TU t7 MEERESKUNDE !'f t 3 \MMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE )BA ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VON MEER UND SEEWESEN RIESEN VON DR. HEINZ MICHAELSEN -BERLIN 1 3e£V .:-.'-/ ' 8. Jahrgang 3. Heft BERLIN 1914 ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN KÖNIGLICHE HOFBUCHHANDLUNG KOCHSTRASSE 68-71 ^ MEERESKUNDE ^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Bisher erschienen folgende Hefte: Zur Einführung. Das Museum für Meereskunde. Von Prof. Dr. A. Penck. Die Meeresräume, ihre Wasserfüllung und ihre Küsten. Flaschenposten, treibende Wracks und andere Triftkörper in ihrer Bedeutung für die Enthüllung der Meeresströmungen. Von Prof. Dr. O. Krümmel. Das Eis des Meeres. Von Dr. L. Mecking. Die deutschen Seeküsten in ihrem Werden und Vergehen. Von Dr. Fr. Solger. Die Küste der englischen Riviera. Von H. Spethmann. Unsere Kalisalzlager, ein Geschenk des Meeres an den deutschen Boden. Von W. Stahlberg. Der Deichschutz an Deutschlands Küsten. Von Dr. Walter Behrmann. Der Golfstrom in seiner historischen, nautischen und klimatischen Bedeutung. Von Dr. Ludwig Mecking. Meer und Küste von Rügen bis Alsen. Von H. Spethmann. Tier- und Pflanzenwelt des Meeres. Über marine Sedimente und ihre Benutzung zur Zeitbestimmung. Von Dr. G. Braun. Die Meeressäugetiere. Ihre Stammesgeschichte. Von Prof. 0. Abel. Die westindischen Korallenriffe und ihr Tierleben. Von Dr. R. Hartmeyer. Das Reich des Todes im Meer. Von Walter Stahlberg. Tierische Wanderungen im Meere. Von Prof. R. Woltereck. Die Scholle, ein Nutzfisch der deutschen Meere. Von Dr. V. Franz. Gefiederte Bewohner des Meeres. Vögel des Atlantischen Ozeans. Von Dr. K. Wenke. Das schwimmende Leben der Hochsee. Von Dr. G. H. Fowler. Tierisches Licht in der Tiefsee. Von Prof. Dr. E. Mangold. Neue Forschungen über die Biologie der Tiefsee. Von Professor Dr. F. Doflein. Die zoologische Station in Neapel. Von Prof. Dr. Armin v.Tschermak. Geschichte, Entdeckungsgeschichte, Seekriegsgeschichte. Die deutsche Handelsmarine im 19. Jahrhundert. Von Dr. W. Vogel. Die Anfänge der Nordpolarforschung und die Eismeerfahrten Henry Hudsons. Von Dr. P. Dinse. Zeitalter der Entdeckungen und die Beteiligung der Deutschen daran. Von S. Günther. Der Seeraub. Eine geographisch-historische Skizze. Von Dr. P. Dinse. Die Kontinentalsperre in ihrer geschichtlichen Bedeutung. Von Rob. Hoeniger. Nordische Seefahrten im früheren Mittelalter. Von Dr. W. Vogel- Die Abschaffung des britischen Sklavenhandels im Jahre 1806/07. Ein Kapitel aus der britischen Schiffahrtspolitik. Von Dr. Franz Hochstetter. MEERESKUNDE SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VON MEER UND SEEWESEN ACHTER JAHRGANG DRITTES HEFT Riesenschiffe. Von Dr. Heinz Michaelsen -Berlin. ir leben im Zeitalter der Riesenschiffe. Die Hamburg - Amerika Linie hat im Jahre 1913 den ,, Imperator" (Abbild. 33), das größte Schiff der Welt, in den Dienst gestellt. Das Schiff hat bei einer Länge von 280,06 m über alles (268,22 m zwischen den Perpendikeln), einer Breite von 29,87 m und in beladenem Zustande bei einem Tief gange von 10,8 m eine Wasserverdrängung von 57 000 Registertonnen. Es ist also doppelt so groß wie seine unmittelbaren Vor- gänger „Amerika" und „Kaiserin Augusta Viktoria" (Abbild. 31), welche uns seinerzeit auch schon durch ihre Dimensionen in Erstaunen -gesetzt haben. Zweifellos sind wir durch die gewaltigen Fort- schritte, welche unsere Technik in den letzten Jahr- zehnten gemacht hat, an große Dimensionen und auch an deren ständige Steigerung gewöhnt. Täglich hören und lesen wir von neuen Riesen- werken: Riesentunnels, Riesentürmen, Riesenbrücken, Riesenschleusen, Riesenkanonen usw., denn täglich werden ältere Schöpfungen von neueren mehr oder weniger übertroffen. Fast möchte es daher scheinen, als ob man heute geneigt ist, das Prädikat „riesig" den modernen „Wundern der Technik" allzu leicht zu ver- leihen. Man hört das Wort heute so oft, daß es fast phrasenhaft klingt. Dennoch nennen wir im allgemeinen Meereskunde, Vorträge. VIII. Heft 3. 2 Meereskunde. nur das „riesig", was sich in seinen Abmessungen um ein Bedeutendes von seinen Vorgängern oder von dem Gebräuchlichen unterscheidet. Wenn also heute ein Fahrzeug den Ehrentitel , ,Riesenschiff" verdient, so ist es in allererster Linie der „I m p e r a t o r". Der Sprung von den nächst größten Schiffen bis zu ihm ist so groß, daß der „Impe- rator" mit seinen beiden bei Blohm & Voß in Hamburg im Bau befindlichen Schwesterschiffen diesen Rang vor- aussichtlich auf längere Zeit behaupten wird. Angesichts dieses in der ganzen Welt unbestritte- nen Höhepunktes unserer deutschen Schiffbaukunst und unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dürfte es von Interesse sein, in der Geschichte zurückzublicken und die Schiffe zu betrachten, welche vor den „Impera- toren" den Anspruch auf den Titel ,, Riesenschiffe" ge- macht haben. Die Anfänge der Schiffbaukunst verlieren sich im grauen Nebel vorgeschichtlicher Zeiten, und wir werden wohl nie oder nur nach außerordentlich mühsamen Ver- gleichsarbeiten mit dem Schiffbau heutiger primitiver Völkerschaften imstande sein, den Schleier nur um ein Weniges zu lüften. Dennoch können wir feststellen, daß die untere Grenze für die Dimensionen eines Fahr- zeuges durch die Forderung gesetzt war, daß es min- destens einen Menschen tragen konnte. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, sich über die wahrschein- liche Art dieser primitiven Schiffe auszulassen. Tat- sächlich finden wir heute noch zahlreiche Fahrzeuge im Betrieb, welche sich nicht sehr wesentlich von denen unterscheiden dürften, welche der Urmensch benutzt haben wird. Ähnliche Wünsche, ähnliches Material und ähnliche Werkzeuge pflegen, wie uns eingehende ethno- graphische Studien leicht zeigen, auch bei verschiede- Ricsenschiffc. Abbild. 1. Coracle aus Irland.1) nen Völkerschaften ganz ähnliche Erzeugnisse hervor- zubringen. Heute können wir noch überall Ein- bäume, Flöße usw. antreffen, heute noch werden aufgeblasene Tierbälge, z. B. am Tigris, als Fähren benutzt, heute noch bedienen sich irische Fischer zur Ausübung ihres Berufes der sogenannten Coracles (Abbild. 1). Ich glaube daher nicht, daß wir prinzipielle Fehler bege- hen werden, wenn wir von der heutigen primi- tiven Schiffahrt auf die primitive Schiffahrt über- haupt zurückschließen. So dürfen wir auch sicher schließen, daß die Ab- messungen der primitiven Fahrzeuge sehr schnell vergrößert worden sind, denn schon damals werden dieselben Faktoren wie heute eine Steigerung der Dimensionen bewirkt haben: 1. das Bedürfnis, größere Mengen zu befördern, 2. der Wunsch, größere Geschwindigkeiten zu er- reichen, und 3. der Ehrgeiz, sich besonders hervorzutun. Wenn wir nun sehen, daß die Schiffbaukunst heuti- ger primitiver Völkerschaften Schiffe, wie die Kriegs- kanus der Südseeinsulaner und die siamesischen Königsboote hervorbringt, welche im Vergleich zu den sonst gebräuchlichen Fahrzeugen sehr wohl als „Riesen- schiffe" bezeichnet werden können, so dürfen wir wohl annehmen, daß der Urmensch unter Umständen ganz ähnliche Schiffe gebaut haben kann. Diese Vermutung x) Vgl. Vogel, W. Nordische Seefahrten im früheren Mittel- alter (Meereskunde 1. Jahrg., 7. Heft). 