J.d7.^2- -e h' Handbuch der Entwickelungsge schichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwickelung der Säugethiere und Vögel. Nach fremden und eigenen Beobachtungen von Dr. 6r. Valentin, Berlin, bei August Rücker. 18 3 5. C4 Vit ^A, Seinen hochgeehrten Lehrern, Gönnern und Freunden, dem Herrn C. G. Nees von Esenbeck, Doctor der Medizin und Philosophie; Professor der Botanik und Direc- tor des botanischen Gartens der Universität zu Breslau; Präsidenten der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher und Aerztej Mitgliede vieler Akademieen und gelehrten Gesellschaften und Ritter mehrerer hohen Orden, and dem Herrn Joh. Ev. Purkinje, Doctor der Medizin und Philosophie; Professor der Physiologie und Pathologie an der Universität zu Breslau; Mitgliede der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher und Aerzte, der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, der Academie royale de Medecine zu Paris und vieler gelehrten Gesellschaften, aus Achtung, Dankbarkeit und Liebe der Verfasser. Digitized by the Internet Archive in 2011 with funding from Open Knowledge Comrhons and Harvard Medical School http://www.archive.org/details/handbuchderentwiOOvale V o r r e d e. Ueber Entwickelungsgeschichte in gegenwärtiger Zeit zu schreiben, bedarf kaum einer Entschuldigung, da diese Rich- tung anatomisch-physiologischer Forschung nicht nur in un- seren Tagen sorgfältiger, als früher verfolgt, sondern auch jeder höheren Betrachtung und Anschauung der Natur als genetisches Moment zum Grunde gelegt wird. Es wäre da- her überflüssig, hier über die Wichtigkeit und den Einflufs solcher Untersuchungen noch Worte verlieren zu wollen, da mit Recht vorausgesetzt werden kann, dafs das W^esentliche hiervon schon allgemein bekannt und anerkannt sey. Der Verfasser, dem von sich und der Richtung seiner Studien zu reden, in der Vorrede allein gegönnt ist, hält es daher für zweckmäfsiger, sich über die Entstehung vorhegender Schrift und den in ihr herrschenden Geist auszusprechen, um so den Standpunkt zu bezeichnen, von welchem aus er beurtheilt und gerichtet zu werden wünscht. Schon von Anfang seiner medizinisch-physiologischen Studien im Jahre 1S29 fafste derselbe eine innige Vorliebe zu der, Lehre der Entwickelungsgeschichte , mit welcher er theils durch die Vorträge seiner geehrten Lehrer, theils durch die hierüber erschienenen Schriften, vorzüglich Deutscher Physiologen, theils auch durch eigene häufige Untersuchung •von Embryonen der Wirbelthiere vertraut wurde. Nachdem Vi y o r r e d e. er sich so zu diesem eben so schwierigen, als genursveichen Felde Bahn gebrociien. mufste es sich ihm fast von selbst er£;ebon, dafs, wenn einerseits die Entwickeluns; der Orsane durch den glücklichen Fleifs vieler Gelehrten ziemlich aufge- hellt worden, die der Gewebe nicht nur sliefmüttorllch be- handelt, sondern so gut, als gar nicht bearbeitet sey. Da- durch, dafs Ileusingers System der Histiologie *) unvollendet bheb, war auch die Hoffnung geschwunden, dafs wir von diesem geachteten ISaturforscher eine Hi:>tiogenie erhalten würden. Mit Ausnahme der Entwickeunigsgeschiclite der Blutflüssigkeit und der Blutkörperchen, welche jedoch eben- falls mangelhaft bearbeitet worden, fanden sich nur sehr wenige Data, die zu einer wissenschaftlichen Darstellung benutzt werden konnten. Es war daher für das jugendliche Gemüth des Vf. die Idee lockend genug, so ein neues Feld physiologischer "Wissenschaft, die Histiogenie, zu schaflen. Aber bald zeigte sich der Schwierigkeiten grofse Fülle. Denn wenn es schon einen Aufwand von mehr, als mittel- mäfsigen Kräften erfordert, um die Entwickelung der Organe zu verfolgen, so stölst man nicht selten bei der Beobachtung der Gewebeentwickelang auf Dinge, welche die Grenzen unsa^r Sinne weit hinter sich lassen. Zuvörderst miils man hier durchaus an frischen Präparaten arbeiten, oder solche Untersuchungen wenigstens der Beobachtung an Früchten, die in ^^eingeist aufbewahrt worden, vorausschicken; dann ist es uuerläfslich, eben so starke, als klare ^ ergröfeerungen anzuwenden, da die schwachen, welche bei der Entwicke- lung der Organe so gute Dienste leisten, hier gar nicht zu *) Der Änsdract Histologie, der bisher allgemein gebraucht Trorde, ist anrichtig, '/ö-.-o'c helfst der Webestahl tmd kommt nur bei Dichtem (tcrrdi' x'oa'i-sr.- Homer) und spateren Prosaisten und auch hier sehr sel- ten, in der Bedeutang von Gewebe vor. Das Letztere heifst richtiger V o r r e d e. Tii gebrauchen sind. L'eberdieJfe niuTs auch die Form der aus- gebildeten Gewebe sicher constaürt werden, bevor man ihrer Entstehung nachzuspüren unternimmt. Die strengfvte Selbst- kritik, ^lifstrauen gegen jedes nur ein Mal oder undeutlich Beobachtete darf den rVaturforncher zwar überall,, aber vor Allem auf diesem domigten Wege nie verlassen. Durch diese Schwierigkeiten nicht nur nicht abgeschreckt, sondern vielmehr angespornt und zur Ausdauer angeregt- ver- folgte der Vf. seine Untersuchungen drei Jahre lans:. ohne vor 1S32 etwas zu veröffentlichen. Zu Ende dieses Jahres gab er seine: historiae evolutionis .systematis muscularis prolusio heraus — eine kleine Schrift, die, wiewohl sie ihm heute gar nicht mehr genügt, doch eine durchaus günstige Aufnahme zu finden das Glück hatte. Vielfache Untersuchun- gen wurden noch später gemacht, und da es bei der Menge von Früchten, welche dem ^ f . zu Gebote standen, niemals an ^lateriale fehlte, so wuchs natürhch der Stoff während eines fünfjährigen Zeitraumes fast täglich angestellter Unter- suchungen bedeutend an. iNothwendiger VVeise wurden nicht blofs die Gewebe, sondern auch die Organe in das Gebiet der Forschung mit hineingezogen, und so dürfte es wohl keinen Theil des Körpers geben, dessen Evolution der Vf. nicht aus eigener Erfahrung mehr oder minder vollständig kennen gelernt hat. Auf diese "Weise vermochte er natür- Uch vieles Bekannte zu bestätisen und nicht wenig des rSeuen hinzuzufügen, -sviewohl er selbst die Lücken, die er lassen mufsle, am ^^ enigsten verkennt. In jedem Zweige der Physiologie rauls man bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft sich nicht mit der Unter- suchung einzelner Klassen oder gar Genera oder Species von Pflanzen oder Thieren begnügen, sondern, sey es compara- tiv, sey es ergänzend, auf eine gröfsere oder geringere Zahl oder die Gesammtheit der vegetabilischen oder animalischen VIII V o r rede. Organismen Rücksiebt nehmen. Wenn daher auch ein ein- zelnes Wesen, wie z. B. der Mensch vorzüglich bei Behand- lung eines Gegenstandes berücksichtigt wird, so darf doch die Darstellung seiner Verhältnisse nicht ausschliefslich das Object der Beobachtung und jede Rücksicht auf die übrige Thierwelt zurückgewiesen seyn. In dieser Idee arbeitete schon der grofse Haller seine Elementa physiologiae aus; in dieser Idee sind in neuerer Zeit mehrere Schriften über allgemeine und specielle Physiologie erschienen, welche ei- nen bleibenden Werth in der Geschichte der Wissenschaf- ten haben vverden. Ist aber dieses schon bei der Darstellung der Erscheinungen des Lebens, der Bedeutung und Function der Organe, der Formen der Gewebe der Fall, so tritt das- selbe Requisit in dem Gebiete der Entwickelungsgeschichte mit weit gröfserer Nothwendigkeit hervor, da hier noch der Umstand dazu nöthigt, dafs viele in dem Menschen völ- lig unbekannte Verhältnisse aus der Geschichte der Thiere ergänzt oder erläutert werden müssen. So wie Vivisectionen nur an diesen anzustellen sind und nichts desto weniger auch über dieselben Functionen in dem Menschen den ge- nügendsten AuCschlufs geben, so ist dieses nicht minder in der Entwickelungsgeschichte der Fall. Denn wenn auch die Voraussetzung bestimmt ungegründet, ja falsch ist, dafs in dem Menschen der Entwickelungsprocefs der Organe ge- nau derselbe, wie in den Säugethieren sey, so läfst sich doch mit Recht annehmen — und durch genaue Beobachtung ist es von vielen Th eilen sogar schon erwiesen — dafs analoge Processe in beiden Statt finden und dafs das Individuelle und Specielle Verschiedenheiten, das Generelle Gleichheiten erzeuge.. Es ist zwar von höchstem Interesse, das'Erstere so genau, als möglich kennen zu lernen; allein der Mensch wird in eben dieser Beziehung immer am W'enigsten voll- ständig zu erforschen seyn, da zu vielen Experimenten und Vorrede. ix Untersuchungfin der Art sein Organismus völlig unzugänglich ist. Wir mögen noch so weit vorschreiten; hier werden stets Lücken übrig bleiben, welche nur die Geschichte der Säugethiere und Vögel auszufüllen vermag. Als die deskriptive Anatomie noch allein den Menschen als Hauptziel vor Augen hatte und nur ein mehr oder min- der vollständiges Verzeichnifs der einzelnen, unseren Orga- nismus constituirenden Theile gab, als man auf diese Weise nur nach gesonderten Einzelnheiten strebte und lieber in die- ser Beziehung auf das Kleinlichste einging, denn einen hö- heren und innigeren Zusammenhang mit der Thierwelt und deren Organisation überhaupt zu suchen sich bemühte, fehlte auch in der Entwickelungsgeschichte das Bedürfnifs , über den Menschen hinaus genauere Forschungen anzustellen. Wie man im Allgemeinen bei dem Erwachsenen alle Höcker, Ecken, Kanten u. dgl. eines Knochen kennen zu lernen und mit gröfst möglicher Breite bis ins Kleinste zu beschreiben strebte, war man auch im Allgemeinen zufrie- den gestellt, wenn man wufste, dafs dem Menschen Cho- rion, Amnion, Nabelblase, Nabelstrang u. dgl. mit ihren be- stimmten Eigenthümlichkeiten zukommen. In diesem Sinne haben Danz, Lucä u. A. ihre Darstellungen bearbeitet. Nur bei W^enigen tauchte die Idee eines allgemeineren Standpunk- tes auf, wurde aber bald theils durch Mangel an Realien, thells durch die widerstrebende Gewalt der Zeit unterdrückt. Abgesehen davon, dafs so jeder wissenschaftliche Werth der Entwickelungsgeschichte verloren ging, hatte es auch noch den Nachtheil, dafs reelle Beobachtungen falsch gedeutet und von unkundigeren Nachfolgern falsch gemacht wurden. Auch die reinste Empirie kann durch unrichtige Wahrnehmungen verfälscht werden. Denn sie kommt ja erst durch das Glas des Beobachters in die Augen der Mitwelt. Ja wie oft ist nicht schon die Erfahrung gemacht worden, dafs sonst ru- X Vorrede. hige und bedächtige Forscher sahen, was sie S'ehen wollten oder gewissen subjectiven Ideen nachsehen mufsten, dafs von ihnen allgemeine Sätze und Schlüsse nach ungegründeten Ana- logleen und Factis aufgestellt wurden, und so Gelehrte, die reine Empiriker zu seyn glaubten, in Hypothesen geriethen, die an Unrichtigkeit denen excenlrischer Köpfe oft {gleich waren, an Genialität dagegen ihnen um Vieles nachstanden. Indem der Vf. diese Fehler zu vermeiden sich nach Kräften bemüht hat, raufs er es andern zu beurtheilen überlassen, ob und in wie fern ihm dieses geglückt sey oder nicht. Da er es aber für nothwendig gefunden, wesentliche Theile der Geschichte der Thierwelt mit in seinen Plan zu ziehen, so hat er dieses nicht ohne Principien, sondern von folgenden Grundsätzen geleitet gethan. Unbedingt ist die Klasse der Vögel das Centrum, um welches sich alle Beobachtungen über Entwickelungsge- schichte drehen, nicht innerer Gründe halber, sondern we- gen äufserer uns zu Gebote stehender Umstände.. In keiner Thierklasse haben wir es so sehr in unserer Gewalt, Em- bryonen verschiedener Stadien zu erlangen, als in dieser. INii'gends können wir unsere Untersuchungen so sehr ver- vielfältigen, als hier. Daher begann auch Fabrizius ab Aqua- pendente seine Beobachtungen an dem bebrüteten Hühnchen: an diesem setzten Harvey und Malpighi ihre Forschungen fort; an ihm machte Wolff seine wichtigen Entdeckungen über Entstehung des Darmkanales, des Blutes, der Extremi- täten und der INieren, so wie in neuerer Zeit der Embryo des Hühnchens es war, durch dessen Studium Döllinger und seine Schüler die Entwickelungsgeschichte als Wissen- schaft bleibend begründet haben. Der Vogel ist also in die- ser Rücksicht Ausgangspunkt für alle folgenden Untersuchun- gen und Norm und Basis, auf welche vereinzelte Facta der Entwickekmg der Säugethiere und des Menschen zurückzu- Vorrede. xi führen sind. Da jedoch vermöge seiner ganzen Organisation das Säugethier dem Menschen ähnlicher ist, als der Vogel, so mufs sich natürhch dasselbe Verhältnifs auch in der Ent- wickelung reflecliren. Und wenn daher auch die Geschichte des Vogelembryo der Boden ist, auf dem wir einherschrei- ten, so ist die des Säugethierfötus das leitende Gestirn, wel- ches uns erst Sicherheit auf unserer Bahn der Entwickelung des Menschen verspricht. Es ist daher in dem vorliegenden Werke die kurze Ge- schichte des Vogels an den passenden Stellen immer vorausge- schickt worden. Wenn der Vf, hierbei sich gröfstenlheils der Bär'schen Relationen bedient, so geschieht dieses nicht deshalb, weil er diese Dinge aus eigener Anschauung nicht kennt, sondern weil er es für billig hält, dem, der zuerst das Wahre einer Sache beschrieben, genau zu folgen und nicht mit Sachen, die man nach Anderen gesehen, als sei- nen Entdeckungen zu wirthschaften, weil man nur zu dem Bekannten kleine oder kleinliche Zusätze zu machen ver- mochte. — Ein in unseren Tagen zu physiologischen Untersuchun- gen unentbehrliches Hülfsmittel ist das Mlkroscop. Die Zei- ten sind vorüber, wo man mikroscopische Beobachtungen wegen Fehler der Untersuchenden verdächtig zu machen sich bemühte. Das Mikroscop hat jetzt dieselbe Auctorität, wie die astronomischen Vergröfserungsinstrumente, wiewohl man durch diese eben so gut die Gebäude der Menäen, als durch jenes die präexistirende Gestalt des Menschen in seinen Saa- menthierchen zu sehen geglaubt hat. Geduld und üebung macht hier wie dort gleich sicher, und es dürfte in beiden Fällen wohl ohne Zweifel jede Differenz der Beobachtung weniger von dem Instrumente, als dem Forscher selbst ab- hängen. Die Gegenstände , mit denen wir uns hier be- schäftigen, entgehen zum Theil, wie die frühesten Rudimente XII Vorrede. der Organe, dem unbewaffneten Auge, und doch zeigt die grofse Uebereinstimmung, welche die Erfahrungen eines Bär, Burdach, Rathke, Huschke, Joh. Müller, Carus, E. H. We- ber, Ehrenberg, R. Wagner u. A. unter einander darbieten, welcher Grad von Sicherheit und Bestimmtheit auf diesem Felde zu erreichen sey. Irrthümer kommen in allen mensch- lichen Bestrebungen vor, und deshalb, weil sie hier nicht fehlen, kann am Wenigsten die ganze Methode verdächtig gemacht werden. Eine andere der neuesten Zeit angehörende und noch in ihrer Kindheit befindliche Richtung ist die, die Mathema- tik der organischen INatur kennen zu lernen. Man hat aber hier zwei untergeordnete Disciplinen: 1. Die Auseinander- setzung der räumhchen Stellungs- und Formenverhältnisse der Theile der organischen Wesen — eine Lehre, die im Pflanzenreiche Schimper begründet und Alexander Braun, Bischoff, Fürnrohr und Andere fortgeführt haben. Dafs diese Gesetze auch auf die Thiere ihre Anwendung finden, hat der Vf. bald nach dem Erscheinen des Schimperschen Auf- satzes öffentlich ausgesprochen und Agassiz in neuester Zeit in einigen Beispielen nachgewiesen. 2. Die Gröfsenverhält- nisse der kleineren und kleinsten Theile der Körper, die Mi- krometrle. Diese, welche nur von Wenigen, wie Prevost und Duraas, R. Wagner besonders behandelt und von E. H. Weber, Ehrenberg, Joh. Müller, Berres und dem Vf. vor- züglich bei ihren neuesten Untersuchungen berücksichtigt worden, wird gewifs zu wichtigen allgemeinen Resultaten führen und binnen Kurzem so sehr an Umfang und Inhalt gewinnen, dafs sie als eine durchaus gesonderte Disciplin wird angesehen werden müssen. Der Vf. enthält sich hier aller weiteren Ausführung, da schon mehreres Treffliche hierüber in der neuesten Zeit gesagt worden. Er kann nur die Bemerkung nicht unterdrücken, dafs, wiewohl er Vorrede. xm seine Messungen nicht zu häufen sich bemühte, die Zahl derselben bei der Menge der zu bestimmenden Gegenstände in die Hunderte hef. Doch glaubt er anderseits, dafs die aus seinen Messungen gezognen Resultate den Leser für die un- angenehme und trockene Aufführung der Zahlen zum Theil entschädigen werden. Nicht mit Unrecht könnte Mancher Abbildungen zu vor- liegendem Werke verlangen. Aliein aus folgenden Gründen sind sie hier gänzlich ausgeschlossen worden. Die Entwik- kelungsgeschichte der Thiere kann nie durch blofse Abbil- dungen genügend erläutert werden, üeberhaupt wird man, wie in allen Naturwissenschaften, so besonders in diesem Theile derselben aus blofsen Büchern am Wenigsten lernen. Einige Kupfer nützen hier gar Nichts und können den Un- kundigen zwar blenden, aber den Wifsbegierigen nie befrie- digen. Ein grofser Atlas würde aber vorliegende Schrift, welche der Vf. in jeder Rücksicht so leicht zugänglich als möglich zu machen gesucht hat, zu sehr im Preise erhöhen. Was die Literatur betrifft, so hat er Alles, was ihm zu Gebote stand, mit möglichster Sorgfalt benutzt und nur die Bücher angeführt, die er selbst gelesen. Er ist aber hierin möghchst genau verfahren, weil er die Ansicht hat, dafs das blofse Nennen des Namens eines Schriftstellers oder eines Bu- ches zu gar Nichts führt. Jedem Leser mufs es mögHch seyn, nachzusehen, wie sich ein bestimmter Autor über eine Sache ausspricht, ob ihn der citirende Schriftsteller richtig verstanden u. dgl. Daher ist der specielle Beleg des Citates ganz und gar un- erläfslich. Was die Wahl der Schriften betrifft, so hat der Vf. besonders deutsche zu nennen sich bemüht, und lieber die Citate von ausführlichen und richtigen Auszügen aus auslän- dischen Sachen, als von diesen selbst aus dem Grunde ange- führt, weil jene dem Leser im Allgemeinen weit leichter zugäng- hch sind> Er hat gewissenhaft das Fremde anzuerkennen sich xiY Vorrede. bemüht, nicht, wie dieses von egoistischen und verblendeten Gelehrten lächerlicher Weise so oft geschieht, seine eigenen Sachen vor ähnlichen Beobachtungen Anderer prahlerisch hervorgehoben oder diese gar gänzlich verschv^iegen, um selbst desto mehr zu glänzen. Eben so wenig hat er in sei- ner Sprache affektirt, um sich den Scheiij von Originalität ( denn Originalität selbst besteht wahrlich in diesem die Wissenschaft nicht um ein Haar breit fördernden Prunke eben so wenig, als in irgend einem manierirten Wesen in der Kunst) anzueignen. Jedoch hofft er, wenn ihm Eines oder das Andere von fremden Arbeiten völlig entgangen seyn sollte, bei der so grofsen Menge der zu benutzenden Schrif- ten Entschiddigung zu finden. Dafs er, Unbedeutendes oder rein Theoretisches, auf keiner Erfahrung Basirtes übergan gen, dürfte ihm nicht zum Vorwurfe gereichen. Breslau im März 1835. Der Vf. Uebersicht des Inhal Is. Seile Erster Abschnitt. Von dem Eie .."... 1 I. Das unbefruchtete, in dem Eierstocke enthaltene Ei 3 Ei des Vogels . 3 Dotterhant 5 Dottei- 5 , Anlage der Keimhaut 6 Ei der Säugethiere 9 Die äul'sere Haut 15 Flüssiger Inhalt des FolUculus Graaßanus 15 Die Scheibe „16 Das Eichen 17 Tabellarische Uebersicht der angestellten mikromelrischen Mes- sungen der Theile des Folüculus und des Eichens in verschie- denen Säugethieren und dem Menschen 22 Verbältnifs des ausgebildeten Eies des Vogels zu dem ausgebil- deten Ei der Säugethiere 25 II. Das Ei von dem Momente seiner Lostrennung von dem Eierstocke bis zu seiner Fixirung in dem Frucht- häiter zur Entwickeiung der Frucht 28 Ausgang des Eies aus dem Eierstocke 28 Versuche über die ersten Folgen der Conception 32 Zeichen der geschehenen Befruchtung 39 Flimraerbewegung 42 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung 42 A, Die von dem Frachtbehälter ausgeschiedenen Membranen und Flüssigkeiten , 44 XVI Uebersicht des Inhalts. Seite a. Anwesenheit der decidua 47 1. In dem Thierreiche überhaupt . . . „ , . . .47 2. In dem Menschen insbesondere .50 a. Ihre Existenz überhaupt 50 ß. Ihre Existenz in den verschiedenen Monaten der Schwangerschaft 53 b. Aeufsere und innere Conformation der decidua vera und reflexa 53 c. Gewebe der hinfälligen Häute 60 d. Verbindung der hinfälligen Häute mit den Nachbarthei- len und unter einander selbst . 62 e. Entstehung der hinfälligen Häute 62 a. Entstehung der decidua vera 63 ß. Entstehung der reflexa 65 Theorie über diese Erscheinung . . . . . .66 f. Schwinden der hinfälligen Häute 70 g. Bedeutung und Nutzen der decidua und ihres Conten- tums 71 h. Synonymik der Memhranae deciduae 72 Rückblick auf diese Materie 75 B. Die von dem Eileiter wahrscheinlich gebildeten Häute und StoiTe des Eies oder die eigenthümliche Eihaut nebst dem Stoffe, welcher in den Eiern der Säugethiere dem Eiweifse analog ist 79 C. Die Eitlieile, welche mit dem Erabryonalkörper in Verbin- dung stehen und von denen das neue Individuum ausgeht, oder die selbst erst durch die Bildung des Letztern oder von ihm erzeugt werden 93 a. Die Nabelblase . 94 b. Das Amnion 111 c. Die AUantois und die mit ihrer Existenz nothwendig verbundenen Membranen und Gebilde des Eies, wie das Endochorion, die mittlere Haut, die Placenta und der Nabelstrang 115 Anhang. I. Ueber Pockels Vesicula erythroides und dessen Theorie der frühesten Formation des menschlichen Eies und Embryo überhaupt , 134 II. Ueber kranke, durch Abortus abgegangene Eier .... 136 Zweiter Abschnitt. Von dem Embryo 141 Embryo und N.^hrung 143 Unter- Uebersicht des Inhalts. xvii Seite Unterschiede der Keimhaut 147 Sonderungen der Keitnhaut 149 I. Seröses Blatt 154 Erste Momente der Bildung des neuen Individuums 154 A. Gehirn und Rückenmark nebst deren häutigen Umhüllungen 160 Höhleu des Gehirns und Rückenmarks 179 Nervensubstanz 183 Anhang. Höhere Sinnesorgane - 185 1. Auge .186 2. Ohr 205 B. Peripherischer Theil des serösen Blattes 217 9i. Oberes Centralrohr . . . 219 Schädel und Wirbelsäule 219 1. Schädel . 225 a. Stirnbein 225 b. Scheitelbein 226 c. Grundbein 227 d. Schläfenbein 229 e. Siebbein . . : 231 2. Wirbelkörper 231 5S. Unteres Knochenrohr 235 1. Die Knochen des Gesichtes 235 a. Die Pflugschaar 236 b. Die Nasenbeine 236 c. Die Muschelbeine 237 d. Die Thränenbeine 237 e. Die Jochbeine 237 f. Die Oberkieferbeine 238 g. Die Gaumenbeine 239 h. Der Unterkieferknochen ........ 240 2. Bippen und Brustbein 241 Anhang. Q.. Extremitätengürtel 243 1. Schlüsselbein 250 2. Schulterblatt 250 3. Oberarmbein 251 4. Ulna und Radius 252 5. Handwurzelknochen 252 6. Mittelhandknochen 253 7. Phalangen des Daumens und der Finger .... 253 8. Schaambeine . 254 9. Sitzbein . ^ 254 10. Darmbein . . . , 254 ♦ » XYiii üebersicht des Inhalts. Seite 11. Oberschenkelknochen . . , . 255 1-2. Tibia und Fibula 256 13. Fufswurzelknochen 256 14. Mittelfufsknochen 257 15. Phalangen der Zehen 257 Knorpelskelett 258 Ligamente 265 ^. Muskeln, Sehnen und Schleimgewebe 266 Anhang. Rumpfnerven 270 (S. Haut uebst den accessorischen Gebilden und der von der Peripherie des serösen Blattes ausgehende Hüllen- theil des Embryo 271 1. Fettpolster 271 3. Lederhaut 272 3. Der malpighische Schleim 273 4, Die Oberhaut 273 IL Gefäfsblatt 278 Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse 278 : a. Die Blutflüssigkeit 291 b. Die Blutkörperchen 293 c. Die Blutbahnen .298 1. Die Dottergefäfse 304 2. Die Embryonalgefäfsverbreiiung 306 d. Körpergefäfse 330 Anhang. Geschlechts- und Harnorgane . . ...... 352 Geschichte der Wolff'schea Körper 356 A. Die Wolff'sch«n Körper bei Säugethieren und dem Menschen, besonders nach ihrer Struclur in den ver- schiedenen Perioden der Entwickelung 376 B. Geschichte der keimbereitenden und ausführenden Ge- schlechtsorgane bis zu der Zeit, wo die Verschieden- heit des Geschlechtes mehr unmittelbar in die Augen fallende Differenzen bedingt 386 C Keimbereitende und ausführende Geschlechlstheile bei den weiblicben Früchten 389 D. Keimbereitende und ausführende Geschlechtstheile bei den männlichen Früchten 391 E. Erste Entstehung der Nieren Bebst den Ureteren und den Nebennieren 408 F. Entwickeluiigsgeschichte der miltlereli' Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane '^16 G. Entwickelungsgeschichte der äufseren Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane. Uebersicht des Inhalts. xix Seite a. Bei dem männllclien Geschlechte 419 b. Bei dem weiblichen Geschlechte 422 m. Schleirablatt 426 1. Primäre Metamorphose des Schleimblattes. Darmrohr und Gekröse 427 Zwerchfell 469 Sympathischer Nerv 470 2. Secundäre Metamorphosen des Schleimhlattcs . . . . . 474 A. Einfurchungsbildungen 475 a. Nase 476 b. Mund 481 Zähne 482 c. After 488 A. Kiemenspalten und Kiemenbogen 488 Anhang. Zungenbein . 493 B. Ausslülpungsbildungen. a. Das Lungensystem . . . . . . . . . . . 495 Anhang. 1. Schilddrüse . 506 2. Thymus 506 b. Leber 514 Anhang. Milz ....."'.......... 520 c. Speicheldrüsen 521 Gröfsenverhältnisse der Theile der Drüsen . . . 543 Anhang, Lymphsystem und lymphatische Drüsen . . . 546 d. Allantois .548 Aeufseres des Embryo 549 Tabellarische Uebersicht der Metamorphosen des Eies . . . 562 Dritter Abschnitt. Fragmente zu einer künftigen Geset/;- lehre der individuellen Entwickelung. I. Nothwendiger Gegensatz zwischen Idealismus und Realis- mus. Tendenz der Zeit 565 II. Allgemeine Begriffe. Uridee. Metamorphose 582 III. Wissenschaftliche Bearbeitung der Thierwelt. Bedeutung der Organe der Thiere 587 IV. Entwickelung des individuellen Thieres 590 • V. Mefcamorphosengang der individuellen Entwickelung- . . . 595 VI. Specielle Darstellung der Gesetze der individuellen Entwik- kelnng. Wirbellose und Wirbellthiere 598 XX Uebersicht des Inhalts. Seite VII. Genese der Organe 612 VIII. Entstehung der OrgantheUe und Gewebe ..... 624 IX. Functionen der Organe 651 Nachträge, welche die wichtigsten über Entwickelungsgeschichte während des Drucks der vorliegenden Schrift bekannt gemachten Beobachtungen enthalten 653 Erster Abschnitt. Von dem E i e. ' 1 Und in der That kann es ein sichereres und edleres Mittel geben, um steh die klarsten Einsichten über die Function und Bedeutung einzelner Theile und über das harmonische Ineinandergreifen des ganzen Organis- mus zu verschaffen, als die bildende Natur von dem Augenblicke an zu belauschen, wo sie ihre Schöpfung beginnt, und ihr unermüdet zu folgen, bis sie ihr Werk vollendet einer höheren Bestimmung übergiebt? — Je- doch leicht ist der Wunsch und schwer ist die That! — Wohl ist es wahr, es ist des Geistes kühnstes Wagestück in das Heiligthum der Na- tur zu dringen, und nirgends in dem weiten Reiche menschlicher For- schungen grünt herrlicher die lohnende Palme, als hier — allein die Wege dorthin sind dunkel und vielfach verschlungen und wenig betreten ist der wahre Pfad. — Deshalb hüte sich Jeder, statt des Goldes unreines, mit Schlacken vermengtes Metall zu Tage zu fördern, und dieser War- nung, die ich mir selbst in meinen Untersuchungen über diesen Gegen- stand zurief, stets eingedenk, will ich den Versuch beginnen. H. Fr. Kilian über den Kreislauf des Blutes in dem Kinde, welches noch nicht geathmet bat. 1826. 4. S. 40. r!xj-?*>-,: r- • . Das unbefruchtete, in dem Eierstocke enthaltene Ei. JLIas Ei der höheren Thiere enthält vor der Befruchtung, während es in dem Eierstocke sich befindet, folgende verschiedene Theile, welche theils in der Zeit, wo in Folge der Conception das Ei den Eierstock verläfst, sich verändern oder. vergehen, theils aber beharren. 1 ) Eine äufsere, das Ei umschliefsende und begrenzende Haut, die Dotterhaut. 2) Einen mehr oder minder flüssigen Inhalt, den Dotter. 3) Eine mehr oder minder weit über die Oberfläche des Dotters und unter der Dotterhaut verbreitete, eigenthümliche Lage von Körnern, die Keimanlage. 4) Ein durchsichtiges, in der Mitte der Keimanlage eingebet- tetes, an der inneren Oberfläche der Dotterhaut anliegendes und mit einer wasserhellen Lymphe gefülltes Bläschen, das Keimbläs- chen, das nach seinem Entdecker auch das Purkinje'sche Bläschen genannt wird. Aufserdem empfängt das Ei noch von dem Eierstocke selbst 5) eine durch eine körnige Lage und zähen Stoff zu einer membranartigen Ausbreitung mit einander verbundene Schicht, in welcher die Blutgefäfse liegen und 6) eine von der Substanz oder dem Stratum des Eierstockes ausgehende Hülle, eine meistens körnerhaltige, zähe, derbe und dichte Haut. Zur Basis der Untersuchung möge der am genauesten ge- kannte Eierstock der Vögel dienen, um^ das von diesem Berich- tete dann als Anhaltspunkt für die , Säugethiere und den Men- 1* 4 I. Das unbefruchtete, im Eierstock enthaltene Ei. sehen benutzen zu können. Wir folgen aber in, diesem Punkte den Untersuchungen von Purkinje (Symbolae ad ovi avium hi- storiam ante incubationem. Wratisl. 1825. ed alt. Lips. 1830. 4), welche wir nach eigenen, zum Theil mit dem Verfasser ge- meinschaftlich angestellten neueren Beobachtungen nur zu be- stätigen und in sehr Wenigem zu erweitern vermögen. Untersucht man die kleinsten Eier des Ovarium eines Vo- gels, z. B. des Haushuhnes, so findet man dieselben von ziem- lich bestimmt sphärischer Form und graulich weifser Farbe. Die äufsere, sie umschliefsende Membran so wie die Lamelle der Blut- gefäfse ist sehr schwer von der Dotterhaut zu trennen, und ge- lingt dies auch, so niUimt man nichts als ein feinkörniges dun- keles Wesen, welches den ganzen Inhalt des Eichens constituirt, wahr. Durch Zerpresseu zwischen zwei Glasplatten kann inan aber die vollkommen durchsichtige und scheinbar strukturlose Dotterhaut von dem Inhalte des Eichens trennen. Dieser letz- tere besteht aus einer flüssigen Masse, welche eine ungemein grofse Anzahl sehr kleiner, bestimmt runder Körperchen enthält. Die Gröfse dieser durchsichtigen Körperchen ist so gering, dafs sie die der Brownschen Moleküle nur um Weniges übertrifft. Auch zeigen diese Körnchen, wie Gruithuisen schon beobachtet hat (s. unten im zweiten Abschnitte die Genese des Blutes) und wir selbst bestätigen können, sehr oft Brownsche Molekularbe- wegung. In gröfseren Eichen hat sich nun die, die Körnchen verbindende, homogene, durchsichtige Masse vermehrt und eine ölartige Consistenz angenommen. Dieses zeigt sich einerseits da- durch, dafs die Flüssigkeit einen höheren Grad von Tenacität er- langt hat und einzelne runde Tropfen in ihr, wie Oel- oder Fett- tropfen, erscheinen, anderseits aber dadurch, dafs sowohl diese isolirten Kugeln als das ganze Ei selbst eine immer mehr satu- rirt gelbe Farbe erhalten. Man nennt dann gewöhnlich dieses Contentum des Eies Dotter. Betrachten wir aber das hier Statt findende Verhältnifs genauer, so sehen wir, dafs der Dotter des Vogels einerseits aus der primären, sehr kleinkörnigen Masse, an- derseits aus einem öligten Stoffe besteht. Dieses hellt uns aber über den Zustand der Eier, der Säugethiere so wie der niederen Wirbelthiere auf. Bei den Letzteren sind nämlich diese beiden Massen nicht, wie bei dem Vogel, mit einander vermengt, sondern mehr oder minder geschieden. So finden sich in dem Eie der Ei des Vogels. 5 Fische, sowohl vor als während der Befrachtung und Ent Wicke- lung des Embryo, eine kömerhaltige zähe Masse, welche man im Allgemeinen den Dotter nennt, und ein oder mehrere^ isolirte Oeltropfen, welche hier während der ganzen Evolutionsgeschichte eine wichtige Rolle spielen, wie Cavolini, Carus, Rathke u. A. schon beobachtet haben und wir selbst an einem anderen Orte ausführ- lich auseinander zu setzen uns bemühen werden. In dem Eie der Batracbier finden sich in einer äufserst körnerreichen flüssigen Masse einzelne Oeltropfen eingeschlossen. Ebenso hat man dieses auch bei den Ophidiern und Cheloniern beobachtet. Ueber die Säugethiere und den Menschen wird bald ausführlich gesprochen werden. Aufser dem Dotter und der Dotterhaut sind in etwas gröfse- ren Eichen des Ovarium der Vögel noch das Keimbläschen und die Keimanlage zu, unterscheiden, so dals alle oben genann- ten Theile des Eies überhaupt schon mit Deutlichkeit dann isolirt dargestellt werden können. Der Durchmesser der kleinsten Ei- chen, in welchen uns dieses möglich war, betrug ^ Linie. Da- her wir nun von diesen bis zu den gröfsten, d. h. in dem Mo- mente befindlichen, in welchem sich das Ei von dem Eierstocke löst, um in den Eileiter zu gelangen, die einzelnen Theile durch- gehen wollen. 1) Die Dotterhaut ist eine durchsichtige, slructurlose Mem- bran, welche zwar in vielen Fällen an ihrer inneren Oberfläche eine Schicht sehr dünner, zarter Kügelchen zeigt, die aber, wie wir bald sehen werden, ihr selbst wahrscheinlich nicht angehört. Sie umschliefst genau das aus dem Parenchym des Eierstockes gelöste Eichen und vergröfsert sich gleichmäfsig mit dem Eie selbst, so lange dieses in oder an dem Eierstocke sich befindet. Nirgends läfst sich an ihr die Spur einer Nath oder Narbe wahr- nehmen. Sie stellt vielmehr einen überall geschlossenen, conti- nuirlichen Sack dar und conformirt sich in ihrer äufseren Gestalt ganz nach der des Eies überhaupt und des Dotters insbesondere. Sie ist daher in kleinen Eiern von rundlicher oder länglicher Ge- stalt, in gröfseren dagegen immer von bestimmt runder Form. Nur äufserst selten sind in ihr schwache Spuren von Fäden wahr- zunehmen. 2) Der Dotter ist in dem vorgerückten Stadium der Ausbil- dung eine gelbe, flüssige Masse von ziemlich zäher Consistcnz und 6 I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei. enthält in frischem Zustande eine Menge gröfserer oder kleinerer gelber Kugeln von bestimmt runder Form und vollkommener Durchsichtigkeit. Neben diesen Kugeln finden sich in ihm eine Menge kleinerer Kügelchen zerstreut, welche, wie wir gesehen haben, der Bildung der wahren Dotterkugeln in ihrer zeitlichen Genese vorangehen, in früherer Zeit aber sich in relativ gröfse- rer Menge vorfindeo, als späterhin. Durch Einwirkung der höhe- ren Temperatur, des Weingeistes u. dgl, wird der Dotter in eine feste, bröckelige Masse verwandelt, welche in ihren einzelnen Theilen eine nicht ganz unregelmäfsige Begrenzung zeigt, wiewohl ihr die mathematisch bestimmte Form von Crystallen abgeht. Macht man mit einer scharfen Scheere Querschnitte des Dot- ters, so sieht man, dafs in der Mitte desselben sich eine Substanz befinde , welche von der wahren Dottersubstanz wesentlich ab- weicht. Sie giebt sich dann als einen mehf oder minder bestipimt runden, begrenzten Kreis zu erkennen, und Purkinje (1. c. p. 7.) schlofs aus der Conforraation dieser Kreise, dafs diese Masse in einem Kanäle des Dotters verlaufe, welcher von der Narbe aus- gehend zuerst ziemlich eng nach der Mitte des Dotters hinab- steigt, hier aber eine blasig erweiterte Form annimmt. In der zweiten Auflage (1. c. p. 8.) hat er jedoch diese früher geäufserte Ansicht in Zweifel gezogen. Wiewohl bei der flüssigen Masse des Dotters über die Form, welche der in dem Centrum befind- liche Stoff in dem Dotter annehme, eine sichere Entscheidung kaum möglich ist, so scheint doch so viel gewifs zu sein, dafs innerhalb des Dotters eine ihm heterogene Substanz überhaupt enthalten sey, die nach Purkinje (1. c. p. 7. 8.) aus einer Menge Kügelchen besteht, welche gröfser als die Eiweifskügelchen sind. In dem gekochten Eie ist dieser Stoff von milchweifser Farbe und einem etwas salzigen Geschmackc. Ob aber der Raum, in dem diese Substanz enthalten und welcher in frisch gelegten Eiern am deutlichsten zu erkennen ist, die von Purkinje (1. c. tab. I. Fig. 16 — 18) angegebene Gestalt oder die etwas verän- dert von Burdach (Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. Bd. 2. 1828. 8. tab. II. Fig. 1.) und Karl Ernst v. Bär (Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere. Beobachtung und Reflexion. 1828. 4. tab. III. Fig. 2.) gezeichnete Form habe, dürfte wohl nie mit aller Gewifsheit bestimmt werden können. 3) Die Anlage der Keimhaut, — In dem Eie des Huhnes, Ei des Vogels. 7 welches in seiner Entwickelung so weit vorgerückt ist, dafs es den Eierstock verläfst und in den Eileiter eintritt, sieht man schon durch die Dotterhaut hindurch einen graulich weifsen, cir- culären Fleck, welcher von frühen Zeiten her unter dem Na- men der Narbe, Macula oder Cicatricula bekannt ist. Zer- reifst man nun das Ei und durchsucht alsdann den Inhalt dessel- ben genau, so findet man die Narbe als eine graulich weifse Scheibe, welche in der ganzen Peripherie dicht, körnig und un- durchsichtig ist, in der Mitte dagegen einen hellen^ körnerlosen und vollkommen durchsichtigen Punkt zeigt. Diese Beobachtung wurde schon von Fabrizius ab Aquapendente, Harvey u. A. ge- macht und von sehr vielen Naturforschern mit Leichtigkeit wie- derholt. Purkinje, welcher die Untersuchungen über das unbe- brütete Ei des Vogels im Jahre 1825 wiederum aufnahm, war so glücklich, das V^rhältnifs dieses durchsichtigen, körnerlosen Punktes in ein helleres Lieht zu setzen. Er fand nämlich (1. c. p. 5.), dafs, wenn er die dunkele, körnige Masse mit einem Röhrchen aufsog, ein vollkommen durchsichtiges, mit einer hellen Lymphe gefülltes Bläschen zurückblieb, welches eine bestimmt kugelrunde Gestalt hatte, aber von äufserster Zartheit war, so dafs es sehr leicht rifs und zerrann. Da er dieses Bläschen, wel- ches spätere Naturforscher auch nach seinem Entdecker das Pur- kinje'sche Bläschen genannt haben, in den Eiern des Eierstockes vorfand, nicht aber in denjenigen zu sehen vermochte, welche schon in den Eileiter getreten waren, so belegte er dasselbe mit dem Namen des Keimbläschens. Dieses Keimbläschen ist in der Körnerschicht der Narbe eingebettet, so dafs diese rings um das- selbe eine Vertiefung bildet, welche aber, von oben angesehen, als ein das Bläschen umgebender, runder Kreis erscheint (s. die Abbildung bei Purkinje 1. c. tab, X. Fig. 5.). Mit seiner nach aufsen gekehrten Oberfläche berührt es die Innenfläche der Dot* terhaüt (Purkinje 1. c. tab. I. Fig. 8.), ohne mit ihr auf organi- sche Weise verwachsen zu sein. Die Scheibe, welche dasselbe zunächst umgiebt, besteht aus vielen kleinen, dicht an einander liegenden und durch einen durchsichtigen, zähen Stoff mit einan- der verbundenen Kömchen, welche auf den ersten Blick in Form einer rundlichen oder länglich runden Scheibe begrenzt zu seyn scheinen. Allein durch Beobachtung dieser Scheibe vermittelst applanatischer Linsen innerhalb des unverletzten Eies wird es 8 I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei. wahrscheinlich, dafs die an der Innenfläche der Dotterhaut dicht anliegende Körnerschicht eine Fortsetzung dieser Scheibe sey, welche dann, zwischen Dotterhaut und Dotter gelegen, den letz- teren überall umfafste und einschlösse. Die Körnerhaut, der ver- dichtete Theil derselben, die sogenannte Narbe und das Keimbläs- chen constituiren diejenigen Theile des Eies, welche unmittelbar in die Uranlage des Embryo, die sogenannte Keimhaut, überge- hen. Wir wollen daher die Gesammtheit der genannten Theile mit dem Namen der Keimanlage belegen und an dieser 1) die Körnerschicht unterhalb der Dotterhaut, 2) die Narbe oder den verdickten Theil dieser Haut und 3) das Keimbläschen unterscheiden. Wenn die genannten drei, die Keimanlage constituirenden Theile in gröfseren Eiern des Eierstockes leicht darzustellen sind, 80 ist anderseits ihre Erkenntnifs in den kleinsten Eichen des Ovariuan mit fast unendlichen Schwierigkeiten verbunden. Denn das kleine, zarte Keimbläschen platzt bei jeder noch so vorsich- tigen Manipulation; die der Dotterhaut anliegende Köruerschicht läfst sich kaum von dem Inhalte des Eichens, welcher noch gar keine Dotterkugeln zeigt, mit Bestimmtheit unterscheiden, beson. ders da die Verdickung derselben in der Nähe der Narbe noch gänzlich mangelt oder sehr unbedeutend ist. Merkwürdig ist aber das sicher constatirte Factum, dafs das Keimbläschen in den kleinsten Eiern, aus welchen es dargestellt werden kann, relativ am gröfsten ist und selbst absolut ein im Ganzen nur unbedeu- tend geringeres Volumen hat, als wenn das Ei in dem Eierstocke den höchsten Grad seiner Ausbildung erreicht hat. Purkinje fand (Art. Ei in dem Berliner encyklopädischen Wörterbuche 1834. 8.) bei einer Reihe angestellter micrometrischer Messungen folgende Gröfsen. Durchmesser in Wiener Linien: a. des Eichens und b. des Keimbläschens. 1. 0,11000 0,05000 2. 0,12500 0,05500 3. 0,13125 0,06250 k. 0,14375 0,06875 5. 0,21875 0,10250 6. 0,22000 0,11256 7. 0,22500 0,10625 8. 0,23750 0,10750 9. 0,30000 0,12125 El der Säugethiere. 9 Man sieht also aus diesen Gröfsenverhältnissen, dafs das Keimbläschen sich durchaus nicht in gleichem Maafse vergröfsert, als das Ei wächst, d. h. vorzüglich der Dotter an Volumen zu- nimmt, sondern dafs es früher schon gröfser verhältnifsmäfsig ge- bildet sey, als der Dotter und der äufsere Umfang des Eies über- haupt. Anders dagegen verhält es sich mit der Narbe oder der verdichteten, das Keimbläschen umgebenden Scheibe. Diese fehlt oder ist noch überaus zart, wenn das Keimbläseben schon eine bedeutende Gröfse und seine bestimmte Gestalt erreicht hat. Nur allmählig wird die Masse rings um das Bläschen dichter, so dafs einerseits erst in 1|- — 2 Linien grofsen Eiern die Scheibe als ein weifser Fleck schon mit blofsem Auge auf dem Dotter gesehen werden kann, anderseits dann erst das Keimbläschen in einer Ver- tiefung dieser Scheibe wie eingebettet liegt. Die dünne, an der Dotterhaut anliegende Schicht, welche wahrscheinlich eine ver- dünnte Fortsetzung der Scheibe ist, läfst sich schon dann mit ei- niger Bestimmtheit erkennen, wenn das Keimbläschen sicher wahr- genommen zu werden vermag. Dieses wäre das Wichtigste aus der Geschichte des Eies des Vogels, so lange es sich in dem Eierstocke beündet, von dem er- sten Momente seiner Entstehung bis zu der Zeit, wo es aus dem Stratum und der innerhalb desselben liegenden Geföfslamelle her- austritt, um in den Eileiter zu gelangen. Wir mufsten diese Aus- einandersetzung vorausschicken, um die in dem Eierstocke der Säugethiere und des Menschen vorkommenden Phänomene zu verste- hen und richtig würdigen zu können. Jener bestehet nämlich aus dem Bauchfellüberzuge, einem mehr oder minder faserigen Gefüge (Stroma von Baer) und Blutgefäfsen. In dieser Substanz liegen eine gröfsere oder geringere Menge runder oder rundlicher Bläs- chen eingeschlossen, deren Gröfse in den verschiedenen Thieren sowohl, als in den einzelnen Theilen desselben Eierstockes durch- aus verschieden ist. Obgleich man diese Gebilde des Eierstockes vor Regner de Graaf schon kannte, so hat dieser doch das Ver- dienst, zuerst mit Evidenz nachgewiesen zu haben, dafs nach je- der Befruchtung, entsprechend der Zahl der zukünftigen Embryo- nen diese Bläschen platzen, ihren Inhalt entleeren und sich dann in eine fleischigte, gelbe oder röthliche Masse verwandeln. Man nannte daher diese Gebilde Vesiculae Graafianae oder genauer, da Graaf sich selbst an mehreren Orten dieses Ausdruckes bedient, 10 I. Das unbefruchtete, Im Eierstocke enthaltene Ei. Folliculi Graafiani. Die Analogie mit dem Eierstocke der Vögel Tvar auf diese Weise gewissermaafsen constatirt; denn es war nachgewiesen, dafs auch bei den Säugelhieren dasjenige Organ, welches man bald nach dem Vorgange älterer Schriftsteller festes muliebres, bald nach Stenon Ovaria nannte, gleicli dem Eierstocke der Vögel nach der Befruchtung eine gewisse Zahl von Eichen in die Tuben entlasse. Am nächsten lag nun zu behaupten, dafs die Folliculi Graafiani selbst diese Eichen wären, wie auch in dem Eierstocke der Vögel der Dotter ein sehr bedeutendes Vo- lumen erlangt, ehe er in den Eileiter eintritt. Allein Regner de Graaf selbst hatte bei einer Reihe von Versuchen über die ersten Effecte der Befruchtung bei Kaninchen gefunden, dafs die EichcE in den ersten Tagen nach der Conception, so lange sie in den Tuben oder in den Gebärmutterhörnern enthalten waren, um vie- les kleiner, als die Folliculi seyen, besonders da diese unmittelbar nach einem fruchtbaren Beischlafe noch bedeutend an Volumen zunehmen {ße mulierum Organis Cap. xvi. in Opp. omn. 1677. 8. p. 396 — 411.). Er war also zu dem negativen Resultate un- mittelbar gekommen, dafs die Folliculi des Eierstockes selbst die in den Uterus übergehenden Eichen nicht seyn könnten. Sie platzten aber an ihrem erhabensten Punkte, entleerten ihren In- halt, enthielten daher in der ersten Zeit eine Höhlung in ihrer Mitte und verwandelten sich allmählig, indem diese Höhlung sich anfüllte, in die cor]iora lutea. Die nächste Frage mufste nun seyn, ob die Folliculi in sich das bei Weitem kleinere Eichen enthalten oder nur einen Saft ergiefsen, welcher in den Tuben erst von einer Membran umschlossen würde und so die Eiform annähme. Regner de Graaf war der richtigen Lösung dieser Frage, dafs der Folliculus das schon geformte und in einer Mem- bran eingeschlossene Eichen enthalte, sehr nahe, wiewohl er diese Antwort eher erschlofs, als durch unmittelbare Beobachtung un- terstützte. An einigen Stellen spricht er sich genauer hierüber aus. Bei Gelegenheit der Untersuchung eines Kaninchens 3 Tage nach der Befruchtung heifst es (1. c. p, 401.): ,^Unde liquet, ova iamjam e testibus cxclusa aliis adhuc in testihus haerentibus decuplo minora esse, quod eatinus contingere nohis videtur^ quatenus scilicet in testibus existentiell adhuc aliam materiarn complectuntur, illam scilicet, ex qua glandulosa foUiculorum substantiaprovenit}'' — Deutlicher vielleicht noch dürfte eine andere Ei der Säugethiere. 11 Aeufserung desselben Schriftstellers auf das wahre Verhältnifs des Eies der Säugethiere zu dem FoUiculus hindeuten, wo es heifst (1. c. p. 399.): „/» altera {sc. ovario cuniculi) quattuor immuta- tosfolliculos reperimus, quibusdissectismateriam quasi glandu- losam offendimus^ in cujus medio exigua cavitas erat, in qua, quum nullum notabilem liquorem comperiremus^ suspicari coe- pimus^ num limpida eorum substantia^ quae pj^opriis membra- nis obvolvitur, disrupta vel expulsa foret}'' — Wenn aus die- sen Worten noch nicht mit aller Gewifsheit erhellt, dafs nach Reg- ner de Graafs Ueberzeugung das Eichen in dem Folliculns schon in rundlicher Form und mit einer eigenthümlichen Membran versehen existire, so kann man dieses aus einer anderen Aeufserung (1. c. p. 410.) leicht ersehen. Man bemerkt aber zugleich, dafs er, da ihm das wahre Eichen imbekannt war und er die innere Haut des FoUiculus nebst dessen Inhalt für dasselbe hielt, anderseits aber die ungemeine Kleinheit der Eier in den Tuben genau kannte, zu der Annahme kam, das Eichen der Säugethiere verkleinere sich nach der Conception auf Kosten der übrigen Masse des Fol- liculus, welche später in den gelben Körper übergehe ; denn das zweite aus seinen Beobachtungen erschlossene allgemeine Resul- tat (1. c. p. 4:10.) ist: Quod ova intra spatium duorum vel triam die/'um ad magnitudinem cerasi uigri majoris non excrescant quoniam illa masculino semine irrorata^ per tres dies in cu- niculis et in aliis animalibus, quae diutius uterum gerunt, per aliquot septimanas in testibus immorentur ^ in iisque sensim magis et magis diminuanfur, donec decuplo quam, ante coitum m,inoraper crassiusculam eorum membranem expellantur et ab oviductibus excepta ad uterum deducantur.'^ — Um es also kurz zusammenzufassen, so scheint Graafs Fundamentalansicht die zu seyn, dafs das in dem FoUiculus enthaltene Eichen zuerst sehr grofs sey und der inneren Haut des FoUiculus dicht anliege; während der zwi- schen dem Momente der Conception und dem Austritte des Eichens aus dem Eierstocke fallenden Zeit aber bedeutend an Gröfse ver- liere. Wie aus dem Folgenden von selbst sich ergeben wird, hat also Gr. nicht sowohl das wahre Eichen der Säugethiere in dem unbefruchteten Zustande innerhalb des Ovarium gekannt, als aus seinem befruch- teten Zustande erschlossen. Es wurde von ihm das flüssige Con- tentum des FoUiculus für das Ovulum gehalten. Da vor der Bil- dung der Corpora lutea statt der Flüssigkeit ein fester Stoff in 12 I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei. dem FoUiculus an der Peripherie erscheint, wurde er hierdurch ohne Zweifel zu seiner eben so sonderbaren, als unrichtigen An- sicht verleitet. Die Nachfolger Graafs schritten in diesem Dinge eher rückwärts, als vorwärts. Die Idee, dafs der FoUiculus schon innerhalb des Eierstockes das Eichen in sich enthalte, wurde im- mer mehr verlassen, und vorzüglich war es die Auctorität Hal- lers (Elem. physiol. vni. p. 43.), welche fast alle Naturforscher zu der Annahme bewog, dafs der FoUiculus kein Bläschen, son- dern eine freie Flüssigkeit in die Tuben ergiefse, die hier erst eine eigene Membran erhalte und die Eiform annehme. Haighton, welcher ein Jahrhundert nach Regner de Graaf die Versuche über die ersten Wirkungen der Befruchtung bei Kaninchen wiederholte, führt zwar als historische Meinung die Annahme eines Eichefls innerhalb des FoUiculus an (Reils Archiv III. S. 69.), entscheidet sich aber für Hallers Ansicht, dafs die Substanz, welche sich aus dem FoUiculus ergiefse, das Eichen erst constituire (1. c. S. 72.). Schon näher trat Cruikschank (Reil's Archiv III. S. 74 — 94.) der Wahrheit der Sache. Wiewohl sich nirgend eine Spur fin- det, dafs er das Eichen innerhalb des FoUiculus in dem unbe- fruchteten Eierstocke gesehen habe, so spricht er doch von dem schon in dem Ovarium gebildeten Eichen als einer bekannten und constatirten Sache (1. c. S. 75. 90. 92.). Ja es ist wohl als gc- wifs anzunehmen, dafs er dasselbe in dem Momente, wo es den FoUiculus sprengen und in die Tuben übergehen wollte, zu beob- achten Gelegenheit hatte. Denn in seinem siebzehnten Versuche heifst es (1. c. S. 84.): „Drei Tage nach der Befruchtung öiF- nete ich ein anderes Weibchen. Die hervorstehenden Theile der Corpora lutea waren sehr durchsichtig, ehe man die Gebärmutter anrührte. Der vorliegende Theil, glaube ich, ist das Ei, das an der Spitze des Corpus luteum steht u. s. w. '* — Die ausgezeich- neten, über die ersten Folgen der Conception an Kaninchen und Hunden angestellten Versuche und gemachten Beobachtungen von Prevost und Dumas {Annales des sciences naturelles Tom. III. 1824. p. 113 — 138. Froriep's Notizen Jan. 1825. No. 188. S. 177 — 186.) lieferten nicht blofs die Bestätigung der schon von Graaf gemachten Erfahrungen über die ungemeine Kleinheit der Eier in den ersten Tagen nach deren Eintritte in die Tuben und den Uterus, sondern diese vorzüglichen Naturforscher sprachen sich mit folgenden Worten deutlich genug für die Existenz des Ei- Ei der Säugethiere. 13 chens innerhalb des Folliculus aus, da sie dasselbe sogar zweimal hier gesehen hatten: ^^Tres -prohahlement^^ heifst es bei ihnen (1. c. p. 135.): ^^les vesicuJes ou les oeufs de Vovaire contien- nent dans leur Interieur les petits ovules des cornes^ qui s'y trouvcnt environnes d'im liquide destine peut-etre a Jaciliter leur arrivee dans Vaterus, II nous est sourvenu deux fois en ouvrant des vesicules tres-avancees de rencontrer dans leur Interieur un petit corps splierique dhin millimeter de diametre. Mais il differait des ovules^ que nous observions dans les coimes par sa transparence ^ qui etait beancoup moindre.^^ — Das nächste Bedürfnifs war nun, die Verhält- nisse des schon gesehenen Eichens innerhalb des Folliculus im nicht geschwängerten Zustande aufzuhellen, und den nächsten Schritt hierzu that ein deutscher Naturforscher, Karl Ernst v. Bär {de ovi mammalium et hominis genesi Lips. 1827. 4, und Commentar zu dieser Schrift in Heusingers Zeitschrift II. S. 125 — 194.). Er sah nämlich schon mit blofsen Augen in den FoUiculis des Hundes {^de ovi genesi p. 12.) kleine weifse Flecke, welche mit Hilfe einer Sonde weiter geschoben wer- den konnten. Als er diese unter dem Microscope untersuchte, fand er den in den Tuben gefundenen überaus ähnliche Eichen. Sie hatten einen Durchmesser von ^ — -^, einige sogar nui* ei- nen Diameter von -^ Pariser Linie, waren von einem Körnerringe {discus proligerus von Baer) umgeben oder in eine Art von Ver- tiefung der Körnermasse (cumulüs) wie eingesenkt oder eingebet- tet. Die Untersuchung der Folliculi anderer Säugethiere, wie der Kuh, des Schweines, des Schaafes, des Kaninchens u. dgl. und des Menschen zeigte dasselbe Bläschen des Folliculus. Seine Be- deutung als Eichen der Säugethiere ergab sich von selbst. Allein es entstand nun eine neue gleich wichtige Frage. Entspricht nämlich das in dem Folliculus enthaltene Eichen dem Eie des Vogels in dem Ovarium, wie verhält es sich mit dem Keimbläs- chen der Säugethiere? v. Bär, welcher dieses in den unbefruch- teten Eiern aller wirbellosen und Wirbel-Thiere gesehen hatte (1. c. p. 27.), glaubte, dafs das von ihm gesehene Eichen dem Keim- bläschen der übrigen Thierwelt entspreche (1. c. p. 19.), und schrieb ihm so eine ambigue Bedeutung zu, indem er einerseits das Eichen als den Dotter, d. h. ein peristirendes , anderseits als das Keimbläschen, d. b. ein vergängliches Gebilde, ansah. Es war 41 I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei. also auf diese Weise zwar die Existenz des Eichens der Säuge- thiere innerhalb des Eierstockes über allen Zweifel erhoben; allein die Analogie mit dem Vogel fehlte noch gänzlich oder mufste durch Raisonnement ersetzt werden. Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Menschen 1832. Fol. p. 36.) bestätigte das von Bär Gesehene, ohne etwas wesentlich Neues hinzuzufügen. Coste und Delpech, welche in neuester Zeit über die erste Entwickelung der Thiere geschrieben haben, liefsen sich zwar durch ungenü- gende Theoreme zu manchen Irrthümern verleiten, haben jedoch das entschiedene Verdienst, die vollkommene Analogie des Säuge- thiereies mit dem Vogeleie bestimmt ausgesprochen zu haben. Wiewohl sie über das Keimbläschen, wie wir weiter unten noch ausführlich zeigen werden, ganz falsche Begriffe haben, so behaup- ten sie doch in dem unbefruchteten Eie des Kaninchens an der Oberfläche des Dotters und in der Dicke der Keimhaut selbst ein kleines Bläschen von solcher Dünne und Durchsichtigkeit ent- deckt zu haben, dafs es einem Seifenbläschen völlig ähnlich sah (Froriep's Notizen Novemb. 1833. No. 830. S. 243.). Dieses sey das wahre in dem Eie des Kaninchens enthaltene Keimbläschen. Dieses merkwürdige Resultat bewog mich selbst, von Neuem über das schon gekannte Ei des Foiliculus Untersuchungen anzustel- len. Ich war so glücklich, das Keimbläschen in allen Säugethie- ren aufzufinden und mich über die Verhältnisse desselben so- wohl zu dem Eichen als dem Foiliculus der Säugethierc vollstän- dig zu belehren. Meine hierüber gemachten Erfahrungen nebst den dazu gehörenden Abbildungen sind in der Schrift von Bern- hardt symholae ad ovi mammalium historiam aide praegnatio- nem. Tf ratist. 1834. 4. enthalten. Eine kurze Auseinandersetzung des hierher Gehörenden dürfte an der rechten Stelle seyn, beson- ders da ich nur nach eigenen, möglichst vorurtheiisfreien Erfah- rungen berichte. In dem Eierstocke jeden Säugethleres finden sich eine grö- fsere oder geringere Menge runder heller Bläschen, die sogenann- ten Folliculi Graafiani^ deren gröfster Theil gegen die Oberfläche des Organes hin gelagert ist. Ihre Gröfse ist sowohl in den ver- schiedenen Thieren, als in demselben Eierstocke desselben Thieres sehr verschieden, da die älteren bald nur 4- — 5 Mal, wie in Ka- ninchen, Hunden, Katzen, bald 8— 10 Mal wie in dem Menschen, bald 10—20 Mal wie in den Wiederkäuern, bald 30—50 Mal Ei der Säugethiere. 15 und noch mehr wie in dem Schweine gröfser sind, als die jün- geren, abgesehen davon, dafs die durch die Befruchtung auf- geregten noch an Volumen zunehmen. Sie werden, wenn sie der Oberfläche dicht anliegen, von dem Bauchfelle aliein, wenn aber nicht, von diesem und dem faserigen Gewebe des Eierstockes ein- geschlossen und dicht von einem Blutgefäfsnetze , das eine kör- nigte Membran zwischen sich hat, umgeben. Sie selbst sind über- all geschlossen, ohne Spur von Fortsätzen, aber genau mit der Substanz des Eierstockes verbunden, so dafs es meist nicht ganz leicht wird, den Folliculus frei, ohne Zerreifsung von allen Sei- ten heraus zu präpariren. Der Folliculus selbst aber besteht in jedem Säugethiere und dem Menschen aus folgenden Theilen: 1. Der äufseren Haut. Sie ist sehr zart und innig mit den umschliefsenden Lagen, welche dem Eierstocke noch angehören, verbunden, so dafs sie nur durch Hilfe der Maceration, wie auch V. Bär (1. c. p. 16.) schon gefunden hatte, in bedeutenderer Con- tinuität getrennt dargestellt werden kann. An ihrer Innenfläche liegt eine Schicht ziemlich dichter kleiner Körner, welche viel- leicht eine eigene Haut ausmachen; doch ist dieses hier noch schwerer zu bestimmen, als an der Innenfläche der Dotterhaut des Vogels. Einen Unterschied der Dicke jener äufseren, umhül- lenden Membran an irgend einer Stelle des Folliculus ist nicht wahrzunehmen; denn die scheinbar gröfsere Dünne gegen die nach der Bauchhöhle hingekehrte Oberfläche hängt von dem üe- berzuge des Eierstockes, nicht von der Membran des Folliculus selbst ab. In kleineren FoUiculis aber ist sie verhältuifsmäfsig be- deutend stärker als in gröfseren. 2. Der flüssige Inhalt des Folliculus Graafianus ist eine mit sehr vielen kleinen Körnchen versehene Masse, welche von sehr fluider Consistenz und graulich oder sehr schwach gelblich weifs aassehend ist. Er füllt, immer im frischen Zustande genau die Höhlung des Folliculus aus, so dafs dieser überall eine pralle, runde Form hat und scheint sich seiner Natur nach dem Eiweifse zu nähern, da er, wie v. Bär (1. c. p. 17.) bemerkt, durch höhere Temperatur oder Einwirkung des Weingeistes zu einer weifsen, albuminösen Masse gerinnt. Die Flüssigkeit ist nicht überall gleichmäfsig, sondern die Körnchen sind an manchen Stellen, be- sonders gegen die Peripherie hin dichter zusammengehäuft, so dafs man, vorzüglich in den zwischen zwei Glasplatten sanft ge- 16 I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei. prefsten FoUiculis, dunkele mehr oder minder verbreitete Inseln siebt. Bei dem Kaninchen und zum Theil auch der Katze, dem Schweine sind diese Inseln von bestimmt runder Form und lie- gen in ziemlich regelmäfsigen Zwischenräumen, so dafs das Ganze hierdurch eine Art von chagrinirtem Ansehen erhält oder unter stärkeren Vergröfserungen den merenchymatischen Zellen der Pflanzen entfernt ähnlich sieht. Diese Erscheinung hat aber in Folgendem seinen Grund. Es finden sich nämlich, wie v. Bär (1, c. p. 16.) angiebt, bei allen Säugethieren in dem Inhalte des Folliculus Oeltropfen, welche wir selbst besonders deutlich in der Kuh, der Katze und dem Kaninchen wahrzunehmen Gelegenheit hatten. Bei dem Letzteren nun ist die Zahl dieser bellen voll- kommen durchsichtigen structurlosen Tropfen sehr bedeutend. Jeder von ihnen aber wird in seiner Peripherie von einer Menge dicht aneinander liegender Körnchen des Folliculus umgeben, so dafs, da diese peripherischen Anhäufungen aneinanderstofsen, man entfernt an das Zellgewebe der Pflanzen erinnert wird. Jede solche Körnchenanhäufung^-erscheint bei unverletztem Folliculus als eine dunkele, beinahe schwarze Insel. — In den älteren FoUi- culis, deren Inhalt sich natürlich in gröfserer Quantität vorfindet, hat sich die Flüssigkeit in bedeutenderem Grade, als der Körn- chengehalt vermehrt. Die Farbe ist eher etwas heller, als dunkeler. 3. Die Scheibe. Mit diteser Benennung bezeichnen wir den- jenigen Theil des Folliculus, welchen von Bär, der das Eichen für ein Analogen des Keimbläschens der Vögel hält, discus pro- ligerus und cumulus nennt (1. c. p. 17.). Es ist dieses nämlich eine mehr oder minder kreisrunde Scheibe, welche das Eichen rings- um umgiebt. Ihre Gröfse eorrchpondirt so ziemlich der des Ei- chens, welches auf oder in ihrer Mitte ruht. Ihr Gefüge besteht aus einer Menge nahe an einander liegender Körner, wejche mehr oder minder durchsichtig sind und dem Ganzen ein mehr oder minder graulich weifses oder gelblich graues ^usehen verleihen. Ihre Dicke und Undurchsichtigkeit ist verschieden. Bei der Katze und dem Hunde ist sie so bedeutend, dafs die Scheibe schon als ein graulich weifser Fleck in den FoUiculis innerhalb des Eierstockes gesehen werden kann. Bei dem Kaninchen ist dieses einem in der Nähe scharf sehenden Auge ebenfalls möglich, nicht aber bei den Wiederkäuern, dem Schweine und dem Men- schen, Ei der Säugethiere. 17 sehen, wo die Scheibe nur unter dem Vergröfserungsglase wahr- genommen wird. Ob sie mit irgend einem Theilc des Folliculus continuirlich und membranartig zusammenhäuge oder nicht, läfst sich bei den meisten Thieren mit Gewifsheit nicht entscheiden, da einerseits die Wand des Folliculus zu dick und undurchsich- tig, anderseits nach dem Aufschlitzen desselben die Scheibe, ohne Zusammenhang mit irgend einem anderen Theile des Folliculus aufser dem Eichen, frei in der Flüssigkeit herumschwimmt. Nur bei dem Kaninchen zeigt es sich deutlich, dafs sie von den oben beschriebenen Inseln rings herum umgeben wird, und selbst nach Entfernung derselben aus dem Folliculus bleibt oft ein mehr oder minder breiter Ring um die Scheibe, welcher aus durchsich- tigen, mit Körnermasse umgebenen Kügelchen besteht. Es erhellt daher, dals die Scheibe, so wie man sie aufserhalb des Follicu- lus unter dem Microscope sieht, ein zerrissenes und durch die Behandlung verletztes Gebilde sey. — Der Körncheninhalt des Fol- liculus liegt wahrscheinlich der Innenfläche der äufseren Haut desselben mehr oder minder dicht an und verdickt sich nur in der Circumferenz des Eichens zur Scheibe. Daher hat diese letz- tere für sich nie eine bestimmt runde, äufsere Peripherie, wie es noth wendig der Fall seyn müfste, wenn sie ein für sich bestehen- der, isolirter Theil des Folliculus wäre. 4. Der wichtigste Theil des Folliculus ist das Eichen. Es liegt als ein vollkommen sphärischer, kleiner Körper in der Mitte der Scheibe, mehr oder minder tief eingesenkt, dicht unter der Oberfläche der eigenthümllchen Haut des Folliculus. Mit seiner nach aufsen gerichteten Oberfläche berührt es in der Regel die Innenfläche der Membran des Folliculus, ohne jedoch mit ihr or- ganisch verwachsen zu seyn. Unter seiner Unterfläche aber geht die Scheibe fort, während es in dem Umkreise freier zu seyn scheint, da die Vertiefung, welche die Scheibe für das Eichen bildet, gröfser ist, als dieses selbst, und daher zwischen ihm und der flächenartigen Ausbreitung der Scheibe ein circulärer Raum entsteht, welcher wahrscheinlich von einer durchsichtigen Flüssig- keit ausgefüllt ist. Nirgend sieht man die Spur eines Fortsatzes, durch welche das Eichen an irgend einem Theile befestigt oder aufgehängt wäre. An der Innenfläche der Membran des Follicu- lus liegt es auch nur lose an, während es auf eine dichtere oder innigere Weise mit der Scheibe wahrscheinlich durch die zähe, 2 18 I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei. den Raum zwischen beiden ausfüllende, helle Flüssigkeit verbun- den ist; denn nie habe ich das Eichen ohne mehr oder minder deutliche Spuren der Scheibe wahrnehmen können. Nur ist sie um so schmäler, zarter und durchsichtiger, je jünger der Follicu- lus. Merkwürdig ist es, dafs das Eichen durchaus nicht in glei- chem Maafse mit dem Folliculus wächst. In kleinen Folliculis ist es, gleich dem Keimbläschen in dem Eie des Vogels, verhältnifsmäfsig sehrgrofs, während es in älteren relativ um vieles kleiner, absolut da- gegen bedeutend gröfser gefunden wird. Die Belege hierzu geben die weiter unten gelieferten micrometrischen Messungen, üeberhaupt werden wir auf diesen Punkt noch ein Mal zurückkommen. Um die genauere Structur des Eichens selbst kennen zu ler- nen, mufs man dasselbe mit der Scheibe von dem übrigen Inhalte des Folliculus möglichst trennen und zwischen zwei Glasplatten unter dem Compressorium leise zusammendrücken. Zu diesem Verfahren ist aber vor Allem Geduld, Ruhe und einige manuelle Fertigkeit nöthig, da das Eichen selbst sehr leicht, und noch leich- ter das in ihm enthaltene, sehr zarte Keimbläschen platzt. Um dieses in dem Eie der Säugethiere aufzufinden, hatten sowohl Purkinje, als ich schon viele vergebliche Versuche gemacht, die aber deshalb unglücklich ausfielen, weil wir sie an Eiern derje- nigen Thierc, nämlich der Wiederkäuer und des Schweines, an- stellten, bei denen das Keimbläschen überaus zart und nur dann mit Bestimmtheit zu erkennen ist, wenn man es in anderen Säu- gelhiereiern schon gesehen hat. In neuester Zeit, wo ich, aufge=- regt durch Coste's Angaben, dieses Feld von Untersuchungen wie- derum vornahm, entdeckte ich zuerst das Keimbläschen in dem Eichen der Katze, wo es stark und ziemlich fest ist. Daher ich auch Jedem, welcher sich von der Existenz dieses wichtigen Ge- bildes bei Säugethieren überzeugen will, rathe, die Katze zuerst vorzunehmen. Seit dieser Zeit ist es mir fast nie mifsglückt, das Keimbläschen aus den Eiern aller Säugethiere, die ich unter- suchte, darzustellen, z. B. des Hundes, des Kaninchens, des Eich- hörnchens, des Schaafes, der Kuh, des Maulwurfes, der Ratte u. dgl. Auch kann ich Purkinje als Auctorität hier anführen, der es bei allen genannten Thieren ebenfalls gesehen hat. Es ist also als Erfahrungssatz fest begründet, dafs auch das in dem Follicu- lus Graafianus enthaltene Eichen der Säugethiere im Eierstocke sein Keimbläschen habe, welches ganz unter denselben Verhält- Ei der Säugethlere. i9 nissen in ihm enthalten ist, als das Keimbläschen in den Eiern der übrigen Thiere, insbesondere des Vogels. Die Abbildung des- selben s. in Bernhardt's oben angeführter Dissertation. tab.I. Fig. I— IV. VII. X. XVf. XIX. Nur bei dem Menschen gelingt es äufserer Verhältnisse hal- ber sehr selten, dasselbe wahrzunehmen. Da in der Regel die menschlichen Leichen , ehe sie zu Untersuchungen vorge- nommen werden, einen Tag und länger gelegen haben, so hat während dieser Zeit innerhalb des Folliculus schon der erste An- fang der Fäulnifs und der Maceration begonnnen. Man erkennt dieses auch leicht an dem Eichen. Sein Inhalt ist in der Regel trübe, ohne regelmäfsige Anordnung; keine Spur des Keimbläs- chens kann mehr wahrgenommen werden und selbst die äufsere Peripherie des Eichens erscheint doppelt, indem aufser dem den Körncheninhalt umgebenden Kreise noch ein sehr zarter gröfserer Kreis um diesen sichtbar ist. So müssen wir offen bekennen, dafs es uns unter sehr vielen Untersuchungen nur zwei Mal geglückt ist, das Keimbläschen des Menschen mit aller Bestimmtheit zu beobachten. An dem Eichen der Säugethiere selbst lassen sich folgende vier Theile unterscheiden: 1. Eine äufsere Haut, 2. eine unter derselben liegende Körnerlage, 3. ein vollkommen durchsichtiger, halbflüssiger Inhalt und 4. das Keimbläschen, Wir wollen nun das Wichtigste, was über diese Theile anzumerken ist, der Reihe nach durchgehen. 1. Die Membran des Eichens. Sie ist immer einfach, zeigt im frischen Zustande nie eine Spur von Trennung in mehrere Lamellen, hat keine Körnchen und läfst keine Faserung irgend einer Art in sich wahrnehmen. Ihre Durchsichtigkeit scheint durch eine ins Gelbliche leicht spielende Färbung etwas einzubü-* fsen. Ihre Dicke fand ich stets an allen Theilen des Umkreises gleich. In dem Eichhörnchen z. B. betrug sie überall 0,000455. Durch Pressen des Eichens zwischen zwei Glasplatten wird diese Haut als ein mehr oder minder breiter, das Ei umgebender Ring sichtbar. Wird jedoch der Druck weiter fortgesetzt, so platzt die Membran und das Conteotum fliefst sogleich heraus. Bei den Nagern geschieht dieses immer später, als bei den Wiederkäuern, dem Schweine und dem Menschen, Hat sich aber dieses ereignet, so ist die durchsichtige Membran nur an dem Schattenkreise, den sie wirft, oder bei gedämpftem Lichte zn erkennen. 2* 20 I, Das unbefruclitetc, im Eierstocke enthaltene Ei. 2. Unter der äufscreu Membran des Eies befindet sich eine Lage bestimmt rnndcr, sehr kleiner Körner, welche das Ei voll- kommen, mit Ausnahme der Region des KcimbläscheDs, ausfüllt. Meist sind sie in der Peripherie des Letzteren sparsamer oder fehlen ganz. Nie finden sie sich aber da, wo das Kcimbläsdien an der Innenfläche der Membran des Eies anliegt. Nur in äufserst seltnen Fällen habe ich die Körnchen von gleicher Gröfse gese- hen. Am meisten verhältnifsmäfsig traf sich dieses noch bei dem Kaninchen, Eichhörnchen, dem Schweine und dem Menschen. Aber selbst bei diesen sieht man sie häufig genug in demselben Eichen bald so klein, dafs sie sich kaum von den Brownschen Molekülen unterscheiden, bald um 10 mal und mehr gröfser, als diese. So hatten z. B. in dem Eichen der Katze die gröfsten Körnchen einen Durchmesser von 0,000202 P. Z., kleinere dage- gen schon einen Diameter von 0,000076 P. Z., während die kleinsten von einer nicht mehr mefsbaren Gröfse waren. — Eine andere wichtige Frage ist aber die, ob diese Körnerlage eine ei- genthümliche Membran bilde oder nicht. B-ci der Kleinheit des Gegenstandes und einer so überaus grofsen Zartheit der ihn con- stituirenden Theile mufs jede Antwort hier nur behutsam gegeben werden. Nie ist es uns freilich gelungen, einzelne Stücke einer solchen Körnerhaut darzustellen. Allein die Bestimmtheit, mit welcher sie immer dicht an der Peripherie liegen, während sie nie in dem inneren flüssigen Lihalte gefunden werden, die mehr oder minder definite Grenze, welche sie in der Gegend der An- heftungsstelle des Keimbläschens finden, läfst sich wohl mit der Annahme vereinigen, dafs ein dichterer Stofl; als der bald zu be- schreibende flüssige Inhalt die Körner verbinde und auf diese Weise eine sehr zarte und weiche Membran bilde. Wenn aber Coste in diesen Körnern einerseits das eben Gesagte, an- derseits Aehnlichkeit mit den ausgebildeten Dotterkugeln des Vogels findet, so kann sich die Analogie wohl nur auf die circuläre Form und die vollkommene Durchsichtigkeit beziehen. In allen übrigen Eigenschaften weichen sie von einander ab. 3. In dem Centrum des Eichens, also gröfstentheils in der eben betrachteten Körnerlage eingeschlossen, liegt ein vollkommen durchsichtiger, wasserheller, halbflüssiger und zäher Stoif, welcher nach Zerreifsung der Membran des Eichens zum Theil langsamer, als die Körnerschiebt berausfliefst. Er scheint durch Maceration Ei der Säugethiere. 21 von seiner Zähigkeit zu verlieren und überhaupt leicht flüssiger zu werden. 4. Das Keimbläschen liegt immer dicht unter der Oberfläche der Membran des Eichens und wird meistens von der Körnerlage zum Theil urafafst. lieber seine Existenz kann kein Zweifel mehr seyn, da ich es theils allein, theils in Gemeinschaft mit Purkinje, Bernhardt u. A.Wohl mehr als 60 mal an den Eichen der ver- schiedensten Säugethiere beobachtet; ja, einige Exemplare von Wiederkäuern ausgenommen, in keinem bisjetzt untersuchten Ei- chen vergeblieh gesucht habe. Seine Auffindung ist aber nicht so ganz leicht. Dafs es nur durch Compression des Eichens sieht- bar Igemaclit werden .könne, haben wir schon oben bemerkt. Allein man "mufs es lernen, das richtige Maafs zu beobachten; denn ist der Druck zu schwach, so sieht man nichts, wenig- stens das Bläschen nicht mit Bestimmtheit; drückt man aber zu stark, so platzt das äufserst zarte Keimbläschen, noch ehe die Continuität der äufseren Membran des Eies gestört ist, gerade so wie in kleineren Eiern der Vögel das Keimbläschen in der Regel früher platzt, als die Dotterhaut reifst. Nur äufserst selten findet in dem Eichen der Säugethiere das Gegcntheil Statt, dafs das Keimbläschen frei und unverletzt aus dem zerrissenen Ovulum liervortritt. Ich habe diese Erscheinung bis jetzt nur dreimal zu sehen Gelegenheit gehabt und auch in Eernhardt's oben angeführ- ter Dissertation gezeichnet. Denjenigen, welchen es möglich ist, empfehle ich aufserdem noch den Gebrauch aplanatischer Ocu- lare. Mit diesen Hilfsmitteln ausgerüstet dürfte bei einiger Ge- schicklichkeit und Uebung in Untersuchungen der Art das Keim- bläschen kaum entgehen können. — Es ist, ganz wie in dem Vo- geleie, ein vollkommen durchsichtiges Bläschen von kugelrunder oder schwach länglich runder Form, und besteht aus einer vollkommen durchsichtigen, homogenen Membran, und einem eben so durchsichtigen, durchaus körner- und farblosen Inhalte, der zwar selbst von zäher Consistenz, aber lange nicht so zähe, als die in dem Centrum des Eichens enthaltene, durchsichtige Flüssigkeit ist. Gelingt es in seltenen Fällen, das Keimbläschen aufserhalb der Höhle des Eichens zu isoliren, so kann man es durch weitere Pressung sprengen uud so Hülle und Contenlum auch hier von einander sondern. — Die relative Gröfse des Keimbläschens bleibt immer, wie es scheint, fast dieselbe. Die absolute dagegen rieh- 22 I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei. tet sich nach der absoluten Gröfse des Eichens. So fand ich es bei Kaninchen, wo die Eichen verhältnifsmäfsig kleiner sind, als bei den Raubihieren, auf entsprechende Weise auch kleiner. Was nun aber die Gröfsenverhältnisse der Theile des FoUi- culus und des Eichens in den Säugethieren und dem Menschen betrifft, so habe ich folgende, mit einem feinen Schraubenmicro- meter angestellte Messungen ausgewählt, um zu sicheren Resulta- ten über diesen wichtigen Gegenstand zu gelangen: Tabellarische Uebersicht der von mir angeslellten micrometrischen Messungen der Theile des Folliculus und des Eichens in verschiedenen Säugethiereu und dem Menschen. (Das Maafs ist nach Pariser Zollen bestimmt.) Durchmesser des Keimbläschens. Eichens. /. p^espertilio niurinus. 1. 0,013662 0,003542 2. 0,015180 0,007084 Der Durchmesser des Keimbläschens des in No. 2 beGndli- eben Eichens betrug: 0,001821 IL Hund. 1. 0,053939 0,004048 2. 0,006072 0,003238 3. 0,007084 0,003440 Der Durchmesser der das Eichen No. 1. umgebenden hellen Flüs. sigkeit, die es von der Scheibe trennt, betrug: 0,008096. III. Eichhörnchen. 1. 0,024288 0,003340 2. 0,025300 0,003542 3. 0,004048 0,002024 4. 0,007590 0,002530 Der Durchmesser der Membran des Eichens in No. 1. betrug: 0,000450. Der Durchmesser des Keimbläschens desselben Eichens be- trug: 0,001133. Durchmesser des Folliculus. des Ovulum. IV. Maulwurf. 1. 0,004655 0,002954 2. 0,006072 0,003258 Ei der Säugethieie, 23 IV. Maulwurf. Folliculas. Oimliun. 3. 0,006173 0,003340 L 0,006476 0,003643 5. 0,007084 0,003440 6. 0,009614 0,003542 7. 0,011336 0,003845 8. 0,020240 0,003946 9. 0,012144 0,005060 10. 0,021859 0,005060 Bei einem Durchmesser des Eichens von 0,004650 betrug das Keimbläsehen 0,001012. ■ — Bei einem Durchmesser des Eichens 0,005060 betrug der des Keimbläschens 0,001568 P. Z. V. Kaninchen, Folliculas. Ovulum. 1. 0,004048 0,001130 2. 0,004655 0,001260 3. 0,005363 0,001163 4. 0,005464 0,001214 5. 0,005566 0,001315 6. 0,005667 0,001467 7. 0,005869 0,001619 * 8. 0,006578 0,001720 9. 0,007084 0,001922 10. 0,007286 0,001820 VL Schwein. Hier betrug bei einein Djiirchmesser des Eichens von 0,005060 der des Keimbläschens O,t>03$40. VII. Kuh. Bei einem Eichen von 0,004857 Durchmesser betrug der Dia- meter des Keimbläschens 0,002125. VIII. Schaaf. , Bei einem Eichen von 0,006274 war der Durchmesser des Keimbläschens 0,003945. IX. Katze. Der Durchmesser des Eichens 0,004857 bis 0,004350. Der halbe Durchmesser der Scheibe, welche das Eichen um- giebt, im Mittel 0,003946. Der Durchmesser der in dieser Scheibe enthaltenen Kügel eben 0,000202 bis 0,000076. Durchmesser des Keimbläschens 0,001520 bis 0,001416= 24 I. Das unbefruchtele. Im Eierstocke enthaltene Ei. X. Mensch. Bei einem Durchmesser der Scheibe von 0,005566 betrug der des Eichens 0,002934 und der des darin enthaltenen Keim- bläschens 0,001820. Bei einem anderen Eichen von 0,003137 Diamctcr betrug der des Keimbläschens 0,001922. Aus diesen Messungen lassen sich folgende Resultate mit Be- stimmtheit entnehmen: 1. Wie es schon der blofse äufsere Anblick lehrt, ist die absolute Gröfse des Folliculi weit gröfseren Variationen unterwor- fen, als die der Eichen. 2. Das Eichen ist im Verhältnifs zu dem Folliculus um so gröfser, je jünger und kleiner derselbe ist. 3. Das Keimbläschen befolgt in den Säugethieren und dem Menschen nicht dieselben Gröfscnverhältnisse, wie in dem Vogel, wo es sich zur Dotterkugel in dieser Beziehung eben so verhält, wie das Säugethiereichen zu seinem EoUiculus. Es scheint viel- mehr, wie wir dieses bei den Embryonatheilen noch häufig zu sehen Gelegenheit haben werden, in einer gewissen bestimmten Gröfse angelegt zu seyn und im Ganzen nur wenig nach seinen Altersverhältnissen zu variiren. * 4. Die Gröfse der in dem Eie der Säugethiere enthaltenen Kugeln differirt um sehr vieles von der der Dotterkugeln des Vogels, nähert sich aber mehr oder minder den kleinen, zwischen den grofsen Dotterkugeln befindlichen Körperchen. Mehrere andere, das Speciellere betreffende Resultate der obi- gen Messungen s. in Bernhardt's oben angeführter Dissertation Cap. VI. p. 30—32. Nachdem wir nun auf diese Weise ohne alle Nebenbemer- kung, ohne alle Tendenz der Analogisirung die blofs von Ande- ren und uns gesehenen und aufgefundenen Facta beschrieben ha- ben, müssen wir es zunächst übernehmen, die Bedeutung der ge- nannten Theile festzusetzen. Diese würde sich mit aller Bestimmt- heit aussprechen lassen, wenn man eine genügende und vollstän- dige Analyse der Eichen besäfse, die bald nach ihrem Austritte aus dem Ovarium in dem Anfange der Tuben gefunden wurden. So lange uns aber eine solche mangelt, müssen noch manche, bald zu erwähnende Lücken nothwendig übrig bleiben. Doch vermag schon die genaueste Kenutnifs der in den FoUiculis ent- Ei der Säugethierc. 25 haltenen Eichen und der Theile derselben einen nicht ganz geringen Grad von Sicherheit in diesem Gebiete zu verschaffen. K. E. V. Bär wurde, wie wir wohl ohne Anmafsung behaup- ten können, bei seinen Deutungen dadurch verwirrt, dafs er das wahre in dem Eichen der Säugethiere enthaltene Keimbläschen nicht kannte, dieses daher mit dem Eichen selbst identificirtc und die das Eichen umgebende, in dem Folliculus enthaltene Scheibe für die Keimanlage hielt. Man sieht es aber seinen Arbeiten nur zu sehr an, wie wenig er sich heraus zu finden vermochte. Denn obgleich er mehrere Annahmen als möglich setzt, so vermag er doch keine einzige mit Bestimmtheit durchzuführen, und ist daher nicht im Stande, die Cardinalfrage, ob das Ei der Säugethiere dem des Vogels vor der Befruchtung analog sey oder nicht, genügend zu beantworten. Wenn wir es nun versuchen, nach unserer voll- ständigeren Erfahrung über diesen Punkt Auskunft zu geben, so dürfte es am zweckmäfsigsten seyn, den Vergleich zwischen bei- den Thierklassen so sorgfältig als möglich zu verfolgen. Das ausgebildete Ei des Vogels stimmt nur in wenigen Punk- ten mit dem ausgebildeten Eichen der Säugethiere überein, diffe- rirt dagegen in den meisten Stücken: 1. Die äufsere umschliefsende Membran oder die Dotterhaut ist bei beiden ohne alle wahrnehmbare innere Structur, höchstens in dem Vogel mit verwirrten, unregelmäfsig gelagerten selte- nen und schwer sichtbaren Fasern versehen. Nirgend wird sie auf organische Weise durch einen besonderen Fortsatz u. dgl. mit den Nachbartheilen verbunden, sondern bildet eine in sich voll- kommen geschlossene, begrenzte Kugel. 2. Der gröfste Theil des Inhaltes des unbefruchteten Eies oder der Dotter des Vogels besteht aus drei verschiedenen Thei- len: a. aus grofsen, ölartigen, gelben oder geblichen Dotterkugeln, b. aus sehr kleinen, zwischenden Dotterkugeln eingestreueten Kügel- chen und c. aus einer durchsichtigen, hellen Flüssigkeit, in welcher sowohl die Dotterkugeln, als die kleineren Kügelchen sich befin- den. Von diesen in dem erwachsenen und dem Austritte nahen Eie des Vogels vorkommenden Theilen finden sich in dem Eie der Säugethiere und des Menschen folgende Analoga: a. die helle durchsichtige Flüssigkeit, welche hier eine mehr öligte Consistenz zu haben scheint, b. Körperchen, welche zum Theil von gleicher Gröfse, wie die kleineren Körperchen des VogcldotterSj zum Theil 26 I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei. etwas gröfser als diese sind. Dagegen fehlt hier jede Spur von gröfseren, öligten Dotterkugeln. 3. In der Centralhöhle des Dotters der Vögel findet sich eine eigene halbflüssige Masse. Eine ölartige, vollkommen durch- sichtige Flüssigkeit kommt auch in dem Centrum des Eiehens der Säugethiere auf gleiche Weise vor. Nur ist die Central- höhle in diesem bei Weitem nicht so bestimmt begrenzt, ja, wie es scheint, überhaupt nicht sicher begrenzt und von der körnigten Masse geschieden. 4. Das Keimbläschen findet sich sowohl in dem Eie der Vögel, als in dem der Säugethiere als ein helles durchsichtiges, überaus zartes Bläschen, welches aus einer structurlosen , äufse- ren Haut und einem gleichförmigen, körnerlosen, flüssigen Inhalte besteht. Allein bei den Vögeln ist es in die Scheibe eingesenkt, ganz so, wie das Eichen der Säugethiere in die Scheibe des Fol- liculus eingesenkt ist. In der letzteren dagegen wird ein, im Ganzen kleiner Theil von dem körnerhaltigen Contentum bedeckt. Auch ist das Keimbläschen der Vögel im Verhältnifs zu dem Dot- ter weit kleiner, als das Keimbläschen der Säugethiere im Ver- hältnifs zu seinem Eichen. Hierzu kommt noch, dafs das Vogelei nur von den Hüllen und der Substanz des Eierstockes umschlossen wird, während das Ei- chen der Säugethiere in dem Folliculus und zwar in dessen Scheibe eingebettet liegt. Aus diesem Allen können wir mit Bestimmtheit den Schlufs ziehen, dafs das Eichen des Säugethieres dem ausgebildeten Eie des Vogels ganz und gar unähnlich ist. Zu einem fast direct ent- gegengesetzten Ausspruche aber führt uns die Vergleichung des ausgebildeten Eies der Säugethiere mit dem frühen oder ersten Zustande des Vogeleies. Wie wir schon oben zum Theil gesehen haben, ist das Ei des Vogels in dem ersten Stadium der Entwicke- lung von graulich weifser Farbe und besteht aus einer völlig durchsichtigen, faserlosen Dotterhaut, kleineren Kügelchen ohne alle Spur wahrer grofser Dotterkugeln und einer vorzüglich in dem Centrum angehäuften, völlig durchsichtigen, flüssigen Masse, die zugleich die einzelnen in dem Eie enthaltenen Körperchen mit einander verbindet. Das Keimbläschen ist im Verhältnifs zu dem Eichen um Vieles gröfser, als späterhin, während alle Spur einer Einbettung desselben in die Scheibe, so wie diese überhaupt, Ei der Säugelhiere. 27 gänzlich mangelt. Pafst diese Beschreibung nicht Wort für Wort auch auf das Eichen der Säugelhiere? Die Gleichheit ergicbt sich hier ganz und gar von selbst, und wir sprechen daher den durch sichere Beobachtung constatirten Satz aus: Das Ei der Säugelhiere gleicht vollkommen dem unausge- bildeten Eie des Vogels, unterscheidet sich aber von die- sem, sobald die wahren Dotterkugeln in ihm erschienen sind, wesentlich. Es versieht sich aber von selbst, dafs hier von vollkomme- ner Identität nicht die Rede seyn kann, da schon die Verschie- denheiten der Individualitäten der Säugethiere und Vögel eine solche unmöglich machen. So variiren z. B. die in dem Eichen der Säugethiere enthaltenen Körperchen weit mehr, als die in den frühesten Formen des Vogeleies enthaltenen. Dafs aber die Natur bei der Bildung der beiden Eiformen die oben bezeichnete Uridee befolgt habe, leidet keinen Zweifel. Wenn es sich nun so ergeben hat, dafs das Eichen der Säu- gethiere gleichsam ein unausgebildetes oder in dem frühesten Sta- dium der Entwickelung befindliches Vogelei sey, so steht dieses mit der ganzen Evolution des Säugelhieres in vollkommener Ue- bereinstiramung. Wir werden es in der Folge sehen, dafs und weshalb der Dotter der Vögel eine so bedeutende, der der Säu- gethiere eine mehr untergeordnete Rolle spiele. Die so unge- heure Differenz der Ausbildung desselben Organes in den beiden verschiedenen Thierklassen findet durch unsere Darstellung seine erste, sichere, morphologische Begründung, indem wir nachgewie- sen haben, dafs das Eichen der Säugethiere auf einer Stufe der Ausbildung stehen bleibt, welche der Dotter des Vogels von ziemlich früher Zeit an überschreitet und hinter sich läfst. Dagegen zeigt sich in den Säugcthieren und dem Menschen eine eigenthümliche, in keiner anderen Thierklasse vorkommende Formation, nämlich die, dafs das wahre Eichen in einem anderen eiförmigen Körper, dem FoUiculus, eingeschlossen ist. Die Func- tion dieses Theiles ist in der That rälhselhaft. Doch könnte man seine Bedeutung vielleicht darin suchen, dafs bei den Säu- gcthieren die Idee der inneren Brütung so weit ausgedehnt wird, dafs selbst das Eichen in dem Eierstocke in einer der Mutter an- gehörenden Bildung besonders eingeschlossen und aufbewahrt werde. Denn dafs der FoUiculus und sein Contentum von sehr 28 II. Das Ei v. d. Momente s. Lostrennuiig v. Eierstocke. bedeutendem Einflüsse nach der Conception nnd dem Austritte des Eichens aus dem Ovarium sey, läfst sicli nach dem, was wir über die Bildung der gelben Körper anführen werden, kaum er- warten. Eben so wenig kann die Scheibe, in welcher das Ei- chen eingesenkt ist, eine so hohe Bedeutung für die Folgezeit haben. Vgl. unten über die Bildung der Corpora lutea. — IL Das Ei von dem Momente seiner Lostrennung von dem Eierstocke bis zu seiner Fixirung in dem Fruchthälter zur Entwickeluns; der Frucht. Die Geschichte des Vogeleies soll uns auch hier zur Basis dienen, auf. die wir das bei den Säugethieren Gefundene beziehen können. Wir folgen in diesem Punkte wiederum gröfstentheils den Beobachtungen von Purkinje, welcher am vollständigsten diese Reihe von Erscheinungen durcbforscht hat. Wenn das Ei des Eierstockes eine bestimmte Gröfse erlangt hat, aber noch aus der Dotterhaut, dem Dotter, der Scheibe und dem Keimbläschen be- besteht, so beginnt es sich von dem Ovarium abzulösen, um in den Eileiter zn gelangen. Hierbei zeigt sich aber eine doppelte Veränderung: 1) die Haut, welche dem Eierstocke angehört, an ihrer Innenfläche mit Blutgefäfsen überzogen ist und die äufsere Hülle des innerhalb des Ovarium befindlichen Eies ausmacht, reifst an einer bestimmten Stelle, um das Ei frei herauszulassen. Diese Stelle (Purkinje 1. c. p. 9.) ist schon bei kleineren Eiern durch ein verändertes Aussehen charakterisirt. Sie wird nun im- mer dünner und feiner und so allmählig bald aufgelöst. Der ent- gegengesetzte Theil des Eies hat sich aber unterdessen bedeutend verlängert, so dafs das dem Anstritte nahe Ei am meisten von dem Eierstocke herabhängt. 2) Das Keimbläschen (1. c. p. 5,) wird unsichtbar. Es platzt wahrscheinlich und ergiefst seine Flüs- isigkeit zunächst in die Scheibe. Man sieht es daher nicht mit Unrecht als ein Analogen des Samens, als eine Art von weibli- chen Samen, an. Die Scheibe, welche früher da, wo das Keim- bläschen liegt, einen durchsichtigen Punkt zeigte, hat jetzt an dieser Stelle einen weifsen Kern (1. a. p. 15.) Auf diese Weise vorbereitet tritt nun das Ei in den Eileiter, während die dem Eier- stocke angehörende, blutgefäfsreiche Hülle an diesem sitzen bleibt. Ausgang des Eies aus dem Eierstocke. 29 Es wird aber durch die Contractionen des Eileiters, welcher eine wahre ausgebildete, muskulöse Structur zu dieser Zeit hat, fort- getrieben und erhält während dieses Durchganges neue, es um- hüllende Gebilde, wie das Eiweifs, die Chalazen, die Eischaa- leühaut uud die Eischaale. Zuerst gelangt es in den Anfangstheil des Eileiters (1. c. p. 15.), welcher durch Längenfaiten der Schleimhaut bezeichnet ist. Hier iimgiebt eine abgesonderte, sehr zarte Eiweifslage dasselbe, welche es vollkommen bedeckt, oben und unten aber, d. h. da, wo die durch das Ei bewirkte Aus- dehnung des Eileiters aufhört, einen sehr weichen Knoten dar- stellt, von dem sich ein Strang fortsetzt, der von den Falten der Schleimhaut des Oviductus dicht umschlossen wird. Der durch die peristaltische Bewegung des Eileiters erzeugte Fortgang des Eies geschieht nun in spiraligem Laufe, und das Eiweifs, wel- ches immer unmittelbar an der Stelle abgesondert wird, wo das Ei liegt, nimmt daher auch diese Spiralrichtung an. Hiervon kann man sich unmittelbar überzeugen, wenn man ein aus diesen Thei- len des Oviductes genommenes Ei in kaltes Wasser legt, wo das erhärtete Eiweifs in Form spiraliger Blätter erscheint und ab- gezogen zu werden vermag. Die Fäden an den beiden Enden des Eies drehen sich nun ebenfalls spiralig um ihre Axe und stellen so die gewundenen Organe des ausgebildeten Eies dar, welche man Chalazen nennt (I. c. p. 16). Allein diese zeigen dichtere gewun- dene Fäden, welche dadurch entstehen, dafs die allererste Eiweifs- lage, welche sich um das Ei, sobald es in den Eileiter getreten ist, bildet, erhärtet und eine raembranartige Gestalt annimmt. Diese Membran, welche die Dotterhaut zunnächst umgiebt und besonders von Du- trochet genauer berücksichtigt wurde, verdichtet sich immer mehr, wird der Dotterhaut ähnlicher und stellt so die Fortsetzung der Chalazenstränge dar. Diese Darstellung der Genese der Chalazen hat im Ganzen nach eigenen Erfahrungen Berthold (Isis 1829. S. 408.) bestätigt. Wenn nun so das Ei durch den Eileiter bis zu einer bestimmten Stelle, welche mit dem Namen des Isthmus be- legt wird, deren Schleimhaut sich auch bestimmt von der des vorgehenden Theiles des Oviductes unterscheidet und auch auf der Innenfläche durch eine circuläre Grenzlinie bezeichnet, vor- geschritten ist, so ist es von einer dicken gleichartigen Eiweifs- schicht umgeben und an seineu beiden Enden mit den Chalazen versehen. In dem Isthmus d. h. in der Abtheiluag des Eileiters 30 II. Das Ei V. d. Momente d. Lostrennuiig v. Eierstocke. von der genannten marquirten Stelle bis zu dem Anfange des sogenannten Uterus wird die Eischaalenhaut rings um das Eiweifs gebildet. Da der Isthmus eine verengte Stelle des Eileiters ist, so wird (1. c. p. 21.) derselbe, sobald das Ei in ihn eintritt, durch dieses so ausgedehnt, dafs alle Falten der Schleimhaut schwin- den. Dieses trägt wahrscheinlich, wenigstens zum Theil, mit da- zu bei, dafs hier nun eine dünnere, aber membranösere Lage, die Eischaalenhaut, abgesondert wird. Diese findet sich auch nur so- weit auf dem Eie, als es eben in den Isthmus eingedrungen, wel- ches mit dem spitzen Ende immer zuerst geschieht. Purkinje, der zu seinen früheren Versucheu mehr , als 30 Hennen auf- geopfert hatte, fand nie ein Ei vollkommen in dem Isthmus, son- dern nur zum Theil in demselben, zum Theil schon aus demsel- ben herausgetreten. In neuester Zeit waren wir beide so glück- lich, ein Ei gerade in dem Isthmus zu finden und uns daher über die Art und Weise der Entstehung der Eischaalenhaut belehren zu könneo. In dem oberen Theile des Isthmus entsteht nämlich die faserige Lage der Eischaalenhaut, welche die Natur gleichsam zusammenspinut. Es finden sich isolirte Fäden, von denen jeder wahrscheinlich das Sekret einer Schleimdrüse des Isthmus ist, welche immer häufiger und mit einander inniger verbunden sind, je tiefer die Stelle des Isthmus, in welcher sie liegen. An dem unteren Theile dagegen findet sich aufser dieser Faserlage noch eine Lage von Körnern, welche als eigenthümliches Sekret hin- zukommt. Aufserdem entsteht wahrscheinlich der in dem Eie sich findende Luftraum in dem Isthmus, und zwar dort, wo unmittelbar unter der Strictur desselben sich eine Stelle befindet, in welcher die Falten der Schleimhaut unterbrochen sind (1. c. p. 21.). Aus dem Isthmus gelangt das Ei in den oberen Theil des Uterus, wo die Kalkschaale dadurch entsteht, dafs sich zuerst einzelne, polygone Kalkablagerungen finden, welche sich immer vermehren, bis sie eine dichte Hülle bilden (1- c. p. 22.). Durch den unteren Theil des Uterus und die Scheide wird das Ei her- ausgetrieben oder gelegt. — Nach dieser Darstellung, welche ein- zig und allein auf Beobachtungen beruht, nimmt die Mündung des Trichters das Ei auf. Das erste Viertel des Eileitei's sondert die Membrana Dutrochetii und die ersten Rudimente der Cha- lazen ab, der übrige Theil bis zu dem Isthmus das Eiweifs, der obere Theil des Isthnms die faserige, der untere die körnige Lage Ausgang des Eies aus dem Eierstocke. 31 der Eiscliaalenliaut , der gröfste Theil des Uterus endlich die Ei- schaale, während die Scheide zur Expulsion des Eies bestimmt ist. Das auf diese Weise geborene Vogelei besteht, wenn es frisch und normal ist, aus folgenden Theilen: 1. der Eischaale, 2. der Eischaalenhaut oder Schaalenhaut, 3. dem Eiweifse. Man hat drei Abtheilungen in dem Eiweifse unterscliieden und zwar a. eine dünne flüssige Schicht unmittelbar unter der Schaalenhaut, b. eine dickere zähere Schicht zwischen der dünneren Schicht und der Dotteroberfläche und c. einen noch dichteren Theil in der Nähe und um die Chalazen. Was diesen Letzteren betrifit, so dürfte er kaum als eigenthümlich anzunehmen seyn. Die er- stere dagegen entsteht erst nach der Bildung der Schaale und formirt sich durch Verflüssigung der äufseren Schicht des sonst gleich zähen Eiw eifses (Purkinje 1. c. p. 20.). A. Den Chalazen, 5. der Dotterhaut, 6. dem Dotter, 7. der in dem Centrum dessel- ben enthaltenen Masse und 8. der Scheibe, Keimanlage, Keimhaut (bei dem Beginne der Brütung) oder nach älterer Benennung dem Hahnentritte. Dieser besteht jedoch, wie es sich in der Folge deutlich erweiset, aus zwei Körnchenlagen, der oberen, der wah- ren Keimhaut und einer unteren, weiche auf dem Dotter sitzen bleibt, von untergeordneter Bedeutung zu seyn scheint und bald wahrscheinlich resorbirt wird. Wenn wir nun zu der Periode des Eilebens der Säugethiere übergehen, welche der eben abgehandelten in dem Vogeleie zum Theil oder gänzlich entspricht, so halten wir es für zweckmäfsi- ger, da man hier zur Zeit nur aus vereinzelten und gröfstentheils unvollständigen Erfahrungen Schlüsse ziehen kann, zuvörderst die hierher gehörenden Beobachtungen historisch nach ihren speciellen Momenten anzuführen und dann erst das aus ihnen sowohl, als der Analogie der übrigen Thiere, besonders des Vogels sich Er- gebende auseinander zu setzen. In das hier zu betrachtende Ge- biet gehören aber die Bemühungen dei'jenigen Naturforscher, welche die ersten Folgen der Conception und die befruchteten Eierin den frühen Zuständen kennen lernen wollten, wo sie entweder in dem Austritte aus dem Eierstocke oder in ihrem Durchgange durch die Tuben begrifi^en oder zwar schon in der Gebärmutter angelangt, dort aber nicht fixirt und mit der Innenfläche des Fruchthälters in genaue Berührung getreten sind. Die hierher zu rechnenden Schriftsteller sind folgende: 32 II. Das Ei v. d. Momente d. Lostrennung v. Eierstocke. 1. Regner de Graaf hat über die ersten Folgen der Concep- tion eine Reihe von Versuchen angestellt, welche von wenigen Nachfolgern erreicht und von keinem, man kann wohl sagen, über- troffen worden sind. ( Opera omnia. L. B. 1677. 