebaut ist und dass es letzterem gegenüber in seiner Entwicklung keinen wesentlichen Fortschritt documentirt.

Der Strahlenkörper ist bei Anuren, wenn auch schmal, so doch deutlich entwickelt. Er besteht aus einem Kranze von zahlreichen, radiär gestellten Falten, welche auf die Hinterfläche der Iris übergehen und erst gegen den Pupillar-Rand zu verstreichen. Bei Urodelen zeigt sich das Corpus ciliare von dem Aussehen der Chorioidea nicht verschieden, es ist glatt wie dasjenige der Fische und kann nur dadurch von der Cho- rioidea als besondere Zone unterschieden werden, dass es und dies gilt in gleicher Weise für alle Wirbelthiere des Retina-Ueberzuges entbehrt.

Das kleine Auge der S c h 1 e i c h e n 1 u r c h e ist , worauf ich schon oben hingewiesen habe, wie das des Proteus, in der Rückbildung be- griffen. Hier wie dort liegt es tief unter der äusseren Haut verborgen, jedoch schimmert es bei Gymnophionen zuweilen noch als kleiner, dunkler Pigmentfleck hindurch und besitzt noch alle wesentlichen Com- ponenten des Wirbelthier - Auges. Bei Proteus dagegen fehlt die Linse und der Glaskörper.

Heptilieii und Vögel.

Hier erreicht der Bulbus oculi und dies gilt namentlich für die Vögel eine im Verhältniss zum Kopf viel gewaltigere Grössen-

218

Speoieller Theil.

fiusdohimng als l)ci Ampliibien. Die Sclera ist zum grossen Theil knor- pelig und besitzt in ihrem vorderen Abschnitt bei Sauriern, Scinken und Cheloniern einen Ring von zierlichen Kuochenplättchen. Dieser ist auch bei sehr vielen fossilen Amphibien und Reptilien nach- gewiesen und hat sich auch auf die V<)gel vererbt (Fig. 189 und 190 t); l^ci letzteren aber finden sich häufig auch noch hufeisen- oder ringförmige Knochenbildungcn in der Umgebung des Opticuseintrittes.

Fig. 189.

Fig. 189. Scleral-Knochenring von Lacerta muralis.

Fig. 190. Auge eines Nachtraub- vogels. Et Retina, Ch Chorioidea, Sc Sclera mit Knocheneinlage bei f , CM Ciliarmuskel, Co Cornea, VN Verbindungsnaht zwischen Sclera und Cornea, Ir Iris, VE Vordere Kammer, L Linse, Cv Corpus vitreum, P Pecten, OP, OS Opticus und Opticusscheide. Die zwischen der grössten Breite des Bulbus gezogene punktirte Linie zerfällt denselben in ein vorderes und hinteres Segment.

Während der Bulbus der Reptilien im Allgemeinen rundlich ist, erscheint er bei Vögeln und dies gilt vor Allem für Nachtraub- vögel, viel weniger für Wasservögel fcrnrohiartig in die Länge gestreckt und in zwei Portionen, eine vordere grössere und eine hintere kleine, scharf al)geknickt (Fig. 190). Erstere wird nach vorne zu durch die ausserordentlich stark gewölbte Cornea (Co) abgeschlossen und beheii)ergt eine sehr geräumige vordere Augenkammer (VK), sowie einen sehr compHcirten, in mehrere Portionen zerfallenden, querge- streiften Musculus ciliaris (Crampton'scher Muskel). Auch bei Reptilien ist er quergestreift und, wenn auch nicht in dem excessiven Grade wie bei Vögeln, so doch immerhin gut entwickelt.

Während sich bei Reptilien (bei Pa certil iern und Scinken z. B.) noch ein Tapetum entwickeln kann, ist dies mit der Argentea und der Chorioidealdrüse nie mehr der Fall und auch den Vö- geln fehlen alle diese Gebilde. Dagegen findet sich l)ei den meisten Rep- tilien und Vögeln eine dtnii Processus f a 1 c i f o r m i s des Fisch- auges homologe Bildung, näiiilicli der sogen. Fächer oder Eauini. Bei Hatteria und Cheloniern gar nicht vorhanden, erreicht er aucli bei den übrigen Re])tihen keine sehr kräftige Entwicklung, wohl aber ist dies bei Vögeln der Fall (Fig. 190 P). Hier kann er sich von der Eintrittsstelle des Opticus nach vorne bis zur Linscnkapsel er- strecken , oder endigt er , was viel häufiger zu beol)achten ist , schon früher. Er ist bei Vögeln stets mehr oder weniger stark gefaltet, l)e- steht seiner Hauptmasse nach aus dicht verfilzten Capillarschlingen

Sinnesorgane. 219

und scheint bei allen Sauropsiden in wichtigen Beziehungen zu stehen zur Ernährung des Augenkerns und der Retina. Mit der Accommodation hat er Nichts zu schaffen.

Die von einer quergestreiften Musculatur regierte und deshalb auf Lichteindrücke blitzartig schnell reagirende Iris zeigt oft eine sehr leb- hafte Färbung, und dies beruht auf der Anwesenheit nicht nur von Pig- ment, sondern auch von bunten Fetttropfen.

Die Pupille ist in der Regel rundlich, doch kann sie auch eine senk- rechte Spalte darstellen, wie z. B. bei manchen Reptilien und bei Eulen.

Aehnlichen Verhältnissen sind wir auch schon bei Fischen und Am- phibien begegnet und ich will gleich hinzufügen, dass auch bei Säuge- thieren die Pupille durchaus nicht immer rund ist. So hat sie z. B. bei Hufthieren, gewissen Beutelthieren, Cetaceen u. a. eine querovale Form oder stellt sie eine senkrechte Spalte dar (F e 1 i n e n).

Säuger.

Hier, und zwar am vollständigsten bei Primaten , wird der Bulbus in der Regel vollständiger von der knöchernen Orbitalkapsel umhüllt, als bei den meisten übrigen Vertebraten, und darin mag z. Th. der Grund dafür zu suchen sein , dass sich im Bereich der Sclera keine knorpeligen und knöchernen Theile mehr entwickeln, sondern dass die- selbe nur fibröser Natur ist. Die einzige Ausnahme machen die M o n o - trenien.

Die Cornea zeigt mit Ausnahme der wasser bewohnenden Säuger, bei welchen sie ziemlich flach ist, eine ziemlich gute Wöl- bung und der ganze Bulbus ist von mehr oder weniger rundlicher Gestalt.

Ein entweder aus Zellen oder aus Fasern bestehendes Tapet um (T. cellulosum et fibrosum) existirt in der Chorioidea zahlreicher Säugethiere und erzeugt (durch Interferenz - Erscheinungen) die im Dunkeln „leuchtenden Augen" (C a r n i v o r e n , Robben, Wieder- käuer, Einhufer etc.).

Gewisse, einem Processus falciformis resp. einem Pecten homologe Bildungen treten bei Säugetliieren nur in der Eötalzeit auf, doch kann hier nicht näher darauf eingegangen werden.

Der Ciliarmuskel besteht nur aus glatten Elementen und be- wirkt eine Accommodation des Auges für die Nähe (vergl. oben das Fischauge). Es ist also bei Säugethieren die Linse in ihrer Ruhelage für die Ferne eingestellt.

Die Linse ist an ihrer vorderen Fläche w^eniger stark gewölbt, als an ihrer hinteren , mit welcher sie in die sogen. Fossa patellaris des Glaskörpers eingelassen ist.

Abgesehen vom Pigment hängt die Farbe der Iris und Pupille auch von der Dichtigkeit der Iris und Sclera, von dem Blutgehalt der ersteren, sowie von der wechselnden Beleuchtung ab.

Was die Circulations Verhältnisse des Vertebraten- Auges anbelangt, so unterscheidet man im Bulbus zwei Gefässsysteme, die mit einander an der Eintrittsstelle des Sehnerven anastomosiren, nämlich ein äusseres und ein inneres. Unter dem ersteren be-

220

Specieller Theil.

greift man die Gefässe der Chorioidea, Iris, Sclera und des H or n li a u t r a n d e s , unter dem letzteren die Gefässe des Glas- körpers, derCampanula Halle ri, des Pecteu (Processus f alcif 0 rni is) und der Retina. Diese spielen bei Säugethieren eine ungleich grössere Rolle als l)ei den übrigen Vertebraten, wo sie nur in wenigen Fällen nachgewiesen sind. Bei Sauropsiden werden die fehlenden Retinalgefässe durch die Capillarschlingen des Pecten, bei Fischen, ungeschwänzten Amphibien und Schlangen durch die V a s a h y a 1 o i d e a ersetzt ; die U r o d e 1 e n besitzen keine Glaskörpergefässe.

Von grosser Wichtigkeit für die Physiologie des Auges aller Wirbel- thiere sind die von Schwalbe nachgewiesenen Lymph räume, wie z. B. der zwischen Sclera und Cornea liegende Perichorioideal- Raum, der dem Subdural- und Subarachnoideal - Raum des Central- nervensystems entsprechende In tervaginalr aum des Opticus und die vordere A u g e n k a m m e r. Auch an der äusseren Peripherie des Bulbus erstreckt sich ein grosser Lymphraum , welcher , wie alle übrigen, mit dem Arachnoideal-Raum des Gehirns in offener Ver- bindung steht.

Retina.

Der rechtwinklig oder unter einem spitzen Winkel in den Bulbus einstrahlende Sehnerv erzeugt an der Stelle seines Eintrittes ein Chi- asma und löst sich dann in die lichtpercipi- reuden Elemente der Retina auf.

Letztere muss also in der Umgebung des in der Physiologie als blinde r oder M a r i o 1 1 e- scher Fleck bekannten Nerveneintrittes die gTösste Dicke Ijesitzen und nach vorne gegen das Corpus ciliare zu allmählich an Stärke abnehmen, bis sie schliesslich gegen den Irisursprung hin nur noch aus einer einfachen Zellenlage besteht.-

Die an ihrer inneren und äusseren Periphe- rie von einer structurlosen, hyalinen Haut (Li- mitans interna und externa) begrenzte, in frischem Zustand vollkommen durchsichtige Netzhaut besteht aus zwei, histologisch und physiologisch verschiedenen Substanzen, nämlich

at/ ffi:

in.(/r.

C(/n,

Fig. 191. Retina, nach Merkel. Die nervöse Sub- stanz ist schwarz , die Stützsubstanz lichter, grau gehalten. O Nervenfaserschicht, Cr(j.L. Ganglienschicht , in.gr. innere granulirte Schicht, in K innere Körnerschicht, äu.gr. äussere granulirte Schicht , äu. K. äussere Körnerschicht, Lc. Limi- tans externa, St Stäbchen-Zapfenschicht.

aus einer Stütz- und einer nervösen Substanz. Erstere, das sogen. Fulcrum, welches sich zwischen der Limitans interna und ex- terna wie zwischen zwei Rahmen ausspannt, erscheint auf der Fig. 191 als ein hell gelialtenes iiligrauartiges (iewebe, die nervösen Theile da- gegen besitzen einen dunkleren gekömten Ton. Letztere zerfallen in sieben conceutrische Schichten, nämlich:

Sinnesorgane. 221

1) Nervenfaser-

Gehirnschicht | ?| Ganglien-

(peripheres Ganglion o) I n n e r e g r a n u 1 1 r t e o d e r

5^^: ,„, ü„^ / moleculare

opticum , s. Retina- \ .. "* " - ^ ^ " y. ..

ganglion (Schwalbe). ^ J/ ^. ^ ^' ^ ^^ ^J." ^ ^^

® ° ^ ''|o)Zwiscnenkorner- oder

l äussere granulirte 6) Aeussere Körner-

Schicht

Sehzellenschicht r^ S t ä b c h e n - u n d Z a p f e n - ) mit dem Pigment-Epi- ( thel.

Mittelst der modificirten EHRLicn'scheu Methode gelangte A. Dogiel unter Anderem zu folgenden interessanten Resultaten. Bei keinem Wirbel- thier färben sich die Stäbchen, und Zapfen in Methylenblau; dagegen dringen von der äusseren Körnerschicht aus stets nervöse Elemente zwischen die Stäb- chen und Zapfen hinein, enge denselben anliegend. Die letzten Endigungeu erscheinen entweder knopfförmig (Ganoiden), oder kolbenförmig (Rep- tilien), wobei die Knöpfe oder Kolben noch in ein Härchen auslaufen, oder es handelt sich um einen varicösen Faden, der bis jenseits der Mem- brana limitans externa zu verfolgen ist (Amphibien und Vögel).

Diese Schichten sind so angeordnet, dass die Nervenfaserschicht zu- nächst dem Glaskörper, d. h. zu innerst, die Stäbchen-Zapfenschicht aber zunächst der Chorioidea, also am meisten nach aussen liegt.

Somit liegen im Wirbelthierauge die letzten End- glieder der Neuro-Epithelien, worunter man die Stäb- chen und Zapfen, sowie die äussere Körnerschicht ver- steht, nach aussen, d. h. den einfallenden Lichtstrahlen geradezu abgewandt. Letztere müssen also, bis sie zu ihnen ge- langen, sämmtliche, nach innen von ihnen gelegenen Retinalschichten durchsetzen, was aber keine Schwierigkeit hat, da die gesammte Retina in lebendem Zustande, wie oben bemerkt, eine helle, durchsichtige Beschaffenheit hat.

Die Schichtung der Retina ist bei allen Vertebraten dieselbe, wenn auch bezüglich der Entwicklung der einzelnen Lagen, so vor Allem der Stäb- chen-Zapfenschicht, sehr bedeutende Schwankungen vorkommen. Die- selben erstrecken sich sowohl auf die Grösse als auf die Zahl , doch lässt sich im Allgemeinen behaupten, dass die Dicke der Stäbchen -Zapfenschi cht in umgekehrter Proportion steht zu derjenigen der äusseren Körnerschicht.

Fische besitzen die absolut längsten Stäbchen, so dass hier die Dicke der Stäbchenschicht ein Drittel, ja sogar in seltenen Fällen die Hälfte der ganzen übrigen Netzhaut betragen kann. Bei Säugern macht sie etwa den vierten Theil aus und ähnlich verhält es sich bei Vögeln.

Die dicksten Stäbchen (die Zapfen sind viel kleiner) besitzen Frösche und Salamander, vor allem die Spelerpesarten, so dass auf dem Raum eines Quadrat-Millimeters nur etwa 30000 Stäbchen Platz haben, während der Mensch auf demselben Raum deren 250000 1000000 be- sitzt. Die Vögel halten darin etwa die Mitte (Leuckaet).

Während bei Fischen die phyletisch älteren Stäbchen den Zapfen gegenüber weitaus vorschlagen, ist bei den Reptilien und Vögeln ge- rade das umgekehrte Verhalten zu beobachten. Dazu kommt, dass sich die Zapfen mancher Reptilien und aller Vögel durch bunt gefärbte

222 Specieller TheÜ.

Oeltropfen auszeichnen, und letztere finden sich auch noch bei Beu- telthieren.

In der Netzhaut aller Wirbelthiere existirt eine iu besonderer Weise organisirte Stelle des schärfsten Sehens, Es ist dies die iu der Mitte des hinteren Augensegmeutes liegende Fovea centralis oder Macula lutea. Sie beruht auf der Verdünnung sämmtlicher, unter der Stäbchen-Zapfen- schicht liegender Retinaschichten, ja es schwinden sogar auch die Stäbchen und nur die Zapfen persistiren (Fig. 187 Fo). Was die physiologische Bedeutung des P i gm e n t- E pi th el s anbelangt, so beruht sie darauf, einen Farbstoff, den sogen. Sehpurpur oder das Seh -Roth, zu erzeugen. Indem jener Farbstoff durch das einfallende Licht verzehrt wird, stellt die Retina sozusagen eine photographische Platte, ja sogar eine ganze photogra- phische Werkstatt dar, worin der durch das Pigmentepithel repräsentirte Ar- beiter durch Auftragen neuen, lichtempfindeuden Materiales („S e h- S t o f f") (Purpur) die Platte immer wieder vorbereitet und das alte Bild verwischt (Optographie, Optogramm). Somit würde es sich beim Sehact um einen photochemischen Process handeln.

Es muss übrigens ausdrücklich bemerkt werden, dass die Existenz des Sehpurpurs keine conditio sine qua non für den Sehact sein kann. Dies wird schon dadurch bewiesen, dass, da das Rhodopsin stets nur an die Stäbchen gebunden ist, alle jene Thiere (viele Reptilien z. B.) dasselbe nicht besitzen können, welche in ihrer Retina nur Zapfen und keine Stäbchen besitzen. Ebenso wird die bei allen Vertebraten nur aus Zapfen bestehende Fovea centralis nie Rhodopsin besitzen können.

Einigen Nachtthieren, wie z. B. dem Ziegenmelker und den Fledermäusen (Vespertilio serotinus), fehlt das Sehroth ebenfalls und dies gilt auch für Tauben und Hühner. Der Dachs sowie die Eule besitzen es trotz ihres nächtlichen Lebens.

Zum Schlüsse sei noch einer hochwichtigen Entdeckung Engelmann's Erwähnung gethan.

Die Zapfen aller Wirbelthiere verkürzen sich unter Einwirkung des Lichtes und verlängern sich im Dunkeln („photomechanische Reaction der Zapfen"). Durch Versuche lässt sich ermitteln, dass der Ort der Reizung in den (contractilen) Zapfen-Innengliedern zu suchen ist.

Der absolute und relative Betrag der Längenänderung ist bei den Zapfen der verschiedenen Thiere im Allgemeinen verschieden und kann auch bei verschiedenen Formen von Zapfen des nämlichen Auges unter gleichen Um- ständen sehr bedeutend differiren. Die grössten Längenänderungen zeigen die Zapfen von Fischen und Fröschen; sehr gering sind sie bei der Ringelnatter.

Die Bewegung der Zapfen und des Pigmentepithels ist direct abhängig vom Nervensystem. Dies beweist, dass dieselbe auch im andern, vor Licht ganz geschützten Auge eintritt, und letzteres gilt sogar noch für decapitirte Thiere, falls das Gehirn erhalten blieb.

Also handelt es sich um ein sympathisches Zusammenwirken beider Netzhäute auf Grund einer durch Nervenbahnen (d.h. die Nervi optici) erfolgenden Association der Nerven und Pigmentzellen. Die Nervi optici fungiren somit nicht nur als centripetal leitende, lichtempfindliche, sondern auch als c e n - trifugale, motorische Bahnen, Folglich muss es sich im Sehnerven um zweierlei verschiedene Nervenfasern handeln; allein die Zapfen und Pigmeutzelleu sind auch auf r e f le c t ori seh em Wege von

Sinnesorgane. 223

irgend einer entfernteren Körperstelle aus erregbar, wie z. B, von der äusseren Haut aus, wenn man sie dem Sonnenlicht aussetzt, und dies gilt für Frösche, deren Augen vollständig im Dunkeln gehalten worden. - Auch während des Strychnintetanus und bei Inductionsschlägen sind Be wegungen zu constatiren, also bei Eingriffen, wo es sich um gar keine Mitwirkung des Lichtes handelt.

Hilfsorgane des Auges.

a) Augenmuskel u.

Der Bewegung des Bulbus oeuli stehen im Allgemeinen sechs Mus- keln vor, die ihrem Verlauf entsprechend, in vier g e r a d e (M. r e c t u s superior, inferior, externus, internus) und zwei schiefe (M. obliquus superior und inferior) zerfallen. Erstere, welche im Hintergründe der Orbita, und zwar in der Regel von der Dural- scheide des N. opticus entspringen, beschreiben zusammen einen pyra- midalen Hohlraum, dessen Spitze hinten im Augeugrund, dessen basale ÖÖnung dagegen in der Aequatorialebene des Augapfels, d. li. an ihrer Insertionsstelle an der Sclera, gelegen ist.

Die beiden schiefen Augenmuskeln entspringen gewöhnlich nahe über einander an der inneren, d. h. nasalen Seite der Orbita, und indem sie von hier aus den Bulljus dorsal- und ventrahvärts in äquatorialer Richtung umgreifen, stellen sie gewissermassen ein musculöses Riug- 1) a n d desselben dar.

Eine Abweichung von diesem Verhalten zeigen die Säuger, insofern bei ihnen der obere schiefe Augenmuskel tief im Augenhintergrunde ent- springt, dann in der Längsaxe der Orbita nach vorue gegen den inneren (vorderen) Augenwinkel verläuft, wo er sehnig wird und durch eine faser- knorpelige EoUe (T r o chl ea) tritt, welche an dem durch das Stirnbein ge- bildeten, oberen Augenhöhlenrand festgewachsen ist. (Daher der Name Musculus t ro chl ear i s.) Erst von dieser Stelle an wechselt der Muskel seine Richtung und lenkt in querem Lauf zum Bulbus ab.

Ausser diesen sechs Muskeln existiren häufig noch andere, die unter dem Namen des Retractor bulbi (am stärksten bei Hufthieren), des M. q u a d r a t u s und pyramidalis bekannt sind. Die beiden letztgenannten stehen im Dienste der sogen. Nickhaut und finden sich bei Reptilien und Vögeln. Alle drei aber werden vom N. ab- d u c e n s versorgt. Bezüglich der Innervation der geraden und schiefen Augenmuskeln verweise ich auf das Capitel über die Hirnnerven.

b) Augenlider (P a 1 p e b r a e).

Die als Schutzorgane dienenden Augenlider finden sich bei Wasser bewohnenden Thieren, vor allem bei Fischen, nur in rudimentärer Form , und zwar als kreis- oder halbkreisförmige, starre Hautfalten oder -Lappen, welche das Auge an seiner oberen und unteren Circumferenz von seiner Umgebung mehr oder weniger scharf ab- grenzen.

Auch die Augenlider der Dipnoer, Amphibien, Reptilien und Vögel sind in der Regel von der umgebenden Haut noch nicht scharf differenzirt und stehen, indem sie keiner oder einer nur sehr

224 Specieller Theil.

geringen Bewegung fähig sind, überhaupt noch auf niederer Entwicklungs- stufe. Dies gilt in erster Linie für das, zuweilen (La c e rt il ier, Scinke, Vögel) von Hau tknochen oder Faserknorpel gestützte, obere Augenlid.

Auf ihrer Rückseite sind die Augenlider aller Vertebraten von der Bindehaut des Auges, d. h. von der in die Kategorie der Schleim- häute gehörigen C o n j u n c t i v a überkleidet. Indem sie sich auf den Bulbus hinüberschlägt, erzeugt sie den sogenannten F o r n i x con- junctivae^).

Bei Säugethieren (Fig. 193) besitzen die durch deutliche Falten von der übrigen Haut abgesetzten Lider eine grosse Beweglichkeit und sind an ihrem freien Rand mit Haaren (Cilien) besetzt.

In ihrem Innern entwickelt sich eine fibröse, harte Einlage, der sogenannte L i d k n o r p e 1 (Tarsus). Sie stehen unter der Herrschaft eines Schliessmuskels, der in ringförmiger Anordnung die ganze Lid- spalte umzieht, sowie eines Hebemuskels (Levator) für das obere Augen- lid. Dazu kommt noch bei Sauropsiden und manchen Säugern (z. B. bei Hufthieren) ein Niederzieher (Depressor) des unteren Augenlides.

Der Mangel oder die geringe Entwicklung des oberen und unteren Augenlides bei allen unter den Säugern stehenden Vertebraten wird durch das Auftreten der sogen. Nickhaut (Membrana iiietitans) bis zu einem gewissen Grade wenigstens compensirt. Diese stellt gewisser- massen ein drittes Augenlid dar, hat aber, im Gegensatz zu den oben betrachteten Augenlidern, mit der äusseren Haut Nichts zu schaf- fen, sondern stellt nur eine Duplicatur der Conjunctiva vor und steht, wie oben schon erwähnt, unter der Herrschaft eines besonderen jMuskelapparates.

Spurweise schon bei manchen Selachiern vorhanden, liegt die häufig einen Knorpel einschliessende Nickhaut hinter dem unteren Augen- lid oder auch mehr dem vorderen (inneren) Augenwinkel genähert (Reptilien). Ersteres gilt z. B. für Anuren und Vögel, wo sie eine so stattliche Ausbildung erfährt, dass sie die ganze freiliegende Bulbusfläche zu überspannen im Stande ist. Bei Säuge thi er e n liegt sie stets im vorderen (inneren) Augenwinkel und erscheint bei Primaten auf eine kleine halbmondförmige Falte (P li c a s e ni i 1 u n a r i s) reducirt, d. h. sie figurirt hier in der Reihe der rudimentären Organe.

c) Drüsen.

Die Drüsen zerfallen in drei Abtheilungen : 1) die Thräiieiidrüse (Glandula lacrimalis), 2) die Harder'sche oder Mckhautdrüse (Glandula Harderiana) und 3) die Meibom'scheii Drüsen.

Alle drei dienen dazu, die freiliegende Bulbusfläche feucht zu halten und eindringende Fremdkörper fortzuschwemmen.

Bei Fischen und Di pn o örn^) scheint das äussere Medium dieser Aufgabe in ausreichendem Masse zu genügen, allein schon bei dem Ver- such der Wirbelthiere , das Leben im ^Y asser ndt einem terrestrischen

1) Bei Schlangen und Ascalaboten verwächst das untere Augenlid mit dem oberen zu einer vor dem Auge liegenden durchsichtigen Haut („Brille") , welche hei der Häutung des Thieres mit ahgestossen und immer wieder erneuert wird.

2) Während des Sommerschlafes von Protopterus genügt offenbar das von den Becherzellen der Haut gelieferte Secret für die Anfeuchtuiig der von der übrigen Haut nicht diflerenzirten Cornea.

Sinnesorgane.

225

zu vertauschen, war auch der erste Anstoss für die Entwicklung von secretorischen Apparaten im Bereiche des Auges gegeben.

So sehen wir schon bei U r o d e 1 e n ein der ganzen Länge des unteren Augenlides folgendes, vom Conjunctivalepithel aus sich bildendes Drüsenorgan auftreten, und indem letzteres in der Gegend des vorderen und hinteren Augenwinkels an Ausdehnung gewinnt und die ursprüng- liche Verbindungsbrücke zwischen beiden allmählich schwindet, gehen bei Reptilien zwei Drüsen daraus hervor, wovon sich jede in ganz be- stimmter histologisch-physiologischer Richtung weiter differenzirt. Aus der einen wird die stets am vorderen Augenwinkel liegende, den Bulbus median- und ventralwärts mehr oder weniger weit umgreifende Harder- sche-, aus der andern wird die Thränendrüse (Fig. 192 HH^, Th). Letztere behält ihre ursprüngliche Lage am hinteren Augenwinkel zeit- lebens bei, ja bleibt sogar noch bis zu den Vögeln hinauf im Bereiche des unteren Augenlides und zugleich im Gebiet des IL Trigeminus liegen. Bei den Säugern macht sich bei ihr mehr und mehr das Be- streben geltend, in mehrere Portionen zu zerfallen und in den Bereich des oberen Augenlides einzurücken, so dass hier die Ausführungsgänge (Fig. 194 "'*) in den oberen Conjunctivalsack ausmünden. Gleichwohl finden sich auch hier noch bis zu den Primaten hinauf mehr oder weniger Ausmündungsstellen im unteren Conjunctivalsack und weisen so auf die ursprüngliche Lage der Thränendrüse zurück (Sardemann).

Das Secret ergiesst sich in der Begel durch mehrere Oeffnungen in den Conjunctivalsack und würde sich hier ansammeln, wenn es nicht durch

Fig. 192.

jri>

Fig. 194.

Fig. 192. Harder'sche Drüse {H, f/i) und Thränendrüse {Th) von An- guis fragilis. Jlf Kaumuskeln, B Bulbus oculi.

Fig. 193. Senkrechter Durchschnitt durch das Säuget liier äuge, schematische Darstellung. Op N. opticus, £ Bulbus oculi , Fo, Fo Fornix Con- junctivae , LH, LH äussere Haut der Augenlider, welche sich am freien Lidrand bei f in die Conjunctiva umschlägt, T Tarsus mit eingelagerter Meibom'scher Drüse {MD), wel- che bei * ausmündet. H, H Wimperhaare.

Fig. 194. Schematische Darstellung des Thränen -Apparates eines Säu- gethiers. TD Thränendrüse, in mehrere Portionen zerfallen, ** Ausführungsgänge derselben, f t Puncta lacrimalia, TR, TR^ Thränenröhrchen, /S Thränensack, Ductus naso-lacrimalis. Wieders he im , Grundriss der vergl. Anatomie. 2. AuH. 15

226 Specieller Theil.

den Lidschlag in der Eichtung gegen den inneren Augenwinkel fortgeschafft würde. Dort, dicht vor der Caruncula lacrimalis, am Eande des oberen und unteren Augenlides, liegen die oft auf kleinen Papillen sitzen- den Puncta lacrimalia, welche hie und da, wie z.B. bei Nagern, Sauriern und Vögeln, schlitzartig gespalten sein können. Von diesen erstrecken sich quer gegen die Nasenwurzel herüber kurze Gänge, welche in den sogenannten Thränensack einmünden (Fig. 194, TR, TR, S)^).

Von hier aus gelangt dann die Thränenflüssigkeit in den schon beim Geruchsorgan in genetischer und anatomischer Beziehung ausführlich ge- schilderten Ductus naso-lacrimalis (Fig. 194 D), welcher bei Säu- gern uuter der Concha inferior in die Nasenhöhle mündet.

Eine wohl ditferenzirte Harder'sche Drüse findet sich von den ungeschwänzten Amphibien an in guter Entwicklung durch die ganze Thierreihe hindurch bis zu den Säugethieren hinauf. Bis vor kurzer Zeit hat man sie den Primaten abgesprochen, allein sie ist zusamnit einem in die Nickhaut eingebetteten Knorpel bei gewissen Neger- stämmen des centralen Africas von Giacomini nachgewiesen worden. Hier liegen also noch primitivere Verhältnisse vor, als bei der kauka- sischen Rasse.

Die zu der Gruppe der Talgdrüsen gehörenden Meibom'scheii Drüsen sind auf die Säugethiere beschränkt und liegen hier als baumförmig verästelte Schläuche oder traubeuförmige Massen in die Substanz des oberen Augenlides eingebettet. Sie münden am freien Lidrand aus und produciren ein fettiges Secret.

Bei Cetaceen sind nicht nur die Meibom'schen Drüsen, sondern auch dieThr ä nendrüse sammt Thr an en punkten und Thr an enr ö h r- chen vollkommen verschwunden und auch die Nickhaut ist rudimentär. Eine Harder'sche Drüse ist vorhanden, und dazu kommt noch ein mächtiges, unter der Conjunctiva palpebralis liegendes, Drüsenstratum („C onjunctivaldrüse n").

Bei P h 0 c a und Hippopotamus ist die Thränendrüse stark rück- gebildet. Thränenleitende Wege fehlen gänzlich, und ähnlich verhält es sich bei Lutra vulgaris.

Alle diese Rückbildungen sind unter dem Einfluss des Wasserlebens entstanden zu denken.

Literatur.

E. Berger. Beitrüge zur Anatomie des Sehorganes der Fische. Morphol. Jahrb. Bd. VIII.

1882. Th. W. Engelmann. Ueber Bewegungen der Zapfen und Pigmentzellen der Netzhaut unter

dem Einflüsse des Lichtes und des Nervensystems. Comptes rendus der VIII. Sitzung des

internationalen mediciniscken Congresses. Kopenhagen 1884. C. Giacomini. Annota.zioni sulla anatom.ia del Negro (Esistenza deUa ghiandola d' Härder

in un Boschimane. IJuplicith della cartilagiiie della Plica semilunaris ed.). Atti della

R. Accademia delle Scienze di J'orino. Vol. XXII. 1887. C. Heinemann. Beiträge zur Anatomie der Retina. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIV. 1877.

1) Von geradezu monströser Entwicklung sind die Thränendrüsen der Seeschild- kröten (Ciielonia).

Sinnesorgane.

227

L. Kessler. Zur Enticichlung des Auges. Leipzig 1877.

R. Leuckart. Organologie des Auges. In: A. Oraefe und Th. Saemisch , Handbuch der

gesammten Augenheiikunde. I. Band: Anatomie und Physiologie. W. Manz. Entw.-Geach. des menschl. Auges. Ebendaselbst. H. Müller's gesammelte und hinterlassene Schriß.en zur Anatomie und Physiologie des Auges.

Herausgegeb. von 0. Becker. Leipzig 1872. E. Sardemann. Die Thränendrüse. Preisschr. Freiburg ijB. 1884 {veröffentlicht in den

Berichten der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg ijB. 1887). Auszug im Zool.

Anz. 1884. M. Schulze. Die Retina. Stricker^s Handbuch der Lehre von den Geweben. Leipzig 1871. G. Schwalbe. Lehrb. d. Anatomie der Sinnesorgane. Erlangen 1887. Vergl. auch die Arbeiten von A. Dogiel im Arch. f. mikr. Anat. Bd. ÄXII, sowie im Anat.

Anz. Jahrg. lU. 1888.

Gehörorgan.

Ich habe schon bei der Betrachtung der Neuroepithelien des Ge- schmacks- und Geruchsorgan es auf gewisse Beziehungen zu den Haut- sinuesorganen der Fische und Amphibien hingewiesen. Daran ist nun auch beim Gehörorgan wieder zu erinnern , denn hier wie dort handelt es sich um eine Entstehung des Sinnesepithels vom Integument, d. h. vom Ektoderra her. Dieses senkt sich in der Gegend des primitiven Hinterhirns jeder- seits in die Tiefe und schnürt sich später in Form eines Bläschens von der Oberfläche ab. Das auskleidende Epithel differenzirt sich in die uns längst bekannten länglichen Sinneszellen (Hörzellen)

B

hz

Fig. 195. Isolirte Ele- mente aus dem häutigen G e h ö r o r g a n. Nach Ct. Ret- zius. A aus der Macula acu- stica communis von Myxine glutinosa, B aus der Ma- cula acustica neglecta von R a j a c 1 a V a t a , C aus der Crista acustica einer Ampulle von Si- r e d o n m e x i c a n u s , i) aus der Crista acustica der vorderen Ampulle von Rana esculenta.

hz Haarzellen, welche an ihrem freien Ende das Haar h tragen, /'; Fadenzellen, w, « Nerv , in Theilung begrififen. Auf der linken Seite von D ist das Haar abgebrochen und in seine einzelnen Fasern aufgelöst

15*

228

Specieller Theil.

und die indifferenten bandartigen Stütz zellen. Erstere stellen mit Nerven in Verbindung und tragen an ihrem freien Ende einen Haarbesatz.

Wie die andern höheren Sinnesorgane, so liegt auch das Gehörorgan der Wirbelthiere stets im Bereiche des Kopfes, und zwar zwischen der Tr ige minus- und Vagusgruppe. Beim Fötus zeigt sich die erste Anlage rechts und links vom Nachhirn (Fig. 196 LB), und nachdem sich, wie oben schon angedeutet, das Bläschen jederseits vom Ektoderm abgeschnürt und sich mit dem vom Gehirn auswachsen- den N. acusticus verbunden hat, rückt es bald tiefer in das meso- dermale Gewebe des Schädels herein, verliert dann seine ursprüngliche birnförmige oder rundliche Form und theilt sich in zwei Abschnitte, die man als IJtriculus (Sacculus eilipticus) und Sacculus (S a c c u 1 u s s p h a e r i c u s s. r o t u n d u s) bezeichnet und die anfangs durch eine sehr weite Commuuicationsötfnung (Canalis utriculo-s accularis) (Fig. 197, cus) mit einander in Verbindung stehen (Fig. 197 u, s). Aus ersterem, welcher die Pars superior des häutigen Gehörorgans dar- stellt, ditterenziren sich die sogen. liall)cirkelförmigeii Canäle oder Bogengänge, aus letzterem, welcher einer Pars inferior entspricht, der schlauchförmige, stets an der medialen Seite emporsteigende Reces- SHS vestibuli (Aquaedu ctus vestibuli s. Ductus endolym})lia- ticus) und die Schnecke (Cochlea) (Fig. 197).

Fig. 197.

Fig. 196. Vorderer K ör p er abs ch n i 1 1 eines H ü h n e r- E mbr y o s. Theil- weise nach Moldenhauek. RG Primitive Riechgrube, A Auge, / IV erster bis vierter Kie- menbogen, t Stene , wo sich der äussere Gehörgang zu bilden anfängt , LB Labyrinth- bläschen (Primitives Gehörbläschen) durch die Körperdecken durchschimmernd.

Fig. 197. Halbschematische Darstellung des häutigen Gehör- Or- gan es (Labyrinthes) der Wirbelthiere. Von aussen gesehen.

u Utriculus, rec Recessus utriculi , sp Sinus posterior utriculi, s Sacculus, l Recessus sacculi (lagena), cus Caniiüs utriculo-saccularis, de, se Ductus und Saccus endolymphaticus, wovon der erstere bei •}■ aus dem Sacculus entspringt, ss Sinus utriculi superior, ass Apex sinus utriculi superioris, ca, ce, cp Canalis semicircularis anterior, e.xternus und posterior, aa, ae, ap die zu diesen Canälen in Beziehung stehenden Ampullen.

Dieser ganze , sehr complicirte Apparat stellt das häutige Ge- hörorgan oder das häutige Lahyrinth dar. Dieses wird erst se-

Sinnesorgane. 229

cundär von m es o dermalem Gewebe iimwaclisen, und zwar handelt es sich anfangs zwischen beiden um eine unmittelbare Berührung, später aber bildet sich zwischen ihnen eine, die innersten Mesodermschichten l)etrettende Resorptionszone aus.

Dadurch entsteht ein Hohlraum, welcher das häutige Lal)yrinth formell el)enso genau repetirt, wie dies von Seiten des später verknor- pelnden oder verknöchernden, peripher davon gelegenen Mesodermgewel)es geschieht. In Folge dessen kann man ein häutiges und ein knöchernes Labyrinth und zwischen beiden einen von lymphartiger Flüssigkeit er- füllten Hohlraum (Cavum perilymphaticunij unterscheiden. Der eben- falls ein Fluidum enthaltende Binnenraum des häutigen Labyrinthes wird CaTum endolymi)haticum genannt.

Um nun noch einmal auf die Bogengänge zurückzukommen, so sind sie , abgesehen von den Cyclostoraen, stets in der Dreizahl vorhanden und liegen immer in rechtwinklig zu einander stehenden Ebenen. Man unterscheidet einen vorderen (sagi ttalen), hinte- ren (frontalen) und äusseren (horizontalen) Bogengang. Der erstere , sowie der letztere entspringt mit blaseuförmiger Erweiterung, in Form einer sog. Ampulle, an demjenigen Theil des Utriculus, welchen man als R e c e s s u s u t r i c u 1 i bezeichnet. Auch der hintere Bogen- gang entsteht mit einer Ampulle (Fig. 197).

Was nun die anderen Enden der Bogengänge anbelangt, so mündet dasjenige des horizontalen mit trichterartiger Erweiterung selbständig in den Utriculus ein, diejenigen des vorderen und hinteren Ganges da- gegen fliessen in eine gemeinschafthche , mit dem Utriculus in offener Commuuication stehende Röhre, in die sogen. Bogencommissur (Sinus utriculi superior) zusammen (Fig. 197).

Was endlich die Vertheilung der Zweige des N. acusticus, be- ziehungsweise den Sitz der SinnesepithelienO betrifft, so kom- men dabei folgende Punkte des häutigen Labyrinthes in Frage: 1) die drei Ampullen der Bogengänge, wo die Hörzellen auf leisten artig ins Lumen vorspringenden Prominenzen (Cristae acusticae)-) sitzen; 2) der Utriculus, wo sich eine grosse „Macula acustica" findet, welche sich in den Recessus utriculi, sowie in den Sacculus, bezie- hungsweise in die von letzterem ausgehende Schnecken- anlage, d.h. in den Recessus Cochleae (lagena) fortsetzt. Dazu kommt endlich 3) noch die von G. Retzius entdeckte Macula acustica neglecta. Bei Fischen, Vögeln und Reptilien liegt sie dicht am Boden des Utriculus , ganz nahe dem Canalis utri- culo-saccularis , bei Amphibien dagegen hat sie ihre Lage an der Innenseite des Sacculus. Bei Säugethieren und dem Menschen unter-

1) Im Bereich der verschiedenen Nervenplatten finden sich bei sämmtlichen Wirbel- thieren und auch bei vielen WirbeUosen Concretionen von vorwiegend kohlensaurem Kalk. Diese sogen. Otolithen oder (xchörsteinclieil, welche sich im Innern der den betreffenden Binnenraum auskleidenden Epithelzellen entwickeln und später frei werden, zeigen die mannigfachsten Form- und Grössenverhältnisse. Die grössten und massivsten finden sich bei Teleostiern. Sie stellen entweder durch das ganze häutige Gehörorgan hindurch eine zusammenhängende Masse dar oder sind sie gruppenweise angeordnet. In physiologischer Beziehung ist nichts Sicheres darüber bekannt ; vielleicht handelt es sich dabei um Er- haltung des Körpergleichgewichtes.

2) Die Cristae acusticae entstehen in Form von ovalen Epithelwülsten schon im primitiven Gehörbläschen, ehe von den Bogengängen auch nur eine Spur vorhanden ist. Sie kommen also erst secundär in die Ampullen zu liegen (v. Nookden).

230

Specieller Theil.

liegt sie einer allmählichen Keduction, beziehungsweise einem vollstän- digen Schwund. Ursprünglich unter sich in Zusammenhang stehend, lösen sich die verschiedenen Abtheilungen der Sinnesplatte, d. h. der Macula acustica, später von einander los und stellen schon von den Teleostiern an selbständige Maculae acusticae dar^).

An den Maculae acusticae, mit Ausnahme der Macula ne- glecta, sind die Hörhaare verhältnissmässig kurz und stecken in eigenthüm- lichen Deckmembranen, welche mehr oder weniger mit Otolithenkry- stallen oder auch mit harten Concretionen (Teleostier) ver- sehen sind. In den Cristae acusticae sind die Haare viel länger (Fig. 195 C, D) und ragen weit ins Lumen der Ampulle herein. Sie stecken in keinen eigentlichen Deckmembranen, und was man früher als solche unter dem Namen der „Cupula terminal! s" beschrieben hat, ist kein präfor- mirtes Gebilde, sondern durch die Präparation entstanden.

«&»*

Fig. 198. Scliematische Darstellung des gesammten Gehör-Organs vom Menschen. Aeusseres Ohr: M, M Ohrmuschel, Mae Meatus auditorius ex- ternus, O Wand desselben, 3It Membrana tympani. Mittelohr: Ct, Ct Cavum tympani, O Wand desselben, SAp schallleitender Apparat, welcher an Stelle der Ossicula auditiva nur als stabförmiger Körper eingezeichnet ist. Die Stelle f entspricht der Steigbügelplatte, welche das ovale Fenster verschliesst, il/ Membrana tympani secundaria, welche die Fenestra rotunda verschliesst, Tb Tuba Eustachi!, Tb ^ ihre Einmündung in den Rachen, O" ihre Wand. Inneres Ohr mitzum grössten Theil abgesprengtem, knöcher- nem Labyrinth (KL, KL'), 8 Sacculus, a, b die beiden verticalen Bogengänge, wovon der eine (b) durchschnitten ist, c, Co Commissur der Bogengänge des häutigen und knö- chernen Labyrinths, S.e, D.e Saccus und Ductus endolymphaticus, wovon sich der letztere bei 2 in zwei Schenkel spaltet , Cp Cavum perilymphaticum , Cr Canalis reuniens, Con häutige Schnecke, die bei f den Vorhofblindsack erzeugt, Con i knöcherne Schnecke, Sv und St Scala vestibuli und Scala tympani, welche bei * an der Cupula terminalis (Ct) in einander übergehen , Dp Ductus perilymphaticus , welcher bei d aus der Scala tympani entspringt und bei D.p ' ausmündet. Der horizontale Bogengang ist mit keiner beson- deren Bezeichnung versehen, doch ist er leicht zu erkennen.

1) Von allen Theilen der Pars superior des häutigen Labyrinthes wird einzig und allein die Ampulle des hinteren Bogenganges von einem Zweig des Nervus cochlearis versorgt, alle übrigen vom Nervus vestibularis.

Sinnesorgane. 231

Je höher wir nun in der Wirbelthierreihe emporsteigen, einen desto grösseren Antheil sehen wir das Mesoderm an der Bildung des Ge- hörorganes gewinnen. Anfangs, d. h. bei Fischen, noch dicht unter den äusseren Schädeldecken gelegen, und so für die theils durch die Kiemendeckel-Schilder fortgeleiteten, theils durch die Kiemenhöhle resp. das Spritzloch eindringenden Schallwellen sehr gut zugänglich, sehen wir es später immer weiter von der Oberfläche ab- und in die Tiefe rücken. Daraus entspringt mit Nothweudigkeit die SchaÖimg neuer Wege, welche die Zuleitung der Schallwellen ermöglichen. Kurz es kommt zu einem, von der Oberfläche nach der Tiefe führenden Canalsystem, nämlich zu dem sogen, äusseren Gehörgang, zu einer unter dem Namen der Paukenhöhle (Cavum tympani) bekannten, von den Ossicula auditiva eingenommenen erweiterten Partie, sowie endlich zu einer röhrenartigen Verbindung der letzteren mit dem Rachen (Ohrtrompete, Tuba Eustachii). Dieses ganze Canalsytem, das auf der Grenze zwischen äusserem Gehörgang und Paukenhöhle durch eine schwingungsfällige Membran, das Trommelfell, in zwei Abschnitte, einen äusseren und inneren, zerlegt wird, liegt an Stelle der in embryonaler Zeit vorhan- denen ersten Kieraenspalte, oder, was dasselbe besagen will, an Stelle des bei manchen Fischen vorhandenen Spritzloches. Von den Rep- tilien und Vögeln an finden sich auch schon die ersten Andeutungen einer Ohrmuschel, doch konnnt letztere erst bei Säugern zur vollen Entfaltung.

^ö-

Fische und Dipnoer.

Abgesehen von den bei Cyclostomen vorkommenden und z. Th. schwer zu deutenden Abweichungen (Rückbildungen?), folgt das häutige Gehörorgan der Fische dem soeben entwickelten Grundplan und dies gilt auch für alle höheren Wirbelthiere. Allerorts (die einzige Ausnahme machen die Loj) hobran chier und Orthagorisc us Mola) treffen wir einen Zerfall in eine, in ihren Hauptzügen ülierall gleich bleibende Pars superior und eine mehr und mehr sich differenzirende sowie eine immer höhere Entwicklung und physiologische Bedeutung erreichende Pars inferior. Erstere wird durch den U t r i c u 1 u s mit den Bogen- gängen, letztere durch den Sacculus mit der Schnecke darge- stellt. Letztere ist bei Fischen nur ein ganz kleiner, knopflörmiger Anhang des Sacculus („Lagena"), welcher mit der Hauptmasse des Sacculus durch den Canalis sacculo-cochlearis in ofl'ener Verbindung ist. Auch Utriculus und Sacculus stehen, wenn auch nicht immer, durch den Canalis sacculo-utricularis noch in Commu- nication.

Im Gegensatz zu den Petromyzonten, wo noch alle Maculae acusticae miteinander zusammenhängen, besitzen alle Teleostier, Ganoiden und Selachier je eine getrennte Macula im Re- cessus utriculi, im Sacculus und Inder Lagena; dazukommt noch die Macula n e g 1 e c t a. In den Ampullen sitzen die früher schon erwähnten Cristae acusticae.

Aus Figur 199 ist zu ersehen, dass sich der Hörnerv der Teleostier in drei Hauptzweige theilt. Der eine geht zu den Ampullen des vorderen und äusseren Bogenganges und zum Utriculus, der zweite zur hinteren Ampulle, der dritte endhch zum Sacculus und

232

Specieller Theil.

zu der Lagena. Dazu kommt noch der zur Macula ueglecta ziehende Ramus neglectus, welcher sich vom Ramus ampullae posterioris abzweigt.

A

ade

an

aa

ms .V

Fig. 199. Häutiges Gehörorgan der Fische. Nach G. Retzius. A. von Acipenser sturio, von aussen gesehen, B von Chimaera monstrosa, von innen gesehen. Cvon Perca fluviatilis, von innen gesehen. u Utriculus, SS Sinus utric. superior, sp Sinus utriciili posterior, ass Apex sinus su- perioris, rec Recessus utriculi, aa Ampulla anterior, ae Ampulla externa, ap AmpuUa poste- rior, ca Canalis anterior, cp Canalis posterior, ee, ce Canalis externus, « Sacculus, cus Ca- nalis utriculo-saccularis , de Ductus endolymphaticus , welcher sich bei ade nach aussen durch die Haut h öffnet , se Saccus endolymphaticus , l Lagena Cochleae , mu Macula acu- stica recessus utriculi, er Crista acustica amp., ms Macula acustica sacculi, Twn Macula ac. neg- lecta, pl Papilla acustica lagenae , ac N. acusticus, raa Ramulus ampullae anterioris, rae Ramulus ampullae externae, rap Ramulus ampullae posterioris , ru Ramulus recessus utri- culi, TS Ramulus sacculi, rl Ramulus lagenae, rn Ramulus neglectus, o Otolithen (des Re- cessus utriculi, des Sacculus und der Lagena).

Bei den Elasmobranchiern kann man drei verschiedene Typen des Gehörorgans unterscheiden, nämlich den Typus der Holocephalen, der Haie und der Rochen. Alle drei bilden Seitenlinien der von uns auf- gestellten Grundform des Gehörorgane?, und zwar hat sich dasjenige der Kochen am meisten, das der Holocephalen am wenigsten davon ent- fernt (Fig. 199 B). Bei diesen Abweichungen spielt die Abtrennung des Recessus utriculi vom Utriculus und von der vorderen und äusseren Ampulle

4

Sinnesorgane. 233

und dessen Communicition mit dem Sacculus (Canalis recesso-saccu- laris) eine grosse Rlle.

B e i Chiinaera ist noch keine Lage na differenzirt und ihre Papilla hängt noch nit der Macula ac. sacculi zusammen. Bei Haien und Rochen ist eine ceutliche Lagena vorhanden und ihre Papilla ist bei den Rochen deutlicher ron der Macula ac. sacculi getrennt. lieber den merk- würdigen Du c tus en d ol y mp h ati cus, welcher sich frei an der Schädel- fläche öffnet (Fig. 199 B de, ade), soll später berichtet werden.

Beziehungen des Gehörorgans zur Schwimmblase der Fische.

Sie finden sich bei vier Teleostierfamilien: 1) bei den S i Iu- re iden, 2) bd den Gymnotiden, 3) bei den Characiniden, 4) bei den Cyprinoiden.

Bei allen handelt es sich um einen einheitlichen , unveränderlichen Grundplan bei der Herstellung einer Knochenkette („Weber'scher Apparat") zwischen dem Vorderende der Schwimmblase einer- und dem Gehörorgan andrerseits, wodurch dem Fische die verschiedenen Füll un gszus tän d e seiner Schwimmblase zum Bewusstsein gebracht werden.

Jene Kette geht aus der Umwandlung gewisser Theile (obere Bogen, Dorn- und Querfortsätzer) der vier vordersten Wirbel und Rippen hervor, und man kann vier Gliedstücke unterscheiden , welche , von vorne nach hinten gezählt, mit den unpassenden Namen Stapes, Claustrum, In- cus und Malleolus bezeichnet werden.

Alle diese Knöchelchen liegen in einem System von Hohlräumen, welche von Aussackungen der Dura mater gebildet werden, sich längs der Wirbelsäule nach hinten gegen die Schwimmblase erstrecken und wohl auch von jener ölartigen Flüssigkeit erfüllt werden, wie sie sich im Cavum cranii findet.

Was das Gehörorgan der Dipiioer betrifit, so ist es im Allgemeinen nach dem Fischtypus gebaut und zwar zeigt es durch den Abschluss des grossen Recessus utriculi vom Utriculus und von der Ampulle des sagittalen und liorizontaleu Bogenganges, sowie durch dessen Verbindung mit dem Sacculus die nächste Verwandtschaft mit dem der S e 1 a c h i e r und besonders der Chimären (G. Retzius).

Amphibien.

Wenn sich anch hier ein Anschluss an Dipnoer und Fische nicht verkennen lässt, so existiren doch gewisse bemerken swerthe Unter- schiede. Diese betreft'en vor allem die Lagena, welche sich und dies gilt namentlich für die Anuren immer mehr von dem Lumen des Sacculus emancipirt, und eine immer höhere Entwicklungsstufe erreicht.

Den ersten Anfängen einer Papilla acusticabasilaris Coch- leae begegnet man bei Salam and r inen, und sie ist sogar spur- weise auch schon bei Menoporaa undSiredon pisciformis nach- zuweisen. Hier wie dort aber liegt die betreffende Nervenstelle noch i;nn erhalb der Lagena, es handelt sich also noch um keine wirk- liche Pars basilaris mit Knorpelrahmen. Eine solche, d. h. eine Membrana a s i 1 a r i s im Sinne der höheren V e r t e -

234

Specieller Theil.

braten, erscheint erst bei den A n u r e n , bei welclen die sehr verdickte Wand der Cochlea eine kleine eigeuthüraliche Äsbuchtung erfährt. In dieser findet sich eine scharf umschriebene Stelh, welche von einer in einen Knorpelrahnieu eingelassenen Membran (M em\r an a b a si 1 a r i s) überspannt wird.

Somit tritt zu den obgenannten Nervenendstell\n der Fische im Gehörorgan der höheren Amphibien noch eine weite\e hinzu, nämlich die Papilla acustica basilaris Cochleae.

Was als ein weiterer Fortschritt den Fischen ^genüber aufzu- fassen ist, das ist das Auftreten einer aus der Wand^dcr knöchernen Gehörkapsel der U rodele n sich herausschnürenden lüorpelplatte, die der Platte des Steigbügels der höheren Vertebratel entspricht und dieFenestra ovalis verschliesst (vergl. den Urodelenichädel). Einer Paukenhöhle mit einem noch ganz im Niveau der \usseren Haut liegenden Trommelfell (Membrana tympani) und einer in den Rachen mündenden Tuba E u s t a c h i i begegnet man erst in der Reihe der Anuren und hier hat auch der schallleitende Apparat schon eine höhere Ausbildung gewonnen.

Fig. 200. Häutiges Gehör- organ von Kana esculenta, von innen. NachG. Eetzius.

u Utriculus, au Apertura utriculi, ^■s Sinus utriculi superior , sp Sinus utriculi posterior , reo Recessus utri- culi, aa Ampulla anterior, ae Ampulla externa, ap Ampulla posterior, a Ca- nalis anterior, ce Canalis externus, cp Canalis posterior, s Sacciilus, de Duc- tus endolymphaticus, ZLagena Cochleae, pb Pars basilaris Cochleae, cus Ca- nalis utriculo-saccularis, mu Macula ac. recessus utriculi, ms Macula ac. sacculi, mn Macula ac. neglecta. pl Papilla ac. lagenae, pph Papilla ac. basilaris , raa Eamulus amp. anterioris , rap Ea- mulus amp. posterioris, rs Eamulus sacculi , rn Eamulus neglectus , rl Eamulus lagenae, rb Eamulus basilaris.

Während bei TJrodelen, zumal bei Perennibranchiaten und Derotremen, die Bogengänge niedergedrückt und flach erscheinen, er- heben sie sich viel höher bei Anuren. Die Bogengang-Commissur ist bei allen Amphibien kurz und gedrungen ; der Sacculus dagegen er- reicht bei TJrodelen eine im Verhältniss zur Pars superior des Laby- rinthes so bedeutende Grösse und Rundung, wie dies bei Fischen nirgends der Fall ist ; bei Anuren erfährt er zu Gunsten der Cochlearausbuchtung eine bedeutende Reduction.

Das Gehörorgan der Oymiiopliionen zeigt einen rudimentären Charakter, und Nervenends teilen sind nirgends nachge- wiesen. Auch der H ö r n e r v scheint verkümmert zu sein. Im Uebrigen weicht das Organ von demjenigen der übrigen Amphibien nicht ab.

Reptilien und Vögel.

«

Auch hier, wo wir bei den Cheloniern in manchen Beziehungen Anschlüsse an das Gehörorgan der Urodcleu treffen, beziehen sich die

Sinuesorgane.

235

Hauptveränderungen auf die Schnecke, und wir können hiebei eine regel- mässige Fortentwicklung von den Cheloniern und 0 p h i d i e r n bis zu den Sauriern und Crocodiliern constatiren. Bei den ersteren, wie eben bemerkt, noch auf sehr niederer Entwicklungsstufe stehend, wächst die Schnecke immer weiter canalartig aus (Ductus cochlearis) und erfährt schliesslich bei Crocodiliern und Vögeln eine K r ü m m u n g sowie eine schwache Spiraldrehung. Hand in Hand damit geht eine immer schärfere Difterenzirung der Membrana basilaris und der Papilla acustica basilaris. Beide strecken sich mehr und mehr in die Länge und zugleich ist eine Scala tyinpani und yestibuli schon deutlich angelegt.

mii

Jim

Fig. 201. A Häutige« Gehörorgan von Lacerta viridis, von aussen gesehen. B Dasselbe von Alligator m is s is s i p pie n s i s. N a c h G. Retzids.

u Utriculus, SS Sinus utric. superior, rec Recessus utriculi, aa Ampulla anterior, ac Am- pulla externa, ap Ampulla posterior, ca Canalis anterior, ce Canalis externus, cp Canalis posterior, s Sacculus, de Ductus endolymphaticus, ade Apertura duetus endolymph., l La- gena Cochleae , cus Canalis utriculo-saccularis, esc Canalis sacculo-cochlearis, frt Foramen recessus scalae tympani , tv Tegmentum vaseulosum , ms ]\[ac. ac. sacculi , mn Macula ac. neglecta, mu Macula ac. recessus utriculi, pl Papilla ac. lagenae, ppb Papilla ac. basilaris, ac N. acusticus, ra Ramus anterior desselben, raa Ramulus amp. anterioris, rat Ramulus amp. externae , rap Ramulus amp. posterioris, o-u Ramulus recessus utriculi , br Ramulus basilaris, rs Ramulus sacculi , rn Ramulus neglectus, rl Ramulus lagenae, sc Septum cru- ciatum, mb Membrana basilaris.

Die Lagena stellt bei Crocodiliern und Vögeln nur noch ein taschenförmiges Anhängsel der Cochlea dar; gleichwohl aber er- reicht die Papilla basilaris noch nicht den histologischen Bau des C ort i' sehen Organs der Säugethiere. Die obere vordere Wand hat sich zu einer Membrana Reissneri entwickelt. Der Sacculus ist viel kleiner geworden als bei Cheloniern und Sauriern, und dies gilt am meisten für die Vögel. Eine minimale Macula neglecta persistirt bei Vögeln.

Bei den Sauriern trifft man die allerverschiedensten Typen des Gehörorgans ; manche sind, was die Membrana basilaris betrifft, kaum hö- her entwickelt als die Ophidier (Phrynosoma, Pseudopus,Anguis).

236

Specieller Theil.

Fig. 202. Häutiges Gehör - organvonTurdus musiciis,von innen gesehen, nach G. Retzids.

u Utriculus, SS Sinus utriculi supe- rior, spv'^''^"^ utriculi posterior, rec Re- cessus utriculi , aa AmpuUa anterior, ap Arapulla posterior, ca Canalis ante- rior, ce Canalis externus, cp Canalis po- sterior, s Sacculus, de Ductus endolym- phaticus, l Lagena Cochleae, tv Teg- mentum vasculosum, mu Macula ac. re- cessus utriculi , ms Macula ac. sacculi, sc Septum cruciatum , mn Macula ac. neglecta, pl Papilla ac. lagenae , ac N. acusticus, raa Ramulus amp. anterioris, rap Ra- mulus amp. posterioris , rn Ramulus neglectus , rh Ramulus basilaris, rl Ramulus lagenae.

Bei I g u a n a ist schon ein Fortschritt gegen L a c e r t a und die übrigen höheren Saurier hin zu bemerken; die Membrana basilaris ist mehr in die Länge gezogen und die Lagena mit ihrer Papille tritt mehr in den Hintergrund. Bei Acantias und Platydactylus sind diese Ver- hältnisse noch weiter gediehen und Plestiodon sowie Egernia end- lich vermitteln durch ihre noch höhere Entwickelungsstufe eine Verbin- dung mit den C r o co d il i e rn. So existirt also eine fortlau- fende, ununterbrochene Entwicklungsreihe.

Hatte ria zeigt im Bau ihres Gehörorgans vieles Auffallende und Merkwürdige; sie nimmt deshalb eine Sonderstellung ein und Aehnliches gilt auch für Chamaeleo.

Indem also die Schnecke dem Sacculus gegenüber eine immer grössere Selbständigkeit gewinnt, unterliegt der Sacculus selbst bei den verschiedenen Typen den allergrössten Form - und Grösseschwan- kungen. So ist er z. B. bei Vögeln in der Regel sehr klein, dagegen sehr voluminös bei Sauriern (Lacerta).

Die Communicatiousöff'nung zwischen Utriculus und Sacculus besteht fort, doch erfährt sie eine immer grössere Beschränkung, und dasselbe gilt auch für die Oetl'nuiig zwischen Sacculus und Cochlea. Letztere kann zu einem Canal ausgezogen sein (Canalis reuuiens), und dies gilt insbesondere für die Vögel, welche durch die Cr o co- di Her mit den Sauriern verbunden werden. Immerhin aber stellen sie im Bau ihres Geh()rorgans einen einheitlichen Typus dar, der nament- lich durch die besondere Anordnung des hoch geschw^ungenen vorderen und hinteren Bogenganges und die umgekehrte Einmündung desselben in den Sinus superior (Bogen-Commissur) charakterisirt ist.

Bei niederen Typen (Schwimmvogel) ist dies noch weniger ausge- sprochen als bei höheren, und es wäre sehr interessant, dieses Verhältniss bei den Pinguinen und Struthionen festzustellen, insofern hier wichtige Anschlüsse an die Reptilien erwartet werden dürfen.

Säuger.

Säuger. Den Anschluss an die Reptilien , oder besser vielleicht, an die Postreptilien vermitteln die Monotremen, deren Gehör- organ in Manchem demjenigen der Crocodilier und Vögel ähnelt.

Sinnesorgane.

237

Gleichwohl ist über die Phylogenie des Säuger - Gehörorganes bis jetzt nichts Sicheres bekaunt und weitere , ausgedehnte Studien sind nöthig. Die Schnecke erfährt hier ihre höchste Entwicklung, indem sie zu einem langen Rohr aus wächst, das sich beim Menschen in beinahe 3, beiSäugethieren aber von 1 V2 (Cetaceen) bis zu 4 und mehr Spiraltouren') auf- t mit. In dieser S piral windung der Schnecke sowie in ihrem feineren histologischen Bau liegt das am meisten charakteristische Merkmal des Gehörorgans der Säuge- t h i e r e.

Der Hörnerv bildet die Axe der Spirale. Entsprechend den starken Krümmungen der Schnecke erscheint auch die Papilla acustica oder, wie sie bei Säugern heisst, das Corti'sclie Or^an, weit in die Länge gezogen, und die von ihm eingenommene Partie der häutigen

Fig. 203. Häutiges Gehörorgan des Ka- ninchens, A. von innen, Bvon aussen gesehen. Nach G. Retzius .