1* Meereskunde. wird in glänzender Weise durch antike Texte und an- tike bildliche Darstellungen bestätigt. Die ältesten Schiffsdarstellungen, welche uns überliefert worden sind, finden wir in größerer Zahl auf Vasen, welche ungefähr aus den Jahren 5000 bis 6000 vor Christi Geburt stammen und auf libyschen Ursprung, auf die Urbevölkerung Ägyptens, zurückgeführt werden (Abbild. 2). Sie stellen unzweifelhaft Schiffe dar, welche, abgesehen von den deutlich zu erken- nenden drei Steuerrudern, von jeder Seite von über 50 Ruderern angetrieben werden. Diese Schiffe müssen sicher eine Länge von ungefähr 100 m ge- habt haben, da jeder Ru- derer etwas mehr als 1 m Platz braucht, um vonVor- der- und Hintermann frei- zukommen. Solche Rie- senschiffe dürften nach der Begrüßungsstellung der mit abgebildeten Menschen zu urteilen, wohl Luxusfahrzeuge für Könige oder auch Kriegsschiffe gewesen sein, welche die große Anzahl von Ruderern zur Erreichung größerer Geschwindigkeiten brauchten. Die Ägypter scheinen neben anderem auch die Schiffbaukunst von der besiegten Urbevölkerung ge- lernt zu haben, denn es sind uns zahlreiche Darstellun- gen von großen ägyptischen See- und Flußschiffen er- halten geblieben, welche ganz ähnliche Formen zeigen. Das älteste, uns durch ein ausgezeichnetes Relief über- lieferte ägyptische Seeschiff stammt aus der 3. Dy- Abbild. 2. Primitive Darstellung eines ägyptischen Schilfes. 5000 bis 6000 v. Chr. Riesenschiffe. nastie, also etwa 2500 Jahre vor Chr., und zeigt schon ganz stattliche Dimensionen. Es ist ein Schiff des Königs Sahureh. Die Ägypter haben offenbar Sinn für große Dimensionen gehabt, haben sie uns doch zahl- reiche Riesenbauten, die Pyramiden, Sphinxe usw. hinterlassen. Es liegt nahe, daß man bei solch inten- siver und ausgedehnter Bautätigkeit der ägyptischen Könige auch bald zu Riesendimensionen bei dem ge- bräuchlichen Beförderungsmittel, dem Nilschiff, kam. In der Tat weiß die Geschichte mehrfach von besonders großen Lastschiffen zu erzählen. Unter ihnen verdient besonders das Schiff (Abbild. 3) hervorgehoben zu wer- den, welches etwa 1600 v. Chr. zwei aus einem einzigen Abbild. 3. Ägyptisches Obeliskentransportschiff. Etwa 1600 v. Chr. Steinblock hergestellte 30 m hohe Obelisken befördert hat. Es ist uns nicht nur eine Abbildung dieses Schiffes, sondern auch die beiden Obelisken sind er- halten geblieben, welche vor dem Tempel von Karnak die Taten der Königin Hatschepsut verherrlichen. Wir können daher die Angaben der ägyptischen Texte, nach denen das Schiff eine Länge von etwa 100 m gehabt haben soll, ganz gut kontrollieren, da wir das Gewicht der Obelisken leicht auf mehr als 700 t feststellen kön- nen. Etwas später berichtet uns die ägyptische Ge- schichte von einem noch größeren Riesenschiffe. Ram- ses II. soll den Priestern des Tempels von Theben ein etwa 150 m langes Prachtschiff aus Zedernholz geschenkt haben, um sie für seine großzügigen Pläne, den Handel Ägyptens weiter auszudehnen, zu gewinnen. Meereskunde, Vorträge. VIII. Heft 3. 2 6 Meereskunde. Wenn wir uns angesichts dieser Tatsachen über- legen, daß der Durchschnitt der modernen Passagier- Seedampfer die Länge von 150 m noch gar nicht ein- mal erreicht, und uns dabei erinnern, daß diese Ab- messungen überhaupt erst seit etwa 50 Jahren wieder erreicht werden, so müssen wir vor der Schiffbaukunst der alten Ägypter, welche eine große Anzahl solcher Riesenschiffe hervorgebracht haben soll, ungeteilte Be- wunderung haben. Wir dürfen an dieser Stelle ein weiteres Riesen- schiff nicht vergessen, dessen Abmessungen uns nicht nur durch die Bibel, sondern auch durch andere Texte überliefert sind, die Arche Noah. Die Sage von Abbild. 4. Griechischer Fünfzigruderer. Etwa 500 v. Chr. diesem eigenartigen Schiff, von dem uns auch baby- lonische Texte berichten und dessen Länge überein- stimmend auf etwa 145 m angegeben wird, soll ebenfalls ägyptischen Ursprungs sein. Während uns von babylonischen und phönizischen Schiffen nur sehr wenig erhalten ist, und wir keine Kenntnis von Riesenschiffen überkommen haben, so sind wir durch die reiche griechisch-römische Literatur und Kunst verhältnismäßig recht gut über die Schiffe dieses Kulturkreises unterrichtet. Ich kann hier von den vielen erhaltenen Darstellungen nur eine Pentekontere, einen Fünfzig-Ruderer (Abbild. 4), erwähnen, der schon eine Länge von etwa 70 m gehabt haben muß. Von eigentlichen ,, Riesenschiffen" haben wir allerdings nur durch Schriftsteller Kenntnis, deren Glaubwürdigkeit Riesenschiffe. nach ihren sonstigen Angaben vollkommen außer Zwei- fel steht. Von ihnen wissen wir, daß man für die Handelsschiffahrt, d. h. für die Beförderung von Lasten, in genau derselben Weise zu einer Durchschnittsge- schwindigkeit gekommen ist, welche durch die Wirt- schaftlichkeit des Schiffsbetriebes bedingt wurde, wie wir es heute bei unseren reinen Frachtdampfern finden. Größere Geschwindigkeiten kamen im Altertum nur für Kriegsschiffe und ^^^^^^^^^^_ •7\\" -rrrr'-TTTnrrTrrTr Tr Abbild. 5. „Lenormant-Relief" einer attischen Triere. (Nach einem Gipsabguß im Museum für Meereskunde.) höchstens für Lu- xusschiffe in Be- tracht. Dieser Faktor ist es im Alter- tum denn auch in erster Linie, wel- cher Schiffe her- vorbringt, welche für ihre Zeit als riesig bezeichnet werden müssen. Die griechisch-rö- mischen Schiffbauer machten aber sehr bald die Erfahrung, daß die durch die Vermehrung der An- triebsmittel bedingte Vergrößerung der Schiffslänge recht schlechte Seeschiffe ergab. Sie versuchten ihr Ziel daher auf einem anderen Wege zu erreichen, und das gelang ihnen in ausgezeichneter Weise, indem sie die Ruderer in mehreren Reihen anordneten (Abbild. 5). In welcher Art dies geschah, ob die Reihen überein- ander oder nebeneinander gesetzt wurden, ist bis heute noch nicht vollkommen geklärt. Die berühmte Prora von Samothrake (Abbild. 6), welche die Siegesgöttin auf dem Vorderteil eines griechischen Schnellbootes zeigt, 2* 8 Meereskunde. ist eine Bireme, ein Zweireiher. Daneben waren Trie- ren, Dreireiher, und Penteren, Fünfreiher, allgemein im Gebrauch. Von einem Riesenschiffe aber berichten uns Plutarch und Athenaeus. Es ist die berühmte Tessara- kontere des Königs Ptolemaeus Philopator, etwa 200 Jahre v. Chr. Dieses Schiff soll 129 m lang gewesen sein und nicht weni- ger als 40 Ruderer- Reihen gehabt haben. Die längsten Riemen sollen etwa 18 m lang und am oberen Ende mit Blei ausgegossen gewesen sein, um die Handhabung zu er- leichtern. Das Schiff soll von 4000 Ruder- sklaven bewegt wor- den sein und außer- dem noch eine Be- satzung von 400 Matrosen, 2850 See- soldaten und zahlrei- chem anderen Volke gehabt haben. Das Schiff muß ein Deplacement von etwa 6500 Registertonnen gehabt haben. Archimedes hat dann im Auftrag Hieros IL, des Jüngeren, von Syrakus (f 215 v. Chr.) eines der größten Schiffe dieser Zeit gebaut, welches ,,A lexandria" genannt wurde. Von den Abmessungen dieses Schiffes ist zwar nur sehr wenig bekannt, es wird aber auf etwa 4200 Registertonnen geschätzt. Zum Bau der „Alexan- dria" verwendete man so viel Holz, wie im allgemeinen zu 60 normalen Trieren gebraucht wurde. Beim Stapel- Abbild. 