8. p. 396 — 411.). Die Resultate seiner Erfahrungen sind kürzlich folgende; a. Eine halbe Stunde nach der Begattung hatten sich die Eichen im Eierstocke noch nicht verändert, höchstens nur etwas au Durchsichtigkeit verloren. In den Hörnern des Fruchthälters war keine Spur von Saamen wahrzunehmen. Dagegen waren sie et- was mehr, als in dem unbefruchteten Zustaude, geröthet. b. Nach sechs Stunden waren die Folliculi röther und enthielten eine zähe, durchsichtige Flüssigkeit. Von dem Saamen war aber in den Hörnen keine Spur zu entdecken, c. Nach 2-4 Stunden wa- ren in dem einen Eierstocke drei, in dem anderen fünf Folliculi dunkel, undurchsichtig und schwach röthlich gefärbt. An ihrer Oberfläche ragte wie eine kleine Warze hervor. Aufgeschnitten zeigten sie eine geringe Quantität einer durchsichtigen Flüssig- keit und in der Peripherie eine dicke, xöthliche Masse, d. Nach 27 Stunden umfaiste jedes trichterförmige Ende der Tuben den Eierstock. Aehnliche Wärzchen, wie in dem vorigen Eie, rag- ten mitten auf der Oberfläche der Folliculi hervor. Bei dem Zerdrücken dieser letzteren entleerte sich zuerst eine durchsich- tige und dann eine röthliche, dichtere Flüssigkeit. Eier fanden sich nicht in den Hörnern, aber diese letzteren waren sehr blut- reich und ihre Schleimhaut sehr aufgelockert, e. Nach 48 Stun- den ragten die Wärzchen auf den FoUiculis noch mehr hervor und durch sie entleerten sich bei dem Drucke eine mäfsige Quan- tität einer eiweifsartigen Flüssigkeit. Die übrige röthliche Sub- stanz der Folliculi aber war jetzt schon dicker geworden und ging daher nicht mehr so leicht als früher durch die Oeffnung hinaus, f. Nach 52 Stunden fand sich in den FoUiculis eine drü- sigtc Masse, in deren Mitte eine Höhlung ohne Flüssigkeit ent- halten war. Eichen dagegen fand G. weder hier noch in den Tuben (hat sie jedoch hier ohne Zweifel übersehen), g. Nach 72 Stunden umfafste der Trichter die Eierstöcke ringsherum sehr genau. Die auf den FoUiculis befindlichen Wärzchen hatten in der Mitte ein kleines Loch uud enthielten in dem Innern eine leere Höhlung. Die äufserst kleinen, aus den FoUiculis herausge- tretenen Eichen fanden sich nun in den Tuben und bestanden aus Ausgang des Eies aus dem Eierstocke. 33 aus zwei ia einander eingeschlossenen, kugelförmigen Membranen, nach deren Zerreifsung eine äufserst durchsichtige Flüssigkeit her- vortrat, h. Nach vier Tagen fanden sich die Eichen in den Tu- ben noch weiter vorgerückt und jedes enthielt noch deutlicher ein in ihnen eingeschlossenes Bläschen, i. In fünftägigen Eiern war diese innere, blasenförmige Haut noch mehr kenntlich, k. Nach sechs bis sieben Tagen hatten die Eichen sehr bedeutend an Um- fang zugenommen, ohne dafs jedoch Graaf einen Embryo zu er- kennen im Stande gewesen wäre. Eben so verunglückten, wie dieses später Prevost, Dumas u. v. Bär ebenfalls vielfach erfahren haben, auch de Graaf Eichen von dem achten Tage, weil sie ei- nerseits fest an der Innenfläche des Uterus schon angeheftet, an- derseits so äufserst zart sind, dafs sie bei der geringsten JV'erlet- zung reifsen. 1. In einigen Eiern von neun Tagen zeigte sich der Embryo als ein schwaches Wölkchen. Deutlich dagegen sah Graaf den in seiner Ausbildung schon weit vorgeschrittenen Embryo in lOtägigen Eiern. — Hätte Regner de Graaf bei diesen Untersu- chungen sich des Microscopes bedient, so wäre schon vor mehr, als 150 Jahren die Wissenschaft mit Resultaten bereichert wor- den, die wir leider heute noch vermissen. 2. Ein in der Wissenschaft, wie im Leben gleich häufiges Phänomen zeigte sich auch bei den vortrelTlichen, von Regner de Graaf unternommenen Arbeiten über die ersten Wirkungen der Conception. Weil man nicht mit solcher Umsicht, Mühe und Gründlichkeit, wie es dieser ausgezeichnete Naturforscher gethan, die Erscheinungen selbst verfolgt hatte, glaubte man nicht an die Richtigkeit seiner Darstellung, von der man sich nothwendiger Weise hätte überzeugen müssen, wenn man nur mit gleicher Em- sigkeit, wie er selbst, geforscht hätte. Aber der eigene Feh- ler machte das eigene Auge blind und liefs durch das Bessere des Anderen nicht seinen Irrthum erkennen, sondern einen Fehl- tritt desselben erblicken. Und so wurde durch die Auetori- täten eines Vallisneri, Kuhlemann, Haller u. A. die Wahrheit, dafs das Eichen aus dem Folliculus in die Tuben gelange, unter- drückt und an ihre Stelle die falsche Behauptung gesetzt, dafs aus dem Eierstocke in die Tuben eine blofse Flüssigkeit ohne Hülle ergossen werde oder dafs, wie Oslander noch im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts behauptete, die Eierstöcke bei der Conception gar nicht in Affection kämen. Es war daher recht 34 II. Das Ei v. d. Momente s. Loslremiimg v. Eierstocke. vmlicnsüich, dafs Criükschank (Rcils Arch. III. S. 74 — 100.) die Graaf'sclien Versuche wiedcrliolle und bestätigte, wenn er auch keine wesentlich neuen Resultate hinzuzufügen vermochte, ja durch manche IiTthümcr sogar den Gegenstand entstellte. So will er fechon (Versuch II. S. 78.) zwei Stunden nacli der Begattung die OeiTnungen in den FoUieulis gesehen haben, welches sicher unrich- tig ist. Denn er selbst fand (Vers. XXV. S. SS.) zugleich nach zwei und ein halb Tagen noch keine OeiTnungen in den Folliculis. Dagegen beobachtete er nach zwei Tagen und 22 Stunden (Vers. XXVIII. S. 89.) schon sehr kleine Eichen in den Tuben, die mit drei Häuten versehen gewesen seyn sollen, welche er mit den Halonen des Vogeleies vergleicht. Drei Tage nach der Begattung suchte er in einem Falle (Vers. III. S. 78.) vergeblich die Eichen in den Tuben, wiewohl die Folliculi an der Spitze ein Loch hat- ten ; in einem anderen Falle (Vers. XVII. S. 84.) fanden sich die Eichen noch in den Spitzen der Folliculi; in einem dritten (Vers. XXIII. S. 87.) machte die innere Haut einen Fleck in der Mitte des in den Tuben befindlichen Eichens (ob erstes Rudiment des Embryo?). In einem vierten Falle (Vers. XXVI. S. 88.) endlich schienen die aus der Nähe des Endes der Muttertrompeten ge- nommenen Eichen aus drei Häuten zu bestehen. Am vierten Tage (Vers. XX. S. 85. 86.) waren die Eichen an der Spitze wie eingedrückt ohne deutliche Oeffnung. Auch konnte er keine Ei- chen in den Tuben auffinden. Nach 3^ Tagen (Vers. XXIV. S. 87. ) konnten die Eichen in den Trompeten gtsehen wer- den, obwohl man in deii Folliculis keine Mündung (mehr) be- merkte. Am Ende des vierten Tages (Vers. XIX. S. 85.) fand er die Eichen in der Nähe der Mündung der Tuben angehäuft. Die innere Membran des Eichens lag der anderen näher an. VV^ie- wohl Cruikschank in einem Falle (Versuch IV. S. 79.) fünf Tage nach der Befruchtung keine Eichen in den Tuben oder Gebärmut- terhörneru aufgefunden hatte, so hingen diese doch in einem an- deren Falle (Vers. XV. S. 83.) locker in der Gebärmutter. Noch deutlicher zeigte sich dieses nach sechs Tagen (Vers. IX. S. 81.) Die Eichen enthielten deutlich eine Blase in ihrem Inneren und hatten an einer bestimmten Stelle einen Fleck. Am siebeuten Tage (Vers. XII. S. 82.) war ein gallertartiger Stoff dicht unter- halb des Eichens (Eiweifs des Säugethiereies s. unten), nicht aber die Spur eines Embryo zu erkennen. Nach sieben und ein lialb Ta- Ausgang des Eies aus dem Eierstocke. 35 gen (Vers. XXI. S. 86.) fingen die Eichen an, sich in der Gebär- mutter anzuheften, während nach acht Tageu (Vers. V. S. 79.) die Frucht mit Hilfe des Weingeistes schon den blofsen Augen sicht- bar wurde. 3. Prevost und Dumas haben in neuerer Zeit eine Reihe mühsamer und genauer Versuche über die ersten "Wirkungen der Conception bei Kaninchen und Hunden geliefert (Annales des Sciences naturelles Vol. III. p. 113 — 133. Frorieps Notizen No. 188. S. 177 — lvS6 ). Vier und zwanzig Stunden nach der Befruchtung fanden sie weder bei Hunden noch bei Kaninchen irgend eine Veränderung in dem Eierstocke. Es zeigte sich da- gegen lebhafte Bewegung der Saamenthierchen innerhalb der Tu- ben (1. c. p. 1 19.). Ebenso fand es sich nach zwei Tagen. Nur hatten die Folliculi eine bedeutendere Gröfse erlangt und der Mittelpunkt ihrer Oberfläche war durchsichtiger geworden (p. 121.). Noch gröfser aber, bisweilen von 7 — 8 Millimeter im Durchmesser, waren die Folliculi bei Hunden nach drei bis vier Tagen. Nach 6 — 7 Tagen öffneten sich die Bläschen , so dafs sie dann eine Mündung an ihrer Oberfläche zeigten (p. 122.) Ein anderes Mal fanden sie nach acht Tagen (p. 123.) Eichen in den Tuben und aufserdem auf dem Momente des Platzens befindliche Folliculi. Die Ersteren hatten \ — 2 Millimeter im Durchmesser, eine ellipsoidische Form und bestanden aus einer einfachen und durchsichtigen Haut und einer hellen Flüssigkeit. An dem oberen Theile des Eichens befand sich ein flockiges Schildchen, welches viel dichter und mit sehr vielen, kleinen, warzenartigen Erhabenheiten versehen war, und an dessen einem Ende man einen weifsen, dun- kelen, runden Fleck, ähnlich einer Narbe, wahrnahm (p. 125.). Nach zwölf Tagen sind die in den Hörnern des Fruchthälters an- zutreffenden Eichen noch kleiner, als die Folliculi des Eierstok- kcs, und zwar um so mehr, je näher sie dem Ovarium liegen. Der Embryo ist dann sehr schön und deutlich 'wahrzunehmen (p. 127.). In späteren Eiern sieht man ihre beiden Extremitäten hörnerartig längs der Axe der Hörner der Gebärmutter verlän- gert, selten aber nur nach einer Seite hin ein solches Hörn aus- gehen. Das Ei ist, mit Ausnahme derjenigen Stelle, an welcher der Fötus sich findet, durchaus glatt (p. 129.). Wenn bei dem Hunde die Eichen an dem achten Tage in die Tuben eintreten, so geschieht dieses bei dem Kaninchen am dritten und achttägige 3* 36 IL Das Ei v. d. Momente s. Lostrennung v. Eierstocke. Kanincheneier sind auf der Stufe der Ausbildung, auf welcher sich wenigstens ISlägige Hundeeier befinden (p. 131. 132.). 4. Karl Ernst von Bär (de ovi mavialiuvi et hominis ge- nesi 1827. 4» und Heusingers Zeitschrift II. S. 125. fgg.) hat eine Reihe hierhergehörender Beobachtungen, vorzüglich an Hun- den, angestellt. So hatte er {de ovi genesi p. 7.) oft Gelegen- heit, eine halbe Linie im Durchmesser haltende Eichen zu beob- achten. Diese waren vüllkommcn durchsichtig und lagen ganz frei in der Höhlung des Fruchthälters. Bei der Untersuchung unter dem Microscope ergab es sich, dals sie von nicht ganz run- der, sondern etwas länglicher Form waren (p. 8.). Anfangs schie- nen sie nur eine einfache Haut zu haben. In weniger, als einer Minute trennte sich aber die innere Membran von den beiden Enden her von der äufseren los, so dafs ein gebogener leerer Raum zwischen beiden entstand. Diese Trennung scbrilt bis auf einen bestimmten Punkt, an welchem sie verbunden blieben, im- mer fort. AUmühlig collabirte so die innere und später auch die äufsere Haut des Eies. Die äufsere Haut (p. 9.) ist halb durch- sichtig und mit kleinen warzigen Erliabenheiten versehen und scheint aus zwei Lamellen zu bestehen. An der inneren Haut befinden sich eine Menge kleiner, runder Ringe, welche in ihrer Mitte durchsichtig sind. Diese Ringe aber bestehen, wie eine stärkere Vergröfserung zeigt, aus vielen, einander nicht berühren- den, im Kreise gestellten Körnchen. Aufserdem zeigt sich ein noch weit gröfserer , dunkeler , runder Fleck , die Keimhaut (blastoderma), die schon mit blofscm Auge als ein weifses Pünkt- chen gesehen werden kann, von der inneren Haut des Eies et- was absteht und mit einem äuiserst zarten Hofe umgeben ist. Andere Eier des Hundes von ^ Linie im Durchmesser waren we- niger durchsichtig und mehr rundlich, als die eben beschriebenen. Sie hatten ebenfalls zwei Häute, von denen die äufsere aber die Körnchen (oder Wärzchen) kaum erkennen liefs, die innere da- gegen aus Körnchenhaufen bestehende, kleine Flecke zeigte. Die Keimhaut war dicker imd nicht eben, wie in dem vorigen Fal- le, sondern hügelig. An der Mündung der Tube fand sich in dem- selben Fruchthälter frei ein sehr kleines, weifses Körnchen, welches unter dem Microscope einen dunkelen Kern mit einem hellen Ringe zeigte. Ob dieses ein eben aus der Tube gefallenes Eichen war? (p. 11.) v. Bär untersuchte deshalb in den Tuben Ausgang des Eies aus dem Eierstocke. 37 befindliche Eichen des Hundes. Sie waren etwas kleiner, als die- ses Körperchen und erschienen als kleine, gelblich weifse Punkte von -Jj Linie im Durchmesser. In der Mitte fand sich hier ein dunkeler Kern, welcher selbst aus vielen Kömern bestand und eine granulirte Oberfläche hatte. Diesen Kern umgab ein enger, durchsichtiger Zwischenraum und eine mit Körnchen versehene Peripherie, deren Membran kaum sichtbar war. 5. Coste (Frorieps Notizen Novemb. 1833. No. 830. S. 241 — 244.) hat in der neuesten Zeit Einiges über seine Erfahrungen raitgetheilt. Nach ihm sind bei dem Kaninchen die Eier schon zwei Tage nach der Befruchtung in den Oviduct eingedrungen und zeigen sich dann noch den in den FoUiculis eingeschlossenen Bläschen vollkommen ähnlich. Nach vier Tagen sind sie schon in den Hörnern des Fruchthälters, jedoch hier noch frei und be- weglich, von einer Linie im Durchmesser. Man soll das Keim- bläschen und die Dotterhaut noch erkennen, während der Dotter in Verhältnifs zu dem Wachsthimie des Keimbläschens absorbirt sey. Nach fünf Tagen befestigen sich die Eier in dem Frucht- hälter und haben zwei Linien im Durchmesser. Ihre Dotterhaut ist nun mehr gewachsen, als das von ihr eingeschlossene Keim- bläschen, welches nur ungefähr den dritten Theil derselben ein- nimmt, an der Anheftungstelle des Eies an dem Uterus in einem Punkte ihr anhängt und hier einen wolkenartig getrübten, run- den oder elliptischen Fleck zeigt. Endlich müssen wir noch die Fälle anreihen, in welchen man Eichen des Menschen in den Tuben gefunden haben will. Schon John Biirs (the anatomy of the gravid Uterus I. 1799. 8. p. 10. Burdachs Physiologie II. S. 40.) soll eine Beobachtung der Art gemacht haben. In neuester Zeit hat Seiler (die Gebärmut- ter und das Ei des Menschen. 1832. Fol. S. 9. 10.) einen Fall be- schrieben, in welchem sich in der Mattertrompete ein mit gelb- lich weifser Flüssigkeit gefüllter und an der Oberfläche mit einem eine Linie langen Korn versehener, zottiger Körper fand, den der Verf , nur durch sehr schwache Gründe unterstützt, für ein Eichen hält. Dasselbe läfst sich von einem anderen Falle sagen (1. c. S. 11.), welcher eine beginnende Tubenschwangerschaft gewesen seyn soll. Wenn wir es nun unternehmen den forllaufenden Hergang der ersten Erscheinungen, welche in dem Säugcthiereie nach der 38 II. Das Ei v. d. Momente s. Lostrennung v. Eierstocke. Befruchtung sich ereignen, der Reihe nach anzudeuten, so dürfen wir es nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, dafs trotz der eben angefülirten vielfachen Bemühungen der Gegenstand nicht nur nicht erschöpft, sondern noch äufserst lückenhaft und dunkel ist, dafs die Berichte in manchen Tvesentlichen Punkten einander widersprechen und dafs die mtcroscopische Untersuchung der zarten Eichen noch nicht vollständig genug unternommen worden ist. Wie in dem Eie des Vogels haben wir in dem Eichen der Säugethiere Dotterhaut, Dotter, Keimbläschen und später vielleicht auch Keim- anlage. Alle diese Theile constituiren das in dem Folliculus ent- haltene Eichen, welches in Folge der Conception in die Tuben gelangt. Unmittelbar nach der Befruchtung wird der Zuflufs des Blutes zu den Eierstöcken gröfser, die Folliculi schwellen bedeutend an, während einerseits die gefäfsreiche Hülle derselben verbunden mit der äufseren Lage des Balges zu einer röthli- chen, dichten Masse wuchert. Das Eichen tritt immer mehr an die Oberfläche hervor, die Stelle der Hohle des Folliculus, an welcher es anliegt, scheint verdünnt oder zum Theil resorbii^t zu werden und so geht, nachdem der Eierstock von den turgescirendcn Tuben umfafst worden, das Eichen in dieselben über. Nach Coste soll nun hier das Keimbläschen nicht platzen, sondern persistiren, ja sogar mit fernerem Wachsthume sich vergröfsern. Wir müssen aber in diese Angabe noch Zweifel setzen. Denn zuvörderst spricht, wie wir bestimmt nach unseren Untersuchungen behaupten kön- nen, die Analogie aller übrigen Thiere, der wirbellosen sowohl, als der Fische, Amphibien und Vögel dagegen, wo immer das Keimbläschen vor der Entwickelung des Embryo platzt. Auch dürfte es dann sicher nicht v. Bär u, A. entgangen seyn, wenn es mit Vergröfserung des Eies auch zuerst an Volumen bedeutend zunähme. Zugleich hält offenbar Coste, wie wir weiter unten sehen werden, noch an der von Rolando durchgeführten Idee fest, dafs selbst der Hühnerembryo sich auf einem Bläschen entwickele, eine Angabe, deren Irrlhümlichkeit von selbst einleuchtet. — Der Analogie mit dem Vogel und den übrigen Wirbelthieren nach sollte sich nun Eiweifs und Schaaleuhaut um das Ei bilden, be- vor sich dasselbe in dem Fruchthälter fixirt. Das Eiweifs, wel- ches auch dem Säugethiereie nicht fehlt, entsteht höchst wahr- scheinlich während des Durchganges durch die Tuben. Zum Theil spricht schon das enorme Anschwellen der Eier bei dem Bildung der gelben Körper. 39 Durchgange durch die Fallopischcn Röhren dafür. Eine Audeu- tung von Cbalazen aber könnte man vielleicht in den von Pre- vost und Dumas gefundenen, seitlichen Verlängerungen sehr zar- ter Eier des Hundes finden. Eben so ist auch zu vermuthcn, dafs die Schaalenhaut oder das Chorion in den Tuben erst ent- stehe, ganz wie die Schaalenhaut des Vogels in dem Isthmus erst gebildet wird. Zwar glaubt v. Bär (Heusinger's Zeitschr. II, S. 177,), dafs die äufsere Membran des in dem Folüculus enthalte- nen Eichens zum Choriou werde. Allein einerseits widerstrebt dieses aller Analogie, da überdiefs sich dann, wie er auch behaup- tet (l. c. p. 23.), die Dotterhaut in den Tuben erst bilden müfste, anderseits war eine andere, äufsere Membran von ihm selbst nur nach der Maceration deutlich wahrgenommen worden (p. 11.) — eine Erscheinung, die sich an Hühnereiern, welche noch keine Schaalenhaut haben, ebenfalls wiederholt. Auch wäre es von In- teresse zu bestimmen, ob zur Sekretion dieser verschiedenen Ge- bilde auch verschiedene Conformationen der Schleimhaut in den Tuben sich vorfinden. Wenn nun das Eichen aus dem Folliculus herausgetreten ist, so wuchert nach v. Bär (1, c. p. 20. 21.) und z. Tb. nach Regner de Graaf die innere Lage des Folliculus zu dem sogenannten Cor- pus luteum. Der Anfang hierzu geschieht schon, während das Eichen in dem Folliculus noch enthalten ist. Sobald jenes aber diesen verlassen, ist der gröfste Theil des Letzteren mit einer röthlichen, fleischigtcn Masse gefüllt. Nur in der Mitte unter der OeflF- nung findet sich eine leere oder eine mit einer albuminösen Masse ausgefüllte Höhle, die bei dem Menschen am gröfsten zu seyu scheint (1. c. p. 22.) Nun schliefst sich, wie es scheint, zuvör- derst die Mündung y während später die Höhle immer kleiner wird, bis sie endlich ganz schwindet. So finden sich dann in dem Eierstocke mehr oder minder grofse, gelbe, röthliche oder bläuliche Körper, welche unter dem Namen der Corpora lutea bekannt sind. Diese fälschlich sogenannten gelben Körper (denn in den verschiedenen Thieren haben sie constantc, verschiedene Farben) werden mit Recht in jetziger Zeit allgemein als das sichei-ste Zeichen eines zerstörten Folliculus und herausgetretenen Elchen, also der geschehenen Befruchtung angesehen. Obgleich ihre Bil- dung und Entstehung schon von früheren BeobachteYn richtig an- 40 IL Das EI v. d, Momente s. Lostrennung v. Eierstocke. gegeben worden ist, so habe ich doch nach eigenen an Kaninchen angestellten Untersuchungen manche, nicht unwichtige Punkte hinzuzufügen. Hier ist aber der Procefs folgender. In Folge der Conception entsteht eine bedeutende Congestion des Blutes nach den Eierstöcken überhaupt und einzelnen FoUiculis ins Besondere. Diese werden von Netzen feiner Blutgefüfse durchzogen und neh- men an Volumen zu, wiewohl nur die gröfsten Folliculi von die- sem Processe ergriffen zu werden scheinen. Mit dem Beginne dieser Veränderung aber zeigt sich von der Innenfläche der Mem- bran des Folliculus aus eine röthliche, fleischigte Masse, welche den ganzen Umkreis derselben mit Ausnahme der Stelle einnimmt, wo das Eichen sich befindet, also mit Ausnahme des höchsten, nur von dem Bauchfelle überzogenen Punktes. Hierdurch wird nun zwar die Menge der in dem Folliculus enthaltenen Flüssig- keit nothwendig vermindert. Allein sie nimmt nicht in gleichem Maafse mit dem Erscheinen der röthlichen Masse ab , wird daher relativ reichlicher und sammelt sich nothwendig gegen die nur von dem Bauchfelle überzogene Seite hin an. Auf diese Art wird dieser nur von dem Peritoneum bedeckte Theil des Folliculus hervorgedrängt, indem einerseits die immer zunehmende, röthliche Masse und die in relativer Quantität zu grofse Flüssigkeit des Folli- culus anderseits wie eine Vis a tergo wirkt. Das Eichen selbst ge- langt an die äufserste Spitze der nur von dem Bauchfelle bedeckten Stelle. Diese wird immer dünner und zuletzt durchbohrt, so dafs das Eichen herausschlüpft, während es nur von sehr wenigem oder gar keinem, flüssigen Inhalte des Folliculus umgeben ist. An der Stelle des früheren Folliculus aber findet sich dann eine fleischigte Masse, welche in ihrem Innern eine kleine Höhlung hat, die durch eine Art von Ausführungsgang sich nach aufsen öffnet (s. die Ab- bildung bei Bernhardt 1. c. Fig. 29.). Nun wird die äufsere Oeff« nung durch eine kleine, hervorragende Warze geschlossen, die sich anfangs noch etwas zu vergröfsern scheint, später aber, wäli^ rend die Höhle im Innern von flcischigter Masse ausgefüllt wird, sich verkleinert und zuletzt ganz schwindet, so dafs dann endlich das Corpus luteum ein kugliches, gleichförmiges Geuilde dar- stellt. Vergleichen wir die Processe, durch welche die Natur den Austritt der Eier aus dem Ovarium der Vögel und der Säuge- thiere bewirkt, so sehen wir leicht, wie sie durch äufsere Ver- Erste Veränderungen d. inneren Geschlechtstheile etc. 41 hältnisse gezwungen wird, dieselben Effecte auf verschiedenen Wegen Iiervorzubringen, Bei den Vögeln geschieht dieses durch einfache Vergröfserung des Eies überhaupt und des Dotters ins Besondere. Da dieses aber bei den Säugethieren^ nicht angeht, so benutzt sie die erste Bildung der gelben Körper und das Con- tentum des Folliculus, um so vermöge einer J^is a tergo den- selben Endzweck zu erreichen. Doch wirken in beiden Fällen aufser der mechanischen Kraft noch die vitalen Kräfte, da das Peri- toneum und die Membran des Folliculus an der Austrittsstelle des Eichens nicht blofs mechanisch reifst, sondern mehr auf or- ganische Weise resorbirt wird. Aus dem eben dargestellten Hergange der Bildung der Cor- pora lutea erhellt deutlich, dafs das Contentum des Folliculus unmittelbar nach der Befruchtung von höchst untergeordnetem, vielleicht von gar keinem Einflüsse sey. Eben so kann die Scheibe des Folliculus, in welchem das Eichen eingebettet liegt, durchaus nicht als Keirnanlage gedeutet werden. Denn 1. fragt es sich noch sehr, ob sie noch mit in die Tuben gelange oder nicht. Für das Letztere scheinen meine eigenen Erfahrungen zu spre- chen, wiewohl sie es nicht mit aller nothwendigen Evidenz be- weisen. 2. Kann die Keimanlage nur innerhalb, nicht aufserhalb des Eies liegen. Unmittelbar vermag aber die Scheibe auf keine Art in das Eichen zu gelangen. Es scheint daher fast gewifs zu seyn, dals die Säugethiere vor der Befruchtung keine Keimscheibe, sondern ein blofses Keimbläschen besitzen. Ganz dasselbe ist auch bei dem Vogeleie in den frühesten Stadien seiner Entwik- kelung innerhalb des Eierstockes der Fall. Nach geschehener Conception zeigen sich aber auch an dem Fruchthälter und den Tuben gewisse Veränderungen , welche theils eine Folge der allgemein erhöheten Thätigkeit dieser Or- gane, theils eigenthümliche Lebensprocesse derselben sind. Zu- vörderst turgescirt das ganze System der inneren Geschlechts- theile. Manche Stellen desselben, wie z. B. das Orificium uteri u. dgl., werden fast schwarz von der Menge des enthaltenen Blu- tes. Die Tuben und die Hörner der Gebärmutter dehnen sich aus und die Enden der ersteren umfassen den Eierstock. Wäh- rend nun die Eichen sich zu ihrem Austritte aus den Folliculis vorbereiten, durch die Tuben hindurchgehen und sich in dem Uterus fixircn — ein Procefs* der bei dem Menschen 12 — 14 42 III. Das Ei während der Frucbtentwickelung. Tage zu dauern scheint, — finden sieh in dem Fruchtlialter manche veränderte Erscheinungen und Sekretionsproduktc. In dem Uterus der Säugethicre erheben sich die Falten und Zöttchcn auf eigen thümliche Weise, wie weiter unten noch ausführlich auseinander gesetzt werden wird, und eine bedeutende Menge von Schleim wird an der Innenfläche des Fruchthälters abgesondert. Auch bei dem Menschen geht ohne Zweifel etwas Analoges vor sich. So fan- den Home und Bauer (Meck. Arch. IV. S. 279.), angeblich 8 Tage nach der Befruchtung, eine Lage ausgeschwitzter Lymphe auf der Innenfläche des Uterus, welche ziemlich lange Fasern bildete. John Bums (Reils Arch. VIIL S. 380—382.) und später K. E. v. Bär (Untersuchungen über die Gefäfsverbindung zwischen Mutter und Frucht. 8.24.) haben Aehnliches beobachtet. Eduard Weber (s. Hilde- brandts Anatomie, besorgt v. E. H. W^eber. IV. S. 466.) fand 7 Tage nach der Conception die innere Lage des Uterus sehr geröthet, mit einer blasseren, weicheren, ^ — 1 Linie dicken Lage bedeckt, welche aus sehr vielen kleinen, senkrecht stehenden Cylindern bestand, die durch eine schleimigte Membran mit einander verbunden wa- ren. Alle Cylinderchen endigten mit einem runden, nicht ange- schwollenen Ende. Manche von ihnen aber hatten eine Länge von 2 — 3 Linien, indem die Lage, wo dieses der Fall war, Fal- ten bildete. Einiges hierher Gehörende s. unten bei Beschreibung der Decidua. Endlich wären hier die merkwürdigen Flimmerbewegungen zu erwähnen, welche Purkinje und ich an der Schleimhaut des Eileiters der Amphibien, Vögel und Säugethiere entdeckt haben. Da jedoch dieses Phänomen der ausgebildeten Schleimhaut der Genitalien in allen Stadien ihres Lebens und aufserdem der der Respirationsorgane angehört, so kann hier dasselbe nicht ausführ- lich und besonders berücksichtigt werden. Ich verweise deshalb auf die vorläufige Nachricht, die wir von dieser Entdeckung in Job. Müllers Archiv. Bd. I. Hft. 5. S. 391—400 gegeben haben und auf unsere Schrift: de phaenoineno generali motus vibra- torii. TVratisl. 1825. 4. III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. Wir kommen zu einer Periode des Eilebens, welche seit den ältesten Zeiten der beobachtenden Anatomie und Physiologie viel- III. Das Ei während der Fruchten Wickelung. 43 fach untersucht wordco ist und daher eine so grofse Menge von Be- schreibungen aufzuweisen hat, wie kein anderer Theil der Entwik- kelungsgeschichte. Wenn uns diese vielfachen Bemühungen eine Anzahl besonderer und einzelner Data geliefert haben, deren Ueber- sicht durch ihre Menge fast unübersehbar wird, so zeigt es sich nirgends deutlicher als hier, wie wenig wir solide Bereicherungen der Wissenschaft von isolirtcu und vereinzelten Beobachtungen zu erhalten im Stande sind, wie sehr der menschliche Geist strauchelt, sobald er die Entwickelung eines Organes, Organtheiles oder Ge- webes nicht durch Beobachtung vollständig verfolgt, sondern ent- weder durch Hypothesen ausschmückt oder die Lücken nach Ana- logien, Inductionen oder gar willkührlichen Principien ergänzt, sobald er das Untaugliche für Taugliches hält oder ausgiebt, und von krankhaften, degenerirten Produkten auf gesunde, die er gar nicht oder wenigstens nicht vollständig kennt, sich Schlüsse er- laubt — kurz sobald er Wege einschlägt, welche von denen der wahren und ächten Naturerkenntnifs sich entfernen. Freilich vereinigen sich hier auch eine Reihe der gröfsten Schwierigkeiten und Hindernisse mit einander. Die Beobachtung selbst ist nur schwer mit aller nothwendigen Sicherheit zu machen; noch schwie- riger ist es, die Gegenstände zu erreichen und selbst hierunter ist die bei Weitem gröfste Menge krankhaft verändert. Was man an Abortus gefunden, kann nur dann erst mit Sicherheit benutzt werden, wenn man Leichname genau untersucht hat von Frauen, welche in den ersten Monaten der Schwangerschaft gestorben sind. Sonst wird die Beobachtung unsicher und in Vielem noth- wendiger Weise unrichtig. Da aber der bei Weitem gröfste Theil der bisher bekannten Erfahrungen, welche hierher gehören, von der oben bezeichneten Art sind, so sieht man leicht ein, wie sie bei aller Richtigkeit und Treue der Beobachtung, bei aller Bürg- schaft durch grofse und ausgezeichnete Auctoritäten sowohl, als durch vielfache Bestätigung der verschiedenen Observationen, ihrer Natur nach von untergeordneter Bedeutung seyn, und jenen Er- fahrungen nachstehen müssen, welche aus den Untersuchungen der Leichen Schwangerer entnommen sind. Aber auch bei den Re- lationen dieser finden sich, wie wir bald sehen werden, noch Widersprüche in Menge. Ueberhaupt ist es auf diesem Gebiete der Entwickelungsgeschichte eine Hauptschwierigkeit, die Uebcr- sicht des durch die Literatur Gcgebcaen zu erhalten. Bei 44 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. manchen Dingen ist Vollständigkeit zu erreichen, fast durchaus ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man nicht etwa ein ganzes, voluminöses Werk über die Literatur eines einzelnen Gegenstan- des zu liefern Lust hätte. Die Wissenschaft aber würde durch eine solche Darstellung im Ganzen wenig gewinnen. Es würde nur ein neuer Beleg dafür seyn, wie sehr für uns das Reich der Möglichkeiten geöffnet ist, sobald das der Wirklichkeiten fehlt. Unsere Absicht kann nur seyn, Alles unter Hauptpunkte zusam- menzufassen und das Unwesentliche und Untergeordnete mehr an- zudeuten, als auszuführen. In dem Eie der Säugcthiere und des Menschen kommen aber drei verschiedene Verhältnisse während der Entwickelungszeit der Frucht in Betracht. Es giebt nämlich, zum Eie gehörende Theile, welche mittelbar oder unmittelbar durch die Thätigkeit des Fruchthälters erzeugt werden, 2) Theile welche dem Eie ei- genthümlich angehören und der Individualität des Embryo nur auf mittelbare Weise dienen und 3) Theile, welche entweder un- mittelbar in den Embryo übergehen und sich mit ihm verbinden, oder deren Formation von ihm ausgeht, sey es nun, dafs er ein abgegrenzter Theil von ihnen ist oder dafs eine Produktion von ihm diese Eitheile constituirt. Nach den genannten Momenten wollen wir die hierher gehörenden Objecte nun einzeln durchgehen. A. Die von dem Fruchthälter ausgeschiedenen Membranen und Flüssigkeiteu- Wir hatten es oben gesehen, wie sich in Folge der Befruch- tung Gestalt und innere Oberfläche des Uterus umändern. Er bleibt aber nicht blofs bei diesen Veränderungen stehen, sondern es bildet sich auch efne membranförmige Ausscheidung vor der Ankunft des Eies in der Höhle der Gebärmutter. Diese Bildung einer Haut, welche man Membrana decidua nennt, ist das Pro- dukt der erhöhten Thätigkeit des Uterus in Folge der geschehe- nen Befruchtung oder irgend einer bestimmten Reizung der Ge- schlechtstheile überhaupt. Sie entsteht nicht blofs früher, als das Eichen in die Cavität der Gebärmutter gelangt, sondern ßndet sich in manchen Verhältnissen ohne dafs überhaupt ein Eichen in dem Uterus enthalten ist. a. Bei Unfruchtbarkeit soll nicht selten eine blofse decidua ohne Ei abgehen (Burdach's Physiol. II. S, 74.), wie Denman, Evrat und Andere beobachtet haben. V. d. Fmchthälter ausgesch. Membranen u, Flüsslgk. 45 Doch bedürfen alle Fälle dieser Art der sorgfältigsten Prüfung, ob nicht das überaus kleine Eichen in oder an der decidua ent- halten sey. So war dieses wenigstens bei einer leicht concipiren den Frau, von welcher scheinbar eine blofse decidua abging, der Fall und wurde erst dann entdeckt, als das Eichen schon durch OefFnung der decidua zerstört worden war. (Vgl. J. Güntz de conceptione tubaria Lips. 1831. 4. p. 25. 26.) b. Wir haben es oben gesehen dafs wir noch keinen, mit aller nothwendigen Gewifshcit constatirten Fall baben, in welchem während einer vollkommen gesunden und normalen Schwangerschaft ein mensch- liches Eichen in den Tuben gefunden worden und besitzen daher keine unter diese Kategorie gehörende anatomische Untersuchung des Uterus. Dagegen kennen wir mehrere Fälle, in welchen bei etwas abnormen, hierher zu lechnendcn Produktionen der Fmchthäl- ter auatomirt worden ist. Hierher gehören die Erfahrungen von J. Hunter, Ev. Home und Bauer, Seiler u. A., wo sich eine ge- rinnbare, pulpöse Masse auf der inneren Oberfläche des Uferus vorfand. Auch will Velpeau (Heusinger's Zeitschrift für die or- ganische Physik Bd. 2. S. 69.) 5 Wochen nach der Empfängnifs ein Eichen, welches halb in der Tube, halb in dem Uterus steckte, gefunden haben, während in der Gebärmutier selbst als eine Am- pulle von der Gröfse eines Eies, die mit röthlicher Flüssigkeit gefüllt war, die decidua beobachtet werden konnte. Bei einer sechs- bis siebenwöchentlichen Schwangerschaft (Embryologie, p. 5.) fand er wesentlich dasselbe. Nur befand sich das Eichen schon in dem Grunde der Gebärmutter und war etwas adhärirt. So erwähnt schon W. Hunter (anatom. Beschreib, des schwang. Ute- rus S. 81.) zweier Fälle, in welchen der Fruchthälter kurz nach der Schwängerung untersucht wurde und wo sich innerhalb des- selben kein Ei, doch aber eine schon vollkommen gebildete deci- dua vorfand, c. In den bei Weitem meisten Fällen von Extrau- terinalschwangerschaften , wo das Ei sich entweder in dem Eier- stocke, den Tuben oder der Bauchhöhle befindet, hat man eine decidua innerhalb der Gebärmutter gesehen. Hierfür zeugen die Beobachtungen der beiden Hunter {Medic. Comment. qf Edinb. Vol. 4. p. 429. Anatomie des schwangeren Uterus übers, von Froriep 1802. 8. S. 82.), Böhmer (Obs. anat. var. fasc. I. p. 27. fasc. 2. p. 14.), Romieu, Clarke, Heim, J. Fr. Meckel (Mck- kcls palhol. Anat. Bd. 2. Ablh. T. 1816. 8. S. 163), C. F. Czihak 46 III. Das Ei während der Fruchlenlwlckelung. (de graviditate extrauterina Heidelberg. 1824. 4. p. 8. et 19), Carus (zur Schwangerschaft und Geburt Abthl. 2, p. 172), Heu- singer (Zeilschr. für die org. Physik Bd. 1. p, 337), Meniere (Froriep's Notiz. No. 312. p. 55), C W. Stoll {diss. illustrans graviditalis tuhariae casum, praeside Emmert. Tubing. 1819. 4. p. 5. 6), J. Güntz {de conceptione tubaria Lips. 1831. 4. p. 11. et p. 15. flg. 2. b) u. A. Nach J. Fr. Meckels pathol. Anat. (1. c. S. 163.) soll in der unter Ph. Fr. MeckeFs Aufsicht erschie- nenen Dissertation von Weinknecht, de conceptione extraute- rina. Hai. 1781. 4., auch die Bildung der decidua bei Schwan- gerschaft aufserhalb der Gebärmutter erwähnt werden. Doch finde ich nirgends einen bestimmten Ausspruch, höchstens einige aligemeine und unbestimmte Andeutungen davon in der genann- ten Schrift (p. 5. et 9). Die neuesten Beobachtungen haben aber wiederum die Allgemeinheit dieses Factums zweifelhaft gemacht. So vermifste sie Lee in dem Uterus einer Frau, welche im neun- ten Monate der Schwangerschaft gestorben war, und Velpeau fand die hinfällige Haut unter drei hierher gehörenden Fällen nur ein Mal (Vgl. Alf. A. M. Velpeau embryologie ou ovologie humainc. Paris. 1833. Fol. p. 9). d. Wenn bei einem zweigehörnten Ute- rus die eine Hälfte concipirt hat, so findet sich auch in der lee- ren Hälfte der Gebärmutier eine Membrana decidua. So sahen es Hunter, J. Fr. Meckel (palhol. Anat. Bd. I. S. 684.), A. Floer- ken {de superfoetatione. 1830, 4. p. 3.) u. A. In dem Falle von Purcell, dessen Meckel (1. c.) schon Erwähnung thut und den Clift und Lee von Neuem untersucht haben, fanden diese letzteren keine Spur der decidua. (Vgl. Velpeau Embryologie p- 9.) Jedoch hat anderseits Lee in neuester Zeit eine Beobach- tung bekannt gemacht, nach welcher in einem Uterus bicornis ein Ei in dem rechten Home gefunden wurde, in dem linken Hörne dagegen sich eine decidua zeigte, welche gegen den Mut- termund blind endigte, an der Einmündung der linken Tube aber eine kleine OefTnung hatte (S. Medico-chirurg. transact. 1832. Pabst's mediz. Zeit. 1834. S. 303. 304). Es scheint also aus al- len diesen Beobachtungen wenigstens so viel zu folgen, dafs die Bildung der decidua nicht von dem Eie ausgehe, sondern das Pro- dukt einer eigenthümlichen Thätigkeilsäufscrung der Gebärmutter sey, dafs sie schon existire, wenn das Eichen in den Tuben an- lange und durch dieses dann auf secundäre Weise die Vcrände- V. (1. Fruchlhälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk. 47 rungen eingehe, welche wir bald näher zu betrachten Gelegen- heit haben werden. Alle Angaben, welche wir über die Verhältnisse der Mem- brana decidua besitzen, sind nicht, wie es hei anderen vollständig beobachteten und durch alle Momente verfolgten Naturgegenstän- den der Fall ist, blofse Relationen von Erfahrungen. Man sieht es fast säramtlichen Darstellungen an, dafs eine gewisse Theorie, die subjective Anaahme eines gewissen Vorgangs auch die besten NaJurforscher leitete, weil Alle statt der einzelnen Beobachtimg zusammengestellte Entwickelungsvorgänge zu liefern sich bemüh- ten. Wenn es daher auch keinen Punkt in der Geschichte der decidua gicbt, über den Alle einig wären, so läfst sich doch bei Vielen wenigstens eine gewisse Parallele zwischen ihren einzel- nen consequenten Behauptmigen keinesweges verkennen. Wir wollen es daher versuchen die Hauptpunkte unter gewissen Ru- briken abzuhandeln. Einige bei dieser Methode ebenfalls noth- wcndige Wiederholungen niufs die Natur des Gegenstandes selbst entschuldigen. a. Anwesenheit der decidua. 1. In dem Thierreiche überhaupt. Nacli dem eben Gesagten müssen wir die Idee festhalten, dafs die Memhi'ana decidua ein Sekret der Gebärmutter und kein primärer Theil des Eies sey. Sie kann daher vollständig mu" in der Klasse der Säugethierc vorkommen, wo sie, wir Bur- dach (Physiol. II. S. 72. fgg.) sagt, einen Theil des Genistes ver- tritt. Mertens (Mcck. Arch. 1827. 6. 315.) hat defshalb gewifs Un- recht, wenn er sie in dem bebrüteten Hühnereie sucht. Dutro- chet (Meck. Arcli. V. S. 570.) vergleicht die hinfällige Haut mit der Schaalenhaut auf eine nicht minder willkührliche, als einsei- tige Weise. Was aber die Berichte über die Existenz der deci- dua in der Klasse der Säugethiere betrifft, so lassen sich die hierüber bekannt gewordenen Ansichten unter folgende Rubriken bringen, a. Einige hatten die als dicke Membran bei dem Men- schen vorkommende, hinfällige Haut kennen gelernt und such- ten eine Hülle von gleicher Qualität in der Klasse der Säu- gethiere, die sie aber hier entweder gar nicht oder nur in den dem Menschen am nächsten stehenden Thieren beobachteten. So schrieb J. Hunter (Bemerkungen über die thierische Ökonomie 84 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. übersetzt von Scheller 1802. 8. S. 198.) eine decidua nur dem Affen- und Menschengeschlechte zu. Oken (S. s. und Kieser's Beiträge zur vergleichenden Zoologie Anatomie und Physiologie Bd. I. Hft. I. S. 9.) hatte zuerst in dem Uterus von Schweinen, in welchem Junge enthalten waren, denen nur drei Wochen zur Reife fehlten, eine zarte durchsichtige und farblose Membran gefunden, welche sich nur durch Eiublasen erheben liefs und in einzelnen Stücken zu trennen war. Er glaubte aber mit Recht (p. 10.), dafs dieses durchaus nicht der decidua des Menschen gleich wäre. Durch die Anatomie von Hunde-Embryonen und ihrer Eitheile kam er alsdann zu dem Schlüsse (1. c. Hft. 2. p. 2) dafs die innere oder Gefäfshaut des Uterus fehle und an ihrer Stelle eine decidua sich bilde. Späterhin (Ilsis XX. p. 371.) wiederholte er dieselbe Behauptung mit dem Unterschiede, dafs die decidua vera allen Säugethiercn zukäme; die reßexa dagegen nur detn Menschen eigenthümlich sey. Auch Samuel i^de ovorum mammaliuin ve- lamentis. FFircehurgi p. 18.) läugnet auf diese Weise ihre Exi- stenz bei den Säugethiercn. b. Andere gingen von der Idee aus, dafs ein gallertartiger, mehr oder minder fester Stoff, welcher sich zwischen der inneren Oberfläche des Uterus und dem Chorion in der Klasse der Säugethiere findet, der Membrana decidua entspräche und dafs auf diese Weise die hinfällige Haut allen Säugethiercn allgemein zukomme. So hat schon Needham {disquisitio anato- mica de formato foetu. Lond. 1667. 8. p. 177.) aus dem Schweine eine Masse eigenthümlicher Art beschrieben, welche von Einigen als decidua gedeutet wird. Eben so berichtet von ihr aus den Säugethiercn in's Besondere aber aus der Kuh mit mehr oder minder Ausführlichkeit Stalpart van der Wiel (S. Lob- stein über die Ernährung des Fötus übers, von Kestner. Halle 1804. 8. S. 14.). Wenn die äufsere Haut, von welcher Haller {Elem. . physiol. Vni. p. 185) spricht und für die er den angeblich alten Namen Chorion beibehält, die decidua in der That ist, welches feich wenigstens nicht mit Evidenz erweisen läfst, so findet sie sich nach seinem Zeugnisse bei allen Säugethiercn, selbst denen, wel- che keine höher gebildete Placenta haben, wie z. B. dem Schweine. Lobsteiu (1. 0. S. 14.) hat sie bei der Kuh und dem Schaafe als eine weiche, breiartige Masse gefunden und ihre Gefäfse (S. 15.) durch Tnjectionen dargestellt. Bojanus spricht einerseits bei der Beschreibung sehr zarter Hundeembryonen gar nicht von der de- cidua-. V. d. Fruchthälter ausgeseh. Membranen a. Flüssigk. 49 cidua, sondern nur von zwei Lamellen des Chorion, anderseits erwähnt er der hinfälligen Haut, als einer rothen, zottigen und schwammigten ölembran {No7j>. Acta. Äcad. Leopold. Carol. N. C. Vol. X. p. 141.). Nach Dutrochets Untersuchungen (Meck. Arch. V. S. 565.) ist sie bei dem Schaafe eine gefäfslose Haut, welche durch Maceration in Schuppen abfällt. In einer Menge anderer Säugethiere haben sie Emmert (Meck. Arch. IV. S. 185.), Breschet {Mein, de Täcad. roy. de medecine. Vol. IL p. 36. ///. u. a. V. a. O.), Velpeau (Embryologie p. 8.) u. A. gesehen. Der Letztere spricht sich dahin mit Bestimmtheit aus. dafs die Ca- duca reflexa nur dem Menschen zukomme, c. Endlich gehen Einige in ihren Untersuchungen von den Thieren aus und erlau- ben sich von diesen Schlüsse über die Verhältnisse der decidua bei dem Menschen. So hatten wir schon oben gesehen, dafs Oken auf diese Weise verfuhr. Jörg (die Zeugung S. 18. fgg. und Meissner anidmad'vers. nonnullae ad doctrinam de se- cundinis et superfoetatione. Lips. 1819. 4. p. 2. fgg.) sah die gefäfsrciche innere Oberfläche des Fruchlhälters für die decidua bei den Thieren an, hält sie daher zum Theil consequent mit der pla- centa materna für identisch und läugnet die Anwesenheit einer decidua reßexa in dem Menschen, v. Bär (Untersuchungen über die Gefäfsveibindung zwischen Mutter und Frucht. Leipz. 1828. Fol. p. 2-4.) spricht sich, nachdem er die Veränderungen der inneren Oberfläche der Gebärmutter beschrieben, geradezu für Okens Ansicht aus, dafs decidua und Scbleimhaut der Gebär- mutter eines und dasselbe seyen. Endlich ist hier noch die auf Irrthümern beruhende, abentheuerliche Ansicht von Coste {Revue medic. Fevrier. 1834. p. 285.) zu erwähnen. Nach ihm ist die sogenannte Caduca eine Art von Eiweifs, ähnlich dem der Vö- gel. Es existirt noch nicht in dem Uterus bei der Ankunft des Eies und bildet später um dasselbe eine homogene Masse, welche aus mehreren Lagen besteht. Nur an der Stelle des Embryo (fache emhryonaire) ist es dünn und durchsichtig. Offenbar wird hier nur das schon längst durch Cuvier und Bär gekannte Eiweifs des Säugethiereies beschrieben. Wir selbst glauben nach unseren Beobachtungen folgendes hierüber festsetzen zu können. Da ohne Zweifel die decidua ein Product der Thäligkeit der Gebärmutter und nicht des Eies ist, so läfst es sich schon im Voraus erwar- ten, dafs nur bei denjenigen Thieren diese Haut den hohen Grad 50 in. Das Ei während der Fruclilcntwickelung. ihrer Bildung erreichen werde, in welchen der Uterus eine hö- here, selbstsländigere Form erlangt hat. Daher sehen wir sie so sehr in Form einer bestimmten und diclifen Membran in dem Menschen und nächst diesem nach Hunters Erfahrung auch in dem Affen ausgebildet. Bei den übrigen, bis jetzt hierauf untersuchten Säugethieren , wo der Uterus oder die Stelle, in welcher das Ei sich entwickelt, in seiner Ausbildung zwischen Tuben und Gebär- mutterkörper die Mitte hält, kann die decidua nicht jenen hohen Grad von Bildung erreichen, den sie in dem Menschen und dem Affen hat. Allein hier kommt noch ein anderes für diese Mem- bran ungünstiges Verhältnifs hinzu. Bei dem Schweine nämlichj welches, wie von Bär schon erwiesen, eine über das ganze Ei sich ausdehnende Placenta hat, mufs die decidua um so unkennt- licher werden, je mehr die Zotten des Chorion sich zwischen die Zottenfalten der inneren Oberfläche des Uterus hincinbilden. Aber auch abgesehen davon, dafs man hier nur in frühester Zeit der Entwickelung ein schleimiges, keincsweges membranöses Wesen sieht, welches mit einigem Grunde für die decidua ausgegeben werden könnte, ist es selbst in frühester Zeit kurz nach dem Platzen der Eichen noch überaus gering. Wenigstens fand ich in einem frisch untersuchten Falle seine Quantität sehr unbedeu- tend. Anders ist es in dieser Rücksicht schon in der Klasse der Wiederkäuer. Vor der Bildung der Kotyledonen ist hier eine gallertartige Schicht zu beobachten, welche das ganze Ei zu über- ziehen scheint. Späterhin findet sich eine ähnliche gelatinöse Masse in den einzelnen Kotyledonen zwischen Mutter und Frucht- antheil, welche Harvey schon kannte und die mit der decidua des Menschen vielleicht auf entfernte Weise in Vergleich gebracht werden könnte. Ueber das Ei der Raubthierc fehlen mir in die- ser Beziehung eigene Beobachtungen in hinreichender Menge 2. In dem Menschen ins Besondere, a. Ihre Existenz überhaupt. Man hat mit vielem Aufwände von Gelehrsamkeit und Scharf- sinn zu ermitteln gesucht, welcher Naturforscher zuerst die hin- fallige Haut gesehen habe. Unter denjenigen, welche dieses zu enthüllen sich bemüheten, sind vor Allen Lobstein (1. c. S. 10. ^^»f^l®) unä' fn Jieiiester Zeit Velpeau (Embryologie p. 1. 2.), vor- C)* zöglidP^aher Bres^het (iir^ r,V V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk. 51 zu nennen. So sehr dieses Bestreben auch zur Begründung un- serer literarischen Kenntnisse beitragen kann, so stehen ihm doch zwei Hindernisse entgegen, welche den Werth solcher Bemühun" gen um nicht Weniges beeinträchtigen. Denn erstlich liegt es in der Natm* der Sache, dafs Dinge, wie die decidua, sehr leicht gesehen werden, besonders da sie nicht selten theil weise oder ganz an den durch Abortus entfernten Eiern haftet, ja, z. B. nach Bischoff (Beiträge zur Lehre von den Eihüllen des mensch- lichen Fötus. 1834:. 8. S. 21.) selbst an dem ausgetragenen Eie nie fehlt. Es handelt sich daher hier nicht darum, wer sie über- haupt gesehen, sondern die Hauptfrage bleibt vielmehr die, wer sie zuerst vollständig und richtig gesehen, in allen ihren Verhält- nissen beobachtet und erkannt habe. Zweitens mufs man beden- ken, dafs alle älteren Beschreibungen von Eihäuten in gewissem Grade für uns unverständlich, wenigstens nicht ganz sicher zu deuten sind, da zu jener Zeit Mancher gerade die Genauigkeit in der Anatomie darin zu finden glaubte, ein Organ oder einen Or- gantheil inr echt viele Membranen, und seyen diese noch so sehr er- künstelt, zu zerfallen. Auch wechseln die Ausdrücke auf die freieste Weise, so dafs schon zu der Zeit des Erscheinens der älteren Werke der ündeutlichkeiten genug existirten. Einen Beleg zu dem Ge- sagten kann uns die Angabe des ersten Entdeckers der decidua geben. Nach Lobstein (1. c. p. 10.) und Breschet (1. c. p. 4.) soll Aretäus von Cappadocien zuerst die decidua erwähnen, wäh- rend er nach Velpcau {Embryologie p. 1.) keinen Begriff davon hatte. Das Wahre ist aber hier dieses, dafs der genannte Schrift- steller nur von zwei Membranen spricht, von denen die eine in- niger an dem Uterus hafte, die andere mehr zu dem Eie selbst gehöre. Nur um der Vollständigkeit zu gnügen, fügen wir Eini- ges über die ältesten Schriftsteller nach Breschets Angaben (1. c. p. 3. 93.) hinzu, bemerken aber ausdrücklich, dafs meistens hier nur von Wahrscheinlichkeit, nicht aber von Gcwifsheit die Rede seyn kann. Nach Breschet kannte Aretaeus Cappadox zuerst die de- cidua. Arantius dagegen spricht nur von einer nicht einfachea Substanz. Fabrizius ab Aquapendente unterscheidet zwei Lagen, nämlich eine schwärzliche, dem Leber- oder Milzparenchym ähn- liche und eine andere, weifse und schleimige. Fallopius war die decidua bekannt; nicht aber Vesal und Spigel. Dagegen kannte sie Harvey, während Ruysch nur das Chorion beschreibt. Hobo- 4* 52 III. Das Ei während der Fruohtentwickeliing. kcn nennt Chorion, Amnion und Allantois und deutet vielieicht nur an einer Stelle auf die decidua hin. Rouhault kannte sie wahrscheinlich von dem Menschen. Eben so Haller und Stalpart van der Wiel, welcher Letztere sie für eine Fortsetzung des Cho- rion ausgiebt. Albinus hat nur undeutliche Begriffe von ihr und bei Böhmer kommt sie unter dem Namen substantia Fibro-spon- giosa vor (Breschet 1. c. p. 3 — 14,). Aus unserer Lecture dage- gen glauben wir entuehmen zu können, dafs Ruysch und Albinus die Haut wenigstens theilweise gekannt haben. — W. Hunter hat unstreitig das grofse Verdienst, ihre Existenz als gesondertes Ge- bilde nicht nur ausgesprochen, sondern auch zuerst mit Sicherheit dargethan zu haben, dafs die hinfällige Haut aus zwei in einan- der gesackten Membranen bestehe, von denen er die äufsere wahre hinfällige Haut, Membrana decidua vera, die innere umgeschla- gene, hinfällige Haut, Membrana decidua reßexa, nannte. (Ana- tomie des schwangeren Uterus übers, von Froriep. S. 78.). Durch diese Arbeit auf diese Membran gelenkt, bestätigten fast alle Ana- tomen die Angaben des englischen Naturforschers. Nur Jörg (1. c. S. 21.), Samuel (1. c. p. 61.), Maygrier (bei Breschet 1. c. p. 63.) u. A., so wie Seiler nach einer früheren Darstellung (Pie- rers anatomisch -physiologisches Realwörterbuch Bd. II. Leipz. 1818. S. 459.) läugneten die Rellexa. Maygrier (bei Breschet 1. c. p. 63.) hielt die von Hunter beschriebene decidua für die äu- fserste Lamelle des Chorion, eine Ansicht, welche vor W. Han- ters Darstellung in der Hallerschen Schule besonders verbreitet war und die in neuester Zeit bei Granville (Froriep jun. in Cas- ^ per's Wochenschrift 1834. S. 373.) wiederkehrt. Oslander da- gegen unterschied zwischen der Membrana decidua vera oder seiner Membrana mucosa und Membrana decidua reflexa oder seiner Membrana crassa noch ein drittes Blatt als so- genannte Membrana cribrosa. Endlich hat Dutrochet ( s. Velpeau Embryologie p. 2.) die Anwesenheit der decidua gänz- lich geläugnet, während Chaussier unter seinem epicliorion ca- duca Vera und reflexa begreift (bei Breschet p 40.). — Durch Bojanus (Isis 18. 21. S. 268.) wurde, wie späler genauer noch dargestellt werden soll, die Annahme eines dritten eigenen Blattes, weiches Manche vor ihm schon geahndet hatten, wahrscheinlich ge- macht und für dasselbe der Namen decidua serotina vorgeschla- gen. Dieser Name wurde von den meisten späteren auch ange- V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk. 53 nommeü so wie die Existenz einer solchen Lamelle zum Theil bestätigt. ß. Ihre Existenz in den verschiedenen Monaten der Schwangerschaft. W, Hunter (1. c. p. S. 75.) sprach sich für ihre Existenz während der ganzen Schwangerschaft aus und gab die Methode an, durch welche man sich von ihr an der Nachgeburt überzeu- gen könne. Dasselbe bestätigten Metzger (bei I)anz Grundrifs der Zergliederungskunde des ungeborenen Kindes 1. 1792. 8. S. 22.), Lobstein (1. c. S. 8.) Velpeau (Embryologie p. 6.), BischofF (1. c. p. 21.) und noch viele Andere. R. Wagner (Meckels Areh. 1830. S. 88.) beschrieb die decidua noch aus dem Fruchthälter einer Frau, welche in dem siebenten Schwangerschaftsmonate verstor- ben war. Eben so fand er sie in einem Uterus aus dem dritten Monate der Schwangerschaft (S. 85.) in einem sehr hohen Grade von Ausbildung. Nach Moreau (bei Breschet p. 33.) ist die de- cidua um so mehr entwickelt, je näher die Frucht dem dritten Monate sich befindet. Nach Meckel (Menschliche Anatomie IV. S. 699.) ist sie in den früheren Schwangerschaftsperioden locke- rer mit der Gebärmutter verbunden, als später. Auch wird sie mit der Zeit dünner und auf ihrer Innenfläche glätter. Das Letz- tere ergiebt sich auch aus den Erfahrungen von Hunter, Lobstein, Moreau, Burdach, Breschet, Velpeau u. A. b. Aeufsere und innere Conformation der decidua vera und reflexa. Da die wahre hinfällige Haut ein Product der Schleimhaut des Uterus oder gar wie Einige, jedoch mit Unrecht, glauben, ein Theil dieser Schleimhaut selbst ist, so wird sie natürlich in ihrer äufseren Gestaltung auch die Form der inneren Cavität des Uterus nachahmen. Es kommen aber zwei Fragen, welche von den Schriftstellern auf das Verschiedenste beantwortet worden sind, hierbei in Betracht, nämlich 1. Wie vei'hält sich die äufsere Be- grenzung der decidua vei^a an drei Mündungen des Uterus, d. h. an den Einmündungen der Trompeten und dem Gebärmutter- munde? nnd 2. Ist die decidua 'cera ein überall geschlossner Sack oder nicht? Die Antworten, welche doch blofse Resultate einfacher Untersuchungen seyn sollen, fallen hier nach den verschie- 54 III. Das Ei während der Fruchlentwickelung. denen Schriftstellern so verschieden aus, dafs sich Facta nur mit einigem Grade von Wahrscheinlichkeit annehmen, nicht mit Ge- wifsheit bestimmen lassen. Nach W. Hunter (anatomische Be- schreibung des schwangeren Uterus S. 73.) ist der Theil der de- cidua, welcher sich in der Nähe des Gcbärmutterhalses befindet, sehr dünn und mit wenigen sichtbaren Gefäfscn versehen. Gegen die placenta zu wird sie dicker und trennt sich in zwei Lamel- len, welche beide Flächen des mütterlichen Antheiles der Pla- centa überziehen. An jungen Eiern von einigen Wochen (S. 77.) erstreckt sich die wahre decidua bis zu dem Anfange des Gebär- mutterhalses und eine kleine Strecke in den Anfang der fallopi- schen Röhren hinein. Nach Lobstein aber (1. c. S. 5.) sitzt sie im fünften Mouate der Schwangerschaft fester an der inneren Mündung des Halses der Gebärmutter an. Nach Sandifort dage- gen soll die decidua an den Mündungen der Trompeten und dem Muttermunde fehlen. (Bei Breschet p. 22.), worin Krummacher (Diss. sist. observ. qiiasdam anat. circa velamenta ovi hu- mani. Duisb. 1790. bei Breschet p. 24.) mit ihm übereinkommt. Nach Meckel (menschliche Anatomie IV. S. 701.) reicht sie nie bis über den inneren Muttermund. Der Hals der Gebärmutter aber wird durch einen gallertartigen Pfropfen verschlossen. Sie soll sich nach J. Hunters Angabe besonders in die Trompete der Seite fortsetzen, in deren Eierstock der gelbe Körper sich finde, während Tiedemanu (Anatomie der kopflosen Mifsgeburten 1814. Fol. p. IV.) die Fortsätze in die Tuben überhaupt bestätigt. Ca- rus (Zur Schwangerschaft und Geburt 2. Bdchen S. 6.) glaubt, dafs sie in den Muttermund und die fallopischen Röhren eindringe, während sie nach Burdach (Physiol. II. S. 73.) an den Tuben oder in den Hals des Uterus sich eine kleine Strecke fortsetzt, an der letzteren Stelle aber überhaupt dünner, lockerer und mit weniger Gefäfsen versehen ist. Auch Adelon nimmt {Phyolsiogie de TJiomme. Vol. IV. Paris. 1824. 8. p. 136.), wie er angiebt, nach den bestätigenden Erfahrungen von Krummacher und Du- trochet diese Fortsätze an. Das von Heusinger (Zeitschr. für erg. Physik II. S. 514.) untersuchte Ei zeigte die Fortsätze in die Tuben, wie sie Carus (1. c. tab. I. Fig. II.) abgebildet hatten am Gebärmutterhalse aber fand sich hier sowohl, als auch in anderen Fällen die Substanz der hinfälligen Haut zwar zarter und wei- cher, doch ohne Spur von wahren Oeffuungeu. R. Wagner (Meck. V. d. Fruchth älter ausgesdi. Membranen u. Flüsslgk. 55 Arcli. S. 86.) sah in einer dreimonatlichen Schwangerschaft an der inneren Fläche der decidua kleine Grübchen von einigen kreisförmigen Fältchen umgeben, welche Grübchen den Mündungs- stellen der Trompeten entsprachen. Einige Linien von dem Mut- termunde dagegen entsprang jederseits ein länglich runder Lappen, welche zusammen den Eingang des Muttermundes verschlossen. Die decidua war hier dicht an die innere Fläche der Gebärmutter geheftet und ihre Oeffnung nur durch diese Lappen verstopft. In einem Fruchthälter aus dem siebenten Monate fand er (S. 89.) an der Mündungsstelle des linken Eileiters eine ähnliche Grube, wie in dem vorigen Falle; an der MuttermundsöflFnung dagegen war die hinfällige Haut entschieden oiTen. In den Abbildungen des von Joh. Müller nnd Bock {de membrana decidua Hunteri. Bonnae 1831. 4. Fig. I — ///.) untersuchten Eies kann man die in den Gebärmutterhals gehende Verlängerung der decidua deut- lich erkennen. Von Fortsätzen in die Tuben ist jedoch keine Spur augedeutet. Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Men- schen in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Dresden. 1832. Fol. p. 30.) glaubt, seiner unten noch näher zu erörternden Theorie consequent, dafs die Mündungen der Trompeten und des Gebär- mutlerhalses frei seyen, dafs sich nur in dem oberen Theile des Collum uteri ein gallertartiges Gerinsel finde. Nach der Bildung der decidua reflexa und der ferneren Ausbildung der decidua i)era werde diese freie Communication aufgehoben. Nach Bre- schet (Mem. de Täcad. roy. de Medec. Vol. II. p. 97.) finden sich zwar die Verlängerungen in die Tuben, sie sind aber keine blofse Fortsätze der decidua, und eben so wenig (wogegen sich schon Burdach (Physiol. IL S. 73.) ausgesprochen), wie Dutrochet glaubte, ein Analogon der Chalazen, sondern sie sind vielmehr im- mer solid. Nach dem Munde der Gebärmutter aber (p. 98.) geht kein solcher Fortsatz, sondern jener wird durch einen eigenen Gallert- pfropf geschlossen. Wahrscheinlich dienen alle diese Anhänge zur Fixirung der decidua. Velpeau (Heusinger's Zeitschrift. IL S. 68.) giebt an, dafs die decidua zuweilen Fortsätze in den Gebär- mutterhals und die Trompeten schicke. Wir selbst haben alle drei Fortsätze in dem fünften Monate deutlich gesehen. An den Tuben waren es längliche, gracile gallertartige Massen ohne Höh- lung, die aber so dicht an der decidua hingen, dafs sie bei dem Abziehen derselben leicht aus der Höhlung der Trompeten her- 56 III. Das Ei während der Fruohtentwickelung. ausgezogen werden konnten und in ihrem Zusammenhange mit der decidua vera hlicben. In dem Halse der Gebärmutter fand sich ein einfacher, dicker, gallertartiger Pfropf, welcher ohne allen innigen Zusammenhang mit der decidua vera war und bei der Trennung dieser an seiner Stelle sitzen blieb. Diesem schreibt R. Wagner (Isis 1832. S. 785.) eine eigenthümliche Organisa- tion zu. — Eine zweite, bei Weitem wichtigere Frage ist die, ob die decidua immer oder nur zu einer bestimmten Zeit Oeff- nungen habe oder einen von allen Seiten geschlossenen Sack bilde. Die Antworten der Schriftsteller fallen hier so verschie- den aus, dafs selbst Einige, wie R. Wagner, zu dem Resultate zu gelangen glaubten, dafs die Natur hier in verschiedenen Fällen ver- schiedene mögliche Verhältnisse wirklich realisirt habe. Nach Bock (1. c. p. 10.) findet sich in den Abbildungen und Darstel- lungen von Blancard, Heister, Madai, D. Chr. Burdach keine Spur eines Loches. So wahr dieses auch ist, so mufs man doch an- derseits bedenken, dafs die meisten dieser Abbildungen noch ziem- lich roh und unvollkommen sind, dafs sie gröfstentheils durch Abortus entfernte Eier betreifen, bei denen die Entscheidung bei Weitem schwieriger und unsicherer ist, als bei der Untersuchung des ganzen Frucht hälters, dafs man endlich nur zu leicht Punkte, auf die man noch nicht aufmerksam geworden, übersieht. W. Hunter (anatomische Beschreibung des schwangeren Uterus. S. 77.) beschreibt im Allgemeinen die kleinen OeflFnungen der in die Tu- ben sich hineinerstreckenden Fortsätze und fand in einem schwan- geren Uterus von zwei Wochen (?) die decidua im Anfange des Gebärmutterhalses so fein, wie die Retina, aber ohne Löcher. In späteren Perioden der Schwangerschaft scheint sich jedoch die decidua vera zu trennen nnd so hier eine wahre Oeffnung zu haben. Aufserdem stellt er (anatomia uteri gravidi tob. XXXIp^.) alle drei Oeffnungen aus mehreren Eiern dar. J. Hun- ter soll nach Meckels Angabe (menschliche Anatomie IV. S. 701.) dieses Factum dahin berichtigt haben , dafs man sie schon im er- sten Monate verschlossen finde. Nach Breschets Bericht (1. c. p. 17.) ist nach J. Hunter die decidua an der hinteren Fläche der Gebärmutter gegen die Tuben hin dichter und hängt hier auch fester an. Nach Sandifort (Obs. anat. pathol. L. B. 1117. lib. 2, cap, i. p. 5. bei Breschet p. 22.) fehlt die decidua vera an den Trompetenmündungen und an dem Muttermunde. Krumma- V. d. Fruchtliälter ausgescb. Membranen u. Flüssigk. 57 eher (1. c. bei Brescliet p. 24.) und Bums (Hunter's anat. Be- schreib, d. Uterus S. 80. 81.) stimmten in ihrer Annahme und Beschreibung der Oefihungen mit W. Hunter überein. Blumen- bach {institutiones physiologicae ed. II. 1798. 8. p. 438.) läfst die Membrana decidua vera s. crassa an den drei Mündungs- stellen durchbohrt seyn und deutet in seiner Abbildung (tab. IV. Fig. I.) die eine Oeffnung an der Mündungsstelle der Trompete an. Nach A. C. Reufs {phs. circa structuravi vasorum in placenta humana. Tubing. 1784. p. 53. bei Danz 1. c. I. S. 21.) soll die ganze decidua vera zuweilen unbeschädigt bei der Geburt ab- gehen, die drei Oeffnungen zeigen und sich hierdurch von der refleoßa unterscheiden. Lobstein (über die Ernährung des Fötus übers, von Kestner S. 6.) hat die drei Oeffnungen der hinfälligen Haut nie gefunden, giebt jedoch zu, dafs sie in der ersten Zeit der Schwangerschaft existiren können. An der inneren Mündung des Halses der Gebärmutter sitzt die decidua aber so fest, dafs sie nur mit Zerreifsung von ihm losgetrennt werden kann. Gardieu läugnet die drei Löcher der decidua gänzlich. Eben so wehig konnte Tiederaann (1. c. p. IV.) die Oeffnungen an den Tuben finden, bestätigte aber die Oeffnung an dem Muttermunde. Mo- reau {essai sur la disposition de la memhrane caduque, sa formation et ses usages par F. S. Moreau. Paris 1814. p. 12. Bei Burdach Physiol. S. 73. bei Breschet 1. c. p. 32.), Samuel (1. c. p. 16.), Rosenmüller (s. Bock. 1. c. p. 11. 12.) konnten alle drei Oeffnungen gar nicht sehen. Meckel (menschliche Anatomie IV. S. 701.) glaubt, ganz, wie es scheint, durch fremde Erfahrun- gen geleitet, dafs nach dem ersten Monate die Mündung an dem Halse der Gebärmutter, nach dem zweiten dagegen auch die an den Tuben schwinde. Bojanus (Isis 1821. S. 268.) spricht von den Oeffnungen an den Trompetenmündungen als etwas Bekann- tem und Constatirtem, wiewohl er sie in seiner schematischen Abbildung nicht dargestellt hat. Nach Carus (1. c. II. S. 6.) is't die decidua nach dem Muttermunde hin offen und würde es auch in den beiden Trompeten ebenfalls seyp, wenn sie nicht bei dem Eindringen in die Tuben zusammengedrückt würde. Pockels (Isis 1825. tab. XIII. Fig. 2.) bildet, dem Halse der Gebärmutter ent- sprechend, eine grofse und an den Tuben zwei kleine Oeffnungen ab. Gegen die Existenz von Oeflfnungen erklärt sich Adelon (Physiologie de V komme IV. p. 136.) und erkennt gar keine 58 III. Das Ei während der Fruchtentwickelimg. Oeffnung an, während nach Heusinger (Zeitschrift für die organ. Physik II. S. 514.) an den Mündungen der Tuben durchaus keine existirt, die decidua dagegen an dem Gebärmutterhalse immer zarter wird, so dafs sie hier äufserst leicht zerreifst. Nach unten aber befindet sich (dslb. Zeitscbr. Bd. 1. S. 465.) ein gallertarti- ger Pfropf, welcher die Mündung der Gebärmutter schliefst. Burdach (Physiol. II. S. 73.) sah deutlich, wie die Mündungen der Tuben von der decidua verschlossen wurden; in der Nähe des Muttermundes dagegen ist sie nur dünner, lockerer und weniger gefäfsreich. R.Wag- ner, welcher der irrthümlichen Ansicht ist, dafs John Hunter dieOefF- nungen der decidua genau beschrieben habe (Meck. Arch. 1830. S. 76.), folgert aus der Reihe der ihm bekannten Beobachtungen (S. 100.), dafs die hinfällige Haut entweder eine überall geschlossene Blase darstelle oder dafs sie nach unten und an einer oder an allen bei- den Trompetenmündungan offen sey. Dafs Seiler in Consequenz seiner Ansicht der decidua überhaupt drei Oeffnungen annimmt, welche später geschlossen werden 5 haben wir oben schon ange- führt. Velpeau (Heusinger's Zeitschrift II. S. 69.) hielt in einem früheren Berichte die Oeffnungen für zufällig, läugnet sie dagegen in seinem neuesten Werke (Embryologie p. 3.) in dem normalen und natürlichen Zustande gänzlich. Die Verlängerungen, welche nach Breschet (1. c. p. 98.) sich nur in die Tuben (bisweilen so- gar nur in eine, was jedoch wahrscheinlich nur zufällig ist) er- strecken, sind hier stets geschlossen. Der Muttermund wird durch den Gallertpfropf noch besonders verschlossen. Fassen wir nun kürzlich die vielfach abweichenden Angaben der Schriftsteller über die Oeffnungen der decidua zusammen, so erhalten wir folgende Rubriken: 1. Diejenigen, denen decidua nichts ist, als die aufgelockerte Schleimhaut der Gebärmutter, müssen natürlich ursprünglich drei Oeffnungen annehmen. Hierher gehören besonders Oken, Bär, Raspail, Seiler u. A. 2. Die drei Mündungen lassen sich durch Beobachtung nach- weisen. W. Hunter, Bums, Sandifort, Erummacher, Blumenbacli, Reufs, Bojanus, Pockels. f. 3. Die drei Mündungen cxistiren; sie haben jedoch nur ein^ temporäre Existenz. John Hunter, Lobstein (nach seiner Ver muthung), Meckel (nach literarischen Angaben). Seiler u. A. V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u, Flüsslgk, 59 4. Es existirt nur eine Mündung an dem Muttermunde; an den Tuben dagegen fehlt jede Oeffnung. Tiedemann, Carus. 5. Es findet sich in dem unverletzten Zustande gar keine Oeffnung. An der dem Mutterhalse entsprechenden Stelle aber ist die decidua überaus dünn, so dafs sie ohne Zerreifsung nicht getrennt werden kann. Heusinger, Burdach. 6. Alle drei Löcher wurden nicht gefunden. Lobstein (nach seinen Beobachtungen), Gardieu, Moreau, Samuel, Rosenmüller, Adelon, Breschet, Velpeau. 7. Man kann alle möglichen Modificationen annehmen, da die Verhältnisse variiren. R. Wagner. W. Hunier hat nicht blofs das Verdienst, die Aufmerksam- keit der Naturforscher auf die bisweilen auch nach ihm genannte, hinfällige Haut gelenkt, sondern auch die fixe Unterscheidung zwischen den beiden Theilen, der caduca vera und reßexsL auf- gestellt zu haben (anatomische Beschreibung des schwangeren Uterus. S. 78.). Nach ihm haben die meisten Anatomen und Phy- siologen diese beiden Lagen anerkannt. Osiander unterschied zwischen ihnen noch eine dritte unter dem -Namen der Membrana cribrosa^ während Jörg, Samuel, Seiler (nach einer früheren Dar- stellung) u. A. die reflexa gänzlich läugncn, E. v, Siebold, Chaussier u. A. decidua vera und reßexa nicht hinlänglich von einander unterscheiden. Endlich mufs derjenige Theil der Natur- forscher, welcher der bald zu erörternden Einstülpungstheorie huldigt, noch eine dritte Membran, die sogenannte decidua se- rotina annehmen, von der weiter unten noch ausführlicher ge- handelt werden soll. Innerhalb der decidua oder späterhin zwischen decidua vera und decidua reßexa ist eine Höhle befindlich, welche im Verlaufe der Schwangerschaft immer kleiner wird, indem sie end lieh dadurch schwindet, dafs die beiden deciduae sich dicht an einander legen oder mit einander verwachsen. Dadurch, dafs W. Hunter (anat. Beschreib, des schwang. Uterus S. 79.) die allmäh- lige Verwachsung der beiden deciduae angiebt, setzt er natürlich die Existenz einer in frühester Zeit zwischen beiden sich finden- den Höhlung voraus. Burns (s. Heusingers Zeitschrift H. S. 515.) beschrieb nach ihm bestimmt diese Höhle, so wie überhaupt jeder von selbst darauf kommen mufste, welcher sich auf eine genaue und gründliehe Weise das Verhältnifs zwischen caduca vera 60 III. Das Ei während der Fruchtenlwickelung. und reflexa vorstellte, wie Bojanus, Meckel u. A. Eben so liefse sich schon im Voraus erwarten, dafs eine Flüssigkeit innerhalb dieser Höhlung enthalten sey, da eine solche sich immer da zeigt, wo zwei Membranen sich in mehr oder minder innigem Con- tact befinden, ohne mit einander zu verwachsen. So gehören vielleicht die von Lobstein wahrgenommenen Filamente (1. c. p. 8.) und Osiandcrs Membrana crihrosa hierher. Das Verdienst der näheren Beobachtung und Beschreibung dieser Flüssigkeit aber eigenet sich Breschet zu. Er belegt sie mit einem eigenen Namen, uämlich dem der hydroperione. Sie ist nach ihm in der ersten Zeit klar, farblos, schleimigt oder etwas eiweifsartig, später dagegen etwas milchigt. Bisweilen ist sie einer schwachen Emulsion ähn- lich, mit etwas Schleim verbunden und von einer schwach rosen- rothen Farbe. Heusinger (Zeitsch. für org. Physik II. S. 515.) fand in der Höhlung zwischen den beiden hinfälligen Häuten statt einer lymphatischen Feuchtigkeit Blut. Nach Velpeau (Embryo- logie p. 4.) dagegen ist die Flüssigkeit klar, in der Regel röth- lich und dem Eiweifse nicht unähnlich. c. Gewebe der hinfälligen Häute. Auch hierüber finden sich in den Angaben der Anatomen fast alle, nur irgend möglichen Widersprüche. Nach W. Hunter (1. c. S. 73.) selbst ist sie zwar dicker und durchsichtiger, als die anderen Eihäute, sie hat aber ein bei Weitem zarteres Ge- webe und ist mit vielen Gefäfsen versehen. Die äufsere Fläche der decidua zeigt viele Flocken, ihre innere dagegen ist glatt. Dadurch aber, dafs die Flocken im Laufe der Entwickelung schwin- den, wird später der Unterschied zwischen äufserer und innerer Fläche der hinfälligen Haut minder scharf marquirt. Die deci- dua reflexa (S. 79.) ist überaus dünn und zart, ja sie wird wäh- rend des Verfolges der Schwangerschaft immer zarter. An ihrem Verbindungswinkel mit der decidua vera finden sich in ihr sehr viele, kleine Löcher. Diese von ihm zuerst gegebene Structur- lehre ist genauer und brauchbarer, als die seiner Vorgänger, wel- che gröfstentheils entartete und durch Abortus entfernte Eier vor sich hatten. Mayer und Danz (1. c. I. S. 20) beschreiben die caduca vera als ein dicke, schleimigte Haut, welche von locke- rem Gefüge und mit vielen Gefäfsen versehen ist; die reflexa dagegen (S. 27.) ist nach ihnen eine dunkel weifse, zellenförmige. V. d. Fnichthälter aiisgescb. Membranen u, Flüssigk. 61 fein durchlöcherte, zum Theil durchsichtige Haut, welche nach Metzger aus den allerfeinsten Gefäfsen besteht. Nach Lobstein (l. c. S. 4.) ist sie um so dicker, je jünger das Ei, und gleicht dann geronnenem Blute, das mehrere Male gewaschen eine Ent- zündungshaut von gelblicher Farbe darstellt. So erscheint sie zu Anfange des zweiten Monates der Schwangerschaft. Späterhin zeigt sich eine um einen Punkt versammelte Menge Flocken auf der mütterlichen Seite, um den Mutterkuchen zu bilden. An den übrigen Stellen finden sich nur kleine, von Gefäfsen herrührende Unebenheiten. Mit blofsem Auge betrachtet scheint die cacluca von vielen, schief durch ihre Substanz hindurchgehenden Löchern durchbohrt zu seyn; unter Vergröfserung sieht man eine Menge paralleler Erhöhungen, welche Vertiefungen verschiedener Gröfse zwischen sich lassen. Die mütterliche Seite ist viel höckeriger, als die kindliche. Die Geßifse der hinfälligen Haut (S. 12.) lassen sich sehr leicht in dem ganz frischen Zustande beobachten u. sind Fortsetzungen der Gebärmuttergefäfse. Nach Moreau (bei Brechet p. 33. )zeigt die hinfallige Haut, gegen das Licht gehalten, viele schief durch ihre Substanz hindurchgehende OefToungen. Nach dem dritten Mo- nate der Schwangerschaft wird sie dünner, nimmt im vierten und fünften -Monate ein zelliges, grauliches Ansehen an, wird im sech- sten röthlich und hat sich im siebenten Monate in wahres Zell- gewebe verwandelt. Meckel (Menschliche Anatomie IV. S. 699.) vergleicht sie ihrem Wesen und ihrer gelblichen Farbe nach mit dem geronnenen Faserstoff, Heusinger (Zeitschr. für die org. Phy- sik, n. S. 515.) mit einem homogenen, weichen, leicht zerreifsli- chen Zellstoff, welcher maschenförmige Oeffnungen zwischen sich läfst. Die Beschreibnng von R. Wagner (Meck. Arch. 1830. S, 82.) stimmt mit der von Lobstein überein, so wie Burdach (I. c. S. 73.) den Vergleich des Letzteren mit der ausgewaschenen Speckhaut wiederholt. Güntz (1. c. p. 21.) hat die Gefäfse der decidua selbst injicirt und E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 486.) genau beschrieben. Breschet's Beschreibung (1. c. p. 99.) stimmt mit dem, was Lobstein und Moreau hierüber gesagt haben, überein. Nur bemerkt er noch, dafs die schief durchgehenden Oeffnungen sich in der decidua schon vor der Ankunft des Ei- chens in den Uterus und bei Extrauterinalschwangerschaften fin- den. Velpeau {Embyologie. p. 5.) vertheidigt die früher schon ausgesprochene Ansicht (s. Heusingers Zeitschr. IL S. 70.), dafs 62 III. Das El während der Fruchtentwickelung. die decidua ohne Organisation sey. Sie ist nicht unorganisch, sondern unorgauisirt, wie der Zahnschmelz, der Schleim u. dgl. Sie ist ohne Blutgefäfse, ohne bestimmte Fasern, vielmehr eine einfache Lage eines ausgeschwitzten Stoffes. Endlich hat Bischoff (1. c. S. 23.) die Gefäfse der decidua an der eben aus dem Ute- rus ausgestofsenen Nachgeburt nicht nur mit Blut gefüllt gesehen, sondern auch mit Quecksilber und anderen Massen injicirt. d. Verbindung der hinfälligen Häute mit den Nachbar- theilen und unter einander selbst. Dafs die Membrana decidua vera sich genauer an die Ge- bärmutter, die decidua reßexa sich genauer an das Ei anschliefse, erhellt aus allen über diese Häute angestellten Untersuchungen. Zwischen beiden aber bleibt ein Zwischenraum, der um so gröfser ist, je jünger das Ei, und welcher durch Breschet's Hydroperione ausgefüllt wird. Was nun die Adhärenz an die Gebärmutter be- trifft, so schliefst sich die decidua nach Breschet (1. c. p, 99) genau an die innere Oberfläche des Uterus an. Nach W. Hunter Lobstein, Burdach u. A. ist dieses inniger an dem Halse, nach J. Hunter an dem Grunde der Gebärmutter der Fall. Nach Meckel ist in früherer Zeit die Verbindung weit lockerer, als später. Eben so heftet sich die decidua 'Dcra inniger an das Chorion, so dafs nach Velpeau {^Embryologie. /?• 3) die Entfernung des Eies ohne Zerreifsung der hierher gehörenden Membranen nur in der vierten bis sechsten Woche möglich ist. Was aber die Ver- wachsung der beiden deciduae mit einander betrifft, so setzt sie Lobstein (I. c. S. 8.) spätestens in den fünften bis sechsten, Mo- reau (bei Breschet 1. c. p. 35) in den sechsten und R. Wagner (1. c. S. 96.) in das Ende des zweiten oder den Anfang des drit- ten Monates, Breschet (I. c. p. 109.) in den dritten und Velpeau (1. c. p. 68.) in den vierten Monat der Schwangerschaft. Zur wahren Verwachsung selbst kommt es nie, sondern beide Blätter liegen dicht und auf innige Weise an einander geleimt. e. Entstehung der hinfälligen Häute. Auf die mannigfaltigste Art ist die Entstehung der beiden hinfälligen Häute von den Schriftstellern gedacht und gelehrt worden. Wenn m^n einen Versuch machen will, in dieses Chaos von Meinungen und Widersprüchen eine systematische Ordnung V. d. Fmchlhälter ausgescin Membranen u. Flüssigk. 63 zu bringen, so mufs man zwar einerseits nothwendiger Weise die Entstehung der decidua vera und reflexa unter gewissen Haupt- ansichten für sich betrachten, bei jedem einzelnen Schriftsteller aber auch nachsehen, wie er sich den Zusammenhang beider Häute gedacht, wie er es sich vorgestellt habe, ob die eine aus der an- deren, innerhalb der anderen oder unabhängig von der anderen sich bilde. Wir werden daher hier am Zweckmäfsigslen verfah. ren, wenn wir die Genese jeder der beiden deciduae gesondert nach den verschiedenen Ansichten der Schriftsteller abhandeln, bei Gelegenheit der reßexa aber, welche die zweite Abtheilnug füllt, zugleich auf die Ansicht der Verfasser von der Entstehung der decidua vera und ihren nothwendigen Zusammenhang der- selben mit der reflexa Rücksicht nehmen. Eine blofs chronolo- gische Ordnung würde die hier ohnedies nicht ganz leichte üeber- sicht nur noch mehr verwinen. «, Entstehung der decidua vera. Zuvörderst fragt es sich: Ist die decidua vera ein eigen- thüraliches und selbstständiges Gebilde oder nur ein Theilorga- nismus des Uterus, welcher einen höheren Grad von Selbststän- digkeit erreicht. Die Antworten der Anatomen und Physiologen fallen hier sehr verschieden aus. 1. Sie ist kein selbständiges Gebilde, sondern die aufgelockerte, ganz oder theilweise meta- morphosirte Schleimhaut der Gebärmutter. Gegen diese Ansicht, welche Sabatier u. A. schon im vorigen Jahrhunderte vorgetragen, haben sich Danz, Lobstein u, A. erklärt. Als eine Modification derselben ist die von Burns (bei Burdach Physiol. H. S. 74.) an- zusehen, dafs die decidua durch Hervorsprossen der Gefäfse des Fruchthälters entsiehe. Zu demselben Resultate, dafs die decidua nur die' locker gewordene und zuletzt losgestofsene Schleimhaut der Gebärmutter sey, kamen, wie schon oben berichtet wurde, Oken und v. Bär durch die Untersuchung der Säugethiere, wo sich eine einfache, mehr gelatinöse, als bestimmt membranöse Masse findet, welche vielleicht der decidua entspricht, da die innere Fläche des Fruchthälters überhaupt einen hohen Grad von Ausbil- dung erlangt, um die verschiedenen Formen der Placenta darzu- stellen. Dieses letztere Moment scheint Jörg bei seiner, oben schon berührten Ansicht geleilet zu haben. Dasselbe Princip scheint auch Raspail {Repert. d'anat. VI. bei Breschet p. 76. 77.) 64 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. zu bestimmen, wenn er die Meinung ausspricht, dafs die decidua die höher ausgebiklete Schleimhaut des Uterus sey, da er gleich- sam zur Bestättigung am Schlüsse des Hundes uud der Katze er- wähnt, in welchen die Gefäfse sehr lange Zeit persisiirten. Seiler endlich (die Gebärmutter und das Ei des Menschen S, 28.) scheint nur durch Beobachtung am Menschen zu seineia hierher gehören- den Ausspruche gekommen zu seyn. Nach ihm lockert sich die Schleimhaut in Folge der Befruchtung auf, ihre Blutgefäfse wer- den ausgedehnt und ihr Zusammenhang mit der Faser- und Ge- fäfssubstanz geringer. 2. Die decidua ist eine eigenthümliche Bildung und zwar die einzige eigenthümliche Formation des Frucht- hälters selbst in seinem Innern. Zu dieser die Paradoxie auf das Weiteste treibenden Ansicht kam Chaussier (bei Breschct S. 38 — 40.). Er nimmt keine Schleimhaut auf der inneren Fläche der Gebärmutter an. Bisweilen aber finde man anf ihr eine durch- sichtige und weiche Lage, welche durch Maceration oder Tren- nung entfernt werden könne und immer eine einfache aus dem Faserstoffe des Blutes bestehende (couenneuse) Concretiou sey. Sie bilde sich, wie jede andere Pseudomembran in Folge einer höheren Reizung, aus der inneren Fläche des Uterus und fafse, als sein sogenanntes Epichorion, die Caduca vera und reflexa in sich. 3. Die decidua vera besteht als ein eigenthümlichcs Gebilde innerhalb des Fruchthälters und zunächst innerhalb der Schleimhaut desselben und zwar a. diese Schleimhaut scheidet sie nach der Analogie anderer entzündeter Häute, wie z. B. der trachea, in Form plastischer Exfudationen aus. W. Hunter (anat. Beschreib, des schwang. Uterus S. 80.) vergleicht schon die decidua mit der Schicht coagulabler Lymphe, welche sich auf. entzündeten Oberflächen bildet. Denn beide seyen zart, markig und von gelblich weifser Farbe und hätten sehr viele Blutgefäfse. Auch dadurch, dafs die Gefäfse des Uterus sich nach der Befruch- tung sehr füllten, sey eine gewisse Aehnlichkeit mit einem ent- zündlichen Zustande vorhanden. Doch finde der Unterschied Statt, dafs die durch Entzündung entstandene Membran sich nach und nach in eine feste, aus Zellstoff bestehende Haut verwandele, die decidua aber immer ein eigenthümliches Gebilde bleibe. Seine Nachfolger übersahen diesen Unterschied und so nannten Danz (1. c. L S. 18.), Blumenbach {institutiones pJiysiol. ed. IL p. 437.), E. Siebold (bei Breschet S. 30.) u. A., sie geradezu eine durch V. d. Fmchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk. 65 durch Entzündung der Oberfiäche ausgeschiedene Schicht plastischer Lymphe. . Die Tiiätigkeit, durch welche die hinfällige Haut entsteht, ist geradezu eine entzündliche. Lohstein (I. c. p. 20.) geht zwar ebenfalls in den Hunterschen Vergleich der Entzündung ein und sucht ihn noch durch neue Beweise zu unterstützen, kommt jedoch auf eine andere dagegen sprechende Differenz, als Hunter selbst, dafs nämlich die falschen Membranen in verschiedenen Individuen von ungleicher, die Caduca ab«r immer von gleichartiger Beschaffenheit sey. Wenn daher eine Analogie der Genese derselben mit der der Entzündungshäute Statt finde, so sey doch noch etwas Eigenthüm- liches und auf besondere Weise Gesetzliches in ihrer Entstehung (S. 2L). Aehnlich scheint die Meinung von R. Wagner (1. c. S. 90. 91.) zu seyn, dafs die durch die Begattung entstehende Auf- regung der Gebärmuttei-, ein mit der Entzündung zu vergleichen- der Zustand, die hinfällige Haut erzeuge, so wie die Ansicht Bocks (1. c. p. 21.), welche er durch die in den falschen Membranen nachgewiesenen Blut- und Lymphgefäfse zu unterstützen sucht. 4. Lobstein's der unmittelbaren Beobachtung entnommene Ansicht führt zu dem höheren Gesichtspunkte dafs die decidua das Pro- duct einer eigenthümlichen Thätigkeit der Gebärmutter sey, die aber mehr oder minder entfernte Analoga in anderen Prozessen, wie z. B. in dem der Entzündung, habe. Zu dieser geläuterten Auf- fassung bekennen sich noch aufser ihm Einige, welche schon un- ter der vorigen Abtheilung angeführt wurden, Burdach (Physiol. IL S. 74-), E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 486), Breschet (1. c. p. 95), Bischoff (1. c. S. 13.) u. A. Velpeau {Embryologie p. 6.) dagegen bemüht sich sogar durch Verschiedenheit der hi- stiologischen Charaktere den Unterschied zwischen decidua und plastischen Membranen nachzuweisen. Das Unrichtige seiner Mei- nung ist schon oben angeführt worden. p. Entstehung -der Ä^y/e.ra. Wir müssen hier, wie überall, zwei wesentlich verschiedene Dinge von einander unterscheiden, nämlich reelle Beobachtung und Theorie der Erklärung. Thatsache ist es, dafs innerhalb der decidua vera und zwischen dieser und dem Chorion eine andere Membran eingeschlossen ist, welche das Ei von allen Seiten um- giebt, und welche decidua reflexa genannt wird. An der Um- gebung derPlacenta stofsen wahre und umgeschlagene hinfällige Haut 5 66 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. zusammen und auf dem kindlichen Antheile der Placenta, dem so- genannten Fruchtkuchen, läfst sich mit mehr oder minder Deutlich- keit ein hautartiges Gebilde erkennen, welches mit den hinfälli- gen Häuten in unmittelbarer Verbindung steht. Wiewohl diese Thatsachcn, wie Alles in den Berichten über die decidua, nicht Ton Allen zugestanden werden, so können wir sie doch voraus- setzen, weil sie sich sowohl in jedem Eie nachweisen lassen, als auch von den meisten Naturforschern, so wie uns selbst, wenigstens übereinstimmend gefunden worden sind. Dafs nun die äufsere deiser beiden Hänte ein in der Gebärmutter, unabhängig von der Ankunft des Eies in dieselbe, sich erzeugendes Product sey, ist oben schon durch eine Reihe von Erfahrungen nachgewiesen worden und dürfte heute wohl überhanpt von keinem Physiologen bezweifelt werden. Es bleibt also nur zu erklären übrig, wie die innere Haut, Hunters decidua reßexa^ entstehe, und was es mit dem häutigen Gebilde auf dem Fruchtkuchen für ein Bewandnifs habe. ■ — William Hun- ter selbst (anatom. Beschreib, d. schwang. Uterus S. 78.) giebt nur an, dafs die decidua sich an dem Rande des Mutterkuchens in zwei Lamellen theile und dafs (S. 79.) an dieser Stelle ein Verbindungswinkel sich finde. In seiner Abbildung {anatomia uteri gravidi tob. XXXIF^ mufste sich also das Verhältnifs so darstellen, als ob die decidua reßexa in die Höhlung der deci- dua Vera hineingestülpt sey. Eine wahre Theorie der Entstehung der decidua hat er aber nicht geliefert. In späteren Bearbeitungen dieses Theiles der Physiologie finden wir erst Begründungen der Art, welche sich unter folgende Hauptpunkte zusammenfassen lassen : 1. Die beiden deciduae entstehen in verschiedenen Orga- nen. Mayer {catal. mus. anat. Bonnens. p. 21. bei Bock 1. c. p. 29 und Müllers Arch. für die Anatomie, Physiologie und wis- senschaftliche Medicin 1834. Hft. I. S. 5.) hat, geleitet durch die Beobachtung, dafs bei Tubenschwangerschaft sich auch eine deci- dua um das Ei finde, die Vermuthung aufgestellt, dafs die de- cidua vera dem Uterus angehöre, die decidua reflexa aber sich in den Tuben bilde. Wenn dieses erwiesen wäre, so würde sie in dieser Rücksicht der Eischaale, mit welcher sie auch biswei- len verglichen worden, analog seyn, die sich auch in dem un- teren Theile des Eileiters der Vögel bildet. Doch können noch viele gegründete Zweifel dagegen erhoben werden. 2. Die beiden deciduae entstehen in demselben Organe, dem Fruchthälter. Sie sind aber völlig gesonderte Gebilde und zwar: V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk. 67 a. Von verschiedenem Ursprünge und Werthe. Die decidua Vera ist kein neues Gebilde, sondern die aufgelockerte und me- tamorphosirte Gebärmutterschleimhaut;, von welcher dann die re- flexa um das Ei herum abgeschieden wird. Seiler (die Gebär- mutter und das Ei des Menschen S. 30.) spricht diese mit seiner Ansicht von der wahren hinfälligen Haut in völliger Consequenz stehende Vorstellung am deutlichsten aus. b. Von verschiedenem zeitlichen Ursprünge. Joh. Müller (s. Arch. Hft. 1. S. 6.) stellt die Vorstellung zur Prüfung auf, dafs das Exsudat der decidua vera vor dem Eintritte des Eies in den Uterus entstehe, dafs aber das einmal schon organisirte Exsudat eben bei dem Eintritte des Eies ein neues Exsudat um die Eintrittsstelle von jenetn bilde. — c. Nicht blofs von verschiedenem zeitlichen, sondern auch von verschiedenem örtlichen Ursprünge. Nach Breschet (1. c. p, 103.) hat das Eichen während seines Durchganges durch die Tube sich mit einer plastischen Masse umgeben und gelangt, wenn es in den Uterus gekommen, in die Substanz der hinfälligen Haut selbst. Durch die Vergröfserung nun entsteht auf diese Weise eine hinfällige Haut an dem Eichen selbst, die decidua reflexa, ohne dafs die decidua vera an irgend einer Stelle umgestülpt oder die innere Schleimhaut des Uterus an irgend einem Ort ent- blöfst worden wäre. Diese Theorie bildet den unmittelbaren Uebergang zu den folgenden Ansichten. 4. Die Theorien der Propulsion und Einsaat. Die decidua reflexa entsteht dadurch, dafs das Eichen einen Theil der deci- dua vera vor sich hertreibt. Sie findet sich auf folgende Weise modificirt. a. Die Vorstellung von J, Burns. Nach ihm (Hunter ana- tom. Beschreib, d. schwang. Uterus S. 80. 81.) besteht die deci- dua aus zwei Lamellen. Die äufsere ist an den Mündungen der Trompeten und dem Gebärmutterhalse offen. Die innere Lamelle ist überall geschlossen, erstreckt sich an den Oeffnungsstellen über die äufsere Lamelle hinaus und verschliefst auf diese Weise die Lük- ken der äufseren Schicht. Das Eichen wird nun durch die innere Lamelle gleichsam aufgehalten, wenn es in den Uterus kommt, treibt diese vor sich her und stellt so die decidua reflexa dar. Zuletzt endlich, im dritten Monate, kommen beide Lamellen in innige Berührung. 68 III. Das EL während der Frachtentwickelung. b. Die Vorstellung von Meckel. Dieser glaubt (menschliche x^natomie IV. S. 702.) dafs das Eichen in die weiche und lockere Substanz der dccidua dringe, die dadurch entstandene Lücke sich wiederum schliefse und das Eichen unn innerhalb der Substanz der hinfälligen Haut sich w^eiter entwickele. c. Die Vorstellung von Carus. Sie ist ähnlich, fast iden- tisch mit der von Meckel und besteht in Folgendem (Zur Schwan- gerschaft Bd. 2, S. 7.). Das Eichen dringt in die weiche dcci- dua und ist von ihrer Substanz überall umgeben. Die nach in- nen liegende Schicht der decidua wird nun vorwärts gedrängt und durch Vergröfserung zur reßexa^ während die Eintrittsstelle des Eichens verwächst und die Lücke sich schliefst. Dieser Mei- nung pflichtet auch Heusinger (Zeitschr. für org. Physik II. S. 514.) bei. 5. Die Theorie der Einstülpung. Wenn man die decidua für eine überall geschlossene Membran ansieht, wselche in dieser Qualität früher gebildet ist, als das Eichen in den Uterus eintritt, so kann dieses, sobald es sich durch keine entstehende Oeflhung in die Cavilät derselben einen W^eg zu bahnen vermag, nur zwi- schen der äufseren Oberfläche der decidua und der inneren des Uterus in den Fruchthälter eintreten und mufs bei seiner weite- ren Vergröfserung die losgelöste Lamelle der decidua vor sich hertreiben und nicht sowohl in die Höhlung der decidua vera ein- dringen, als diese verengen und so sich seinen eigenen Raum schaffen. An der Stelle, wo es auf diese Weise die decidua vera ein- stülpte, mufs nothwendiger Weise eine Lücke entstehen, die, wenn sie ausgefüllt wird, entweder durch eine Verlängerung der deci- dua oder durch eine neu entstehende Membran sich ersetzt. Diese Einstülpungstheorie ist also unter den oben angegebenen Annah- men eine von selbst sich ergebende Folge, und wenn auch Hunter ihr schon sehr nahe war, indem er die beiden deciduae mit der Einsackung des Herzbeutels verglich und vielleicht nur durch die von ihm aufgestellte Aagabe der drei Oeffnungen von ihrer voll- ständigen Durchführung abgehallen wurde, so hat Lobstein merk- würdiger Weise, indem er die Mündungen läugnete, diese Durch- führung ganz aufser Acht gelassen. Von späteren Schriftstellern haben sich vorzüglich folgende zu ihr bekannt: a. F .J. öloreau {Essai sur la disposition de la memhrane caducque-) sa formation et ses usages Paris 1814. bei Bre- V. d. Fruchtliälier ausgescli. Membranen u. Flüssigk. 69 sehet I. c. p. 33. 34.) läfst das Ei zwisclien die, innere Oberfläche des Uterus und die decidua gelangen und so au dieser Stelle die deciclua vera zur reflexa sich einstülpen. Die dadurch in der decidua entstandene Lücke füllt sich durch eine eivveifsartige Substanz, welche sich in die decidua fortsetzt, mit ihr aber nicht identisch ist, weil sie später entsteht und besondere, ihr eigen- thümliche Veränderungen eingeht. Sie fehlt in den ersten Tagen nach dem Eintritte des Eies, entwickelt sich erst zu Ende des ersten Monates, wird im Verlaufe des zweiten dicker, als die de- cidua selbst, im dritten Monate dagegen durchsichtiger, um die Gebärmuttergefäfse in die Placenta zu lassen, nimmt im vierten Monate ein grauliches, zcllulöscs Ansehen au und scheint sich zwischen die Lappen der Placenta einzusenken. Im sehsten Mo- nate wird sie röthlich und im siebenten in wahres Zellgewebe umgewandelt, b. Bojanus (Isis 1821. S, 268.) scheint, weniger durch Beoh- achtung, als durch die Consequenz der Theorie geleitet, zuerst' unter den Deutschen die Idee der Einstülpung ausgesprochen zu haben, wiewohl er merkwürdiger Weise die Existenz, der OefF- nungen in der hinfälligen Haut als bekannt und erwiesen voraus- setzt. Er stellt die Umstülpung durch eine ziemlich gute, sche- matische Abbildung dar und schlägt für die Membran, welche die OcfFnung der decidua wiederum schliefst, den Namen der deci- dua serotina vor, welche Bezeichnung auch von den meisten Nachfolgern angenommen wurde. c. Burdach (Physiologie II. S. 76. 77.) bestätigt die Theorie der Einstülpung und bemerkt, dafs er sogar eigene Präparate habe, in welchen die durch die Einstülpung entstandene Lücke noch offen ist. Die Ausfüllung derselben entsteht durch vSekrelion des durch die Einstülpung entblöfsten Theiles des Fruchthälters und bezeich- net das Rudiment des Mutterkuchens. Die Einstülpung selbst er- folgt in der dritten Woche der Schwangerschaft. d. R, Wagner (Meck, Arch. S. 94.) stimmt in seiner Ueber- zeugung mit der von den Vorgängern gegebenen Darstellungs- wcise überein. e. S. Bock (1. c. p, 30.) glaubt aus seiuem durch Abortus abgegangenen Eie einen genügenden Beweis für die Einstülpung liefern zu können, da das Ei in einer Grube der decidua einge- senkt war. Zugleich folgert er daraus, dafs die Umbieguugsstclle 70 III. Das Ei während der Fruchlentwickelung. nicht an den Tuben, sondern innerhalb des Körpers der Gebärmut ter selbst stattfinde. f. Velpeau (Heusingers Zeitschr. II. S. 68. Embryologie p. 4 — 6.) berichtet, nachdem er einige, im Ganzen nicht haltbare Gründe, wie z. B. den fixen Sitz der Placenta, für die Einstül- pungstheorie angeführt, dafs er mehrere Mal die Einstülpung selbst zu beobachten Gelegenheit gehabt hätte. So fand er fünf Wo- chen nach der Conception den Uterus durch eine Blase von der Gröfse eines gewöhnlichen Eies ausgedehnt. Diese war mit ei- ner durchsichtigen und schwach rosenfarbigen Flüssigkeit gefüllt und durch ein Eichen niedergedrückt, das zur Hälfte noch in der entsprechenden Tube safs. Sechs bis sieben Wochen nach der Empfängnifs fand er die caduca eben so. Nur entsprach die Stelle der Niederdrückung durch das Eichen nicht der Mündung der Tube, sondern dem Grunde der Gebärmutter, wo es auch schon schwach adhärirte. Aehuliche Verhältnisse hatte er oft an 25 bis öOtägigen, durch Abortus abgegangenen Eiern zu sehen Gelegenheit, Anhangsweise mögen der Vollständigkeit halber hier noch die sonderbaren Vorstellungen von Roux (bei Burdach 1. c. S. 76.) und Alessandrini (Meckels Arch. V. S. 606.) angeführt werden, dafs die decidua reflexa ein Product der Zotten des Chorion sey. f. Schwinden der hinfälligen Häute. Da manches hierher Gehörende schon unter den vorhergehen- den Rubriken berührt worden ist, so werden wir hier nur die noch fehlenden Rückstände nachholen. Nach W. Hunter (1. c. S. 79.) wird die decidua^ wenn vera und reflexa verschmolzen sind, nicht nur nicht dicker, sondern dünner. Dieses hat darin seinen Grund, dafs die reflexa ohnehin sehr dünn ist und durch ihr Hinzutreten die Dicke nicht sehr zu vermehren vermag, die fcera aber mit zunehmender Schwangerschaftszeit immer an Dicke abnimmt. Lobstein (1. c. S. 8.) fand die reflexa im fünften Mo- nate so fein, dafs sie durchsichtig war und an manchen Stellen durchlöchert zu seyn schien. Späterhin dagegen ist sie als geson- dertes Blatt nicht mehr deutlich zu unterscheiden. Hierin stim- men die meisten Beobachter auch überein, so wie auch in dem Punkte, dafs die aus beiden wiederum verschmolzene hinfällige Haut bis zur Geburt verharrt und dann thejls mit der Placenta, theils mit den Lochien ausgestofsen wird. Carus (1. c. S. 9.) ist V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk. 71 der Meinung, dafs die decidua auf folgende merkwürdige Weise schwinde. Die Flocken des Chorion drängen sich in diese hinein und es entstehen daher in ihr eine Menge Gruben, welche der ganzen Membran ein maschenförmiges Ansehen geben. Indem diese sich nun vergröfsern, verwandelt sich die reflexa in ein das Chorion locker umgebendes Zellgewebe. Heusioger (s. Zeit- sehr. II. S. 517.) erklärt sich jedoch gegen diese Ansicht, weil die Löcher oder Maschen sich nicht blofs in der zurückgeschla- ^enen, sondern auch in der wahren hinfälligen Haut finden. Auch läugnet er eine von Carus beschriebene und abgebildete Höhlung zwischen Chorion und decidua. g. Bedeutung nnd Nutzen der decidua und ihres Contentnms. Man hat theils willkührlich, theilg durch gewisse Analogieen geleitet, die decidua mit manchen Theilen anderer Thierklassen, als der Säugethiere und des Menschen, verglichen, ohne jedoch durch specielle Analogisirung zu sehr wichtigen Resultaten ge- kommen zu seyn. So verglich sie, wenigstens der Lage nach richtig, Guvier (Meck. Arch. V. S. 592.) mit der Eischaale und minder consequent Dutrochet (Meck. Arch. S. 585.) mit der Ei- schaalenhaut, während Mertens (Meck. Arch. 1827. S. 315.) sogar in den während der Entwickelung des Hühnchens innerhalb der Eischaalenhaut entstehenden Lamellen ein Analogon derselben fin- den will. Burdach (Physiol, IL S. 63.), der die bestimmten zm* Entwickelung der Frucht vorbereiteten und tauglichen Lagerstätten der Eier] unter der' Bezeichnug der Geniste umfasset, rechnet die caduca der Säugethiere ebenfalls hierher (S. 77.) und sucht sie insofern nicht mit diesem oder jenem Gebilde eines Vogels oder eines anderen Thieres in Vergleich zu bringen, sondern un- ter einen allgemeinen Gesichtspunkt unterzuordnen. Nach Bre- schet (1. c. p. 113.) kommen den hierher zu rechnenden Theilen folgende Functionen zu. J. Die caduca selbst verschliefst die Höhlung des Uterus von allen Seiten, hindert so den Ausflufs der in ihr enthaltenen Flüssigkeit und wird ein intermediärer Kör- per zwischen Ei und Uterus. Ihre Membranen sollen das Ei auf- nehmen, und dieses findet in ihnen nicht blofs einen Anhaltspunkt, sondern einen tauglichen Miltelkörper, um mit dem Fruchthälter in W^echselwirkung zu treten. Die caduca selbst aber tritt 72 IIL Das Ei während der Fruchtenlwickelung. walirsclieinlicli keine Stoffe an den Uterus ab. Der liier Statt findende Stoffwechsel gründet sich auf Erscheinungen, welche denen der Endosraose und der Exosmose gleich sind. 2. Die in der caduca enthaltene Flüssigkeit, die hydrofcrione^ trägt zur allmähligen Ausdehnung des Uterus in der .ersten Zeit bei, be- schützt das zarte Eichen bei etwa eintretenden Zusammenziehun- gen der Gebärmutter und dient zur ersten Nahrung desselben so- wohl, als des Embryo, da Nabelstrang, Allantois u. dergl. in der ersten Zeit entweder gar nicht oder nur höchst rudimentär existiren. Gegen diese, freilich zum Theil unerwicsenen Resultate hat Velpeau (in der Einleitung zu s. Embryologie) Widersprüche, doch nicht ohne sichtbare Leidenschaftlichkeit, erhoben, indem er theils die Priorität mancher Sätze für sich zu erweisen sucht (Embryologie. Introduction. p. XIK.), wie z. B. , dafs die ca- duca schon unmittelbar nach der Befruchtung in dem Fruclithäl- ter entstehe, dafs sie von allen Seiten geschlossen sey, dafs sie eine Flüssigkeit enthalte «. dgl., theils aber auch die Richtigkeit mancher Behauptungen geradezu läugnct. So entstellt nach ihm (p. XIV.) die placenta weit später, als die beiden Blätter der caduca sich an einander legen und die zwischen ihnen enthal- tene Flüssigkeit geschwunden ist. So haben die Säugcthiere nicht, wie Breschet glaubt, eine dem Menschen analoge, doppelte caduca und eine Jiydroperione, sondern eine einfache hinfällige Haut ohne dazwischen befindliche Flüssigkeit. Velpeau (Embryo- logie p, S.) glaubt nicht, dafs die decidua und die in ihr ent- haltene Flüssigkeit zur Ernährung des Embryo diene, sondern dafs sie nur dem Eichen bei seiner Ankunft in den Fruchthälter einen fixen Anhaltpunkt gäbe und so den Ort der künftigen Pla- centa bestimme, h. Synonymik der Membranae dcciduae. Bei jedem in der Folge noch zu betrachtenden häutigen Theile des Eies werden wir uns genöthigt sehen, verschiedene Benennungen anzugeben, imter welchen er von den Schriftstellern ei'wähnt oder näher beschrieben worden. Nirgends wird aber die Zahl der Namen so grofs ausfallen, als gerade bei den hinfalligen Häuten, wo vor Hunter ältere Naturforscher einzelne Stücke der- selben, meist nach abortirtcn Eiern, beschrieben und mit beson- deren Bezeichnungen belegt haben. Diese Versuche, eine Synony- V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüsslgk. 