SS Sinus utriculi supe- rior , $2) Sinus utriculi posterior , rec Recessus utriculi, aa Ampulla an- terior , ae Ampulla ex- terna, ap Ampulla poste- rior, ca Canalis anterior, ce Canalis externus, cp Canalis posterior, s Sac- culus , stts Sinus utricu- laris sacculi , de Ductus endolymphaticus, cus Ca- nalis utriculo-saccularis, CSC Canalis reuniens Hen- seni, l Lagena, viii Ma- cula ac. rec. utriculi, ms Macula ac. sacculi, ac N. acusticus, >•« Ramus an- terior N. acustici, 7-u Ra- mulus rec. utriculi, raa Ramulus amp. anterioris, rae Ramulus amp. exter- nae, r-ap Ramulus amp. posterioris, rb Ramulus basilaris, /N. facialis, mb Membrana basilaris, lis Ligamentum spirale.

1) Das Kaninchen hat 2^, der Ochse 3|, das Schwein fast 4 und die Katze 3 Schneckenwindungen. Uebrigens schwankt die Schnecke nach Getsalt und Richtung bei einzelnen Typen sehr bedeutend, und dies gilt auch für den Sacculus, sowie für alle Theile der Pars superior des häutigen Gehörorganes.

238

Specieller Theil.

Sehn eckenwand wird Basilarmembran, die gegenüberliegende Wand Membrana Reissneri genannt. Ich werde gleich noch einmal dar- auf zurückkommen.

Die Communicationsöffuung zwischen der Pars superior und inferior des häutigen Gehörorgans, also zwischen S a c c u 1 u s und Utriculus, ist bei Säugern vollends ganz geschwunden und beide Theile stehen nur noch indirect, nändich durch den an seiner Ein- pflanzungsstelle in das häutige Labyrinth in zwei Aeste gespaltenen Ductus endolymphaticus in Verbindung. Der eine Ast senkt sich nämlich in den Utriculus, der andere in den S a c c u 1 u s ein.

Was den schallleitenden Apparat betrifft, so erscheint die Membrana tympani in postembryonaler Zeit tief in den äusseren Gehörgang zurückgezogen. Im Cavum tympani liegen, im Gegensatz zu den Sauropsiden, wo es sich nur um eine einzige Knochen- säule (Columella) handelt, drei resp. vier zu einer Kette gelenkig vereinigte, zwischen dem Trommelfell und der Fenestra ovalis ausgespannte Gehör knöchelchen, nämlich der Hammer, der Amboss, das Linsenbein und der Steig- bügel. [Ueber ihre Entwicklung vergl. den Säugethier-Schädel].

rCon^

Fig. 204. Schematische Darstellung des gesammten Gehör-Organs vom Menschen. Aeusseres Ohr: Jf, Ohrmuschel, Mae Meatus auditorius externus, O Wand desselben, Mt Membrana tympani. Mittelohr: Ct, Ct Cavum tympani, öi Wand desselben, SAp Schallleitender Apparat, welcher an Stelle der Ossicula auditiva nur als stabförmiger Körper eingezeichnet ist. Die Stelle f entspricht der Steigbügelplatte, welche das ovale Fenster verschliesst, M Membrani tympani secundaria, welche die Fenestra rotunda verschliesst, Th Tuba Eustachii , Th"^ ihre Einmündung in den Rachen, O" ihre Wand. Inneres Ohr mit zum grössten Theil abgesprengtem, knöcher- nem Labyrinth (A'L, AX'), S Sacculus, a, h die beiden verticalen Bogengänge, wovon der eine {!>) durchschnitten ist , c, Co Commissur der Bogengänge des häutigen und knö- chernen Labyrinths, B.c. D.e Saccus und Ductus endolymphaticus, wovon sich der letztere bei 2 in zwei Schenkel spaltet, Cp Cavum perilymphaticum, Cr Cg.nalis reuniens, Con häu- tige Schnecke, die bei f den Vorhofblindsack erzeugt, Con i knöcherne Schnecke, Sv und St Scala vestibuli und Scala tympani , welche bei * an der Cupula terminalis {Ct) in einander übergehen , D.p Ductus perilymphaticus , welcher bei d aus der Scala tympani entspringt und bei D.p ' ausmündet. Der horizontale Bogengang ist mit keiner besonderen Bezeichnung versehen, doch ist er leicht zu erkennen.

Sinnesorgane. 239

Knöchernes Labyrinth und die Schnecke der Säugethiere.

Nicht überall ist die Umschliessuug des häutigen Labyrinths von Seiten der Hartgel)ilde des Kopfskeletes dieselbe ; gleichwohl aber spricht man in der ganzen Thierreihe, wie früher schon angedeutet, von einem häutigen und knöchernen Labyrinth und bezeichnet die ein- zelnen Partieen des letzteren mit den Namen der unterliegenden, häu- tigen Theile. Bei Säugethieren ist eine knöcherne Labyrinthkapsel, welche durch eine Knochenleiste unvollständig in zwei, den Sacculus und Utriculus umschhessende Abtheiluugen, zerfällt, schon vor der Verknöcherung des übrigen Schläfenbeins vorhanden. Lu Gegensatz

Fig. 205. Fig. 20G.

Fig. 205. Knöcherne Schnecke des Menschen. A Axe, Lso, Lso'^ Lamina spiralis ossea, deren freier, von den Acusticusfasern durchbohrter Rand bei f sichtbar ist, H Hamulus.

Fig. 206. Querschnitt durch den Schneckenc anal eines ugethieres, Schema. ES Knöcherne Schnecke, Lo, Lo\ die beiden Blätter der Lamina spiralis ossea, zwischen welchen bei N der N. acusticus (sammt Ganglion links von jL) verläuft, L Lim- bus laminae spiralis, B Membrana basilaris , auf welcher die Neuro-P^pithelien liegen, R Membrana Reissneri, Sv Scala vestibuli. St Scala tympani, Sm Scala media (häutige Schnecke), C Membrana Corti, Ls Ligamentum spirale.

dazu steht die unvollständige, medianwärts nur durch einen fibrösen Vorhang vom Schädelcavum abgeschlossene Gehörkapsel der Teleo- stier, Chimären, Ganoiden und Dipnoer. Sie liegt also hier nur in einer Knorpel- resp. Knochenbucht, auf deren zum Theil sehr complicirte Zusammensetzung (Teleostier und Knochen- Ganoiden) ich schon bei der Anatomie des Schädels hingewiesen habe.

Ich wende mich jetzt zu einer specielleren Darstellung der Säuge- thierschnecke, die wir bis jetzt nur in ihrem häutigen Abschnitt kennen gelernt haben. Die knöchernen Hüllmassen des häutigen L ab yrinths erzeugen eine knöcherne Axe, woran man eine untere (Modiolus oder Spindel), eine mittlere (Columella) und eine obere (Lamina modioli) Partie unterscheiden kann. Rings um diese Axe windet sich in Spiraltouren eine Knochenlamelle (Lamina spiralis ossea), welche in die Höhlung der Schneckenwindung vorspringt, ohne jedoch die gegenüberliegende Wand direct zu erreichen. Sie wird vielmehr durch zwei lateralwärts divergirende Lamellen fortgesetzt, und diese

240 Specieller Theil.

sind niclits anderes, als die oben schon erwähnte Membrana basi- 1 a r i s und - R e i s s n e r i , d. h. die zwei, mit einander einen Winkel erzeugenden Wände des häutigen Schneckenrohres. Die dritte Wand des letzteren wird durch einen Abschnitt der lateralen Circumferenz des knöchernen Schneckenrohres ergänzt. Die so im Querschnitt an- nähernd dreieckig erscheinende häutige Schnecke heisst auch Ductus cochlearis oder Scala media. Es erhellt daraus , dass letztere das Lumen der knöchernen Schnecke lange nicht ausfüllt, sondern dass noch zwei Räume übrig bleiben. Sie sind uns schon beim Gehörorgan der Vögel begegnet und werden als Scala vestibuli und Scala tympani bezeichnet (Fig. 204—207).

Beide gehören zum p e r i 1 y m p h a t i s c h e n S }' s t e m und stehen, der Scala media im Laufe folgend, über dem blinden Ende derselben, d. h. an der sogenannten Cupula terminalis, mit einander in offener Verbindung. Gegen die Paukenhöhle zu wird die Scala vestibuli durch das in die Fenestra ovalis eingelassene Glied der Gehörknöchel- chen-Kette, nämlich durch den Steigbü gel (St apes), die Scala tympani dagegen durch die die Fenestra rotunda ausfüllende Mem- brana tympani secundaria abgeschlossen.

Nun liegt aber am Boden der knöchernen Schnecke, nicht weit ent- fernt von dem runden Fenster, eine Oetinung und diese führt in einen engen Canal, der als Aquaeductus Cochleae bezeichnet wird, und der das perilymphatische System mit den peripheren Lymphbahnen des Kopfes in Verbindung setzt i).

Eine ganz ähnliche Bedeutung hat der schon öfters erwähnte Ductus endolymphaticus s. Aquaeductus vestibuli für die im Innern des häutigen Gehörorganes eingeschlossene Endolymphe. Es ist dies eine uralte, schon von den niedersten Fischen (M y x i n o i d e n) her ver- erbte Einrichtung, die in der Thierreihe zahlreiche Wandlungen und Modificationen erfährt. In seiner ursprünglichen Form stellt der endo- lymphatische Gang eine auf der medialen, dem Cavum cranii zugekehrten Wand des Sacculus entspringende und mit dem Sack-Lumen communi- cirende Röhre dar. Mit ihrem oberen Ende durchbohrt diese die me- diale Wand der knorpeligen oder knöchernen Gehörkapsel, tritt dadurch in das Cavum cranii ein und endigt mit blasenförmiger Auftreibung (Saccus endolymphaticus) in der Dura mater. Es wird sich also hier um endosmotische Beziehungen zwischen dem endolymphatischen und dem epicerebralen Lymphraum handeln.

Bei Selachiern öflfnet sich der Ductus endolymphaticus in der Hinterhauptsgegend frei am Schädeldach und steht mit dem äusseren Me- dium, d. h. dem Meerwasser , in offener Communication. Bei zahlreichen Keptilien kommt das letzte Ende dicht unter die Schädeldecken (Parieto- occipital-Naht) zu liegen, ja bei Ascalaboten verlässt der Gang so- gar die Schädelkapsel, drängt sich zwischen die Nackenmuskeln hinein und schwillt im Bereich des Schultergürtels zu einem grossen, gelappten Sacke an, von dem sich wurstförmige Ausläufer bis zur Yentralfläche der Wirbel- säule und zum submucösen Gewebe des Pharynx hinunterziehen. Auch

1) Ein Ductus perilymphaticus lässt sich schon von den Keptilien an mit Sicherheit nachweisen. Er beginnt hier im Cavum perilymphaticum an der Aussen- seite des Sacculus, zieht dann in einer tiefen Furche an der medialen Cochleawand vorüber, spannt sich über die Membrana basilaris (Scala tympani) hinweg, tritt durch das Forameu rotundum hindurch und geräth mit dem epicerebraleu T/ympliraum in Verbindung.

Sinnesorgane.

241

bis in die Orbita hinein kann sich das Canalsystem labyrinthisch verzwei- gen und stets ist es von einem zähflüssigen, aus minimalen Kalkkrystallen bestehenden, weissen Otolithenbrei erfüllt, wie dies für den Ductus en- dolymphaticus aller Vertebraten (in embryonaler Zeit wenigstens) gilt. (Wiedeesheim).

Bei Amphibien und auch bei gewissen Teleostiern können beide Gänge, unter starker, sackartiger Erweiterung, entweder nur an der dorsalen oder auch an der ventralen Circumferenz des Gehirns enge zu- sammentreten , so dass letzteres in einen förmlichen Kalkgürtel zu liegen kommt. Letzteres gilt z. B. für Anuren.

Bei Yögeln und Säugern handelt es sich nie um eine Ueber- schreitung des Schädelraums und in formeller Beziehung stimmt hier der ganze Apparat mit der von mir gleich zu Anfang beschriebenen, schlauch- artigen Grundform überein.

Histologie der Säugethierscbnecke.

Die in der knöchernen Schneckenaxe verlaufenden Fasern des Hör- nerven biegen im Laufe nach aufwärts seitlich ab und kommen in die zweiblätterige Lamina spiralis ossea zu liegen. An dem freien Rand der letzteren treten sie hervor und strahlen auf der Innenfläche der Basilarmembran in ihre Endfibrillen aus. Diese treten an die Sinnes- oder Hörz eilen heran, und letztere sind zwischen den

JT

Fig. 207. Das Corti'sche Organ uach Lävdowsky. Lo, Lo^ Die beiden Platten der Lamina spiralis ossea, N Gehörnerv mit Ganglion, N^, N^ der in seine Endfibrillen sich auflösende und zu den Gehörzellen [G, O) tretende Nerv, Ba, Ba Bacilli oder Stütz- zellen, Mz Membrana reticularis, C Corti'sche Membran , Ls Ligamentum spirale , in das die Basilarmembran ausstrahlt, Sm Scala media, R Reissner'sche , B, B Basilarmembran.

resistenten Stütz - und Isolationszellen oder Bacilli wie in einem Rahmen ausgespannt. Von der Oberfläche der Bacilli aus zieht sich

W i i'd e r s h ui m , üiumlriss der vergl. Anatomie

16

242 Specieller Theil.

eine starre, netzartig durchbrochene Haut (Membrana reticularis) lateralwärts und in deren Maschen sind die Endljorsten der Hörzellen eingelassen. (Die Zahl der äusseren Hörzellen kann auf etwa 12000 veranschlagt werden.) Sie werden von einer, vielleicht als Dämpfer wirkenden, dicken, spröden Membran, der sog. Mem brana tectoria s. C o r t i bedeckt, welche vom L a b i u m vestibuläre der L a m i n a spiralis ossea entspringt. Die Basilarmembran besteht in ihrer ganzen Ausdehnung aus hellen, fadenförmigen, sehr elastischen Fasern, deren man beim Menschen circa 16 20000 unterscheidet. Sie sind äusserst vibrationsfähig und können, da ihre Länge nach verschiedeneu Regionen der Schnecke in ganz bestimmter Weise wechselt, als eine Art von Claviatur oder Harfe, d. h. als ein abgestimmter, der Klanganalyse fähiger Saitenapparat, aufgefasst werden, dessen Schwing- ungen auf die anlagernden Hörzellen übertragen und von dort mittelst der Nervenbahnen zum Gehirn fortgeleitet werden.

Was die Gefäss-Verhältnisse in der Säugethierschnecke anbelangt, so sind sie durch G. Schwalbe vom Meerschweinchen näher bekannt geworden. DieScala ty m p a n i ist lediglich von v enös an Gefässen umkreist („Scala venarum"), während die Scala vestibuli die arteri eilen Ge fasse birgt („Scala arteriarum"). Dadurch ist die nur durch die dünne Membrana basilaris vom Corti'schen Organ getrennte Scala tympani der Einwirkung arterieller Pulsationen, sowie überhaupt allen entotischen Erregungen vollständig entrückt; sämmtliche arteriellen Bahnen umkreisen also, wie oben schon erwähnt, die Scala vestibuli, welche ihrerseits vom Cor ti' sehen Organe noch durch die Rei ssner- sche Membran und den ganzen Ductus cochlearis getrennt wird. Wenn nun schon hierin ein Schutzverhältniss gegenüber der Einwirkung von Blut-Geräuschen zu erblicken ist, so erfährt dasselbe dadurch noch eine weitere Steigerung, dass der arterielle Blutstrom innerhalb der Schnecke eine grosse Zahl von Glomeruli durchsetzen muss, wodurch er an Druck und Geschwindigkeit eine starke Einbusse erleidet.

Ein Vergleich mit den Glomeruli Malpighiani der Niere ist bezüglich des oben hervorgehobenen Punktes wohl erlaubt, im Uebrigen aber doch wohl nicht durchführbar, weil es sich bei letzteren um ungleich geringere Grössenverhältnisse (Capillaren) und um bipolare Wundernetze handelt, was beides für die Gehörschnecke der Säugethiere nicht zutriift. Die Gefässe besitzen hier eine deutliche Muskelhaut und an Stelle eines einzigen Vas eiferens 5 6 Yasa efferentia.

Zweifelsohne handelt es sich bei allen Säugethieren incl. Mensch um übereinstimmende Verhältnisse.

A e u s s e r e s Ohr.

Das äussere Olir, d. h. der äussere G ehörgang und die Ohr- muschel entstehen aus zwei, auf dem I. und II. Kiemenljogen auf- tretenden, den Rest der äusseren Kiemenspalte begrenzenden, hügeligen Pionunenzen.

Schon frühzeitig tritt dabei eine mehr oder minder stark ausge- prägte Höckerreihe auf. Sie sitzt beim menschlichen Foetus theils am Unterkiefer, theils am Zungenbeinbogenwulst, theils an dem hinten liegenden Verbindungsstück zwischen beiden.

Sinnesorgane, 243

Jeue Höcker werden, indem sie sich zu einem plumpen Ring zu- sammenschliessen, später zu den charakteristischen Protuberanzen der Ohrmuschel, d.h. zum sogenannten Tragus, Antitragus, zur Helix und Anthelix etc. (W. His).

Einem gut ausgebildeten, äusseren Gehörgang begegnen wir erst bei den Säugern, doch können auch schon Reptilien und Vögel Andeutungen davon besitzen.

Die ersten Spuren einer Ohrmuschel, und zwar in Form einer Hautfalte, findet man beim Crocodil. Bei Eulen ist eine bewegliche , häutige Klappe vorhanden. Eine eigentliche Ohrmuschel, und zwar nach Grösse und Form sehr stark variirend, treffen wir erst bei Säugern. Sie steht daselbst unter der Herrschaft zahlreicher Muskeln [V er enger er und Erweiterer], die da und dort, wie z. B. bei Primate n , in der Rückbildung begriHen sind und somit in die Reihe der rudimentären Organe gehören (vergl. die mimische Musculatur). Interessant ist, dass die bei manchen AUen zu einem spitzen Läppchen ausgezogene obere Circumferenz der Ohrmuschel auch hie und da l)eim Menschen zur Beobachtung kommt.

In functioneller Beziehung l)esitzt die Ohrmuschel, wie Experimente gezeigt haben, eine nur untergeordnete Bedeutung.

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1 6 ■•'

244

.^pecieller Theil,

F. Organe der Ernährung.

Darmkanal und seine Anhänge*).

Der Darmkanal (Tractus intestinalis) stellt eine mit der M u n d ö f f n u n g beginnende, den Leibesraum (C o e 1 o m) durchziehende und mit dem After endigende Köhre dar. Die Wandungen bestehen im Wesentlichen aus drei Schichten, einer inneren, d. h. aus der Schleimhaut (Muco sa), einer mittleren oder submucösen und einer äusseren oder m u s c u 1 ä r e n. Erstere, das sogen. D a r m - d r ü s e n b 1 a 1 1 des Embryos , ist e n t o d e r m a 1 e r Abkunft und lässt

zahlreiche Drüsengebilde aus sich

hervorgehen

dem entsprechend

besitzt es sowohl seceruirende als r esorbirende Eigen schal- ten. Die zweite, aus adenoidem Gewebe bestehende Schicht dient im Wesentlichen als Trägerin der Blutgefässe und lymphoiden Apparate; die äussere endlich, das „Da rmf aser blatt", zerfällt in der Regel in zwei, aus glatten Elementen bestehende Muskellagen, von denen die innere sich aus Ring-, die äussere aus Längsfasern zu- sammensetzt. Sie sorgen für die Bewegungen, für die Contractioneu (Peristaltik) der Darmwand und erfüllen dabei die doppelte Aufgabe, den Nahrungsbrei mit der gesammteu epithelialen Innenfläche, d. h. mit

der M u c 0 s a , in möglichst in- nige und allseitige Berührung ^'^ zu bringen und ferner die nicht

resorbirbaren Stoße aus dem Körper hinauszuschaffen.

Fig. 208. Querschnitt durch denWirbelthierkörper. Schema. ^JF Körperwand, BW Darmwand, KH Körperhühle, DH Darmhöhle, DE die ZeUen der Darmschleimhaut, BF das Bauchfell , welches den Leibesraum auskleidet, bei BF^ den Darm über- zieht und ihn an der Rückwand des Körpers befestigt , WS Wirbelsäule und R3I Rückenmark im Querschnitt.

':KW

Nur am Anfangs- und Endstück des Darmrohres findet sich quer- gestreifte, unter dem Einfluss von G e h i i- n - resp. Spinalnerv e ii stehende Musculatur.

Zu diesen drei Schichten der Darmwaud kommt noch eine äussere, accessorische Umhülhmgshaut , das Bauchfell (Peritoneum). Dies ist eine seröse, an ihrer freien Fläche mit Platteuepithelien über- zogene Membran, welche den ganzen Leibesraum auskleidet, denselben zu einem grossen L y m p h r a u m gestaltet und von der Körperiunenwand auf die inliegenden Eingeweide übergreift. So kann man ein wand- stäudiges (parietales) und ein inneres (viscerales) Blatt

1) Bezüglich der Anlage des Darmrohres, des Ductus neuro-entericus und der Ernährungsverhältnisse des E m b ry o s verweise ich auf die entwicklungsge- schichtliche Einleitung, sowie auf das über die Beziehungen zwischen Mutter und Frucht handelnde Capitel.

Organe der Ernährung.

245

unterscheiden. Der Uebergaug zwischen beiden wird durch das aus zwei Blättern bestehende Mesenterium dargestellt, und dieses dient nicht nur als Aufhängeapparat, sondern auch als Leitband für die von der Wirbelsäuleugegend auf die Eingeweide übertretenden Gefässe und Nerven. Letztere entstammen weitaus ihrer grössten Masse nach dem sympathischen System. Es handelt sich also, wie wir gesehen hal)en, um ein grosses, von der Körperinnenwand ausgehendes Faltensystem, in das die Viscera gewissermassen eingestülpt sind.

Der vorderste Abschnitt des primitiven Darmrohres fungirt ebenso als Nahriingsweg wie auch als Athmungsliöhle, und zwar beruht das Zustandekommen der letzteren auf folgenden zwei Einrichtungen. Es bildet sich eine Reihe hinter einander liegender taschenartiger Aus- stülpungen der Schleimhaut, gegen welche sich das Ektoderm einsenkt, und welche schliesslich nach aussen durchbrechen. Zwischen den so gebildeten Oeffnuugen liegen die uns vom Kopfskelet her be- kannten Visceralbogen, in deren Bereich gewisse Einrichtungen

Fig. 209. Schematische Dar- stellung des Munddarmes der Fische (A), Amphibien, Reptilien (Vögel) (jB) und Säuger (C).

N Eingang in die Nasenhöhle, Ch Choanen (hintere Nasenlöcher), £) Darm, K Kiemenlöcher, L Lunge, T Trachea, O Oesophagus. Der mit A bezeichnete Pfeil deutet den I^uft-, der mit B bezeichnete den Nahrungs- weg an. Das f zeigt die Kreuzungs- stelle beider an.

246

Specieller Theil.

vorbeiströmende wird. Kurz ,

es

des Gefässsystenies entstehen, mittelst deren das Wasser einem beständigen Gaswecbsel unterworfen kommt zur Entwicklung von Kiemen.

Wenn auch letztere nur bei F i s c h e n , D i p n o e r n und w a s s e r - lebenden (resp. l)ei Larven von) Amphibien eine physiologische Holle spielen, so stellt doch auch bei höheren Wirbelthieren, ehe es bei ihnen (Chelouier, Crocodilier) zur Bildung eines eigentlichen Gaumens kommt, der hinter den Choanen hegende, grosse Abschnitt des Cavum oris et pharyngis einen gemeinsamen Luft- und Nahrungs- weg dar (Fig. 209 A— C).

Mit der Schaffung eines eigentlichen Gaumens nun scheidet sich bekanntlich die primitive Mundhöhle in ein oberes respiratorisches

und ein unteres nutritives C a- V u m oder in eine Nasen- und in eine s e cu u d ä r e oder d e f i n i- tive Mundhöhle. Allein diese Trennung ist auch bei den höheren Wirbelthieren, wie bei den Säu- gern (Fig. 209 C), keineswegs eine absolute, insofern in jenem zweiten Abschnitt des Vorderdarmes, den man mit den Namen des Schlund- kopfes (Pharynx) bezeichnet und der bei Säugethieren und Crocodiliern durch eine häutig- musculöse Falte, d. h. durch den sogenannten weichen G a u m e n, von der Mundhöhle getrennt ist, Luft- und Nahrungsweg wieder eine Strecke weit gemeinsam sind. Erst vom Eingang in den Kehlkopf an sind und bleiben dann beide defi- nitiv geschieden.

Der Darmcanal sämmtlicher Wirbclthiere zerfällt in drei Haupt- al)schnitte , nämlich in den Vor- der-, Mittel- und Hinterdarm. Ersterer reicht bis zur Einmündung des Gallenausführganges der Leiter und lässt sich wieder in vier Un- terabtheilungen zerlegen: in den Mund- oder Kopf da rm (Ca- vum oris), in den Schlund- kopf (P h a r y n x), den S c h 1 u n d (Oesophagus) und (falls ein solcher ausgebildet ist) in den Magen (Ventriculus). Der stets den grössten Al^schnitt dar-

Fig. 210. Schematisches U e b e r s i c h t s b i 1 d über den gesammten Tractus intestinalis des Menschen. CZa Glandulae salivales, Ph Pharynx, G^Z-tA Glandula thyreoidea, 677/ij/ Glandula thymus, Lg Lunge, Oe Oesophagus, /f Zwerchfell, 3Ig Magen, Lb Leber, Pa Pankreas, Dd Dünndarm (Mittcldarm) , Vic Valvula ileo-colica, i'y Processus vermiformis, Ca Colon ascendens, Ct Colon transversum , Cd Colon descendens, Jl Rectum, A Anus.

Organe der Ernährung. 247

stellende Mitteida rra steht mit seinem Anfangsstück in wichtigen Beziehungen zur L e b e r (H e p a r , J e c u r) und zur Bauchspeichel- drüse (Pankreas). Er wird in der menschlichen Anatomie als In- testinum tenue (Dünndarm) oder auch als Jejunum und Ileuni bezeichnet. Der Hinterdarm, das Intestinum crassum (Dick- darm) s. Colon der menschlichen Anatomie, kann in einen solchen im engeren Sinne und in einen End- oder Afterdarm (Rectum) zerfallen. Zwischen Vorder- und Mitteldarm, sowie zwischen diesem und dem Hinterdarm findet sich in der Regel eine stärkere, als S p h i n c - t e r wirkende Anhäufung der Musculatur (V a 1 v u 1 a }) y 1 o r i c a und Valvula ileocolica s. Bauhin i).

Der Verlauf des Darmcanales kann ein gerader oder mehr oder weniger gewundener sein. Im letzterem Falle wird es sich also um eine bedeutendere Ausdehnung desselben und in Folge dessen um eine Vergrösserung der resorbirenden, verdauenden Fläche handeln.

Eine nicht unerhebliche Steigerung dieses Verhaltens resultirt aus der häufig zu beobachtenden Erhebung der Mucosa zu Falten, Zotten und Papillen.

Ein Blick auf die Fig. 210 erläutert den dem menschlichen Trac- tus intestinalis und seinen Anhangsgebilden zu Grunde liegenden Bauplan. Alle jene Anhangsgebilde nehmen ihre erste P]ntstehung von der D a r m s c h 1 e i m h a u t aus, sie sind also epithelialer Abkunft und stellen entweder zeitlebens drüsige Organe dar oder bilden sie sich wenigstens nach dem Typus von Drüsen. Mesodermale Elemente treten erst secundär dazu.

Vom Munddarm angefangen, lassen sich folgende Appendicular-Or- gane des Darmes unterscheiden:

1) Speicheldrüsen (Glandulae salivales) (Fig. 210, Gls).

2) Schleimdrüsen (Glandulae muciparae).

3) Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) (Gl.th).

4) Die Thymusdrüse (Glandula thyraus) (Gl.thj).

5) Die Lungen (Pulmones) (Schwimmblase) {Lg).

6) Die Leher (Hepar s. Je cur) (Lb).

7) Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) (Pa).

Dazu kommen noch die in die Darmwand eingebetteten Magen- und Darmdrüsen (Pepsin-, Lieberkühn'sche Drüsen etc.).

Vorderdarm.

1) Munddarm,

Abgesehen von Amphioxus und den C y c 1 o s t o m e n , wovon ersterer einen von Cirrhusstäben , letztere einen von einem Knorpelring umgebenen Mundeingang, d. h. einen Saugmund, besitzen, sind alle übrigen Vertebraten mit Kieferbildungen ausgerüstet.

Eigentliche, d. h. mit Muskeln versehene Lippenbildungen fin- den sich erst bei Säugern, und der zwischen ihnen und dem Kiefer- rand existirende Raum wird als V o r h o f d e s M u n d e s ( V e s t i b u 1 u m oris) bezeichnet. Er kann sich zu sog. B ackentasc hen aussacken, welche als Aufbewahrungsort für die Nahrung dienen (viele Aften und Nager).

Die fleischigen Lippen der Säugethiere, in Gemeinschaft mit den Backen sowie mit der beweglichen musculösen Zunge, ermöglichen das

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Specieller Theil.

Saugen und stehen auch in wichtiger Beziehung zur articulirten Sprache des Menschen. Die Cetaceen und Monotremen sind die einzigen Säugethiere, welche der Lippenbildungeu gänzlich entbehren ; ja bei den Monotremen sind die Kieferränder, ähnlich wie bei Vögeln und Cheloniern, von einer Hornscheide bekleidet (s. später).

Die Organe der Mundhöhle zerfallen in drei Abtheilungen, welche die Zähne, die Drüsen und die Zunge in sich begreifen.

Zähne.

Am Aufbau der Zähne betheiligt sich das äussere und das mitt- lere Keimblatt. Das Mundepithel wuchert in die Tiefe, bildet hier den sogenannten S c h m e 1 z k e i m und triflt auf kuppeiförmige Fort- sätze des submucösen Bindegewebes, die man als Zahn keime oder Zahnpapillen (Papulae dentium) bezeichnet. Beide Gewebs- elemente treten bald in innige Berührung mit einander und lassen in Folge eines sehr complicirten Differenzirungsvorganges die einzelnen Schichten des Zahnes aus sich hervorgehen. Diese sind, von dem freien Ende des Zahnes d. h. der Zahnkrone nach der Tiefe (Zahnwurzel) gezählt, folgende: der Zahnschmelz, das von einem feinen Canal- system durchzogene Zahnbein (Elfenbeinsubstanz) und die C e m e n t - Substanz (Fig. 212).

Die im Zahnfleisch steckende Zahnwurzel besitzt an ihrem unteren Ende eine kleine Oeffuung und diese führt in die Zahn- oder Pulpa- höhle hinein (Fig. 212). Im Innern finden sich Gefässe und Nerven.

Fig- 211.

Fig. 212.

Fig. 211. Entwicklung eines Zahnes.

ME Mundepithel, SR Schmelzkeim, .^Ä'Zahnkeim, Ma Membrana adamantina, O Odon- toblasten, DS Dentinschicht, Bg, Bg Bindegewebe, welches das Zahnsäckchen liefert.

Fig. 212. Längsschnitt durch einen Zahn, halbschematisch.

ZS Zahnschmelz, ZB Zahnbein (Elfenbeinsubstanz), ZC Zahncement, PH^ Eingang in die Pulpahöhle PlI.

Organe der Ernährung, 240

Während bei den unterhalb der Säugethiere stehenden Wirbelthieren der Zahnwechsel das ganze Leben hindurch vor sich geht, findet er bei jenen in der Regel nur einmal statt, d. h. das erste Gebiss, das sogen. MilchgeMss, wird nur einmal durch ein zweites, stärkeres und zugleich reicher ausgebildetes ersetzt („zweite Den tition "). Da nun gewisse Säuger , wie die Z a h n w a 1 e ' ) und Edentaten, über- haupt keinem Zaliuwechsel unterliegen, so werden diese als Monophyo- donten den übrigen als Diphyodonten gegenübergestellt.

Wenn sich alle Zähne , wie dies z. B. für die Z a h n w a 1 e gilt, formell gleich verhalten , so spricht man von einem homodonten Gre- Mss und stellt diesem das heterodoiite gegenüljer. Im letzteren Falle differenziren sich die Zähne in Schneide-, Eck- und Backzähne, und dieser Zustand stellt, wie das Studium des (häutig homodonten) Milch- gebisses beweist, einen erst später erworbenen Zustand dar.

Bei den E. o b b e n und gewissen Fledermäusen geht der Zahnwechsel ausserordentlich früh vor sich, d. h. bei den meisten noch vor der Geburt. Die Milchzähne treten also gar nicht in Thätigkeit. Daraus ist zu schlies- sen, dass diese Thiere auf dem besten Wege sind, mit der Zeit jede Spur eines Milchgebisses zu verlieren.

Bei Nagern kommen alle möglichen Zustände des Milchgebisses vor; es kann sich dabei um eine Zahl der Milchzähne handeln, welche derjenigen der bleibenden Schneidezähne und Prämolaren gleich ist, oder tritt, wie beim Kaninchen, ein Milchgebiss überhaupt nicht mehr auf. Dasselbe gilt für die Insectivoren, wo der Igel die ganze Reihe der Milchzähne besitzt, während bei den Spitzmäusen noch gar keine nachgewiesen worden sind. Bei allen Marsupialiern und dem Meerschweinchen wird nur ein (Molar-) Zahnpaar in jedem Kiefer gewechselt.

Der Zahnwechsel ist stets mit einem Resorptionsprocess verbunden, der entweder nur im Bereich des „Sockels'' (Fische, Amphibien, die meisten Reptilien) beziehungsweise der Zahnwurzel Platz greift, oder der sich auch, wie bei allen Säugethiere n, auf die knöchernen Scheide- wände erstreckt, welche die Alveolen der bleibenden Zähne von denen der Milchzähne trennt. Dabei hebt der von unten nachdrängende, bleibende Zahn den überliegenden Milchzahn, dessen Wurzel schliesslich vollkommen aufgesaugt ist, mehr und mehr in die Höhe, bis dieser schliesslich ausfällt, um dem bleibenden Zahne Platz zu machen.

Fische und Ampliihien.

Die früher beim Skelet erwähnten Hautzähnchen sowie die Zähne der Mundhöhle sind, weil d e m s e 1 b e n M u 1 1 e r b o d e n entwachsen, homologe Bildungen. Bei den Teleostiern kann jeder die Mundhöhle begrenzende Knochen Zähne tragen, und dies gilt auch für das Zungenbein und die Kiemen bogen (Ossa pha- ryngea). Hier wie auf dem Parasphenoid finden sie sich oft in hechel- oder bürstenartiger Anordnung und dieses Verhalten sehen wir auch noch auf gewisse ürodelen vererbt (Fig. 213); im Allgemeinen

1) Bei den Embryonen der Balaenen legen sich gegen 100 Zcähne im Ober- und Unterkiefer an ; sie werden aber bald abortiv und an ihre Stelle treten die aus einer Wucherung des Oberkiefer-Epithels hervorgehenden Barten. Diese bestehen aus parallel liegenden Hornplatten , in deren Basis von der Mucosa aus lange, gefässreiche Fortsätze eindringen und so ihre Matrix vorstellen.

250

Specieller Theil.

aber tritt bei Amphibien dem von Zähnen starrenden Fischschädel gegenüber eine bedeutende Beschränkung in der Zahl der Zähne auf und zugleich macht sich in ihrer Form ein durchaus einheitlicher Charakter bemerkbar.

Bei Fischen können die Zähne cylinder-, kegel- oder hackenförmig sein, oder sie werden meiseiförmig, ähnlich wie die Schneidezähne der Säuger (S c a r u s und Sarginae), wieder bei andern bilden sie ein förm- liches Pflaster, sind abgerundet und auf das Zerquetschen der Nahrung be- rechnet. Weiter kommen haarartig feine, borstenförmige (Chaetodon- ten) oder säbelförmige Zähne vor (C haulio dus).

Unter den ausgewachsenen Knorpelganoiden finden sich nur bei Scapbirhyncbus und Polyodon Zähne. Bei Acipenser ruthe- nus treten sie nur in embryonaler Zeit auf und weisen so auf primitive Verhältnisse hin (ZoGKAFF.) Cyclostomen, Lophobranchier und die Salmonidengattung Coregonus entbehren der Zähne entweder vollständig, oder bestehen dieselben hier nur aus Hornsubstanz (Cyclostomen^).

Ein furchtbares Gebiss besitzen die Selachier, und zwar liegen die Zähne hier in der Umgebung der Mundspalte in vielen parallelen Keihen an- geordnet.

Die Zähne der Amphibien sind basalwärts kegelartig verbreitert und sitzen einem Sockelstück auf. Gegen ihr oberes freies Ende zu werden sie schlanker, zeigen eine schwache Krümmung und laufen ent- weder in zwei (S a 1 a m a n d r i n e u , A u u r e n) oder, was das ursprüng- lichere Verhalten ist, nur in eine Spitze aus (Axolotl, Ichthyoden, Derotremen, Gymnophione n).

Was die V e r t h e i 1 u n g der tief in der Schleimhaut steckenden Amphi- bienzähne betrilft, so finden sie sich in der Regel am Ober-, Zwischen- und Unterkiefer, sowie am Vom er und Palatinum. Die oben erwähnte Bezah- nung des Parasphenoids ist verhält- nissmässig selten und das Operculare des Unterkiefers ist nur bei Salaman- derlarven und Proteus bezahnt. Bei den Larvenformen der Anuren finden sich Hornkiefer und Hornzähne, und ähnliche Bildungen triö't man auch bei Siren lacertina.

■7 'N,

Fig. 213. Schädel von Hatrachoseps attenuatus, Ventralseite, mit den Parasphenoid- zühiien

Bei fossilen Amphibien trifift man sowohl nach Grösse als nach Form

1) Bei den Cyclostomen, und zwar speciell bei Myxine und Bdellostoma, unterscheidet man an jedem Zalin eine verhornte Aussenschicht, welche einem mehrschich- tigen Epithelium aufsitzt. Die innerste Schicht bestellt aus Itegelförmigen Zellen, an deren verjüngtem Ende ein structurloser dentin- oder schmelzartiger Ueberzug zu constatiren ist. Das Centriim der Zähne wird von einer vascularisirten Pulpa eingenommen. Man kann sich des Gedankens nicht entschlagen , dass das Myxinoiden-Gebiss früher eine höhere Entwicklungsstufe, im Sinne der Gnathostomen, erreichte, und dass es im Laufe der Zeiten regressiv wurde (J. Beard).

Organe der Ernährung;.

251

eine viel reichere Ausgestaltung. Bei manchen derselben zeigt das Dentin eine wellige, faltige Anordnung („L a by r in th o d o ten").

Reptilien.

Mit der zimehnicnden Festigkeit und Solidität des Kopfskelets geht bei Reptilien eine stärkere Ausbildung und da und dort auch eine reichere Dilierenzirung des Gebisses Hand in Hand. Die Zähne sitzen entweder in einer medianwärts offenen Rinne des Unterkiefers und sind mit der äusseren Circumferenz ihrer Basis der Innenfläche desselben angewachsen (p 1 e u r o d o n t e Saurier, Lacertilier, Scinke, Amphis- baenen u. a.), oder sitzen sie am oberen, freien Kieferrand (acro- d o n t e S a u r i e r), oder endlich stecken sie in Alveolen, wie bei Cro- codiliern und zahlreichen fossilen Reptilien (thecodonte Repti- lien). (Vergl. Fig. 214 A a^ h, c). Ausser dem Unterkiefer sind auch

A

B

Fig. 214. yl Drei Schemata für pleurodonte (a), acrodoiite (b) und thecodonte (c) Saurier.

Ba Unterkiefer von Lacerta vivipara, b vonAnguis fragilis, beide nach Leydig.

noch die Knochen des Gaumenapparates bezahnt, und zwar sind die Zähne, mit Ausnahme derjenigen der Lacertilier, wo sich zwei Spitzen finden, einspitzig ^).

Dies gilt übrigens nicht in gleicher Weise für das Gebiss aller Reptilien, denn bei manchen, wie z. B. bei Hatte ria, Uromastix spinipes, bei Agamen und zahlreichen fossilen Formen, wie namentlich bei denjenigen aus der Trias Südafrikas, kommt es schon zur Herausbildung eines heterodonten Gebisses, d. h. zu Schneide-, R e i s s - und M o 1 a r z ä h n e n.

Eine besondere Beachtung verdient das Gebiss der Giftschlangen, insofern sich bei ihnen eine wechselnde Anzahl von Oberkieferzähnen in Giftzähne ditferenzirt. So handelt es sich z. B. bei unserer Kreuz - Otter (Viper a berus und prester) jederseits um neun, in Quer-

1) Ein eigenthümlicher Zahn findet sich bei den Embryonen der Saurier, Blind- schleichen und Nattern. Er sitzt, an Grösse vor seinen Nachbarn bedeutend hervorragend, in der Mitte des Zwischenkiefers , steht wagrecht zur Schnauze und dient dem Jungen zur Durchbrechung der Eischale (,,Eizahn"). Ein fun c t i o n e 1 1 gleichartiges Organ entwickelt sich auch bei Bana opisthodon.

252

Specieller Theil.

reihen aDgeordiietc Giftzähne ; die stärkeren stehen nach aussen , die schwächeren Ileservezähne wie im Schutze darunter (Fig. 215 A).

Nur einer dieser Zähne ist mit dem Kieferknochen fest verbunden und l)esitzt ausser seiner eigentlichen Pulpahöhle noch einen, von letzterer halbringförmig umschlossenen G i f t c a n a 1 (Fig. 215 -B, C GC), dessen

A B

C

Fig. 215. Darstelluijgder Giftzähne. A Kopfske- let der Klapperschlange, JS Querschnitt etwa durch die Mitte des Giftzahnes von Vipera ammodytes, C Querschnitt durch den Gift- zahn von Vipera ammodytes nahe seinem vorderen Ende. J5 und C nach Leydig.

Gz Giftzahn, Bz Reservezähne, GC Giftcanal, PH Pulpahöhle.

obere, mit dem Giftdrüsencanal communicirende Oeflnung an seiner Basis liegt, während seine Ausmündung in kurzer Entfernung von der Zahuspitze getroffen wird. (Vergl. den Pfeil in Fig. 215 A.)

Die Zähne der fossilen Vögel Amerikas (Odontornithes) sasseii entweder in eigentlichen Alveolen (Ichthyornis) oder nur in Furchen (Hesperornis), ähnlich wie bei Ichthyosaurus. Der Zwischen- kiefer war unbezahnt und scheint einen hornigen Schnabel besessen zu haben. Alle heutigen Vögel, sowie auch die meisten (oder alle?) des Tertiärs und Diluviums, sind zahnlos.

Säugethiere.

Die Differenzirung der Zähne in die verschiedensten Formen ist hier in Anpassung an die Lebensweise (Art, Aufnahme und Verarbeitung der Nahrung) am weitesten gediehen.

Wir haben die verschiedenen Zahnformen somit als Moditicationen eines einfachen, homodonten Gebisses aufzufassen, das ursprünglich aus lauter gleich grossen und gleich geformten, kegelförmigen Zähnen bestanden haben muss. (Vergl. hierüber die im Literatur- Verzeichniss aufgeführte, gedankenreiche Arbeit von E. D. Cope, The mechanical Origin of the Sectorial teeth of the Carnivora.)

Im Allgemeinen zerfallen die Zähne der Säugethiere in Schneide-, Eck- (Reiss-), Back- und Mahlzähne (Deutes incisivi,

Organe der Ernährung.

253

Dentes caniui, Deutes in'aemolares und molare s ). Alle stecken in wohl entwickelten Alveolen. Der E c k z a h n (Dens caninus) ist nur als ein diöerenzirter , besonders l»ei Carnivoren zur Aus- dildung gelangender Praemolarzahn aufzufassen, figurirt als erster Zahn vorne im Kiefer und schliesst sich somit an den äussersten (hintersten) her Schneidezähne an, welche oben im Zwischenkief er, unten rechts und links von der Symphysis mandibulae stehen. Auf die Eck- zähne folgen nach rückwärts clie Prae molar es und auf diese, am meisten nach hinten im Kiefer liegend, die Molares (Fig. 21(3).

Die Schneidezähne sind meiselartig, die Eckzähne dagegen zeigen im Fall ihrer stärksten Entwicklung eine spitzkegelartige , mehr oder weniger gekrümmte Form ; die P r a e m o 1 a r e s und Molares, abge- sehen von denjenigen der Carnivoren, wo sie scharf schneidende Kronen besitzen und also nicht mahleud oder quetschend, sondern scheerenartig gegen einander wirken , zeichnen sich durch starke und breite Kronen aus, welche an ihrer Oberfläche mehr oder weniger abge- flacht sind oder einen mehr höckerigen Bau zeigen. So finden sich beim Menschen und bei vielen Thieren vier Höcker an den vier Ecken der Zahnkrone.

Fig. 216. A. Gebiss vom Hund im Profil, JB Oberkieferzähne des- selben Thieres von der Mundhöhle aus gesehen, C Gebiss von Na- salis larvata, im Profil, D Oberkieferzähne desselben Thieres, von der Mundfläche gesehen.

i D. incisivi, c D. caulni, ^j«j D. praemolares, in D. molares.

254 Specieller Theil.

Häutig, wie /. H. bei Iiisectivoicn, sind diese llücker, deren Zalü sich durch Zusaninientliessen ehizeliier Höcker vermindern oder auch steigern kann , durch Leisten auf die verschiedenste Weise mit einander vereinigt, so dass die mannigfachsten Relief bildungen ent- stehen.

Die bei deu verschiedenen Säugethiergruppen auftretenden , für die Systematik hochwichtigen Variationen des Gebisses, wobei auch häufig se- xuelle Unterschiede eine Kolle spielen können, sind so ausserordentlich zahlreich, dass hier nicht näher darauf eingegangen werden kann, und ich will deshalb nur noch kurz Folgendes bemerken.

Der Grundtypus der Zahnstelluug ist das gegenseitige Alterniren oberer und unterer Zähne ; es entsprechen somit die Zähne je eines Kiefers nicht den Zähnen des gegenüberliegenden, sondern deu Zwischenräumen zwischen diesen. Im Allgemeinen lässt sich im Hinblick auf das häufige Vorkommen rudimentärer, iunctionsloser Zähne annehmen , dass die Zähne im Laufe der genealogischen Entwicklung einer Verminderung unterworfen sind. Eine Vermehrung dagegen wird immer im Sinne eines Atavismus zu deuten sein. Jene Verminderung betrifft immer zunächst denjenigen Zahn, welcher als der letzte in einer functionell verschiedenen Abtheilung der oberen und unteren Reihe anzusehen ist. So wird z. B. in der Abthei- lung der Schneidezähne entweder der vorderste , neben der Medianlinie liegende oder der hinterste, an den Eckzahn grenzende auf den Aussterbe- Etat gesetzt erscheinen können , und dasselbe gilt für den vordersten und hintersten Praemolar- oder Molarzahn.

Von hohem Interesse ist der durch E. Poulton erbrachte Nachweis von der Anlage tj'pischer Säugethierzähue bei jungen (8,3 Centim. langen) Exemplaren von Ornithorhynchus paradoxus. Auf jeder Seite des Oberkiefers (und wahrscheinlich gilt dasselbe auch für den Unter- kiefer) liegen drei Zähne ; der vorderste unterscheidet sich von dem mehr nach hinten liegenden durch grösseres Volum und auch formell. Er ist spitzer, cylindrischer, während die anderen vielhöckerig sind^).

Bei zahlreichen jurassischen Mammalia Amerikas scheint es sich, nach dem Berichte Maesh's, um Formen gehandelt zu haben, die, nach ihrem Gebiss zu schliessen, den heutigen Insectivoren näher ver- wandt waren als den Marsupialiern, doch schliessen sich andere jurassische Säuger wieder mehr an letztere an. Von triassischen Säugern sind bis jetzt nur geringe Spuren aufgefunden, doch lässt sich so viel mit Sicher- heit darüber sagen, dass sie von den jurassischen sehr verschieden waren. Unterhalb der Trias hat man noch keine Säugethier-Ileste entdeckt und auch in der Kreideperiode besteht eine bis jetzt unausfüllbare Lücke.

So scheinen , um noch einmal auf die jurassischen Säuger zurückzu- kommen, placentale und aplacentale Thiere schon in frühen geologischen Erdperioden getrennt gewesen zu sein, und daraus ist zu entnehmen, dass die primitive Urform, aus welcher beide hervorgegangen sein müssen, weit zurück in paläozoischer Zeit zu suchen ist.

1) Im Oberkiefer findet sich auch noch die Spur eines vii-rteu Zahnes und wahrschein- lich gilt dies auch für den Unterkiefer. In ihrem histologischen Bau stimmen die Zähne mit denjenigen der übrigen Säugethiere überein.

Die Hörn platten im Mund von Orn i t h o rh yn c h us sind rein epithelialer Natur; an ihrer Stelle sassen wohl früher ebenfalls Zähne, die allmählich von der Horn- masse überwuchert und so zum Schwund gebracht wurden.

Organe der Ernährung, 255

Nachdem wir so einen Einblick in den ausserordentlich vielgestaltigen Charakter der Zähne gewonnen halben, ist es au der Zeit, die Frage aufzuwerfen, woriu denn die Ursache dafür zu suchen, was also als das formative Princip des Gebisses zu betrachten sei, und da kann, meine ich, die Antwort nicht zw^eifelhaft sein. Zunächst haben wir davon auszugehen, dass die ursprüngliche Bewegung der Kiefer, wie wir sie bei Fischen, Amphiltien, Reptilien und auch noch bei vielen S ä u g e t h i e r e u treffen , einfach nach dem Gesetz eines C h a r n i e r s erfolgt, so dass hierfür nur ein aus gleichmässig geformten, spitz - kegelförmigen Zähnen bestehendes (homodontes) Gebiss aus- reichend erscheint. Erst mit einer schärferen Ditferenzirung der Mus- culi p t e r y g 0 i d e i , resp. mit einer Aenderung der Nahrung wurden M a h 1 b e w e g u n g e n der Kiefer ermöglicht, und diese mussten nicht nur zur Ditferenzirung eines h e t e r o d o n t e n Gebisses, sondern auch zu einer Umänderung des Kiefeigelenkes führen. Kam es dabei, wie z. B. in der Reihe der A r t i o d a c t y 1 a , noch weiter zur Ent- wicklung von langen Greifzungen oder sehr beweglichen Greif- lippen, womit das Thier die Nahrung umwickelt und abreisst, so wird man auch den Ausfall der Schneidezähne verstehen und wird begreifen, wie dieselben in anderen Fällen, wie bei Rüsselträgern, eine ganz andere Verwendung gefunden haben.

M u n d h ö h 1 e n d r ü s e n.

Wie die Augen- und tue Hautdrüsen, so treten auch die Mund- höhlendrüsen erst bei terrestrischen T liieren, d. h. von den Amphibien^) an, auf. Sie haben hier die Aufgabe, die mit der äus- seren Luft in Berührung kommenden Schleimhäute durch ihr Sekret anzufeuchten und so vor Vertrockuung zu schützen. Anfangs aus fast indifferenten, nur eine schleimige Masse producirenden Orgauen ])este- hend, ditierenziren sie sich später in Apparate, deren Sekret zur Ver- dauung in Beziehung tritt oder das auch, wie bei Giftschlangen und giftigen Sauriern, zu einer furchtbaren Wati'e werden kann.

Mit ihrer immer höheren physiologischen Aufgabe geht morphologisch eine immer grösser werdende Mannigfaltigkeit in Zahl und Gruppirung Hand in Hand. Dabei wechselt auch der histologische Charakter der Art, dass man alle drei Drüsenformen, welche die allgemeine Anatomie unterscheidet, also tul)ulöse, zusammengesetzt tubulöse und a c i n ö s e , vertreten tindet.

Bei den niederen Vertebraten überwiegen die beiden ersten Formen und sind dabei meist zu Gruppen angeordnet ; bei den höhereu dagegen tritt die letzte, entwicklungsgeschichtlich höher stehende Form in den Vordergrund.

Amphibien.

Abgesehen von den Ichthyoden, Derotremen und G y m n o - phionen entwickelt sich bei allen Amphibien vom vorderen Theil des Mundhöhlendaches aus eine tubulöse Drüse, welche bei U r o d e 1 e n ihrer Hauptmasse nach in den Hohlraum des Septum nasale resp. des Praemaxillare zu hegen kommt (Olandula intermaxillaris s. inter- nasalis). Bei Anuren erscheint sie noch weiter nach vorne gerückt und ist voluminöser ; hier wie dort aber münden ihre Ausführungsgänge

1) Spuren davon finden sich auch schon bei D i p n o e r n , so z. B. bei Protopterus

(W. N. Parker).

256

Specieller Theil.

in der vorderen Kopfgegeud, am Gaumen aus. Bei Anuren findet sich in der Choanengegend noch eine zweite Drüse, welche ihr Sekret theils in die Choanenöti'nung, theils in den Rachen ergiesst (R a chen dr ü se). Auch in der Zunge der Amphibien liegen zahlreiche Drüsen- schläuche.

Rei)tilieii.

Hier macht sich den Amphibien gegenüber insofern ein Fortschritt bemerklich, als es schon zu einer Sonderung in D r ü s e n g r u p p e n kommt. So untei'sclieidet nmn nicht allein eine der lutermaxillardrüse homologe OaumeiHlrüse, sondern auch noch Zungen-, Unterzungen-, sowie obere und untere Lippendrüsen. Durch einen besonders grossen Drüsenreichthum ausgezeichnet sind die C h a m a e 1 e o n t e n und die () p h i d i e r , bei welch letzteren die Specialisirung der einzelneu Drüsen- gruppen am weitesten geht. Aus einem Theil der im Bereich der Ober- lippe liegenden Gl. labialis ditferenzirt sich bei Giftschlangen die

Glandula v e n e n a t a. Mc ,;;; Kui Sie ist in eine feste, fi-

bröse Scheide eingepackt und steht unter mäch- tiger Muskelwirkung, so dass das Sekret mit gros- ser Energie in den Gift- canal (Fig. 217 Gc) und von da in den Giftzahn (f) entleert werden kann.

Fig. 217. Der Giftapparat der Klapperschlange. S Der fibröse Gift- sack, welcher unter der Herrschaft des Musculus constrictor 3Ic steht. Bei Mc'^ sieht man eine Fortsetzung des letzteren zum Unterkiefer hinabsteigen, Gc der aus der Gift- blase entspringende Ausführungsgang, welcher sich bei f in den Giftzahn einsenkt. Letz- terer steckt in einer grossen Schleimhauttasche a/, die man sich über ihn weglaufend zu denken hat, Km frei präparirte Kaumuskeln , die zum Theil (bei*) im Schnitt erscheinen. Nach hinten davon sieht man den Schnittrand des Schuppenkleides , N Nasenöffnung , A Auge, nach vorne und oben luxirt, z Zunge, za Mündung des Giftcanales.

Eine ähnliche giftige Eigenschaft besitzt die Unterzungendrüse eines mexikanischen Sauriers, des Heloderma horridum. Sie entleert sich durch vier, den Unterkieferknochen durchbohrende Ausführungsgänge vor den Furchenzähnen des Unterkiefers.

Bei Seeschildkröten und Crocodiliern finden sich keine grösseren d. h. zu Gruppen vereinigten Drüsenorgane in der Mundhöhle.

Vögel.

Hier und dies gilt vor Allem für Klettervögel finden sich gut entwickelte, am Boden der Mundhöhle ausmündende Zungen- d r ü s e n. Dass sie denjenigen der Saurier homolog sind, kann keinem Zweifel unterhegen und wahrscheinlich entspricht die in den Mund- winkel einmündende Diüse (Mundwi n k eld rüse) der hinteren Ober- lippendrüsc! resp. der Giftdrüse der Ophidier. Auch die Gaumendi'üsen dei- Vögel haben ihre Homologa bei Reptihen. Lippendr üsen fehlen spuilos.

Organe der Ernährung. 257

Säuger.

Bei Säugern unterscheidet man ihrer I^age nach drei Drüsen : 1) eine Gl. parotis, 2) eine Gl. subm axillaris und 3) eine Gl. subun- gualis. Jede mündet mit einem starken Ausfülirungsgang (Ductus Stenonianus, Whartonianus und B a r t h o 1 i n i a n u s) in die Mundhöhle ein.

Die erstgenannte entspricht der Mundwinkeldrüse der Vögel und somit auch der hinteren Partie der Oberlippendrüse (Giftdrüse) der Schlangen. Da nun die genannten Drüsen der Schlangen als Diüt'eren- zirungen von L i p p e n d r ü s e n aufzufassen sind, so werden wir auch für die Parotis dieselbe Genese voraussetzen dürfen , und dies wird auch wirklich durch die Entwicklungsgeschichte bestätigt.

Dass die beiden andern Drüsen den Unterzungendrüsen der niederen Thierklassen homolog sind, bedarf keines besonderen Beweises, und dies gilt auch für die zahlreichen, seitlich von der Zunge in die Mundhöhle einmündenden Schleimdrüsen.

Bei Echidna liegen die Parotiden nicht, wie gewöhnlich, vor der Ohröffnung, sondern weit hinten, etwa in der Mitte des Halses, unmit- telbar unter der Haut. Der in Folge dieses Umstandes sehr lange Aus- führungsgang kreuzt den äusseren Gehörgang und mündet dann am Yor- derrand des Masseter in die Mundhöhle. Yen den bei Echidna jeder- seits doppelt vorhandenen Submaxillardrüsen ist die eine ausser- ordentlich gross. Auch bei Edentaten gelangen die Speicheldrüsen zu sehr kräftiger Entwicklung. Bei Cetaceen fehlen sie gänzlich.

Zunge.

Einwärts von den Kiemenbogen entwickelt sich ein weiteres wich- tiges Organ der Mundhöhle, nämlich die Zunge.

Fische.

Bei Fischen hat sie meist noch einen rudimentären Cha- rakter, indem sie, abgesehen von den Cyclostomen, wo sie beim Sauggeschäft eine wichtige Ptolle spielt, nur einen mehr oder weniger dicken Schleimhautüberzug der Copularia des Visceralskelets, d. h. des Zungenbeines, darstellt. In Folge dessen ist sie nur in Gemein- schaft mit dem Visceralskelet beweglich und fungirt, da sie mit Pa- pillen ausgestattet ist, als Empfindungsorgan. Sie kann auch, wie wir schon früher gesehen haben, auf ihrer freien Fläche Zähne tragen (gewisse Teleostier). Von ihrer Umgebung, d. h. vom übrigen Mundhöhlenboden , ist sie bald mehr , bald weniger scharf abgegrenzt, ja in gewissen Fällen, wie bei Plagiostomen, am meisten aber bei Polypterus, erhebt sie sich darüber mit freien Seitenrändern und freier Spitze. Aehnliches gilt auch für die Dipnoer.

Amphibien und Reptilien.

Bei Amphibien kann man von einer E i g e n m u s c u 1 a tu r , d. h, von einer selbständigen, von derjenigen des Visceral-Skelets unabhängigen Bewegung der Zunge reden. Zugleich ist das Organ verhältnissmässig

\V i f.ders hr i ni, (iruiidriss dßr vergl. Aiiatoiuii'. 2. Aull. 17

268

äpecieller Theil.

voluminöser geworden, liat eine zart papillöse, sammetartige Oberfläche gewonnen und nimmt schon einen grösseren Theil der Mundhölile ein.

r.ei Ichthyoden zeigt die Zunge ein vom Fischtypus nur sehr wenig abweichendes Verhalten, allein von den Sal am a ndrinen und vollends von den A n u r e n an erscheint ein entschiedener Fortschritt angebahnt ^).

Die Beweglichkeit der Zunge wechselt nach den einzelnen Amphi- Inengruppen sehr stark und dies gilt auch für die Reptilien. Der (rrund davon liegt hier wie dort in der Verschiedenheit ihrer Be- festigung am Boden der Mundhöhle. In der Regel ist sie bei Amphi- ])ien nur mit ihrem Vorderende oder einem Theil ihrer Ventraltläche an- gewachsen, oder aber ist sie ringsum frei und kann, wie bei Spelerpes, oder unter den Reptilien bei Chamaeleo, vermittelst eines compU-

Fig. 218.

Fig. 218. Zunge von Spelerpes fus- cus, hervorgeschnellt.

Fig. 219. Froschzunge in drei ver- schiedeneu Acten der Bewegung dar- gestellt.

Fig. 219.

Fig. 220. J.Zunge, Zungen- beinapparat und Ductus r e s p i r a t or ius von Phyllo- dactylus europaeus. Z Zunge, ZK Zungenbeinkörper , VU und HH vordere und liintere Zungenbein- hörner, K Keiilkopf, Th Glandula thyreoidea, T Trachea, B Bronchien, Lg Lunge.

B Zunge von Lacerta. Z Zunge, M Mandibula, L Aditus ad laryngem.

1) Eine Au.snahme machen nur die Aglossa, wo das Organ sogar noch geringer ent- wickelt ist als bei Ichtliyoden. 4

Organe der Ernährung.

259

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Fig. 221. C Zunge von Monitor indicus, J) von Emys europaea, E vomAlligator. M Mandibula, L Adi- tus ad laryngem, ZS Zungenscheide, Z Zunge.

eilten Mechanismus weit aus der Mundhöhle hervorgeschossen werden (Fig. 218).

Bei den Reptilien ist die freiere Beweghchkeit der Zunge zur Regel geworden. In formeller Beziehung unterliegt sie hier noch zahl- reicheren Variationen als ])ei Amphibien, und dies gilt namentlich für die Saurier, die deshalb als Vermilinguia, C rassilinguia, Brevilinguia und F i s s i 1 i n g u i a unterschieden werden. Aus der die letztgenannte Gruppe charakterisirenden gespaltenen Zungenform ist die- jenige der Schlangen hervorgegangen. Bezüglich der verschiedenen Typen verweise ich auf Fig. 220 und 221.

Die geringste Beweg-lichkeit besitzt die Schildkröten- und C r o c o d i 1 i e r z u n g e.

Vögel.

Die Zunge der Vögel ist im Allgemeinen muskelarm und besitzt einen hornigen, häufig mit Papillen und spitzen Widerhaken versehenen Ueberzug, ja sie kann sogar, wie bei manchen Reptilien, an ihrem Vorder- ende gespalten, also gegabelt sein (Colibris), oder eine pinselartige Form gewinnen. Bei Spechten, auf deren ausserordenthch entwickelte Epibranchialia ich schon im Capitel über den Schädel verwiesen habe, kann sie mittelst eines complicirten Muskelapparates weit aus der Mundhöhle hervorgestossen werden und dient als Greiforgan.

Alle diese Modificationen sind als Anpassungserscheinuugen au die Art und Weise der Nahrungsaufnahme zu erklären.

Am meisten entwickelt ist die Zunge der Raubvögel und Papa- geien, bei welch letzteren sie ein breites , dickes, fleischiges Organ dar- stellt ; allein ihre weiche, teigige Beschaffenheit beruht speciell bei Papa- geien nicht sowohl auf einer stark entwickelten E i g enmus culatur , als vielmehr auf r e 1 1 , Gefässen und Drüsen. Gleichwohl ist eine Eigen- muskulatur bei Papageien und dies ist auch bei der Wachtel der Fall wohl avisgeprägt (Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern). Das- selbe gilt bis zu einem gewissen Grade auch für die Lamellirostres und für Phoenicopterus, In scharfem Gegensatz zu jenen grossen Zungen steht die kleine, rudimentäre Zunge des Pelikan s, des Storches u. a.

17*

260 Specieller Theil.

Säuger.