6. Prora von Samothrake. 300 v. Ghr. Riesenschiffe. 9 lauf stellte sich heraus, daß sie zu schwer war, um ab- laufen zu können. Archimedes mußte daher eine be- sondere Maschine bauen, welche das Schiff mit Hilfe von Hebeln und Schrauben zu Wasser brachte. An Deck standen acht Türme mit Wurfmaschinen, welche zentnerschwere Steine usw. schleudern konnten. Ur- sprünglich hatte das Schiff den Namen ,,Syrakusia' er- halten. Als es sich aber zeigte, daß der Hafen von Abbild. 7. Römische Kauffahrteischiffe. (Torlonia Relief. 1. Jahrhundert.) Syrakus zu klein war, um das Schiff aufnehmen zu können, nannte Hiero II. es ,, Alexandria" und schenkte es seinem Bundesgenossen Ptolemaeus Philadelphus. Um die Zeit des Anfanges unserer Zeitrechnung werden öfters , .Riesenschiffe" erwähnt, welche die römi- schen Kaiser eigens bauen ließen, um ägyptische Obe- lisken nach Rom zu schaffen. Das meist bewunderte war nach Plinius das Schiff, welches im Jahre 40 n. Chr. den großen Obelisken, welcher heute vor der Peters- kirche steht, nach Rom gebracht hat. Das Schiff trug neben dem Obelisken, welcher allein etwa 500 t wog, noch ungefähr 1300 t Getreide, in welches der Obelisk eingebettet gewesen zu sein scheint, um ihm bei See- 10 Meereskunde. Abbild. 8. Primitive Darstellung von germanischen Lang- schiffen. gang eine sichere Lage zu geben- Nach diesen An- gaben muß das Schiff etwa 2500 t Wasser ver- drängt haben. Ähnliche Abmessungen sollen auch die Schiffe gehabt haben, welche den sogenannten Flaminischen und den La- teran-Obelisk nach Rom geschafft haben. Gegen- über den 120 bis 200 t, welche die Schiffe dieser Zeit (Abbild. 7) im allge- meinen faßten, kann man das Obelisken-Schiff also sehr wohl als „Riesenschiff" betrachten. Im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung erwähnt Lucian einen für damalige Verhältnisse riesigen alexan- drinischen Kauffahrer, das Weizenschiff ,,I s i s". Das Schiff war nur etwa 55 m lang, hatte aber eine unver- hältnismäßig große Breite von 14,5 m und eine Raum- tiefe von 13,5 m, so daß es etwa 2000 t faßte. Auch das germanische Al- tertum hat Schiffe hervor- gebracht, wel- che weit größer waren als die allgemein ge- bräuchlichen. Auch hiervon sind uns in den ( Abbild. 9. Nydamer Boot. 4. Jahrhundert. r elS geritzte Modell im Museum für Meereskunde.) Riesenschiffe. 11 Zeichnungen (Abbild. 8) überliefert worden. So einfach diese Ab- bildungen auch sind, so lassen sie doch un- zweifelhaft die cha- rakteristischen For- men der großen ger- manischen Ruderboote mit dem kühn ge- schwungenen Doppel- bug erkennen. Die Alten nannten sie Abbild. 10. Wikinger Schiff. 9. Jahrhundert. (Modell im Museum für Meereskunde.) „Langschiffe", weil zur Erreichung größerer Geschwin- digkeiten bis zu 30 und mehr Ruderer auf jeder Seite untergebracht waren. Eines der kleineren dieser Schiffe aus der Zeit um etwa 400 n. Chr. ist uns durch ein gütiges Schicksal fast vollkommen erhalten geblieben. Es ist das 24 m lange sogenannte „Nydamer Boot" (Ab- bild. 9), welches 1863 im Nydamer Moor bei Flensburg gefunden wurde. Ich will hier noch das schönste Schiff erwähnen, welches uns erhalten geblieben ist. Es ist das 1880 bei Gockstad in Südnorwegen gefundene Wikinger Schiff (Ab- bild. 10), welches etwa aus der Zeit um 900 n. Chr. stammt. Das Boot ist 23,80 m lang und ist für uns weniger durch seine Größe als durch seine prachtvolle Linienführung Abbild. 11. Bildstein von cine Blüte der germani- Stenkyrka. 10. Jahrhundert. sehen Schiff baukunst, \2 Meereskunde. welcher wir heute noch unsere vollste Bewunderung zollen müssen. Die Blüte des klassischen Altertums welkte ziem- lich schnell dahin und mit ihr alles, was seine hohe Kultur hervorgebracht hatte. Nur in der unverbrauch- ten Kraft der germanischen Stämme wurzelte eine neue Entwicklung. So sind es auch in erster Linie die Ger- manen, bei denen Schiff und Schiffswesen langsam, aber stetig weiter ausgebildet werden. Es liegt daher in der Natur dieser Entwicklung, daß im frühen Mittelalter kaum Fahrzeuge ge- baut worden sind, wel- che auf den Titel „Rie- senschiffe" Anspruch erheben konnten. Allerdings wird berichtet, daß König Abbild. 12. Haralds Schiff. Alfred VOn England Nach der Tapete von Bayeux. 11. Jahrhundert. (871 901) Schiffe ge- baut habe, welche dop- pelt so lang als die gewöhnlichen Wikingerschiffe waren. Mit ihnen gelang es ihm ja auch, die Normannen zu schlagen. Die Boote sollen 60 und mehr Ruderer ge- habt haben und etwa 40 m lang gewesen sein. 1875 hat man in der Nähe von Southampton die Reste eines Bootes gefunden, welche wahrscheinlich von einem dieser Fahrzeuge stammen. Im allgemeinen aber scheinen sich die Schiffe des frühen Mittelalters weder in der Form noch in der Größe wesentlich vom Gock- stad-Schiff unterschieden zu haben. Wenigstens zeigen das nordische Schiff (Abbild. 11) vom Bildstein von Stenkyrka (Gotland, 10. Jahrhundert) und die normanni- schen Fahrzeuge (Abbild. 12), welche auf der berühmten Tapete von Bayeux (11. Jahrhundert) dargestellt sind, noch kaum eine Entwicklung. Riesenschiffe. 13 Erst im späteren Mittelalter, als im Norden und Süden Europas der Handel zu einer neuen, selbständi- gen Blüte gelangt, als sich an der Ostsee die Hansa und am Mittelmeer die italienischen Städterepubliken ent- wickeln, nimmt auch die Schiffbaukunst einen neuen, kräftigen Aufschwung. Im Süden entwickelt sich aus dem antiken Ruderschiff die Galeere und im Norden bildetsichaus der friesi- schen Kogge ein Fahrzeug von ganz her- vorragenden Segeleigen- schaften her- aus. Dieser Schiffstyp war, im Ge- gensatz zu dem langen, meist offenen Wikinger- fahrzeug mit seinem niedrigen Freibord, ein hoch- bordiges, gedecktes Segelschiff, welches sich im Über- seehandel so ausgezeichnet bewährte, daß es sich im 13. Jahrhundert auch im Mittelmeer einbürgerte. Mit diesem Fahrzeug war die Grundlage für die Ent- wicklung eines Segelschiffs geschaffen, welches durch Vermehrung der Masten eine erhebliche Vergrößerung der Dimensionen gestattete, ohne den Betrieb wesent- lich zu verteuern, wie dies bei größeren Ruderschiffen der Fall war. Da der Handel dieser Zeit sich, wenn auch stetig, so doch nur sehr langsam entwickelte, so weiß uns die Geschichte auch kaum von „Riesenkauf- Meereskunde, Vorträge. VIII. Heft 3. 3 Abbild. 13. „Bucentaui". 1311. Das Bild stellt das Schiff nach späteren Umbauten dar. 14 Meereskunde. Abbild. 14. Schiffe des Columbus. 1492. fahrern" zu erzäh- len. Nur der Luxus, welcher in den Han- delszentren des Mit- telmeeres dank der engen Verbindung mit dem Orient auf- kam, brachte hier und da „Riesen- schiffe" hervor. Aus dem Jahre 1 1 72 wird uns von einem venezianischen Fahrzeug berichtet, wel- ches nicht weniger als 3000 Personen an Bord genommen haben soll, und 1311 erlangte der „Bucentaur" (bu- zino d'oro) eine weite Berühmtheit. Es war das Pracht- schiff (Abbild. 