73 mik der cacluca zu liefern, haben bisher vorzüglich Danz (1. c, I. S. 23. und 29.), Lobstein (I. c. S. 10. IL), Biirdach (1. c. S. 72. und 75.), Bock (1. c. p. 9. und p. 24.), Breschet (1. c. p. 93. 94.) und Velpeau (1. c. p. 18.) gemacht. Wenn wir in dieser Richtung foi^tzufahren uns bemühen, so wollen wir zugleich den Versuch machen, eiaerseits die Gründe der Benennungen mancher Scbriftsteller anzudeuten, anderseits auf kritische Weise, wo es angeht, die älteren Namen zu bestimmen. — Ohne über das bei Galen angeblich schon Vorkommende über die decidua etwas entscheiden zu können, wollen wir gleich zu Aretaeus Cappadox übergehen, welcher eine dichte, der inneren Oberfläche des Uterus adliärirende Haut beschreibt. Dafs die decidua in einem solchen häutigen Gebilde enthalten sey, leidet wohl keinen Zweifel. Ob er sie aber allein gemeint habe oder diese mit dem anliegen- den Choriou verschmolzen, ist eine andere kaum zu entscheidende Frage, Wenn in der Stelle von Arantius vielleicht nur durch sehr künstliche Auslegung eine schwache Spur der Kenntnifs der de- cidua gesucht werden kann, so hat sie offenbar Fabrizius ab Aquapendente, wie es scbeint nach abortirten Eiern, als eine schwärzliche, dem Parenchym der Leber oder der Milz ähnliche, Fallopia als eine fleischige, leimähnliche und Harvey aus den Wiederkäuern als eine eiterähnliche, geronnene Masse beschrie- ben. Dagegen scheint Ruysch's Epichorion mehr auf eine äufsere Lamjellc unseres heutigen Chorion zu passen. Hoboken's vierte Hülle, deren Existenz er selbst noch nicht für völlig constatirt hält, scheint doch nur höchstens die decidua reflexa gewesen zu seyn. Stalpart van der Wiel kannte unsere Membran offen- bar, besonders an und auf der Placenta. Albinus und Böhmer kannten wenigstens Tbcüe derselben an abortirten Eiern (s. bei Breschet 1. c. p. 1 — 14.) Hallers Chorion ist die wahre deci- dua. Die ältere Synonymie, wie sie Danz (1. c. p, 23.) gegeben nnd Burdach, Breschet u. A. wiederholt haben, ist retiformis memhrana chorii Hohoicen, reticulum Rouhault, villosa mem- hrana placentae Burton et Ruysch involucrum membrana- ceum Albinus, membrana filamentosa JVriiberg, Chorion Hol- Ter, Chorion fungosum, flocculentum, filamentosum, lanugi- nosum, spongiosum, tomentosum, reticulatum Anderer, Chorion Qnllosmn Schaarschmidt , tunica flocculenta s. caduca Hun- ieri Mayer, schwammiges Chorion, zottige oder hinfällige Hqu- 74 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. tersche Haut, umgestülpte zottige Haut, zottigte oder Huntersche Haut, zurückgeschlagene Aderhaut u. dgl. Denman nennt sie the connecting membrane of the ovum. Burns schlägt für die innere Lamelle der decidua den Namen decidua protrusa vor (s. oben S. 67. Vorstellung der Bildung der reflexa). Chaussier, welcher weniger genau unterscheidet, begreift unter seinem epi- chorion beide Lamellen der decidua. Jörg, welcher die deci- dua für die Schleimhaut des Uterus selbst hält, vermischt ihre Bezeichnung mit der des Mutterkuchens. Seiner allgemeinen Ansicht gemäfs nennt sie Burdach Nesthaut nnd Seiler, dem die decidua vera die Schleimhaut des Uterus selbst in einem Zu- stande höberer Entwickelung ist, Membrana uteri interna evo- Inta, die reflexa dagegen als eine eigenthümliche , in dem Ute- rus erst um das Ei sich bildende Haut, Membrana ovi uterina. Velpeau belegt sie wegen ihrer angeblichen Structurlosigkeit mit dem Namen Membrane anhiste. Wir fassen nun nach der Ana- logie von Bock, Breschet uud Velpeau alle Bezeichnungen über- sichtlich zusammen. a. Benennung für die hinfällige Haut überhaupt, ehe durch W. Hunter ihre beiden Lamellen bekannt wurden. Membrana retiformis Chorii Hoboken. Reticulum Rouhault. Villosa membrana -placentae Burton, Ruysch. Involucrum membranaceum Albinus. Membrana filamentosa Roederer, fVrisberg. Chorion Malier. Membrana ovi exterior Ej'usd. Chorion Jungosum^ flocculentum, filamentosum, lanu- ginosu77i, spongiosum, tomentosum AI. Chorion reticulatum, Müller^ Stein. Chorion villosum Schaarschmidt. b. Benennungen, durch welche zwei Lamellen nicht unterschie- den oder von deren Verfassern die Distinction nicht einmal anerkannt wird. The Connecting membrane of the ovum Denman. Epichorion Chaussier. Placenta uterina Joerg^ Meissner. Placenta succenturiata, subplacenta AI. Epione Dutrochet. V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk. 75 Nidamentum Burdach. Perione Breschet. Membrane anhiste Velpeau. c. Besondere Benennungen der wahren hinfälligen Haut. Membrana decidua vera W. Hunter et m. a. Decidua externa Sandifort. Caduca crassa Mayer. Membrana mucosa Oslander. Membrana ovi materna Mcclcel. Mütterliche Eihaut oder Nesthaut Burdach. Membrana uteri interna evoluta Seiler. d. Besondere Benennungen der umgeschlagenen, hinfälligen Haut. Membrana decidua reflexa TV. Hunter et m. al. Decidua protrusa (z. Th.) Bums. Membrana adventitia Blumenbach. Membrana crassa Oslander. Eingestülpte Nesthaut Blumenbach. Membrana ovi uterina Seiler. e. Bezeichnungen für die in der Cavität der decidua enthaltene Masse. Hydroperione Breschet. Membrana cribrosa Oslander (?) f. Benennung für das die Eintrittsstelle des Eies wiederum ver- schliefsende Blatt (s. ob. Einstülpungstheorie.) Decidua serotina Bojanus et m. al. Secundäre Nesthaut Burdach. Rückblick. Es gehört wahrlich nicht zu den erfreulichsten Resultaten, wenn nach mühsamer Durchforschung alles dessen, was bisher über die hinfälligen Häute bekannt gemacht ist, zwar sehr vieles Materiale, in keinem Punkte aber die nöthige Gewifsheit und Uebereinstimmung sich findet. Der wahre Naturforscher wird ein solches Flitterwesen lieber verwünschen, als begierig auffas- sen. Kein Factum ist ohne Widerspruch, nicht bJofs von Seiten der Theorie, sondern durch angeblich beobachtete und mit Sorg- falt verfolgte Erfahrungen. Das Ganze ist ein Labyrinth von den mannigfaltigsten Widersprüchen, der Sammelplatz von Angaben, deren Richtigkeit Jeder versichert, wiewohl sie nicht selten mit 76 III. Das Ei während der Fruchten Wickelung. Berichten gleich grofser oder noch gröfserer Auctoritäten im Ge- gensatze sind. Wenn man in anderen Theilen der Naturvrisscn- echaft durch geläuterte und genauere Beobachtungen sich des Bal- lastes der leichtsinnigen und oberflächlichen Erfahrungen, der will- kührliclien Hypothesen und einseitigen Thcorieen entledigen kann, so ist hier eine scliarfe Kritik fast unmöglich, weil Facta gegen Facta, Zeichnungen gegen Zeichnungen stehen. Es ist eine Ver- wirrung alles Möglichen. Gesunder und kranker Zustand, ruhige Beobachtung und leichtfertige Erdichtung, bescheidener Zweifel und anmafsendes Absprechen, Bekenntnifs der Unwissenheit und AfTectation, dafs Alles erklärt sey — diese widerstrebende Momente sind hier in einem Brennpunkte vereinigt, sollen ein Ganzes con- stituiren, das nicht eine in sieh gährende Masse ist. sondern ein Knoten, der wohl nie entwirrt und gelöst, sondern durch eine Reihe consequenter und vorurtheilsfieier Beobachtungen eines Einzelneu wird zerhauen werden müssen. Die Gegenwart aber vermag dieses noch nicht, da ihr die noth wendigen objectiven Data in ihrer Vollständigkeit mangeln. Versuchen wir daher dasjenige, was wir durch Bekanntschaft mit dem gröfsten Theile der hierher gehörenden Literatur sowohl, als durch eigene Er- fahrung wissen, zusammen zu stellen. Die Darstellung wird frei- lich nur die subjeclive Idee eines Einzelnen seyn und kann, insofern ihr die Iluuptsache, die Vollständigkeit der Fakta, abgeht, auf all- gemeine Annahme keinen Anspruch machen. Sie ist aber nicht ohne Kritik entworfen und bei der wiederholten Durchsicht je- der Theorie geprüft worden, so dafs sie wenigstens um Gehör bitten darf, eine Vergünstigung, welche jedem Produkte zu Theil wird, sobald es nnr das Bestreben zeigt, ein Problem aufzuhellen oder seine Lösung vorzubereiten. Wir wissen, dafs das Ei, um in sich die Frucht zu entwik- keln, bei den höheren Thieren seinen früheren Ort im gesunden Zustande verläfst. Die hierzu nolhwendigen, bedingenden Vor- gänge finden sich sowohl in dem Eie selbst, als in dem dasselbe früher enthaltenden Organe, dem Eierstocke, so wie auch in den Theilen, durch welche es hindurch geht, bedingt. Die Siiuge- thiere, welche ein besonderes Organ zur Aufnahme des Eies wäh- rend der Entwickelung der Frucht haben, nämlich den Fruchlhäl- ter, zeigen in diesem bestimmte verbreitende und coincidirende Veränderungen. Um diese aber ihrem VN'^esen nach zu begreifen, V. d. Fmcbthäller aiisgesch. Membranen u. Flüsslgk. 77 mufs man eich in Erinnerung bringen, dafs in dem Frucbthälter der Säugethicre die Sclileimliaut auch im ungeschwängerten Zu- stande gröfstentheils leicht von der Muskelhaut zu trennen ist, dafs sie eine Menge von Falten hat, welche meistens parallel neben einander liegen, bisweilen auch netzförmig mit einander sich ver- binden. In dem Fruchlhälter des Menschen ist die Schleimhaut so fest an die Muskelsubstanz der Gebärmutter angeheftet, dafs sie in nicht geschwängertem Zustande nur schwierig losgetrennt werden kann, ja mehrere hierdurch bewogen, jedoch mit Unrecht, ihre Existenz als gesondertes Gebilde überhaupt geiäugnet haben. Und doch ist bei dem Menschen die Secretion um Vieles verhält- nifsmäfsig stärker und bestimmter als bei den Säugethicren. Diese Verschiedenheit der inneren Oberfläche des Fruchthälters aber zeigt sich auch deutlich genug in ihrem metamorphosirten Zu- stande nach der Befruchtung. Bei den Säugethicren wird die Schleimhaut aufgelockert, ihre Blutgefäfse entfalten sich, ihre Zot- tenfalten gewinnen an Gröfse und Ausbildung und es scheidet sich eins schleimige oder gallertartige Membran ab, welche sich vor der Ankunft des Eichens in den Hörnern des Fruchthälters schon findet, wie ich bei Schweinen mit Bestimmtheit zn beo- bachten Gelegenheit hatte. In dieser Beziehung wäre diese Mem- bran der decidua vera des Menschen zu vergleichen; allein mit weiterer Ausbildung des Eies tritt sie mehr in die Bedeutung der reflexa. Denn sobald sich die Flocken des Chorion zwischen die Zottenfaltcn hineinbilden, wird die Verbindung dieser mit der Schleimhaut des Uterus dichter. Die früliere ausgeschiedene ge- latinöse Lage erscheint alsdann inniger mit den Chorionflocken, als mit der Schleimhaut des Uterus verbunden. Es scheint also, als ob hier die Schleimhaut der Gebärmutter zwar eine Masse ausscheide, welche der Memhrana decidua überhaupt analog sei, dafs aber in dem späteren Verlaufe der Eutwickelung diese selbst in sofern die Stelle der decidua vera übernehme, als sie allein den Mutlerkuchen (s. unten Placenta) constituirte , die ausgeschiedene Masse dagegen die Rolle der reflexa insofern spielte, als sie dann inniger mit den Flocken des Chorion, denn mit der Schleimhaut der Gebärmutter verbunden sey; ein Verhältnifs, das vielleicht in der decidua serotina oder an der Verbindungsstelle des Fruchikuchens auch an dem Menschen wiederkehrt. Wie also in dem ungeschwängerten Zustande die Schleimhaut anato- 78 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. misch mehr ausgebildet und geschieden, die Sekretion dagegen weniger reichlich und seltener ist, so bildet sich auch die Schleim- haut im Laufe der Schwangerschaft zu dem Mutterkuchen um, die Sekretion dagegen bleibt auf einer niederen Stufe der Aus- bildung stehen; denn sie wird nie wahrhaft membranartig und sinkt zu einem die Zotten nur verbindenden Gewebe hinab. An- ders dagegen ist das Ganze in dem Menschen, wo die anatomische Ausbildung der Schleimhaut zurücktritt, die Sekretion dagegen reichlicher, constant und an gewisse Zeitperioden gebunden ist. Wir wissen, dafs vor dem Eintritte des Eies in die Tuben sich auf der inneren Fläche der Gebärmutter kleine Zotten entwickeln, welche zwischen sich eine dichtere gelatinöse Masse erzeugen, die nach Ed. Webers Erfahrung auf ihrer Oberfläche zu einem zarten Iläut- chen organisirt ist. Hier fehlt nun noch eine entscheidende Beo- bachtung, ob nämlich das Häutchen eine überall geschlossene Wandung schon darstelle oder nicht, wenn das Eichen in den Uterus eintritt. Ist das Erstere der Fall, so wäre die Einstül- pungstheorie freilich nothwendig. Allein mit Recht lassen sich noch mehrere Gründe gegen dieselbe erheben. So ist z. B. die reflexa gefäfslos, während die decidua gefäfsreich ist. So konnte noch Niemand einen längeren oder kürzeren Einstülpungs- canal, aufser an abortirten Eiern, mit aller nöthigen Bestimmtheit nachweisen. Wenn aber angegeben wird, dafs die Einstülpungs- stelle die der späteren Placenta sey, so spricht mehreres bestimmt dagegen, wie z. B. wie Breschet schon bemerkt, dafs die Affen eine dem Menschen ähnliche Organisation der decidua haben und zwei Placenten besitzen, dafs die Placenta aus dem gesammten Theile des flockigen Chorion entstehe, wie E. H. Weber gezeigt hat u. dgl. mehr. Von abortirten Eiern läfst sich keine sichere Entscheidung entnehmen und es wäre daher sehr zu wünschen, dafs Burdach und Velpeau, welche ihrer Angabe nach die Ein- stülpungstheorie selbst durch Präparate nachweisen können, nach diesen entnommene Zeichnungen veröffentlichten. Ist dagegen die Ausscheidung innerhalb der Gebärmutter noch nicht zu einer Membran organisirt, wenn das Eichen in die Cavität des Uterus anlangt, so ist dann die Theorie der Einsaat das Wahrscheinlich- ste. Nach dieser gelangte nämlich das Eichen in die gelatinöse Masse der Seite des Fruchthälters, durch dessen Tuben es gekom- men sey. Die ausgeschiedene Masse, welche einerseits die ganze Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies. 79 innere Oberfläche ^es Fruchthälters bekleidet, organirte sieb hier zur decidua vera. Da aber auch durch dieselbe Masse das Eichen überall umkleidet wird, so würde sie hier durch einen analogen, aber etwas abweichenden Organis ationsprocefs zur decidua re- flexa. "Wenn nun später die Placenta entstände, so bildeten sich die Productionen des Fruchthälters in die decidua vera, die des Chorion dagegen in die decidua reflexa. Dieses ge- schieht aber wahrscheinlich da, wo das Eichen an der inneren Oberfläche des Uterus befestigt war. Welcher von diesen beiden Vorgängen in der Natur Statt finde, können einzig und allein künftige, glückliche Erfahrungen entscheiden — Unterdefs haben sich aber, wie ich aus eigener Beobachtung selbst bezeugen kann, neue Produkte zur Abschliefsung der Höhe des Uterus gebildet. Zwei kleine gallertartige Pfropfe verschliefsen die Mündungen der Tuben. Sie hängen mit der decidua vera innig zusammen, sind solid und erstrecken sich im vierten Monat drei bis vier Linien lang in jeden Eileiter. An der Gebärmuttermündung dagegen haftet ein beinahe einen Zoll langer und dicker, die Mündung fast gänzlich verschliefsender einfacher Gallertpfropf. Dieser er- scheint nicht blofs in der Schwangerschaft, Ich habe ihn, nur natürlich weit kleiner, auch in solchen Leichen gefunden, welche kurz vor dem Tode an Nymphomanie gelitten hatten, wo auch soge- nannte Ovula A'abothi in der Regel vorkommen. — Anfangs besteht natürlich zwischen decidua vera und reflexa eine Höhle, wel- che immer kleiner wird, je näher die beiden Häute an einander rük- ken, bis sie zuletzt ganz geschwunden ist, wenn die beiden de- eiduae in ihrem ganzen Umfange einander berühren. Ueber Bre- schet's Hydroperione vermag ich nichts aus eigener Erfahrung zu berichten. B. Die in dem Eileiter wahrscheinlich gebildeten Häute und Stoffe des Eies oder die eigenthümliche Eihaut nebst dem Stoffe, welcher in den Eiern der Säugethiere dem Eiweifse analog ist. Es ist schon oben bemerkt worden, dafs v. Bär (Heusingers Zeitschrift H. S. 176.) in der äufscrn Haut des Ovulum Graaßa- num das künftige Chorion oder die zottige Haut des Eies sieht. Wir selbst dagegen haben die durch genauere Beobachtungen und triftige Gründe unterstützte Vermuthuug ausgesprochen, dafs diese 80 III. Das Ei während der Fruclitentwickelung. Membran sich erst um das Eichen bei seinem Eintritte oder Durchgange durch die Tuben bilde und das Ei selbst selbstständig begrenze. Wie dem auch sey, so scheint wenigstens so viel mit Gewifsheit angenommen werden zu können, dafs die Eihaut oder das Chorion schon in seiner Grundlage formirt sey, wenn das Ei sich in der Gebärmutter oder deren Hörnern befindet, überhaupt aber sich fixirt, um in die weitere Ausbildung des Embryo ein- zugehen. Insofern diese Membran die äufsere Begrenzung des Eies als eine besondere Individualität darstellt, dürfte der von Bär vorgeschlagen« Namen Eiliaut der Zweckmäfsigste seyn. Nach älteren Bezeichnungen nennt man sie auch Chorion. Doch hat man, wie wir bald sehen werden, mit diesem Namen manches andere, nicht hierher gehörende Gebilde belegt nnd so die in der ganzen Synonymik der Eihäute herrschende Abweichung auch hier eingeführt. Die Eihaut oder das Chorion ist so leicht in den meisten Perioden der Schwangerschaft zu erkennen, ja ihre Zotten sind durch ihre zierliche Conformation kurz vor der Bildnng der Pla- centa so auffallend, dafs es uns nicht wundern darf, wenn ihre erste Kenntnifs in das früheste Alterthum dieses Theiles der beo- bachtenden Naturwissenschaft hinabreicht. Galen nennt zwar schon ein Gebilde Chorion, versteht jedoch hierunter nicht insbesondere die Eihaut, sondern den Mutterkuchen oder die Nachgeburt über- haupt. Er unterscheidet aber doch zwei Lamellen seines Chorions (Dana 1. c. I. p. 29.). Nach der von Haller gegebenen Synonymik i^Elem. jihys. FIIL p. 188. und 195.) heifst diese Haut bei Need- ham, Diemerbroek, Bidloo, Härder, Simson, Littre, Fantonius Allan- tois, bei Ruysch, Pseudoallantois, bei Vieusseas secunda ovi mem- hrana, bei Hoboken, Vernheyen, Peyer, Munniks, Pauli, Rouhault u. A. meviihrana ovi media, bei Pfister memhrana tertia^ bei Stal- part von der Wiel membrana cellulosa pituitae similis inter cJio- rion 'et amnion. Doch ist es fast ganz unmöglich, bei Vielen der ge- nannten älteren Schriftsteller heute mit Gewifsheit zu bestimmen, welche Dinge sie mit den eben genannten Namen bezeichnet ha- ben, da sie bei ihrer unvollständigen Kenntnifs der Eihüllen theils die Benennungen unrichtig wählten, theils künstliche Theilungen,- theils abnorme Zustände, besonders an ab ortirten Eiern des Menschen, für angeblich richtige Beschreibungen auswählten. Auch sind die meisten Angaben im höchsten Grade unbestimmt, wie schon aus den we- Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies. 81 wenigen bei Velpeau {Embryologie p. 12.) zu findenden Citaten hinlänglich erhellt. Von neueren Benennungen gehören noch CJiorion pellucidum sive Jaeve {FFrisherg de structura ovi in Collect. Comment. Fol. I. 1800. 8. p. 321.), dritte Eihaut (Ph. Fr. Meckel in Hailers Physiol. II. S. 870.), Membrana media {Haller elem. physiol. FIII. p. 194J, Chorion la&ce (Scliaar- schmidt bei Danz p. 30.), tunica vasculosa s. e.rtinia (bei Job. Fr. Meckel Anat. IV. S. 703.), Aderhaut, mittlere, glatte Aderhaut, Le- derhaut und dgl. hierher. In den Arbeiten von Cuvier und Dutrochet herrscht, in Bezug auf die Benennung der einzelnen Eihäute, ein sol- cher Widerspruch und zum Theil eine so grofse Verwirrung, dafs sich mit Bestimmtheit durchaus nickt angeben läfst, was der Eine oder der Andere mit seinen Namen gemeint habe. Nach Dutrochet (Meckel. Arch. V. S. 585.) nennt Cuvier das Chorion rete vas- ciilosum 'oasorum umbilicaliuin . prima allantoidis lamina. Wahrscheinlich bezeichnet aber dieser grofse Natui^forscher hier- mit das der Allantois angehörende Blatt, welches wir als soge- nanntes Endochorion bald kennen lernen werden und das sich in das wahre Chorion hineinbildet. Dutrochet selbst (Meck. Arcb. V. S. 565.) glaubt durch Beobacbtung eines 6,5'" langen Schaafs- embryo zur Annahme folgender Hüllen gekommen zu seyn: 1. eine äufsere, gefäfslose, durch Maceration in Schuppen abfallende Haut, Hunters dtcidiia. 2. Eine gefäfsreiche, mit einer Oberhaut versehene Membran, das Chorion. 3. Eine gefäfslose, mit durch- sichtiger Flüssigkeit gefüllte Haut, die Allantois. 4=. Eine mittlere, gefäfsreiche, Amnion und Nabelblase umgebende Haut, die mittlere Haut. 5. Das gefäfslose Amnion und 6. die Nabelblase. Nach unseren später noch anzuführenden Beobachtungen , glauben wir die Synomik hier auf folgende Weise feststellen zu können. 1. Seine hinfallige Haut und die Oberhaut seines Chorion entsprechen dem, was wir unten Exochorion nennen werden. 2. Sein gefäfsreicher Theil des Chorion und vielleicht seine mittlere Haut sind das so- genaimte Endochorion. 3. Allantois, Amnion und Nabelblase sind richtig bestimmt und bezeichnet. Burdach (Physiol. IL 413.) nennt die ursprüngliche Eihaut, wie sie bei dem Eintritte des Eies in den Fruchthälter sich findet, Exochorion. An dieses legt sich im Laufe der Entwickelung das Gefäfsblatt einer anderen Haut au und bildet sich in dasselbe hinein. Dieses ist das Endocho- rion. Beide zusammen werden sehr häufig als Chorion überhaupt 6 82 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. beschrieben. Da das Exochorion der Schaalenhaut der niederen Thierklassen entspricht, so nennt es v. Bär (Untersuch, über die Gefäfsverb, zwischen Mutter und Frucht S. 3.) geradezu Schaa- lenhaut. Wir müssen, ehe wir an die Beschreibung des Chorioa in den verschiedenen Stadien seiner Entwickelung gehen, darauf auf- merksam machen, dafs zu drei Perioden des Eilebens die Eihaut ganz verschiedene Charaktere zeigt, und dafs es daher unrichtig wäre, das in der einen Periode Beobachtete auf eine andere an- zuwenden. Die Zeitabschnitte sind folgende. 1. So lange die Eihaut blofs Exochorion ist, das Endochorlon sich noch nicht an dasselbe angelegt oder in dasselbe hineingebildet hat; 2. während der Genese der Placenta und 3. sobald das Amnion nicht mehr durch eine gröfsere Zwischenmasse von dem Chorion getrennt ist. Die Eihaut oder das Exochorion, welclies sich nach Velpeau (Heusingers Zeitschr. II. S. 74.) und v. Bär schon im Eierstocke gebildet finden soll, stellt eine runde, das Ei von allen Seiten umschliefsende Blase dar, die nirgends geöffnet ist oder in den Körper des Embryo übergeht. Zwar hatte Velpeau (Heusingers Zeitschr. II. S. 73. Embryologie p. 18. 19.) behauptet, dafs das Chorion eine Fortsetzung der änfseren Haut der Frucht sey. Diese falsche Annahme ist aber von ihm selbst wiederum zurückge- nommen worden. Sobald das Eichen in den Uterus gelangt ist, tritt seine äufsere Oberfläche mit der decidua, seine innere mit einer eigenthümlichen, unten noch näher zu beschreibenden Masse, später dem Endochorion und zuletzt mit der mittleren Haut in Berührung. Schon diejenige Membran, welche von Bär an dem Ei- chen vor seiner Fixirung im Uterus beobachtet und als künftiges Ex- ochorion gedeutet hat, zeigt kleine rundliche Erhabenheiten auf ihrer äufseren Oberfläche. Diese verlängern sich nun, verästeln sich und werden zu denjenigen Gebilden, welche als die soge- nannten Zotten des Chorion bekannt sind. Sie erscheinen über- aus frühzeitig, bei Säugethieren sowohl, als bei dem Menschen, da sie das erste Produkt sind, welches eine innigere, contiguirliche Verbindung zwischen Fruchthälter und Ei bewirkt. Wie dieses geschehe, wie hierdurch dasjenige zu Stande komme, welches man im Allgemeinen Placenta nennt, werden wir unten, wo von dem Endochorion und von dem Gefälsblatte des Embryo die Rede seyn wird, näher erörtern. Hier sollen nur die Veränderungen Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies. 83 der Zöllen des Chorion selbst näher beleuchtet werden. In frü- hester Zeit ist nach allen Beobachtern, wie Lobstein, Meckel, Velpeau u. A. das Chorion auf seiner ganzen Oberfläche mit Zot- ten besetzt. Doch findet sich auch an sehr kleinen Eiern nach E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 492.) eine Stelle, welche glatt ist und auf welcher die Zotten weniger dicht stehen. Nach ihm wird dieser glatte Theil durch bedeutende Vergröfserung zu der gröfseren, glatten Hälfte des Chorion, während der dicht mit Zotten besetzte in die Bildung des Mutterkuchens eingeht. Nach den übrigen Schriftstellern aber, welche glauben, dafs im Anfange das ganze Chorion mit Zotten bedeckt sey, schwindet ein Theil derselben im Laufe der ferneren Eutwickelung, während der übrig bleibende Theil zur Bildung der Placenta eingeht. Was nun aber die morphologischen Veränderungen der Zotten in dieser Bezie- hung betrifft, so hat sie besonders von Bär (Untersuchungen über die Gefäfsverb. etc. 1828. Fol.) an mehreren Säugethieren und Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Menschen 1832. Fol.) so wie auch E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV.) an dem Menschen verfolgt. Nach K. E. v. Bär (1, c. S. 3.) sieht man drei und eine halbe Woche nach der Befruchtung auf dem Eie des Schweines I Linie hohe Falten, welche er Zottenfalten des Eies nennt. Jede von diesen hat auf ihrem freien Rande kleine Erhabenheiten oder Zotten. Diese bedecken nicht blofs den mittleren gefüllten Theil, sondern auch die leeren und zusammengefallenen Zipfel des Eies, welche noch nicht von der Allantois ausgedehnt und ausgefüllt werden. Diese Zottenfalten constituiren eine eigenthümliche Mem- bran, das wahre Exochorion. In fünfwöchentlichen Eiern (1. c. S. 5.) haben sich zwar die Zottenfalten erhoben, mehr aber noch die auf ihnen befindlichen Zotten, welche sich auch zu wöl- ben anfangen. Zugleich beginnen sich schon Verbiudungsfältchen zu zeigen. Die beiden Enden des Eies dagegen haben keine Zot- tenfalten mehr, da diese hier allmählig abnehmen und dann plötz- lich mit einer deutlichen, weifsen Narbe aufhören. Sie stellen auf diese Weise die sogenannten diveriicula allantoidis dar. Nun bilden sich (S. 6.) die Zotten des Chorion in ansehnliche, dicke Zapfen um, welche in Querreihen bald vereinzelt, bald zusam- menhängend stehen. Chorion und Allantois aber, welche von zwei benachbarten Eiern einander berühren , stülpen sich in eia> ander ein. In dem Eie der Wiederkäuer fehlen die Zottenfalten 84 III. Das Ei während der Fruchtenlwickelung. (S. 13.). Die äufserste Lage des Chorion aber wird hier dunkel, und man bemerkt in ihr kleine rundliche Erhebungen, welche in entsprechende Vertiefungen des Mutterkuchens passen. Die Er- höhungen vergröfsern sich und werden kolbig. Ihr dunkeler üe- berziig lällt dann ab, so dafs die kleinen Kölbchen durchsichtig werden, während an ihrer Basis die dunkele Decke noch eine Zeit lang bleibt (S, 14.). Diese theilen sich später aber an dem hervorragenden Ende in mehrere Zipfel. Die Zipfel verlängern sich nun, theilen sich immer weiter (S. 16.) und verbinden sich zuletzt auf eine innige und ziemlich feste Weise mit den Mut- terkuchen. Aufserdem erheben sich (S. 19.) aus dem Chorion kleine Faltenhäufchen, ähnlich analogen, sternchenförmigen Gebil- den in dem Schweine, welche den Endigungen der Saugadern im Fruchthälter entsprechen sollen. Das Ei des Hundes (S. 20.) zu Ende der dritten Woche ist überall, mit Ausnahme der zugespitz- ten Enden, mit Zotten besetzt. Diese werden von den Zotten des Fruclithälters umfafst und beide durch eine dichtere Masse noch inniger mit einander verbunden. Die Enden des Eies ver-. lieren nun ihre Zotten, während in der Mitte ein zottentragender Gürtel übrig bleibt. — Was den Menschen betrifft, so finden sich auf der äufseren Fläche des Chorion in der frühesten Zeit nach Seilet (die Gebärmutter und das Ei etc. S. 31.) kleine, weifse, nur durch das Microscop erkennbare Flocken, welche nach Velpeau (Embryologie p. 14.) bis zum Anfange des zweiten Monates nicht verästelt sind. Diese vergröfsern sich und nehmen, wie die über- einstimmenden Beobachtungen von Breschet, Raspail, Carus, Sei- ler, Velpeau u. A. zeigen, eine kolbige Gestalt an ihren Enden an. Zugleich verästeln sie sich dann baumformig, ungefähr nach der Art, wie wir dieses an den äufseren Kiemen der Salamander und Frösche zu sehen Gelegenheit haben, nur dafs sich weit mehr Neben- und Seitenzweige zeigen, als doi't. Dabei sollen sie jedoch nach Velpeau ihre kolbigen Anschwellungen verlieren (1. c. p. 14. 15.). Diese Flocken, welche Seiler u. A. Saugflocken nennen, dienen nach ihm, wenn in ihnen Blutgefäfse erscheinen, diesen nur zur zellgewebigen Grundlage und werden (1. c. S. 32.) zum Theil zur Gefäfsbildung der Placenta verwendet, zum Theil da- gegen verkümmern sie, fallen ab und werden wahrscheinlich ein- gesogen, so dafs nun der zottenlose Theil des Chorions einen membranartigen üeberzug von der decidua reßexa erhält. Nach Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies. 85 E. H. Weber (Hildebr. Anal. IV. S. 496.) dagegen findet sieb, wie scbon oben berichtet wurde, auch an sehr kleinen Eiern eine glatte Stelle des Chorion, auf welcher die Zotten w^eniger dicht siud. Diese Stelle dehnt sich nun im dritten Monate mehr aus, und ihre Zotten stehen daher dann viel vereinzelter, als früher. Indem dieses nnn auf dieselbe Weise während der ganzen Schwanger- schaftszeit fortgeht, entsteht so der gröfste, glatte Theil des Cho- rion. Nach Seiler (I, c. S. 32.) werden nun im dritten Monate die einzeln stehenden Gefäfsflocken zahlreicher und verweben sich dichter unter einander. Sie gruppiren sich zwar schon zu einzelnen Abtheilungen, Ihre Verbindung ist jedoch nur noch eine lockere Nebeneinanderlage. An der Stelle, wo sich die Pla- centa bildet, scliwindet die decidua reflexa, während sich die Membrana decidua vera nicht nur in die äufsere Platte des Chorion (der Placenta) hineiubildet, sondern auch mit ihm (mit ihr) auf das Genaueste verbunden ist. (Einiges hierher noch Ge- hörende s. unten, wo in dem zweiten Abschnitte von der Pla- centa gehandelt wird.) — Die innere Oberfläche des Chorion ist immer glatt, wie sich jeder leicht überzeugen kann, und auch die Angaben der meisten Beobachter übereinstimmen, wiewohl selbst J. Fr. Meckel (menschl. Anatomie IV. S. 703.) sagt, dafs das Chorion an seineu beiden Oberflächen Zotten habe. In den verschiedenen Entwickelungsperioden ist es zwar mit verschiedenen bald zu erörternden Stoffen und Theilen in mehr oder minder inniger Berührung, nie aber mit von ihm selbst ausgehenden Fort- sätzen auf der Innenfläche versehen. — Abgesehen von den Zot- ten ist das Chorion nach Velpeau (Embryologie p. 16.) immer dünn und durchsichtig. — Eine andere vielfach bestrittene und heute noch nicht entschiedene Frage ist die, ob dasselbe aus ei- nem oder aus mehreren Blättern bestehe. Zuvörderst ist es aber nothwendig, zu bemerken, dafs diese Frage, in ihrer Allgemein- heit hingestellt, ira höchsten Grade ungenügend ist. Denn man mufs hier nothwendig unterscheiden, ob man nur das Exochorion oder das Chorion in dem Zustande meine, wenn das Gefäfsblalt der Allantois sich an dasselbe angelagert und in dasselbe hinein- gebildet, oder ob man die Zeit schon bezeichne, in welcher selbst das Schleimblatt der Allantois mit dem Chorion in Berührung getreten ist. Die Antwort mufs auch nach diesen drei wesent- lich verschiedenen Momenten durchaus verschieden ausfallen. 86 m. Das Ei während der Fmchtentwickelung. 1. Von dem Exochorion an und für sich vermuthet von Bär (Ge- fäfsverb, S. 3.), dafs es aus zwei Blättern bestehe, von denen das äufsere die Zotten constituire. Wenn sich auch Jeder leicht überzeugen kann, dafs die Zottenschicht, besonders bei zarten Eiern der Schweine, durch schnell erfolgende Maceration leicht abgeht, so konnten wir doch an frischen Chorionstücken unter dem Microscopc keine zwei Lamellen durch lange Strecken tren- nen, selbst dann nicht, wenn wir in kohlensauerem Kali erhär- tete Stücke untersuchten, wodurch man sonst verschiedene La- mellen eines Theiles an feinen Durchschnitten äufserst leicht zu erkennen vermag. 2. So lange noch die bald als Eiweifs zu be- zeichnende Schicht sich zwischen Chorion und Allantois oder zwischen Chorion und Amnion zeigt, obgleich das Endochorion mi!; seinen Gefälsen sich schon in das Exochorion hineingebildet hat, findet sich, wenigstens bei den von mir untersuchlen Säu- gethieren, keine von dem Exochorion gesonderte Membran. Man erkennt abei' an der Innenfläche des Chorion eine Schicht, die mit eigenthümlichen Körnchen versehen ist und die dem Endocho- rion offenbar angehört, da die Natur allgemein das schon von Haller ausgesprochene Gesetz zu beobachten scheint, dafs Gefäfse ohne stützende Membran nicht existiren. 3. Zu der Zeit, wo nach dem Schwinden des Eiweifses Allantois oder Membrana media dicht an dem Chorion anliegen, lassen sich zwar leicht z\Vei Blätter von einander trennen. Man sieht aber bei einiger Aufmerksamkeit, dafs diese Blätter nicht einmal innig verwach- sen, sondern nur genau mit einander verbunden sind, und dafs die innere Lamelle einem fremden Eitheile angehört. Wir müs- sen uns daher dahin entscheiden, dafs jede Trennung des Chorion in mehrere Lamellen bei den Säugethieren sowohl, als bei dem Menschen entweder künstlich oder scheinbar sey. Das Letztere beruht darauf, dafs andere Eitheile sich genau an die Innenfläche der Eihaut anlagern oder in dieselbe hineinbilden. Wie wenig aber durch künstliche Trennung der Theile in Lamellen und Mem- branen der Wissenschaft genützt werde, dürften z. B. die vielfa- chen und nicht ohne Leidenschaftlichkeit geführten Streitigkei- ten über die verschiedenen Hüllen des Penis hinlänglich zu be- weisen im Stande seyo — Verhandlungen, die heut zu Tage mit Recht fast ganz vergessen worden sind. — Mit diesen Resultaten stimmt auch die Angabe von Vclpeau (Embryologie p. 18.) über- Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies. 87 ein, welcher das -Chorion in mehr, als 400 Eiern zu untersuchen Gelegenheit hatte, und es zu vierzehn Tagen, drei Wochen, ei- nem und zwei Monaten immer einfach fand, während Granville (Joh. Müllers Arch. Hft. I. S. 7.) es aus zwei bis drei Blättern bestehen läfst, von denen die innere (Endochorion?) vascuiös seyn soll. Wenn Joh. Müller (ebds. S. 7.) von der inneren Oberfläche eines Eies ein feines Blatt loszutrennen vermochte, so wird sich über diese Erfahrung erst etwas Genaueres bestimmen lassen, wenn die Periode, in welcher das Ei sich befindet, bekannt seyn wird. — Eine andere an die eben besprochene sich zunächst an- schliefsende Frage ist die, ob das Chorion mit Blutgefäfsen verse- hen scy oder nicht. Vielfach hat man über diesen Punkt gestritten und sich in den mannigfaltigsten Gegensätzen erschöpft, während sich, wenn man die genetischen Verhältnisse dieser Theile und ihren Charakter in Erwägung zieht, die Antwort von selbst fast ergiebt. Soll ein Eilheil Blutgefäfse haben, so kann er sie nur von der Mutter oder von dem Embryo erhalten. Dafs die Ge- fäfse des Uterus in keiner unmittelbaren Communication mit de- nen des Eies selbst oder des Kindes stehen, soll imten bei Gele- genheit der Placenta erwiesen werden. Ehe aber das Gefäfsblatt der Allantois das Exochorion erreicht und sich zum Theil in das- selbe hineingebJldet hat, finden sich aufserhalb des Embryonal- körpers nur die Blutgefäfse des Gefäfshofes oder die Dotterblut- gefäfse. Von diesen geht fast kein Aestchen heraus zu irgend einem anderen Theile (s. unten), am wenigsten aber zum Chorion. Das Exochorion ist daher, wie die Eischaalenhaut der Vögel, an und für sich ohne Blutgefäfse. Es erhält dieselben aber dadurch, dafs das Endochorion in dasselbe sich hineinbildet, ja sein eige- nes Parenchym zum Theil verdrängt. Da nun aber bestimmt noch kein gesunder menschlicher Embryo beobachtet worden, in welchem die Allantois mit ihrem Gefäfsblatte das Exochorion noch nicht erreicht hatte, wie z. B. in dem von Bär (de ovo mavimalhnn VII^) gezeichneten Hundeembryo, so ist es na- türlich, dafs das frische Chorion der menschlichen, bis jetzt un- tersuchten Eier Blutgefäfse zeigen mufste. Das Exochorion hat auch hier ursprünglich und für sich keine Blutgefäfse, erhält sie aber secundär durch Hineinbilden des Endochorion in dasselbe. — JEs wäre eine eben so wenig interessante, als fruchtbringende Arbeit, alle über unseren Gegenstand geäufserten Meinungen anzuführen. 88 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. Wir wollen daher das hierher Gehörende unter gewifse Hauptru- briken bringen, um wiederum die Erfahrung zu machen, wie sehr der menschliche Geist sich bei dem besten Willen verirren kann, so- bald er den sicheren Weg der ruhigen und vorurtbeilsfreien Beob- achtung verläfst oder aus einzelnen, abgerissenen Momenten auf das Ganze Scblüsse sich erlaubt. 1. Eine der gröfsten Verirrungen stellt die Behauptung dar, dafs die Zotten des Chorion selbst Blutgefäfsc seyen. In Deutschland hat diese Verirrung, welche mit jedem wahren Begriffe von Blutgefäfsen in Widerspruch steht, nie sehr festen Fufs gefafst. Durch die Widerlegungen von Carus (Siebold Jouru. 1827. S. 20.), Breschet, Raspail (Heusingers Zeitschr. Bd. IL), Velpean (1. c. p. 14.) u. A. dürfte sie überhaupt aus dem Gebiete der Wissenschaft entfernt seyn. 2. Dafs das Chorion Blutgefäfse enthalte, dürfte nach den Untersuchungen an Thieren dahin zu berichtigen seyn, dafs nur dem Endochorion diese Ge- fäfse angehören. Von den in den Flocken des Chorion, welche zu dem Fruchtkuchen eingehen, befindlichen Blutgefäfsen ist die- ser Ursprung wohl keinem Zweifel unterworfen. Allein es hatte wohl offenbar denselben Grund, wenn Joh. Müller (s. Arch. Hft. I. S. 6.) an einem Eie, welches noch keine Placenta hatte, die frisch untersuchten Nabelgefäfse deutlich blulhaltig von der Eintrittsstelle in das Chorion aus zwischen den Zotten desselben in einigem Umfange sich verbreiten sah. Denn die Hüftnabelge- fäfse gehören dem Endochorion an. Wenn übrigens derselbe Schriftsteller (1. c. p. 7.) behauptet, dafs es späterhin nicht ge- linge, auf der Oberfläche des Chorions selbst Gefäfse nachzuwei- sen, so spricht die Erfahrung von E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 493.) zum Theil dagegen, nach welcher bei reifen Eiern zu dem nicht in den Fruchtkuchen eingehenden Theile des zotti- gen Chorion sehr enge Fortsetzungen der Nabelgefäfse verlaufen, während die völlig glatten Stellen ganz ohne sichtbare Blutge- fäfse sind. 3. Manche Schriftsteller wurden zu der Ansicht ver- leitet, dafs das Chorion des Menschen, wie man an vielen abor- tirten Eiern es sehen könne, blutgefälslos sey. Allein da bei dem Menschen noch kein gesundes Ei beschrieben worden, in welchem noch Exochorion und Endochorion getrennt gewesen wären, so dürfte ein aus den bekannten Eiern gezogener Schlufs eben so unrichtig seyn. Man sieht dieses auch an der Methode, nach welcher die Schriftsteller ihre Behauptung darzuthun sich bemü- Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies. 89 hen. So sollten z. B. nach Breschet und Raspail (Repe/'L gener. d'anat. et physiol. Tom. V. p. II. P. 380. in Heusinger's Zeit- schr. II. S. 564.) die Gefäfse durch Aufbewahrung in Weingeist besonders deutlich werden, — eine Behauptung, von deren Un- wahrheit sich Jeder leicht an irgend einem mit Blutgefälsen ver- sehenen Theilc überzeugen kann. — Hieran schliefst sich zunächst die Frage, ob Saugadern in den Flocken des Ckorion vorhanden seyen oder nicht. Von den hierher gehörenden Erfahrungen von Fohmann wird noch weiter unten die Rede seyn. Aufser die- sem Naturforscher, welcher auf ihre Existenz nach gemachten Quecksilberinjcctioncn schliefst, haben Einige, wie Schreger, Chaus- sier, Ribes u. A., sie bypothesisch angenommen oder verworfen. — Eine Höhlung im Innern der Flocken, die von Vielen beschrieben wurde, konnten Manche, wie z. B. Seiler (1. c. p. 30.), nicht mit Bestimmtheit beobachten. — Eben so wenig ist bis jetzt die von Mehreren gelehrte Existenz von Nerven bestätigt worden (S. un- ten Nabelstrang und Mutterkuchen). — Uehereinstimmend nach allen Beobachtern bestehen die Zoiten, wie sich auch Jeder leicht über- zeugen kann, aus einem durchsichtigen, viele, ziemlich grofse Körnchen enthaltenden Stoffe, welcher mit der Masse der Süfs- wasserpolypen, der Darmzotten u. dgl. einige entfernte Aehnlich- keit hat. — Das Exochorion umschliefst also nach allem bisher Gesagten, wie die Schaalenhaut der Vögel, das Ei vollständig, ist keine Fortsetzung irgend eines Theiles des Embryo und für sich ohne ßlufgefäfse. Im Laufe der Entwickelung tritt als Pro- duction des Embryo das Endochorion an dasselbe, dessen Blutge- fäfse sich besonders an den Stellen des Fruchtkuchens in das Exo- chorion hineinbilden, so dafs aus diesen, dem Ursprünge sowohl, als ihrer Bedeutung nach verschiedenen Theilen ein mit Blutge- fäfsen versehenes Gebilde, das Chorion, entsteht. Dicht an der inneren Oberfläche des Chorion liegt in dem Eie des Menschen in einer frühen Periode des Fruchtlebens ein eigenthümlicher, gallert- oder eiweifsartiger Körper, dessen Exi- stenz von Vielen dargethan, dessen Bedeutung aber von Keinem mit Gewifsheit festgestellt werden konnte. Schon Wrisberg (descr. anat. emhryonis. 1764. 4. p. 5.) und W. Hunter (anatom. Beschreib, des schwang. Uterus S. 66. 67.) sprechen von einer gallertartigen Substanz zwischen Chorion und Amnion. Lobstein, welcher sie in zwei Eiern vom zweiten und dritten Monate nicht 90 III. Das Ei während der Fruchteiitwickelung. flndea konnte, etwas Aehnliches dagegen in Eiern von vier und fünf Monaten gesehen hatte, hielt die Anhäufung von Feuchtig- keit zwischen Chorion und Amnion für krankhaft (1. c. S. 34.). Kieser (Ursprung des Darmkanales aus der Kesicula umbilicalis 1810. 4, S. 30.) sah zwischen Chorion und Amnion eine röth- liche Flüssigkeit und in derselben eine Menge sie durchzie- hender, sehr feiner Fäden. Nach Pockels (Isis 1825. S. 1343.) enthält die Höhle des Chorions in frühester Zeit eine röthliche, durchsichtige Flüssigkeit von der Consistenz des Eiweifses, welche ein zartes, farbloses Gewebe in verschiedenen Richtungen durch- streicht, so dafs eine AehnJichkeit mit dem humor 'vitreus des Auges hierdurch entsteht. Job. Müller (Meck. Arch. 1830. S. 422, 423.) fand in einem Eic, dessen Embryo -^ Zoll lang war, zwischen Chorion und Amnion einen mit gallertartiger Substanz gefüllten Zwischenraum, so dafs eine Menge feiner, spinnge web- artiger Fäden dieselbe durchzogen. Diese Fäden schienen an der inneren Fläche des Chorion ein sehr dünnes, häutiges Gewebe zu bilden. Jedoch war diese Gallerte bestimmt nicht in einem ei- genen häutigen Säckchen enthalten. An einem anderen Eie, des- sen Embryo 5 Linien lang war, fand er (1. c. S. 430.) eine reich- liche Quantität einer, durchsichtigen Gallerte mit fadenartigem Gewebe, und eben so beobachtete er dasselbe in noch zwei an- deren jungen Eiern (I. c. S. 424.). Seiler (1. c. S. 20. 21.) sah aus Eiern, die angeblich aus der dritten Schwangerschafts woche waren, eine helle, eiweifsartige Flüssigkeit ausfllefsen. Velpeau (Embryologie p. 49 — 53.) führt folgende, nach seiner Meinung hierher gehörende Erfahrungen an. 1. In einem ungefähr fünf- wöchentlichen, in Alkohol aufbewahrten Eie fand sich mitten in der Höhle des Chorion eine grofse Menge von Flocken. Eine durchsichtige und ungleiche Lage ähnlichen Stoffes hing an der Innern Oblläerche des Chorion, welches keinen Embryo, kein Amnion, keine Nabelblase enthielt. An einem anderen Eic des- selben Alters fand sich dasselbe, nur dafs der Embryo noch nicht vollkommen zerstört war. 2. Ein Ei aus der sechsten bis sieben- ten Woche enthielt dieselben Flocken, Nur waren der Embryo und dessen Hüllen unversehrt. 3. An einem Eie aus dem ersten Mo- nate gingen nach Oeffnung des Chorion einige Tropfen einer durchsichtigen Flüssigkeit heraus. Es fand sich aufserdem inner- halb der Höhlung dieser Haut eine continuirliche, unregelmäfsige, Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies. 91 poröse, zähe, netzförmig durchsponnene , röthlichcj weiche und schwammige Lage, welche von der Nabelblase bestimmt ge- schieden war. 4. In einem ungefähr zAvanzig Tage alten, drei Tage im Wasser aufbewahrten Eie fand sich der zwischen Cho rion und Amnion befindliche Zwischenraum von einer schwam- migten, gelblichen, ins Rostfarbene fallenden Flüssigkeit erfüllt. Mitten in dieser Substanz lag das Amnion mit dem Embryo und die Nabelblase. Es bestand aus einer Menge verworrener Fila- mente oder Lamellen und stellte einen netzförmigen Bodensatz {Magma reticule) dar. Beim Drucke traten einige Stückchen einer weifsen, pulpösen Masse hervor. 5. In einem drei bis vier- wöchentlichen frischen Eie (Vgl. auch Heusinger's Zeitschr. II. S. 82.) fand sich unmittelbar unter dem Chorion eine mattweifse, sehr feine und, >vie die Retina, leicht zerreifsbare Lage. Sie hing durch viele, zarte, weifse Fäden genau an der inneren Fläche des Chorion, und war mit einer grumösen, w^eifsgelblichen Masse ge- füllt. Von ihrer Innenfläche entsprangen zahlreiche Fäden, La- mellen und Verlängerungen, welche sich nach allen möglichen Richtungen durchkreuzten. Diese Lamellen gingen zu einem an- deren, sehr feinen Blatte, welches immitlelbar die Oberfläche des Amnion und der Nabelblase nebst deren Stiele umgab. Die Flüs- sigkeit selbst bildete unter Wasser eine Menge weifslicher Flok- ken. 6. An einem zwölftägigen Eie zeigten sich dieselben Cha- raktere. Die Flüssigkeit war nur weniger gleichartig und minder dunkel gefärbt. 7. In einem ungefähr sechswöchentlichen Eie fand sich in dem Zwischenräume zwischen Chorion und Amnion eine durchsichtige, mit einigen Flocken vermischte Flüssigkeit, welche dem Eiweifs der Vögel vollkommen ähnlich war. Sie hing viel genauer an dem Amnion, als an dem Chorion. Am Nabelstrange schien sie noch durchsichtiger zu werden und sich mit der Whartonschen Sülze zu vereinigen. 8. An einem anderen et- was gröfseren Eie fand sich eine dichtere und etwas consisten- tere Lage, welche keine Flocken irgend einer Art enthielt, leich- ter von dem Chorion, als von dem Amnion sich trennen licfs und sich mit dem die Nabelgefäfse umgebenden Zellgewebe zu ver- mischen schien. 9. In einem frischen, dreimonatlichen Eie fing diese gallertartige Lage an, undurchsichtiger zu werden und eine gelbliche oder grauliche Farbe anzunehmen. Der Placenta gegen- über betrug ihre Dicke noch mehr, als eine Linie. Die einzel- 92 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. nen Lamellen waren nur schwer von einander zu 1 rennen und die zwischen ihnen früher befindliche Serosität war geschwun- den. 10. In einem fünf- bis sechsmonatlichen Eie fand sich zwi- schen Chorion und Amnion nur eine sehr durchsichtige Lamelle, welche viel weicher uud zarter, als in frühereu Perioden war. Sie unterschied sich nicht von der gelatinösen Schicht, die man sehr häufig zwischen Chorion und Amnion an der Nachgeburt findet, — Velpeau (1. c. p. 53.) schliefst daher aus seinen Beob- achtungen, dafs sich von der fünften Woche bis zum Ende der Schwangerschaft zwischen Chorion und Amnion eine durchsich- tige, farblose oder graulich gelbe Schicht finde, welche ähnlich dem Glaskörper im Auge construirt ist. Ihre Dicke wird um so geringer, je mehr die anderen Membranen sich vergröfsern. Die Flüssigkeit dagegen steht in umgekehrtem Verhältnisse mit der Zeit der Schwangerschaft. Sie wird durchsichtiger und dünner und bildet zulelzt eine homogene, pulpöse Lage, welche häufig vor der Geburt des Kindes schon gänzlich schwindet. Mehrere Lamellen lagern sich an der äufseren Oberfläche des Amnion, (ohne Zweifel identisch mit der von den Alten sogenannten Membrana Hobohenii) vorzüglich an der Wurzel des Nabelstranges. Selte- ner geschieht dasselbe am Chorion. — Wenn nun die Existenz dieser Flüssigkeit aufser allen Zweifel gesetzt ist, so ist ihte Be- deutung doch noch keineswegs bestimmt. Vorläufig genüge zu bemerken, dafs Manche, w^Ie Pockels, Joh. Müller u. A., dieselbe für ein Analogon des Eiweifses, Andere dagegen, wie Velpeau, Seiler u. A. , für die Allantois des Menschen halten. Wir müfs- ten der folgenden Darstellung vorgreifen, wenn wir hier schon die Gründe für die eine oder die andere Ansicht entwickeln wollten. Um daher nicht unverständlich zu seyn, verweisen ^vir dieses Thema auf den Theil des Abschnittes von dem Eie, welcher von der Allantois der Säugethlere und des Menschen handelt. Hier wollen wir nur noch theils nach v. Bär's, theils nach eigener Erfah- rung die Beschreibung dessen hinzufügen, was in dem Eie unse- rer Haussäugethiere für eiu Analogon des Eiweifses der Vögel angesehen werden mufs. Schon Cuvier (Meck. Arch. V. S. 580.) bemerkte bei dem Pferde, dafs die Nabelgefäfse bei ihrem Austritte aus dem Nabel- strange nach seineni Ausdrucke eine dicke, halb knorpelige Haut erhalten, welche sie überall bekleidet. Dieser Stoff, der nicht Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen. 9c» blofs liier, sondern bei dem Schweine, dem Hunde, dem Kanin- chen u. a. Haussäugethieren in frühester Zeit der Entwickelung vorkommt, ist keine wahre Membran, sondern eine Masse von dich- ter, gallertartiger, halb knorpeliger Natur und findet sich besonders an der Stelle angehäuft, wo die Nabelgefäfse als Endochorion zu dem Exochorion treten, v. Bär, welcher (Untersuchungen über die Gefäfs Verbindung etc. S. 4. 5.) besonders das Ei der Hufthiere in dieser Beziehung genau beschreibt, hat zuerst auf bestimmte und speciellere Weise diesen im Eie der Säugethiere vorkommen- den Stoff für ein Analogen des Eiweifses der Vögel erklärt. In seiner Lagerung dicht unter dem Chorion stimmt er mit dem Albumen des Vogeleies überein. Nur findet hier der Unterschied Statt, dafs das Endochorion, indem es sich genauer an das Exo- chorion anlegt und in dasselbe sich hineinbildet, mehr durch das Eiweifs hindurchgeht, dieses also mehr unter und zv^ischen ihm zu liegen kömmt. Das Eiweifs der Säugethiere besteht aus einem dichten, durchsichtigen und mit vielen Körnchen vermischten Stoffe, welcher nach v. Bär (1. c. S. 5.) begierig Wasser einsaugt, in kochendem Wasser und Weingeist gerinnt und weifs wird. Er glaubt daher, dafs jener zuerst mehr der Natur des Eiweifses und späterhin mehr der der Gallerte sich annähere. C. Die Eitheile, "welche mit dem Embryonalkörper in unmittelbarer Verbindung stehen und von denen das neue Individuum ausgeht, oder die selbst erst durch die Bildung desselben oder von ihm erzeugt werden. Wir müssen uns selbst einer Inconsequenz zeihen, wenn wir hier diese Eitheile abhandeln, da sie integrirende Theile des Em- bryo sind, von ihm gröfstentheils ausgehen und an passenden Stellen des zweiten Abschnittes wiederum zu berühren werden seyn. Um aber einerseits eine übersichtliche Darstellung des gan- zen Eies zu liefern, haben wir es vorgezogen, hier auch von die- sen Eitheilen zu sprechen, auf welche wir an vielen Stellen des zweiten Abschnittes nothweudiger Weise wieder werden zurück- kommen müssen. Wenn nun so derselbe Gegenstand hier sowohl, als in der Geschichte des Embryo besprochen wird, so wird doch an beiden Orten seine Behandlung verschieden ausfallen. Denn hier kann es sich nur mehr darum handeln, wie diese Theile ua- . 94 III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. mittelbar am Eie zu dieser oder jener Perlode erscheinen, welche Gestalt, Ausdehnung u. dgl. sie haben; dort dagegen, in welchem Zusammenhange der Form und Function sie mit dem Embryo stehen, von welchen Theilen desselben sie ausgehen, mit welchen sie in Verbindung, in Abhängigkeit u. s, w. sind. So liegt es zwar in der Nalur der Sache, dafs hier Wiederholungen unver- meidlich sind, allein da bei der zwiefachen Behandlung dasselbe Object unter zwei Gesichtspunkten angesehen wird, soll wenig- stens dadurch die Zahl derselben möglicherweise gemindert wer- den. — Es zerfallen aber die hierher gehörenden Theile in drei Gebilde, welche entweder immer oder zu einer bestimmten Pe- riode des Fruchtlebens geschlossene Blasen darstellen und in ih- rem Inneren eine geringere oder gröfsere Quantität einer bestimm- ten Flüssigkeit enthalten und zwar a. Die Blase existirt schon vor der Entwickelung des Embryo und dieser entsteht aus einem Theile, desselben, die Nabelblase, b. Die Blase entsteht aus den an den Embryo angrenzenden, hautförmigen Gebilden, welche sich schliefsen und auf eine bestimmte unten noch zu erörternde Weise die Blasenform annehmen, das Amnion und c. Ein einfa- ches oder doppeltes blaSenförmiges Organ, welches von dem Em- bryo aus, aus einem Theile desselben, dem Darmkanale, hervor- gestülpt wird, über die Frucht hinauswächst und so zwischen Chorion und Amnion tritt, die Allantois. Als Anhang dieses letz- teren Gebildes soll das Wichtigste über die Conformation des Mutterkuchens und des Nabelstranges abgehandelt werden. a. Die Nabelblase, W^ir haben im Vorhergehenden zu zeigen uns bemüht, dafs das Eichen der Säugethiere schon von dem Eierstocke aus ein Bläschen darstelle, welches der Dotterkugel des Vogeleies analog sey, sich bei dem Durchgange durch die Tuben ungemein vergrö- fsere, und entweder auf einem Theile seiner Oberfläche oder ia seiner ganzen Peripherie ein Gebilde zeige, welches der Keim- haut der Vögel entspräche. Wir hatten dieses wichtige Bläs- chen bis zu seinem Eintritte in die Gebärmutter verfolgt, und müssen hier wieder dessen Geschichte vou da fortsetzen, wo wir sie oben abgebrochen. Wenn nun dieses Bläschen, was kaum zu bezwei- feln ist, dem Dotter der Vögel entspricht, wenn der Embryo der Säugethiere sich auf analoge Weise entwickelt, als der der Vö- Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stoben. 95 gel, welches durch vielfache Untersuchung schon bestättigt wor- den, so dürfte es wohl erlaubt seyn, durch die Geschichte des Vogels auch hier die in der Geschichte der Säugethiere vorhan- denen Lücken zu completireu. So entsteht auch der Säugethier- embryo als eine Wucherung der Mitte der Keimhaut, welche sich von dem Dotter abschnürt und oder mehr oder minder ent- fernt. Bei dem Vogel bleibt die Distanz des Embryo von dem Dotter gering, so dafs der Verbindungsgang kurz ist. Bei den Säuge- thieren dagegen scheint diese Entfernung nicht blofs sehr früh, sondern auch auf eine äufserst energische Weise zu erfolgen. Der Communicationscanal zieht sich sehr lang aus, wird immer dünner und zuletzt fadenförmig. Da dieser Hergang sich schon in den ersten Wochen nach der Entwickelung der Frucht ereignet, so erscheint die Nabelblase in der Regel in secundärcr Form, d. h. als eine Blase mit einem mehr oder minder langen, vollständig oder unvollständig zum Embryo hinlaufenden Stiele. Es linden sich aber noch mehrere Unterschiede zwischen der Nabelblase der Säugethiere und dem Dotter der Vögel. Diese letzteren Thiere, welche ihre Eier aufserhalb des mütterlichen Körpers brüten, müs- sen nothwendig eine gröfsere Quantität von Nahrungsstoffen in dem Eie haben, als die Säugethiere, deren Ei innerhalb des Mut- terkörpers seinen Embryo entwickelt und Stoffe für denselben fortwährend aus dem mütterlichen Organismus entnimmt. Daher ist auch der Dotter oder die Nabelblase bei den Säiigelhieren klein und unansehnlich, fimctionirt nur in der allerfrühesten Zeit des Fruchtlebens, "wird als ein wenig nothw^endiges oder wenig- stens bald unnölhiges Gebilde weit von dem Körper des Embryo abgestofsen und schwindet zuletzt entweder ganz oder tritt aufser Verbindung mit der Frucht, während der Dotter der Vögel im Verlaufe der ganzen Enlwickelungszeit von grofsem Umfange ist, eng an dem Embryonalkörper angeschlossen bleibt, ja zuletzt in denselben aufgenommen wird. Diese ver.;:'■ "'■ -e -lo '■"'::: -.-.■-,. Pc--:' C^::::l5sat nnd K: ;i:;?e ^ei ce::^ E: '••■' c^^jc - ;:: ..:;;;_.: jcn v: y.-.ic:,: :.:_:-:-. ziem sich ^•.. .rc::d de? F.t;/.-cücns auf die mannigMtigstc Wel.^e. coien Mc! .■;.:;o- ■ ■"'• " - '^~.--' ^^^. '-'•^■- e':::^iuen ÄOgenthei:;:; ;::;::;■:". ^:. Geiiien- c . wenn die auJ>eri:e Haut, die Scierotica. sie. ii -«t SC- fcsdüossen hat. Man 5'elt : : "-: ; - r';e li:.: ;: ia dem dar^h sehwarie; P^^z:;:^: ;;:_:. :e2, - ;. : ci z : . :i K ^ er Ckorioidea an ihrem nniem u: :: ; < :: ^^ ^^:;. ::: innen Dadi an&en §:ehende f ;. :■ - ; > e L ; : .- : e , l : , .. : E > " .- ^ :: : c ?r??"!H?n bei allen Wirbel- ...:::: ^;^:::: •.:::: _ • . ?:;r:;. :; ;;f^ bei ihnen Malpighi, K„:.:e:r.:::-. H:^.-. ^^';^,-_, A-.:-:::.cE: , 5:::u-eriu2:, Meckd, ::.:i.c. ... l -:. -?. j. -c ^. 11-;.-. -vT. ^ 1 1. . ... ?^.-..rr. ue- soIcIü: ::::- •-:: >e.->: ■-:.... ^'i:.:—.-:ziz :::-:r. Er: I:::: Me!> sch«i, wo ihr Verse'- _ -;:, E; ieE„-;e :-« >v: eere W^oLe ßllt, haben ?"e H.:-:.;.: . 'E X-:.-. E;>:::fE: —i •wir gesehe::. V:cie E:: .::-..;: L_.:e- 5;e :".:: t;-f ■■ E.:e Spalte Teil F.: cäs;:efen (L c S. 77. bei B sie beim E_ Tierten Tage als e e d«" Netxha-;, u~.i- •.vi-.ciier am sefj}«teD T;..: bei Bmdacb S. 136w) der OoHoi: r. de P Ffir die iHichste Zeit, nach Trelcher _ ; e E bat, missm ivir nach »gnaer unter • :; stiramcn. — Die Ansidit Eiesers 4. p. 61. and Okms and Kieser^ Fe .: loa), dals die %alte aocji die Ir ner mi^Terstudenefl Stelle ülalp E ^ selbst die Spalte bot in der do- 93. bis 91.}. Auf einem ibnlich:: E l Metke! (Änst W. S. U6^ berahe- E.: F.i..:. Höhere Sinne. Auge. 191 die Spaltung entweder bis nach der Bildung der Iris zu verhar- ren oder -wenigstens so tief einzugreifen, dafs ihr Navbenüberrest noch bei jungen Thieren deutlich, selbst an der Iris, zu sehen ist, wie Carus (Zoot. S. 282.) beim Wels, Huschke (Beitr. zur Anat. und Naturgesch. Bd. T. S. 55.) beim Karpfen und zum Thcil Tre- viranus (Verm. Sehr. III. S. 159.) beim Stör gefunden hat. Rathke dagegen (Abth. II. 1833. S. 27.) konnte beim Schleimfische keine Spalte wahrnehmen. Dafs ursprünglich die Spalte die Chorioi- dea treffe, erhellt daraus, dafs jene meist früher verschwindet, als die Iris erscheint. Walthers Ansicht (s. Journ. II. S. 591.), dafs die Spaltung die Entstehung des Auges aus zwei seitlichen Hälften beweise, ist durchaus ungegründet, da sie sowohl durch die neue- ren Data unmittelbar widerlegt wird, als auch, wie E. H. Weber (llildebr. Anat. IV. S. 100.) richtig bemerkt, die Spalte sich dann oben und unten zugleich finden müfste. Den Streit dagegen, ob das Colohoma iridis eine blofse Bildungshemmung sey (Job. Müller in Aramons Zeitschr. Bd. I. Hft. 2.) oder auf einem über die Normalzeit sich erstreckenden Hiatus beruhe (v. Amnion in s. Zeitschr. Bd. I. Hft. 1. und Bd. II. Hft. 3. S. 409. Gescheidt de colohomate iridis p. 24.) halten Avir nur für einen Wort- streit; denn am Ende sind doch auch bei andern Spaltungen, welche wir als Bildungshemmungen ansehen , wie Haasenscharte und Wolfsrachen, Hypospadie und dgl., später sich entwickelnde Theile von demselben abnormen Processe ergriflen, wie die im Normal in frühester Zeit getrennten Urtheile. — Die Augenhäute treten der Zeit nach verschieden auf; zuerst bildet sich das Rudiment von Sclerotica und Chorioidea nach aufsen und von Retina nach innen, späterhin die Cornea und zu- letzt die Iris. Es könnte aber nur verwirrend seyn, wenn wir nach dieser Anordnung die Häute des Augapfels abhandeln woll- ten. Die speciellen Data über ihre temporäre Entwickelung sol- len bei den einzelnen angegeben werden, und wir werden daher hier die Membranen nach der bei Beschreibung derselben aus dem Erwachsenen gewöhnlichen Reihe durchgehen. Die Hornhaut entsteht bei dem Menschen vor der sechsten Woche als eine körnige Membran, welche zuerst der Oberfläche der Linse überaus nahe ist, ja sie vielleicht zum Theil berührt. Anfangs bildet sie eine theilwelse Fortsetzung der Sclerotica ohne sichtbare Grenze zwischen beiden und ohne bemerkbare 192 Von dem Embryo. Structurveränderung. Bald jedoch wölbt sie sich mehr und bil- det eine im Verhältnifs zmn Auge bedeutend hervorstehende Halbkugel, welche als dickwandiges Kugelsegmeiit die vordere Fläche des Auges fast ganz begrenzt. Eine ähnliche conisch her- vorragende Wölbung der Hornhaut fanden Gescheidfc (Ammons Zeitschr. II. 1832. S. 484. und Wimmer de hyperceratosi 1831. 4. p. 23.) und v. Ammon (Zeitschr. Ld. II. S. 513.), Sie ist in der zehnten bis zwölften Woche am stärksten. Um diese Zeit wird auch der Unterschied zwischen Sclerotica und Cornea deutlicher. Die letztere wird durchsichtiger, die erstere dagegen erhält einen mehr bläulichen Anstrich. Auch sieht man vom vierten Monate an die Hornhaut von der harten Haut durch eine Kreislinie begränzt, welche von Ammon (Zeitschr, Bd. II. S. 505.) schon im zweiten Monate bemerkt zu haben scheint. Die Convexität der Cornea wird im Verhältnisse zum übrigen Aug- apfel nun immer geringer, und diese früher in allen Theilen fast gleich dicke Membran verdünnt sich in der Mitte. Dennoch ist sie selbst. bei dem Neugebornen, wie Brendel (1. c. p. 133.) schon wufste, noch dicker verhältnifsmäfsig, als im Erwachsenen, wel- ches nach Meckel (Anat. IV. S, 112.) von einer Anhäufung röth- licher Flüssigkeit zwischen ihren Blättern herrühren soll. Die Memhrana humoris aqiiei kann, wenigstens in einiger Continui- tät, nicht dargestellt werden (Vergl. Henle de memhrana pupil- lari aliisque membranis oculi peUucentibus. Bonnae 1832. 4. p. 66.). — Anfangs besteht das Gewebe der Hornhaut aus einem Aggregat von Körnchen, welche in der achten Woche 0,000608 p. Z. bis 0,000405 p. Z. im Durchmesser haben. Späterhin er- kennt man undeutliche und in einander gewirrte Fasern, deren Durchmesser zu Anfange des fünften Monates 0,000152 p. Z. be- trägt und zwischen welchen Kügelchen von 0,000354 im Durch- messer sich befinden. Lymphgefäfse , wie Arnold gesehen haben will, habe ich eben so wenig, als Joh. Müller (Physiol. I. Abth. I. S. 250. und 361.) und R. Wagner (Ammons Zeitschr. Bd. III. 5. 277.) beobachten können. Die harte Haut. — Mit der Scheidung der Augengrube in Orbita und Bulbus ist ihre Existenz gegeben. Sie stellt von Anfang an eine körnige, dichte und ziemlich feste Membran dar, deren Kügelchen in der achten Woche 0,000304 p. Z. bis 0,000405 p. Z. im Durchmesser haben und welche später eine mehr fase- rige Flöhere Sinne. Auge. 193 rige Structur erlangt, doch ohne dafs eine bestimmte Anordnung ihrer Fasern vorherrschend und deutlich wäre. Ihre Dicke Ta- riirt so sehr, dafs sich hierüber durchaus nichts Bestimmtes an- geben läfst. — Die Entstehung ihres bläulichen Aussehens fällt in die Mitte des dritten Monates. — Um dieselbe Zeit bildet sich auch die von v. Amnion (Isis 1829. S. 430 , s. Zeitschr. II. S. 508. und de genesi et usa maculae luteae. 1830. 4. p. 10.) näher beschriebene protuberantia scleroticalis^ d. h. eine durch den noch sehr starken Neigungswinkel der Bulbusaxe gegen die Sehaxe entstandene Hervorragung der harten Haut nach hinten und aufsen, welche immer weniger auffallend wird, je mehr der Sehnerve gegen die Mitte zu an die dem Erwachsenen eigen- thümliche Stelle rückt und die Axe des Auges seinem Diameter mehr gleich wird. So vermindert sie sich schon bei dem fünf- monatlichen Fötus (Ammon in s. Zeitschr. 1. c. S. 513.) und noch mehr verhältnifsmäfsig in den folgenden Monaten. Diese Stelle der Sklerotica ist jedoch im zehnten Monate noch dünn und durchsichtig (Ammon 1. c. S. 519.), wie überhaupt bei Neugebo- renen die ganze Sklerotica, im Verhältnifs zum Erwachsenen, von noch geringer Stärke gefunden wird. Vorzüglich aber ist dieses nach Diemerbroek und Zinn (s. d. descr. anat. oculi hu- mani ed TVrisherg. 1780. 4. p. 6.) gegen die Hornhaut zu der Fall, während J. F. Meckel (Anat. IV. S. 112.) mit Uorecht im Allgemeinen behauptet, dafs die Sklerotica des Fötus verhältnifs- mäfsig dicker scy, als die des Erwacbsenen. — Die Arnoldsche Arachnoidea (1. c, Salzb. Zeit. 1831. Bd. 3. S. 237. u. Ammons Zeitschr. II. S. 378.) ist, wie Arnold selbst bemerkt, bei Neuge- borenen leichter wahrzunehmen, als bei Erwachsenen. Die Aderhaut. — Um ihre Entstehung zu begreifen, mufs man vier Lagen in ihr unterscheiden: 1. Die äufsere Gefäfslage, 2, die Substanzlage, 3. die Pigmentlage und 4. die als Ruyschiana bekannte Gefäfslage. Die Substanzlage scheint am frübesten von allen zu entstehen, und zwar als eine verhältnifsmäfsig feste und der Sklerotica genau anliegende Membran und kurz nach ihr oder mit ihr vielleicht zugleich die beiden Gefäfslagen. Leider konnte ich nur in Weingeist aufbewahrte menschliche Em- bryonen vor dem Ablaufe des zweiten Monates hierauf untersu- chen, und vermag daher gar nichts über die Gefdfsschichten aus dieser frühesten Zeit mit Bestimmtheit anzugeben. Die Substanz- 13 194 Von dem Embryo. läge dagegen ist In der achten Woche bestimmt schon in ihrer ganzen Ausdehnung da und bildet, da zu der Zeit die Iris noch gänzlich mangelt, mit ihrem vordersten Ende den Piipillarring. — Die Pigment schiebt entsteht nach meinen Beobachtungen an Men- schen, Säugcthiereu und Vögeln auf folgende Weise: Es setzen sich zuerst auf der inneren Oberfläche der Substanzlage einzelne ruude, farblose und durchsichlige Körperchen ab, 'welche in frü- hester Zeit (bis zur zehnten Woche) bei dem Menschen 0,000355 P. Z. bis 0,000405 P. Z. im Durchmesser haben. Sie sind die zu- künftigen Pigmenikörperchen oder Pigmenlbläschen. Bald jedoch entstehen an ihrer Peripherie Pigmenlkügelchen von schvrarzer Farbe, so dafs die ersleren in ihrer Mitte noch durchscheinend, an ihrem Umkreise aber dunkel und undurchsichtig sind. Diesen Zu- stand hat aüfser mir offenbar schon v. Ammon (Zeitschr. II. S. 510.) und R. Wagner {ib. III. 3. 4.) gesehen. Die Kügelchen sind von Anfang an so klein, dafs sie gar nicht mehr micrometrisch gemessen werden können und wahi'e Brownsche Körperchen zu nennen sind. Sie nehmen auch, sobald sie frei im Wasser schwimmen, eine so lebhafte Molekularbewegung an, wie, die Drüsenkörnchen vielleicht ausgenommen, kein Element artheil des thierischen Körpers. Spä- terhin belegen sich die Pigmenikörperchen immer mehr mit schwarzen Farbekü gelchen, und zwar so stark, dafs sie von allen Seiten von den letzteren eingehüllt und verdeckt und erst dann siclitbar werden, wenn man die Pigmentkügelchen durch Druck oder Abwaschen entfernt hat. Da die Pigmentbildung in der Cho- rioidea und Uvea während des gröfsten Theiles des Fötallebens ununterbrochen vor sich geht, so wiederholt sich derselbe Procefs nur an verschiedenen Stellen in allen Schwangerschaftsraonaten. Nur scheinen die in späterer Zeit neu entstehenden Pigmenikör- perchen etwas kleiner zu seyn, als die früheren. So fand ich zu Ende des dritten Monates ihren Durchmesser 0,000254 P. Z. bis 0,000405 P. Z. und zu Ende des vierten 0,000235 P. Z. bis 0,000354 P. Z. — Wie zuerst einzelne Pigmentkörperchen, nach Art der Blutgefäfse und Kuochenkanäle, sich ablagern (s. unten), so bilden sich anfangs auch getrennte Pigmentflecke, welche später zu- sammenschmelzen. — Die erste Pigmentbildung findet sich, wie schon Heusinger (Meck, Arch. VII. S. 404.) und v. Ammon (1. c. S. 510.) an-cbcn, an dem vordersten Rande der Adeihaut und sie scheint von hier in der Richtung von vorn nach hinten fortza-» Höhere Sinne. Auge. 195 schreiten. Doch findet man kaum bei zwei gleich alten Früch- ten auch gleiche Stadien der Pigmeritbildung. — v. Ammon (Isis 1829. S. 430. 31.) glaubte anfangs an dev der protuheranfia scie' roticalis entsprechenden Stelle eigenthümliche Falten gefunden zu haben, welche au den Kamm des Vogelauges erinnern sollten, erkannte aber späterhin (de macula lutea j). 11.), dafs diese nur Gefäfse seyen, die dicht mit schwarzem Pigmente überzogen sind und nach ihm zuerst von allen Gefäfsen der Aderhaut er- scheinen sollen. — Die äufsere Gcfäfslage habe ich schon an ei- nem zehnwöchentlichen Embryo mit Bestimmtheit erkannt, wo die Aeste in zwei über einander liegenden Schichten parallel von hinten nach vorn verliefen. Das innere Gefäfsblatt, das wohl schon um dieselbe Zeit da ist, konnte ich noch nicht mit Deut- lichkeit wahrnehmen. Den Charakter der feinsten Blutgefäfsnetze der Ruyschiana hat Sömmering (Denkschriften d. Bliinch. Acad. Bd. Vir. 1820. 4. tab. 1. flg. 2., copirt in Hildebr. Anat. besorgt von E. H. Weber Bd. I. 1830. 8. tab. 2. fig. 33. b.) meisterhaft dargestellt. Ygl. unsere Arbeit über die feinsten Blutgefäfsp in Heckers Annalen. März. 1834. Das Strahlenband habe ich schon in der Mitte des dritten Monates als einen verhältnifsraäfsig breiten Ring erkannt, in wel- chem ich bis zur Mitte des fünften Monates mir noch ganz räth- selhafte Fasern gefunden habe. Die Iris entsteht unter den oben genannten Häuten am spä- testen, um die Mitte oder das Ende des dritten Monates, als eine schmale, von aufsen nach innen eindringende Lamelle, welche sich schnell ihrem Gewebe nach umändert und ihr granulirtes An- sehen verliert. Man sieht in ihr die Falten früher (Ende des dritten Monates), als die Fasern, Da sie mit ihrem äufsersten Rande an die vorderste Begrenzung der Aderhaut und zum Theil an den Ciliarkörper stöfst, so erhält sie von diesen Punkten aus an der Hinterfläche ihre Pigmentlage. Doch scheint sich auch unabhängig von diesem Ansätze eine Absonderung von Farben- masse an dem Pupillarrande zu bilden und man sieht daher im vierten Monate sehr häufig die hintere Fläche der Regenbogen- haut von zwei Ringen umfafst, zwischen denen ein farbloser kreis- förmiger Streif enthalten ist. — Einiges hierher noch Gehörende s. unten bei der Pupillarmembran. Aus der in der früheren Augengrube, der späteren Augen- 13 • 196 Von dem Embryo. blase enthaltenen Flüssigkeit entsteht zuvörderst die Retina ganz nach Analogie der Hirnbildung durch Ablagerung von Nerven- masse an den Seitenwänden. Ihre erste Formation fällt in eine sehr frühe Zeit. So erkannten sie schon v. Bär (üb. Entw. gesch. S. 65. bei Burdach S. 295.) bei dem Hühnchen am dritten Tage, V. Ammon (Zeitschr. II. S. 505.) bei dem Menschen in der sie- benten und wir selbst in der achten Woche. Sie umgiebt dann Glaskörper und Linse als eine dicke (wenigstens nach der Erhär- tung im Weingeiste), faltige Membran und erstreckt sich von der Eintrittsstelle des Sehnerven bis nach vorn zu dem Sehloche. Nach Huschke (de pectine p. 3. 4. und Isis 1831. S. 950.) ist sie an ihrem vorderen Rande sowohl, als an ihren Augenspalt- rändern bei dem Hühnchen umgeschlagen, welches Verhältnifs aber von v. Bär (1. c. S. 86. bei Burdach S. 319.) nicht gefun- den wurde und wir selbst mit Deutlichkeit noch nicht haben sehen können. Die in ihr enthaltenen Kügelchen berechnete ich in einem achtwöchentlichen menschlichen Embryo zu 0,000304 P. Z. im mittleren Durchmesser. In der zehnten Woche fand ich die Netz- haut noch dicker und konnte sie als eine becherförmige Halbku- gel von allen sie umgebenden Theilen trennen. Sie hatte eine ziemliche Anzahl sehr tiefer Falten, welche alle von dem Seh- nerven ausgingen. In den Vertiefungen war die Masse sehr dünn und zart, in den Zwischenräumen dagegen dicker und aufgewul- stet. Wie bedeutend ihre Stärke sey, zeigte die micrometrische Messung. Denn ich fand sie an den Diametralendpunkten des Augapfels 0,009082 P. Z. dick, während die Queraxe des Bulbus 0,072750 P. Z. betrug. Beide verhielten sich also zu einander, wie 1 : 8, während sie sich im Erwachsenen wie 1 : 25 bis 30 verhal- ten. Die Nervenkügelchen hatten 0,000254 P. Z. bis 0,000330 P. Z., im fünften Monate dagegen 0,000120 P. Z. bis 0,000380 P. Z. im Durchmesser. Der Diaraeter der Siebplatte betrug 0,003300 P. Z., verhielt sich also zu dem des Auges, wie 1 : 22,2, während im Erwachsenen (nach D. W. Soemmerin^ de oculoriim sectione horizontali. 1818. fol. p. 79. und Treviranus Beitr. zur Anat. u. Physiol. der Sinneswerkzeuge. Hft. I. 1828. fol. S. 22. 23.) das Verhältnifs wie 1 : 13,5 ist. In der Folge verdünnt sich die Retina, die nach Erhärtung in Weingeist vorzüglich deutlichen Falten werden regelmäfsiger und concentrirea sich in den letzten Schwangerschaftsmonaten zu den beiden vorzüglich, welche den Höhere Sinne. Auge. 197 späteren gelben Fleck umgeben. — Die auch nach unseren an Erwachsenen angestellten Untersuchungen richtigere Ansicht Schneiders (das Ende der Nervenhaut. München 1827. 4.), dafs die Retina erst kurz vor dem Rande der Linsenkapsel sich endige, kann vorzüglich leicht wegen der bedeutenden Dicke der Nervenhaut durch die Untersuchung von Fötusaugen aus dem zweiten bis vierten Monate bestätigt werden. Der Glaskörper scheint eine Metamorphose der nieht mehr zur Bildung der Nervenhaut verwandten Flüssigkeit zu seyn. Ueber die Art seiner Entstehung ist man noch -völlig im Dunke- len. Er ist, je jünger der Fötus, um so kleiner und man stellt sich die Art seiner Formumänderung am besten vor, wenn man sich ein Kugelsegment denkt, welches durch ein anderes sich ein- schiebendes Kugelsegraent (die hintere Abtheilung der Linse) be- stimmt wird und in gleichem Verhältnifs des Wachsthumes sei- ner Durchmesser- (früheren Radial- späteren Diametralabschnitts-) länge auch seine Oberfläche in eine immer gröfsere Kugelsegments- fläche verwandelt. Er ist im frischen und normalen Zustande immer klar und duixhsichtig und hat, indem die Crystalilinse sich nach vorn und mit sich die Arteria centralis zieht, im Fö- tus eine wahre Area Martegiani, wie ich mich nach wiederhol- ten Untersuchungen wiederum überzeugt habe. — Die tellerför- mige Grube ist, je jünger der Embryo, desto tiefer und gröfser. Die Ciliarfortsätze entstehen nach v. Ammon (Zeitschr. IL S. 510.) durch Faltung der Chorioidea. Man sieht sie nach ihm zu- erst bei drei- bis viermonatlichen, die Ciliarkrone dagegen (1. c. S. 514:.) erst bei fünfmonatlichen Früchten. — v. Bär (1. c. S. 105. bei Burdach S. 336.) glaubt, dafs die Zonula aus der Me- tamorphose des Nervenblättchens entstehe, welches jedoch auf der Ansicht zu beruhen scheint, dafs die Retina nicht bis zu der Linsenkapsel reiche. Wir selbst konnten sie vor dem Anfange des fünften Blonates mit Bestimmtheit nicht unterscheiden. V. Ammon (Zeitschr. IL 446 — 59.) hat endlich in der neuesten Zeit auf eine häufig bei Embryonen vom vierten Monate an und bei Neugeborenen vorkommende rothe Färbung der Augenhäute und des Glaskörpers, während die Linse farblos bleibt, aufmerksam gemacht und wagt nicht zu entscheiden, ob die Erscheinung pathologisch oder normal sey. Die Farbe unterschied sich bestimmt von der schmut- zigen, welche die Augenhäute haben, wenn der Fötus in oder 198 Von dem Embryo. aufserhalb des Mutterleibes in Fäulnifs übergegangen ist, und soll, wie es scheint, mit dem Mangel der Arteria centralis verbun- den seyn. Ohne Zweifel hat das Linsensystem seine eigene, besondere Genese, wenn auch der Hergang dieser Formation noch keines- wegs mit allen zu wünschenden Specialitäten gekannt ist. Die meisten Schriftsteller gaben über die Entstehung der Linse nichts Genaueres an und beschrieben sie nur als eine verhältnilsmäfsig sehr grofse und dichtere Eiweifskugel, die v. Bär (1. c. S, 65. bei Bur- dach S. 295.) bei dem Hühnchen schon am dritten Tage und v. Ammon (Zeitschr. II. S. 505.) bei dem Menschen in der sieben- ten Woche deutlich erkannte. Huschke vermuthete früher (Beitr. S. 67.), dafs sie aus dem Grunde der Augenhöhle nach vorn her- vorwachse und dann von hinten nach vorn sich löse, fand aber nach einer Reihe späterer Untersuchungen (Isis 1831. S. 950. u. Meck. Arch. 1832. S. 17.), dafs die Linsenkäpscl durch Einstül- pung der Integumente nach Art einer Hautdrüse entstehe. Es gräbt sich nämlich die schleierartige Hülle, welche die Augen- bucht zuerst schliefst, von aufsen nach innen ein und stellt so die in frühester Zeit vorn noch ganz offene Linsenkapsel dar, welche allmählig sich verengt und abschnürt, so dafs man bis zu Ende des dritten Tages mit einem Pferdehaar hiueindiingen, spä- ter dagegen die Sehliefsungsstelle als dunkeleren Punkt wahrneh- men kann. Das Letztere konnten v. Ammon und Gescheidt (Zeitschr. III. S. 358.) nicht finden. Jedenfalls deutet diese Beob- achtung aber auf ein auch durch andere Thatsachen unterstütztes merkwürdiges Verhältnifs bei erster Bildung der Linse hin, wel- ches sich bei Säugethieren vielleicht eher eruiren lassen wird, da bei ihnen die Linse in frühester Zeit um Vieles gröfser ist, als bei den Vögeln. — So liegt nun die Linse in der bald darauf folgenden Bildungsperiode mit einem grofsen Theile frei und nur von einer sehr dünnen Integumentalschicht, der künftigen Hornhaut, bedeckt. Die Pupille wird einzig und allein von dem vorderen Ende der Chorioidea gebildet und die Linse selbst berührt last unmittelbar die hintere Wand der Cornea. Sie wird nun von einem Gefäfsblatte, dem Kapselpupillarsacke, vollkommen umschlos- sen, welcher zum gröfsten Theile aus der durch den Glaskörper dringenden Arteria capsularis gebildet wird. Dieses Gefäfsblatt erleidet aber bald, sowohl durch die intercurrirende Iris, als durch Höhere Sinne. Auge. 199 das Entslehen einer wahren vorderen Augenkammer, bedeutende Veränderungen. Es verbindet sich nämlich zum Thcil mit den Gefäfsen der Regenbogenhaut, so dafs nun seine vordere Wand mit dieser in eine innigere Gemeinschaft tritt. Da aber der frei liegende Thcil der Linse immer kleiner wird, indem sie sich so- wohl von vorn nach hinten zurückzieht, als auch die Iris von aufsen nach innen gegen das Centrum ihrer Vorderfläche eindringt, so entsteht in dem Kapselpupillarsacke eine Art von Einschnü- rung, welche in der Pupille am gröfsten ist. Nach hinten dage- gen erweitert sich die Membran wieder, um dann die hintere Wand der hinteren Linsenkapselabtheilung zu umkleiden. So entsteht eine dreifache Differenz in dem Kapselpupillarsacke, näm- lich nach vorn die Membrana pupillaris, nach den Seiten die capsnlo-pupillaris und hinten die gefäfsreiche hintere Linsenkap- sclwand. Daher finden wir auch die Pupillarmembran bei Säu- gethiereu der Linse um so näher und die capsulo-pupillaris um so kürzer, je jünger der Embryo ist. Daher schreitet auch das Wachsthum der Letzteren in gleichem Verhältnisse mit dem Zu- rücktreten der Linse und das der Einschnürung mit der Vergrö- fserung der Iris in gleichem Grade fort, während die hintere ge- fäfsreiche Linsenkapselwand nur der Ausbildung und Gröfse der Linse und Liasenkapsel immer parallel läuft. So sieht man bei dem Menschen noch in der eilften Woche den Kaspelpupillarsack als ein Gefäfsblatt, welches die hintere Fläche der Linsenkapsel überzieht, sich an den Seitenrändern derselben umschlägt, einen grofsen Theil des äufseren Umkreises der vorderen Fläche dersel- ben ringförmig bedeckt und nur einen kleinen Kreis der vorde- ren Linsenkapselwand frei läfst, welches vielleicht zu Ammons Angabe (Zeitschr. II. S. 511.) Anlafs gegeben hat, dafs um diese Zeit die vordere Linsenkapselwand ganz fehle. — Innerhalb die- ses Sackes bildet sich mm die gefäfslose Linsenkapsel fort. Von aufsen dagegen wird der Kapselpupillarsack wahrscheinlich eben- falls von einer gefäfslosen Membran umgeben, nämlich von der von mir zuerst beschriebenen Haut (Ammons Zeitschr. 1833. Hft. 3. u. 4.), welche ich nun auch in dem Auge menschlicher Embryonen aus der letzten Hälfte des dritten Monates gefunden und Purkinje gezeigt habe. Nach hinten zu dagegen liegt die gefäfsreiche hin» tere Linsenkapselwand bei einem injicirten menschlichen Embryo nicht frei, sondern von einer körnigen Membran bedeckt. In wel- 200 Von dem Embryo. chem Zusammenhange die erstere mit der letzteren stehe, habe ich uoch nicht ermittehi können. Vielleicht ist die Husclikesche Einstülpung ein solcher Sack, in welchem sich die Linse und von ihr ausgehend die Linsenkapsel bildet, zvrischen welche der Kapsel- pupillarsack als Gefäfsblatt sich einlegt und der wegen des inter- currirenden Wachsthumes der Iris mit seinem äufsersten Rande an der hinteren Fläche der Regenbogenhaut mit seinem cylindri- schen Theile (Ausfährungsgange) als die von mir beschriebene Membran und mit ihrem hintersten Theile als die die hintere ge- fäfsreiche Linsenkapselwaud bedeckende Haut erscheint. Weitere Beobachtungen müssen hierüber noch bestimmten Aufschlufs ge- ben. Die von mir beschriebene Membran ist mit Körnchen dicht erfüllt und ziemlich dick. Eine darunter liegende, von Reich {de membrana pupillari 1833. 4. p, 37.) aufgefundene völlig durchsichtige und gefäfslose Haut konnte ich in dem menschli- chen Auge noch nicht sehen und zugleich mit der von mir be- schriebenen Membran überhaupt noch nicht in einem und demsel- ben Thierauge beobachten. Die Pupillarhaut. — Ueber ihren ersten Entdecker sind die Angaben verschieden. Nach W. Hunter {Medic. Comment. I. 1762. p. 63.) und Blumenbach {Instit. physiol. p. 208.) ist es wahrscheinlich Sandys. Auf dem Continente hat sie offenbar zuerst Wachendorff {Commerc. litt. Noric. 1740. p. 137.) im Jahre 1740 beschrieben und nach ihm und unabhängig von ihm Haller {Opp. min. I. 4. p. 529. 30.) gesehen und abgehandelt. Albin {Acad. adnott. lib. 3. p. 92.) will sie zwar schon 1731 beobachtet und 1737 abgebildet haben, machte sie jedoch erst im Jahre 1754 bekannt {Acad. adnott. lib. I. p. 33.). Ueber ihre Struktur und ihren Zusammenhang sind die verschiedensten und unrichtigsten Angaben vorgebracht worden. Für eine Fortsetzung der Chorioidea halten sie Huschke {de pectine p. 9.) und ein Un- genannter (Ammons Zeitschr. IL S. 436.) und für eine solche der Iris Wachendorff (1. c), Wrisberg {Commentat. Vol. I. 1800. 8. p. 11.), Troxler (Himly's und Schmidt's Bibliothek. Bd. I. St. 2. S. 54.), Kieser (s. u. Okens Beitr. Hft. 2. S. 105.), W. Spren- gel (Meck. Arch. V. S. 360.) u. A. Zinn {descr. oculi ed. TVrisberg p. 82. 83.) und Haller {Opp. min. L p. 530.) sprechen nur von Fortsetzungen der Blendungsgefäfse in die Pupillarhaut. Desgleichen, wie es scheint, in neuester Zeit v. Ammön (Zeit- Höhere Sinne. Auge. 201 sehr. II. S. 517,). Dafs sie eine ganz eigene, für sich bestehende Haut sey, haben Ph. Fr. Meckel und Sömmering (Hallers Grundi'. der Physiol., bearb. von Leveling. TM. I. 1795. 8. S. 453.) im Jahre 1795. ausgesprochen. J. F. Meckel (Anat. IV. S. lU.) läfst sie aus dem inneren Rande der Iris entspringen. Nach Cloc- quet (Meck. Arch. IV. S. 636.), Meckel (1. c.) u. A. besteht sie aus zwei Lamellen, zwischen welche die Gefäfse sich ausbreiten. Rudolphi's Untersuchungen (Abb. d. Berl. Akad. für 1816. 17. Berl. 1819. 4. S. 117. und Physiol. Bd. 2. Abthl. 1. 1823. 8. S. 178.) zeigten, dafs sie nur ein einfaches Blatt sey und an die Vorderfläche der Iris, etwas entfernt von dem Pupillarrande, sich ansetze, ein Verhältnifs, welches Henle (1. c. p. 2.), Reich (1. c. p. 5.) und wir selbst (Ammons Zeitschr. III. Hft. 3 u. 4.) voll- kommen bestätigt gefunden haben. — Die Zeit der gröfsten Aus- bildung der Pupillarmembran fällt ungefähr in den sechsten Mo- nat. Sie verschwindet vom Centrum aus nach der Peripherie hin (wo sie überhaupt dicker zu seyn scheint, als in der Mitte), wahrscheinlich im Normale gröfstentheils noch vor der Geburt, nach Zimi (1. c. p. 82.) und Haller {Elem. physiol. p. 373.) im siebenten, nach Wrisberg (I. c. p. 10.) J. F. Meckel (1. c. S. 115.), Rudolphi (l. c.), Mende (s. Held de membrana pupill. Gryphisw. 1803. in Cuviers vergl. Anat. übers, v. Meckel II. S. 520.) im neunten Monate. Auf jeden Fall verlieren sich nach den Beo- bachtungen von Meckel, Ammon, Henle, Reich u. A. ihre Gefäfse noch vor der Geburt. Eine durchsichtige Membran aber, welche die Pupille vollkommen verschlofs, haben Jacob (Medio. -chir. transact. Fol. 12. P. 2. p. 487.) und Tiedemann (S. s. u. Tre- viranus Zeitschr. II. S. 336.) noch nach der Geburt wahrgenom- men und sehen dieses durchaus als Norm an. — Gegen die Be- hauptung Blumenhachs und Clocquet's, dafs durch das Zurück- weichen der Gefäfse der Pupillarmembran der Circulus vasorujn iridis internus entstehe sind Henle (1. c. p. 4.) und Reich (1. c. p. 9.) mit Recht aufgetreten. Der Letztere behauptet (1. c. p. 10.), dafs jener von der Pupille um eben so viel, als der Ansatz von der Pupillarmembran entfernt sey. Abbildungen der Gefäfse der Mernbr. pupill. siehe vorzüglich bei Wrisberg 1. c. fig. 2., Blu- menbach instit. physiol. tab. 2. fig. 2. Sömmering Abbild, des meuschl. Auges. 1801, tab. 5. fig. 11. und Henle 1. c. fig. 1, 2. Die Kapselpupillarhaut. — Diese hat, wie es scheint, W. 203 Von dem Embryo, Hunter (1. c, p. 63.) zuerst entdeckt und beschrieben und Haller um dieselbe Zeit nach dessen Beobachtungen in seine Physiolo- gie {Elem. physiol. IV. p. 372.) aufgenommen. Walter (Send- schreiben über die Blutadern des Auges, 1778. 4. S. 17.) hat offenbar die Gefiifse dieser Haut gesehen und zum Theil abgebildet (tab. 3. fig. 3. b.), die Membran selbst aber übergangen. Wrisberg (I. c. p. 11.) hat ihre Anwesenheit mit Unrecht geläugnet und seine Auc- torität scheint der Grund gewesen zu seyn, weshalb alle ihm nachfolgenden Beobachter, mit Ausnahme von Bährends vielleicht, von ihr schwiegen, bis 1832 Job. Müller sie unabhängig von diesen früheren Angaben von Neuem entdeckte, während Czermak ihre Gefäfse im Auge des Leoparden im Jahre 1829 schon gefunden hatte (S. Isis. 1832. S. 557.). So wurde sie dann in der neuesten Zeit von Heule und Reich beschrieben. Ein Ungenannter (Ammons Zeitschr. n. S. 430. fgg.) und Arnold (ebds. III. Hft. 1.) haben die Richtigkeit dieser Haut in Zweifel gezogen. Wir selbst da- gegen (ebds. Hft. 3. und 4.) ihre Existenz veilheidigt. Aufserdem haben sie auch Retzius (Müllers Physiol. I. S. VII,) und R. Wagner (Anmions Zeitschr, Hft, 3. und 4.) gefunden, und Rudolph! und Schlemm (Reich 1. c. p. 14.) gesehen. — Ihre Lage ist verschie- den. Je jünger der Fötus ist, über einen desto gröfseren Theil der Linsenkapsel breitet sie sich aus. Immer ist sie nach Maafs- gabe der Pupillengröfse an dieser etwas verengt. Henle (1. c, p, 7.) läfst sie von dem vorderen Ende der Zonula beginnen und an dem Ansatzpunkte der Pupillarhaut, an der Iris, endigen, Ihre Gefäfse sind durchaus parallel, gerade von hinten nach vorn verlaufend und bilden wenige oder gar keine Anastomosen, (S. d. Abbild, bei Henle 1. c. fig. 3. und 4.) In einem dreimonatli- chen, menschlichen Embryo fand ich das Minimum des Durchmes- sers jener Gefäfse 0,000665, das Medium 0,000814 P. Z. und das Summum 0,001013 P. Z. und in einem fünfmonatlichen das Mini- mum 0,000760 P. Z., das Medium 0,001165 P. Z. und das Summum 0,001571 P. Z. — Die Haut selbst ist vollkommen durchsichtig, dünn, aber dabei verhältnifsmäfsig fest, und läfst selbst unter starker Vcrgröfserung keine gröfseren Körnchen unterscheiden. Die hintere Linsenkapselwand wird ringsum von einem Ge- fäfsblatte umgeben, welches vorzüglich durch Ramificalionen der Arteria capsularis entsteht und das in neuester Zeit Werneck (Salzb. Zeitschr. 1823. S. 115. fig. a. B.) und mit besonderer Höhere Sinne. Auge. 203 Treue und Schönheit Henle (1. c. fig. 6. e.) abgebildet haben. Schon ohne Injection findet man häufig in frischen Augen diese Gefäfsc von Blut roth gefärbt. Ihren Durchmesser berechnete ich am Ende des dritten Monates im Minimum zu 0,000532 P, Z., im Medium 0,000658 P. Z. und im Maximum 0,001202 P. Z. und am Ende des vierten Monates im Minimum 0,000608 P. Z., im Medium 0,001520 P. Z. und im Maximum 0,001723 P. Z. — Man sieht hieraus, dafs im Allgemeinen im Kapselpupillarsackc die Gefäfse von hinten nach vorn schwächer werden. Nur die Pupillarmembran macht wegen des Hinzutrities neuer Gefäfse aus der Iris hiervon eine Ausnahme an manchen Stellen. — In der zehnten Woche beobachtete ich hinter dem Gefäfsblatte eine kör- nige, ziemlich dichte Membran, welche dem äufseren Ansehen nach wenigstens, der oben beschriebenen, von der Capsulo-pu- pillaris nach aufsen gelegenen vollkommen glich. Linse und Kapsel scheinen in ihrer frühesten Bildung gegen- seitig einander zu bedingen, da beide aus einer Flüssigkeit ent- stehen und, "je jünger der Embryo, desto inniger mit einander verbunden sind. So sah ich in der achten "Woche, wie in Hüh- nerembryonen vom fünften bis sechsten Tage, die ganze Linse noch aus den bald zu erwähnenden Körnchen bestehen, welche nach aufsen durch eine äufserst zarte und durchsichtige, von ih- nen noch nicht streng geschiedene Membran begrenzt wurden. Ob nun zu dieser Zeit schon Faserung in dem Centrum der Linse vorhanden sey, oder nicht, wage ich nicht zu entscheiden. In der zehnten Woche dagegen habe ich sie in der dichteren, schon mit blofsem Auge kenntlichen Centrallinsenkugel mit vollkomme- ner Deutlichkeit beobachtet. Die umgebende, lockerere Masse bestand aus einer grofsen Anzahl regclmäfsiger, runder, zierlicher Kugeln, wie ich sie in Ammons Zeitschr. II. Hft. 3. und 4. be- schrieben und abgebildet habe. Die Faserung verbreitet sich nun immer mehr gegen die Oberfläche hin, so dafs schon im An- fange des fünften Blonates nur eine verhällnifsmäfiig eben so dünne Körnerschicht vorhanden ist, als bei dem Erwachsenen, Die GrÖfse der Kömer fand ich im vierten Monate 0,000253 P. Z. bis 0,000405 P. Z. und im fünften 0,000506 P. Z. Die Fa- sem der Linse selbst entstehen dadurch, dafs die Körnchen sich longitudinal richten, verflüssigen und verschmelzen und so sich in Fasern umwandeln, an deren Wandungen man im Anfange 204 Von dem Embryo. und selbst im'Erwachsenen noch Spuren von Einschnürungen wahr- nimmt. Aufser diesen sieht man aber noch zwischen ihnen, besonders an den aneinander stofsenden Seitenwänden Je zweier Fäden sehr kleine Kügelchen von ungefähr 0,000102 P. Z. im Durchmesser. Die mittlere Dicke dieser Fasern fand ich an verschiedenen Linsen 0,000375 P. Z. — Da die Faserbildung in der Linse von innen nach aufsen vorschreitet, so kann man selbst noch in älteren Linsen die verschiedenen Metamorphosenreihen w^ahrnchmen. — Die von Walther u. A. beobachtete röthliche Farbe und Verdunkelung der Linse in früherer Zeit des Embryolebens können wir nicht als Norm ansehen, da wir sie nur in Früchten, welche längere Zeit vorher in oder aufserhalb des Mutterleibes abgestorben waren, wahrnehmen konnten. — Die Linsenkapsel umgiebt die äufserste Linsenschicht genau und hängt innig mit derselben zusammen. Wir haben sie nur immer geschlossen gesehen; von Ammon da- gegen vermutliet (Zeitschr. IL S. 511.), dafs sie im dritten Mo- nate vorn vielleicht geöffnet, bestimmt aber verdünnt sey. Auch habe ich sie selbst, sogar an ihrer vorderen Wand, an welcher früher schon Döllinger und in neuester Zeit Müller und Henle (1. c. p. 35. und Joh. Müllers Arch. I. S. 23.) zwei Mal Gefäfse gefunden haben, bis jetzt immer durchaus gefäfslos gesehen. — Mit der Entstehung der Orbiia wird auch eine Quantität Bildungsgewebe abgelagert, welches zum gröfsten Theile für die Augenmuskeln bestimmt ist. Erst zu Anfange des vierten Monates können diese, wie Brendel (1. c. p. 132.) schon w^ufste, einzeln un- terschieden werden, schreiten aber dann in ihrer Bildung rasch vorwärts. Die Recti scheinen früher zu entstehen, als die Obli- qui. Im Uebrigen ist ihre Bildung durchaus nicht von der der anderen Muskeln unterschieden. — Die erste Entstehung der Conjunctiva fällt in den Anfang des dritten Monates. — Die Thräneudrüse ist in der letzten Hälfte des vierten Monates schon deutlich. — Nach ßurdach (Physiol. II. S. 461.) erscheint der Anfang des Thräneukanales bei dem ersten Auftreten der Augen- liedcr als eine in die Mundnasenhöhle sich herabsenkende Haut- falte. Um dieselbe Zeit ist auch die Karunkel schon wahrzuneh- men. — Die Augenlieder wachsen als zwei Hautfalten über den Bulbus und bedecken ihn nach v. Ammon (Zeitschr. II. S. 506.) gegen Ende des dritten oder zu Anfange des vierten Monates. Die Augenwimpern erscheinen frei erst um den sechsten Monat. Höhere Sinne. Ohr. 205 Die erste Entstehung des Sehnerven ist schon oben bei der Genese der Augen erwähnt worden. Da die festere Masse sich auch bei ihm zuerst an die Peripherie ansetzt, so ist er anfangs hohl und man kann daher mit einer Borste im Anfange aus der Hirnblase in die Augapfelblase dringen. — Die Sehnerven rücken immer näher zusammen, stofsen nach von Bär (1, c. S. 105. bei Biirdach S. 336.) am siebenten Tage an einander, so dafs sie dann an dem Vei'einigungswinkel nur eine OefFnung bilden, später je- doch über einander übergreifen (1. c. S. 119. 