Hier hat die Zimgc nach VokinieD, Beweglichkeit und vielseitigster Functionsfahigkeit ihre höchste Entwicklung erreicht und unterliegt, wie überall, in ihrer Form den allerverschiedeusten Anpassungen. Die Eigeumusculatur ist stets reich entwickelt, auch macht sich da und dort auf ihrer Oberfläche ein Verhornungsprocess bemerklich, wie z. B. bei Felinen. Meist besitzt sie eine i)latte, vorne abgerundete, bandartige Form, ist drüsenreich und vorstreckbar. An ihrer Unter- fläche findet sich, und zwar in stärkster Ausprägung bei Prosi- m i e n , ein Faltensystem , das von Gegenbaur als Unterziinge be- schrieben worden ist. Im Innern desselben muss sich früher, ähnlich wie dies bei Stenops heute noch der Fall ist, ein knorpeliges Stütz- skelet entwickelt haben und dieses ist als ein Erbstück von niederen Vertebrateu (R e p t i 1 i e n) her zu betrachten. Daraus erhellt, d a s s die eigentliche S ä u g e t h i e r z u n g e mit den Zungen niederer Vertebraten nicht direct hom ologisirbar ist, dass sie also bis zu einem gewissen Grade eine neue Erwerbung darstellt, die wahrscheinlich aus dem hintersten Theil der sich allmählich rückbildenden Unterzunge her ihreEnt- stehung genommen hat (Gegenbaur).

Glandula thyreoidea.

Nach ihrer ganzen Anlage, Vascularisatiou und Innervation stellt die Schilddrüse einen ab origine un paaren ventralen Appen- dix der K i e m e n h ö hie dar, welcher sich über die Gegend der vier odei' fünf ersten Kiemenspalten weg erstreckt und der im Lauf der Entwicklung in zwei Lappen zerfallen kann. Zu dieser unpaaren Anlage treten bei Säugern noch paarige, im hintersten Abschnitt der Visce ralbogen entstehende Theile hinzu ^).

Bei Ainmocoetes bleibt die Schilddrüse, die hier zu röhrenartigen, von Flimmerepithelien ausgekleideten Bildungen auswächst, mit der Mundhöhle zwischen der dritten und vierten Kiemeuspalte in offener Verbindung. Bei Petromyzou bildet sich das Organ zum grössten Theil zurück; aus dem Best gehen Follikelhaufen hervor, wie sie in der Schilddrüse aller Wirbelthiere zur Beobachtung kommen.

Bei Selachiern verhaixt die unpaare Anlage in ihrer ursprünglichen Form und liegt unter der Symphyse des Unterkiefers genau in der Medianlinie im Theilungswinkel des Kiemenarterienstammes. Bei er- wachsenen Teleostiern stellt sie ein paariges, im Bereich des Hinter- endes vom ersten Kiemenbogen liegendes Organ dar. Bei TJroclelen und Anuren handelt es sich, wie ül)eraD, um eine unpaare Entstehung, später aber kommt es zur Theilung und dann liegen die betretil'end(!n, aus einem Congiomerat von glashellen, epithelialen Bläschen bestehenden Gebilde l)ei Urodelen an der hinteren Seite des II. Kerato- b r a n c h i a 1 e.

Bei Anuren findet sich die Schilddrüse jederseits an der ven-

1) Ob diese auch in gewissen Befunden bei niederen Vertebraten ilire Parallele haben, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Organe der Ernährung. 261

traleii Fläche des liinteren Zungenbeinhorus, medial von der vordersten Ausstrahlung des M. rectus abdominis (M. sternohyoideus), oder ist sie zwischen dessen Fasern eingeschoben.

Was man bisher als Schilddrüse der Anuren beschrieben hat, sind die sogenannten vorderen oder ventralen Kiemenreste (Fb. Mattkee). Lateralwärts davon liegen die auch bei TJrodelen vor- kommenden Epithelkörperchen (die seitherigen Nebenschild- drüsen der Anuren), und endlich sind noch die postbranchialen Körper zu erwähnen. Bei Urodelen unpaar, liegen dieselben bei Anuren in paariger Anordnung zu beiden Seiten des Kehlkopfeinganges. Sie entsprechen den von van Bemmelen bei Selachier-Embryonen, bei erwachsenen Selachiern und Ganoiden entdeckten Supra- pericardialkörpern und sind hier wie dort als letzte Reste früher vorhandener Kiemen zu deuten. Von demselben Gesichtspunkte aus ist die ebenfalls aus einem epithelialen Boden hervorgehende Carotisdrüse zu deuten. Alle diese Gebilde werden von der Carotis externa versorgt.

Bei Coecilia liegt die Schilddrüse am vorderen Umfang des M. levator ultimi, bei Siphonops dagegen an der Kreuzungsstelle des Hypoglossus mit dem Vagus.

Bei manchen Sauriern, worüber mau van Bemmelen sehr werth- volle Aufschlüsse verdankt, trifft mau sie hinter der Mitte der Trachea, bei Cheloiiiern , Crocodiliern und Ophidiern ist sie, wenn auch unpaar, so doch oft zweilappig und liegt über den grossen Gefässen, nachdem diese aus dem Herzen herausgetreten sind. Histologisch stimmt sie mit der Fisch- und Batrachier-Thy reoidea vollkommen überein, d. h. sie besteht aus einem Aggregat zahlreicher, mit einem wasserhellen, eiweisshaltigen Inhalt gefüllter, runder und von Epithelien ausgekleideter Blasen, zwischen welche sich Trabekel von der, das ge- sammte Organ umgebenden, fibrösen Aussenhülle hineinziehen ^).

Ebenfalls vor dem Herzen, am Ursprung der Carotiden liegend, aber paarig augeordnet, treffen wir, wie oben schon erwähnt, die Schild- drüse bei den Vögeln.

Unter den Säugethieren endhch ist der zwei- beziehungsweise d r e i 1 a p p i g e Charakter der Schilddrüse allgemein verbreitet , und zwar löst sich das Organ, was auch schon bei den Reptilien und Vögeln der Fall ist, von der Schlundwand vollständig ab und kommt immer mehr auf die Ventralseite der Trachea resp. des Larynx zu liegen. Dabei sind die beiden Seitenlappen entweder vollständig getrennt oder sind sie durch einen mehr oder minder starken Isthmus, der dem früher schon erwähnten mittleren Lappen entspricht, mit einander verbunden. Letzteres gilt auch speciell für den Menschen, wo das Organ stets eine stattliche Grösse erreicht und wo auch so- genannte Nebenschilddrüsen keine seltenen Erscheinungen sind.

Was die oben erwähnte, von zwei verschiedenen Punkten aus erfolgende Anlage der Säugethier-Schilddrüse betrifft, so gestalten sich die Verhält-

1) Ein unpaarer Suprapericardialkörper findet sich auch bei Lacerta. Wahrscheinlich kommen auch aUen übrigen Vertebraten, die Knochenfische ausgenommen, Supraperi- cardialkörper zu. Bei Mamma lia sind es die seitlichen Schilddrüsen. Man darf darin Reste eines rudimentären Organes von unbekannter Function erblicken, welches viel- leicht ursprünglich durch Modification einer Kiementasche entstanden ist.

262 Specieller Theil.

njsse hierbei folgeudermassen. Vom Zungengrund, d. h. von der dem Foramen coecum der menschlichen Zunge entsprechenden Stelle aus, erstreckt sich ein zur Bildungsgeschichte der Zunge in engsten Beziehungen stehender, epithelialer Canal (Ductus thyreoglossus, His) nach ab- wärts in die Gegend der späteren Cartilago thyreoidea. Das untere Ende dieses sich abschnürenden und auswachsenden Canales verbindet sich nun aufs Innigste mit der zweiten paarigen Schilddrüsenanlage; die Ent- stehung der letzteren ist noch Gegenstand der Controverse, Nach His, BoEN u. A. soll sie aus dem Epithel der vierten Kiementasche entstehen, welches röhrenartig auswächst, später solide Sprossen treibt und sich von seinem Mutterboden ablöst. Viel mehr Wahrscheinlichkeit besitzt die Ansicht van Bemmelen's, wonach die seitlichen Schilddrüsen nicht aus der vierten Kiementasche selbst, sondern aus der Schlundwand median von dieser Tasche („Fundus branchialis") hervorgehen. Dadurch ergiebt sich die oben schon erwähnte Parallele mit den Suprapericardialkör- pern der Amphibien und Reptilien.

Anfangs zeigt das ganze Organ unverkennbar einen drüsigen Bau, bald aber tritt eine Umgestaltung seiner gröberen und feineren Struc- turverhältnisse auf, die den ursprünglichen Drüsen -Charakter mehr oder weniger verwischt. Es kommt zum Zerfall in eine Anzahl solider Lappen und Läppchen, die erst später ein Lumen bekommen, von Bindegewebe um- wachsen und ausserordentlich reich vascularisirt werden. Im Innern fin- den sich dann entweder, wie bei vielen Fischen und allen Amphi- bien, grosse, helle, blasige Follikel, die von einem Epithel ausgekleidet sind, oder treten, wie dies bei höheren Wirbelthieren der Fall ist, daneben noch cylindrische Schläuche auf, die sich mehrfach verästeln, d. h. Sprossen treiben und ein Lumen bekommen, später aber zu soliden Kugeln abgeschnürt werden und den runden Follikeln gegenüber in den Hintergrund treten. Dabei spielen die anfangs lacunären, später aber enger werdenden und netzartig sich durchflechtenden Blutbahnen die al- lergrösste Eolle.

So besteht die normale, fertige, exquisit acinöse Schilddrüse der Säu- ger aus rings geschlossenen Drüsenblasen, die von einem reichen Capillar- netz und einer bindegewebigen Hülle umgeben sind. Durch letztere wer- den sie von den zunächst liegenden Blasen isolirt, und indem dann wieder mehrere Blasen zusammen einen gemeinsamen fibrösen Ueberzug erhalten, resultirt daraus der lappige Bau.

So besitzen wir also in der Schilddrüse ein Organ, das in gewisser Be- ziehung zu den rudimentären zu rechnen ist, das aber andrerseits nur einen Functionswechsel eingegangen zuhaben scheint. Dafür spricht seine bedeutende, bis zum vollendeten Körperwachsthum zunehmende Grösse, sowie die enorm reiche Versorgung mit starken Blutgefässen bei Säuge- thieren, wie z. B. beim Menschen.

Weiter sprechen dafür die in den letzten Jahren gemachten klini- schen Erfahrungen. Wird nämlich einem jüngeren Individuum die ganze Schilddrüse esstirpirt, so machen sich eigenartige Ernährungs- störungen (anämische Zustände, verringertes Wachsthum des Skeletes und Idiotie man denke auch an den mit Kropf- bildung häufig einhergehenden Cretinismus! ) bemerklich.

Aus alledem folgt, dass die Schilddrüse eine hohe physiologische Bedeutung haben muss, wenn auch vorderhand über das Wie noch keine Rechenchaft sregeben werden kann.

Organe der Ernährung. 26o

Glandula thymus.

Die stets eine bilaterale Anlage besitzende Thymus bildet sich bei Selachiern aus einer Epithel -Wucherung im oberen Winkel der I. V. Kiemen spalte, und zwar in der Nähe der Vagus- Ganglien. Auch im Bereich des Spritzloches macht sich noch der Ausatz einer Thymusanlage ])emerklich. Es handelt sich also um ein Material, welches ursprünglich wahrscheinlich dem Respirations- apparat dienstbar gemacht werden sollte ; und dass es nicht mehr dazu kommt, beruht vielleicht darauf, dass die ol)eren Winkel der Kiemen- löcher von der dorsalen Kiemenmusculatur überdacht werden. Durch letzteren Umstand kommt es zu allmählicher Abschnürung von Kiemen- spalten-Epithel (A. Dohrn).

Ganz ähnlich entsteht auch bei Teleostiern ^) und TJrodelen die Thymus aus soliden Epithel Wucherungen der dorsalen Enden der Kiemenspalten. Diese bilden sich theilweise wieder zurück, theilweise verschmelzen sie jederseits später zu einer spindelförmigen Masse, die nach aussen von den dorsalen Kiemenbögen an der Basis cranii zu liegen kommt. Später wandern von der Umgebung massen- haft lymphoide Zellen in das Gewebe ein , so dass der ursprüngliche, epitheliale Charakter immer mehr verwischt und durch L y m p h - follikel ersetzt wird. Enjilich findet eine theilweise Einschmelzung des lymphoiden Gewebes statt, das Organ zeigt sich von Höhlen durch- zogen und verfällt der regressiven Metamorphose (Maurer).

Auf diese ursprünglich multilo cul är e , d.h. aus mehreren oder allen Kiemenspalten erfolgende Anlage der Thymus weisen auch meine Befunde an Crymnophionen, sowie die entsprechenden Verhältnisse bei Schlangen hhi.

Bei Lacertiliern, bei denen sich in foetaler Zeit noch 5 Kiemenspalten anlegen, wovon die zwei hintersten frühzeitig wieder zu Grunde gehen, geht die Thymus aus der zweiten und dritten hervor, und das Organ besteht deshalb jederseits aus zwei hintereinander liegenden Abschnitten. Am hinteren hängt ein kleines Bläschen, welches an die Carotis- d r ü s e der Amphibien erinnert.

Bei Schlangen bildet sich die Thymus aus der vierten und fünften Kiementasche. Die Fteste der zweiten und dritten bleiben epithelial und haben mit der Thymus nichts gemein. Auch bei Schlangen besteht das Organ zeitlebens (wie bei Lacertiliern) aus zwei getrennten JL,appen (van Bemmelen).

Aehnlich verhalten sich die Chelonier und Crocodilier , welch letztere im Jugendzustand eine lange, weit am Hals hin sich erstreckende Thymus besitzen. Eine solche charakterisirt auch die Vögel, bei denen sie sich hauptsächlich aus der dritten und zum kleineren Theil auch noch von der vierten Kiemenspalte aus entwickelt. Auch hier legt sich eine aus dem unverbrauchten Epithel-Rest der dritten Kiemenspalte her- vorgehende Carotisdrüse an (van Bemmelen).

Bei Säugethieren entsteht die Thymus als ein ursprünglich hohles Gebilde wesentlich aus dem Epithel der dritten Kiemenspalte, doch betheiligt sich daran auch noch die vierte und sogar, wenn auch nur sehr schwach, die zweite. Wie es scheint, kommt dabei sowohl das Schlundepithel als die Epidermis in Betracht Die epi-

1) W. N. Parker hat bei Dipnoern eine mächtige, jederseits durch eingescho- bene Muskelmassen in zwei Abtheilungen zersprengte Thymus nachgewiesen.

2d4 Specieller Theil.

thelialeu FJemeiite schiuireu sich alliiiälüich vou der Obertiäclie ab, Nvaiuiorn in Folge gewisser ^Vacllsthunlsverllältnis^e des Halses und seiner Organe in die Tiefe, erfahren eine Zersprengung und sehliessliehe Ver- änderung. Indem es dann zur massenhaften EiuNvanderung von Leuko- c y t en kommt, nimmt das ganze Gebilde einen andern histologischen, und zwar einen lymp beiden Charakter an. (>tlenbar spielt die Thymus bei Säugern in foetaler Zeit und auch noch nach der Geburt eine wichtige, auf die Blutbild ung berechnete Rolle. Genaueres darüber ist nicht bekannt.

^Vas die Lage der Thymus anbelangt, so betiiulet sie sich bei Fische n und D i \^ n o e r n in der Regel im Bereich der K i e m e n h ö h 1 e, bei Amphibien hinten und oben vom Kiefergelenk, bei Rep- tilien in der Halsgegend in der Nähe der Carotis, bald ^Yeiter vorne, bald mehr nach hinten, dicht vor dem Herzen, wie z.B. bei Schlaugen. Bei Vögeln (wie auch bei jungen Cro c o dil i er u") erstreckt sie sich, wie schon oben erwähnt . als langes, bandartiges und auch mehr oder weniger gelapptes Organ dem ganzen Hals entlang.

Bei Säugern endlich liegt die mächtige Thymus ihrer grössten Ausdehnung nach im Thorax , unmittelbar hinter dem Sternum, also ventral vom Herzen und den mit ihm in Verbindimg stehenden, grossen Gelassen. Nur zum kleinsten Theil ragt sie, ventral und seitlich von der Trachea liegend, in die Halsgegend hinauf. Ihre Rückbildung scheint bei verschiedenen Säugethieren zeitlich sehr zu variiren und ist jeden- falls beim Menschen am genauesten studirt. Gegen das Ende des zweiten Lebensjahres scheint hier die Thymus auf der Höhe ihrer Ent- wicklung zu stehen und geht nun einer regressiven Metamorphose ent- gegen: allein bis ins höchste Greisenalter trifft man zuweilen fettige, hinter dem Sternum liegende Residuen.

Ueber die sogeüannte Winterschlaf- oder Fettdrüse der In- sectivoren, Xager und Fledermäuse ist entwicklungsgeschichtlich bis jetzt noch gar Nichts bekannt. Pas Organ liegt als eine lappige Masse im Brustraum, wo es beim Murmelthier, praevertebral verlaufend, bis zum Zwerchfell hinabragt ; es erstreckt sich aber von hier aus auch noch an den Hals, unter die Scapula und sogar bis auf den Kücken.

Eine ähnliche Ausdehnung hat es bei der "Wühlmaus , doch ragt es hier bis zur Kiefergegeud hinauf; relativ am mächtigsten ist es beim Igel.

Histologisch ist es bis jetzt nur -wenig bearbeitet, doch ist so riel sicher, dass es sich um keine eigentliche Drüse, sondern wahrscheinlich um ein lymph- adenoides, fettreiches und ungemein reich vascularisirtes Gewebe handelt.

2) Vorderdarm im engeren Sinn.

Fische. Dipnofr und Ampliibieii. ^Vährend sich bei A m p h i o x u s ein erweiterter Abschnitt des Xiüirungscanales vielleicht als eine Art Magen bezeichnen lässt, ist ein solcher bei Cy clostomen, Dipnoern, Chi- mären, bei gewissen Tele o stiem und manchen Kiemen molchen von dem übrigen, häufig einen ganz geraden Lauf einhaltenden Darmrohr nicht deutlich abgesetzt. In diesem Fall hat als einzige, äusserlich sicht- bare Grenze zwischen Vorder- imd Mitteldarm, wie früher schon angedeu- tet, jene Stelle zu gelten, wo der Gallenausführungsgang der Leber (Ductus choledochus) die Darmwand durchbokrt.

Bei andern Fischen, wie z. B. bei S q u a 1 i d e n , allen G a u o i d e n , zahlreichen Teleostiern, den Derot r emen, Salamandrinen imd allen Anuren zeigt sich der Mauen mehr oder weniger sackartig

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Organe der Ernährung.

265

Fig^. 222.

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Fig. 223.

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(irweitert oder auch schlingen - artig umgebogen, so dass rnan an ihm eine absteigende Par- tie ^Fig. 222 M) und ein n'ick- läufiges Pylonisrohr unter- scheiden kann (l'B). Inj All- gemeinen adaptirt er sieb der Leibesform. So besitzen z. B. flie Kochen und Anuren einen ungleich mehr in die Breite entwickelten Magen, als die meisten andern Fische und Salaman-

Fig. 222. Tractoä intesti- uA\'\-i e i n e ä S q n a 1 i d e n.

iTHerz, Pc durchschnittene« Peri- card, -SV Sinoa venosuä, /,, Z, Die beiden Leberlappen, auseinandergeklappt, so dasä der Magen ''Jf ^ , das Pyloruä- Rohr (jP^; und die Gegend de-» Py- loruis fP) sichtbar wird. J/Z; Mittel- darm, .EZ» Enddarm, <r«p Glandula superanalis, .42" Analtaschen, Pa,Pa Ausinündung der Pori abdominaleä. Mi Milz.

Fig. 22.3. Tractus intesti- nalis von Siren lacertina.

Oe Oesophagus, der sich durch -»■^^i 3=..

eine Furche i- vom Magen M absetzt, p^^ ;^ j?^ i ^ /'^^T^^. /J/^

jp Gegend de» Pylorus, J/Z» Mittel- darm, ED Enddarm.

\J

drinen und dieses Gesetz gilt auch für die Piej)ti- ^'.^

lien (vergl. Fig. 223j. Die gross ten formellen i~

Schwankungen zeigt der Magen der Teleo- | %. /r/j

stier. Der Oesophagus ist in der Piegel nur kurz | ^

und häufig nicht deutlich vom Magen abgesetzt, doch f fi

kommen nicht selten Ausnahmen vor. so z. B. bei '^'

manchen Teleostiern und unter den Amphibien bei W

Siren lacertina CFig. 22o Oej.

Reptilien. Hier tritt mit einer schärferen Differenzirung des Hal- ses meist auch ein 1 ä n g e r e r 0 e s o p h a g u s auf. und dieser ist von dem stets viel weiteren, in der Regel sackförmigen fC r o c o di 1 i e r joder schiin gen- artig gebogenen und dadurch querliegenden (Chelonier)^) Magen immer deutlich abgesetzt. Schlangen, schlangenähnliche Saurier und Amphisbaenen besitzen einen in der Köqjerlängsaxe liegenden, schlanken , spindelförmigen Magen und der ganze Yorderdarm ist hier entsprechend der zu gleicher Zeit massenhaft und unzerkaut eingehenden Nahrung einer excessiven Erweiterung fähig.

Vögel. In Anpassung an die Nahrung, an die Lebensweise und an den Mangel eines Gebisses i.st es hier insofern zu einer Art von

1) Der Oesophagus der Seeschildkröten ist wie derjenige mancher Vögel von Hornpapi llen ausgekleidet.

266

Specieller Theil.

Arbeitstlieiluiig gekoiiiiiicni , als der früher^) einfache Magen in zwei Abtheilungen, eine vordere und eine hintere, zerfällt. Nur die erstere (Fig. 224 BM)^ welche ihres grossen Drüsenreichthums wegen Drüsen- magen genannt wird, betheiligt sich durch ihr Sekret an dem Chemis- nuis der Verdauung, die letztere dagegen (Fig. 224 und 225 JfJI), auf deren Innenlläche sich eine aus erstarrtem Drüsensekret bestehende Horn- schicht belindet , wirkt nur in mechanischem Sinn und besitzt dem entsprechend eine ungemein dicke, mit zwei sehnigen Scheiben versehene, nmsculöse Wandung. Aus diesem Grunde spricht man hier vom soge- nannten Muskelmagen und es lässt sich constatiren, dass seine Entwicklung in gerader Proportion steht zu dem Consistenzgrad der zu bewältigenden Nahrung. Bei Körne rfressern werden wir also die stärksten Muskellagen und auf der Innenfläche die dickste Hornschicht erwarten dürfen , während durch die Reihe der Insektenfresser hindurch bis zu den Raubvögeln eine continuirliche Abnahme dieses Verhaltens zu bemerken ist, woliei sich die obenerwähnte Arbeitstheilung in immer geringerem Grade bemerklich macht. So lässt sich noch in der Reihe der heutigen Vögel der Weg verfolgen, den die Diflerenzirung des Organes in der Phylogenese eingeschlagen hat.

Fig. 224.

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Fig. 225.

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Fig. 225. A Muskel- und Drüsenmagen von Fuli- cra atra. ^Durchschnitt durch die seitliche Par- tie des Muskelmagens vom Au e rh ah u.

Oe Oesophagus, DM Drüsen- magen , MM Muskelmagen , S Sehnenplatte desselben, J/iS Mus- kelschicht, DS Drüsenschicht, IIP Reibplatte, d. h. erstarrtes Se- kret der Drüsenschicht, L Lumen des Muskelmagens, nahe seiner lateralen Grenze.

Fig. 224. Schematische Darstellung des Vorderdarmes eines Vo- gels. Oe, Oe' Oesophagus, Ig Ingluvies , j9 3/ Drüsenmagen , .VJ/ Muskelmagen, MD Mitteldarm.

Schiesslich sei noch jene Ausbuchtung des Vogelschlundes erwähnt, die man als Kropf (Ingluvies) bezeichnet (Fig. •2241g). Man kann einen falschen, nur als Speisereservoir dienenden, und einen wahren, eine chemische Bedeutung besitzenden Kropf unterscheiden.

Säuger. Wie bei den Vögeln, so ist auch hier der Schlund deut-

l) Bei Crocodiliern weisen schon manche Thatsachen auf eine höhere, an die Vögel erinnernde Stufe des Magens hin.

Orsane der Ernährung.

267

lieh vom Magen abgesetzt und in seinem Anfangsstück in einen , von starken Muskeln beherrschten Pharynx difterenzirt.

Der Magen unterliegt hier so zahlreichen, unter dem EinÜuss der Nahrung stehenden Modificationen, wie sie uns in keiner anderen Wir- l)elthierklasse begegnen. In der Regel besitzt er eine mehr oder we- niger quere Lage und eine Sackforra, an der man eine an den Oeso- phagus angrenzende Cardia und eine den Uel) ergang zum Mitteldarm vermittelnde Pars pylorica unterscheiden kann.

Im Allgemeinen besitzen Pflanzenfresser einen grösseren, com-

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Fig. 226 Verschiedene Formen des S ä u g e th i e r mag e ns. A Hund, :B Mus decumanus, C Mus musculus, D Wiesel, E Schema für den Wiederkäuermagen ; der eingezeichnete Pfeil gibt den Gang der Nahrung an, R, B Rumen und Reticulum, O Omasus, A Abomasus, F Meuochlicher Magen von Innen her auf seine Muskeln a, b, c präparirt , G Magen des Kamels , R B Rumen und Reticulum, A Abomasus, WZ Was- serzellen, _?f Magen von E c h i d n a hystrix, Cmi Curvatura minor, Cma Curvatura major, J IMagen von Bradypus tridactylus; ff der dem Rumen , f der dem Reticulum des Wiederkäuermagens entsprechende Abschnitt ; ersterer ist bei 31B in einen Blindsack ausgezogen, ** Ausstülpungen des Duodenums (Du). Fig. G nach Gegenbau r.

Oe Oesophagus, P Pylorus, Sc Saccus cardiacus, Sp Saccus pyloricus, Ca Cardia.

268 Speciellcr Theil.

plicirter gebauten Magen, als Fleisclifresser ; er kann Ausbuchtungen, d. h. Abkamraerungen in verschiedener Zahl erfahren, so bei Wieder- käuern (Fig. 22G ^) z.B. vier, die man alsRumen, Reticulum, Omasus^) und Abomasus bezeichnet. Die lieiden ersteren dienen nur als einfache Behälter, aus welchen die Nahrung wieder in die Mund- höhle emporsteigt, um hier noch einmal eingespeichelt und durchgekaut zu werden. Ist das geschehen, so gelangt sie in den Omasus und von hier aus endlich in den Abomasus, welch letzterer allein mit L a b - drüsen ausgestattet und als Verdauungsmagen anzusehen ist. (Vergl, die punktirten Pfeile auf Fig. 226 E, welche den Gang der Nah- rung andeuten.)

Wahrscheinlich haben alle Cetaceen, mit Ausnahme der Ziphi- oiden, einen aus drei Hauptabtheilungen bestehenden Magen, Die erste ist eine drüsenlose Ausstülpung des Oesophagus, die zweite entspricht etwa der Cardia eines Carnivoren ; sie ist ein Pepsinmagen. Die dritte zerfällt wieder in mehrere Unterabtheilungen und entspricht der Pars pylorica des Carnivorenmagens ; ihre Drüsen sind Schleimdrüsen.

3) Mitteldarm.

Fische. Wie früher schon erwähnt, lässt das Darm röhr der ver- schiedenen Wirbelthiergruppen zwischen einem fast ganz geraden Lauf und einem grossen Windungsreichthuni die allermannigfachsten Ueber- gänge und Zwischenstufen erkennen; doch kann mau im Allgemeinen sagen, dass Pflanzenfresser ein längeres Darmrohr besitzen, als Fleischfresser.

Im Sinn einer Oberflächenvergrösserung ist eine in ihren ersten Spuren schon bei Ammocoetes auftretende, ins Darnilumen ein- springende Längsfalte aufzufassen , welche auch bei S e 1 a c h i e r n , Dipnoern und Ganoiden angetroffen, hier aber ihrem Laufe ent- sprechend, Spiralfalte (Spiral klappe) genannt wird. Bei der letztgenannten Fischgruppe geht sie schon einer Rückbildung entgegen und wird Ijei den übrigen Wirbelthiereu überhaupt nicht mehr angetrollen.

Eine andere, unter denselben physiologischen Gesichtspunkt fallende, für den Fisclidarm characteristische Erscheinung sind die zum ersten- mal l)ei G a n o i d e n auftretenden und von hier an auf zahlreiche Teleo- stier sich fortvererbenden Appeudices pyloricac. Es sind dies mehr oder weniger lange, häufig fingerartig gelappte Ausstülpungen des Mitteldarmes, welche hinter dem Pylorus im Bereich des Ductus choledochus ihre Lage haben (Fig. 227 und 228 Ap). Ihre Zahl schwankt zwischen 1 (Polypterus und Ammodytes) und 191 (Scomber scoml)rus). Die Appendices pyloricae einer- sowie die Spiralklappe andrerseits, scheinen insofern in einem gegenseitigen Wechselverhältniss zu stehen, als sie sich in ihrem Auftreten bis zu einem gewissen Grade ausschliessen.

Amphibien und Ileptilien. Hier begegnet man bei schlankem

1) Dieser feblt manchen Wiederkäuern, wie den Tylopoden und Moschide n, so dass diesen nur die oben schon erwähnte, dreigetheilte Magen form zukommt. Der O m a s u s ist phylogenetisch und ontogenetisch als jüngstes Differenzirungsproduct bei der allmählichen Herausbildung des Wiederkäuermagens zu betrachten. Er variirt auch formell und ebenso in der Ausbildung seiner Blätter am meisten ; am voluminösesten ist er bei B o s. Ontogenetisch durchläuft er phylogenetisch niedrigere Entwicklungsstufen.

Organe der Ernährung.

269

Fig. 227.

Fig. 228.

Fig._229.

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Fig. 227. Tractus intestinalis von L e p i d o s t e u s.

Oe Oesophagus, M Magen, PB Pylorusrohr, GB Gallenblase, Ap Appendiees pyloricae, MD Mitteldarm, 8 Schlinge des Mitteldarmes, aus welcher sich der Enddarm ED ent- wickelt, A Anus, Mi Milz.

Fig. 228. Tractus intestinalis des Flussbarsches. Oe Oesophagus, M Magen, f Blindsack desselben, P, P Kurzes Pylorusrohr resp. Pylorusgegend, Ap Appendiees pyloricae, MD Mitteldarm, ED Enddarm, A Anus.

Fig. 229. Cloake einer weiblichen Salamandrina perspic. , aufge- schnitten. ED und BL Enddarm und Harnblase, beide an ihrer Einmündungssteile in die Cloake aufgeschnitten. >S^ Blasenfurche, N Nieren, lg Ausmündung der L e y i)i G 'sehen Gänge (Ureteren), Ovd, Ovil Oviducte, welche auf zwei Papillen münden. Links von der Schleimhautfalte L die Genitalpapille.

Körperbau , wie z. B. bei G y m u o p h i o n e n , A m p h i s b a e n e n , Schlangen und schlangenähnlichen Sauriern, einem nur leicht wellig gebogenen, dagegen bei breitem, gedrungenem Körperbau, also bei Anuren, Crocodiliern und Schildkröten, einem in zahl-

270 Specieller Tlieil.

reiche Schlingen gelegten Danni-olir. S a 1 a m a n d r i n e n und Saurier halten darin etwa die JMitte.

Vögel und Säuger. Hier erreicht der melir oder weniger reich gewundene Mitteldarni in der Kegel eine beträchtliche Länge und variirt dabei (auch in seinei- Weite) mehr bei domesticirten , als bei wilden Formen ^ ). Ungefähr in der Mitte seines Verlaufes findet sich bei Vögeln ein kleines, blinddarmartiges Gebilde, der Rest des Ductus vitello-intestinalis s. Diverticul um coecum vitelli. Häu- fig, wie z. B. beim Menschen, existiren relative Längenunterschiede zwischen dem fötalen und dem ausgewachsenen Darm.

4) Enddarm.

Der bei den A n a m n i a und den S a u r o p s i d e n , zusamt den Urogenitalgängen, in einen gemeinsamen Hohlraum, d.h. in die Cloake ausmündende Enddarm besitzt im Allgemeinen einen geraden Verlauf (Rectum) und setzt sich erst von den Amphibien an (andeutungs- weise auch schon bei gewissen Ganoideu und Teleostiern) deut- lich vom Mitteldarm ab ■^). Er zeigt dabei und dies gilt auch für viele Reptilien und Vögel— eine blasenförmige Auftreibung, welche oft diejenige des Magens sogar an Ausdehnung übertrifft (Fig. 230 R).

Die in embryonaler Zeit schon erfolgende blasenförmige Ausstül- pung seiner ventralen Wand, die sog. A 1 1 a n t o i s , wird bei Amphibien in toto zur Harnblase.

Wie es sich mit diesem Organ l)ei den Amnioten verhält, soll in einem späteren Capitel enhtert werden.

Von den Reptilien an tritt eine asymmetrische Aussackung am Aiifangstheil des Enddarmes auf, die man als BUnddarm (Intestinum coecum) bezeichnet.

Bei den Vögeln legt sich der Blinddarm in der Regel paarig an und kann eine enorme, den Hauptdarm an Länge sogar übertreffende Ausdehnung erreichen (Lamellirostres, Ras o res, Ratiten). Andrerseits al)er konunen alle m()gliclien Zwischenstufen Ins zum v()lligen Verschwinden vor.

Bei starker Ausdehnung stehen die Blinddärme jedenfalls in wichtiger Beziehung zur Verdauung, indem sie ehie ()berttäclienvergr()sserung der Mucosa darstellen ; ja es kann dieses Verhalten noch dadurch eine Steigerung erfahren, dass, wie z. B. beim Strauss, im Innern eine zahlreiche Windungen bildende Spiral falte auftritt.

Den Vögeln eigenthümlich ist die sogen. Bursa Fabrieii. Sie

1) Bei Nestflüchtern, wo der Eidotter beim Auskriechen aus dem Ei noch lange nicht verbraucht ist, sondern wo er in Form einer grossen Blase den Unterleib z. Th. er- füllt, erreicht der Darm die der erwachsenen Species zukommende Länge erst sehr sp.ät, d. h. er nimmt bis zum Ende dos Wachsthumes des jungen Vogels stetig zu.

Ganz anders bei Nesthockern (namentlich bei Passer inen), wo die Dotter- masse um die Zeit des Auskriechens beinahe oder ganz aufgebraucht ist. Hier erreicht der Darm seine ihm überhaupt zukommende , absolute Länge schon lange Zeit vor dem Flüggewerden des Jungen; das Darmwaclisthum steht dann also still. Aehnlich verhält es sich bei Buteo vulgaris. Somit eilt der Darm in seinem Wachsthum dem Körper um so mehr voraus, in je unvollkommenerem Zustand der betreffende Vogel das Ei ver- lässt (G a d o wl.

2) Bei allen Fischen ohneAusnahme liegt die Mündung des Mast- darmes stets vor der Mündung der Urogenitalorgane. Schon bei den 1> i p n o e r u aber ändert sich dieses.

Organe der Ernährung.

271

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stellt ein aus solider, epithelialer Anlage hervorgehendes , später aber zu einer Blase sich aushöh- lendes, kleines Gebilde dar, welches frei in der Beckenhöhle zwischen Wirbelsäule und dem hintersten Theile des Enddarmes liegt. Es stösst nach hinten an den tiefsten Theil der Cloake, in die es unter- hall) der Urogenitalöftuungen aus- mündet.

Von dem in physiologischer Beziehung noch ganz dunklen Or- gan erhalten sich bei einigen Vogel- arten mehr oder weniger deutliche Reste.

Säuger. Hier erreicht der eine wechselnde Zahl von Schlin- gen biMende Enddarm eine grosse Länge und zugleich eine dem Mit- teldarm gegenüber viel grössere Weite, so dass sich beide schon dadurch, sowie durch H a u s t r a- b i 1 d u n g e n , welche der End- darm erzeugen kann, stets deut- lich von einander absetzen. Nur sein hinterster, in die Beckenhöhle sich einsenkender Abschnitt, das sogen. Pt e c t u m , entspricht dem Enddarm der niederen Vertebra- ten ; der übrige, viel grössere Theil ist als eine erst in der Reihe der Säugethiere gemachte Erwerbung

Fig. 230. Tractus intestinalis von Rana esculenta. Oe Oesophagus, M Magen, Py Pylorusgegeud, l)u Anfang des Mitteldarnnes (Duodenum) , D JMitteldarm, •f Grenze desselben (Klappe) gegen den Enddarm (ß), A Mündung des letzteren in die Cloake Cl, HB Harnblase, Ma Milz.

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aufzufassen und heisst Colon. An diesem lassen sich oft, wie z. B. beim Menschen, wieder Unterabtheilungen unterscheiden.

Der in allgemeinster Verbreitung vorkommende Blinddarm unter- liegt, je nach der Art der Nahrung, auch liier den allergrössten Schwan- kungen nach Form und Grösse. So ist er sehr klein oder kann auch ganz fehlen beiCarnivoren, Zahnwalen, Insectivoren und Chiropteren, oder kann er bei Herbivoren den ganzen Körper sogar an Länge übertreffen. Zwischen ihm und dem übrigen Enddarm besteht ein gewisses compensatorisches Verhältniss. Li mehreren Fällen (manche Affen, Nager, Mensch) tritt bei einem Theil des Blinddarmes im Laufe der individuellen Phitwicklung eine Verkümmerung ein, so dass man von einem wurmförmigen Fortsatz (Processus vermiformis) sprechen kann. Es weist diese Thatsache auf den früheren Besitz eines längeren Darmrohres zurück.

Unter allen Säugethieren besitzen nur noch die Monotremen

272

Specieller Theil.

und z. Th. auch noch die Marsupialier eine Cloake. Bei allen übrigen kommt es zur Trennung des Afters von der Urogenitalöffnung.

Histologie der Darmsclileimhaut.

Abgesehen von der Mund- und Afteröffnung, wo sich in der Regel der epidermoidale Epithelcharakter erhält, hat man sich das Epithel der Darmschleinihaut der Wirbelthicre ursprünglich, d. h. phylo- genetisch, aus flimmernden resp. amöboiden Cylinder- z eilen bestehend zudenken. Auch ontogenetisch kommt dies da und dort noch zum Ausdruck , ja bei den niedersten Fischen , ^xm bei A m p h i 0 X u s und den P e t r o ra y z o n t e u ( A m m o c o e t e s) , persistirt das FHmmerepithel das ganze Leben liindurch.

AK.'-

j^N -ti

NN

Fig. 231. Scheniatische Dar- stellung des Coeleiiterateukör- pers. AK und IK äusseres und inneres Keimblatt. Die Zellen des inneren Keim- blattes senden amöboide Fortsätze aus und haben bei NN schon Nahrungstheilchen aufgenommen. UD Urdarmhöhle, in wel- cher sich Nahrung (N) betindet, Um der Urmund.

Auch im Darm der übrigen Fische, sowie der D i p n o e r und A m - phibien, zeigt es noch eine mehr odei' weniger grosse Verbreitung, tritt aber hier nur noch in gewissen Abtheilungen des Darmes auf. Bei höheren V e r t e b r a t e n spielt es in postembryonaler Zeit keine grosse Rolle mehr, so dass man hier im Allgemeinen nur von einem gewöhnlichen Cylinder-Epithel reden kann. An der freien Zellol)erfläche ist übrigens ein gestrichelter Saum bemerklich, der als Ausdruck des früheren Flimmerkleides aufzufassen ist und der bei gewissen niederen Verte- braten contractile Ausläufer gegen das Darmlumen hinein ent- sendet (Wiedersheim). Darin, d. h. i n d e r a c t i v e n B e t h e i 1 i g u n g des freien Randes der Zelle am Resorp tion sproce ss denn offenbar handelt es sich hier um eine solche haben wir ein altes Erbstück von den wirbellosen Thieren her zu erl)licken und ich verweise zu diesem Zwecke auf Fig. 231, die ein Schemades Coel en teraten- körpers darstellt, in welchem die das Coehnn (UD) (Archenteron oder urdarmhöhle) auskleidenden Entodermzcllen NN durch Pseudopo- dien bil düng gerade mit der Aufnahme der Nahrungspartikelchen N beschäftigt sind. ]\Jan vergleiche damit die an ihrem freien Rande eben- falls in Bewegung begriffenen Darmepithelieu E^ I? eines niederen \Yirbel- thieres auf Fig. 2'd2 A^ sowie dieselben, bei stärkerer Vergrösserung dar- gestellten, Zellen a und h auf Fig. 232 jB.

Dass sich ausser diesen Epithelien auch noch Leukocyten (Pha- gocyten) an der activen Aufnalime der Nahrung betheiligen, ist aller- orts deutlich nachzuweisen. Dieselben finden sich, entweder einzeln oder zu kugeligen oder bandartigen Massen (Follikel. Peyer'sche Haufen) vereinigt, in der Submucosa, wie auch (nach Durchwanderung des Schleimhaut-Epithels) im Darmlumen (Fig. 232).

Organe der Ernährung.

273

Fig. 232. A Ein Stück Darm wand im Quer- schnitt, z. Th. schematisirt. Die Zwischenscliicht d. h. die Submucosa und die Schleimhaut ist im Verhältniss zu den äusseren Schichten des Darmes absichtlich viel zu breit gezeichnet. Links von der Abbildung hat man sich die Kör- perhöhle , rechts die Darmhöhle zu denken. B Bauch- l'ellüberzug des Darmes, ßl Längsmuskelschicht , AT' Ring- ß

muskelschicht , Z Zwischenschicht , S Schleimhaut , wel- che sich bei Zo, Zo zu Zotten erhebt, G, G Gefässe, deren grössere Stämme zwischen dem Bauchfell und der Muskel- schicht verlaufen. Die feineren Gefässe verzweigen sich in der Zwischenschicht, umspinnen dort die Lymphzellenpakete {L,L) sowie die Drüsen und schicken feine Schlingen in die Zotten hinein (bei G^). D,D Eingänge in die Drüsen, E, E Epithelzellen der Schleimhaut mit ihrem Randsaum, wel- cher bei £"1 in amöboider Bewegung begriffen ist. Die- selben Zellen sind in Fig. 232 B, a, b bei viel stärkerer

Vergrösserung dargestellt, Sa Stäbchensaum. Ly zerstreute Lymphzellen in der Zwischen- schicht, LLi, L^ Lymphzellen im Durchtritt durch die Schleimhaut begriffen, bei L^ sind mehrere bereits in die Darmhöhle gelangt und beginnen die dortigen Nahrungstlieilchen N^N unter amöboiden Bewegungen aufzunehmen, Lym Lymphgefässe in den Darmzotten.

Bei Amphioxus, den Cyclostomen und D i p n o e r n haben wir uns noch die ganze Darmschleimhaut secernirend vorzustellen, d. h. jede Epithelzelle stellt eine kleine Drüse für sich dar. Dieser Zustand der Indifferenz ändert sich nun schon bei Se- lachiern, wo im Magen bereits grosse Zellgruppen zur Bildung von Schlauchdrüseu zusammentreten. Der Zellcharakter ist hier noch einheitlich oder doch, je nach dem Fundus oder dem Hals der Drüse, noch sehr wenig verschieden. Schon bei G a n o i d e n aber

\V i e d ersh e i ra , tiiuiidriss der vurgl. Aiiatomii

18

274

Specieller Theil.

und manchen Teleo stiem tritt diese Verschiedenheit nach den Unter- suchungen Leydig's und Cattaneo'« deutlich hervor, und letzterer hat auf chemisch-physiologischem Wege die Fähigkeit jeuer Drüsen, Pepsin zu bereiten, aufs Ueberzeugendste dargethan. Dabei kann man aber von adelomorphen und delom or phen Zellen noch nicht sprechen, und auch Amphibien und Reptilien lassen von einer derartigen Diti'erenzirung des Magenepithels noch nichts erkennen. Es handelt sich nur erst um die Vorstufen jener Zellen (Maeia Sacchi). Erst bei Säugethieren erscheinen sie in typischer Ausprägung.

Im Darm der Wirbelthiere spielen die unter dem Xamen der Lie- berkühn'schen Drüsen bekannten tubulösen Gebilde eine grosse Rolle, daneben finden sich aber auch Schleimdrüsen von acinösem Charakter und Becherzellen sind allerorts zerstreut. Besonders drüsen- reich ist der Vogel- und Säuger-Darm^).

Ueber die Schichtung der Darm wand habe ich früher bei der Einleitung schon das Nöthige berichtet und ich gehe hier nur noch auf die Faltenbildung der Schleimhaut etwas näher ein.

Bezüglich ihres Zustandekommens ergeben sich häufig Parallelen zwischen Ontogenese und Phylogenese. Stets sind Längsfalten als die primitivsten , auf die Vergrösserung der resorbireu- den Fläche gerichteten Einrichtungen zu betrachten. Eine höhere Stufe repräsentirt sclKm die Spiral falte, welche im Darm der Selacliier, Ganoiden undDipnoer auftritt. Bei den ersteren und dies gilt auch für zahlreiche andere Fische macht sich bereits ein weiterer Fortschritt dadurch bemerklich, dass jene Längsfalten durch Quer falten, unter Erzeugung von Kryptenbildungen von wech- selnder Tiefe und Form, unter einander verbunden werden (Fig. 238).

Fig. 233. Ein Stück Teleostierdarm mit den langen sclimalen Kryp- ten. Nach Edingku.

a Längs-, b Querschnitt, c Innere Oberflcäche.

Indem dann die zwischen diesem netz- und gitterartigen Falten- system liegenden Vertiefungen (Krypten) immer weiter einsinken, resul- tiren daraus die früher schon erwähnten tubulösen Drüsen des Darni- canals (Pepsin- und Lieberkühn'sche Drüsen).

Bei Fischen noch unvollkommen und selten auftretend, kommen eigentliche Darnizotten erst bei Am pliibien, zumal bei den un- geschwänzten, zu deutlicher Entwicklung. Daneben persistiren aber

1) Er steht also in scharfem Gegensatz zu dem drüsenlosen Cyclostomen- und Dipnoer-Darm. Letzterer erheischt eine genaue Analyse seitens der physiologischen Chemie. P e p s i n b i 1 d u n g ist mit Sicherheit auszuschliessen.

Organe der Ernährung.

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Fig. 234. Halbschematische Flächenschnitte durch Fischdärme zur Demonstration des Ueberganges der Längsbuchten in rundliche Krypten. Nach Edinger.

A. von Petromyzon, mit der deutlich vorspringenden Spiralfalte, jB von einem Selachier, (7 E von verschiedenen Teleostiern.

alle möglichen, tbeils wellig, theils im Zickzack verlaufenden Faltenbil- duugen, und Aelinliches gilt auch für S a u r o p s i d e n und M a m m a 1 i a.

Die unter dem Namen der Valvulae conniventes Ker- kringii bekannten Gebilde der Säugethiere und des Menschen finden sich auch schon bei Vögeln, wie namentlich bei S t r u t h i o.

Neben jenen Faltenbildungen kommen dem Vogeldarm auch Zot- ten in reichstem Masse zu; sie finden sich am besten entwickelt im Duodenum, doch ziehen sie sich oft auch bis in den Enddarm hinein.

Eine stärkere Entwicklung als irgendwo anders erreichen die Darm- zotten bei den Säugern und hier ist auch ein Querfaltensystem, zu- mal am Enddarm, mächtig entwickelt. Längsfalten dagegen treten stark in Hintergi'und ; die Magenschleimhaut ist meistens in netzförmigen Falten erhoben, oder zeigt sie die im Wiederkäuermageu auftretende, com- plicirte Structur^).

Anhangsorgane des Darmcanalcs. Leiber.

Die der Leibesform sich stets genau anpassende und den Tractus intestinalis namentlich von der Ventralseite her mehr oder weniger weit überlagernde Leber kommt jedem Wirbel thier (Amphi- oxus?) zu. Bei Anamnia (Ganoiden und Ichthyoden z. B.) ist sie in der Regel relativ voluminöser, als bei Amnioten. Carnivore (Fett geniessende) Thiere besitzen in der Regel eine grössere Leber als herb i vor e.

Stets ist das Organ durch eine Bauchfellduplicatur ^j an der Kör-

1) Mit grosser Regelmässigkeit finden sich in der adenoiden Gerüstsubstaiiz der Zot- ten aller Vertebraten der Längsaxe parallel laufende Muskeln, welche stets der Endothelwand der im Innern der Zotte befindlichen Chylusgefässe eng anliegen. Mittelst dieser Muskeln können sich die Zotten contrahiren , während ihre Streckung auf das Verhallen (Blutdruck) der Gefässe , das Epithel (also auf elastische Kräfte), und vor Allem auf die Wirkung der peristaltischen Contraction der Darmmusculatur zurückzuführen ist. Diese Bewegungen der Zotten stehen in wichtigen Beziehungen zur Chylusströ- mung und zu den Resorptionsverhältnissen in der Zotte (Graf Spee).

2) Bei Monitoren und Varaniden umwickelt eine besondere, von der dorsalen Mit- tellinie ausgehende Bauchfellfalte sackartig die abdominalen Eingeweide zusamt der Leber.

18*

276

Specieller Theil.

perwand befestigt und zeigt eine Menge Variationen nach Zahl und Form der Lappen. Gleichwohl lässt sich eine zweilappige Grundform (Cyclostomen) feststellen, aufweiche die Leber aller Vertebraten ge- netisch zurückzuführen ist. Stets nimmt sie ihre Entstehung vom An- fange des Mitteldarmes aus und bildet sich zu einem grossen, blutreichen, drüsigen, in erster Linie gallebereitenden Apparate aus, welcher durch einen oder mehrere Ausführuugsgänge (Ductus choledochus s. Ductus hepato-entericus) mit dem Darmlumen in Verlnndung steht.

Eine Gallenblase (Vesica fellea) kann vorhanden sein oder fehlen ; im ersteren Falle ist sie durch einen Ductus cysticus mit dem, den allergrössten Variationen unterliegenden, Gallenausführungs- system verbunden.

Fig. 235.

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ED-

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Fig, 235. Leber von Ranaescu-

lenta, von der Ventra-lseite ge- sehen.

L, lA, L^ Die verschiedenen Leberlap- pen, M Magen, J) Duodenum, H Herz.

236. Situs viscerum vouLacerta agil is.

Oe Oesophagus , M Magen , MB Mittel- darm , ED Enddarm , L Lei)er , GB Gallen- blase , Pii Pankreas , Bl Harnblase , Lg Lg'^ die beiden Lungen mit ihrem Gefässnetz, JI Herz , Ci Vena cava inferior, Tr Trachea.

In der Regel treten ein oder zwei Ductus hepatici aus der Leber hervor und verbinden sich zu einem, in den Anfang des Mitteldarmes ein- mündenden Ductus hepato-entericus. Auf dem Wege dahin kann dieser noch einen von der Gallenblase kommenden Ductus cysticus auf-

m BL

Ventralwärts endigt sie frei und scheidet so die Bauchorgane vom Herz und von den Lungen. In dieser Bildung erkennen wir die ersten Anfänge der Trennung des'Coeloms in zwei Räume, wie sie bei höheren Sauropsiden (Crocodilier und Vögel) weiter durchgeführt erscheint (Beddard).

Organe der Ernährung.

277

nehmen und der zwischen dieser Einmünduugsstelle und dem Darm lie- gende Abschnitt des Ductus hepato-entericus wird dann als Duc- tus choledochus bezeichnet (Myxinoiden, Gymn o p hi o nen, die meisten Säuger, Mensch).

In andern Fällen ist die Anzahl der Ductus hepatici noch grösser und sie können dann unter sich sowohl wie mit dem Ductus cysticus Netze erzeugen und wohl auch an verschiedenen Stellen in den Ductus hepato-entericus einmünden. So verhält es sich z.B. bei Anuren und speciell bei Kana esculenta. Ganz dasselbe gilt auch für Lacerta

Fig. 237. A, B, C. Verschiedene Mo d i f i catio n e n des Gallenaus- h rungs-Systems.

D Duodenum, Vf Vesica fellea, c und s Ductus cysticus, h Ductus hepaticus, ch Duc- tus choledochus, hc Ductus hepato-cysticus, he Ductus hepato-entericus.

und hier wie dort kann der Ductus choledochus die Substanz des Pankreas durchsetzen und dabei den Ductus Wirsungianus aufnehmen, so dass beide mit einer gemeinsamen Oeffnung auf einer Papille oder Falte des Dar- mes ausmünden.

Ausser dem Ductus choledochus können auch noch eigene Ductus he p a 1 0 -cys tici und h e pa t o - e n teri ci , welch letztere den Darm für sich durchbohren, vorhanden sein ; so z. B. bei manchen Fischen. Wieder in andern Fällen existirt ein von der Bla.se direkt in den Darm mündender Ductus cystico-entericus u. s. w.

Bauchspeicheldrüse (Pankreas).

Auch dieses Organ nimmt, wie schon früher angedeutet, seinen Ur- sprung vom Anfangsstück des Mitteldarmes, liegt also in der Regel der Leber benachbart. Der Ausgangspunkt vom Darm entspricht der Ein- mündung des späteren Sammelganges (Ductus pankreaticus s. Wirsungianu s). Dieser durchzieht das ganze Organ, überall von den gelappten Drüsenmassen Seitengänge aufnehmend.

Mit Ausnahme weniger Fische (Cyclostomen und einige Te- le o s t i e r) und der D i p n o e r kommt die Bauchspeicheldrüse sämmtlichen Wirbelthieren zu. Nach Form, Lage und Grösse zahlreichen Schwan- kungen unterliegend, stellt sie bald ein einfaches, bandförmiges, oder ein mehr oder weniger gelapptes Organ dar. Häufig verbindet sich der Aus- führungsgang mit demjenigen der Leber, öderes existiren mehrfache, selbständige Ausführungsgänge in den Mitteldarm.

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188V.

G. Athmungsorgane.

Die Athmungsorgane der Wirl)elthiere sind in topographischer, wie in genetischer Beziehung aufs Engste an das Darm röhr geknüpft und zerfallen in Kiemen und Lungen. Erstere, als die phyletisch

Athmungsorgane. 279

älteren Organe, sind auf die Wass erathmung berechnet und liegen im Bereich des primären Munddarmes resp. der Visceral- oder Kiemenbogen; letztere stellen paarige, sackförmige Ausstülpungen des Vorderdarmes dar, welche in den Leibesraum zu liegen kommen und der Luftathm ung dienen. Möglicherweise fallen auch die Lungen phylogenetisch unter den Gesichts- punkt eines hintersten Kiemen tasch enpaares, das nicht mehr zum Durchbruch gegen die äussere Haut gelangt, sondern coelom- wärts auswachsend, sich entwickelte.

Beide Apparate können sich bei einem und demselben Thiere neben einander entwickeln, allein es tritt, abgesehen von seltenen Ausnahmen (Dipnoer und vielleicht auch Siren unter den Ichthyoden), immer nur einer davon in Funktion, so dass sie sich also in physiologischer Beziehung gegenseitig geradezu ausschliessen. Das Ausschlaggebende hierbei sind die Circulati onsverhältnisse, indem nur dort eine Respiration denkbar ist, wo venöse, d. h. mit Kohlensäure ge- ladene Blutbahnen mit dem umgebenden Medium derart in Contact treten, dass jenes Gas abgegeben und dafür ein anderes, nämlich Sauerstoff, aufgenommen und mittelst eines arteriellen Blut- stromes dem Körper zugeführt werden kann.

So lange diese Bedingungen für eine Oxydation des Blutes nicht erfüllt sind, so lange kann man auch nicht von einem Athmungsorgane reden. Ich habe dabei die sogenannte Schwimmblase der Fische im Auge, welche zwar genau nach dem Modus einer Lunge, d. h. als Aus- stülpung aus dem Vorderdarm, entsteht, zu keiner Lebensperiode je- doch jene Kreislaufsverhältnisse aufweist. Sie erhält vielmehr stets nur arterielles Blut aus der Aorta und giebt venöses Blut wieder ab ; folglich ist sie nur in morphologischem, nicht aber in physiologischem Sinne eine Lunge.

I. Kiemen.

Sie stellen, wie schon zu wiederholten Malen hervorgehoben worden ist, eine Reihe hinter einander liegender, bilateral angeordneter, auf eine Vergrösserung der Athmungsfläche berechneter Ausstülpungen des primitiven Vorderdarmes vor , welche im Laufe der Ent- wicklung durch die äussere Haut durchbrechen. So ist ein Durchgangs- weg für das durch den Mund einströmende Wasser geschaffen, und um den an dasselbe gebundenen Sauerstoff in möglichst ausgiebiger Weise zu absorbiren, macht sich im Bereich jener Oeffnungen das Bestreben geltend, blätterige oder fadenartige, reich vascularisirte Fort- sätze, d. h. Kiemen, zu entwickeln. Jene zerfallen, je nach ihrer Lage in innere und äussere.

Während nun die Fische zeitlebens functionirende Kiemen besitzen, gilt dies nur für einen kleinen Theil der Amphibien, nämhch für die Ichthyoden; alle übrigen durchlaufen nur in ihrer Jugend ein Kiemen- stadium und werden später lungenathmend, so dass man aus dem Studium dieser einen Thiergruppe ein vortreffliches Bild der phyletischen Ent- wicklung gewinnt, welche sämmtliche höhere Vertebraten einst durch- laufen haben müssen.

Mit der Gruppe der Amphibien schliesst das Auftreten von functionir enden Kiemen ein für allemal ab. Welch mächtigen Factor aber die Kiemenathmuug in der Organisation des Thierkörpers

280 Specieller Theil.

darstellt und wie sie sich iu Zeiträumen von ungemessener Dauer darin befestigt hat, beweist der Umstand, dass sie bis zu den höchsten Thier- formen, den Säugern hinauf, im Auftreten von Kiementaschen be- ziehungsweise - Furch enM und -Bogen, sowie in einer bestimmten Anordnung des Gefässsystems ihren morphologischen Ausdruck findet. Somit können wir mit vollster Sicherheit den Satz aussprechen, dass auch die Amnioten in ihrer Stammes geschichte ein Sta- dium durchlaufen haben müssen, in welchem sie einmal kiemenathmend waren.

Auf den Functionswechsel, dem ihr Kiemenskelet nach Ablauf jener Periode theilweise unterlag, habe ich schon früher, im Capitel über das Kopfskelet und das Gehörorgan, hingewiesen.

Bei Cheloniern, Sauriern*), Ophidiern und Vögeln legen sich noch fünf K iem an tasch an an, allein da und dort, wie z. B. bei Lacerta, brechen nur noch die drei vordersten durch, die vierte nur ausnahmsweise, die fünfte nie. Aehnlich verhält es sich bei V ögeln, wo sich übrigens auch schon das dritte Paar nur ausnahmsweise nach aussen öffnet, während dies beim vierten und fünften (inconstant auftretenden) nie geschieht (van Bemmelen). Bei Säugethieren treten nur noch Kiemen- tasche n auf und hier, wie überall, tragen die am weitesten nach hinten liegenden einen durchaus rudimentären Charakter, eine Thatsache, welche im Yerhalten des Kiemenapparates der Anamnia eine Parallele findet. So macht sich also in der Phylogenie wie in derOntogenie eine in proximaler Richtung fortschreitende Reduction der Kiemenspalten und -bogen bamerklich.

Fische.

Bei Amphioxus wird die Kiemenhöhle durch eine Schleirahautfalte, in welcher sich ein Muskel entwickelt, von der Mundhöhle abgeschlossen. Die Respirationskammer erstreckt sich, von zahlreichen elastischen, unter der Herrschaft von Muskeln stehenden Stäben gestützt, fast bis zur Mitte des Körpers nach rückwärts. In einer gewissen Entwicklungsperiode- münden die 80 100 Kiemenspalten frei nach aussen, später aber werden sie von zwei seitlichen Hautfalten überwachsen, wodurch ein sogenannter P e r i b r a n c h i a 1 r a u m gebildet wird. Von hier aus wird das ausge- athmete Wasser weiter nach hinten geführt und aus einer hinter der Körpermitte gelegenen Oefiiiung, dem sogenannten Porus abdomi- nalis, oder, wie er richtiger heissen würde: Porus branchialis, entleert (vergl. das über die Pori abdominales handelnde Capitel).

Diese, auf uralte Verhältnisse zurückweisende, auf einen sehr grossen Abschnitt des Körpers sich erstreckende Ausdehnung des Kiemen- apparates erfährt schon Ijei den Cyclostomen eine bedeutende Ein- schränkung.

Wir haben zunächst den Ammocoetcs ins Auge zu fassen.

Hier liegt der Oesophagus in direkter Rückwärtsver-

1) Der Ausdruck Kiemen tu rc h e n bezieht sich auf den Menschen und viele Säugethiere, weil es hier zwischen Entoderm und Ektoderm in der Kegel nicht mehr zum Durchbruch dh. zu keiner Spaltbildung mehr kommt. Ausnahmsweise, wie z. B. bei Kinds- und Schafembryonen, k-ann dies übrigens noch der Fall sein.

2) Lacerta vivipara zeigt sogar noch die Anlage einer sechsten Kiemeuspalte.

Athmuno-sorsfane.

281

längerung der Kieniealiöhle (Fig. 239 Ä) und am Eingang zur letzteren befindet sich eine musculöse Sclileimhautfalte (Fig. 240 F), das soge- nannte V e 1 u m oder M u n d s e g e 1. Die bei Ammocoetes vorhandenen sieben^), mit blattartigen Schleimhautfältchen besetzten Kiemenspalten persistiren auch bei P e t r o m y z o n , allein hier wird der Kieraenkorb nach hinten blindsackartig abgeschlossen , während das Darmrohr, mit

Fig. 238.

Fig. 239.

^i

Fig. 240. Kn J„fJf/fML

a Ji

Fig. 238. Amphioxus lanceolatus, 2-!^ mal v er- grösser t. Aus Gegenbaür, nach Qüatrefages.

a Mundöffnung von Cirrhen umgeben , b Afteröfifnung, c Branchialporiis , d Kiemensack , e magenartiger Abschnitt des Darmes, /Blindsack, g Enddarm, h Allgemeine Leibes- höhle, i Chorda dorsalis , darunter die Aorta , X; Aortenbogen, l Aortenherz , m Anschwellung der Kiemenarterien , w Hohl- venenherz, o Pfortaderherz. Fig. 239. Längsschnitt durch den Kopf von Ammocoetes (^) und Petromyzon (£). Schema.

Fig. 240. Längsschnitt durch den Kopf von Ammocoetes. F Velum, P Papillen der Schleimhaut, K K K die drei vordersten Kiemen, Th Gl. thyreoidea (Hypobranchialrinne), N Nasensack , * Eingang in den Bulbus olfactorius von der Höhle («) des Vorderhirns aus, Ep Epiphyse, JnJ Infundibulum, UM Hinterhirn, ML Medulla oblongata , b, c Höhlen dieser Hirntheile, o Subduralraum , Ch Chorda dorsalis, R Rückenmark.

1) Bei Ammocoetes legen sich ursprünglich acht Kiemenspalten an, allein das erste Paar, woraus bei höheren Fischen das Spritzloch wird, geht später spurlos zu Grunde.

282 Specieller Theil.

der Herausbildung eines Saug maul es, nach vorne auswächst. In Folge dessen geräth man vom Munddarm aus in zwei Hohlräume, einen ventral liegenden Kiemensack und einen dorsal liegenden Oesophagus (Fig. 239 B).

Während mm bei P etr omy zonten die einzelnen Kiemengänge frei nach aussen münden, ist dies bei Myxine nicht der Fall ; hier ist vielmehr insofern eine Modification jenes ursprünglicheren Ver- haltens eingetreten, als die äusseren Kiemengänge zu langen Röhren ausgewachsen sind, welche jederseits zu einem gemeinsamen, langen Gange z u s a m m e n f 1 i e s s e n. Dieser mündet weit hinten vom Kiemenapparat an der Bauchseite des Thieres aus.