13), auf welchem der Doge von Venedig, einem seit 1177 eingeführten Brauche folgend, am Him- melfahrtstage unter großen Feierlichkeiten auf das Meer hinauszufahren pflegte, um die Vermählung Venedigs mit der Adria zu feiern. Als sich dann in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts jener gewaltige Umschwung anbahnte, welcher sich unter anderem in den zahlreichen Ent- deckungsreisen Luft zu machen suchte, da hören wir auch schon öfter von „Riesenschiffen". Die Schiffe (Abbild. 14), Abbild. 15. Schiff Heinrichs VIII. mit denen Christoph Co- „Great Harry". 1512. lumbus seine denkwür- ^^kS9\ 1 ^r : r> m\ - ~ \^^fyj%ifffrT/'^f^iJ-^m ~~- ^--'~ '^Z^-^JgL- Riesenschiffe. 15 Abbild. 16. Schiff Heinrichs VIII. („Henry gräce a. Dieu".) 1512. dige Entdeckungs- fahrt nach Amerika machte, repräsen- tieren im großen und ganzen das Durch- schnittsmaß der da- mals gebräuchlichen Schiffe. Das größte von ihnen hatte etwa folgende Abmessun- gen : Länge zwischen den Perpendikeln 25,94 m, Breite 7,83 m, Wasserverdrängung, beladen, 233 t. Aber schon 1462 wird von einem französischen Riesenschiffe „Pierre de la Rochelle" berichtet, welches etwa 50 m lang gewesen sein soll. Es ging in Danziger Hände über und spielte wegen seiner Größe und Stärke 1470 im hansischen Seekrieg mit England unter der Füh- rung des Ratsherrn Paul Benecke eine hervorragende Rolle. Im Jahre 1490 ließ Henry VIII. zwei be- sondersgroße Schiffe für seine Flotte bauen, welche den Kriegs- schiffen ihrer Zeit weit überlegen sein sollten. Es waren die Abbild. 17. Lübecker Fredekogge. 1560. 3* 16 Meereskunde. „Regent" und die „Sovereign", welche ein Deplacement von etwa 600 t gehabt haben sollen. Der Bau dieser englischen Großkampfschiffe leitete einen allgemeinen Wettbewerb im Bau von „Riesenschiffen" ein, welcher mit der heutigen Dreadnought-Periode sehr wohl verglichen werden kann. In Spanien erlangte die „San Gabriel", von welcher uns ein gutes Bild erhalten ist, besonders durch ihre Entdeckungsreisen unter der Führung von Vasco da Gama große Berühmtheit. 1506 ließ König Jakob von Schottland ein „Riesenschiff", die „Great Michael", bauen, welches etwa 80 m lang ge- wesen sein soll, und Heinrich VIII. von England, welcher überhaupt eine besondere Vorliebe für große Schiffe gehabt hat, kaufte von Lübeck die „G reat Eliza- b e t h". Das Schiff, welches 900 t Wasser verdrängt haben soll, ging 1514 unter, nachdem schon 1512 der oben erwähnte „Regent" von einem französischen „Dreadnought" „M arie la Cordelier e", welche eine Besatzung von 1200 Mann an Bord hatte, vernichtet worden war. Diese Verluste veranlaßten den König zum Bau einiger ganz besonders großen „Riesenschiffe", von denen der ,,H enry Gräce ä Dieu" oder auch „Great Harry" mit etwa 1000 bis 1500 t das be- rühmteste war. Von ihm besitzen wir ein Bild (Ab- bild. 15), welches Holbein zugeschrieben wird. Ein zweites Bild (Abbild. 16), welches ebenfalls die „Henry Gräce ä Dieu" darstellen soll, ist von diesem so ver- schieden, daß der Gedanke naheliegt, daß es sich um ein anderes Riesenschiff Heinrichs VIII. handelt. Einige Jahre später wurde in Frankreich ein Schiff gebaut, welches auch diese englischen Riesenschiffe an Größe übertraf. Der „G rand Francai s", welcher etwa 1500 bis 2000 t gehalten haben soll, ging aller- dings schon 1583 vor seiner ersten Ausfahrt im Hafen Riesenschiffe, 17 unter. Er verdient noch besondere Erwähnung, weil er das erste Fünfmast-Schiff gewesen ist. In dieser Zeit wird auch mehrfach von schwedi- schen „Riesenschiffen" berichtet. Im Jahre 1532 lief die sogenannte ,,Groote Kraweel" vom Stapel. 1563 wird vom Untergang eines noch größeren Schiffes berichtet, welches den Namen „M a r o" geführt hat. Das größte schwedische Schiff aber war König Wasas ,,M aka- los". Es hatte nicht weniger als 174 Kanonen an Bord, welche das Schiff aller- dings nicht da- vor zu schützen vermochten, daß es 1564 von den Lübeckern er- obert wurde. In Lübeck war die Schiff- baukunst, ent- sprechend dem Umfange seines Handels, besonders hoch entwickelt, so daß, wie bereits berichtet, König Hein- rich VIII. von England hier eine Reihe seiner „Riesen- schiffe" erbauen ließ. Auch die Lübecker Flotte besaß Schiffe, welche alle übrigen an Größe weit übertrafen und wegen ihrer Stärke gefürchtete Gegner waren. Von der Meisterhand von Brueghel ist uns ein Bild (Abbild. 17) einer solchen Lübecker „Fredekogge" erhalten ge- blieben. Im Jahre 1566 aber soll der „Adler" (Ab- bild. 18) mit etwa 75 m Länge nach dem Urteil seiner Zeitgenossen alles Dagewesene übertroffen haben. Auch die Flotte Genuas wies einige „Riesenschiffe" Abbild. 18. Der „Adler" von Lübeck. 1566. 18 Meereskunde Abbild. 19. Englisches und spanisches Schiff der Armada. 1588. auf. Besonders wird eine „Car- rack" von etwa 1600 t erwähnt, welche über 60 m lang gewesen sein soll. Das größte Un- ternehmen zur See, welches das 16. Jahrhundert gezeitigt hat, ist 1588 die Fahrt der spanischen Armada, der „stärksten Flotte der Welt", gegen England. Das größte von allen war das Flaggschiff des Levante-Geschwaders mit einer Wasserverdrängung von etwa 1300 t. Die Abbildungen (Abbild. 19), welche uns auf einem Ta- petengemälde im Hause der Lords in London erhalten sind, zeigen deutlich die Größenabstände zwischen den spanischen und eng- lischen Schiffen unter der Regierung der Königin Elisabeth, von denen das größte, der „Triumph" (1561), nur 1100 t er- reichte. Der schnelleren Ent- wicklung der Schiffbau- kunst, welche im 16. Jahr- hundert eingesetzt hatte, als ein außerordentlich gewinnbringender Handel auf dem neu entdeckten Abbild. 20. Ostindienfahrer Seewege nach Indien ge- „Candia". • Wfj B^** Mm m -rs-SSei "Stm m« * Riesenschiffe. 19 trieben wurde, wel- cher den Zwischen- handel der Mittel- meerstädte sehr stark beschränkte, folgte im 17. Jahrhundert ein weiterer energi- scher Anstoß. Einmal machten die großen Handelsgesellschaf- ten, welche jetzt ge- gründet wurden, so gute Geschäfte, daß sie nicht nur ihre Flotte vermehr- ten, sondern auch ihren Schiffen ganz folgerichtig größere Dimensionen gaben, um ökonomischer arbeiten - mV, Mi «III Abbild. 21. „Sovereign ol the Seas". 1637. Abbild. 22. „La Couronne". 1637. zu können. Es zeigt sich hier wieder ein wichtiger Grundsatz: nämlich daß die Dimensionierung der Schiffe im großen und ganzen direkt abhängt von der Leistungs- fähigkeit des Weltmarktes. Dann aber erkannten die Seestaaten Holland, Frankreich und England immer mehr die Notwendigkeit, ihre Handelsflotte durch eine 20 Meereskunde. starke Kriegsflotte gegen feindliche Übergriffe zu schützen. So entstanden in dieser Zeit der Kämpfe um die Vorherrschaft zur See hüben und drüben Fahrzeuge, welchen ihre Zeit gern den Titel „Riesenschiffe" gab. Diese Zeit der Blüte holländischer Seeherrschaft hat uns auch eine ganze Reihe tüchtiger Marinemaler geschenkt, welche zahlreiche ausgezeichnete Schiffs- bilder hervorgebracht haben. Die Abbildung 20 zeigt Abbild. 23. Amerikanisches Klipperschiff „Great Republic". 1853. einen der größten Ostindienfahrer, die ,,Candia". Die größten Schiffe dieser Zeit waren aber englische und französische Kriegsschiffe. Die „Sovereign of the S e a s", 1637, (Abbild. 