120. bei Burdach S. 352.) und so die Kreuzung darstellen. — Da nach Iluschke (Meck. Arch. 1832. S. 15.) die lanzettförmige Figur eine Rinne des noch hohlen Sehnerven ist, so stellt diese, der Nalh der Rük- kenplatten gegenüber, das Chiasma dar. — 2. Ohr. Ist, wie wir gesehen haben, in der Entwickelungsgeschichte des Auges, trotz der zahlreichen und bedeutenden Arbeiten, noch manche fühlbare Lücke, auszufüllen, so mufs in der des Ohres das Meiste fast durch allseitige Beobachtung festgesetzt werden. Alle älteren Angaben beschränken sich beinah nur auf die verknö- cherten oder der Verknöcherung nahen Gebilde des Gehörorganes, also auf einen Zustand, in welchem sie im Ganzen nur wenig von dem des Erwachsenen abweichen. J. F. Meckel, welcher sich viele Verdienste auch um diesen Theil- der Entwickelungs- geschichte erworben, bat offenbar mehr für den äufseren Theil des Gehörorganes gethan, als für den inneren. Desgleichen in neuerer Zeit vorzüglich Huschke und Rathke. — Es findet sich deshalb nirgends so vieles Dunkele, anderseits aber auch eine so bedeutende Schwierigkeit der Untersuchung, als hier und wir ha- ben dieses selbst erfahren, als wir, um auf dem noch sparsam bebaueten Felde doch wenigstens einige Früchte zu erndten, eine nicht ganz geringe Zahl von Schaaf-, Kuh-, Schweine- und Men- schenembryonen zergliederten und dabei nicht blofs die äufseren Theile, sondern die bisher fast ganz vernachlässigten inneren zu berücksichtigen uns bemühten. Die Resultate unserer Beobach- tungen sollen dem Folgenden einverleibt werden. Nach Huschke (Isis 1831. S. 951.) entsteht, analog dem Auge, auch das Ohr als eine Hautgrube, welche nach aufsen zu enger wird und so ebenfalls, gleich einer Drüse, einen Ausführungsgang 206 Von dem Embryo. hat. Ja wir können aus eigenen Erfahrungen sogar noch hinzufü- gen, dafs in allerfrühester Zeit beide Ohrgruben bestimmt mit einan- der communiciren. Die OefFuang dieser Grube glaubt IJuschkc selbst bei dem Menschen gesehen zu haben. Bald jedoch tritt der Hör- nerve, wie am Auge der Sehnerve, hervor, und so entsteht jene Form, welche v. Bär (1. c. S. 31. bei Burdach S. 260.) beobach- tet hat. Nach ihm ragt der vordere Rand der Ohrhöhle (Ohr- grube) mehr vor, als der hintere. Dieser Theil wird, wie wir bald sehen w^erden, zum inneren Ohre, d. h. zu dem Labyrinthe und dessen accessorischen Gebilden. Das äufsere Gehörorgan da- gegen, d h. Eustachische Trompete, Paukenhöhle, ein Theil der Gehörknöchelchen und äufseres Ohr entstehen später, nachdem die Visceralplattcn sich kreisförmig gegen einander gebogen, um die Rumpfwände des Halses darzuslellen. So sind am Ohre zwei durchaus verschiedene Bildungshergänge zu unterscheiden, welche erst später zu einem Ganzen zusammentreten. Ueber die Ausbildung des Labyrinthes besitzen wir noch gar keine Angaben. Das Folgende ist aus einer Reihe mühsamer Untersuchungen entnommen, welche ich an sehr kleinen Schaaf- embryonen vorzüglich angestellt habe. Das Labyrinth bildet eine durchaus von der übrigen membranösen und späterhin knorpeligen Substanz getrennte Masse, welche als ein länglich rundes Gebilde selbst dann noch isolirt hervorgezogen werden kann, wenn schon die Schnecke und zum Theil die Bogengänge existiren. In frü- hester Zeit stellt es einen einfachen länglichen Schlauch dar, welcher eine länglich runde Höhlung hat, die im Innern eine etwas unebene Oberfläche zeigt. Wir werden bald sehen, dafs dieses Rudiment vorzüglich als Vestibulum zu deuten sey. Kurz darauf jedoch verlängert sich das innere Ende der Höhlung und wird, indem es im Kreise eine Wendung zu macheu beginnt, zu einer rundlichen Höhle. Indem nun so die roheste Grundlage der Schnecke enl sieht, bilden sich die W^indungen derselben auf fol- gende interessante Weise. Es wird nämlich die Wand der Schneckenblase, wenn man sich in die Höhle derselben versetzt denkt, von innen nach aufsen wie eingegraben und zwar zuerst nach der Richtung von dem Vestibulum aus gegen die Mitte der Schä- delbasis hin imd dann weiter fort spiralig bis zum obersten Ende der Pcrpciidikularaxe. Hierdurch entsteht 1. von aufsen die der Schneckenschaale ähnliche äufsere Gestalt, indem die untere Win- Höhere Sinne. Ohr, 807 dang relativ tiefer eingegraben ist, als die obere und 2. im In- nern ein tief eingefurchfer Halbkanal, dessen Wände mit ihren in- neren Rändern immer näher an einander rücken und indem sie end- lich zusammenstofsen einen cylinder- oder vielmehr kegelförmigen Körper als Axe der Windung darstellen, welcher daher in frühester Zeit hohl ist und die Stelle des künftigen Modiolus einnimmt. Ob dieser blofs durch diese secundäre Bildung entstehe, oder ob sich für ihn neue Knorpelmasse an die inneren Wände des Schneckenrohres ansetze, wage ich nicht zu entscheiden. So ist er nun aber zuerst eine Höhlung und läfst sich, sobald seine Aufsenwände eine etwas festere Consistenz erlangt haben, den Windungen gemäfs abreifsen, so dafs, wenn man dann die oberste Windung trennt, nicht der ganze Modiolus folgt, sondern ein kreisförmiges Knorpclblatt in der Mitte der Basis der Schnecke sitzen bleibt. Die Schliefsung der früheren Schneckenfurche zu dem späteren Schneckenrohre erfolgt bei dem Schaafc viel früher, als bei dem Schweine. Bei dem Kalbe hat das Rohr auch Huschke (Isis 1831. S. 951.) von mir beobachtet. — Vorher jedoch noch wird das Vestlbulum breiter und erhält dann eine mehr rundliche Form, da sein früherer innerer Theil zugleich zur Bildung der Schnecke eingegangen zu seyn scheint. Dessen ungeachtet übertrifft ihn die Schnecke bald an Gröfse und Umfang. — Kurze Zeit, nachdem die erste Ausbildung der Schnecke begonnen, entstehen die Bogengänge und zwar zu- erst, wie es scheint, der hintere, als eine Aussackung des Vesti- bulurn hinter und über dem eirunden Loche, welche sich von innen und unten, nach aufscn und oben verlängert, bogenförmig umbiegt und oberhalb des eirunden Loches wieder in den Vorhof eindringt. Nach ihm bildet sich der obere Bogengang auf ahn- liche Weise. Ueber den unteren wage ich nichts Näheres anzu- geben. Auch die Kanäle der Bogengänge sind im Anfange vcrhält- nifsmäfsig sehr breit, verschmälern sich zuerst an den Umbiegungs- stellen, von wo aus die Verscbniälerung fortgeht und so zuletzt die Ampullen nur als Andeutungen ibrer früheren, relativ so be- deutenden Gröfse zurückläfst. Der Voihof selbst hat hierdurch in seiner Längendimension noch mehr verloren, ist aber noch et- was breiler geworden und hat eine mehr trapezoidische Gestalt erlangt. Das eirunde Loch, welches früher minder deutlich war, wird immer kenntlicher und geht aus seiner zuerst runden Form in die längliche über. Alle diese Vorgänge aber ereignen sieh 208 Von dem Embryo^ sämmtlich zu einer Zeit, wo das ganze innere Gehörorgan noch eine weiche Knorpelmasse darstellt. Sie sind daher an Schaaffötus von sechs Linien bis zwei Zoll Länge aufzusuchen. Die späteren Stadien habe ich auch an etwas gröfseren Kuh- und Schweinefö- tus bestätigt gefunden. Von nun an schreitet das Labyrinth in sei- ner Ausbildung rasch vorwärts und erreicht bald seine vollkommene Gestalt. Am Schnellsten geschieh! dieses vielleicht verbältnifsmäfsig bei dem Menschen. So sah es Meckel (Anat. IV. S. 48.) schon im dritten Monate morphologisch ausgebildet, eine Erfahrung, die zum Theil schon früher Valsalva, Cassebobm, Schelhammer u. A. gemacht hatten. — Auch besteht nach ihm das häutige Labyrinth aus zwei Membranen, ^velche in einander geschoben und sonst durchaus nicht mit einander verbunden sind. Die innerste von diesen ist weifs, durchsichtig, dünn, aber fest, ohne weder mit dem früheren Knorpel, noch dem späteren Knochen zusammenzu- hängen. Nach Breschet (Ann. des sc. nat. 1833. p. 119.) ist die- ses nur an den Stellen der Fall, wo Nervenfäden in dieselbe ein- gehen. Die äufsere Haut ist nach innen glatt, nach aufsen rauh, scheint nach Meckel in früherer Zeit genauer an den Knorpel ge- heftet zu seyn, als später und verschwindet nach ihm (1. c. S. 48.) im siebenten Monate. Breschet (1. c. p. 129.) dagegen hat sie im zarteren Alter deutlicher gesehen, als in dem Erwachse- nen. Der Hörnerve, welcher die Höhle des einfachen Schlauches fast ganz ausfüllt, verliert späterhin etwas an Dicke und folgt, wie es scheint, den Aussackungen. So sieht man ihn als einen dicken weifsen Strang den Windungen des Schneckenrohres fol- gen, keine bedeutenden Seitenfasern gegen die Wände hin abge- ben, sondern frei in ihm liegen. Vergeblich suchte ich an dieser Stelle nach CrysI allen. Ich wage aber ihre Anwesenheit in frü- hester Zeit nicht zu läugnen. Dagegen sah ich in der Substanz der Flüssigkeit selbst eine sonderbare Eigenthümlichkeit. Sie ent- hielt nämlich eine Masse meist rundlicher, bisweilen auch mit geradlinigten Seitenflächen begabter Kügelchen von 0,000608 P. Z. bis 0,000810 P. Z. im Durchmesser, welche in ihrem Innern einen dunkelen Kern hatten und deutlich mit kleinen lanzettför- migen Schwänzchen versehen waren, so dafs eine entfernte Aehn- lichkeit mit Zerkarien hieraus entstand. Ist dieses etwa ein Ue- bergangsmomcnt der Histiogenie der Sinnesnerven? — Die in dem Labyrinthe enthaltene Blainvillesche Viti'ine sowohl, als auch die Höhere Sinne. Ohr. 209 die Cotugnosche Feuchtigkeit sollen im Fötus von röthlicher Farbe seyn. Nach meinen Untersuchungen dagegen ist dieses in frühester Zeit bestimmt nicht der Fall, sondern beide sind hell und durchsichtig. Sie enthielten bei dem ScliTveine eine grofse Menge rundlicher oder nierenförmiger Körperchen von schwach ins Gelbliche spielender Farbe, w^elche in ihrer Mitte eine deut- liche Grube hatten, die von einem circulären Ringe umgeben war. Oft hingen mehrere von ihnen an einander nach Art einer gebo- genen Perlenschnur, oft nur zwei und so, dafs der Rand des einen in die Grube des anderen eingeschoben war. Ihre Gröfse betrug 0,000270 P. Z. im Durchschnitte. Ob dieses eigene Mo- leküle sind oder durch das Wasser des Labyrinthes nur verän- derte Blutkörperchen, welche aus den auf dem Labyrinthe sich ausbreitenden und zerrissenen Gefäfsen austraten? — Die Kalk- anhäufungen im häutigen Vestibulum, welche von Scarpa, Blainville u. A. schon gesehen waren, die Breschet aber (1. c. p. 186.) genauer beschrieben hat, sind von Huschke (Frorieps Notizen 1832. Febr. No. 707. S. 36.) auch in dem Neugeborenen als spiefsige Krystalle derselben Art, wie sie von ihm in der Vogelschnecke erkannt vv'urden, beobachtet worden. Bei ferneren Untersuchungen dage- gen fand er sie (Isis. 1833. Hft. 7. S. 676.) ein Mal in der Schnecke eines Kindes als achtseitige Säulen mit vierllächiger Zu- spitzung, d. h. in einer Crystallform, welche auf die des Arrago- nites reducirt werden kann. Sie sind jedoch nach seiner späteren An- gabe (Isis. 1834. Hft. I.) wahre Kalkspathkrystalle. Wir selbst haben ebenfalls rhombische Säulen mit vierflächiger auf die Sei- tenflächen aufgesetzter Zuspitzung in der Vestibulumvitrine eines drei Zoll langen Schweinefötus schon wahrgenommen. — Endlich mufs ich hier noch Einiges über die Labyrinthknorpel selbst an- führen. Sie zeigen bei ihrem Ossificationsprocesse eine Gestalt- veränderung, welche von der unten ausführlicher zu beschreibenden der meisten übrigen Knorpel des Körpers wesentlich abweicht. Statt der gewöhnlichen Knorpelkörperchen (s. unten die Verknöche- rungsgeschichte) enthalten sie grofse Körper von wenig bestimm- ter, meist mit linearen Begrenzungen versehener, rundlicher, halb- mondförmiger, tetraedrischer oder polyedrischer Form von 0,000405 P. Z. bis 0,000650 P. Z. im mittleren Durchmesser. Sobald sie dagegen ossificiren, besteht der verknöchernde oder so eben ver- knöcherte Theil aus einem Gewebe schöner, fast wie Pflanzeuzell- 14 210 Von dem Embryo. ' gewebe aussehender, sechsseitiger Balken, an und in welchen kleine Kömchen von runder Form und ungefähr 0,000152 P. Z. im Durch- messer sich beflnden. Die letztere Form haben Purkinje und ich aufserdem noch in den Knorpeln der Fi'oschlarven, besonders deren Kiemenbogen, schon vor längerer Zeit wahrgenommen. — Was nun das knöcherne Labyrinth anlangt, so entsteht es schon als Knorpel isolirt von dem es umgebenden Theile des Felsenbeines und geht diesem entsprechend seinen eigenen Verknöcherungsgang ein. 1. Die Verknöcherung der Paukenhöhle beginnt nach Kerkring {spi- cilegium anat. 1670. 4. p. Ii22.) im vierten, nach Cassebohm da- gegen {de aurehumana. 1734. 4. p. 45.) im dritten Monate. Nach Meckel (1. c. S. 49.) fängt sie zuerst gegen Ende des dritten Monates am runden Fenster an und steigt nach vorn hinab. Nach einiger Zeit aber (1. c. S. 50.) geht sie auch nach unten und hinten, wodurch der Boden des Labyrinthes erhärtet. 2. Um dieselbe Zeit, als die Umgebung des foramen rotundum ossificirt, bildet sich ein isolirter Kern an dem oberen Ende des halbzirkelförmi- gen Kanales (1. c. S. 49.) und nach diesem ein gleicher in der Mitte des inneren, senkrechten (1. c. S. 50.). Die Erhärtung des horizontalen dagegen beginnt erst in dem fünften Monate (1. c. S. 50.), nicht etwa durch einen eigenen Kern, sondern durch Fort- setzung des den oberen senkrechten Kanal bildenden Knochen- stückes. Dies stimmt auch mit Cassebohms Angabe (1. c. p. 6. §. 177,), welcher im fünften Monate alle drei Bogengänge ver- knöchert fand. 3. Die Schnecke. Cassebohm (1. c. p. 15. §. 207.) fand im dritten Monate die Gegend des runden Fensters, im vierten die übrige Schnecke mit Ausnahme der lamina spi- ralis und diese selbst im fünften Monate verknöchert. Hiermit stimmt auch Sömmerings Angabe {de c. h. fahr. I. p. 139.) überein. Nach Meckel (1. c. S. 50.) entsteht der knöcherne Boden der Schnecke durch Verlängerung der Ossification des foramen auditorium internum. Den Modiolus fand Cassebohm (1. c. p. 7. §. 183.) im Fötus immer hohl. Die Paukenhöhle und Eustachische Trompete haben einen von dem inneren Labyrinthe gesonderten Ursprung und stehen mit der Kiemenbildung in innigster Beziehung. Nach Huschke's Beobachtungen (Isis Bd. 20. 1827. S. 401. 1828. S. 162. 1831. S. 951. und Meck. Arch. 1832. S. 40.) bleibt der hintere Winkel der ersten Kiemenspalte, also zwischen Unterkiefer und dem er- Höhere Sinne. Ohr. 211 sten Kiemeubogen, offen uud stellt so das Urrudiment von Eusta- chischer Trompete und Paukenhöhle dar. Rathke (Isis 1828. S. 85.) trat früher bestimmt gegen diese Behauptung auf, und lehrte mit V. Bär (1, c, S. 106. bei Burdach S. 337.), dafs der äufsere Ge- hörgang durchaus nichts mit der Kiemenspalte zu thun habe und die Eustachische Trompete eine Ausstülpung der Mundhöhle sey. Nach seinen neuesten Beobachtungen (Anat.-physiol. Un- ters, über den Kiemenapparat und das Zungenbein. 1832. 4. S. 119. 120.) scheint er sich zu der richtigeren Ansicht hinzuneigen, während Burdaeh (Physiol. II. S. 466.) von theoretischer Seite aus Huschkes Meinung sich zuwendet. Wir glauben nämlich nach unseren Untersuchungen als gewifs annehmen zu müssen, dafs die Eustachische Trompete der Rest der inneren Abtheilung des früheren ersten Kiemenspaltes ist. Dafs aber die Paukenhöhle und der äufsere Gehörgang sich aus der ganzen äufseren Abthei- lung des Kiemenspalttheiles bilde, müssen wir noch sehr in Zweifel ziehen. Denn wenn auch die Spalte zuerst nach hinten etwas wei- ter ist, so sieht man doch, sobald sie durch eine dünne Haut ge- schlossen worden, die äufsere Andeutung der Ohröffnung nicht in einer Linie mit dieser verdünnten Hautstelle, sondern offenbar über ihr in der Substanz der hinteren Grenze des ersten Kie- menbogens selbst. Auch müfste, wenn die Oeffnung der Spalte selbst zur Ohröffnung würde, diese eine veränderte Richtung an- nehmen, da sie später in die frühere SpaKllnie sich nicht fortsetzt, sondern dieselbe unter einem schiefen Winkel schneidet, wie Husch- ke's eigene Abbildungen (Isis 1828. tab. 2. fig. 3. 4. e.) schon zeigen. Doch mufs ich auch anderseits anführen, dals ich bei Menschen und Säugethiercn nie beobachtete, dafs die durchsichtige Linie sieh unter oder hinter die äufsere Ohröffnnng fortsetzte und dafs ich so mit Bestimmtheit den isolirten Ursprung des äufseren Gehörgan- ges wahrzunehmen keine Gelegenheit hatte. ■ — Die Eustachische Trompete ist, vermöge ihrer Genese, je jünger der Embryo, desto weiter und steigt zuerst von innen und oben nach aufsen und unten hinab, erhält späterhin eine mehr horizontale und zuletzt eine mehr schiefe Richtung von unten und innen nach aufsen und oben. Ihr Knorpelüberzug erscheint nach mir schon im dritten Monate, nach Burdach (1. c. S. 465.) erst im fünften. — Die Bildung der Paukenhöhle erfolgt aus der äufseren Abtheilung der hohlen in die Mundhöhle sich öffnenden Kammer, deren innere Wand an die 14* 312 V^on dem Embryo. geschlossene Oeffnung der Labyrintheinsackung stöfst, deren äufsere Wand aber offenbar den Visceralplatten angehört. Schon zu der Zeit, wo Eustachische Trompete und Trommelhöhle eine kegel- förmige oder pyramidale Grube noch ausmachen, wachst, wie ich an einem siebenwöchentlichen menschlichen Embryo gesehen habe, an der Schliefsuagsstelle der früheren Labyrintheinsackung eine rundliche, pyramidale Warze hervor und unter und etwas hinter derselben eine ähnliche dickere Warze. Die erstere ist, wie der Erfolg lehrt, das Rudiment des Steigbügels, die letztere des Am- bosses und Hammers. Die äufsere Oeffnung der Paukenhöhle ist um diese Zeit, nicht blofs durch eine feine Hautlamelle, sondern auch durch körnige Substanz der Visceralplatten verschlossen. Zog ich nämlich die dünne obere Haut genau hinweg, so war es mir nicht möglich, eine Oeffnung zu sehen oder ein Haar einzubrin- gen. Als ich aber die Stelle mit einem feinen Staarmesser spal- tete, sah ich deutliöh eine Schicht körnerhaltigen Bildungsgewe- bes über dem äufseren Ende der Paukenhöhle liegen. Sollte die- ses etwa die erste Andeutung des knöchernen Gehörganges und des äufseren Ohres gewesen seyn, die wie die Extremitätengrund- lagen (s. unten) aus der Körnchenschicht des peripherischen Thei- les des serösen Blattes entstehen? — So wird nun erst während des weiteren Verlaufes der Entwickelung Paukenhöhle von Eustachi- scher Trompete abgegrenzt, indem die letztere an Lunge zu, an Breite aber relativ abnimmt. Die Paukenhöhle ist nach Meckel (1. c. S. 44.) während des Föiallebens mit einer dicken, gallert- artigen Flüssigkeit erfüllt und wird nach Burdach (1. c. S. 465.) vom vierten Monate an gröfser, hat aber im achten ihre relative Gröfse erreicht. Nach Cassebohm (1. c. §. 47. p. 111.) bleibt das J'oramen ovale und rotundiim vom siebenten Monate in seiner Ausbildung stehen. Der Trommelfellring ist in der eilften Woche schon als ein zarter, zierlicher, circulärer Knochenstreif wahrzu- nehmen und läfst den sulcus transversus deutlich erkennen. Er hat in früherer Zeit eine mehr horizontale Richtung und ver- gröfsert sich nach Burdach (1. c. S. 466.) bis zum siebenten bis achten Monate. Im dritten Monate sah Cassebohm (L c. p. 26. §. 63.) in ihm longitudinelle Fasern, welche aber nicht ganz um ihn herumliefen, sondern sich zum Theil frei an der Oberfläche endigten. Nach ihm (1. c. p. 29. §. 71.) ist auch der sulcus im vierten bis fünften Monate sehr tief und verengert sich mehr bei Höhere Sinne. Ohr. 213 dem Kinde. — Das Trommelfell hängt nach Cassebohm (1. c. p. 29. §. 72.) in der Frucht nur locker an dem Gehörringe, wird, wie Fabricius {de auditu. P. I. Cap, 4.) schon wufste und Kerkring (1. c. p. 221.) mit Unrecht als Entdeckung sich zurechnete, von einer gelatinösen Haut im Fötus bedeckt, welche Ruysch für eine Fortsetzung der Epidermis, Duverncy und Valsalva für erhärteten Schleim und Röfslein für den Ueberrest der Fruchtschmiere hielt und besitzt viele Blutgefäfse. Je jünger der Fötus, desto mehr wird das äufsere Ohr von dem Trommelfelle und dem Trommelfellrioge an Gröfse überlrofFen. — Die Gehörknöchelchen haben nach Rath- ke's (Kienienapparat S. 122.) und meinen Untersuchungen einen verschiedenen und nicht, wie Huschke (Isis 1833. S. 678.) angiebt, einen gleichartigen Ursprung. Hammer und Ambofs entstehen nämlich früher, alslder gesondert sich bildende Steigbügel, als eine aus der hinteren Wand der Paukenhöhle hervorwachsende Warze, welche sich schnell verlängert und die innere Seite des Unterkiefers erreicht. Diese metamorphosirt sich nun zu dem Hammer imd dessen bald zu nennenden Meckelschen Fortsatze, 60 wie ohne Zweifel auch zu dem Körper des Ambosses. Erst nachdem dieses erste Rudiment der äufseren Gehörknöchelchen erschienen und sich gegen den Unterkiefer schon verlängert, ihn jedoch noch nicht erreicht hat, entsteht die Warze des Steigbü- gels an der Verwachsungsstelle der früheren Labyrintheinsackung, wie schon Rathke (1. c. S. 123.) bemerkt, wahrscheinlich als Wu- cherung des Labyrinthes in die Paukenhöhle und nicht der hin- teren Wand der Paukenhöhle selbst. Dieser späte Ursprung des Steigbügels giebt sich auch lange nachher noch deutlich zu er- kennen. Er ist noch immer weich und ohne Spur von Knorpel, wenn Hammer und Ambofs, so wie Meckelscher Fortsatz und Zungenbein eine knorpelige Consistenz und eine sie von allen Nachbargebilden, selbst dem Unterkiefer, unterscheidende und in frischen oder nur kurze Zeit in Weingeist aufbewahrten Früchten auf den ersten Blick auffallende intensiv rothe Färbung haben. Beide Warzen stofsen bald nach oben an einander und so bildet sich das Köpfchen und die concave Gelenkfläche des Steigbügels, während dieser in einen soliden, etwas platt gedrückten, rundlich dreieckigten Körper übergeht, a. Aeufsere Kette der Gehörknöchelchen. — Zu ihnen ge- hören Hammer, Ambofs, Meckelscher Fortsatz und vielleicht auch 214 Von dem Embryo. ein Theil des proc. styioideus und des Zungenbeines. Die oben beschriebene Warze nämlich verlängert sich bis au den Unterkie- fer und kann, bevor noch Hammer und Ambofs getrennt zu er- kennen sind, schon als eine dichtere körnige Masse herauspräpa- rirt werden, die aber keinen Kiemenbogen ausmacht, sondern theils an, theils innerhalb eines solchen liegt. Sie «erfällt dann in Ambofs und Hammer nebst dessen Fortsatze an den Unterkiefer. Dieser Fortsatz wurde von Meckel zuerst an dem Menschen wahrgenom- men. Er geht von dem späteren Kopfe des Hammers nach dem Unterkiefer herüber , ziemlich gerade bei dem Schaafe und dem Schweine, in einer Furche des Unterkiefers, und erreicht fast so die mittlere Verbindung der beiden Seitentheile desselben. Bei dem Menschen dagegen steigt er zuerst schief hinab und biegt dann unter einem stumpfen Winkel nach der horizontalen Rich- tung um, von wo an er nun in einer an der hinteren Seite des Unterkiefers gelegenen knorpeligen Rinne eingeschlossen wird, deren Seitenblätter sich immer mehr nähern j\.je näher der Fort- satz selbst der Mitte des Unterkiefers rückt. Von seinem vorde- ren Ende geht eine, wie es scheint, ligamentöse Masse nach der Mittellinie des Halses hinüber. So im dritten und Anfange des vierten Monates. Seine Anwesenheit, sowohl in dem Menschen, als in den Säugethieren, haben schon vor mir Huschke (Beitr. I. S. 48. tab. 2. flg. 1. Isis 1825. S. 1105. Isis 1833. S. 678.), Serres {Ann. des sc. natur. 1827. p. 112.), E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 47.), Job. Müller (Meck. Arch. 1830. S. 419.) und Rathke (Kiemenapparat S. 122.), bestätigt. Er verknö- chert nie, erhält aber, wie ich gefunden habe, gleichzeitig mit den Gehörknöchelchen Knochenkanälchen (siehe unten) und verschwindet bei dem Menschen nach Meckel (Anat, IV. S. 47.) im achten Monate. Neben ihm entsteht nun der Hammer mit seinen beiden Fortsätzen und der Ambofs mit seinen Fort- sätzen. Der quere, kürzere Fortsatz des Ambosses ist nach Huschkcs schöner Entdeckung (Isis 1833. S. 678.) mit dem Zun- genbeine auf eine ähnliche Weise verbunden, wie der Kopf des Hammers mit dem Meckelschen Fortsatze. Ich kann dieses merk- würdige Verhältnifs nicht nur zum Theil aus dem Schaafe bestä- tigen, sondern auch aus dem Menschen erzählen. Wie nämlich zu der Zeit, wo diese Theile verknorpelt sind, sie sich nicht blofs durch einen höheren Consistenzgrad, sondern auch durch stärkere Höhere Sinne. Ohr. 215 Röthe von allen Nachbartheilen unterscheiden, so sieht man zwei gürtelförmige Streifen, die vorn ziemlich parallel neben einander liegen und hinten durch eine bogenförmige Krümmung zusammen- stofsen. Der obere sowohl, als der untere Seitenast rückt zwar dem entsprechenden der anderen Seite nahe; beide aber sind, sobald Verknorpelung eingetreten ist, immer durch eine weiche Mittellinie von einander getrennt, während sie vorher ununterbrochen und von gleichartiger Masse, wie es scheint, in einander übergehen. Der obere Seitenast ist der Meckelsche Fortsatz, der untere das Zungen- bein, die bogenförmige Krümmung dagegen das Rudiment des Ham- mers, Ambosses und zum Theil des griffeiförmigen Fortsatzes. Durch die Bildung des Trommelfellrioges wird die Continuität der Kette auf den ersten Blick, doch nur scheinbar untei-brochen. Denn wie dieser eine kleine Stelle des Meckelschen Fortsatzes bedeckt, so verhüllt er auch die weifse, verbindende Masse des Ambosses und des Zungenbeines. Sie verdünnt sich zwar, erhält sich aber noch eine Zeit lang, selbst bei dem Menschen und geht als liga- mentöse Verbindungsmasse zwischen dem kurzen Fortsatze des Am- bosses und dem Zungenbeinhorne fort. Das Zungenbein nun, wel- ches den hinteren Rand des Trommelfellringes tangental berührt, verlängert sich nach hinten und oben, erreicht so die pai^s mastoi- dea, verdickt und verbreitert sich und stellt nun den Griffelfort- satz dar, der dann ein dichtes Continuum mit dem Zungenbeine bildet. Später werden sie wieder von einander geschieden und vereinigen von nun an sich in der Regel nur durch ein Ligament. — Aus dem eben Dargestellten dürfte wohl Folgendes mit Wahr- scheinlichkeit zu entnehmen seyn. Am Halse bilden sich zuerst zwei parallele Querleisten, welche gegen einander umbiegen und sich erreichen. Die obere Querleiste ist der Meckelsche Fortsatz, die untere das Zungenbein und der kurze Fortsatz des Ambosses. In der Indifferenzstelle, wo beide zusammenstofsen, entsteht nun der Hammer mit seinen Fortsätzen und der Körper des Ambosses mit seinem langen Fortsatze. b. Der Steigbügel erscheint zuerst als eine kleine pyrami- dale Warze, welche an ihren beiden Seitenflächen abgeplattet wird und in der Mitte endlich sich noch mehr verdünnt. Er stöfst noch als Warze an. den Ambofs und articulirt sich bald mit ihm. Wenn alle drei Gehörknöchelchen verknorpelt sind, 216 Von dem Embryo. schien mir die Articulation etwas fester zu seyn, als vorher so- wohl, denn als nachher. Die Ossification der Gehörknöchelchen wird sehr früh voll- endet, so dafs diese mit Recht bei dem Neugeborenen als die rela- tiv vollendetesten Knochen angesehen werden. Auch hier bekun- det sich die eigene Entstehung des Steigbügels und die gleichmä- fsige von Hammer und Ambofs. Denn nach Meckel (1. c. S. -46.) verknöchern die letzleren zuerst und dann der Steigbügel, wäh- rend nach Cassebohm (1. c. p. 46. §. 133.) zuerst Ambofs und Steigbügel und dann der Hammer verknöchern sollen. Nach Mek- kel ossificirt zuerst (im vierten Monate) Kopf und vorderer Fort- satz des Hammers und gleichzeitig mit ihm der Körper und vor- dere Schenkel des Ambosses, Der Steigbügel verknöchert ent- weder am unteren Theile des hinteren Schenkels oder an der Grundfläche, nie dagegen am Kopfe, zuerst. Nach Rathkc (Kie- menapparat S. 123.) entstehen in jedem der drei Stücke des Sei- tendreieckes desselben drei Knochenkerne, welche erst spät mit einander verschmelzen. Mit dem späteren Wachsthume der Pau- kenhöhle rücken die Gehörknöchelchen immer mehr aus einan- der. — Die Erfahrung Cassebohms (1. c. p. 60. §. 141.), welche zum Theil früher schon Casserius, Valsalva u. A. gemacht hatten, dafs der Kopf und gröfsere Fortsatz des Hammers, der Körper und die Schenkel des Ambosses bei dem Fötus hohl seyen, be- richtigt Sömmering (bei Danz 1. c. S. 208.) dahin, dafs sie nicht mit Knochenmasse, sondern mit Knorpel ausgefüllt sind. — Eine Zusammenstellung der älteren Beobachtungen über ossicula au- ditus im Fötus s. bei Berghaus de partibus firmis org. audi- tor. Viteh. 1799. 4. p. 37 — 99. Erst gegen Ende des zweiten Monates wird die Ohrmuschel äufserlich gebildet und mit ihr zugleich entsteht das Rudiment des äufseren Gehörgariges. Es erhebt sich nämlich die dreieckige Fläche, welche früher von aufsen das Gehörorgan marquirte, et- was in die Höhe, in welcher Production sich nach Meckel (1. c. S. 42.) ein schmaler und tiefer Einschnitt befindet. Der hintere Theil die- ses Wulstes wird nun emporgetrieben, von der übrigen Schädel- masse gelöst, und enthält nach Cassebohm (1. c. p. 23. §. 56.) im Anfange des dritten Monates eine Furche als erste Scheidungslinie zwischen helix xm^ anthelix. Zugleich oder nach Meckels rich- tigerer Angabe noch etwas früher entsteht eine obere Querfurche Peripherischer Theil des serösen Blattes. 217 als Scheidung zwischen helix und antitragus und kurz darauf der tragus als eigene Hervorragimg. Vom sechsten Monate an entfernt sich das äufsere Ohr immer mehr von dem Schädel und bildet allmählig eine wahre Muschel. Der Knorpel in ihr fängt schon im dritten Monate an sich zu entwickeln, B. Peripherischer Theil des serösen Blattes. Der peripherische Theil des serösen Blattes geht im Laufe seiner Entwickelung in die verschiedensten Organe und Organ- thcile über, so dafs es bei dem ersten Anblicke den Anschein hat, als ob hier morphologische und histiologische Sonderung ohne Ordnung neben einander erfolgten, ja sogar als ob, ganz abwei- chend von dem centralen Theile desselben Blattes und den beiden folgenden Blättern, der Zeit nach die histiologische Trennung der morphologischen voranginge. Allein die genauere Betrachtung läfst auch hier das Verhältnifs auf die allgemeinen Gesetze redu- ciren. Wir müssen nämlich als die Uranlage des peripberischen TheJIes des serösen Blattes die Rückenplatten ansehen, welche nach innen sich scharf begrenzen, nach aufsen dagegen mit dem Ende des serösen Blattes überhaupt, also ohne besondere Schei- dung zwischen Embryonal- und Hüllentheil, aufhören. Die Vor- bereitung zur speciellen Organbildung geschieht durch die Schlie- fsung der Rückenplatten, welche Pander, Döllinger und d' Alton (hist. metamorphoseos etc. p. 35.) in die dreifsigstc Stunde, von Bär dagegen (üb. Entwgesch. S. 18. bei Burdach S. 247.) in das Ende des ersten Tages bei dem Hühnchen setzen. Hierdurch wird 1. ein Rohr gebildet, welches das centrale Nervensystem unmit- telbar umgiebt, aus der Rückensaite und den beiden geschlosse- nen Rückenplatten besteht und das Rudiment des künftigen Schä- dels und der Wirbelsäule darstellt, während 2. oberhalb dieses Rohres eine dünne durchsichtige und zarte Schicht von Bildungs- gewebe liegen bleibt, welches sich längs des ganzen Umkreises des serösen Bialtes fortsetzt. Fassen wir nun dieses, wie die bald folgenden Veränderungen schematisch auf, so erhalten wir folgende allganeine Resultate: jl. Der äufsere Theil des serösen Blattes spaltet sich in eine obeip, dünnere und eine untere, dickere Schicht, Die erstere schiefst den ganzen Embryo kreisförmig ein und geht noch über ihnhinaus, indem der nicht embryonale Theil zur Hülle sich um- 218 Von dem Embryo. schlägt. Ihre ganze Bestimmung ist also eine mehr äufserliche, die des Schutzes und der Abhaltung fremder, den Embryo selbst nicht berührender Dinge. Die untere Schicht dagegen verbindet diese die zarteren Organe umschliefsende Eigenschaft mit wahr- haft höheren animalischen Functionen. So entsteht in ihr das umhüllende obere (hintere) (Schädel und Rückenwirbelsäule) und das untere (vordere) Rohr (Rippenringe) vorzüglich zu ersterem und die die Knochen als passive Motoren benutzenden Muskeln und Sehnen vorzüglich zu letzterem Zwecke. Es bilden sich aber unter diesen Veränderungen 2. Zwei Röhren, ein oberes und ein unteres, welche durch eine der Länge des Embryo nach verlaufende Mittellinie scharf marquirt werden. In dieser Scheidungslinie entstehen nun als neue Gebilde die Extremitäten. Sie sind zuerst einfache lineare Ausstrahlungen dieser Indifferenzlinie, werden jedoch selbst bald durch den Typus der Röhrenbildung in ihrer Tendenz verändert und schicken von ihrem Ansatzpunkte aus bogenartige Fortsätze, welche sich immer mehr einander nähern und gürtelförmige Um- schliefsungen der beiden Röhren darstellen. (Vgl. die schemati- sche Abbildung bei Bär üb. Entwgesch. tab. 3. fig. 7. so wie Text S. 181 — 197, wo naturgemäfs den Beckenknochen ihr Recht als Extremitätengürtel gegen ihre Deutung als Rippenbögen vin- dicirt wird.) 3. Die erste Sonderung ist so hier ebenfalls morphologisch, welcher dann die histiologische nachfolgt. Denn in der primären Bildung ist zwar die Form des hüllenden und eingehüllten Theiles, des oberen und unteren Rohres angedeutet, doch ohne Trennung in verschiedenartige Gewebe, wie weiter unten specieller berich- tet werden soll. Es könnte vielleicht auffallen, dafs, indem wir oberes und unteres Rohr und Extremiläteugürtel so von einander scheiden, Rückenwirbel und Rippen, Schädel und Gesichtskno- chen in verschiedene Abtheilungen kommen; allein geschieht dieses in der allgemein befolgten Anordnung der Anatomis an- ders? Warum behandeln wir die Knorpel des Kehlkopfes und der trachea bei den Lungen? warum die Muskulatur des Her- zens bei dem Gefäfssysteme , die des Magens und Darmkmales bei den Verdauungsorganen? Doch nur um übersichtliche Com- plexa gewisser Ganzen zu liefern imd nicht durch Einzelleiten die Darstellung zu zersplittern (Vgl. Bär 1. c. S. 197. 198.. — Schädel und Wirbelsäule. 219 Die Eatwickelungsgeschichte des peripherischen Theiles des serösen Blattes wird nun von uns nach folgender Anordnung abge- handelt werden. A. Knochengerüst nebst den dazu gehörigen ligamentösen Theilen: 1. Oberes Centralrohr, oberes Rohr, Ner- vensystemrohr, Schädel und Wirbelsäule. 2. Unteres Rohr, ve- getatives Rohr, Rippenbögen nebst den analogen Theilen. 3. Ex- trem! lätengürtel. B. Weiche Theile: 1. Muskeln, Sehnen, Apo- neurosen und Schleimgewebe, 2. Aeufsere Haut des Embryo nebst dem die Fortsetzung derselben darstellenden Hüllentheile. % Oberes Centralrohr. Schädel und Wirbelsäule. Kein Theil der Eutwickelungsgcschichte hat vreniger wahr- haft wissenschaftliche Resultate bei einer verhältnifsmäfsig gröfse- ren Anzahl von Datis aufzuweisen, als die Evolution des Skelet- tes. Denn was sind alle jene Angaben über die erste Verknöche- rung, als Einzelheiten, die Keiner bisher in einen inneren Zusam- menhang zu bringen im Stande war und Jemand wohl kaum je im Stande seyn wird? Wollte man dagegen zweckmäfsig diesen Theil der Entwickelungsgeschichte auffassen, so müfste man zuerst die Morphologie des Skelettes, d. h. seine blofs äufsere Gestalt- bildung ohne Rücksicht auf seine BeschaflFenheit als hautartigen Theil, als Knorpel oder als Knochen ins Auge fassen. Die Auf- zählung der zuerst sich bildenden Knochenkerne ist von unterge- ordnetem Werthe und von mehr histiologischem Interesse ; sie hat aber für die morphologische Betrachtung der früheren Zeit nur insofern Bedeutung, als man im Allgemeinen behaupten kann, dafs in jedem gesonderten und entschieden getrennten Theile des Knor- pelskelettes ein isolirter Kern entstehe. So viel in letzterer Richtung schon vorgearbeitet ist, so wenig ist in ersterer gethan worden. Erst in der neuesten Zeit hat E, H. Weber (Meckels Arch. 1827. S. 230—232.) zu den einzelnen früher von Senff, Meckel, Blumenbach, Serres, Bär u. A. gegebenen Andeutungen einiges Zusammenhängende, wiewohl aus einer relativ späteren Zeit, hinzugefügt. Die folgenden Fragmente sind theils nach die- sen Angaben, theils nach eigenen an Vögeln, Säugethieren und dem Menschen gemachten Untersuchungen zusammengestellt. Die Rückensaite und die Rückenplatten, vorzüglich der nach 220 Von dem Embryo. innen gelegene Theil derselben sind die ersten Anlagen des Schä- dels und der Wirbelsäule. Sie entstehen gleichzeitig, wie es scheint, aus dem Primitivstreifen, welcher sich in einem Acte in die festere Hülle und die noch flüssige Centralnervenmasse sondert. Die Rückensaite ist eine dichtere Anhäufung loser Kügelchen, welche in einer hellen glasartig durchsichtigen Scheide eingeschlos- sen sind und wird umschlossen von den Rückenplatten, in welchen, zur Seite der Spinalcorde die ersten Wirbelrudimente entstehen. Deutet man schon hier, so entspricht vielleicht, wie von Bär (üb. Entw. gesch. S. 15. bei Burdach S, 245,) es angenommen, die Rückensaite der Knorpelsäule mancher Knorpelfische (doch nur in morphologischer und nicht in histiologischer Beziehung), über wel- cher dann in beiden Fällen die Wirbel sich wölben, um Hirn und Rückenmark einzuschliefsen. Dadurch, dafs die Rückensaite knopf- förmig anschwillt und die Rückenplatten in gleichem Wachsthume fortschreiten 5 entstehen die drei Wirbel des Schädels, welche durch die sich eindrängenden höberen Sinnesorgane an den cor- respondirenden Stellen eingebogen und verändert werden, ohne ihre Continuität zu verlieren. In diesem Sinne nur kann man, wie es die früheste Entwickelungsgeschichte des Hühnchens zeigt, von Zwischenwirbeln des Schädels sprechen. So entstehen nun 1. Ein vorderer Wirbel für die Hirnblase des grofsen Gehirnes, das künftige Stirnbein, der vordere Körper und ein Theil der Ala viagna des Keilbeins. 2. Ein Zwischenwirbel des Geruchsorga- nes, lamina cribrosa und crista galli. 3. Ein mittlerer Wii-bel für die Vierhügelblase, die beiden Seitenwandbeine, die Basis und seitlichen Ränder der sella turcica und die Alae minores. 4- Ein Zwischenwirbel des Auges, der Schädellheil der Oi'bita. 5. Ein Wirbel für das verlängerte Mark, Schuppe pars basilaris und partes condyloideae des Hinterhauptbeines (Grundbeines) und 6. ein Z wischen wirbel des Ohres paj^s petrosa, sguamosa und ein Theil der Mastoidea des Felsenbeines. Früher jedoch, als die Rudimente der Schädelbildung, sehen wir die Rückenwir- bel sich innerhalb der Substanz der Rückenplatten sondern. Es entstehen nämlich dicht hinter der Umbeugung derselben in dem künftigen oberen Theile der Brust auf beiden Seiten gleichzeitig dunkele Anhäufungen von Körnchen, welche anfangs mehr oder minder rund sind, bald dagegen in eine niehr viereckige Form übergehen und durch helle Zwischenräume von einander geschie- Seidel nnd Wirbelsäule. 381 den werden, so dafs sie als dichtere isolirte Knöpfe neben der ganz durchsichtigen Nervenmasse erscheinen. Das erste Wirbel- rudiment entsteht dicht an der Umbeugungsstelle der Rückenplat- ten, doch so, dafs nach vom ein kleiner Raum für die hellere, durchsichtigere Masse übrig bleibt, und so stellt die Urform ein Paar Knöpfe oder einen Wirbel dar. Rasch vermehrt sich ihre Zahl sowohl oben, als unten, so dafs das zuerst gebildete Wirbel- rudiment mehr nach der Mitte rückt, indem der Theil der Rük- kenplatten, welcher der Umbiegungsstelle nahe liegt, wahrschein- lich an Wachsthum bedeutend zunimmt. Doch bald wird die Anzahl der Wirbelrudimente nach hinten zu gröfser, indem nach vorn die dichtere Masse verhältnifsmäfsig stärker sich anhäuft, um die Schädelbasis zu bilden. Jede Hälfte verfolgt nun ihre ei- genthümliche Formation, und wir gehen daher 1. Zur Entstehung des Schädels über. Dieser bildet zuerst eine geschlossene Blase, welche die Flüssigkeit des künftigen Hir- nes umgiebt und alle Einbiegungen, wenn auch weniger tief, nachähmtjj die von den Hirnblasen gebildet werden. Es concen- trirl sich die Massenanhäufung, wie an den Rückenwirbeln, gegen die Basis hin; ob auch, wie dort, in zwei seitlichen Hälften, die durch eine Mittellinie geschieden werden, wage ich nicht zu ent- scheiden. Doch halte ich dies nach meinen Untersuchungen und der Analogie wegen für wahrscheinlich. Der ganze Schädel scheint nun so aus einem membranösen gleichartigen Theile zu bestehen. Untersucht man aber in Weingeist erhärtete Hühnerembryonen vom dritten bis vierten Tage, so findet man folgende Verhält nisse: 1. Der vorderste Schädelwirbel ist nach vom geschlossen und be- steht aus dem verhältnifsmäfsig sehr grofsen Stirntheile, welcher bedeutend nach vorn hervorragt, nach hinten und aufsen dagegen dm'ch eine von innen mnd unten nach oben und aufsen laufende Kante begrenzt wird. Diese ist am oberen Theile die Scheidungs- linie zwischen der Hülle. der Vierhügelzelle und der des grofsen Gehirnes, nach unten dagegen die zwischen letzteren und dem sich eindrängenden Zwischenwirbel des Auges. 2. Vorn ist ein kleiner, schmaler, dreieckiger Raum, wahrscheinlich der künftige Zwischenwirbel der Nase. 3. Die Vierhügelblasenhülle ist fast gleichförmig rundlich und etwas kleiner als die vorhergehende. Ihre Seitenwände, die künftigen ossa parietalia, laufen nach in- nen spitz gegen einander und senken sich verhältnifsmäfsig bedeu- 222 Von dem Embryo. tend iu die Tiefe nach der Gegend des Keilbeiukörpers hin. Hier liegt vor ihnen 4. der breite Rand des sich einsenkenden Zwi- schenwirbels des Auges, welches unter der unteren Lamelle des zweiten Schädelwirbels in die Schädelhöhle selbst einzudringen scheint. 5. Der Hinterhauptswirbel ist hinten verhärtnifsmäfsig dünn, nach unten in der Gegend des foramen occipitale am dicksten und geht nach vorn durch eine kleine Leiste in die Um- gebung des Trichters über. Zwischen seinem vorderen und mehr nach aufsen gelegenen Rande und dem hinteren und mehr nach aufsen gelegenen des zweiten Schädelwirbels bleibt ein von aufsen nach innen sich zuspitzender Zwischenraum übrig, den ein klei« ner "Wulst, vielleicht 6. der Zwischenwirbel des Ohres ausfüllt. Er liegt zwar von der äufseren Ohröffnung um ein Bedeutendes entfernt, da diese viel tiefer - nach unten und hinten sich befindet. Allein hat man die Höhle des Schädels von der darin enthaltenen Nervensubstanz gereinigt, so sieht man einen länglich runden Wulst, in welchem ein kleiner Höcker, vielleicht das Rudiment des Laby- rinthes, zu erkennen ist und welcher die beschriebene Spalte voll- kommen ausfüllt. Es stellt sich daher nach unsern an Vogelembryo- nen vorgenommenen Untersuchungen das Verhäitnifs der Wirbel in der Kopfhöhle auf folgende Weise dar: Als Grundanlage des Schädels entstehen die drei Wirbel für die drei Hirnzellen, d. h. mehr oder minder vollkommene nach vorn und hinten oder nach hinten allein geöffnete Kugeln oder Ringe. In sie hinein schieben sich die Zwischenwirbel der Sinne und zwar zuerst des Auges, dann des Ohres und zuletzt der Nase, Eine nicht minder bemerkenswer- the Veränderung scheint der zu dieser Zeit noch durchaus häutige Schädel durch die Bildung des kleinen Gehirnes zu erleiden, in- dem mit der Schliefsung seiner beiden Seitenblätter die Entste- hung des Hirnzeltes, als einer breiten Hautfalte, welche verhält- nifsmäfsig bedeutend stärker und dicker ist, als im Erwachsenen, unmittelbar sich verbindet. Ob bei dem Menschen der Procefs durchaus derselbe sei, oder nicht, kann ich mit Gewifsheit noch gar nicht bestimmen. Fremde Beobachtungen mangeln hier noch gänzlich und zwei von mir unternommene Untersuchungen der Basis cranii eines 6\ und eines 8 Linien langen Embryo sind zu wenig, um über diesen so wichtigen Hergang zu entscheiden. Doch so viel ist gewifs, dafs zu der Zeit, wo bei dem Menschen die Kiemenspalten noch nicht gänzlich geschlossen, die WolfF- Schädel und Wirbelsäule. 223 sehen Körper noch von bedeutender Gröfsc und die Extremitäten als rundliche Stumpfe vorhanden sind, der vordere Schädelwirbel noch sehr dünn und zart ist und von unten durch eine sich an- legende Haut nur bedeckt, unmittelbar die obere Wand der noch gemeinschaftlichen Rachen- und Nasenhöhle bildet. Der Zwischen- wirbel des Auges scheint von der Art, wie wir ihn aus dem Huhne beschrieben haben, nicht wesentlich abzuweichen. Der mittlere und hintere Schädelwirbel sind noch durchaus häutig. Der Zwischenwirbel des Ohres ist sehr klein und zart, doch ver- hältnifsmäfsig lang. Die Gegend des späteren Keilbeinkörpers nimmt fast den dritten Theil der Schädelbasis ein, hat jedoch eine geringe Dicke und Tiefe. Die Art und Weise, durch welche die wesentliche Abweichung von der oben beschriebenen Form des Hühnerembryo zu Stande kommt, kann erst der Gegenstand künftiger Forschungen werden. Bei einem sieben- bis achtwöchent- lichen 9| Linien langen Embryo war der künftige horizontale Theil des Stirnbeines kaum \ Linie lang, breiter dagegen verhält- nifsmäfsig als in der Folge. Die Sichel zeigte sich schon deutlich ausgebildet, die crista galli dagegen als eine äufscrst kleine, her- vorspringende, vorn etwas dickere Leiste. Der Z wischen wirbeltheil der Augen stand fast gerade von vorn nach hinten und bildete ein ziemlich spitzwinkliges Dreieck, dessen hinterer Schenkel länger und etwas bogenförmig nach hinten zu gekrümmt war. Die Ge- gend des Keilbeinkörpers bildete eine längliche Vertiefung, deren Ausdehnung die Seitenwandbeine berührte und welche nach den äufseren Seiten spitz zulief. Von ihr stieg eine sehr grofse und bedeutend ausgebildete Hautfalte empor, welche die Schädelbasis in zwei durchaus getrennte Hälften in eine kleine vordere und eine gröfsere hintere sonderte. Diese Membran zerfiel in eine dicke hintere und eine dünne vordere Lamelle, von welcher die erstere die Schädelbasis eine Strecke bekleidete, nach hinten zu aber von ihr sich entfernte und zum tentorium cerebelli wurde. Hinter ihr lag eine sehr grofse länglich runde Grube, welche sehr steil von oben und vorn nach unten und hinten abfiel. Man konnte wegen des in ihrem hinteren Dritttheile liegenden Felsen- beines eine vordere und eine hintere Hälfte unterscheiden. Das Felsenbein selbst w^r schief von hinten und aufsen nach vorn und innen gerichtet; das Hinterhauptsloch rundlich, in seinem Breiten-Durchmesser etwas gröfscr, als dem der Länge. Der Hin- 224 Von dem Embryo. terhauptstheil war an der Schädelbasis sehr klein und verhältnifs- mäfsig wenig ausgebildet, desto mehr dagegen an der Schädel- oberfläche. Die bedeutende Gröfse des hintern Theiles des Kop- fes bedingt dann auch die unverhältnifsmäfsige Länge desselben, welche vorzüglich deutlich wird, wenn durch langes Aufbewahren in Wasser oder Weingeist die Hirnmasse zu Grunde gegangen, wie dieses vorzüglich bei Meckel (Beitr. Bd. I. Heft 1. tab. V. fig. Xn., XVH., XXVn.) zu sehen ist. Die Geschichte der unmittelbar folgenden Veränderungen ist bis zu Ende des dritten Monates unvollständig. So viel uns be- kannt, findet sich aus dieser Zeit nur eine mangelhafte Abbildung des Keilbeines von Meckel in seinem Arch. I. tab. VI. fig. 14. Bis zur zwölften bis dreizehnten Woche hat sich das Verhältnifs schon so weit ausgeglichen, dafs es dem des Erwachsenen ziem- lich nahe kömmt; doch finden sich im Einzelnen noch manche Eigenthümlichkeiten. Die Erhebung der Stirnbeine ist schroffer als später, der ebene Theil verhältnifsmäfsig sehr breit und die crista galli eine platte nach hinten sich verbreiternde Erhaben- heit, so dafs ihre Oberfläche einem schief liegenden Dreiecke, dessen Basis nach hinten, die Spitze nach vorn gerichtet ist, ähn- lich sieht. Der Zwischeuwirbeltheil des Auges verbreitert sich nach der Mitte hin immer mehr und hat oberhalb des Sehnerven- loches eine wulstige Erhabenheit. Der Körper des Keilbeines ist oblong mit gröfserem Breiten- Durchmesser. Der Trichter, am hinteren Ende des Längen durchmessers desselben von kleinem, ia Rücksicht auf das ganze Gehirn aber noch sehr grofsem Umfange ist in der ihn eng umschliefsenden sella turcica enthalten. Das Felsenbein steht noch schiefer von vorn nach hinten, als von in- nen nach aufsen. Die Abtheilung für den hinteren Theil des gro- fsen Hirns und das kleine Gehirn ist relativ noch sehr grofs und vor- züglich tief, indem alle Theile vom Felsenbeine an senkrecht herab- geben und es so das Ansehen hat, als ob der Hinterhauptswirbel nur eine blasige Erweiterung des Wirbelkanales sey, die sich gegen das Hinterhauptsloch trichterförmig zuspitzt. Im Verlaufe des vierten Monates wird die Wölbung des Stirnbeines sanfter und für die mittleren Gehirnlappen erscheinen länglich runde Gruben. Hierdurch wird der Körper des Keilbeines beträchtlich kleiner und geht aus der oblongen Form in die eines ungleichen Vierek- kes über, dessen nach vorn stehende Seite gröfser ist, als die hin- tere. Schädelknochen. 225 tere. Das Felsenbein rückt mehr nach aufsen; der Hinterhaupts- wirbel geht noch steil abwärts, ist aber seinem Volumen nach enger geworden; der Trichter dagegen hat sieh mehr verbreitert. Während des fünften bis sechsten Monates verringern sich auch diese feineren Unterschiede und ändern sich allmählig in die Form um, welche im Ganzen der Schädelbasis des Neugeborenen eigen ist. Wir gehen nun zu den einzelnen, den Schädel constituiren- den Knochen über und fassen ihre Ossification speciell ins Auge. a. Schädel. 1. Die Stirnbeine. — Sie verknöchern zuerst nach J. F. Meckel (menschl. Anat. II. S. 119.), Beclard (allgem. Anatomie übers, v. Cerutti. 1823. 8. S. 162.) und Nicolai (Be- schreib, d. Knoch. d. mensch. Föt. 1829. 4. S. 9.) im zweiten, nach Nesbitt (Osteogenie übers, v. Greding. 1753. 4. S. 32.) und Senff {nonnulla de incremento ossium emhryonum. Hai. 1801. 4. p. 19.) dagegen zu Anfange des dritten Monates. Wir müssen nach eigenen Beobachtungen den Ersteren beistimmen und mit Nicolai die pars frontalis als die erste Spur beginnender Ver- knöcherung ansehen. Im dritten Monate schreitet diese rasch vorwärts, sowohl in den Stirntheilen, so dafs zwischen ihnen dann eine dreieckige, mit ihrer nach unten gerichteten Spitze das obere Ende der Oberkieferbeine berührende häutige Decke be- findlich ist, als auch in dem Augenhöhlentheile und vorzüglich in der Gegend des Augenhöhlenrandes (Vgl. Nicolai S. 11. 12; Senff p. 20; E. H. Weber in Hildebrandts Anatomie IL S. 57.). Später (im vierten Monate) wird der Stirntheil immer grö- fser, so dafs dicht oberhalb der Nasenbeine die beiden Stirnbeine zusammenstofsen und hierdurch für eine feine membranöse Linie Raum lassen, der dreieckige Zwischenraum dagegen verhältnifs- mäfsig längere Schenkel erhält und gegen die Basis hin geboge- ner wird. Dieser Procefs geht im normalen Verlaufe bis zum siebenten Monate so weit vor sich, dafs dann die Spalte bis ge- gen die tuhera frontalia hin sich ziemlich gleich bleibt, von dort an aber mäfsig sich erweiternd eine wahre grofse Fonta- nelle darstellt. Hiermit stimmen auch die Erfahrungen von Senff (1. c. tab. IL fig. 7. 9. 11. 13.), Nesbitt (1. c. tab, l. fig. 3. 4.) und Nicolai (1. c. 1. Tabelle) überein. Bei rhachitischen und an- derweitig kranken Früchten dagegen bleibt der membranöse Zwi- schenraum längere Zeit breit, und so habe ich ihn an einem Schädel aus dem Ende des siebenten Monats als einen zwei Li- 15 226 Von dem Embryo. nien breiten Streifen, der nur gegen die linke Seite in eine schmale und kleine Ossification zeigt, vor mir. Der Augenböh- lentheil verknöchert nach Sömmering (Bau des menschl. Körp. I. S. 103.) am frühesten; und zwar nach SenfF (1. c. p. 19.) in der neun- ten Woche. Nicolai (I. c. S. 11.) dagegen setzt die Bildung dessel- ben erst in den dritten Monat; doch scheint mir diese Angabe irrthümlich zu seyn. Im dritten und vierten Monate verbreitet sieb die Verknöcherung vollständig über den ganzen Augenhöh- lentheil, kann jedoch auch hier verhältnifsmäfsig krankhaft zu- rückbleiben. Der Augenhöhlenrand wird im dritten Monate schärfer uud tritt mit seiner Kante mehr hervor, zuerst an der äufseren, dann (Anfang und Mitte des fünften Monates) an der In- nern Seite, Das foramen oder die fissura supraorbitalis ent- steht als ein schwacher, schief von unten und innen nach oben und aufsen verlaufender Einschnitt, welcher primär eine blofse Fissur zu seyn scheint und sich nur bisweilen durch die Entste- hung eines queren Knochenblättchens zu einer Oeffnung umwan- delt. Der Processus nasalis ist im vierten Monate schon ver- knöchert, bleibt im fünften etwas an Wachsthum zurück, wird im sechsten und siebenten jedoch etwas breiter, als früher. Die Incisura ethmoidalis spitzt sich vom vierten Monate an etwas zu, desi^leichen der processus zygomaticus. Die Stii'nhöcker sind im vierten Monate angedeutet, im siebenten aber vollkommen ausgebildet. Mit diesen aus der Natur entlehnten Beschreibungen vergleiche Danz (Zergliedcrungskundc des Ungebornen I. S. 201.), Nesbitt (l. c. S. 30. 31.), SenfF (1. c. p- 21. 22.) und Nicolai (1. c. S. 17. 22. 29. 36.). — Stirnhöhlen sind bei dem Neugebornen noch nicht vorhanden; die fossa lacrymalis ist schon zu Ende des dritten Monates deutlich, wird aber im siebenten oder achten erst abgerundeter. Die strahlige Verknöcherung ist an dem Stirn- tbeile vorzüglich schön zu sehen. Einzelne abgesetzte Strahlen findet man an der Stirn- und Kronennath besonders vom vierten bis zum sechsten Monate. Vergleiche aufser den angeführten Stellen Kerkring osteogenia foetuum p. 215 — 217., Nesbitt S. 32., Danz S. 201. 202., Senff p. 21. 22., Meckel S. 119., Bec- lard in Meckels Archiv VI. S. 430., Ritgen Probefragment einer Physiologie des Menschen S. 177. bis 180. ( b. Die Scheitelbeine verknöchern nach Senff (1. c. p. 22,) zuerst in der zwölften Woche. Nicolai (I. c. S. 9.) dagegen sah Schädelknochen. 227 schon in der neunten Woche einzelne Knochenpünktchen, welche noch isolirt waren und sich noch nicht strahlig verbreiteten. Später treten diese zu einem Kerne zusammen, welcher unter allen Schädclknochen nur hier ein einziger ist, und verbreitet sich dann strahlig nach allen Seiten, am meisten verhältnifsmäfsig nach oben und innen. So ist der gvöfste Theil der Scheitelbeine scbon im dritten Monate knöchern und jeder Rand derselben ziem- lich scharf angegeben. Die distinctere Bestimmung der Kanten dagegen fällt erst in den sechsten bis siebenten Monat. Die Emis- saria Santoi'ini, besonders Adts foramen parietale^ sind während des ganzen Fötuslebens klein. Die strahlige Verknöcherung ist nirgends so deutlich, als hier und der Verlauf der Fasern Radien ähnlich, welche aus der erhabensten Stelle, dem früheren Kerne, kommen. Der Zusammentritt beider Scheitelbeine in der Pfeil- nath scheint bei normalen Früchten vor dem achten Monate kaum zu geschehen. Vgl. Kerkring p. 217. 218., Nesbitt S. 33., Danz S. 202. SenfT p. 23. Beclard S. 430. Nicolai S. 12. 17. 23. 29. fgg. Ritgen S. 171 — 174. c. Das Grundbein. — Die Sonderung dieses Knochens in Hinterhaupts- und Keilbein ist hier immer durch eine dazwi- schenliegende Knorpelmasse deutlich. An ersterem erscheinen um das Ende des zweiten Monates nach Nicolai (1. c. S, 10.), nach Senff (1. c. p. 24.), J. F. Meckel (Beitr. z. vergl. Anat. Bd. I. Hft. 2. S. 36.) u. A. in der zehnten Woche die ersten Ver- knöcherungsstellen in der Gegend der protuberantia occvpitalis externa f welche bald als zwei an der Basis sich anlegende und mit einander sich verbindende Triangel zusammenschmelzen. Uebcr diesen bilden sich kurz darauf zwei neue Knochenkerne, wel- che im vierten Monate als halbmondförmige breite Hälften erschei- nen und verhältnifsmäfsig sehr grofs sind. Die Annäherung ihrer beiden hinteren Enden scheint bei verschiedenen Individuen sehr verschieden zu seyn. Eben so die Verbindung mit dem Grund- theilc. Rhachitis hält sie auch offenbar bedeutend zurück. In der Schuppe entstehen oft noch zwei Kerne, welche aber in der Regel schon vor der Mitte des vierten Monates vollkommen ver- wachsen sind. Oft jedoch bleibt dieser frühere Zustand als Bil- dungshemmung zurück und es entstehen z. Th. so die bekannten wormischen Knochen. Das Grundstück verknöchert schon gegen die letzte Hälfte des dritten Monates, ist jedoch im vierten noch 15* 228 Von dem Embryo. durch eine grofse Knorpelmasse von den Geleuktheilen getrennt (S. Senff 1. c. tab. 2, üg. 14.), rückt ihnen aber rasch näher, so dafs beide bei gesunden Fötus schon in der fünfzehnten Woche an einander stofsen, bei rhachitischen Schädeln dagegen noch im sechs- ten Monate um zwei Linien uud mehr von einander entfernt sind. Eben so variirt die vordere Distanz von dem Keilbeine. Seine Gestalt ändert sich vom vierten Monate an wenig; nur der hin- tere und vordere Ausschnitt werden etwas schärfer. Der Hiu- terhauptshöcker ist im vierten Monate verhältnifsmäfsig am stärk- sten vorgezogen uud zu einer kleinen crista occipitalis ausge- bildet, welche ungefähr \ Linie lang ist, unter sich aber ein- eben so grofse kanalförmige Vertiefung hat. Eben so steht um diese Zeit die linea semicircularis superior vorzüglich hervor und bleibt im Fötus überhaupt stärker niarquirt, als im Erwach- senen. Die Form des Hinterhauptsloches ist früher etwas ovaler, als später. S. Kerkriug p. 219. Nesbitt S. 37. Danz S. 203. Sömraering de c. h. fahrica L p. 115. Senff p. 25. 26. Mek- kel Anat. IL S. 38. 39. Beclard S. 422. 423. Nicolai S. 12. 18. fgg. Ritgcu S. 166. fgg. Weber S. ^^. SchliefsHch mufs ich noch bemerken, dafs Beclard die Schuppe nur aus vier Kno- chenkernen entstehen läfst, welches wir in einem Falle insofern realisirt sahen, als bei diesem vier gesonderte Stücke im vierten Monate die Schuppe zusammensetzten. Bei den Säugethieren scheint der Procefs eben so vor sich zu gehen, nur dafs nach Meckel (Arch. I. S. 61S.) das Schwein nur einen, das Kaninchen dagegen nur drei Paar Knochenkerne hat. Das Keilbein ist weniger als die übrigen Schädelknochen in seiner Ossificationsgeschichte gekannt, oifenbar aus dem Grunde, weil die wenigsten Fötusschüdel geöffnet, sondern die meisten im Ganzen und unverletzt aufbewahrt werden. Einiges hierher Gehö- rige s. oben bei Gelegenheit der Basis cranii. Kerkring (1. c. p. 226.) Nesbitt (l.c S. 53.), Meckel (1. c. S. 620.), Kit gen (1. c. S. 168.) und Nicolai (1. c. S. 13.) setzen die erste Verknöcherung in den dritten, Burdach (Physiol. II. S. 444.) in den vierten Monat. Senff (1. c. p. 30.) bestimmt den Zeitpunkt genauer als die eilfle Woche. Zuerst bildet sich in den grofsen Flügeln jederseits ein Knochenkern, so dafs bald der ganze die Augenhöhle constituirende Theil mit Ausnahme seines unteren Randes verknöchert ist. Doch bleibt auch der obere Rand bei rhachistischen Schädeln bis in Schädelknochen. 229 den Bcchstcn oder siebenten Monat membranös. Frühzeitig, schon im Anfange des vierten Monates, erscheinen zwei neue Knochen- kerne in den kleinen Flügelfortsätzen. Nach M^ckel (1. c. S. 621.) jedoch stellen diese nur das innere Blatt derselben dar, indem das äufsere Blatt aus dem grofsen Flügel hervorsprofst. Neue Knochenkerne bilden sich bald in dem kleinen Flügel. Die- ser ist wenigstens theilweise schon in dem unverletzten Schädel sichtbar, im vierten Monate länglich, nach vorn spitz, nach vorn und unten bogenförmig ausgeschnitten. Im fünften und sechsten wird er gröfser und dreieckig. Ueber die Verknöcherung des Körpers weichen die Angaben ab. Kerkring (1. c. p. 227.) und Nesbitt (1. c. S. 53.) lassen ihn aus zwei Kernen im vierten Mo- nate entstehen; desgleichen Meckel (1. c. S. 623.) und Ritgen (1. c. S. 169.). Nicolai (1. c. S. 13.) beschreibt ihn aus dem dritten Monate als einen unpaaren Knochenkem, wie wir es aber vor dem vierten Monate nicht sehen. Rasch verknöchert der an der Unterfläche des Schädels gelegene Theil. Im vierten Monate ist er rundlich, im fünften wird er nach hinten breiter, im sechsten dagegen bedeutend länger. Die Entfernung vom Hinterhaupts- beine ist bis zum sechsten Monate bedeutend. Die Verschmel- zung dagegen findet erst nach der Geburt Statt. Das ganze Keil- bein hat so acht oder neun Knochenkerne, welche durch rasche Ausbildung den später so vielgestaltigen Knochen constituiren. Doch ist seine äufsere Form im Wesentlichen schon als Knorpel gebildet und nur der Erhärtungsprocefs geht im Allgemeinen auf die erwähnte Weise vor sich. Vgl. Kerkring p. 225. 230. Nes- bitt S. 53. Sömmering p. 115. Danz S. 204. Meckel S. 223 — 225. SenfF p. 30. 31. Oberkampf anat. foet. p. 41. Nicolai S. 13. 18. 24. fgg. Ritgen S. 168—171. E. H. Weber S. 74. 75. d. Die Schläfenbeine. — Hier mufs man zwei wesentlich verschiedene Theile unterscheiden, nämlich 1. die dem Gehöror- gane angehörigen Knochen und 2. die übrigen knöchernen Theile des Schläfenbeines. Die erstercn sind schon oben bei der Ent- wickelungsgeschichte des Ohres erwähnt worden. Daher wir nur die letzteren noch zu berühren haben. Hier ebenfalls müssen wir, wie wir dies bei den übrigen Schädelknochen schon still- schweigend gethan, manches zu dem Gesichte Gehörige abhan- deln, um nicht durch Zerreifsung des Ganzen den Ueberblick zu verwirren. Kerkring (I. c. p. 220.) sah die erste Verknöcherung 231) Von dem Embryo. im dritten Monate. Doch erhellt aus seiner Beschreibung deut- lich genug, dafs dieses unmöglich der erste Anfang seyn könne. Auch Nesbitt (1. c. S. AA.) sah im zweiten Monate keine Spur von Verknöcherung, Meckel (1. c. S. 636.) setzt als Termin die Mitte des dritten Monates, Senff (I. c. p. 27.) die eilfte Woche, Nicolai (1. c. S. 10.) dagegen das Ende des zweiten Monates. Zu- erst entsteht, wie SenfF (tab. 2. fig. 5.) es auch abgebildet hat, ein kleiner freier Knochenkern am unteren Theile der Schuppe, welcher sich schnell vergröfsert, gegen das Ende des vierten Mo- nates schon einen ziemlich grofsen Halbkreis darstellt, vom fünf- ten Monate an dagegen, besonders in der Dimension von hinten nach vorn, wächst. Eben so früh bildet sich der processus zy- gomaticus, so dafs schon im vierten Monate kein Knorpeltheil an ihm wahrgenommen wird und er sich späterhin nur in glei- chem Maafse mit dem Schädel vergröfsert. Selbst in rhachiti- schen Köpfen ist dies ganz so, wie es im Gesunden der Fall ist. Die die knöchernen Theile des Gehörorganes deckenden Knochen- platten entstehen nach Meckel (1. c. S. 636.) im vierten, nach meinen Untersuchungen jedoch erst im fünften Monate vollständig. Der Zitzentheil hat einen eigenen Knochenkern im vierten bis fünften Monate, bei rhachitischen Schädeln noch später und ist im siebenten Monate noch durch eine Spalte von der Schuppe getrennt. Der proc. mastoideus dagegen entsteht gewöhnlich erst nach der Geburt. Der Carotidenkanal hat zu Anfange des fünften Monates schon seine deutliche Windung. Ucber das an demselben liegende Sesambein vermag ich nichts Bestimmtes an- zugeben. Wahrscheinlich entsteht es kaum vor dem siebenten Monate, wo ich seine erste Spur in einem rhachitischen Schädel zu sehen glaube. Die Oeffnung in die tuba Eustachiana ist im dritten Monate am trockenen Schädel schon bedeutend grofs. Vgl. Kerkring p. 220—224, Nesbitt S. 38-43, Danz S. 205, Senff p. 27—29, Meckel S. 606, Beclard S. 427—430, Nicolai S. 12. 18. fgg., Ritgen S. 174 — 177., Oberkampf p. 40., E. H. We- ber S. 82. 83. Dadurch, dafs die Schädelknochen in früherer Zeit nicht voll- kommen an einander stofsen, entstehen membranöse Zwischen- räume, welche zum Theil vor der Geburt verschwinden, zum Theil aber im normalen Zustande bei dem Neugeborenen noch vorhanden und als die sogenannten Fontanellen bekannt sind. Die Anlagen der Wirbelkörper. 231 grofse und kleine Fontanelle haben die bei der Geburt sich vor- findende Form im Allgemeinen schon im sechsten Monate, die Casserische dagegen erst im siebenten. Hhachitische Schädel ma- chen hiervon natürlich bedeutende Ausnahmen und bilden die schönsten Uebergänge zu den krankhaften Verhältnissen, welche wir bei dem Wasserkopfe oder den in Folge abnormer Wasser- häufung erfolgten Zerstörungen der Knochen^ bei Hemicephalie u. dgl. in so hohem Grade ausgebildet sehen, dafs die normale Ver- knöcherung an vielen Stellen gehindert ist, dafs die Augen, durch die Schwere des Wassers gedrängt, aus ihren Höhlen hervortre- ten u. dgl. mehr. 5. Das Siebbein. — Schon Kerkring (1. c. p. 231.) wufste es, dafs das Siebbein an seinen Papierplatten zuerst verknö- chere und setzte (1. c. p. 231.) den ersten Act in den fünften Monat; Nesbitt (1. c. S. 54.) dagegen zwischen den vierten und sechsten, SenfT (1. c. p. 32.) in die vierzehnte Woche und E. H. Web.^r (1. c. S. 87.) in die Mitte der Schwangerschaft. Die Ver- knöcheruug der Muscheln folgt schnell nach. Doch soll die la- mina perpendicularis und cribrosa während des ganzen Fötus- lebens knorpelig bleiben. Die letztere ist bei dem reifen Kinde nach Sömmering (1. c. p. 143.) verhältnifsmäfsig sehr grofs. Die Crista Galli verknöchert erst lange nach der Geburt. Vergl. Kerkring p. 230. 231., Nesbitt S. 54., Beclard S. 426. 427., Senff p. 32., Danz S. 212., Ritgen S. 182., E. H. Weber S. 87. b. Die Anlagen der Wirbelkörper, welche wir als dunke- lere quadratische Flecke mit hellen Zwischenräumen entstehen sa- hen, erscheinen zuerst, da im^ Anfange jede Spur des Halses noch fehlt, in der Brustgegend, von wo aus sie sich rasch nach oben und mehr noch nach unten verbreiten. Ihre erste feste Entstehung fällt bei den Vögeln ohne Zweifel, nach Prevost und Dumas beim Hunde und Kaninchen und nach Ritgen (1. c. S. 93.) beim Igel noch vor die Zeit der Schliefsung der Rückenplatten. Auch wird, wie man bei Vögeln genauer verfolgen kann, mit ihnen erst das untere Ende der Rückenwirbelsäule genauer bestimmt. Am voll- ständigsten finden wir diese von Malpighi, Haller, Tredern, Wolff u. A. schon gekannte Bildung in den Zeichnungen von Pander, Döllinger u. d'Altou (Entw. des Hühnchens tab. 2.) dargestellt. Die früher quadratischen Flecke werden im Laufe der Entwick^ lung breiter und daher auch scheinbar schmäler und stofsen nach 232 Von dem Embryo. vorn zusammen, während der hintere in der früheren Nath der Rük- kenplatten gelegene Theil noch membranös dünn und durchsich- tig bleibt. Dieser Zustand dauert einige Zeit fort, bis die dar- über liegenden Schichten des serösen Blattes sich mehr histiolo- gisch gesondert haben. Wir finden ihn daher in den Abbildun- gen sehr vieler Beobachter, z. B. Malpighi's {Opp. omn.). Hallers, Wolflfs (theoria generat. und dejformat. intest.), Sömmerings (ic. ejnbr.), Panders (Beitr.), Rathke's (Meckels Arch. 1830. N. A. N. C. Vol. XIV. u. Abth. Bd. 2.), E. H. Webers (Meck. Arch. 1827.), Job. Müllers (Entw. der Geschl.thle u. Meck. Arch. 1830.) und Burdachs (de foetu. hum^ mehr oder minder deutlich dar- gestellt. Mit vollkommener Klarheit sieht man es in ganz fri- schen Embryonen, da ein längeres Liegen derselben in Wasser oder Weingeist durch Trübung der Masse die Anschauung ver- dunkelt. Sie stellen sich, wie es scheint, bei allen Wirbelthieren nach fast gleichem Typus dar, nach unseren Erfahrungen wenig- stens bei den Fröschen, Eidechsen und Schlangen, dem Huhne, der Gans, dem Kaninchen, dem Hunde, dem Schaafe, der Kuh, dem Schweine, der Ratte und dem Menschen. Zuerst werden die vorderen, den künftigen äufseren Seitenparthieen entsprechen- den Theile der Wirbelkörper knorpelig. Die Verhärtung schrei- tet an der unteren Fläche von den Seiten nach der Mitte vor, und so Verknorpelen die Wirbelbeinkörper, während die Bogen und Andeutungen der Fortsätze noch durchaus membranös blei- ben. Die Ossification dagegen geht einen gänzlich verschiede- nen Weg. Kerkring (1. c. p. 240.) schreibt allen Wirbelbeinen, mit Ausnahme des Epistropheus und der früher gesonderten Wirbel- beine des OS sacTum^ drei Knochenkerne zu. Nesbitt (1. c. S. 67.) giebt diesen Unterschied bei seiner Beschreibung nicht an, bemerkt (1. c. S. 69.) aber ausdrücklich, dafs im sechsten Monate der proc. odontoid. epistroph. besonders verknöchere und dafs (1. c. S. 68.) vom dritten Monate an in allen Wirbelbeinkörpern mit Ausnahme des ersten wahren und der fünf unteren After- wirbelbeine, Ossificationsstückchen wahrgenommen werden. Söm- mering beschreibt die Theile nacli dem reifen Fötus, und giebt für den Atlas zwei (1. c. p. 236.), für den Epistropheus vier (p. 240.), für alle Hals- und Rückenwirbel (p. 244. 249.) drei Knochenkerne an. Bei Gelegenheit des proc. odontoid. wieder- Anlagen der Wirbelkörper. '233 holt er die interessante Beobachtung Mauchart's {de capitis ar- ticulatione p. 9.), dafs der schon früher verknöcherte proc. odontoid. in dem Körper des Wirbelbeinköipers oft sich einsenke. Der sonst genaue Senff weicht hier bedeutend ab. Alle Wirbel haben drei Verknöcherungspunkte nach ihm (1. c. p. 49.), nur der epistropheus vier. Zuerst verbeinern die Halswirbel, dann Brust- und Bauchwirbel, zuletzt der Atlas (1. c. p. 51.). Job. Fr. Meckel gab auch hier die speciellen Verhältnisse genauer an. Der Atlas verknöchert mit zwei Knochenkernen in seinen Bogenhälf- ten gegen Ende des Fötuslebens. Nach der Geburt dagegen ent- steht oft analog den übrigen Wirbeln ein dritter Knocbenkern an der dem Körper entsprechenden Stelle. Doch findet dieses nur bei dem Menschen Statt, während bei dem Hunde, dem Schweine und der Katze dieser Wirbel von den übrigen Wirbeln durchaus nicht abweicht. (Arch. I. S. 605.) Der epistropheus entsteht aus fünf oder sieben Knochenkernen, im letzteren Falle aus zweien für die Seitenhälften, zweien für den proc, odontoid. und zweien für die Bogen der Wirbelarterien und einem für den Körper (S. 603.). Die übrigen Halswirbel haben zuerst drei Ver- knöcherungspunkte, einen im Körper und zwei in den Bogenhälf- ten. Hierzu kommt noch jederseits einer für den den Wir- belkanal umschliefsenden Bogen, am deutlichsten am siebenten Halswirbel, minder deutlich, jedoch noch erkennbar an mehreren darüber liegenden Wirbeln (1. c. S. 595.). Die Rückenwirbel haben drei Knochenkerne; desgleichen in der Regel die Lenden- wirbel. Die drei oberen Kreuzbeinwirbel entstehen aus fünf, die zwei unteren aus drei Kernen. Sie weichen auch darin von den übrigen Wirbeln ab, dafs bei ihnen der Körper zuerst (im dritten oder vierten Monate) und dann die Bogenhälften verknöchern (S. 608. 609.), eine Erscheinung, welche mit der Krümmung und Lage des Embryo innig zusammenhängt. Meckel's Beobachtungen die wir, so weit sie den Fötus angehen, hier berührt haben, stimmen mit denen von Albinus (ic. oss. j^oet. p. 54 — 57.) fast gänzlich überein. Wie Flamm {de vertehr. ossiv. Berol. 1818. 8.) seine Aeufserung falsch verstanden, hat Meckel selbst hinläng- lich gezeigt (Arch. VL S. 397 — 404.). Nach Beclard (Meck. Arch. VL S. 405 — 415.) entstehen in der siebenten Woche die Verknöcherungen der Bogenhälften, während an allen Wirbeln einige Tage später die Knochenkerne der Körper entstehen. Nur 234 Von dem Embryo. sind von Letzterem die beiden Endpunkte der Wirbelsäule aus- genommen (S. 407). Nicolai (1. c. 2. und 3. Tabelle) fand die Bogenhälften des Atlas im dritten Monate \ Linie lang verknö- chert. Im Epistropheus sind die Bogenhälften eben so sehr ver- knöchert, während im fünften Monate im Körper und im sechsten im proc. odont. ein Knochenkern erscheint. Die übrigen fünf Halswirbel haben im dritten Monate zwei \ Linie lange Knochen- streifen für die Bogenhälften und einen undeutlichen für den Kör- per; die Rückenwirbel einen schon etwas gröfseren für den Kör- per und die Lendenwirbel in den Bogenhälften vier, in dem Kör- per fünf weiise Pünktchen. Am Ende des vierten Monates sieht man in dem Körper der drei falschen Wirbel des Kreuzbeines Knochenpunkte. Der Atlas entsteht nach Ritgen (1. c. S. 209.) aus drei, der Epistropheus aus fünf (I. c. S. 214.), die übrigen Halswirbel aus drei Kuochenpaaren (I. c. S. 216.). Für die Rük- kenwirbel stellt er folgende mögliche Knorpelkerne dar: zwei Paare für den Körper, ein inneres, ein äufseres und ein hinteres Paar für die Bogen, eines für die seitlichen Hälften der Dornfort- sätze und eines für das hintere Ende derselben. Nach unserer Untersuchung ist die Ossification der Wirbel durchaus variabel. Es entstehen Knochenpünktchen, welche zu einem sogenannten Kerne zusammentreten. Man kann der letzteren im Allgemeinen für die Rückenwirbel drei annehmen, einen für den Körper und zwei für die Bogenhälften. Vielleicht entsteht auch der erste aus zwei seitlichen Hälften. Die Anhänge der Wirbel dagegen haben doppelte oder wenigstens einfache gesonderte Knochenkerne; so der proc. odontoid.., die Querfortsätze, die Dornfortsätze, der Bogen des Canalis vertehralis u. dgl. m. Die Bogenhälften sind am Halse und dem oberen Theile der Rückenwirbel länger und schmäler, die der unteren Rücken- und Lendenwirbel breiter und kürzer. Die Körper zeigen vom fünften Monate an fast dieselben Verhältnisse, wie im Erwachsenen. Uebrigens ist die Verknöcherung der Rückenwirbelsäule bei der Geburt noch nicht vollendet, son- dern wird erst nach den Angaben Sömmerings, Meckels und Beclards in oder nach dem ersten Lebensjahre vervollkommnet. Im aus- getragenen Kinde sind Körper, Bogenhälften, Querfortsätze und ein Theil der Anhänge verknöchert. Vgl. Kerkring p. 238 — 245. Albinus p. 52 — 58. Nesbitt S. 64—69. Danz S. 225 — 230. Sömmering p. 236. 240. 244. 249 fgg. Senff p. 405 — 416. Flamm Unteres Knochenrohr. Knochen des Gesichtes. 235 1. c, Meckel Arch. I. S. 594—611. Arch. VI. S. 397 — 404. Anat. IT. S. 266., Nicolai S. 15. 20. 26 fgg., E. H. Weber in Meck. Arch. 1827. S. 230. und in Hildebrandts Anatomie II. S. 163—165. Ritgen S. 202 — 2^25. — ^. Unteres Knochenrohr. Während das obere Centralrohr überall geschlossen und selbst durch die Zwischenwirbel der Sinne nur eingedrückt, nicht aber in seiner Continuität unterbrochen war, ist das untere Rohr nur selten und nie der ganzen Länge nach in seinen Knorpel- und Knochentheilen gänzlich geschlossen. Bei dem Menschen gehören zu ihm die Gesichtsknochen, die Rippen nebst dem Brustbeine. Die ersteren gehören, wie wir schon oben bemerkt und später noch entwickeln werden, ganz und gar den Sinnesorganen an. In ähnlicher Qualität tritt noch ein isoliter Knochengürtel, das Zungenbein, auf. Die Schliefsung dieser Wirbelstücke ist durch die Lage und die sich gegenseitig bedingenden Formveränderun- gen der Sinnesorgane bestimmt und daher nur mehr oder minder im Einzelnen vollständig. Am Rippenkorbe dagegen bildet das Brustbein eine feste Schlufslinie und mit ihm hallt, wenn auch in schwächeren Tönen, ein bei den Wirbellosen realisirtes Ver- hültnifs wieder, wie später noch sich ergeben wird. Die Entstehung der das Gesicht constituirenden härteren Theile hängt zu innig mit der Ausbildung der Sinnesorgane zu- sammen, als dafs sie ohne den Verlust des nöthigen Ueberblickes oder unnütze Wiederholungen getrennt von diesen behandelt werden könnte. Wir werden daher hier nur die einzelnen Ge- sichtsknochen nach ihrer speciellen Ossificationsgeschichte durch- gehen und müssen wegen des Uebrigen auf die Abschnitte von dem serösen Blatte und dem Schleimblatte verweisen, in welchen von den Sinnen gehandelt wird. I. Die Knochen des Gesichtes. Es würde ein eigenes Werk erheischen, wenn man diejeni- gen Knochen und Knochentheile , welche wahrhaft dem Gesichte (den Sinnesorganen) angehören, bestimmen und diese Bestimmung auf die durch die Entwickelungsgeschichte des Individuums sowohl, als der Thierwelt gewonnenen Ansichten basiren wollte. Denn die gültige aus dem Erwachsenen entnommene Bestimmung der soge- nannten Gesichtsknochen ist im höchsten Grade willkührlich und 236 Von dem Embryo. unwissenschaftlich. Um jedoch hier nicht unverständlich zu seyn, wo eine solche weitläufige Darstellung am unrechten Orte wäre, werden wir die gebräuchlichste Distinction befolgen. a. Die Pflugschaar. — Nach Rathke sollen lamina papyra- cea des Siebbeines, Vomer, knorpelige Nasenscheidewand und Intermaxillarknochen aus einer Mittelwand entstehen (S. Abh. I. S. 102.). Die Pflugschaar hat im dritten bis vierten Monate nach Nesbitt (1. c. S. 60.) dieselbe Gestalt, wie im Erwachsenen und besteht aus zwei seitlichen an einander liegenden Knorpelplatten. Dasselbe bestätigen Sömmerlng (1. c. p. 170.) und Danz (1. c. S. 214.); nach Senff (1. c. p. 39.) dagegen ist wenigstens der hintere Rand in frühester Zeit einfach. Der Letztere sah es, wie Kerk- i'ing, Mayer u. A. , in der dreizehnten Woche verknöchert. Be- clard (1. c. S. 430.) setzt seine Ossification um den 45sten Tag. Meckel nimmt als Verknöcherungstermin den vierten Monat an. In diesem ist nach Nicolai (1. c. S. 20.) und Ritgen (l. c. S. 197.) die Ossification oben und hinten am stärksten. Von der Mitte des dritten Monates an werden die beiden Platten des Voiner deutlicher kenntlich und klaffen am vorderen Ende, besonders an getrockneten Schädeln etwas von einander. Die Gröfse über- trifft die der knorpeligen Scheidewand um ein Bedeutendes, bis nach dem siebenten bis achten Monate das Verhältnifs sich dem des Erwachsenen ziemlich nähert. Mehr, als ein Knochenkern, scheint nicht vorzukommen. Vgl. Kcrkring p. 233., Nesbitt S. 59. 60., Danz S. 214., Sömmeriug p. 170., Mayer II. S. 76., Senff p. 39. 40., Beclard S. 429. 430., Oberkampf p. 42., Nicolai S. 20. 26 fgg., Ritgen S. 197. 198., E. H. Weber S. 107. b. Die Nasenbeine. — Ihre frühe Verknöcherung war Kcrk- ring (1. c. p. 233.) und Nesbitt (1. c. S. 55.) schon bekannt. Die sehr frühe Ausbildung der ganzen Knochen aber erwähnen Blu- menbach (Knochenlehre S. 210.), Sömmering (1. c. p. 162.) und Danz (l. c. S. 213.). Die Zeit der Ossification setzt Senff (1. c. p. 38.) in die zwölfte Woche, Beclard (1. c. S. 431.) vor den 45sten Tag, Meckel (1. c. S. 185.) in den Anfang des dritten und Nicolai (1. c. S. 20.) in den des vierten Monates. Unsere Erfah- rungen stimmen für Meckels Ansicht. Rasch vergröfsert sich in ihnen die Knochenmasse, so dals sie im vierten Monate schon lange und von oben nach unten bieiter werdende Platten dar- stellen, die im fünften an einander stofsen und bis an das Ende der Schwangerschaft selbst noch relativ gröfser verhältnifsmäfsig, Unteres Knochenrohr. Knochen des Gesichts. 237 als die Knorpel sind. Vgl. Kerkring p. 233., Nesbitt S. 55., Sömmering p. 162., Danz S. 213. 214., SenfF p. 38. 39., Beclard S. 431., Meckel S. 185., Nicolai S. 20. 25 fgg., Ritgen S. 183. 184., E. H. Weber S. 104. c. Die Muscbelbeine. — Sie entstehen nach Rathke (Abh. I. S. 97.) eben so, wie die Muscheln des Siebbeines, erst nach der Bildung der Nasenhöhle. Noch völlig knorpelig haben sie Nesbitt (1. c. S. 59.), Blumenbach (I. c. S. 216.), Senff (1. c. p. 39.) und Nicolai (1. c. S. 32.) bis gegen die Mitte des Fruchtlebens gese- hen. Nach Letzterem beginnt die erste Verknöcherung im vier- ten Monate. Der Kieferfortsatz soll nach Mayer noch bei der Geburt fehlen. S. Nesbitt S. 59., Sömmering p. 168., Danz S. 214., Senff p. 39., Meckel S. 147., Nicolai S. 32. 38 fgg., Ritgen S. 198., E. H. Weber S. 105. d. Die Thränenbeine. — Mayer (l. c. S. 75.) giebt als erste Verknöcherungszeit den dritten, Beclard (1. c. S, 431.) das Ende des zweiten, Nesbitt (1. c. S. 59.) und Meckel (1. c. S. 000.) da- gegen den fünften bis sechsten Monat an. Ritgen (1. c. S. 183.) sah im vierten Monate einen eine Linie langen und breiten Kno- chenkem und Nicolai (1. c. S. 38.) fand im siebenten den ganzen Knochen drei Linien lang und mit einer Rinne versehen. Wir selbst sahen im Anfange des vierten Monates die erste Verknö- cherung. Ihre Ausbildung nimmt rasch zu, so dafs sie bei der Geburt, wie Sömmering (I. c. p. 164.) schon bemerkt, die voll- endenste von der aller Gesichtsloiochen ist. Vgl. Nesbitt S. 55. 56., Sömmering p. 164., Danz S. 213., Senff p. 39., Beclard S. 431., Meckel S. 191., Nicolai S. 38., Ritgen S. 183., E. H. Weber S. 102. e. Die Jochbeine. — Ihre zeitige Verknöcherung kannte Kerkring (1. c. p. 232.) schon und Nesbitt (1. c. S. 56.) beobach- tete im dritten Monate den Anfang derselben. Senff (l. c. p. 40.) «ah die erste Spur in der eilften Woche, Meckel (S. 130.) um den Anfang des dritten, Beclard (1. c. S. 431.) und Nicolai (1. c. S. 10.) um den Anfang des zweiten Monates. Das Jochbein nimmt sehr rasch an Umfang zu, so dafs es am Ende des dritten oder zu Anfange des vierten Monates fast die Gestalt und die verhältnifs- mäfsige Gröfse des Erwachsenen hat. Offenbar irrig ist aber Danz's Angabe (1. c. S. 212.), dafs bei dem Fötus ein grofser Theil der Gesichtsknochen nur aus einem Stücke bestehe und nur 238 Von dem Embryo. einen Knochenkern habe. — Am Neugeborenen fehlen die Zacken an den Verbindungsstellen, die Augenhöhlenwand ist schärfer, die Gesichts- und Schlaffläche verhällnifsmäfsig kleiner. Vgl. Kerk- ring p. 232., Nerbilt S. 56., Senff p. 40—42., Danz S. 212. 213., Sömmering p. 160., Beclard S. 431., Meckel S. 137., Nicolai S. 10. 14, 19fgg., E. H. Weber S. 109. 110., Ritgen S. 180 — 182. f. Die Oberkieferbeine. — Sie verknöchern sehr früh und rasch, wie Kerkring (1. c. p. 233.) angiebt, schon im dritten Mo- nate, Dasselbe beobachtete Nesbitt (1. c. S. 58.); Senff (1. c. p. 32.) dagegen sah in der achten Woche einen rundlichen Kern in der Mitte des Knochens selbst. Beclard (1. c. S. 432.) will schon vor Ablauf der fünften Woche eine sogenannte knöcherne Rinne am unteren Theile desselben gesehen haben. Nicolai (1. c. S. 10.) setzt die ersten Verknöcherungsp unkte in den zweiten Monat. Die Verbreitung der Knochenmasse geht rasch vor sich, indem sowohl die alten Punkte schnell an Umfang zunehmen, als auch neue Kerne entstehen. Berlin (nach E. H. Weber 1. c. S. 94.) sah deren zwei, Meckel drei, während Senff, Nicolai und Ritgen hiervon ganz schweigen. Wir selbst konnten vom Anfange des dritten Monates nur einen Kern wahrnehmen. Doch findet man gerade hier öfter, als an anderen Knochen, Anhäufungen soliderer Knochenmasse an manchen Stellen, besonders gegen das Jochbein und die Zahnfortsätze hin, welches vielleicht zu den ersteren An- gaben Veranlassung geg-eben hat. Im dritten Monate ist das os maxillare superius schon ganz knöchern und V7egen der verhäll- nifsmäfsig so unbedeutenden Gesichtshöhe breiter, als im Erwach- senen, Der Nasenfortsatz bildet ein Dreieck mit breiterer Basis und geringerer Höhe, als in der Folgezeit. Die crista lacryma- lis ist ein schon verhältnifsmäfsig grofses, schiefes Knochenblätt- chen; der Jochfortsatz mehr in die Länge gezogen; die Jochgrube dagegen fehlt fast noch ganz. Der schon dicke Zahnfortsatz hat besonders an der Stelle der künftigen Backenzähne einen rundli- chen, grofsen Wulst. Der Gaumenfortsatz ist ein plattes Stück und das foramen incisivum zwar schon klein, doch im Verhält- nisse gröfser, als im Erwachsenen. In der Folge wird der Stirn- fortsatz länglicher (schon im vierten bis fünften Monate). Am Alveolarfortsatze entstehen neue Beutel für die Alveolen. Der Gaumenfoi'tsatz gewinnt an Festigkeit und das foramen incisi- vum schliefst sich zum gröfsten Theile. — Man hat bekanntlich Unteres Knochenrohr. Knochen des Gesichtes. 239 den Intermaxillarknochen der Säugethiere durch eine Nath, die sutura incisiva, auch am menschlichen Schädel angedeutet ge- fanden. (S. die Notizen hicrüher bei E. H. Weber 1. c. S. 95. Göthe zur Naturwissenschaft etc. Bd. I. Hft. 2. S. 209. und Nov. Act. Ac. N. C. Fol. XV. Tom. 1. p. S fgg. und M. J. Weber in Frorieps Notizen Jan. 1828. p. 282.). Einen gesonderten Kno- chen, wie Beclard (1. c. S. -131.) angiebt, habe ich nicht gesehen. Nur an einem völlig gesunden viermonatlichen Schädel sah ich auf der einen Seite eine tief durchgehende Nath, welche durch eine kleine Knorpelmasse von dem übrigen Oberkieferknochen ge- trennt war. Das hierdurch entstandene gesonderte, als os inter- rnaxillare zu deutende Knochenstück enthielt zwei Schneide- zähne, indem die Spalte genau zwischen dem äufseren Schneide- zahn und dem inneren Rande des Eckzahnes hindurchging. In- teressant war es mir, dafs ich an allen von mir untersuchten rha- chilischen Fötusschädeln keine Spur dieser Trennung vorfand. — In dem Neugeborenen sind nach Sömmerings Angabe (1. c. p. 151. 152.) alle Theile der maxilla swperior zwar schon vorhanden, doch noch mehr in die Breite gezogen, als lang. Es findet sich das planum orbitale und der pvoc. nasalis noch am meisten ausgebildet. Vgl. Kerkring p. 231—233., Nesbitt S. 56 — 58., Sömmering p. 151. 152., Danz S. 215. 216., Senff p. 32 — 38., Beclard S. 432. 433., Meckel S. 130—132., Nicolai S. 10. 13. 18 fgg., E. H. Weber S. 94. 95., Ritgen S. 189 — 195. Die Entstehung der Zähne und der Highmorshöhle sollen bei dem Schleimblatte abgehandelt werden. g. Die Gaumenbeine. — Sie entstehen nach Kerkring (1. c. p. 233.), Nesbitt (S. 59.) und Portal (Lietauds Zerglied. Kunst. S. 253.) im dritten Monate, nach Senffs genauerer Bestimmung (1. c. p. 37.) in der zwölften Woche. Meckel sah im dritten Monate einen Knochenkern und Nicolai beobachtete im zweiten Monate schon Spuren der Verknöcherung. (S. seine zweite Ta- belle.) Gegen die Mitte des dritten Monates ist das ganze Gau- menbein schon in Knochenmasse verwandelt. Die horizontale Platte hat fast schon die verhältnifsmäfsige Gröfse des Erwach- senen, nur dafs der mittlere TheU etwas breiter und mehr nach vorn ausgeschweift wird. In der Regel ist die Verbindung des- selben eine einfache Nath. Doch sehe ich an einem viermonat- lichen Schädel an ihrer Stelle eine kleine crista vorstehen. Das 240 Von dem Embryo. perpendikuläre Blatt ist verhältnifsmäfsig kurz and niedrig. Der ganze Knochen jedoch hat im Fötus relativ mehr Stärke, als im Erwachsenen. Vgl. Kerkring p. 232. 233., Nesbitt S. 58. 59., Söramering p. 157., Danz S. 212., Senff p. 36 — 38., Beclard S. 431., Nicolai S. 20. 25. 32 fgg., Oberkampf p. 42., E. H. We- ber S. 100., Ritgen S. 195. 196. h. Der ünterkieferknochen. — Schon die knorpelige Grund- lage desselben ragt in frühester Zeit bedeutend hervor und wird erst später mit weiterer Ausbildung des Oberkiefergerüstes diesem mehr gleichgestellt. Der knöcherne Unterkiefer steht eben so im zweiten Monate als ein weiter Gürtel hervor, wie dies schon Kerkring (1. c. p. 234.) bemerkt hat. Seine Ossification gehört zu den frühesten des Körpers. Kerkring (1. c. p. 234.), Nesbitt (1. c. S. 61.), Portal (1. c. S. 252.), Mayer (I. c. S. 76.), Danz (1. c. S. 216.) u. A, setzten ihre erste Spur in den zweiten Mo- nat, Senff (l. c. p. 42.) genauer in die siebente Woche. Beclard (1. c. S. 433.) glaubt sogar, dafs diese schon vor dem 35sten Tage erscheine. Nicolai (1. c. S. 10.) bemerkt ganz richtig, dafs zu Ende des zweiten Monates die Gröfse dieser Knochenleiste die der Clarikel um *' Linie überträfe und Ritgen (1. c. S. 199.) fand sie um dieselbe Zeit I3 bis 3 Linien lang. Nach den meisten Beobach- tern entsteht der ganze Unterkieferknochen blofs aus zwei seitlichen Knochenkernen. Nur Beclard (1. c. S. 434.) beschreibt noch zwei in den Ki'onenfortsätzen, welche um die achte Woche entstehen und schnell mit den Hauptkernen verwachsen. Autenrieth und Spix (s. b. E. H. Weber S. 113.) geben vier Paare von Knochenker- nen an, zwei in den Gelenkfortsätzen, zwei in den Kronenfort- sätzen, zwei in den Winkeln der Kinnlade und zwei in den Kör- perhälften. Der Unterkiefer steht über dem Oberkiefer in der neunten Woche f", in der zehnten l^'" — 2^'", in der eilften 2'" vor, bis er in der dreizehnten bis vierzehnten zu dem ge- wöhnlichen Verhältnisse zurückkehrt. Der Winkel, den der ho- rizontale Tbeil mit dem aufsteigenden macht, ist in früheren Monaten stumpfer, als in späteren, im Fötus überhaupt sind beide mehr aus einander gerichtet, als im Erwachsenen. Selbst im reifen Kinde ist das in früherer Zeit vorwaltende Mifsverständnifs noch deut- lich genug. So sind die Kronenfortsätze dicker, der horizontale Theil länger, als der aufsteigende u. dgl. m. Vgl. Kerkring p. 234—236., Nesbitt S. 60. 61., Sömmering p. 175., Danz S. 216. 217., Rippen und Brustbein. 241 217., Senff p. 24. 25., Beclard S. 433. 434., Meckel S. 146 — 148., Nicolai S. 10. 11. 14. 19 fgg., E. H. Weber S. 113. 114., Ritgen S. 198—202. Das Zungenbein, dessen Ossification wir hier noch anbangs- weise berühren, verknöchert nach Nesbitt (1. c. S. 64.) im ach- ten Monate, während dessen knorpelige Grundlage schon im drit- ten erkennbar ist. (Die entgegengesetzte von Nesbitt schon wi- derlegte Ansicht s. bei Kerkring 1. c. p. 238.) Es besteht im Fötus aus drei Kernen, einem mittleren und zwei seitlichen in den Seitenhälften, welche bei dem Neugeborenen noch nicht ver- einigt sind. Ob die Bogenhälften oder der Körper früher ver- knöchern, ist bis jetzt noch unbekannt. Vgl. Kerkring p. 238., Nesbitt S. 63. 64., Sömmering p. 210., Dana S. 222. 223., We- ber IV. S. 146. 2. Rippen und Brustbein. Das untere Rohr des peripherischen Theiles des serösen Blat- tes umschliefst, dem oberen durchaus entsprechend, in seinem ersten Zustande den Embryo seiner ganzen Länge nach auf gleiche Weise und bildet so ein homogenes Continuum. WolfFund nach ihm V. Bär nennen die Wände desselben Bauch-, Burdach: Visceral- platten. So entstehen aus ihnen von Skelettheilen am Kopfe die Gesichtsknochen, die feste Grundlage der Sinnesorgane, weiter unten am Halse das vergängliche Kiemengerüst nebst den aus ihm entstehenden Organtheilen. In der Brust bilden sich aus ihnen die Bippen mit ihrem Schlufsgliede, dem Brustbeine. Die Entstehung der Rippen als knorpelige Platten fällt spä- testens in die sechste Woche des Fötuslebens, obgleich, wie so- bald gezeigt werden soll, der auf Blumenbachs und eigener Er- fahrung begründete Ausspruch E. H. Webers (Meck. Arch. 1827. S. 231.), dafs sich die knorpeligen Grundlagen derjenigen Theile, welche das Herz schützen, zuerst bilden, nicht vollkommen rich- tig ist. Die Verknorpelung des Brustbeines folgt erst einige Zeit nach der der Rippen. Ihm fehlt in fi-ühester Zeit nach Webers Angabe (1. c. S. 232.) jede Spur des -proc. xiphoidcus. Später dagegen ossificiren erst diese Theile. Nach Kerkring (1. c. p. 246.) sind im zweiten Monate die obersten und untersten Rippen noch knorpelig, die übrigen dagegen verknöchert. Nesbitt (1. c. S. 70.) fügt hinzu, dafs die hinteren Enden dann noch knor- 16 242 Von dem Embryo. pelig seyen. Diese letzteren stellen nach Albinus {io. oss. foet. p. 75.) späterhin wahre Epiphysen dar. Ueber die Verknöche- rung und Ausbildung der Rippen drückt sich Sömmering (1. c. p. 259.) auf folgende, treffende Weise aus: ^,Costae iis ossibus adnumerandae sunt , guae maturo tempore ad justum incre- mentum perveniunt\ non enim^ exceptis ossibus organo au- ditorio dicatis^ jamjam tarn perfecta pro suo modo ossa in foetu maturo inveniuntur.'^ — Senff sah die erste Verknöche- rung erst in der neunten bis eilften Woche (1. c. p. 56 und Ta- bula No. 15.) und Nicolai (1. c. S. 15.) fand die Rippen in dem dritten Monate als lange bis zur sechsten Rippe an Länge zuneh- mende gebogene Knochen. Beclard dagegen, welcher offenbar in der Zeitbestimmung vielfach gefehlt hat, giebt an (1. c. 418.), dafs Yor Ablauf der siebenten Woche alle Rippen schon verknö- chert seyen. Die Kerne füllen erst am Ende des dritten oder dem Anfange des vierten Monates ihre knorpeligen Grundlagen vollkommen aus. Dennoch sah Ritgen (1. c. S. 229.) im Anfange des dritten Monates diese von den künftigen, ebenfalls schon an- gelegten Rippenknorpeln (seinen Gegenrippen) bestimmt geschie- den. Der Anfang des Köpfchens und des tuberculum fällt nach Senff (1. c. p. 58.) in die dreizehnte Woche, so dafs in der Mitte oder gegen das Ende des vierten Monates die Verknöcherung voll- kommen ist und in der Folgezeit nur von Wachsthumsverände- rungen die Rede seyn kann. Die Rippen vergröfsern sich dann nach ihren bestimmten Verhältnissen und werden platter, während sie früher, besonders am vorderen Ende mehr kolbig waren, üebcr ihre verschiedene Gröfse s. Nicolai 1. c. und die bei Ritgen (1. c. S. 227.) aus ihm enllehüte Zusammenstellung der Maafse der er- sten Rippe. Vgl. Kerkring p. 246—248., Nesbitt S. 69 — 71., Sömmering p. 259., Dana S. 226. 227., Senff p. 56 — 58., Nico- lai S. 15. 21. 27 fgg., E. H. Weber in Meck. Arch. 1827. S. 230. 232. und in Hiidebraudts Anat. IL S. 174., Ritgen S. 226—29. Die Verknöcherung des Brustbeines variirt nach Kerkring (1. c. p. 248.) sehr. Sie fiudet sich nach ihm nie vor Ablaufe des vierten Monates und so sali er bisweilen im fünften Monate zwei Knochenkerne, im sechsten vier oder fünf, manches Mal auch nur einen, im achten drei bis sechs, im Neugeborenen sieben. Während Fallopius und Bartholinus acht annahmen. Bald sind sie an den Enden, bald in der Mitte, bald die oberen gröfser, Extremitätengürtel. 243 bald die unteren (1. c. p. 249.). Nesbitt (1. c. S. 72.) setzt noch hinzu, dafs vor dem zweiten Monate die Arliculation des oberen und unteren Endes schon deutlich seyn solle. Nach Mayer (1. c. S. 203.) verknöchert es selten vor dem sechsten Monate; nach Danz (1. c. S. 227.) am Ende des vierten. Ersteiem treten Be- clard und Meckel (1. c. S. 67 — 71.) bei. Nicolai bemerkte im siebenten Monate im Manubrium einen ovalen Knochenkern und im Körper 3 — 4 Knochenpunkte (1. c. S. 43.). Man findet über- haupt keinen Knochen des Körpers, der in Hinsicht der Ossifica- tion so unbestimmt wäre, als dieser und es dürfte schwer seyn, mehrere gleich alte Fötusskelette zu erhalten, in welchen der Verknöcherungsprocefs des Brustbeines auf gleiche Weise vorge- schritten ist. Bei der Geburt hat, wie Sömmering (p. 265.) angiebt, der obere Theil einen, der mittlere meist vier und der untere einen Kern. Vgl. Kerkring p. 248 — 50., Nesbitt S. 71. 72., Söm- mering p. 265., Danz S. 227. 228., Nicolai S. 43. 60., E. H. We- ber in Meck. Arch. 1827. S. 232. und in Hildebr. Anat. IL S. 174., Ritgen S. 229—131. Anhang. (£. Extremitätengürtel. Wenn der peripherische Theil des serösen Blattes sich in obere (Haut-) und untere (Fleisch-) Schicht gesondert und die letztere ein oberes, das cenirale Nervensystem umfassendes und ein unteres, die Organproductionen des Gefäfs- und Schleimblattes einschliefsendes Rohr gebildet hat, ist die Bedingung zur Entste- hung der Extremitäten und deren gürtelförmigen Anhängen gege- ben. Diese beide liegen unter der Hautschicht, an der obersten und äufsersten Stelle der Knochen- und Fleischschicht. Wir müssen aber offen bekennen, dafs wir hier nur aus Mangel an den nothwen- digen, bestimmten Datis von dem systematischen Wege abzuwei- chen uns genöthigt sehen. Wollten wir nämlich consequent ver- fahren, so müfsten wir zuerst, wie wir es eben gethan haben, das obere und untere Knochenrohr durchgehen, dann die über ihm liegende Fleischschicht, dann die Extremitäten in ihrem ei- genen Knochengerüste nebst dem ihrer Gürtel sowohl, als auch in der auf ihnen gelagerten Fleischschicht und zuletzt die Haut abhandeln. Da aber eine Anordnung der Art ohne Hypothesen zur Zeit noch nicht durchgeführt werden kann, so ziehen wir es vor, die Knochenschieht zuerst in ihrer Vollständigkeit zu betrachten 16* 244 Von dem Embryo. und auf diese die Fleisch- und Hautsebicht folgen zu lassen. Hierdurch werden auch überflüssige Wiederholungen möglichst vermieden. — Um sich aber die Entstehung der Extremitäten auf eine klare Weise zur Anschauung zu bringen, ist es nöthig, dafs wir uns die Spaltungen des serösen Blattes kurz vor der Genese von jenen in das Gedächtnifs zurückrufen. Es hatte sich in einen centralen und einen peripherischen Theil geschieden. Der Letztere zerfiel in ein oberes, dünneres, festeres und ein un- teres, dickeres aber lockereres Blatt. Jenes umgab den ganzen Embryo d. h. Rücken- und Bauchplatten zugleich, ohne nach der Schliefsung der Rückenplatten in seiner Form geändert zu seyn und bildete nach dieser Zeit ein einfaches den ganzen Embryo abschlicfsendes Rohr (die näheren Verhältnisse s. bei Entwick. gesch. d. Haut). Nicht so dagegen die Fleisch- und Knocheu- schicht. Diese bildete ein oberes (Schädel und Wirbelsäule) und ein unteres Rohr (Gesicht, Hals, Brust und Unterleib). Man kann also den Typus der Fötusbildung zu der Zeit sich so denken, dafs ein oberes, später kleineres und ein unteres bald darauf gröfseres Rohr von einem einfachen beide umfassenden Rohre umgeben ist. Zwischen den beiden inneren Röhren entsteht nun jederseits eine nach der Länge des ganzen Körpers verlaufende Grenzlinie und von dieser Linie aus, also unterhalb des umschliefsenden, einfa- chen (Haut-) Rohres entstehen und bilden die Extremitäten sich hervor. Vgl. v. Bär über Entwickgesch. Tb. I. tab. 1. 