Von den Selachiern an treten die Kiemen in engere Be- ziehungen zu d e n V i s c e r a 1 b o g e n , d. h. sie sitzen ihrer convexen Seite in Gestalt von dicht gedrängten, kammartig angeordneten Blättern unmittelljar auf (Fig. 241).

Dabei sind sie auf beiden Seiten der die einzelnen Kiementaschen von einander trennenden Septa festgewachseu, so dass also jedes Septuni sowohl an seiner vorderen, als an seiner hinteren Fläche Kiemenblätt- chen trägt.

In der Regel existiren bei Selachiern f ü n f Kiemen spalten, allein die primitivsten Formen, die Notidaniden, besitzen noch 6 7, und da auch das Spritzloch, sowie gewisse bei Selachier- und Rochen- Embryonen an der Hintergrenze des Kiemeuapparates aultretende, taschenartige Ausstülpungen der Schleimhaut (vergl. die bei der Gl. thyreoidea erwähnten Suprapericardialkörper, van Bem- M p: L E n) unter denselben morphologisclien Gesichtspunkt fallen , so er- hellt daraus, dass der Kiemenapparat der Selachier früher eine gr()ssere Ausdehnung l^esessen haben muss.

Während nun die Kiementaschen der Selachier je einzeln für sich, d. h. mit getrennten Oeffnungen, nach aussen münden, handelt es sich von den Granoiden an um keine abgekammerten Kiemen- taschen mehr. Man geräth also durch die inneren (pharyngealen) Kiemenspalten, nach aussen vordringend, jenseits der Kiemenblättchen in eine gemeinsame Branchialhöhle, welche von dem K i e m e n- deckel und von der Branchiostegalmembran (vergl. das Kopf- skelet) der Art überlagert wird, dass nur eine einzige Ausgangs- öffnung für die Kiemenhöhle ülu'ig bleibt (Fig. 242).

In der Regel besitzen die Teleostier ^ ) nur vier kiementra- gende Visceral bogen und dasselbe gilt für alle G a n o i d e n. Dass aber alle diese Fische so gut wie die Selachier in früheren Perioden einen reicher entfalteten Kiemenapparat besessen haben müssen, beweist die bei manchen Ganoiden zeitlebens, bei Teleostiern aber nur on togene tisch, im Beieich des Hyoids resp. des Spritzloches noch auftretende, rudimentäre P s e u d o b r a n c h i e oder S p r i t z 1 o c h k i e m e, sowie die an der unteren und inneren Fläche des Kiemendeckels sitzende Kiemendeckelkieme(Acipenser, Lepi dosten s, Teleostier- P^mbryonen). Letztere ist physiologisch noch als Kieme thätig, er- stere dagegen erhält arterielles und entleert venöses Blut („Pseudobranchie") *).

1 ) Bei Teleostiern kommt zuweilen eine Reduction auf drei, ja sogar auf zwei vor.

2) Die Pseudobranchie erhält ihr Blut aus dem vordersten der bei Teleostiern sich anlegenden sechs Arterienbogen. F. Maurer hat ihren früheren Namen Arteria hyoi- dea durch Arteria hyo-maudibularis passend ersetzt. Sie ist nach dem genannten Autor der Spritzlochkieme der Selachier und Ganoiden homolog.

Athmungsorgane.

283

Fig. 241.

Fig. 242. 2p ZP'

Fig. 241. Fl ächen schnitt durch einen S el ac h ier k o p f , halbsche- matisch. Man sieht auf den Boden der Mundhöhle.

KM Kiefermuskulatur, Z Zunge , Hy Hyoidbogen, durchschnitten ; dahinter liegen fünf durchschnittene, echte Kiemenbogen, BM Mundschleimhaut, Oe Oesophagus, 8, ä Schultergürtel durchschnitten, LH Leibeshöhle. Die Pfeile bedeuten die Ausmündungen der fünf Kiemen- taschen.

Fig. 242. Flächenschnitt durch den Kopf von Sil urusglanis, halb- schematisch.

T T Tentakel, Zp^ Zp'^ Zahnplatten des Unterkiefers, BM Mucosa oris, Oc Oesophagus, KM Kiefermuskulatur, KD Kiemendeckel, hinter welchem (bei dem Pfeil) der gemeinsame Kiemenraum ausmündet.

Bei manchen Teleostiern, zumal bei Schlammbewohnern (manche Siluroiden, Clupeiden, Labyrinthobranchia und Cha- raciniden), entwickeln sich im hinteren Bereich der Kiemenhöhle, unter den mannigfachsten Modificationen des Kiemenskeletes , gewisse Apparate (sackförmige Ausstülpungen, Blätter- und Maschenwerke, Wundernetzbildungen etc.) zur Aufnahme von Wasser und Luft. Dieselben gestatten, als accesso- rische Athmungsorgane fungirend, den betreffenden Fischen wenigstens vor- übergehend ein amphibienartiges Leben d. h. eine temporäre Lufta t hmung.

Sämmtliche über den Cy clostomen stehende Fische athmen, indem sie Wasser in die Mundhöhle einschlucken und durch Verengerung der letzteren durch die Kiemen wieder ausstossen. Dabei heben und senken sich die Kiemenbogen, entfernen sich bei der Inspiration von einander und nähern sich bei der Exspiration.

Dipnoßr.

Sie sind, wie der Name besagt, je nach dem umgebenden Medium, bald Kiemen- bald Lungenathmer. Was den Kiemenapparat betrifft, so erregt er deswegen unsere ganz besondere Aufmerksamkeit, weil bei Protopterus (Fig. Ql K) neben den auf den Visceralbogen sitzenden inneren Kiemen, welche sich wie bei Fi sehen als en toder male Bildungen entwickeln, auch noch äussere vorkommen. Diese liegen

284 Specieller Theil.

ZU dreien an der hinteren, oberen Grenze des Schulterbogeus , wo sie durch Bindege\vel)e und Gefässe, welche sie aus dem IL, III. und IV. Aortenbogen erhalten, befestigt sind. Auch bei Selachiern, Polypterus und Cobitis werden in den Jugendstadien äussere, auf die Resorption des Dotters, also auf eine nutritive Thätigkeit berech- nete Kiemenfäden angetrotien M.

Aehnlich, wie bei Ganoiden und Tel eo st lern, findet sich auch bei Dipnoern nur eine einzige, von einem (allerdings rudimentären) Kiemendeckel überlagerte, äussere Oeflnung.

Die Kiemen des Ceratodus sind viel mehr nachdem Teleostier- typus gebaut und von den fünf Branchialbögen tragen vier vollkommene Kiemen. Die vierte Kieme ist der Innenfläche des Schulterbogens augehef- tet. Das Hyoid trägt eine Pseudokieme. Ceratodus besitzt jederseits zwei äussere KiemenöflPnungen.

Bei Protopterus trägt der erste Bogen nur eine Pseudokieme, der zweite und dritte gehen ganz leer aus, der vierte, fünfte und sechste dagegen sind je mit einer doppelten Eeihe von Kiemeublättern besetzt.

Amphibien.

Bei allen ürodeleiilarven und Ichtbyoden, bei denen sich stets noch fünf Kiemenspalten anlegen, wovon aber die hinterste nicht mehr zum Durchbruch gelangt, handelt es sich um drei übereinander liegende, von oben nach unten an Grösse abnehmende, frei über die äussere Haut hervorragende bindegewebige, durch keinen Knor- pel gestützte Kiemenbüschel. Sie entstehen vom Ektoderm her 2) in Form kleiner Höckerchen, die bald eine fingerförmige Lappung zeigen, an der seitlichen Halsgegend und sind später an ihren Rändern blätterartig gelappt, quastenartig, mit Fransen versehen, oder auch fein baumartig verzweigt , zeigen also die mannigfachsten , auf eine V e r - g r ö s s e r u n g der R e s p i r a t i o n s f 1 ä c h e berechneten Einrichtungen. Sie stehen, den hintersten (äussersten) Enden der drei vordersten Kiemen bogen aufsitzend, wie liei Fischen unter der Herrschaft einer complicirten Muskulatur und sind , im Interesse der stetigen Er- neuerung des umgebenden Mediums, mit Flimmerepithel überzogen.

Beim Axolotl und den Salamandridenlarven existiren vier, bei Menobranchus und Proteus nur zwei innere, die Schlundwand durchbohrende Kiemenspalten. Jene zeigen also ein primitiveres, diese da- gegen ein reducirteres Verhalten. An der äusseren Haut ist stets nur eine einzige, von einer wie ein Kiemendeckel angeordneten Hautfalte überlagerte Oeffnung vorhanden.

Bei Derotremen schwinden die Kiemen vollständig, es erhält sich aber ein zwischen dem III. und IV. Branchialbögen liegendes Kiemenloch.

1) Bei Selacliiern sitzen die äusseren Kiemen fäden stets in der Tiefe der Kiemen- spalten fest, sie sind also entodermaler Natur und mit den später zu schildernden, aus dem Ektoderm hervorgehenden, Kiemenfransen der Amphibien nicht homolog. Wie sich hierin die D i p n o e r verhalten, ist nicht bekannt.

2) Höchstwahrscheinlich sind auch die secundären, inneren Kiemen (s. u.) der Anu- ren ektodermalen Ursprungs. In diesem Fall würde es sich auch bei ihnen (im Gegensatz zu Fischen, wo die entodermal entstehenden Kiemen auf eine Darmathmung hinweisen), wie bei den äusseren Kiemen, um eine Hautathmung handeln. (F. Maurer).

Atlimungsoro-äoe,

285

l)ie bei Anuren aüfaiigs vorhandeueu äusseren Kiemen schwinden schon nach kurzem Bestand und machen inneren, anders gestalteten, Platz. Dabei rückt die äussere Respiration söifnung immer weiter ventral- wärts, um hier, sei es in der Medianlinie, oder seitlich davon, mit der- jenigen der anderen Seite zu confiuiren.

B

\

Fig. 243. Aeussere Kiemen von Urodelen. A. von Siren lacertina, J5vonSiredon pisciformis, Cvoii Salamandra atra, Larve, (Letztere Figur nach Chauvin).

Wie l)ei Salamanderlarven und beim Axolotl, so kann man auch im Jugendstadium der Anuren von einer Kiemendeckel- oder 0 p er cular falte reden, welche die äusseren Kiemenöffnungen theil- weise überwächst. Nie kommt es aber dabei zu einem knorpeligen oder gar knöchernen Stützskelet derselben ; sie besteht vielmehr stets nur aus Bindegewebe, welches von der äusseren Haut einen Ueberzug erhält.

Betreffs der Kiemen besteht bei sehr jungen Froschlarven ein Zustand, welcher dem bleibenden Kiemenapparate der Urodelen ent- spricht. Dies gilt nicht nur für die Gleichartigkeit und die Anordnung der äusseren Kiemen an den drei vorderen Kiemenl)ogen, sondern auch für das Verhalten der Blutgefässe. Der einzige Unterschied bezüglich der letzteren besteht darin, dass sich bei Anuren die primären Ar- terienbogen einige Zeit vor den secundäreu Kiemenarterien anlegen, während bei Urodelen ihre Anlage gleichzeitig erfolgt. Diese ge- ringe Differenz schliesst nicht aus , dass man bei beiden von homologen Verhältnissen reden kann (F. Maurer).

Bei der Metamorphose der Amphibien schliesst sich die äussere Kiemenöffnung vollständig, sie wird von der Haut der Opercularfalte überwachsen, und damit ist der Anstoss zu veränderten Kreislaufs Ver- hältnissen gegeben , wie sie beim Blutgefäss-System zur Erörterung kommen werden.

286

Specieller Theil.

Die äusseren Kiemen der Amphibien können den allerver- schiedensten Formänderungen unterliegen, wobei Anpassungserschei- nungen eine grosse Rolle spielen.

Fig. 244. 4 und B. Aeussere Kiemen von E p i c r i u m glutinosu Nach S A R A s I N.

Fig. 245. Aeussere Kiemen von Coecilia compressicauda. Nacli

S A R A S I N .

Athmungsorgane. 287

Welche Ausdehnung sie bei der Larve der viviparen Salamandra atra erreichen, lehrt ein Blick auf Fig. 243 C, Von ähnlichem, ebenfalls gefiedertem Charakter erscheinen sie bei gewissen G ym n o p hi o n e n , wie z. B. bei Epicrium glutinosum (Saeäsin) ; bei andern dagegen, wie bei Coecilia compressicauda, kommt es zur Entwicklung von zwei hinter dem Kopf hervorstehenden, grossen Lappen, auf denen sich die Ge- fässe verzweigen und die wohl in ihrer natürlichen Lage den Körper der Larve mantelartig umhüllen (Fig. 244, 245).

Auch bei Anuren finden sich interessante Umgestaltungen der ur- sprünglichan Kiemenformen. So kommt es z. B. bei Notodelphys zur Entwicklung von glockenförmigen, reich vascul ari si r te n Kie- me n , welche durch einen hohlen Stiel mit den Kiemenbogen in Verbin- dung stehen.

Ausser den eigentlichen, für die Respiration bestimmten Apparaten se- hen wir bei gewissen Amphibien resp. deren Larven auch noch andere Or- gane mit jener physiologischen Aufgabe betraut. So fungirt bei dem Em- bryo des seine ganze Entwicklung im Ei durchlaufenden Hylodes mar- tinicensis (Antillenfrosch) der dem Körper dicht anliegende, breite Schwanz als Athmungsorgan^).

Bei Eana opisthodon (Bewohner der Salomons-Inseln), wo die ganze Entwicklung, wie bei Hylodes mart., ebenfalls im Ei abläuft, die- nen etwa neun, auf beiden Seiten der Bauchhaut liegende, in Q,uerreihen an- geordnete Falten als Eespirationsorgane (vergl. das Gebiss der Reptilien).

II. Schwimmblase und Lungen.

1) Die Schwimmblase.

Beide verfolgen, wie oben schon erwähnt, denselben Entwicklungs- plan und weichen morphologisch nur insofern von einander ab, als die Lungen ausnahmslos aus der ventralen Seite des primären Vorder- darmes hervorwachsen, während dies bei der Schwimmblase nur aus- nahmsweise der Fall ist ( P o 1 y p t e r u s , E r y t h r i n e n ). In der Regel handelt es sich dabei um die dorsale Seite des Vorderdarmes und zwar um irgend eine Stelle derselben, d.h. bald weiter vorne, bald weiter hinten. Der Verbindungsgang (Ductus pneumaticus) kann, wie z. 15. bei allen Ganoiden und vielen Teleost lern (Physostomen ), zeit- lebens offen bleiben, oder kann er, wie bei andern Teleostiern (Physo- klisten), später obliteriren und zu einem bindegewebigen, soliden Strang degeneriren. Im letzteren Fall wird es sich selbstverständlich um keine von aussen eindringende Luft handeln und man hat an eine,

1) Bei Pipa handelt es sich wahrscheinlich um ähnliche Verhältnisse, ob dies aber auch für den im Sommerschlaf befindlichen Protopterus gilt, ist mir, nachdem ich neuerdings gegen hundert lebende Exemplare aus ihrer Schlammumhiillung zu befreien und auf ihre biologischen Verhältnisse genauer zu untersuchen Gelegenheit hatte, sehr zweifelhaft geworden. Der Schwanz zeigte sich allerdings hie und da zart geröthet, allein dies war durchaus nicht bei jedem Thier der Fall und nie traf ich eine so intensive Röthung, wie ich sie im Jahr 1887 an zwei Exemplaren beobachtet hatte.

Wie mein Schüler, W. N. Pakker, eonstatiren konnte, bildet jeder Protopterus, bevor er sich zum Sommerschlaf anschickt, durch Aspiration des ihn umgebenden Haut- sekretes eine kleine Röhre, die er wie eine Pfeife zwischen den Lippen hält. Indem dieselbe an jener Stelle, wo die den Körper umhüllende häutige Kapsel deckel- artig abgeschlossen ist, durch eine feine Oeflfnung nach aussen mündet, ist für die atmo- sphärische Luft eine gesicherte Zuleitung geschaffen.

288

Specieller Theil.

von der Schwimmblasenwand selbst ausgehende Gasausscheiduug zu denken.

Stets liegt die Schwimmblase retroperitoneal, dorsalwärts im Leibes- raum zwischen Wirbelsäule (resp. Aorta und Ürogenitalapparat) und Darracanal. Sie stellt einen, häutig der ganzen Leibeshöhle an Länge gleichkommenden, unpaaren oder paarigen, mit bindegewebigen, ela- stischen und musculösen Wänden versehenen Sack dar.

Beide Hälften können symmetrisch oder asymmetrisch entwickelt sein und wieder in andern Fällen (gewisse Teleostier) zerfällt das unpaare Organ durch Einschnürungen in mehrere hinter einander liegende Abtheilungen ; endlich kann es da und dort zu blinddarmähn- lichen, mehr oder weniger zahlreichen Aussackungen kommen.

Was die Innenfläche der Schwimmblase betrifft, so ist sie ent- weder glatt, oder durch ein einspringen- des, gröberes oder feineres Balkensystem maschig, schwammartig. Man wird dadurch unwillkürlich schon an die Lunge der D i p n o e r und Amphi- bien erinnert (Fig. 246).

Auf die da und dort existirenden Beziehungen zwischen der Schwimm-

Fig. 246. Innenfläche der Schwimmblase von Lepidosteus mit dem Trabekelsystem. B Fibröses Längsband.

blase und dem Gehörorgan habe ich früher schon aufmerksam ge- macht.

Auf Grund der~ Kreislaufsverhältnisse , wonach die Schwimmblase stets arterielles Blut empfängt und venöses abgiebt , kann es sich um keinen respiratorischen, sondern nur um einen hydrosta- tischen Apparat handeln, der dem betreffenden Fisch das Steigen und Sinken im Wasser ermöglicht M-

1) Die Lungen.

Die Lungen entwickeln sich an der hinteren Grenze jener taschen- förmigen Ausstülpungen, die wir schon früher als Kiemen- oder Schlundspalten kennen gelernt haben.

Der Vorderarm geht bei der ersten Anlage der Lunge, unmittelbar über dem fünften resp. sechsten Aortenbogen, in eine seitlich conipri- mirte Gestalt ül)er und wird durch eine von rechts und links her ein- springende Längsfalte in eine dorsale und ventrale Partie getheilt.

Letztere treibt am hinteren (caudalen) Ende eine sackförmige un- paare Ausstülpung hervor, welche anfangs noch durch eine weite Mün- dung mit dem Darmlumen in Verbindung steht.

Bald zerfällt dieses primitive Lungensäckchen durcli eine Längs- furche in zwei Seitenhälften, welche in der Biehtung von unten nach oben, d. h. oralwäits, immer freier werden und sich vom Darmrohr

1) Ampbioxus und den Cyclostomen fehlt eine Schwimmblase gänzlich, und ob bei Selachiern ein kleines Divertikel der dorsalen Schlundwand als Andeutung einer solchen betrachtet werden darf, steht noch dahin.

Athmungsorgane.

289

immer melir emaiicipireu (Fig. 247, A, B, C). In einem weiteren Ent- wicklungsstadium kann man nun j euerseits einen eigentlichen Lungensack sowie eiu röhrenförmiges Ansatzstück, den primi- tiven Bronchus, unterscheiden; beide Bronchen zusammen münden in die noch kurze Trachea (L uf tröhr e). Am oberen Ende derselben, d. h. an der Abgangsstelle des gesammten Tractus respiratorius vom primi- tiven Darmrohr, entwickelt sich der Larynx (Kehlkopf).

^-

A^-M

-s

'Y-

S

Fig. 247 A-, B, C- Sc he inatische Darstellung der Lunge uentwick- I u n g.

PD Primitives Darmrohr, <S', -S'i das anfangs unpaare , später aber paarig werdende Lungensäckchen, t Trachea, b Bronchus.

Daraus erhellt, dass dereigentlicheLun gensack als das p h }' 1 e t i s c h ältere G e 1) i 1 d e , dagegen Bronchen, Tra- chea und d e r K e h 1 k o p f a 1 s s p ä t e r e E r w e r b u n gen zu be- trachten sind. Dieser Satz erhält auch durch die vergleichende Anatomie seine Bestätigung.

A B

Fig. 248. Zwei Entwick- lungsstadien der Säuge- thierluuge; A. früheres, JB älteres Stadium.

Lg in A. bezeichnet die pri- mären, Jjg in jB die secundären Lungenbläschen.

Au dieser Entstehungsweise der Lunge sind beide Blätter des Darm- canales, d. h. das Mesoderm und das Entode rm betheihgt; letz- teres aber spielt in den ersten Entwicklungsstadien weitaus die Haupt- rolle und ist als das treibende formative Prinzip zu betrachten. Es er- zeugt hohle Aussackungen und Knospen, welche in das umgebende, reich vascularisirte, Muskeln und Biudesubstanz führende, mesodermale Gewebe hineinwucheru und unter immer fortdauernder Abschnürung ein ganzes Bäumchen von hohlen Canälen d. h. Bronchen IL IIL etc. (Ordnung mit kolbig angeschwollenen Enden (I n f u n d i 1) u 1 a und Alveolen) er- zeugen.

Das die Binnenräume der Bronchen auskleidende Epithel ist mit Cilien besetzt.

Auf diese Weise kommt es und dies gilt namenthch für die höheren Vertebraten zu einer starken Vergrösserung der Athmuugs-

Wi c d (^ r s lieim, Urundiiss di;i' vergl. Anatomie. 2. Aufl.

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290 Specieller Theil.

fläche d. h. zu ciuer Steigerung der physiologischen Lei- stungsfähigkeit des Organ es. Der in dei- aufsteigenden Thier- reihe hicsrin sich aussprechende Fortschritt findet eine Parallele in der Ontogenese, und dies gilt auch füi- den da und dort zu l)eol)achtenden Zerfall der Lunge in Lappen (Lobi), welch letztere stets als secundäre, wenn au(;h ontogenetisch oft sehr früh auftretende, Erwerbungen /u hv- t rächten sind.

Im Folgenden werde ich nun die Luftwege, d.h. also Larynx, Trachea und Bronchus, und die eigentliche Lunge getrennt besprechen.

Luftwege.

Die Wandungen der Luftwege bestehen entweder nur aus Binde- gewebe, Muskel- und elastischen Fasern, oder es handelt sich und dies kann im Allgemeinen als die Regel gelten auch um Knorpelelemente, d. h. um ein Stützskelet, welches durch seine Elasticität für ein Offenbleiben des gesammten Canalsystems sorgt. Am Kell 1 köpf gelangen die Knorpeltheile zu kräftigerer Entwicklung und stellen liier einen Rahmen dar, in welchem schwingende Membranen, die Stiuimbiiiider (Ligamenta vocalia), ausgespannt sind.

Die in diesem Kehlkopf gerüs te auftrete nden Kn orpel sind, wie ich dies schon in der ersten Auflage meines Lehrbuches ausgesprochen habe, als die phyletisch ältesten hyalinen Stützelemente des gesammten Respir a t i on s apparates zu betrachten. Die Knorpel demente der Trachea und der Bronchien, welche pliyl etisch jüngere Bildun gen reprä- sent iren, sind offenbar erst in Folge einer allmählichen Verlängerung des Luftrohres und der daraus folgenden Nothwendigkeit, durch Stütz demente ein pr äexi stire n- des Lumen zu gewinnen, entstanden.

Die Länge der Luftwege steht in der Regel im Verhältniss zur Länge des Halses, doch kann dieser Satz, wie gewisse Ichthyoden und D e r o t r e m e n , die (i y m n o p h i o n e n und manche Reptilien be- weisen , zuweilen eine Einschränkung erfahren. Hier wie dort spielen die Wachsthunisverhältnisse, beziehungsweise die von ihrem Entstehungs- punkt aus sich caudalwärts verschiebenden Lungen die Hauptrolle.

Bipnoi'r und Amphihien.

Bei Dipnoern entwickelt sich am Kehlkopf noch kein Hyalin- knorpel , dagegen ti'itt bereits ein starker radiär gefaserter Muskel auf, der aus der Pharynx-Musculatur heraus diflerenzirt zu denken ist, und der als D i 1 a t a t o r wirkt. An Stelle eines fehlenden Sphincters fungirt eine aus elastischen Fasern gebildete Ringfalte. Durch den Schlitz geräth man in einen kurzen, sackartigen Raum und von diesem aus in di(! Lungen. Eine eigentliche Luftröhre ist also nicht vorhanden und dies gilt ebenso gut für Proteus und Menobranchus. Allein hier macht sich insofern sclion ein Fortschritt bemerkhch, als ein kleiner, paariger Knorpel und ausser einem M. d i 1 a t a t o r auch noch ein Verengerer, ein Sphincter, auftritt. Damit ist bereits die für den Kehlkopf aller höheren Vertebraten typische Grund- lage geschaffen.

Athmungsorgane.

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Fig. 249. Kehlkopf und Trachealgerüste von Urodelen.

ji von Menobranchus, ß von Siren lac, C von Amphiuma, JJ von Salamandra mac.

a Die den Aditus ad laryngem [E) t.eitlich begrenzenden Knorpelblättchen, a* Muskel- leiste an ihrem medialen Rand, * Knorpel, die als Vorläufer der Cartilago cricoidea der höheren Wirbelthiere zu betrachten sind, f f Knorpelsplitterchen in der Trachea von Siren, die bei Amphiuma und Salamandra bereits zu Knorpelbändern (A'5) zusammengeflossen sind, Kif vierter Kiemeubogen, von welchem der Dilatator tracheae [d) entspringt. Dieser fliesst von beiden Seiten her in der Trachealwand zu einer aponeurotischen Haut (H) zusammen und strahlt mit seinen vordersten (das vordere d in Fig. (J) an den Knorpel a aus, so dass er auch als Dilatator laryngis fungirt, co M. constrictor laryngis, L, lA Lungen.

Aelmlich wie Proteus und M enobranchus verhalten sich auch alle Salamandriden, bei Siren, Amphiuma und den Gymiio- p h i 0 n e n aber kommt es liereits zu einer, durch eine grosse Zalil von Hyalinkiiorpeln gestützten Trachea, die eine Länge von 4 5 und mehr Centimetern erreichen kann. Ueberall, und zwar unter sehr wechselnden Formen, finden sich hier zwei den Kehlkopfeingang begrenzende stärkere Knorpelelemente, welche unter dem Einfluss eines erweiternden und ver- engernden Muskels stehen.

Diese noch sehr primitiven Verhältnisse ändern sich nun bei Anuren, wo es zur Dift'erenzirung eines relativ hoch entwickelten Kehlkopfes, einer eigentlichen Stimmlade, kommt. Dieselbe steht unter der Herrschaft einer starken und reich entwickelten Muskulatur, und da schwingende Membranen hinzutreten, so kann man hier zum erstenmal von einer Stimme reden ^ ). Letztere erfährt durch die vom Boden der Mundhöhle sich ausstülpenden , vom M. mylohyoideus überzogenen Sc h all 1) lasen (Resonatoren) noch eine wesentliche Verstärkung. Dieselben sind bald paarig (R a n a), bald unpaar (Hyla).

Was das Knorpelgerüste anbelangt, so ist es bei Rana escu- lenta zwischen die hinteren Zungenbeinhörner wie in eine Gabel ein- gelassen. Man unterscheidet einen rechts und links vom Eingang liegenden , gleichsam aus zwei Schalenhälften gebildeten (Fig. 250 Ca), sowie einen unpaaren, ringförmigen, mit spangenartigen Fortsätzen je eine Lungenwurzel umgreifenden Knorpel (Fig. 250 Cl'^ Cl^). Jener entspricht dem Stell- oder Giessbeckenknorpel (Cartilago ary taenoidea) , dieser dem Ringknorpel (Cartilago cri-

1) Die Lautäusserungen der Urodelen sowie diejenigen des Protopterus, wenn man ihn in seinem Sommerschlaf stört, lassen sich kaiim damit vergleichen.

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292

Specieller Theil.

c//r^^ J

Fig. 250. Knorpeliges Kehlkopfgeriiste von Rana esculenta.

A von oben, S von der Seite gesehen. Ca Ca Cartilago arytaenoidea, GL, CL^ {'L* Cartilago ericoidea. >Sp Spiessartiger B'ortsatz der letzteren, p Plattenartige Ausbreitung des ventralen Theiles der Cartilago ericoidea. /S7i' Stimmritze. * * * Drei zahnartige Pro- tuberanzen an den Ary-Knorpeln.

coidea) der höheren Wirbelthiere. Beide sind durch straffes Binde- gewebe mit einander verlöthet und der erstere trägt an seiner medialen, concaven Fläche die oben genannten starken, schwingungsfähigen Stimm- l)änder.

Reptilien.

Auch hier handelt es sich im Wesentlichen um zwei Kehlkopf- knorpel, nämlich um die paarige, unter dem Muskeleinfluss stehende Cartilago arytaenoidea und um die ringförmige, gewissermassen ein Stativ darstellende, Cartilago ericoidea (Fig. 251 Ar, Cc).

So macht sich also hierin noch kein bedeutender Fortschritt, ja im Gegentheil, was die Muskulatur betrifft, eher ein Kückschritt be-

Fig. 251. Kehlkopf von Phyllodactylus euro- p aeu s.

A Kehlkopfgeriiste. B Musculatur des Kehlkopfes. Ar Cartil. arytaenoidea, Cc Cartil. ericoidea, S,S^ Sphinc- ter, D Dilatator, T Trachea, Oe Os entoglossum.

merklich. Im Gegensatz nämlich zu den zahlreichen Dilatatoren und Constrictoren des Froschkehlkoi)fes begegnet man bei den Reptilien in der Regel je nur einem einzigen Erweiterer und Verengerer (Fig. 251 J), S, S^).

Athmuugsorgane.

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Auf Eines muss hierbei ausdrücklich hingewiesen werden, und dies sind die nahen Lagebeziehungen, welche das Kehlkopfgerüste zum Zungenbeinapparate und speciell zur dorsalen Fläche des Zungenbeiukörpers gewinnt. In eine schalen artige Vertiefung des- selben ist dasselbe z. B. bei C r o c o d i 1 i e r n und Cheloniern fest ein- gelassen und erinnert so etwas an die Verhältnisse der Cartilago cri- coidea zur Cartilago thyreoi- d e a , d. h. zu dem Schild knorpel der Säugethiere.

Eine ansehnliche, stets von knorpeligen Einlagerungen gestützte Trachea kommt sämmtlichen Repti- lien zu, nicht überall aber schliessen die Knorpeltheile zu vollkommenen Ringen zusammen. Auch die Bron- chialwände besitzen z. gr. Th. knor- peligt

ie Einlagerungen.

Fig. 252. Kehlkopf undZungenbein- Kiemenbogenapparat von Emys eu- r o p a e a.

ZK Zungenbeinkörper (Copula), der sich bei ZB verbreitert und den Ringknorpel BK sowie die Aryknorpel AK trägt , KH kleine Zungenbeinhörner, ZHgroase Zungenbeinhörner (Hyoide), IK erster Kiemenbogen, Tr Trachea.

Bei Chamaeleouten stülpt sich die Kehlkopfschleimhaut ventral- wärte zu einem Beutel oder Kehlsack aus, welcher durch einen beson- deren Mechanismus vorübergehend abgeschlossen werden kann. Ich werde darauf bei der Besprechung der Lungen zurückkommen.

VögeL

Hier sind zwei Kehlköpfe zu unterscheiden , ein oberer und ein unterer. Ersterer liegt an der gewöhnlichen Stelle hinter der Zunge am Boden der Mundhöhle und ist selbstverständlich demjenigen der übrigen Vertel)raten homolog, aber keiner Lauterzeugung fähig. Er macht einen durchaus rudimentären Eindruck und dient nur als Eingangsöffnung für die Respirationsluft.

Von ungleich höherem Interesse ist der untere Kehlkopf (Syrinx), welcher gewöhnlich an der Uebergangsstelle der Trachea in die Bronchien, seltener am hinteren Ende der Trachea oder schon im Bereich der Bronchien selbst, gelegen ist. Er fungirt als S t i m m o r g a n und ist als eine erst in der Reihe der Vögel gemachte Erwerbung aufzufassen.

In dem oben zuerst namhaft gemachten, am häufigsten eintretenden Falle, d. h. bei einem Larynx broncho-trachealis, handelt es sich um eine bewegliche, unter der Herrschaft einer complicirten Mus- kulatur stehende Verbindung der obersten Bronchialringe und dadurch um Spannung resp. Entspannung von Schwingung sfähigen Mem-

294 Specieller Theil.

branen (Membr. tympaniformis in terna und externa). Auch das unterste, in ganz bestimmter Weise abgeänderte Ende der Trachea spielt dabei als sogenannte „Trommel" eine grosse Rolle. Letztere erreicht bei Wasser vögeln, wie z, B. bei männlichen Enten, eine ganz excessive Entwicklung und wird zu einer, als Resonanzapparat fungirenden Knocheublase.

Die Länge der Trachea wechselt bei Vögeln ausserordentlich und ihre Kuorpelringe zeigen eine grosse Geneigtheit zu verkalken. In manchen Fällen, wie beim Schwan und Kranich, kommt die Trachea z. Tb. in die hohle Crista sterni zu liegen, worin sie mehr oder weniger Windungen beschreibt, um dann wieder dicht neben ihrer Eintrittsstelle aus dem Ster- num heraus- und in die Brusthöhle hinabzusteigen. Bei gewissen Vertretern der Familie der Sturnidae schiebt sie sich, zahlreiche Spiralwindungen beschreibend, zwischen Haut und Brustmuskeln hinein.

Säuger.

Drei Punkte unterscheiden den Kehlkopf der Säuger von demjenigen aller übrigen Wirbelthiere : eine sehr reiche Differenzirung der Musculatur, wobei die Constrictoren den Diktatoren gegenüber an Zahl stets vorschlagen, das constante Auftreten eines Kehldeckels (E p i g 1 0 1 1 i s) ^ ) und ebenso eines eigentlichen S c h i 1 d k n o r p e 1 s (C a r- tilago thyreoidea).

Der Kehldeckel dient als Schutzapparat für den Aditus ad laryngem und unterliegt zahlreichen Formschwankungen, sowie auch ge- legentlichen Rückbildungen.

Der Schildknorpel, welcher wahrscheinlich im Blastem des vierten und fünften Kiemenbogens entsteht, besitzt ursprünglich ( M o n o - t r e m e n ) eine paarige Anlage. Später, bei höheren Typen, bildet er eine Knorpelkapsel, welche das übrige uns schon von den Reptilien her bekannte, aus dem Ring- und den Aryknorpeln aufgebaute Kehlkopf- gerüste von seiner Veutralseite her umhüllt. Letztere dient dabei theils als Ursprungs-, theils als Ansatzpunkt wichtiger, auf die Spannung der Stimmbänder berechneter Muskeln.

Ueber den Stimmbändern, welche sich zwischen dem Schild- und den Giessbeckenknorpeln ausspannen, buchtet sich die Schleimhaut taschen- artig zu den sogenannten V e n t r i c u 1 i Morgagni aus. Diese können bei Anthropoiden und auch bei gewissen andern Affen eine so be- trächtliche Ausdehnung erfahren, dass sie als Schall- oder Resonanz-

1) Der aus einer submucösen Verknorpelung hervorgeheude Kehldeckel (Fig. 253 Ep) zeigt die mannigfaltigsten Formen und kann rückgebildet (Sirenen) oder zu einem langen , röhrenförmigen Stück umgestaltet sein , das mit gleichfalls verlängerten Aryknorpeln einen an die hintere NasenöfFnung emporragenden Kegel bildet, durch welchen die Luftaufnahme und -Abgabe erfolgt (Cetaceen).

Die Röhre, welche bei Zahnwalen länger ist als bei Bartenwalen, und welche bei den ersteren fast senkrecht auf der Längsaxe des Kehlkopfs steht , kommt folgender- maassen zu Stande. Die Epiglottis stellt eine dorsalwärts offene , tiefe Rinne dar, deren freie Ränder in ihrer ganzen Länge durch die Ligamenta ary-epiglottica mit den Giess- becken-Knorpeln verbunden sind. Aehnliches beobachtet mau auch bei den Embryonen von Phocaena und von M ars u p i a I i ern.

Athmungsorgane.

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b 1 ta s e n fimgireu und theilweise in den zu einer grossen Knochenblase sich umwandelnden Zungenbeinkörper zu liegen kommen (Fig. 253 D, 1, 2, 3).^) Die die Morgagni'schen Taschen von oben her begrenzenden Schleim- hau tfalten werden als falsche Stimmbänder bezeichnet und kommen nicht allen Säugern zu.

et I a$J,\^ l'ci Ep Li ^

Fig. 253. Kehlköpfe von verschiedenen S äu ge th ie r e n. A Kehlkopf vom Reh, von der linken Seite gesehen , B Längsschnitt durch den Kehlkopf des Fuchses, C Kehlkopf des BriillafFen (Mycetes ursinus) von der linken Seite gesehen, D Kehlkopf von Simia troglodytes, von vorne gesehen (Ventralfläche).

Tr Trachea, Ctr knorpelige Tracheairinge, S Schleimhaut der Trachea und der Zunge, Cr Vordere, Cr» Hintere, zur Platte erhobene Spange des Eingknorpels, Ot, Ct^ Cartilago thyreoidea, oh, uh Obere und untere Hörner derselben, Ca Cartilago arytaeuoidea, pm Pro- cessus muscularis derselben, Ej) Epiglottis, H Zungenbeinkörper, h kleine, /i> grosse Zungen- beinhörner, Lt Ligamentum crico-thyreoideum, ßlth Ligamentum thyreo-hyoideum, 3f Mor- gagnische Tasche, welche bei f eine starke Aussackung besitzt, 1, 2, 3 die drei Schall- blasen von Simia troglodytes, mu Submucöses Gewebe mit Muskeln, jV.ge Muse, genioglossus, Z Zunge.

1) Der Ringknorpel kann vorne offen oder rings geschlossen sein; seine hintere (dorsale) Partie erhebt sich häufig zu einer hohen Platte, auf der die Aryknorpel artikuliren (Fig 253 Cr, Cr'^ , Ca). Letztere wachsen oft an ihrem oberen Ende weit aus und schnüren sich wohl auch in eine Cartilago Santoriniana ab. Ein weiterer, discreter Knorpel (Cartilago Wrisbergiana) findet sich zuweilen in der Plica ary-epiglottica. Beide Knorpel bilden sich im submucösen Gewebe.

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Specieller Theil.

Die L u 11 g e u im e ii g e r e u Sinne, Dipnoer.

Während die Lungen von Ceratodus zu einem unpaaren weiten Sack, ohne Spur eines trennenden Septums, zusammenfliessen, gilt dies bei den übrigen Dipnoern nur für den vordersten Abschnitt der- selben ; gleich dahinter bleiben sie von einander getrennt.

Nur an ihrer Ventralfläche vom Bauchfell überzogen, erstrecken sie sich durch die ganze Leibeshöhle und besitzen, ganz ähnlich, wie manche Schwimmblasen (Lepidosteus), eine zu Leisten und Netzen er- hobene Mucosa.

Amphibien.

Die Lungen von M e n o b r a n c h u s und Proteus stehen auf niedrigerer Entwicklungsstufe, als diejenigen der Dipnoer, insofern ihre Innenfläche absolut glatt ist, also eine viel geringere Oberflächen- vergrösserung erkennen lässt. Es handelt sich um zwei schlanke, in ihrem Mittelstück eingeschnürte, ungleich lange Säcke, welche sich bei Proteus viel weiter nach hinten erstrecken, als bei M e n o 1) r a n c h u s.

Solche Längenunterschiede finden sich auch bei anderen Amphibien, wie bei A m p h i u m a , wo die beiden runden, cyliudrischen Lungen - schlauche und dies gilt auch für Siren lacertina dicht neben einander liegen und mit der Aorta enge verlöthet sind. Die Lungeninnenfläche ist hier zu einem, der Gefässvertheilung entsprechenden Netzwerk erhoben, welches ü})rigens bei A m p h i u m a und namentlich bei M e n o p o m a eine ungleich feinere Maschenstructur zeigt, als bei Siren. Bei Salamaudrinen stellen die Lun- gen in der Ptegel gleichmässige, bis zum Ende des Magens reichende, cylindrische Schläuche dar mit einer mehr oder weniger glatten Innenfläche. Dieselbe Form ])esitzt auch die G y m u 0 p h i o 11 e 11 1 u u g e , allein nur die rechte kommt zu vollständiger Entwicklung und zeigt im Innern ein reiches Balkennetz; die linke ist nur einige MiUimeter lang, ein Verhalten, das auch bei den Schlangen zu beol)achten ist und das hier wie dort mit der lang ge- streckten Leibesforni zusammenhängt.

Ganz symmetrisch gestaltet sind die wei- ten, zu elliptischen Blasen ausgedehnten Lungen der A n u r e n. Ihre, z. Th. mit Flimmerepithel überzogene Innenfläche erhebt sich zu einem sehr reichen respiratorischen Balkennetz und in den Wänden finden sich zahlreiche glatte Muskelfasern.

Fig. 254. Lungen von Proteus {A.) und Meno- branchus (B).

Vorne an dem schwarzen Punkt liegt der Eingang.

Athmungsorgane.

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Reptilien.

Hier, wie überall, richtet sich die Form der Lunge im Allgemeinen nach derjenigen des Körpers, ihre Architectur erreicht aber bei den höheren Typen, wie bei Chelouiern und Crocodiliern, eine viel feinere Ausbildung, als bei Amphibien. Diese findet ihren Ausdruck in einer ungemeinen Vergrösser ung der Respirationsfläche, und dem entsprechend haben wir es hier, abgesehen von der noch ein sehr primitives Verhalten zeigenden, dünnwandigen Lacertilier-

M T

Fig. 255. Lungen von Chamaeleo monachus (A) und Chamaeleo vulgaris (JB). Letztere nur in Umrissen, erstere mit eingezeichneten Gefässen und mit Luft gefüllt.

Bro Bronchus dexter et sinister, A, B, 0 die drei durch die zwei Scheidewände S, S^ erzeugten , intrapulmonalen Räume, A^, B^, C^ die Zugänge zu denselben am distalen Ende des Bronchus, T Trachea.

lunge, nicht mehr mit einem weiten, centralen Hohlraum zu thun, sondern finden das Organ von einem fein verästelten Bronchialsystem

298 Specieller Theil.

durch wachsen, so dass ein röhriges und niaschiges, badeschwammartiges Gefüge entsteht 0- I^er Schlüssel zum Verständnisse desselben ist in der Lunge der C h a m a e 1 e o n i d e n zu suchen.

Ein sehr eigenthüraliches Verhalten zeigt die Lunge von Chamaeleo. In ihrem vorderen Abschnitt ist sie durch einige Septa in drei Räume ab- gekammert, wovon sich jeder in den zuführenden Bronchus öffnet. Nach hinten zu wird das Lumen wieder einheitlich und zugleich stülpt sich der hintere sowie der grösste Theil des ventralen Luugenrandes in längere und kürzere, z. Th. bis zur Beckengegend reichende, dünnwandige Fortsätze aus, welche eine faden-, spindel-, keulen- oder auch lappenförmige Configu- ration besitzen. Dadurch erscheinen Verhältnisse angebahnt, welche wir in der Architektur der Vogellunge zur höchsten Entwicklung kommen sehen (Fig. 255). Während aber hier die Fortsätze der Lunge zur Pneumatisation des Skeletes in Beziehung stehen, dienen sie bei Chamaeleoniden zum Auf- blähen des Körpers im Affect. Dieses Schreckmittel denn um ein solches handelt es sich offenbar wird noch unterstützt durch den oben erwähnten Kehl sack, mittelst dessen die Luft bei der Ausathmung unter starkem Zischen hervorgestossen werden kann (Wiedeesheim).

Die oben erwähnten Scheidewände sind ganz regelmässig und beru- hen auf den Gefässverhältnissen Die grossen Blutbahnen grun- diren nämlich gewissermassen die Lungenarchitectur in ihren Haupt- zügen vor, d. h. sie sind das bestimmende Moment für die Anlage des bei ChamaeleoiiideD zum erstenmal in die Erschei- nung tretenden intrapulmonalen (bronchialen) Röhren- sjstems, welches in der aufsteigenden Thierreihe weiter- hin eine so hohe Ausbildung erfährt. Das Primäre sind also die Blutbahnen, zu welchen dann, wie das durch das baumartig aus spro ss en d e Bron chus- En d e bewiesen wird, stützende Knorpelelemente erst secundär hinzutreten.

Lungen und Luftsäcke der Vögel.

In jeder Lunge unterscheidet man einen Haup tbrouchus (pri- märer Bronchus), welcher von seinem Eintritt an nahe der ventralen Lungenoberfläche Ins zur hintersten Grenze des ganzen Organs verläuft. In der Nähe seines Endes entspringt von ihm ein ebenfalls ventral ver- laufender Seiten bron chus, welcher sich bis zum äusseren Lungen- i-aiid erstreckt. Ausserdem gehen von dem Anfangsstück des Haupt- bronchus noch sechs weitere Seitenbronchi ab, welche gleichfalls die ventrale und z. Th. auch die mediale laingenpartie in Beschlag nehmen. (Bronchi divergentes, s. ventrales superficiales).

Dorsalwärts von diesen Bronchi divergentes existirt noch eine grössere (wechselnde) Zahl von Bronchen, welche in einer doppelten Längsreihe an der Hinterseite des Hauptl)ronchus entspringen und sich namentlich in den dorsalen Lungenpartieu verbreiten.

Sowohl aus den Bronchi divergentes , als auch aus den Bronchi dorsales entspringen zahlreiche Bronchien dritter Ordnung, die

1) Die Mitte liält die Opliidierlunge, insofern sieh hier trotz des von der Peripherie einspringenden feinmascliigen Gewebes noch ein spaltformiger, centraler Hohlraum erhält. Wie oben schon angedeutet, kommt denn langen schlanken Leib entsprechend, beiSchlan- g e n und Amphisbänen in der Regel nur die rechte Lunge zu vollständiger Entwicklung, während die linke rudimentär erscheint oder ganz schwindet.

Athmungsorgane. 299

sogeuannteii Lungeupf eif en (Paral)roncliia, Huxley), welche scliaaren- weise parallel neben einander laufen und vielfach in oflener, anastomo- tischer Verbindung mit einander stehen. Die Hauptmasse ihrer Wand bildet das eigentliche respiratorische Parenchym der Lunge und ist im Wesentlichen nichts anderes als ein dichtes regelmässiges, nach 3 Dimensionen ausge- breitetes Capillarnetz, zwischen dessen Balken ein eben- falls netzförmiges Luftcanalsystem Platz findet (inter- capillare Luftbahnen). Die Arterien- und Venenstämmchen ver- laufen peripher zwischen den benachbarten Lungenpfeifen, doch hängen letztere mit ihrem Parenchym seitlich zusammen. Nach dem Lumen des Parabronchus hin stellen sich die Luftbahnen mehr und mehr radiär und bilden, indem sie gruppenweise sich vereinigen, trichterförmig sich erweiternde Gänge, welche in das axiale Lumen der Lungenpfeifen ein- münden (H. Strasser).

Die sie trennenden Septen springen als Netzfalten (mit glatten Muskelfasern) ins Lumen des Parabronchus vor. Auch grössere Ring- falten können auftreten. Im Allgemeinen sind die Blut-Ca- pillaren des Parenchyms fast nackt und ringsum von Luft um spült M-

Was nun die Luftsäcke der Vogellunge betrifft, so entstehen sie in früher embryonaler Zeit als zartwandige, hohle Aussackungen des Lungenbläschens, welche sehr rasch heranwachsen und die eigentliche Lunge an Volum bald weit übertreffen, so dass sie sämmtliclie Einge- weide der Brust und des Bauches umgeben. Sie beschränken sich aber nicht allein auf die Leibeshöhle, bohren sich also nicht nur zwischen die Contenta derselben ein, sondern überschreiten dieselbe und kommen in den Bereich der Muskulatur, des Skeletes und der Haut zu liegen, kurz sie dringen in alle Lücken und Spalten ein, die sich ihnen er- schHessen. Ja sie liegnügen sich nicht einmal mit den interstitiellen Räumen, sondern dringen zuweilen zwischen die Fasern eines und des- selben Muskels ein und machen ihn so pneumatisch. Dies gilt für die Knochen als Regel, wo die bald einzeln bald in Gruppen liegenden Oetthungen stets an concaven Flächen, d. h. an mechanisch weniger beanspruchten Punkten der Corticalis liegen (Strasser).

Die Luftsäcke dringen erst in die Knochen [Humerus, Sternum, Coracoid, Becken, Wirbelsäule (theilweise) , Rippen, Femur, seltener Schulterblatt und Furcula] '') hinein, wenn das Knochenmark den grössten Theil seiner Bedeutung für die Knochenbildung eingebüsst hat. Ein zweites System von Lufträumen entwickelt sich von der Nasen- rachenhöhle (resp. ihren Seitenräumen : Tuba E u s t a c h i i , Pau- kenhöhle) aus in die Knochen des Schädels.

1) Es ist wahrscheinlich, dass iu Folge der respiratorischen Formveränderungen der Lunge selbst die Luft aus dem Lungenparenchym in die Seitenbronchi oder den Hauptbron- chus geschafft wird und umgekehrt, dass aber die Volumsveränderungen der Luftsäcke (namentlich der hinteren) die Durchlüftung der grösseren Seitengänge und des Hauptbron- chus übernehmen.

Aus den geschilderten Verhältnissen der Structur, sowie aus der Art der Ventilation ergiebt sich, dass die zum Aufbau der Vogellunge verwendete Gewebsmasse, sowohl was die Blutgefässe, als was das Stützgewebe betrifft, im Verhältniss zur respiri- renden Fläche relativ gering sein kann.

2) Bei vielen Vögeln erreicht die Pneumaticität des Skeletes und der W^eichtheile einen noch viel höheren Grad. So können die Luftsäcke innerhalb und ausserhalb des Knochens bis zu den äussersten Phalangen der Hand, des Fusses, bis ans hintere und vordere Ende der Wirbelsäule, unter die Haut und zwischen die Federwurzeln vordringen.

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Specieller Theil.

/:Äbd.S.-^

Fig. 256. Kumpfeinjjeweide und Luftsäcke einer Ente, nach Entfernung der ventralen Rumpfwand. Nach einer Originalzeichnung von H. Strasser.

T Trachea, Oe Oesophagus, H Herz im Herzbeutel, rL, IL Rechter und linker Leber- lappen, Ish Ligamentum Suspensorium hepatis, Icd, Ics Ligamentum coronarium hepatis dex- trum und sinistrum, £> Darm, P Grosser Brustmuskel, pa Arterie , pv Vene desselben, >S' Musculus subclavius. Cd Coracoid, i*' Furcula, l/cd Ligamentum coraco-furcularis, Lg, L;/^ Lunge, r.Abd.S , l. Ab d. 8 li^chi&r und linker Abdominalsack, D.th.a das fibröse Diaphragma thoracico-abdominale, f f hinterer diaphragmatischer I.iuftsack, f vorderer diaphragmatischer Luftraum, s>, s' Scheidewand zwischen denselben, *•, s Scheidewand zwischen den vorderen diaphragmat. Luftsäcken und dem im vordersten Theil des Thorax gelegenen, unpaaren Supracoracoidalsack, V Vorderes Wandstück des letzteren, p Pectoraltasche zwischen Cora- coid, Scapula und den vordersten Rippen mit dem Supracoracoidal-Raum communicirend, C, C Cervicalsack, * Eintritt des Trachealastes in die Lunge, Aj) Arteria pulmonalis, Aa, V.a Arteria und Vena anonyma mit ihren Aesten.

Roth: Schnittlinien des Pericardes und Peritoneums.

Athmungsorgane. 301

Alle jene Hohlräume der ersten Abtheilung stehen also mit ganz bestimmten Stellen (vergl. hierüber mein Lehrbuch) des Brouchialsysteras zeitlebens in offener Verbindung, d. h. sie sind von der Lunge aus durch Luft füllbar. Die Luftsackmembran selbst besteht aus einer spärlichen, schwach vascularisirten Bindegewebschicht, mit einer inneren Ausklei- dung von Plattenepithelien.

Was nun die Bedeutung der Luftsäcke für die Respiration betrifft, so kann sie, was die zuerst entstandenen, in der Nachbarschaft der Lunge gelegenen und allen Vögeln zukommenden Rumpfluft sacke anbelangt, keinem Zweifel unterliegen . Ja, letztere sind geradezu als integrirende Be s tandtheile des Athmungsapparates aufzufassen. Die hohe Bedeutung jener Luftsäcke liegt vor allem darin, dass durch ihre Volumsveränderung, wenn auch nicht die ganze Ventilation (Sappey, Campana) der Lunge, so doch diejenigen der grösseren Bronchien besorgt wird. Die Folge davon ist, dass das eigentliche Lungenparenchym nur geringe Verschiebungen zu erfahren hat und so die denkljar günstigste Organisation besitzt ( Arbeitstheilung). Die Ausweitung des Rumpfes und der Rumpfluftsäcke musste also bis zu einer gewissen Gi'enze mit einer Ver- besserung des Respirationsapparates gleichbedeutend sein. Möglicherweise war auch der Vortheil, den sie für das Schwimmen auf dem Wasser mit sich l)rachte, von einiger Wichtigkeit.

Eine noch weiter nach der Peripherie, d. h. ül)er den Rumpf hinaus fortschreitende Luftsackausdehnung stand zur Respiration sicherlich in keiner Beziehung mehr, denn es war kaum nöthig oder ökonomisch, oder auch nur möglich, auf solche Weise das Ventilationsvermögen des Respira- tions-Apparates weiter zu verbessern; ein erheblicher, respiratorischer Gasaustausch aber könnte auch bei reichlicher Vascularisation der Luft- sackmenil)ran in die schlecht ventilirten Aussenräume kaum je statt- finden. Wohl aber lässt sich eine solche Ausl)reitung der Pneumaticität, ja vielleicht auch die letzte Ausweitung der Rumpfliöhlen, mit der Aus- bildung der Flugorgane in Zusammenhang bringen. Eine Aus- weitung der vorderen Brustgegend, d. h. des vom Schultergürtel um- spannten Raumes, war jedenfalls eine günstige Vorbedingung und Begleit- erscheinung für die Weiterentwicklung der vorderen Extremität, ihrer Hautfalten und ihrer Muskeln. Es war dadurch die Möglichkeit für ein Auseinanderrücken der Theile, für eine stärkere Entfaltung des Ske- lets und für die Gewinnung grösserer Ursprungsflächen der Muscula- tur gegeben, ohne dass damit eine erhebliche Gewichtszunahme dieser Theile selbst, sowie des ganzen Rumpfes Hand in Hand zu gehen brauchte. Kurz der Vortheil für das Fluggeschäft durch stetig fortschreitende Vergrösserung der Flugflächen und durch Gewinnung neuer Kraftmittel liegt auf der Hand (Strasseh).

Der Nutzen der Pneumatisation des Vogelkörpers l)eruht also nicht einfach auf der Vermindernng des absoluten Gewichtes des Thieres durch die Knochenpneumaticität (Ersatz von Knochenmark etc. durch Luft, Ersparniss an Knochensubstanz durch zweckmässigeren Verlauf der Zug- und Druckbalken). Auch die Lufträume zwischen den Muskeln und im Innern des Rumpfes sind für den Flug von Bedeutung ^).

1) Es ist von Interesse, dass die Knochen der neuseeländischen Moa's ungleich solider, d. h. weniger lufthohl waren, als die der heutigen Ratiten. Die Knochen von Archaeopteryx waren solid.

302 Specieller Theil.

Der früher allgemein angenommene Satz, dass die Pneumaticität der Knochen durch Erleichterung des ganzen Skeletes zur Erleichterung des Fluges diene, lässt sich nicht mehr in dieser Form aufrecht erhalten, seitdem man weiss, dass ausgezeichnete Flieger, wie die S t e r n a , keine, oder , wie die M ö v e n , fast gar keine luithohlen Knochen haben, wälirend die nicht fliegenden Ilatiten in ausgiebigster Weise damit aus- gerüstet sind. Somit ist die Knochenpneumaticität (man denke auch an die Chiropteren) überhaupt keine unter allen Umständen wesent- liche Bedingung des Flugvermögens, wenn damit auch nicht geleugnet werden soll, dass sie und ich habe dabei namentlich die grösseren Flieger im Auge von Vortheil dafür werden kann. Dabei wird es sich in erster Linie um eine Verminderung der Eigenschwere des Flügels handeln, und ebenso muss natürlich jede Verminderung des Gesammt- gewichtes die Flugarbeit vermindern (Strasser).

Etwas Eigenartiges, nur fliegenden Thieren oder nur der Classe der Vögel Zukommendes, liegt in der Einrichtung der Knochenpneumaticität überhaupt nicht. So haben die Untersuchungen Maesh's über die z. gr. Th. gigantischen Dinosaurier Amerikas gezeigt, dass auch unter ihnen lufthohle Knochen allgemein verbreitet waren. Auch die Sinus fron- tales, sphenoidales etc. der Säuget hiere gehören hierher. Hier wie dort handelt es sich offenbar in erster Linie um eine Ersparniss an Material (Strasse k).

Ich habe auf jene lufthohlen Räume bei Besprechung des Schädelske- lets und des Geruchsorgaus schon früher aufmerksam gemacht und will hier nur noch erwähnen, dass jene Hohlräume besonders stark bei Mar- supialiern entwickelt sind; so z. B. in allen jenen Schädelknochen, welche, wie bei Vögeln und Crocodiliern, mit der Paukenhöhle communiciren. Dahin gehört das Alisphenoid, das Squamosum und das Mastoideum. Auch das Os occipitale ist zum grössten Theil pneumatisch.

Zu ganz excessiver Entfaltung gedeihen die lufthohleu Räume bei An- thropoiden. Die Sinus frontales sind stark entwickelt und ausser den, auch dem Menschen zukommenden Sinus maxillares und sphe- noidales finden sich auch noch Lufträume in den Processus ptery- goidei und in den Alae magnae des Keilbeines. Eine im Jochbein liegende Höhle communicirt mit der Highmorshöble.

Im Gegensatz zu diesem spongiösen Knochencharakter besitzen die Si- renen unter allen Mammalia die compacteste Knochensubstanz.

Säuger.

Anknüpfend an die bei der Chamaeleoniden-Lunge erwähnten fundamentalen Beziehungen des Gefäss - Systems zur Architectur der Lunge, will ich gleich hier auf die wichtigen Lageverhältnisse der|Ar- teria und Vena pulmonalis zum Stainmbroiichus der Säuge- t h i e r e aufmerksam machen. Unter letzterem verstellt man die directe Fortsetzung der Trachea, und während derselbe die gesammte Lunge bis zu ihrem Hintereiide durchsetzt, entspringt aus ihm ein doppeltes System von Seiteiibroiichen. Das eine davon l)esteht nur aus einer einzigen Längsreihe von Seitcnbronchen und liegt kopfwärts von der den oberen Abschnitt des Stammbronchus kreuzenden Arteria pulmo- nalis (Epartoriellcs System). Das unterhalb jenes Gefässes (becken-

Athmungsorgane.

303

wärts) liegende hyparterielle System

ist zweireihig und zwischen den beider- seitigen Wurzeln zieht die Arteria p u 1 m 0 n a 1 i s herab, während die gleich- namige Vene an der Ventralseite des Stammbronchns verläuft (Fig. 257).

Um ähnliche Verhältnisse handelt es sich auch schon in der C helo n ier-, Cro- codilier- und Vogellunge, doch hält hier, so namentlich bei den genannten Eep- tilien, das eparterieUe Bronchial- System in seiner Ausbildung dem hyp ar- teriellen noch die Wage. Bei Vögeln schlägt letzteres schon vor und dieses Ver- halten ist bei Säugern noch weiter ge- diehen.

Eine genauere Untersuchung der Sau- ropsidenlunge mit Rücksicht auf diese Punkte ist sehr nothwendig.

Fig. 257. Schematische Darstellung des Bronchialbaumes der Säugethiere. a, a beiderseitiger, bronchialer, eparterieller Bronchus, h Reihe der hyparteriellen Ventral-, c der hypar- teriellen Dorsalbronchieu, A und V Arteria und Vena pulmonalis.

Im günstigsten Fall kommt bei Säugern jederseits nur noch ein einziger eparterieller Bronchus zur Entwicklung, viel häufiger tritt derselbe nur auf einer und zwar dann stets auf der rechten Seite auf.

Dazu kommt , dass dieser eparterieUe Bronchus , mag er nun auf der einen oder auf beiden Seiten entwickelt sein, seine Stellung am Stammbronchus mit einer solchen an der Trachea vertauschen kann (trachealer eparterieller Bronchus).

Eine weitere Möglichkeit ist die, dass das eparterieUe Bronchial- system, das seine Sonderstellung durch die ganze Säugethierreihe hin- durch aufs Klarste documentirt, links wie rechts gänzlich geschwunden sein kann. Damit geht das letzte Ueberbleibsel einer untergegangeneu Generation zu Grabe und das Verschwinden des eparteriellen Bronchial- systems ist der Schlussakt eines Vorganges, der, wie oben erwähnt, schon bei den Vögeln eiugeleitet wurde. Diesen Erfahrungen gegen- über, welche mit strenger Nothwendigkeit auf genetische Beziehungen zwischen den einzelnen Lungenformen hinweisen, kann es keinen Augen- blick zweifelhaft erscheinen, dass das l)eiderseitige Auftreten eparterieller Bronchialzweige bei Säugern den ursprünglichen , das einseitige Vor- kommen oder Fehlen derselben den erst secundär erworbenen Typus darstellt.

Worin der Grund der allmählichen Aufgabe des eparteriellen Bron- chialsystems gelegen ist, lässt sich nicht bestimmen. Der Anstoss dazu ging wohl kaum von der Lunge selbst aus, sondern war das Resultat einer Summe von äusseren Einflüssen, die vielleicht in gewissen Um- bildungsprocessen (Verkürzung) des Thorax oder in einer Aenderung des Athmungsmechanismus zu suchen sind. Jedenfalls steht so viel fest,

304

Specieller Tlieil.

dass jener Eückbildungsprocess schon bei den niedersten Formen der heiiti gen Manimalia in vollem Gange ist, dass er also bereits bei den Vorfahren derselben eingeleitet worden sein miiss. Ein klarer Einblick in diese Verhältnisse setzt also einen solchen in die Phylogenie der Säiigethierlunge im Grossen und Ganzen voraus, und ob ein solcher sich je eröffnen wird, muss die Zukunft lehren.

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Fig. 258. A. Rechte Lunge des Maulwurfs, w e 1 c li e die gänzlich un- gelappte linke an Volumen 3 4 m a 1 übertrifft. JB Beide Lungen des Menschen von der Ventralseite gesehen.

1, 2, 3, 4, 5 die verschiedenen Lungenlappen, 2'i und S-i der sogenannte obere und untere Lappen der linken Lunge des Menschen, Z, ^ Zwerchfellfläohe (Basis) der Lunge; in der Figur A. entsprechen die Zahlen 4 und b dieser Fläche, f Incisura cordis, 8, S Sulcus für die Arteria subclavia, 7'r Trachea, V Herzventrikel, A, A''^ die beiden Atrien, Ao Aorta, Cs Cava superior.

Aus der, bei weitaus der grössten Zahl der Säugethiere existirenden Asymmetrie des rechten und linken Bronchialsystems ergeben sich folgende Consequenzen.