21) war etwa 70 m lang und mit 104 Kanonen armiert. Als etwas Besonderes wird be- richtet, daß auf ihrem Deck nicht weniger als 10 Boote gestanden haben sollen. In Frankreich wurde 1636 der berühmte Dreidecker ,,Soleil Roya 1", mit 65 m Länge, und 1637 die „Couronne" (Abbild. 22) gebaut, welche ihre ältere Schwester um 6 m Länge übertraf. Endlich besaß auch die dänische Flotte in ihrem 1699 vom Stapel gelassenen ,,Fridericus IV." eines der größten Schiffe dieses Jahrhunderts. Riesenschiffe. 21 Das 18. Jahrhundert hat fast gar keine überragend großen Schiffe hervorgebracht. Eine Berühmtheit hat nur Nelsons „Victor y" erlangt, ein normaler Drei- decker, mit dem er die Schlacht bei Trafalgar entschied. Erst im 19. Jahrhundert nimmt die Entwicklung der Schiffbaukunst einen so rapiden Aufschwung, daß „Riesenschiff" über Riesenschiff gebaut wurde. Zu- Abbild. 24. Fünfmastbark „R. C. Rickmers" mit Hilfsmaschine. 1906. nächst war es die Einführung des Dampfes als Trieb- kraft und des Eisens als Baumaterial, welche den Bau von immer größeren Schiffen möglich machte. Dann aber war es vor allem die zu gleicher Zeit einsetzende überaus schnelle Entwicklung von Handel und Industrie, welche den Bau solcher Schiffsriesen nötig machte, um den Verkehr bewältigen zu können. An dieser schnellen Entwicklung nehmen nicht nur die Dampfschiffe, sondern auch die Segelschiffe teil. Einen Weltruf erlangte der amerikanische Schiffbau mit seinen großen, schnellen Klippern. Die „Great Republic" (Abbild. 23), eine 22 Meereskunde. im Jahre 1853 gebaute 4-Mast-Bark, war fast 100 m lang und soll bei gutem Winde 15 bis 16 Seemeilen ge- laufen sein. Wahre Riesensegler hat aber erst die jüngste Zeit hervorgebracht. Sie sind der Stolz der deutschen Handelsflotte. „Potosi" und ,,R. C. Rick- mers" (Abbild. 24) sind, als 5-Mast-Barken getakelt, mit ihren 130 m Länge die größten Segler der Gegenwart. Wenn wir jetzt die zahlreichen Ozeandampfschiffe < m k rLjfr UBr^ \ ?5jB§^" jd*ijylP^ F^Jl/MY "äsSESSe!!!!! K>^r- ■»*****.. ''.r&ZZT' — ~ ~^^j2^a00fBM ^■ü^T- -Lv -j-sdBtE^ Abbild. 25. „Savannah' 1819. betrachten wollen, welche sich nacheinander den Ehren- titel des „größten Seedampfers der Welt" streitig ge- macht haben, so müßten wir natürlich mit dem Schiffe anfangen, welches 1819 zum ersten Male mit Dampfkraft den Ozean durchquerte. Es war die „Savannah" (Abbild. 25), ein altes Segelschiff von 350 Reg,-T., welches mit einer Niederdruckmaschine von 90 PS aus- gerüstet war. Sie war nur etwas mehr als 40 m lang und brauchte zu einer Reise zwischen Liverpool und Sa- vannah, ihrem Heimatshafen, 26 Tage, von denen 8 Tage gesegelt wurden. Dieser Erfolg war die Basis für die geradezu beispiellose Entwicklung, welche die Ozean- dampf Schiffahrt in den nächsten 100 Jahren genommen 24 Meereskunde. hat. (Abbild. 26.) Schon 1837 hat der „Great Western" (Abbild. 27), ein etwa 70 m langer Rad- dampfer, ein ganz anderes Aussehen. Die Takelage ist zwar noch vorhanden, aber man sieht auf den ersten Blick, daß sie nur zur Aushilfe vorhanden ist. 1843 hat der „G reat Britain" (Abbild. 28), seinen Vorgänger schon um 30 m geschlagen. Mit ihm machte die Schiff- bautechnik einen Sprung, indem sie jetzt das Eisen als Abbild. 27. „Great Western". 1837. Baumaterial mit großem Erfolg verwendet. Der Erfolg war so durchschlagend, daß man zu den kühnsten Hoff- nungen berechtigt schien. 1858 baute man dabei schon ein Schiff, das alle bisherigen Vorstellungen weit über- traf, den ,,G reat Eastern" (Abbild. 29), mit seinen 208 m Länge doppelt so lang wie der ,,G reat B r i t a i n". Aber mit diesem Schiff war man zu weit gegangen. Ich komme nachher noch einmal auf die Frage zurück, warum der ,, Great Eastern", obgleich technisch vollkommen gelungen, dennoch ein Mißerfolg war. Lange Zeit hat es gedauert, bis man wieder ebenso große, ja noch größere Schiffe gebaut hat. Über 40 Jahre Riesenschiffe. 25 später wurden die Dimensionen des ,,Great Eastern" erst wieder überschritten. Erst um die Wende des 19. Jahrhunderts, im Jahre 1901, erwarb sich der Lloyddampfer „Kaiser Wil- helm II." wieder das Recht auf den Titel eines Riesen- schiffes, indem er den alten ,,Great Eastern" an Länge übertraf. Wenn wir die ungeschickten Linien und For- men dieses ungefügen Schiffes mit jenem eleganten Abbild. 28. „Great Britain". 1843. Schiffe vergleichen, so erkennen wir den großen Fort- schritt, welchen die Schiffbaukunst in dieser kurzen Zeit gemacht hat. Der „Kaiser Wilhelm IL" gehört heute noch mit seinen Schwesterschiffen „Kronprinz Wilhelm" und „Kronprinzessin Cecilie" und dem Vergnügungsdampfer der Hapag, der „Victoria Louise", zu den schönsten Schiffen, nicht nur der deutschen, sondern überhaupt der Weltflotte. Aber an Größe sind alle diese Schiffe schon übertroffen. 1907 wurden die Hapagschiffe „Pre- sident Grant" und „President Lincoln" ge- baut; Abbild. 30 zeigt den „President Lincoln", wie er mit überraschender Sicherheit mit eigener Kraft ohne 26 Meereskunde. JH i | Ti il 1 i i j i : Abbild. 29. „Great Eastern". 1858. fremde Hilfe an die Cuxhavener Landungsbrücke an- legt. Schon im selben Jahre mußten diese Schiffe ihren Rang an zwei weitere Schiffe der Hamburg-Amerika Linie abtreten, an die ,,K aiserin Augusta Vik- toria" (Abbild. 31) und an die fast gleiche ,,A m e - r i k a", welche etwas über 214 m lang sind. In den folgenden Jahren mußte Deutschland den Ruhm, die größten Schiffe der Gegenwart zu besitzen, an England abtreten. Aber diese bittere Pille wird uns durch den Umstand gleichsam versüßt, daß die eng- lischen Riesenschiffe ,,L o u s i t a n i a", ,,M aureta- nia", „Olympic" und die so unglücklich auf ihrer ersten Reise untergegangene ,,T i t a n i c" nur mit großen Staatsbeihilfen gebaut werden konnten, während der Norddeutsche Lloyd in Bremen und die Hamburg- Amerika Linie ihre Riesenschiffe aus eigener Kraft, mit eigenem Gelde geschaffen haben. Diese Gesellschaften haben dann auch bald Schiffe bauen lassen, welche die englischen Ozeanriesen noch übertrafen. Der Lloyd baute den ,, George Washington" Riesenschiffe. 27 (Abbild. 32) und den ,,Columbus" mit 236,0 m Länge, 25,30 m Breite und 16,46 m Raumtiefe. Die Hamburg- Amerika Linie aber ließ die drei Imperatoren (vgl. Ab- bild. 33) bauen, deren ungeheure Abmessungen (vgl. S. 1), so bald kaum übertroffen werden dürften. Der „Impe- rator" ist bereits im Dienst, die „Vaterland" wird dieses Frühjahr ihre Fahrten beginnen und das dritte Schiff dieser Klasse soll zur selben Zeit auf der Werft von Blohm & Voß zu Wasser gelassen werden. Mit diesen Riesenschiffen (Abbild. 26 u. 34) hat Deutschland wieder die Führung. Fast scheint es, als hätten die Engländer das Rennen aufgegeben, denn ihre neuesten Schiffe, die „Oceanic" und die „Aquitanic", erreichen nicht die Ab- messungen der deutschen Schiffe. Wenn uns diese Erkenntnis auch mit Stolz erfüllt, so muß sie uns gleichzeitig anregen, die Frage näher zu untersuchen, wie wohl die Entwicklung der Schiffs- dimensionen in nächster und fernerer Zukunft sich ge- stalten wird, welche Faktoren diese Entwicklung för- dern und welche sie zu hemmen versuchen. ... j ,„4 i^j^--lv-, 1 '. SS Abbild. 