3. fig. 7. Die Extremitäten gehören so der Uranlage nach der Fleisch- und Knochenschicht allein an, während die Hautsebicht mehr passiv durch sie fortgezogen und emporgehoben wird. Sie sind aber, wie die Sinne das centrale seröse Blatt mit dem peripherischen vermittelen, eben so die Verraittelungsglieder zwischen der Haut- schicht einerseits und der Fleisch- und Knochenschicht anderseits. Bevor wir jedoch in das Speciellc eingehen, müssen wir noch bemerken, dafs hier nur von den oberen und unteren Extremitä- ten des Rumpfes die Rede ist, die dafür ausgegebenen sogenann- ten Kopfextremitäten aber bei dem Schleimblatte werden abge- handelt werden. In die Furche zwischen dem oberen und unteren Rohre der inneren Schicht des serösen Blattes legt sich auf jeder Seite eine Masse Bildungsstoff; welcher an dieser Stelle den zwischen den ersteren und dem äufsersten Rohre «ntstandenen Zwischenraum Extremitätengürtel. 245 aasföUt, so dafs äufserlich keine Spur der Theilung der unteren Schicht in zwei röhrige Gebilde sichtbar und dieselbe erst bei Querdurchschnitten kenntlich ist. Für die Bildung der Extremi- täten ist diese Masse der Urstoff, welcher noch durch die ganze Länge des Körpers sich erstreckt und in seiner Entwickelung und Ausbildung bei Wirbellosen und Wirbelthieren verschieden ist. Bei den ersteren umschliefst er einfach röhrig, wie der Typus der Entwickelung der niederen Thiere überhaupt ist, die beiden ande- ren Blätter der Keimhaut und kerbt sich zur Extremitäteur und Kie- ferbildung an bestimmten Stellen ein, wie dies aus den Erfahrungen von Herold, Rathke u. A. sich ergeben hat. Bei den Wirbel- thieren concentrirt sich bald der Stotfansatz an dem oberen Ende der Brust und dem unteren Ende des Unterleibes oder der Ba- sis der Nacken- und der Spitze der Sakralkrümmung. Hierdurch entstehen an den genannten Stellen kleine Leisten, welche den sie umgebenden Theil des äufsersten Rohres als ihre Haut vor sich hertreiben. Die zwischen jeder oberen und unteren Extre- mität einer Seite liegende Schicht bleibt in ihrer Entwickelung zurück und wird wahrscheinlich zu den noch unten näher zu bezeichnenden muskulösen und sehnigten Gebilden, Die erste Spur der Extremitäten als schmaler Leistchen kann man bei dem Hühnerembryo leicht beobachten, nach v. Bars (üb. Entwgesch. S. 63. 6, Burdach S. 293.) Zeitbestimmung in der zweiten Hälfte des zweiten Tages. Man mufs dann den unter der Haut noch verborgen liegenden Theil als Rumpfglied deuten, während der über dieselbe hervorragende Theil Endglied genannt wird. Diese Bildungsperiode ist bei den Säugethieren ebenfalls schon vielfach beobachtet, bei dem Menschen dagegen noch nicht in einer Zeich- nung dargestellt worden. Sie fällt wahrscheinlich in die vierte bis fünfte Woche. Bald darauf verlängert sich der hervorstehende Theil, wird an seinem äufseren Ende breiter und kolbiger, wäh- rend auch die bisher unter der Haut verborgene Extremitätenab- theilung ebenfalls mehr hervortritt. So ist schon dann äufserlich ein Unterschied zwischen dem Engliede (Hand und Fufs) und Rumpfgliede (Oberarm und Oberschenkel) wahrzunehmen. Mit- telglieder (Vorderarm und Unterschenkel) fehlen noch ganz, wie wir dieses auch bei der Entwickelung der Thierreihe zu sehen Gelegenheit haben. (Vgl. Heusinger erster Bericht von der zoo- tomischen Anstalt zu Würzburg 1826. 4. S. 20 fgg. und ▼. Bär 246 Von dem Embryo. über Eatwgescli. S. 181. 182.) Die Extremitäten gehen nun aus der kurzen, mehr gerundeten Formation in die schmale längliche und bei vielen Säugethieren iu eine mehr zungenartige Form über. Abbildungen dieses Zustandes bei dem Menschen, wo diese Periode der Bildung in die sechste bis achte Woche fällt, s. W. Hunter anat. uteri grav. tob. 33. fig. 2. 3., Meckels Beitr. zur vergl. Anat. Th. I, Hft. I. tab. 5. fig. 4., Burdach de foetu humano tah. \. fig. 1. 2., E. H. Weber in Meck. Arch. 1827. tab. 3. fig. L und Job. Müller ebendaselbst. 1830. tab. XL fig. 11. und 11. (Letztere Zeichnung stellt einen der frühesten, mit acht naturwissenschaftlichen Sinne beobachteten menschlichen Embryo« nen dar.) Aus der kurz darauf folgenden Zeit sind die Abbil- dungen der Extremitäten bei W. Hunter anat. uteri tah. 33. fig. 6., Meckels Beitr. tab, 5. fig. 17., Kiesers Ursprung des Darmkanales tab. 1. fig. 1. und tab. 2. fig. 3., Wrisberg descrip- tio embr. tab. 1. fig. 1. 2., Samuel praeside Doellinger de ovorum inavimalium velamentis fig. I— JH. , Job. Müller in Meck. Arch. 1830. tab. XL fig. 12. C. u. Entw. der Geschlthle. fig. 11. A. und fig. 12. A. An dem abgerundeten platten und fast tafelförmigen Endgliede entstehen vier seicMe Einschnitte zuerst an der Doi'sal, dann an der Volarfläche als die erste An- zeige der Sonderung in Finger und Zehen. Die Trennung trifft primär nur die Fleischschicbt und die Knochenschicht und zwar nach meinen neuesten Erfahrungen die letztere zuerst, während die Hautschicht sich später in die Furchen hineinlegt, und geht allmäh- lig tiefer, sO dafs von der zehnten bis eilften Woche an die An- deutungen der Finger und Zehen schon gesondert anzutreffen sind. Nachdem nämlich zuerst die Furchen sich gebildet haben, entste- hen an der Spitze Einschnitte und mit ihnen ungleiche Ausbil- dung der Finger- und Zehenrudimente unter einander. Diesen allen Veränderungen folgt die Hautschicht genau nach und um- kleidet auf diese Weise handschuhförmig Hand und Fufs, wie sich denn noch bei dem Erwachsenen die Epidermis nach Art eines Handschuh durch die Maceration vollständig lostrennen läfst. Was nun die Verhältnisse der beiden Extremitäten unter einander betrifft, so entwickeln sich die Endglieder der oberen frülier, als die der unteren, ja die ersteren übertreffen bald sogar die letzteren um etwas an Masse. Im dritten" Monate stehen beide auf ziemlich gleicher Stufe der Ausbildung bis im vierten die unteren an ExtremitätengürteL 247 Masse gewinnen. Indem nun aber die Extremitäten auf diese Weise als radienförmige Ausstrahlungen der Mittellinie zwischen oberem und unterem Rohre entstehen, erhalten sie zugleich die Tendenz, beide Röhren kreisförmig zu umschliefsen. Dieser Act der Ausbildung folgt erst nach ihrer Genese und ihrer ersten Sonderung. Denn so lange sie als Leisten existiren, ist die Masse in der Furche der Scheidungslinie noch sparsam und von wei- cher und gallertartiger Consistenz, währen^ der die Extremitäten selbst constituirende Stoff zwar noch halbflüssig, durch Weingeist aber zu einer dichteren Masse zu erhärten ist, wie man dieses an Hülmerembryonen vom dritten bis vierten Tage leicht beo- bachten kann. Mit weiterer Evolution der Extremitäten, wo diese in Eud- and Rumpfglied sich geschieden haben, sieht man zwar mehr und dichtere Masse in der Mittellinie sich anhäufen; bei dem Wegbrechen der Extremitäten aber bemerkt man deut- lich, dafs das Rumpfglied tiefer in die untere Schicht hineingeht und länger ist, als es äufserlich erscheint, dagegen durchaus keine Spur der Sonderung in härtere, bogenartige Fortsätze (Schlüssel- bein, Schulterblatt, Beckenknochen) hat. Erst dann wenn deut- liche Zeichen der Finger und Zehen entstehen, beobachtet man auch Rudimente von Schlüsselbeinen und Schulterblättern und um dieselbe Zeit oder bisweilen etwas früher schwache Andeu- tungen der Beckenknochen. Von dem Rümpfende der oberen Extremität geht ein dünnes Band dichterer Masse gegen die Mitte der Brust zu, das künftige Schlüsselbein. Beide Clavikeln sind frühzeitig um ein Bedeutendes von einander entfernt. Eine harte, dicke Leiste liegt anderseits auch nach hinten zu. Sie er- streckt sich nur wenig über den Durchmesser des zu der Zeit noch transversal stehenden Rumpfgliedes und hört dicht an der Mittellinie auf. So findet es sich bei dem Menschen in der sechsten bis sie- benten Woche. Die Rudimente der Beckengürtel scheinen etwas früher hervorzutreten. Blan sieht nämlich bei dem Hühnerem- bryo vom dritten Tage einen langen über die Breite des Rumpf- gliedes mehr nach oben, doch etwas auch nach unten hervorra- gende Wulst in der Scheidungslinie liegen. Er entspricht offen- bar dem OS ilei und ischii. Aufserdem geht nach dem zu der Zeit noch grofsen Schwänze eine bandartige Falte herüber, deren Haupt- theil späterhin zum Schaambeine wird. Vergeblich suchte ich aus- zumitteln, ob der hintere Wulst eine blofse Verdickung der Visceral- 248 Von dem Embryo. wand überhaupt oder eine Bildung neuer Masse oberhalb der Vis- ceralwand sey. Nach der Analogie mit den oberen Extremitäten zu schliefsen, wäre das Letztere der Fall. Licfse es sich aber durch genaue Beobachtung nachweisen, so wäre jedes Bedenken aus der Annahme entfernt, dals die Beckenknochen keine ver- schmolzenen Rippen, sondern ein eigener Knochengürtel, wie Schlüsselbein und Schulterblatt sind. Die Beweise aus der späteren Zeit, die für diese Ansicht streiten, hat schon v. Bär (üb. Entw. gesch. S. 185 — 188.) speciell angeführt. Aus dem hier Erzählten erhellt jedoch so viel, dafs der Typus der Entwickelung der Ex- tremitäten zuerst als einfache lineare Austrahlung der scheiden- den Mittellinie sich zeige. Von dieser gehen später seitliche, gürtelaftige Fortsätze aus, welche oben und unten getrennt sind, später unten in ihrer Knorpelgrundlage, oben dagegen durch ge- wisse muskulöse Schichten mit einander verschmelzen. — Die Extremitäten bekommen nun eine Biegung, welche in die Grenze zwischen Rumpf- und Endglied fällt, aber weder bestimmt, noch scharf genug ist, um ein unterschiedenes Mittelglied zu setzen. Bald jedoch verlängert sich zuerst die obere, dann die untere Extremität und an die Stelle der einfachen Biegung tritt eine doppelte Einknickung oder, genauer betrachtet, eine in eine dop- pelte Einknickung nach abweichenden Richtungen übergehende Biegung. Hierdurch wird an jeder Extremität ein Mittelglied be- stimmt geschieden, nämlich der Vorderarm an der oberen und der Unterschenkel an der unteren. Ob auch Hand- und Fufsw^urzel schon dadurch gebildet sey, läfst sich durch Nichts mit Gewifsheit entschsiden. — Was nun die relative Lage der einzelnen Extremi- tätenabtheilungen betrifft, so tritt das Rumpfglied allmählig mehr hervor, sondert sich durch eine immer tiefer gebende Furche von der Leibes wand ab und erscheint so gröfser und verbal tnifsmäfsig am längsten. Das Mittelglied ist anfangs noch etwas kleiner, als das Endglied, und dieses Verhältnifs wird am Ende des vierten Monates erst zu dem des ausgebildeten Menschen ausgeglichen, während die letztgenannten Veränderungen überhaupt in die neunte bis zehnte Woche fallen. Alle Extremitäten sind in Form und Lage zuerst einander ganz gleich. Doch während die oberen mit ihrer Innenfläche gegen die Rumpfwand gekehrt bleiben und in ihrer wenig schiefen Direction auf dieser zu liegen kommen, treten bald die unteren in eine relativ entgegengesetzte Drehung, so nämlich, Extremitätengürtel. 249 dafs ihre innere Fläche, je näher dem Endglied, sich immer mehr von der Leibeswand entfernt. So bildet anfangs die obere Extremi- tät mit den Visceral wänden einen spitzen, die untere einen immer weniger spitzen und zuletzt einen stumpfen Winkel. Bei der dar- auf folgenden Einknickung stehen die Rumpfglieder der oberen Ex- tremitäten unter einem nach unten gerichteten, spitzen Winkel von der Leibeswand ab. Die Mittelglieder neigen sich unter einem et- was weniger nach oben gerichteten, spitzen Winkel gegen die Lei- beswand hin, während die Endglieder unter einem rechten oder einem ihm nahen nach aufsen gerichteten Winkel in halber Prona- tion gegen die Brustwand befindlich geneigt sind. Dadurch, dafs der Neigungswinkel des Rumpfgliedes gegen die Brust wand hin in der Folge kleiner wird, kreuzen sich zuerst die End- und spä-. terhin die Mittelglieder. Der Winkel zwischen Rumpf- und Mit- telglied wird aber spitzer, während der zwischen Mittel- und Endglied befindliche zweien Rechten immer näher kommt und die Pronation der Hand in Flexion oder Extension übergeht. An- ders dagegen gestaltet sich die Lage der unteren Extremitäten. Das Rumpfglied entfernt sich zuerst von der Leibeswand von in- nen nach aufsen und von unten nach oben ; der Unterschenkel ist unter einem weniger spitzen Winkel von aufsen nach innen und von vorn nach hinten geneigt; das Endglied dagegen von hinten nach vom und vorzüglich von aufsen nach innen. Das Rumpf- glied entfernt sich allmählig von der Bauchwand; das Endglied stellt sich gegen das Mittelglied unter einem rechten oder stum- pfen Winkel, so dafs der Unterschenkel gegen den Oberschenkel und der Fufs, wiewohl weniger, gegen den Unterschenkel sich beugt. Der Neigungswinkel ist bei den ersteren nach hinten, bei den letzteren nach vorn gerichtet. Die Beugung im Kniegelenke wird immer stärker und, während die Rumpfglieder der Bauch- wand wieder näher treten, kreuzen sich die Unterschenkel und unmittelbar durch sie die Füfse. Diese Lagenveränderungen las- sen sich nicht blofs bei ungestörter Lage des Fötus im Eie bemer- ken, sondern auch durch Monstrositäten (Bildungshemmungen) nachweisen, wie ich an einem anderen Orte entwickeln werde. — Unteidefs erlangen die Extremitätengürtel mehr Geschieden- heit und eine dichtere Consistenz, zuerst die oberen, ziemlich spät dagegen die unteren. Die knorpelige Grundlage des Schlüs- selbeines und des Schulterblattes fällt wahrscheinlich in die sechste *i50 Von dem Embryo. bis siebente Woche. Rudimente des knorpeligen Beckengerüstes finden sich zwar schon um dieselbe Zeit schwach angedeutet, doch wenigstens nach SenfFs Abbildungen zu schliefsea, in einer der Folgezeit ähnlichen Form, kaum vor der achten bis zehnten Woche. In dieser kann man schon die vier Haupttheile, das künftige Os ilei, pubis, ischii und das acetahulivni von einan- der unterscheiden. Die Knorpelgrundlage der Extremitäten selbst ist am Ende des zweiten Monates, so weit die Extremität da ist, deutlich gebildet. Die Verknöcherung geht aber nach folgenden Momenten vor sich: 1, Das Schlüsselbein. — Die sehr frühzeitig® Verknöcherung der Clavikel ist allgemein bekannt. 80 will sie Kerkriag (1. c. p. 250.) in der sechsten Woche schon vollendet gesehen haben. Nesbitt (1. c. S. 74.) setzt den Anfang dieses Actes in die erste Zeit des zweiten Monates, Senflf (1. c. p. 61.) in die achte und Ritgen (1. c. S. 241.) in die fünfte Woche. Nach Nicolai (1. c. S, 11.) ist sie am Ende des zweiten Monates \.\ — i\ Linie lang. Die Verknöcherung beginnt in der Mitte und der kleine, längliche Knochen verdickt sich bald etwas an seinen Extremitäten. Seine Länge ist in der frühesten Zeit überaus grofs und übertrifft nach Meckel (s. E. H. Weber L c. S. 200.) im zweiten Monate die des Oberschenkeis um das Vierfache. Späterhin gleicht sich das Verhältnifs aus, indem am Ende des dritten Monates beide schon gleich lang gefunden werden. In der eilften Woche ist er schon seiner Continuität nach verknöchert. Der Steraallheil soll bis zur gänzlichen Ausbildung des Skelettes nach der Geburt nach Sömmerings Angabe (1. c. p. 312.) eine Epiphyse bleiben. Vgl. Kerkring p. 250. 251., Nesbitt S. 74., Sömmering p. 311. 312., Danz S. 232., Senff p. 60. 62., Beclard S. 435. 436., Meckel S. ' 199., Nicolai S. 11. 14. fgg., E. H. Weber S. 200., Burdach S. 470., Ritgen S. 240—242. 2. Das Schulterblatt. — Die knorpelige Grundlage der sca- ■pula bildet sich gleichzeitig mit dem Schlüsselbeine; die Verknö- cherung tritt aber bei diesem viel früher ein, als bei jenem. Den ersten Act derselben, so wie die scheinbare Fortsetzung des Grund- knorpels erzählt Kerkring (1. c. p. 251.) mit folgenden Worten: ^,Äc primum de tota scapulae massa (dicendum est), quae secundo viense adhuc informis quaedam ac rotunda carti- lago est^ puncto albo in media notata^ quod indicat ossifi- Extremitätengürtel. 251 cationis principium; desinit haec cartilago sine ullo distinc' tionis indicio in partem angustiorem , longiusculam , lineam albam in medio ostentantem, quoe postea in os humeri a scapula distinctum efformatury' — Im dritten Monate ist nach ihm die Spina zum gröfsten Theiie knöchern, der proc. cora- coid.^ der Hals und die Mitte der Basis noch knorpelig. Im We- sentlichen stimmen hiermit die Beschreibungen von Nesbitt (1. c. S. 75.), Mayer (1. c. S. 508.), Biumenbach (1. c. S. 370.) u. Danz (1. c. S. 232. 33.) überein. Senff (1. c. p. 62.) setzt die erste Os- sification in die zehnte Woche, wo ein eine halbe Linie langer Knochenstreifen die scapula durchsetzt mid zu der Zeit die Länge desselben die Breite des ganzen Schulterblattrudiments übertrifft. Auch Nicolai's (1. c. p. 14.) Angaben stimmen hiermit vollkom- men überein. Beclard (1. c. S. 436.) dagegen will schon am vier- zigsten Tage Verknöclicrung beobachtet haben. Ritgen (1. c. S. 242.) fand es im dritten Blonate l|'"--2'" lang und |'"— 6|'" Linien breit. Die Spina scapulae entsteht in der bald darauf folgenden Zeit nicht aus einem neuen Kerne, sondern durch Ver- längerung des breiten Kernes des Körpers selbst, wo sich nicht blofs mehr Substanz, sondern auch dichtere Knochenablagerung ansammelt. Sie bildet sich schnell aus und hat gegen Ende des vierten Monates so ziemlich schon ihre bestimmte Form. Dadurch, dafs vom dritten Monate an die Gräthe mehr hinabrückt, entsteht die fossa supraspinata. Die übrigen Theiie dagegen bleiben während des ganzen Fötuslebens knorpelig und es sind nach Söm- merings (1. c. p, 317.) Ausdruck der proc. coracoid., das acro- mion und die basis scapulae nichts, als cartilaginöse Epiphysen. Die Form derselben stimmt genau mit der der ausgebildeten Kno- chen überein. Vgl. Kerkring p. 251—253., Nesbitt S. 75., Senff p. 62—64., Sömmering p. 317., Danz S. 233. 233., Beclard S. 436.437., Nicolai S. 14. 20. 21. 27. fgg., E. H. Weber S. 204. 205., Ritgen S. 242 — 244. 3. Das Oberarmbein. — Noch bevor sich aus dem gleichmä- fsigen Knorpel der Oberextremität die einzelnen Glieder trennen, soll nach Einigen die Verknöcherung des humerus eintreten. Doch scheint uns diese Angabe nicht ganz richtig zu seyn. Kerk- ring (1. c. p. 254.) und Nicolai (1. c. S. lt.) setzen den ersten Act in den zweiten Monat , Nesbitt (1. c. S. 76.) gleich nach der vierten Woche, Senff (1. c. p. 64.) in die neunte Woche, Beclard 252 Von dem Embryo. (L c. S. 438.) um den dreifsigsten Tag und Ritgen (1. c. S. 246.) in die fünfte Woche. In den folgenden drei bis vier Wochen wird der anfangs rundliche Knochenkem länglich und an seinen beiden Enden etwas verdickt. Die Enden des Knochens selbst dagegen bleiben während des ganzen Fötuslebens knorpelig. Vgl. Kerkring p. 254 — 256., Nesbitt S. 76. 77., Sömmering p. 322., Banz S. 233. 234., SenfF p. 64. 65., Oberkampf p. 46. 47., Nico- lai S. 11. 16. fgg., E. H. Weber S. 210. 211., Ritgen S. 246. 248. 4. Ulna und Radius. — Beide Knochen scheinen zuerst eine einfache Knorpelmasse auszumachen und sondern sich durch eine von beiden Seiten entstehende Einfurchung von einander. Die dazwischen liegende Masse bleibt als lig. interosseum zurück. Nach Nesbitt (1. c. S. 78.), Senff (1. c. p. 65.) und Ritgen (1. c. S. 249.) verknöchern beide zu derselben Zeit, nach Beclard (1. c. S. 439.) dagegen der Radius, nach Nicolai (1. c. S. 11.) die Ulna früher. Als erste Ossificationszeit betrachtet Nesbitt den Anfang des zweiten Monates, Senff die neunte Woche, Nicolai den zwei- ten Monat und Ritgen die fünfte bis sechste Woche. Bald zei- gen sich die beiden Knochen als zwei schmale neben einander liegende Streifen, welche .mit der Vergröfserung des Mittelgliedes überhaupt sich ebenfalls verlängern, im dritten und vierten Mo- nate aber an ihren Enden noch wenig oder gar nicht verdickt sind. Beide sind, je zeitiger der Embryo, desto mehr an Stärke einander gleich. Auch hier sind bei dem Neugeborenen die Epi- physen noch knoi-pelig. Vgl. Kerkring p. 255., Nesbitt S. 77, 78., Sömmering p. 327. 331., Danz S, 234., Senff p. 65. 66., Beclard S. 439., Nicolai S. 11. 16. fgg., E. H. Weber S. 217., Ritgen S. 248—250. 5. Die Handwurzelknochen. — An der Einbiegungsstelle zwischen End- und Mittelglied der oberen Extremität entsteht um die Mitte des dritten Monates eine Knorpelmasse, welche bald in die einzelnen Knorpel für die später hier liegende dop- pelte Reihe von Knochen zerfällt. Alle Beobachter, mit Ausnahme von Loder und Meckel, haben vor der Geburt keine Verknöche- rung in ihnen wahrgenommen. Diese dagegen sahen Ossificatio- tionen in dem Os capitatum und hamatum (S. Ritgen I. c. S. 252.). Vgl. Kerkring p. 255., Nesbitt S. 78. 79., Mayer S. 311., Blumenbach S. 333., Danz S. 235., Beclard S. 440., Nicolai I. c. dritte Tabelle, Ritgen S. 252. Extremilätengürtel. 253 6. Die Mittelhandknochen. — Sie sind am Ende des zwei- ten Monates schon vollständig in ihre knorpeligen Grundlagen ge- schieden und verknöchern nach Art der langen Röhrenknochen von der Mitte nach den beiden Enden hin. Die erste Ossifica- tion setzen Kerkrjng (1. c. p. 255.), Sömmering (1. c. p. 347. 348.), Danz (1. c. S. 235.), Senff (1. c. p. 66.) und Nicolai (1. c. S. 16.) in den dritten, Nesbitt (1. c. S. 79.) und Beclard (1. c. S. 440.) dagegen in den zweiten Monat. Des Letzteren Angabe, dafs die Verknöcherung zuerst in dem zweiten, dann in dem dritten, dann in dem vierten Finger und zuletzt in dem Daumen beginne, beruht auf unzureichenden Gründen. Dagegen hat SenfF (1. c, p. 67. tab. 2. fig. 7. 8.) gezeigt, dafs die Metacarpusknochen des Zeige- und Mittelfingers ohne Zweifel zuerst ossificiren. Sie vergröfsern sich rasch, ohne an ihren Enden merklich anzu- schwellen. Nur der Mittelhandknochen des Daumens steht etwas zurück, indem an seinem oberen Ende eine gröfsere Knorpelmasse sitzen bleibt. Die Epiphysen sind auch hier bei dem Nengebo- renen noch knorpelig. Vgl. Kerkring p. 254. 256., Nesbitt S. 79., Sömmering p. 347. 348., Danz S. 235., Senff p. 66. 67., Beclard S. 440. 441., Nicolai S. 16. 21. fgg., Ritgen S. 252. 254., E. H. Weber S. 227. 7. Die Phalangen des Daumes und der Finger. — Nach Nes- bitt (1. c. S. 80.) verknöchern der erste und dann der dritte; nach Senff (1. c. p. 67. 68.) dagegen der erste und dritte vor dem zweiten. Nicolai (1. c. S, 21.) stimmt Ersterem, 'Ritgen (1. c. S. 255. 257.) Letzterem, wie es scheint, bei. Dieser hat aber Nagel- und Phalangenbildung wahrscheinlich confundirt (1. c. S. 247.) und daher geirrt. Auch diese Knochen verlängern sich bald, sind anfangs dick und plumper, als späterhin. Die einzel- nen Verschiedenheiten der Gröfsenverhältnisse unter einander nüanciren sich schon in der Mitte des vierten Monates bestimm- ter. Die Epiphysen sind bei der Geburt noch kleine Knorpel- scheiben. Vgl. Kerkring p. 255., Nesbitt S. 79. 80., Danz S. 246., Senff p. 67. 68., Nicolai S. 21. 28. fgg., E. H. Weber S. 232., Ritgen S. 254—258. Das Becken besteht in frühester Zeit aus vier Knorpelstük- ken, einem für das Heiligbein, einem für das Schwanzbein und zweien für die Beckenknochen. Das Heiligbein ist aus fünf Wirbeln zusammengesetzt, welche zu Anfange des dritten Mona- 254 Von dem Embryo. tes zu verknöchern beginnen, indem allmählig, wie schon oben berichtet wurde, die drei obersten Wirbel fünf Knochenkerne er- halten. Das Steifsbein besteht auch aus verkümmerten Wirbeln und bleibt entweder bis zur Geburt knorpelig oder verknöchert schon &wiöchen dem achten Monate und dem Ende der Schwan- ^erschait. Die knorpelige Grundlage der Beckenknochen haben wir schon oben berührt. Wie schon dort die Masse für das Hüft- und Sitzbein über die für das Schoofsbein bestimmte vor- waltete, so tritt auch, dem Verhältnisse am Arme entgegenge- setzt, die Verknöcherung an dem hinteren Theile früher ein, als an dem vorderen. Wir lassen der Analogie halber diesen jedoch zuerst folgen. 8. Die Schaambeine. — Sie verknöchern am spätesten von den drei Beckenknochen, nach Nicolai (1. c. S. 34.) im sechsten Monate, nach meinen Beobachtungen bisweilen noch später, Rit- gen (1. c. S. 266.) dagegen setzt diesen Act, wie Kerkring (1. c. p. 245.) es schon gethan, in den fünften und Mayer (1. c. S. 305.), was aber offenbar unrichtig ist, in den vierten Monat. Nach Ritgen beträgt der verknöcherte Theil in der sechzehnten Woche 1>'", die Länge des ganzen Schaambeines dagegen 2|"'. An den Enden bleiben Knorpelstücke bis lange nach der Geburt. Vgl. Kerkring S. 245., Nesbitt S. 73., Danz S. 230. 231., Nicolai S. 34. 41. fgg., E. H. Weber S. 186., Ritgen S. 265. 266. 9. Die Sitzbeine. — Nach Kerkring verknöchern sie im vier- ten, nach Nesbitt (1. c. S. 73.) bisweilen im vierten, sicher aber im fünften, nach Nicolai (1. c. S. 27.) und Ritgen (1. c. S. 267.) im fünften Monate. Der Höcker desselben ist, wie Nicolai (I.e. S. 20.) angiebt und ich selbst bestätigen kann, im Anfange des fünften Monates schon kenntlich genug angedeutet. Die Verknö- cherung beginnt aber schon am Ende des vierten Monates. Sie zeigt sich am absteigenden Aste gegen das acetahulum hin. Der aufsteigende Ast ist selbst bei Neugeborenen zum gröfsten Theile noch knorpelig, indem nur in dem an der Pfanne liegenden Theile sich Knochenmasse angelagert hat. Vgl. Kerkring p. 245., Nes- bitt S. 73. IL, Nicolai S. 20. 27. fgg., E. H. Weber S. 186., Ritgen S. 267. 268. 10. Die Darmbeine. — Ihre erste Verknöcherung fällt nach Kerkring, Ruysch (catal. rar. p. 26.) und Mayer (1. c. S. 205.) in den zweiten, nach Nesbitt (I. c. S. 73.) und Nicolai (1. c. S. Extremitätengürtel. 255 15.) in den dritten Monat, nach Beclard (1. c. S. 437.) in die sie- bente bis achte und nach Senff (1. c. p. 54.) in die eilfte Woche. Zuerst erscheint ein kleiner, bald in die rautenförmige Grube sich umgestaltender Kern gegen die Blitte des das Darmbein repräsen- tirenden Knorpels hin, der sich bald mit einem Aste nach dem Heiligbeine zu, mit einem Aste dagegen gegen die Pfanne zu sich vei'längert. Im fünften Monate hat das os ilium schon ziemlich seine permanente Form. Der knöcherne Theil ist mit Ausnahme einer Stelle zwischen der Crista anterior superior und ante- rior inferior von einem Knorpelringe rings umgeben. Bei der Geburt sind nach Ritgen (1. c. S. 264.) alle Theile, mit Ausnahme des grofsen Beckeneinschnittes, verknöchert und das Darmbein wird von dem Sitzbeine durch eine 2'" starke Knorpelmasse ge- trennt. Zwischen dem Darm- und Schoofsbeine, so wie dem Sitz- und Schoofsbeine beträgt diese aber nur ^"' — ^"'. Vgl. Kerkring p. 244. 45., Nesbitt S. 73. 74., Danz S. 230. 231., Bec- lard S. 437. 38., Nicolai S. 15. 20. 26. 27. fgg., E. H. Weber S. 185., Ritgen S. 264. 65. Der Act der Verknöcherung in den unteren Extremitäten ist dem in den oberen durchaus analog. Die knorpelige Grund- lage der Schenkel und Füfse erscheint etwas später, als die der oberen Extremitäten. Die Verknöcherung tritt aber nach Angabe der Meisten hier etwas früher ein; Senff (1. c. S, 64.) ist dage- gen der Meinung, dafs dieses nur als Varietät anzusehen wäre und die Ossification in beiden zu gleicher Zeit beginne. 11. Der Oberschenkelknochen. — Seine erste Ossification beginnt nach Nesbitt (1. c. S. 82.) im Anfange, nach Nicolai (1. c. S. 16.) am Ende des zweiten Monates, nach Senff (1. c. p. 69.) hingegen in der achten und nach Beclard (1. c. S. 438.) in der vierten Woche. In der Mitte des dritten Monates erreicht er die Gröfse des humerus und am Ende desselben übertrifft er diesen schon um 1'" — 2'". Im vierten Monate wird er in der Mitte graciler, an den Enden dicker und biegt sich nach meiner Beobach- tung selbst bei ganz gesunden, nicht rhachitischen Früchten etwas nach innen, während Meckel und Ritgen das Gegentheil hiervon augeben. Im sechsten Monate werden die Andeutungen der Tro- chanteren kenntlicher und nach ihnen in demselben oder dem darauf folgenden Monate auch die des Halses. Bei dem Neugebore- nen ist nur das Mittelstück knöchern. Vgl. Kerkring p. 257 — 259., 256 Von dem Embryo, Nesbitt S. 81. 82., Sömmering p. 377., Dana S. 237. 238., Bec- lard S. 438. 439., Nicolai S. 16. 21. 28. fgg., Senff p. 69. 70., E. H. Weber S. 257., Rügen S. 271-273. Die Kniescheibe wird als ein kleiner kuglicher Knorpel schon in der neunten bis zehnten Woche kenntlich, verknöchert aber erst nach der Geburt. 12. Tibia und Fibula. — Nur mit Mifstrauen führt Kerkring (1. c. p. 257.) seine zweimal gemachte Beobachtung an, dafs in den ersten zwei Monaten nur die Knorpelgrundlage der tibia existire, die fibula aber ganz fehle. Offenbar hatte der letzte Irrthum darin seinen Grund, dafs sehr frühzeitig schon die tibia die fi- bula an Stärke übertrifft, wiewohl im zweiten Monate die fibula mit der tibia verglichen, um Vieles dicker ist, als im Erwachse- nen. Die Ossification beider Knochen setzen Kerkring und Nico- lai (1. c. S. 16.) in den dritten Monat, Senff (1. c. p. 70.) vor die neunte, Beclard (1. e. S. 439.) in die fünfte und Ritgen (1. c. S. 274.) in die siebente Woche. Die tibia hat in der frühesten Zeit schon weit mehr Knochenmasse, als Aiq fibula, und hiervon abgese- hen übertrifft die erstere in der neunten bis zehnten Woche die letz- tere schon bedeutend an Umfang. Das im Erwachsenen Statt fin- dende Verhältnifs wird jedoch in der Regel nicht vor dem siebenten Monate realisirt, bisweilen sogar erst nach der Geburt. Der obere Ansatz der tibia verknöchert nach Meckel (1. c. S. 259-) schon im neunten Monate, nach Beclard (1. c. S. 440.) erst am Ende des ersten Jahres. Jedenfalls ossificirt der obere früher, als der untere. Vgl. Kerkring p. 257—259., Nesbitt S. 83. 84.,, Söm- mering p. 384. 389., Danz S. 239., Senff p. 70. 71., Nicolai S. 16. 22. fgg., E. H. Weber S. 266., Rifgen S. 274. 276. 13. Die Fufswurzeiknochcn. — Sie entstehen etwas später als die Handwurzelknochen und sind in der neunten bis zehnten W^oche von ziemlich gleicher Gröfse. Am Ende des dritten Mo- nates vergröfsern sich der talus und calcaneus in ausgezeichne- tem Grade. Nach Senff (1. c. p. 71.) verknöchern sie sämmlich lange nach dem vierten, nach Kerkring (1. c. p. 257.) im sieben- ten Monate. Nach Nesbitt (1. c. S. 85.) ossificirt das Fersenbein im vierten, nach Beclard (1. c. S. 440.) im fünften, nach Meckel (1. c. S. 269.) im sechsten und nach Nicolai (1. c. S. 49.) im ach- ten oder neunten Monate. Es enthält nach Danz (1. c. S. 239.) nach hinten zu noch einen besonderen Kern, woraus eine Epi- physe Exfremitätengürtel. 257 physe sich bildet. Das Sprungbein aber veiTinocheii nach Nes- bitt (1. c. S. 85.) im fünften oder sechsten, nach Nicolai (1. c. S. 58.) dagegen im zehnten Monate. Um diese Zeit bilde sich ein Knochenkein im Kahnbein, welchem Puncte aber die Erfahrung von Sömmering (1. c. p. 398.) widerspricht. Vgl, Kerkring p. 257. 258., Ncsbitt S. 85., Sömmering p. 392. 96. 98., Danz S. 239., Beclard S. 440., Meckel S. 269., Nicolai S. 49. 58., E. H. We- ber S. 277., Ritgen S. 276. 77. 14. Die Mitlelfufsknochen. — Sie verknöchern um dieselbe Zeit oder etwas später, als die Mittelhandknochen, und zwar das OS metatarsi secundum zuerst. Nach Nesbitt (1, c. S. 85.) ist dieser Termin der dritte Monat, nach Senff (I. c. p, 71.) und Rit- gen dagegen die zwölfte Woche. Nicolai (1. c. S. 16.) fand in dem dritten Monate schon fünf längliche Knochen. Ihre nach unten concave Biegung haben sie schon zu Anfange des vierten Monates. Ihr übriges Wachsthum gleicht völlig dem der Miitel- handknochen, nur dafs das gegenseitige Verhältnifs der Gröfse und Dicke im fünften Monate schon realisirt ist. Die Epiphysea bleiben während der ganzen Schwangerschaftszeit knorpelig. Vgl. Kerkring p. 257 — 59., Nesbitt S. 85., Senlf p. 71. 72., Beclard S. 441., Meckel S. 278., Danz S. 239., Nicolai S. 16. 22. fgg., E. H. Weber S. 283., Ritgen S, 277. 278. 15. Die Phalangen der Zehen. — Ihre erste Entstehung wird verschieden angegeben. Kerkring (1. c. p. 257.), Nesbitt (1. c. S. 85. mit Ausnahme des letzten Phalanx der kleinen Zehe) und Nicolai (1. c. S. 21.) parallelisiren sie völlig den Fingern. Nach Senff (I. c. S. 72.) verknöchert der dritte Phalanx vor der drei- zelmten, der erste aber in der vierzehnten Woche; nach Beclard (1. c. S. 441. 42.) der erste Phalanx nach dem fünfzigsten, der dritte vor dem fünfundvierzigsten Tage und der mittlere in der Mitte der Schwangerschaft. Ritgen (I. c. S. 279, 80.) läfst den dritten Phalanx in der zehnten und den ersten in der zwölften Woche osstficiren. Die Verknöcherung des mittleren Phalanx be- ginnt im sechsten Monate. Schon im vierten oder fünften haben die verknöcherten Phalangen ziemlich das Verhältnifs des Er- wachsenen, im siebenten auch die mittleren Glieder. Nach Danz beginnt auch hier die Ossification in den äufsersten Phalangen an den Spitzen. Vgl. Kerkring p. 257. 59., Nesbitt S. 85., Danz S. 17 258 Von dem Embryo. 240. 41., Senff p. 72., Beclard S. 441. 42., Nicolai S. 22. 29. fgg., E. H. Weber S. 290., Ritgea S. 279 — 81. Die Sesambeinchen sind im dritten RIonate knorpelig ange- legt und verknöchern nach Nesbitt (1. c. S. 86.) bisweilen, nach Ritgen (1. c. S. 281.) in der Regel vor der Geburt. In der Bildungsgeschichte der Knochen mufs man drei Zu- stände unterscheiden: 1. denjenigen, in dem die Masse noch weich, membranös und mit den jedem Bildungsgewebe eigenen Körnchen oder Molekülen, versehen ist. Die Sonderung ist hier noch eine mehr morphologisch ausgesprochene, als histiologisch begründete. Hiervon ist schon oben Mehreres berührt worden. Einiges soll so- gleich noch hinzugefügt werden. 2. den knorpeligen Zustand, den des Knorpelskelettes, welcher seine eigene Ausbildung hat, und 3. den verknöcherten Zustand, der, wie wir ausführlich berich- tet haben, ebenfalls seine eigene Bahn verfolgt. Wir haben also hier nur noch über das zweite Verhältnifs das Nöthige nachzu- tragen und dann zu entwickeln, wie allmählig das Gewebe des ausgebildeten Knochens aus der Urmasse seine Entstehung nimmt. Das knorpelige Skelett verfolgt bei seinem Auftreten in dem individuellen Thiere seinen eigenen Weg. An dem oberen Cen- tralrohre erscheint es an der Rückenwirbelsäule zuerst, etwas später dagegen an dem unteren Centralrohre in den Rippen, wie sorgfältige Untersuchungen mir gezeigt haben. Das Schlufsstück verknorpelt dagegen bei dem letzteren früher, als bei den ersteren. Was nun den Menschen betrifft, so war bei einem sechs Linien langen Embryo die Grundlage der Wirbelkörper knorpelig, des- gleichen und verhältnifsmäfsig sogar noch mehr ausgebildet der Rippenkorb. Bei einem acht Linien langen Embryo dagegeff zeigte sich die knorpelige Anlage der Wirbel (oder vielleicht der zwischen den Wirbeln liegenden Bandscheiben?) als parallele dünne, weifse Streifen, die, wie der ganze Rückenmarkskanal, sehr breit waren und durch dunkelere breitere, ebenfalls ziemlich feste Streifen von einander getrennt waren. Auch ich fand, wie E. H. Weber (Meck. Arch. 1827. p. 230.) da, wo die Wände des Wirbelkanales sich nach oben emporbogen, zwei weifse, die Dicke des weifsen Querstreifen übertreffende Linien, welche sich längs des ganzen Wirbelkanales erstreckten. Sie bildeten rundliche Flecke iu den dickeren Zwischenmassen, stiefsen fast immer in den weifsen Streifen an einander, verbanden sich in allen mit Extremitätengürlel. Knorpelskelett. 259 dem oberen derselben innig und schienen sieb ein wenig über die graue Zwiscbenmasse zu erheben, wiewohl keineswegs in dem Grade, als die weifsen Querstreifen selbst. Die Anlagen der Bo- genhälften waren kleine weifse Leisten, welche nahe an den Wir- belstreifen sich befanden. Interessant war jedoch die BeschaJäen- heit der obersten Brustwirbel. Au diesen waren die runden Flecke gröfser und unregelmäfsiger. Man konnte deutlich wahr- nebmen, dafs sie Productiouen des immer zuächst nach oben gelege- nen weifsen Querstreifens waren. Der oberste Brustwirbel war f " von dem Hinterhauptsloche entfernt und zwischen ihnen beiden la- gen die Anlagen der Hals wirbelkörper. Sie stiegen etwas schief von aufsen und unten nach oben und innen empor. Nur der unterste hatte ein transversales knorpeliges Mittelstück; die folgenden stie- fsen jeder an einen dunkelen, nach vorn schwach ausgeschweiften Streif weicherer Masse, zwischen welchen ähnliche dunkele Sub- stanz, wie an den anderen Wirl)eln, lag. Der oberste stiefs mit seinem inneren Ende an den Rand des Hinterhauptsloches. Eine verbindende Querleiste war nur schwer und undeutlich zu er- kennen. Diese schien unmittelbar an die Grenze des Hinterhaupts- loches zu stofsen oder vielmehr mit derselben noch verschmolzen zu seyn. Die untersten Halswirbel waren von den Brustwirbeln gar nicht verschieden, lagen aber noch im Bereiche der oberen Extremität, da die Anschwellung des Rumpfgliedes der letzteren noch die Rudimente des Schulterblattes und der dazu gehörigen Muskeln enthielt. Am Schädelgewölbe war keine Spur von Knor- pehnasse wahrzunehmen, welches mir um so interessanter war, als bei fast gleich grofsen Schaafserabryonen die ganze Schädel- grundfläche fast verknorpelt ist. — Bei einem 85 Linien langen menschlichen Embryo hat E. H. Weber (Meck. Arch. 1827. S. 230. 31.) wesentlich dasselbe gefunden. — Von dem unteren Cen- tralrohre entstehen die Rippen zuerst. Sie sind, wie ich an Hun- deembryonen von 5^ Linien Länge wahrgenommen habe, früher schon als dichterer Stoff von einander geschieden, bevor sich noch knorpelige Masse in ihnen ansetzt und bilden dann breite bis ein Dritttheil von der unteren Extremität entfernte Ringe. Der Schlufspunkt des Brustkastens, das sternum, entsteht in seiner knorpeligen Anlage später, als die Rippen. Bei einem 8 Linien langen Embryo habe ich es eben so wenig, als bei einem 6 Linien langen gefunden, während E. H. Weber (1. c. tab, 3. fig. 7.) es 17 • 260 Von dem Embryo. ohne proc. xiphoid. aus seinem %\ Linien langen Embryo dar- stellt. In Blumenbachs Abbildung {spccimen pJiysioL comp. 1789. 4. fig. 1.) dagegen ist es auch noch nicht angegeben. Von Knorpeln des Extremitäten gürtel sind bei einem sechs Linien lan- gen Embryo durchaus noch keine Spuren wahrzunehmen. Bei einem acht Linien langen dagegen ist die knorpelige Grundlage von Rumpf- und Endglied, wiewohl von noch weicherer Consi- stenz als die Rippen zu beobachten. Schulterblatt und Becken waren als dichte, länglich runde Massen, so wie das Schlüsselbein als ein soliderer Faden, doch ohne Spur wahren Knorpels, ange- legt. Schon in diesem Zustande der Entwickelung jedoch ist es nach meinen vollständigeren Untersuchungen an Hunde-, Schaaf- und Schweincembryonen deutlich wahrzunehmen, wie die hinte- ren Theile der beiden Exlremitätengürtel sich um das obere Cen- tralrohr herumlegen. In früherer Zeit nämlich ragen sie fast gar nicht über die Mittellinie hervor, später dagegen reichen sie mehr nach der Mitte zu hinein und nähern sich einander bis zu einer bestimmten Grenze. Doch ist dieser Procefs erst dann gänzlich vollendet, wenn Rumpf-, Mittel- und Endglied einer jeden Extre- mität sich völlig ausgebildet haben. — Mehreres hierher noch Gehörige s. oben bei Gelegenheit der Verknöcherungsgeschichte. Die Entstehung des Knochengewebes gehört' zu den schwie- rigsten Punkten der Histiogenie und kann erst dann vollständig begriffen werden, wenn man die oben angeführten diei Zustände weniger scharf begrenzt ins Auge fafst und nur die Metamorphose des primären Urstoffes in die feste Knochensubslanz verfolgt. In dem Folgenden ist das Resultat meiner Beobachtungen hierüber vom Menschen niedergelegt, die Ausbildung der Thierknochen da- gegen, welche mehr oder minder wesentlich von den unserigen abzuweichen scheinen, ganz unberücksichtigt gelassen worden. Wo späterhin ein umschliefsender platter Knochen sich fin- det, ist in frühester Zeit eine mehr oder minder dichte Mem- bran; wo in Zukunft ein langer oder runder Knochen gebildet wird, sehen wir die Substanz der üranlage zuerst solider und dunkeler werden. Die Kügelchen des Keirastoffes werden häufi- ger, liegen näher an einander und verbinden sich durch eine glas- artig durchsichtige gallertartige Masse zu einem dichteren und weniger durchscheinenden Stoffe. Noch ist keine Spur von re- gelmäfsiger Anordnung der Kügelchen wahrzunehmen. Nur eine Extrcmltätengürtel. Knochengewebe. 261 gewisse lineare Stellung erscheint undeutlich hin und wieder, wenn man zarte Schnitte zwischen zwei Glasplatten zerdrückt, was aber auch 'n anderen Geweben, z. B. des Hirnes, des Rük- kenmarkes, der serösen Häute, in frühester Zeit der Fall ist. Dieser Zustand dauert so lange, bis der erste Anfang zu einem höheren Grade von Solidescenz gemacht wird, nicht etwa bis das erste punctum ossificationis mit blofsem Auge gesehen wer- den kann, sondern um Vieles früher, wenn dem äufseren Anscheine nach die ganze Masse nur noch von knorpeliger Consistena ist. Man hat nämlich die Verknöcherung aus einem schiefen Gesichts- punkte angeschen. Mau glaubte, dafs zu der Knorpelmasse phos- phorsauere Kalkerde hinzutrete, oder, wie es sich Einige sogar ganz mechanisch dachten, in gewissen Höhlen oder Zwischenräu- men abgelagert werde, während die erstere Parthei die Knorpel- substanz entweder dieselbe bleiben oder während dieses Actes aufgesogen werden und an ihre Stelle Knochenmaterie treten liefs. Allein die Metamorphose geht hier eben so ununterbrochen fort, als in jedem anderen Organe. Ja sie wird sogar rascher und auffallender ihre Bildungsstufen durchlaufen müssen, weil sie grö- fsere Extreme zu erreichen hat. Das Nähere, wie sich dieser Stoffwechsel durch chemische Zusammensetzung vei'änderc, wird erst bei weiterer Vervollkommnung der microchemischen Analyse sich ergeben können. — Die Gcstaltveränderungen dagegen sind folgende: An die Stelle der körnerreichen Blasse tritt eine glas- artig durchsichtige Substanz, welche in Vcrhältnifs zu dem un- mittelbar vorhergehenden Zustande weniger, an und für sich aber noch viele Körnchen enthält. Mit diesem Acte hat aber eine neue Bildungsperiode angefangen, und er kann mit Recht als der Wende- und üebergangspunkt zur Formation des eigenthüralichen Kno- chengewebes angesehen werden. Es entstehen nämlich 1. die Knochenkanäle. Diese machen, wie Purkinje und ich bald zeigen vrerden, in jedem Knochen ein eigenes, bestimmtes und charakteri- stisches System aus, welches demersteren einen besonderen Charak- ter aufdrückt und, wie die feinsten Blutgefäfsnetae, in jedem Theile von eigenthümlicher Conformation ist. Auch die Entstehung der Knocheukanäle stimmt mit der der Blutgcfäfse auffallend überein. Denn es bilden sich zuerst in der früher ganz soliden Masse ein- zelne rundliche Höhlen, anfangs von durchaus kugliger Form, ge- gen die Mitte der Masse zu, jedoch der äufseren Oberfläche etwas 262 Von dem Embryo. näher, als der CentraUinie selbst. Diese verlängern sich bald in ihrer Mitte, so dafs sie die Forni eines an beiden Enden abge- rundeten Känales annehmen, stofsen dann an einander und stellen zuletzt die ersten wahren Knochenkanäle dar. In der Breitendi- mension dagegen scheinen sie nur wenig zuzunehmen, üuterdefs haben sich auch schon einzelne Ouergänge gebildet, wahrscheinlich indem yon zwei benachbarten Kanälchen ausgehende Seitenaus- wüchse zusamraenstofsen. Diese Anfänge der Kanalbildung finden sich in jedem Knochenrudimente kurze Zeit, bevor die ersten Kno- chenpünktchen mit blofsera Auge sichtbar werden oder in der noch weichen und knorpeligen Umgebung der ersten weifsen und un- durchsichtigen Streifen. Am deutlichsten kann man diese eben so interessanten, als wichtigen Beobachtungen an den platten Kno. eben, vorzüglich dem Schulterblatte und dem Darmbeine, verfol- gen. — Je jünger der Embryo ist, um so gröfser sind die Kno- chenkanälchen im Verhältnisse zu dem ganzen Knochen. Nur um Weniges verhältnifsmäfsig übersteigen sie die Durchmesser dieser Theile im Erwachsenen. Doch selbst noch lange Zeit über das Fötallcben hinaus ist dieses Verhältnifs vielfachen Verände- rungen unterworfen. So fand ich, um nur einen Beleg für das Gröfsenverhältnifs der Kanälchen anzuführen, in der tibia eines siebenmonatlichen Fötus dicht unter der äufseren Oberfläche den Durchmesser eines Ganges 0,002485 Pariser Zoll und den des Zwischenraumes zwischen zwei Gängen 0,004407 P. Z. Der ganze Schnitt war 0,075021 P. Z. breit und enthielt eilf Kanäle, welches mit den eben angegebenen Durchmesserzahlen der Ka- nälchen und der Zwischenräume genau übereinstimmt, da die Summe des eilfmaligen Productes beider 0,075812 P. Z. beträgt. — Die sogenannte schwammige Substanz der Knochen entsteht durch Nichts, als durch die vielfache Verbindung der sich erweiternden Kanälchen, so dafs die Lacunen gröfser werden, als die dichteren Wände selbst. Wo aber das Umgekehrte der Fall ist, erscheint die Knochensubstanz, wie man es mit Unrecht gewöhnlich nennt, fase- rig. 2. Die Knochenkörperchen. Diese Theile (vgl. Deutsch de pe- nitiori ossium structura. fVratisl. 1834. 4. fig. 3. 4.), welche Purkinje und ich in unserer in kurzer Zeit über die Structur der Knochen herauszugebenden Abhandlung näher beschreiben werden, scheinen, so sehr ich anfangs selbst an der Richtigkeit dieser Beob- achtung zweifelte, nach meinen vielfach wiederholten Untersuchun- Extremitätengtirtel. Knochengewebe. 263 gen metamorphosirte Körnchen der Uranlage zu eeyn. Sie mögen überhaupt, wie die Molekülen in jedem Gewebe, eine Art von Nehrungsstoff ausmachen nud so dem jungen Knochen als erste zu verzehrende Materie von der frühesten Anlage an mitgegeben wer- den. Man kann nämlich die deutlichsten Uebergänge von den in dem früheren Knorpel enthaltenen Körnchen in diese verfolgen. Wir baben es schon oben bemerkt, dafs jene zum gröfsten Theil mit der Knochenbildung verschwinden. Die zurückbleibenden dagegen ordnen sich mehr mathematisch bestimmt, meist parallel den Knochenfascrn. Diese regelmäfsige Anordnung hat dariu ih- ren Grund, dafs sich in der galleii;artigen Masse bestimmte und gesonderte Scheiden um jene Körperchen bilden, welche den künf- tigen Knochenfaserbüiideln zu entsprechen scheinen. In den ge- wöhnlich später sogenannten faserigten Knochentheilcn liegen diese Scheiden parallel neben einander und haben einen gröfseren Breitendurchmesser; in den netzförmigen Knochentheilcn dagegen sind sie dünner und netzförmig mit einander verbunden. Immer enthalten sie aber in ihrem Innern die Knochenkörperchen. Da- her zeigen sich, sobald die letzteren herausgefallen oder durch lang anhaltende Maceration in verdünnten Säuren zerstört sind, Lücken für dieselben. Die ürkörperchen selbst gehen aus ihrer früher runden Form durch die mannigfachsten Nuancen in die den Knochenkörperchen eigenthümliche längliche, an beiden En- den scharf zugespitzte über. Hierdurch werden sie in ihren Durchmessern, die in früherer Zeit auch von denen des Erwach- senen abweichen, ebenfalls wesentlich verändert. So fand ich in der Ulna eines dreimonatlichen Fötus ihren Breitendurchmesser 0,000456 P. Z. bis 0,000507 P. Z. und ihren Längendiameter 0,000658 P. Z., während im Erwachsenen in demselben Theile der Durchmesser der Breite 0,000405 P. Z. und der der Länge 0,000707 P. Z. beträgt. Ihre Umgrenzung geht auch aus der ungleichen kreisrunden in die scharfe an jeder Seite bogenförmig begrenzte Form über. Die Zuspitzung an beiden Enden findet sich erst am Schlüsse ihrer Metamoi-phosenreihe. 3. Die Kno- chenfasern. — Was man bisher faserige Knochensubstanz nannte, war Nichts, als die dünnen Balken, welche da, wo die Knochen- kanäle nicht so zahlreich und ihre Mündungen nicht so sehr netz- förmig verbunden sind, in niehr oder minder paralleler Richtung verlaufen. Sie sind aber sonst in Nichts von der übrigen Kno- 264 Von dem Embryo. chensabstanz verschieden, und jede solche Trennung ist nicht blofs daher überflüssige sondern vex'wirrend. Die Knochenmasse ist viel- mehr mehr oder minder gleichartig und durchsichtig (vollkommen wenigstens in sehr dünnen Lamellen von Knochen, die durch Säu- ren ihrer Kalkerde beraubt sind) und entliält parallele oder con- centrische Fasern, die nur nicbt einzeln getrennt, sondern in die eine Knochenmasse zusammengeschmolzen zu seyn scheinen. Ja läfst man einen Knochen Jahre lang in verdünnten Säuren mace- riren, so löst sich die ganze Substanz in Zellgewebsfasern und Zellgewebskömchen vollkommen auf. Von Lamellen sieht man bei dem Menschen auf Ouerdurchschnilten nur Spuren als mehr oder minder vollständige, concentrische Kreisbögen. Eine Tren- nung in gröfserc Lamellen dagegen gelingt nur durch gewaltsame Behandlung, vorzüglich sehr langes Erweichen in Säuren, wie die- ses schon gegen Du Hamels Annahme Howship, Berzelius, E. H. Weber u. A. bemerkt haben. Mit dem Momente, in welchem die Kügelchen der Uranlage seltener werden, erhält die Masse mehr Durchsichtigkeit und ein eigenes crystallhelles Ansehen. Nach Bildung der Markhöhlen sieht man besonders da, wo eine solche sich blind endigt, concentrische Fasern wie mit sicherem Griffel in die starre Masse eingegraben. Die Knochenkörperehen scheinen zwischen ihnen ihren Platz einzunehmen. Wenigstens sieht man sie häufig diesen folgen und bei concentrischen Fasern auch in concentrischen Zwischenlinien ziemlich regelmäfsig geord- net, eine natürliche Folge der früher gebildeten, eben beschriebe- nen Scheiden. Andeutungen lamellöser Structur durch die ge- nannten abgebrochenen Streifen habe ich selbst im sechsten Mo- nate nur spurweise wahrgenommen. — Aufserdem sieht man mit den Knochenkörperchen in der hellen dichten Masse sehr häufig kleine Kügelchen, welche den Browuschen Molecülen sich nähern und wahrscheinlich dieselben sind, welche an sehr dünnen La- mellen der ausgebildeten Knochen wahrgenommen werden. Der Knorpel, welcher nicht ossificirt, bleibt auf einer nie- deren Stufe der Ausbildung stehen. Die durchsichtige Masse ist geringer, die Anzahl der Körperchen dagegen gröfser, als in den Knochen. Diese rücken im Laufe der Entwickelung immer mehr aus einander, indem sie in früherer Zeit zwar getrennt, aber nur um kleine Zwischenräume von einander entfernt sind. Ihre An- ordnung ist, wiewohl man keine Stellungslinie irgend einer Art Extremitätcngürtcl. Ligamente. 265 an ihnen ausGndIg machen kann, doch so zierlich, dafs eine ge- wisse Regelmäfsigkeit schon bei dem ersten Blicke auffällt. Sie sind bei dem Erwachsenen sowohl, als bei dem Fötus von mehr rundlicher Form. Selbst bei dem Erstcren ist es möglich, die Uebergänge derselben bis in die Knochensubstanz auf feinen Per- pendikularschnitten zu verfolgen. Der knorpelige Theil löst sich von dem verknöcherten sehr leicht los, wie dieses schon Haller (Eiern. pJiysiol. VIII. p. 310. 314.) bekannt war. — Mehreres mit blofscm Aiige über das Knochengewebe des Fötus zu Beob- achtende haben Haller {sur Ja formation de os und Opp. min. Tom IL), Howship (Meck. Arch. III. S. 288 — 297.) und E. H. Weber (Hildebrandts Anat. I. S. 334 — 38.) schon be- schrieben. Ueber die Entstehung der Ligamente sind die Beobachtungen noch mangelhaft. Man mufs offenbar zwei Zustände an ihnen un- terscheiden: 1. denjenigen, in welchem sie ihrer änfseren Form und ihrer histiologischen Grundgestalt nach gebildet erscheinen und 2. denjenigen, in welchem sie das ihnen eigenthümliche Aus- sehen und den Grad ihrer Festigkeit erbalten. Der letztere Zu- stand folgt im Allgemeinen erst spät auf den ersten. Mit der Trennung der knorpelig körnigen Hauptanlage in Knorpelstück- chen als Rudimente der künftigen Knochen bleibt in dem Zwi- schenräume eine dichte körnige Masse übrig, welche heller und durchsichtiger wird, in eine Membran sich umgestaltet und die Endflächen der beiden Knochengrundlagen umfafst. Diese stellt entweder das künftige Band allein oder wie an den Gelenken der Extremitäten, die Synovialmembran nebst den ihr unmittel- bar anliegenden Bändern im ersten Rudimente dar. Die Körn- chen ordnen sich bald nach einem gewissen Längentypus, doch nicht so, dafs die hierdurch entstehenden Linien immer parallel laufen, sondern dafs sie oft an einander stofsen und dann Eine Linie ausmachen. Die Unterscheidung der einzelnen Gelenkbän- der von der Synovialhaut wird bald darauf deutlicher, indem jene etwas dichter sind, fester werden und eine hellere Farbe erhal- ten. Eine Structurdifferenz ist jedoch mit Bestimmtheit noch nicht wahrzunehmen. So dauert es, während diese Theile sich stets vergröfsern, bis zum siebenten Monate, wo an den Exlrcmi- tätengelenken der zweite Zustand seinen Anfang nimmt. Später als hier tritt er an der Wirbelsäule des Menschen ein. Bei Sau- 266 Von dem Embryo. gelhleren und Vögeln wird dieser letztere Procefs früher und zwar zuerst in der Gegend der Nackenkrümniung realisirt. Die Gelenkknorpel erscheinen verhältnifsniäfsig später, als die übrigen, sow^ohl ossificirenden als nicht verknöchernden Knor- pel. Wenigstens konnte ich z. B. vor der Mitte des dritten Monates die grofsen halbmondförmigen Knorpel des Kniegelenkes nicht mit Bestimmtheit unterscheiden. Ihre Histiogenie weicht in Nichts von der der ossificirenden Knorpel ab. S). Muskeln, Sehnen und Schleimgewebe. Zwischen dem unteren Centralrohre und seiner Haut und dem oberen und dessen Haut befindet sich eine Masse von Bil- dungsstoff, welcher zur Entstehung dieser Theile verwandt wird. Die von ihr conformirte Schicht ist aber natürlich da am dick- sten, wo oberes und unteres Centralrohr zusammenstofsen, in und neben der Furche also, welche, wie wir oben gesehen haben, für die Extremitätenbildung bestimmend ist. Allein da das untere Central- rohr das obere bald in seinem Diameter bei Weitem übertrifft, so ist die Masse der genannten BildungsstofFscbicht an dem oberen Rohre stärker und vorzüglich tiefer. Denkt man nun daran, dafs die Extremitätenbildung dazwischen kömmt, und dafs das Ende des Rumpfgliedes, welches aus der Furche hervorkeimt, die Mitte derselben als hintere Begrenzung hat, dafs ferner in gleicher Li- nie mit den Extremitäten eine Art von Scheidungslinie entsteht, 60 sieht man, dafs zwischen dieser und der äufsersten Grenze des oberen Rohres ein schmaler langer Kanal übrig bleibt, welcher von Bildungsstoffc ausgefüllt wird. Dieser wird zuerst am Kör- per zu willkührlichen Muskeln umgewandelt. Zu der Zeit, wo es geschieht, hat die Längenaxe des Embryo zwei Hauptkrüm- mungen, die des Nackens und die der Sakralgegend. Zuerst an der letzteren und bald darauf an der ersteren tritt die Muskelfa- serbildung hervor. Sie dehnt sich von beiden Punkten so weit aus, dafs bald ein deutlicher Läogsmuskel entsteht. Wir finden dann bei achtwöchentlichen Embryonen zu jeder Seite des obe- ren Centralrohres ein muskulöses Längsgebilde, wie es schon E. H. Weber ( eck. Arch. 1827. S. 232. und Hildebrandt's Anat. I. S. 405.) beschrieben hat. Es ist dieses aber nicht blofs das Ru- diment des sacrolumbaris, sondern der beiden untersten Schich- ten der Rückenmuskeln. Denn mit weiterer Ausbildung der Ex- Muskeln, Sehnen und Sehleinigewebe. 267 tremitäten entsteht in diesen eine Schicht von Bildungsstoff, welche gallertartig zähe ist und nicht blofs die in diesen enthal- tenen Knochen und die zu ihnen gehörigen Knochen gürtel be- deckt, sondern sich auch über diese erstreckt und die Anlage der beiden oberen Lagen der Rückenmuskeln und der Mus- keln und Sehnen der Extremitäten darstellt. Während dieses geschieht, entsteht in sehr kurzer Zeit die Muskulatur des Bau- ches, des Halses und Kopfes, so dafs, wenn man die Hauptmus- kulatur des Körpers nach ihren genetischen Momenten ordnet, sie wahrscheinlich folgende Reihe bildet: 1. Die beiden unter- sten Schichten der Rückenmuskeln. 2. M. longus colli.) rectus capitis antic. major, und minor. (?). 3. M. rectus ahdominis und transvcrsus. A. Musculi extrem,itatum,^ die beiden oberen Schichten der Rüekenmuskeln , M. ohliquus adscendens und descendens. 5. Musculi faciei mit No. 4. zum Theil zusam- menfallend *). Ueber die übrigen hier nicht genannten Muskeln wage ich durchaus Nichts zu entscheiden. Den Grund zu dieser Anordnung legte die Untersuchung mehrerer menschlicher Früchte aus dem dritten bis vierten Monate, so wie vieler kleiner Sau- gethier- und Vögelembryonen. Wer sich aber von der Wahrheit, dafs die Rückenmuskeln in zwei zu verschiedenen Zeiten entste- hende differenle Lagen, eine tiefere eigenthümliche und eine spä- tere mit der Extremitätcnbildung innig zusammenhängende, zer- fallen, überzeugen will, dem empfehlen wir vor Allem die Un- tersuchung frischer Schaafsembryoncn von \\ bis 2 Zoll Länge und besonders die microscopische Anschauung bei etwas stärke- rer Vergröfserung. Man sieht dann die untere, schon dem äufse- ren Anblicke nach verschiedene Schicht in ihrer Ausbildung um Vieles weiter vorgeschritten. Ihre Muskelfasern sind einzeln ge- sondert, w^ährend die der oberen Schicht in ihrer früliesten For- mation sich befinden und mit den rudimeniären der Extremitäten auf gleicher Stufe stehen, ja eine blofse Fortsetzung von diesen zu seyn scheinen. ^' Die Muskelfaser entsteht, wie ich in meiner Inaugural-Dis- *) Völlig irrthümlich ist die einzige sich bis jetzt hierüber yorfin- deade Angabe bei C. F. Wolff (Theorie von der Generation. Berlin 1764. 8. S. 258.), dafs aus dem BildungsstofFe der Kante der M. serratus anticus major ^ descendens , adscendens und transversalis ahdominis^ nicht aber der jicctoralis major entstehe. 268 Von dem Embryo. sertation {historiae evolutionis systematis muscularis prolusio. PFratisl. 1832. 4. p. 9. 10.) sclion beschrieben habe, aus der gallertartigen Bildungsmasse {Stratum ^elatinosuvi) auf folgende Weise: Lange vorher, als gesonderte Muskelfasern wahrgenommen •werden, sieht man die Kügelchen der Urmasse nach Längsliuien geordnet, vorz.üglich wenn diese zwischen zwei Glasplättchen leise geprefst wird. Die Körnchen scheinen nun ct^vas näher au einander zu rücken und an einzelnen Stellen gänzlich, an an- deren dagegen an der einen oder der anderen Seite zu verschmel- zea und zu einer durchsichtigen Masse sich zu verbinden. Hier- durch entstehen Fäden, welche an manchen Stellen ein perlschnur- artiges Ansehen haben, an anderen dagegen minder scharf einge- kerbt , oft auch an der einen Seite noch eingefurcht, an der anderen dagegen schon mehr geradlinigt begrenzt sind. Später verschwindet in dem Faden jede Spur von Körnchen oder Abtheilung und er wird gleicbmäfsig durchsichtig, begrenzt und cylindrisch. In die- sem Zustande hat er mit den kleinen Blutgefäfsen, welche das Bildungsgewebe vielfach durchstreichen, wenn sie vom Blute ent- leert sind, einige Achnlichkeit und unterscheidet sich von ihnen vorzüglich dadurch, dafs er mehr gerade, gleicbmäfsig und nie ramificirt ist, während diese ungleich, verästelt und fast niemals parallel sind. So verharrt die Muskelfaser im Normale bis um die Zeit des sechsten Monates, nur dafs ihre Substanz etwas dunke- 1er und ihre Cohäsion dichter wird. Im sechsten Monate habe ich die ersten Spuren von Querstreifen in neuerer ZeiJ; an ihnen wahrgenommen und ich mufs daher, seitdem mir der Gebrauch eines der besten Plöfslschen Instrumente zu Gebote steht, mei- nen früheren Ausspruch, dafs diese bei Embryonen gänzlich feh- len, nunmehr zurücknehmen. Diese Querstreifen stehen aber während des ganzen Fötallebens weiter aus einander und sind nur bei hellem Lichte und sehr starker Vergröfserung deutlich wahrzunehmen. — Schon von der Zeit an, in welcher die Mus- kelfäden durchsichtig und gleichförmig werden, häufen sich zwi- schen ihnen Massen von Kügelchen rundlicher oder bestimmt runder Form an, welche etwas gröfscr als die Blutkörperchen, nämlich 0,000407 P. Z. sind, und concentriren sich überhaupt auf die bald näher zu bezeichnenden Stellen. Zuerst werden die Muskelfibern und zuletzt ihre Fibrillen gebildet. Dies erhellt aus folgenden Gründen: 1) Die zarteste Muskeln, Sehnen und Schleimgewebe. 269 als selbstständig erkennbare Faser, in welche sich die Muskelsub- stanz zerlegen läfst, wird einfache Faser (Muskelfibrille) genannt, so wie eine ebenfalls selbstständigc Verbindung mehrerer Fibril- len eine Fiber. So relativ diese Distinction auch ist, so gewährt sie doch einen bestimmten Ausdruck dafür, wie fein eine gewisse Muskelsubstanz theilbar sey. "Bei dem Embryo ist eine solche Theilung wie bei dem Erwachsenen weniger mit dem Messer, als durch den Druck zwischen zwei Giasplatlen möglich, dann zeigt es sich, dafs, je jünger der Embryo, die Elementartheile um so stärker sind. So fand ich, um von dem Menschen einige Beispiele anzuführen, die Muskelfibern der untersten Lage der niedrigsten Stelle des Nackens bei einem in der achten Woche befindlichen Embryo 0,000709 P. Z., in der zehnten Woche 0,000632 P. Z., in der Mitte des fünften Monates 0,000405 P. Z., am Ende des achten Monates 0,000304 P. Z. und bei dem Neu- geborenen 0,000228 P. Z. 2) Wir haben es schon oben bemerkt, dafs von der Zeit an, wo die Muskelfaser gleichförmig und durch' sichtig wird, sich Kügelchen in grofser Menge anhäufen, Sie ver- mindern sich später wieder und werden mit der gallertartigen Blasse, welche sie zusammenhält, zu dem verbindenden Schleim- gewebe. Dieses verbindet aber nicht die Fibrillen, sondern die Fibern. Da die Kügelchen in frühester Zeit zwischen den ein- zelnen, durch die gröfstmöglichste ZerUieiluug erhaltenen, relativ einfachen Fasern liegen, so müssen diese für Fibern und nicht für Fibrillen erklärt werden. Eben so kann man sich leicht über- zeugen, dafs die Fascrbündel isolirt von einander, wie die Kno- chenkanälchen entstehen, wenn man ein Stückchen Stratum ge- Jatinosum in der ersten Periode der Muskelbildung unter schwa- cher Vergröfserung betrachtet. Denn dann erscheinen die ge- trennt formirten Faserbüudel, wie parallele Saiten, die durch Gallertplatten sicher von einander geschieden werden. Auf ana- loge Weise entstehen auch zuerst die Muskelbäuche und dann die lacertidi. Der Typus der Dluskelfascrgenese, so wie der der Faser überhaupt, beruht auf der Bildung eines isolirten, einfachen Cylinders und dem Zerfallen dieses Cy linders in kleinere und kleinste. Die Sehnenfaser wird bei dem Menschen histiologisch früher ausgebildet, als die Muskelfaser, wiewohl im Embryo die Sehnen dem äufseren Ansehen nach unvollkommener zu seyn scheinen, als 270 Von dem Embryo. die Muskeln. So sind gegen das Ende des dritten Monates schon die Sehnenfasern durchsichtige Cylinder und von den daran sich fügenden Muskelfasern bestimmt geschieden. Man sieht, wie hier die solideren Sehnenfasern sich unter den noch körnigen Muskel- fasern fortsetzen, "wie zwischen ihnen keine Spur von Körnchen wahrzunehmen ist und wie schon in so früher Zeit Sehnen- und Muskelfaser geschieden sind und durchaus kein wechselseitiger Uebergang der einen in die andere Statt findet. — Die Sehnen- fasern sind in früheren Zeiten stärker, als später. So fand ich ihren Durchmesser in der Achillessehne eines dreimonatlichen Embryo 0,000814 P. Z., in demselben Theile eines fünfmonatli- chen 0,000507 P. Z. und in dem Neugeborenen 0,000456 P. Z. — Das äufsere Ansehen der Sehnen ist in jedem Fötus röthlich und daher den blassen Muskelgcbilden nicht unähnlich. Doch sind sie von diesen schon vom dritten Monate an durch bedeu- tendere Dichtigkeit und Zähigkeit unterschieden. Das Stratum gelatinosum, welches in frühester Zeit auf beiden Oberflächen fast glatt war, erhält, je mehr musculöse und sehnigte Theile ausgebildet werden, ein immer mehr zerrissenes Ansehen auf seiner ünterfläche, indem es sich zwischen die ein- zelnen Muskeln und Muskelbündel, Sehnen und Sehnenbündel ein- schlägt und das Bindungsmittel derselben abgiebt. In diesem Zustande enthält sein gallertartiger Grundbestandtheil eine grofse Anzahl von Kügelcheu, deren Durchmesser im zweiten und drit- ten Monate von 0,000262 P. Z. bis 0,000456 P. Z. variirt. Spä- ter wird die Zahl der gröfseren Kügelchen kleiner und es ent- steht die bekannte Form des Schleimgewebes d. h. eine gallert- artige Masse, welche häufig feine Fäden und sehr kleine, unge- fähr 0,000152 P. Z. im Durchmesser haltende Körperchen enthält. Schon am Anfange des vierten Monates ist dieses Schleimgewcbe an manchen Stellen, z. B. dem Rücken, vollständig ausgebildet. Die Extremitätenscheiden stimmen in ihrer Genese mit den fibrösen Häuten überhaupt völlig überein. Anhang. Rumpfaerven. — Ueber ihre erste Entstehung ist Vie- les gefabelt und Weniges nur wahrhaft beobachtet worden. Die Frage aber, ob diese von dem Centralsysteme aus in die Organe hin- ein, oder von den Organen nach diesem hin, wie Serres sogar gese- hen haben will, sich bilden, halten wir, wie v. Bär (Burdachs Phy- siol. II. S. 446.) es schon ausgesprochen, für eine durch Erfahrung Haut nebst den accessorischen Gebilden. 271 kaum zu lösende Aufgabe. Trotz aller Mühe konnten wir in der gallertartigen Masse des peripherischen Theiles des serösen Blat- tes, selbst dann, wenn schon Rumpf- und Endglieder angelegt waren, keine Spur eines Nervenfadens mit Bestimmtheit wahr- nehmen. V. Bär (üb. Entwgesch. S. 84. bei Burdach S. 316.) sah am fünften Tage die Rückenmarksnerven bei dem Hühnchen zuerst, doch zeigt seine Beschreibung hinlänglich, dafs dieses un- möglich ihr primärer Zustand gewesen seyn könne. Bei einem achtwöchentlichea Embryo fand ich die Ganglien der Spinalner- ven überaus dick, rundlich und jedes von fast ^ Linie im Durch- messer. Bei dem Herausziehen des Rückenmarkes blieben sie an der Wirbelsäule sitzen. Aus meiner übrigen Untersuchung ist mir nur so viel fast gewifs, dafs die Nerven zuerst, dann die Ner- venbündel und zuletzt diie Nervenfäden entstehen. Schon im dritten Monate sind die Nervenkörnchen überaus fein und zart, üeber die Genese des sympathischen Nerven s. unten bei dem Schleimblatte. S. Haut nebst den accessorischen Gebilden und der von der Peripherie des serösen Blattes ausgehende Hüllentheil des Ennbryo. Die Haut des Erwachsenen zerfällt in folgende Schichten: 1. das Fettpolster. 2. die Lederhaut. 3. der malpighische Schleim und 4. die Oberhaut. Hierzu kommen die Hautdrüsen, die Haare, die Spiralfäden und die Nägel als accessorische Theilc. Nach diesem Plane wollen wir nun auch die Entwickelungsgeschichte des äufseren Hautsystemes abhandeln. 1. Das Fettpolster. — Seine Entstehung ist bei dem ver- schiedenen Fötus verschieden. Doch scheinen hier Abweichun- gen vorzüglich deshalb häufig beobachtet zu werden, weil sehr viele, durch Abortus abgehende Früchte, besonders die, welche selbst den Grund zur unzeitigen Geburt gegeben, an wahrer Atro- phie leiden und dürr und abgezehrt zur "Welt kommen. Es er- scheint gleich anfangs als eine \ Linie dicke Lage und vergröfsert sich während des ganzen Fötuslebens immer mehr, so dafs es bei Neugeborenen bekanntlich bedeutend stärker ist, als im Erwach- senen (Vgl. die hierauf bezügliche, sehr treffende Aeufserung von Huber bei Danz Th. L S. 178.). Doch habe ich die erste Spur desselben in der 14. Woche an der Fufssohle und Hohlhand wahr- 272 Von dem Embryo. genommen, wo unterhalb der Lederhaut zwar noch keine Fctt- träubchen, doch isolirte, in einem dichteren Bilduugsgewebe ein- geschlossene Bläschen zu sehen waren. Am Ende des fünften Monates besteht es aus Häufchen einzelner, meist völlig runder Feltbläschen, welche traubenformig an einander hängen. Die Gröfse der einzelnen F^esiculae adiposae ist eben so wenig con- stant, als die eines freien Oeltropfens überhaupt und am Ende ist doch ein jedes Fettbläschen nichts Anderes, als ein in das weiche Schleimgewebe eingebettetes Fetttröpfchen. Nur dadurch erhält ihre Gröfse einige Bedeutung, dafs jedes von ihnen von einem feinen Blutgefäfsnetze von ziemlich bestimmtem Durchmesser umschlossen wird. Im Embryo sind die Bläschen, je jünger die- ser ist, desto kleiner und im Fötus überhaupt kleiner, als im Erwachsenen. Denn ich fand ihren mittleren Durchmesser in der Mitte des vierten Monates 0,000709 P. Z. bis 0,000912 P. Z. und im achten bis neu.iten Monate 0,001520 P. Z. bis 0,002380 P. Z., während E. H. Weber (Hildebrandts Anat. I. S. 145.) als Mitlelzahl aus dem Erwachsenen 0,003205 P. Z., als Minimum 0,00280 P. Z. und als Maximum 0,003546 P. Z. angiebt. Interes- sant ist es, dafs man an dem die Fetttropfen unmittelbar einhüllen- dem Schleimgewebe von Anfang an keine Kügclchen wahrnimmt. Diejenige tela mucosa aber, welche die Fettträubchen uraschliefst, unterscheidet sich in Nichts von dem übrigen Schleimgewebe. 2. Die Lederhaut. — Unter der völlig durchsichtigen und zarten Oberhautschicht sieht man in frühester Zeit eine Körner- lage, welche für das Rudiment des Coriums angesehen weiden mufs. Den Durchmesser ihrer Körperchen fand ich in der achten Woche 0,000329 P. Z. bis 0,000405 P. Z. Mit der Ausbildung der Extremitäten gewinnt auch das Hautsystem rasch an Vollen- dung und so ist um die zehnte bis eilfte Woche die ganze Schicht schon fester und mit weit kleineren Kügelchen versehen. Noch am Ende des dritten Monates werden die Spiralfurchen deutlich und lassen sich gegen die Mitte des vierten Monates nicht blofs an den Fingern und Zehen, sondern auch an den übrigen Stellen des Körpers, vorzüglich an der Brust, leichter noch veifolgen, als im Erwachsenen. Auch Gewebe und gpecielle Form der Lederhaut werden rasch vollendet. So sieht man im vierten Monate die Papillen von fast derselben Form, wie in dem Erwachsenen, und spätestens am Anfange des fünftea schwinden in ihnen die isolir- tea Aeufseres Hautsystem. 273 ten Körner und es zeigen sich schon jene concentrischen Streifen, ■welche in ihrem Verlaufe sich nach den äufseren Umrissen der Papillen richten und, wie selbst bei dem Erwachsenen, weder aus granulöser Substanz, noch aus durchaus soliden Fibern bestehen. Doch lassen sie sich jetzt noch bei starkem Drucke in einzelne Körnchenhaufen trennen, die zwar unregelmäfsig und ungleich sind, im Mittel jedoch ungefähr 0,000203 P. Z. im Durchmesser haben. Die Gröfse der Wärzchen scheint in frühester Zeit um etwas kleiner zu seyn, als im Erwachsenen. 3. Der malpighische Schleim. — Bei dem Erwachsenen be- steht dieser aus einer sehr dünnen, zwischen Epidermis und Le- derhaut gelegenen und mit sehr kleinen Kügelchen versehenen vollkommen durchsichtigen Bildungsgewebeschicht. Bei dem Fötus ist diese sehr zart, weniger fest und zähe, als im Erwachsenen und, je jünger die Frucht, um so näher mit dem bildungsfähigen Gewebe, selbst dem äufseren Ansehen nach, verw^andt. Vor der Mitte des dritten Monates d. h. vor der individuellen Ausbildung der Lederhaut scheint der malpighische Schleim bestimmt nicht vorhanden zu seyn. 4. Die Oberhaut. — Sie entsteht als eine dünne, feine, trennbare Lage, wahrscheinlich mit der Ausbildung der beiden Centralröhren , soll jedoch nach Beclard bei dem Menschen vor der Mitte des zweiten Monates nicht erkennbar seyn. In der achten Woche bildet sie eine durchsichtige, dünne, aber verhält- nifsmäfsig sehr feste Lamelle, welche oft von selbst in gröfseren Lappen abgeht, immer aber nach Entfernung der darunter liegen- den, relativ weicheren Theile in einiger Continuität erhalten wer- den kann. Je früher der Embryo, desto inniger hängt sie im normalen Zustande mit der Lederhaut zusammen. Mit der Bil- dung des malpighischen Schleimes aber wird sie von dieser leichter trennbar, ja oft so leicht, dafs es unmöglich wird, feine Durchschnitte der Epidermis und der Lederhaut zu machen, weil durch den blofsen Druck eines selbst sehr scharfen Messers die erstere von der letzteren getrennt wird. Sie bildet im Fötus, je jünger dieser ist, eine mehr granulirte Lage und geht erst in den letzten Monaten in den Zustand über, welchen wir bei Neuge- borenen wahrnehmen, der aber von dem des Erwachsenen sowohl in Rücksicht der Festigkeit, als der Structur abweicht. — Ihre gröfsere Dicke in der Fufssohle und Hohlhand findet sich, wie 18 274 Von dem Embryo. Albinus schon wufste, selbst im Fötus und zwar von dem fünften bis sechsten Monate an, ist also nicht blofse Folge des mechanischen Druckes au diesen Theilen. Nach v. Bare Angabe häutet sich der Embryo (s. Frorieps Notizen 1831. August. S. 149.) mehrere Male, wobei die -wahre Epidermis jedoch nur ein Mal abgeworfen wird. Er nimmt folgenden dreifachen Häutungsprozefs an: 1. die Häutung der Dotterhaut, 2. die der serösen Hülle und 3. die der Oberhaut selbst. Breschet {^sur Toeiif humain in Bd. \\. der Mein, de Tacad. roy. de medicine. p. 96. und in den Anmer- kungen zur Uebersetzung des Barschen Aufsatzes in den Ann. des sc. nat. Janv. 1833. p. 10. 11.) behauptet, dafs die Häutung des Embryo überhaupt nur das Amnion (wahrscheinlich die se- röse Hülle) treffe. Die von v. Bär an Säugethierembryonen, vor- züglich Schweinen, gemachten Erfahrungen können wir auch aus dem Menschen bestätigen. Die Hautdrüsen bilden sich nach meinen Beobachtungen auf eine den Haaren gerade entgegengesetzte Weise, d. h. von aufsen nach innen, während diese von innen nach aufsen hervor- keimen. Sie entstehen in der Mitte oder gegen Ende des vier- ten Monates wahrscheinlich zuerst als runde Gruben, welche an- fangs eine völlig conische Höhlung zu haben scheinen. Sie sind dann viel häufiger, als die rudimentären Haarkeime der lanugo, jedoch nicht minder spiralig geordnet, und finden sich an jeder Stelle des Körpers. Nur an der Handfläche und Fufssohle schei- nen sie in geringerer Zahl vorhanden zu seyn. Ob die Säckchen an denen ich übrigens keinen Unterschied von den übrigen wahr- nehmen konnte, hier zugleich die Anfange der Spiralfäden sind, wage ich nicht zu entscheiden. Am Rücken fand ich den Durchmesser der Oberfläche jener Grübchen 0,000814 P. Z. Sie wachsen nun ziem- lich rasch in die Tiefe, erweitern sich meistens etwas nach un- ten und verästeln sich oft, wie sie bei Erwachsenen in der Ge- gend der Nymphen oft vorkommen (vgl. A. Wendt de epider- mide humana. 1833. 4. fig. 6 ), doch nie mit so zahlreichen Ra- mificalionen. Im achten Monate fand ich ihren mittleren Breiten- durchmesser an der Basis 0,001623 P. Z., an der Spitze 0,001165 P. Z. und ihre Länge von 0,007296 P. Z. bis 0,012167 P. Z., während E. H. Weber (Meck. Arch. 1827. S. 206.) bei dem Neu- geborenen den Querdurchmesser 0,005000 P. Z. und die Länge Aeufseres ilautsystem. 275 der ganzen Drüse 0,031666 P. Z. berechnet. Doch scheinen mir diese Angaben etwas zu grofs zu seyn. :ii»L(!.:' ' ' < !nio"»i.v' Die erste Entwickelung der Haare ist siehwierig, ja tfur bei stärkerer Vergröfserung und heller Beleuchtung, vorzüglich von oben; wahrzunehmen und daher von den Beobachtern bei! dem Menschen nicht ganz richtig angegeben worden. Selbst der neueste Schriftsteller hierüber, Eble (die Lehre von den Haaren. Wien. 1831. 8. Bd. 2. S. 70.) setzt ihre Entstehung viel zu spät in das Ende des fünften Monates. Bichat {Ajiatöinie generale Tom. IV. Paris 1812. 8. p. 821.) parallelisirt der Zeit nach ihren Ur- sprung mit der Faserbildung in der Lederhaut, was jedoch in Be- zug auf unsere oben angeführten microscopischen Untersuchungen wohl etwas zu früh ist. Das Resultat einer Reihe hierüber an- gestellter Beobachtungen ist kürzlich folgendes. Gegen das Ende des dritten oder den Anfang und die JMitte des vierten Monates erscheinen unter der Oberhaut runde, schwarze Flecken, welche ziemlich regelmäfsig begrenzt, in beinahe gleichen Entfernungen und nach geometrischen Linien geordnet sind. In der letzten Hälfte des fünften Monates haben diese früher kugeligen Massen sich vergröfsert, zu pyramidalischen oder conischen Formen sich umgeändert und an Intensität ihrer Farbe eher etwas gewonnen, als verloren. Sie liegen noch durchaus unter der Epidermis und zwar, wie es' scheint, etwas schief von unten nach oben gerich- tet. Den mittleren Durchmesser ihrer Basis fand ich 0,001582 P. Z., den ihrer Spitze 0,000507 P. Z. Zerdrückt man sie zwi- schen zwei Glasplatten, so weichen die Pigmenttheile aus einan- der, in der Regel in zwei Bogenlinien und man sieht in der Mitte einen Schaft von ungefähr 0,000406 P; Z. im Durchmesser. Der Letztere ist nur selten von Pigment völlig frei, sondern die- ses haftet gewöhnlich noch an seinem oberen oder unteren Ende. Interessant war es mir, dafs ich um diese Zeit an allen von mir untersuchten Theilen des Körpers, am Hinterhaupte, dem Rücken, der Brust, dem Bauche, dem Oberarme und dem Oberschenkel durch- aus ein und dasselbe Entwickelungsstadium der Haare vorfand. Diese Beobachtung steht offenbar mit der längst bekannten Er- fahrung in Verbindung, dafs die ersten Haare, die sogenannte la- nugo (Wollhaare) an allen Theilen des Körpers in früher Zeit gleichmäfsig entwickelt seyen. Diese bricht nun am Ende des fünften Monates hervor, ist zart, weich und in der Regel von 18 • 276 Von dem Embryo. weifsgelblicher Farbe (Eble 1. c, S. 70.) und wird zum Theil während der folgenden Monate von selbst wieder abgeworfen. Sie gelangt daher in das Fruchtwasser, wird mit diesem theilweise von dem Fötus verschluckt und daher nicht selten noch nach di6r Geburt mit äemMeconium ausgeleert. Der Theil dagegen, welcher mit auf die Welt kommt, wird bald darauf ebenfalls ab- geworfen. Wahrscheinlich steht dieses Abwerfen mit dem Häu- tüngsprocesse in inniger Verbindung. — Heusinger (Meck. Arch. VII. S. 410.) läfst die Haare aus Pigmentkügelchen entstehen. So sehr das von mir au dem menschlichen Embryo bemerkte Erscheinen der schwarzen Flecke an der Stelle der künftigen Haare hierfür zu sprechen scheint, so inufs ich doch offen be- kennen, dafs ich einiges Mifstrauen gegen den Heusingerschen Satz hege. Denn 1) gelang es mir zweimal bei dem Zerdrücken dieser schwarzen runden Flecke eine längliche darin enthaltene, scheinbar solidere und farblose Masse zu sehen, welche als Art von Haarzwiebel oder Haarbalg anzusprechen wäre. 2) In späte- rer Zeit zeigt sich neben dem kurzen Schafte und innerhalb der Grenzen des zerdrückten Balges eine ähnliche ovale und vollkommen durchsichtige Masse und 3) spricht die Analogie der Choroidea des Auges dagegen, in welcher sich die Pigmentkügelchen um die früher vorhandenen Pigmentkörperchen herumlagern. Sollte daher nicht auch hier zuerst die innere durchsichtige Kugel, dann das Pig- ment und zuletzt der Schaft entstehen? — Noch zu Anfange des fünften Monates sind die Haare in geringerer Menge vorhanden, als die in rcgelmäfsigen Spiralen gestellten Hautdrüsen. Nur an ei- nigen wenigen Schneidepunkten der nach entgegengesetzten Seiten gerichteten Wendel der Haarlinic und der Hautdrüsenlinie erschei- nen Rudimente von Haaren. Später vermehrt sich die Zahl der letzteren und in jedem Punkte der beiden sich schneidenden Spi- rallinien entsteht ein Haar. Daher fallen vom Ende des achten Monates an, wie von Albinus bis auf E. H. Weber fast alle Beob- achter gefunden haben, Hautdrüse und Haar in einen Punkt zu- sammen. Die Spiralfäden, welche von Breschet und Purkinje gleich- zeitig entdeckt worden sind und von dem Letzteren binnen Kur- zem werden ausführlicher beschrieben werden, sind im Neugebore- nen sch»n sehr dünn und werden es noch mehr, je jünger der Fötus ist. So fand ich die Breite ihres Durchmessers, da, wo sie die Aeufseres Hautsystem. 277 Windungen machen, beim Erwachsenen 0,000714 P. Z. bei dem Neugeborenen dagegen 0,000304 P. Z. — Offenbar sind sie schon viel früher gebildet und nur die Unmöglichkeit, feine Hautschnitte zu machen, bei denen die Epidermis nicht von der Lederhaut ab- geht, hindert, sie zu verfolgen. Denn wenn sie mit den elasti- schen Fäden, welche bei dem Abziehen der Epidermis sich zeigen, identisch sind, so müssen sie schon vom Anfange des fünften Mo* nates an spätestens vorhanden seyn. Doch konnte ich sie nach un- säglichen mifsglückten Versuchen bis jetzt nur zweimal in siebenmo- natlichen Früchten auf erhärteten Perpendiculärschnittcn beobachten. Die Nägel entstehen, wie schon Albinus {Acad. adnott. Üb. 2. p. 59.) wufste, aus der Hautschicht und sind keineswegs mit dem dritten Phalanx in der innigen Beziehung, in die sie Ritgen (Probefragment etc. S. 257.) in neuester Zeit gebracht hat. Sie folgen im dritten, vierten und bisweilen noch im fünften Monate der Haut und so kann man leicht das ganze Glied unverletzt von dem Phalanx selbst mit Ausnahme der Sehne abziehen. In ih- rem Gewebe läfst sich dann auch durchaus keine Abweichung von dem der Haut selbst wahrnehmen. Die Angabe der Meisten, dafs die Nägel zuerst im fünften Monate entstehen, mufs dahin abgeändert werden, dafs sie um diese Zeit mehr Festigkeit, ihre eigenthümliche Structur, überhaupt mehr äufsere Differenzen von der Oberhaut cihalten. Der freie Rand derselben, welcher sich bei Neugeborenen schon vorfindet, geht nach E. E. Weber (Hil- debr. Anat. L S. 195.) nach der Geburt oft von selbst ab. Nachdem aus dem serösen Blatte alle die genannten Organe und Organtheile entstanden sind, bleibt noch eine peripherische Parthie desselben übrig, welche zu Fötushüllen verwandt wird. Es ist also auf diese Weise das seröse Blatt in einen centralen Fötal- und einen peripherischen Hüllentheil geschieden. Allein zu der Zeit, wo diese Differenz vollkommen ausgesprochen ist und selbst während sie gebildet wird, liegen die Spioalplatten des Fötus nicht mehr in einer Ebene, sondern haben (als Visceralplatten ) ihre Biegung zur Bildung des unteren Centralrohres begonnen, so dafs mit ihrer Scheidung zugleich ein Unterschied in der Di- mension der Tiefe gegeben ist. Man sagt daher der Embryo senke sich ein und der peripherische Theil des serösen Blattes schlage sich um ihn von allen Seiten herum. Dieser Procefs geht zuerst am Kopfe, dann am Schwänze und gleichmäfsig an den 278 Von dem Embryo. beiden Seitenwänden vor sich, so dafs zuerst eine Einhüllung für den Kopf, die sogenannte Kopfkappe, und dann eine gleiche für den Hintertheil des Körpers, die Schwanzkappe, sich bildet. Alle Ränder, der vordere, hintere und die seitlichen, stofsen end- lieh oberhalb des Embryo (seiner Rückenfläche) in der Rücken- nath zusammen und verwachsen mit einander. (S. die Schemen bei V, Bär üb. Entw.gesch. tab. 1. fig. 5. tab. 2. fig. 6 — 8. und bei Burdach Physiol. II. tab. 2. fig. 4. 5. tab. 3. fig. 6—8.) Hier- durch entstehen zwei Hüllen 1. das Amnion und 2. das falsche Amnion oder die seröse Hülle innerhalb des ersteren. Da beide mit den Spinalplatten in unmittelbarer Continuität stehen, diese aber später am Nabel nur noch geöffnet sind, so verbinden sich dann nur an dieser Stelle diese von der Frucht ausgehenden Hüllen mit dem Embryo, wie alle neueren Beobachter am Vogel und die Meisten auch an Säugethicren und dem Menschen gefun- den haben. Ueber die abweichenden Ansichten von Pockels und Velpeau, so wie über das Amnion selbst siehe den Abschnitt von dem Eie. Die seröse Hülle, welche C. F. Wolff schon ge- sehen und mit dem Namen des falschen Amnion bezeichnet hatte, Pander und v. Bär aber genauer verfolgt haben, wird durch die sich später dazwischen legende AUantois von dem Amnion ent- fernt und rückt daher dem Embryo näher. In der Folge geht sie wie die Dotterhaut verloren und es wird auf diese Weise nach V. Bär (Frorieps Notizen. 1831. S. 149.) die zweite Häu- tung des Embryo vollendet. Dafs dieser Procefs in den Säuge- thicren eben so wie in den Vögeln, sich ereigne, wird derselbe Naturforscher in seinem hoffentlich bald erscheinenden zweiten Theile der Entwickelungsgcschichte ausführlich zeigen. n. Gefäfsblatt. Wir haben schon oben berichtet, dafs die erste Entstehung des Gefäfsblattes bei dem Hühnchen in die 16. bis 20. Stunde der Bebrütung nach v. Bär (1. c, S. 11. bei Burdach S. 242.) fällt und dasselbe dadurch sich bildet, dafs nach aufsen von dem Fruchthofe zwei Bogenlinien sich zeigen, welche den übrigen Theil der Keimhaut in einen äufseren und inneren Ring sondern. Der erstere besteht aus einer Masse lose an einander hängender Kügelchen, welche mit dem serösen Blatte inniger verbunden zu ?eyn scheinen, als mit dem Schleimblatte, da sie bei der Tren- Gefäfsblatt. 279 nung beider von einander an der inneren Fläche des serösen Blattes sitzen bleiben. Dieses Blatt wurde von DöUinger und Pander das Gefäfsblatt oder die Geföfshaut genannt, weil aus ihm Herz und Gefafse sich bilden. Es ist wohl ohne Zweifel primär als ein eigenes Blatt anzusehen. Wie es aber ein allgemeiner Charakter der Blutgefafse überhaupt ist, sich an die Organsubstanz innig anzulegen und in sie hineinzubilden, so haftet auch von Anfang an das Geföfsblatt fest an dem serösen Blatte und verbindet sich, wie wir bald sehen werden, au manchen Stellen zugleich innig mit dem Schleiinblatte. "Wie aber schon nach Hallers Ausspruche Gefäfse ohne eine verbindende Membran nicht existiren können, so müs- sen wir, der Analogie nach, zu der Zeit, wo noch keine völlig gesonderten Organe existiren, in welche die Gefafse sich hinein- bildeu könnten, die Anwesenheit einer sie verbindenden Membran schon von theoretischer Seite aus durchaus vertheidigen. Doch zeigen sich hier bald manche merkwürdige Modificationen, die wir in der Folge noch zu entwickeln Gelegenheit haben werden. — Nach Panders Entdeckung (Beitr. S. 13., bei Bär 1. c. S. 31. und bei Bnrdach S. 260.) geht das Gefäfsblatt, noch ehe wahre Blut-, Gefäfs- und Herzbildung beginnt, in eine eigene Metamorphose ein oder stellt sich vielmehr erst in seiner Vollständigkeit sicht- lich dar. Es bildet sich nämlich vor der 20. Stunde der Brütung an seiner äufsersten Begrenzung ein dunkeler Kreis und in ihm selbst dunkele Inselchen, welche aus kleinen, gleichförmigen, der Unterfläche des serösen Blattes anklebenden Kügelchen zusammen- gesetzt sind. Die Inselchen vergröfsern sich, stofsen an einander, so dafs nun ein körnigtes Continuum sich darstellt, welches sich bald zur ersten Formation des Blutes und der Blutgefafse an- schickt. Diesen letzteren Act haben die Wenigsten i wahrhaft beobachtet, sondern meistens nach einzelnen gesehenen Momenten combinirt und willkührlich zusammengestellt. Daher ist hier eine Verwirrung, wie in wenig andescn Tbeilen der Entwicke- lungsgeschicbte und diese wird oft noch dadurch vergröfsert, dafs sehr häufig der Nachfolger seinen Vorgänger nicht recht verstanden xmd defshalb falsch ausgelegt hat. Wir lassen defshalb zuerst eine chronologische Uebersicht der aus Beobachtungen ge- schöpften Ansichten vorangehen, ehe wir den Hergang der Blut- bildung nach unseren eigenen Wahrnehmungen beschreiben. 1. C, Fr. WolfT hat die früheste, auf vorurtheilsfreie Beob- 280 Von dem Embryo. achtung gegründete Darstellung der Genese des Blutes geliefert und, so weit es die verhältnifsmäfsige Unvollkommenheit seiner Instrumente zuliefs, die Meisten seiner Nachfolger an Genauigkeit und Wahrheit übertroffen. Er hat zwat- seine Ansicht in späte- rer Zeit in manchen einzelnen Punkten berichtigt, sie aber im Ganzen bei seinen so vielfach wiederholten Untersuchungen den Hauptmomenten nach nur immer bestätigt gesehen. Seine erste Darstellung findet sich in seiner Inauguraldissertation: theoria generationiSi, def.^. 28. Novembr. 1759. 4. p. 76. 77. und ent- hält folgende Momente: die Substanz der Keimhaut (das Gefäfs- blatt), welche früher in ihrem äufseren Theile (aufserhalb des Fruchthofes) gleichmäfsig körnig war (§. 177.), wird durch eine Flüssigkeit aus einander gerissen. Es bilden sich hierdurch mehr oder minder gelrennte oder zusammenhängende Inseln, zwischen denen eine feinere Substanz hindurchgeht, so dafs hieraus unre- gelmäfsige Kreisformen entstehen. Die weifse feinere Flüssigkeit trennt nun endlich die noch zusammenhängenden Inseln von ein- ander und in immer kleinere Theile, welche hierdurch ohne alle sichtbare Ordnung zerstreut zu seyn scheinen, gelangt so in das Herz und reizt dasselbe zur Zusammenziehung. Späterhin (Theo- rie von der Generation. Berlin 1764. 8. S. 263.) fügte er noch hinzu, dafs, sobald die Rinnen mit einander comrauniciren, drei- eckige Zwischenräume zwischen den Inseln entstehen, welche durch diese Rinnen sich mit einander verbinden. Auch hatte er zuerst das Glück, die Natur einmal bei einer ihrer inleressante- sten Hergänge zu belauschen (Vgl. ebds. S. 266. 267. und theo- ria generat. ed. alt. Hai. 1774. 8. p. 103. 104.). Er sah näm- lich an einem Eie von neunundzwanzig Stunden, welches eine Area, wie man sie nach vierundsechszig Stunden findet, hatte, die ersten Anfange der Bewegung des Herzens. Dieses zog sich nicht, wie es in der Folgezeit gewöhnlich ist, so zusammen, dafs durch die Systole alles Blut entleert und das Herz selbst daher weifs und durchsichtig wird, sondern drückte nur leise auf die in ihm enthaltene Flüssigkeit', so dafs dieselbe nur etwas geschüttelt, nicht wahrhaft fortgestofsen wurde. Wolff selbst (Theorie v. d. Generat. S. 267.) vergleicht daher die Bewegung mit dem pul- sus rarus und tardus und die Zusammenziehung mit dem mo- tus peristalticus des Magens. — In seiner letzten Schrift (von der eigenthümlichen und wesentlichen Kraft als Anhang zu Blu- Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 281 menbaclis und Borns Preisschriften über die Nutritionskraft. Pe- tersb. 1789. 4, S. 13. 14.) endlich setzte er die Entstehung des Blutes am vollständigsten aus einander. Die ersten Spuren der Gefäfse erscheinen als verschieden gestaltete Zwischenräume, zu- erst am äufsersten Umfange des Aderkreises, während um den Embryo herum Nichts von ihnen wahrzunehmen ist. Sie hängen zum gröfsten Theile unter einander, nicht aber mit dem Embryo zusammen. Bald entstehen ähnliche Zwischenräume auch in der Nähe des Embryo und mit ihnen die Anlage der Hauptgeföfs- stämrae. Nun fliefsen alle Zwischenräume in einander, so dafs eine netzförmige Figur sich bildet und die entfernten vereinigen sich mit den dem Embryo näheren. So entsteht die vollstän- digste Verästelung und ein gemeinschaftlicher Zusammenhang aller Gefäfse, während von jetzt erst die Bewegungsrichtung der Flüssig- keit eine wahrhaft bestimmte ist. Die ersten Gefäfse sind so Gruben oder Rinnen, welche anfangs einen ungleichen Durchmes- ser haben, der späterhin mehr gleichmäfsig wird, während die früher blofs kömigten Seitenwände dichter und fester werden, eine wahre hautartige Structur annehmen und so von ihrer pri- mären Form gar sehr abweichen. (Vgl. theoria s,enerat. ed. I. p. 84. ed IL p. 116,, Theorie v. d. G. S. 165. und von der we- sentl. Kraft S. 15.). 2. Haller, verblendet durch seine Evolutionstheorie, trat ge- gen WolfFs Inauguralabhandlung auf (Götting. Gel. Anz. 1760. St. 143., Wolffä Theorie v. d. G. S. 138., 139., theoria generai. ed. alt. p. XLI.XLII.) und sprach selbst dann noch wider ihn {Elem. physioh FIIL p. 115 — 117. und addend. p. 217 — 219.), als er die Haupt erscheinungen bei wiederholten Untersuchungen gesehen hatte. Mit tiefer Gründlichkeit hat aber Wolff selbst an vielen Stellen seiner Schriften diese Theorie, so wie die der Evolution überhaupt widerlegt und gezeigt, dafs Herz und Gefäfse eben nicht schon vorgebildet seyen, sondern im Laufe der Entwicke- lung erst entstünden. 3. Nach Pander (Beitr. S. 14.) löst sich um die dreifsigste Stunde das Gefäfsblatt in ein netzartiges Gewebe auf, indem zwi- schen den Kügelchen durchsichtige, maschenartig sich verbindende Risse entstehen. Die hierdurch getrennten Kügelchen sammeln sich bald wieder zu Inseln, die zuerst gelblich, hernach roth wer- den, während der um die Inseln herumlaufende Kreis sich wie- 282 Von dem Embryo. derherstellt, mit den benachbarten Inseln Tcifliefst und, -wie die Inseln selbst, ebenfalls sich röthet. Die Inseln verschmälern und verlängern sich, greifen mit ihren Enden in einander und bilden ein röthliches Netz mit durchsichtigen Zwischenräumen. Auf diese Weise entstehen ramificirte Ströme rother Kügelchen. Der Zwischenraum zwischen ihnen füllt sich mit einer Haut und, während auch die Gefäfswände häutig werden, entsteht eine wahre Gefäfshaut. — Man sieht also aus dieser gröfstentheils mit Panders eigenen Worten wiedererzählten Blutgenese, dafs er Un- recht hat, wenn er seine Ansicht über Entstehung des Blutes mit der von WoIfF identificirt. Nach ihm werden die Inseln zu Blut- fitrömchen, während nach Wolff die Flüssigkeit der Zwischen- räume zu Blut verwandelt wird, wie aufser vielen anderen Stel- len seiner Abhandlungen vorzüglich aus folgenden Worten deut- lich erhellt: ^^Infer J'elicissima ,"• heifst es (theoria generat. ed. IL p. 103.), ^^refero hoc experimentum , quod ßg. 7, 8. tibi offero, L. B., quum in eo ipso momento naturam depre- hendisse puto, ubi summum negotium absolvendo occupata erat^ repens nempe per interstitia insularum ßuidum in cur- rentem per vasa sanguinem mutando.^'' 4. DöUinger, welcher seine Ansicht über erste Entstehung des Blutes bei dem Hühnchen in Panders Schriften niedergelegt, hatte bald darauf Gelegenheit, dieselben in jungen Fischembryo- nen zu beoachten und glaubte hierüber Folgendes (Münch. Akad. sehr, für 1818 — 20. VII. 4. p. 189. fgg.) hinzufügen zu müssen: 1. Ein Blutkörperchen geht bisweilen aus seinem Strome heraus und kehrt entweder in einem Bogen zu ihm zurück (bildet also ein einfaches Arterien- oder Venennetz) oder verfliefst mit dem Thierschleime und verschwindet oder bahnt sich einen besonde- ren Weg in demselben, erreicht einen benachbarten, anderen Strom und bildet so ein Zwischenströmchen. 2. Die Schleimkörner des ThierstofFes gerathen in der Nähe eines Stromes in Bewe- gung, werden so zu beweglichen Säulchen und, indem sie in Strö- mung kommen und ihre Körnchen eine ovale Form erhalten, zu kleinsten Gefäfsen. 5. Pfeil {de evolutione pulli in ovo incubato. Berol. 1823. 8. p. 21.) nähert sich zum Theil der Wolffschen Dar- stellung. Er sah nämlich zuerst kleine, weifse und gelbliche Punkte ohne alle Ordnung verbreitet, so dafs es das Anse- Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 283 hen hatte, als seyen weifse Fleckchen über eine gelbe Ober- fläche zerstreut. Die weifsen Stellen vergröfserten sich und die gelben wurden enger, mehr linien- oder streifenähnlich, so dafs das Ganze ein netzförmiges Ansehen erhielt. Die Streifen waren an der Peripherie am Schmälsten, an dem Fruchthofe stärker und durchsichtiger, wo sie eine klare gelbliche Flüssigkeit enthielten. Alle sammelten sich jederseits zu einem Aste, während sie vorher fast alle eine gleiche Stärke hatten und daher Stamm von Aesten nicht unterschieden werden konnte. Um dieselbe Zeit sah er in dem Embryo ein erweitertes Gefäfs sich zusammenziehen und ausdehnen, wiewohl noch keine Spur rothen Blutes zu sehen war. Die Farbe der Flüssigkeit wurde nun dunkeler und die Be- wegung lebhafter. In der Vena terminalis^ und zwar häufig an der Kopfstelle derselben zuerst, erschienen rothe Tröpfchen. Diese vermehrten sich, bis sowohl die Terminal-, als die Kopfvene rothes Blut enthielten. Auch der hintere Theil des Gefäfsblattes erhielt rothe Tröpfchen, und so färbte sich die dem Schwänze nä- her liegende Vene ebenfalls. Um dieselbe Zeit oder kurz vorher färbten sich auch die Seitengefäfse. Doch war die Reihe der sich färbenden Thcile nicht immer constant. 6. Nach Prevost und Dumas (Frorieps Notiz. Novemb. 1824. S. 175. S. 322.) verdickt sich in der dreifsigsten bis zweiunddrei- fsigsten Stunde die Membrana vascularis an gewissen Stellen, die anfangs schön gelb sind. Ihre Farbe wird bald orangengeib, dann blafsroth und man kann endlich wegen des nun bestimmten Aussehens der Blutkügelchen die Circulation vollständig beobachten. 7. V. Bär (1. c. S. 31. 32. bei Burdach S. 260. 61.) sah in dem Gefäfsblatte am ersten Tage Bläschen entstehen, die von dem Bildungsgewebe zusammengehalten wurden. Später zeigten sich dunkele Körner imd zwischen ihnen Risse, welche dieselben ma- schenförmig umgaben. In den Rinnen entstand eine Strömung, jedoch nur in dem durchsichtigen Fruchthofe. In dem Gefäfshofe sammelte sich eine Flüssigkeit in grofser Masse an, die sich bald röthete und Blutstropfen zu erkennen gab. Das im Fruchthofe Fliefsende war dagegen ungefärbt und ohne rothe Blutstropfen. Zu- erst schien ihm Bewegung im Herzen einzutreten, später dagegen in den Rinnen des Fruchthofes, während zuletzt das rothe Blut des Gefäfshofes hinzuströmte. 