Da der obere Lappen der rechten Lunge dem eparteriellen , der obere Lappen linkerseits aber dem ersten hyparteriellen Bronchus au- gehört , so können die oberen Lappen der beiden Lungen nicht homolog sein, sondern der mittlere Lungenlappen rechte rseits wiederholt vielmehr den oberen Lappen der linken Seite. Die rechteLunge besitzt also in diesem Fall ein Element mehr, als die linke.

Aus dem Gesagten erhellt, dass es sich in der Säugethierlunge um Lappen (Lobi pulnionis) handelt, und ich will nur noch betonen, dass die stets am ol)eren Lungenende beginnende Lappenbildung in dem morphologischen Aufbau des Organs der Bronchialverzweigung gegen- über stets in den Hintergrund tritt und dass dabei nie mehr als ein einziger Seitenbronchus in Mitleidenschaft gezogen wird. Daraus folgt weiter, dass das, was man seither im Sinne der menschhchen Anatomie mit dem Namen des unteren Ivun gen läppen s bezeichnet hat, gar nicht den Namen eines wirkliclien Lungenlappens verdient, denn jener repräsentirt ja^ den Stammbronchus einschliessend , den eigent- lichen L u n "• e n s t a m m.

Athmungsorgane.

305

Diese "wesentlich auf vergleichend-anatomischer Grundlage gewonnene Einsicht in den lappigen Bau der Säugethierlunge findet auch durch die Ontogenese ihre Bestätigung. So erkennt man schon bei vierwöchentlichen menschlichen Embryonen die Prävalenz der rechten Lunge mit ihren drei knospenartigen Ausbuchtungen, während die linke Lunge von Anfang an deren nur zwei besitzt (W. His).

Auf die ungemeine Vielgestaltigkeit, sowie auf die wechselnde Zahl der Lungenlappen kann hier nicht näher eingegangen werden, und ich will nur bezüglich des feineren Baues des Lungenparenchyms der Säuge- thiere noch Folgendes bemerken.

Die Bronchen werden gegen ihre Endausstrahlung hin immer feiner und feiner, besitzen in ihren Wandungen immer spärlichere Knorpel- elemente, bis diese bei den Endbronchiolen endlich ganz schwinden. Letztere münden in trichterartige Endbläschen , die sogenannten I n - fundibula, und da deren Wandung an zahlreichen Stellen zu Al- veolen vorgebaucht ist, so wird dadurch eine bedeutende Oberflächen- vergrösserung erreicht. Diese aber kommt wiederum dem die Infun- dibula umspinnenden dichten Capillarnetz und dadurch dem Gas- austauscli , welcher sich in den Infunrlibula und Alveolen vollzieht, zu gute.

Wie die Respirationsfläche der Säugethierlunge durch die Existenz je- ner Endbläschen ins Ungeheure sich vergrössert, mag daraus zu ersehen sein, dass die 3 400 Millionen lufundibula beim Menschen eine Athmuugs- Eläche von 129,84 Q Meter oder 1298,4 Q Fuss repräsentiren.

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Ji

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Fig. 259. Schematische Darstellung des Pleural- und Pericardial- Raumes bei Säugethieren mit Zugrundelegung der menschlichen Verhältnisse.

A. Frontalschnitt, ^ Querschnitt.

Tr Trachea, Br Bronchien, L L Lungen, H Herz , W Wirbelsäule, P parietales, P^ viscerales Blatt der Pleura, f f Umschlagsstelle beider am Hilus pulmonis {Hi), m media- stinales Pleurablatt, Pc, Pc^ parietales und viscerales Blatt des Herzbeutels, B Rippen (Brust- wand), S Sternum.

Schon bei der Besprechung des Bauchfells habe ich darauf auf- merksam gemacht, dass auch das Cavum thoracis von einer serösen Haut, der sogenannten Pleura, ausgekleidet sei. Au dieser lässt sich nun, wie wir dies auch von Seiten des Bauchfells den Abdominalorganen gegenüber constatiren konnten , ein parietales und ein viscerales Blatt unterscheiden (Fig. 259 P, P ^ Letzteres wird als Pleura p u 1 -

Wi ed I' rs lie. i m , Grundriss dür veigl. .\natomie.

20

306 Specieller Theil.

moiialis, ersteres als Pleura costalis bezeichnet, und jenes um- hüllt nicht nur die Lungen , sondern auch den Herzbeutel, das Peri- cardium (Fig. 259 Pc, Pc'^). Die au der medialen Lungenfläche sich hinziehende Partie der Pleura wird auch Mittelfell (Mediasti- n u m) genannt.

Da sich nun zwischen den beiden Blättern eine lymphartige Flüssig- keit befindet, so kann sich die Bewegung der betreuenden Organe leicht und ungehindert vollziehen.

P o r i abdominale s.

Es handelt sich bei den Wirbelthieren um drei Communications-Mög- lichkeiten des Pleuroperitonealraumes oder Coeloms mit der Aussenwelt. Zwei davon, nämlich die Nephrostomen und Ostia tubarum abdominalia, sollen später betrachtet und hier nur die dritte, welche durch die sogenannten Peritonealcanäle oder Pori abdo- minales dargestellt wird, einer näheren Betrachtung unterzogen werden.

Was zunächst die Cyclostomeii betritl't, so erscheint es noch nicht sicher ausgemacht, ol) jene unpaare, hinter dem After liegende Oeflf- nung, die man bisher als Porus abdominalis zu bezeichnen ge- wohnt war, wirkhch einem solchen entspricht (Fig. 2(30).

Von den Selachiern an treten die Abdominalcanäle in der Regel paarig auf, und zwar liegen sie hier (Fig. 260 B Fa) hinter den so- genannten Analtaschen [AT) unter je einer kleinen Hautpapille {Fp). Sie kommen nicht allen Selachiern zu ; so fehlen sie z. B. den Notida niden, Cestraciouiden und Pt h i n i d e n vollständig, den S c y 1 1 i i d e n theil- weise. Arten eines und desselben Genus können sich hierin entgegen- gesetzt verhalten, ja sogar bei Thieren einer und derselben Art können sie bald vorkommen, bald fehlen ; möglich, dass sie bei einigen nur während der Fortpflanzung auftreten (Turner).

Bei Gaiioiden, unter welchen sie bei Sturionen, wie vor Allem bei Spatularia sehr weit sind, liegen sie stets vor der Urogenital- öflnung und hinter dem After, rechts und links auf den die Afteröfl- nung begrenzenden Hautsäumen (Fig. 260 D Pa). Bei Acipenser erscheinen alle drei resp. vier Oetfnungen viel näher zusammengerückt als bei Spatularia. Bei Amia vermag ich keine Abdominalcanäle zu entdecken.

Aehnlich wie die Ganoiden, verhalten sich die Holocephalen und Teleostier; unter den letzteren sollen sie übrigens nur den Salmo- niden, Muraenoiden und Mormyriden zukommen.

Bei den Salmoniden liegen die Fori abdominales rechts und links neben der Analöfiuung, doch kommen sie nicht allen Genera in gleicher Regelmässigkeit zu. Oft sind sie nur auf einer Seite vorhanden oder fehlen sie, in Eolge eines secundär erfolgten Verschlusses, gänzlich. Sicher ist, dass sie beiden Geschlechtern zukommen, aber bei keinem sollen sie mit der .Vusfuhr der Geschlechtsproducte etwas zu schaffen haben (?) (M. Webee).

Bei Ceratodus finden sich die Poi-i abdominales, wie bei S e 1 a cli i e rn , hinter dem After und der Urogenitalöfl'nung ; bei Protopterus (Fig. 260 C) liegt ein meist un paarer CanaP) ein wenig vor dem After, und zwar öffnet sich derselbe, je nachdem der After rechts oder links von der Mittel-

1) Die Pori abd o in i ii a 1 e s können juicli yaiiz fehlen (vergl. oben ilie S e 1 lU' li i e r).

Athmun^sorgane.

Bot

iinie liegt, rechts oder links nach aussen. Man geräth durch denselben in einen unpaaren, von derben, fast spröden Wänden begrenzten Hohlraum,

c

JT

Fig. 260. Pori abdominales verschiedener Wirbelthiere.

A Cyclostomen , ß Selachier, C Protopterus , J) Spa- tularia.

A Analöffnung, Pa, Ra^ PC Pori abdominales, Pp Papille, AT Analtaschen, UG und a Urogenitalöffnung , L, L lippen- förmiger Saum der Cloakenöffnung , (JR Cloakenraum, DED Längsfalten des Enddarmes, welche bei RF scharfrandig auf- hören, * Einmündungssteile der fingerförmigen Drüse, Bt Bauchflosse , ft Pterygopodien. Der Pfeil in A bezeichnet die Richtung gegen den Kopf und kann auf alle Figuren an- gewendet werden. In Fig. C bezeichnet Cl den Cloaken- blindsack. dessen dorsale Wand bei 7^ It^ sichtbar ist. Bei t un- paare Mündung der Geschlechtscanäle, El), ED'^ aufgeschnittener Enddarm. Der Pfeil deutet die Ausmündung der Ureteren an.

welcher dorsalwärts von der Cloake gelegen ist. Dieser erstreckt sich kopfwärts etwa bis zum Ni- veau der Ausmündungen des Urogenitalsystems, wo er kuppeiförmig abschliesst. In dieses sein kuppeiförmiges Ende (jffnen sich die eigentlichen äusserst feinen Pori abdominales. Bei sämmtlichen AmpMMen 0 werden die Pori abdominales gänzlich vermisst, dagegen treten sie wieder bei Reptilien auf, nämlich bei Cheloniern und Crocodiliern. (Lacertilier und Ophidier besitzen Analtas chen). Sie liegen bei Cheloniern unmittelbar unterhalb der Schleimhaut des Penis und der Clitoris, oberhalb und neben dem äusseren Rand der Schwellkörper. Im Niveau der Eichel an- gekommen, dringen sie in deren spongiöse Substanz ein (V), verengen sich schnell und enden blind zugespitzt (C. K. Hoffmann).

Das Vorkommen der AbdominalDoren bei so weit auseinanderle- genden Thiergeschlechtern ist ein Beweis für ihr hohes Alter und ihre

1) Möglicherweise treten sie bei I cht h y o d e n in gewissen Embryonalstadien vorüber- gehend noch auf, doch ist dies nur eine Vermuthung.

20*

308 Specieller Theil.

pliyletische Bedeutimg. In physiologischer Beziehung ist nichts Siche- res darüber bekannt. Vielleicht handelt es sich um ein Ueberbleibsel von Segementalgängen. Die Fori abdominales der Elas- mobranchii, Holocephali, Ganoidei, Dipnoi und Mormy- ridae können als homologe Bildungen betrachtet werden. Eine be- sondere Stellung nehmen die Abdominalporen der Cyclostoraen und der M u r a e n i d a e ein ; sie lassen sich mit dem Porus genitalis der Teleostier vergleichen (M. Weber).

Litteratur.

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1864. M. Fürbringer. Beitr. zur Kenntniss der Kehlkopf musculatur. Jena 18 7. "5. {^Enthält zugleich

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Organe der Fische. Morphol. Jahrb. Bd. XII. 1887.

H. Organe des Kreislaufs.

(Crefässsystem.)

Die Organe des Kreislaufs zerfallen in ein Centralorgan, das Herz, in periphere Organe, die Grefässe, und in eine ernährende, aus Plasma und Fo rni theil che n (Zellen) bestehende Flüssigkeit, das Blut und die Lymplie. Von letzterer, welche theils an geschlossene Canäle ge- bunden ist, theils die verschiedensten Spalten, Lücken und Hohlräume des Körpers erfüllt und alle Gewebe durchtränkt, wird später die Rede sein und wir haben es somit fürs erste nur mit dem Blutgefässsystem im engeren Sinne zu thun. Hier handelt es sich stets um allseitig geschlossene Ilöhren (Gefässe), die, je nachdem sie sauerstott- oder koh- lensäurereiches Blut führen, als Arterien und Venen bezeichnet werden. Dies ist übrigens keine durchschlagende Kegel , insofern man , das

Organe des Kreislaufs. 309

chemische Verhalten des betreffenden Blutstromes ganz bei Seite setzend, sämmtliche, ihr Blut in das Herz ergiessende Gefässe Venen, die aus dem Herz entspringenden aber Arterien nennt.

Unter Capillaren oder Ha arge fassen versteht man die letzten feinsten Ausbreitungen der Gefässe, wovon die kleinsten für die einzel- nen Blutzellen eben noch durchgängig sind.

Das von dem Herzbeutel (Pericardium) umschlossene Herz fungirt, wie oben schon angedeutet, als Centralorgan für die Blut- bewegung und fällt unter den Gesichtspunkt einer Saug- und Druck- pumpe. Es entsteht, wie das gesammte Gefässsystem, aus einer im Bereich des Mesoderms, d. h. der Splanchn op 1 eura, sich anlegenden Hohlraum- oder Spaltbildung an der ventralen Seite des Schlundes, dicht hinter der Gegend der Kiemenspalten ^). Indem es sich also aus demselben Blastem bildet wie die Darmwand, differenzirt sich seine Wand in drei Schichten, in die äussere peritoneale, in die mitt- lere musculöse und die innere epitheliale. So stimmt es mit dem Bau der grösseren Gefässe, an deren Wänden man auch drei Schichten unterscheidet ■^), im Wesentlichen überein und stellt auch ent- wicklungsgeschichtlich, im Grunde genommen, wirklich nichts anderes dar als eine starke Blut- oder Gefässröhre, die anfangs mehr oder weniger in der Längsaxe des Körpers liegt, später aber durch mannig- fache Krünunungen und Ausbuchtungen grosse Complicationen in ihrem Verhalten erfährt. Letztere bestehen darin, dass der gekrümmte Herz- schlauch in zwei Abtheilungen zerfällt , die man als Vorliof (Atrium) und Hof (Ventrikel) bezeichnet. Zwischen beiden entstehen klappen- artige Vorrichtungen, welche dem durchströmenden und unter die Muskelpresse der Herzwände kommenden Blutstrom die Fortbe- wegung nur in einer bestimmten, vom Atrium nach dem Ventrikel gehenden Richtung erlauben und jegliche Rückstauung verhindern. Sie sind aus einem Difierenzirungsprocess der später zu besprechenden, in die Herz- höhlen vorspringenden Fleischbälkchen des Herzmuskels hervorgegangen zu denken. Aus dem Gesagten erhellt, dass das Atrium die für den Eintritt des Blutes bestimmte venöse, der Ventrikel die auf den Austritt des Blutes berechnete arterielle Herzabtheilung darstellt; und wenn ich hinzufüge, dass das venöse Ende noch in einen sogen. Sinus yenosus und das arterielle noch in einen, mit mehr oder weni- ger zahlreichen Klappen ausgerüsteten Truncus arteriosus •'• ) sich dif- ferenzirt, so halje ich damit eine Schilderung des Herzens gegeben, wie es zeitlebens bei Fischen persistirt und wie es in ganz ähnlicher Weise in der Ontogenese aller W' irbelthiere wenigstens vorübergehend zur Be- obachtung kommt.

Mit der Herausbildung der Lungenathmung treten an dem anfangs so einfach gestalteten Herzen tief eingreifende Veränderungen

1) Der Herzbeutel bildet sich zum grössten Theii aus dem vorderen Abschnitt der Leibeshöhle („Par ie t a 1 - oder Halshöhle"). (Vergl. die Lehrbücher der Entwicklungs- geschichte). Die ersten grossen Gefässbahneu, beziehungsweise ihre Vorläufer, die betreffenden Endothel röhren entstehen im Kopf und Rumpf der Selachierembryonen aus dem P^ntoblast der Darmwandung und dem den Darm umhüllenden Mesoblast. Es handelt sich also um einen zweifachen Ursprung (J. Rückert).

2) Die Wand der kleinsten Blutbahnen, der Capillaren, besteht einzig und allein aus Zellen und diese entsprechen der innersten, epithelialen Schicht (Intima) der grös- seren Blutbahnen.

3) Der proximale, aufgetriebene Abschnitt des Truncus wird Conus, der distale schlankere Bulbus arteriosus genannt.

310

Specieller Theil.

auf, die aber schliesslich alle darauf hinauslaufen, dass zu den ursprüng- lichen zwei Abtheilungen zwei weitere Abschnitte, nämlich noch ein Atrium und noch ein Ventrikel, hinzutreten, kurz dass es zur Vier- theilung des Herzens kommt. In Folge davon kann man nun eine rechte (venöse) und eine linke (arterielle) Herzliällte unterscheiden, und es ist die Möglichkeit gegeben, dass das durch neu entstandene Gefässe (Art. jmlmonalis) aus dem rechten Ventrikel in die Lungen geworfene venöse Blut, nachdem es hier oxydirt worden ist, durch beson- dere Bahnen (Venae pulmonales) wieder zum Herzen, und zwar zur linken Hälfte desselben, zurückkehren kann, um dann erst von hier aus durch die Aorta in den Körperkreislauf zu gelangen.

Wie sich diese immer complicirteren Verhältnisse in der aufsteigenden Thierreihe allmählich anbahnen , kann erst später näher erörtert werden, nachdem wir uns zuvor einen kurzen Einblick in den embryonalen Kreis- lauf verschafft haben werden. Denn wenn irgendwo der Satz gilt, dass wir das Gewordene erst durch das Werden klar zu erfassen im Stande sind, so ist dies hier der Fall.

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Der fötale Kreislauf.

In früher Embryoualzeit verlän- gert sich der Bulbus arteriosus kopfwärts zu einem langen, unpaaren Stamm (Truneus arteriosus), der rechts und links in symmetrischer Reihenfolge eine grössere Zahl von Querästen (Fig. 261 Ab) abgibt, welche je zwischen zwei Kiemenlöchern (KL) verlaufen und sich jenseits derselben, nachdem sie zuvor Aeste (Carotiden) an den Kopf abgegeben haben, jeder- seits zu einem Längsstamme (S S'^) vereinigen. Jene sind die Yasa bran- chialia und letztere stellen weiter nach hinten zu die Radix dextra und s i n i s t r a der Aorta dar (BÄ, RA).

Fig. 261. Schematische Darstel- lung des embryonalen Gefässsy- s t em e s.

A, A Aorta abdominalis , RA, BA Radix dextra et sinistra Aortae, welche mittelst der Sammelgefässe <S', Ä» aus den Branchialgefässen Ab hervorgehen, c, c* die Carotiden, Sb Arteria subclavia, KJj Kiemenlöcher, Si Sinus venosus, A Atrium, V Ventrikel, B Bulbus arteriosus, Vm Venae omphalo-mesentericae. Am Arteriae omphalo-mesentericae, Ic, Ic Arteria iliacae com- munes , E, E Arteriae iliacae externae , Allantois-Arterien (Art. hypogastricae), Acd Ar- teria caudalis, FC, HC vordere und hintere Cardinalveiien , die bei <%» die Vena subclavia aufnehmen und dann in die Ductus Cuvieri Z>, D confiuiren.

Organe des Kreislaufs.

311

Die Aorta (Ä) ist zeitlebens, durch die ganze Wirbelthierreihe hin- durch, das wichtigste arterielle Gefäss des Körpers und zieht als ein starker, unpaarer, beharrlich Zweige abgebender Stamm an der Ventral- seite der Wirbelsäule nach rückwärts bis zum Schwänzende, wo sie als Arteria caudalis (Äcd) endigt.

Auf dem Wege dahin entspringen aus ihr die in einer gewissen Entwicklungsperiode wichtigen Dotterarterien (Arteriae omphalo- mesentericae Am, Am), welche das Blut nach der Oberfläche, d. h. nach der Peripherie des Dotters führen, allwo der Gasaustausch, d. h. die Athmung, stattfindet (Fig. 262 R. Of.Ä, L. Of.A).

Ist dieses geschehen, so kehrt das oxydirte Blut durch die Dotter- yeiieii (Venae oraphalomeseutericae R.Of, L. Of) zurück und ehe dasselbe in den Sinus veuosus [SV) des Herzens einströmt, mischt sich mit ihm das venöse Blut der Ductus Cuyieri (Fig. 261, 262 D und BC).

Diese transversell verlaufenden Blutbahnen entstehen aus dem Zu- sammenfluss der vorderen und hinteren Cardinalvenen , d. h. zweier grosser Blutbahnen, welche das venöse Blut aus dem Wolff sehen

AA

Fig. 262. Schema des Gefässsystems des Dotter sackes vom Hühn- chen am Ende des dritten Brüttages. Nach Balfouk.

H Herz, AA zweiter, dritter und vierter Aortenbogen ; der erste ist in seinem Mittel- stück obliterirt, setzt sich aber von seinem proximalen Ende aus in die äussere, von sei- nem distalen Ende aus in die innere Carotis fort ; AO Rückenaorta ; L.Of.A linke, B.Of.A rechte Dotterarterie; S.T Sinus terminalis ; />.0/ linke, Äö/ rechte Dottervene; SV Sinus venosus ; VC Ductus Cuvieri; S.Ca.V obere, V.Ca untere Cardinalvene Die Venen sind in doppelten Contouren angegeben, die Arterien schwarz. Die ganze Keimhaut ist vom Ei abgelöst und in der Ansicht von uuten dargestellt. Daher erscheint rechts, was eigentlich links ist, und umgekehrt.

312

Specieller Theil.

Körper und den Körper decken aufnehmen (Fig. 261 VC, HC, Fig. 262 S.CaV, V.Ca).

Gegen das hintere Rumpfende zu entspringen aus dem Aorten- starani die zwei mächtigen Wurzeln der AUantoisarterien. Diese wichtigen Gefässe verzweigen sich, ihrem Namen entsprechend, auf der Allan tois, d.h. auf dem embryonalen Harnsack, der, wie wir bereits in der Einleitung constatirt haben, aus einer Ausstülpung des primitiven Enddarmes hervorgeht. Indem die Allantois nun weiter und weiter aus- wächst, legt sie sich der inneren Fläche der Eischale an und dient, da letztere vermöge ihrer Porosität den Durchtritt der äusseren Luft gestattet, zu einer gewissen Fötalperiode als wichtiges Athmungsorgan.

Damit befinden sich die Kreislaufsverhältnisse des Fötus immer noch in einem Stadium der Indifferenz, d. h. es sind von hier an noch drei Wege der Weiterentwicklung möglich.

Entweder verlässt jetzt der Embryo das Ei und bedient sich als Wasserbewohner (Anamiiia) seiner Branchialgefässe, wird also kiemen- athmend und verwendet seine gesammte Allantois zur definitiven Harn-

Fig. 263. Schematisches Durch Schnitts bild durcli deu scliwangercn Uterus des Menschen.

U Uterus, Tb, Tb Tuben, UH Uterushöhle, Dv Decidua vera, welche bei Pu zur Pla- centa uterina wird, Dr Decidua reflexa, Pf Placenta foetalis (Chorion frondosum), CM Cho- rion laeve, A, A die von einer Flüssigkeit erfüllte Höhle des Amnion.

Innerhalb befindet sich der an der Nabelschnur Iiängende Embryo. II Herz, Ao Aorta, ci und CS Vena cava inferior und superior, p Vena portarum, AI AUantoisarterien (Art. um- bilicalis) , t die von der Vena umbilicalis durchsetzte Leber, das rudimentäre Dotter- bläscheu.

Organe des Kreislaufs. 313

blase (Amphibien), oder aber er wird, bei terrestrischer Lebensweise (Sauropsideii), ein Limg-enathmer , erfährt dem entsprechend eine Modification, beziehungsweise eine Reduction seiner Branchialgefässe und seiner Allantois, welch letztere sich sogar ganz zurückbilden und schwinden kann (gewisse Reptilien, alle Vögel).

Die dritte Möglichkeit endlich ist die, dass der Embryo noch längere Zeit ein intrauterines Leben führt und dass seine Allan- toisgefässe, unter Bildung der sog. Chorionzotten, in die Uteruswand einwucheru, um dort die innigsten, auf den Gasaustausch und auf die fötale Ernährung berechneten Beziehungen zu dem mütterlichen Ge- fässsystem zu gewinnen. Kurz, es kommt zur Bildung eines Placentar- kreislaufes, eines Mutterkuchens (Placenta) (vergl. das Capitel, das über den Connex zwischen Mutter und Frucht handelt).

Diese höchste Entwicklungsstufe erreichen die Embryonen sämmt- licher Säugethiere mit Ausnahme der Monotremen und Marsu- pi a 1 i e r , und aus diesem Grunde stellt man diese beiden letztgenannten Gruppen als Aplacentalia den ül)rigen Säugethieren als den Placentalia gegenüber. Bei den letzteren besteht also eine der Aufgaben der Al- lantois darin, zum Transport der fötalen Gefässe an die mütterliche Uteruswand zu dienen, und ist dadurch das Zustandekommen der Pia- cent a gesichert, so geht jene einen Rückbildungsprocess ein. Ihr ausser- halb des Fötus gelegener Abschnitt geht ganz zu Grunde, während der intraabdominale Rest theils zu einem soliden, bindegewebigen Strang ( U r a c h u s ) , theils zur definitiven Harnblase (Vesicaurinaria) und zu deren Ausführuugsgang (Urethra) wird. (Vergl. das Capitel über den Urogenitalapparat.)

Die Branchialgefässe kommen als solche beidenMamma- lia so wenig, wie bei den Sauropsiden, in irgend einer Entwicklungs- periode zu physiologischer Verwendung, sondern werden, so weit sie keinen gänzlichen Schwund erfahren, zu wichtigen Blutbahnen des Halses, des Kopfes (Carotiden), der oberen Extremitäten (Subclavia), des Lungenkreislaufes (A. pulmonalis) und zu der paarigen oder uupaaren Aortenwurzel.

Was die Zahl der Branchialgefässe anbelangt, so beläuft sie sich, wie aus dem Verhalten der Amphibienlarven, gewisser Dipnoer und Ganoiden erhellt, ursprünglich auf sechs. Jedenfalls steht fest, dass die Lungenarterie bei den genannten Formen aus dem Ar terie nbo gen des sechsten hintersten V i s ce r albog e n s entspringt.

Da nun die Lungenarterie sicherlich in der ganzen Vertebraten- Reihe aus einem und demselben serialen Arterienbogenpaare entspringt, so kann die bisherige Annahme, wonach sie bei den Amnioten aus dem fünften Paare hervorgehen soll, nicht richtig sein. Es muss also hier ein zwischen dem vierten und angeblich fünften primitiven Ar t er i enb 0 ge n liegender Bogen übersehen worden sein, mit anderen Worten: der angebliche fünfte Arterienbogen der Amnioten muss in der That der sechste Arterienbogen sein. Kurz, zwischen den Pulmonalarterien der Amphibien und den- jenigen der Amnioten muss eine complette Homologie bestehen (Boas).

Diese Annahme wird zur Gewissheit erhoben durch den von van Bemmklen bei Lacerta, Tropidonotus und dem Hühnchen er- brachten Nachweis der Existenz von sechs primitiven Arterienbogen, von

314 Specieller Theil.

welchen der fünfte sich frühzeitig rückbildet, während der sechste zur Pulmo nalarterie wird.

Auch die Verhältnisse der Säugethiere werden sich durch weitere Untersuchungen noch in ähnlicher Weise herausstellen und die Lehre von den Arterienbogen wird sich künftighin folgendermassen formuliren lassen. Bei allen mit Lungen verseheneu Vertebraten werden (beziehungsweise: wurden früher) jedenfalls sechs Arterienbogen angelegt, von welchen die beiden ersten, der Kiefer- und Hyoi d b ogeu, fast immer frühzeitig zu Grunde gehen; nur bei Lepidosteus und Polypterus persistirt der zweite derselben. Die übrigen, der dritte bis sechste Bogen, persistiren sämmtlich bei den Knochenganoiden, Dipnoern, Teleostiern und bei einigen Amphibien; bei andern Amphibien geht aber der fünfte Bogen am Schluss des Larvenlebens gänzlich zu Grunde, und dasselbe ist auch bei allen Amnioten schon während des Fötallebens der Fall. Das dritte Bogenpaar wird bei den Amphibien sowie bei den Amnioten zu den Carotiden, das vierte Bogenpaar (oder bei Vögeln und Säuge- thieren nur der eine Bogen des vierten Paares) bildet die Aorta, das sechste bei allen Wirbelthieren (mit Ausnahme von Lepidosteus und den Teleostiern, bei welchen ein der Lungenarterie der übrigen ent- sprechendes Gefäss fehlt) die Lungenarterien (Boas).

Das Herz und seine Gefässe. Fische.

Während dem Amphioxus ein differeuzirtes Herz, im Sinne der übrigen Vertebraten, abgeht, ist es bei allen übrigen Fischen gut ent- wickelt und liegt weit vorne in der Rumpfhöhle, gleich hinter dem Kopf. Stets ist das Herz nach einem und demselben Grundtypus gebaut, wie ich ihn oben schon geschildert habe. Man unterscheidet also eine Kam- mer (Fig. 264 A, V) und eine Vorkammer, Avelch letztere aus einem Sinus venosus das Blut aufnimmt und sich seitlich zu den sogen. Herzohren (Auriculae cordis) ausbuchtet (Fig. 264 ^, J.). Ent- sprechend der verschiedenen physiologischen Aufgabe der beiden Ab- theilungen besitzt der Vorhof eine schwächere, der Ventrikel dagegen durchweg eine stärkere, nach innen netzartig, oder auch mit grösseren Balken ( T r a b e c u 1 a e cordis), vorspringende Muskulatur, eine Regel, die für die ganze Thierreihe gilt (Fig. 264 C, A).

An der Verbindungsstelle zwischen Kammer und Vorkammer, am sogen. Ostium atrio-ventriculare, finden sich in der Regel zwei, hie und da auch mehr (bis 6) häutige Klappen (Figur 264 C a, a). Viel zahlreicheren, in mehreren Reihen stehenden Klappen begegnet man im Truncus arteriosus (Fig. 264 C, Ca, h). Am zahlreichsten sind sie bei Selachiern und Ganoiden entwickelt, allein es macht sich l)ei den am meisten nach rückwärts , also gegen den Ventrikel zu, liegenden Klappen bereits da und dort das Bestreben geltend, einen Rückbildungsprocess einzugehen. Nur die vorderste Klappenreihe wird hiervon nicht ergriften , und diese ist es denn auch , welche der ein- zigen, zwischen Ventrikel und Bulbus liegenden Klappenreihe der Teleostier entspricht. Hand in Hand damit hat auch der Conus arteriosus der Teleostier eine mehr oder weniger starke Rück- bildung erfahren, so dass der Bulbus arteriosus häufig direct an den Ventrikel stösst (Fig. 264 B, Ba),

Organe des Kreislaufs.

315

r

Fig. 264. Verschiedene Fisch herzen. A. vom Hammerhai,^ vom Welse (Silurus glanis), CHerz eines Haifisches, aufgeschnitten.

u4, A Atrien, a a Auriculae cordis, V Ventrikel, Ba Bulbus arteriosus, tr Truncus arte- riosus. In C bedeuten «, a die Atrioventricularklappeü, b Klappen des Conus arteriosus (Ca).

Das Herz der Fische führt nur ve- nöses Blut und wirft dieses durch die Kie- menarterien (Fig. 265 a) in die Kieme n- capillaren (jR), von wo es, nachdem die Oxydation stattgefunden hat, durch die Kiemen- venen wieder abgeführt wird (Fig. 265 &). Wie sich dann aus diesen die Wurzeln der Aorta bil- den, wurde oben schon erläutert.

Dipiioi.

Auch bei den Dipnoern liegt das Herz weit vorne, gegen den Kopf zu, allein es zeigt, entsprechend der hier neben der Lungenath-

Fig. 265. Schematische Darstellung des arte- riellen Gefässsystems der Fische.

H Herz, c, c^ vordere und hintere Cardinalvene, a Kiemen- arterien , R Capillarnetz der Kiemengefässe , b Kiemenvenen, ce Circulus cephalicus, ca Carotis, RA. Radix Aorta, A Aorta abdominalis, E Eingeweidearterie, N Nierenarterieq.

J}^.

316

Specieller Theil,

mung bestehenden Kiemenathmung, schon eine höhere, zwischen die Fische und Amphibien eingeschobene Entwicklungsstufe. Das Atrium, und bis zu einem gewissen Grade auch der Ventrikel, zerfällt durch das Auftreten eines Septums in zwei Abtheilungen. Der Conus arteriös US ist spiralig gedreht, besitzt bei Ceratodus acht Querreihen von Klappen und beginnt sich ebenfalls in zwei Abtheilungen zu trennen. Dies ist bei Protopte rus vollends erreicht, sodass also hier zweiBlutströme, ein arterieller und ein venöser, neben einander hergehen (Fig. 26(j «, h). Ersterer führt das Lungenvenen- blut, welches von dem linken Atrium in den linken Ventrikel und von hier in die beiden vordersten Kiemenarterien eingetrieben wird (Fig. 266, 7, II). Der venöse Strom dagegen stammt aus dem rechten Ventrikel und gelangt, nachdem das Blut in der dritten und vierten Kiemenarterie durchgeathmet ist, durch die entsprechenden Kiemenveuen in die Aorten- wurzeln (IZI, IF, 3, 4, RA). Aus der hintersten Kiemenvene ent- springt jederseits die zur Lunge füh- rende Arteria pulmonalis (Fig. 266 Äp), so dass also hier das Blut noch einmal durchgeathmet wird, be- vor es durch die Lungenvenen zum Herzen, d. h. zum linken Vorhof, zurück- strömt.

Fig. 266. Schematische Darstel- lung des Kiemenkreislaufs von Pro- top t e r u s.

Co Conus arteriosus, welcher in zwei Ab- theilungen a und b zerfällt. Durch a strömt rein arterielles Blut in die beiden vordersten Kiemenarterien 1 und II; durch b rein venöses in die beiden hintersten Kiemenarterien /// und IV. 3 und 4 deuten die Kiemenvenen resp. die Kiemencapillarität an. Ap Arteria pulmo- nalis, BA Kadix Aortae, Ao Aorta, Ca Carotis.

HA

Amphil)ieii.

Mit Ausnahme der Gymnophionen, wo das Herz weit nach hinten rückt, finden wir es bei allen übrigen Amphibien auch hier noch sehr weit vorne im Thorax, ventral von den ersten Wirbeln gelagert. Wie bei D i - pnoern, so kommt es auch hier zu einem mehr oder weniger vollkom- menen, d. h. gefensterten oder auch soliden Septum atriorum. An der Atrioventriculargrenze liegen stets zwei ächte, fibröse Taschenklappen, welche mit der Ventrikelwand durch Fäden verbunden sind.

Der Ventrikelraum ist unpaar und weder bei Urodelen noch bei Anuren zeigt sich in seinem Innern eine Spur einer Scheidewand, so dass also das von demselben abfliessende Blut einen gemischten Charakter haben muss (Fig. 267). Im Allgemeinen l)esitzt der Ven- trikel eine kurze, gedrungene Form, und nur bei Amphiuma, Pro- teus und den Gymnophionen streckt er sich mehr in die Länge. Nach vorne zu schliesst sich an ihn, wie beim Selachier-, Ganoiden- und Dipnoerherzen,ein Conus und weiterhin ein Truncus

Organe des Kreislaufs.

317

a r t e r i 0 s u s. Ersterer ist (bei typischer Entwicklung) spiralig gedreht, besitzt eine Querreihe von Klappen an jedem Ende und zeigt eine ins Lumen einspringende Spiralfalte ^). Dies gilt z. B. für denAxolotl, für

IP- T

Fig. 267. Ä und B. Schema der Blutverth eilung im Urodelen- und An urenher z e n. A Rechtes-, A^ linkes Atrium, F Ventrikel, tr Truncus arteriosus, bei Anuren in zwei Abtheilungen tr , h' getrennt. Durch t7- fliesst rein venöses Blut in die Lungenarterien Ap Ap^ , durch die Abtheilung tr'^ aber strömt gemischtes Blut in die Carotiden ci und ce, sowie in die Wurzeln der Aorta RA ; Iv, Iv bedeuten die Lungen-, v v die in das rechte Atrium einmündenden Körpervenen.

Am bly Stoma, Salamandra, Amphiuraa und Siren. Bei andern, wie z. B. bei Menobranchus, Proteus, Gymnophiouen etc., finden sich Rückbildungen, die sich in einer Streckung des Conus, Schwund der Spiralfalte und der einen Klappenreihe äussern.

Bei Anuren erstreckt sich die im Truncus resp. Conus liegende Falte so weit nach hinten, dass gar kein ungetheilter Raum in jenem mehr existirt. Die Folge davon ist, dass die eine Abtheilung der Kiemengefässe , aus welchen die Art. pulmonalis hervorgesht, rein venöses, die andere aber gemischtes Blut führt (Fig. 267, B).

Wie bei D i p n o e r n , so entspringen auch bei Amphibien aus dem (kurzen) Truncus jederseits vier Kiemenarterien, welche sich bei der einen guten Typus darstellenden Larve von Salamandra folgen- dermassen verhalten.

Die vordersten drei begeben sich zu ebenso vielen äusseren Kiemen- büscheln, wo sie sich capillär auflösen (Fig. 268, 1, 2, 3). Aus dieser

Fig. 268. Die Arterienbogen einer Salamanderlarve, leicht sche- matisirt. Nach J. E. V. BoAS.

tr Truncus arteriosus , 1 4 die vier Kiemenarterien, wovon sich die vierte mit der Arteria pulmonalis {Ap) verbindet, / /// die entsprechenden Venen. «, a Di- recte Anastomosen zwischen der zweiten und dritten Kiemenarterie und Kiemenvene, ce, ci Carotis externa und interna, f netz- förmige Anastomosen zwischen der Carotis externa und der ersten Kiemenarterie (spätere Carotidendrüse), RA Radix Aortae, AO Aorta. Die Pfeile zeigen die Richtung des Blut- stromes an.

1) Die Spiralfalte ist aus verschmolzenen Klappen hervorgegangen zu denken.

318 Specieller Theil.

Capillarität gehen drei Kiemenvenen (/ 111) hervor, welche sich dor- salwärts wenden, um hier zusammenzufliessen und jederseits die Aorten- wurzel {RA) zu bilden. Die vierte (schwächere) Kiemenarterie geht zu keiner Kieme, sondern zu der aus der dritten Kiemenvene entspringenden Arteria pulmoualis (Fig. 268, 4, Ap). Letztere führt also weit mehr arterielles als venöses Blut und so wird die Lunge der S a 1 a - mauderlarve ähnlich wie eine S ch wimmblase sich verhalten und keiner respiratorischen Function fähig sein.

Aus der ersten Kiemenvene entspringt medianwärts die Carotis interna (ci), lateralwärts die Carotis externa (ce)^).

Letztere ist in ihrem Laufe nach vorwärts durch netzartige Anasto- mosen (t) mit der benachbarten ersten Kiemen vene (1) verbunden und daraus geht später die als accessorisches Herz fungirende sogenannte Carotidendrüse des erwachsenen Salamanders hervor. Wie ein Blick auf die Figur 268 lehrt, existiren bei a, a directe Verbindungen zwischen der zweiten und dritten Kiemenarterie und den zugehörigen Kiemenvenen.

Gegen das Ende der Larvenperiode prävalirt die zweite Kiemen- vene bedeutend an Stärke und auch der vierte Arterienbogen ist stärker

Fig. 269. Arterienbogen einer entwickelten Salamandra maculosa, ausgebreitet. Nach J. E. V. Boas.

Co Conus, tr Truncus arteriosus, 1 4 die vier Arterienbogen, ce Carotis externa, cd Carotisdrüse, ci Carotis interna. Der vierte Arterienbogen hat als Arteria pulmonalis {Ap) bedeutend an Ausdehnung zugenommen und hängt nur durch einen dünnen Ductus Botalli (f ) mit dem 2te" resp. 3'en Bogen zusammen , EA Radix Aortae , oe Ramuli oesophagei.

geworden. Dieser Hefert nun, unter gleichzeitiger Reductiou der Ana- stomose mit der dritten Kiemeuvene, die Hauptmasse des Blutes für die Lungenarterie, d. h. jenes ist nun weit mehr venös als arteriell. Zuletzt sistirt die Kiemenathmung und die Folge davon ist, dass die Anastomosen der Gefässbogen nicht mehr durch Capillarität, sondern direct erfolgen (Fig. 269, 2, 3, 4). Schliesslich löst sich die Ver1)induug zwischen dem ersten und zweiten Gefässl)ogen, und während jener zum Carotidensystem und dieser zur ausserordentlich starken Aortenwurzel wird (Figur 269, ce, ci, RA), bleibt zeitlebens eine Anastomose (Fig. 269 f)

1) Bezüglich der genaueren Verhältnisse, namentlich hinsichtlich des vordersten Ge- fässbogens (Arteria hyo-mandibularis), verweise ich auf die Arbeit von F. Maurer. Vergl. audi das Capitel über das Respirationsorgan.

Organe des Kreislaufs. 319

zwischen dem zur starken Arteria pulmonalis werdenden vierten und dem zweiten resp. dritten Gefässbogen bestehen. Dies ist der Ductus Botalli.

Der dritte Bogen unterliegt bezüglich seiner Entfaltung den aller- grössten Schwankungen, ja er kann sogar nur einseitig entwickelt sein oder auch ganz fehlen.

Bei den Anurenlarven finden sich jederseits ebenfalls vier Kiemenarterien, allein sie stehen mit den zugehörigen Venen nur durch Capillarität und nicht durch directe Anastomosen (vergl. Fig. 268«, a) in Verbindung. Die Folge davon ist, dass hier alles Blut oxydirt wird.

Beim erwachsenen Frosch ist der dritte Arterienbogen ganz obliterirt und der erste vom zweiten ganz abgeschnürt. Alles Uebrige verhält sich wie bei Salamandra.

Reptilien.

Auch hier, wie überliaupt bei allen A m n i o t e n , entsteht das Herz weit vorne am Halse, in der Nähe der Kiemenspalten, später aber, l)ei der Herausbildung eines Halses, rückt es viel weiter in die Brusthöhle herab, als dies bei den Anarauia der Fall ist\). Die Folge davon ist, dass der N. vagus, eine wichtige Innervationsquelle des Herzens, ent- sprechend weit mitausgezogen wird und dass andrerseits die zum Kopfe aufsteigenden Carotiden, wie auch die absteigenden Jugularvenen, an Länge gewinnen.

Der Hauptfortschritt dem Amphibienherzen gegenüber liegt in dem Auftreten einer Ventrikelscheidewand, mag dieselbe, wie bei Sauriern, Ophidiern und Cheloniern, noch unvollkommen sein oder vollkommen, wie bei Crocodiliern 2). Stets vereinigen sich zwei Gefässstämme zur Bildung der Aorta, oder anders, im Sinne der menschlichen Anatomie, ausgedrückt: stets existiren zwei Arcus (Radices) Aortae, ein rechter und ein linker (Fig. 270 C, t und *). Ein jeder von diesen beiden kann in seinem Anfangstheil (Fig. 270 A 1, 2) wieder aus zwei mit einander anastomosirenden Ge- fässbogen bestehen (L a c e r t a) , oder je nur aus einem (gewisse Saurier, Ophidier, Chelonier, Crocodilier) (Fig. 270 B, RA, RA). Der am meisten nach hinten liegende Gefässbogen ist die Arteria pulmonalis {Ap, Ap^). In letztere, sowie auch in den linken Aortenbogen ergiesst sich das Blut des rechten Ventrikels und dieses wird, je nachdem das Septum ventriculorum vollständig oder unvoll- ständig ist, entweder rein venös sein (Crocodilier), oder einen ge- mischten Charakter tragen (die üb rigen Reptilien Fig. 270, C).

Die Herzklappen haben in der Reihe der Reptilien eine be- deutende Rcduction erfahren, denn es handelt sich sowohl an der Atrio- Ventriculargrenze , als auch am Ursprung der Aorten und der A. pul-

1) Am weitesten nach vorne treffen wir es zeitlebens bei Lacertiliern und Che- loniern; viel weiter nach hinten liegt es bei den Amphisbänen, Schlangen und Crocodilier n.

2) Auch hier existirt übrigens noch eine kleine Communicationsöflfnung zwischen bei- den Ventrikeln, das Foramen Panizzae. Nicht weit davon entfernt liegt, ähnlich wie bei Schildkröten, zwischen dem Ursprung der linken Aorta und der Lungenarterie ein kleiner Hy al i n k n o r p e 1.

320

Specieller Theil,

monalis stets uur noch um eine einzige Reihe von Klappen, und dies gilt von nun an auch für alle übrigen Amnioten.

A4fC

1 IK-

Fig. 270. A Herz einer Lacerta muralis, JB eines grossen Varanus, aufgeschnitten; C7 Schema des Reptilien h erzen s.

FF» Herzventrikel, A, A'^ Herzatrien, tr, Trca Trun- cus anonymus, 1, 2 erster und zweiter Arterienbogen, Ap , Ap"^ , Vp Arteria und Vena pulmonalis , f und * rechter und linker Aortenbogen, RA Radix Aortae, Ao Aorta, Ca, Ca^ Carotiden, Asc, As Arteria subclavia, J Vena jugularis, Vs Vena subclavia, Cl Vena cava in- ferior. Diese drei Venen fiiessen in den Sinus venosus zusammen. Die von S ausgehende punktirte Linie ist unter das Atrium dextrum i^A) hin- untergehend zu denken. Fe, Ve deuten in dem Herzschema O dieselben Venen an.

Vögel und Säuger.

Hier ist die Scheidung der Atrien und der Ventrikel stets eine voll- kommene und nirgends findet mehr eine Mischung des arteriellen und venösen Blutes statt. Die Ventrikel spielen von jetzt ab durch stärkere Entfaltung den Atrien gegenüber die Hauptrolle und ihre Musculatur ist äusserst compact und sehr stark geworden. Dies gilt insbesondere für den linken Ventrikel, der an seiner Innenwand mächtige Papillar- muskeln entwickelt, und um den der von einer viel dünneren Muskel- wand begrenzte Ventrikel halbmondförmig gleichsam herumgebogen ist (Fig. 271 B Vd, Vg).

Wie bei Säuge thi er en, so nimmt auch bei den Vögeln das rechte Atrium durch die obere und untere Hohlvene das Körpervenen- Ijlut, sowie das eigene Blut des Herzens, die Vena coronaria

Organe des Kreislaufs.

321

Fig. 271. A Herz des Schwanes mit aufgeschnittenem rechtem Ven- trikel. Vw Vordere Ventrikelwand zurückgeschlagen, wodurch die mit zwei Muskel- falten (a und b) entspringende Atrioventricularklappe gespannt wird, f ihr Insertionspunkt an der vorderen Ventrikelwand, c Eingang in das Ostium atrio-ventriculare, S Septum ven- triculorum, *** die drei Semilunarklappen der A. pulmonalis. Flinker Ventrikel.

JS Querschnitt durch den rechten {Td) und den linken {Vg) Herz- ventrikel von Grus cinerea, ä Septum ventriculorum.

cordis auf, und ist durch eine wolil ausgebildete Klappe vom rechten Ventrikel abgegrenzt. Letztere (Fig. 271 A a, h, c, f) zeigt übrigens in ihrer zeltartigen Configuration bei Vögeln ein Verhalten, das sich auf die Säugethiere nicht fortsetzt. Bei diesen entwickelt sich viel- mehr an derselben Stelle eine aus drei Zipfeln bestehende Klappe (Valvula jtricuspidalis) , welche mit sehnigen Fäden an der Herz- wand befestigt ist. Worin aber beide wieder übereinstimmen, das ist erstens der Besitz von je drei halbmondförmigen, taschenartigen Klappen, am Ursprung der A. pulmonalis und der Aorta (Fig. 271 A ***), und zweitens die aus zwei membranösen Klappen bestehende V a 1 v u 1 a bicuspidalis an der Atrio-Vcntriculargrenze des linken Heraens.

Was die aus dem Herzen entspringenden grossen Gefässe betriflt, so unterscheiden sich die Vögel dadurch von den Säugern, dass bei den ersteren der (vierte) rechte, bei letzteren aber der linke Arterien- bogeii zum Aortenbogen und dass sein Gegenstück auf der andern Seite jeweils zur Arteria subclavia wird. Also handelt es sich hier \v i e dort stets nur um eine einzige, u n p a a r e Radix A 0 r t a e.

Der hinterste Gefässbogen wird, wie oben schon erwähnt, bei Vögeln und Säugern und darin liegt bekanntlich eine Ueberein- stimmung mit Amphibien und Reptilien zum System der Ar- teria pulmonalis.

Bezüglich der genaueren Verhältnisse, wie namentlich der Bildungs- geschichte des Säugethierherzens, wobei es sich anfänglich um eine offene Communication zwischen beiden Atrien, d. h. um ein durch das sog. Foramen ovale erfolgendes Ueberströmen Hohlvene in den linken Vorhof handelt, muss der Entwicklungsgeschichte verweisen.

Was den Ursprung der Carotiden und Aortenbogen betrifft, so herrschen bei den

des Blutes der unteren ich auf die Lehrbücher

Subclavien aus dem Säugethieren sehr

grosse Verschiedenheiten, welche im Wesentlichen darauf hinauskommen,

Wi eil e rslie im , Oiundriss der vergl. Anatomie. 2. Aufl.

21

322 Specieller Theil

ABC

o

^^^a :äu 4ür )jOi' yi".

Fig. 272. Fünf verschiedene Mo d if icat ion en der ans dem Arcus Aortae entspringenden grossen Gefässe.

Ao Aortenbogen , tb Truncus brachio-cephalicus, tbc Truncus brachio-cephalicus com- munis, e die Carotiden, s Arteriae subclaviae.

class die betreffenden Gefässe entweder getrennt entstehen oder in den allermannigfachsten Verbindungen miteinander getroffen werden. So kann es sich, je nach den verschiedenen Thiergruppen , jederseits um einen Truncusbrachiocephalicus (Fig. 272 A), oder um einen unpaaren Truncus brachiocephalicus communis (E), oder endUch um einen gemeinsamen Carotiden stamm und einen jederseits getrennten Ursprung der Subclaviae (D) etc. etc. handeln.

Arterien System.

Schon mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei allen ^Virbelthieren um ein gTosses, subvertebral gelegenes, in der Längsaxe des Körpers verlaufendes Gefäss, die Aorta, handelt, und dass letzteres aus dem Zusammenfluss der Kiemengefässe hervorgeht. Aus letzteren bilden sich aber auch die für den Hals und den Kopf bestimmten Carotiden, eine innere, welche das Blut zur Ernährung des Gehirns, d. h. hauptsächlich nach der Schädelhöhle führt , und eine äussere, welche sich an der äusseren Kopffläche, dem Gesicht, der Zunge und an den Kaumuskeln verbreitet.

Die für die vordere Extremität bestimmte Subcl a via zeigt einen sehr unbeständigen, bald symmetrischen, bald unsymmetrischen Ursprung. Sie entsteht entweder noch im Bereich der Kiemengefässe, oder aus den Aortenwurzeln, oder auch erst aus dem Aortenstamm.

Auf die freie Extremität übertretend, wird sie zur A. axillaris und weiterhin zu der Arterie des Oberarmes, A. brachialis. Diese endlich zerfällt in zwei für den Vorderarm bestimmte Zweige, die A. radialis und uluaris, aus welchen in der Vola manus der Pri- maten der hohe und tiefe Hohlhan dbogen, sowie die F i n g e r a r t e r i e n hervorgehen.

Aus der Aorta, an welcher mau eine vordere Abtheilung, die Pars thoracica, und eine hintere, die Pars abdominalis, unter- scheiden kann, entspringen die, die Leibesdecken sowie die Brust- und Baucheingeweide versorgenden, Arteriae intercostales, lum- bales und intestinales. Letztere zerfallen wieder in zwei Haupt- gruppen, d. h. in solche, welche für den T r a c t u s intestinalis mit der Milz und den drüsigen Adnexa (Leber, Pancreas), und in solche, welche für das Urogenitalsystem bestimmt sind. Beide unterliegen in ihren einzelnen Zweigen den allergrössten Schwankungen nach Zahl und Stärke. So unterscheidet man bald eine einzige A. coeliaco-mesenterica(Fig. 273 Cm), bald eine getrennte Coe- 1 i a c a und eine oder mehrere Arteriae mesentericac, intesti-

Organe des Kreislaufs.

323

RA

uales etc. etc. Aehnlich verhält es sich mit deu A r - teriae renales und ge- nitales.

Das Endstück der Aorta abdominalis, welches häufig in den von den unteren Wir- belbogen gebildeten Canal zu liegen kommt, wird A. cau- dalis (Fig. 273 Aoc) ge- nannt und steht bezüglich seiner Entwicklung selbstver- ständlich in gerader Propor- tion zur Stärke des Schwan- zes. Wo dieser, wie z. B. bei den A n t h r o p o i d e n und dem Menschen, ru- dimentär wird, spricht man von einer A r t e r i a s a c r a- 1 i s media, und im letzteren Fall erscheint die Aorta ihrer Hauptmasse nach nicht mehr durch jene, sondern durch die in der Beckengegend ab- gehenden Ar teriae ilia- cae (Fig. 273 Ilc) fortge- setzt.

Diese grossen Gefässe zer- fallen in eine, aus dem An- fangsstück der embryonalen Allantoisarterien hervorge- gangene, für die Beckenein- geweide bestimmte 1 1 i a c a interna s. A. hypoga- s t r i c a und in eine für die hintere Extremität be- stimmte Iliaca externa s. A. crualis (Fig. 273 IZc,

Fig. 273. Das ar t e r i e 1 1 e G e fäs s s y s t e m von Salamandra maculosa.

RA Radix Aortae, Ao, Ao Aorta, Sc A. subclavia, aus welcher die A. cutanea (Cm) entspringt; letztere anastomosirt nach hinten zu mit der A. epigastrica S, Ov A. A. ovari- cae. Cm. A. coeliaco-mesenterica, H A. hepatica, /, /, I zum Mitteldarm sich begebende A. A. intestinales, M, M Mastdarm-Arterien, R, R A. A. renales, Tic A. iliaca communis, Cr A. cruralis, Hy A. hypogastrica, A, A Allantoisarterien, Aoc Aorta caudalis.

Bezeichnungen des Tract. intestin. P Pharynx und Schlund, Magen, p Pancreas, l Leber, d, d Dünn- oder Mitteldarm, e, e Eiiddarm, Bl Harnblase, Cl Cloake.

Hy, Cr). Letztere kann auch durch eine auf der Rückseite des Beckens austretende A. ischiadica ersetzt werden (Vögel).

An der freien Extremität kommt es dann zu einer Verzweigung der Hauptschlagader, welche im Allgemeinen den uns von der vorderen Extremität her schon bekannten Verhältnissen entspricht.

21*

324 Specieller Theil,

Venenystem '). Fische.

Bei den Embryonen aller Fische tritt eine anfangs paarige, später aber uupaar werdende Vene auf, welche im Schwanz als C a u d a 1 - V e n e entspringt, die Cloake mit zwei Aesten umgreift und dann wieder als einfacher Stamm am ventralen Umfang des gesammten Darmes hin verläuft. Dies ist die Subintestinalvene, welche auch zum Dottersack in Beziehung steht und am Ende der Fötalzeit entweder theilweise oder ganz verkümmert ^ ) , beziehungsweise sich mit ihrem proximalen End- stück in die linke Lebervene umbildet. Die rechte Lebervene ent- steht selbständig, in beiden aber finden sich nach vorne gegen das Herz zu in der Regel starke sinuöse Erweiterungen.

Erst nachdem die Subintestinalvene bereits in der Rückbildung begritfen ist, erscheint ein zu beiden Seiten der Aorta, medial von der Urniere, liegendes zweites Venensystem, nämlich die Cardiiialyeneii. Diese sind dazu berufen, in der ganzen Vertebratenreihe, sei es nui' in fötaler Zeit oder sei es (Anamnia) das ganze Leben hindurch, eine ungleich grössere Rolle zu spielen , als die Subintestinalvene, welch letztere bei Amnioten nicht einmal mehr in fötaler Zeit in die Erscheinung tritt '•^).

Die Cardinalvenen und ich habe im Folgenden wesentlich die Verhältnisse der Selachier im Auge zeigen im Allgemeinen eine bilaterale Anlage, doch handelt es sich nicht selten um Störungen der Symmetrie, ja es kann sogar die Cardinalvene auf einer Seite gänz- lich fehlen. Bei Selachiern (Fig. 274) finden sich vor ihrer Ein- mündung in die Ductus Cuvieri (siehe hierüber später das Nähere) sinuöse Erweiterungen, wie sie auch bei den Lebervenen beobachtet werden (lacunärer Charakter).

Man unterscheidet in der Regel ein vorderes und hinteres Paar von Cardinalvenen. Erstere, welche auch Venaejugulares genannt werden, führen das Blut vom Hals und Kopf zurück ; letztere entstehen im Bereich der Urnieren und Geschlechtsorgane, wohin das venöse Blut von der Schwanzgegend und dem hintersten Abschnitte des Enddarmes aus gelangt und wo sie sich (ursprüngliches Verhalten) p f o r t a d e r m ä s s i g auflösen können . Dem entsprechend kann man in diesem Niereiii)fortadersy stein'*), Venae adveheutes und re- vehentes unterscheiden (Fig. 274).

Die vorderen und hinteren Cardinalvenen vereinigen sich rechts und

1) Das Veneiisystem der Anamnia und z. Th. auch dasjenige der Amnioten hat kürzlich durch F. Hochstktter eine gründliclie Durcharbeitung erfahren, und seine Re- sultate liegen der folgenden Darstellung grossentheils zu Grunde. Ausserdem verdanke ich dem genannten Autor sehr werthvoUe briefliche Notizen über die hinteren Cardinal- venen und die Venae vertebrales posteriores der Amnioten.

2) Bei Teleostier-Embryonen steht die S u b i n t e s t i n a 1 v e n e als zuführendes Gefäss zum Dottersack in wichtiger Beziehung, schwindet aber später wieder. Bei P e - tromyzonten erhält sie sich in ihrer vollen Ausdehnung, und Aehnliches gilt für Am- p h i o X u s. Hier handelt es sich also um die primitivsten Verhältnisse. Bei Selachiern persistirt sie nur in der Spiralklappe, bei den Teleostiern und Ganoiden ver- schwindet sie ganz.

.3) Man müsste denn die Vena vitello-intestinalis damit vergleichen wollen. 4) Der Nierenpfortader-Kreislauf kann den allermaiinigfachsten Modificafionen unterliegen.

Organe des Kreislaufs.

525

Card.antlJug)

Fig. 274. Das Venensystem der Selachier. Schematisch.

H Herz, Duct. Ouv. Ductus Cuvieri, Card. ant. (Jug) Vena cardinalis anterior (Jugu- laris), Subcl. Vena subclavia, Seit. V. Seitenvene, welche aus einem im Bereich der Cloake liegenden Venen-Netz {Ven. a. B), aus einer oder mehreren Hautvenen des Schwanzes

326 Specieller Theil.

{Cvt, V.), aus den Venen der Leibesdecken und aus den Venen der Bauebflossen {HEV) her- vorgeht, Caud. V. Caudalvene, welche sich am distalen Nieren-Ende in zwei Aeste A, A^ spaltet. Aus diesen gehen die Venae advehentes des Nierenpfortader-Kreislaufes (F. adv.) hervor. V. reo. Venae revehentes desselben , aus welchen die rechte und linke Vena car- dinalis posterior (CT) hervorgeht, Card. V. S. Cardinalvenen-Sinus. Beide Sinus stehen in der Medianlinie in Communication, F. port. Leberpfortader , welche theils vom Enddarm (El)) und Magen (Mg), theils vom Oesophagus (Oes. V.) ihr Blut bezieht. Sie steht im Bereich des Enddarmes mit einem Zweig der Seitenvene in Verbindung. Ein Theil des Blutes strömt bei f in den Cardinalvenen-Sinus. In letzteren ergiessen sich auch die Genitalvenen (0*671. F.), LVS Lebervenen-Sinus, Leb Leber.

links vom Herzen jederseits zu einem queren Gefäss, dem Ductus Cuvieri, welcher in den Sinus venosus einmündet. Zuvor ver- einigt sich damit auch die Vene der vorderen Extremität (Fig. 274.)

Das Blut des Tr actus intestinalis strömt durch das System der Pfortader zum grössten Theil zur Leber, wo es sich in ähnlicher Weise auflöst und (in den Venae hepaticae) wieder sammelt, wie ich dies bereits vom Pfortader -System der Niere geschildert habe, lieber die Entstehung des Leberpfortader-Systems s. später.

Ausser den bis jetzt geschilderten grossen venösen Bahnen existiren bei Selachiern noch die paarig angeordneten Seitenvenen, welche von einem im Bereich der Cloake liegenden Venennetz, aus den hinteren Extremitäten-Venen, aus einer oder mehreren Hautvenen des Schwanzes, sowie namentlich aus den Leibesdecken das Blut beziehen. Sie münden ebenfalls in den Sinus venosus.

Jene Seitenvenen sind deshalb von besonderem Interesse, weil sie in der Abdominalvene der Amphibien und der U in b i 1 i c a 1 - vene der Amnioten ihre Analoga besitzen.

Amphibien.

Was die Amphibien anbelangt, so ergeben sich bei einem Studium der Entwicklungsgeschichte ihres Venensystems noch viele Anklänge an S e 1 a c h i e r - E m b r y o n e n. Später macheu sich allerdings gewisse Unterschiede bemerklich, und diese beruhen vor Allem in dem Auf- treten einer neuen Vene, nämlich der V. Cava inferior.

Sie entsteht nach rückwärts, im Bereich der Urniere, aus einer Verschmelzung der betreffenden Abschnitte der Cardin alvenen. Weiter nach vorne zu ist sie als eine durchaus selbständige Bildung zu betrachten. Dabei gehen aber bei den ürodelen, und unter den einheimischen Anuren bei Bombinator, die in dieser Rumpfgegend liegenden Abschnitte der Cardinalvenen nicht etwa zu Grunde 0? sondern persistiren als die rechts und links von der Aorta liegende Azygos dextra und sinistra. Diese Venen, die auch (Triton en) zu einem unpaaren Gefässe verschmelzen können , beziehen das Blut aus den Leibesdecken, aus dem Spinalcanal und z. Th. auch aus den Ovi- ducten. Sie laufen nach vorne, also kopfwärts, und münden mit den Venen der vorderen Extremität (V. subclaviae) zu einem Stamme zusammen. Dabei treten sie, was ihr Volum betrifft, hinter der Vena Cava inferior, die nun eine immer grössere Rolle zu spielen be-

1) Bei allen übrigen einheimischen Anuren ist dies wirklich der Fall , so dass hier von der Existenz eines Azygos-Systems keine Rede sein kann. Aus- nahmen sind übrigens bei Rana temporaria, Bombinator bombinus u. a. be- obachtet, in welchem Fall sogar ein die Venae advehentes der Niere mit den hinteren Cardinalvenen verbindender Hauptstamm persistirte (G. B. Howeb).

Organe des Kreislaufs.

327

Card. ant. \Jufj)

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Y. Cava Ulf- ^urs aitfer.

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Fig. 275. Schematiche Darstellung des Venensystems von Sala-

"'"^/J-TcIudaWene, die sich am hinteren Umfang der Nieren_ (^ ^; theilt F. ad. V. rev. Venae advehentes und revehentes des Nierenpfortaderkreislaufs (2^*er^ ^^ r. iUaca, welche sich in einen hinteren (f) und vorderen (tt Ast '}f'l^l'^l^l^l'^^l zur Niere, letzterer confluirt mit seinem Gegenstück zur Bildung ^ei Abdom.nalvene Tlhd. F.) /letztere bezieht ihr Blut auch noch durch die Zweige -^ -«»^/^ ^ °ake der Blase und dem hinteren Abschnitt des Enddarmes. Der hmtere und vordere A^sdint der hinteren Hohlvene ist mit F. cava inf. pars post, und pars anter. bezeichnet. O^^d.ant. iJug) und Card. post. {Azygos) bedeutet die vordere und hintere Cardmalvene i^sp^Jugu^ aris^nd Azygos. Subcl Subclavia, Duct. Ouv., Ductus Cuvien, H Her^, ^^i> J^^™' ^^^ dem die Pfortader V.e port. entspringt, Lg Längsvene des Darmes , Lpß. Ä». Leberptort ader-Kreislauf, L.V. Lebervene.