30. „President Lincoln". Hamburg-Amerika Linie. 1907. 28 .Meereskunde. Wir hatten gleich zu Anfang festgestellt, daß die Vergrößerung der Schiffsdimensionen seit den ältesten Zeiten ihre Ursache nicht nur in dem Bedürfnis hatte, größereLastenzubefördern, sondern auch in dem Wunsche, größere Geschwindigkeiten zu erreichen. Dazu kam noch der Luxus als Trieb- feder; dieser dritte Fall wird aber in der Praxis mit dem zweiten Fall identisch sein. Wir müssen uns sagen, daß Abbild. 31. „Kaiserin Augusta Viktoria". Hamburg-Amerika Linie. 1907. diese Faktoren auch heute noch die Abmessungen un- serer Schiffe steigern werden. Wo ist nun die obere Grenze für den ersten Fall? Die Leistungsfähigkeit des Weltmarktes ist in ständigem und schnellem Steigen begriffen (vgl. meinen Vortrag Meereskunde 1912, Heft 72, S. 17) und zieht eine stän- dige und ebenso schnelle Steigerung der Schiffsdimen- sionen nach sich. Das zeigt die Kurve, welche den mitt- leren Raumgehalt der z. B. jährlich in Hamburg eingelau- fenen Schiffe in schlagender Weise (Abbild. 35) angibt. Es ist nun einmal eine dringende Forderung der Wirtschaft- lichkeit, nur solche Schiffe in den Dienst zu stellen, welche möglichst alle in einem Hafen aufgesammelten Riesenschiffe. 29 Waren auf einmal befördern können. Stellen wir uns im einfachsten Falle vor, daß nur die Hälfte der zur Beför- derung bereitliegenden Güter geladen werden kann, so muß das Schiff zweimal fahren, bzw. es müssen zwei Schiffe in Dienst gestellt werden. Man braucht also die Abbild. 32. „George Washington". Norddeutscher Lloyd Bremen. 1913. doppelte Zeit bzw. doppelt so viel Schiffe und Mann- schaften. Dazu kommen noch die Zinsverluste, welche durch längere Lagerung usw. entstehen, die Lagerabga- ben usw. Wir können im großen und ganzen annehmen, daß der Bau von zwei Schiffen dieselben Kosten ver- ursacht, wie der Bau eines einzigen Schiffes von doppel- tem Raumgehalt. Aber mit der Vergrößerung der Di- mensionen nimmt der Kraftbedarf und das Maschinen- gewicht und damit auch die Kosten der Brennstoffe relativ ab. Da also der Betrieb eines großen Schiffes sich erheblich billiger stellt als der Betrieb von zwei 30 Meereskunde. Schiffen, welche zusammen dieselbe Ladefähigkeit be- sitzen, so erhellt daraus die größere Rentabilität der größeren Schiffe gegenüber den kleineren, um so mehr, wenn man noch berücksichtigt, daß außerdem die Hälfte der sonst nötigen Zeit und die entsprechenden Betriebskosten gespart werden. Die Kurve des mitt- leren Raumgehaltes zeigt, daß der durchschnittliche Raumgehalt der Seeschiffe sich im Laufe von 100 Jahren um das Zehnfache vergrößert hat. Wenn der mitt- lere Wert schon solche gewaltige Steigerung zeigte, so ist es naturgemäß zwischen den leistungsfähigsten Han- delszentren der Welt zu Maximaldimensionen gekom- men, welche die von vor 100 Jahren um fast das Hun- dertfache übersteigen. Daraus geht klar hervor, daß das Wachsen der Leistungsfähigkeit des Weltmarktes eine Steigerung der Schiffsdimensionen unbedingt nach sich ziehen muß. Ebenso klar ist die Umkehrung dieses Satzes, denn die Wirtschaftlichkeit des Schiffsbetriebes Abbild. 33. Riesenschnelldampter „Imperator". 1913. Hamburg-Amerika Linie. Riesenschiffe. 31 wird es verbieten, sehr viel größere Schiffe zu bauen, als man gerade braucht, so daß die Leistungsfähigkeit des Weltmarktes tat- sächlich die obere prak- tische Grenze für die Schiffsdimensionen ist. Dafür ist der „Great Eastern" (Abbild. 29) ein geradezu klassi- sches Beispiel. Das Schiff über- ragte die größten 1858 in Fahrt befindlichen Schiffe um das Doppelte und den Durchschnitt um das Vierfache. Das Schiff war technisch durchaus gelun- gen und hat auch gute Fahrten zurückgelegt, aber seine Eigen- tümer konnten das Kapital, wel- ches sie in ihm angelegt hatten, nicht verzinsen. Die Rentabi- lität eines Schiffes hängt von der Menge der beförderten Güter und der Häufigkeit der Fahrten ab. Jeder Liegetag kostet dem Reeder große Sum- men. Der Markt war aber 1858 noch nicht imstande, Schiffe von !) 1. Nilboot etwa 5000 v. Chr. 2. Arche Noah. 3. Obeliskenschiff. 4. Ramses II. 5. Philopator. 6. Isis. 7. Bucentaur. 8. Groote Kraweel. 9. La Couronne. 10. Queen. 11. Great Eastern. 12. Vaterland. Die ge- strichelte Linie gibt die vermutliche Durchschnittsgröße der Schiffe an. Abbild. 34. Riesenschiffe aller Zeitalter1). 32 Meereskunde. der Größe des „Great Eastern" ohne weiteres zu füllen. Dazu kam noch, daß die Lösch- und Lade- vorrichtungen noch so unvollkommen waren, daß es unverhältnismäßig lange dauerte, die Ladung zu bewältigen. Aus diesem Grunde mußte das Schiff zu lange untätig im Hafen liegen und machte zu wenig Reisen, um sich zu verzinsen. So dauerte es denn auch nicht lange, daß das Riesenschiff seine Fahrten einstellen mußte. Die Schiffbauer aber hatten gelernt, sich nach der Decke zu strecken, sie hatten erfahren, daß „dafür gesorgt ist, daß die Bäume nicht in den Him- mel wachsen". Wo liegt nun die obere Grenze für den zweiten Fall? Natürlich wird der Wunsch, größere Geschwindigkeiten zu er- reichen, auch in der Zukunft mitwirken, die Dimensionen unse- rer Schiffe zu vergrößern. Wenn wir unsere Riesenschiffe betrach- ten, so sehen wir sogar, daß die größten unter ihnen die Schnell- der Großreedereien sind. Die Abbild. 35. Mittlerer Raumgehalt der in Hamburg ein- gelaufenen Seeschiffe in Registertonnen. und Luxusdampfer Schnelldampfer des Lloyd, die „Lousitania" und „Maure- tania" und endlich auch die Imperatoren sind Schiffe, welche von ihren Maschinen- und Kesselanlagen so weit in Anspruch genommen werden, daß sie nur noch Platz für Proviant und Gepäck, aber nicht für irgendwelche Ladung haben. Ein ganz elementares physikalisches Gesetz zeigt uns nämlich, daß der Widerstand, welchen ein durch Wasser gezogener Körper findet, etwa mit der 3. Potenz der Geschwindigkeit steigt. Ein Körper, welcher z. B. mit 2 PS eine bestimmte Geschwindigkeit Riesenschiffe. 33 im Wasser erreicht, braucht für die doppelte Geschwin- digkeit nicht 2X2, sondern 2 X 2 X 2 = 8 PS. Dieses einfache Beispiel zeigt am allerbesten, welche gewaltige Vergrößerung der Maschinenanlage die Erreichung größerer Geschwindigkeiten nötig macht. Folgende Ta- belle zeigt die Daten für den „Imperator": Geschw ndigkeit PS Kohlen- verbrauch für die Stunde Kohlen- verbrauch für die Reise Reisedauer Hamburg — New York 23 Knoten = 42,3 km 60 000 36 t 5660 t 157 Stunden 24 = 44,2 „ 70 000 42 t 6300 t 150 25 „ = 46.0 „ 85 000 51 t 7350 t 144 26 = 47,9 „ 115 000 69 t 9600 t 139 Wir sehen hieraus sofort, daß die obere praktische Grenze, welche keine beliebige Steigerung der Ge- schwindigkeit zuläßt, in dem gewaltigen Ansteigen des Kohlenverbrauches liegt, es ist die Wirtschaftlich- keit des Schiffsbetriebes, welche hier ein energisches Veto einlegt. Allerdings ist unsere Technik rastlos tätig, die Ma- schinenanlage zu verbilligen und zu verkleinern. An die Stelle der großen und schweren Kolbenmaschine ist be- reits die Dampfturbine getreten. Wie lange wird es dauern, bis diese dem Explosionsmotor und dieser wieder der Gasturbine Platz machen muß? Wer weiß, was Menschengeist noch alles