8. Nach Burdach (Physiol. IL S. 506. fgg.) tritt das Gefäfs- 284 Von dem Embryo. System zuerst an beiden entgegengesetzten Punkten zugleich auf: 1. an seiner äufsersten Peripherie, in dem vergänglichen Hüllentheile, und 2. im Centrum des Embryo, im Herzen. Wahrscheinlich wer- den Blut- und Gefäfswandung gleichzeitig angelegt. Die isolirten Gefäfswände entstehen jedoch später, als das Blut. Wahrscheinlich schafft das Blut selbst sich seine eigene Bahn. Die Gefäfse bilden sich nun entweder aus den erhärtenden Wänden dieser Bahn oder dadurch, dafs die in den früheren Rinnen enthaltene Flüssigkeit sich in ein äufseres festeres (Gefäfswand) und ein inneres flüssi- geres Gebilde (Blut) scheidet. 9. Baumgärtners Ansicht (Beobachtungen über Nerven und Blut. 1830. 8. S. 79. fgg.) dürfte kaum in jeder Rücksicht, wie es aus dem Folgenden sich ergeben wird, die wahre zu nennen seyn und beruht auf Voraussetzungen, welche, indem sie beste- hende Begriffe nicht anerkennen, nur Verwirrung zu erzeugen im Stande sind. Die Schicht der Dotterkügelehcn (richtiger Keim- hautkügelchen) gewinnt mehr an Festigkeit, so dafs das seröse Blatt vom Schleimblatte sich leichter trennt. Die den Dotter umschlie- fsende Haut (Schleimblatt?) besteht aus rundlichen Kugeln, die entweder einfach oder aus kleineren Kügelchen (Dotterkügelchen !) zusammengesetzt sind. Ein Theil derselben verwandelt sich in die Organenmasse (S. 80.), indem die Dotterkügelchen in die Substanz des Organes sich auflösen und diese dabei durchsichti- ger wird. Ein anderer Theil wird zu Blutkörperchen. Diese ordnen sich entweder linear oder bogenförmig, trennen sich im- mer mehr los, werden frei und bewegen sich. So entstehen Rin- nen und auf diese Weise die Elutgefäfse. In dem Hühnchen er- langen die Blutkörperchen schon einen hohen Grad von Ausbil- dung, bevor die Strömchen vereinigt sind und das Blut wird da- her früher gebildet, als seine Gefäfse. Die letzteren entstehen aber nicht durch Anlagerung der Blutkügelchen , sondern sind Nichts, als Rinnen in der angrenzenden sensiblen Organmasse (S. 81.). Die Richtung der Blutströme wird durch das Gehirn, das Rückenmark und die Nerven bestimmt, gegen welche Tendenz überhaupt, Alles den Nerven zuzuschreiben, schon ßurdach (Phy- siol. IV, S. 461. 62.) mit Nachdruck aufgetreten ist. 10. E. H. Weber (Hildcbr. Anat. IV. S. 477.) vermuthet, dafs die gröfseren Gefäfsstämme sich anders, als ihre Zweige bil- den und zwar als eine in sich selbst zurücklaufende Falte oder Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 285 Rinne, die später einen geschlossenen Kanal darstellt und nach der einen Seite hin die Hauptarterie, nach der andern die Haupt- vene und in der Mitte das Herz darstellt. In diesem Gefäfsringe bilde sich zuerst ein Kreislauf und das Gcfäfssystem vergröfsere sich dadurch, dafs Gefälsbogen entstehen, welche entweder mit Arterien und Venen oder mit zwei Stellen derselben Arterie und Vene sich verbinden. Aus diesem Gefäfsbogen entstehen dann neue u. s. f. Ein Unterschied zwischen Arterie und Vene lasse sich in frühester Zeit nur an entgegengesetzten Strömungen wahr- nehmen. 11. Nach Joh. Müller (Physiol. I. Abth. I. S. 143.) liegt zwischen dem serösen und dem Schleimblalte eine Körnerschicht, welche sich bald in körnigte, dichte Inseln und durchsichtige Zwischenräume zertheilt, in denen sich eine zuerst gelbliche, dann rothe Flüssigkeit, das zuerst in der Area vasculosa deutliche Blut, ansammelt. Er glaubt (S. 358.), dafs die organische Sub- stanz aufgelöstes Eiweifs und Faserstoff anziehe und so in Rin- nen und feste Zwischenräume sich theile, wodurch neue Gefäfse entstehen. Die Behauptung dagegen, dafs die Gefäfsenden sich in die neue Masse verlängern sollen, sey durchaus unrichtig, da es keine Blutgefäfsenden, sondern Uebergänge zwischen arteriö- sen und venösen Strömchen giebt. Mufs nicht diese ungeheure Differenz der Ansichten uns leb- haft an die von Nasse (Meckels Arch. II. S, 435.) und Burkhardt (üb. das Blut und das Athmen. 1828. 8. S. 21.) schon gemachte Vergleichung der Wandelbarkeit der Blutlehre mit dem Blute selbst erinnern, welche Burdach (Physiol. IV. S. 13.) mit folgen- den treffenden Worten ausdrückt? „Und in der That," sagt dieser ausgezeichnete Naturforscher, „hat die Hämatologie ganz den Charakter des Blutes selbst. Wie das Blut ein nie ruhender Proteus ist und sich zu Allem und Jedem umzugestalten vermag, so ist auch Nichts denkbar, was man nicht von ihm ausgesagt hätte; hier ist keine Thatsache, die nicht geläugnet, keine Deu- tung, die nicht durch eine andere bekämpft worden wäre; über jeden Punkt wurden entgegengesetzte Erfahrungen und Ansichten aufgestellt (S. 14.). Diese Erscheinungen, welche in der Litera- tur anderer physiologischer Gegenstände keineswegs fehlen, aber doch in der Lehre vom Blute am stärksten hervortreten, mögen uns denn mahnen, mit Besonnenheit und Ruhe zu Werke zu ge- 286 Von dem Embryo. hen, das Blut rein objectiv zu betrachten, jede Thatsache und keine Meinungsauctori tat zu berücksichtigen und Schritt für Schritt zu einer allgemeinen Ansicht vorzudringen." — Die- ses soll uns auch immer vorschweben, wenn wir die ersten Me- tamorphosen des Gefäfssystemes darzustellen uns bemühen, und wir waren seiner stets eingedenk, als wir die Entstehung des Blutes in der Natur selbst aufzufinden und ihr nachzuspüren such' ten. Denn je mehr wir die Untersuchung dieses Herganges ver- folgten, desto mehr überzeugten wir uns, wie schwierig er zu beobachten sey und sahen bald ein, dafs man hier nur mit den besten Instrumenten ausgerüstet und nur durch grofse Vorsicht und vielfache Wiederholung der Beobachtungen zu sicheren und wahren Resultaten kommen kann. Die hohe Bedeutung des Gegenstandes mag es entschuldigen, wenn wir hier die nothwendige Kürze weni- ger beobachten. — Zjuerst von der Methode der Untersuchung, wel- che hier von der höchsten Wichtigkeit ist. Ich öffne die Eier, wei- che den Augenblick vorher aus der Blutmaschine genommen sind, unter Wasser, welches eine Temperatur von 32° R. hat und eine mäfsige Menge Kochsalz aufgelöst enthält. Denn zu wenig thut gar Nichts und zu viel schadet mehr, als blofses Wasser. Das Ei wird nun unter dieser Auflösung geöffnet, die Keimhaut auf die gewohnte Weise gelöst und in einem Tuschglase unter Salz- w^asser, dem man immer heifseres Wasser zusetzt, um die Tempe- ratur gleichmäfsig 32° R. zu unterhalten, unter dem Microscope betrachtet. Allein hier genügt es nicht, eine Vergröfserung an- zuwenden, sondern man mufs von der schwächsten anfangen, um den ganzen Gefäfshof oder einen grofsen Theil desselben zu über- blicken und dann zu immer stärkeren Vcrgröfserungen übergehen, bis man jedes einzelne Blutkörperchen, wenn solche schon exi- stiren, genau sehen und messen zu können im Stande ist. Allein eben so unerläfslich ist es, aufser den gewöhnlichen in die Tiefe schauenden Ocularen auch Applanativoculare anzuwenden, um so ein bestimmtes Urtheil über die oberste, mittlere, untere und un- terste Schicht des Keimblattes zu erhalten und die Charaktere jeder dieser Abtheilungen genau kennen zu lernen. Die Keim- haut selbst darf weder verletzt, noch vor mehreren Stunden aus dem Eie schon genommen seyn. Erst, nachdem ich auf diesem beschwerlichen W^ege meine Untersuchungen wiederholt und bestätigt hatte, wagte ich ein bestimmtes Urtheil über Blutge- Enlstehung des Blutes und der Blutgeföfse. 287 nese zu fällen. So lernte ich schon vor ihrer Umbildung die drei Blätter der Keimhaut durch histiologische Charaktere von einander unterscheiden, und dieses einzige Moment hellte mir den ganzen Hergang bedeutend auf. Das seröse Gefäfs- und Schleimblatt sind, wie Pander und Bär schon fanden, in späterer Entwickelung oder in früherer Zeit durch Maceration leicht von einander zu trennen, vorzüglich das seröse und Gefäfsblatt einer- seits und das Sehleimblatt anderseits. Jedes von ihnen ist eine gesonderte Schicht, ein getrenntes Blatt einer vollkommen durch- sichtigen glasartigen Gallerte und insofern sind alle drei durchaus einander gleich. Allein durch ihre Körperchen, vrelche in der durchsichtigen Masse enthalten sind, werden sie streng von ein- ander geschieden und lassen sich bei einiger Uebung in den klein- sten Stellen mit Bestimmtheit erkennen. Die im serösen Blatte enthaltenen Kügelchen sind einzeln zerstreut, von zierlicher, be- stimmt runder oder länglicher Form, durchsichtig und weifs, von 0,000263 P. Z. bis 0,000354 P. Z. im Durchmesser. Ueber die Histiologie des Gefäfsblattes kann man nur im durchsichtigen Fruchthofe ein Urtheil fällen und dort erscheint es wie aus gro- fsen Kugeln von 0,001013 P. Z. im mittleren Durchmesser zu- sammengesetzt, die in ihrem Innern vollkommen durchsichtig und so eng zusammengedrängt sind, dafs sie an vielen Berührungs- punkten sich abplatten und oft, wie Ptianzenzellgewebe, eine sechseckige Form annehmen. Anders dagegen ist es in dem Schleimblatte. Hier befinden sich die Kügelchen dichter gedrängt, als in dem serösen Blatte, doch auch noch zerstreut von 0,000203 P. Z. im Durchmesser bis zu einer nicht mehr mit Sicherheit mefsbaren Kleinheit. Zuerst mufs man auch sie im Fruchthofe kennen lernen. Ist dieses aber geschehen, so erkennt man sie leicht auch in dem Gefäfs- und Dotterhofe. Doch liegen sie in den beiden letzteren nicht frei, sondern von einer Schicht wah- rer Dotterkugeln bedeckt. Diese sind gelb, rund, vollkommen durchsichtig, von meistens gleichem Durchmesser (was den übri- gen Dotterkugeln wenig oder gar nicht eigen ist), der im Mittel 0,001216 P. Z. beträgt. Zwischen ihnen sind kleinere Kügel- chen von derselben Gröfse, wie die des Schleimblattes, die sich aber durch zwei Momente deutlich von einander unterscheiden. 1. Diese Zwischenkügelchen der Dotterschicht sind circumscript rund und nehmen, wenn sie kurze Zeit im Wasser gelegen, Brown- 288 Von dem Embryo. sehe Molecularbewegung an. Die Kügelchen des Sclileimblattes sind mehr von länglicher und unbestimmter Form und haben nie bei dem Leben des Embryo oder kurz nach seinem Tode Brown- sche Bewegung, ein deutlicher Beweis, dafs sie nicht blofs passiv in dem Schleimblatte liegen, sondern innig und fest auf eine wahrhaft organische Weise mit ihm verbunden sind. Erst nach der Maceration, d. h. wenn die glasartige Masse aufgelöst ist, tritt Molecularbewegung ein. 2. Die Zwischenkügelchen des Dotters liegen zwischen den Dotterkugeln eingestreut, nie in oder über denselben und sind in der Regel selbst von gelblicher Färbung. Die Schleimblattkügelchen liegen häufig über den Dotterkugeln, scheinen sogar auf den ersten Anblick in denselben zu liegen, eine Täuschung, die nur dann schwindet, wenn man sich bei hin- länglich starker Vergröfserung durch Objectivlinsen eines appla- natischen Oculares bedient. Erst nach dieser Vorbereitung kön- nen wir über die Metamorphosen des Gefäfsblattes ein bestimm- tes ürtheil fällen. Wie es in dem Gefdfshofe beschaffen sey, konnte ich trotz sehr vieler hierauf verwandter Mühe nicht er- mitteln, sondern es ist dann erst erkennbar, wenn es die erste Metamorphose eingegangen. Diese besteht nun darin, dafs sich einzelne Ansammlungen bilden, die aus einer zähen, vollkommen durchsichtigen und weifsen Flüssigkeit bestehen. Indem nun so das Gefäfsblatt in gewissen Punkten sich concentrirt und coUi- quescirt, wird seine Masse verdünnt und schwindet zum gröfsten Theile an den Stellen, welche die Zwischenräume zwischen den Ansammlungen ausmachen. Hierdurch schwindet der untere Theil des Gefäfsblattes und es bilden sieh Lücken, in welche das Schleimblalt und die oberflächliche, cohärentere Dotterschicht sich einlegen, wie Wülste, welche in die nun entstandenen Furchen passen. Irrthümlicher Weise hat man die Aufwulstungen des Schleimblattes und der oberflächlichen Dotterschicht für Inseln des Gefäfsblattes angesehen, wiewohl sie dem Gefafsblatte selbst durchaus gänzlich fremd sind und nur die von ihm gelassenen Lücken ausfüllen, während man das verflüssigte Gefäfsblatt als Rinnen bezeichnete. Vielmehr ist diese Aufwulstung der Dotter- schicht die wahre erste Bildung der Hallerschen vasa lutea. Die Ansammlungen der flüssigen Masse werden gröfser, stofsen zusammen und bilden eine Art von netzförmiger Verbindung. In der Area pellucida ist der Procefs wesentlich derselbe. Nur schei- Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 2S9 scheinen hier die zwischen den einzelnen Ansamnilungen befind- lichen Lücken oben von dem serösen Blatte bedeckt, unten aber von der Flüssigkeit, welche sich zwischen dem Keimblatle und dem Dotter befindet , mittelbar dadurch ausgefüllt zu werden, dafs das Schleimblalt dem serösen Blatte näher tritt. Doch konnte ich nicht entscheiden, ob auch in diesen Zwi- schenräumen, zwischen dem serösen und dem Schleimblatte, eine Quantität einer hellen Flüssigkeit oder eine durch- sichtige Membran sich befinde. Das Letztere ist mir das Wahr- scheinlichste. — Die angesammelte, völlig durchsichtige Flüssig- keit, also die metamorphosirten Theile des Gcfäfsblattes selbst, scheiden sich nach aufsen zu völlig durchsichtigen, wasserhellen Massen, den künftigen Gefäfswänden, und nach innen in unbe- stimmte kugligte oder längliche Körperchen, welche anfangs ganz dicht an einander liegen, oft sogar noch ohne zu unterscheidende Grenzen und Nuancen in einander übergehen und, so weit sich eine Peripherie mit Sicherheit an ihnen wahrnehmen läfst, von sehr verschiedener Gröfse sind. Ich sah ihren Durchmesser von 0,000304 P. Z. bis 0,000665 P. Z. variiren. Diese Körperchen sondern sich nun zu bestimmten Kugeln von runder Form, die 0.000608 P. Z. im Durchmesser haben und röthen sich, während die sie umgebende Masse immer flüssiger wird. Die durchsichtigen Streifen, welche die Gefäfswandungen bezeichnen, werden in der Folge immer schmäler — ein Verhältnifs, das wir weiter unten bei der ersten Entstehung der Drüsen wiederkehren sehen werden. — Ich mufs daher nach meinen vielfach wiederholten und geprüften Un- tersuchungen durchaus jede Entstehung der Blutkörperchen durch unmittelbare Metamorphose der Dotterkugeln gänzlich läugnen. Es hat zwar späterhin, wenn im Tcrminalgefäfse schon rothes Blut vorhanden ist, oft den Anschein, als ob einzelne Dotterku- geln roth gefärbt seyen. Allein diese Täuschung rührt einzig und allein von der darüber liegenden sehr kleinen Blutinsel her oder ist nur die Folge der bei durchfallendem Lichte entstehenden Brechung. Beleuchtet man daher bei schwarzem Grunde den Ge- genstand von oben und gebraucht man als Ocular ein aplanati- sches Glas, so sieht man bald seinen Irrthum ein Eine andere Quelle der Täuschung kann hier, wie es auch bei Baumgärtner geschehen, aus der Untersuchung von Embryonen der Amphibien und Fische hervorgehen^ wie wir bald auseinanderzusetzen Gele- 19 290 Von dem Embryo. genheit haben "werden. Unterdcfs hat sich, wie in der Periphe- rie die Gefäfse, so in der Mitte das Centralgefäfs , das Herz ge» bildet. Es entstehet nämlich, vVie ein grofses Gefäfs, als eine längliche Ansammlung, welche bald erhaben ist und, wenn der Embryo auf dem Rücken liegt, von dem Schleimblatte und des- sen oben beschriebenen Körperchen bedeckt wird. Es ist läng- lich rund, zuerst von fast gleichem Durchmesser und hat das untere Ende des Gesichtes nach oben und das obere Ende der fovea cardiaca nach unten zur Begrenzung. Bald läuft es unten in zwei seitliche Schenkel aus , welche ziemlich breit sind , eine kurze Strecke in der Area pellucida nach aufsen, nach dem Ge- fäfshofe hin gehen und dann wegen ihrer Durchsichtigkeit und wahrscheinlich defshalb, weil sie sich nicht nach der Dotterfläche zu erheben und das Schleimblatt nebst seinen Körnchen nach sich ziehen, dem Auge entschwinden. Bald jedoch bildet sich nach der linken Seite hin ein rundlicher Aushug, von dem ich nicht unterscheiden konnte, ob er eine blofse Wucherung der ^nfsersten Masse oder eine wahre Aussackung war. Um dieselbe Zeit oder noch etwas früher tritt die erste Bewegung ein, eine leise, wurmförmige Zusammenzichung der Wandung, ohne dafs der Inhalt, wahrscheinlich eine helle Flüssigkeit, fortbewegt werde. Sie schiebt sich nur leise hin und her. Bei der Systole (Con- traktion) nähern sich die Wandungen, bleiben aber durch einen be- deutenden Zwischenraum immer getrennt. — Ob die Bewegung des Blutes vom Gefäfshofe oder dem Herzen ausgehe, wird sich wahrscheinlich nie entscheiden lassen. Man sieht zwar bei den ersten Contractionen des Herzens noch keine Spur von Bewegung im Gefäfshofe. Allein dieser ist in seiner ganzen Continuiiät nie durchsichtig genug, um über die erste Bewegung des Blutes, wie im Fruchthofe, ein Urthcil fällen zu lassen. Wenn späterhin die Zusam- menziehung des Herzens so stark wird, dafs sie wahrhaft propelli- rend wirkt, so läfst sich keineswegs mit Bestimmtheit läugnen, dafs nicht auch schon aus dem Gefäfshofe Strömung entgegenkomme oder entgegengekommen sey. Auf diesem Felde kann also auch keineswegs die Frage über das Eigenleben des Blutes entschieden werden. Eine von mir gemachte Erfahrung scheint freilich dafür zu zeigen. Doch theile ich sie mit Schüchternheit mit, weil Täuschung hier nur au leicht obwalten kann. Hatte nämlich in Embryonen, in welchen ich vorher die vollständigste Circulation Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 291 beobachtete, wegen der gesunkenen Temperatur des Wassers der Kreislauf völlig still gestanden, so dafs eine Minute und länger keine Spur von Bewegung irgend einer Art, weder im Herzen noch in den Gefäfsen wahrgenommen werden konnte, so gelang es sehr häufig durch hinzugetröpfeltes, sehr warmes Wasser, vor- züglich auf die Herzgegend, die Blutbewegung wieder herzustel- len. Hatte ich nun Herz und Gefäfse der Ai^ea pellucida in dem Gesichtsfelde und unverwandt meinen Blick auf beide gerichtet, während ich einen Tropfen sehr warmen Wassers auf die Herz- region fallen liefs, so strömte zuerst, ohne dafs eine Zusammen- ziehung des Herzens von mir vorher bemerkt wurde , das Blut nach dem Herzen, dieses contrahirte sich, trieb das Blut wieder rückwärts, und so wiederholte sich dieser Procefs mehrere Male, ohne dafs es zu einem Kreislaufe gekommen wäre. Setzte ich mehr warmen Wassers zu, so stellte sich dieser in der Regel wieder her. Doch will ich auf diese precäre Erfahrung in Bezug auf die oben erwähnte, wichtige Frage wenig bauen. Denn wie leicht konnte das Herz während der durch den Zusatz neuen Wassers erregten Undulation der Flüssigkeit sich zusammengezo- gen haben? Anderseits dagegen kann ich nicht verschweigen, dafs bei Embryonen von Perca das Herz nach meinen Beobach- tungen früher in Thätigkeit zu gerathen scheint, als die Blutge- fäfse in dem Körper oder auf dem Dottersacke sich ausbreiten, wie ich an einem anderen Orte auseinandersetzen werde. Doch mufs uns die ungemeine Durchsichtigkeit der äufserst zarten Fisch- embryonen bei unserem Urtheile sehr vorsichtig machen , da die zarten dickeren Blutströmehen selbst nur bei gedämpftem Lichte beobachtet werden können. — Nachdem wir nun so die Genese des Blutes und der Gefäfse überhaupt betrachtet haben, gehen wir zu den einzelnen Theilen über und zwar a. Zur Blutflüssigkeit. — Je jünger der Embryo ist, desto gröfser ist ihre relative und desto geringer ihre absolute Quanti- tät. Denn immer bilden sich im Laufe der Entwickelung neue Gefäfse aus und mit ihnen neue Blutflüssigkeit. Diese enthält aber in einer frühen Periode nur weniger Blutkörperchen, macht also zu der Zeit den etwas gröfseren Theil des Blutes aus. Bald jedoch tritt das umgekehrte Verhältnifs ein, dafs die Blutkörper- chen die Hauptmasse des Blutes constituiren. Denn dann sowohl, als in dem Erwachsenen sind zwar die Blutkörperchen nicht ohne 19* 292 Von dem Embryo. Blutflüssigkeit, wie man Döllinger (Was ist Absonderung? 1819. 8. S. 21.) oft mit Unrecht behaupten läfst, sondern, wie es offen- bar dieser geistreiche Naturforscher gemeint hat (S. die Rechtfer- tigung bei R. Wagner zur vergl. Physiol. des Blutes. 1833. 8. S. 41.) mit einer sehr geringen Quantität derselben verbunden. Dies zeigt schon der Umstand, dafs es mir sehr selten zu sehen gelang, dafs ein Blutkörperchen im lebenden Individuum das an- dere drückte und in seiner Form umänderte, sondern, dafs sie zum gröfsten Theile frei schwamnien und sich häufig ohne alles Hindernifs und ohne allen sichtbaren Stützpunkt um ihre eigene Axe drehten. Das Blut ist anfangs vollkommen hell und durchsichtig, wird späterhin gelblich und nimmt zuletzt eine rothe Farbe an. Das des menschlichen Fötus hat nach Haller {Elem. physiol. IL 1760. 4. p. 13.) eine weniger schöne, rothe und mehr dunkele, braune, Färbung, als in dem Erwachsenen. Haller, Hunter, Autenrieth, Oslander, Magendie (s. Job. Müller in Nasse's Zeitschr. für An- thropol. 1824. 8. S. 443.), Lauten {de respiratione foetus. Bonn. 1832. 8.) und E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 524.) fanden bei dem Fötus gar keinen Unterschied zwischen venösem und arteriellen Blute, während Hoboken, Swammerdamm, Diest, Girtanner, Beaudelocque u. A. einen solchen wahrgenommen ha- ben wollen. Bichat {^Anatomie generale II. 1812. 8. p. 344.) fand bei lebendig geöffneten, trächtigen Schweinen und Hunden, so wie bei Frauen, welche während ihrer Schwangerschaft ver- storben waren, in dem Fötus das ateriöse sowohl, als das ve- nöse Blut von derselben Farbe (vgl. recherches sur la vie et la mort. 1801. 8. p. 169.), wie im Erwachsenen. Späterhin je- doch (Anat. II. p. 465.) äufsert er die Vermuthung, dafs die ihm mündlich von Beaudelocque mitgetheilte Erfahrung der gröfseren Rüthe des in der Vena umbilicalis befindlichen Blutes, für den Menschen vorzüglich, vielleicht seine Richtigkeit habe. Job. Müller glaubte nach früheren Untersuchungen (Nasse's Zeitschrift 1824. S. 449.), dafs das Nabelarterienblut dunkeler, als das der Nabelvene, nicht so dunkel aber, als das venöse des Erwachse- nen, das Nabclvenenblut dagegen bei Weitem weniger hellroth, als das des Erwachsenen sey, überzeugte sich aber nach späte- ren, vorzüglich an Schaaf- und Kuhembryonen vorg-enommenen Untersuchungen (Physiol I. Abthl. 1. S. 303.), dafs kein Unter- Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 293 schied zwischen beiden Blutarten Statt finde. Jörg (die Zeugung. 1815. 8. S. 303.) giebt an, dafs er an dem Chorion des Pferdes einen Unterschied gesehen habe, während nach Blainville (1. c. p. 262.) beide Blutarten wenig oder gar nicht von einander ab- weichen. Nach Lavagna (Meck. Arch. I. S. 151.) gerinnt das Blut der Nabelvene zum gröfsten Theile fest, während das der Nabelarterie nur in einem äufserst geringen Theile gerinnt und einige dünne Faserstofffäden giebt. Nach Job. Müller (Nassc's Zeitschr. 1824. S. 450.) gerinnt das Blut der Nabelvene später, scheint eine gröfsere Quantität und lockereren Faserstoff, (der im Fötus überhaupt lockerer, als im Erwachsenen ist) zu besitzen, als das der Nabelarterien hat. Es färbt sich nach seinen älteren Erfahrungen (1. c. S. 441.) dunkeler, bleibt dagegen nach seinen neueren Beobachtungen (Physiol. S. 303.) unverändert unter der Luftpumpe. Unter kohlensaurem Gase wird es dunkeler violett. Das Blut der Nabelgefäfse wird nach Fourcroy und Joh. Müller an der Luft hellroth, wie das des Erwachsenen; nach Ersterem etwas langsamer und in geringerem Grade. Das Fötusblut ist nach Bichat (1. c. p. 345.) nie geronnen und enthält nach Blain- ville (I. c. p. 262.) eine geringere Menge gelatinösen, weichlichen Faserstoffes, dagegen mehr Eiweifs als im Erwachsenen. Nach ihm hat es auch in früherem Alter weniger phosphorsaure Salze und nach Denis mehr Wasser. Das Letztere wird jedoch von Lecanu bestritten. S. Joh. Müllers Physiol. I. S. 114. b. Die Blutkörperchen. — Nach Baumgärtner (1. c. S. 80.) verwandeln sich die Dotterkügelchen, welche bei der Forelle ein- fach, bei den Amphibien und Vögeln aus kleineren Kügelcben zu- sammengesetzt sind, zu Blutkörperchen, indem sie sich in einer bestimmten Ordnung an einander reihen, durchsichtiger werden imd eine mehr längliche und scheibenförmige Form erhalten. So- bald sie elliptisch geworden sind, färben sie sich auch roth. E. H. Weber hat keineswegs, wie es vielleicht aus R. Wagners (1. c. S. 37.) Worten zu folgen scheinen könnte, alles bestätigt ge- funden , sondern er giebt nur an (Hildebr. Anat. IV. S. 478.), dafs die frühesten Blutkörperchen körnigt imd rund, nicht platt sind. Wir selbst haben schon oben bei der Geschichte der Blut- genese überhaupt das Resultat unserer eigenen Beobachtungen re- ferirt und können hier nur noch hinzufügen, dafs bei dem Hühn- chen die Gröfse der Dotterkugeln (s. oben) noch einmal so viel, 294 Von dem Embryo. als die der ersten Blutkörperchen beträgt. Dafs die frühesten Blutkörperchen gröfser seycn als die der mehr ausgebildeten der Frucht und des Erwachsenen, wufste W. Hewson schon. So fand er sie im sechstägigen Hühnerembryo gröfser, als im erwachsenen Huhne (Opus posthuvium Laune vert. Vinpersse 1785. 8. p. 31. tab. I. fig. 4. 3.) und in Vipernembryonen gröfser als in dem Mutterkörper (1. c. tab. I. fig. 7. 6.). So kann ich selbst als das Resultat sehr vieler angestellter Messungen Folgendes hervorhe- ben. Vom dritten bis zum achten Tage der Bebrütung beträgt der Durchmesser der vollkommen runden Blutkörperchen 0,000608 P. Z., die mittlere Länge der elliptischen dagegen 0,000612 bis 0,000506 P. Z. und ihre mittlere Breite 0,000565 P. Z. bis 0,000304 P. Z., während im Huhne Prevost und Dumas ihre Länge 0,000453 P. Z. und ihre Breite 0,000246 P. Z. und R. Wagner ihre Länge 0,000555 P. Z. und ihre Breite 0,000333 P. Z. berechneten. Späterhin dagegen nehmen sie an Volumen ab, werden sogar, wie es scheint, oft kleiner, als sie im Erwachse- nen sind. So fand L C. Schmidt (über die Blutkörner. 1822. 4. S. 18.) die Blutkörperchen des neugeborenen Kindes um \ bis \' kleiner, als die des Erwachsenen, welches jedoch vor ihm Hew- son (1. c. p. 31.) nicht gesehen hatte. E. H. Weber (1. c. S. 478.) berechnete den Durchmesser derselben bei Froschlarven im ersten oder zweiten Tage, wo sie zu schwimmen angefangen hat- ten, zu 0,000622 P. Z. bis 0,000100 P. Z. und R. Wagner (1. c. S. 32.) in Kaulquappen, welche schon mit Füfsen versehen wa- ren, zu 0,000833 P. Z. , während sie im erwachsenen Frosche nach Prevost und Dumas 0,000927 P. Z., nach R. Wagner 0,000833 P. Z. bis 0,000927 P. Z., nach Job. Müller aber 0,000920 P. Z. bis 0,001400 P. Z. betragen. Nach anderen Beobachtungen scheint jedoch bei den Vögeln und Säugethieren während des gröfsten Theiles des Fötallebens, so wie bald nach der Geburt die Gröfse der Blutkörperchen von der des Erwachsenen nicht abzuweichen. So läugneten in älterer Zeit Muys, Senac und Spallanzani jeden Unterschied zwischen Blutkörperchen des Fötus und denen des Erwachsenen. So konnte Schmidt (1. c. S. 18.) keine Differenz zwischen denen sehr junger Kälber und denen des Ochsen wahr- nehmen. Ein Gleiches beobachtete R. Wagner (1. c. S. 39.) an Schaafen und Eidechsen und von Fischen bei Syngnathus. Wir selbst konnten sogar durch micrometrische Messung keinen Un- Entstehung des Blutes und der Blutgefäl'se. 295 terschied auffinden; so betrug z. B. schon bei zwei Zoll langen Scliweineembryonen ihr Durchmesser j wie im erwachsenen Scliweine, 0,000304 P. Z. und bei 6'" langen 0,000405 P. Z. bis 0,000328 P. Z. Ihre äufsere Form und Gestaltung wechselt im Laufe der Entwickelung sehr. Nach Hewson sind sie zuerst voll- kommen rund und gehen erst später in die längliche Form des Erwachsenen über. Dasselbe folgt auch aus Döllingers Beobach- tungen, sowohl an Fisch- als Froschembryonen. Nach Prevost und Dumas (Frorieps Notizen Novembr. 1824. S. 323.) sind sie bei dem Hühnchen vom zweiten und dritten bis zu dem sechsten Tage durchaus rund. An diesem letzteren zeigen sich einzelne elliptische Körperchen, die am siebenten und achten Tage sich so sehr vermehren, dafs am neunten Tage kein ruodes mehr, sondern lauter elliptische Blutkörperchen zu bemerken sind. Sie schrei- ben diese Veränderung der Thätigkeit der Leber zu, welche un- terdefs sich gebildet hat, was jedoch unrichtig ist. Denn ich sah sogar schon am Ende des dritten Tages recht häufig elliptische Körperchen unter den runden, J. C. Schmidt (1. c. S. 26.) fand die Blutkörperchen in der Keimbaut des bebrüteten Hühnchens durchaus sphärisch, niemals comprimirt. Nach Bauragärtner (1. c. S. 46. 47.) sind sie bei dem Frosche anfangs Kugeln , welche mit ihrer vollkommen sphärischen Oberfläche herumrollen, später, nachdem sie sich geröthet haben, länglich werden und in die Form plattgedrückter Linsen übergehen. Wesentlich dasselbe sah er auch bei Salamandern (S. 58.), Schlangen (S. 63.) und dem Hühnchen (S. 68.). E. H. Weber (1. c. S. 478.) fand das Gesagte bei Froschlarven bestätigt. Meine Resultate von vielen Beobach- tungen am Hühnchen, wo man allein ein sicheres Kriterium über Entstehung der Blutkörperchen in frühester Zeit hat, sind fol- gende : Ich kenne keinen sensibleren Theil des Körpei's, welcher aus dem lebenden Individuum entfernt schneller und auch bei den schwächsten, äufserCn Einflüssen merklicher sich änderte, als das Blut. Daher wird auch selbst von reinem Wasser, wie Hew- son schon wufste und in neuester Zeit Schmidt, Job. Müller, R. Wagner, wir selbst u. A. vielfach erfahren haben, die Form der Blutkörperchen wesenllich verändert. Schon Hewson bemerkte (1. c. p. 25.), dafs die Auflösung eines Neutralsalzes in den Ver- hältnissen wie 1:6 bis 1 : 12 die Form der Blutkörperchen nicht verändere. Job. Müller (Poggendorfs AnnaL 1832. S. 520.) eni- 296 ' Von dem Embryo. pfähl zu diesem Zwecke das Zuckerwasser, welches R. Wagner (1. c. S. 1, 2.) minder passend fand, als Auflösungen von Koch- salz und Salmiak oder das Eiweifs der Hühnereier (Letzteres ha- ben auch wir sehr zweckmäfsig gefunden, >venn man die äufser- ste, sehr flüssige und halbdurchsiclitige Schicht anwendet). Nach unserer Erfahrung kommt: es weniger auf den StofT, als darauf an, dafs eine geringe QßastHät eines neutralen (weder aufl'allend saue- ren noch auffallend alkalischen, noch auffallend ätzenden, wie viele Neutralsalze bei stärkerem Grade der Sättigung) Körpers in dem Wasser aufgelöst sey. Untersucht man nun Blutkörper- chen in der frühesten Zeit des Lebens, nachdem sie sich schon individualisirt haben, unter einer solchen Flüssigkeit oder, was noch besser ist, in ihrem eigenen Serum, so findet man ihre Form selbst in den Thieren, in welchen sie in der Folge elliptisch sind, durchaus rundlich. Ihre Oberfläche ist im kreisenden Blute sphä- risch, nicht so dagegen in dem eben aus dem lebenden Embryo entfernten. Hier sieht man sie ungleich, warzig, ja meist mehr geradlinigt begrenzt. So fand ich bei Hülinerembryonen vom dritten bis zum achten Tage wahrhaft tetraedrische Gestalten und in seltenen Fällen wahre Polyeder. Bei Schweineembryonen gin- gen von der Oberfläche Warzen wie Spitzen aus, welche fast ganz regelmäfsig von ihrer äufi>ersten Begrenzung ausliefen. Diese ersten und feinsten Nuancirungen des Todes des Blutes, d. h. sei- ner Entfernung aus dem lebenden Körper zeigen einerseits, wie sehr der organische Stoff noch zur geradflächigten Begrenzung, wie in den Crystallen hinneigt, was in Batrachiern und Fischen noch mehr erhellt, anderseits, wie leicht und schnell die Blutkör- perchen sich umändern. Zu der Klasse der letzteren Erscheinun- gen glaube ich auch die Kerne der Blutkörperchen rechnen zu dürfen, womit auch die Beobachtungen von Krause (Handbuch der Anatomie 1833. 8. Th. 1. S. XH.) und Wedemeyer (Meck. Arch. 1828. S. 346.) übereinstimmen. Ich finde keine Beschreibung des Erscheinens derselben genauer und naturgetreuer, als die von Blainville (Cours de Physiol. Vol. J. 1833. 8. p. 212.) gelie- ferte. Sie erscheinen unter den Augen des Beobachters, wenn das todte Blut auf dem Objectträger sich befindet und mögen da- her eine der ersten Folgen der raschen Decomposition des Blutes überhaupt seyn. Im kreisenden Blute gelang es mir nie, die Kerne der Blutkörperchen mit Bestimmtheit, wenigstens so scharf Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 297 begrenzt als später, wahrzunehmen. Nach Baumgärtner entstehen sie dadurch; dafs die Kugel in drei Theile zerfällt, in einen rund- lichen Kern, einen ihn umgebenden Ring und eine kleinere Quan- tität zwischen beiden enthaltener Flüssigkeit. Auf eine eigcn- thümliche Weise modificirt sich noch die Genese der Blutkörper- chen in den Embryonen der Eatrachier nach Purkinje's und mei- nen Erfahrungen. Die in dem Dottersacke enthaltenen Kugeln scheinen auf den ersten Anblick aus einer Menge kleinerer Kü- gelchcn zu bestehen. Zerdrückt man aber eine solche Kugel un- ter dem Compressorium , so zerfällt sie in eine sehr bedeutende Anzahl kleinerer Kugeln, welche meist eine regelmäfsig vierek- kige, würfelartige Begrenzung haben. Die ersten Blutkörperchen sind runde Kugeln, welche ebenfalls kleinere Körnchen zu ent- halten scheinen und bei dem Zerdrücken auf dieselbe Art in wür- felförmige Körperchen zerfallen. Dieses mag vielleicht Baumgärtner verleitet haben hier und der Analogie nach auch bei anderen Thie- ren beide zu identificiren. Doch sind hier die Dotterkugeln sowohl, als die in ihnen enthaltenen Körperchen weit kleiner als die Blut- kugeln und die in ihnen enthaltenen Körperchen. Auch habe ich nirgends selbst bei Fröschen und Salamandern einen unmittelba- ren Uebergang beider gesehen, noch etwas beobachtet, aus dem ein solcher mit Sicherheit zu erschliefsen sey. Ja nicht blofs die Blutkörperchen, auch die Kugeln des Rückenmarkes, der Wirbel- säule, des Darmes zeigen hier dieselbe Erscheinung, die wir eben so auch in den dem Dotter der noch nicht befruchteten Eier von Cobitis wahrgenommen haben. Aufser den Blutkörperchen linden sich in dem Blute noch andere solidere Theile und zwar 1. weit kleinere, rundliche, zwischen den Blutkörperchen wie eingestreute Kügelchen, welche Joh. Müller bei seinen Untersuchungen des Blutes des Erwachse- nen zum Theil vorzüglich berücksichtigte. Sie kommen eben so sehr in dem Embryonalblute, als in dem des Erwachsenen vor und haben aus dem lebenden Körper entfernt, wiewohl sie grö- fser sind, als die Brownschen Körperchen, lebhafte Molekularbe- wegung. Diese letztere hat der treffliche und noch immer viel zu wenig benutzte Gruithuisen (Beitr. z. Physiognosie und Heau- tognosie 1812. 8. S. 168. Vgl. Organozoonomie 1811. 8. S. XIII. Anhang S. 31.) schon vor länger als 20 Jahren in der Dottersubstanz wahrgenommen. Ich schalte daher seine eigene 298 Von dem Embryo. Beschreibung hier wörtlich ein: „Das Wunderbarste in diesem Dotter," sagt er (Beitr. S. 168.), „der durch die Brütung schon sehr verdünnt war, waren jene, fast wie Granit -Infusorien so kleine Körperchen, von nicht genau begrenzt gesehener Gestalt, die in ungeheuerer Menge da sind, welche Bewegung sich von der Bewegung der Infusorien dadurch unterscheidet, dafs sie äu- fserst gleichmäfsig ist und nie aufhört; es unterscheidet sich aber diese Bewegung auch von der dynamischen und chemischen da- durch, dafs diese beim Anziehen des Körperchens in der Bewe- gung beschleunigt, beim Abstofscn retardirt werden, jene Körper aber immer eine gleichmäfsige Bewegung beibeiialten, so wie sie fast nur allein von lebenden Organismen hervorgebracht werden kann." — 2. Wahre Dotterkugeln hat Gruithuiseu (1. c. S. 169.) in der Terminalvene und in dem Gefälskreise beobachtet, nie aber in der Aorta und J^ena cava. Er sieht daher das Blut der Terminalvene als diluirten Dotter an (1. c. S. 166.) und vermu- thet (1. c. S. 169.), dafs es im Küchlein mehrere Kreisläufe gäbe, dafs der Dotterkreislauf vielleicht ein blofser Abdominalkreislauf sey und die Leber die Scheidung des reinen Blutes vom Dotter- blute bewirke. — Wir selbst haben unter einer sehr grofsen Zahl von Hühnerembryonen, welche wir seit mehreren Jahren unter- suchten, zweimal wahre Dotterkugeln im Herzen gefunden. Das eine Mal w^urden sie durch die noch bestehende Systole weiter fortgetrieben. Entstünden die Blutkörperchen aus Dotterkugeln, so raüfste dieser Fall tagtäglich zu sehen seyn und nicht, wie es in der That ist, zu den gröfslen Seltenheiten gehören. Wir glau- ben vielmehr, dafs diese zwei Fälle pathologisch waren und da- durch entstanden, dafs das Blut ein zu grofses Maafs von Dot- tersubstanz eingesogen hatte, mehr als es zu fassen im Stande war, daher sich aus dem Blute erst die Oelsubstanz in freien Tropfen ausschied und mit demselben circulirte. c. Die Blutbahnen. — Wir müssen hier zwei verschiedene Momente nothwendig unterscheiden, nämlich das histiologische oder die Bildung der Gefäfswandungen und das morphologische oder den Verlauf und die Ramificationen der Gefäfse. Was das Erstcre betrifft, so haben wir oben gesehen, dafs aus der Ansamm- lungsflüssigkeit des Gefäfsblattes die Wände entstehen und da- durch sich bilden, dafs die Masse nach aufsen sich consolidirt, im Innern dagegen colli quescirt. Dies sieht man am deutlichsten im Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 299 Fruclithofe, wo neben dem Blutstrome zwei zarte darchsichtige Streifen, an denen ich keine Spur von Kügelchen wahrnehmen konnte, sichtbar sind. Die sogenannten Rinnen und die Wan- dungen derselben d. h. die Erhebungsseiten der von dem Scbleim- blatte und der Dotterschicht gebildeten Aufwulstungen sind also von den wahren späteren Gefäfswänden durchaus geschieden und begrenzen nur die Flüssigkeit, aus der sich Blut- und Gefäfswan- dung erst herausbilden. Dieses ist die schlichte Darstellung vie- ler von uns und mit möglichster Umsicht und Ruhe angestellter Beobachtungen, wobei vorzüglich Applanativ-Oculare besondere Dienste leisteten. Es folg^t aber nothwendig aus dieser Darstel- lung, dafs wir die Annahme wandungsloser Gefäfse durchaus ver- werfen müssen. Bekanntlich hat der treffliche DöUinger nebst mehreren aus seiner Schule hervorgegangenen ausgezeichneten Naturforschern das Gegentheil behauptet und dieser Voraussetzung gemäfs auch die Genese der Capillargefäfse beschrieben. Wir haben schon oben berichtet, dafs er vorzüglich zwei neue Wege der Blut- und Gefäfsbildung beschreibt, indem I. ein oder meh- rere Blutkörner in dem Thierschleime sich einen Weg bahnen, bald ihnen mehrere nachfolgen und so neue Stämmchen sich bil- den. Allein dafs hier ein Irrlhum obwalte, erhellt aus folgenden Gründen, a. Denn es wird die Wandungslosigkeit der kleinsten Gefäfse und Gefäfsnetze nothwendig vorausgesetzt und behauptet, diese seyen blofse Lücken des Thierschleimes. Zu der Reihe von Gegengründen, welche in neuester Zeit Burdach (Physiol. IV. S. 193.). E. H. Weber (Hildebr. Anat. III. S. 35.), Job. Müller (bei Burdach IV. S. 197. und in s. Physiol. I. S. 206.) und R. Wag- ner (1. c. S. 68. 69.) angeführt haben, müssen wir aufser dem Obigen noch folgendes hinzufügen: Liefsen wir ein Stückchen gut injicirter Dünndarmschleimhaut eine lange Zeit maceriren, so blieb zuletzt die Conformation des einer jeden Zotte entspre- chenden feinsten Blutgefäfsnetzes frei und ohne alle verbindende Membran zurück, also das vollkommenste Analogen der Windisch- mann'schen Erfahrung, Aufscrdem sahen wir nie, so oft wir auch den Blutumlauf in lebenden Thieren beobachteten, selbst in den Insektenlarven, auf die wir bald zurückkommen werden, etwas, das bei genauer Betrachtung auf gefäfslose Wandungen im Mindesten schliefsen liefse. Wenn man auch bedenkt, wie leicht durchsichtige, körnerlose Häute, dem blofsen, und auch 300 Von dem Embryo. vorzüglich dem bewaffneten Auge verschwinden, so wird mau diese gewifs, weil man sie nicht gleich sieht, dcfshalb nicht gänz- lich zu läugnen geneigt seyn. b. Hieran reihet sich die Behaup- tung, dafs in frühester Zeit die kleinsten Gefäfse in ihren Bah- nen nicht ganz bestimmt seyen. v. Bär (1. c. S. 32. bei Burdach S. 508.) hat eine Beobachtung gemacht, welche diese Ansicht direct zu beweisen scheinen könnte. Er sah nämlich an Eidech- senembryonen mit Bestimmtheit, wie aus einer Arterie für das Hirn sieben bis acht dünne Slrömchen ausflössen und dafs, je nachdem der einzelne Herzschlag kräftiger oder schwächer war, die beiden hintersten Strömchen näher oder entfernter von der vorderen verliefen. Allein genau betrachtet beweist diese Erfah- rung gerade das Gegentheil von dem, was v. Bär daraus herlei- tet. Denn hätten diese beweglichen Gefäfschen noch keine be- stimmte Bahnen und distincte Wände gehabt, so wären sie bei den heftigeren Contractionen des Herzens nicht seillich ausgewi- chen, sondern es wären noihwendig bei stärkerem Impulse brei- tere Extravasaten nicht unähnliche Strömungen entstanden, wie man sie bei unglücklichen Injectionen der feinsten Blutgefäfse täglich sieht. Sie hatten vielmehr schon ihre Wandungen und mithin bestimmte Bahnen. Die ersteren waren schon fest und leisteten, selbst dem heftigeren Stofse des Herzens für sich auch schon den gehörigen Widerstand. Allein nicht so der flüssige sie umgebende Thierstoff. Er gab nach und daher oscillirten die mit Blut gefüllten Gefäfse in ihm. An einem anderen Orte (Untersuchungen über Gefäfsvcrb. zwischen Mutter und Frucht 1828. fol. S. 12. 16 fgg.) sucht v. Bär die Wandungslosigkeit der kleinsten Gefäfse durch Injectionen zu beweisen. Allein auch hier hat mich meine Erfahrung eines Anderen belehrt. Bei Er- wachsenen füllen sich nach glücklicher Einspritzung alle Capil- largcfäfse, d. h. die Masse geht aus den Arterien in die Venen und umgekehrt über, ohne an irgend einem Punkte auszutreten oder die Gefäfse an einzelnen Stellen zu erweitern. Bei Fötus ist dieses anders. So leicht es hier ist, die gröfseren Gefäfs- stämme mit passenden Kanülen und sehr kleinen Spritzen anzu- füllen, so überaus schwer ist es, die Capillargefäfse vollständig zu injicircn, so dafs die Masse durch die entsprechenden Venen oder Arterien zurückkehrt. Ist der Druck, welchen man auf den Stempel der Spritze anwendet zu schwach, so füllen sich Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 301 die Gefäfsästcben nur bis zu einem gewissen Punkte und die nucroscopisclie Betrachtung läfst dann nur Bäumchen, nicht aber die wahre Gestalt der feinsten Blutgefäfse als Netze wahrnehmen. Wird die Injectionsmasse aber mit einer relativ zu grofscn Kraft eingetrieben, so zerstört sie die zarten Wände der Capillarge- fäfse und es entstehen daber entweder mehr oder minder grofse und ausgedehnte Extravasate, oder sie reifst den halbQüssigcn Stoff der Wände in die durch ihre Gewalt in dem weichen Thierstoffe gebahnten Wege mit sich. In dem letzteren Falle vermischen sich der Embryonalstoff mit der Einspritzungsmasse und es zeigen sich so einzelne gefärbte Punkte der Letzteren, aus denen sich aber durchaus nichts entnehmen läfst. Gelingt es, was freilich nur sehr selten der Fall ist, die feinsten Blutge- fäfse auch bei zarten Früchten vollständig zu füllen, so bilden sie eben so scböne und bestimmte Netze als in dem Erwachse- nen, wie aufser meinen, auch Czeimak's Erfahrungen (Haulik 1. c. p. 4.) beweisen, c. Es soll ein Blutkörperchen von einem schon gebildeten Gefäfschen abgehen, sich in dem Thierstoffe einen eigenen Weg bahnen und so ein neues Gefäfschen erzeugen oder in dem Tbierstoffe verschwinden und sich an ihn anlegen. — Man sollte doch endlich einmal von dem Wahne zurückkom- men, solche dynamische Vorgänge, wie Wachsthum, Ernährung u. dgl. mit körperlichen, wenn auch mit den trefflichsten Linsen bewaffneten Augen als Ankleben, Anlagerung, unmittelbare me- chanische Verbindung u. s. f. sehen zu wollen! — Sind denn die Blutkörperchen in der That so hart, dafs sie sich Wege gra- ben können? sie, die in ihrer Form sogleich geändert und zu- sammengedrückt werden, sobald sie ein feineres Aestchen, als sie selbst sind, durchlaufen müssen? die sich in jeder Flüssigkeit so leicht zum Theil lösen und in keiner Rücksicht eine Spur gröfse- rcr Härte, wie die des Thierstoffes ist, verrathen? — Allein die- ses scheinbare Einschiefsen eines oder mehrerer Blutkörperchen in ein früher noch nicht gesehenes Seitengefäfs läfst sich leicht aus folgenden Thatsachen erklären: 1. Nie werden nach einer Systole des Herzens alle feinsten Blutgefäfsnetze zugleich gefüllt, sondern viele bleiben einen Augenblick scheinbar leer (enthalten wahrscheinlich blofse Serosität) und nehmen erst nach einem küi'zeren oder längeren Zwischenräume Blutkörperchen auf, wie Wedemeyer und Job. Müller gefunden haben und ich selbst be- 302 ' Von dem Embryo. stätigen kaim. 2. Wir haben schon oben berichtet, dafs in aller- frühester Zeit eine geringere Anzahl von Blutkörperchen im Blute vorhanden sey, als später. Ein solcher Zustand kommt partiell sehr häufig an einzelnen Stellen selbst in späteren Sta- dien vor und ist vielleicht hier wegen der immer neu hinzukom- menden Blutströmehen gesetzlich. Im ganzen Kreislaufe dagegen habe ich mit Purkinje diesen Zustand bisher nur einmal bei einem viertägigen Embryo als Bildungshemmung beobachtet. Es war keine Spur rothen Blutes mit blofsen Augen wahrzunehmen, mit Ausnahme des Terminalgefäfses, welches einige wenige roth ge- färbte Pünktchen enthielt. Dessenungeachtet schlug das Herz mit grofser Heftigkeit und dieses sowohl, als die Gefäfse, enthiel- ten eine weifse, farblose Flüssigkeit mit überaus wenigen, ihrer Form nach ganz und gar normalen Blutkörperchen. Allein we- der hier, noch bei den Larven von Epheviera und Corethra, wo wir anhaltend den Blutumlauf beobachteten, konnten wir je eine Spur einer unmittelbaren Veränderung der Blutbahn oder eine Abweichung des Blutes von dem vorgeschriebenen Wege wahrnehmen, sondern manche Aestchen verschwanden für einige Zeit, wenn nur Blutflüssigkeit in ihnen circulirte, dem Anblicke, erschienen aber durchaus an denselben Stellen und in denselben Bahnen wieder, sobald einige Blutkörperchen hindurchgingen. — Auch wird durch die von uns bestrittene Döllingersche Behaup- tung zwar das Entstehen eines neuen Gefäfsästchens begreiflich gemacht, allein man sieht nicht, wie Job. Müller (1. c. S. 358.) schon bemerkt, warum dieses gerade zur Arterie oder Vene ge- lange und so zum feinsten Blutgefäfsnetzchen würde. Zur Erklä- rung des Letzteren wäre eine neue vis occulta nothwendig. — IL Eine zweite Art der Entstehung von Blutgefäfsnetzen oder Aestchen hat ebenfalls Döllinger (Absond. S. 25.) angegeben. Die Körner des Thiersloffes fangen an zu oscillireo, lösen sich ab, runden sich zu und stellen so ein in benachbarte Stämmchen mündendes Gefafs dar, in welchem bald wahre Strömung eintritt. Baumgärtner (1. c. S. 50.) dagegen glaubt, dafs die neuen Ström- chen von den alten Gefäfsen in ihr Bereich gezogen werden. — Ich möchte wohl fragen, ob diese Männer alle einzelne Momente verfolgt oder die Lücken durch Combination ausgefüllt haben. Von theoretischer Seite aus läfst sich gegen diese Entstehungs- weise fast gar Nichts sagen. Sie steht mit der Natur der Blut- Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 303 bildang dem Wesen nach in Consonanz. Ob aber Alles mit sinn- lichen Augen gesehen worden sey, mufs ich durchaus bezweifeln. Dergleichen Naturprocesse gehen eben so wenig, als die Wachs- thums Veränderungen, so unmittelbar und rasch vor sich, dafs sie von uns sinnlich vollständig zu verfolgen wären. Sie entstehen in den feinsten Nuancen, gehen in den zartesten Nüancirungen fort und erst das Product derselben und das Ganze der Umbil- dung wird uns dadurch kenntlich, dafs wir einzelne, abgerissene und der Zeit nach entfernte Momente ergreifen, mit einander ver- gleichen und in ihren Unterschieden auffassen. Zuletzt syntheti- siren wir den Hergang, der für das Blut wohl folgender seyn dürfte: Es verflüssigt sich zwischen den alten Netzen und Gefä- fsen ein Theil des Thierstoffes für sich und unabhängig von den Gefäfsen. Die Verflüssigung setzt sich nach beiden Seifen ver- schmälert fort, bis sie benachbarte Gefäfswände erreicht, auch diese in ihr Bereich zieht und so mit dem übrigen Blutgefäfssy- steme in Communication tritt und gleiche Bewegung mit ihm er- hält. Dafs es aber aufser dieser Bewegung für sich (noch vor seiner Einmündung in die älteren Stämmchen) eigene, selbststän- dige Bewegung habe, dürfte kaum unmittelbar wahrgenommen werden können. Von theoretischer Seite aus möchte ich es so- gar bezweifeln. Mehreres noch über Gefäfsbildung, besonders über Histiogenie der Wände, siehe unten bei Gelegenheit des Herzens. Was nun die morphologischen Verhältnisse des Gefäfssyste- mes betrifft, so mufs man hier nothwendig mehrere Distinctionen machen, um bei der nicht geringen Zahl von Einzelheiten die Uebersicht des Ganzen im Auge zu behalten. 1. Ganz nach an- fseu liegt der Kreislauf der Dottergefäfse , vergänglicher bei ver- schiedenen Thieren zu verschiedeneu Zeiten verschwindender Ge- fäfse. Bei den Säugethicren sind die Gefäfse der Nabelblase {F^e- sicula umbilicalis bei dem Menschen, «?. erytliroides bei den übr. Säugethicren) wahre Dottergefäfse. 2. Nach ihnen müssen wir die in dem Embryo selbst enthaltenen Gefäfse nebst ihrer Ausbreitimg an und zwischen den Eihäuten und 3. das Central- gefäfs des Embryonalkörpers, das Herz betrachten. Diese drei Klassen von Gefäfsen haben ursprünglich einen Charakter und in gewissen Hauptrepräsentanten eine zeitliche Genese, indem das Gefäfsblatt nach Analogie der Keimhaut selbst in der Fläche in drei Zonen sich gliedert, von denen die äufsere dem Dotter aa- 304 Von dem Embryo. gehörende zeitig schwindet, die mittlere dem Gcfafsblatte analoge theils zu bleibenden Gefäfsen sich sondert, theils mit der Geburt bei verändeter Athmung eingeht and die innerste endlich, wie der innerste Theil des Fruchthofes, der Embryo nämlich, relative Selbständigkeit behauptet und functionell sowohl, als histiologisch mit einem eigenthümlichen Charakter als Herz sich darstellt. 1. Die Dottcrgefäfse. — Um einen sicheren Anhaltspunkt zu bekommen, müssen wir auch hier auf den Vogelembryo zu- rückgehen. Wir haben schon oben bemerkt, dafs die äufserste Grenze der Zone des Gefäfsblattcs sich mit einem Ringe bezeich- nete. Diese Peripherie des Gefäfsblattcs wird zu einem circulä- ren Blutgefäfse, welches man im Allgemeinen Vena terminalis, Pander (Beitr. S. 15.) dagegen sinus terminalis nennt. Denn er liegt in dem Zwischenräume zwischen dem serösen und dem Schleimblatte und soll nach P., was wir jedoch noch sehr be- zweifeln müssen, nie eine eigene Haut erhalten. Er ist ein Kreis, welcher in der Regel nur oberhalb des Kopfes, bisweilen jedoch auch unterhalb des Schw^anzendes etwas unterbrochen ist. Nach- dem er nämlich den ganzen übrigen Theil des Embryo circulär umgeben, biegt er am Kopfe jederseits ein, um mit ihm selbst zu communiciren. Nach Pander hat er am vierten Tage seine relativ gröfstc Ausbildung erreicht, vergröfsert sich seinem Um- fange nach zwar noch in der Folge, wird aber schmäler, erscheint am siebenten bis achten Tage als ein dünner rother Faden und vei'sch windet zuletzt, ohne eine Spur zu hinterlassen. Nach in- nen zu verbindet er sich mit vielen Gefäfsen netzförmig, so dafs das Ganze einen herrlichen Anblick gewährt, wie ihn so schön Pander in s. Beitr. tab. 8. hat abbilden lassen. Diese feineren Gcfäfschen sammeln sich in Aeste und zwar zu folgenden vier bis fünf Hauptstämmen: a. Von der Einbiegungsstelle geht ein einfacher oder doppelter Hauptstamm nach dem Herzen des Embryo hin. Wo zwei Stämme vorkommen, ist dieses nach v. Bär (I. 0. S. 36. bei Burdach S. 266.) nur Varietät, durchaus nicht Entwickclungsverschiedenheit. Finden sich zwei Gefäfsc, so laufen sie anfangs ziemlich parallel, später mehr gegen einan- der divergirend von den beiden Rändern des Kopfes, um in das Herzrohr von beiden Seiten einzumünden. Kommt nur einer vor, so senkt er sich in den linken Herzschenkel ein; in den rechten dagegen tritt nach v. Bär (L c. S, 36. bei Burdach S. 266.) ein aus Entstehung des Blutes und der Blulgefäfse. 305 aus dem Gefäfshofe kommender Ast. b. Ein unterer Stamm, welcher nur selten doppelt ist, in welchem Falle dann immer das Terminalgefäfs auch am hinteren Ende, wie am Kopfe, ein- gebogen und unterbrochen sich findet. Der Stamm geht an der linken Seite des Embryo hinauf und mündet mit den oben ge- nannten Stämmen zusammen, c. Zwei quere Stämme. Diese stehen einerseits mit den Netzen des Gefäfshofes, anderseits mit Rumpfgefäfsstämmen und zwar mit diesen unter beinahe rechten Winkeln in Verbindung. — Den Charakter dieser Gefäfse hat Spallanzani entdeckt. Die beiden Quergefäfse sind Arterien und der obere sowohl, als der untere Längenstamm Venen. In der frühesten Zeit ist nun, wenn wir den noch weiter unten zu be- schreibenden temporären Zustand des Herzens und der grofsen Gefäfse berücksichtigen, der Kreislauf folgender: Alles Blut des Gefäfshofes sammelt sich in dem Yenösen Terminalgefäfse und dieses schickt es durch seinen oberen und unteren Ast zum Her- zen, welches jetzt noch ein in sich gekrümmtes, einfaches Rohr darstellt. Durch die Systole des Herzens getrieben geht nun das Blut in einem einfachen Stamme (Arterienstamme) fort, der sich an seiner Umbiegungsstelle am Halse in zwei an der inneren Seile der Wirbelsäule fast parallel verlaufende starke Aeste theilt. Jeder derselben giebt nun constant etwas unter der Mitte seiner Länge einen grofsen Querstamm, und aufserdem an anderen Stel- len, vorzüglich an dem hinteren Ende kleinere Aeste ab, welche das Blut wieder in den Gefäfshof führen, um es wiederum den alten Kreislauf durchmachen zu lassen. — Auch in den Säugethie- ren und den übrigen Wirbelthieren, so "svie dem Menschen findet sich in allerfrühester Zeit wahrscheinlich derselbe oder ein ähnli- cher Kreislauf, wie dieses von Amphibien Emmert, Hochstetter, Tie- demann, Job. Müller u. A. und Rathke von Fischen gezeigt hat. So hat Cuvier an der Darmblase der Nager die Terminalvene deutlich gesehen (vgl. Meck. Arch. V. S. 582.). Doch ist sie ihres zeitigen Verschv\rindens wegen weder bei den übrigen Säugethieren, noch bei dem Menschen wahrgenommen worden. — Ist nun das Con- tentum der Nabelblase Dotter, so sind die auf derselben sich ver- breitenden Gefäfse Dottergefäfse. Diese entspringen, wenigstens in späterer Zeit aus einer Arterie, der Arteria ompkalo 'Viesa- raica, und sammeln sich zu einem gleichuamigen Venenstamme, 20 306 Von dem Embryo. welcher sich in die Vena mesenterica einsenkt, während die Arterie aus der Arteria mesenterica superior entspringt, 2, Die Embryonalgefäfsverbreitimg. — Zu dieser gehört nicht blofs der Complex aller derjenigen Gefäfse, welche in dem Embryo selbst enthalten sind, sondern auch derjenigen, welche sich in seinen jedesmaligen Athmungsorganen befinden, diese mö- gen sich innerhalb seines Körpers selbst verästeln oder aufserhalb desselben verbreiten. Gehen wir nun von dem Herzen, welches zuerst ein gerades Centralgefäfs ist und später sich in sich krümmt, aus, so sehen wir, a. dafs bei dem Vogel da, w^o das Centralge- fäfs nach der vorderen Seite der Wirbelsäule umbiegt, zwei Stämme sich finden, welche ziemlich parallel bis zu dem Schwanz- ende des Embryo verlaufen. Diese geben in* der Mitte ihres Verlaufes unter fast rechten Winkeln die schon oben genannten Gefäfshofarterien und am Ende ihres Verlaufes zwei oder meh- rere kleinere Pulsaderstämmchen für die Area vasculosa ab. So finden sich zuerst zwei aortenähnliche Stämme, so wie in frühe- ster Zeit des Embryonallebcns (s. unten) zwei Hohlvenen vor- kommen. Nun tritt eine neue und wichtige Bildung dazwischen. Denn wenn man vielleicht nicht mit Unrecht die Functionen des Gefäfshofes so ansieht, dafs bei ihm Verdauung und Athmung, wie in vielen niederen Thieren, in eines zuammenfallen, so tritt nun später entweder rudimentär oder fimctionell eine wahre Fötalath- mung ein und zwar a. als Halskiemenbildung, wenn auch nicht zu wahrer Respiration, doch als merkwürdige Andeutung von Ath- mungsorganen gebildet, wie sie bei den niedrigsten Wirbelthiereu weiter ausgebildet im erwachsenen Zustande vorkommen. Diese geht auch, wie wir bald sehen werden, in die Lungengefäfsbildung zu einem nicht geringen Theile ein. Nach Pander (Beitr. tab. IX. fig. 3.) entstehen aus dem aus deiii Herzen kommenden Stamme drei Aeste, welche am Rücken wiederum zu einem Hauptstamme zu- sammenstofsen. Nach Huschke (Isis 1827. S. 402.) theilt sich der einfache aus dem Herzen kommende Stamm in drei quere Aeste jederseits, welche in den Kiemenspalten (s. unten Schleimbl.) verlaufen, dann sich allmählig mit einander und zuletzt zu einem Stamme vereinigen. Der Fischtypus ist also in dieser Hinsicht vollkommen realisirt. Der einfache, aus dem Herzen kommende Stamm ist truncus arteriosus, die Queräste, Kiemengefäfse und der vereinigte Hauptstamm Körperarterie, Diesem Factum stimmte Entstehung des Blutes und der Blutgelafse. 307 auch Rathkß (Isis 1828. S. 83.) nach seinen früheren Untersu- chungen bei. Nach v. Bär (1. c. S. 52. bei Burdach S. 282.) theilt sich der truncus arteriosus am dritten Tage der Bebrii- tung in vier Paar Kiemengefäfse , von denen der am hinteren Rande der MundöfFnung verlaufende der stärkste, der unterste aber so schwacli ist, dafs er nur farbloses Blut aufnimmt. So scheint es auch Rathke nach späteren Beobachtungen {JSov. Act. Acad. N. C. XIV. Abth. 1. S. 166.) gesehen zu haben. — Allein der unterste Ast ist ein neuer und entsteht erst im Laufe des dritten Tages. Die weiteren Metamorphosen dieser Kiemenge- fäfse sind nicht ganz leicht zu beobachten und daher verschieden angegeben worden. Nach Iluschke (Isis 1827. S. 402.) schickt am vierten oder vielleicht schon am dritten Tage das oberste Kiemengefäfs an seinem hinteren Ende einen Ast, die Carotis^ nach dem Kopfe. Zwischen dem fünften und sechsten Tage aber verschwindet das hintere linke, dem Herzen zunächst abgehende Kiemengefäfs gänzlich, während das rechte bleibt, nur seinen Verbindungszweig mit den übrigen Querästen verliert und zuletzt die rechte Arteria pulmonalis darstellt. Die linke Arteria pul- Tnonalis dagegen bildet sich aus der übrig gebliebenen zweiten Kiemenarterie. Das zweite rechte Kiemengefäfs wird zur Aorta, verliert blofs die Verbindungszweige mit den benachbarten Kie- mengefäfsen und diese metamorphosircn sich hierdurch zu den Anonymis. Unterdeis wird der aufsteigende Stamm der Aorta verkürzt. Das rechte dritte und das linke zweite Kiemengefäfs verbinden sich zu dem gemeinschaftlichen Stamme der Arteria pulmonalis und rücken an das rechte Herz, während die beiden vorderen Kiemengefäfse als Anonymae sich mit dem zweiten rechten verbunden haben, das als Aorta in das linke Herz ein- tritt. — Nach Rathke (Isis 1828. S. 83.) verschmelzen das linke vordere nnd das rechte hintere Kiemengefäfs in ihrem Vorsprunge zu einem einfachen Stamme, der sich in den rechten Ventrikel mündet. Das linke vordere Gefäfs entspringt allein aus dem linken Ventrikel und wird, indem es sich erweitert, zur Aorta pectoralis. Aus jedem der beiden übrig gebliebenen Gefäfse ent- steht ein besonderer in die Lunge sich einsenkender Gefäfszweig, der sich mit dieser immer mehr vergröfsert. Der obere Theil dieses Gefäfses tritt nun im Laufe der Entwickelnng in die Be- deutung des ductus arteriosus Botalli, Huschke (Isis 1828. S. 20 * 308 Von dem Embryo. 160, 163.) hat jedoch späterhin seine eigene Ansicht wiederum vertheidigt, nach Untersuchuagen an Amphibien bestätigt und mehrere von Rathke's Irrthümern berichtigt. — Nach K. E. v. Bär treten bei dem Hühnchen die vier Bogen erst in einen Sei- tenast jederseits zusammen, zu seiner sogenannten Aortenwurzel. Am Anfange des dritten Tages laufen beide Aortenwurzeln noch eine Strecke getrennt und vereinigen sich erst in einiger Entfer- nung vom ersten Kiemenbogen nach hinten zu einem einfachen Stamme, zur Aorta (1. c. S. 53. bei Burdach S. 282.). Aus dem ersten Kiemengefäfse tritt die Kopfschlagader hervor. Am vier» tcn Tage aber schliefst sich das erste Kiemengefäfs und der Kopfschlagader strömt nun auf demselben Wege neues Blut zu, auf welchem es früher abflofs (1. c. S. 57, bei Burdach S. 287.). Nun wird auch das zweite Kiemengefäfs schwächer, während das dritte und vierte sich verstärken. Zugleich entsteht ein fünftes Kiemengefäfs unterhalb des vierten, welches auf der rechten Seite stärker ist, als auf der linken und so hat man wiederum vier Kiemengefäfse, die aber den früheren vier Kiemengefäfsen durchaus nicht entsprechen (I, c. S. 73, bei Burdach S. 304. und Meck. Arch. 1827. S. 559.). (Parallelisirt man beide Reihen, so hat man folgendes Schema: Erste Reihe, a. 1. 2. 3. 4. 0. Zweite Reihe, b. 0. 1. 2. 3. 4,) Das vorderste Kiemengefäfs a. No. 2 = b. No, 1. verschwin- det allmählig, während die drei hinteren sich noch immer erwei- tern, b, No. 4, bleibt jedoch schwach und nur mit Mühe kennt- lich (1. c. S. 83. bei Burdach S, 315.) und schwindet endlich ganz. Nun bilden sich zwei Ströme deutlich aus. Der Strom aus der rechten Herzkammer geht am Ende des sechsten und Anfange des siebenten Tages nach b. No. 3. (=a, No. 4.) der linken und b. No. 4. der rechten Seite; der Strom aus der lin- ken Kammer dagegen nach a, No. 3. (= b. No. 2.) beider Seiten und nach b. No. 3. {=a. No. 4.) der rechten Seite (1, c. S. 101. bei Burdach S, 331.). Wenn nun mit weiterer Trennung der Herzkammer beide Bogen sich deutlicher scheiden, so geht na- türlich der aus der linken Kammer nach a. No, 4, (== b, No". 3.) der rechten und a. No. 3. (=b. No. 2.) beider Seiten, der aus der rechten Kammer dagegen nach b. No. 4. der rechten und a. No. 4. (=:b. No. 3.) der linken Seite. Nun schicken bald b. Entstehung des Blutes und der Blutgefafse. S09 No. 4. der rechten und b. No. 3. (=a. No. 4.) der linken Seile Zweige in die Lungen.. Im Laufe der Entwickehmg werden a. No. 3. (= b. No. 2.) zu truncis anonymis (yorderen Schlagader- stammen), a. No. 4. (=b.. No. 3.) der rechten Seite zur abstei- genden Aorte und b. No. 4. der rechten und a. No. 4. (^= b. No. 3.) der linken Seite zu Luugenschlagadern (1. c. S. 116. bei Burdach S. 346. und Meck. Arch. 1827. S. 364.). Man sieht also aus der schönen Darstellung Bars, dafs er in manchen Punk- ten von Huschke abweicht, in manchem aber ihn bestätigt. — In der Folge lösen sich die vorderen Schlagaderstärame allraähjig immer mehr von den hinteren Bogen und gehen dann unmittel- bar in die Kopf- und Armschlagader über, während ihre Ueber- gänge in die Aortenwurzeln sich immer mehr verdünnen. Die Lungenschlagader der linken Seite ist gröfser, als die der rech- ten und bildet die Wurzel der Aorte selbst. Es wird nämlich der hintere Schlagaderstamm auf Kosten der Lungenschlagader dieser Seite weiter, so dafs der truncus anonymus vorzüglich die rechte Wurzel der Aorta bildet und die Lungenschlagader nur als Ast aufnimmt (l. c. S. 129. bei Burdach S. 362.). Zuletzt endlich erscheinen die Uebergänge der Luugenschlagadern in die Aorta mehr als communicireude Kanäle, während die Verbindungs- canäle zwischen truncis anonymis und den Wurzeln der Aorta schwinden (1. c. S. 136. bei Bardach S. 368.). Der rechte bo- tallische Gang ist bei dem Auskriechen um Vieles kürzer, als der linke (1. c. S. 137. bei Burdach S. 370.). — Eine kürzere, mit der V. Bär im Wesentlichen übereinstimmende Darstellung hat Rathke {Nov. Act. Acad. N.. C. XIV. Abth. L S. ISO.) nach späteren Untersuchungen geliefert. — Wir haben absichtlich diese vollständige Geschichte der Gefäfsmetamorphosen , wie sie bei dem Hühnchen verfolgt wurden ,^ vorausgeschickt,, um die verein- zelten bei Säugethieren und Menschen gemachten Beobachtungen besser beurtheilen und jede specielle Form in ihre bestimmte Stelle bringen zu können. — v. Bär {de ovi mainmalium et hominis genesi. 1827. 4. p, 3. tab. 1, fig, VII a.) fand in einem 4 Linien langen Hundeembryo eine Anordnung der Kiemenge- fäfse, wie sie früher schon von ihm und Anderen aus dem Vogel beschrieben worden war. Aus der Aortenzwiebel kamen vier deutliche Paare von Gefäfsbogen (Kiemengefäfsen), die sich unter der Wirbelsäule zu einem gemeinschaftlichen Stamme, der Aorta, / 310 Von dem Embryo. sammelten. Das erste Kieniengefäfs schickte einen Ast nach oben nach dem Kopfe, das zweite einen nach hinten oberhalb und das dritte einen nach hinten unterhalb des Ohres. Das erste und zweite kam aus einem ähnlichen Bulbus hervor, wie man ihn ebenfalls bei dem Hühnerembryo beobachtet. Spätere Unter- suchungen (Meck. Arch. 1827. S. 564. und dasselbe 1828. S. 145.) an Hunden imd Kaninchen licfsen ihn wahrnehmen, dafs bei Säu- gethieren eben so, wie es oben von den Vögeln angegeben wurde, fünf Paar Gefäfsbogen vorhanden sind, welche ihrer zeitlichen Genese nach in dieselben beiden vorigen Reihen zerfallen. Auch Rathke (Nov. Act. Acad. N. C. XIF. Abth. 1. S. 193.) fand, wenn auch nicht directe Beweise, doch einige Belege für diesen kaum zu bezweifelnden Ausspruch. (Vgl. auch Kiemenapparat S. 41.) — Doch mufs, wie v. Bär (Meckels Archiv 1827. S. 564.) schon bemerkt, in der ferneren Metamorphose dieser Gcfäfse inso- fern ein Unterschied von den Vögeln sicli zeigen, als bei den Säu- gethiereü nur ein botallischer Gang vorkömmt. Leider ist aber die nothwendige Reihe von genauen Beobachtungen, welche ein- zig und allein mit Bestimmtheit hier ein Urtheil fällen läfst, noch überaus lückenhaft. Ja die Angaben der entschiedensten Aucto- ritäten widersprechen hierin nicht selten einander gerade zu. Indem wir die meist unsicheren, unbestimmten und mehr für die Gröfsenverhältnisse der einzelnen Gefäfse berechneten Angaben aus älterer Zeit übergehen und in dieser Hinsicht auf Hallers Eiern, physiol. Vol. II. p. 159. und V^ol. Pill. p. 392. verwei- sen, wo sie sämmtlich gesammelt sind, heben wir folgende hier- her gehörige Erfahrungen gediegener Naturforscher heraus, j. Wrisberg {descv. evihr. hum. p. 61.) sah bei einem viermonat- lichen Fötus die Arteria pulmonalis bis zu dem botallischen Gange weiter als die Aorta, bei ihrer Theilung in die Lungen selbst fadendünn, während der botallische Gang sehr breit sich zeigte. 2. J. F. Meckel (Abb. aus der menschl. u. vergl. Anat. 1806. 8. S. 283.) sah bei einem 13 Linien langen Embryo Aorta und botallischen Gang von gleicher Weite; bei einem 15 Linien langen (S, 298.) stieg der arteriöse Kanal gerade zur Aorta em- por, war von gleicher Weite mit ihr und senkte sich in der Mitte ihres Bogens unter der linken Carotis ein. Die Lungen entsprangen in der Mitte der Länge des arteriösen Ganges und waren kaum halb so weit, als dieser. Die grofsen Aeste des Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 311 Aortenbogens waren ganz dicht neben einander und entfernten sich nach oben unter einem stumpfen Winkel. Bei einem Em- bryo von 18 Linien Länge (S. 311.) schlug sich die Lungenarte- rie gleich nach ihrem Austritte nach links und senkte sich, in- dem sie, um zur Aorta zu gelangen, einen kleinen Bogen machte, unter der linken Subclavia in dieselbe ein. Die Aorta ging hin- ter der Lungenarterie zuerst nach rechts, schlug sich dann in einem der Lungenarterie concentrischen Bogen über sie nach oben und schickte dicht neben einander den Truncus anonymus und die Carotis sinistra, eine halbe Linie nach links aber und unter der letzteren die Subclavia sinistra ab. Bei einem Fötus von 2 Zoll und 2 Linien Länge w^ar der Aortenbogen noch spitzer. Die Artei'ia pulmonalis verlief fast horizontal von vorn nach hinten und senkte sich am Ende des Bogens links von der Wir- belsäule unter einem spitzen Winkel in die Aorta ein, die sich hierdurch aber nur um Weniges erweiterte. Bei einem 3|; Zoll langen Fötus (J. c. S. 351.) war der arteriöse Gang etwas enger, als die Lungenarterien, ging fast gerade nach hinten und schien wegen der stärkeren Biegung der Aorta tiefer unter den Aorten- bogen hinabgerückt."; — üeberaus interessant ist, dafs Meckel die aus dem Hühnchen ihm schon bekannten Quergefäfse mit den Kieraengefäfsen der Fische parallelisirt (Beitr. zur vergl. Anat. Bd. 1. Hft. 1. S. 103.), so wie überhaupt noch weiter un- ten gezeigt werden soll, dafs dieser geistreiche Forscher schon vor langer Zeit die Existenz von Kiemen in den Embryonen der Säugelhiere vermuthet habe. — Nach seinen späteren Untersuchun- gen (in s. Arch. IL S. 404.) entsprang bei einem 5 Linien langen Em- bryo die Aorta aus dem obersten Theile des Herzens, lag in der Mit- tellinie, stieg gerade in die Höhe und spaltete sich in zwei Aeste, welche nach oben gewölbt über dem oberen Rande der Vorhöfe nach aufsen verliefen. Bei einem 6 Linien langen Embryo (S. 406.) war der aus dem Herzen kommende Gcfäfsstamra durchaus noch einfach. Der in ihm enthaltene Kanal neigte sich jedoch mehr nach der rechten, als nach der linken Seite. Bei einem Em- bryo von 7| Linien (S. 408.) entsprang der einfache Pulsader- slamm aus beiden Kammern. Bei einem 9 Linien langen Embryo (S. 410.) war die Aorta dem äufseren Anscheine nach noch ein- fach, entsprang noch aus der rechten Kammer und schickte aus ihrem Bogen die gewöhnlichen Stämme ab. In ihrem unteren 312 Von dem Embryo. Theile jedoch war die Höhlung derselben durch eine von vorn nach hinten verlaufende Wand in zwei Hälften getheilt. So schien die Lungenpulsader von der Grundfläche des Herzens aus eine Scheidewand nach oben zu schicken. Bei einem 11 Linien langen Embryo (1. c. S. 412.) waren Art. puJmonalis und Aorta deutlich von einander geschieden; die erstere zeigte sich etwas weiter, als die letztere. Sie stieg steil von unten und rechts nach unten und links zur Aorta und schickte vor der Verbin- dung mit ihr einen Lungenast auf beiden Seiten ab, nach wel- chem sie sich merklich verkleinerte. In einem einen Zoll und vier Linien langen Embryo war die Lungenarterie noch weiter, als die Aorta. Jede Lungenpulsader aber hatte kaum \ der Dicke des Stammes der Art. pulmonal. Bei einem Embryo von zwei Zoll fünf Linien Länge (S. 416.) waren die Lungenäste der Art. pulmonaUs stärker als bisher, und hatten die Hälfte des Durch- messers des arteriösen Ganges. In einem Embryo* von 3 Zoll 4 Linien Länge war die Lungenarterie bedeutend weiter, als die Aorta und die Lungenäste fast so weit, als der arteriöse Gang (S. 417.). In fünfmonatlichen Früchten endlich ist der Durchmes- ser des arteriösen Ganges und der Lungenäste von gleiclier Weite oder der erstere nur um ein Unbedeutendes gröfser. Diese An- gaben hat zum gröfsten Theile Kilian (Blutkreislauf im Kinde, TPelches noch nicht geathmet hat. 1826. 4. S. 96.) bestätigt. — 3. E. H. Weber (Meck. Arch. 1827. S. 228. Vgl. Hildebr. Anat. IIT. S, 160.) sah die Aorta ein Stück gegen den Kopf emporstei- gen, konnte aber keine Unibiegung derselben nach der Wirbel- säule hin wahrnehmen. Vielmehr hatte es den Anschein, als ob die Fortsetzung der Arteria pulmonaUs an der Stelle, wo der ductus arteriosus gebildet werden sollte, allein links neben dem Oesophagus neben der Wirbelsäule herabgestiegen sey. Kurz vor der Umblegnngsstelle der Arteria pulmonaUs ging von ihr ein kurzer Querast zur Aorta. Dieser würde bei weiterem Verlaufe der Entwickelung zum Aortenbogen imd die Fortsetzung der Ar- teria pulmonaUs zum ductus arteriosus Botalli geworden seyn. 4. Nach Burdachs Ansicht (Physiol. IL S. 519.) ist die Gefäfs- metamorphose folgende: Es üaden sich im zweiten Monate zwei Arterienstämme, ein oberer und ein unterer. Der obere kommt aus der linken Kammer und geht nach dem Kopfe und den Ar- men, ist daher Aorta adscendens. Der untere kommt aus der Entstehung des Blutes und der Blutgefäfsc. 313 rechten Kammer und geht zu dem unteren Theile des Rumpfes, ist also Aorta descendens. Den oberen hält er für den Stamm der dritten Gefäfsschlinge, den imteren für den übrig gebliebenen Rest der hinteren vierten und fünften Gcfäfsschlingen nebst den Zweigen der drei vordersten Gefäfsschlingcn. In der achten Wo- che giebt der untere Arterienstamm Zv\'eige an die Lungen. Der übrig gebliebene Theil heifst nun ductus Botalli. Die Lungen- zweige vergröfsern sich und erhalten mehr Blut, während der bo- tanische Gang schwächer wird und die absteigende Aorta eine grofse Quantität von Blut aus der oberen Körperhälftc erhält. So v^'ird nun der untere Stamm zur Lunge nartcrie, ihr Uebergang in die absteigende Aorta zum botaiHschen Gange und der ur- sprüngliche Verbindungszweig zum Mittelgliede zwischen auf- und absteigender Aorta (Aortenbogen.). 5. Nach der Darstellung Thomsons (Frorieps Notiz. März. 1831. S. 23.), dessen Referat zum Theil auf Meckels Beobachtungen am Menschen , zum Theil auf Oveens Untersuchungen an Schaafen und Schweinen basirt ist, entspringt zuerst nur ein Gefäfs aus dem Ventrikel des Herzens, der buJbus Aortae^ welches späterhin von unten nach oben in zwei Gefäfse gethcilt wird, um die Aorta descendens und die Wurzel der Lungenarterie zu bilden. Oben bleiben beide Ge- fäfse in Commuuicatioa und stellen so den botallischen Gang dar. In einer späteren Auseinandersetzung der Gefäfsmetamorphosen im Besonderen^ (Frorieps Notizen. Jan. 1833, S. 321.) folgt er ganz Burdachs Ansicht (vgl. auch das Schema dieser Verwand- lungen der Gefäfse bei Buidach Physiol. II. tab. IV. fig. 3. und bei Thomson in Frorieps Notizen 1833. fig. 30. u. fig. 39.). — Nach unseren eigenen, hierüber angestellten Untersuchungen müssen wir zuvörderst bemerken, dafs man sehr irrt, wenn man aus der je- desmaligen Gröfse eines Embryo auf die Gröfse seiner Gefäfs- stämmc nahe am Herzen sicher schliefsen zu können glaubt. Man findet hier immer eigentimmiiche Bildungen und mufs sich erst durch zweckraäfsige Composition der einzelnen gefundenen Daten ein deutliches Bild des Ganzen machen. In frühester Zeit kommt bei cem Menschen sowohl, als bei den Säugethieren ein einfacher Sta/am aus dem vorderen Theile des noch einfach geschiedenen Hejzens, welcher gerade von unten nach oben verläuft und sich späer in zwei Aeste spaltet. In der Folgezeit findet sich ein eirfacher Stamm, der von der Stelle ausgeht, welche dem oberen 314 Von dem Embryo. Theile des rechten Ventrikels in der Folge entspricht. Er steigt in einem nach links sich wendenden Bogen empor, schickt von seiner Wölbung aus in frühester Zeit einen einfachen Ast, der eine kurze Strecke einfach verläuft und dann den truncus ano- nymus und Carotis sinistra und subclavia sinistra absendet. Aus der unteren Seite dieses Bogens, doch der Aorta descendens näher, entspringt der Lungenast. Späterhin wird der einfache Pulsaderstamm breiter und relativ kürzer. Die Einmündungs- stelle der Kopf- und Armgefäfse rückt daher mehr nach rechts und der innere Rand des einfachen Stammes dem Lungenaste nä- her. Während diese Metamorphose immer mehr fortschreitet, iheilt sich der einfache Pulsaderstamm, wie es scheint, in zwei Stämme, welche sich immer mehr sondern und bald entgegenge- setzte Richtungen annehmen. Mit Ausbildung der beiden Ventri- kel des Herzens und vorzüglich mit Vervollständigung der sie trennenden Scheidewand, rückt der einfache Pulsaderstamm im- mer mehr in die Mitte, so dafs er bald mit der rechten Hälfte seiner Höhlung in den rechten, mit der linken dagegen in den linken Ventrikel hineinragt. Indem nun diesem entsprechend auch die beiden Gefäfse sich scheiden und mit Ausbildung des linken Ventrikels die Blutmassc ihrem allgemeinen Typus nach nach rechts getrieben wird, vervollständigt sich der linke Stamm der früher einfachen Pulsader zu einem Bogen, der unmittelbar in die Aorta descendens übergeht und von nun an ebenfalls ei- nen Theil seiner Blutmasse in die Kopf- und Armgefäfse ergiefst. Der rechte Stamm dagegen erhält eine mehr schiefe und, da er mit dem Lungenaste sich inniger verbindet, gleichsam getheilte Richtung, indem er sich zwar in einem kleineren dem Aortenbo- gen fast concentrischen Bogen nach dem Lungenaste umbiegt, mit einem Stamme dagegen, der wegen seiner bedeutenden Breite noch Hauptstamm zu seyn scheint, in den Bogen der Aorta ein- biegt. Von nun an sind die Theile gesondert und können mit den gebräuchlichen Namen benannt werden. Der aus dem linken Ven- trikel kommende Stamm ist Aorta, sein Bogen Aortenbogen; der aus dem rechten Ventrikel kommende Stamm ist vor seiner Wöl- bung Arteria puhnonalis. Der unterste Theil seiner Wölbung, wel- cher sich in den Lungenast fortsetzt, gehört diesem an, währmd sein oberster Theil bis zu seinem Eintritte in den Aoi-tenbogenals ductus arteriosus Botalli zu deuten ist. Früher dagegen lie Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 315 Theile mit den Namen derjenigen Gefäfse zu belegen, welche später aus ihnen entstehen, ist unzweckmälsig und verwirrend, ja sogar zum Theil unrichtig. — Der Blutumlauf im Fötus des Menschen und der Säugethiere durchläuft also in seinem Gegensatze zwischen Lun- gen- und Körperkreislaufe alle diejenigen Metamorphosen, welche er in der Reihe der Wirbelthiere vereinzelt darstellt, wie dieses schon J. Fr. Meckel und Job, Müller angemerkt haben. In dem frühesten Kiemenkreislaufe ist das Respirationssystem der Fische ihren Haupt- stämmen nach (da jedes compouirte Capillargefäfssystem fehlt und die Kopfschlagader aus der zweiten Hälfte des ersten Kiemengefä- fses entspringt, während sie bei Fischen aus der ersten Kiemenvene kommt) realisirt. Die beiden Aortenbogen, welche zur Aorta descendens zusammentreten, stellen den allgemeinen Araphibien- kreislauf dar und unter diesen sind es vorzüglich die Schlangen, deren Bildung am längsten verhältnifsmäfsig in dem Embryo ver- harrt. Bei Säugethieren und Vögeln tritt erst aus diesem ge- meinsamen Amphibientypus das inverse Verhältnifs ein, dafs bei den Letzteren der rechte Aortenbogen bleibt und der linke zur linken Lungenarterie wird, während bei den Säugethieren der linke Aortenbogen bleibt und aus dem rechten die rechte Lun- genarterie sich bildet. (Vgl. hiermit die vortreffliche Darstellung der Formen des Kreislaufes in der Thierwelt von Job. Müller in Burdachs Physiol. IV. S. 141 — 171. und bes. S. 167. und in s. Physiol. I. S. 152 — 161. und bes. S. 160.). Daher die von Sa- batier {Mein, de Vacad. 1778. p. 198.) geäufserte Idee, welcher Bichat, Kilian, Meckel, zum Theil E. H. Weber u. A. beistim- men, dafs in frühester Zeit der Kreislauf in Form einer Achte (8) vor sich ginge, nämlich was die Arterien betrifft in einer Strönmng von links nach rechts für die obere und einer Strö- mung von rechts nach liuks für die untere Körperhälfte. — Auf diese Verschiedenheit der Gefäfse im Laufe der Embryonalent- wickelung lassen sich auch die meisten der sogenannten Varietä- ten der grofsen Gefäfsstämme am Herzen, wie sie pathologisch gefunden werden (vgl. vorzüglich Otto Bernhard de arteriaruju e cordc prodeuntium aherrationibus Berol. 1818. 4., Fr. Tie- demann tabulae arteriarum c. h. 1822. fol. tab. IV., Otto Lehrb. d. palhol Anat. Bd. 1. 1830. 8. S. 300 — 308. und E. H. Weber in Hildebr. Anat. III. S. 173 — 177.), wo nicht alle Ge- fäfsvarieläten überhaupt als Bildungshemmungen reduciren. Mek- 316 Von dem Embryo. ^ kel und Huschke haben schon manche schwierige Form auf diese Weise erklärt. — Als Ergänzung des Gesagten, welches vorzüglich die spä- teren Arterienstämme anging, müssen wir nun die Darstellung der Venenmetamorphose folgen lassen. Allein wie bei den Arterien der Centralpünkt die Nähe des Herzens war, so ist er hier aufser diesem noch die Leber, gleichsam eine zweite Venenlunge. Wii* müssen daher noch aufser den der Aorte und Lungenschlagader entsprechenden Hohlvenen und Lungenvenen das VerhäJtnifs der Pfortader zur Hohlader hier nothwendig in Betrachtung ziehen. Zuvörderst nun wiederum zuerst die voll- ständige Metamorphose bei dem Vogel. Wir haben oben gesehen, dafs über den Kopf des Embryo eine bis zwei und über dem Schwänze desselben eine oder nur selten zwei Venen aus dem Gefäfshofe verliefen, welche zusammentraten und in ihrer einfa- chen Verbindung den untersten Theil des in sich gewandenen Herzschlauches darstellten. Die nun später entstehenden neuen • Venen des Gefäfshöfes ergiefsen sich nach v. Bär (1. c. S, 54. bei Burdach S. 281.) auf der linken Seite in die aufsteigende Vene, auf der rechten-in einen eigenen kleineren Stamm, der sich kurz vor (oder bei) ihrem Eintritte in das Herz mit der linken auf- steigenden Vene verbindet. Die eintretenden Venenstämme bil- den nun den Zipfel des Herzens (1. c. S. 58. bei Burdach S. 284.). Mit der weiteren Krümmung des Herzens zieht sich dann das venöse Ende nach oben gegen die Wirbelsäule zu zurück und die Vene wird von dem Speisekanal mit zwei Schenkeln umfafst, die sich verlängern, diesen Theil des Gefäfsblattes hervortreiben, indem sie selbst sich verzweigen und den Anfang der Leber dar- stellen. Diese besieht nun am Ende des dritten Tages aus zwei Bläitchen, auf denen sieh Blutgefäfschen verästeln und den noch ungetheilt zwischen ihnen hindurchlaufenden Venenstamm um- schliefscn. So wird eine Stelle desselben als Stamm der künfti- gen Pfortader bezeichnet. Zwischen diesem Punkte und dem Herzen zieht sich nun der Venenstamm aus und in diesen Theil desselben münden die späteren Körpervenen. Nun (S. 72. bei Burdach S. 302.) sondert sich Pfortader- und Hohlvencnsystem immer mehr, indem die Vena portarum sich in der Leber ver- ästelt und der Stamm, in welchen sie mündet, in bedeutender Extension zu dem Herzen verläuft. Am vierten Tage sah Bär die Vena ju^ularis deutlich und aufscrdcm noch eine Vene (In- Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 317 iercostalvene nach ihm), die mit der Drosselvene jeder Seite noch vor ihrem Eintritte iu das Herz sich verbindet. — Der Stamm der Pforlader (1. c. S. 93. bei Burdach S. 322.), weiche die übri- gen Darmvenen in frühester Zeit aufnimmt, entstand aus einer Dottervene, welche v. Bär zum Unterschiede von der bald zu nennenden die vordere Dottervene nennt. Denn längs des hinte- ren Theiles des Darmkanalcs verläuft nun noch eine Vene, welche die vereinigten Venen des Schwanzes, der Kloake und der ande- ren daselbst gelegnen Theile aufnimmt. Sie stellt die von Nico- lai beschriebene Venenverbindung bei dem Vogel, das Analogon von Jacobsons Entdeckung bei den Amphibien dar. — Die Na- belvene verläuft an der imtercn Fläche der Bauchwand nach vorn, giebt später einen Ast an jede Hälfte der Leber, verbindet sich nach vorn mit einer Lebervene, die sogleich in die von oben sich eindrückende Hohlvene mündet. Der vorderste Theil dieses Ge- fäfses entspricht also dem ductus venosus Arantii. — Anfangs (1. c. S. 114. bei Burdach S. 345) ist bei dem Hühnchen nur eine Hohlvene da, welche die vorderen Hohlvenen, d. h. Drossel-, Arm- und Intercostalvenen als Aeste aufnimmt. Der gemeinschaft- liche Stamm wird nun immer kürzer, so dafs am achten oder neunten Tage alle genannten Venen in einen Punkt nur münden und späterhin gänzlich aus einander treten. So (1. c. S. 129. bei Burdach S. 361.) nimmt die hintere Hohlvene die rechte vor- dere auf, während die linke vorderc^eine selbsfständige Mündung hat. Zuletzt endlich (1. c. S. 132. bei Burdach S. 365.) trennen sich auch die Mündungen der linken vorderen und der hinteren Hohlvene und rücken bedeutend aus einander. Ueber die früheste Form des hierher gehörigen Venensyste- mes bei den Säugethieren hat Rathke schöne Beobachtungen in neuester Zeit bekannt gemacht (Meck. Arch. 1830. S. 63 — 70. und S. 434 — 439.), die sich leider nur auf Schaaf- und Schweincembryonen, wo die T^ena azygos fehlt, beschrän- ken. Bei Früchten, deren Kiemenspalten nebst ihren Gefäfsbogen noch vorhanden waren, kam von hinten nach vorn, von der äu- fseren Seite des oberen Randes der falschen Nieren (WoIiFschen oder Okenschen Körper) auf jeder Seite eine Vene, welche nach vorn stärker wurde und viele Nebengefäfse aus den falschen Nie^ ren aufnahm. Der rechte Veuenstamm (hintere Hohlvene der rechten Seite) entsprang aus den Venen des Schwanzes und der 318 Von dem Embryo. hinteren Extremitäten, der linke (hintere Hohlvene der linken Seite) aus den hinteren Enden der falschen Nieren. Es existiren daher in frühester Zeit zwei hintere Hohlvenen. Auf dieselbe Weise gingen auch zwei vordere Hohlvenen zum Herzen. Ueber der venösen Herzhälfte flössen obere und untere Hohlvene in ei- nen Bogen jederseits zusammen, aus dem ein kurzer etwas enge- rer Ast hervorging. Mit dem Aste der rechten Seite verband sich die von unten kommende Lebervene. Beide Aeste aber ver- einigten sich zu einem in die Vorkammer sich einsenkenden Stamme, in welchem Vcreinigungswinkel Lungen und Speiseröhre lagen. — Der Stamm, in welchen beide Aeste zusammentreten, verkürzt sich nun und verschwindet dann, so dafs bald beide Aeste in die Vorkammer münden. Auf gleiche Weise verkürzt sich jetzt der Ast der rechten Hohlader, so dafs diese sich neben einander in die Vorkammer einsenken und zuletzt sogar aus ein- ander rücken. Bald nach der Schliefsung der Kiemenspalten ent- steht ein Verbindungszweig zwischen der vorderen rechten und der vorderen linken Hohlvene, der' sich schnell vergröfsert, wäh- rend der hinter ihm liegende Theil der vorderen linken Hohl- vene sich verkleinert und schwindet. Die linke Hohlvene ver- längert sich mit dem weiteren Wachsthume des Embryo und ver- dickt sich, indem sie alle hinter dem fünften Rippenpaare befind- lichen Intercostalvenen aufnimmt, schlägt sich dann über die linke Vorkammer hinweg und mündet in die rechte hintere Hohlvene. Ihr in der Bauchhöhle gelegener Theil verkürzt sich nun und schwindet bis auf einen kleinen üeberrest in der Nähe des Zwerch- felles. Das Ende der Vene dagegen liegt dicht vor der Mündung der rechten Hohlvene und verbindet sich mit einer eigenen Oeff- nung mit der Vorkammer. Sie wird nun so allmählig zur Vena hemiazygea. Die unterdefs entstandenen Lungenvenen liegen auf ihr und kreuzen sich mit ihr. Der zwischen J^. hemiazy^ea und V. jugularis sinistra befindliche Theil der linken, vorderen Hohlvene ist unterdefs bis auf einen kleinen Gefdfszweig geschwun- den. Die rechte hintere (bleibende) Hohlvene ist mehr nach der Mitte gerückt und nimmt jetzt auch mehr Blutadern aus der lin- ken falschen Niere auf (S. 435.). Zuerst geht die Nabelvene in überall gleicher Weite unterhalb der Leber in einer Furche fort, tritt nach vorn etwas vor und mündet in den oben genannten Communicationsstamm der vorderen und hinteren Hohlvene der Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 319 rechteu Seite. Unterlialb der Leber giebt die Nabelvene einige Aeste zur Leber, von denen der hinterste zur hinteren Fläche die- ses Organes, wo auch die Gekrösvene in dasselbe tritt, geht. Die hinteren Aeste führen vt'ahrscheinlieh das Blut in die Leber hinein, während die vorderen es wieder in die Nabelvene brin- gen, wo es mit dem Blute der Nabelvene, welches die Leber nicht passirt hatte, zu dem Herzen strömt. Dafs dieses so sey, giebt sich in der Folge noch deutlicher zu erkennen. Der Theil der Nabelvene, welcher in der Furche der Leber liegt, wird in seiner Mitte zusammengezogen und schwindet endlich ganz, und so wird die Communication zwischen der vorderen und hinteren Hälfte der J^ena imibilicalis völlig unterbrochen. Die vordere Hälfte wird nun zur -^vahren p^ena Jiepatica und mündet in den Communicaiionsast der rechten vorderen und hinteren Hohlvene. Nun nähert sich die Leber der hinteren Hohlvene immer mehr und es bilden sich zwischen ihr und dieser Verbindungsäste. Man sieht später zwei J^enae hepaiicae aus der vorderen Fläche der Leber hervorkommen, von denen die eine sich in die i'echte, die andere in die linke Seite der hinteren Hohlader mündet, während zwei bis drei Gefäfse von dem hin- teren Theile der rechten Leberhälfte hervortreten und sich hinter einander in die Hohlvene öffnen. Die beiden vorderen Venen vereinigen sich nun zu einem Stamme, der sich in die Hohlvene ergiefst. Der Ast der Nabelvene dagegen, welcher zu der hinte- ren Fläche der Leber verläuft, spaltet sich immer mehr in zwei Hälften für die rechte und linke Leberhälfte, verbindet sich durch den rechten Hauptast mit der Gekrösvene und führt zuletzt nach dem Verschwinden des Mittclstückes der Nabelvene alles Blut aus der Nabel- und Gekrösvene zur Leber und stellt so die J^ena portarum dar, deren Bildung also mehr von der Nabel- als von der Gekrösvene ausgeht. Vor der Mitte des Fruchtle- bens entsteht ein Verbindungszweig zwischen dem rechten Aste der Pfortader und der rechten hinteren Hohlvene, der Ductus venosus Jrantii, indem hinter den bleibenden Lebervenen eine dritte Vene sich bildet, deren einer Ast sich mit dem rechten Aste der Pfortader vereinigt. Dieser erweitert sich immer mehr, während die übrigen Aeste der ursprünglichen Vene immer mehr schwinden und so fliefst nun ein Theil des Nabelvenenblutes, ohne die Leber passirt zu haben, unmittelbar in die untere Hohl- 320 V^on dem Embryo. ader. — Was nun die vereinzelten Beobachtungen bei dem Men- schen betrifft, so beschreiben Hallcr (Grundr. der Physiol. übers. V. Leveling II. S. 609.) und mit ihm Hildebrandt, Sömmering, E. H. Weber u. A. Aeste, welche vor der Thcilung der Leber- vene in der Leber selbst verlaufen, die jedoch von Heister, Trew, llöfslein und Morgagni bestritten werden. (S. Danz 1. c. S. 221.) In einem 3| Zoll langen Fötus sah Meckel (Abhandl. S. 454.) die Nabelvenc, nachdem sie an die Leber getreten, einen grofsen Ast nach oben und einen kleineren nach unten in den rechten Leber- lappeu abgeben. Bei ihrem Eintritte in die Pfortader erweiterte sie sich beträchtlich, setzte sich dann nach links fort, sendete nach dem linken Leberlappen kleinere Aeste und verband sich durch den venösen Gang mit der hinteren Hohlvene kurz vor dem Eintritte derselben in die Brusthöhle. An dem Anfange und Ende des cluctus 'cenosus Arantii glaubte Trew (de diff. inter h. natum et nascendum. 1736. 4. p. 75.) Klappen gesehen zu haben , welches aber unrichtig ist , wie schon Danz (1. c. S. 223.), Schräg {de diff. int. h. nasc. et nat. 1827. 4. p. 21.) u. A. bemerken. Denn die Nabel vene ist durchaus ohne Klappen. — Nach Burdach (PhysioL II. S. 520.) geht wahr- scheinlich eine einfache Gefäfsschlinge zur Leber, die in ihrem arteriösen Schenkel zur Pfortaderverzweigung, in ihrem venösen zur Lebervene wird. — Die Aberrationen der Venen (vollständig zusammengetragen bei Olto I, c. S. 347.) lassen sich ebenfalls zum gröfslen Theile auf Bildungshemmungen reduciren. b. Ein zweiter Athmungskreislauf entsteht an dem hinteren Ende des Körpers. Wenn der Kiemenkreislauf in dem Embryo der höheren Wirbelthicre nur angedeutet wird, bald schwindet und zum Theil in die Vorbereitung des Athmungskreislaufes des Erwachsenen eingeht, so versieht der entgegengesetzt gelagerte Kreislauf während des gröfsten Theiles des Fötuslebens die Res- pirationsfunctionen und schwindet ei'st in dem Momente, wo Mutter und Frucht sich trennen d. h. wo die letztere wahre Selbsständigkeit erlangt. Die Entstehung dieses Kreislaufes geht aber primär von dem schon relativ sclbstständigen Embryonal- körper aus, schmiegt sich an den mütlerlicljen, ihm als ernähren- des Medium dienenden Körpertheil an und kommt mit dessen Blute in dieselbe Berührung, in welcher späterhin die feinsten Blutgcfäfsnctzc der Lungen mit der äufseren Luft stehen. Was aber Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 321 aber im Erwachsenen die Atmosphäre ist, ist hier ein flüssiges Medium, das Blut der Mutter, welches jedoch nicht frei, sondern in dünnen Kanälen eingeschlossen das Blut des Fötus umspült. Die Respiration selbst ist auch hier kein wahrer Austausch blofs luffförmiger Stoffe. Die Blutbahn des Athmungsorganes, die Pla^ centa. erinnert daher mehr oder weniger an Kiemenbildung und stellt auf diese Weise ein schönes ftlittelglied zwischen früherer Kiemenbildung (bogenförmig gekrümmter Stamm, dessen dem Her- zen näheres Ende Arterie, der Aortenwurzel näheres Ende dage- gen Vene ist) und den Blutgefäfsnetzen der Lungcnzellen nach eingetretener Lungenrespiration dar. Eben daher steht auch der Charakter der feinsten Blutgefäfsnetze , die in den äufseren, im Wasser frei flottirenden Kiemeublättchen der Larven der Frösche, Salamander u. dgl. vorkommen, dem Charakter derselben in der Placenta so äufserst nahe. — Die Placenta entsteht aber theils durch Vorbereitung des mütterlichen Körpers, theils durch eine bei dem ferneren Wachsthume des Embryo entstehende neue Bil- dung aus dem Körper der Frucht selbst. Es ist daher noth wen- dig, dafs wir diese beiden Seiten in das Auge fassen und in ih- ren gegenseitigen Verhältnissen darstellen. Um aber ihi'en Zu- sammenhang genau einzusehen, müssen wir sie nicht blofs bei dem Menschen, sondern auch ihren Charakter bei Vögeln und Säugethieren kürzlich berühren, wie wir ihn durch die neuesten Untersuchungen von Bär (üb. Gefäfsverb. zwisch. Mutt. u. Frucht 1828. foL), Haulik (de nexu inter foetum et viatrem 1830. 4.) und E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 495—507.) kennen ge- lernthaben.