328 Specieller Theil.

rufen ist, stark zurück. Wenn es und das ist in Ausnahmefällen wirklich zu beobachten nicht zur Entwicklung jenes vorderen, sell)- ständigen Abschnittes der hinteren Hohlvene kommt, so vermögen sie, stark heranwachsend, vicarirend für dieselbe einzutreten.

Die untere oder hintere Hohlvene der Amphibien bezieht ihr Blut aus den Nieren, aus dem Fettkörper und aus dem Geschlechts- apparat, spielt also auch physiologisch ganz die Rolle der aus den Venae revehentes der Niere hervorgehenden hinteren Cardinalvenen der Fische. Auch in der Zufuhr des venösen Nierenblutes, d. h. in der Bildung der Venae advehentes, existiren viele üebereinstimmungen mit den Fischen. Es handelt sich dabei vor Allem um die Vena cau- dalis, doch kommen dazu auch noch die Venen der hinteren Extre- mität, die Venae iliacae. So existirt also auch bei Am- phibien ein Nierenpfortader-Kreislaiif.

Endlich ist noch der Abdominal vene zu gedenken, welche das Blut ausderCloaken-, Blasen-, hinteren Enddarmgegend, sowie aus den Bauchdecken aufnimmt. Sie ist ihrer Anlage nach eigent- lich paarig (vergl. auch die Fische), zieht an der ventralen Seite des Rumpfes subperitoneal nach vorne und mündet (zusammen mit einer bei Ur od eleu existirenden Längsvene des Darmes, d.h. einem lieber-. bleibsei der Vena omphalomesenterica, die vielleicht als letzter Rest der S u b i n t e s t i n a 1 v e n e der Fische zu betrachten ist) an der concaven (dorsalen) Leberfläche in die Pfortader.

Im Uebrigen und ich habe dabei namentlich die vom Kopf und Hals her kommenden venösen Ströme, sowie das Pfortadersystem des Darmes resp. der Leber im Auge ist bei den Amphibien im Ver- gleich mit dem venösen System der Fische nichts Nennenswerthes zu melden (vergl. Fig. 274 und 275).

Amiiioten.

Bei den Amnioten entstehen von allen Körpervenen zuerst die vorderen Cardinalvenen, und unmittelbar darauf folgen die hinteren nach. Wie bei den Anamnia, so vereinigen sich auch hier in fötaler Zeit beide Venenpaare in der Höhe des Herzens zu den anfangs querliegenden Ductus Cuvieri (vergl. Fig. 274, 275).

Die rasch kräftig heranwachsenden Venae cardinales poste- riores verlaufen, wie überall, zu beiden Seiten der Aorta und be- ziehen ihr Blut vorzugsweise aus der Urniere. Später ergiesst sich auch immer mehr das Blut des Rumpfes in dieselben und mit dem Er- scheinen der Extremitätenanlagen werden sie noch durch weitere Zweige aus diesen verstärkt. Was die hintere Extremität anbelangt, so handelt es sich zunächst um die V. h y p o g a s t r i c a ' ). Erst später tritt noch die V. iliaca hinzu, wodurch das Wurzelgebiet der hinteren Cardinal- vene noch eine weitere Verstärkung erfährt.

Einstweilen haben die kopfwärts von der Urniere liegenden Ab- schnitte der hinteren Cardinalvenen eine Rückbildung erfahren, während sich von vorne her, d. h. von den in der Lebergegend zu einem gemeinsamen Stamm zusammenfliessenden Dotter venen aus,

1) Nicht nur die Vene der hinteren, sondern auch diejenige der vorderen Extremität, d. h. die V. subclavia, ergiesst sich um diese Zeit in die hinteren Cardinalvenen. So wenigstens beim Hühnchen (Hochstetter).

Organe des Kreislaufs.

329

die Vena cava inferior entwickelt (vergl. den Leberpfortader- Kreislauf). Diese wächst immer weiter nach hinten aus und kommt zunächst in Berührung mit der Urniere, von der sie das venöse Blut empfängt und dem Herzen zuführt. Dabei bildet sich

Card.ant iJug)

^.'^W.V.foji.

Fig 276. Schematische Darstellung des K ö r p er v e n en s y s t em s d e r Säugethiere, m i t Z u g r u n d e legu n g d e r Verhältnisse b e im M en seh e n.

H Herz, 31 Magen, Mi Milz, N Niere, L> Darm, Card. ant. {Jug) Vena cardinalis an- terior (Jugularis), Suhd V. subclavia, welche mit der Jugularis jederseits zu der Vena ano- nyma dextra und sinistra {V. an. d. &. s.) confluirt. C. s. d. V. cava supenor dextra, welche die V. azygos dextra {A^yg. d.) aufnimmt, C. s. s. V. cava supenor simstra , im Schwund begriffen, wobei sich nur ihr Endstück als Vena coronana cordis (F. cor.)^ erhalt. Azyg. s Stück der V. azygos sinistra, welches im Schwund begriffen ist, HA Hemiazygos, Ci V. cava inferior, Jl. c, Jl. i., Jl. e. V. iliaca communis, interna und ext. t Enddarm, an welchem das Portal- und Cava-System in Verbindung stehen, ** Venae lumbales, welche die Verbindung zwischen dem Cavasystem und einem erst secundär entstandenen Langsgetass, der Vena lumbalis ascendens {l. a.), vermitteln. Letztere erinnert an die Vena vertebrahs posterior der Reptilien ; lateralwärts davon liegt die schwindende Vena cardinalis posterior {Card. posL), W.V. port. Vl^urzelgebiet der Vena portarum {V.port.), Pf kr. Ptortader- kreislauf der Leber, F. h. Vena hepatica.

330 Specieller Theil.

innerhalb der ürnieren ein Venennetz, welches dem Blut aus den hinteren Cardinalvenen den Abfluss gegen die V. cava inferior hin gestattet, kurz es entwickelt sich auch bei Amnioten (so wenigstens sicher bei den Vögeln) vorübergehend ein Pfortadersystem der Ur- niere. Mit dem Auftreten der definitiven Niere geht letzteres eine Rückbildung ein und das Blut des Beckens und der hinteren Extre- mität strömt auf dem Wege der V hypogastrica und cruralis in die V. iliaca communis, welch letztere von beiden Seiten her in die V. cava inferior einmündet.

In Folge des Schwundes der Urniere erfahren die Cardinal- venen, wie oben schon angedeutet, auf eine gewisse Strecke eine Ver- ödung. Wie aber ihr hinteres, zur V. cava inferior abschwenkendes Wurzelgebiet als Vena hypogastrica und cruralis resp. als Vena iliaca erhalten bleibt, so gilt das auch für ihren vorderen, kopfwärts von den ürnieren liegenden Abschnitt. Dies erstreckt sich übrigens nur auf die Säuger und nicht auf die Sauropsiden, bei welchen der betreuende Cardinalvenen - Abschnitt rückgebildet wird i). Hier treten neue Venen, die sogenannten Venae vertebrales poste- riores, an ihre Stelle, und sie sind es nun, welche das venöse Blut aus den Wänden des Rumpfes und des Spinalcanales zum Herzen zurückführen.

Die Venae vertebral es posteriores, welche in morphologischer Beziehung nur von untergeordneter Bedeutung sind, zeigen in ihrem Vor- kommen, sowie in ihrer Lage und Anordnung bei den einzelnen Formen eine überaus grosse Verschiedenheit, welche sich aus dem secundären Auf- treten derselben erklärt. Der letzte Anstoss zu ihrer Entstehung liegt stets in der Rückbildung der Urniere und der damit in Verbindung stehen- den Rückbildung des vorderen Abschnittes der hinteren Cardinalvenen, d. h. durch diesen Vorgang wird der Abfluss des venösen Blutes nicht nur der Urniere, sondern ebenso des Rumpfes und der Wirbelsäule gegen die Cardinalvenen hin erschwert. In Folge dessen bil- den sich verschiedenerlei neue Bahnen, um das venöse Blut zum Herzen zu führen. Beim Frosch z. B. (und dies erfolgt nebenbei auch bei den meisten Amnioten) erweitern sich die Venen innerhalb des Wirbelkauales und leiten das Blut entweder nach rückwärts durch die Lendenvenen in die Venae renales advehentes oder durch die vordersten Intercostalveuen in die Subclavien. Es kommt also hier nicht zur Entwicklung von V. vertebrales posteriores. In andern Fällen entwickeln sich neben der Erweiterung der Venen des Wirbelcanales auch noch Längs- anastomosen zwischen den einzelnen Intercostalveuen, die dann zu beiden Seiten der Wirbelsäule [bald ventral von den Rippeuursprüngen (Lacerta), bald dorsal davon [Testudo)] alle zusammen die Venae vertebrales posteriores darstellen.

In gewissen Fällen kommt es auch zu Verbindungen der V. inter- costales (Schlangen) resp. der hinteren Vertebralvenen mit dem Pfort- adersystem.

Wenn man nun aber die besprochenen Venen der Reptilien und Vögel als Venae vertebrales ganz passend bezeichnen kann, so darf man diese Bezeichnung für die Y. azvgos und hciniazygos der Säuger nicht

1) Der Grad der Rückbilduug der betr. Abschnitte von den hinteren Cardinalvenen ist übrigens bei verschiedenen Sauropsiden ein sehr verschiedener.

Orgaue des Kreislaufs. 331

wählen. Diese beiden Venen sind nämlich, soweit sie an der vordem Fläche der Brustwirbel neben der Aorta verlaufen, sowie in ihrem Mün- dungsstück in die oberen Hohlvenen, wie oben schon bemerkt, Reste der hinteren Cardinalvenen. Die auch im Bereich der letzteren vor- kommenden Rückbildungen sind zumeist auf die Rückbildung der linken oberen Hohlvene zurückzuführen. In Folge davon wird der Abfluss des venösen Blutes aus bestimmten Intercostalvenengebieten durch ähnliche Längs- anastomosen-Bildungeu vermittelt, wie sie bei den Reptilien vorkommen. Dieselben liegen aber dann nicht mehr neben der Aorta, sondern zur Seite der Wirbelkörper, ventral von den Köpfchen der Rippen, und unterscheiden sich demnach schon durch ihre Lage von den aus den Cardinalvenen her- vorgegangenen Gefässabschnitten. Dazu kommen dann noch Anastomosen- bildungen (gewöhnlich eine) zwischen den Cardinalvenenresten der beiden Seiten und der Anschluss einer (bei verschiedenen Formen verschieden ge- bildeten) Längsanastomosenkette jederseits zwischen den Lumbaivenen, welche beim Menschen als Vena lumbalis ascendens bezeichnet wird, und die an der ventralen Seite der Processus laterales der Lenden- wirbel, neben deren Körpern gelagert ist. Diese paarige Yene nun, welche von manchen Autoreu als Rest der hinteren Cardinalvenen aufgefasst wird, ist ein Gefäss von ganz untergeordneter Bedeutung, verdankt aber offenbar ähnlichen mechanischen Gründen ihre Entstehung, wie die Venae ver- tebrales posteriores der Reptilien.

Was die oberen HohlTenen anbelangt, so entstehen sie im Wesent- lichen aus den Cuvier 'sehen Gängen. Diese, welche allmählich eine schiefe, mehr nach rückwärts gerichtete Lage einnehmen , erhalten von dem sich stetig vergrössernden Kopf, Hals und der vorderen Extremität her, d. h. also durch die Vena jugularis und Subclavia, immer grössere Blutmassen, während die Zufuhr von Seiten der hinteren Car- dinalvenen, für welche ja die untere Hohlvene ergänzend eingetreten ist, eine bedeutende Beschränkung erfährt.

Bei den Reptilien, Vögeln und vielen Säugern bleiben zwei obere Hohlvenen zeitlebens erhalten , bei gewissen Säuge- thieren aber und so auch beim Menschen kommt es zu einer theilweisen Rückbildung der linken oberen H o li 1 v e n e. Eingeleitet wird dieselbe dadurch, dass von letzterer eine quere Anastomose zur rechten oberen Hohlvene herüberwächst, wodurch diese an Ausdehnung gewinnt, während links eine allmähliche Verödung eintritt. Schliesslich erhält sich von der linken oberen Hohlvene nur noch ihr in die Kranzfurche des Herzens eingeschlossener Endabschuitt. Dieser nimmt das venöse Blut des Herzens auf und persistirt als Vena coronaria cordis (Fig. 276). Dieser Rückbildungsprocess hat, wie oben schon angedeutet, einen zweiten im Bereich des vorderen Abschnittes der linken Azygos zur Folge; sie verödet an jener Stelle und ihr Blut fliesst nun durch eine secundär entstandene Queranastomose zur rechten Azygos. Die linke heisst von nun an Hemiazygos (Fig. 276).

Zum Schluss noch ein Wort über den schon öfter erwähnten Leber- pfortaderkreislauf.

Die ersten auftretenden Venen sind bei allen A m n i o t e n die Dottervenen oder Venae omphalo - mesentericae. Sie sammeln das Blut aus dem Gefässhof des Dotters und führen es in zwei mächtigen, zu beiden Seiten der Darmrinne verlaufenden Gefässen kopfwärts. Hinter dem Herzen, ventral vom Darm, vereinigen sich beide zu einem gemein-

332

Specieller Theil,

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Organe des Kreislaufs. 333

Samen Stamm und dieser mündet in den Sinus venosus des Herzens ein. Die vom Darm aussprossende Leber umwächst nun die vereinten Dottervenen, und diese schicken Zweige in die Lebersubstanz hinein (Venae advehentes); andererseits nehmen sie aus derselben venöse Bahnen (Venae revehentes) auf, aus welch letzteren sich später die LelberTenen, eine rechte und eine linke, bilden. Dabei geht der venöse Hauptstamm der Dottervene, soweit er innerhalb des Lebergewebes liegt, eine Rückbildung ein, bis er schliesslich ganz schwindet, so dass jetzt alles Blut der Venae omphalo- mesentericae auf dem Wege der Venae advehentes und revehentes die Lebercap illarität durchsetzen muss. Dasselbe gilt für die Vena mesenterica , welche sich unterdessen im Bereich des Darmes entwickelt hat und welche, von hier aus das venöse Blut sammelnd, das eigentliche Wurzel gebiet der Pfor tader darstellt. Ihr Endstück communicirt mit demjenigen Abschnitt der vereinigten Dottervenen, welcher eben im Begriff ist, sich in die Leber einzusenken, und das aus diesem Zusammenfluss hervorgehende starke Gefäss stellt den Stamm der Pfortader dar.

Während nun mit dem Schwund des Dottersackes das ausserhalb der Leber liegende Gebiet der Venae omphalomesentericae immer mehr verödet und allmählich zu Grunde geht, wird das ganze System der Venae advehentes schliesslich nur noch von dem mit dem Darm immer mehr sich vergrössernden Quellgebiet der Pfortader gespeist.

Zu den bis jetzt erwähnten grossen venösen Blutbahnen tritt nun noch eine weitere, nämlich die Vena umlbüicalis. Auch sie ist, wie die Dottervenen, bei allen Amnioten ursprünglich paarig. Die beiden Umbilicalvenen entstehen von der Allantoisanlage aus, spielen aber in der ersten Zeit ihres Bestehens fast ausschliesslich die Rolle von Bauchwand-Venen. Später erst mit dem zunehmenden Wachs- thum der Allantois treten sie in inmier wichtigere Beziehungen zu dieser, sowie auch unter Umständen zu den Chorionzotten und der Placenta. Mit andern Worten : die Umbihcalvenen (resp. eine davon) bilden bei jenen Säugethieren , welche es zu einem Mutter- und Fruchtkuchen bringen, die wichtigen Abfuhrwege, auf welchen der Foetus das arterielle Blut seitens des mütterlichen Organismus erhält. Unter ebendenselben physiologischen Gesichtspunkt fällt der A 11 an toi s- Kreislauf der Sauropsiden, wo die Oxydation des Blutes mittelst der durch die poröse Eischale hindurchtretenden Luft erfolgt. Dabei liegt das Gefässnetz der Allantois der Eischale innig an.

Anfangs münden nun beide Umbilicalvenen direct an jener Stelle des Sinus venosus des Herzens aus , wo sich die C u v i e r ' s c h e n Gänge in letzteren einsenken, später aber (auf die höchst complicirten Einzelheiten kann hier nicht näher eingegangen werden) erleidet die rechte Umbilicalvene eine Rückbildung, während sich die linke mit dem Gefässnetz der Leber in Verbindung setzt.

In Folge dessen ist nun das ümbilicalblut , bevor es zum Herzen gelangt, gezwungen, den Leberkreislauf durchzumachen. Erst ganz all- mählich kommt es zur Herausbildung einer directen Verbindung zwischen der schliesslich allein noch übrig bleibenden V. umbilicalis sinistra und jenem letzten, die Venae revehentes aufnehmenden Rest der vereinigten Dottervenen. Jene directe Blutbahn ist der Ductus yenosus Arantii, und dessen Einmündung in den Stamm der Dotter-

334 Specieller Theil.

vene entspricht genau der Stelle, von welcher aus inzwischen schon längst die Cava inferior ihre Entstehung genommen hat. Wenn die de- finitiven Verhältnisse erreicht sind, so imponirt die untere Hohlvene als die Hauptbahn, in welche sich die aus dem System der Venae revehen- tes gebildete Vena h e p a t i c a d e x t r a und s i n i s t r a einsenkt, wäh- rend der Ductus venosusArantii mit dem Aufliören des Allan tois- resp. Placentar-Kreislaufes zu einem Bindegewebsstrang degenerirt.

Beziehungen zwischen Mutter und Frucht in der g-esammten

Wirbelthier-Heihe.

Es mag hier der passende Ort sein, um der Beziehungen zwischen Mutter und Frucht zu gedenken. Dal)ei habe ich nicht etwa nur die placentalen Säugethiere im Auge, sondern beabsichtige, den interessanten Stoff auf breiterer Grundlage zu behandeln.

I. Anamnia.

1) Selachier.

Bei gewissen lebendig gebärenden Haien, nämlich bei M u s t e 1 u s 1 a e V i s und Carcharias, greifen Falten und Runzeln des embryonalen Dottersackes in entsprechende Vertiefungen der Schleimhaut des Ovi- ductes (sog. Uterus) ein. Hier wie dort ist ein grosser Blutreichthum vorhanden und dabei senken sich die eng verflochtenen Gefässe des Dottersackes derartig in die mütterliche Mucosa hinein, dass der Eindruck entstellt, als handle es sich um jene Gebilde, die wir bei den Säuge- thieren als Cotyledonen kennen lernen werden. Offenbar handelt es sich also hier, wenn ich mich so ausdrücken darf, um den ersten schüchternen Versuch des Jungen, bei der Mutter zu Gaste zu sein.

3) Teleostier.

Bei der lebendig gebärenden Aalmutter oder Aalquappe (Zoarces viviparus) finden sich während der Schwangerschaft im Innern des Ovariums ausserordentlich blutreiche Zotten, welche aus den entleerten Follikeln (Corpora lutea) des Eierstockes hervorge- gangen sind. Sie sclieiden in die Höhlung des Ovariums eine seröse, trübe, reichlich von Blut- und Lymphzellen durchsetzte Flüssig- keit aus, von welcher die zahlreichen, zu dichten Klumpen zusammen- geballten Embryonen umspült werden. Letztere führen Schluck be- wegungen aus und so gelangt jene Flüssigkeit in den Darm, in dessen letztem, blutreichem Abschnitt die Blutzellen verdaut werden, nachdem sie zuvor als Sauerstoffträger wahrscheinlich auch der Re- spiration gedient haben. Das Serum wird wohl schon vom Mitteldarm resorbirt (S tuhlmann). Ueber die Ausscheidung (regressive Producte) der Zoar ces-Embry oneii liegen noch keine sicheren Beobachtungen vor.

Organe des Kreislaufs. 335

Das Ei der Cyprinodonten und Embiotocen^) entwickelt sich innerhalb des blutreichen Follikels ; es wird also eine ausreichende Er- nährung für jedes einzelne sich entwickelnde Ei durch einfache Dif- fusion aus dem Blut stattfinden können. Auch bei einem nahen Ver- wandten des Z 0 a r c e s , nämlich bei C 1 i n u s , ist eine ähnliche Ernährung der Jungen in den Follikeln mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, und die Zahl der viviparen Arten in der Gruppe der Blenniiden wird sicherlich bei näherer Untersuchung noch als eine grössere sich heraus- stellen.

Endlich ist hier noch der vivipare Anableps zu erwähnen, dessen gefassreicher Dottersack Zotten erzeugt, mittelst deren die von den er- weiterten Kammerwänden des Ovariums abgeschiedene Ernährungsflüssig- keit resorbirt wird.

3) Amphibien.

Bei Salamandra atra und maculosa, sowie bei G y m - nophionen liegen die grossen Kiemen der Oviductwand innig an und vermitteln so wahrscheinlich niclit allein die Athmung, sondern auch denn sonst wäre die bedeutende Grösse der Jungen unerklärlich nutri- tive Beziehungen zwischen Mutter und Frucht.

Hierher gehört auch N o t o t r e m a ( N o t o d e 1 p h y s), wo die grossen, glockenartigen Kiemensäcke den in der Rückentasche des Mutterthieres liegenden Embryo mantelartig umhüllen und zugleich auch mit der mütterlichen Haut in directe Berührung kommen (vergl. die Respirations- organe).

Auch bei Pipa dorsigera und llhinoderma Darwini dürfte es sich bei näherer Untersuchung um ähnliche Verhältnisse handeln.

Ferner gehört hieher die ernährende Beziehung, in welcher der so- genannte Fettkörper (vergl. das Capitel über die Geschlechtsorgane) bei Amphibien und wahrscheinlich auch bei Dipnocrn und zahl- reichen Reptilien zur Geschlechtsdrüse steht. Auch hier spielen Leukocyten eine grosse Rolle und erinnern so au das von Mieschee beim Salm und von W. N. Parker bei Protopterus beobachtete Verhalten.

So linden sich also bei Fischen und Amphibien, deren Eier es, abgesehen vom Dottersack, zu keinen weiteren Anhangsgebilden, d. h. zu keiner Serosa (Chorion) und zu keinem Amnion bringen, die allerverschiedensteu Einrichtungen, ohne dass man von homologen Ver- hältnissen sprechen könnte. Bald ist es die blutreiche Schleimhaut des Oviductes oder die Innenfläche der Ovarialwand, l)ald handelt es sich um subcutane Lymphräume, wodurch das Mutterthier Mittel und Wege findet, zu der Brut in ernährende Beziehungen zu treten. Nirgends aber in der ganzen Reihe der Anamnia und dies ist charakte- ristisch — existirt eine so innige Verbindung zwischen mütterlichem und fötalem Gefässsystem , wie sie in der Reihe der Amuioten zu Stande kommt. Bei diesen sehen wir, zumal bei den höheren Formen, die Allantois eine immer höhere Bedeutung gewinnen. Ihr Gefässnetz

1) lieber die Brutpflege desBayre, eines grossen Welses der Gattung Arius, wobei das Männchen die extrem grossen sicli entwickelnden Eier im Maul mit sich herumträgt, sind weitere Nachrichten abzuwarten.

336 Specieller Theil.

dient hier uicht nur zur Respiration, sondern führt auch zur Bildung der Blutbahnen jener Gebilde, die man als Cotyledonen und Pla- centa (Mutterkuchen) bezeichnet.

II. Amnioten.

1) Reptilien und Vögel.

Bei Sauriern (Trachydosaurus und Cyclodus) existiren nutritive Beziehungen zwischen der Schleimhaut des Eileiters und der den Dottersack enge umschliessenden Serosa. Bei Vögeln ist hierüber nichts Sicheres bekannt.

Die Allantois der Sauropsiden zeigt zottenartige Anhängsel, allein diese gehören, da sie zur Resorption des Eiweisses dienen , streng genommen, nicht hieher.

Zweifellos werden erneute Untersuchungen bei Sauropsiden, wie namentlich bei Reptilien, noch viele interessante Thatsachen zu Tage fördern.

3) Säugethiere.

Der Umstand, dass sich auch bei Säugethieren noch ein, wenn auch kleiner Dottersack und ein Dotterkreislauf entwickelt, be- weist ihre Abstammung von Thieren, die früher, ähnlich wie die Sauropsiden, grosse dotterr eiche Eier besessen haben, die also ovipar gewesen sein müssen, wie die heutigen Monotremen ^). Erst ganz allmählich, nachdem die Säugethier-Eier ihren Dottergehalt einbüssten, erwuchs ihnen durch den langen intrauterinen Aufenthalt eine ungleich ergiebigere , unl)eschränkte Nahrungsquelle seitens der Mutter, so dass es jenes Dottermateriales nicht mehr l)edurfte. Es kam zu immer innigeren Beziehungen zwischen mütterlichem und fötalem Gefäss-System , allein wie ausserordentlich langsam sich dieser Process vollzog, Ijcweist die Thatsache, dass heute noch zwei niedere Säugethier- ordnungen existiren, welche es noch nicht zu der el)cn genannten Verbin- dung gel^racht liaben ; es sind dies die unter dem Namen der Mam- malia aplacentalia (richtiger M. achoria) bekannten Monotremeu und Marsupialier. Ihnen werden, wie öfters schon bemerkt, die übrigen Säuger als Mammalia choriata resp. placentalia gegenül)ei'- gestellt. Es wird sich also zunächst um Beantwortung der Frage han- deln, wie sich bei der erstgenannten Gruppe die physiologische Ver- bindung zwischen Mutter und Frucht gestaltet.

Beim Monotremcn-Ei, das den übrigen Säugethier-Eiern gegenüber geradezu als monströs l)ezeichnet werden darf, tindet eine Ernährung durch die Schalenhaut hindurch von Seiten der Uteruswand statt. So wächst es rasch l)is zu einem Längsdurchnicsser von 15 und einem Querdurchmesser von 13 Millim. heran, wird abgelegt und dann in den Brutl)eutel gebracht, wo das Junge auskriecht (vergl. das Capitel über die Haut).

Bei Didelpliys und Pliascolarctos cinereus finden sich zu einer Zeit, wo die Allantois noch uanz klein ist, einfaclie, von den Vasa

1) Dafür spricht auch die Thatsache, dass die M o n o t r e m e n und Marsupialier aiu-h heute noch sehr grosse dotterreiche Eier produziren.

Beziehungen zwischen Mutter und Frucht. 3oV

vitelliua eingenommene Zotten an der Stelle der Serosa^), wo sie mit dem Dottersack verwachsen ist-).

So sehen wir also bis zu den Säugethieren hinauf phy- siologische Beziehungen zwischen Dottergefässen und der Mucosa uteri fortbestehen.

Sehr beachtenswerth ist der Umstand, dass die Eier aller Mam- ma 1 i a in sehr frühen Entwicklungsstadien , d. h. noch vor der Difife- renzirung des Dotter- oder Nabelbläschens , durch U t e r i n 1 y m p h e, d. h. durch weisse Blutzellen ernährt werden , welche die Mucosa uteri massenhaft durchwandern. Später tritt dann das reich vasculari- sirte Nab elbläs cheu in Function, und nachdem dieses seine Rolle ausgespielt hat, wachsen die Allantoisgefässe in die mit Zotten besetzte Serosa und von hier aus in die Uteruswand hinein, wo sie von dem mütterlichen Blut umspült werden.

Damit ist die letzte und höchste Etappe in der stufen- weisen Entwicklung der physiologischen Beziehungen zwischen Mutter und Frucht erreicht.

Eingeleitet werden diese Verhältnisse dui'ch die sogenannte Pla- centa diffusa, wie sie sich beim Schwein, den Xylo p öden, dem Tapir, den Einhufern und Cetaceen, dem H i p p o p o t a m u s, den Tragulina, Sirenia und einigen frugivoren Eden taten findet.

Bei allen diesen handelt es sich um g 1 e i c h m ä s s i g über die seröse Hülle vertheilte, vascularisirte Chorionzotten von verhältnissmässig einfacher F o r m , so dass hierfür eigentlich der Name Place nta noch nicht passt.

Die nächst höhere Entwicklungsstufe charakterisirt sich dadurch, dass sich die Chorionzotten reicher verästeln, an Oberfläche gewinnen und an bestimmten Stellen zu sogenannten Cotyledoiieii ^), d. h. zu mehr oder weniger zahlreichen , einzelnen, kleinen P 1 a c e n t e n zu- sammenrücken. Auch die Uterus mucosa zeigt sich an den betref- fenden Stelleu blutreich und gewuchert, so dass man von jetzt an eine Placeiita foetalis und uterina unterscheiden kann.

Eine Placenta cotyledonica besitzen die meisten Wie- derkäuer, und einige davon, wie Cervus mexicanus und die Giraffe, erheischen dadurch noch ein weiteres Interesse, dass sie ein Uel)ergangsglied l)ilden, insofern ihre Placenta theilweise noch diffus, theilweise schon eine cotyledonica ist.

Bei allen Säugethieren mit Placenta diffusa und cotyle- donica ziehen sich die chorialen Zotten, wenn sie auch noch so reich verästelt sind , bei der Geburt aus der Uterusschleimhaut heraus ; es werden also keine Theile der Gebärmutter mit abgeworfen, d. h. es l)ildet sich keine sogenannte Membrana d e c i d u a. Aus diesem Grunde bezeichnet man die betreffenden Säugethiere als Mammalia iion deciduata.

Eine weitere Stufe in der Entwicklung wird durch jene Form dar- gestellt, welche man als Scheiben- und Crürtelplacenta bezeichnet.

1) Im Uebrigen ist die Serosa glatt, zeigt also noch ein sehr primitives Verhalten.

2) Bei andern MarsupiaHern existiren keine Zottenbildungen. In diesem Falle legt sich der Dottersack mit seinen Gefässen der an der betreffenden Stelle fettig degenerirendeu Uterus-Schleimhaut, welche die Ernährung vermittelt, direct an.

3) Ihre Zahl schwankt bedeutend, so finden sich beim Schaf und der K u h 60 100 beim Reh nur 5 6.

Wi edersli ei m , Grundriss der vergl. Anatomie. )i. Aufl. 22

338 Specieller Thcil.

Auch hier kaun mau wieder eine Placeuta foetalis uud uterina unterscheiden, allein ihre Verbindung ist eine viel innigere als bei der früher betrachteten Form. In beiden Fällen , die eine secundäre Erwerbung darstellen, beschränkt sich der placentale Theil des Chorions auf einen verhältnissmässig kleinen Theil der Uteruswand. Es handelt sich dabei um jene Stelle, wo es zur Anlage eines Chorion frondo- sum kommt. Die Zotten desselben treten durch überaus feine Ver- ästelung in so innige Beziehungen zum Uterus und durchwachsen dessen Mucosa, bis schliesslich das Loslassen von letzterem zur Unmöglichkeit wird. Deshalb nmss also bei der Geburt ein grösserer oder geringerer Theil der Gebärmutter-Schleimhaut, d. h. die sogenannte Membrana decidua, ausgestossen werden. Aus diesem Grunde bezeichnet man die betreffenden Thiere als Mammalia deciduata. Eine Scheiben- pia c e n t a kommt den Insectivoren, Nagern, Chiropteren, L e m u r e n und den Primaten zu (Mammalia cliscoplaceiitalia), eine Gürtelplacenta, welche nur die beiden Eipole mehr oder weniger freilässt, den Carui v o r en, Pinuipediern und Elefanten (Mam- malia zonoplacentalia).

Aus allem diesem erhellt, dass die Placenta für die Classification der Thiere nur mit sehr grosser Vorsicht zu verwerthen ist, da durch dieselbe die heterogensten Typen (ich erinnere nur an die Placeuta diffusa) zusammengruppirt werden.

Was das feinere histologische Verhalten der Placenta anbelangt, so kann hierauf nicht weiter eingegangen werden , nur Eines möchte ich noch betonen, nämlich den Umstand, dass die Zotten nicht frei ins mütterliche Blut hineinragen, sondern dass sie bei ihrer Vor Wucherung die Wände der sinuös erweiterten mütte rlichen Capillaren einstülpen und sozusagen vor sich her schieben. Sie erhalten also auf diese Weise einen aus mütterlichem Gewebe gelieferten Endothel- belag.

W u n d e r n e t z e.

Darunter versteht man den plötzlichen Zerfall eines venösen oder arteriellen Gefässes in ein Büschel feiner Aeste, die unter einander anastomosireud schliesslich in ein Capillarnetz sich auflösen oder nach ihrer Auflösung wieder zu einem grösseren Gefässe contluiren. Im ersteren Fall spricht man von einem unipolaren, im letzteren von einem bipolaren Wundernetz. Handelt es sich nur um Arterien, oder nur um Venen, so hat man es mit einem Rete mirabile simplex, bei Mischung beiderlei Gefässe aber mit einem Rete mirabile duplex zu thun.

Die Wundernetze haben immer eine Verlangsamung des Blutstromes uud dadurch eine Veränderung der Diffusionsverhältnisse zum Ziele. Sie finden sich äusserst zahlreich in der ganzen Wirbelthierreihe, uud zwar an den allerverschiedensten Stellen des Körpers, wie z. B. in den Nieren , wo ihre soeben skizzirte physiologische Aufgabe am klarsten hervortritt ; ferner an den Augenästen der Carotis interna, in der Pseudo- branchic, und an den Gefässen der Schwimmblase der Fische, im Bereich der Intercostalarterien der Cetaceen, an der Pfortader etc. etc.

Lymphgefässsystem. 339

Lymphgefässsystem.

Bei den Anamnia, also bei Fischen i) und Amphibien, sowie bei Reptilien sind die Lymphbahnen und das gilt namentlich für die Fische vielfach noch nicht deutlich differenzirt, sondern z. gr. Th. an die grossen Blutbahnen resp. an den Bulbus arteriosus und den Herzventrikel geknüpft, d. h. sie bilden im letzteren Falle, im adventitiellen Gewebe liegend, Scheiden um dieselben. Ausserdem aber finden sich gleichwohl schon zahlreiche, selbständige Lymphgefässe, welche von einem Capillarnetz unter der Haut entspringen und sich in den Ligamenta i n t e r m u s c u 1 a ri a verbreiten.

Was die sogenannten Lymphherzen der Fische anbelangt, so bedürfen sie noch genauerer Untersuchungen. Vortrefflich studirt sind sie bei Amphibien und Sauropsiden. Bei diesen liegen sie ent- weder nur am hinteren Leibesende zwischen Becken und Steissbein oder auch noch, wie z. B. bei Fröschen zwischen den Querfortsätzen des dritten und vierten Wirbels. Bei Urodelen finden sich zahlreiche Lymphherzen längs der Linea lateralis unter der Haut. Bei Rep- tilien sind nur hintere Lymphherzen vorhanden. Sie liegen auf der Grenze der Rumpf- und Caudalgegend auf Wirbelquerfortsätzen oder Rippen. Ihre Wand ist, der eingelagerten Muskeln wegen, rhythmischer Contractionen fähig. Bei Säugethieren ist nichts Derartiges nach- zuweisen.

Ausnehmend grosse lacunäre Lymph räume finden sich unter der Haut der ungeschwänzten Amphibien, die dadurch leicht verschiebbar und vom Körper abhebbar erscheint. Diese suljcutanen Lymphsäcke stehen mit den Rumpflymphsäcken des Cavum peritoneale in offener Verbindung.

Unter den letzteren spielt bei Fischen, Dipnoern und Amphi- bien der subvertebrale Lymphraum eine grosse Rolle. Er um- hüllt die Aorta resp. die Urogenitalorgane (Dipnoer) und steht mit dem im Gekröse liegenden (mesenterialen) Lymphraum, in welchen die Lymphgefässe des Darmes münden, in Verbindung. Bei Fischen und Dipnoern liegt auch innerhalb des Wirbelrohres noch ein grosser lymphoider Längsstamm.

Je höher man nun in der Thierreihe emporsteigt, desto häufiger begegnet man Lymphbahnen mit selbständiger Wandung, und so unterscheidet man von den Vögeln an einen praevertebral gelagerten, grossen Längsstamm, den Ductus thoracicus. Dieser beginnt bei den Säugethieren in der Lendengegend häufig mit einer sinuösen Er- weiterung (Cisterna chyli) und nimmt die Lymphe der hinteren Extremitäten, des Beckens, des Urogenitalsystemes und die Chylus-

1) Das Lymphgefäss-System der Fische bedarf erneuerter Untersuchungen, wie aus der trefflichen Arbeit Paul Mayek's zur Genüge hervorgeht. Nach diesem Autor, welcher sich hierin RoBiN und T. J. Parker anschliesst, fehlen in der Haut des Selachierkörpers c o n - staute Lymphbahnen durchaus. Stets handelt es sich hier entweder um eine Vene, eine Arterie oder eine Capillare, welche alle je nach Umständen reines Blut (rothe und weisse Körperchen mit wenig Chylus) oder Chylus oder ein Gemisch von beiden führen können. Interessant sind dabei gewisse Einrichtungen in Form von spbincterartig um die Ge- fässe angeordneten glatten Muskeln , welche die allgemeine Circulation vorübergehend ab- zuschliessen im Stande sind. Die Gefässe an den Eingeweiden, speciell am Tractus, verhalten sich ähnlich und speichern zu Zeiten den Chylus auf, während sie zu andern Verdauungsperioden Blut führen. Gesonderte Chylusgefässe sind bisher noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen worden. Wahrscheinlich verbalten sich die Dipnoer ebenso.

340 Specieller Theil.

gefässe des Darmes auf. Nach vorne ergiesst er sich in die linke Vena brachio-cephalica und bei Sauropsiden auch in die rechte. In dieselbe Vene mündet von vorne her der Lymphstrom des Kopfes, des Halses und der vorderen Extremitäten.

Die Lymphgefässe der Vögel und Säuger sind, wie das venöse System, mit Klappen ausgerüstet , die ihrer Anordnung gemäss eine bestimmte Ilichtung des Lymphstromes garantiren und andererseits eine Rückstauung desselben verhüten.

Wie das Blut, so besteht auch die Lymphe aus zwei Bestandtheilen, nämlich aus Flüssigkeit (Plasma) und zelligen Elementen (Lympli- körperchen , Leukocyten). Letztere sind uns im Capitel über den Tractus intestinalis schon einmal begegnet, und ich hal)e dort auf ihre grosse physiologische Bedeutung hingewiesen. Wie sie nun dort von den solitären Follikeln und den Peyer'schen Plaques aus durch die Mucosa hindurch ins Darmlumen hereinwandern, so thun sie dies auch von allen übrigen Schleimhäuten, sowie von den sogenannten Tonsillen aus. Diese kommen, wie es scheint, nur den Säugern zu und be- stehen aus einem paarigen, jederseits am Isthmus faucium, d. h. am Uebergang der Mund- in die eigentliche Rachenhöhle sowie in der letzteren selbst („Pharynxtonsille") liegenden Organ, an dem mau eine bindegewebige (adenoide) Grundsubstanz mit Infiltrationen von Lymphkörperchen, welche sich zu sogenannten Follikeln ordnen, unter- scheiden kann. Damit soll übrigens nicht gesagt sein , dass lymphoide Organe in der Mundhöhle der Amphil)ien und Sa urops iden etwa gänzlich fehlen würden. Sie sind hier von verschiedenen Autoren, wie z. B. von HoLL und Killian, nachgewiesen worden.

Eine sehr ausgedehnte Rolle spielt das lymphoide Gewebe in der Leibeshöhle der Fische und Amphibien. Es findet sich hier, ganz abgesehen vom Darracanal, in starker Anhäufung in der Umgebung der Urogenitaldrüsen, welch letztere oft ganz darin eingepackt liegen (D i p n o e r). Dahin gehört auch der sogen. „F e 1 1 k ö r p e r" der Amphibien und Reptilien, sowie die lymphoiden Gewebsmassen am Störherzen. Endlich ist vielleicht auch die sogen. „Winter- schlafdrüse" gewisser Nager hieherzurechneu.

Eine innigere Vereinigung solcher Follikel führt dann zu jenen Bildungen, die man als Lymphdrüsen bezeichnet. Sie liegen stets in den Lauf eines Lymphgefässes eingeschaltet , so dass man ein V a s afferens und efferens unterscheiden kann; wahrscheinlich treten sie erst bei Vögeln auf und finden sich namentlich bei Säugethieren, wo sie an den verschiedensten Körperstellen vorkommen , massenhaft und in den verschiedensten Grösseverhältnissen.

In allernächster Verwandtschaft zu den Lymphdrüsen steht die Milz, die fast sämmtlichen Wirbelthiereu zukommt. Sie liegt häufig in der Nähe des Magens, doch wird sie hie und da auch an andern Stellen des Tractus intestinalis, wie z. B. am Beginne des Enddarmes (Anu- r e n , C h e 1 o n i e r) getroffen.

Bei beiden Apparaten, bei den Lymphdrüsen, wie bei der Milz, handelt es sich um die Erzeugung von Lymphzellen, doch hat man bis jetzt in das eigentliche physiologische Verhalten noch keine vollkommen klare Einsicht. Bezüglich des feineren Baues muss ich auf die histo- logischen Lelirbüclier verweisen.

Organe des Harn- und Geschlechtssystems. 341

Literatur.

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F. Hochstetter. Beiträge zur vergl. Anat. und Entto -Gesch. des Venensystems der Amphibien

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Transact. Royal Soc. of London. Vol. 179. 1888. Mascagni. Prodrome d'un ouvrage sur le Systeme des vaisscaux lymphatiques. Sienne 1784 Derselbe. Vasorum lymphaticorum corporis humani historia et iconographia. Senis 1787. F. Maurer. Die Kiemen und ihre Gefässe bei Anureu und ürodelen Amphibien ect. Morphol.

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Paris 1880. Ph. Stöhr. Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. Morphol. Jahrh. Bd. IL 1876. W. Weliky. Ueber vielzählige Lymphherzen bei Salamandra mac. und Siredon piscif. Zool.

Anz. Nr. VII. Nr. 183. 1884. [Vergl. auch die Lehrbücher der mcnschl. Anatomie.)

I. Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

Die erste Anlage der Urogenitalorgane sämmtlicher Wirbel- thiere erfolgt im Bereich der dorsalen Körperwand, rechts und links von der Wirbelsäule. Dabei handelt es sich nicht allein um nahe gegen- seitige Lageverhältnisse, sondern auch um morphologische und physiologische Beziehungen allerengster Natur. Aus diesem Grunde müssen beiderlei Organe, d. h. Harn- und Geschlechts- organe, bei der Darstellung in einen einheithchen Rahmen gebracht werden.

Das erste Organ, welches in die Erscheinung tritt, ist die Vorniere (Pronepliros), gefolgt vom Vornierengang. Die Vorniere ent- steht aus einer Ausstülpung des Coelomepithels und steht durch eine wechselnde Zahl von trichterartigen Oehuungen, die bei Anamnia in der Regel von Wimperepithel ausgekleidet sind, mit dem Leibesraum in Verbindung.

So ist eine primitive Harndrttse gebildet, zu welcher die Aorta durch aussprossende Gefässe (Glomerulus - Bildung) in Beziehung tritt. Was ihren Ausführungsgang, den Vor nierengang, anbelangt, so ist seine erste Entstehung augenblicklich noch Gegenstand der Controverse, doch nehmen die meisten Autoren für ihn eine ektodermale Ent- stehung an.

342 Specieller Theil.

Dieselbe ist nach den Untersuchungen J, W. van Wijhe's an Selachier- Embryonen so zu denken, dass die Vorniere bald,- nach ihrer Entstehung mit dem Ektoderm verschmilzt und dass in Folge einer Wucherung des Epiblast - Epithels von dieser Stelle aus der Gang derart nach rückwärts wächst, dass sein jüngstes Ende stets mit der Haut verbunden ist (An- deutung eines bei den Vorfahren der heutigen Wirbelthiere nach aussen, d. h. durch das Integument sich öffnenden Excretionscanales).

Der Vornierengaug erreicht schon sehr frühe die Cloake, und indem er sich in dieselbe öffnet, ist eine Verbindung zwischen Coelom und Aussenwelt hergestellt.

Während nun die V o r n i e r e selbst als H a r n d r ü s e bei sämmt- lichen Cranioteu nur eine transitorische Bedeutung bat, persistirt ihr Gang bei allen Vertebraten , gebt aber zugleich hochwichtige Um- bildungen ein. Diese sind eng geknüpft an das Auftreten eines zweiten, ungleich umfangreicheren Excretionssystems , das man als Urniere (Mesonephros) bezeichnet und das, ontogenetisch später auf- tretend, die allmählich schwindende Vomiere zu ersetzen berufen ist. Der Vornierengang wird zum Urnierengang.

Was die Urniere selbst anbelangt, so entsteht sie ganz selb- ständig und zeigt ursprünglich, wie z.B. bei Selachiern, eine streng segmentale Anlage. Diese beruht darauf, dass die Urnieren- röhrchen den primitiven Communications-Canälchen eines Somites mit der Leibeshöhle entsprechen (Fig. 278). Wenn sich das Somit von letzterer abschnürt, so wird jene Communicationsröhre in ein Blind- säckchen umgewandelt, welches nach wie vor von der Leibeshöhle aus- geht und eine Ausstülpung derselben vortäuscht (Sedgw'Ick, van Wijhe).

Die so gel)ildeten Urnierenblindsäckchen brechen nun in den Vor- nierengang durch.

Auch in jenen Körpersegmenten, in welchen sich die Vorniere be- findet, werden jene Urnierencanälchen getroffen. Daraus ergiebt sich der Schluss, dass die Ostia der Vorniere den Peritoneal- trichtern der Urniere nicht homolog sein können; die Entstehung beider Organe ist ja eine verschiedene: die Vorniere entsteht als eine Ausstülpung, die Urniere nicht. Vorniere und Urniere können also nicht Diffe- renzirungen eines ursprünglichen Excretionssystems sein mit segmental angeordneten, nach aussen münden- den Nierenröhrchen (J. W. van Wijhe).

Die obige Darstellung bezieht sich auf die Ergebnisse bei Selachier- embryonen, und ich habe diese zum Ausgangspunkt gewählt, weil sie, wie dies ja auch für andere Organsysteme der Selachier gilt, offenbar ur- sprüngliche V e r It n i s s e darstellen. Wenn bei andern Anamnia und dann namentlich auch bei Amnioten ein andrer Entstehungsmodus der Urniere nachgewiesen werden konnte, so handelt es sich eben um eine Verwischung des ursprünglichen Verhaltens.

Eines steht aber fest, dass auch bei den Amnio tan eine vom Coe- lomepithel aus sich entwickelnde Vorniere noch vorübergehend auftritt und dass man während ihrer Existenz auch hier noch von jenen trichter- artigen Communicationsöffnungen mit der Leibeshöhle sprechen kann.

Was die Urniere der Amnioten anbelangt, so tritt ihi*e segmen- tale Anlage da und dort nicht mehr so deutlich hervor wie bei den Anamnia.

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

343

An jedem Canälclien der Urniere in seiner ursprünglichen Form handelt es sich um folgende Abschnitte : 1) um eine trichterartige, von Wimperepithel ausgekleidete Communication mit der Leibeshöhle (Segmentaltrichter, Nephrostom, Figur 278, A ST), 2) mn einen arteriellen, in der sogenannten Bowm an 'sehen Kapsel liegenden, d. h. in die Canalwand eingestülpten Gefässknäuel (Glomerulus) ; beide zusammen bilden das Malpiglii'sche Körpercheii , iltf ; 3) um einen gewundenen Drüsenschlauch {BS) und 4) endlich um ein den letz- teren mit dem Sammelgang in Verbindung setzendes Endstück (ES).

Somit werden bei diesem primitiven N i e r e n s y s t e m zwei Functionen in Betracht kommen, einmal eine Ab- leitung von Coelomflüssigk eit und dann vor Allem eine Ausscheidung von Stoffen der regressiven Metamor- phose, wobei die Epithelien dem Blut gegenüber aus- wählend verfahren.

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Fig. 278. Querschnitt durch den W^irbelthierkörper, mit Zugrunde- legung der Verhältnisse bei den Selachiern. Schema. Die rechte Hälfte der Figur stellt frühere embryonale Verhältnisse (Stadium des Vornierensystems) dar. Links hat sich die Urniere vom Somitencanal bereits diflerenzirt und die Vorniere ist nahezu verschwunden.

1/ed Medulla spiu., Ca Chorda, A Aorta, welche lateralwärts aussprosst, um dasMal- pighi'sche Körperchen (il/) zu bilden, letzteres liegt in der Bo wm a n'schen Kapsel (ÄiT), ventralwärts (*) sprossen die Mesenterialarterien in das Mesenterium 318 hinein , CE Coe- lomepithel, ST Segmentaltrichter der Urniere, DS Schlinge der Urniere, ES Endstück der- selben, welches im Begriffe ist in den Vornierengang VNG^ durchzubrechen, VNG Primi- tiver Vornierengang mit der Vorniere VN in offener Verbindung, VN^ Vorniere im Schwund begriffen, SoH Somitenhöhle, durch den Gang SoH^ mit dem Coelom in Verbindung stehend, Int Integument.

344 Specieller Theil.

Dieses zweite Nierensystem, die Urniere, spielt bei den Anam- II i a die allergrösste Holle ; während es aber bei den meisten Fischen lediglich als H a r n s y s t e m bestehen ])leibt , geht es b e i a n d e r n (Mehrzahl der Selachier), wie auch bei allen Amphibien und Aninioten gewisse Beziehungen zum Geschlechts- apparate ein; es wird zum Rete sowie zu den Vasa effe- rentia testis, ferner zum Nebenhoden, sowie endlich zu mehr oder weniger rudimentären Gebilden von untergeord- net e r B e d e u t u n g , n ä m 1 i c h z u ni Nebeneierstock (P a r o v a r i u m), Paroophoron , zu der einen Hydati de und Paradidymis. Daneben kann die Urniere als bleibendes Harnsystem noch fortbestehen (Selachier, Amphibien) oder erfährt sie als solches eine gänz- hche Rückbildung (Amnioten), und in diesem Falle ])ildet sich dann ein drittes Nierensystem , die definitive Niere (Metanephros) zu- sammt dem ebenfalls neu sich bildenden Harnleiter (Ureter). Niere und Harnleiter nehmen ihren Ursprung vom U r n i e r e n g a n g , sind also, wenn auch nur iudirect, auf das Epiblastepithel z u rückzuführen.

Mit dem Auftreten der definitiven Niere ist somit die dritte Etappe in der Entwicklung des Excretions-Systemes der ^Yirbelthiere erreicht. Es ist schwer einzusehen, was den Anstoss zu ihrer Entste- hung gab, und zwar um so mehr, als Amnioten (z. B. unter den Reptilien Lacerta) existiren, bei welchen die Urniere bis zum zweiten Lebensjahr ihres Besitzers nel)en der definitiven Niere in Func- tion bleibt. Auch bei zahlreichen andern Sauriern (bei Uromas tix und C h a m a e 1 e o z. B.) finden sich das ganze Leben hindurch mehr oder weniger ansehnliche , offenbar noch fimctionirende Reste der Urniere resp. des Urnierenganges (Schoof).

Darin liegen gewissermassen Uebergänge zu den Anamnia, und es müssen einst Amnioten existirt haben, bei welchem die Urniere auch das Hauptnierensystem das ganze Leben hindurch r epr äs entirte, während die j etzige eigentliche Niere noch höchst unvollkommen war. Später wurde dann jene für die Excretion ungenügend ; die neue Niere begann die Hauptrolle zu spielen und jene wurde überflüssig (Mihalcovics).

Ich habe oben bemerkt, dass die Urniere von den Amphibien und Reptilien an in Beziehung zum Geschlechtsapparat tritt. Zu- gleich machte ich aber auch darauf aufmerksam, dass bei den Am- phibien gleichzeitig ein gewisser Abschnitt der Urniere als Harn- drüse noch bestehen bleibt.

Diese Arbeitstheilung denn um eine solche handelt es sich hier zieht nun den Urnierengang in Mitleidenschaft, insofern er bei den Männchen der Amphibien nicht nur als Ausführungsweg für den Harn, sondern auch als solcher für den Samen dient; kurz, er wird hier zum Harnsamenleiter oder Leydig'sclien Grang. Gleich- wohl al)er entspricht er in dieser Form nicht mehr dem ganzen (uns bis jetzt bekannten) primären Urnierengang, sondern nur einem T heile desselben. Mit andern Worten: In Folge der sclion erwähnten doppelten Function des primären Urnierenganges ist es l)ei Amphibien (auch die Selachier gehören schon hierher, vergl. die Anmerk.) zu einer in der Längsrichtung erfolgenden Abspaltung ^ des-

1) Bei den Selachiern kommt es durch Auftreten einer das Lumen durclisetzen- den und zugleich in proximo-distaler Richtung fortwachsenden Falte zu einer förmlichen

Orgauo des Harn- und Geschlechtssystems. 345

selben in zwei Canäle gekommen. Der eine ist der oben schon be- sprochene H a r n s a m e n 1 e i t e r (L e y d i g ' s c h e r Gang oder s e c u n - dar er Uruiereng aug, der andere wird als Müller'scher Grang bezeichnet. Beim männlichen Geschlecht, auf welches er vom weib- lichen vererbt zu denken ist, bleibt der Müll er 's che Gang in der Regel rudimentär, während er beim Weibchen zum aus- schliesslichen Geschlechts gang wird und als solcher in einen proximalen, kopfwärts liegenden, einen mittleren und einen di- stalen oder caudalen Abschnitt zerfällt. Der erste wird als Eileiter (Tuba), der zweite als Fruelitliälter (Uterus), der dritte als Scheide (Vagina) Ijezeichnet.

Auf Grund dieses Verhaltens wird bei weiblichen Amphibien und Selachiern der secundäre Urnierengang nur als Aus- führungsgang der Urniere benützt.

Was nun die Amiiioteii anbelangt, so ist die Entstehung des Müller 'sehen Ganges noch Gegenstand der Controverse, d. h. es ist noch nicht erwiesen, ob sein caudalwärts erfolgendes Wachsthum selbständig oder unter Betheiligung des Urnierenganges erfolgt. Mag es sich nun so oder so verhalten, schliesslich erreicht der Mülle r'sche Gang ebenfalls die Cloake und bricht durch.

Am proximalen Ende des Mül 1er' sehen Ganges, d, h.an den Lippen des abdominalen Ostium tubae, entstehen bei den höhereu Amnioten Erhe- bungen, Einschnitte; das sind die sogenannten Fimbrien. Wohl davon zu sondern ist aber die bei Säugethieren zn hoher Bedeutung gelangende Fimbria ovarica. Diese stellt nach den Untersuchungen von Mihal- Kovics den proximalen Theil einer Peritonealleiste dar, die bei ganz jungen menschlichen Embryonen an der medialen Seite der Urniere, von der Tubenöffnung an bis zur Leistengegend hinunterzieht und deren mitt- lerer Theil zur (icsclilechtsdrüse wird, während aus den andern Theilen

Abspaltung des gesammten primitiven Urnierenganges in seiner ganzen Lange. Dies gilt übrigens nur für das weibliche Gesclilecht, bei männlichen Thieren, mit Ausnahme der Chi- maer a, wo sie ebenfalls eine totale ist, wird jene Trennung nur angedeutet. Bei Am- phibien handelt es sich bei dem Zustandekommen der zwei Canäle um eine solide, und erst secundär in der Richtung von vorne nach hinten sich höhlende Wucherung der Canal- wand mit secundärem Durchbruch des Ostium abdominale tubae.

Nach den Untersuchungen Balfour's und Semper's gestalten sich die genaueren Bil- dungsvorgänge bei den Selachiern folgendermassen. Die bleibende Oeffnung des Müller 'sc he II Ganges entspricht der ursprünglichen Oeftnung des Vor nieren- ganges. Mit andern VS^orten : der vordere Abschnitt des Vornierenganges wird bei weib- lichen Selachiern ganz in das Vbrderende des Müller'schen Ganges verwandelt und erst weiter hinten kommt es zu der oben erwähnten Abspaltung. Beim Männchen fängt die Abspaltung weiter vorne an.

Die ganze Bildungsweise des Müller'schen Ganges spricht dafür, dass derselbe ur- sprünglich Beziehungen auch zum Coelom und nicht nur zur Geschlechts- drüse besessen haben muss.

Nach Kollmann entsteht auch bei Amphibien der Müller'sche Gang, ganz wie bei Amnioten, unabhängig vom primären Urnierengang, d.h. als eine Ausstülpung vom Coelomepithel her. Nach Fürbringer ist das bei Salamandra nur ausnahmsweise der Fall. Vielleicht liegen hier die Uebergangsstufen zwischen der verschiedenen Bildungs- weise des Müller'schen Ganges bei Anamnia und Amnioten. Weitere Untersuchungen sind abzuwarten. Bei A n u r e n entsteht der Müller'sche Gang erst, wenn die Larve den letzten Rest eines Schwanzes verloren hat, und zwar handelt es sich theils um eine Ab- spaltung vom Vornierengang, theils um eine selbständige Entstehung (Neubildung aus dem Peritonealepithel). Letzterer Entstehungsmodus spielt weitaus die Hauptrolle und dadurch ist die absolut selbständige Entstehung des Ganges bei Amnioten bereits augebahnt. Das Ostium tubae bricht erst secundär durch.

346 Specieller Theil.

solche Peritonealfalten eotstehen, in deren freiem Rand das Bindegewebe sich strangartig verdickt. Der distale Strang ist als Huntcr'sches Leitband bekannt; der proximale ist eben die Fimbria ovarica^). Die nahen Beziehungen dieser Fimbrie zum Eierstock finden in ihrer eigenen Entwick- lung eine Erklärung: die Fimbrie ist nämlich der proximale Theil der Geschlechtsleiste, au welcher aber die speci- fi sehen Geschlechtszellen nicht zur Entwicklung kommen.

Bei deu Sauropsideu, wie bei den Anamnia, l)leiben die M ü 1 1 e r ' s c h e n Gänge stets das gange Leben hindurch getrennt und dies gilt auch noch für die niedersten Säugethiere , die Didelphen. Bei allen übrigen Mammalia aber kommt es noch in embryonaler Zeit zu einer mehr oder weniger ausgedehnten Verwachsung derselben, und zwar l)eginnt diese wahrscheinlich bei allen Monodelphen im oberen Drittel des sogenannten Geschlechtsstranges, bevor noch der Durchbrucb in den Urogenitalsinus erfolgt ist. Uel)er den Zerfall in Tuba, Uterus und Vagina gilt das oben schon Mitgetheilte.

Wie bei den Anamnia, so spielt auch bei den Amnioten der Müller'sche Gang im männlichen Geschlecht nur eine sehr untergeordnete Rolle und verliert fast jegliche physiologische Bedeutung. Während sein proximaler Abschnitt zu dem unter dem Namen der un- gestielten Morgagni'scheii Hydatide bekannten kleinen Anhängsel des Hodens wird, confluiren die distalen Fanden mit einander und er- zeugen ein kleines Bläschen, den sogenannten Uterus masculiniis, der sich später in den Sinus urogenitalis ötfnet. Dies trifft übrigens nur für die Säugethiere zu, da es bei den Sauropsideu im männ- lichen Geschlecht nie zum Durch bruch der Müller'schen Gänge in die Cloake kommt.

Was nun die späteren Schicksale des U r niereng an g es oder, wie er häufig auch genannt wird, des Wolff'schen Ganges beim männlichen Geschlecht anbelangt, so bestehen sie, um gleich mit der Hauptsache zu beginnen, darin, dass derselbe ausschliesslich in den Dienst des Geschlechtsapparates tritt. Wie beim weiblichen Geschlecht der Müller'sche, so dient beim männlichen der Ur- nierengang zur Abfuhr der Geschlechtsproducte , kurz er wird in seinem grösseren distalen Abschnitt zum Samenleiter (Vas deferens), in seiner kleineren proximalen Partie aber zum Körper und Schwanz des Nebenhodens.

Beim weiblichen Geschlecht erfährt der Urnierengang seiner grössten Ausdehnung nach in der Regel eine Rückbildung, jedoch kann er da und dort (gewisse Säuger) als sogenanii,ter Gärtnerischer (xang erhalten bleiben. Im letzteren Fall ist er in der Seitenwand des Uterus und der Vagina zu suchen, und seine Ausmündung würde -auf Grund der homologen Beziehungen zwischen dem Colliculus semin alis und dem Hymen im Bereich des letzteren liegen.

Verhältnissraässig am häufigsten erhält sich das p i' o x i m a 1 e E n d e des Urnierenganges, das sich weiterhin am Aufbau des später zu schil- dernden Neheneierstockes (Parovarium) betheiligt.

Ueber alle diese Verhältnisse vergl. Fig. 279 A-H.

1) Die Geschlechtsdrüse geht bei ihrem später zu schildernden Descensus aus ihrer ursprünglichen Längsrichtung bei vielen Säugern nachträglich in eine Querstellung über.

'T J^

Fig. 279. Uel)< (Schema).

^ Vornierenstad

übe

Ur

FKO Vorn: fen, NH, NE derjenige Theil Par, Fa Rudimente der Uri ' tctis, +1 -

lide (ft '

JB Vornierenstadium mit allmählich auftretender Urnieie, C Ur- last verschwunden, 1} Urogenitalapparat der männlichen , JH der weiblichen Amphibien, F Urogenitalapparat der Ämnioten (Stadium der geschlechtlichen IndiflFerenz), G Urogenitalapparat der raännliclieu— , ff der weiblichen Ämnioten (ö'Mann, 2 Weib).

-" " ' engang, UN Urniere, bei UN^ noch in der Anlage begrii-

r Urniere, der zum Nebenhoden und Nebeneierstock wird, Paradidyrais und Paroophoron, f Rete et Vasa efferentia Gebilden homologes Netzwerk am Hilus ovarii, Oll gestielte Hyda- id GB stellen ebenfalls Rudimente der Urniere dar), BN derjenige Theil der Urniere', welcher bei Amphibien (und Selachiern) zur sogenannten Becken-Niere wird, VNG Umiereiigang, welcher bei männlichen Ampliibien (und Selachiern) zum Harnsamenleiter oder Leydig'schen Gang {LO), bei weiblichen zum Harnleiter {BL) wird. Bei den Ämnio- ten männlichen Geschlechts wird daraus der Samenleiter {SL), im weiblichen Gechlecht der Gartner'sche Gang (OG), SB die aus dem Utnierengang auswacbsenden Samenblaseu, W Weber'sches Organ, HG MüIler'^cher Gang, der sich bei Säugern in die Tuba (?'), den Uterus (üt) und die Vagina ( F") differenzirt, Os Ostium abdominale tubae, UH und Um ungestielte Hydatide und Uterus maaculinus (Rudimente des MüUer'schen Ganges), N die aus dem Urnierengang auswachsende definitive Niere (Metanepbros) der Ämnioten, sammt dem Ureter {Ur), AI Ällantois aus der die Harnblase {Bt) hervorgeht, Si Sinus urogenitalis, Gg Geschlechtsglied, OD Geschlechtsdrüsen, Cl Cloake, D Enddarm, Pab Fori abdominales.

Das System der Vorniere ist in blauem, das der Urniere in rotbem, das der defini- tiven Niere der Ämnioten iu schwarzem, das des MüUer'schen Ganges in gelbem Ton ge- halten. Der Vornieren- und Urnierengang ist hellgrün, der secundäre Urnierengang dun- kelgriin. Die noch In indifferentem Zustand befindlichen beiden Geseblechtsdrüsen sind in verschiedener Richtung, Hoden und Ovarium dagegen einfach schrafärt.