erfinden wird, um sein rast- loses Streben, immer schneller und schneller vorwärts zu kommen, zu befriedigen. Aber mag kommen, was wolle. Jede neue Erfindung auf diesem Gebiete bringt nur einen kurzen Halt im Wachsen der Schiffsdimen- sionen, welcher bald überwunden sein wird. Dann werden die ins Gewaltige steigende Größe der für einen geringen Gewinn an Schnelligkeit erforderlichen Maschinenanlage und die Energievorräte immer wieder größere Schiffe nö- 34 .Meereskunde. tig machen, bis man endlich vor der Klippe der Unwirt- schaftlichkeit des Schiffsbetriebes wieder Halt macht. Dazu kommt noch, daß den Wasserschiffen in absehbarer Zeit sicherlich eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz in den Luftschiffen entsteht, welche in dem dünneren Medium sehr viel größere Geschwindigkeiten erreichen können. Wer weiß, ob dann die Rentabilität der Rie- senschnelldampfer, welche zum Teil auf Luxus- und 1. Klassekabinen aufgebaut ist, nicht bald ernstlich in Frage gestellt . wird. Es scheint mir nicht undenkbar, daß ein großer Teil des Reisepublikums, welcher heute durch das Zahlen von wahren Luxuspreisen die Wirt- schaftlichkeit der Schnelldampfer erhöht, wenn nicht gar gewährleistet, sich dem Luftschiff anvertraut. Der Rest scheint mir bisher lieber langsamer und billiger, als schneller und erheblich teurer zu fahren, zumal der Zeit- gewinn (vgl. Tabelle S. 33) bei größeren Geschwindig- keiten absolut in keinem Verhältnis zu den Mehrkosten steht. Daraus erhellt also, daß sich auch die Renta- bilität des S c h i f f s b e t r i e b e s als eine solche obere Grenze für das Wachsen der Schiffsabmessungen erweist. Es ist über jeden Zweifel erhaben, daß die moderne Technik imstande ist, jede an sie gestellte Aufgabe zur Zufriedenheit zu lösen, so daß von dieser Seite aus keine Schwierigkeiten zu erwarten wären, wenn unseren Schiffbauern bei der Konstruktion von immer größeren Ozeanriesen vollkommen freie Hand gelassen werden könnte. Aber da macht sich gerade jetzt ein Faktor, der bisher sehr im Hintergunde gestanden hat, immer mehr geltend, ein Faktor von solcher Bedeutung, daß er den Schiffbauern und Reedern bereits ernstliche Sorgen be- reitet. Mit der Länge und dem Raumgehalt der Schiffe ist I. Durchschnittlicher Tiefgang der 1875 bis 1912 in Ham- burg eingelaufenen Seeschiffe. Zahl der 1875 bis 1912 in Hamburg mit einem Tiefgang von 5, 6, 7, 8 und über 8 m eingelaufenen Seeschiffe. III. Registertonnen, welche 1875 bis 1912 in Seeschiffen mit einem Tiefgang von 5, 6, 7. 8 und über 8 m in Hamburg eingelaufen sind. Abbild. 36. Tiefgang der 1875 bis 1912 in Hamburg eingelaufenen Seeschiffe. (Die Tabellen sind von mir aus bisher unveröffentlichtem Material des Handelsstatistischen Amts in Hamburg berechnet worden.) 36 ^Meereskunde. natürlich auch der Tiefgang größer geworden. Wenn wir den durchschnittlichen Tiefgang aller jährlich z. B. in Hamburg einlaufenden Seeschiffe in einer Kurve auf- zeichnen (Abbild. 36, 1), so sehen wir deutlich das An- wachsen des Tiefganges und bemerken, daß diese Steigerung in den letzten Jahren sehr viel schneller als früher erfolgt. Zeichnen wir uns dann die Zahl der jähr- lich mit einem Tieigang von 5, 6, 7, 8 und über 8 m eingelaufenen Seeschiffe auf, so erkennen wir, daß die Zahl der Schiffe mit größerem Tiefgang immer schneller steigt, während die Zahl der Schiffe mit geringerem Tief- gang in den letzten Jahren zurückgeht (Abbild. 35, II). Die Konsequenzen dieser Erscheinung aber sehen wir deut- lich, wenn wir uns die Summe der Registertonnen der jährlich in Hamburg mit einem Tiefgang bis 5, 6, 7, 8 und über 8 m einlaufenden Seeschiffe aufzeichnen. (Ab- bild. 36, III). Diese Darstellung zeigt, daß die Schiffe mit größerem Tiefgang immer größere Rollen im Hamburger Hafen spielen, ja daß die der ganz großen Schiffe mit einem Tiefgang von über 8 m sehr schnell wächst. Wenn wir nun aber die Steigerung des Tiefganges, d. h. der Tauchung der Schiffe unter den Wasserspiegel, mit der Steigerung der Länge und Breite vergleichen, so machen wir eine überraschende Entdeckung. Während die Länge der transatlantischen Dampfer seit 1900 um 36 % und die Breite sogar um 40 (/c zugenommen hat, hat der Tiefgang bei voller Ladung nur einen Zuwachs von 10 (/c erfahren. Warum ist denn die Steigerung des Tiefganges nicht in demselben Maße erfolgt, wie bei Länge und Breite? Welcher Faktor hindert also unsere Schiffbauer, die Ozeanriesen so zu konstruieren, daß die Dimensionssteigerung eine gleichmäßige ist? Es ist die Wassertiefe der Zufahrtsstraßen zu denHäfen. Riesenschiffe. 37 Wenn wir uns jetzt unsere bedeutendsten Häfen von diesem Gesichtspunkt aus ansehen, so machen wir eine weitere überraschende Bemerkung. Die beigege- benen Tabellen zeigen nämlich, daß es gar nicht so viele Welt-Häfen gibt, welche Schiffe mit sehr großem Tief- gang aufnehmen können, und daß jede weitere Steigerung des Tiefganges der Riesenschiffe immer mehr Häfen aus der Reihe derer ausscheidet, welche angelaufen werden können. Selbstverständlich sind die Behörden der großen Häfen nach Kräften bemüht, den vorhandenen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Mit jeder Vergröße- rung der Häfen ist daher in der Regel auch eine ent- sprechende Vertiefung eingetreten (vgl. Meereskunde, Heft 72, S. 23, 26, 31, 33). Dasselbe gilt natürlich von den Die wichtigsten Häfen der Welt mit Wassertiefen von höchstens 5, 6, 7, 8 und 9 m bei mittlerer Flut. 5 Meter 6 Meter 7 Meter 8 Meter 9 Meter Mara- Bremen Königsberg Bordeaux Buenos Aires caibo Manila Riga Danzig Calcutt a Rostock Shanghai Geestemünde Campico Warnemünde Kiel Libau Stettin Tunis Pernambuco Constanza Cork Daressalam Durban Korinth -Kanal Kronstadt Lübeck Manchester Nantes Petersburg Pillau Stockholm Spezia Swinemünde Venedig 38 Meereskunde. Die wichtigsten Häfen der Welt mit Wassertiefen von höchstens 10, 11, 12, 13 und mehr Meter bei mittlerer Flut. 10 Meter 11 Meter 12 Meter 13 Meter Über 13 Meter Adelaide Baltimore Ant- Boulogne Barcelona 16,0 Amsterdam Bombay werpen Cadix Brest 16,0 Bahia Bianca Cardiff Bremer- Cuxhaven Cherbourg 17,0 Brindisi Colombo haven Para Constantinopel Calais La Plata Plymouth Smyrna 45,7 Emden New Orleans St. Tho- Fiume 25,5 Glasgow Philadelphia mas Genua 15,9 Hamburg San Hüll 13,7 Harburg Franzisko London 15,2 Havre Singapore Lissabon 19,0 Honolulu Toulon >. Marseille 18,0 Kopenhagen Vera Cruz Neapel 34,0 Leeth Yokohama New York 13,6 Melbourne Piräus 14,0 Montevideo Rio de Janeiro Nord-Ost- 16,2 see-Kanal Southampton Palermo 14,6 Portsmouth Rangoon Rotterdam Reval Suez-Kanal Wladiwostok großen Seekanälen. Für eine ganze Reihe von Schiffen bedeuten daher die Wassertiefen der Seekanäle eine ent- schiedene Grenze für die weitere Entwicklung der Di- mensionen. Allerdings versuchen die Verwaltungen auch hier zu folgen. Der Suezkanal, welcher mit einer Tiefe von 8 m gebaut worden ist, wurde 1890 auf 9 m, 1901 auf 9,5 m und 1908 auf 10 m vertieft. Der Kaiser- Wilhelm-Kanal wurde gleich 11 m tief gebaut und er- Riesenschiffe. 