— Die AUantois (s. d. Abschn. Ei und unten Schleimbl.) ist eine Ausstülpung der Kloake, die aus dem Körper heraus- wächst und sich zwischen Chorion und Amnion einlegt. An ih- rer Ursprungsstelle aus der Kloake liegt sie an den beiden gabel- förmigen Spaltungslinien der Aorte, die sich später erst in iliacae und hypogastricae trennen. Sie bedeckt sich nun mit einem Gefäfsblatte, das seine arterielle Wurzel mit zwei Stämmen, den künftigen Arteriis umbilicalibus, unter der Spaltung der Aorte, seine venöse Mündung in frühester Zeit wahrscheinlich in der rechten, hinteren Hohlader (s. oben), späterhin aber zum Theil in dieser, zum Theil in der Pfortader hat. Dieses Gefäfsblatt wächst bis an die Eischaalenhaut, wo es durch diese und die poröse Schaale mit der äufseren Luft in Berührung kommt. Bei den 21 322 Von dem Embryo. Säugcthieren erscheint derselbe Hergang in einer der Natur der Sache nach veränderten Gestalt. Es kommt nämlich, da das Ei in mehr oder minder innigem Contacte mit dem Mutterkörper bleibt, eine Veränderung der Innenfläche des Uterus hinzu, wel- che, der Production des Gefäfsblattes entsprechend, sich neben diesem einlegt, in innige Contiguität, durchaus aber in keine Con- tinuität mit ihm tritt. Wir wissen nämlich, dafs die äufserste Eihaut des Säugethieres das Chorion oder nach Burdachs genaue- rer Benennung das Exochorion ist. Auf dieses folgt in frühester Zeit die von ihm rings umschlossene Fötalhülle, das Amnion. Zwischen beide tritt auch hier, wie bei den Vögeln, die Ällan- tois mit ihrem Gefäfsblatte. Dieses Letztere, Burdachs Endocho- rion, legt sich nun an die Innenfläche des Exochorion und bildet sich an der oder den Stellen, vro von mütterlicher Seite Pro- ductioneu entgegenkommen, in das Exochorion hinein. Beide treten in mehr oder minder innige Berührung mit' einander und stellen zusammen die Placenta dar. Die von der Gebärmutter kommende Produktion heifst Mutterkuchen, placenta materna s. uterina, die von dem Kinde kommende, aus Exochorion und Endochorion bestehende, Fruchtkuchen, placenta foetalis. Func- tionen betrachtet ist für den Embryo der Fruchtkuchen Athmungs- organ, der Mutterkuchen dagegen das den Stoffwechsel in dem Blute bedingende Medium. Um aber das so oft bestrittene und so verschieden angesehene Verhältnifs zwischen Frucht- und Mut- terkuchen klar aufzufassen, müssen wir nothwendig einen Blick auf die Gestaltung dieser Theile bei den Säugcthieren werfen. Durch V. Bars Untersuchungen hat man bei ihnen bis jetzt vier Reihen kennen gelernt ijnd zwar: Die Placenta ist 1. gürtelför- mig und zusammenhängend bei den Pachydermen, 2. in mehrere Theile getrennt bei den Wiederkäuern, 3. gürtelförmig um das Ei bei den Raubthieren und 4. an einem Ende des Eies bei dem Menschen. — 1. Auch in dem nicht schwangeren Fruchthälter des Schweines findet sich eine Reihe nur schwer kenntlicher, kleiner Zotten auf dicht zusimmengedrängten schmalen Leistchen (Gefäfsvcrb, S. 3.). Diese Zoltenfalten des Uterus (S. 5.) vergrö- fsern sich in dem Anfange der Schwangerschaft, so wie die sie verbindenden Falten, so dafs ein maschenförmiges Aussehen an der Innenfläche des Fruchthälters entsteht, wenn aus dem in das- selbe getretenen Eie die Zottenfalten sich ebenfalls gebildet und Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 323 erhoben haben. Diese letzteren hören an beiden Enden des Eies natür- lich da auf, wo das Exochorion bei diesen Thieren von dem Endo- chorion und der Allantois durchbohrt wird und die diverticula allantoidis dargestellt werden. Nun tritt ein gewisser Gegen- satz ein. Im Fruchthälter vergröfsern sich die verbindenden Leistchen etwas stärker, als die Zottenfalten, so dafs das Ganze ein bienenzellenartiges Gewebe darstellt. In dem Exochorion da- gegen bilden sich die Falten allein und vorherrschend aus (S. 7.). Die Zottenfalten des Exochorion greifen nun in die Maschenhöh- len zwischen den Zottenfalten des Fruchthältcrs ein, und so stel- len die letzteren den Mutter-, die ersteren dagegen den Frucht- kuchen, beide zusammen aber eine gürtelförmige Piacenta dar. Nun dringt das Gefäfsnetz der inneren Fläche des Uterus in den Mutterkuchen ein, das Endochorion, dessen auf dem diverticulum allantoidis befindlicher Theil unterdefs geschwunden ist, in das Exochorion. Auf diese Weise liegen die Gefäfse der Mutter und des Kindes in einer sehr grofsen Oberfläche neben einander, ge- hen aber nirgends in einander über. — 2. Das Ei der Wieder- käuer ist über seine Oberfläche nie continuirlich mit Zottenfalten, eben so wenig, als der Uterus bedeckt, sondern beide concentri- ren sich nur an gewissen einander entsprechenden Stellen. Beide zusammen entsprechen den künftigen, kleineren und gröfseren Co- tyledonen (getrennten Placenten), die nach E. H. Weber (1. c. S. 505.) bei der Kuh gegen 60, bei dem Rehe 5 der Zahl nach sind. Die Productionen des Fruchthältcrs (Mutterkuchen) sind nach v. Bär (1. c. S. 13.) früher, als die des Exochorion (Fruchtkuchen). Beide treten nun in innige Verbindung, bleiben jedoch durch eine Masse einer chylösen Flüssigkeit getrennt, wodurch sie leicht und ohne Verletzung von einander geschieden werden können. Schon Harvey kannte diesen gallertartigen Stoff bei dem Dammhirsche und machte hieraus schon den Schlufs, dafs Mutter- und Frucht- kuchen durchaus nicht continuirlich in einander übergehen, so wie er ihm zu einer interessanten Vergleichung des Eies der Säuge- thiere mit dem der Vögel diente. Seine eigenen Worte {Con- ceptus Cervarum et Damarum ut se habeat mense Decembri in Exerc. de generat. animal. Exerc. LXX. Amstelod. 1651. 12. p. 461. 462.) sind folgende: In gibba sive convexa carun- cularum parte ^ quae conceptum spectant^ mir am Naturae observuvi solertiam' in plurimis nempe cavitatibus et coty- 21 • 324 Von dem Embryo. ledonibus i sive acetabuUs exterius hiantibus, materia alba et mucilaginosa reperiebatur ^ quae (ut viel favos) carun- culam totam implebat eratqiie colore, consistentia ac sapore albiiinini ovi pcrsimilis. Conceptum vero a carunculis istis si avulseris, videas illico ex singulis cotyledonibus et favis eoi'undemque mucore totidem surculos^ sive capillares. vaso- rinn umbilicalium ramusculos {fainqiiam filamenta oblonga) siniul extrahi: quemadmoduni herbas e terra evulsas radi- ces suae comitantur. — Unde clare constat^ vasorum umbi- licalium extrema nullo modo cum, vasis uterinis per anasto- mosin conjungi; neque sanguinem ex Ulis haurire, sed in mucagine ista terminari atque obliterari indeque sibi ali- mentum sumere ; eodem prorsus modo, quo antea ex humore alhugineo intra conceptus tunicas comprehenso victum quae ritabant. Et quemadmodum in ovo gallinaceo pullus per vasa sua umbilicalia ex albumine alitur, sie etiam foetus in damis et cej^vis ex consimili in his cellulis reservato al- bumine nutritur, non autem ex sanguine.'^'' — Der Mutterku- chen tritt bedeutend über die Innenfläche des Fruchthälters her- vor und hat bei Kühen eine convexe und bei Schaafen eine con- cave Oberfläche. Die Blutgefäfse des Fruchthälters bilden sich nun in den Mutterkuchen, das Endochorion in den Fruchtkuchen so ein, dafs beide zwar nur an einzelnen Stellen, aber in einer fast und zu- gleich gröfseren. als bei dem Schweine noch möglichst ausgedehnten Oberfläche mit einander in Berührung kommen. — 3. Bei Hunden findet sich eine gürtelförmig das Ei umgebende Placenta, in welcher Mutter- und Fruchtkuchen auf das Innigste zusammenhängen, im Ganzen also einen wahren Mutterfruchtkuchen darstellen (v. Bär S. 23.). Die Uteringefäfse umspinnen die Zotten des Fruchtku- chens von allen Seitep, gehen sogar in ihre Grundlage ein, indem sie sich zwischen die Abtheilungen der placenta foetalis drän- gen und in der Tiefe verzweigen. Ein unmittelbarer Zusammen- hang beider findet aber durchaus nicht Statt und die scheinbare Anfüllung der Aorte von dem Fruchthälter aus beruht auf Extra- vasation der Masse, in der zwischen den Darm- und Visceralplat- ten liegenden Rinne, der künftigen Bauchhöhle, in deren Mitte die unausgefüUte Aorta sich befindet. So weit von Bär. Haulik {Casparus HauliJc de nexu inter foetum et matrem. Vindo- bon. 1830. 4.) hat, gestützt auf die feinen Injectionspräparate des Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 325 trefiflichen Czermark, diese Beobachtungen theils bestätigt, theils erweitert. Nach ihm (p. 3.) hängt, wie Ev. Home schon angege- ben, entweder die ganze Oberfläche des Eies mit dem Uterus zu- sammen oder mehrere Cotyledonen bilden diese Verbindung oder es findet sich nur eine einfache Plaeenta. i . Das Erstere findet bei den Solidungulis Statt, wo die äufsere Oberfläche des Chorion mit Büscheln sehr zarter Gefäfse bedeckt ist, welche den Darmzotten ähnlich sehen und denen Vertiefungen in dem Fruchthälter entspre- chen. Zwischen beiden befindet sich eine reichliche Quantität einer chylusartigen Masse. So zertheilen sich in einem fünf Monate träch- tigen Pferde die gröfseren Gefäfse in sehr viele Aeste; jeder Stamm aber endigt in zehn bis zwölf Büschel, in denen der Ue- bergang der Arterien in die Venen schon mit blofsem Auge ge- sehen werden kann. Eben so ist die Verbindung in dem Kameele, wo das Chorion eine Gefäfsmembran darstellt, und in Balaena, wo die Gefäfse zu Büscheln sich sammeln, beschaffen. Was das Schwein betrifft, so fügt der Vf. zu den richtigen Beobachtungen Bars noch hinzu (p. 4.), dafs nach Czermak der unmittelbare üe- bergang aus den Arterien in die Venen schon in den ersten Wo- chen nachgewiesen werden kann. 2. Einzelne Cotyledonen fin- den sich bei den Wiederkäuern, in der Kuh meist 70 — 100 (p. 4.). Sie bestehen aus zwei Theilen: 1. dem Uterustheile, Glan- dulae uterinae und 2, dem Fötustheile, mlli foetales, nach Czermak. Diese Letzteren sind von verschiedener Gröfse von \ Linie bis 1 Zoll 4 — 5 Linien Länge; die gröfseren meist rund, die kleineren oval. Aufserdem finden fich einzelne Zotten zwi- schen den Cotyledonen zerstreut. Die in der Mitte eines jeden Cotyledon befindlichen Zotten sind perpendikulär, die an der Peripherie nach dem Centrum hin gerichtet. In jeder Zotte, welche ^ — 2| Linien lang und -^ — -^ Linie breit ist, verlaufen die Arterien an dem Rande und die mit ihnen sich verbindenden Venen in der Mitte (p. 5.). Zu jedem Fötaltheile eines Cotyle- don geht eine Arterie hin und aus ihm kehren zwei Venen zu- rück. Doch ergiefsen oft zwei Cotyledonen ihr Blut in eine Vene, so wie die kleineren Cotyledonen nur eine Blutader haben. An der inneren Oberfläche des Chorion aber bilden die Gefäfse da, wo die Zottenbüschel ansitzen, Schlingen, d. h. Anastomosen von Arterien und Venen. Die glandulae uterinae sind meist oblong -eiförmig und sitzen mit einer verschmälerten Basis am 326 , Von dem Embryo. Uterus (p. 7.). Jedem Zotteobüschel entsprechend hat jede glan- dula eine \ — \ Linie im Durchmesser haltende Vertiefung, die in der oberen Oberfläche am gröfsten ist und nach dem Rande hin abnimmt. Die Gefäfse verlaufen in ihnen theils geschlängelt, wie die Saamengefäfse , theils traubig, wie in mehreren Drüsen, theils knäuelförmig , wie in den Nieren. In dem Zebra (p. 8.) sind die gröfseren Cotyledonen symmetrisch in zwei Reihen ge- ordnet und variiren von 3 Zoll 1^ Linien Längen- und 1 Zoll 3 Linien Breiten-Durchmesser bis zu einer halben Linie. Zu jedem Cotyledon gehen 2 bis 3 Arterien, aus ihm kommen 4 bis 5 Ve- nen. In dem Schaafe fand der Vf. nach einem von Barth ange- fertigten Präparate an der äufseren Oberfläche des Fruchthälters gröfsere Arterienstämme, die an die innere Oberfläche des Uterus gelangen und sich in sehr viele Aeste spalten, mehr gerade nach der Glandula hin verlaufen, ihren Rand vielfach umstricken, fast bis zur Hälfte ihrer Höhe emporsteigen und sehr zierliche Schlingen bilden. Andere Aestchen dringen in die Gruben selbst hinein und bilden um die Poren eigene Kreise. Noch andere minder feine verlaufen in dem Parenchyme am Rande und bilden zahlreiche Büschel, so dafs eine Aehnlichkeit mit den Nieren aus diesem Allen entsteht (p. 9.). 3. Wegen der dritten Form ver- weiset H. auf die von Home und Bär an Thieren gemachten Beob- achtungen. — Was nun den Menschen betrifft, so ist schon Meh- rcres über die Eizotten oben berichtet worden (s. d. Abschn. Ei). Hier müssen wir daher noch das Wichtigste über die Blutgefäfse nachholen. Die Verbreitung der Nabelarterien und der Nabelvene ist von der Art, dafs zu jedem Zottenbüschel wenigstens eine Arterie geht und aus ihm eine Vene zurückkömmt. Dies hat schon Wrisberg (observ. de striict. ovi et secund. h. 1783. 4« tab. I. fig. 2. ab- gedr. doch mit weit zurückstehenden Abbildungen in s. Com- mentat. Vol. 1. p. 332.) sehr schön dargestellt und Haulik (1. c. p. 12. 13.) nach einem Barthschen Präparate bestäti.gt. Bis an das Ende der Flocken die Blutgefäfse zu verfolgen, gelang in neuerer Zeit vorzüglich Lobstein und E. H. Weber. Nach Letz- terem ti'itt in der Regel zu jeder Zotte ein Blutgefäfs, wel- ches an ihrem abgerundeten Ende umbiegt und die rücklaufende Vene darstellt. Den Durchmesser der Arterie und Vene, die gleich dick waren, fand er (l. c. S. 494.) 0,000750 P. Z. 0,000250 P. Z. Leider ist es bei dem Menschon durch eine consequente Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 327 Reihe von genauen Beobachtungen noch nicht nachgewiesen, wie diese Chorionflocken (Fruchtkuchen) zum Mutterkuchen in den verschiedensten Bildungsstadien sich verhalten — ein Umstand, den nur eine vollständige Reihe guter Injectionspräparate aufhel- len könnte. Wir ziehen es daher vor zuerst über den Bau der ausgebildeten Placenta zu sprechen und zuletzt einiges Historische und Vermuthungen über die Art und Weise der Entstehung der- selben anzuführen. Nach E. H. Weber (1. c. S. 495. 96.) besteht die ausgebildete Placenta des Menschen ebenfalls aus dem Mut- terkuchen {pars uterina placentae) und dem Fruchtkuchen {pars foetalis placentae). Der Mutterkuchen ist der an dem Fruchtkuchen liegende Theil der decidua vera nebst den von dem Uterus aus sich hineinbildeuden Gefäfsen des Fruchthälters; der Fruchtkuchen besteht aus den baumförmigen Flocken des Exochorion nebst den Blutgefäfsen des Endochorion, welche sich in dieses hineinbilden. Die Gefäfse der placenta uterina haben nur die innere Gefäfshaut. Die Venen bilden vielfach mit ein- ander communicirende Netze und werden um so weiter, je tiefer sie in die placenta foetalis eindringen. Diese besteht aus vie- len einzelnen Lappen (Cotyledonen), welche von dem Mutterku- chen überzogen werden. Die Flocken derselben ragen in die Zwischenräume der Mutterkuchennetze hinein, wodurch die da- zwischen liegende decidua vera durchbohrt wird. So sind zwar Mutter- und Fruchtkuchen auf das Innigste mit einander in Ver- bindung. Sie treten aber genauer ausgedrückt nur in die dich- teste Berührung, gehen jedoch durchaus an keiner Stelle in einander über. Der Blutkreislauf von Mutter und Frucht sind gänzlich von einander geschieden und jeder unmittelbare Zusammenhang zwischen beiden findet nirgends Statt. Zwar streiten die gröfsten Auctoritäten gegen diesen Satz und Haller, als der Centralpunkt der Physiologie des vergangenen Jahrhunderts, ist an der Spitze der Gegner, wiewohl anderseits auch ein Theil seiner Erfahrun- gen wider die unmittelbare Communication beider Blutarten spricht. Allein betrachtet man seine Darstellung genauer, so sieht man, dafs er zwei durchaus verschiedene Dinge confundirt hat, nämlich: 1. den StoflFwechsel zwischen mütterlichem und kindli- chem Körper und 2. den unmittelbaren Gefäfszusammenhang der Mutter und der Frucht. Das Erstere wird in allgemeinem Sinne Keiner bestreiten, wohl aber Jeder in dem Sinne, in welchem es 328 Von dem Embryo. Haller {Eiern, physiol YIU. p. 238 — 250.) nimmt, nämlich nicht sowohl als modificirte Respiration, denn als wahre Ernährung und wahrhaft reichliche und durch nichts vermittelte Zufuhr von Ali- mentations- und WachsthumsstofFen. Den Uebergang der Frucht- gefäfse in die Gefäfse der Mutter stützt H. auf folgende leicht zu widerlegende Gründe: 1, Das plötzliche Aufhören des Ka- tamenialflusses nach der Conception sey unerklärlich, wenn man nicht annähme, dafs das auszuscheidende Blut unmittelbar in die Placenta übergehe. Die Möglichkeit aber überhaupt, dafs wäh- rend der Ausbildung des Eies im Uterus wahres Blut ausgeschie- den werde, wird nirgends dargethan. Wodurch würde auch der Fötus derjenigen Frauen ernährt, welche selbst während der Schwangerschaft oder nur in dieser menstruiren? 2. Stärkere Fötus haben weniger Schaafwasser; ihre Placenta hängt aber fe- ster an. Von beiden Dingen wird häufig genug gerade das Ge- geatheil beobachtet. 3. Hat die Mutter vor ihrem Tode sehr viel Blut verloren, so ist auch die Frucht blutlos, wie Deny's Erfah- rungen an Katzen und Mery's an Hasen darthun. Nach Letzterem sey, wenn der Fötus in dem Uterus durch Compression der Na- belschnur abgestorben, der erstere mit Blut überfüllt. Auch sol- len sich Frauen nach der Ausschliefsung der Frucht durch den Nabelstraug verblutet haben. Allein die letztere Erfahrung hat schon Rö derer bestritten, die zweite beweist gar Nichts und die erste ist, wie v. Bär (Gefäfsverb. S. 25,) gezeigt hat, durchaus unwahr. Ja Wtisberg hat schon vor einem halben Jahrhundert an Menschen, Hunden und Katzen in dieser Beziehung dieselben Erfahrungen wie v. Bär gemacht (s. Hallers Grundr. 11. S. 790.). 4. Nach Entfernung der Placenta trete bedeutende Hämorrhagie aus dem Uterus ein. Die oben beschriebene innige Verbindung zwischen Mutter- und Fruchtkuchen, wodurch so leicht einzelne Uterinalgefäfse verletzt werden, läfst dieses nur eiwarten. Könnte aber eine Frau eine Geburt überleben, wenn bei Lösung der Pla- centa nothwendiger Weise alle die grofsen Gefäfsstämme des Fruchthälters zerrissen würden? 5. Bei Injection des Fruchtku- chens durch die Nabelgefäfse tritt Masse auf der Uterinfläche aus. Wie leicht aber die Placentargefäfse ohne die vorsichtigste Be- handlung verletzt werden, hat W. Hunter schon hinlänglifch ge- zeigt. 6. Mehrere und unter ihnen sehr geachtete Anatomen sahen Injectionen aus den Gebärmuttergefäfsen in die Placentar- Entstehung des Blutes und der Blutgefäfse. 329 gefafse übergehen. Allein diese Angaben beruhen entweder durch- aus nur auf Extravasen oder auf Irrthümern, die dadurch entstan- den sind, dafs man das gegenseitige Einsenken des Mutter- und Fruchtkuchens bei dem Menschen nicht berücksichtigte. Ja die- ses wird sogar durch W. Hunters Erfahrung (anat. Beschreib, des Uterus S. 62.) zum Theil direct dargelhan. Setzt man nämlich den Tubulus der Injectionssprütze in das Zellgewebe der sonst unverletzten placenta foetalis , so füllt sich , bei dem Ein- sprützen nicht allein dieses, sondern auch die Kena sper- matica und hypogastrica der Mutter. Auch haben geschickte Zergliederer nie einen wahren Uebergang beobachtet. Als die vorzüglichsten Namen der neueren Zeit sind in dieser Rück- sicht zu nennen: Wrisberg (Hallers Grundr. der Physiol. IL S. 788.), Ph. Fr. Meckel (ebendaselbst), Walter (^Uterus gravid, p. 25 sqq.)^ Lobstein (Ernähr, des Fötus übers, von Kestner 1804. 8. S. 102.), W. Hunter (1. c. S. 61.), J. Fr. Meckel (Anat. IV. S. 720.), Burdach (Physiol. IL S. 545.), Bär (Gefäfs- verb. S. 27.), E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 499.), Job. Müller (Physiol. L S. 187. und 302.), Czermak und Haulik (l. c. p. 14.), Lee {Annal. d. sc. naf. 1833. S. 428—433.) und Leg {Revue medicale Sept. 1833. p. 443 — 447.). Ein anderes Re- sultat liefert die Einsprützung von Oel in die Aorta abdomina' Tis des lebendig geöffneten, trächtigen Mutterthieres, da dann Oeltropfen nach den übereinstimmenden Erfahrungen von William und Traill, so vrie von Czermak und Haulik in den Nabelgefäfsen angetroffen werden. Dafs dieses aber nur durch Endesmosmose dieses leicht durchdringenden Stoffes geschehe, zeigt die Gegen- erfahrung von Czermak und Haulik (1. c. p. 17.), dafs Bleizucker weder in das Blut noch das Amnioswasser der Frucht ein- drang. — Die wahre Structur der menschlichen Placenta hat nach der Angabe E. H. Webers (1. c. S. 501.) A. Vater (Müller diss. qua Uterus etc. consideratur 1725. 4. p. 13.) und zum Theil Nortwyk schon gekannt. — Was nun die Entstehung der Placenta anlangt, so haben wir es schon oben berichtet, wie der flockenleere Theil des Eies sich ausbilde und vergröfsere. Der flockenhaltige dagegen, der Exochorion im wahrsten Sinne ist, (aus einer oberen flockigen und der unteren glatten Schicht be- steht) wird von dem mütterlichen Theile angezogen und bildet sich in ihn hinein. Dieser Act der gegenseitigen innigeren Verbin- 330 Von dem Embryo. dang fällt in den dritten Monat der Schwangerschaft und entsteht dadurch, dafs die Flockenbüschel und Flocken des Chorion in die Lücken der Netze der Gebärmutter sich hineinziehen, anderseits dagegen auch Productionen des Uterus in die Zwischenräume der Ungleichheiten des Exochorion wiederum eindringen. Die decU dua, welche zwischen beiden liegt, w^ird weich, köi'nig , und so kann man sie noch im fünften Monate als eine körnige, leicht destruirbare Schicht auf der Placenta deutlich wahrnehmen. Doch wäre es interessant, die einzelnen Specialitäten des Herganges bei dem Menschen durch fortgeführte Beobachtung zu erfahren, wozu leider bis jetzt noch alle Daten fehlen. — So steht in dieser Hinsicht die Placenta des Menschen der der Raubthiere, wie v. Bär bemerkt hat, und wie es auch von der des Affen wahr- scheinlich ist (vgl. John Hunter Bem. üb. die thier. Oekon. 1803. S. 205.), am nächsten. Jedenfalls aber saugt sich bei ihm nicht blofs ein einzelner Theil in den andern ein, sondern Mutter- und Fruchtkuchen treten in ihm in ein gleiches "Verhältnifs gegen einander, so dafs Theile des ersten eben so tief in die des zwei- ten hineinragen, als des zweiten in die des ersten. Zwischen beiden ist jedoch die weiche leicht zerreifsbare decidua enthal- ten, welche durch das Eindrängen der beiden Placenten gegen einander zum Theil schwindet, überhaupt an Bedeutung sehr viel verliert und vielleicht dann hier dieselbe Function zum Theil hat, wie die sulzige Masse zwischen Mutter- und Fruchtkuchen bei den Wiederkäuern. — Die Placenta hängt aber nicht unmittelbar mit dem Nabel des Fötus zusammen, sondern vermittelst eines eigenen Stranges, des Nabelstranges (funicidus umbilicalis). Er besteht aus dem Urachus, oder dessen Ueberrest, den beiden Nabelarlerien, der Nabelvene und einer eigenen Sülze, welche diese Theile verbindet und die Whartonsche Sülze genannt wird (s. unten Schleimbl.). Die G^fäfse des Nabelstranges haben we- der f^asa vasorum^ noch eine äufsere Arterienhaut und sind wie der Nabelstrang selbst mehr oder minder spiralig gewunden. Leicht läfst sich ein Gcfäfs durch Injection des anderen füllen. c. Wir haben nun die bisher noch nicht genannten Kör- pergefäfse nachzuholen. Die Ausbeute ist hier leider gering, da das Meiste noch durch künftige Forschungen aufgehellt wer- den mufs. Die Carotis ist, wie wir oben gesehen haben, ein Ast des ersten Kiemengefäfses. Sie verläuft ziemlich gerade nach Körpergefäfse. Herz. 331 dem Kopfe und umfafst mit zwei nach hinten von ihr abgehen- den Aesten das Ohrrudiment, geht am Augenhöhlenrande vorbei und verästelt sich zwischen den einzelnen Hirnblasen, vorzüglich in die zweite. So kann man es leicht bei dem Hühnerembryo des vierten Tages sehen und eben so hat es v. Bär an seinen Hundeembryonen beobachtet. Das zu dem Gehirne gehende Gefäfs ist schon frühzeitig sehr stark und läfst sich daher leicht durch die durchsichtigen Wände des frischen Embryo wahrneh- men. Man unterscheidet an ihm bald die temporalis von der Carotis cerehralis. Später entstehen die Gefäfse für die oberen Extremitäten. Die Intercostalgeföfse sind bei den Säugethieren schon deutlich wahrzunehmen, kurze Zeit, nachdem die Kiemen- spalten sich geschlossen haben. — Wir hatten eben gesehen, dafs längs des Rückgrathes des Embryo zwei arterielle Gefäfse ver- liefen. Nach der allgemeinen Angabe verwachsen diese zur ein- fachen Aorte. Allein dieses mufs ich sehr bezweifeln. Vielmehr glaube ich in der Mitte noch ein drittes Gefäfs beobachtet zu haben, welches sich später wahrscheinlich zur Aorte vergröfsert. Merkwürdig bleibt es jedoch, dafs während bei den Vögdn zu dem Dotter zwei Pulsadern unter rechten Winkeln abgehen, bei den Säugethieren nur eine Arteria omphalo-mesaraica verläuft. So wie am Kopfe die Carotis zuerst und die Subclavia später sich bildet, so entsteht auch unten die Iliaca interna vor der externa. Einiges über Gefäfse des Darmkanales und der Ge- schlech Istheile siehe bei diesen Organen selbst. d. Das Herz. — Man kann wohl mit Recht behaupten, dafs es beinahe keinen Theil des Thierkörpers gäbe, dessen Entwicke- lungsgeschichte zu allen Zeiten mit mehr Vorliebe behandelt worden sey, als das Herz. In den ersten Jahrzehenden der wie- der erwachenden, beobachtenden Naturforschung hatte dasselbe aufser seiner ihm zukommenden Dignität auch der leider im ver- gangenen und selbst hin und wieder in unserem Jahrhundert wiederhallende Irrthuni sanctionirt, als sey es, das punctum sa- liens, das zuerst erscheinende Organ des Embryo. So falsch diese Behauptung auch ist, so liegt doch eine gewisse Wahrheit hinter ihr verborgen. Denn wenn wir von der uns überhaupt noch so völlig verschlossenen Thäligkeit des Nervensystemes ab- sehen, so ist es das Herz, welches unter allen Organen des Kör- pers zuerst functionell auftritt; ja diese seine erste Bewegung 332 Von dem Embryo. zeigt sich so früh, dafs wenigstens von Seiten der Entwickelungs- geschichte die vielfach angeregte Frage, ob das Blut durch seine eigene Kraft oder durch die Stofskraft des Herzens in Bewegung gesetzt werde, wohl nie mit Gewifsheit wird entschieden werden können. — Selbst nachdem man durch genauere Beobachtung kennen gelernt hatte, dafs das Herz eben nicht zuerst gebildet werde, dauerte doch bei den gröfsten Männern des vorigen und des jetzigen Jahrhunderts eine gewisse Vorliebe dafür fort, dieses Organ genetisch so vollständig, als möglich, kennen zu lernen. So entstanden die Arbeiten von Malpighi, Haller, Pander und Bär über die Entwickelung desselben bei dem Vogel, so die vielen Dar- stellungen und Abhandlungen über seine Genese bei Säugethieren von Albinus, Haller, Wolif, Ph. Fr. Meckel, Sömmering, J. Fr. Meckel d. j. u. A. Allein dessenungeachtet kennen wir die Ge- schichte des Herzens im Embryo vollständig nur bei dem Vogel, vorzüglich durch die neuen Untersuchungen Bär's, wiewohl vor ihm Malpighi, Haller, WolfF, Pander, Pfeil, Prevost und Dumas, Döllinger u. A. schon zerstreute Beiträge hierzu geliefert haben. — Um nun einen Ueberblick des Ganzen zu erhalten, wollen wir zuerst die Entwickelungsgeschichtc des Herzens bei dem Hühn- chen, vorzüglich nach v. Bär in aller Kürze möglichst vollstän- dig auseinandersetzen und an diese das Wichtigste von den an Säugethieren und Menschen hierüber gemachten Beobachtungen anreihen, nachdem wir zuvor die verschiedenen Ansichten über den Embryonalkreislauf selbst zwischen beide eingeschaltet ha- ben. — Nach V. Bär (Entw.gesch. S. 28. bei Burdach S. 256.) zeigt sich am Ende des ersten Tages in dem Centraltheile des Gefäfsblattes eine dunkele körnige Masse *), welche hinten an dem Rande der Kopfkappe in zwei seitliche Schenkel ausläuft, die anfangs durch einen dünnen Faden nur verbunden sind, bald aber näher zusammenrücken. Kurze Zeit darauf (Mitte des zwei- ten Tages) wird die Masse hell, während die Circumferenz zur Wandung sich ausbildet und so nun entsteht ein wahres mit Blut gefülltes Herz. Die früheren Schenkel der dunkelen Masse (S. 32. bei Burdach S. 261.) sind nun Schenkel des Herzens. Die- ses hat eine längliche etwas gekrümmte Gestalt und verläuft auch *) Uafs die körnige Masse dem Gefäfsblatte angehöre, mufs ich sehr bezweifeln. So viel ich sab, ist sie nur das durch den vollkommen durch- sichtigen Herzkanal emporgehobene Schleimblatt. S. oben Entstehung des Blutes. Körpergefäfse. Herz. 333 nach vom in zwei äufserst zarte, mehr angedeutete, als wahrhaft ausgebildete Schenkel. Bald findet sich in ihm eine Art von Pulsation, welche C. Fr. Wolff schon kannte (s. oben Genese des Blutes) und mit der peristaltischen Bewegung der Gedärme ver- glich. V. Bär parallelisirt sie mit den Contra ctionen des Rücken- gefäfses der Insekten. Doch finde ich diesen Vergleich für die allererste Zeit nicht ganz passend. Denn dieses treibt die Blut- masse des Insektes mit relativ sehr grofser Gewalt fort, während hier die enthaltene Flüssigkeit aus dem Bereiche der Herzwan- dung zuerst durchaus nicht hervortritt; das Rückengefäfs (Insek- tenherz) zieht sich in der Regel so zusammen, dafs in dem Mo- mente der stärksten Systole beide Seitenwände in der Mitte ein- ander gänzlich berühren, was hier nicht im Anfange, wohl aber in einer etwas späteren Zeit, wenn das Herz kein gerader Schlauch mehr istj eintritt. — Die von dem vorderen Ende des Herzens aus- gehenden Schenkel laufen nun bis an den Knopf der Rückensaite während die hinteren in der Gegend der Umschlagungsstelle der Keimhaut nach vorn liegen. Nun treibt das Herz die Visceral- platten aus einander und fällt gleichsam aus ihrer Höhlung vor, wird jedoch von der Kopfkappe gänzlich bedeckt. Seine Krüm- mung vermehrt sich und seine beiden Enden nähern sich einan- der, indem vorzüglich das vordere Ende sich zurückzieht. Die Lage des Herzens ist nun am Ende des zweiten Tages folgende: Der Zusammenflufs der Venen (hintere Schenkel des Herzens) liegt beinahe in der Mittellinie des Leibes. Der aus ihrer Ver- bindung entstandene Herzkanal geht nun zuerst ein Wenig nach links und biegt sich dann stark nach rechts um, indem er im Ganzen von hinten nach vorn, zuerst nach unten, dann nach oben verläuft. Nun (1. c. S. 55. bei Burdach S. 285.) zieht sich das ganze Herz mehr nach hinten und mehr in sich selbst zusammen, so dafs es daher wulstartiger hervorragt. Der aufnehmende (ve- nöse) Theil weicht mehr nach links, und die Wölbung seiner Um- beugung wendet sich daher immer mehr nach der rechten Seite. Es bildet sich die früher schon rudimentär angedeutete Sonde- rung im Herzen nun deutlicher aus. Es entsteht nämlich an der convexen Seite der Umbiegung eine dunkele Masse, welche bald Fäden erkennen läfst und die Muskulatur der Ventrikel darstellt. Diese beschränkt sich anfangs vorn und hinten durch eine kleine Hervorragung und nimmt nur die convexe Seite der Krümmung ein, während die concave in ihrer- alten Gefäfsform verharret. 334 Von dem Embryo. Auch erhebt sich schon jetzt von der inneren Wand der Conve- xität aus eine Falte, das Rudiment der die beiden Herzkammern in der Folge trennenden Scheidewand. Später verdickt sich auch die eigentliche Gefäfswand (concave Seite) des Herzens, so wie der vor ihr liegende Theil des Gefäfsschlauches, die bald auftre- tende Aortcnzwiebel. Zwischen beiden entsteht eine Einschnü- rung, Asls J'retum Halleri. Der venöse Theil des Herzens (die gemeinschaftliche Verbindung der beiden eintretenden Venen, früheren hinleren Schenkel) wird länger, bekommt zwei seitliche Erweiterungen, die künftigen Herzohren, während das mittlere Rohr noch einfach bleibt und so die Bedeutung eines einfachen Venensackes annimmt. Die Herzohren (1. c. S. 72. bei Burdach S. 302.) verdicken sich und werden eingekerbt. Eben so wird die Wandung des einfachen Venensackes stärker. Die Kammer spitzt sich mehr zu und ihre Spitze rückt mehr nach hinten, während ihre Wandungen immer mehr an Dichtigkeit gewinnen. Zwischen Kammer und Vorkammer (dem einfachen Venensacke neben den beiden Herzohren) wird der Zwischenraum gröfser und heller, zum Ohrkanal {^Canalis auricularis). Die Falte in dem Ventrikel hat sich unterdefs vergröfsert, doch so, dafs beide Kam- mern unter einander noch communiciren. Bald reicht sie einer- seits bis an die Aortenzwiebel, anderseits bis an den Ohrkanal. Die Aortenzwiebel verdickt sich mit einer Hauptkrümmung nach links und enthält eine spiralige nicht ganz cylindrische Höhlung. Am fünften Tage (1. c. S. 81. bei Burdach S. 313.) zieht sich das ganze Herz noch mehr zusammen, so dafs Vorkammer und Aortenzwiebel an einander grenzen. Die Spitze ist stärker und mehr nach hinten gerichtet. An dem einfachen Venensacke ist äufserlich eine Einkerbung sichtbar. Eben so an dem Ohrkanale der jetzt seine gröfste Ausbildung erreicht hat. Die Scheidewand des Ventrikels trennt beide Kammern bis auf eine längliche Lücke vollständig von einander. In der Aortenzwiebel ist die spaltför- mige Höhlung in der Mitte verwachsen, so dafs zwei sich um sich drehende Kanäle entstehen. Nun (1. c. S. 98. bei Burdach S. 328.) verlängert sich die Wand der Herzohren über den Ve- nensack. An der Stelle der äufseren Einschnürung desselben ent- steht eine unvolltständige Scheidewand im Inneren. Der Ohrka- nal schiebt sich in die Kammer hinein und wird von deren Mus- kulatur überwachsen. Ad dem Ventrikel zeigt sich schon äufser- Körpergefäfse. Herz. 335 lieh eine Trennung durch eine Furche, so dafs die kleinere rechte Kammer nicht bis zur Spitze reicht, die gröfsere linke Kammer daher diese umfafst. Die Aortenzwicbel scheint äufserlich zwar nur aus der rechten Seite zu kommen; man sieht aber bei inne- rer Untersuchung, dafs sie beiden Kammern angehört. Das Er- stere rührt daher, dafs die von der Bauchseite aus sichtbare (obere) Hälfte aus der rechten Kammer kommt und die aus der linken Kammer kommende (untere) Hälfte völlig verdeckt. Die Aortenzwiebel selbst hat sich in einen langen Bogen ausgezogen. Die rechte Herzkammer und mit ihr die rechte Seite der Aorten- zwiebel dreht sich unterdefs schnell von unten und links nach oben und rechts, indem die Vorkammer von links nach der Mitte zu rückt, die Spitze des Herzens aber sich etwas nach hinten und dann nach unten neigt. In der Folge (1. c. S. 113. bei Bur- dach S. 344.) theilt sich der Venensack immer deutlicher in zwei Vorhöfe durch eine vorspringende Hervorragung, welche da, wo die Scheidewand der Kammer den Venensack berührt, am brei- testen ist, von hier an der unteren Wand fortläuft und an der oberen, vor der Venenmündung aufhört. Die Hohlvene mündet also in den noch ungetheilten Theil des Vorhofes. Indem die Aortenzwiebel sich mehr in die wahre Gefäfsgestalt umändert, sondert sie sich in die zwei früher in ihr schon angedeuteten Gefäfsstämme , von denen der eine aus der rechten, der andere aus der linken Kammer kommt. (Den weiteren Verlauf dieser Aesto s. oben bei den Kiemengcfäfsen, ) W^enn früher die linke Vorkammer die rechte an Gröfse etwas übertraf, so erhält diese nun (I. c. S. 128. bei Burdach S. 361.) gleiche Gröfse mit jener. Da unterdefs (s. oben das Venensystem) der gemeinschaftliche Stamm der vorderen und hinteren Hohlvene in das Herz einge- zogen worden, so mündet die linke vordere Vena cava über der Lücke der Scheidewand der beiden Vorkammern und ergiefst, da ihre Strömung von links nach rechts gerichtet ist, ihr Blut in die rechte Vorkammer. Die hintere Hohlvene dagegen tritt in die rechte Vorkammer und ihre Mündung ist von der der lin- ken, vorderen Hohlvene durch eine kleine Klappe getrennt. Ihr Strom geht vorzüglich nach der Scheidewand und gerade durch das eirunde Loch oder die Lücke der Scheidewand nach der lin» ken Vorkammer. Beide Mündungen der Hohlvcnen rücken dann (1. c. S. 132. bei Burdacb S. 365.) mehr aus einander, während 336 Von dem Embryo. ein musculöser Wulst den Strom aus der Unken vorderen Hohl* vene von dem eirunden Loche scheidet. Vordere rechte Hohl- vene und hintere Hohlvene haben zwar äufserlich noch scheinbar eine Mündung. Beim Aufschneiden sieht man aber an der Mün- dung der hinteren Hohlvene zwei Klappen, von denen die eine nach der Lücke der Scheidewand, und durch diese hindurch sich zieht, also valvula foraminis ovalis ist, die andere dagegen, die aus der entgegengesetzten Vene kommt, die rechte vordere und die hintere Hohlvene von einander trennt. Das fovamen ovale und die Mündung der hinteren Hoblvene rücken nun immer mehr aus einander und indem die zwischen der hinteren und vorderen rechten Hohlvene befindliche Klappe sich vergröfsert, gelangt das Blut der hinteren Hohlvene in die linke, das der bei- den vorderen dagegen in die rechte Vorkammer. Gegen das Ende der Bebrütung endlich (1. c. S. 135. bei Burdach S. 368.) scheint die rechte Vorkammer gröfser, als die linke zu seyn. Dasybrö- men ovale und die Mündung der hinteren Hohlvene entfernen sich immer mehr von einander. Die Mündung der hinteren Hohl- vene und der rechten vorderen Hohlvene wird durch die Eusta- chische Klappe noch mehr geschieden. Ihr gegenüber findet sich dann in der Regel auch noch eine kleine Klappe. Der Kreislauf des Blutes in dem Fötus der Säugethiere hat ' die Naturforscher aller Zeiten vielfach beschäftigt und in verschie- denen Perioden theils zu wiederholten Untersuchungen, theils zu neuen Theorieen Veranlassung gegeben, daher ist hier ein Reich- thum literarischer Quellen, wie in fast keinem anderen Theile der Entwickelungsgeschichte und es wird deshalb nothwcndig, gewisse Perioden festzusetzen, um eine Uebersicht des Ganzen zu gewin- nen. Am füglichsten kann man drei solcher Abschnitte annehmen und zwar 1. von Galenus bis auf Sabatier (1774.) \ 2. von Sabätier bis auf J. Fr. Meckel d. j. (1816.) und 3. von J. Fr. Meckel bis auf die neueste Zeit. Die ältesten Ansichten, welche vor die be- stimmte Erkenntnifs des Kreislaufes des Erwachsenen fallen, sind von mehr historischem, als physiologischem Interesse und gehören deshalb weniger hierher, als in eine Geschichte der Medizin. Harvey selbst und diejenigen seiuer Vorgänger, welche den Kreis- lauf des Blutes vor ihm geahnet hatten, wie Michael Servetus, Sarpa, Thomas Barlholinus, Nardius, Realdus Columbus, Caesalpi- nus, Peucerus, Aegidius Guttmaon u. A. legten die ersten Grund- steine Körpergcfäfse. Herz. 337 steine zu einer solideren Theorie der Circulation im Fötus. Von dem Ende des siebzehnten bis über die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurde dieser Gegenstand mit besonderer Vorliebe, vorzüglich von den Pariser Akademikern, bearbeitet und so ent- standen die vielen Abhandlungen hierüber von Duverney, Tauury, Vernheyen, Mery, Litlre, Boussiere, Rouhault, Vieussens, Lcmery, Cröser, Hunauld, Heister, Crell, Brendel, Präget und Busson, Bertin, Trevv, Haller, Huber u. A., bis Sabatier durch einige Blät- ter geistvollen Inhaltes für die wahre Lehre fast mehr that, als die ausfülirlichen Arbeiten aller früheren Schriftsteller zusammen- genommen, (lieber die Lehren vieler dieser älteren Autoren s. Kilian über den Kreislauf des Blutes im Kinde, welches noch nicht gcathmet hat. 1826. L) C. Fr. WolfF schi'itt in wesentlich derselben Richtung fort und basirte seinen Ausspruch auf die ge- nauesten Untersuchungen der Natur selbst. In der Folge bearbei- teten LoÜstein, Wrisberg, Ph. Fr. Meckel, Sömmering, Danz, Bi- chat u. A. dasselbe mit verschiedenem Erfolge. Allein bisher halte man nur gewisse Einzelheiten im Baue des Fötalherzens, welche ihrer Eigcnthümlichkeit halber vorzüglich in das Auge fielen, aufgefafst und zum Theil bis in das Speciellste verfolgt. An einer Durchführung des Gegenstandes durch alle Entwicke- lungszustände fehlte es in der Anatomie der höchsten Thierklasse noch gänzlich. Als Schöpfer dieser Richtung ist unser trefflicher Meckel anzusehen. Er hatte zwar schon früher in zwei Abband^ lungen, "WO er die Anatomie menschlicher Embryonen lieferte, die Form des Herzens, wie er sie bei jedem Einzelnen gesehen, genau beschrieben, allein erst im Jahre 1816 veröffentlichte er eine zusammenhängende Uebersicht der Herzmetamorphose nach neuen Untersuchungen an Embryonen des Menschen und mehre- rer Haussäugethiere. Nun "war eine sicherere Basis gewonnen, auf welche neue Facta bezogen und nach der alte Unrichtigkeiten ver- bessert werden konnten. Nach ihm liefert en noch einzelne Beiträge zur Geschichte des Säugethier- und Menschenherzens Rolando (1823), Prevost und Dumas (1824), Kilian (1826), v. Bär (1827), E. H. Weber (1827), Rathke (1828) und Owen und Thomson (1831), während Kilian und Biel, welches Letzteren Schrift ich leider durch eigene Leetüre noch nicht kenne, die gesammte Lehre des Kreis- laufes im Fötus im Jahre 1827 wiederum behandelten. So herrscht also in der ersten und zweiten Periode vorzüglich die Tendenz 22 338 Von dem Embryo. vor, die Functionsveränderungen der einzelnen Herztheile im Fö- tus zu erforschen, während die drilte Periode eine im Ganzen mehr morphologische Richtung angenommen hat. Aus leicht er- klärbaren Gründen werden wir die Gestaltmetamorphosen zuerst behandeln und Einiges dann über den Kreislauf nachfolgen lassen. Die früheste Form des Säugethierherzens hat v. Bär {de ovo mammal. p. 3. tab. I. fig. VII='. g. h. i.) aus einem drei- wöchentlichen, 4 Linien langen Hundeembryo beschrieben und abgebildet. Es war in sich, wie das des Hühnchens vom dritten Tage, gekrümmt und bestand aus einem einfachen "Venensacke, einem in sich gekrümmten einfachen Ventrikel und einem durch kein fretum deutlich geschiedenen Aortenwulst, von welchem die vier Kiemengefäfse jederscits ausgingen. Auch hier kamen, wie bei den Vögeln, die beiden voi'deren Kiemengefäfse aus einer Anschwellung des arteriösen Stammes. "Wiewohl die nun zu- nächst folgenden Momente bei den Säugethieren und dem Men- schen noch wenig beobaclitet sind, so läfst sich doch, wie Burdach (Physiol. II. S. 515.) aus beschriebenen Mifsbildungen mit Recht schliefst, ein ähnlicher Hergang erwarten. Auch hier zieht sich Ohrkanal und Aortenzwiebel in das Arterienherz zurück, wäh- rend die Herzohren sich aus dem einfachen Venensacke hervor- stülpen und dieser selbst in zwei Höiilen, den rechten und linken Vorhof sich scheidet. So sab Rathke {Nov. Act. Acad. N. C. XIF^. Abth. 1. S. 192.) bei sechs Linien langen Schweincembryo- nen den Ventrikel noch einfach und, so war, nach seiner Abbil- dung wenigstens zu schliefsen (tab. XVIIL fig. 18. f.), auch der Venensack einfach und begann nur an seinen Wänden zu den Herzohren sich auszustülpen. So beobachtete Meckel (Arch. II. S. 404.) bei einem fünf Linien langen menscb liehen Embryo an dem venösen Theile des Herzens zwei grofse Höhlen, welche den Ventrikel an Gröfse übertrafen und die er als Vorhöfe deutet. In dem Letzteren verfährt er aber nicht consequent, sondern nennt dieselben Theile (S. 405.) bei einem sechs Linien langen Embryo richtiger Herzohren, während er bei 1'" (S. 407.), 7|'" (S. 408.), 8'" langen und gröfseren Embryonen sie wiederum Vorhöfe nennt. Als Atria sieht auch diese Theile Job. Müller (Meck. Arch. 1830. S. 427.) bei einem 1'" und E. H. Weber (Meck. Arch. 1827. S. 227.) bei einem 8| Linien langen, mensch- lichen Embryo an. Allein dieser Meinung kann ich keineswegs Körpergefäfse. Herz. 339 beistimmen. Nach meinen Untersuchungen an Embryonen des Menschen und des Schaafes sind sie Nichts, als Herzohren, welche sich in frühester Zeit mit ihren seitlichen Verschmälerungen un- mittelbar in den Venensack fortsetzen. Der Venensack selbst aber theilt sich früh in zwei Vorhöfe, die jedoch anfangs nur dann zu erkennen sind, w^enn man die Herzohren zurückgeschlagen und die vordere oder hintere Wand des Venensackes entfernt hat. Die Bildung der Scheidewand geht von der Mittellinie der bei- den früher getrennten Ventrikel aus und zwar bei dem Schaafe so, dafs eine dünne Falte sich an der unteren, den Herzkammern anliegenden Fläche von vorn nach hinten und etwas nach rechts schief herüberschlägt, späterhin sich mehr nach der Mitte zieht, halbmondförmig sich ausschweift und indem sie in ihrem Wachs- thume fortschreitet, so die Scheidewand zwischen beiden durch ein grofses Loch noch verbundenen Vorhöfen darstellt. Die Thei- lung des Venensackes wird nun auch äufserlich kenntlich. Doch bleibt er noch lauge von den verhältnifsmäfsig sehr grofsen Herz- ohren überdeckt und wird deshalb leicht übersehen. Was nun aber besonders den Menschen betrifft, so mufs ich ebenfalls die genannten Theile, die E. H. Weber (1. c. fig. 8. c. d.) recht ge- nau abgebildet hat, nicht als Atrien, sondern als Herzohren deu- ten. Legte ich nämlich das noch in seiner Lage befindliche Herz menschlicher Embryonen von 6'" bis 8'" Länge nach dem Kopf zu um, so sah ich deutlich, wie sich beide in einen mittleren, sie gleichsam brückenartig verbindenden Sack öffneten, von dem ich, da ich nur in Weingeist aufbewahrte Exemplare zu unter- suchen Gelegenheit hatte, nicht zu entscheiden wage, ob er noch einfach oder schon in zwei Vorhöfe getheilt war. — Nicht min- der verschiedene Angaben finden sich über die erste Entstehung der Ventrikel. Dafs sie zuerst eine einzige, noch nicht in zwei Kammern geschiedene Höhlung ausmachen, ist nach den Untersu- chungen von Meckel, Bär, Rathke und mir keinem Zweifel un- terworfen. Rolando's Angabe (Journ. compl. du dictionn. d. sc. medic. XVI. 1823. p. 44.), dafs die beiden Ventrikel immer von einander geschieden und ohne gegenseitige Communication seyen, gehört in die Reihe der Irrthümer, an denen seine Abhandlungen über Entwickelungsgeschichte so überaus reich sind. Das Septuvi entsteht bei dem Schaafe als eine von der rechten Seite der Spitze des Herzens nach der Mitte der Basis zu gehende Falte, welche an- 22» 340 Von dem Embryo. fangs noch nicht gänzlich Lindurchgebt und so eine freie Communi- catioQ zwischen beiden Kammern zuläfst. Nach Meckel (1. c. S. 424.) giebt es bei dem Menschen sich zuerst äufserlich durch eine Einkerbung zu erkennen, welclie in frübcster Zeit noch ganz in der rechten Herzbälfte und fast gleicli entfernt von der Basis ; wie von der Spitze liegt, späterhin aber mehr nach der Mitte zu und dann über diese hinaus nach links rückt. Hier- durch wird das Gröfsenverhältnifs der beiden Kammern zu ein- ander bedeutend geändert. Zuerst ist die rechte Kammer kleiner, als die linke. Bald jedoch wächst sie mit dem Fortrücken der Trcnnungslinic nach links so sehr, dafs sie die linke an Gröfsc bedeutend übertrifft. Diese Veränderungen fallen in die früheste Zeit. Als Uebergangspunkte können die bei Embryo- nen von 1'" bis 9'" gefundenen Zustände angesehen werden. So sah Meckel (1, c. S. 408.) bei einem 7^''-' langen Embryo die linke Kammer noch gröfser, als die rechte, bei einem 8'" langen dagegen die linke schon bedeutend kleiner, als die rechte. E. H. Weber (1. c. S. 228.) beobachtete dasselbe bei seinem Embryo von 8*'"' Länge und an einem 8'" langen sahen wir selbst die rechte Kammer fast doppelt so grofs, als die linke. Nach mei- nen Beobachtungen an Schaafembryonen schliefst sich die Schei- dewand beider Kammern noch vor dem völligen Schlüsse der Kie- menspalten vollständig. Allein da die Wandung des Herzens an der Stelle ihres Ausgangspunktes, die sich auch zuerst verdickt hat, an der Spitze am stärksten ist, so beginnt sie mehr gegen die Mitte der Höhlung zu, als an dem Brüstende der inneren Herz- oberfläche. Bald jedoch und zwar noch vor ihrer vollkommenen Schliefsung verdickt sie sich so sehr, dafs ihre Stärke nicht nur der der Herzwandungen gleich kommt, sondern diese sogar noch übertrifft. Hiervon kann man sich an Querschnitten leicht über- zeugen. — Nachdem wir nun so die allgemeinsten Moujente der Herzbildung nach den fragmentarisch existirenden Daten durchge- gangen, müssen wir die einzelnen Theile, so wie die Gröfsen und Lagenverhältnisse des ganzen Herzens speciell ins Auge fas- sen. — Was nun zuei-st die Gröfse des Herzens betrifft, so ist diese, je jünger der Fötus, um so bedeutender. So fand Meckel (Arch. n. S. 414— -418.) das Verhältnifs des Gewichtes desselben zu dem des ganzen Körpers bei einem Embryo von 1" 4'" Länge, wie 1:50, bei einem von 2" 5'" wie 1:53, bei einem von 3" Körpergefäfsc. Herz. 341 A'" wie 1 : 100 und bei einem von 7" 6'" wie 1 : l'iO. So be- trägt sogar das Herz nach E. H. Weber (Meck. Areb. 1827. S. 228.) in der achten Woche | der Länge des Körpers. Dieses in späterer Zeit des Fruclillcbcns immer abnehmende Längenvcrhält- nifs haben im Allgemeinen schon Boume, Haller und Mayer an- gemerkt. — Die Lage des Herzens ist hier fast denselben Verän- derungen unterworfen, wie bei dem Vogel. Sobald es sich in sich gekrümmt und Vorhof und Ventrikel sich deutlich heraus- gebildet haben, liegt es mehr in der Mittellinie, mit seiner Basis nach hinten, mit seiner Spitze nach voi-n und nach unten gerich- tet, also in einem schiefen, queren Durchmesser der Brust. Diese quere Richtung ist jedoch selbst in sehr früher Zeit bei dem Menschen lange nicht so bedeutend, als bei Schaafcn und Schwei- nen. Ja sie schneidet bei dem Ersteren die Perpendikularaxe nur^ unter einem sehr kleinen spitzen Winkel. Vom vierten Mo» nate an dagegen rückt das Herz nach Meckcl (Anat. IV. S. 44.) von der rechten nach der linken Seite hin. — Von einzelnen Theilen unterscheiden wir: 1. das venöse Herz und zwar a. die Herzoh- ren. Diese mit Unrecht oft für Vorhöfe ausgegebenen Organe sind anfangs zwei grofse, längliche, wulstige Säcke, deren Verbindung bei der Ansicht von vorn von dem Ventrikel nebst dem aus die- sem entspringenden arieriösen Gefäfse verdeckt "s^^ird. Hire Wan- dung ist, je jünger der Fötus, desto mehr relativ angeschwollen und im Verhältnisse zur Höhlung gröfser. In der ersten Hälfte des dritten Monates beginnen sie sich einzukerben und erhalten allmählig, indem sie durch die Ausbildung und das Wachsthum der Atrien an ihrem hinteren Theile emporgehoben werden, die bekannte ibnen eigenthümliche, schiefe Richtung. 2. Die Vor- höfe, lieber ihre früheste Entstehung haben "wir schon oben berichtet. Es kommen aber in ihnen manche einzelne Theile vor, welche die Aufmerksamkeit der Naturforscher vorzüglich auf sich gezogen, wie die Eustachische Klappe, das foramen ovale, die Klappe desselben u. dgl. m. Was nun das eirunde Loch betrifft, so hat es Galen (de usu pari. Hb. XV^. Cap. 6.) so wie die Membrana foraniinis ovalis schon gekannt und geglaubt, dafs durch dieses Loch das Blut der Hohlvene in die Lungenvene träte. Arantius nennt das eirunde Loch ein foramen, cujus forma f^uartam circuli partem repraesentat (de fonnat. foet. libell. Basti 1579. 8. p. 93). Van der Wiel, Bohn, Pech- 342 Von dem Embryo. lin, Meiy u. A. beschrieben es auf verscbiedene Weise, wie es Jedem von ibnen erschienen war, je nachdem er es gerade in diesem oder jenem Momente der Schwangerschaft untersucht hatte. Der geistreiche Sabatier {^hist. de Vacad. roy. d. sc. Ännee YllL Paris 1778. Mst. p. 7. mem. p. 200.) fafste die Bedeutung desselben allgemeiner auf und stellte es vorzüglich mit der J^alvula Eustachii in nähere Beziehung. Er sah näm- lich die Eustachische Klappe für ein blofses Fötusorgan, eben so gut, als das eirunde Loch an. Durch die erstere wird nach ihm das rechte Atrium in zwei Theile geschieden und zwar in einen Theil, welcher das Blut der vorderen Hohlvene aufnimmt, wäh- rend das der hinteren Hohlvene dui^h das eirunde Loch unmit- telbar in das linke Atrium gelangt. C. Fr. Wolff {ISov. Com- ment. acad. Petrop. Vol. XX. lect. d. \\.. Jan. 1776.) führte die Untersuchung des eirunden Loches auf das Genaueste durch. Nach ihm ist seine Form in beiden Vorhöfen sehr verschieden'. Im rechten wird es nach oben durch den isthmus Vieussenii, nach unten durch eine halbmondförmige Klappe begrenzt; im lin- ken dagegen befindet sich über jenem isthmus eine halbmond- förmige zusammengehüllte Haut, die an beiden Seiten befestigt ist und einen Sack bildet. Beugt man sie aber so weit zurück, dafs der Bogen zum Vorschein kommt, so zeigt sich zwischen dem Bogen und der inneren Oberfläche der Membran eine von diesen Theilen begrenzte Oeffnung. Es giebt also in jedem Ven- trikel ein eigenes, von dem anderen verschiedenes J^oramen ovale. Beide Sinus communiciren keineswegs durch eine Oeff- nung, sondern die hintere Hohlvene liegt nur zwischen beiden. Die in dem rechten Atrium sichtbare Oeffnung führt in den Stamm der hinteren Hohlvene, die in dem linken Atrium bemerkbare, das besonders sogenannte ybrawi^/^ ovale, ist eine andere Mün- dung derselben Hohlvcne (p. 362.). Das Loch ist also nichts, als die linke Oeffnung der hinteren Vena cava, wo sie sich in den linken Vorhof einsenkt. Hier setzt sie sich an die Basis der röhrenförmigen Klappe an (p. 371.). Nach der Geburt verwach- sen beide Mündungen der Hohlvenen, ..^Et eo magis.," fügt er hinzu (p. 375.), „i'/j hac opinione persuadeor, cum idem sen- serit perill. L. B. de Haller , cujus magni mj'i testimonium, uti in universa anatomia, ita inprimis in Ulis casibus ma- ximi ponderis esse debet, ubi plurimus in plur'ibus cadaveribus Körpergefäfse. Herz. 343 observationum consensus requiritur,"" Hallers hieraaf bezüg- liche Stellen finden sich in seinem format. du poulet IL p. 77., Opp. min. I. p. 39. und Elem. physiol. VIII. p. 376. Nach ihm geht das forainen ovale in einen schiefen oder queren Gang über, der 0,15" breit und 0,13" tief ist, der von dem rech- ten Vorhofe nach hinten und aufwärts zwischen dem eirunden Loche und der Klappe führt. — Die Wolffsche Ansicht bekämpfte Ph. Fr. Meckel, während Beaudelocque, Sabatier, J. Fr. Meckel, Kilian u. A. sie bestätigten. Nach J. Fr. Meckel (Anat. IV. S. 48.) fehlt bis zum Anfange des dritten Monates noch alle Spur einer Verschliefsung ^z% foramen ovale von der linken Seite her. Später aber wächst von dem hinleren Theile des Umfanges der vorderen Hohlvene die p^alvula foraminis ovalis herauf und nähert sich der Scheidewand, während die Eustachische Klappe sich etwas verkleinert und von der Scheidewand entfernt. Indem nun die J^alvula foraminis ovalis straffer wird und das eirunde Loch völlig verschliefst, mündet dann die hintere Hohlvene nicht mehr in den linken, sondern in den rechten Vor- hof. Vom sechsten Monate an stellt das sogenannte foramen ovale einen kurzen Kanal dar. Erst gegen Ende des Fötuslebens wird, wie Sömmering (Bau des menschlichen Körpers IV. S. 16.) bemerkt, die Eustachische Klappe durchlöchei't. — Interessant ist endlich noch die von Kilian gemachte Bemerkung, dafs das foramen ovale sich von seinem ersten Entstehen bis zu seiner vollen Reife in einem Bogen von 40" — 45° um seine Axe drehe. Dieses Phänomen hängt mit der Lagen Veränderung des Fötusher- zeüs zusammen und setzt sich noch nach der Geburt fort. — Was nun die Verhältnisse der beiden Kammern anlangt, so ist,^ wie schon oben bemerkt wurde, die rechte Kammer zuerst klei- ner, als die linke, wird aber bald darauf gröfser, gegen Ende des Fötuslebens jedoch wiederum kleiner, als diese. Nach le Gallois {dict. d. sc. med. F. p. 440. bei Meck. Anat. IV. S. 46.) fafste die rechte Kammer eines todtgeborenen Fötus 34 Grammen Quecksilber, die linke 37; die rechte einer siebenmonatlichen Frucht 23, die linke, schlaffe 34. — Zuerst ist die Spitze des Herzens stumpf und die rechte Kammer nimmt im Anfange an ihr noch gar keinen Antheil. Später dagegen erscheint sie zweige- theilt, bis zuletzt die Theilungslinie mehr nach rechts und oben rückt. Die Dicke der Wände der Kammer ist, wie Meckel 344 Von dem Embryo. (Anat. IV. S. 49.) schon gegen Gordon lehrte, in früherer Zeit viel gröfser als später, ja in sehr früiier Zeit gröfser, als die Höh- lung selbst. Hieran mögen sich einige allgemeine Bemerkungen über den Kreislauf des Fötus reihen, welche die nothwendigstcn histori- schen Ansichten, so wie unsere eigene Meinung hierüber enthal- ten werden, indem wir denjenigen, welcher Vollstäudigkuit sucht, auf das in dieser Rücksicht fast erschöpfende Werk Kilians (über den Kreislauf des Blutes im Kinde, welches noch nicht geathmet hat. Karlsruh 1826. 4.) verweisen. Schon Galen (1. c.) lehrte, dafs das Blut durch das foramen ovale aus dem rechten Vor- hofe in den linken, also aus der Hohlvene in die Lungenvene bei dem Fötus gelange, vermöge der Klappe des eirunden Loches aber nicht wieder zurücktreten könne, dafs dagegen die Lungen ihr lebensgeistiges Blut durch den ductus artcriosus aus der Aorta empfangen. Das Letztere wurde nach Entdeckung des Kreislau- fes dahin abgeändert, dafs, da die Lungen das ganze Blut der Lungenschlagadern vor dem Athmen des Thieres durch dieselben noch nicht aufnehmen, der Theil des Blutes, welcher in sie ge- langen sollte und nach der Geburt in der That in sie gelangt, durch den arteriösen Gang abgeführt würde. Diese Ansicht theil- ten im Allgemeinen alle Anatomen und Physiologen des sieben- zehnten Jahrhunderts, bis zu Anfanjje des achtzehnten Jahrhun- derts der bekannte Streit unter den Pariser Akademikern sich entspann. Als Häupter der beiden Gegenpartheien können Du- verney und Mery angesehen werden. Merkwürdig ist jedoch die Veranlassung dieser Zwistigkeiten. Als ob man nämlich damals schon erkannte, dafs der Typus, nach welchem Gefäfssystem und Herz in der Reihe der Wirbclthiere sich ausbildeten, derselbe sey, welcher in der zeitlichen Entwickelung der immer höher gestellten Thiere gegeben werde, war es die Untersuchung der nie- deren Wirbelthiere, welche den ersten Anlafs zu dieser Meinungs- verschiedenheit gab. Duverney hatte seine Beobachtungen über das« Herz der Amphibien, vorzüglich der Schildkröte und das der Fische in den Jahren 1699 — 1701 bekannt gemacht und die Cir- culation des Fötus mit der in diesen Thiercn vorkommenden in Verbindung zu bringen gesucht. Hierdurch besonders fühlte sich Mery {ISouveau Systeme de la circulation du sang par le trou ovale dans le foetus humain. Paris 1700. 12. u. Mem. Körpergefäfse. Herz. 345 de Paris Vol. IL p. 175. Vol. X. p. 32.) bewogen, seine neue Theorie von dem Kreislaufe des Blutes im Fötus darzustellen. Er f;ing von der schon an sich unrichtigen Voraussetzung aus, dals das Blut der Mutter unmittelbar in das des Kindes übergehe und in diesem circulire. Hieran reihete er die noch weit unstatt- haftere Ansicht, dafs die Frucht im Mutterleibe Luft einathraen müsse. Da nun aber nur eine geringe Menge Luft zu ihm ge- langen und daher sein Blut nur wenig belebt werden kann, das Herz überdiefs noch zart und schw^ach ist, so kann das Blut nicht, wie in dem Erwachsenen, in dem ganzen Körper herumgetrieben ■werden. Es geht vielmehr ein TheU desselben durch die Aeste der Aorta, ein Theil aber durch die Lungenschlagader. Ein Theil der Blutraasse, welche aus dem rechten Ventrikel in die Lungenarterie kommt, geht durch den ductus arteriosus zur Aorta, durchläuft nun alle Organe des Körpers mit Ausnahme der Lungen, kommt durch die rechte Hohlvene zurück in den rechten Ventrikel, von da von Neuem in die Lungenarterie und durch den botalliscben Gang in die Aorta. Eine andere Blutmasse aber, welche blofs in den Lungen kreiset, gebt durch die Lungenschlagadern in die Lungen vencn, kommt von da in den linken Vorbof, gelangt durch das foramen ovale in den rechten, und von da v^iederum in die Lungenschlagader. Man sieht also hieraus, dafs sein Bemühen dahin zielt, auch bei dem Fötus, wie bei dem Erwachsenen, zwei von einander unabhäagige Kreisläufe anzunehmen, einen Körper- und einen Lungenkreislauf. — Mit Recht aber fand diese Ansicht den heftigsten Widerspruch an Duverney, Tauury, Buissiere, Littre u. a. Akademikern und späterhin an Heister, Trew, Haller u. A. Statt aber die zeitlichen Metamorphosen der grofsen in das Herz eintretenden und aus demselben herausgehenden Gefäfse zu ver- folgen und so zu sicheren Resultaten zu gelangen, waren es vor- züglich zwei Punkte, ■welche man auszumitteln sich bemühete, nämlich 1. die Capacität der Gefäfse, vorzüglich der Lxmgenve- nen im Verhältnisse zu der des aus dem rechten Ventrikel kom- menden Arterienstammes (s. hierüber das Vorzüglichste gesammelt bei Hallcr Eiern, physiol VIII. p. 393 — 396.) und 2. den Durch- gang des Blutes durch das eirunde Loch, Mery war seiner An- sicht nach anzunehmen gcnöthigt, dafs das Blut aus dem linken Vorhofe durch das eirunde Loch in den rechten übergehe, wäh- rend die ältere Ansicht die gerade entgegengesetzte Hypothese, dafä 346 Von dem Embryo. es durch dasselbe umgekehrt aus dem rechten Atrium in das linke ströme, postulirte. Winslow {Mem. de Vacad. Vlil. hist. p. 23. Mem. p. 280. u. 1725. Mem. p. 34.) suchte beide Meinungen dmch die Annahme zu vereinigen, dafs das Blut in beiden Yorhöfen un- bestimmt ströme und durch das eirunde Loch bald aus dem rech- ten in den linken, bald aus dem linken in den rechten gelange. Rouhault und Vieusseus modificirtcn beide Ansichten wiederum dahin, dafs der Uebergang des Blutes von einem Vorhofe in den anderen in den beiden verschiedenen Herzcontractionen, der Sy- stole und Diastole, verschieden seyen, während Morgagni, A. Vater, Albinus u. A. Jeder auf eigene Weise zu zeigen sich be- strebten, dafs das Blut aus dem rechten Vorhofe zwar durch das eirunde Loch in den linken Vorhof gelange, dafs es aber auch an- derseits Momente gäbe, in welchen es umgekehrt von dem lin- ken in den rechten durch diese OefFnuug strömen könne. Eine kurze und kritische Zusammenstellung der Ansichten und Grunde der genannten Männer findet sich bei Trew de diff. quibusd. inter h. natum et nascend. intercedent. Norimb. 1736. 4. p. 62 — 97. — So hatte die Verwirrung ihren höchsten Grad er- reicht, als Sabatier mit seiner gehaltvollen Abhandlung (Jiist. de Vacad. roy. d. sc. Annee 1754. Paris 1758. 4. hist. p. 7. 9. Mem. p. 198 — 209. und Traite complet d'anatomie Trois. edit. Tom. JII. 1791. 8. p. 386 — 398.) auftrat. Nach ihm hat, wie schon oben bemerkt wurde, die Eustachische Klappe ihren vorzüglichsten Nutzen im Fötus. Durch sie kann kein Blut aus dem rechten Vorhofe in den linkea gelangen, sondern das der vorderen Hohlvene, welche sich in das rechte Atrium ergiefst, kommt unmittelbar in die Aorta descendens. Das Blut der hin- teren Hohlvene dagegen gelangt in den linken Vorhof und von da in den aufsteigenden Aortenthcil, in die Kopfgefäfse. Beide Blutarten seyen geschieden, vorzüglich durch die Valvula Eusta^ chii, die ihren Uebergang in beiden Vorhöfen, der durch das yb- ramen ovale sonst möglich wäre, verhindert. Der arteriöse Stamm, welcher aus dem linken Herzen kommt, der das Blut führt, welches durch die hintere Hohlvene und das eirunde Loch in den linken Vorhof gelangt ist, leitet seine Blutmasse nach dem Kopfe (u. d. oberen Extremitäten), das arteriöse Gefäfs aus dem rechten Herzen dagegen, welches sein Blut aus der vorderen Hohlvene und dem rechten Atrium mittelst der Direction der Körpergefäfse. Herz. 347 Valvula Eustachii empfangt, durch den Botallischen Gang (Stamm der LuDgenarterie und ductus arteriosus) nach der absteigenden Aorte, also nach der unteren Körperhälfte und von da besonders in die Nabelarterien, welche in früherer Zeit Nichts, als die Fort- setzungen des Hauptstammes der Aorta sind. So geschehe der Kreislauf im Fötus in Form einer Achte (8), deren oberer Ring die Mündung der hinteren Hohlvene durch das eirunde Loch in den linken Vorhof, der arteriöse Stamm für die obere Körper- hälfte und die vordere Hohlvene, deren unterer Ring dagegen die Mündung der vorderen Hohlvene in den rechten Vorhof, der Stamm der Lungenarterie, der ductus arteriosus^ die Aorta descendens^ die Nabelarterien, die Nabelvene und die hintere Hohlvene bilde. Die Circulation des Blutes im Fötus ist auf diese Weise einfach, und, wie bei dem Erwachsenen zu den Lungen, so strömt bei ihm kein Blut zur Placenta zurück, welches nicht vorher den ganzen Körper durcbkreiset hätte. Diese Ansicht, welche, was die arteriösen Stämme betrifft, zum Theil früher schon Cassebohm {de differentia foet. et aduUL Hai. 1730. 4. p. 6. 7.) geäufsert hatte, wurde in Bezug auf den venösen Theil des Herzens durch C. Fr. Wolff (s. oben S. 342.) bestätigt und vervollkommnet. Nach ihm ergiefst die hintere Hohlvene ihr Blut sowohl in die rechte, als in die linke Vorkammer. Der Theil, welcher in das rechte Atrium fliefst, geht von da in die rechte und der, welcher in das linke Atrium strömt, in die linke Kammer. Nach Ph. Fr. Mek- kel (Danz 1, c. H. S. 208.) geht, so wie ein Theil des Blutes aus der hinteren Hohlvene auch in das rechte Atrium überfliefst, so ebenfalls ein Theil des Blutes aus der vorderen Hohlader in die linke Vorkammer. Bicbat {Anat. generale Tom. II. 1812. 8. p. 346.) läfst das Blut der hinteren Hohlvene gänzlich in den linken Vorhof gelangen und sich durchaus nicht mit dem der Vena cava superior mischen, während anderseits Lobstein (s. E. H. Weber in Hildebr. Anat. HL S. 161.) Sabaticrs Lehre be- streitet. Allein dieser, welche zum Theil früher schon Trew (1. c. p. 92.) angedeutet hatte, folgten endlich in neuester Zeit J. Fr. Meckel, Burdach u. A., während die Entwfckelungsgeschichte des Vogelerabryo ihr eine neue nicht unwichtige Stütze gab. Auch Kilian pflichtet dieser Ansicht bei (1. c. S. 204 — 206.). Nur theilt sich nach ihm die untere Hohlvcne in zwei Stämme, von denen der linke das Blut unmittelbar in den linken Vorhof, der 348 Von dem Embryo. rechte dagegen einen Theil desselben in das rechte Atrium leitet. Das Blut der Nabelvene durchströmt gröfstentheils die Leber, ■während eine nur geringe Abtheilung desselben durch den venö- sen Gang unmittelbar zur unteren Hohlader geleitet wird. Da der Blutlauf im Fötus sich über den Körper desselben in die Pla- centa erstreckt, so würde die hlofse Kraft des linken Ventrikels nicht hinreichen, um dem Blute einen so starken Impuls zu ge- ben (S. 211.). Es wird daher auch die rechte Herzkammer zu Hilfe genommen, welche den arteriellen Kreislauf des Kopfes ver- sorgt, während der linke Ventrikel das Blut nach dem Unterleibe hin und von da in die Placenta treibt. Wegen dieser Einrich- tung haben auch beide Herzhälften gleich dicke Wandungen (S. 212.). — Man mufs überhaupt in den Naturwissenschaften die Idee festhalten, dafs Function und Form, wie Zeit und Raum, nur auf niederer Stufe, verschieden sind, in einer höheren Sphäre dage- gen durchaus in einander und in ein höheres Dritte eingehen und insofern identisch seyn müssen. So ist es die üridee des Thieres, seine Individualität im Gegensatze der Aufsenwelt zu be- haupten, in sich Centrum und Peripherie zu haben und von die- sem geschlossenen Kreise aus nach aufsen hin zu wirken. Das Blut ist aber unter den Säften dasjenige, welche diese Individua- lität am meisten darstellt und behauptet. Daher die von den äl- testen Zeiten her wiederhallende Ahndung, dafs Blut und Cha- rakter innig zusammenhangen — ein Ausspruch, der sicher auch schon durch bestimmte Erfahrungen nachgewiesen wäre, wenn man mit ruhigem, acht naturforschenden Blicke von ärztlicher und philosophischer Seite aus danach geforscht hätte. Seine Bahn ist auf gleiche Weise ursprünglich die des Kreises, dessen Mittelpunkt oder vielmehr Mittelstelle sich jedoch bald dem Längentypus des Embryo gemäfs auch zu einer länglichen Ellipse ausdehnt. So erscheint er im ersten Dotterkreislaufe. Allein bald tritt der Gegensatz des Innern (Individuums) und des Acufsern auf. Es bildet sich so ein neuer Kreis, dessen Peripherie ebenfalls über den Embryo hinausgeht und mit dem Aeufseren, sey dieses ath- mosphärische Luft oder Multerblut, in Contiguität tritt. Das Cen- tralrohr, welchem im Gegensatze zu dem Aeufseren, wie es frü- her der Embryo selbst in Bezug auf die Höfe gethan, in diesem Kreise sich selbstständig zu individualisiren bestrebt, krümmt sich in sich zusammen und stellt so anfangs in einem halben Bogen, Körpcrgefäfsc. Herz. 349 der sich nach dem Kopfe und von da nach dem Rücken zu wendet, das System der Kiemengefäfse dar. Allein diese centrale Krüm- mung bedingt so durch ihre höhere Individualisation eine centrale Strömung, und da der Hauplstroni zugleich von der nach der Placenta gerichteten Strömung seinen Einflufs erleidet, so entste- hen zwei in einander gewundene (in Herzen daher spiralige) el- liptische Ströme, "vvie zwei in dem Herzen selbst, wie Ketten- ringe, in einander greifende Ellipsen, eine für den Ober- und für den Unterkörper nebst Placenta. Die Ellipsen bleiben noch nach der Geburt in ihrem Wesen dieselben. Nur ändern sie Function und Organ. Die obere, welche man vielleicht nicht unpassend Kiemeneliipse nennen könnte und die vor der selbstständigen Aus- bildung der Bauchkiemenfunction, wenn auch vielleicht nicht functionell, doch morphologisch die Athmungsorgane repräsentirt, evolvirt sich während des übrigen Fötuslebcns fast nur, um nach der Geburt als Lungenkreislauf auftreten zu können. Die untere Ellipse dagegen ist, je jünger der Embryo, desto mehr blofser Alhmungsplacentarkreislauf, theilt sich aber bald und mit zuueh- mendem Alter des Fötus immer mehr in Körper und Athmungs- kreislauf, bis sie nach der Geburt mit dem Verschwinden der Placentaralhmung Körperkreislauf für das ganze Leben bleibt. An den Knotenpunkten der Ellipsen entsteht das Herz als selbst- stäudige Fortbildung des frühereu Gefäfstheiles. Es giebt so zwei Herzen, w^eil es zwei Ellipsen giebt, die nur in und mit einander verwachsen sind. Hier ist dieses immer nur die centrale Umbie- gungsslelle der Ellipse, -welche sich zu dem Herzen individualisirt und die so mit der Umbiegungsstelle des Capillargefäfses von der einfachen, kleinsten Arterie in die kleinste Vene ihrem höchsten Wesen, d. h. der Uridee nach durchaus identisch ist, wie in der Pflanze der Fruchtknoten nur aus dem nietamorphosirten Blatte besteht. Denn, dafs auch die der centralen diametral entgegen- gesetzte Stelle sich in der Reihe der Thierwelt zu einem selbst- ständigen, hinteren Herzen bisweilen ausbilde, kann nach den neuesten Erfahrungen mit Wahrscheinlichkeit vermuthet -^verden. Carus (Erläut.taf. z. vergl, Anat. Hft. 3. tab. 5. fig. 11.) bildet aus Cyprinus Dobula eine im Embryo vorkommende Gefäfs- schlioge ab, und merkwürdiger Weise findet sich an der entspre- chenden Stelle im erwachsenen Aale das von Marschall Hall ent- deckte Caudalherz, von dessen Richtigkeit sich Jeder leicht mit 350 Von dem Embryo. blofsen Angen überzeugen kann. Was ist also wahrscheinlicher, als dafs dieses eine solche selbstständig gewordene Gefäfsschlinge sey? Es wäre interessant, zu wissen, wie die von Job. Müller und Panizza beschriebenen Lyraphherzen der Batrachier in ihrer frühesten Entwickelung sich verhalten. Die Structur des Herzens, als eines unwillkührlichen Mus- kels, weicht von der der willkührlichen Muskeln in mehreren wesentlichen Punkten ab. 1. Die Muskelfäden der willkührlichen Muskeln haben eine Reihe sehr zierlicher, fast immer wellenför- mig gebogener und in einer mittleren Distanz von etwas weniger als 0,000100 P. Z. stehender paralleler Querstreifen, welche längs der ganzen Muskelfäden verlaufen und sowohl in frischen als in ge- kochten, erhärteten Muskeln u. dgl. sichtbar sind und nur dann verschwinden, wenn nach einer länger anhaltenden Maceration die gestreifte Scheide schwindet und die einzelnen angelegten Muskelfa- sern sich von einander trennen. Ob die letzteren schon in dem fri- schen Muskel gebildet seyen oder nicht, wage ich für jetzt mit Be- stimmtheit noch nicht zu entscheiden, doch glaube ich sie wenig- stens in Amphibien mit Gewifshcit annehmen zu können. In der Muskulatur des Herzens sieht man bei den gewöhnlichen Vergröfse- rungen keine Querstreifen, während man diese schon unter densel- ben Verhältnissen mit jeder nur irgend zu wünschenden Bestimmt- heit bei allen willkührlichen Muskeln wahrnehmen kann. Aber ver- mittelst des grofsen Plöfsl'schen Microscops gelang es mir auch an ihnen Querstreifen wahrzunehmen, welche freilich hier nur fast mehr angedeutet, als wahrhaft gebildet zu seyn scheinen. Bei stär- keren Vergröfserungen sieht man nämlich an der Oberfläche der vollkommen hellen Herzmuskelfasem zarte parallele Querstreifen, welche aber wenig oder gar nicht wellenförmig gebogen sind und ebenso wie in den willkührlichen Muskeln um den ganzen Faden herumgehen. Doch gehört schon ein gröfserer Grad von Aufmerk- samkeit dazu, um sie bestimmt wahrzunehmen. Hiermit stimmen auch die neuesten Beobachtungen von R. Wagner (Vcrgl. Anat. Abth. I. 1834. 8. S. 64.) überein. 2. Die Dicke der im frischen Zustande sichtbaren und ohne bedeutende künstliche Behandlung darstellbaren Fäden ist in dem Herzen weit geringer, als in den der Willkühr unterworfnen Muskeln. Purkinje und ich fanden die Breite der Fäden (nicht der Fasern) im Herzen des Rindes 0,000405 P. Z. und die der willkührlichen Muskeln 0,001825 P. Körpergefdfse. Herz. 351 Z. Die Breite der crsteren verhält sich also «u der der letzte- ren wie 1 : 4,5. 3. Schon beim ersten Anblick weichen die Mus- kelfäden des Herzens von denen der willkührlichen Muskeln ab. Die ersteren sind fast nie eine gröfsere Strecke lang gerade und continuirlich fortgesetzt, wie die letzteren, sondern durch- kreuzen einander in allen Dimensionen, setzen sich daher oft in die Tiefe fort u. dgl. Man sieht deshalb auf kleinen Schnitten meistens kleinere oder gröfsere Bruchstücke von Muskelfäden. Allein dieser Unterschied ist durchaus kein histiologischer sondern ein morphologischer. Er beruht einzig und allein auf der im höchsten Grade intricaten Faserung des Herzens, deren Entwirrung wohl kaum je vollständig gelingen wird. Was nun die Gene der Herzensmuskulatur betrifft, so ver- dankt sie keineswegs einem so körnerrcichen Blastema ihren Ur- sprung, wie die der willkührlichen Muskeln. Auf den ersten An- blick scheint freilich das Entgegengesetzte Statt zu finden. Man sieht fast in keinem Theile des Körpers eine so grofse Anzahl runder oder rundlicher Körperchen, als hier. Allein ich habe mich durch vielfach fortgesetzte Untersuchung mit Bestimmtheit überzeugt, dafs die Muskelfäden hier nicht aus diesen Körnern, sondern zwischen ihnen in der durchsichtigen Gallerte nach den- selben Gesetzen entstehen, nach welchen überhaupt jedes blofs fa- serartige Gebilde erzeugt wird. — Die Artcrienhaut besteht an den grofsen, dem Herzen nahe gelegenen Gefäfsen besonders deutlich aus einer nicht unbedeutenden Anzahl circulär um einander lie- gender Blätter, welche auf gleichartige Weise wellenförmig ge- bogen sind. Hiervon kann man sich auf Querschnitten frischer Gefafse deutlich überzeugen. Allein da es hier wegen der unge- meinen Elasticität dieser Theile seltner gelingt, feine Querschnitte zu präpariren, so empfehle ich deshalb vorzüglich das kohlensauere Kali. Dieses Salz, welches ich bei meinen mit Wendt angestellten Untersuchungen über die Oberhaut in dieser seiner Vorzüglichkeit zuerst kennen lernte, hat die besondere Eigenschaft, sehr viele thie- rische Theile, meist schon nach 24 Stunden, zu einem fast holzarti- gen Consistenzgrade zu erhärten, ohne ihre Structur wesentlich zu ändern, ja ohne zum Theil ihr Blut zu entfärben. An Arterien, welche auf diese Weise behandelt werden, kann selbst der Unge- übtere diese schöne Structur der Arterienhäute nachsehen. Bei dem Fötus ist die Zahl der über einander liegenden Schichten 352 Von dem Embryo. oder Blätter geringer als bei dem Erwachsenen. Doch habe ich schon 6 — 8 derselben bei Schaffötus von 2 Zoll Länge und bei menschlichen Früchten aus der Mitte des dritten Monates deutlich erkannt. Später werden sie, je mehr sie an Zahl zu- nehmen, relativ um so dünner. Jedes dieser Blätter oder dieser Schichten besteht aus einer granulösen Masse, deren Körner um so deutlicher isolirt sind, je jünger die Frucht ist. Anhang. Geschlechts- und llarnorgane. Kein System von Org'anen hat in einer geordneten Enlwik- kelungsgescliichte eine so precäre Stellung, als das der Geschlechts- und Harnwerkzeuge. Während nämlich von allen bisher erwähn- ten Organen sich mit Gewifsheit nachweisen läfst, welchem Blatte der Keimhaut sie angehören, vvährend sie aber (mit Ausnahme der später noch zu nennenden Blut- und Lymphdrüsen) eben hierdurch den ihrem Charakter angemessenen Platz nothwendlg einnehmen, so ist es der Gomplex der Genitalien und der unpöetischen Or- gane, welche mit allen drei Blättern von ihrem ersten Anfange an in die innigste Berührung kommen. Dieses, wie es scheint, so paradoxe Verhältnifs hat aber darin seinen Grund, dafs man hier der Genese nach durchaus verschiedene Theile unterscheiden mufs, und zwar nicht blofs, wie man gewöhnlich thut, die inneren Ge- nitalien von den äufseren, sondern folgende aus dem Verlaufe der genau verfolgten Entwickelungsgeschichte fast von selbst er- hellenden Abtheilungen: 1.. Das innere harn absondern de Organsystem, die Nieren nebst deren abführenden Anhängen, den Harnleitern. 2. Das innere geschlechtliche keimbereiicnde System, Hoden, (welche, wie wir bald sehen werden, als Eingeweide der Bauch- höhle angesehen werden müssen) und Eierstöcke nebst deren abführenden Anhängen, den Saamenleitern und den Tuben. 3. Das System der als Behältnifs für die Excreta der ge- nannten Organe dienenden Theile bei beiden Geschlechtern, die Harnblase und aufserdem bei den Männern der bisweilen vorkom- mende einfache Gang, in welchen die beiden ductus ejaculatorii münden, die Saamenblasen, die Harnröhre nebst ihren Umgebun- gen, Penis und Eichel, und die innersten Häute des Scrotum^ bei dem weiblichen Gesehlechte der Uterus, die Scheide, die Harn- röhre, die Klitoris und das Hymen. Endlich 4. Geschlechts- und Harnorgane. 353 4. Das System der äufsei'en Hautbedeckuu^en der Theiie der Harn- und Geschlechtswerkzeuge, bei Männern die äufseren Integu- raente des Penis und Hodensackes, bei Frauen die Scbaamlippen. Dadurch, dafs man diese, wie wir sehen werden, aus der Entwickelungsgeschichte von selbst sich ergebenden Abtheilungeii unberücksichtigt liefs, entstanden über den Ursprung der Harn- und Geschleclitsorgane die widersprechendsten Aeufserungen und Conjecturen. Vorzüglich betrafen dieselben unsere erste und zweite Gruppe. Bevor nämlich deutlich gesonderte Rudimente der hier- zugehörigen Organe sichtbar werden, finden sich nicht nur au den späterhin von diesen eingenommeneu Stellen, sondern noch um Vieles über diese hinaus zwei eigenthümliche, liöc])st merk- würdige, symmetrische Organe, von welchen wir bald ausführlich handeln werden, und die wir unterdefs vorläufig mit dem Namen der Wolffschen Körper belegen wollen. Es mufs, daher die Frage, aus welchen Blättern Nieren, Hoden und Eierstöcke entspringen, auf der Entscheidung der Frage basirt werden, welchem Blatte die "Wolffschen Körper wohl augehören, v. Bär liefs sie, wie später noch angeführt werden soll, aus einem Blutgefäfse entstehen, und Rathke sowohl, als vorzüglich Burdach (Physiol. H. S. 562.) äu- fserten die Vermuthung, dafs sie wahrscheinlich dem Gefäfsblatte angehören, während Job. Müller (Bildungsgeschichte der Genitalien. 1830. 4. S. 45.) es sogar für möglich hielt, dafs sie aus dem Schleim- blatte entspringen. Die Wichtigkeit der Frage regte mich zu wiederholten Beobachtungen an und diese führten mich auf diese Weise zu einem neuen Wege der Untersuchung, der sicher noch Vieles aufhellen und manche Zweifel zu heben im Stande seyn wird. Es ist nämlich das vielfach schon erwähnte kohlensauere Kali, welches hier auf eine besondere Art sich auszeichnet. Embryonen jeden noch so zarten Alters erhärten in demselben, ohne dafs, wenn sie nur ganz frisch und unverletzt in eine mit Kali carhon. gesättigte Flüssigkeit gethan Werden, selbst ihre gröfseren Blutgefäfsstämme dem Auge entschwinden. Sie bleiben zum Theil so roth, wie im frischen Zustande. Nur mit Flüssig- keit gefüllte Höhlungen, wie vor Allem die Gehirnblasen, fallen zusammen. Dieses ist der einzige, im Ganzen sehr unbedeutende Nachtheil dieser Behandlung. Allein durch sie ist man in den Stand gesetzt, feine Querschnitte von zarten Früchten zu machen, in welchen die drei Blätter noch einzeln gesehen und von ein- 23 354 Von dem Embryo. ander unterschieden werden können. Wer sich überhaupt davon überzeuget! will, dafs die Schichten der Keimhaut etwas Reelles und eben so gut empirisch Nachweisbares sind, wie die Präpara- tion irgend eines Theiles im Erwachsenen, dem rathe ich diese Methode sorgfältig zu verfolgen. Bei einiger Uebung gelingt es, durch feine Querschnitte Präparate hervorzubringen, welche auf eine überraschende Weise den von v. Bär gelieferten Idealdurch- schnitten ähnlich sind. — Aus einer Reihe von Beobachtungen, die ich hierüber angestellt und zum gröfsten Theil auch Purkinje gezeigt habe, ergab sich mir 1. dafs die Wolff'schen Körper durch- aus nicht das Mindeste mit dem Schleimblatte geraein haben- So lange kein Gekröse sichtbar ist (welches sich auf Querschnit- ten natürlich als eine Linie oder Leiste darstellt), liegen sie von dem Schieimblatte bestimmt geschieden. Sobald dieses sich bil- det, sind sie schon gröfstentheils in zwei Massen deutlich getrennt, und das Mesenterium tritt in den zwischen ihnen befindlichen Zwischenraum, nie aber in sie hinein, ja in der ersten Zeit nicht ein- mal an sie heran. 2, Mit dem Gefäfsblatte stehen die Wolff'schen Körper, sobald sie deutlich geschieden sind, in innigster Verbin- dung. Man sieht durchaus keine deutliche Grenzlinie zwischen der Aorlenhaut und dem inneren und vorderen Theile von jenem. Auch haben sie wahrscheinlich wegen der grofsen Menge der in ihnen ent- haltenen Blutgefäfse eine auffallend röthliche Farbe. 3. Der hintere Theil der Wolffschen Körper ist, wie es scheint, in unmittelba- rer Continuität mit dem serösen Blatte, und zwar mit der inne- ren Oberfläche des unteren inneren Rohres desselben. Ich schliefse hieraus, dafs die Wolffschen Körper ihrer Genese" nach mit dem Schleimblatte durchaus gar nichts gemein haben, vermuthe aber, dafs das Blaslema derselben dem inneren unteren Rohre des se- rösen Blattes, die Gefäfse aber dem Gefäfsblatte angehören. Be- stätigung oder Berichtigung dieser so einflufsreichen Meinung hoffe ich binnen Kurzem nach fortgesetzten Untersuchungen liefern zu können. Jedenfalls wird meine Ansicht schon dadurch noch wahr- scheinlicher, dafs die Nieren, wie bald angegeben werden soll, dem serösen Blatte angehören. Hoden und Eierstock könnten dann leicht Productionen des Geläfsblattes seyn. So würde vielleicht die erste Klasse dem inneren Theile des serösen Blattes, die zweite dem Gefäfsblatte angehören. Die dritt« Klasse entspringt allein aus dem Schleimblatte, die vierte Geschlechts- und Harnorgane. 355 dagegen aus der Haut- uud Fleischschicht des serösen Blattes. Auf diese Weise kommt die Gesammtheit der Geschlechts- und Harnorgane mit allen drei Blättern der Keimhaut in die innigste Berührung, und wir haben gerade diese Stelle für sie im Verlaufe ^er Darstellung aus folgenden Gründen gewählt: 1. Die Hauptorgane dieses Complexes entstehen aus dem se- rösen und dem Gefäfsblatte , deren Metamorphosenzustände wir hier schon als bekannt voraussetzen können. 2. Diejenige Abtheilung, welche mit dem Schleimblatte in Bei'ührung kommt, kann leicht noch vor der Auseinandersetzung der in ihm erfolgenden Veränderungen dargestellt und begriffen werden. 3. Die Organe nach ihrem verschiedenartigen Ursprünge zu zersplittern, könnte nur gewaltsam und am wenigsten gerade na- türlich erscheinen. Ehe wir nun die Entstehung aller zu dem systenia uroj)oe- ticiini und genitale gehörenden Theile einzeln durchgehen, ist es nothwendig, dafs wir die Geschichte der Wolffschen Körper vor- ausschicken. Um aber den in sich vielfach verwirrten Gegenstand zugänglicher zu machen, halten wir es für zweckmäfsig, eine hi- storische, nach unseren Kräften und Mitteln möglichst vollständige Uebersicht der Erkenntnifs dieser sonderbaren Organe vorauszu- schicken und das Weitere theils nach fremden, theils nach eige- nen Beobachtungen anzureihen: 1. Nach Oken (Beiträge zur vergleichenden Zoologie, Ana- tomie und Physiologie Bd. I. Hft. II. 1807. p. 19.) haben wahr- scheinlich Haller, Wrisberg, Bidloo, Denysen, Morgagni, Röfslein, Cassebohm, Danz u. A. die Nebennieren, Niereudrüsen mit den Wolffschen Körpern verwechselt. Allein wenigstens von denje- nigen Schriftstellern, welche mir zugänglich waren, mufs ich die- ses geradezu verneinen. Bidloo (Anat. c. hi. Tab. 63. Q. R.) hat nichts weiter, als Nieren und Nebennieren, wie sie am Ende des Fruchtlebens und bei dem Neugebornen vorkommen, abgebildet. Morgagni {Ep. anat. XX. p. 391.) spricht nur deutlich von den wahren Nebennieren. Cassebohm {de differentia foetus et adulii 1730. 4. p. 5.) sagt ganz einfach: ^^Glandulae supra re- nes sitae succenturiatae dictae majores in foetu sunt, ac in adulto.'-^ — Ebenso ist die Acufserung von Danz (1. c. S. 120.), und Haller {Elem. physiol. VII. p. 287.) verweist bei seiner Be- schreibung auf seine aus dem Kinde gegebene Abbildung. 23* 356 Von dem Embryo. 2. Roscnmüller, auf den wir bald zurückkommen werden, glebt an {Quaedam de ooariis emhryonum et foetuum huma- norinn. 1802. 4. p. 8.), dafs die bei weiblichen Körpern des Men- schen von ihm gefundenen Ueberreste der WoMschen Körper schon Trew und Röderer gekannt, beschrieben und abgebildet Iia- ben. Von dem Letzteren kann dieses der Fall seyn, ebenso gut aber nicht. Die ganze Vermuthun^ stützt sieh darauf, dafs Röderer in seiner Abbildung der weiblichen Genitalien eines Neugeborenen {de foetu perfecta 1730. 4. rec. in EJusd. Opp. med. 1760. 4. p. 88. fig. 3. G. G. H.) einige, selbst nicht gehörig wahrnehmbare Fasern andeutet. Die Angabe dagegen, dafs Trew {de diff. in- ter h. natum et nascendum 1736. 4. und üebersetzung 1770. 4. fig. 75. c. c. d. d.) diese Andeutungen abbilde, ist durchaus falsch. Denn erstlich sind die dort abgebildeten Organe keines- wegs den Ueberresten der Wolffschen Körper ähnlich, sondern ziemlich naturgetreue rohe Abbildungen der Ovarien. Ueberdiefs heifst es aber in der Erklärung der lateinischen Urschrift (p. 40.) ausdrücklich; „Corpus glandulosum (man weifs hinlänglich, wie weit die Alten den Begriff ausdehnten) et locum ovarii oc- cupans''^ und in deutscher üebersetzung (p. 65.) wörtlich: „Ein Körper auf der rechten Seite, welcher einer drüsigen Substanz gleichet und den Ort des Eierstockes einnimmt." 3. Nach Oken (1. c. S. 10.) und Joh. Müller (1. c. S. 42. u. 54.) soll Kuhlemann die Wolffschen Körper schon gesehen und abgebildet, als Nieren aber beschrieben haben. Allein die von ihm gelieferte Abbildung {Experimenta circa generationis ne^ gotium facta, ed. alt. Lips. 1750. p. 55. tab. 2. fig. 8. h.) ist so undeutlich und roh, dafs man durchaus nicht aus ihr zu ent- nehmen vermag, was unter den als Nieren beschriebenen Orga- nen geraeint sey. Ueberdiefs ist sein Fötus schon so grofs, dafs in ihm die Nieren nur um Weniges kleiner, als die Wolffschen Körper seyn konnten. Die mir bis jetzt bekannten Schriftsteller, welche die Wolff- schen Körper gesehen und theils verkannt, theils aber mehr oder minder richtig in ihren Verhältnissen zu den Harn- und Ge- schlechtsorganen aufgefafst haben, sind folgende: 1759. — C. Fr. Wolff {theoria gener ationis 4. def die 28. .Nov. 1759. p. 96. 97. ed. alt. 8. p. 238. 239. Theorie von der Generation S. 209.) beschreibt sie aus dem Hühnchen als eine körnerreichc Substanz, welche am dritten und vierten Tage er- I, Tvciout; Ulli uiiiicu uuu viciisu xu^«. Geschlechts- und Harnorgane. 357 scheine, begeht aber hierbei mehrere Unrichtigkeiten. 1. Soll jene nach ihm bis zu dem Kopfe hinaufgehen (§. 220—21.), 2. soll sie Häufchen späterhin bilden (§. 223.) und 3. in die Nie- ren sich unmittelbar verwandeln (1. c. und Theorie von der Ge- neration §. 66.) u. s. w. 1764. — Wrisberg {descriptio anatom. embryonis. hu- mani observationibus illustrata 1764. 4.) beschreibt aus einem zehnwöchentlichen Embryo (1. c. S. 25. 26.) alle zu den inneren Harn- und Geschlechtsorganen gehörenden Theile aus dem Men- schen mit folgenden Worten: ^^Capsula swprarenalis dextra totum renem sibi subjectum ita teßit, ut vix ora augustis- sima infima renis infrä capsulam emineat. Marginem hunc renis inferiorem ex parte tegit quoque testiculus ultra re- nem musculo psoadi impositiis, apice obtus6 attingit intes- tinum rectum eo praecipue in loco, ubi in pelvis fundivm il- lud se demergit. Jpse testiculus totus extra augustissimam pelvim haeret. Figura testiculi arcuata hilo medio quasi ex- sculpta, cujus concavus margo interiora versus, convexus autem ad exteriora dirigitur. Apex acutior, unde epididy- midis caput conspicue oritur\ superiori loco positus est in' hypochondrio sinistro et J'ere attingit oram inferiorem, et posteriorem, capsulae suprarenalis et inde oblique versus intestinum rectum deßectit. Epididymis optime distincta et libera oram testiculi inferiorem legens super psoadem ver- sus vesicam descendit. Vesica urinaria minima tota vacua in pelvi latet et inter duas arterias umbilicales fere evanes-^ cit. Renes capsulis, uti dictum est, fere tecti, breves, sub- rotundi, Capsula dimidio minores." In seiner Abbildung ist aber offenbar, wenn auch etwas roh und unrichtig, doch deutlich genug (Og. 3. unterhalb T) der Hode nebst den Wölfischen Kör- pern gezeichnet. Dafs er übrigens diese nicht etwa, wie Oken glaubt, mit dem Namen der Nierenkapseln bezeichne, erhellt aus der Abbildung sowohl, als aus der Beschreibung dieser Theile in einer dreimonatlichen (1. c. p. 3^.) und 5| monatlichen Frucht (1. c. S. 49.). Haller (Opp. min. p. 440.) beschreibt die WolfFschen Körper aus dem Vogel und erwähnt sie als Renes praelongi striarum rectarum simile^. Aus anderen Embryonen dagegen nennt er sie Nierenkapseln, 358 Von dem Embryo. 1778. — Wrisberg (in Comment. j'eg. soc. Gott. V^ol. I.p.i. u. besonders abgedruckt: de testicuJorum ex abdomine in sci^otum descensu 1779. 4. rec. in Comment. Vol. I. 1800. 8. p. 173. fgg.) nennt (p. 187.) aus einem achtwöcbcntlicben Embryo den Wolffscben Körper ein sehr langes Ligament. Bei einem neun- wöcbentlichen dagegen scheint er ihn mit Vasihus spermaticis zu verwechseln. 1782. — Wrisberg {Experimenta et observat. anatom. de utero gravido, tubis, ovariis et corpore luteo quorundam animalium cum iisdem partibus in Jiomine collatis. Götting. 1782. A. in Coinment. soc. Gott. Vol. IV. I. et in Comment. Vol. I.) hat offenbar, wie Joh. Müller (Bildungsgesch. der Genitalien. S. 42.) schon anführt, die späteren Ueberreste der Wolffscben Körper mit Blutgefüfsen verwechselt. Seine Beschreibung aus späteren Früchten des Schweines ist folgende: „Medium hili (Ovarii sc.) nunc ingreditur pulcherrimus vasorum spermaticorum fas- ciculus^ in tenellis foetubus rnirabili elegantia conspicuus. In distantia enim aliquot ab ovario linearum arteria et vena spermatica ad se invicem accedunt et repetitis contorsioni- bus, anfractibus.) gy^'is et capreolis sese amplectuntur., ut co- nicum quoddam corpus pampiniforme constituant ., cujus to- tam basivi hilus ovarii suscipit et missis multis ad tubarum alas vespertilionum surculis per eadem distribuitur. Etiam sine vasorum repletione per tenuem membranam gyi^i trans- lucentf nitidius autem cerni nil potest, si idonea materia pe- rito repleta fuerint artificc {Comment. Vol. I. p. 285. 286.). 1797. — Blumenbach (Institutiones physiol. ed. alt. p. 394. §. 512.) erwähnt einer Bulla an dem obei'en Ende der Bauchfellfalte, dem späteren Processus peritonei. Ob diese der in dem Bauch- felle enthaltene und schon zum Theil geschwundene Wolffsche Körper sey? Doch wird diese Vermuthung im Ganzen dadurch höchst unwahrscheinlich, dafs die Abbildung (tab. 3. fig. 1. a.) aus einem fast reifen Fötus entnommen ist. 1803. — Rosenmüller {Quaedam de ovariis embryon. et. foet. h. 1802, 4. ) fand bei seinen mit Isenflamm angestellten Untersuchungen menschlicher Früchte einen konischen Körper, wel- chen er aus einem Neugeborenen und aus einem zwölfwöchentlichea Kinde vorzüglich genau beschreibt. Bei Letzterem (p. 15.) besteht dieser Körper aus vielen in einander gewundenen Kanälen, wel- Geschlechts- und Harnorgane. 359 che noch zartere geschlängelte Gänge in sich enthalten. Er stellt die Vermuthung auf (p. 15.), dafs derselbe vielleicht Aehnliclikeit mit dem vas deferens und dem Nebenhoden habe. Aufserdem be- schreibt er die angeblich weiblichen innern Genitalien aus einer neunwöchentlichen (p. 9.), einer vierzchnwöchenllichen Frucht (p. 11.) und einem zweijährigen Kinde (p. 16.). In fig. 2. d. hat er als Funiculi exteriores wahrscheinlich die Wölfischen Körper aus dem Anfange des dritten Monates abgebildet, 1806. — Dzondi {supplevienta ad anatomiam et physiolog. potissimum comparatam. 1806. 4. p. 60 — 62.) bekämpft Lob- steins Ausspruch, dafs die Nieren spät entstünden und stellt im Gegentheil die eben so unwahre Ansicht auf, dafs Herz, Leber, Hirn und Nieren sich noch vor dem Darmkanale bilden (p, 60.). Er beschreibt die für Nieren gehaltenen WolfTschen Körper aus 6 — 8 Linien langen Embryonen als eine körnige, aus vielen, wie eine Menge kleiner Gedärme, in einander gewundenen Röhren bestehende Masse, welche sehr blutreich und oben zugespitzt, unten dagegen abgerun- det ist. Seine Abbildungen dieser Theile aus verschiedenen Früchten (tab. 3. fig. 9 — 11.) sind nicht genau und im Ganzen auch unrichtig. Oken (Beiträge zur vergl. Zoologie. Bd. L Hft. 1. 1806. 4.) beschreibt aus jungen Schweineembryonen die Wölfischen Körper als zwei ungeheure cylindrische Organe, welche in ihrem Inne- ren hohl seyn sollen (S. 74. 75,). Seine Abbildung (tab. 3. fig. 3. m. d. 1. c.) stellt die äufserc Form fast ganz richtig dar. In demselben Jahre lieferte J. Fr. Meckcl (Abhandlungen aus der menschl. und vergleichenden Anatomie und Physiologie. 1806. 8.) eine Anatomie vieler menschlichen Früchte (S. 277 — 381.), bei welchen Untersuchungen er offenbar die Wölfischen Körper gesehen, nur nicht erkannt hat. So beschreibt er aus einem 13 Linien langen Embryo drei über einander liegende Organe, welche er wahrscheinlich unrichtig als Nieren, Nebennieren und Eierstöcke deutet (S. 285 — 86.). Aus einem 15 Linien langen Embryo be- richtet er sogar (S. 309.), dafs die angeblichen 2^ Linien langen Ovarien an ihrem oberen Rande etwas eingeschnitten seyen. In einem 17 Linien langen Embryo waren die Ovarien nur l^'" lang und convergirten nach unten (S. 319.) die Trompeten (wahr- scheinlich die Wolfischen Körper), reichten über die äufseren En- den der Ovarien empor, waren platt (S. 320.) und ohne Abdo- rainalöffnung. Von ihrer vorderen Fläche setzte sich ein kleiner 360 Von dem Embryo. dünner Faden (wahrsciieinlich die walire Trompete oder der Saamenstrang) über die hintere Fläche des Ovarium fort itnd legte sich in dessen Mitte an. Die Tuben ( WolfFsche Körper) verengern sich hinter den Ovarien beträchtlich und senken sich in den Uterus ein. Dasselbe gilt von seinem angeblich weibli- chen 2 Zoll und 2 Linien langen Embryo (S. 336.). 1807. — Oken (Beitr. Bd. 1. Hft. 2. 1807. A.) beschreibt seine wurmförmigen Organe (die WolfFschen Körper) (S. 17.) nebst ihren Ausführungsgängen aus 1^ Zoll langen Hundeembiyonen, begeht aber mehrere Unrichtigkeiten : 1. Verwechselt er (S. 18.) die Ovarien mit den Nieren (tab. IV. fig. 2. k. k. fig. 1. q.); 2. glaubt er mit Unrecht, dafs frühere Beobachter die Wolffscbea Körper für Nebennieren gehalten haben (S. 19.), ja neigt sich so- gar selbst zu dieser Ansicht hin (p. 21.). Er injicirte aber zuerst mit Himly zum Theil glücklich sein wurmförmiges Organ (S. 21. 22.). Neue Untersuchungen liefsen jedoch den trefflichen Mann bald der Wahrheit näher kommen. In Ziegenembryonen beobach- tete er hinter den wurmförmigen Organen die Nieren und Neben- nieren (S. 23.) in ihren gewöhnlichen Verhältnissen. Die früher als Nieren gedeuteten Theile mufsten daher innere; keimbereitende Genitalien seyn; die wurmförmigen Körper dagegen Tuben oder Saaraenstrang (S. 24.). üeberdiefs macht er die interessante nnd wichtige Bemerkung, dafs bei den Ilaussäugethiereu die Neben- nieren nicht gröfser, sondern kleiner, als die Nieren seyen. 1808. — J. Fr. Meckel liefert (Beitr. zur vcrgl. Anaf. Bd. 1. Hft 1. S. 56 — 134i) von Neuem die Beschreibung einer Reihe zergliederter, menschlicher Embryonen. Aus einem 6 Linien lan- gen Embryo (S. 71. 72.) beschreibt er die "VVolffschen Körper als eine mit der Länge nach verlaufenden Einschnitten versehene Masse. Ob von den drei Körpern, welche er aus einer 9 Linien langen Frucht erwähnt (S. 81.) und die er als Niere, Nebenniere und keimbereitendes Geschlechtsorgan deutet, der eine der Wolff- sche Körper gewesen sey oder nicht, mufs ich dahin gestellt seyn lassen. Dasselbe gilt auch von den Geschlechtstheilen der später beschriebenen Früchte (S. 101. 120. 122.). 1810. — J. Fr. Meckel erzählt (Cuviers vergl. Anat. IV. 1810. 8. S. 530.) die schon oben angeführte Beobachtung Rosen- müllers, nach dessen Beschreibung aus einem zehnwöchentlichen Kinde, stellt die Organe auch mit den Nebenhoden gleich und Geschlechts- und Harnorgane. 361 berichtet, dafs er bei jungen Embryonen die Trompeten verschlos- sen gefmiden habe. 1815. — J. C. Müller {Johan. Christophorus Müller prae- side J. F. Meckel de genitalium evolutione dissertatio def. d. l. April. 1815. 4.) vertheidigt die Geschlechtslosigkeit sehr frülier Embryonen, besonders nach den Erfahrungen von Auten- rieth, Ackermann, Home, Meckel und Tiedemann (p. 6.). Er er- klärt die WolfFschen Körper,, die er, so wie ihren Ausführungs- gang genau kennt, für Organa genitalia (p. 7.). Nach ihm wird der Ausführungsgang Kur Tube oder dem vas dejerens und der Wolffsche Körper zum Nebenhoden, während Hoden und Eierstöcke selbstsiändig an der inneren Seite derselben entstehen (p. 8.). Der Mensch kommt zwar im Allgemeinen hierin mit den Säugethieren überein. Es finden sich in dieser Rücksicht bei ihm folgende Abweichungen: 1. Das Volumen der Genitalien (Wolff- scber Körper) ist hier nie so grofs, auch in frühester Zeit, als in den Säugethieren. 2. Nie glückte es ihm die WolfFschen Körper allein ohne keimbereitende Geschlechtstheile zu sehen. 