Auamnia.

Ämnioten.

Vomiere Salin und

Legt sick bei allen, über dem Ämphioxus stehenden Anamnia an, bleibt aber nirgends als bleibendes Harnsystem bestehen.

Legt sich wahrscheinlich bei sämmtliohen Ämnioten noch an , erfährt aber auch hier schon in foetaler Zeit eine vollständige Rückbildung.

Bleibt bei allen Anamnia zeitlebens bestehen, gewinnt aber secundäre Beziehungen zur Urniere und wird zum Ausführungsgang derselben.

Bleibt bei allen Ämnioten zeitlebens bestehen, gewinnt secundäre Beziehungen zur Urniere und wird zum Auäftthrung.sgang derselben.

1

1

1

Fungirt bei allen über dem Amphiosus stehenden Fi- schen zeitlebens als Harndrüae, gewinnt aber bei Selachiern und Amphibien in ihrem vorderen (pro- ximalen) Abschnitt (Geschlechtstheil der Urniere) Beziehungen zum CJeschlechtsapparat. Der hintere (distale) Abschnitt bleibt ausschliesslich als bleiben- des Harnsystera bestehen.

Yerliert bei allen Ämnioten, und zwar in der Hegel schon in embryonaler Zeit, ihre Function als Harn- drüse , verschwindet zum grossen Theil und geht mit dem Rest Beziehungen zum Geschlechts- apparat ein.

1

1

"Wird in ihrem proximalen Absohnitt zum ganzen Ne- benhoden, fungirt zugleich aber noch als Urniere.

Wird in ihrem proximalen Abschnitt zum Rete und den Vasa efferentia testis, zum Kopf des Nebenhodens und vielleicht zur gestielten Morgagni'schen Hyda- tide, in ihrer distalen Partie wird sie zur Paradidymis (Giraldes'sches Organ).

i

Wird in ihrem proximalen Abschnitt zum Nebeneier- stock, was jedoch nur in topographischer Beziehung gilt. Physiologisch bleibt dieser Abschnitt noch reine Urniere.

Wird in ihrem proximalen Abschnitt zum grössten Theil des Parovariums, in seinem distalen zum Paroo- phoron.

!

B

Fungirt bei der grö.ssten Mehrzahl der Fische nur als Ausführungsgang der Urniere.

Bei Selachiern und Amphibien dient er, nachdem er durch Abspaltung des .MüUer'schen Ganges zum se- cundären Urnierengang (.Leydig'schen Gang) gewor- den ist, als Hamsamenleiter.

Wird in seinem proximalen Abschnitt zum Körper und Schwanz des Nebenhodens, in seinem distalen zum Samenleiter (Vas deferens).

1

äs

Fungirt ausschliesslich als Ausführungsgang der Urniere d, h. als Harnleiter.

Geht in der Regel zum grössten Theil zu Grunde ; der proximale Theil erhält sich als eine Art von Sammel- gang zuweilen im Bereich des Nebeneierstockes. In gewissen Fällen kann er in seiner Gesammtheit als Gartner'scher Gang persistiren.

XI

m

Verfallt in postembryonaler Zeit einer Rückbildung, bleibt aber zeitlebens in seiner ganzen Continuität deutUch erkennbar.

Wird in seinem proximalen Abschnitt zur ungestielten Morgagni'schen Hydatide , in seinem distalen zum Uterus masculinus. .ausnahmsweise erhält er sich in seiner ganzen Länge als Rathke'scher Gang.

Wird zum gesammten Tractus genitalis.

Wird zum gesammten Tractus genitalis (Tuba, Uterus, Vagina).

Niere

und

Ureter

IHanD und fleib

fehlt.

Entwickelt sich vom distalen Fnde des Urnierenganges

n

3

B

fehlt.

f.

Gubernaculum Hunteri (Leitband des Hodens).

'S SC

fehlt.

'%

Ligamentum ovarii proprium, welches sich durch die Uterussubstanz hindurch ins Ligamentum uteri teres fortsetzt.

i

s

Hoden.

Hoden.

i-

Ovarium.

Ovarium.

Organe des Harn- und Geschlechtssystems. 347

Anfänglich münden sowohl die Geschlechtsgänge als der Darm nach hinten zu in einen gemeinsamen Hohlraum, in die sogenannte Cloake, ein Verhalten, welches bei sämmtlichen Sauro- psiden, sowie auch noch bei den niedersten Säuge thieren das ganze Leben bestehen bleibt. Bei den höheren Mam- malia jedoch kommt es im Laufe der Entwicklung durch Bildung des Mittelfleisches (Perineum) zu einer Abspaltung jener Canalmüudungen von einander, wodurch sowohl der Darm als auch der Urogenital- apparat getrennte Oetfuungen erhalten (Fig. 279 O, H). Nun erst kann man eigentlich von dem schon öfter erwähnten , eine stielartige (proximale) Verlängerung der Allantoisblase darstellenden ürogenital- sinus sprechen. An seiner Vorderwand bildet sich bei höheren Typen das Gresehlechtsglied.

Einen TJrogenitalcanal besitzen nur die Säugethiere; bei Vögeln verkümmert er schon in fötaler Zeit zusammt der Allantois, aus welcher er entstand. Bei diesen münden daher alle jene Gänge (Ureteren, Müll er 's che und Wolff'sche ) in die Cloake. Ein Damm kommt nicht zur Entwicklung.

Zum Schluss dieser einleitenden Bemerkungen noch ein Wort über die Entstehung des definitiven Harnsystems der Amnioten.

Aus der dorsalen Circumferenz des hintersten Endes vom Wolff- schen Gange, kurz, ehe sich derselbe in die Cloake resp. in den Urogenitalsinus einsenkt, sprosst ein Blindsack hervor, und dies ist die erste Anlage des Harnleiters der bleibenden Niere , d. h. der Ureter. Dieser wuchert in der Kichtung vom Becken gegen den Kopf zu in eine langgestreckte, zwischen den Somiten und dem Peritoneum gelegene Zellmasse hinein, welche hinter und theilweise auch noch dorsalwärts von den Urnieren beginnt und sich weit nach hinten erstreckt.

Üb jene Zellmasse, die Balfoije mit dem Namen Metanephros- blastem bezeichnet hat, unabhängig vom Peritoneum, aus meso- dermalem Gewebe sich bildet, oder ob sie aus einer zwischen Aorta und Wolff'schem Gang sich hineinerstreckenden "Wucherung des Peritoneal- epithels hervorgeht, kann, wie es scheint, vorderhand nicht mit Sicher- heit entschieden werden.

In das Metanephrosblastem eingedrungen, entsendet der Ureter an seiner medialen Seite eine Anzahl von blinden Sprossen, welche sich bald zu gabeln und in die aus dem Metanephrosblastem hervor- gehenden H a r n c a n ä 1 c h e n mit den Malpighi'schen Körper- chen einzusenken beginnen (Fig. 279 Cr, H N). Letztere stellen also die harnbereitenden Elemente dar, während aus dem sprossenden Ureter nur die Sammelgänge hervorgehen ^).

Der Ureter steht übrigens bei Vögeln und Säugern '^) an seinem Hinterende (Ausgangspunkt für seine Entwicklung) nicht lange mit dem Wolff sehen Gang in Communication, sondern beide Gänge erhalten

1) Dieser AuflFassung steht eine andere von Rem AK und Koelliker entgegen, wonach die Auswüchse aus dem Ureter sämmtliolie Tubuli uriniferi und die Kapseln der Malpighi'- schen Körper bilden würden, während aus dem umgebenden mesodermalen Gewebe Blut- gefässe entstehen.

2) Bei Reptilien bleibt der primitive Zustand der Einmündung des Ureters in das distale Ende des Urnierenganges zeitlebens erhalten,

348 Specieller Theil.

dadurch je eine gesonderte Ausmündimg in den Urogenitalcanal, da SS in die hintere Wand des letzteren das beiden an- fänglich gemeinsame Endstück a u f g e n o m ni e n wird.

Wenn dieses geschehen ist, liegen die beiden getrennten Mündungen zuerst noch nahe bei einander, doch nimmt jetzt schon der lateralwärts gelegene Ureter eine etwas höhere Lage ein als der Wolff'sche Gang. In der Folge aber rücken die Einmündungsstellen der Ureteren immer h(")her an der hinteren Wand des U ro gen i talcanal es hinauf, bis sie an die Grenze der spindelförmig erweiterten Harnblase und dann an deren hintere Wand gelangen. Dies beruht aber nicht sowohl auf einer activen Wanderung der Ureteren, als vielmehr auf einem stärkeren Auswachsen der hinteren Allantoiswand zwischen den Ein- mündungssteilen der Woltf'schen Gänge einer- und der Ureteren andrer- seits (MlHALCOVICS).

Nachdem sich auf die eben geschilderte Weise das bleibende Ex cretion ssy stem entwickelt hat, beziehen sich die weiteren Ver- änderungen im Wesentlichen auf die oben schon erwähnte Umwandlung des Woltf'schen Ganges in den Samenleiter des Männchens, aus welchem, kurz vor seiner Ausmündung, die Samenbläsclien auswachsen, sowie auf die ebenfalls schon besprochene Rückbildung, beziehungsweise Umbildung der Urniere (Fig. 279 G).

Geschlechtsdrüsen.

Bei sämmtlichen Wirbelthieren entstehen die weiblichen und männ- lichen G e n e r a t i o n s z e 1 1 e n , d.h. Ei- und Samenzellen, durch eine Difterenzirung des C o e 1 o m e p i t h e 1 s . Man spricht deshalb von einem Keimepithel, welches von der freien Coelomfläche aus, zu beiden Seiten der Somitenanlagen , dorsalwärts in das mesodermale Gewebe hinein- w^uchert.

Auf einen anfangs indifferenten Zustand der Geschlechtszellen folgen bald weitere, nach beiden Geschlechtern verschiedene Wachsthumsvor- gänge und dazu kommen noch gewisse Beziehungen zum Urnierensystem. Es wachsen nämlich Urnierencanälchen in die Keimdrüse herein , ver- flechten sich in derselben zu Netzen („Segmentalsträngen") und um- schliessen dabei (in einem späteren Entwicklungsstadium) die in Gruppen oder Nestern zusammenliegenden , noch inditterenten Geschlechtszellen, die sogenannten Ureier \).

Beim w'eiblichen Geschlecht, d. h. also im Ovarium, spielen jene Segmentalstränge nur eine vorübergehende Rolle und gehen wahrschein- lich später gänzlich zu Grunde. Es ist sehr uuwahrscheiidich, dass sie das Follikelepitliel bilden, denn letzteres ist auch bei den p]iern solcher Thiere in typischer Weise vorhanden, deren Segmentalstränge die Keim- drüse nachgewiesenermassen nie erreichen. Viel näher liegt der Gedanke, dass das F()llikele[)ithel oder, wie der andere Name lautet, die Granu - 1 OS az eilen ebenfalls aus umgewandelten Ureiern hervorgehen. Diese umgeben eine C e n t r a 1 z e 1 1 e , das eigentliche Ei. Die wesentliche

1) Die Kerne der Ureier zeigen sehr mannigfaltige (amöboide), auf einen eigenthüm- lichen Bewegungszustand hindeutende Formgestaltungen. Es handelt sich vielleicht um eine Wanderung derselben.

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

349

Bedeutung- der Granulosazelleii beruht darauf, als Nährmaterial für das E i p r 0 1 o p 1 a s m a zu dienen ^ ).

Indem nun die Granulosazellen immer weiter wuchern , bilden sie bald eine mehrschichtige Lage um das Urei und lassen zwischen sich einen Spaltraum entstehen, der von einer , von den Zellen abgeschie- denen Flüssigkeit , dem Liquor folliculi, erfüllt wird (Fig. 280 S, Lf).

Durch die Vermehrung des letz- teren wird der Follikel immer wei- ter ausgedehnt, und die Granulosa- zellen hegen nun theils an der Peripherie (Membrana granulosa), theils springen sie, zu einem Hügel (D i s c u s p r 0 1 i g e r u s) angeord- net, weit ins Follikel-Lumen vor.

Im Innern dieses Hügels liegt wohlgeborgen das Ei mit seinem

Fig. 280. Entwicklung der Graafschen Follikel bei Säugethieren.

KE Keimepitliel, Pa Sexualstränge, So Stroma ovarii. Letzteres ist von Gelassen _iy, ;/ durchzogen, U, UVre'ier, 8 Spaltraum zwischen Granulosazellen (6') und Urei, Lf Liquor folli- culi, £> Discus proligerus, Ei Fertiges Ei mit seinem Keimbläsehen und Keimfleck fKJ, Mp Membrana pellucida, 'J'f Theca folliculi, JUij Membrana granulosa.

Keimbläschen und Keimfleck (Fig. 280 Ei, K). Es wird von einer durch die anstossenden Discuszellen abgeschiedenen zarten Haut (Membrana pellucida s. vi t eil i na, M})) umhüllt und steht so in Anbetracht des Li<iuor folliculi unter sehr guten Ernähr ungsbedin- gungen. Rings um den Follikel liegt eine reich vascularisirte, aus binde- gewebigen und glatten Muskelfasern bestehende Kapsel (Theca fo 1 li - culi Tf).

Die eben beschriebenen, prall gefüllten Follikel treten, wenn sie die nöthige Reife erreicht haben, an die freie Oberfläche des Ovariums, platzen und entleeren so ihren Inhalt in die Bauchhöhle. Hier wird das Ei von dem Flüssigkeitsstrom erfasst, welcher durch die auf den Tuben-Fimbrien, zumal auf der Fimbria ovarica stehenden Flimmer- zellen erzeugt wird, und gelangt so in die Tuben.

Durch das Platzen des Follikels reissen die Gefässe der Theca ein, und es entsteht ein Bluterguss in die leere Follikelhöhle. Ringsherum bildet sich ein vom Follikelepithel ausgehender Zelll)elag, und indem es

1) Dieser Satz findet seine Bestätigung durch Beobachtungen nicht nur an den Ver- tretern aller Hauptgruppan der Vertebraten, sondern auch an vielen Wirbellosen. Dabei hat man übrigens nicht an eine Aufnahme der gesammten Follikelzelle als solcher zu denken; es handelt sich also nicht um eine Umformung in Protoplasma, sondern es dient jenes Zellmaterial zur Schaffung von Deutoplasma, d. h. von einem den primären Bestand- theilen der Eizelle ursprünglich fremdartigen Stoffe. Auch viele Ureier zerfallen später wieder und dienen ebenfalls als Nährmaterial der überlebenden. Damit sind aber die Nah- rungsquellen des Eies noch nicht erschöpft. Es spielen nämlich hierbei auch L e u k o - c y t e n eine grosse Rolle , und zwar sprechen hierfür Befunde an einer grossen Zahl von Wirbelthieren.

350 Specieller Theil.

im weiteren Fortschreiten dieses Involutionsproccsses zur Fettablagerung konmit, entstellt ein sogenanntes Corpus luteum.

Was nun die Diöereuzirung der männlichen Keimdrüse, des Hodens, betrifft, so vollzieht sie sich folgendermassen :

Indem immer neue Segmentalstränge und üreier einwuchern, bildet sich schliesslich, zumal bei Amnioten, eine mehr oder weniger com- pacte, für das Auge nur schwer entwirrbare Masse. Erst wenn Blut- gefässe und mit ihnen reichhches Bindegewebe, die späteren S e p t u 1 a testis, vom Hilus her einzuwandern beginnen, werden die Stränge wie- der deutlicher und zugleich löst sich der Hoden mit Ausnahme der Stelle, wo sich der Hilus, das Rete testis, die Vasa efferentia und der Nebenhoden befinden^), von der Urniere durch den allmählichen Schwund der verbindenden Segmentalstränge. Gleichzeitig beginnt die Bildung der S a m e n c a n ä 1 c h e n. Dies geschieht dadurch, dass die im Hoden- parenchym liegenden, mit Ureiern erfüllten und infiltrirten Segmental- stränge, welche an der Peripherie vielfach mit einander anastomosiren, durch Auseinandervveichen ihrer beharrlich sich theilenden Zellen ein Lumen erhalten. Dabei findet ein gleichzeitiger Untergang und eine Resorption centraler Zellen statt, und wahrscheinlich handelt es sich dabei nur um zu Grunde gehende Ureier.

Die Wandung der so gebildeten Hodeucanälchen wird nun durch zwei Arten von Zellen gebildet, kleinen, mehr cylindrischen (Seg- mentalstrang-Zellen) und grösseren, rundlichen Zellen (Ureier-Derivate). Erstere repräsentiren die sogenannten StützzeUen der Samencanälchen, letztere die grossen HodenzeUen. Beide liegen regellos durcheinander, oft mehrschichtig, und in diesem Fall liegen die Hodenzellen mehr cen- tral, gegen das Lumen zu, die Stützzellen mehr peripher. Rings um die Canälchen beginnt das Bindegewebe sich zur Membrana propria der Canälchen anzuordnen (Semon).

Was nun die Samenbüdung betrifft, so ist sie noch keineswegs ganz aufgeklärt, allein Eines scheint keinem Zweifel mehr zu unter- liegen, nämlich das, dass die Bildungsstätte der Spermatozoen aus- schliesslich in den in die m ännliche Keimdrüse über - nommenen Ureiern, d. h. also in den grossen rundlichen Ho den Zellen stattfindet^). Der Beweis liegt darin , dass bei Plagiostomen , nach den Untersuchungen Semper's, die Spermato- genese nur in jenen Theilen der Hodeucanälchen stattfindet, welche man als Ampullen bezeichnet. Letztere aber bilden sich nachgewiesener- massen nur aus U re iers trän gen , die sich später aushöhlen, während die Segmentalstränge nur den abführenden Theil der Hoden- caiiälchen liefern. Dass al)er durch die ganze Vertebraten-Reihe hin- durch bezüglich des Ortes der Saraenbildung homologe Verhältnisse walten müssen, bedarf keiner weiteren Ausführung (Semün).

1) Vergl. hierüber das von der Uruiere und dem Urnierengang Mitgetheilte, sowie Fig. 279.

2) Die Bildung des männliclien Zeugungsstoffes , der Spermatozoen, erfolgt durch einen intracellulär vor sich gehenden Kerntheilungsprocess. Der sogen. Kopf entstammt stets nur dem Zellkern, der oder die schwanzartigen Anhänge wahrscheinlich dem Protoplasma. Neuere Untersuchungen haben dargethan, dass der schwanzartige Anhang kein einheitliches Gebilde darstellt, sondern dass er aus zwei Fäden besteht, wovon jeder wieder in mehrere äusserst zarte Elementarfibrillen zerfällt. Jene beiden Fäden werden durch eine Kittmasse zusammengehalten, bei Protopterus aber sind sie stets vollkommen getrennt (W. N. Pakkeu). Dieser Nachweis einer fibrilläreu Structur der coutractilen Spermatozoen - Geissei legt den Gedanken nahe an eine Vergleichung mit dem Bau der stärkereu Flimmercilien , wie er durch £ng£Lmann bekannt geworden ist.

Organe des Harn- und Geschlechtssystems. 351

Harnorgane. Fische.

Beim A m p li i o x u s ist ein Hainapparat bis jetzt nicht nachgewiesen, es erscheint aber nicht unmöglich, dass gewisse modificirte Epithelstrecken des Peribranchialraumes die stickstoffhaltigen Umsetzungsproducte der Körpersubstanz an das durch die Kiemenspalten in die Bauchhöhle aus- tretende Wasser abgeben.

Die Cyclostomen ^) besitzen eine die fötale Zeit noch überdauernde Vorniere, d.h. sie findet sich auch noch bei jungen Thieren, besitzt eine Menge von Trichtern und functionirt Wcährend dieser Zeit als ein- zige Harndrüse. Später wird sie rudimentär und die Urniere über- nimmt ihre physiologische Rolle. Beziehungen der Urniere zum Genera- tionssystem existiren bei den Cyclostomen keine. Eier und Samen werden durch die Fori a b d o m i n a 1 e s entleert.

Bei den Teleostiern hat die Vorniere [nach Emery soll Fierasfer eine Ausnahme machen (?)] nur eine vorübergehende Bedeutung, inso- fern die Urniere das bleibende Excretionsorgan darstellt. Sie liegt zwischen Wirbelsäule und Schwimmblase und stellt ein langes, schmales Band von wechselnder Ausdehnung dar. Secundäre Verwachsungen zwischen den Organen beider Seiten sind nicht selten.

Der Harnleiter ist im Sinne eines primären Urnierenganges zu deuten und kann mehr oder weniger frei, oder auch ins Nierenparen- chym eingebettet liegen. Nach hinten zu fliessen die Harnleiter in der Regel zusammen und blähen sich zu einer Art von Harnblase auf, die aber selbstverständlich mit dem gleichnamigen, früher schon ge- schilderten ( )rgan (A 1 1 a n t o i s ) der A m p h i b i e n und A m n i o t e n nichts zu schaffen hat. Das Endrohr der Blase mündet meistens hinter dem After, entweder getrennt für sich oder zusammen mit den Ge- schlechtsgängen, in einem P o r u s oder auf einer Papilla u r o - g e n i - talis aus.

Von einer Abgliederuug des primären Urnierenganges in einen s e - cundären Urnieren- sowie in einen Müll er' sehen Gang ist bei Teleostiern bis jetzt nichts nachgewiesen, wohl aber ist dies bei Selachiern der Fall, und dadurch zerfällt hier die Urniere in einen vorderen und hinteren Abschnitt. Ersterer setzt sich beim Männchen mit der Geschlechtsdrüse in Verbindung und entsendet seine Canälchen ohne Weiteres in den secundären Urnierengang letzterer dagegen, als reines Harnsystem persistirend, entleert sein Secret durch Vermittlung von Harnleitern in den secundären Urnierengang, wodurch dieser zugleich als Harn- und Samenleiter fungirt. Beim Weib- chen steht die Geschlechtsdrüse in gar keiner Beziehung zum secun- dären Urnierengang, und die Eier werden durch den Müller'schen Gang entleert. (Zur genaueren Orientirung über diese Verhältnisse ver- weise ich auf die das Urogenitalsystem der Urodelen darstellende Figur 283 A, B).

1) Nach den Befunden A. Dohrn's besieht bei Ammoeoetes eine Cloake, d. h. die Nierengänge münden nicht in die Peritonealhöhle , sondern in den Afterdarm. Es handelt sich also hier um eine Uro-Analspalte, während bei der Verwandlung in Petro- myzou eine Anal- und eine ürogenitalspalte auftritt.

352 Spocieller Theil.

Die Niere (Uruiere) besteht, wie oben schon angedeutet, in der Kegel aus einem schlankeren vorderen und einem breiteren hinteren und mitt- leren Abschnitt. Häufig weist der eingekerbte Aussenrand auf eine ur- sprünglich segmentale Anlage des Organes hin und damit stimmt auch die metamere Anordnung der fötalen Nephrostomen überein. Später ver- wischt sich der scgmentale Charakter, indem die Niereutrichter bei erwach- senen Thieren ausnahmslos in viel geringerer Zahl vorhanden sind , als die auf die Leibeshöhle entfallenden Wirbel. Dabei unterliegen sie vielen Zahl- uud Grösse-Schwaukungen , je nach verschiedenen Gattungen , oder sogar nach verschiedenen Individuen ^).

Was das Hamsystem der Graiioiden betrifft, so scheinen hier bei Sturionen manche Anklänge an die Verhältnisse der Selachier zu bestehen, allein zur Feststellung des genaueren Thatbestandes sind noch weitere Untersuchungen nöthig. Dies gilt namentlich auch für die Dipnoer^) und die Kno chenganoiden, bei welch letzteren wir Uebergänge zum Harnsystem der Tel eo stier erwarten dürfen.

Amphibien.

Die ursprünglichsten Verhältnisse treffen wir bei den Gymno- phionen, wo die Mieren (Fig. 281 zwischen Ji^ und hei Ni) in Form eines langen, schmalen, varicösen Bandes in der Regel vom Herzen bis zum Vorderende der oft langgestreckten Cloake reichen. Bei genauerem Studium ergiebt sich, dass sie aus einzelnen, in embryonaler Zeit rein segmental (d. h. im Sinne der Gliederung der Wirbelsäule) ange- legten Knäueln bestehen, an denen mau je ein Malpigh i' s ches Körperchen, einen Peritonealtrichter oder ein Nephrostom, sowie einen Au sf üh r u n g s gan g unterscheiden kann (verg. Fig. 278 A).

Bei erwachsenen Thieren persistirt dieses Verhalten zuweilen im vordersten Nierenabschuitt, während im übrigen Organ durch secundäre Wachsthumsvorgänge später bis zu 20 Trichter in einem einzigen Leibes- Segment getroffen werden. Die Gesammtzahl der Nephrostomen in jeder Niere mag an tausend oder mehr betragen.

Was den Sammelgang, sowie die Beziehungen des ganzen übrigen Nierensystems zu den Urogenitalorganen betrifft, so stimmen dieGym- nophionen mit den übrigen Amphibien principiell überein und wir dürfen hier, worauf ich schon öfters hingewiesen habe , Anknüpfungen an die Selachier erwarten.

Die Nieren der Ur od eleu und Anuren liegen, wie überall, dorsal- wärts in der Leibeshöhle, doit mehr bandartig in die Länge gestreckt, hier mehr gedrungen, kürzer und in ihrer Ausdehnung auf die mittlere Rumpfgegend beschränkt.

Bei den Urodelen zerfallen sie stets in einen vorderen, schlankeren und in einen hinteren, compacteren Abschnitt. Letzterer wird, da er nur als Harndrüse fungirt (Fig. 28.') N) , als Beckcniiiere bezeichnet, der vordere Abschnitt dagegen stellt (hin Gescldechtsabschnitt der Niere oder schlechtweg die Creschlechtsniere vor. Dies beruht darauf, dass

1) Zeitlebens finden sich Nephrostomen bei Squatina, Acanthias, Spinox, Ccntrophorus, Scymnus, Hexanchu.s, Pristiurus, Scyllium und C h i 1 o - s cy 1 1 iu m.

2) Bei Pr o t op t er US treten die Ausführungsgänge der Nieren in gar keine Bezieliung zum Tiesclilfiflitsapiiarat (W. N. Pakkeu).

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

35S

ffr\

Fig. 281. Der gesammte Situs viscerum'von Siphonops annulatus ( $ ). Die Körperdecken sind in der ventralen Mittellinie geschlitzt und nach beiden Seiten auseinandergelegt.

Tractus intestinalis: Oes Oesophagus, 3f(f Magen, Dd, Dd^ Mitteldarm, Dda Enddarm , Cl Cloake , Bl, Bl i der vordere grössere und der hintere kleinere Zipfel der Harnblase, Leb Leber, Bis Gallenblase, Pan Pankreas, M Milz, Per Peritoneum (Ligamen- tum gastro-hepaticum).

Urogenitalorgane: O«, Ovarien, i)/gr, i)/(jr Müller'sche Gänge (Oviducte), Ni, Ni Niere, ür Ureter.

Respirationssystem: L Rechte, wohl ausgebildete , L^ linke, rudimentäre Lunge, Tra Trachea.

Circulationssystem: Ve uad A Ventrikel und Atrium des Herzens, B Conus arteriosus, Ao Aorta ascendens der rechten Seite ; die der linken Seite ist nicht besonders bezeichnet, Aod Aorta descendens der linken Seite , Ap Ap Arteria pulmonalis , Vp Vena pulmonalis, Vn Vene, welche das Blut aus dem Urogenitalsystem, aus der Musculatur des Rückens und aus dem Wirbelcanal zum Herzen führt, J Vena jugularis, Ci Vena cava in- ferior. De Ductus Cuvieri, Vep, Vep Vena portarum.

sich vom Hoden aus samenführende Canälchen (Fig. 283 A Bo Ve Fe), sogenannte Vasa efiferentia, entweder direct oder nach vorheriger Bildung eines Sammelganges (f) in das Nierenparenchym einsenken, wo sie in die Harncanälchen einmünden. Diese werden also von dem be- treffenden Punkte an, so gut wie der gesammte, am Vorderende der Niere beginnende Leydig'sche Gang, der Harnsamenleiter, von Harn und Samen durchflössen werden (Fig. 283 A lg, a). Die

m , Grundiiss der vei'gl. Anatoniii

23

354

Specieller Theil.

Hinterenden der beiden Gänge münden, Urodelen zuvor noch aus der Beckenniere

1

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M-

Od

N-

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nachdem sie bei männlichen sehr lange Sammelcanäle auf- genommen haben, bei Uru- delen und Anuren jedes für sich, und auch von den Ge- schlechtsgängen getrennt, in die Cloake aus.

Bei Anuren ziehen die Gänge, der Lage der Niere entsprechend, auf eine grössere Strecke frei durch den Leibes- raum dahin und zeigen beim männbchen Geschlecht eine während der Brunstzeit als Samen-Behälter dienende, bla- senartige Erweiterung („Sa- menblase").

Ihrer Ausmündung gegen- über liegt die häufig zwei- zipfelige Harnblase, auf deren morphologische Be- deutung ich früher schon, im Capitel ül)er den Darmcanal und über das Gefässsystem, hingewiesen habe.

Fig. 282. Das männliche {A) und weibliche [S) U r o g e- nitalsystem von Epicrium g 1 u t i nos u m. Nach J. W. Spen-

GEL.

N, N Niere, mg, m;/^ der jMuile'r- sche Gang des Männchens, welchem beim Weibchen der Oviduct Od ent- spricht, Ot Ostium tubae , Ho Ho- den, ov Ovarium, /,/ Fettkörper, lg Leydig'scher Gang, B, B Harn- blase, ct. cl Cloake, die sich bei a nach aussen öffnet, mr.ct Musculus retractor cloacae, r Rectum.

Andeutungen einer segmentalen Anlage des Urogenital- Appa- rates finden sich bei Urodelen nur noch spurweise im Geschlechts- abschnitt der Niere; im Beckenabschnitt, sowie in der ganzen Niere der Anuren, welche ein mehr einheitliches , compactes oder doch nur

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

355

OVr-

' wff'(0/F)

Fig. 283. Schema des U r og e n i tal s ystems eines männlichen (A) und eines weiblichen (B)Urodelen, mit Zugrundelegung eines Präparates von Triton taeniatus. Nach J. W. Spengel.

Ho Hoden, Fe Fe Vasa efferentia desselben, welche sich in einem Sammelgang f ver- einigen, a Ausführgänge der Harncanälchen, welche sich in den Leydig'schen Gang Ig^ lg (Harnsamenleiter) einsenken ; letzterer fungirt beim Weibchen (Fig. B bei l(() einzig und allein als Harnleiter {TJr). Das System der Vasa efferentia und ihres Sammelganges {lg) wird hier abortiv, mg mg^ (Od) Müller'scher Gang, Ot Ostium desselben (Ostium tubae) beim Weibchen, GN Geschlechtsniere (Nebenhoden des Männchens), N eigentliche oder so- genannte Beckenniere.

wenig gelapptes, plattes Organ darstellt, ist sie verwischt. Hier wie dort aber erhalten sich die Nephrostomen in grosser Zahl das ganze Leben hindurch an der vom Peritoneum überzogenen ventralen Nierenfläche ^).

Bei Anuren sollen die Nephrostomen nur in der Larvenperiode mit den Harncanälchen in offener Verbindung stehen , später aber von ihnen abrücken und in die Portalvenen einmünden. Durch diese Verschiebung würde sich die Bauchhöhle der Anuren, wie diejenige der Amnioten als ein

1) Bei den Anuren liegen die Geschlechtsdrüsen medial und ventral von der Niere; kopfwärts davon sitzt ein fingerartig gelappter Fettkörper (Fig. 284, FE s. später).

23*

356

Specieller Theil.

Fig. 285.

Fig. 284. Urogeuitalapparat einer männlichen Rana esculenta.

N, N Nieren, Ur, Ur Ureteren (Leydig'- sche Gänge) , welche bei •]■ am lateralen Nie- renrand hervortreten, S, S^ ihre Ausmündung in die Cloake (6Z), Ho, Ho Hoden, FK, FK Fettkörper, Cv Vena cava inferior, Äo Aorta, Vr Venae revehentes des Nierenpfortaderkreis- laufes.

Fig. 285. Niere mit Nephrostomen eines männlichen Discoglossus pictus. Flächenansicht nach J. W. Spengel.

Man sieht auf der der Bauclihöhle zuge- kehrten , freien Fläche bei ST die Nephrosto- men (Segmentaltrichter), Ur Ureter (Leydig'- scher Gang), der sich bei Ur^ zur sogenannten Samenblase erweitert.

ST

Lymphraum herausstellen, insofern das vorher dem Körper verloren gehende peritoneale Transsudat nach Art der übrigen Lymphe dem Blutgefässsystem wieder zugeführt wird und so dem Organismus erhalten bleibt.

ßeptilien und Vögel.

Hier, wie bei sämmtliclien übrigen Amuioten, emancipirt sich, Avie früher schon erwälmt, die Urniere, soweit sie in post- embryonaler Zeit sicli forterliält. in der Regel gänzlich vom

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

357

excretorischen Apparat, während eine neue, jeglicher Nephro- stomen entbehrende, Niere (Metanepliros) die Rolle der Harn- drüse übernimmt *).

Nie erreicht letztere die Ausdehnmig der, wie wir wissen, bei den Anamnia oft durch die ganze Leibeshöhle sich erstreckenden Urniere, sondern sie stellt in der Regel ein kleineres, compactes oder gelapptes, meistens auf die hintere Rumpfhälfte beschränktes oder auch ganz in

Fig. 286.

W .1

Fig. 286. Harnapparat von Monitor in- di c u s. Die rechte Niere in natürlicher Lage, die linke um ihre Längsaxe lateralwärts gedreht, so dass der Ureter und die Sammelgänge sichtbar werden. Die Harnblase ist weggelassen. N, N Niere, SG Sammel- gänge , welche in den Ureter Cj-^, Ur einmünden. Ur^ Mündung des Ureters in die Cloake.

Fig. 287. Männlicher U r o ge n i tal appar a t von Ardea cinerea.

N Niere, Ur Ureter , der bei Sr in die Cl. (Cc) mündet. Letztere ist aufgeschnitten. Ho Hoden, Ep Nebenhoden (Epididymis) , Vd Vas deferens , welches bei Vd^ auf einer Papille in die Cloake mündet, Bt Bursa Fabricii, welche bei BF^ ebenfalls in die Cloake mündet. F, V Durch Venen erzeugte Furchen auf der ventralen Nierenfläche. Ao Aorta.

die Beckengegend gerücktes Organ dar. Letzteres gilt z. B. für die Mehrzahl der Reptilien und alle Vögel (Fig. 287 iV); ja es kann sich das häufig verjüngte Hinterende der Niere bis in die Schwanz- wurzel hinein erstrecken, so z. B. bei Lacerta, wo es zugleich an der betreö'enden Stelle zu einem Zusammenfluss der Organe von beiden Seiten kommt.

Dem Gesagten zu Folge werden sich die Ureteren gar nicht mehr, oder aber mehr oder weniger weit, frei durch die Bauchhöhle er-

1) Ueber die Persistenz der Urniere bei Sauriern vergl. pag. 344.

358 Specieller Theil.

strecken. Letzteres ist z. B. bei Cr o codi Her n und in noch höherem Grad bei Vögeln der Fall, wo die Niere in die Beckenhöhle förmlich eingegossen erscheint und auf ihrer Dorsalfläche das Skelet-Relief in umgekehrter AVeise repetirt (Fig. 287 Ur). Die ventrale, abgeplattete Nierenfläche ist hier in der Regel gelappt und durch die sich ein- wühlenden Venen (Fig. 287 F, V) oft von sehr tief einschneidenden Furchen durchzogen und mannigfach zerklüftet ; die Hinterenden beider Nieren können, ähnlich wie bei L acertiliern, in der Mittellinie zu einer Masse zusammenfliessen.

Zwischen rechts und links herrscht durchaus nicht immer eine strenge Symmetrie, und zwar am allerwenigsten bei S c h 1 a n g e n , wo die reich gelappten Nieren, ähnlich wie bei fusslosen Sauriern, eine der Körperform entsprechende, lange, schmale, bandartige Form besitzen.

Eine an ihrem Scheitel mehr oder weniger tief eingekerbte und so, wie bei Amphibien, auf ihre paarige Anlage zurückweisende Harn- blase kommt allen Sauriern (auch den Scinken) und Schildkröten zu. Sie entspringt von der ventralen Cloakenwand, fehlt aber den Schlangen, Crocodiliern und Vögeln.

Sänger.

Hier liegen die verhältnissmässig kleinen Nieren auf dem M. qua- dratus lumborum und auf den Rippen auf; sie besitzten meistens einen convexen Aussen- und einen concaven Inuenrand. Dieser wird als Hilus bezeichnet, da an ihm die Blutgefässe und der Ureter ein- resp. austreten. Letzterer umschliesst mit seinem erweiterten, häufig mehr- fach gespaltenen Anfangsstück, mit dem sogen. Calyx resp. mit den Calyces (Fig. 288 Ca) kleine, papillenartige, in den Hilus renalis vor- ragende Bildungen, auf welchen die Harncanälcheu in wechselnder Zahl ausmünden (Fig. 288 zwischen Pr und Ca). Im weiteren Verlauf fliessen die Nierenkelche zu einem grösseren Hohlraum, dem Pelvis oder Nierenbecken, zusammen und dieses mündet in den zur Blase ziehenden Ureter aus (Fig. 288 Pe, ür).

Die aus der Harnblase hervorgehende Urethra ist beim weib- lichen Geschlecht kurz, beim männlichen dagegen, in engem Anschluss an das grössere Geschlechtsglied, zu einer langen Röhre (langer Sinus urogenital! s) ausgezogen und mit einem Schwell- körper (Corpus cavernosum) versehen.

In embryonaler Zeit stellt die Niere eine vielfach gelappte Masse dar und dieses Verhalten kann das ganze Leben bestehen bleiben (Ce- taceen, Pinnip edier, Ursus, Lutrau. a.), oder es kommt zu einem mehr oder weniger vollkommenen Zusammenfluss der Lappen, wo- durch das Organ ein höckeriges, maulbeerartiges oder auch ein ganz glattes, compactes Aussehen gewinnen kann (Fig. 289).

Gleichwohl ist aber in diesem Fall die ursprünghche Sondenmg in Lappen häufig noch mehr oder weniger deuthch auf dem Durchschnitt nachzuweisen. Man unterscheidet nämlich eine in keilförmigen Figuren (Fig. 288 Jf, Pr), d. h. in sogen. Pyramiden angeordnete Innen- schicht (Su bs tan tia m edullaris) und eine äussere, unter der Form der Bertini'schen Säulen zwischen die Pyramiden sich hinein- ziehende Rindenschicht (S üb st an tia corticalis) (Fig. 288 i2, B).

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

359

Fig. 288.

Fiff. 289 B.

x a:

J^K

Fig. 289 A.

JV

.6^2*

Fig. 288. Längsschnitt durch eine Säuget hier nie re. Schema.

R, R Rinden-, M, M Marksubstanz, zu den Pyramiden (Pr) angeordnet. Zwischen die letzteren setzt sich die Rindensubstanz in Form der Bertini'schen Säulen {B, B) hinein fort. Ca Calyces, Pe Pelvis, Vr Ureter.

Fig. 289. A Rechte Niere vom Reh. ^ Beide Niereu und Neben- nieren eines menschlichen Embryos. Beide Figuren stellen das Organ von der ventralen Seite dar.

N Nieren, in Lappen zerfallend, Ur, Ur Ureteren, N,N Nebennieren.

Jene Pyramiden entsprechen nun den embryonalen Nierenlappen, doch ist dabei zu bemerken, dass mehrere Lappen zu einer Pyramide zu- sammenfliessen können.

Die Malpighi 'sehen Körperchen, sowie die gewundenen, von Blutgefässen umstrickten Harncanälchen der Säugethierniere liegen in der Rindensubstanz, die sogen, geraden Harncanäle dagegen vornehmlich in den Pyramiden, wo sie gegen die Papille hinab unter beharrlicher Anastomosenbildung immer grössere Sammelgänge erzeugen.

Bei allen Säugern laufen die Ureteren eine grössere Strecke weit frei durch die Bauchhöhle und senken sich dann in die nie feh- lende Harnblase ein. Der Eintrittspunkt befindet sich stets auf der Hinterseite, entweder und dies ist das häufigere Verhalten unten am Fundus, oder weiter nach aufwärts gegen den Scheitel zu. Die Blase liegt bald höher im Bauchraum, bald weiter abwärts im Becken.

Die Harnblase der Säuge thiere geht aus dem hinteren Ab- schnitt des intraabdominalen Theiles der Allantois, d. h. aus deren Stiel, dem sogenannten Urachus hervor. Der weiter nach vorne.

o60 Specieller Theil.

d. h. kopfwärts gelegene Abschnitt des Allantoisstieles wandelt sich in das sogenannte Ligamentum v e s i c a 1 e medium um M- Die Harn- blase unterliegt ausserordentlich zahlreichen Formschwankungen, doch können dieselben, ihrer nur untergeordneten Bedeutung wegen, hier nicht näher berücksichtigt werden.

Geschlechtsorgane. Fische.

Bei Amphioxus bleibt die Geschlechtsdrüse lange auf einer in- differenten Entwicklungsstufe stehen. Sie zeigt eine streng segmentale Anlage und jeder Abschnitt mündet für sich in die Peribranchialhöhle. Es braucht keines besonderen Hinweises auf die grosse Differenz, die sich hierin zwischen Amphioxus einer- und sämmtlicheu Cranioten andrer- seits ausspricht. Von der Peribranchialhöhle aus werden die Geschlechts- producte durch den Mund entleert.

Die Geschlechtsdrüsen der Cyclostomen ^) stellen ein langes, un- paares, an der dorsalen Darmseite durch ein peritoneales Mesoari um resp. Mesorchium suspendirtes Organ dar. Bei den übrigen Fischen gehören unpaare Geschlechtsdrüsen zu den Ausnahmen und erfordern eine sehr vorsichtige Beurtheilung (siehe unten); auch findet häufig ein asymmetrisches Verhalten zwischen rechts und links statt. Ja, es kann sogar zum vollkommenen Schwund des Organes der einen Seite kommen, so z. B. bei Ammodytes tobianus, Cobitis bar- b a t u 1 a u. a. Ursprünglich ist wohl die Anlage der Geschlechts- drüsen sämmtlicher Fische, wie dies ja auch bei allen übrigen Verte- braten die Regel bildet, eine paarige und die Verschmelzung eine erst secundär erworbene. Ovarien und Hoden der Teleostier stimmen sowohl nach Form und Lage, als auch bezüglich ihrer Aus- führuugsgäuge fast vollkommen mit einander überein.

Der Eierstock der Teleostier bildet in der Regel einen gegen den Kopf blind geschlossenen Schlauch, auf dessen Innenwand die Eier auf längs- oder querverlaufenden Blättern entstehen und dessen Rückwärts- verlängerung die Tube ist. Die meist nur kurzen Tuben fliessen an ihrem Hinterende häufig zu einem unpaaren Canal zusammen, und dieser mündet in einem Schlitz oder auch auf einer Papille aus, welche sich zu einer Röhre („Legröhre") verlängern kann. Die „Tuben" der Teleostier

1) Ein Urachus oder Spuren eines solchen sind bei Marsupiali ern nicht nach- zuweisen, ebensowenig Arteriae umbilicales. Die Allantois wird hier als solche ganz in die Bauch- resp. Beckenhöhle aufgenommen, um mit dem fortschreitenden Wachs- thum des Thieres absolut, aber nicht relativ, an Grösse zunehmend, zeitlebens als Harn- blase zu fungiren. So bleiben hier die Arterien der Allantois (Arteriae vesi- cales superiores s. umbilicales) das ganze Leben hindurch in voller Ausdehnung wegsam. Zwischen der Harnblase der Placentalia und Aplacentalia besteht somit nur eine incomplete Homologie.

2) Bei allen jungen Exemplaren von Myxine weiblichen Geschlechts, bei welchen die Eier noch nicht das Reifestadium erreicht haben , zeigt die hintere Portion der Ge- schlechtsdrüsen eine Structur wie der Hoden, so dass man hier von einem herma- phroditischen Charakter reden kann. Die Spermatogenese ist dabei in ihrem vollen Umfang deutlich nachweisbar. Es erscheint somit , zumal in Anbetracht des Um- standes, dass die Männchen den Weibchen gegenüber ausserordentlich selten sind, bei Myxinoiden eine hermaphroditische Befruchtung nicht ausgeschlossen. Dabei ist übrigens zu bemerken, dass bei Exemplaren mit reifen, gut entwickelten Eiern in der Regel keine llodenportion im Ovarium nachweisbar ist (Cunningham).

Organe des Harn- und Geschlechtssystems. 361

verdienen übrigens diesen Namen keineswegs, insofern von einer Ab- leitung derselben aus Müller'scben Gängen keine Rede sein kann ; sie sind also Bildungen eigener Art, d. b. abgeschnürte Theile des hinteren Endes der primitiven Bauchhöhle resp. der Serosa. Geschah diese Abschnürung in embryonaler Zeit nur sehr unvollständig, so resultirten daraus die später zu erwähnenden Peritonealtrichter der Salmo- niden.

Die Hoden der Teleostier stellen stets längliche, im Querschnitt runde, ovale oder dreiseitig - prismatische Körper dar, welche dorsal- wärts an die Nieren, ventralwärts an den Darmcanal stossen. Der oft intensiv weisse Ausführungsgan g mündet zwischen Rectum und Urethra nach aussen, nachdem er sich kurz vorher mit seinem Gegen- stück zu einem unpaaren Canal vereinigt hat. Er fällt unter denselben morphologischen Gesichtspunkt, wie der Oviduct, so dass also bei Teleostiern von einem Wolf f 's eben Gang so wenig die Rede sein kann, wie von einem Müller'scben').

Bei Cyclostomen und unter den Teleostiern bei weiblichen Aalen, Salmoniden, sowie bei Laemargus borealis unter den Selachiern gelangen die Geschlechtsproducte durch die Fori abdomi- nales nach aussen.

Dieses Verhalten ist, wie die Entwicklungsgeschichte der übrigen Teleostier beweist, das primäre. Wir haben uns die Ovarien aller Fische ursprünglich als zwei rechts und links von der Wirbelsäule gelegene, am Peritoneum aufgehängte Lamellen vorzustellen , auf deren ganzer Ober- fläche sich Eier erzeugten. »Sie entleerten sich durch die oben schon mehrfach erwähnten Fori abdominales. Zum Zw ecke einer gesicherten Hinleitung der Eier zu den Fori abdominales formirten sich Längsfurchen im Peritoneum, und indem sich letztere zu Röhren abschlössen, entstanden die Sackovarien mit ihrem damit unmittelbar zusammenhängendem Aus füh- rungsgang, wie sie die meisten Teleostier charakterisiren (Mac Leod).

Spuren äusserer Begattuugsorgane, welche als Samenbläschen oder Prostata bezeichnet werden, sind, wo sie vorkommen, den gleich- namigen Gebilden höherer Wirbelthiere ebensowenig an die Seite zu stellen, als die früher schon erwähnte sogenannte Harnblase.

Was nun die Selachier betrifft, so sind hier die Ovarien weitaus bei der grösseren Zahl paarig, und dies gilt ausnahmslos für die Ovi- ducte, welche, im Gegensatz zu den Teleostiern, von den Ovarien immer getrennt sind. Sie beginnen weit vorne in der Rumpfhöhle, unmittelbar hinter dem Herzen, und zwar mit einem gemeinsamen Ostium abdominale. Der vordere, die sogenannte Schalendrüse einschhessende Abschnitt ist stets schlanker und enger als der hintere, welch letzterer sich zu einer Art von Uterus auf- bläht, in dem sieb bei den viviparen Haien der Embryo entwickelt. An seinem Hinterende fliesst er mit demjenigen der andern Seite zu einem

1) Bei Serranus wie bei Chrysophrys liegt ein wohlausgebildeter Hoden in der Wand des Eierstockes, auch ist ein Vas defereus vorhaiideu, welches aus langgezoge- nen dickwandigen Cavernen besteht und den ganzen Ovarialcanal umschliesst. Serranus befruchtet sich selbst, Chrysophrys gegenseitig. Fische mit inconstantem Hermaphro- ditismus, wie z. B. Gadus morrhua, Scomber scomber, Clupea harengus, leiten dann zu den gewöhnlichen Verhältnissen hinüber ; man hat also gewissermassen drei Entwicklungsstufen.

362 Specieller Theil.

unpaaren Canal zusammen, und dieser mündet etwas hinter der OefF- nuug der Ureteren in die Cloake aus.

Jene Schalendrüse liefert einen das Ei umhüllenden, zu einer festen, hornartigen Masse erstarrenden Stotf. Am stärksten (biconvex) entwickelt ist sie bei den eierlegendeu Selachiern, d. h. unter den Haien bei den Scyllii, unter den Rochen bei den Rajae und ebenso bei C h i ra a e r a. Die Eischale ist meist länglich- viereckig und an den vier Winkeln zu spiralig gewundenen Schnüren ausgezogen.

Bei den viviparen Haien, wo die Eischale nur dünn ist, ent- wickelt sich der Embryo innerhalb des Uterus. Sein Dottersack ist in der Regel frei und ohne Verbindung mit der Wand des Uterus, bei einigen jedoch, wie z. B. bei M u s t e 1 u s 1 a e v i s und Carcharias, ist er an eine wirkliche Placenta uterina angeheftet, und zwar so, dass seine Falten und Runzeln in entsprechende Vertiefungen der Mu- cosa uteri eingreifen. Dabei senken sich die engverflochtenen Gefässe des Dottersackes derartig in die Uterusschleimhaut ein, wie dies von den Cotyledonen der Wiederkäuer bekannt ist. (Vergl. das Capitel über die Beziehungen zwischen Mutter und Frucht.)

Der stets paarige, symmetrisch angeordnete Hoden der Selacliier liegt, in dem Mesorchium aufgehängt, im vordersten Theile der Bauch- höhle, dorsal wärts von der Leber. Er besteht aus zahlreichen Blasen oder Kapseln, in welchen die Spermatozoon entstehen.

Die quer gerichteten Yasa efferentia verbinden sich mit den aus- wachsenden, vordersten Urnieren- (Nebenhoden-)Canälchen und ordnen sich zu einem Längscanal, aus dem wieder ein den Vasa efferentia an Zahl glei- ches Quercanal-System entspringt.

"Was den Müller'scheu Gang der männlichen Haifische betrifft, so macht er einen rudimentären Eindruck. Sein Lumen ist sehr eng und oft unterbrochen.

Unter den (ianoiden folgt der weibliche Lepidosteus dem uns von den Teleostiern her bekannten Verhalten, während es bei den Knor- pelgauoiden zu einer, wenn auch unvollkommenen, Abspaltung des pri- mitiven Urnierenganges in einen M ü Her ' seh e n und einen s e cun d är e n Urnieren gang (Leydig'scher Gang) zu kommen scheint. Letzterer dient beim Männchen wahrscheinlich als Harn Samenleiter, beim Weibchen aber nur als Harnleiter.

Sollte sich dieses durch genauere entwicklungsgeschichtliche Unter- suchungen bestätigen, so würden die Knorpelganoiden in ihrem Ge- schlechtssystem eine noch primitivere Entwicklungsrichtung einschlagen, als die S e 1 a c h i e r.

Bei den Dipnoern, so wenigstens bei Protopterus, scheint es über- haupt zu keiner Abspaltung eines Müller'schen Ganges zu kommen. Der Urnierengang fungirt hier bei beiden Geschlechtern als Ausfuhrcanal der Genitalproducte (W. N. Pabkeb).

Ueber die Begattungsorgane der Selachier werde ich später einige Mittheilungen zu machen haben.

Amphibien.

Bei allen Amphibien zeigen die, in der Regel die Längenmitte der Leibeshöhle einnehmenden , rechts und links von der Wirbelsäule liegenden Geschlechtsdrüsen eine paarige, symmetrische

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

36^

Anordnung und richten sich in ihrer Gestaltung im Allgemeinen nach der äusseren Körperform. So stellen die Ovarien der Gymno- phionen (Fig. 282 A Ov) lange, ^ ^.^

schmale Bänder und die Hoden "^

derselben eine lange Kette klei- ner, durch einen Sammelgang (Fig. 282 B Ho und 290 Sg) perl- schnurartig aufgereihter Einzel- stückchen dar. Jedes Hodenstück besteht aus einer Reihe kuge- liger Kapseln (Fig. 290 K), welche den Samen bereiten und ihn in den durchziehenden Sam- melgang ergiessen. Aus dem zwischen je zwei Hodenstück- chen frei zu Tage liegenden Ab- schnitte des Sammelganges ent- springt ein Quercanälchen (Q) gegen die Niere (iV, iV) her- über und senkt sich in den dort verlaufenden Längscanal (X, L) ein. Dieser endlich führt den

Fig. 920. Schematische Darstellung eines Abschnittes des männ- lichen 6 e s c h I e ch t s app ar a t es der 6 y m n o p h io u e n.

Ho, Ho Hoden, Sg Sammelgang derselben, K, K Hodeukapselii, Q, Q austretende Quer- canäle , welche sich in den Längscanal L, L einsenken, Q'^, Q'^ zweite Serie von Quer- canälen, M, M Malpighi'sche Körperchen, A'', N Niere , ST Segmentaltrichter, *S^ Schleifen- canäle, HS Harnsamenleiter.

Samen durch ein zweites System von Quercanälen {Q, Q) zu den Mal- pighi'schen Körperchen und von hier aus gelangt er weiter durch das Canalsystem der Niere hindurch in den Harnsamenleiter {HS). Mit

Fig. 291. Cloake einer weiblichen Salamandrina perspic. , aufge- schnitten. ED und Bl Enddarm und Harnblase, beide an ihrer Einmündungsstelle in die Cloake aufgeschnitten. S Blasenfurche, N Nieren, lg Ausmündung der L e y d i g 'sehen Gänge (Harnleiter), Cvd, Ovd Oviducte, welche auf zwei Papillen münden. Links von der Schleimhautfalte L die Genitalpapille.

364 SpecieUer Theil.

diesem Verhalten, das ich oben im Capitel über das Harnsystem bereits fteschiklert habe, stimmt auch der männliche (xcsclileelitsapparat aller Urodelen (Fig. 283 A Ho) und gewisser Annren (Bufonen) prin- cipiell überein. Dabei unterliegt aber der Hoden in seiner äusseren Configuratiou den allermanuigfaltigsteu Schwankungen, ist entweder oval, an einem Ende zugespitzt, spindelförmig (Fig. 283 A ffo) (Urodelen) oder mehr rundlich ( A n u r e n) (Fig. 284 Ho).

Bei Rana, Bombinator und Alytes emancipiren sich die Vasa efferentia des Hodens mehr und mehr von dem Harnsystem, d. h. sie senken sich , ohne sich mit den Nierencanälchen zu verbinden, entweder direct in den Harnleiter ein (Rana), oder endigen sie der grösseren Mehrzahl nach blind, während sich nur die vordersten mit dem Harnleiter in directe Verbindung setzen (B o m bi n a tor). Bei Alytes endlich münden die Vasa efferentia am vorderen Nierenende in den Müller'- schen Gang, ein in der Thierreihe ganz vereinzelt dastehendes Verhalten! (Eine Nachprüfung erscheint geboten). In den Müller'schen Gang, der also hier als Vas deferens fungirt, mündet der am hinteren Nierenende aus- tretende Harnleiter, und erst nach der Vereinigung beider Gänge kann also von einem Harnsamenleiter die Rede sein.

Bei allen übrigen Amphibien sind zwar im männlichen Geschlecht die Müller'schen Gänge stets vorhanden, aber nur in mehr oder weniger rudimentärer Form. Sie laufen nahe dem lateralen Nierenrand gerade so weit wie die entsprechenden Organe beim Weibchen. Ein Lumen kann vorhanden sein oder fehlen und dasselbe gilt für ihre Communication mit der Bauch- und Cloakenhöhle.

Am Vorderende jedes Hodens der ächten Kröten, d. h, zwischen der Geschlechtsdrüse und dem Eettkörper, findet sich dasselbe röthlich- gelbe Organ , welches Spengel beim Ovarium als BiddeHschcs Organ be- zeichnet hat. Es besteht in seinem Innern aus Kapseln , welche ihrem Bau nach im Wesentlichen mit ächten Eiern auf einer frühen Ent- wicklungsstufe übereinstimmen, auch entwickeln sie sich ganz wie die Eier- stockseier. Eine von ihrer Seite erfolgende Hilfeleistung bei der Samen - bereitung ist nicht erwiesen. Sicher ist anzunehmen, dass in einzelnen dieser Eikapseln eine Bildung von Samenkörpern erfolgt, so dass sie also sowohl die Bedingungen für die Entwicklung männlicher als weiblicher Ges chl e c hts sto f f e enthalten. Die eigentliche physiologische Bedeutung dieses Organs genauer zu prä- ciflireu, erscheint bis jetzt nicht möglich; man kann eben nur sagen, dass die Geschlechtsdrüsen der Kröten auch dann noch die Bedingungen für die Entwicklung beider Geschlechter enthalten, wenn das Stadium der geschlecht- lichen Indifferenz bereits überschritten ist , und dass sie allmählich eine Umbildung erleiden (Knappbj.

Die Oyaricn der Urodelen sind immer nach einem und demselben Typus gel^aut. Sie stellen einen ringsum geschlossenen, länglichen Schlauch mit continuirlichem Lumen dar. Im Gegensatz dazu zerfällt der Ovarialschlauch der Anuren in eine Längsreihe von (3 20) gänz- lich getrennten Taschen oder Kammern. Hier wie dort ist ein Mesoarium stets gut entwickelt und nirgends handelt es sich um eine directe Verbindung zwischen den Eierstöcken und den Tuben. Letztere beginnen vielmehr weit vorne in der Leibeshöhle, in grosser Entfernung vom Vorderende der Niere, mit freier, trichterartiger Oeffnung und laufen

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

365

in der Jugend ziemlich gerade gestreckt, in der Brunstzeit aber reich- lich geschlängelt und gewunden (Fig. 292 Od) nach hinten, am lateralen Niereurand vorbei, zur Cloake. Kurz vor ihrer Ausmüudung blähen sie sich häufig zu einem uterusähnlichen Körper auf und öffnen sich, nachdem sie sich zuvor wieder verjüngt, in der Regel getrennt auf je einer Papille in die Dorsalwand der Cloake (Fig. 292 Ut, P). Nur bei der Gattung Bufo und AI y- t e s fliesseu beide Oviductenden in einen unpaaren Canal zu- sammen.

In dem oben erwähnten auf- getriebenen Abschnitte der Tuben fügen sich die Eier, nachdem sie zuvor von Seiten der Eileiter- drüsen einen gallertigen Ueber- zug erhalten haben, zu Ballen (Frösche) oderSchnüren (Krö- ten) zusammen.

Fig. 292. Urogenitalappaiat einer weiblichen Rana escu- 1 en t a.

Ov Ovarium (das Ovarium der andern Seite ist entfernt), Od Oviduct, Ot Ostium tubae, Ut das aufgetriebene, uterusartige Hinterende des Oviductes, P Ausmündung

desselben in die Cloake, iV Niere, S, S ' Ausmündungen der Ureteren in die Cloake, welche auf zwei, durch einen tiefen Intervall (f) von einander getrennten Längsfalten (*) liegen.

Nach P. und F. Sakasin sind die Eier des den fusslosen Lurchen angehörigen Oviparen Epicrium glutinosum von besonderem Interesse, da sie ganz und gar anSauropsideneier erinnern. Erstens sind sie oval und von auffallender Grösse (9 mm lang u. ca. 3 mm breit), zweitens besitzen sie einen mächtigen, strohgelben Dotter, der eine runde, weissliche Keimscheibe mit dunklerem Keimbläschen trägt. Ferner existirt die sogenannte L a t e b r a und ihr Stiel wie im Vogel ei. In den Oviducten werden sie von reich- lichem Eiweiss umhüllt und die zähe TJmhüUungsmasse zieht sich an jedem Eipol zu Chalazen aus, wodurch die einzelnen Eier untereinander perl- schnurartig verbunden werden. Die Eier werden in die Erde abgelegt und zwar so, dass alle Chalazen nach der Mitte des Eiklumpens zusammen- gebogen werden. Um den Eiklumpen herumgeschlungen liegt die Mutter und übernimmt so, denselben gegen Feinde und Austrocknung schützend, selbst die Brutpflege. Die Befruchtung erfolgt innerlich, wie dies bei der starken Entwicklung der männlichen Begattungsapparate (vergl. diese) nicht anders zu erwarten ist. Die ganze Ei-Furchung verläuft im Innern des Mutterthieres und sie ist eine rein partielle, auf die Keirascheibe be- schränkte. Unwillkürlich erinnert der Vorgang an denjenigen, welcher vom Eeptilien- oder Vogel- Ei bekannt ist. Der mächtige, reich vascularisirte Dottersack bleibt lange Zeit erhalten ; er schwindet erst,

n66 Specieller Theil.

wenn die Larve ciue Länge von 6 7 cm erreicht hat. In diesem Stadium beginnen auch die äusseren Kiemen allmählich eine Rückbildung ein- zugehen. Die Thiere gehen ins Wasser, wo sie sich aalartig bewegen; sie besitzen nun weder äussere noch innere Kiemen, sondern nur ein äusseres Kiemenloch. Später wird das Wasserleben mit einem terrestrischen vertauscht. Schliesslich sei hier noch einmal des schon öfters erwähnten Fett- körpers gedacht, der bei allen Amphibien in der Nähe der Geschlechts- drüsen vorkommt und der sich aus adenoider Substanz, Fett, Leukocyten und zahlreichen Blutgefässen aufbaut. Er steht zu den Geschlechtsdrüsen in sehr wichtigen physiologischen (ernährenden) Beziehungen, und nur so lässt es sich erklären, dass die aus langem Winterschlaf erwachenden und viele Monate lang ohne Nahrung gebliebenen Thiere sofort, d. h. häufig schon in den ersten Tagen des Frühlings, Tausende von Nachkommen zu erzeugen im Stande sind. Wahrscheinlich handelt es sich dabei auch noch um eine im Interesse der Ei-Ernährung erfolgende Histiolyse des Muskelgewebes, wie sie von W. N. Pabker bei Protopterus und von Miescher beim Salm nachgewiesen worden ist (Wiedersheim). Ganz dasselbe gilt wohl auch für viele Fische und Reptilien, und auch an die Winterschlafdrüse gewisser Säuger möchte ich hierbei erinnern (vergl. auch das Capitel über die Beziehungen zwischen Mutter und Frucht).

Reptilien und Vögel.

Die das Urogenitalsysteni der A n a ra n i a und A m n i o t e n be- treffenden Unterschiede habe ich schon in der entwicklungsgeschicht- lichen Einleitung hervorgehoben, so dass ich hierauf nicht mehr zurück- zukommen brauche.

Bei den Sauropsiden richtet sich die Form der Geschlechts- drüsen im Allgemeinen nach derjenigen des Körpers. So werden wir sie bei Cheloniern mehr in die Breite, bei Schlangen und schlangen ähnlichen Sauriern mehr in die Länge entwickelt finden. Im letzteren Falle und dies gilt auch für die L a c er ti li er zeigen sie insofern ein asymmetrisches Verhalten, als sich die Organe beider Seiten an einander gewissermassen vorbeischieben und so, statt neben einander, theilweise hinter einander zu liegen kommen.