39 hält jetzt eine Tiefe von 13 m. Wenn man also bisher den gegenwärtigen Anforderungen nach dem heutigen Stande der Technik auch Rechnung getragen hat, so hat sich doch gezeigt, daß dies mit ganz außerordentlich großen Geldopfern verbunden ist. Dieser Faktor kann wohl die Entwicklung ein wenig aufhalten, er kann auch die Veranlassung bilden, daß die Großreeder sich auf kurze Zeit behelfen, aber unterbunden kann die Ent- wicklung dadurch niemals werden. Wenn man sich z. B. in Hamburg jetzt damit behilft, daß die Schiffe mit sehr großen Tiefgängen bereits in Cuxhaven geleichtert werden, so ist dieser Zustand auf die Dauer aus dem Grunde einfach unhaltbar, weil das Löschen und Laden solcher Schiffe auf diese Weise viel zu kostspielig wird, als daß nicht eine Reederei jede Gelegenheit freudig ergreift, welche ihr eine Verbilligung des Betriebes ermöglicht. Die Entwicklung der Technik des Welthandels ist ebenfalls eifrig gefördert und hat in dem Kommissions- und Speditionsge- schäft zwei Einrichtungen geschaffen, welche dem Kaufmann die weitgehendste -Bewegungsfreiheit ge- währen. Daher ist es heute schon für große Gebiete des Hinterlandes gleichgültig, ob die Güter z. B. in Hamburg, Rotterdam oder in Antwerpen gelöscht werden. Ebenso klar, wie daraus hervorgeht, daß der Hafen die bessere Entwicklungsmöglichkeit hat, welcher den Schiffen den besten Zugang zu bequemen Lösch- und Ladeplätzen usw. bietet, ebenso sicher ist es, daß die Behörden alles daran setzen müssen, ihren Hafen so auszugestalten, wie es der jeweilige Stand der Technik nur erlaubt. Da aber die ungeheuren Summen, welche dabei aufgewandt werden müssen, aus den Einnahmen des Hafens selbst bestritten werden müssen, so erweist sich die Wirt- schaftlichkeitdesHafenbetriebeseben- 40 Meereskunde. falls als obere Grenze für das Anwach- sen der Schiffsdimensionen, Wir haben also gesehen, daß es nicht technische, sondern lediglich kommerzielle Erwägungen sind, welche die Entwicklung maximaler Schiffsabmessungen beein- flussen. Neben der Wirtschaftlichkeit des Schiffs- betriebes sorgt die Wirtschaftlichkeit des Hafenbetrie- bes dafür, „daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen". Beide Faktoren aber sind wieder abhängig von der Leistungsfähigkeit des Welt- marktes. Sie bestimmt die Abmessungen, welche ein rationelles Arbeiten gewährleisten. Sie zwingt den Schiffbauer, sein ganzes Können einzusetzen. Sie zwingt den Hafenbauer, immer neue Wege zu ersinnen, um den Anforderungen genügen zu können. Stillstand ist Rück- gang. Wer der allgemeinen Entwicklung nicht zu folgen vermag, über den geht sie hinweg. Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68, Kochstraße 68—71. ^ MEERESKUNDE ^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Die Fahrten eines deutschen Seemanns um die Mitte des 19. Jahr- hunderts. Aufzeichnungen des Segelschiffs-Kapitäns G. W. Kroß. Die Schiffahrt auf den Karolinen und Marshallinseln. Von Dr. P. Hambruch. Die Namen der Schiffe im Spiegel von Volks- und Zeitcharakter. Von Dr. W.Vogel. Ein Ausflug nach Sansego in der Adria. Von Dr. L. Glaesner. Deutschlands Lage zum Meere im Wandel der Zeiten. Von Dr. W.Vogel. Handelswege im Ostseegebiet in alter u. neuer Zeit. Von Chr. Reuter. Ostseehandel und Landwirtschaft im 16. und 17. Jahrhundert. Von Chr. Reuter. Kriegsmarine. Kiel und Wilhelmshaven. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. Kohlenversorgung und Flottenstützpunkte. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. Unterseeboote. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. Vierzig Jahre Schwarz- Weiß-Rot. Von Geh. Admiralitätsrat P. Koch. Große und Kleine Kreuzer. Von Kapitän zur See a. D. R. Witt m er. Die Torpedowaffe. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. Kriegsschiffsbesatzungen in Vergangenheit und Gegenwart. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. Unterseebootsunfälle unter besonderer Berücksichtigung des Unfalles auf ,,U3". Von Fregattenkapitän Mich eisen. Die Zusammensetzung und Taktik der Schlachtflotten. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. Die Deutsche Eisenindustrie und die Kriegsmarine. Von P. Koch. Volks- und Seewirtschaft. Die Seehäfen von Marokko. Von Theobald Fischer. Marokko. Wirtschaftliche Möglichkeiten und Aussichten. Von Dr. Joachim Graf v. Pfeil. Die deutsche Hochsee-Segelfischerei. Von H. Lübbert. Der Hafen von New York. Von Professor Dr. Albrecht Penck. Lübeck, sein Hafen, seine Wasserstraßen. Von Dr. Franz Schulze- Lübeck. Eine Wanderung durch altniederländische Seestädte. Von Dr. W. Vogel. Die Freie Hansestadt Bremen, ihre Hafenanlagen und Verbindungen mit der See und dem Hinterlande. Von Baurat Prof. G. d. Thierry. Die Häfen der Adria. Von Dr. N. Krebs. Tsingtau. Von Professor Dr. Albrecht Penck. Auf den Färöern. Von Prof. DDr. Edward Lehmann. Der Suezkanal. Von Dr. P. Neubaur. Valparaiso und die Salpeterküste. Von Dr. Rud. Lütgens. Die festländischen Nordsee -Welthäfen. Von Dr. H. Michaelsen. Die deutsche Seekabelpolitik. Von Dr. R. Hennig. ** MEERESKUNDE * SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Das Meer als Nahrungsquelle. Von Prof. Dr. H. Henking. Kriegsrüstung und Wirtschaftsleben. Von P. Koch. Die großbritannische Hochseefischerei. Von H. Lübbert. Triest und die Tauernbahn. Von Prof. Dr. F. Hei der ich. Von Singapur bis Yokohama. Von L. Mecking. San Franzisko. Von A. Rühl. Seewesen und Schiffahrt. Der Kompaß in seiner Bedeutung für die Seeschiffahrt wie für unser Wissen von der Erde. Von Dr. Fr. Bidlingmaier. Die Post auf dem Weltmeer. Von O. Klaus. Die Segelschiffahrt der Neuzeit. Von Prof. W. Laas. Schiffsordnungen und Schiffsbräuche einst und jetzt. Von Dr. Fr. Schulze. Der Dienst des Proviantmeisters. Von Dr. G. W. v. Zahn. Innerer Dienst an Bord. Von Dr. G.W. v. Zahn. Auf einem Segler um Kap Hörn. Von Dr. R. Lütge ns. Nautische Vermessungen. Von Dr. E. Kohlschütter. Sicherheitsdienst an Bord. Von Dr. G.W. v. Zahn. Der Kreisel als Kompaßersatz auf eisernen Schiffen. Von Prof. Dr. H. Maurer. Der Fährverkehr zur See im europäischen Norden. Von Prof. Dr. G. Braun. Auf S. M. S. „Möve". Von Kapitänleutnant Schlenzka. Technik des Seewesens. Die Entwicklung der Schiffsmaschine. Von Prof. P. Kr a in er. Auf einem deutschen Kabeldampfer bei einer Kabelreparatur in der Tiefsee. Von W. Stahlberg. Ferngespräche über See. Von Dr. A. Ebeling. Seeklima und Seebäder. Die Heilkräfte des Meeres. Von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Albert Eulenburg. Land- und Seeklima. Von Dr. A. Merz. Ausführliche Verzeichnisse mit Abbildungen stehen kostenlos zur Verfügung. Für die nächsten Hefte sind in Aussicht genommen: Politische Probleme des Mittelmeerbeckens. Von Dr. P. Mohr. Durch die Magellanstraße. Von Geh. Konsistorialrat Goedel. Der Chilesalpeter und seine Bedeutung in der Weltwirtschaft. Von Dr. A. Hartwig. Die Farbe des Meerwassers. Von Dr. E. Öttinger. Das Zeppelinluftschiff zur See. Von Dr. Frhr. M. v. Gemmingen. Landengen und Meerengen und der Verkehr. Von Prof. Dr. K. Hassert. Wehr und Schutz der Meerestiere. Von Dr. L. Glaesner. D I Jedes Heft 50 Pf. Ein Jahrgang von 12 Heften M 5, — | D Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68, Kochstr. 68—71.