Dadurch gewinnt jeder Eierstock einen genügenden Raum zu seiner Entfaltung und in jenen Fällen , wo es sich um die Entwicklung sehr grosser Eier handelt, kommt es sogar zum allmählichen Schwund des Organes der einen Seite, so dass z. B. bei den Vögeln nur noch der linke Eierstock zur vollen physiologischen Function gelangt.

Jedes Ovarium der Reptilien stellt einen vom Bauchfell über- zogenen, fibrösen Sack dar, dessen Lumen von einem reich vasculari- sirten Netz- oder Balkenwerk durchzogen und von Eiern erfüllt wird. In den so entstehenden Lymphkanmiern geht bei Reptilien ^) wie bei den Anamnia die Eifollikel1)ildung das ganze Leben hindurch vor sich, und dass dies auch für die S ä u g e t h i e r e (für den Menschen bis zu den klimakterischen Jahren) gilt, wurde schon früher erwähnt.

Die Oviducte-), in deren Wand sich zahlreiche Muskelelemente und Drüsen für die Schalenbildung finden, besitzen stets ein sehr weites,

1) Das üreierlager findet sich bei der weiblichen Eidechse auf jeder Seite des Auf- häDgebandes vom Ovarium an der Dorsalfläche des letzteren.

2) Eine vorzügliche, auf die feineren histologischen Details des Sauropsiden-Ovi- ductes, sowie auch namentlich auf die Ernährung des Eies seitens des Oviduet-Secretes eingehende Arbeit verdanken wir Maria Sacchi (vergl. das Literaturverzeichniss).

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

367

trichterförmiges Ostiuni abdominale und sind häufig in zahlreiche Quer- falteu gelegt. Zur Fortpflanzungszeit gewinnen sie an Umfang und er- zeugen bei Vögeln viele Windungen i).

Von der Urniere und dem WolfPschen Gange erhalten sich bei weib- lichen Reptilien nur sehr spärliche, in fettiger Degeneration begriffene Reste

Fig. 293.

Fig. 294.

f.-Td

Fig. 293. Weiblicher Urogenital- apparat von Lacerta muralis.

N, N Niere, [/»•' Ausmündung des Ure- ters in die Cloake Cl, B Harnblase , B'^ ihr Hals (aufgeschlitzt), U Rectum, i?' seine Ein- mündung in die Cloake, Ov Ovarium, f Rest der Urniere, Od Oviducte, welche bei Od'^ in die Cloake münden, Ot Ostium tubae.

Fig. 294. Männlicher Urogeni- tal-Apparat von Anguis fragilis nach F. Leydig.

Ho Hoden, f der sogenannte goldgelbe Körper (Nebenniere), Ep Nebenhoden, Vd Vas deferens, p, p Ausmündung des mit dem Ureter- Ende (Ur, Ur'^) vereinigten Vas deferens auf einer Papille der dorsalen Cloakenwand Cl, B Harnblase, r Rectum, N Niere , mg Ru- diment des Müller'schen Ganges.

1) Nicht selten kommt bei V ög ein eine Art von Hermaphroditismus („A n dro g y n i e, Hahnen fedrigke it") zur Beobachtung. In diesem Fall nimmt dann ein weibliches Thier Gewohnheiten (Stimme, Aeusserung des Begattungstriebes etc.) des männlichen an. Hand in Hand damit gehen Structuränderungen der Geschlechtsorgane, wie vor allem des Eierstockes, welcher keine Geschlechtszellen mehr aufweist, daneben treten aber auch Kamm-, Sporenbildungen und Gefiederfärbungen nach Art des Männchens auf. Von einem wahren anatomischen Zwitterthum ist bei Vögeln nirgends die Rede.

368 Specieller Theil.

von gelbbrauner Farbe. Dieselben entsprechen dem Nebenhoden des Männchens und liegen in asymmetrischer Anordnung, d. h. nur in einer Eeihe zwischen Oviduct und Wirbelsäule. Bei weiblichen Ophidiern, Che- loniern und Ascalaboten erhält sich der Wolffsche Gang in grösserer Ausdehnung, als bei Sauriern.

Dje Hoden der Sauropsiden stimmeu in ihrer Lage mit den Ovarien überein (Fig. 287, 293, 294) und nehmen wie diese zur Fort- pflanzungszeit an Umfang zu.

Sie stellen compacte, ovale, rundliche oder birnförmige Gebilde dar (Fig. 294 Hö) und bestehen aus einem Convolut vielfach gewundenei- Samencanälchen, die durch fibröses Gewebe zusammengehalten werden. Bei Vögeln finden sich häufig Grössenuuterschiede zwischen rechts und links. Am lateralen Hodenrand liegt bei Reptilien (Lacerta, Anguis) der als Nebenniere zu deutende „goldgelbe Körper", und an derselben Stelle sieht man Quercanäle aus dem Hoden hervor- und in den Nebenhoden eintreten (Fig. 294 Ep).

Letzterer besteht ebenfalls aus vielfach verschlungeneu Canälchen, und aus diesen geht endlich das gerade verlaufende, oder mehr oder weniger stark gewundene Vas def er ens (Wolf f scher Gang) her- vor (Fig. 294 Vd) und Ijricht bei Vögeln mit selbständiger Oeffnuug in die Cloake durch. Bei Lacertiliern fliesst es kurz vor seinem Durch- bruch mit dem hintersten Ende des Ureters zusammen.

Die männlichen Tuben sind stets nur in Eudimenten vorhanden, stimmen aber in ihrer Lage genau mit den weiblichen überein. Ihr Lu- men ist häutig von »Strecke zu Strecke unterbrochen, doch kann das Ostium abdominale oifeu sein (E m y s e u r o p a e a) ^ ).

Säuger.

Hier erstreckt sich der Geschlechtsapparat nie mehr durch die ge- samnite Leibeshöhle, wie wir dies bei niederen Wirbelthiergruppen con- statiren konnten, sondern er ist auf die L e n d e n - und Becken gegend beschränkt. Dazu kommt, dass es sich hier, im Zusammenhang mit den innigen früher schon erörterten Beziehungen zwischen Mutter und Frucht, um eine viel reichere Ditferenzirung der Geschlechtsorgaue handelt, als dies l)ei den übrigen Wirbelthierklassen der Fall ist. Der Uebergang ist jedoch kein ganz unvermittelter, insofern sich bei den niedersten Formen der Säugethiere, d. h. bei Schnabel- und Beutel- thieren, manche Anklänge an die Vögel und Keptilien finden.

Dahin gehört, was die ersteren betritft, der ovipare Charak- ter, ferner die traubige Beschaffenheit des linkerseits stärker entwickelten Ovar i ums, und die Fortdauer einer

1) Dann und wann finden sich, wie Howes gezeigt liat, bei miinnliclien Lacer- tiliern, wie z. B. bei Lacerta viridis, beide Oviducte mit weitem Ostium abdominale in eben so starker Entwicklung, wie im weibliclien Gesclilecht. Wie bei letzterem, so über- triflft dann auch beim Männclien der rechte Oviduct den linken. Das cloakale Ende des linken Oviductes scheint, wie dies auch bei männlichen Selachiern beobachtet ist, als Samenblase zu fungiren. Der Hoden zeigt lim Gegensatz zu gewissen Amphi- bien (s. diese)] keine hermaphroditische Structur, sondern besitzt alle Attribute einer männ- lichen Geschlechtsdrüse.

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

369

Cloake, ferner das Getreniitbleibeu der Müller'schen Gänge. Letzterer Punkt, welcher auch für die Mars upi alle r zutrifft, verdient seiner hohen morphologischen Bedeutung wegen eine ganz besondere Beachtung.

Es handelt sich, Avie oben schon augedeutet, um die Fortdauer phy-

HiM^

c

Fig. 295. Weiblicher Uro- genitalapparat der Marsu- pi a 1 i e r. A. von einer jungen D i d e 1 - phys dorsigerajB von P h a 1 a n- gista vulpiua, Längsschnitt. C von Phascolomys Wombat. Sämmtliche Figuren nach A. Brass.

N, N Nieren, f/j- Ureteren, Ov Ova- rium, Ot Ostium tubae, (Fimbrien Mm), Od Oviduct, Ut Uterus, üt^ Einmün- dung des Uterus in den Vaginalblindsack VgB. t Abbiegungsstelle des Uterus von der Vagina Vg, Vg^ Einmündung der- selben in den Sinus urogenitalis Sug, B Harnblase, r Rectum, welches bei »■' in die Cloake Ci einmündet, g Ge- schlechtsglied, f * Rectaldrüsen.

Wiedersheim, Grundriss der vergl. Anatomie. 2. Aufl.

Firn

Ov Ot Od m

370 Specieller Theil.

letiscli imd ontogenetisch niederer Zustände, und ich will deshalb die Verhältnisse der Didelphiden, welche den Monotreraen am nächsten kommen, etwas eingehender beschreiben (Fig. 295 A).

Die von den Oviducten (Od) durch eine Anschwellung deutlich abgesetzten Uteri (üt) treten mit ihren verjüngten Hinterendeu in der Mittellinie bis zu unmittelbarer Berührung zusammen. An dieser Stelle (Fig. 295 A t) sind sie durch ein deutliches Orificium uteri jeder- seits von einem weiter nach hinten liegenden Abschnitte des Müller- schen Ganges, den man als Vagina bezeichnet, abgesetzt. Die beiden V a g i n a e ( Vg) erzeugen eine nach ol)en gerichtete , henkel- artige Krümmung, laufen dann nach hinten und senken sich in den laugen Urogenitalsinus (Sug) ein. Die Ureteren (Ur) laufen hier, sowie bei allen übrigen Mar supial lern, bei denen eine ähn- liche Anordnung der Vaginen auftritt, durch das von letzteren gebildete Thor hindurch zur Blase (B).

Von diesen Verhältnissen aus lassen sich die weiblichen Geschlechts- organe dieser ganzen Thiergruppe leicht beurtheilen. So kann man sich z. B. gut vorstellen, wie sich bei Beutlern von der Art der Phalan- g i s t a V u 1 p i n a und des P h a s c o 1 o m y s Wo m bat (Fig. 295 B und C) die obersten Enden der knieförmig gebogeneu Vaginen (vgl. Fig. 295 A f) im Laufe der Stammesgeschichte immer enger aneinanderlegten und dann antingen, sich gegen den Sinus urogenitahs nach abwärts zu erstrecken. Dadurch kam es zur Bildung eines Vaginalblindsackes (Fig. 295 B, C VgB), der bei weiterer Längenentwicklung schliesslich auf die obere Wand des Sinus urogenitahs treti'eu und jene unter Erzeugung einer sogenannten dritten Vagina durchbrechen musste. Dieser Zustand ist bei Mac r opus Benetti und Billardieri erreicht.

Was nun die über den M a r s u p i a 1 i e r n stehenden m o n o - d e 1 p h e n S ä u g e t h i e r e betrifft, so kommt es in der weitaus grösseren Mehrzahl der Fälle durch Verschmelzung des hinteren Abschnittes der Müller 'sehen Gänge zu einer un paaren Vagina und eine Cloake existirt nur in der Embryonalzeit. Jene Verschmelzung der Müller'schen Gänge kann nun aber auch weiter fortschreiten, und, je nach dem verschiedenen Grade der Verschmelzung, resultiren daraus die aller verschiedensten Formen des Uterus, wie dies auf Fig. 296 A D dargestellt ist. Man spricht von einem Uterus duplex, bicor- iiis, bipartitus etc. ^ ). Die Primaten besitzen einen Uterus Sim- plex (Fig. 296 B) und in diesem Falle prägt sich die ursprüng- liche paarige Anlage der Müller'schen Gänge nur noch in den Oviducten aus. Letztere besitzen eine sehr verschiedene Form und sind an ihrem freien Ende (Ostium abdominale) häufig mit fransen artigen Anhängen besetzt. Die Ureteren umgreifen, im Gegen- satz zu den Verhältnissen bei Marsupialiern, den Genitalschlauch stets von der Aussenseite^).

1) Auf Grund dieser Thatsachen faUen die beim Menschen liie und da vorkommenden „Missbildungen" der weiblichen Geschlechtswege unter den Begriff von Hemmungs- bildungen resp. von Rückschlägen.

2) In Uebereinstimmung mit den Verhältnissen niederer Wirbelthiere (Amphibien, Rep- tilien) besteht jeder MüUer'sche Gang in seiner Vi^andung aus zwei l\Tuskelscliichten, ganz ähnlich wie die Darmwand. Auf diese zwei ursprünglichen Schichten, welche auch bei M o- notremen und Marsupialiern noch deutlich zu erkennen sind, lässt sich auch die stark modificirte Uterusmusculatur der höchsten Säuger, bei deren Aufbau die Gefässe eine Hauptrolle spielen, zurückführen.

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

371

Bei manchen Säugern, wie z. B. beim Menschen, findet sich an der Mündungsstelle der Scheide in den Urogenitalsinus eine sehr viel-

B

Od

Od

D

I\^

Fig. 296. Verschiedene Uterus formen. A, B, C, X) Vier Schemata für die verschiedenen Grade der Verschmelzung der Müller'schen Gänge. A Uterus duplex, _D ü. bipartitus, C U. bicornis, JB U. simplex.

E Weibl. Urogenitalapparat einer Mustelina mit Embryonen (* *) im Uterus, JF vom Igel.

Od Oviducte, Ut Uterus, Vg Vagina, Ce Cervix uteri, Ot Ostium tubae, t t Accessor. Geschlechtsdrüsen, r Rectum, Sug Sinus urogenitalis. N, Nn Nieren und Nebennieren, Ur Ureteren, B Harnblase.

gestaltige Schleimhautfalte (Hymen). In topographischer Beziehung entspricht dieselbe, wie oben schon erwähnt, dem Colliculus semi- nalis (Caput gallinaginisj des männlichen Geschlechts.

24*

372 Specialer Theil.

Die Oyarien sind meisteus klein, rundlich oder oval, an ihrer Ober- fläche glatt, höckerig oder gefurcht. Die Stelle, wo die Gefässe und Nerven eintreten, besitzt keinen Bauchfelliiberzug und wird als Hilus bezeichnet.

Bezüglich des feineren histologischen Verhaltens der Ovarien resp. der Eibilduug verweise ich auf das früher Mitgetheilte.

In der Nachbarschaft der Ovarien, der Oviducte und des Uterus liegen die unter dem Namen des Parovariuni bekannten Reste der Urniere. Es handelt sich gewöhnlich um kleine, blind geschlossene, netzebildende Schläuche, die durch einen Sammelgang unter sich in Verbindung stehen. Falls der damit im Zusammenhang stehende und in den Sinus urogenitalis einmündende Wolff'sche Gang bei weiblichen Thieren persistirt, so spricht man, wie oben schon erwähnt, vom Gartner'schen Oang (Fig. 279, H, UNG, GG).

Es ist vielleicht hier der passendste Moment, um des durch eine Dupli- catur der Bauchhaut gebildeten Beutels, des Marsupiums, zu gedenken. Dieses tritt, wie schon bei der Schilderung des Integumentes erörtert wurde, zuerst bei Schnabelthieren auf und hat sich von hier auf die Marsupialier (,,B eutelthi ere") fortvererbt. Er ist dazu bestimmt, das noch im Ei liegende (Monotremen) oder in gänzlich unreifem Zustand (Marsupialier) zur Welt kommende Junge aufzunehmen und so während der Lactation einen längeren Connex zwischen Mutter und Frucht zu ver- mitteln.

Je nach verschiedener Lebensweise des Thieres (kletternd, aufrecht stehend etc.) ist die durch einen Muskel verschliessbare Oeffnung des Beutels nach vorne oder nach hinten gerichtet. Auch auf das Männchen wird das Mar- supium, wenn auch oft nur in schwachen Spuren, vererbt.

AVas die männlichen Geschlechtsorgane der Säuger betritit, so stimmen die Hoden bezüglich ihres locus nascendi mit den Ovarien bekanntlich überein. ^Yährend nun aber letztere in der weiteren Entwick- lung in der Regel nur bis ins Becken herabwaudern, können die Hoden un- ter Erzeugung des sogenannten Leistencanales (C a n a 1 i s i n g u i n a 1 i s) durch die Bauchdecken heraus- und bis in den Grund eines beutelartigen. Anhanges der hypogastrischen Region, des Hodensackes oder Scrotums, vordringen. Dabei drängen sie das Peritoneum unter Bildung des sog. Canalis vaginalis vor sich her, und je nachdem letzterer offen bleibt oder obliterirt, können die Hoden während der Brunstzeit mit Hilfe des Musculus creraaster (ausgestülpte Fasern des M. obli- quus abdominis int. und transv.) wieder in die Bauchhöhle zu- rückgezogen werden (Nager, Marsupialier, Chiropteren, In- sectivoren etc.), oder bleiben sie (im zweiten Fall) zeitlebens aussen liegen.

Bei vielen Säugern bleibt der Hoden stets in der Bauchhöhle liegen. Er steht Ijezüglich seiner Grösse durchaus nicht immer in geradem Ver- hältniss zu derjenigen des Körpers und stellt einen rundlich-ovalen, glatten Körper dar, dessen fibröse Aussenhülle (Fig. 297 A) häufig, aber nicht immer Ausläufer (T r a b e k e 1 n) ins Innere schickt (t, t). Dadurch werden die Samencanälchen in lappenartige Portionen gesondert (L, L) und zugleich entsteht ein (iitterwerk (Corpus Highmorif), durch welches das R e t e Halleri, d. h. dieVasa efferentia testis (Fe) in den Nebenhoden {NH) übertreten.

Organe des Harn- unri Geschlechtssystems.

>7o )<0

In diesem angelangt, ballen sich die Samencanälchen zu den soge- nannten Coni vasculosi und diese werden durch einen Sammelgang, das Vas epidi dy midis, unter einander verbunden (Fig. 297 Cv, Cv, Vep). Aus dem letzten Conus vasculosus geht dann das Vas de- ferens hervor {Vd) imd dieses erzeugt an seinem Ende, kurz bevor es sich in den Sinus urogenitalis einsenkt, drüsenartige Ausstülpungen

Fig. 298.

Fig. 297. Schematiche Dar- stellung des Säugethierho- d ens.

Ho Hoden, NH Nebenhoden, Vd Vas deferens, A Albuginea des Ho- dens, welche nach einwärts die Tra- bekeln t, t und das Corpus Highmori (f) erzeugt, L, L Läppehen der Samencanäle, Ve Vasa eflerentia te- stis (Rete Halleri), Cv Coni vasculo- si , die durch den Sammelgang Vep unter einander verbunden werden, Va Vas aberrans.

Fig. 298. Männlicher Uro- genital-Apparat des Igels. N Niere, Ur Ureter, B Harnblase, Pm Pars membranacea der Harnröhre, Cpc Corpora cavernosa, Pp Praepu- tium, Gp Glans penis, PD Praeputial- ., drüsen. Cd Cowper'sche Drüsen, Pr,

Pr^ die verschiedenen Lappen der Prostata, Sb Samenblasen, Ho Hoden, Ep Epididymis, Vd, Vd'^ Vas deferens.

(V e s i c u 1 a e s e m i n a 1 e s), die bei Nagern und Insectenfressern (Fig. 298 Sh) eine ganz excessive Entwicklung erfahren können.

Jenseits von dieser Stelle werden die Samenleiter als Ductus ejaculatorii bezeichnet.

Ausser ihnen münden bei manchen Säugern Rudimente der Müller - sehen Gänge in den Sinus urogenitalis.

Beim Menschen erhält sich nur das unterste (hinterste) Ende derselben, und zwar unter der Form eines unpaaren, in eine acces- sorische Geschlechtsdrüse, die Prostata, eingebetteten Bläschens (Ute- rus masculinus).

374 Specieller Theil.

Die Glandula prostatica s. Prostata, welche den Sinus urogenitalis mehr oder weniger vollkommen umgiebt, besteht aus Drüsen- schläuchen, die durch fibröses und musculöses Gewebe vereinigt werden und die ihr Secret in den Urogenitalsinus entleeren.

Begattungsorgane.

Bei männlichen Petromyzonten findet sich am Rand der Cloaken- öflfnung ein Organ, das auf den ersten Blick einem Penis sehr ähnlich sieht. Bei genauerer Prüfung aber erkennt man, dass es sich dabei um eine, unter der Herrschaft eines besonderen Muskels i) stehende, Aus- stülpung der K ö r p e r w a n d , gewissermassen um eine röhrenartige Verlängerung des P o r u s abdominalis handelt. Ob jenes Gebilde als ein Copulationsorgan zu deuten ist, steht dahin.

Bei Selachiern männlichen Geschlechts wird ein modificirter Abschnitt der Bauchflosse als Copulationsorgan^) verwendet („P terygopodiu m"). Es handelt sich um eine Anzahl beweglich unter einander verbundener, von einer Rinne durchzogener Knorpelstückchen, die aus Flossenstrahlen hervorgegangen zu denken sind.

Diese werden in zusammengeklapptem Zustand in die weibliche Cloake und von hier aus weiter in den Eileiter eingeschoben; dort werden sie durch einen besonderen Muskelmechanismus ausgebreitet, worauf der Samenerguss in den auf diese Weise künstlich erweiterten Oviduct erfolgt. In Verbindung mit diesem, nach Art gewisser chirur- gischer Instrumente gebauten, Apparat steht eine von Muskelfasern um- spannte tubulöse Drüse, welche durch eine sackartige Einsenkung des Integamentes gebildet wird und die in ihrem histologischen Ver- halten an die Bürzeldrüse der Vögel erinnert.

Ob das von Bkock bei dem zur Familie der Siluroiden gehörigen Plotosus anguiUaris nachgewiesene drüsige und zugleich erec- tile Organ, welches hinter der Urogenitalpapille seine Lage hat, zur Geschlechtsfunction in irgend welcher Beziehung steht, ist vorderhand noch nicht sicher zu entscheiden, wenn auch die Wahrscheinlichkeit hierfür eine sehr grosse ist.

Beim Männchen der brasilianischen Teleostiergattung Girardinus ist die Analflosse durch die Entwicklung eines terminalen Zangenappa- rates und anderer Modificationen zu einem Copulationsorgan umgebildet, womit sich das Männchen während der Begattung am Weibchen festhält (H. V. Jheeijjg).

Von anderen Gattungen mit ähnlichen Einrichtungen ist bei Knochen- fischen wenig bekannt; bei manchen Cyprinodonten kommen Umbil- dungen der Analflossen vor.

Unter den Amphibien tritt bei manchen Uro d eleu an der Dorsal- wand der Cloake eine Papille auf, die vielleicht als erste Andeutung eines äusseren Begattungsorganes im Sinn der höheren Wirbelthiere zu deuten ist. In welcher Art und Weise und ob sie überhaupt bei der Begattung eine Rolle spielt, ist nicht sicher constatirt. Wahrscheinlich

1) Der Muskel ist ein Derivat der Somiten (A. Dohrn).

2) Das Pterygopodium dient gleichzeitig als L o c o m o t i o n s o r g a n.

Organe des Harn- und üeschlechtssystems.

375

handelt es sich unter jenen Urodelen, da, wo ein A m p 1 e x u s beobachtet ist, wie z. B. bei Salamandra, um ein Umfasstwerden der weiblichen Cloake seitens der zur Brunstzeit ausserordentlich vergrösserten, stark angeschwollenen Cloakenlippen des Männchens.

In hohem Masse erectil ist der lang ausgezogene, männliche Cloaken- kegel von Euproctus Eusconii (Triton platycephalus). Er ist bei beiden Geschlechtern vorhanden und öffnet sich nach hinten oder zu- gleich auch dorsalwärts gegen die Schwanzwurzel. Er ist aus einer Ver- grösserung der die Cloakenöffnung umgebenden Lippen der übrigen Urodelen hervorgegangen zu denken.

Einzig und allein in der Reihe der Gymnophionen (Fig. 299 A, B) existirt bei den Männchen ein wirkliches äusseres Be- gattungsorgan, und zwar wird dasselbe durch die eine Länge bis zu fünf Centimetern erreichende, unter der Herrschaft einer reich ent- wickelten Musculatur stehende ausstülpbare Cloake dargestellt.

TT rB B

7n r. d.

Fig. 299. Der hinterste Theil des Urogenitalapparates von Epi- crium glutinös um (4) und vonCoecilia lumbricoides ( JB). Ol, Cl^ , CV^ Die verschiedenen Abschnitte der Cloake , BS Blindsäcke derselben. Die Cloake ist auf Figur A in der Ruhelage, auf Fig. jB in ausgestülptem Zustande dargestellt. Cls Cloaken- scheide, mrcl M. retractor cloacae , 5, B^ die beiden Zipfel der Harnblase, N Niere, lg-, mg Leydig'scher und Müller'scher Gang, r Rectum, Mdg Mündung der Cloake, HS Haut- schienen.

Bei den Reptilien finden sich zwei Arten von Begattungsorganen : pie eine besitzen die Saurier, Schlangen,^) Scinke und Am-

1) Bei Schlangen finden sich sogenannte Praeputial-Drüsen. Sie sind sack- artig gestaltet, sondern ein stark riechendes Secret ab und sind dorsalwärts an die Wirbel- säule befestigt.

376

Specieller Theil.

phisbänen, die andere die Schildkröten und Crocodilier; an letztere schliesst sich diejenige der straussenartigen Vögel an. Was zunächst die erstere Art betrifft, so handelt es sich um zwei, ausserhalb der Cloake, unter der Haut der Schwanz- wurzel liegende, erectile Ruthen. Diese können durch einen complicirten Muskelmechanismus in die Cloake hereingezogen und von hier aus hervorgesttilpt werden, worauf dann der Abfluss des Samens in einer spiralig verlaufenden Furche erfolgt.

Fig. 300. Die beiden Ruthen R, R^ von Lacerta agilis, in hervor- gestülptem Zustande. Nach F. Leydig. Auf Fig. B sind sie durch die punk- tirten Linien in der Ruhelage, unter der Haut der Schwanzwurzel liegend, dargestellt.

t Die Spiralfurche, welche zum Abfluss des Samens dient, Ce querliegender Cloaken- schlitz, Sd Schenkeldrüsen. Der Pfeil auf Figur B deutet die Richtung gegen das Schwanz- ende an.

Ueberall und das gilt ebenso für die Chelonier und Croco- dilier — finden sich auch im weiblichen Geschlecht, allerdings viel schwächer entwickelt, die Homologa der männlichen Ruthen. Sie sind gleichfalls paarig und werden als Kitzler oder Clitoris be- zeichnet.

Im Gegensatz zu den Sauriern und Ophidiern besitzen die Be- gattungsorgane der Chelonier und Crocodilier, wie es scheint, nur eine geringe Ausstülpungsfähigkeit. Die Ruthe besteht aus zwei, mit der dorsalen Cioakenwand verwachsenen, mit ihren inneren Rändern medianwärts zusammenstossenden , fibrösen Platten („Seitenwülste" der Autoren), die je einen grossen, lacunären, strotzend mit Blut gefüllten Raum einschliessen, so dass man von echten Schwellkörpern (Cor- pora cavernosa) sprechen kann. Sie sind von der an organischen Muskeln sehr reichen Cloakenschleimhaut überzogen und begrenzen eine von ihrer Wurzel bis zu ihrem hinteren Ende, welches sich als Glans p e n i s von der Cioakenwand frei erhebt, reichende Längsrinne. Letz- tere wird, zumal an ihrem Anfangstheil, von cavernösem Gewebe aus- gekleidet.

Was die Vögel betrifft, so besteht hier das Begattungsorgan bei den meisten Ratiten, sowie auch bei manchen Carin aten (z. B. bei Schwimmvögeln) aus einem ausstülpbaren, durch zwei fibröse Körper ge- stützten Rohr, welches in der Ruhelage auf der linken Seite der Cloake

Organe des Harn- und Geschlechtssystems.

377

in zwei Gruppen; in in die andere die der

in vielen Windungen aufgewickelt ist. Das ausgestülpte Organ wird durch ein elastisches Band wieder zurückgezogen.

Die Copulationsorgane der Säuger zerfallen die eine gehören diejenigen der M o n o t r e m e n , übrigen Säugethiere. Von den letz- teren bilden diejenigen der M a r s u p i a 1 i e r wieder eine Uuterabtheilung; bei allen ist der weibliche Apparat, wenn auch in der Regel kleiner entwickelt und von der Harn- röhre nicht durchbohrt, genau nach dem Typus des männlichen gebaut.

Während es sich bei Mouotremen um einen an der Grenze zwischen Sinus urogenitalis und Cloake entspringenden und mit der ventralen Seite der letzteren ver- wachsenen Sack handelt, in welchem das Zeugungsglied geborgen liegt , entsteht dieses bei den übrigen Säugern aus dem an der vorderen Cloakenwand hervorwachsen- den „Genitalhöcker". An seiner Unterseite trägt dieser eine zur Mündung des Uro- genitalsinus führende Rinne, die sich entweder, wie beim weiblichen Geschlecht, zeitlebens erhält, oder die zum Canal ab- geschlossen wird, wodurch der Sinus uro- genitalis eine bedeutende, röhrenartige Ver- längerung erfährt; im letzteren Fall, der in der Regel nur das männliche Geschlecht betrifft, entwickeln sich drei, im ersteren nur zwei cylindrische, aus cavernösem Ge- webe gebildete, durch ein Faserwerk unter

Fig. 301. DieRuthe des Menschen, halbschematisch dargestellt. A Im Querschnitt. B Von der Seite. CVon der Ventralseite.

A Albuginea penis, A^ Albuginea urethrae, Sp Septum zwischen den beiden Schwell- körpern des Penis, S Sulcns dorsalis penis, Ccp Corpus cavernosum penis, Ccu Corpus ca- vernosum urethrae , das sich bei Gp zur Glans penis entwickelt und bei B eine Auftrei- buug (Bulbus) erzeugt, rd, rd^ Radices penis resp. Corpora cavernosa penis.

einander verbundene und theilweise von Muskeln überzogene Schwell- körper, die dem Geschlechtsglied während der Copulation die nöthige Rigidität verleihen (Fig. 301 Ccp, Ccu).

Am vorderen Ende des Gliedes bildet sich die starken formellen Schwankungen unterliegende Eichel (Gp) (Grlans penis resp. clitori- dis), welche in einer Hautduplicatur, der Vorhaut (Praeputium) steckt und mit den sogenannten Wollustkörperchen [einer besonderen Art ein- fach gestalteter Tastkörperchen] versehen ist.

Ausser der Prostata, die von der den Sinus urogenitalis auskleidenden Schleimhaut aus ihre Entstehung nimmt, existiren bei beiden Geschlechtern noch andere accessorische Geschlechts- Drüsen, die ihr Sekret in den von den Schwelikörpern umschlossenen Theil der Ure- thra, bezw. unter die Vorhaut der Eichel eigiessen.

378

Specieller Theil.

Erstereheissen bei Männ- c h e n die Cowper'sclien ' ), bei W e i b c h e D die Bartholi- nischen -) oder Duverney - sehen Drüsen ; letztere wer- den mit dem Namen der Praeputialdrüsen oder der Tyson'schen Drüsen be- zeichnet. Alle unterliegen den mannigfachsten Form- und Grösseschwankungen und kommen entweder nur zu einem oder bis zu mehreren Paaren vor.

Die Cowper'sche n Drüsen liegen im männli- chen Geschlecht in der Nähe des hinteren Endes vom Cor- pus cavernosum ure- thrae, im weiblichen zu bei- den Seiten des Scheidenein- ganges und münden hier in den letzten, stark verflachten

Fig. 302. Männlicher üro- genitalapparat des Igels.

X Niere, ü>- Ureter, B Harn- blase, Pm Pars membranacea der Harnröhre, Cpc Corpora cavernosa, Pp Praeputium, Gp Glans penis, PD Praeputialdrüsen , Cd Cowper'sche Drüsen, Pr, Pr^ Die verschiedenen Lappen der Prostata, Sb Samen- blasen, Ho Hoden, .Sp Epididymis, Vd, Vd^ Vas deferens.

Rest des Sinus urogenitalis aus, das sogenannte Vestibulum V a g i n a e.

Die die äussere Scham des menschlichen Weibes umgebenden „grossen Lippen" sind fettreiche, behaarte Hautduplicaturen, welche sich weder bei den Anthropoiden, noch bei den übrigen Affen finden. Auch fehlt letzteren der Seh am b er g (Mons Veneris). Nur der Oranguta n hat vielleicht eine schwache Spur grosser Scham- lippen. Bei allen Aften bildet das auch dem Menschen zukommende, zweite Falteusystem , die Labia minora, die alleinige Begrenzung der Schamspalte. Sie erzeugen ein starkes Praeputium und Fre- nulum clitoridis und gehören entwicklungsgeschichtlich zum Ge- schlechtsglied, an dessen ünterfläche sie entstehen. Sie fallen also unter einen andern morphologischen Gesichtspunkt als die Labia majora. Die A ff en cli tor is ist relativ und absolut grösser, als die

1) Die Cowper 'sehen Drüsen kommen durchaus nicht allen Säugethieren zu; so fehlen sie z. B. manchen Carnivoren und allen Cetaceen.

2) Die Bartholini'schen Drüsen fehlen manchen Carnivoren, dem Schwein und allen Cetaceen.

Organe des Harn- und Geschleclitssystems. 379

menschliche ; an ihrer Unterfläche ist sie bis zur Harnröhrenmündung hin gefurcht'). Zur Entwicklung eines eigentlichen Hymens kommt es bei den Afien nicht

Auch die Weiber gewisser Stämme der äthiopischen Rasse zeichnen sich durch eine auffallend schwache Entwicklung der Labia majora, des Mons Veneris und des betreffenden Haarwuchses aus. Dem steht gegenüber eine bei Buschweibern unter dem Namen der Hotten- tottenschürze vorkommende Hypertrophie der kleinen Scham- lippen und des Praeputiums der Clitoris. Die Vagina erscheint (wie bei Affen) glatter, nicht mit so starken Runzeln versehen, wie bei jungfräulichen Europäerinnen. Auch bei J a p an eri n n e n sind die grossen Schamlippen sowie der Mons Veneris schwach ent- wickelt und behaart; auch die Labia minora erscheinen dürftig (Bischoff).

Nebennieren.

Diese Organe werden am besten im Anschluss an das Urogenital- system besprochen und zwar nicht nur, weil sie bei vielen Thieren in engster nachbarlicher Beziehung zu jenem stehen , sondern weil beide auch eutwicklungs geschichtlich zusammengehören. Gleichwohl ist ein physiologischer Connex zwischen beiden nicht nachzuweisen.

Ausser dem ürogenitalsystem spielt (wenn auch wahrscheinlich nur secundär) das sympathische Nervensystem bei ihrem Aufbau eine grosse Rolle, doch ist hier vieles noch dunkel. Ich werde später noch einmal darauf zurückkommen.

Die Anlage der Nebennieren geschieht rechts und links von der Wirbelsäule in bilateral-symmetrischer Weise.

Es soll sich dabei in der Reihe der A n a m n i a um Beziehungen zum Vornierenblastem handeln (?), während beiAmnioten nach Wel- DON die Urniere, d. h. die Geschlechtsstränge derselben, in Betracht kommen würden. Viel mehr Wahrscheinlichkeit besitzt die Behauptung MiHALCovics', dass die Nebennieren aus dem vordersten Ab- schnitt der Geschlechtsdrüse hervorgehen. Dabei handelt es sich um ein sehr frühes Entwicklungsstadium, in welchem die Sexual- drüse geschlechtlich noch nicht differenzirt ist. Nach er- folgter Trennung geht das zum Aufbau der Nebenniere verwendete Material andere physiologische Beziehungen ein, worin aber dieselben bestehen, ist gänzlich unbekannt. Eines ist aber festzuhalten, nämlich das, dass es sich hier wie dort um denselben gene- tischen Ausgangspunkt handelt, nämlich umdasCoe- luni resp. Keimepithel.

Um nun noch einmal auf die Betheiligung des sympathischen Nervensystems zurückzukommen, so ist an der betreffenden Stelle eine Wucherung der Ganglienzellen des Grenzstranges vorhanden. Diese führt allmählich zu einer Abschnüiung, wodurch das Nervengewebe zu den oben geschilderten Nebennierensträngen in Beziehung tritt. V\'ährend es nun aber bei Anamnia, wie z. B. bei Selachiern, zu keiner innigen Aneinanderlagerung beider Elemente kommt, beobachtet man bei höheren Vertebraten, wie vor Allem bei Säuge thi er en, Folgendes:

1) Die Clitoris stellt bald ein compactes Organ dar, bald ist sie durchbohrt. Letz- teres gilt z. B. für die Nager, den Maulwurf, die Lemuriden u. a.

380 Specieller Theil.

Das sympathische Nervengewebe liegt anfangs dem Convolut der Nebennierenstränge nur äusserlich an, bald aber wuchert es zwischen letztere hinein und kommt mehr und mehr centralwärts in die Maschen der das ganze Organ durchziehenden , bindegewebigen Gerüstsubstanz zu liegen. Die Folge davon ist, dass man eine aus den Neben- nieren strängen bestehende Binden- und eine aus sym- pathischen Elementen sich aufbauende Markschicht unter- scheiden kann ^ ).

Ich wende mich nun zur Schilderung des ausgebildeten Organs in der Reihe der Wirbelthiere.

Bei Selachiern liegen die Nebennieren in Form einer Doppelreihe kleiner 1 15 mm grosser Bläschen oder Läppchen rechts und links von der Wirbelsäule. Dieselben haben z. Th. eine segmentale Anordnung und zerfallen je in zwei Abschnitte. Der eine, welcher sich, wie oben schon erwähnt, aus mesodermalem Gewebe entwickelt, besteht aus geschlossenen, kernreichen, blasigen Gebilden, welche auch fett- haltige Zellen einschliessen können. Im zweiten, am anderen Läppchen- ende liegenden, Abschnitt trifft man sympathische Ganglien- zellen, die mit ihrem Mutterboden, d. h. mit dem sympathischen Grenzstrang, durch zarte Nervenfäden zeitlebens in Verbindung bleiben.

Sie ziehen sich über das vordere Ende des Geschlechtstheiles der Uruiere (vergl. das Urogenitalsystem) hinaus und verbinden sich weiter nach hinten so mit diesem und der eigentlichen Niere, dass sie leicht übersehen werden. Gerade im Bereich des Geschlechtstheiles der Ur- niere und der eigentlichen Niere zeigen sie eine streng segmen- tale Anordnung, während sie nach vorne unregelmässig werden und, mit einander confluirend, die sogenannten Axillar herzen bilden (Semper).

Bei Teleostiern sind die Nebennieren nicht überall in klarer und überzeugender Weise nachgewiesen; wo dies aber der Fall ist, handelt es sich, wie früher schon angedeutet wurde, um Beziehungen zu der in lymphoides (adenoides) Gewebe umgewandelten Vorniere. In andern Fällen aber sind sie enge mit der Niere (ürniere) verbunden'^).

Bei Amphibien liegen sie entweder an der ventralen Seite der Urniere (Anuren) oder an deren medialem Rand (Urodelen).

Bei den A mn ioten stellt die Nebenniere jeder Seite eine mehr ein- heitliche, in sich abgeschlossene Masse dar; während aber die Organe bei den Sauropsiden als ein goldgelbes, längliches, glattrandiges oder auch gelapptes Organ in unmittelbarer Nachbarschaft der keim- bereitenden Drüsen getroffen werden, befinden sie sich bei Säugern, wo sie in einer gewissen Entwicklungsperiode sehr voluminöse Organe

1) Wie schon oben angedeutet, erheischen diese Vorgänge noch genauere Untersuchungen, denn die Angaben der verschiedenen Autoren lauten darüber bis jetzt noch sehr verschie- den, ja widersprechen sich sogar zum Theil.

So fasst GoTTSCHAD die >Iarksubstanz bei Säugethieren nicht als eine nervöse, sondern als eine. der Kinde ähnliche Masse auf, ja er scheint der Annahme zuzuneigen, dass sich die Marksabstanz geradezu aus der Rindenschicht entwickelt, dass also keine principiellen Unterschiede in der Genese beider existiren I

Er leugnet nicht das Vorkommen von nervösen Elementen in der Marksubstanz, allein er erklärt sie für so inconstant, dass man davon absehen müsse, sie als specifisch für die- selbe zu betrachten. Jedenfalls erfolgt nach seinen Untersuchungen die Anlage derselben ungleich später als diejenige der Kindenschicht.

2) Bei Dipnocrn sind die Nebennieren bis jetzt noch nicht nachgewiesen.

JS'ebennieren. 381

darstellen, in engster Verbindung mit den Niereu (Fig. 289 B, iV, JV), und diesen Lagebeziehungen verdanken sie auch ihren Namen.

Ich kann dieses Capitel nicht abschliessen, ohne noch eines für die Nebennieren charakteristischen Umstandes Erwähnung gethan zu haben : ich meine ihren ausserordentlichen Blutreicht h um. Die zahl- reichen und verhältnissmässig starken Arterien stammen aus der Aorta, allein es handelt sich ausserdem noch um einen Pfortaderkreis- lauf. Derselbe ist nachgewiesen bei Amphibien und Reptilien, und die zuführenden Venen stammen aus der Vena portarum re- nalis.

Jener grosse Blutreichthum spricht für eine das ganze Leben andauernde wichtige physiologische Func- tion der Nebennieren; worin aber letztere besteht, lässt sich bis jetzt durchaus nicht angeben und alle darüber aufgestellten Meinungen erheben sich nicht über den Werth von Hypothesen. Immerhin soll aber hier eine Beobachtung von Gottschau Erwähnung finden, die den Schluss erlaubt, dass jene Organe (bei Säugern wenigstens) vielleicht zum Geschlechtsleben in irgend welcher Beziehung stehen.

Die Nebennieren scheinen nämlich bei trächtigen Kaninchen ein weit kleineres Volumen zu besitzen, als bei nicht trächtigen und bei männ- lichen Thieren. Dabei zeigt sich die Rindensubstanz an ihrer Aussenzone verbreitert, an ihrer inneren dagegen vermindert, und letzteres gilt auch für die Marksubstanz.

Ob die von Gottschau angenommene sekretorische Function der Nebennieren, wobei das Sekret in die Vena cava inferior hinein ab- fliessen soll, durch künftige Untersuchungen bestätigt werden wird, möchte ich bezweifeln.

Zum Schlüsse sei noch des grossen Reichthums der Nebennieren vieler Säugethiere an Pigment, Lymphbahnen und Lymphfolli kein Erwähnung gethan. Was das Pigment betrifft, so handelt es sich um sehr zierliche, einen deutlichen ovalen Kern besitzende, Sternzellen, welche mit- einander anastomosirend ein weitverzweigtes Pigmentnetz darstellen und in der Pegel den Capillaren entlang angeordnet sind. Bald trifft mau dieses Pigmentgewebe weniger, bald überaus reichlich entwickelt, was wohl auf ver- schiedenen physiologischen Zuständen des Organes beruht. Es erscheint nicht unmöglich, dass das Pigment von der Nebenniere selbst producirt, mit der Lymphe fortgeführt und in die zunächst liegenden Lymphdrüsen, welche sich häufig genug pigmentirt zeigen, abgelagert wird. Von diesem Gesichtspunkt aus würden dann die Lymphgefässe, welche sowohl peripher als auch central angeordnet sind und welche die Blutgefässe an Zahl weit übertreffen, als die von den alten Anatomen so lange Zeit vergeblich gesuchten Ausführungsgänge der specifischen Producte der Nebennieren angesprochen werden dürfen (H. Stilling).

382 Specieller Theil.

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1885.

Register.

Seite Abdominalporen s. Pori abdominales.

Appendices pyloricae 268

Aquaeductus vestibuli et Cochleae vergl. Ductus endo- und peri-

lymphaticus 240

Arteriensystem , Entwicklung des

Arteriensystem 309, 322

Athmungsorgane 278 306

Athmungsorgane im Allgemeinen

und Entwicklung der .... 278

Auge vergl. Sehorgan. Augenmuskelnerven vergl. Gehirn- nerven.

Augenmuskeln 223

Augenlider 223

Augendrüsen . 224

B a s ip te r y gi um 107

Bauchspeicheldrüse 277

Bauchfell s. Peritoneum.

Beckengürtel 101—107

Beckengürtel der Fische und Di-

pnoer 101 102

Beckengürtel, allgem. Configuratioii

des bei d. üb. d. Fischen

stehenden Wirbelthieren ... 102

Beckengürtel der Amphibien . . 102 103

Reptilien . . 103—105

Vögel ... 105

Säuger . . . lOG— 107

Befruchtung 5

Begattungsorgane 374 379

Begattungsorgane der Fische . . 374

Amphibien 374 375

Reptilien . 375—376

Vögel . . 376

Säuger . 377—379 Blastoporus s. Urmund.

Blinddarm 270

Bronchien s. Luftwege. Brustbein s. Sternum. Brustgürtel s. Schultergürtel.

Seite Bulbus arteriosus s. Herz. Buisa Fabricii 270

Cardinal venen 311,324

Carpus s. Extremitätenskelet.

Centralnervensystem s. Nerven- system.

Cerebellum s. Gehirn.

Cerebrum s. Gehirn.

Chorda dorsalis (Rückensaite). 11,34

Chorioidea und Chorioidealspalte s. Sehorgan.

Chorion 335—337

Cloake s. Enddarm und Urogenital- system.

Coecum s. Blinddarm.

Coelom, Entstehung des ... 7

Coelum und Pori abdominales . 306

Conus arteriosus s. Herz.

Copularia (im Allgemeinen) . . 65

Copulationsorgane (vergl. auch

Begattungsorgane) 374

Coracoid s. Schultergürtel.

Cornea s. Sehorgan.

Cranium s. Schädel.

Cutis (Corium) s. lutegument.

D a r m c a n a 1 im Allgemeinen

und Entwicklung des. . . . 244 247

Darmcanal und seine Anhänge . 244 277

Darmcanal, Anhangsorgane des . 275 277

Darmschleimhaut, Histologie der . 272

Dottersack 9, 334

Ductus Botalli 319

Ductus Cuvieri 311,324

Ductus endo- u. perilymphaticus . 240 Ductus endo- und perilymphaticus

der Selachier . 240 ,, Teleostier

u. Amphibien 241

Saurier. . 240

Vögel . . 241

Säuger . . 241

feesristef.

385

Ei, Entwicklung, Furchung etc.

des

Elektrische Organe

Enddarm

.Enddarm der Fische, Dipnoer und

Amphibien

Enddarm der Reptilien . . . .

Vögel

,, Säuger . . . .

Eudknospen und Stäbchenzellen .

,, der Fische . . . .

,, Amphibien

,, ,, Reptilien .

,, ,, Säuger

Endolymphe s. Gehörorgan. Epidermis s. Integument. Epidermisbildungen ....

Episternum

Episternum der Amphibien

,, ,, Reptilien .

Vögel . . .

,, ,, Säuger .

Ernährung, Organe der . Eustachische Röhre s. Gehörorgan

Extremitäten

Extremitäten, unpaare Extremitäten, Entstehung der . Extremitäten (freie) .... Extremitäten der Fische

,, ,, Dipnoer .

,, Ganoiden

,, ,, Teleostier .

,,• ,, höheren Wirbel

thiere im All gemeinen

Urodelen

,, Anuren .

,, ,, Reptilien

Vögel

,, ,, Säuger

beite

2—6 136 270

270 270 270 271 190—195 190 191 194 194

16 60 58 60 60 60 244

93 94 93

107

107 107 109 109

HO 113 113 114 116 118

Gehirn der Teleostier . ,, Ganoiden .

Ge-

Federn, Entwicklung der Penestra ovalis et rotunda t

hörorgan. Fettdrüse s. Wiuterschlafdrüse. Flossen , unpaare, s. unpaare Ex

tremitäten.

Flossen, paarige

Flossen träger

Oallenblase s. Anhangsorgane

des Darmcanals. Gallenausführungsgänge . Gartner'scher Gang . Gebiss s. Zähne. Gefässsystem s. Kreislautsorgane Gehirn

,, Entwicklung des .

,, Häute des .

der Fische

,, ,, Acranier .

,, ,, Cyclostomen .

Selaehier

21

107 94

276 346

142 142 148 149 149 149 151

,, Dipnoer . ,, Amphibien . Reptilien.

» Vögel

,, Säuger

,, fossilen Säuger .

Gehirnnerven

Gehirnnerven im Allgemeinen

N. olfactorius

N. opticus

Augenmuskelnerven (N. ocu- lomotorius, trochlearis und

abducens)

N. trigemiuus

N. facialis und acusticus . Glossopharyngeus und Vagus N. accessoris Will.

N. hypoglossus

Gehirnnerven, ihre Bedeutung für die Metamerie des Schädels

Gehörorgan

Gehörorgan im Allgemeinen und

Entwicklung des

Gehörorgan der Fische u. D i p n i ,, ,, Amphibien.

,, ,, Reptilien.

,, ,, V ö ge 1 ...

,, ,, Säuger.

Beziehungen des Gehörorgans zur

Schwimmblase der Fische Gehörknöchelchen s. schallleitender Apparat.

Geruchsorgan

Geruchsorgan im Allgemeinen und

Entwicklung des

Geruchsorgan der Fische

,, ,, Cyclostomen . ,, ,, Selaehier ,, ,, Ganoiden ,, Teleostier . ,, ,, Dipnoer. ,, ,, Amphibien ,, ,, Urodelen ,, Anuren . ,, ,, Gymnophionen ,, ,, Reptilien. ,, ,, Saurier . ,, ,, Chelonier ,, Crocodilier . ,, ,, V ö ge 1 . . . ,, ,, Säuger. Geschlechtsorgane s. Urogenital- apparat

Geschlechtsproducte, Entwicklung

der

Geschlechtszellen s. Geschlechts- producte. Geschlechtsorgane (specielle Be- trachtung der)

Geschlechtsorgane der Fische

und Dipnoer

Geschlechtsorgane des Amphioxus ,, der Cyclostomen

Seite 153 153 156 157 159 164 167 172 173, 177 173, 177 179 180

181 181 183 184 186 186

177

227

227 231 233 234 234 236

233

198

198 199 199 201 201 201 203 203 204 204 204 204 205 205 205 206 206

341

348

348, 360

360, 362 360 360

\V i e (1 IT s h ri ui . (jiuiidiiss der vinxl. Anatomie. 2. .Uill.

25

386

tlearister.

Gesclilecl

360

;566,

itsorgane der Teleostier ,, Selachier ,, Ganoideu . Dipnoer . ,, Ain pli i b ie u ,, Gymnophioneii Urodi^len Anureu . Reptilien ,, Lacertilier

und Scinke Ophidier ,, Chelonier . „Vögel . . ,, Sau ger . Geschlechtsorgane der Monotremeii

und Marsupialier 368

Geschlechtsorgane der übrigen

Säuger

Geschlechtsorgane, äussere, s. Be- gattungsorgane.

Glandula thyinus

Glandula thyreoidea

Gliedmassen s. Extremitäten.

Seite 361 361 362 362 362 363 364 364 366

368 366 366 366 368

370

370

263 260

Haare, Bau der

24

Haare , Entwick

uug der

24

Harder'sche Drüse vergl. Augen- drüsen.

Harnblase s. Harnorgane u. Uro- genitalapparat.

341

S^tl

Harnorgane dei

Dipnoer Harnorgane des

der

Fische

Amphioxus Jlyxinoiden Teleostier

und und

351

351 351

Selachier . Ganoiden .

351 352

Dipnoer . Amphibien .

351 352

Gymnophionen . Urodelen .

352 352

Anuren

352

Hautdrüsen

Re p til i e

V ög e 1 Säuger.

n

124

356

356

358

16

Hautmusculatur

.

130

Hautsinn s. Sinnesorgane. Hautskelet (Exoskelet) . .

Hautbkelet der F i s e li e und

Dipnoer

Hautskelet der A ni p h i h i c n . ,, ,, Reptilien

,, ,, Säuget liiere

Herz und seine Gefässe . Herz der Fische

des Amphioxus der übrigen Fische ,, Dipnoer ,, Amphibien Reptilien. ,, Vögel ,, Säuger.

31

31

32

33

34

314

314

314

314

315

.316

319

320

320

Hinterdarm s. Enddarm. Hirnnerven s. Gehirnnerven. Ilirnschädel (Cranium) .... Hoden s. Geschlechtsorgane. Hyomandibulare (im Allgemeinen)

J a c o b s o n'sches Organ Jacobson'sches Organ der Am- phibien

Jacobson'sches Organ d. Reptilien

und Säuger

Inhaltsverzeichniss

Integument

Integument der Fische u. Dipnoer

, , , , Amphibien

,, ,, Reptilien.

Vögel. . . .

,, Säuger . .

Ent-

Te

Kehlkopf s. Luftwege.

Keimblase

Keimblätter , Begriff und

stehung der

Keimblätter (ihre Derivate)

Kiemen

Kiemen im Allgemeinen und Ent

Wicklung der .... Kiemen der Fische ,, des Amphioxus ,, der Cyclostomen . des Ammocoetes . ,, der Petromyzonten ,, ,, Myxinoiden

,, Selachier .

,, ,, Ganoiden und

leostier . ,, Dipnoer

,, ,, Amphibien

,, ,, Urodelen .

,, ,, Anuren

,, Gymnopliionen

Kiemenbogen im Allgemeinen Kiemenbogen der Acranier ,, Selachier

Chimären ,, ,, Ganoiden

Dipnoer

,, ,, Teleostier

,, Cyclostomen

,, ,, Urodelen

,, ,, Anuren .

,, ,, Reptilien

,, ,, Vögel

,, ,, Säuger .

Kiemendeckel (Opercularapparat

der Cliimären .... Kiemendeckel der Ganoiden ,, ,, Dipnoer ,, Teleostier Kiemenliaut s. Branchiostegal- strahlen der Selachier und Chi- mären

Kiemenhaut der Dipnoer

,, ,, Teleostier . Kolbenkörperchen

und

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69 70 74 72 68 79 80 81 85 87

70 71 76 73

70

76

73

196

Reg] ster.

387

Kopfnierengang und Kopfniere s.

Vornierengang und Vorniere. Kopfskelet s. Schädel. Kreislaufsorgane, AUgem. Ueber-

sicht der

Kreislauf, fötaler

liabyrinth, häutiges .... Labyrinth, knöchernes .... Lamina spiralis ossea et membra-

nacea s. Gehörorgan. Larynx s. Luftwege.

Leber

Leber im Allgem. und Entwicklung

der

Leibeshöhle s. Coelom. Luftröhre s. Luftwege. Luftsäcke der Vögel . Luftwege (im Allgemeinen) Luftwege der Dipnoer und Am

phibien

Luftwege der Reptilien . Vögel . . .

,, ,, Säuger

Lungen

Lungen der Dipnoer .

,, ,, Amphibien .

,, ,, Urodelen

,, ,, Gymnophionen

,, ,, Anuren .

,, Reptilien

,, ,, Lacertilier und Am

phisbänen .

,, Ophidier

,, Chelonier und Cro

codilier .

Vögel . . .

Säuger .

Lymphgefässsystem . . .

All-

Magen s. Vorderdarm.

Mastdarm s. Enddarm.

Meckel'scher Knorpel (im gemeinen)

Medulla spinalis s. Rückenmark.

Meibom'sche Drüsen s. Augen- drüsen.

Milchdrüsen, Entwicklung und Bau der

Milchdrüsen, überzählige .

Milz

Mitteldarm

Mitteldarm im Allgemeinen

Müller'scher Gang

Munddarm im Allgemeinen

Mundhöhle, Eingang zur .

Mundhöhle, Organe der .

Mundhöhle, Drüsen der .

Mundhöhlendrüsen im Allgem und Entwicklung der

Mundhöhlendrüsen d. Amphibien ,, Reptilien

,, Vögel .

,, ,, Säuger

Musculatur, des Skelets .

SQite

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228

229

275 276

299 290

290 292 293 294 288,296 296 296 296 296 296 297

297, 298 296

297 298 302 339

65

28 30 340 268 246 345 247 247 248 255

255 255 256 256 257 124

Muskeln des Stammes im Allge

meinen

Muskeln

Muskeln Kopfes

Muskeln Kopfes

Muskeln Musculus Myologie

d. Stammes d. Fische ,, Amphibien . ,, Reptilien . ,, Vögel ,, Säuger . des Visceralskeletes und im Allgemeinen . des Visceralskeletes und der Fische ,, Amphibien

,, Reptilien

Vögel

,, Säuger

der Extremitäten . diaphragmaticus .

IVebenaugen

Nebennieren

Nervenröhre (Medullarrohr)

Nervensystem

Nervensystem im Allgemeinen

Nervensystem, centrales ...

Nervensystem, peripheres

Nervus olfactorius , opticus etc s. Gehirnnerven.

Nervus sympathicus ....

Nervenhügel und ihre verschied Modificationen (Seitenlinie) .

Netzhaut s. Retina.

Niere (der Anamnia) s. Harnor- gane

Niere (der Amnioten) , Entwick- lung der

Oesophagus s. Vorderdarm.

Ohr, äusseres, mittleres ....

Opercularapparat (der B'ische)

Orbitalring (der Fische)

Organe des Harn- u. Geschlechts- systems s. Urogenitalapparat.

Ossa (die verschiedenen) s. Skelet.

Otolithen s. Gehörorgan

Ovarien s. Geschlechtsapparat.

Pacini'sche Körperchen Kolbenkörperchen.

Palato-Quadratum (im Allgem.) ,, der Selachier

und Chi mären Ganoiden

,, ,, Dipnoer

,, ,, Teleostier

Pankreas s. Bauchspeicheldrüse.

Parachordal-Elemente ....

Parietal- oder Pinealauge . . .

Paukenhöhle s. Gehörorgan.

Perilymphe s. Gehörorgan.

Peritoneum

Pigment (der Amphibienhaut) .

Placenta (Beziehungen zwischen Mutter und Frucht) ....

Pori abdominales

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351

347

231 70 73

230 66

69 71 75 73

63 144

244 19

334

306

388

Register.

Processus vermiformis Pterygo-Palatinum (im Allgem. Pterygopodium

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270

66

374

(im

Rectum s. Enddarm.

Respirationsorgane s. Atlimungs-

organe.

Rete mirabile s. Wundernetze.

Retina

220

Rippen (Entwicklung der) .

52

,, der Fische und Dipnoer .

53

Amphibien . . . .

54 i

,, Reptilien, Vögel, Säu-

ger

54,55,56

Rippen, wahre und falsche

54

Rostrum des Selachierschädels

70

,, ,, Ganoidenschädels .

71

Rückenmark

141

,, Entwicklung des .

140 j

Häute des . . . .

148

Struetur des . .

142

Rückenmarksnerven

175

Rückensaite (Chorda dorsalis) .

11,34

Samenzellen (Spermatozoen)

350

Schädel

61

,, (chordaler, vertebraler)

61

,, Entwicklung

63

,, Gesichts-

62 1

häutiger, knorpeliger . .

61

knöcherner ....

67

,, visceraler ....

65

Wirbeltheorie des .

62

der Fische . .

68

Acranier

68

,, Selachier und Chi

mären ....

69

Ganoiden . . .

70

,, Dipnoer. . .

74

Teleostier . . .

72

,, Cyclostomen . .

68

Amphibien. .

76

,, Urodelen . . .

76

Gymnophionen

78

Anuren ....

78

,, Reptilien

81

,, Vögel ....

85

,, Säuger . . .

87

Schädelbalken

63

Schädelknochen, Entwicklung unc

Gruppirung der ....

67

Schädelregionen

64

Schallleitender Apparat .

92

Schilddrüse s. Gl. thyreoidea.

Schlund s. Vorderdarm.

Schnecke

228

Schnecke der Säuger . . .

239

Schultergürtel

96

der Fische . .

96

Amphibien .

97

Reptilien

99

Vögel . .

100

,, V Säuger

101

Schuppen der Fische . .

31,32

,, ,, Amphibien . .

32

,, Reptilien . . .

33

Schuppen, Entwicklung der Schwimmblase und Lungen AUgem.) . .

,, Entwicklung der

,, der Fische

Sehorgan ......

Sehorgan im Allgem. und Entwick

lung des

Sehorgan der Fische. . ,, ,, Cyclostomen .

,, ,, Selachier, Ganoiden

u. Teleostier . ,, ,, Amphibien

,, ,, Reptilien .

„Vögel . .

,, Säuger.

Hilfsorgane des .

Sehpurpur

Seitenlinie s. Sinnesorgane der Haut.

Sinnesorgane

,, im Allgem.

der Haut ....

,, der Fische ....

,, ,, Amphibien (s.

Nervenhügel) . ,, ,, Reptilien .

Vögel ....

Säuger . . .

Skelet

,, Haut-

inneres

Somiten

Spinalnerven s. Rückenmarks- nerven. Spiralklappe (des Darmes) . . Spritzapparat der Gymnophionen Spritzloch (Spiraculum) .... Stäbchenzellen s. Endknospen.

Sternum

der Amphibien .... ,, ,, Reptilien ....

Vögel

,, ,, Säuger

,, Entwicklung des Sympathicus s. Nervus sympa-

thicus. Symplecticum (im Allgem.)

Tarsus s. Extremitäten. Tastzellen und Tastkörperchen

der Anuren

Reptilien

Vögel .

Säuger

Thränendrüsen s. Augendrüsen. Thränennasengang .... Thymus s. Gl. thymus. Thyreoidea s. Gl. thyreoidea.

Tonsillen

Trachea s. Luftwege. Trommelfell s. schallleitender Ap parat.

Urach US

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194. 197 31 31 34

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210 70

57 57 59 59 59 57—59

66

195 195 195 195 195

204

340

313

Register.

389

Ureter s. Harnorgane und Uro

genitalapparat

Urmund (Blastoporus) Urnierengang (primärer) und Ur niere .... (secundärer) (Ley

dig'scher Gang) .

Urogenitalapparat

Entwickl. des

Uebers. des .

Urwirbel s. Somiten. Uterus s. Geschlechtsorgane.

Vater'sche Körperchen s. Kolbenkörperchen.

Venensystem

,, Entwicklung des .

Vesica fellea s. Anhangsorgane des Darmes. ,, urinaria s. Urogenital-

apparat.

Visceralröhre

Visceralskelet (Kiemenbogen) .

Vorderdarm

,, im engeren Sinn (All

gemeines) der Fische des Amphioxus der Cyclostomeu . Dipnoer . . ,, Selachier . ,, Ganoiden . ,, Teleostier . . Amphibien ,, Urodelen . Anuren . Reptilien. Lacertilier . Ophidier Chelonier . ,, Crocodilier . ,, Vögel . . Säuger.

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Vorniere (Pronephros) Vornierengang .

W interschlafdrüse. Wirbelrohr (Metamerie des Wirbel

thierkörpers)

Wirbelsäule

der Fische.

,, des Amphioxus .

der Cyclostomen .

der Ganoiden , D

p n o e r, Selachier und Teleostier

Amphibien

,, ,, Reptilien

,, ,, Ascalaboten .

,, Chelonier .

,, Crocodilier .

,, ,, Dinosaurier .

des Archaeopteryx

,, der Vögel

Säuger.

Wirbelthiere, palaeontol. Entwick

lung der

Wirbelthierkörper, Eintheilung d

Wolflf'scher Gang

Wundernetze

Wurmfortsatz s. Processus vermi formis.

Zahnstelluug, Grundtypus

derselben bei Säugern ... 254

Zähne 248—255

,, im Allgem. und Entwick- lung der 248

der Fische 249

Amphibien 250

,, ,, Reptilien und fossilen

Vögel 251--252

,, ,, Säuger 252

Zoologisches System 14

Zunge 257

Zungenbeinbogen (Hyoidbogen) 65

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11,12

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Frommannsche BucluLruckerei (Ilormann Pohlo) in Jena. 503

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