3. Der Geschlechtsuni erschied findet sich hier früher, als in je- dem anderen Säugethiere, schon nach Ablauf der zehuten oder eilften Woche (p. 8.). Das Kosenmüllersche Organ deducirt er aus den Wolffschen Körpern und stellt es daher dem Nebenhoden der männlichen Thiere gleich (p. 9.). — Die Nebennieren sind, wie er ausdrücklich bemerkt, bei den Säugethieren kleiner, bei dem Menschen in frühester Zelt gröfser, als die Nieren (p. 10.). Sie entstehen vielleicht aus den WolfFschen Körpern; jedenfalls aber bei Säugethieren später, als die Nieren. Seine Abbildungen stellen die WolfFschen Körper ziemlich deutlich und genau aus Rinds-, Schaafs- und Schweineembryoneu dar. 1820. — J. Fr. Meckel (Handbuch der menschlichen Anato- mie. Bd. 4. 1820. 8.) berichtet (S. 590.) die Rosenmüllersche Ent- deckung bestätigend und vermuthet, dafs zwischen diesem Organe und dem Eierstocke in frühester Zeit eine offene Communication Statt finde, welche später schwindet, wenn das Unterleibsende der Trompete sich öfFnet (S. 591.). Rathke beleuchtet viele Punkte aus der späteren Entwicke- luugsgeschichte der Geschlechtstheile der Urodelen und der Anu- ren. (Neueste Schriften der naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Bd. I. HfL 1. 1820. 4.) Er scheint hier noch oft Nie- 362 Von dem Embryo. renxnasse mit Wolffschen Körpero. wenn er von den frühsten Sta- dien spricht, zu verwechseln (z. B. S. 50. 53.). 1825. — Rathke bearbeitet zuerst die Entwickelungsge- schichte der Geschlechtstheile nach allen 4 Wirbelthierklassen (Beilräge zur Geschichte der Thierwelt. 3. Ahth. in den neuesten Schriften der Danziger Gesellschaft Bd. I. Hft. 4. 1825. 4.). Bei den Eidechsen scheilit er noch die Wolffschen Körper als Nieren zu beschreiben (S. 45.). Seine wichtigsten über Vögel und Säu- gethiere gewonnenen Resultate sind aber kürzlich folgende: Es findet sich bei dem Hühnchen am vierten Tage der Bebrütung ein einfaches ürgebildc. welches von der Brust bis zu dem Ende des Dannkanals reicht und aus einer körnigen, polypösen Masse besteht, bald jedoch, und zwar an demselben Tage, spaltet es sich in zwei Seitenhälften, welche eine spindelförmige Gestalt annehmen (§. 63.). Da WolfF diese Theile am genauesten beschrieben, so nennt er sie die Wolffschen Körper (S, 50.). Während sie sich bis zum sechsten Tage mehr verbreitern, aber verkürzen, entstehen in ih- nen quere Schichten von abwechselnder Dichtigkeit, welche nicht blofse neben einander liegende Platten bilden, sondern durch einen zarten Stoff mit einander verbunden sind (S. 51.). Auf ihnen liegt von 5|- Tag an, ein sehr zarter Faden, welcher sich mit dem hin- teren Ende des Darmkanales vereinigt (§. 64.). Die Wolffschen Körper rücken nun immer tiefer hinab und vom siebenten Tage an ist der linke gröfscr, als der rechte bei weiblichen Embryonen. Doch ist er nie so grofs, als der entsprechende bei männlichen Embryonen und beide verschwinden hier im Laufe der Entwickelung vollkommen. Bei männlichen Individuen dagegen metamorphosi- ren sie sich in den Nebenhoden (§. 66.) (S. 53.). ünterdefs bil- den sich die Querstreifen in einzelne Gefäfse um, welche schon am neunten Tage jederseits in einen Gang zusammenkommen, von welchen der eine nach unten gegen Hoden oder Eierstock, der andere nach dem auf der Oberfläche der Wolffschen Körper gelegenen Faden verläuft. Später verwickeln sie sich mannigfach und verwachsen zum Theil mit einander (S. 54.). Die vordere Abiheilung des Fadens, welcher über die ganze Oberfläche des Wolffschen Körpers verlief, hat sich ünterdefs verkürzt und ist bis zum zwölften bis vierzehnten Tage schon völlig geschwunden. Die andere Abtheilung desselben aber verdickt und verlängert sich immer mehr, je mehr bei fortschrejtendem Wachsthume der Geschlechts- und Harnorgane. 363 Wolffsche Körper sich von der Kloake entfernt, schwindet jedoch bei beiden Geschlechtern im Laufe der Entwickelung ebenfalls gänzlich (§. 68. S. 55. 56.). Am sechsten Tage erscheinen die keimbereitenden Geschlechtstheile als schmale zugespitzte Strei- fen, die sich am siebenten Tage schärfer begrenzen (S. 56.). Die Hoden sind dann mehr bohnen-, die Eierstöcke mebr tafel- förmig. Der rechte Eierstock schändet aber allmählig (§. 70. S. 57.). Am vierzehnten Tage hängen die Hoden schon durch einige den Wolfischen Körpern angehörende Gefäfse mit diesen zusammen. Diese Gefäfse vs'^erdcn zum Nebenhoden. Dadurch, dafs diese sich in die Hoden weiter hineinbilden, entstehen w^ahrscheinlich die Saamengefäfse desselben (S. 60.). Die Nieren gehen am sechsten Tage aus den Wolffschen Körpern hervor. Am sieben- ten zeigt sich die erste Spur des Harnleiters (S. 61.), die der Nebennieren dagegen nicht vor dem zwölften Tage (S. 62.). — Der Saamen- und Eileiter zeigt sich am siebenten Tage auf der Oberfläche des Wölfischen Körpers, nahe dem äufseren Rande der Niere. Er wird am folgenden Tage cylindrisch, springt nach vorn, besonders aber nach hinten über den Wolffschen Körper vor (S. 63.) und mündet hinten in die Kloake (§. 77.). Das vordere Ende wird bei dem Weibchen schon am neunten bis zehnten Tage kolbigcr, während es bei dem Männchen unverän- dert bleibt (§. 78. S. 64. 65.). Der rechte Eileiter wird je- doch bald wieder aufgesogen, so dafs er schon am eilften Tage nur bis zur Mitte des Wolfl'schen Körpers geht, am dreizehnten Tage ihn aber gar nicht erreicht. In diesem Zustande verharrt er, bis er einige Wochen nach der Geburt gänzlich verschwindet (§. 79. 80. S. 65.). Der linke Eileiter rückt immer weiter nach aufsen und erhält nach Ausbildung der Bursa Fahricü eine mehr schräge Stellung (S. 66.). Die Oeffnung im Trichter bildet sich am zwölften bis dreizehnten Tage. Um dieselbe Zeit erwei- tert sich auch das hintere Ende des Eileiters und wird allmählig zu dem sogenannten Uterus (S. 67.). Auch der Saamenleiter verkürzt sich zuerst etwas; seine hintere Abtheilung wird dage- gen dünner. Der Faden des Wolffschen Körpers verschwindet früh bei dem Mannchen. Sein Saamenleiter verbindet sich aber so mit dem Körper, wie der Faden, welcher bei dem Weibchen noch lange verbleibt (S. 68.). Aus dem auf dem Wolffschen Körper aufliegenden Faden entspringen in früherer Zeit die Ge- 364 Von dem Embryo. fäfse desselben. Wie dieser aber in seiner vorderen Abtheiiung schwindet, mänden diese untereinander und nach hinten gemein- schaftlich in die hintere Abtheilung desselben. Wenn später der entstandene Saamenleiter sich inniger an den Wolffschen Körper anscbliefst, tritt er in dasselbe Verhältnifs mit seinen Gefäfsen, als der frühere Faden. Dadurcli entsteht die Gefäfsverbindung zwischen Nebenhoden und Saamenleiter (S. 69.). So bei den Vögeln. — Auch bei den Säugethieren finden sich zwei solche Urgebilde, welche er Oken zu Ehren die Okenschen Körper nennt (S. 74.). Sie werden aus älteren Embryonen und Neugeborenen des Schweines (S. 75—80.), der Ratte (S. 83 — 86.), des Schaa- fes (S. 80. 82.), des Rehes (S. 82. 83.), des Igels (S. 86.), be- schrieben. — Auch bei den Säugethieren entstehen, wie bei den Vögeln, aus den Okenschen Körpern die keimbereitenden und ausführenden Geschlechtstheile. Mit letzteren stehen die ersteren in umgekehrtem Verhältnisse und aus diesen bildet sich auch hier der Nebenhoden, während bei den Weibchen jede Spur yon ihnen schwindet. Nur geht bei diesen die Verminderung der Okenschen Körper an beiden Seiten auf gleiche Weise vor sich (S. 89.). — Die Wolffschen und Okenschen Körper sind wahr- scheinlich frühere Nieren (S. 115.), also falsche Nieren überhaupt (S. 119.). — Aus einer Reihe späterer Untersuchungen fand er (S. 135. 136.), dafs alle mit wahren Nebenhoden versehene Thiere zuerst falsche Nieren haben, aus welchen Eierstöcke, Hoden, Eier- und Saamenleiter, so wie wahre Nieren sich hervorbilden. Sie fehlen dagegen bei den Thieren, welche keine wahren Nebenho- den haben, wie bei den Fischen und Batrachiern. Bei diesen bleiben die wahren Nieren von derselben Form, wie es die fal- schen Nieren sind. Diese sind also nur auf niederer Entwicke- lungsstufe befindliche wahre Nieren. — Bei den Säugethieren sind innere und äufsere Genitalien beider Geschlechter in frühester Zeit einander gleich. — 1826. — Rathke (Beiträge zur Geschichte der Thierwelt. 4. Abth. in den neuesten Schriften der Danziger Gesellschaft Bd. 2. Hft. 2. 1826. 4.) liefert die Beschreibungen und Zergliederung«n mehrerer Hai- und Rochenembryonen (S. 4 — 66.), findet aber bei Keinem die Spur eines Wolffschen Körpers. 1828. — Nach v. Bär (über Enlw.gesch. S, 63. bei Burdach S. 292.) erscheint io dem Winkel zwischen der Gekrös- uod Geschlechts- und Harnorgane. 365 Bauchplatte in der zweiten Hälfte des dritten Tages ein rundli- cher Streifen als der erste Anfang der WolfFschen Köx'per. Er sah ihn hoLl und in ihm ein Blutströpfchen, so wie längs dessel- ben bald darauf ein Blutgefäfs, vermutbet dabei", dafs der WolfF- sche Körper aus eiuem Blutgefäfse entstehe (S. XI. XJI. und S. 81.). Beide sind nach ihm von ihrem ersten Anfange an durch die Gekrösplatte von einander getrennt. Die Quergefäfse schei- nen später Blut zu enthalten (1. c. S. 71. bei Burdach S. 301.). Im Uebrigen stimmt seine Darstellung fast gänzlich mit Rathkes überein. Nur scheint er (über Entw.gesch. S. 127.) gegen die Entstehung des Nebenhodens aus den Wolffschen Körpern später einige Zweifel gehabt zu haben. Burdach (Physiol. II. S. 562.) sieht die Wolffschen Körper zum Theil als ein indifferentes Harnzeugu-ngsorgan an, dessen ver- gängliche Natur sich auch dadurch beurkunde, dafs es sich nur bei denjenigen Thieren (Sauriern, Ophidiern, Cheloniern, Vögeln und Säugethieren) finde, welche ein Amnion oder einen vergäng- lichen Theil der Keimhaut haben. Eine Beziehung zu den Bauch- kiemen werde auch dadurch angedeutet, dafs es nur da vorkomme, wo diese sich fänden. — Bei dem Menschen (S. 569.) müssen sie sehr früh entstehen und von sehr kurzer Dauer seyn. — Beide Geschlechter (S. 567.) ähneln in früherer Zeit mehr ein- ander und jedes durchläuft die ihm entgegengesetzten Bildungs- stufen, ehe es in seiner vollen Eigenthümlichkeit erscheint. — Endlich vermuthet er (S. 591.), dafs Ei und Saamenleiter aus dem falschen Harnleiter entstehen und die Kanäle der Wolffschen Körper bei dem männlichen Geschlechte als Saamengefäfse ver- harren, an den Eileitern dagegen schwinden. — Rathke lieferte (an mehreren Stellen der Burdachschen Phy- siologie) eine Reihe wichtiger Zusätze und Berichtigungen sei- ner früberen Untersuchungen. — Die Wolffschen Körper (bei Burdach S. 563.) erreichen bei Säugethieren vor der Mitte, bei höheren Amphibien erst geraume Zeit nach der Mitte, bei Vögeln um die Mitte des Embryonenlebens ihren gröfsten Umfang. Je- schneller sie bei fortgesetztem Wachsthume absolut zugenommen haben (S. 564.) um so früher verschwinden sie auch. Auf der Oberfläche der falschen Nieren entsteht bald nach ihrem Erschei- nen ein nach dem Längendurchmesser derselben verlaufendes zar- tes Rohr, welches in die Kloake sich mündet. Nur bei Säuge- 366 Von dem Embryo. thieren bat es Rathke bisher nicht gesehen, vermuthet aber der Analogie halber auch hier seine Existenz. Dies Rohr ist der falsche Harnleiter. Es liegt immer in der Nähe des äufseren Ran- des der falschen Niere, bald oben, bald unten. Es verschwindet durch Resorbtion und seine Stelle nimmt der spätere Ei- oder Saamenleiter ein, welcher sich mit den eigenthümlichen Gefäfsen der falschen Niere verbindet. Bei den Amphibien besteht im Weibchen seine hintere Hälfte fast so lange, als die falsche Niere selbst, aus deren hinterm Ende er nach dem Verschwinden seiner vorderen Hälfte herauszutreten scheint. Im Männchen ist der falsche Harnleiter schon gänzlich geschwunden, bevor die Wolff- schen Körper ihren gröfsten Umfang erreicht haben, wo der an seine Stelle getretene Saamenleiter sich eben so mit der falschen Niere verbindet, wie es der frühere falsche Harnleiter mit dieser gethan, während bei dem Weibchen der Eileiter mit dem WolfF- schen Körper nie in unmittelbare Communication tritt. — Die Wolffsehen Körper bestehen bei den Säugelhieren (S. 566.) aus Gefäfsen, von welchen diejenigen, welche in die Ei- oder Saamen- leiter einmünden, sich von diesen aus um die falsche Niere von innen und unten nach aufsen und oben und von da um den obern Rand wieder nach innen und unten herum in die Tiefe sich um- schlagen. Hier spalten sie sich in feinere Zweige, welche dicht verschlungen das Innere der falschen Niere sowohl ausfüllen, als auch an der innern Seite derselben unter der Oberfläche liegen. Viele von ihnen endigen sich blind, manche dagegen in ein plat- tes, senkrecht gestelltes Drüsenkorn, welches aus einigen zarten, parallelen und stark geschlängelten Gefäfsen besteht. — Die Nieren (S. 570.) keimen bei allen mit falschen Nieren versehenen Thieren aus deren oberer und hinterer Seite hervor. Die Harngefäfse stellen zuerst (S. 579.) einige wenige Büschel dar, die sich an dem inneren Rande der Nieren sammeln und an ihrer Peripherie mit kleinen Anschwellungen, wie die Luftgefäfse in den Lungen versehen sind. Diese Gefäfse vermehren sich, werden relativ enger. Die geraden Thelle eines Büschels dersel- ben stellen, indem sie an einander rücken, die Ferreinschen Py- ramiden dar, und bald zeigt sich mit vermehrtem ScbleimstolTe der Unterschied zwischen Medullär- und Corticalsubstanz. Der Nebenhoden entsteht (S. 592.) nicht aus der falschen Niere, son- dern aus dem Saamenleiter selbst. Gesehlechts- und Harnorgane. 367 1829. — Joh. Müller (Meck. Arclt. 1829. No. I. und IL S. 65 — 70.) macht seine Entdeckung der Wolifschea Körper in den Embryonen der Batracliier bekaimt und zwar als eine am oberen Theile des Körpers unterhalb der Kiemen befindliche Ansamm- lung von Blinddärmchen, von welchen ein langer Ausführungs- gang zur Aftergegend hinabgeht (S. 67. 68.). Zugleich erklärt er sich (S. 66.) gegen den Ursprung der Nieren aus den WolfF- schen Körpern, wie Rathke es gelehrt hatte. 1830. — In 'dieses Jahr fallen die Untersuchungen zweier Männer, von denen der eine die Wolffschen Körper, der andere die Genitalien überhaupt zu 0!?jecten besonderer Schriften machten. Joh. Müller lieferte eine besondere, mehr durch eine Reihe eigener Beobachtungen, als durch ausgedehnte Benutzung literari- scher Hilfsmittel sich auszeichnende Arbeit (Bildungsgeschichte der Genitalien. 1830. 4.). In seinem gröfseren Drüsenwerke {de glandularum secernentiuni structura penitioni. 1830. fol.) wurden gleichzeitig noch manche hierher gehörige Punkte be- leuchtet und kennen gelehrt. Seine wichtigsten Resultate sind folgende: 1. Die Vögel. Jeder Wolffsche Körper ist hier von Anfang an von dem anderen geschieden (Bildungsgeschichte S. 21.) und besteht zuerst aus einem Aggregate gestielter Bläschen, welche sich bald in näher an einander gerückte Cylinderchen um- wandeln, die in den Ausführungsgang münden (Bildangsgeschichte. S. 22. 23. de glandulis p. 90.). Sie entspringen aus keinem Blutgefäfse (ßildungsgeschichte S. 22.), sind einfach, nie verzweigt und endigen blind. Die Breite eines Jeden beträgt 0,00300 bis 0,00377 P. Z. (S. 23.). Sie führen ein gelbliches, leicht fortzu- schiebendes Seki'et, welches in ihren Ausführungsgang und von da in die Kloake übergeführt wird (S. 26.). Wieder Nieren noch keimbereitende Geschlechtstheile sind Metamorphosen der Wolff- schen Körper (S. 2i. 25. de glandulis p. 91.). Der Ausführungs- gang derselben wird bei den Männchen zum Saamenleiter (S. 29. 33.) und verläuft immer längs der ganzen Oberfläche der Wolff- schen Körper (S. 34.). Von dem oberen Ende des Hodens gehen graulich weifse Fäden, 'vasa efferentia^ der Zahl nach im Allge- meinen fünf in den Wolffschen Körper, von denen das oberste das stärkste ist, und welche nur in die Zwischenräume zwischen den Wolffschen Körper sich einlegen, nie aber in dieselben über- gehen. Später dagegen erkennt man deutlich ihren Zusammen- 368 , Von dem Embryo. hang mit dem Ausfiihrungsgange, dem Saamenleiter (S. 34. 35.), welcher bei jungen Thieren, aber auch nur bei diesen, ein blin- des von Nebenhoden zur Niere gehendes Gefäfs darstellt, das von Morgagni, Valsalva, Scorzone und Tannenberg erwähnte vas ab- errans (S. 39.). Die /vasa efferentia rücken nun immer näher an einander, bilden zuletzt eine dünne, platte Anschwellung, und stellen so den Nebenboden der Vögel dar (S. 40.). Dieser ent- steht also durchaus seibstständig, keineswegs aber gänzlich oder zum Theil aus dem Wolffschen Körper (S. 41.). Bei dem Weib- chen entstehen die Eileiter unabkängig und neben dem Ausfüh- rungsgange der Wolffschen Körper. Dieser ist noch bei der Ge- burt vorhanden (S. 31.). üeber das erste Entstehen eines doppel- ten und das spälere Schwinden des rechten Eileiters stimmt SI. gänzlich mit Bär und Rathke überein (S. 36. 37.). Beim Aus- kriechen sind hier die Wolffschen Körper bis auf einen sehr klei- nen Rest geschwunden. 2.) Die Säugethiere. Auch bei diesen erscheinen die Wolffschen Körper, wie bei den Vögeln (S. 44.), imd Nieren, Hoden und Eierstöcke zeigen sich auf gleiche Weise an ihnen (S. 47.). Ein über den äufseren convexcn Theil dersel- ben verlaufender Faden nimmt zuerst aus dem am unteren Theile des Wolffschen Körpers liegenden Gange seinen Ursprung. Unter dem Körper sind dieser Faden und der Ausführungsgaog noch ver. bunden, an dem übrigen Theile jedoch weichen sie aus einander, indem der Ausführungsgang die Blinddärmchen aufnimmt, der feine Faden aber oberflächlich über die Blinddärmchen verläuft, ohne eine Verbindung mit ihnen einzugehen (S. 48. 49.). Beide sind aber schon in der frühesten Zeit von einander geschieden. Der Faden ist das Rudiment des Saamen- und des Eierleiters. Er er- hebt und verdickt sich nun immer mehr (S. 51), während der Wolffsche Körper sich immer mehr verkleinert (S. 53.). Nun erhebt sich von dem Bauchringe zu dem unleren Ende- des Wolff- schen Körpers eine zarte Falle des Bauchfelles, welche bei dem Männchen zum Gubernaculum Ilunteri, bei dem Weibchen za dem /%. uteri jotundum wird (S. 59.). Bei dem Männchen entwickelt sich nun ohne Vermittlung des Wolffschen Körpers und selbstständig eine Substanz zwischen dem Hoden und dem feinen Faden oder Gange, dem künftigen Saamenleiter und stellt das Rudiment des Kopfes des Nebenhodens dar (S. 60.). Der Gang selbst kräuselt sich an seinem vorderen Ende und wird zum Geschlechts- untl Harnorgane. 369 zum Schwänze des Nebenhodens und, indem er sich an seinem hinteren Ende erweitert, zum vas deferens. I>er Inseriionspunkt des Guhernaculmn Huntcri ist nun scheinbar vermöge dieser Kräuselung an den Schwanz des Nebenhodens gerückt (S. 61.). Die Einmündungssteile des vas deferens ist jederseits getrennt. Beide rücken nur nahe an einander. — Bei dem Weibchen dage- gen reicht der Gang etwas über den WolfFschen Körper hinauf und endigt oben (vorn) mit einer kegelförmigen Anschwellung, die später eine OelTnung erhält. Der über den WolfFschen Kör- per verlaufende Theil desselben bleibt gerade und wird zur Trompete, während der untere Theil desselben sich in das Hörn des Uterus umwandelt. Nach unten verschmelzen sie hier bei- derseits zu einem einfachen Stücke, dem Uterus (S. 60. 61.). — Die Nieren erscheinen bei Vögeln und Säugethieren hinter den WolfFschen Körpern (S. 24. 55. 98. de glandulis p. 91. 94.) sind bei den Vögeln im Anfange eine Menge in eine Masse mit ein- ander verbundener Blinddärmchen, welche sich zu Blättchen verei- nigen {de glandulis. tab. XIII. fig. 1. 2. 4.). Bei den Säugethieren enthalten sie zuerst gewundene Kanäle mit kolbigen Enden {de gland. p. 94. tab. XIV. fig. I,) und durch Krümmung und Verwicke- lung dieser Harnkanäle entsteht dann die Rindersubstanz der Nieren. — 3. Der Mensch. — Er hat in frühester Zeit ebenfalls WolFsche Körper, die sich aber schnell verkleinern (Bildungsgeseh. S. 74. 76.). — Am spätesten verkümmern sie bei den Fröschen, fi'üher bei den Vögeln und noch früher bei den Säugethieren (S. 95. 96.), am frühesten aber bei dem Menschen, da sie bei einen Zoll langen menschlichen Früchten schon sehr klein und undeutlich sind (S. 97.). — Die Nebennieren sind nur beim Menschen anfangs gröfser, als die Nieren (S. 98.), — Die Wölfischen Körper sind Absonde- rungsorgane, stehen in einem vicären Verhältnisse zu den Nieren, wie die Kiemen zu den Lungen, und excerniren einen harnähnli- chen Stoff (S. 109.), haben aber nicht die innige Beziehung zu den Genitalien, wie Rathke glaubte (S. 110.). L. Jacobson (die Okenschen Körper oder die Primordialnie- ren. 1830. 4.) hat seine Untersuchungen an einer Reihe Schwei- neembryonen angestellt. Die Okenschen Körper sind nach ihm bei Embryonen von 1| Zoll in ihrer höchsten Ausbildung vorzu- finden (S. 3.). Sie liegen in der Höhle des Bfluclifclles, von wel- chem sie gänzlich umgeben werden, bestehen aus einer Masse 24 370 Von dem Embryo, von Querstreifen und haben keine Höhlung (S. 4.). Ihre Kanäl- chen entstehen im Parenchym und münden in den Ausführungs- gang (S. 5.). Der Hauptausführungsgang verläfst aber die Kör-' per, mündet mit dem der anderen Seite zusammen und zuletzt unter der Blase in die Scheide (S. 5.)- I>ie Wolffschen Körper sondern wahrscheinlich ab, sind harnabsondernde Organe in den frühesten Entwictelungszuständen und können daher Primordial- nieren genannt werden. Die Nieren entstehen später, als die Ho- den und Ovarien (S. 8.)- Mit dem Wachsthume der Nieren di- vergiren die Okenschen Körper immer mehr und schwinden von vorn nach hinten (S. 9.)- Längs des Ausführungsganges erhebt sich der Peritoneum zu einer Falle, dem künftigen Guhernacu- tum Hunteri oder Ug. uteri rofundum (S. 11.). Die Nieren stehen mit den Okenschen Körpern in gar keiner Verbindung, denn diese liegen innerhalb, jene aber aufser dem Bauchfell (S. 11.). Aufserdem beweisen dieses drei in einem und demselben Fruchthäl- ter von ihm gefundene Monstrositäten, wo die linke Niere fehlte oder die rechte in abnormer Lage sich befand, die Okenschen Körper dagegen nichts desto weniger in der gewöhnlichen Lage und Form sich zeigten (S. 12.). Eben dasselbe gilt von den Ne- bennieren (S. 13.). Auch die keimbereitenden Geschlechtstheile sind von den Okenschen Körpern unabhängig. — Die Gebärmut- ier, Eier- und Saamengänge finden sich in ihren ersten Spuren, wenn die Okenschen Körper ihre höchste Entwickelung erreicht haben und sind keine Metamorphosen des Ausführnngsganges der letzteren (S. 14.). Reste der Primordialnieren sind vielleicht das Rosenmüllersche Organ bei dem Menschen und gelbliche Massen in der Nähe der Ovarien bei den Säugethieren. Ueberreste der Ausführungsgänge derselben sind die in erwachsenen Haussäu- gethieren sich findenden Gartnerschen Kanäle (S. 17 — 19.). Bei den Männern bleibt vielleicht die Spur derselben als vas aher- rans Halleri zurück (S. 20.). J. Müller {de ovo atque emhryone humano observ. anat. 1830. 4. inMeck. Arch. 1830. S. 411 — 434.) beschreibt die Wolffschen Körper aus einem 7 Linien langen (c?e ö«>ö p. 10. bei Meckel S. 428.) und einem 5 Linien langen menschlichen Embryo {de ovo p. I4v). S«ine Abbildungen davon sind in Meckels Arch. 1830. tab. XI. fig. Is. B. h. h. und fig. 12. B. h. ' 1831. — Arnold (Salzburg, medizin. chirurg. Zeitung. 1831. Gesehlechfs- und Harnorgane. 371 Bd. 2. S. 236. 237.) glaubt, dafs die Nebennieren durch Abschnü- rung des vordersten Theiles der WolfFschen Körper in Folge der Entwickelung der Nieren entstehen. Ja die Nebennieren sollen sogar zuerst unter dem Microscope dieselbe Bildung, wie die WolfFschen Körper zeigen. Ebenso fliefsen Hoden und Ovarien anfangs mit ihrem oberen (vorderen) Ende in die Substanz der WolfFschen Körper zusammen, trennen sich aber sehr bald von ihnen. 1832. — Rathke (Abhandlungen zur Bildungs- und Entwicke- lungsgeschichte des Menschen und der Thiere, 1832. 4.) verthei- digt (S. 18.) gegen Joh, Müller, dafs der über den ganzen WolfF- schen Körper verlaufende Kanal der wahre falsche Harnleiter, der von Müller dagegen als solcher beschriebene nur eine Ansammlung von Zellstoff sei, dafs die Nebenhoden aus einigen Gefäfsen der falschen Nieren eustehen (S. 19.) und dafs Eierstöcke und Hoden bestimmt Metamorphosen derselben bei den höheren Amphibien, Vögeln und Säugethieren seyen. Von den Nieren aber ist dieses zweifelhaft. — Die WolfFschen Körper bei Batrachiern hat Rathke, wie J. Müller sie beschrieben, gefunden. Vergeblich aber haben beide nach ähnlichen Organen bei Blennius viviparus gesucht (S. 20.). Rathke liefert eine Arbeit über die Geschlechtswerkzeuge der Schlangen, Eidechsen und Schildkröten (Abb. I. S. 21 — 44.), woraus erhellt, dafs die WolfFschen Körper auch hier allgemein vorkommen, dafs Saamen- und Eileiter neben den falschen Harn- leitern entstehen (S. 27.) und dafs auch hier die den malpighschen Körperchen analogen Gefäfsconvolute in den WolfFschen Körpern sich zeigen (S. 30.). In demselben Werke von Rathke finden sich Untersuchun- gen über die Geschlechtswerkzeuge der Säugethiere (S. 45 — 87.), die folgende Thiere betreffen. 1. Wiederkäuer und zahmes Schwein. Bei sehr jungen Schafsembryonen, deren Kiemenspalten zum Theil noch offen stan- den, waren die WolfFschen Körper allein vorzufinden (S. 47.). Längs ihrer ganzen Ausdehnung verlief ein Gefäfs, aus welchem ihre kleinern Gefäfse entsprangen. Nun beugt sich jede falsche Niere, besonders in ihrer Mitte ein, und verdickt sich vorzüglich an ihrer hinteren Hälfte (S. 48.). Beide bleiben durch eine Masse SchlcimstofF, in welcher die Aorte und Hohlvene liegen, mit ein- ander verbunden (S. 49.). Die Kanälchen der falschen Nieren vergröfsern sich, treiben an ihren blinden Enden zarte schlauch- 24* 372 Von dem Embryo. artige Produktionen hervor, welche sich vielfach in einander ver- knäueln und es entstehen daher zarte Drüsen, welche in einer dich- teren Hülle eingeschlossen sind und in einander gewundene Blutge- fäfse enthalten. Sie sind den Malpighischen Körperchen der wah- ren Nieren analog (S. 51.) und hängen wahrscheinlich mit den Kanälchen der falschen Nieren continuirlich zusammen. So sind die letzteren im höchsten Grade ihrer Ausbildung. — Hoden und Eierstock entstehen aus den falschen Nieren. Der Hoden enthält sowohl die Albuginea, als seine Saaraenkanäle lange vor seinem Herabsteigen in den Hodensack, kurze Zeit, nachdem das Ge- schlecht äufserlich kenntlich geworden. Zuerst entstehen die Saamengefäfse im ganzen Hoden und erst später bildet sich im Innern der zellstoffige Kern, das Corpus Highmori (S. 52.). Die falschen Harnleiter werden dicker und gröfser und gehen un- mittelbar in die Eier- und Saamenleiter über. Bei beiden Ge- schlechtern verdicken sie sich an der Spitze, erhalten eine Mün- dung (S. 53.) und bilden sich bei dem Weibchen zum Trichter, bei dem Männchen aber, indem sie sich wieder verschliefsen, zu dem Saamenleiter aus (S. 54.). Nun lösen sich die Gefäfse der falschen Nieren von dem Ausführungsgange los und schwinden von hinten nach vorn, bei dem Weibchen gänzlich, bei dem Männchen dagegen nur in ihrem hinteren Theile, indem der vor- dere zum Nebenhoden wird. Dieser Rest sowohl , als das vor- derste Ende des Saamenleiters , welcher sich zuerst spiralförmig, dann verknäuelnd windet, verschwinden mit einander zu dem Nebenhoden (S. 56,). — Die übrigen hier noch erzählten wichti- gen Beobachtungen über die Entwickelung der beiden anderen Sphären der Harn- und Geschlechtsorgane, so wie über das Her- absteigen der Hoden, werden wir noch weiter unten am passen- den Orte erwähnen. — 2. Der Narval. Bei einem 7 Zoll langen Embryo waren die falschen Nieren etwas länger, als der anliegende Hoden. Mit dem Saamenleiter hingen nur wenige Gefäfse der falschen Nieren zu- sammen. Sie bildeten eine kleine Anschwellung derselben und gingen nach innen und unten zu einem kurzen Stamm vereinigt, in das vordere Ende des Hodens (S. 84. 85.). -a?ü. ;fi"r" 3. Der Mensch. Bei einem Embryo, welcher noch mit Kie- menspalten versehen war, fanden sich die falschen Nieren mit deutlichen Quergefäfsen, ein röhriges ihnen anliegendes Gebilde, Geschlechts- und Harnorgane. 373 welches als falscher Harnleiter gedeutet wird und aufserdem ein keimbereitendes Organ und eine Niere jederseits. Die Nebennie- ren fehlten aber noch gänzlich (S. 86.). Bei einem anderen et- was längeren Embryo divergirten die falschen Nieren weit mehr nach vorn, und ihre angeblichen Ausfiihrungsgänge waren länger. Die Nieren waren in der Mitte durch Schleimstoff verbunden und jede von ihnen hatte ihren eigenen Harnleiter. Die Nebennierefi fehlten noch (S. 87.). Endlich giebt Rathke (S. 91. 92.) noch einige in dem Vori- gen schon enthaltene Berichtigungen mehrerer seiner Angaben in Burdachs Physiol. Bd. 2. 1833. — Im zweiten Bande seiner Bildungs- und Entwicke- lungsgeschichte des Menschen und der Thiere. 1833. 4. liefert Rathke eine Entwickelungsgeschichte der Nieren der Wieder- käuer (S. 95 — 102.). Sie zeigen sich zuerst bei 6^ Linien langen Rindsembryonen als kleine rundliche Körper, von denen die rechte um eine Linie, die linke noch weniger von deöx hinteren Ende der Bauchhöhle entfernt war. Jede lag in einer Vertiefung der inneren Seite der Rückenwand und hatte 6 bis 7 kleine warzen- förmige Erhöhungen, welche kleine durch Schleimstoff verbundene Kolben waren, die in der Mittellinie convergirten; es sind dieses die Harngefäfse. Ein Harnleiter war nicht sichtbar. Neben den Nieren aber fand sich ein Wulst, den Rathke für die erste An- deutung des Psoas hält (S. 97.). Späterhin vergröfsern sich die Nieren, krümmen sich zusammen, werden glatt und enthalten drei Reihen nach innen convergirender, kolbiger Harngefäfse. Der Harnleiter erscheint als ein durchsichtiger Faden, welcher beinahe ganz am vorderen Ende der Niere entspringt, längs ihrer inneren Fläche verläuft und sich zu der Andeutung der Harnblase fortsetzt. Die an der Niere verlaufende Abtheilung desselben war sehr dick, der übr-ige Theil dagegen um vieles dünner (S. 99.). Die äufseren Enden der Harnkanälchen schwellen nun immer mehr an und der äufsere Rand der Niere wird daher ausgedehnter und krümmt sich mehr in sich zusammen, während der Harnleiter an der gegenüber liegenden Stelle immer mehr anschwillt und das Nierenbecken bildet. Die Harngefäfse vermehren sich nun. Das Nierenbecken theilt sich in mehrere Aeste, welche strahlenförmig aus einander fahren. Jeder von ihnen zerfällt wieder in mehrere Zweige, die sogenannten Nierenkelche, in welche eine sich immer 374 ^ ?' Von dem Embryo. mehrende Zahl von Harngefäfsen mündet. Zugleich erhalten die Nierenkelche eine gröfsere Weite, bis die Ausgangsstücke meh- rerer Harngefäfse eine siebartig durchlöcherte, in die Höhle eines Nierenkelches hineinragende Warze darstellen. Auch mehret sich zugleich die Zahl der Nierenkelche, indem diese und die Harn- kanälchen sich verlängern (S. 100.). Diese letzteren verlieren ■^hre keulenförmige Gestalt, werden allenthalben gleich dick und schlängeln sich zuerst in der ganzen Ausdehnung der Niere. Später strecken sie sich, indem sie an Länge zunehmen, in der Nähe der Nierenkelche gerade und so bildet sich ein Unterschied zwischen Rinden und Marksubstanz. Die Harnkanälchen enthal- ten zuletzt eine dichotomische Verzweigung. — Die Malpighi- scheu Körperchen entstehen frühzeitig, sind zuerst kleiner und im Ganzen der Zahl nach geringer, als im erwachsenen Zustande und liegen, so lange nur Rindensubstanz existirt, bis an der Pe- ripherie des Nierenbeckens zerstreut. Mit Bildung der Pyrami- den weichen sie nach der Rindensubstanz zurück. Sie erschei- nen zuerst als einfache Kügelchen. Die Gefäfsverknäuelung wird erst spät kenntlich (S. 101.). — Nach der Mitte des Fruchtlebens werden die Nieren traubig, indem die einzelnen Lappen derselben den einzelnen Pyramiden entsprechen (S. 102.). — Die Nieren entstehen wahrscheinlich nicht, wie Rathke früher angegeben, aus den falschen Nieren (S. 98.). — Endlich hat Rathke (über die Bildung der Saamenleiter der Fallopischen Trompete und der Gartnerschen Kanäle in der Ge- bärmutter und Scheide der Wiederkäuer (in Meck. Arch. VI. Hft. 3, S. 379 — 389.) nach seiner neuesten Untersuchung berich- tet, dafs zuerst nach der Länge der ganzen falschen Niere ein vorn offener Kanal, der falsche Harnleiter verläuft (S. 380.). Neben diesem entsteht an der äufseren Seite ein dünner Faden, Welcher bei dem Weibchen zur Trompete, bei dem Männchen zum Saamengange wird (S. 89.). Er bildet sich wahrscheinlich mit einem Male längs der ganzen falschen Niere. Die falschen Nieren nebst ihren Ausführungsgängen schwinden von vorn nach hinten und der letztere scheint daher aus dem hinteren Ende hervorzugehen (S. 382.). Bei dem Männchen scheint bei dem Schwinden des falschen Harnleiters der Saamenleiter sich mit den vordersten eigenthümlichen Gefafsen der falschen Niere zu verbin- den (S. 384.). Die falschen Harnleiter münden in den Vorhof - Geschlechts- und Harnorgane. 375 der Gescyechtstheile. Zwischen ihnen setzt sich" ein kurzer Gang fort, welcher sich mit den Tuben verbindet. Dieser whd nun im Laufe der Entwickelung zur Scheide und zum Halse und Kör- per der Gebärmutter nebst den weiteren Stücken der Hörner derselben, ünterdefs schwinden die den Ausführungsgängen der falschen Nieren entsprechenden Höhlen gänzlich. Eine ähnliche Bildung findet sich auch zuerst bei dem Männchen. Nur wandelt sich hier der mittlere Theil in die pars membracea urethrae um (S. 388.). — Zugleich nimmt Rathke seine frühere Meinung, dafs Job. Müller eine Ansammlung von Zellstoff für den falschen Harnleiter gehalten habe, zurück, glaubt aber, dafs Joh. Müller diesen nur aus seinem späteren Zustande kenne, wo er mit der falschen Niere von vorn nach hinten geschwunden sey ( S. 389.). Wir haben hier absichtlich eine möglichst vollständige Ge- schichte der bis auf unsere Tage gelieferten Arbeiten über die Entwickelung der innersten Sphären der Geschlechts- und Harn- organe zusammengestellt, um den Leser unmittelbar in ein Gebiet einzuführen, welches an und für sich von dem höchsten Interesse ist, dadurch aber für uns eine noch höhere Bedeutung erhalten hat, dafs mehrere der ausgezeichnetsten Naturforscher unseres Jahrhun- derts dieses Feld von Untersuchungen zum speciellen Objecte ihrer genauen und mühsamen Beobachtungen gemacht haben. Es lag uns ob, auch unsere schwächet! Kräfte auf diesem Gebiete zu ver- suchen und nach Möglichkeit die Aufhellung der Wahrheit zu befördern. Wenn es uns bei unseren Forschungen überhaupt Grundregel ist, nur das von uns genau Gesehene und Verfolgte zu berichten, so mufsten wir hier doppelt vorsichtig seyn, weil wir mit den gröfsten Autoritäten in die Schranken zu treten uns genöthigt sahen. Um aber einen sicheren Haltpunkt zu ge- winnen, werden wir uns die Resultate sehr vieler mühevoller Beobachtungen, die wir an Säugethieren und zwar an dem Rinde, dem Schaafe, dem Schweine, dem Hunde, der Katze, der Ratte und dem Kaninchen gemacht haben, hier vortragen, mit diesen die weni- gen an Menschen gemachten Erfahrungen verbinden, imsere Be- merkungen über niedere Wirbelthierklassen dagegen an einem an- deren schicklichen Orte bekannt machen. — Die wurmförmigen Organe nach Oken, die Wolffschen (bei Vögeln) und die Oken- schen (bei Säugethieren) Körper oder die falschen Nieren nach 376 Von dem Embryo. Rathke, die Wolffschen Körper nach Joh. Müller, die Primordial- nieren nach Jacobson finden sich in folgenden Thierklassen. 1. Bei den Batrachiern. Job. Müller, Rathke und wir. 2. Bei den höheren Amphibien. Emmert und Hochstetter, Rathke, Job. Müller und wir. 3. Bei den Vögeln. WolfF, Haller, Rathke, Bär, Johi Mül- 1er und wir. 4. Bei den Säugethieren. Hier kennt man sie bei folgenden Thieren: Bei dem Hunde, der Katze, dem Kaninchen, der Ralte, der Maus, dem Igel, dem Ochsen, dem Schaafe, dem Rehe, dem^^ Schweine, dem Narwall und endlich bei dem Menschen. Es läfst sich daher wohl kaum die Allgemeinheit dieser Organe, so wie ihre hohe Wichtigkeit nicht blofs für die uropöetischen und Ge- schlechtsorgane, sondern für das ganze früheste Embryonallebeu be- zweifeln. Dieses Letztere mufs daher als vorzüglichste Anregung betrachtet werden, sie in jeder Rücksicht und in allen Verhält- nissen so genau, als möglich kennen zu lernen. Das Ziel der fol-i genden, auf eigener üntersucbung basirten Darstellung soll vor- züglich dieses seyn, zu zeigen, dafs sie selbstständige wichtige Organe des Embryo sind und mit den Harnorganen gar nicht, mit den Geschlechtstheilen aber nur in secundäre und untergeord- nete Berührung kommen. — A, Die Wolff'schen Körper bei Säugethieren und dem Menschen, besonders nach ihrer Structur in den verschiedenen Epochen der Entwickelung. Diese merkwürdigen Organe kommen doppelt in dem Körper jeder Frucht zu verschiedenen Zeiten der Enrwickelung vor. Ihre Ausdehnung ist verschieden. In frühester Zeit, wo noch weiter keine Scheidung zwischen Brust- und Unterleibshöhle Statt findet, reichen sie von der hinteren Gegend des Herzens bis zu dem hintersten Ende des Körpers und scheinen sich dort an den Enddarm kurz vor seinem Ausgange anzulegen oder einzumünden. Zuerst sind sie eine mehr unförmliche Masse, deren Blastem ur- sprünglich von dem serösen Blatte ausgeht, das sich mit dem Gefäfsblatte zu der neuen Bildung verbindet und so auf jeder Seite ein langes spindelförmiges Organ darstellt. Es entsteht nun aber die Frage, ob diese Urmasse in der ersten Zeit einfach sei Die WolflTschen Körper. 377 und sich dann in zwei gesonderte Organe spalte, oder ob sie von einer Urmasse jederseits ausgehe und so beide von Anfang an ge- trennt und geschieden werden. 1, Bei den Vögeln hatte Rathke ihre ursprüngliche Einfachheit behauptet, v. Bär uHd Job. Müller dagegen bezweifelt. Zu einem sicheren und über allen Zweifel erhobnen Resultate zu gelangen, wollte mir bis jetzf'noch nicht gelingen. Ich glaube aber durch eine nicht geringe Zahl feiner, von mir gemachter und unter dem Plöfslschen Instrumente mög- lichst genau untersuchter Querdurchschnitte von in kohlensaue- rem Kali erhärteten Hiihnerembryonen vom dritten bis zum sechs- ten Tage mich mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit überzeugt zu haben, dafs das Verhältnifs folgendes sey. Zu jeder Seite des Ursprunges des unteren inneren Centralrohres , d. h. dicht neben der der Bauchseite hinzugekehrten Oberfläche der Wirbelsäule, geht (von dem serösen Blatte also) eine Massenpro- duction aus. Der Antheil des serösen Blattes ist daher bestimmt von Anfang an zweifach. Nicht so der des Gefäfsblattes; denn dieses wird in der Mittellinie nicht blofs zur Bildung der Aorte verwandt, sondern es bleibt von ihr anfserdem noch ein Theil übrig, welcher wahrscheinlich in die Bildung der Wolff'schen Körper eingeht. Die Trennung schreitet aber hier von der Bauch- nach der Rückenseite vor sich. Es ist daher gar nichts Seltenes, aus dem dritten oder vierten Tage (denn gerade in dieser frühen Zeit variirt die Enlwickelung am meisten, und jede Zeitangabe mufs um so ungewisser und willkührlicher sein, je jünger der Embryo ist) Durchsclmitte zu erhalten, in welchen das untei'e in- nere, noch durchaus nicht vollkommen geschlossene Centralrohr folgendes Aussehen darbietet: Unterhalb der Rückensaite liegt in der Mittellinie eine Partie des serösen Blattes, die künftige der Bauchfläche zugekehrte Abtheilung der Wirbelsäule, zum Theil den Wirbelkörpern entsprechend. Von dieser geht jeder- seits eine Leiste aus, welche beide sich aber an der vorderen Fläche noch nicht erreichen. Es sind dieses die Baucbplatten, die sich aber schon zu ihrer Umschlagung in das wahre Am- nion anschicken. An der gegen den Rücken gekehrten inneren Oberfläche der beiden Bauchplatten sieht man eine mit ihnen ver- schmolzene Masse, welche sich nach allen Charakteren als zu dem serösen Blatte gehörig ausweist. Sie ist aber in der Mitte geschieden, und zwar durcli eine sich einlegende Produktion des 378 Von dem Embryo. Gefäfsblattes, die Aorta, Ueber diesen Theiien liegt jederseits der aus dem Gefäfsblatte kommende Autheil der WolfCschen Kör- per. Beide Theile sind aber niebt getrennt, sondern in der Mit- tellinie mit einander verbunden, jedoch so, dafs audi.hier aui der nach der Bauchseite, dem Dotter hinsehenden Fläche eine Furche odei Lücke übrig bleibt, welche nur nicht, wie an dem serösen Blatte, völlig durchgeht, sondern zum Theil noch durch eine Brücke des Gefäfsblattes, welches sich hier nicht vollständig zur Aorte umgewandelt, abgeschnitten ist. In diese Furche legt sich die der Wirbelsäule zugekehrte Leiste oder verwachsene Falte des Schleimblattes, von welcher dann jederseits eine Leiste ausgeht, um das künftige Darmrohr zu bilden und sich mit sei- nem excentrischen Theile über den Dotter fortzusetzen. So viel habe ich bisjetzt gefunden, und wenn ich die frühere Geraein- schaft des Antheiles des Gefäfsblattes kaum bezweifele, so mufs ich doch bei meinen künftigen Forschungen auf die dem serösen Blatte zugehörende Abtheiluug meine vorzügliche Aufmerksamkeit richten. Die ganze Frage dürfte auf folgenden Hauptpunkt sich zurückführen lassen. Entsteht die allererste Spur der Wolfl'schen Körper noch vor der Bildung der Aorte, so sind sie in ihrem Ur- zustände höchst wahrscheinlich einfach. Bildet sie sich aber, nachdem die Aorte schon da ist, so ist diese Partie derselben zu- erst doppelt und von einander geschieden angelegt. Das Letztere ist mir aufser meinen bisherigen Erfahrungen auch von theoreti- scher Seite aus zu vermuthen. 2. Bei den Säugethieren hat sie noch kein Beobachter in einem so frühen Zustande gesehen, in welchem beide als selbstständige Organe noch nicht geschieden seyn sollten. — Hieran reihet sich die Erfahrung von Oken, dafs seine wurmförmigen Organe oder die Wolll'schen Körper in frü- _ bester Zeit hohl seyen. Allein dieser Irrthum beruht gewifs auf einem der folgenden zwei Punkte: 1. An Hundeembryonen von fünf Linien Länge, die ich schon länger als zwei Jahre in Wein- geist aufbewahrt hatte, fand ich oberhalb des auf jeder Seite lie- genden völlig isolirten Wolff'schen Körpers eine dicke, wulstige, fast hufeisenförmig gekrümmte Masse, welche sich genauer an den vorderen Rand der Wolff'schen Körper, als an den der unter densel- ben liegenden Nieren anschlofs, und die ich für die Nebennieren zu halten geneigt wäre. Dieses noch einfache Organ war, sey es Die Wolff'schen Körper. 379 durch Wirkung des Weingeistes *) oder nicht, in seinem Innern mit einer deutlichen Höhlung versehen. 2. Zu einer bald näher zu beschreibenden Periode der inneren Ausbildung der Wolff'schen Kör- per ist, wie dieses besonders Jacobson im Allgemeinen schon bemerkt hat, die innere Masse derselben bei Weitem lockerer, als die Periphe- rie, so dafs bei einer nicht ganz genauen Untersuchung frischer oder noch leichter bei etwas faulenden Embryonen der Schein entstehen kann, als seyen die Wolff'schen Körper im Innern hohl. Jedenfalls aber kann ich aus vielfacher Untersuchung mit Rathke, Job. Müller, Jacobson u. A. behaupten, dafs nie im normalen Zu- stande eine Höhlung in den Wolff'schen Körpern enthalten sey. Wir kommen nun zur Structurlehre dieser merkwürdigen Organe in der Klasse der Säugethiere. Es ist aber nothwendig, dafs wir zur besseren Einsicht in unserer Darstellung zwei Be- merkungen vorauschicken : 1. Die Bestimmung der von uns in Bezug auf ihre Lage zu gebrauchenden Ausdrücke. Wir denken uns hier immer den Embryo auf den Rücken gelegt und bestim- men nach dieser Lage die Bedeutung der von uns zu benutzenden Vet'hältnisse. Die Oberfläche, welche an der inneren Fläche der Rückenwand anliegt, heifst daher die untere, die entgegengesetzte dem Nabel und den Eingeweiden zugekehrte Fläche die obere. Nach innen heifst gegen die Mittellinie des Körpers, gegen die Aorte, nach aufsen gegen die Seite der Leibeswandungen, nach vorn gegea den Kopf, nach hinten gegen den Schwanz zu. Nach innen der Wolff'schen Körper selbst dagegen bezeichnet die Rich- tung gegen ihre ideale, im Centrum des Querdurchschnittes ver- laufende Läjigenaxe. 2. Wir müssen im Voraus bemerken, dafs die HauptfuHCtion der Wolff'schen Körper, d. h. ihre Thätigkeit als se- und excernircnde Organe, als warhaft conglomerirte Drü- sen in der Klasse der Mammalien auf eine sehr kurze und in dem *) Wie leicht durch die Einwirkung des Weingeistes widernatür- liche, noch so regelmäfsig aussehende Höhlungen entstehen, hat unter anderen auch die neueste Zeit! wiederum gelehrt. So beschrieb Volkmann eine eigenthümliche in den Hemisphären des grofsen Gehirnes bei dem Maulwurfe vorkommende Höhlung, von welcher Carus gezeigt hat, dafs sie nicht im frischen Gehirne vorkomme , sondern nur nach der Behand- lung mit Weingeist durch Contraktion der Nervenmasse bedingt werde (vgl. Carus Lehrb. der vergl. Zootomie. 2te Aufl. 1834. Bd. I. S, 80.), Wahrscheinlich findet dasselbe auch bei den Nebennieren Statt. Mehr hierüber s. unt«n bei diesen, — 380 Von dem Embryo. Menschen auf die kürzeste Zeit von allen Thieren beschränkt sey. Diese Bemerkung müssen wir durchaus festhalten, weil es sich nur hieraus erklären läfst, wie es hier weder Joh, Müller, Rathke und Jacobson, noch mir selbst trotz aller Mühe gelungen ist, das Se- kret der Kanälchen der Wolff'schen Körper in den Ausführungs- gang und in die Kloake zu befördern, also ihre wahre Se- und Excretion durch Erfahrung nachzuweisen, welches bei den Vö- geln, wie Johannes Müller zuerst bemerkt hat, so überaus leicht geschehen kann. Ich vermuthe daher, dafs ihre vorzüglichste Sekretionsthätigkeit schon in Abnahme oder wenigstens bedeutend alienirt ist, wenn sie sich ihrem Aeufsern nach in einem sehr ho- hen Grade der Ausbildung zu befinden scheinen. Bei Gelegen- heit des Ausführungsganges werden wir auch auf diesen Gegen- stand zurückkommen. Bei den Wolff'schen Körpern sind drei Momente zu berück- sichtigen, und zwar 1. die Hülle. Diese bildet das Bauchfell, ein dem Schleimblatte angehörender Theil. Sein Verhältnifs zu den Wolff'schen Körpern ist in den verschiedenen Entwickelungs- graden verschieden. In der allerfrühcsten Zeit bedeckt es wahr- scheinlich nur die obere Fläche der Wolffschen Körper. Indem diese aber sich immer mehr heben und lösen, umhüllt es diesel- ben immer mehr, so dafs sie zuletzt gänzlich von ihm eingeschlos- sen werden. Durch diese Einwickelung des Bauchfelles entste- hen nun mehrere Falten, und zwar zuerst eine, welche über die obere Fläche der Wolff'schen Körper verläuft und sich verschmä- lernd an das Zwerchfell ansetzt. Nach hinten senkt sie sich in die Tiefe und geht etwas schief von aufsen und vorn nach unten und hinten. Eine andere Falte entsteht etwas später. Auf sie hat Joh. Müller zuerst aufmerksam gemacht und gezeigt, dafs sie mit dem Saamen- und Eileiter in innigster Verbindung ist. Bei Schaafen liegt sie zuerst an der untern Oberfläche, dann aber nach aufsen, und gelangt so an den äufsern Rand und von da an die obere Fläche der Wolff'schen Körper, so dafs sie die erstere Falte zuletzt erreicht, ja sogar noch etwas von ihr nach innen rückt. Wo sie bei Schweinen zuerst liege, vermag ich nicht anzugeben. Bei den jüngsten Embryonen dieser Thiere, welche ich hierauf zu un- tersuchen Gelegenheit hatte, nämlich bei solchen, deren Länge vom Kopfe bis zur Schwanzspitze acht Linien betrug, lag diese zweite Falte schon mit der ersteren verschmolzen an der oberen Fläche Die WoIfiTschen Körper. 381 der Wolffschen Körper, dem innern Rande näher als dem äulsern. Endlich sieht man noch in der Tiefe eine dritte Falte (oder bis- weilen sogar zwei Falten) von dem hintern und unteren Rande der Wolff'schen Körper nach der untern Wand des Enddarmes gehen. Diese umhüllt wahrscheinlich ihren Ausführungsgang. 2. Die Masse der Wolff'schen Körper selbst. Die besteht in frühe- ster Zeit bei dem Vogelembryo aus einer Menge gestielter kol- benförmig und blind sich endigender Bläschen, wie dieses Job. Müller (Bildungsgesch. d. Genit. tab. 2. fig. 3.) so schön abgebil- det hat. Ob dasselbe in frühester Zeit auch bei Säugethieren der Fall sey oder nicht, müfs künftigen Erfahrungen anheim gestellt bleiben. Späterhin bilden sie bei diesen eine Menge paralleler querlaufender Röhrchen, welche alle ziemlich frei durch das Bauch- fell durchscheinen. Nehmen wir ungefähr das erste Viertel der Brei- tendimension des Wolff'schen Körpers von innen zum Ausgangs- punkte, so gehen die meisten ziemlich parallel und nahe an ein- ander liegend von innen nach aufsen, schlagen sich dann an dem äufseren Rande von oben nach unten um und laufen, sich ver- dünnend, an der untern Fläche von aufsen nach innen. Indem sie immer dünner werden, ehe sie hier zuletzt anlangen, ver- knäueln sie sich endlich in frühester Zeit. — Die Verknäuelun- gen, welche in diesem Zustande in ganz frischen Schweineembryo- nen schon mit blofsem Auge sogar sichtbar sind, liegen in meh- reren Lagen übereinander und reichen nicht ganz von dem innern Rande bis beinahe zu der Stelle, wo die Falte des Ei- oder Saamen- Iciters mit der Längenfalte zusammenstöfst. Hierdurch werden in den Wolff'schen Körpern fast zwei Substanzen mehr oder minder deutlich unterschieden, nämlich die äufsere Hälfte, welche beinahe nur Kanälchen enthält, und die innere, welche zum gröfsten Theile aus Verknäuelungen besteht. Bei weiterer Entwickelung sind diese beiden Substanzen auch äufserlich mehr raarquirt, und zwar die innere dadurch, dafs die Oberfläche der Wolff'schen Körper hier gleichsam steiler abfällt und unter einem dem Rechten nä- heren schiefen Winkel in die Tiefe geht. Wir haben oben ge- sagt, dafs die Röhrchen ziemlich parallel von innen nach aufsen gehen. Manche von ihnen aber senken sich, ehe sie den äufsern Rand erreichen, in die Tiefe, und. es hat daher bei schwächern Vergröfserungen den Anschein, als ob diese Cylinderchen schon hier sich blind endigten. Allein man überzeugt sich von dem 382 Von dem Embryo. Gegentheile dadurch, dafs man dieselben mehr in die Tiefe zu verfolgen sich bemüht. Jedoch gelingt dieses wegen der unge- meinen Verwickelung der Kanälchen nur selten, und nie in bedeu- tenderer Ausdehnung. Man kann sich daher hiervon auch auf eine weit leichtere und eben so sichere Weise überzeugen. Be- trachtet man nämlich einen solchen Wolff'schen Körper unter stärkerer Vergröfserung, z. B. unter Ocular No. 2. und Objectiv No. 1. des grofscn PlöfsPscben Microscopes, besonders wenn er sich auf schwarzem Grunde befindet und von oben mittelst des Selligueschen oder eines diesem ähnlichen Prisma beleuchtet wird, so sieht man, dafs der deutlich wahrnehmbare Kanal in den Wolff'- schen Körpern, welcher sich als ein breiter dunkeler Streif von den schmalen weifsen Wänden genugsam unterscheidet, nicht, wie es bei solchen blinden Enden, z. ß. in den Drüsen, den Lungen, den Nieren und dgl. der Fall ist, von eben solchen schmalen wei- fsen Linien begrenzt wird, sondern ohne solche aufhört — ein Factum, welches jeden geübten microscopischen Beobachter, wie ich es an Purkinje, als er dieses Verhältnifs sah, selbst erfuhr, zu demselben Schlüsse leiten wird. Dafs die Kanälchen der Wolff'schen Körper in ihrem Innern hohl seyen, erkennt man schon von aufsen. Man kann sich aber leifeht, wie Joh, Müller und Rathke schon bemerkt haben, hiervon überzeugen, wenn man den Wolff'schen Körper durchschneidet und die Durchschnittsfläche be- trachtet. Ihre Wandungen sind so rigide, dafs sie nach der Tren- nung nicht zusammenfallen, sondern das Lumen des Kanales offen bleibt. Ja ich habe bisweilen die Wandung eines solchen Ka- nales nur angeschnitten, ohne die weitere Continuität seines Ver- laufes zu unterbrechen, und die Seitenwände dann so klaffen gesehen, dafs mit Leichtigkeit ein Haar hineingebracht werden konnte, -r- Die Gröfse der Kanälchen ist in jedem Thiere in derselben Epoche der Entwickelung ziemlich constant. Wir heben aus sehr vielen von uns angestellten raicrometrischen Messungen die vorzüglich- sten hervor, bemerken aber zuvor ausdrücklich, dafs hier noth- wendig zWei Zustände zu berücksichtigen sind. Wir haben näm- lich gar nicht selten bedeutende Differenzen gefunden, je nachdem wir die durch das Bauchfell hindurch scheinenden oder die von demselben getrennten Kanälchen zu messen unternahmen, beson- ders wenn dieses nicht ganz frische, sondern längere oder kür- zere Zeit in Weingeist aufbewahrte Früchte betraf. Der Grund Die WolfFschen Körper. 383 dieses Widerspruches ist auch leicht einzusehen. Die Wandung ist nach innen zu in jedem Kanälchen immer am stärksten, nach aufsen dagegen dem verbindenden Schleimgewebe, besonders der Consistenz nach, immer homologer, je jünger die Frucht ist. Wird nun das Bauchfell abgezogen, so sieht man, besonders nach eini- ger Erhärtung in Weingeist, an der Innern Fläche des Bauchfelles kleine Querstreifen von Bildungsgewebe sitzen, welche den Fur- chen, den Zwischenräumen der einzelnen Kanälchen entsprechen. Diese machen dann ungefähr die halbe Differenz der Gröfsenun- terschiede aus, welche aus den verschiedenen Messungen der Ka- nülchen mit und ohne Bauchfellüberzug resultiren. — Alle Mes- sungen betreffen die freien Kanälchen in der Linie von dem zweiten Viertel vom Innern Rande (dem Ansatz der Längenfalte) des Brei- tendurchmessers bis an das Ende desselben, d. h. bis an den äu- fseren späterhin convexen Rand desselben. So fand ich denn: Durchmesser der Kanälchen, l.a. Embryo d.Schaafes l"2'"Länge 0,005160 P.Z.— 0,003643 P.Z. b. - - desselb. 1"6'" - 0,004250 P.Z. c. - - desselb. 2" 0,003744P.Z. a. Emb. d. Schweines 8'"Länge : 0,005566 P.Z.— 0,006160 P.Z. b. - - desselben 10'" - 0,005667 P.Z. c. - - desselben i"A"' - 0,0052624 P.Z. d. - - desselben 4" 0,003137P.Z.-0,002530P.Z. 3. a. Embryo d. Hundes 5'"Länge 0,004554 P.Z.—0,004048P.Z. (Im Weingeist lange aufbewahrt.) 4. a. Embryo des Menschen dreimonatlich weiblich 0,003542 P.Z.— 0,003845 P.Z. Körperchen zwischen d. Kanälchen 0,004857P.Z. Körperchen nach innen zu 0,001820 P.Z.— 0,002327 P.Z. Das Lumen der Höhle der Kanälchen von No. L a. fand ich: 0,00 1820 P.Z.— 0,002378 P.Z. und das von No. I b. 0,002125 P.Z. Der Ausführungsgang von No. 2. b. betrug in seinem Bauch- fellüberzuge an seinem vorderen Ende 0,008096 P. Z., an seinem hinteren 0,010727 P. Z. An letzteren betrug das Lumen 0,005560 P. Z. und die Dicke der Wandung 0,002480 P. Z. Nach dieser letzteren Messung betrüge die Dicke des Ausführungsganges 0,005560 -f 2. 0,002480 = 0,010520 P.Z., welches also bis auf zwei Zehntausendthcil mit der oben durch unmittelbare Messung 384 Von dem Embryo. gefundenen Zahl stimmt. Die Knäuel der inneren Substanz hat- ten bei No. 2. c. im Durchmesser 0,013660 P. Z. und (in ihrem schon metamorphoslrten Zustande) bei No. 2. d. |0j014674 P. Z. bis 0,01-2650 P. Z. und die Stielcben (s. unten), an denen sie befestigt waren, 0,001012 P. Z. bis 0,001820 P. Z. Endlich fand ich den Diameter der Knäuel bei No. 3. a. 0,011230 P. Z. Welch einen bedeutenden Unterschied endlich die Messung der Kanälchen mit und ohne Bauchfellüberzug in frühester Zeit aus- mache, mag folgendes Beispiel erhärten: Bei einem acht Linien langen Schweinefötus fand ich (nach No. II. a.) den Durchmesser 0,005566 P. Z. bis 0,005160 P. Z. Nach einiger Erhärtung in Weingeist betrug der Durchmesser der einzelnen von dem Bauch- felle getrennten Röhrchen 0,003542 P. Z. bis 0,003238 P. Z. Was nun die weiteren zeitlichen Metamorphosen der Wolff- schen Körper betrifft, so sind diese nach unseren Erfahrungen kürzlich folgende: Die Knäuel bilden in dem Zustande der gröfs- ten Ausbildung der Primordinalniere den gröfsten Theil der in- neren Substanz, die aber doch neben ihnen eine ziemliche Menge mehr oder minder gewundener Kanälchen enthält. Wie nun die Wolff'schen Körper schwinden, werden ihre Kanälchen kleiner und verringern sich gröfstentheils , so dafs die äufsere Substanz viel weniger parallele Röhrchen enthält, die innere dagegen eine be- deutende und scheinbar noch gröfsere Veränderung erlitten hat. Die Kanälchen sind nämlich hier fast gänzlich geschwunden; die Knäuel haben daher einen durchaus veränderten Character ange- nommen. Indem mit dem Versehwinden der Kanälchen das sie verbindende Schleimgewebe derber und fester geworden, sieht man sie jetzt als hohle Blasen oder Kugeln, welche an einem zarten Stiele, dem früherhin in sie eintretenden Kanälchen, wahrscheinlich hängen. Zuletzt scheinen endlich die Blasen selbst wiederum zu schwinden, während ein mehr oder minder deutlicher üeberrcst der Knäuel zurückbleibt. 3. Der Ausführungsgang. Kein Theil des Wolff'schen Körpers hat mir bei meinen vielfachen hierüber angestellten Untersuchungen so viel Schwierigkeiten gemacht, als eben dieser, und ich mufs offen bekennen, dafs ich hier noch lange nicht den bestimmten Grad von Sicherheit in meinen Er- fahrungen habe, welchen ich nach, meinen Grundsätzen durchaus fordere, um über ein Objekt der Naturwissenschaft mit der nö- thigen Präcision entscheiden zu können. So viel kann ich mit Be- Die WoIfTschen Körper. 385 Bestimmtheit angeben, dafs der über die obere Fläche des Wolff- schen Körpers verlaufende Faden, an den sich später ein weit dickerer auf das deutlichste hohler Faden, der zukünflige Saamen- oder Eileilcr, anlegt, durchaus nicht der Ausführungsgang sey, dafs dieser Letztere vielmehr, wenigstens in Schaafsembryonen von fünf, und Schweineembryonen von sechs Linien Länge, wahrscheinlich, wie J. Müller schon gelehrt hat, aus dem Mnteren Ende der WolfF- schen Körper hervorkomme. In dem Zwischenräume zwischen dem hinteren Ende der Primordialnieren und der unteren Wand der AUantois liegen folgende hier zu berücksichtigende Gegen- stände, nämlich die hinterste Abtheilung der über den Wolffschen Körper verlaufenden Bauchfellfalte und des künftigen Ei- und Saa- menleiters. Genau genommen sind dieses zwei ganz verschiedene Dinge. Auf der oberen Fläche der Wolffschen Körper liegt zur Zeit ihrer gröfsten Ausbildung die Bauchfellfalte nach innen, der Ei- und Saamenleiter dagegen nach aufsen. In dem Zwischen- räume weicht der Saamen- und Eileiter, je näher er seiner Ein- senkungsstelle kommt, desto mehr nach innen. Zuerst erreicht er hier nur die Bauchfellfalte. Indem er aber unter dieser nach innen sich fortsetzt, entsteht immermehr nach innen eine Kreu- zung, welche ungefähr in das untere Drittheil des Zwischenrau- mes fällt. Unter diesen beiden Theilen liegt noch schiefer von aufsen nach innen gerichtet ein von Bauchfell umschlossener Gang, welcher unmittelbar an das hintere Ende des Wölfischen Körpers sich ansetzt und wahrscheinlich der Ausführungsgang desselben ist. Es schien mir als ob dieser Gang bei zehn Linien langen Schweinefötus in das Innere sich fortsetzte. Doch War die Beob- achtung nur sehr undeutlich, so dafs ich selbst kein grofses Ge- wicht hierauf legen zu können glaube. Ueberhaupt mufs ich offen bekennen, dafs es mir trotz aller angewandten Mühe bis jetzt noch nicht recht gelingen wollte, den unmittelbaren Zusammenhang des Ganges mit den Kanälchen des Wolffschen Körpers bei den Säuge- thieren nachzuweisen. Ich wünsche, dafs Anderer oder meine zukünftigen Erfahrungen hierüber glücklicher ausfallen mögen. Endlich kommen noch einige Falten des Bauchfelles mit den Wolffschen Körpern in unmittelbare Berührung, welche aber zum Theil oder gänzlich den keimbereitenden oder ausführenden inne- ren Geschlechtsorganen angehören, und daher füglicher bei diesen abgehandelt werden können. 25 386 Von dem Embryo. B. Geschichte der keimbereitenden und ausführenden inneren Geschlechtsorgane überhaupt bis zu der Zeit, wo die Verschiedenheit des Geschlechtes mehr unmit- telbar in die Augen fallende Differenzen bedingt. Man hat oft mit mehr oder minder Bestimmtheit und Gründlich- keit die Ansicht ausgesprochen und vertheidigt, dafs in frühester Zeit die spätere Geschlechtsdifferenz ganz und gar mangele. Die Frage ist für das ganze Gebiet der Physiologie zu wichtig, als dafs wir hier am Eingange der Genese der Geschlechtstheile nicht hierauf Rücksicht nehmen sollten. Man kann aber hier, wie es sich auch geschichtlich nachweisen läfst, drei Modificationen der Meinungen annehmen, nämlich 1. dafs in frühester Zeit alle Spur einer Ge- schlechtsverschiedenheit an dem ganzen Körper mangele; 2. dafs zwar keine Differenz in den Geschlechtstheilen, eine solche aber an dem Totalhabitus des Körpers vorkomme, und 3. dafs von An- fang an jedes Individuum in seinem Geschlechte genau bestimmt und individualisirt sey. Die erste Ansicht wird schon durch Sömmerings Erfahrung widerlegt, dafs bei menschlichen Embryo- nen schon in der achten Woche die Brust bei dem Weibchen kürzer und weiter, bei den Männern aber länger und enger sey. Diese Unterschiede sprechen sich auf gleiche Weise mehr oder minder auch an den übrigen Theilen des Körpers aus. Dafs die Differenz in den Geschlechtstheilen selbst später, und auf welche Weise sie hervortrete, werden wir bald zu erwähnen Gelegenheit haben. In Rücksicht der beiden anderen Ansichten aber können vpir nur dasjenige, was der treffliche Burdach (Physiol. II. S. 577.) hierüber sagt, wörtlich unterschreiben: „Nun fragt es sich aber," heifst es bei ihm, „wann und wodurch entsteht die Geschlecht- lichkeit? Es sind hier zwei Fälle möglich: Der Embryo ist ent- weder eine Zeit lang absolut geschlechtlos und wird, da er den Grund der Geschlechtlichkeit nicht in sich selbst enthält, wäh- rend seiner weiteren Entwickelung durch ein äufseres Moment zur Geschlechtsverschiedenheit determinirt, oder er hat von sei- nem ersten Ursprünge an eine bestimmte Richtung seines Daseins auch in Hinsicht auf die Geschlechtlichkeit in sich, die aber erst späterhin in der Erscheinung hervortritt, so dafs die anfängliche Indifferenz der Zeugungsorgane zwar thatsächlich , aber nur Er- Kelmbereitende und ausführende innere Geschlechtsth. 387 scheinungsform ist. Wir entscheiden uns mit Carus und Ratlike für die letztere Meinung." — Es ist -wohl kaum zu bezweifeln, dafs die Indiyidualität sich auch hier von frühester Zeit an in ihrer strengen Eigenthümlichkeit darstellen mufs, und dafs, je tiefer wir in das so schwierige Gebiet der Enlwickelungsgeschichte eindrin- gen werden, uns um so mehr auch die allerfeinste unterschei- dende Nuancirung zugänglich seyn wird. Die inneren keimbereitenden Geschiechtstbeile entstehen un- abhängig von ihren inneren ausführenden Gängen, und beide müs- sen daher gesondert betrachtet werden. Was nun 1. den Eier- stock und den Hoden betrifft, so ist ihre Geschichte folgende: Noch ehe die WoIiFschen Körper sich auf der höchsten Stufe ih- rer anatomischen Ausbildung befinden, erhebt sich an ihnen eine längs derselben verlaufende Falte des Bauchfelles. Wir müssen aber, um jeder Verwiri-ung oder Verwechselung möglichst vorzu- beugen, die verschiedenen Falten dds Peritoneum mit eigenen Namen belegen, und zwar soll die über die obere Fläche des Wolffschen Körpers verlaufende, schon oben beschriebene Falte die Aufhängefalte (Ugamentinn Suspensorium Cojyoris TVolffiani) von uns genannt werden. Die, in welcher Ei- und Saamenleiter sich bilden, möge die Falte des ausführenden inneren Geschlechts- theiles, die endlich', in welcher der Ausführungsgang sich befin- det, die des Ausführungsganges heifsen. Zu diesen schon oben berührten Falten kommt endlich noch diejenige, in welcher sich bald Eierstock oder Hoden erzeugen und für die wir den Namen der Falte der keimbereitenden Geschlechtsorgane vorschlagen, so wie endlich für die bald näher zu bezeichnende, welche von dem Bauchringe aus von aufsen und hinten nach vorn und innen em- porsteigt und bei dem Männchen zum Gubernatuculum Hun- teri^ bei dem Weibchen aber zum Ugamentum rotundum wird, den der äufseren Falle. Die Falte für die keimbereitenden Ge- schiechtstbeile verläuft zuerst fast in der Mitte zwischen dem in- neren Rande der Wolffschen Körper und ihrem Aufhängebande längs ihrer ganzen Oberfläche, doch etwas mehr nach aufsen, als nach innen gerichtet. Sie erhebt sich von Anfang an über die Oberfläche, so dafs sie eine zarte schmale Leiste bildet, welche in ihrem Innern nicht hohl, sondern durch eine geringe Quantität eines zarten Bildungsstoffes ausgefüllt ist. Bald jedoch vermehrt sich derselbe an einer Stelle iu seiner vorderen Hälfte, so dafs 25 • 388 Von dem Embryo. diese sich als ein länglich rundes Körperchen aufwulstet, welches von Anfang an durch bedeutende Weifse sich auszeichnet. Die- ses Körperchen ist der Eierstock oder der Hoden. Beide sind sich am Anfaage vollkommen gleich. Der Unterschied der Form tritt aber an ihnen frühzeitiger hervor, als der des Gewebes. Bei dem Weibchen nämlich, als zukünftiger Eierstock, wird das Kör- perchen platt und um ein Weniges breiter 5 bei dem Männchen dagegen wird es mehr rundlich und behält, wie es scheint, seine frühere Breiten dimension bei. Vergeblich habe ich bis jetzt sowohl in frischen, als in den durch Weingeist, kohlensaueres Kali und dgl. erhärteten Früchten nach Differenzen der inneren Structur gesucht. Beide bestanden aus einem körnigen undurchsichtigen Gewebe ohne Spur von Saaraengängen oder den bald zu beschrei- benden Leisten. Je mehr sich der Hoden vergröfsert, um so mehr folgt ihm der ihn überziehende Theil des Bauchfelles nach, so dafs es ihn völlig umschliefst, dann sich aber nach vorn sowohl, als nach hinten als eine sehr zarte Falte fortsetzt. 2. Die aus- führenden Gänge der inneren Geschlechtstheile entstehen völlig unabhängig von den keimbereitenden Genitalien, Eine andere Frage ist es aber, ob sie als eine Ausstülpung der Kloake sich bilden, wie besonders Rolando mit Bestimmtheit behauptete, oder mit einem Male in ihrer ganzen Conlinuilät entstehen. Ihre erste Spur beobachtete ich bei einem sechs Linien langen Schaaf- fötus als eine zarte dunkele Linie an der unteren Fläche der W^olflfschen Körper. So sehr diese auch auf den ersten Blick ei- ner offenen nur durch das Bauchfell verdeckten Furche ähnlich war, so war es mir doch durchaus nicht möglich, das Bauchfell in diese Furche hineinzudrängen oder unter dem Peritoneum in dieselbe zu gelangen, so dafs sie wahrscheinlich durch eine zähe, aber durchsichtige Masse ausgefüllt wird. Späterhin erhebt sich die Falte der ausführenden Geschlechtstheile über die Oberfläche und rückt zugleich von innen nach aufscn vor, so dafs sie, wie Job. Müller es schon beschrieben bat, als ein zarler, isolirter Fa- den längs des äufsercn Rnndes des Wolffschen Körpers erscheint; von hier rückt sie nun auf der oberen Fläche der Primordialnieren von aufsen nach innen, bis sie an das ligameniuni Suspensorium ge- langt, während sie im Innern an Masse immer zunimmt und zuletzt hohl wird. Nach Rathke ist sie dann zuerst bei beiden Geschlech- tern vorn offen, so dafs es gelingt, von hier aus ein feines Haar in Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtsth. 389 die Höhlung einzubringen. Die weitere Entwickelung aller dieser Theile aber ist nun bei den verschiedenen Geschleclitera verschieden. C. Keimbereitende und ausführende Geschleclitstheile bei den weiblichen Früchten. Wir haben es schon oben bemerkt, dafs die Eierstöcke sich zuerst durch eine eigenthümliche Plattheit, verbunden mit einer etwas gröfseren Breite des ganzen Organes unterscheiden. Im Laufe der Entwickelung wird ihre Oberfläche wiederum etwas convcxcr und man bemerkt in ihnen eine eigenthümliche, schon von Rathkc angedeutete Structur. Denkt man sich nämlich eine ideale Längenaxe, welche durch die Mitte des Eierstockes ver- läuft, so gehen von der ganzen Oberfläche nach dieser hin paral- lele Leisten dichterer Masse, in denen ich bis jetzt keine Höhlung wahrnehmen konnte. In den Zwischenräumen dieser Leisten sieht man nicht selten rundliche, geradlinigt gelagerte und in ziemlich gleichen Distanzen von einander geordnete Kugeln (die nach innen zurückgeschlagenen Enden der Leisten?). In einem vier Zoll langen Schweinefölus habe ich den Durchmesser dieser Leisten zu 0,003036 P. Z. und den der Kugeln zu 0,00385 P. Z. berechnet. Eine Ortsveranderung, wie wir diese bald aus- führlicher von dem Hoden abhandeln werden, findet auch bei den Ovarien Statt, nur nicht so vollständig, als dort, so dafs sie gänzlich aus der Bauchhöhle heraustreten. Sie gleiten nämlich längs ihrer Falte des Bauchfelles von vorn nach hintes bis zu der Stelle, wo die äufsere Falte der inneren keimbereitenden Geschlechts- theilc mit ihr zusammenstöfst. Dafür aber erhalten sie eine neue Richtung der Lage. Ihr Breitendurchmesser nämlich, ^velcher früher fast ganz in die Längenaxe des Körpers fiel, macht all- mählig einen immer schieferen Winkel mit dieser, und nähert sich daher der Brcitenaxe des ganzen Körpers. Bei dem Menschen steigen sie in der Regel etwas von aufsen und vorn nach innen und hinten hinab. Ihre Länge bestimmt Meckel (Anat. IV. S. 587.) in der Mitte des dritten Monates bei ungefähr zwei Zoll Kör- perlänge kaum zu 1^ Linie, ihre Höhe zu i und ihre Dicke zu -J- Linie. Im dreimonatlichen Embryo fand ich ihr Gewebe schon aus grofsen mehr oder minder isolirten Körnern bestehend, welche 0,001518 P. Z. bis 0,007185 P. Z. im Durchmesser hatten. Vor dem sechsten Monate nach der Geburt konnte man bei dem Menschen 390 Von dem Embryo. noch keine Spar von Folliculis an ihnen wahmehinen. Eben so wenig habe ich solche an neugeborenen Säugcthieren gefunden. Die Trom- peten bleiben nach vorn gerade und geöffnet, so dafs zuerst ihre vor- dere Mündung den vordersten Rand des Eierstockes überragt. Später- hin krümmen sie sich von aufsen nach innen immer mehr und rücken zugleich etwas von unten nach oben vor. Sie verändern daher ihr Verhältnifs zu dem Eierstocke sowohl, als zu den Wolffschen Körpern bedeutend. Nach vorn umfassen sie mit ih- rer Mündung den Eierstock, doch so, dafs sie im Allgemeinen mit ihrem vordersten Ende über den Rand desselben hinausragen. Der Wolffsche Körper kommt aber mehr neben ihnen zu liegen, zwischen ihren eigenthümlichen Bauchfellpartien, und befindet sich daher in seinen letzten Ueberresten dicht vor dem Eierstocke. (S. zur Erläuterung besonders die Abbildungen bei Rosenmüller tab. 1. fig. 5 — 8.). Die Mündungen der Trompeten zeigen sich nach Meckel (Anat. IV. S. 489.) zuerst im fünften Monate bei dem Menschen und sind im achten Monate, bei dem Neugebore- nen und in den ersten Lebensjahren stärker, als im Erwachsenen. Die vordere Oeffnung der Trompeten setzt Meckel (Anat. IV. S, 590.), jedoch ohne Zweifel zu spät, in den vierten Monat, die Entstehung der Einschnitte aber noch später. Ihre Höhle ist nach ihm desto gröfser, je jünger der Embryo. Seine Vermu- thung, dafs das Rosenmüllersche Organ, die üebcrreste der Wolff- schen Körper, mit dem Eierstocke in frühester Zeit unmittelbar zusammenhänge, dürfte sich aus dem Obigen von selbst als un- richtig ergeben. — Das Rosenmüllersche Organ, d. h. der Ueber- rest der Wolffschen Körper bei weiblichen Früchten, besteht bei dem Menschen zu Ende des dritten Monates aus Kanälchen (die wahrscheinlich nicht mehr hohl sind), welche parallel von vorn nach hinten verlaufen und zwischen sich runde Körperchen, wahr- scheinlich metamorphosirte Knäuel, haben. Nach innen dagegen besteht das Gewebe aus einem Apparate von rundlichen Kugeln, die sich dem Aeufsern nach wenigstens von den metamorphosir- ten Knäueln gar nicht unterscheiden. Ueber ihre Gröfscnverhält- nisse s. oben die Tabelle. — Endlich verdient noch bemerkt zu werden, dafs bei den Vögehi immer zuerst doppelte Eierstöcke und Eileiter angelegt werden, von denen der eine, meist der rechte, wiederum schwindet. Doch verharrt er selbst hier in weit öfteren Fällen, als man gewöhnlich gJanbt. Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtslh. 391 D. Keimbereitende und ausfübreude Gescblechts- theile bei den männlichen Früchten. Der Hoden giebt sich zuerst in seiner Individualität als ein längliches Körperchen zu erkennen, welches auf seiner oberen Fläche convexer, im Ganzen aber etwas schmäler und länglicher, als der Eierstock ist. Er besteht zu dieser Zeit noch aus einem granulirten Wesen und man kann trotz aller Mühe die Saamenkanäl- chen in seinem Innern nicht wahrnehmen. Auch durch seine Lage differirt er bald von dem Eierstocke, indem er mehr in der Län- genaxe des Körpers bleibt, die festes muliebres dagegen eine mehr schiefe Lage von aufsen und vorn nach innen und hinten annehmen. Bald aber erscheinen in ihm die ersten deutlichen Spuren der Saaraenkanälchen, wie es scheint, gleichzeitig mit der Albuginea, welche, wie schon Rathke gegen Oesterreicher mit Recht behauptet, lange vor seiner Einsenkung in den Hoden- sack gefunden wird. Zieht man nämlich um diese Zeit die Bauch- fellfalte von dem Hoden ab, so bleibt ein länglich rundes Kör- perchen, ia welchen die Saamenkanälchen erst dann sichtbar werden, wenn man eine zweite Membran, offenbar die spätere Albiginea, entfernt hat. Eine andere Frage ist es, ob die Saa- menkanälchen von der Oberfläche gegen die Mitte oder umgekehrt sich bilden. Mir scheint nach meinen Untersuchungen das er- stere der Fall zu seyn. — Hatte ich den Hoden von seinen bei- den Hüllen bei 2 bis 2|- Zoll langen SchweinetÖtus befreit, so sah ich auf seiner Oberfläche eine Reihe breiter Querstreifen, von denen jede von der anderen durch eine kleine Querfurche ge- schieden war. Der Durchmesser einer solchen Leiste betrug 0,013156 P. Z. Diese Leisten theilen dann sich in kleinere Leisten, welche unmittelbar höchst wahrscheinlich in die Saamengefäfse übergehen. Den Durchmesser dieser kleineren Leisten berechnete ich zu 0,005060 P. Z. bis 0,004048 P. Z. Es hat daher den Anschein, als ob die Saamenkanälchen nach Analogie der Faser- gebilde, d. h. dadurch entstehen, dafs eine angelegte Hauptmasse in kleinere und zahlreichere Massen zerfällt. Dieses alles kann man aber nur an der Oberfläche des Zeugen wahrnehmen. Sein Inneres dagegen besteht aus derselben körnerhaltigen Urmasse, welche früher ohne deutlich erkennbares Gewebe den ganzen Hoden zusammensetzte. — Die Gröfse der Saamenkanälchen ist 1. Bei Schaafen. a. Länge 1" 2'" b. . 10" 2. Bei Schweinen, a. Länge 4" b. 2" 3'" c Olli «Ja 392 Von dem Embryo. sowohl absolut, als relativ zur Länge des Hodens verschieden. Wir geben hier wieder eine tabellarische Uebersicht einer zweck- mäfsigcn Auswahl, um hieraus dann allgemeine Gesetze herleiten zu können. Wir fanden: Durchmesser der Saamenkanälchen. 0,002125 P. Z. 0,002230 P. Z. 0,002732 P. Z. bis 0,002530 P. Z. 0,004655 P. Z. bis 0,004250 P. Z. 0,002630 P. Z. Die Länge des Hodens betrug bei No. 1. a. 0,091080 P. Z. . . , - - , No. 1. b. 0,91650 P. Z. No. 2. a. 0,172040 P. Z. Das Verhältnifs der Saamenkanälchen zu der Länge des Hodens war also bei No. i. a. wie 1 : 42,9. bei No. 1. b. wie 1 : 41,4. bei No. 2. b. wie 1 : 62,9 bis 1 : C8. Wir ziehen hieraus den Schlufs, dafs man wie bei allen Th eilen, so auch in Bezug auf die Saamenkanälcheu die absolute Gröfse von der relativen wohl unterscheiden mufs. Die relative Gröfse, d. h. das Verhältnifs des Durchmessers der Saamenkanäl- chen zur Gröfse des Hodens ist durch einen um so kleinern Ex- ponenten ausgedrückt, also um so gröfser, je jünger der Fötus ist. Die absolute Gröfse hält sich dagegen, sobald wahre Kanälchen da sind, zwischen sehr mäfsigen Grenzen und bleibt sich entweder ganz gleich oder variirt nach beiden Seiten in kleinen Nüanciiungen. Wir werden dieses Gesetz noch bei allen drüsigen und drüsigtcn Gebilden wiederkehren sehen und können es unterdefs in seiner Allgemeinheit bezeichnen. Das fernere Wachsthum des Hodens besteht also in Ablagerung neuen Bildungsstoifes , der aber rasch zur Formation neuer Saamenkanälchen verwandt wird. — Der ausführende Ge- schlechtsgang rückt hier eben so, wie wir dieses von dem weib- lichen Geschlechte schon oben beschrieben haben, von aufsen nach innen. Während dieses aber geschieht, bleibt er nicht, wie die Trompete gerade, sondern schlängelt sich, so dafs er, wenn er den Hoden erreicht, eine Spirale von 3 bis 4 Windungen be- schreibt. Diese Windungen aber macht das umhüllende Perito- neum keineswegs selbst mit, sondern sie scheinen durch das Keimberellende und ausführende innere Geschlechtsth. 393 Bauchfell hindurch und man kann sie leicht durch Abziehen des Peritoneums isolirt darstellen. Nun gehen hierfür von den Neben- hoden parallele, schief von aufsen und hinten nach oben und vorn aufsteigende Quergefäfse aus, welche sich in die Substanz des llo- dens einsenken. Die frühesten Embryonen, in welchen ich sie sah, waren Schweineembryonen von 4 Zoll Länge, in welchen sie, wenn mau die obere Plaltie des Bauchfelles abzog, als zarle Fä- den ohne sichtbare Höhlung zum Vorschein kamen. Ihren Durch- messer in dieser Zeit berechnete ich zu 0,004756 P. Z. Sie ver- vielfältigen sich nun, verschlingen sich unter einander und stel- len so den Kopf des Nebenhodens dar, während die Windungen des vas deferens zur Bildung seines Schwanzes eingehen. — Allgemein wird behauptet, dafs das vas aberrans Halleri der übrig gebliebene Ausführungsgang der Wolffschen Körper sey. Jedoch müssen wir die Richtigkeit dieses Satzes noch so lange in Zweifei ziehen, als die spccielle Nachweisung durch eine Reihe von Beobachtungen uns fehlt. Wenigstens fanden wir in einem Falle bei einem 15 Zoll langen Schaaffötus das vas aber- rans so sehr von den Rudimenten der W^olfFschen Körper ent- fernt, dafs ohne wichtige und einflufsreiche Lagenveränderungen diese Metamorphose des Ausfiihrungsganges auf jeden Fall nicht erfolgen kann. Dafs aber die Gartnerschen Kanäle bei dem weib- lichen Geschlcchte, wie auch Jacobson und Rathke verinuthen, höchst wahrscheinlich die Reste der Ausführungsgänge der Wolff- schen Körper sind, bin ich ebenfalls anzunehmen sehr geneigt. — Man sieht, dafs diese unsere Darstellung der späteren Melamor- phosen der Hoden und Saamenleiter, welche wir durchaus nach eigenen Untersuchungen entworfen haben, im Ganzen nur eine Bestätigung der genauen Beobachtungen von Job. Müller sind. Endlich ist hier der Ort, noch eine andere wichtige Verän- derung in Betracht zu ziehen, nämlich die der Lage der Hoden. Man mufs aber hier zwei verschiedene Punkte von einander un- terscheiden : 1. Die Ortsveränderung der keimbereitenden Geschlechtstheile überhaupt. Diese beobachtet bei beiden Geschlechtern die Rich- tung von vorn nach hinten. Der Hoden bleibt ziemlich der Län- genaxe des Körpers parallel, der Eierstock dagegen lagert sich schief von aufsen und vorn nach innen und hinten. Das Nöthig- ste hierüber ist schon oben erzählt worden. 394 Von dem Embryo. 2. Die Ortsveränderung der Hoden, oder, wie wir sie zum Unterschiede der vorigen genauer bezeichnen wollen, die eigen- thümlichc Locomotion der Hoden. Dieser auf die praktische Chirurgie unmittelbar einfliefsende Gegenstand ist von vielen Sei- ten, besonders seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis auf die neueste Zeit bearbeitet worden. Da Berufene und Unberu- fene sich der Sache annahmen, so konnte es zwar an Beleuch- tung, aber auch an Irrthümern nicht fehlen. Die Zahl der letz- teren wurde oft sogar durch grofse Äuctoritaten begründet und vermehrt. Wir selbst hatten bis jetzt noch keine Gelegenheit, den Gegenstand so vollständig zu verfolgen, dafs ein entscheiden- des Urtheil uns zukäme. Es schien uns daher rathsamer, in aller Kürze die wichtigsten Ansichten jedoch nur nach den uns zu Gebote stehenden Urquellen anzuführen. Wir können aber die Bemerkung nicht unterdrücken, dafs die Darstellungen von Seiler, Joh. Müller und Rathke von theoretischer Seite sow^olil, als nach den wenigen Beobachtungen, die wir zu machen Gelegenheit fan- den, uns die wahrsten zu seyn scheinen. 1756. — P, Camper (kleine Schriften übers, von Herbell. Bd. 2. 1781. 8.) beschreibt den Kanal, durch welchen der Hoden hindurchgeht, zuerst genauer. Dieser Kanal war schon Galen als sogenannter wogoc, meatus, Nuck als diverticulum bekannt (S. 46.). Er ist nach Camper das Bauchfell selbst, welches gleich- sam ausgewachsen ist und eine Höhlung bildet, nicht aber eine Verdoppelung des Darmfelles. Den Meatus, welchen er früher geleugnet hatte, fand er unter 17 Neugeborenen männlichen Ge- schlechtes bei 7 vollständig auf beiden Seiten, bei 3 auf der rech- ten Seite ganz, auf der linken bis zu dem Hoden, links den gan- zen Meatus bei einem, rechts bis zu dem Hoden, bei einem an- dern rechts in einem Ueberreste und links keinen, bei zweien rechts fehlend, links einen üeberrest, bei einem i'echts bis aufser die Annuli, links keinen, bei einem endlich auf beiden Seiten fehlend (S. 52.). Die Entstehung des Ganges ist folgende: Das Peritoneum steigt zuerst aufwärts und bildet in dem letzten Ende des Fruchtlebens einen ^ Zoll langen Cylinder, auf dessen vorderem Ende der mit dem Bauchfelle bedeckte Hode und Ne- benhode ruht. Dieser Cylinder geht mit dem Herabsteigen des Hodens ebenfalls abwärts, und wendet sich um, wie der Finger eines Handschuhes, der schnell ausgezogen wird (S. 61.). Das Keimbereitende und ausfiihrende innere Geschlechtsth. 395 Auswendige kömmt also inwendig und das Oberste unten, das ist der Zeuge, der erst oben war, liegt nun unten in dem umge- kehrten C^ylinder. Der Meatiis ist also gemacbt und behält eine OefFnung oder Mündung in dem Bauche, die in kleineren Kindern weiter ist, als in gröfseren, weiter in denjenigen, deren Zeugen eben durchgeschossen sind u. s. w. Dadurch, dafs während der ersten Lebensjahre die Blase die sich erweiternde Beckenhöhle allmählig ausfüllt, fällt der Druck der Gedärme auf den Bauch- ring und dieser schliefst sich allmählig. — Gleichzeitig und un- abhängig von Camper hat Pott (1757.) Aehnliches bekannt ge- macht (S. 67.). 1777, — J. B. Paletta {Nova GuhernacuU testis Hunte- riani et tunica vaginalis anaf. descHpt. in Opusc. anat. se- lect. L. B. 1788, 8.) bestätigt im Allgemeinen die von Hunter angegebene Ansicht. Oefxnet man den Unterleib einer Frucht, so sieht man nach Entfernung der dünnen Gedärme eine cylln- drische Produktion, welche über den Psoas heraufsteigt und bald oberhalb, bald unterhalb der crista ossis iJium aufhört. Der Hoden sitzt mit seinem hinteren Ende auf dem vorderen Ende des Cylinders. Der Nebenhoden liegt nach vorn und der Kopf etwas nach innen und oben. Hoden und Cylinder werden von dem Bauchfelle überzogen (p. 101.). Dadurch, dafs der Cylinder nach unten lockerer an den Psoas befestigt ist, entsteht hier eine Duplicatur des Peritoneum. Die Saamengefäfse laufen zuerst un- ter dem Bauchfelle, gehen etwas hinter dem Hoden in die ge- nannte Duplicatur ein und senken sich zwischen deren Lamellen in den Hoden selbst. Zwischen diesen liegt auch der Nebenhode, welcher nach hinten in das vas deferens umbiegt (S. 102.), Der Cylinder, den Hunter unpassend Gubernaculum nennt, be- steht aber aus folgenden Theilen: 1. Aus dem dasselbe beklei- denden Bauchfelle. 2. Aus einem weifsen, festeren, gleichartige- ren Körper einer anderen Hülle, welche von dem Ohliquus ma- jor ausgeht und durch Einbiegung seiner Aponeurose gebildet wird. Er ist an seinem hinteren Ende, dem Hauptringe, enger und erweitert sich nach vorn (p. 104. 105.). Durch seine (hin- tere) Oeffnung steigt das Zellgewebe des Hodens nach vorn, wel- ches Hunter vielleicht als ligamentum bezeichnet hat. 3. Eine Hülle, welche von der Vagina obliqui externa ausgeht und sich kaum von der des Ohliquus major trennen läfst. 4. Unter 396 Von dem Embryo. diesen beiden liegen Muskelfasern, welche an der äulseren Seite des Cylinders sich befinden, von dem Ohliquus internus ent- springen, parallel zu dem Hoden hin verlaufen und sich hier zu einer breiten, dünnen, festen Aponeurose verbreiten. 5. Von die- ser Aponeurose geht nach hinten ein zuerst unbestimmter, hernach mehr bestimmter weifscr Strang, welcher mitten durch den Cy- linder, durch die Höhlung der aponearotischen Scheide und durch den Bauchring sich fortsetzt, und mit einem Faden sich an den oberen, mit zweien oder dreien dagegen an den unteren Theil des Scbaambcines befestigt (p. 107.). Der feste Theil des Cylin- ders dringt nun bei der Ortveränderung der Hoden in den hoh- len Theil desselben ein, so dafs dieser sich in sieb selbst einstülpt (p. HO.). 1778. — Wrisberg {de testiculorum ex abdomine in scr'o- tum descensu. 1778. 4. in Comment. anat. Vol. /.) führt zuerst historisch seine Vorgänger, wie Galen, Reneaulme de la Garanne, Pott, Camper, Haller, Sharp, die beiden Hunter, Neubauer, Lob- stein, Meckel, Girardi und Paletta auf (p. 175 — 177.) und kömmt dann aus eigenen Erfahrungen zu folgenden Resultaten. 1. Vor dem sechsten Monate geht der Hoden nie durch den Bauchring. In der Nähe desselben, entweder in oder vor oder hinter ihm findet man ihn zwischen dem sechsten bis siebenten Monale. 2. In dem Hodensacke befindet sich zuerst ein laxes Zell- gewebe, mit dem ein Bündel von Fasern, das ligamentum testis, vermischt ist. 3. Seine Beschreibung der Theile, so lange der Hoden sich in der Bauchhöhle befindet, weicht von der des Palelta nur darin ab, dafs er in dem Peritoneum unterhalb des Zeugen meist kei- nen Kanal gefunden hat (p. 206. 207.). 4. Es giebt auf^er diesem Eauchfellfortsatze ein eigenthüm- liches Faserbündcl, welches von der änfseren Region des Bauch- ringes zu dem Zeugen geht und denselben gleichsam stützt, so lange er in der Bauchhöhle sich befindet. Dieser {Basis, Cylin- der^ Ligamentum, Gubernaculum der Schriftsteller) erweitert sich bei dem Herabsteigen des Hodens und kehrt sich, indem dieser in ihn eintritt, um (p. 222.). 5. Die tunica vaginalis propria entsteht wahrscheinlich dadurch, dafs die eingekehrte Basis nach dem Herabsteigen des Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtsth. 397 Hodens über diesem niit der tunica vaginalis funicuU sperma- tici verwachse und die tunica vaginalis propi'ia testis auf diese Weise bilde. 1780. — Vic d'Azyr {recherches sur la structitre et la Position des testicules in hist. de Vavad, royaJe. Annee 1780. Paris 1784. 4. p. 494 — 507.) nimmt in Bezug auf die Ortsver- änderung der Hoden vier Zeilräume an (p. 497.) und zwar: 1. Von dem 3. bis zu 4| Monaten. Die Hoden liegen dann neben dem Rectum von den Nieren bedeutend entfernt. Eine Duplica- tur des Bauchfelles geht hinter der Blase von einem Zeugen zu dem andern. Der Kopf des Nebenhodens ist voluminöser und mehr isolirt, als im Erwachsenen. Er bat einen gröfsern Umfang und in seinem Innern findet sich ein laxes Zellgewebe. Eine Ver- doppelung des Bauchfelles hüllt ihn ein, und hält ihn zwar fest, doch nicht so sehr, dafs er an einem bestimmten Punkte fixirt sey. Das vas deferens geht schief von vorn nach hinten und setzt sich in einem spitzen Winkel hinter dem Ursprung des li- gamentum oder Gabernaculum an. Dieses ist ein fester Sten- gel, in seinem Innern weicher, als in der Nähe seiner Oberfläche, wo er von dem Bauchfelle bedeckt ist. 2. Von A\ Monaten bis zu dem sechsten Monate. Der Hoden ist tiefer hinabgestiegen; das Gubernaculum mehr in sich eingegraben, so dafs das Bauch- fell in einem Theilc desselben in der Form eines Sackes herab- steigt. 3. Von sechs bis acht Monaten. In diesem Zeiträume geht der eine oder der andere Hode aus der Bauchhöhle heraus. Die Bildung des Sackes aber ist durchaus nicht unmittelbar durch das Eindringen des Hodens bedingt. 4. Von acht Monaten bis zur Geburt. Hier senkt sich der Hoden in der Regel völlig in den Hodensack. Aus seinen Beobachtungen bemerkt er, dafs das Bauchfell die Albugiuea testis, den Nebenhoden und die ganze vordere Gegend des Gubernaculum einhüllt, dafs die tunica vaginalis eine Fortsetzung desselben sey, dafs die Kasa sper- matica und das vas deferens hinter dem Peritoneum und aufser- halb der tunica vaginalis liegen, dafs das Gubernaculum seine vollkommenste AusdeLnung und Form vom vierten bis sechsten Mo- nate habe, später sich verkleinere und zu Ende des neunten gänzlich schwinde, dafs der Cremaster ein von dem Gubernaculum ver- schiedenes Gebilde sey, dafs endlich die durch das Herabsteigen der Hoden in den Hodeusack gebildete OeiTuung sich durch zwei 398 Von dem Embryo. verschiedene Momente schliefse, nämlich: 1. dm'ch eine unmittel- bar mit dem Bauchfelle zusammenhängende Haut und 2. durch einen Zellgewebestrang, der zwischen Bauchring und tunica va- ginalis über den Vasibus spermaticis befindlich ist. 1780. — R. Martin {Commentarius de herniae ita dictae congenitae ortii et sede in Nov. Act. reg. soc. scient. Upsal. Vol. III. p. 225 — 247.) behauptet, dafs die Hoden zuerst hinter dem Peritoneum liegen und dann aus einer Masse von Blut-, Lymphgefäfsen, Nerven und etwas schleimigen Zellgewebe beste- hen (p. 227.). Sie werden nun in das Bauchfell hinein gestofsen und von demselben, wie die übrigen Eingeweide, umhüllt 5 die Vasa spermatica bleiben aber aufserhalb desselben. Der Zeuge glei- tet nun, geleitet von zwei Bauchfellfallen, hinab (p. 228.). — Die Vasa spermatica (ob er vielleicht hierunter die Reste der Wolflfschen Körper versteht?) sind wäe der Nebenhoden in früher Zeit relativ gröfser. Im Uebrigen weicht er von Hunter und Lob- stein nicht wesentlich ab. 1786. — J. Hunter (Beschreibung der Lage des Hoden in der Frucht und seines Herabsteigens in den Hodensack in seinen Bemerkungen über die thierische Oekononiie übers, von Scheller 1802. 8. S. 1 — 35.) beschreibt die Hoden, Nebenhoden, Saamen- gefäfse, vas deferens u. dgl. nach den bekannten Verhältnissen und definirt sein Guhernaculum oder ligamentum (S. 11.) als eine Substanz, welche von dem unteren Ende des Hoden bis zu dem scrotum hinabläaft. Es ist pyramidenförmig. Sein dicker, runder Kopf ist aufwärts gerichtet und an das untere Ende des Hoden und Nebenhoden geheftet und sein unteres öder dünnes Ende verliert sich in der zelligen Haut des Hodensackes. — Das Bauchfell bekleidet einen etwas gröfseren Theil des Leitbandes, als sich von diesem in der Bauchhöhle selbst befindet, indem es an der Umschlagsstelle der Bauchmuskeln noch etwas nieder- wärts geht. Hierdurch entsteht eine Oeffnung, welche gröfser wird, je tiefer der Hoden herabsteigt, w^elches in der Regel in dem achten Monate geschieht. Indem dieses vorgeht, kehrt der Zeuge das Band einiger Mafsen um, und bildet den unteren und vorderen Theil der Scheidenbaut, an welchen der Crcmaster sich verliert. Nun zieht der immer noch vom Bauchfelle überzogene Hoden das Peritoneum mit sich, so dafs die Höhle des Sackes im Scrotum durch eine grofse Oeifnung mit der Bauchhöhle Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtsth. 399 communicirt. Diese schliefst sich in der Regel noch vor der Geburt. 1788? — J. Brugnone {de testium in foetu positu in Opusc. anat. select. ed. Saudi fort. 1788. 8. p. 213—258.) fand bei allen seinen Untersuchungen den Hoden vor dem sechsten Monate in der Bauchhöhle. Er liegt dann innerhalb des Sackes der Bauchhöhle, während die Nieren, Nebennieren u. dgl. sich aufserhalb desselben befinden. Den Cylinder beschreibt er im ganzen so wie Paletta. An der inneren Seite desselben findet sich bisweilen eine ojffene Mündung des Bauchfelles, durch welche man zu einem häutigen blind in dem Scrotum sich endigenden Sacke gelangt. Dieser findet sich bei allen Früchten zuerst ohne Unterschied des Geschlechts. Das Gubernaculum selbst besteht aus dem Cremaster und vielem losen Zellgewebe, ist aber weder hohl noch mit einem weifsen Strange ausgefüllt. Der Hoden hat, so lange er in der Bauchhöhle ist, nur zwei Hüllen. 1. Das Peritoneum und 2. eine zweite eine eigene feine Substanz enthaltende Hülle. Die andere findet man erst dann, wenn er in dem Hodensacke sich befindet. Die tunica erythroides ist das umgekehrte Gu- hemacidmn^ das zuletzt schwindet, die tunica eJythroides s. vaginalis ist der hohle Fortsatz des Peritoneum. Die Albiiginea soll endlich der Fortsatz des Bauchfelles seyn, welcher den Ho- den schon umhüllle, als er in der Unterleibshöhle befindlich war. Die innerste Haut des Hoden dagegen führt gar keinen besonde- ren Namen; die tunica vaginalis setzt sich also in die albugi- nea fort. Die Ocffnung schliefst sich durch Verkleben der Wan- dungen, welches in der Action des Cremaster seinen entfernten Grund hat. Einige Unrichtigkeiten abgerechnet können wir diese Abhandlung vor allen gleichzeitigen Arbeiten vorzüglich ihrer Präcision und Klarheit wegen empfehlen. 1790. — Job. Tuminati {Ricerche anatorniche intorno alle tonache dei testicoli di Dottor Giovanni Tuminati. Ke- nezia 1790. 8. im Auszuge übers, in Kühn und Weigels italien. Bibliothek Bd. 2. S. 139 — 303.) fand an dem Hoden, so lange er sich noch in dem Unterleibe befand, eine eigenthümliche Haut, die Albuginea, und einen Ueberzug des Bauchfelles, welcher hin- ter dem Hoden ein wahres Gekröse für diesen bildete (S. 165.). Die Leithaut läfst sich nur eine bis zwei Linien vom Hoden ent- fernt aufblasen und ist mit einer schleimigen Gallerte gänzlich 400 Von dem Embryo. gefüllt (S. 171.). Er hält sie für eine von dem Hodcnrauskel ge- bildete cylindcrische Röhre, welche mit schleimiger Gelatina ge- füllt ist (S. 172.). So lange die Hoden hoch oben in der Bauch- höhle bei den Nieren liegen, werden sie durch eine an der Wir- belsäule liegende Bauchfellfalle verbunden (S. 174.). Bei dem Herabsteigen schwindet diese Falte und das Leilband verkürzt sich und unten entsteht eine kleine halbmondförmige Falte, welche bald die Form eines Sackes annimmt, der zu dem Bauchringe hinausgeht. Der Creniasler wird während des Descensus umge- wendet, so dafs sein fleischiger Theil nach aufsen, sein zellstoffi- ger nach innen liegt (S. 175. 17G.). Der Sack wird nun zur Scheidenhaut des Hodens. Die Fibern des Leitbandes sind durch- aus weder ein Hodcnmuskel noch eine Aponeurose (S. 177.). Der Hodenmuskel des Erwachsenen ist die umgewendete Leithaut des üngeborenen; die Scheidenhaut des Saamenstranges, eine Ver- längerung des von den Unterleibsmuskeln kommenden Zellgewe- bes, die Scheidenhaut des Hodens wird von dem Peritoneum ge- bildet, die schleimige Gelatina der Hodenhaut und des Leitban- des wird endlich zu den zelligen Blättern, welche Hodenhaut und Hodenmuskel zusammenhalten (S. 186), 1792. — Danz (Zergliederungskunde des neugeborenen Kin- des n. S. 137-172.) stellt die Ansichten von Hildebrandt, Blu- menbach, Wrisberg, Neubauer, Röslein, Camper, Paletta, Polt, Hunter, Lobstein, Bell, Vic d'Azyr, Brugnoni, Quellschmalz, Martin u. A. zusammen. 1798. — Blumenbach {institutiones phystologicae ed. nova. 1798. 8.) findet in der Leistengegend jederseits ein sehr kleines Loch in dem Peritoneum selbst, das zu einem kleinen Gange führt, welcher den Bauchring durchbohrt und in einem eigen- thümlichen, aufscrhalb der Bauchhöblc befindlichen und nach dem Scrotum zu gerichteten Säckchen sich endigt (p. 393. 94.). An dem hinteren (unteren) Rande dieses Loches entspringt ein ande- rer Bauchfellfortsatz, aus dessen Basis ein kurzer Cylinder oder ein umgekehrter Kegel hervorkömmt, welcher vorn in einer An- schwellung sich endigt, an welcher Hoden und Nebenhoden sit- zen. Der Saamenstrang verläuft aber dann noch hinter dem Bauchfell (p. 395.). Ungefähr von der Mitte der Schwanger- schaft steigen die Hoden herab und nähern sich daher dem Loche. Dieses erweitert sich nun und läfst denselben endlich durch. Sobald Keimbereitende und ausführende Innere GescUechtsth. 401 Sobald dieses aber geschehen, schliefst es sich (p. 396.). Die Reise des Hodens selbst wird durch die vita propria vollbracht (p. 396.). Die tunica vaginalis communis entsteht durch den Fort- satz des Bauchfelles; die tunica vaginalis propria testis durch den Fortsatz des Peritoneum, welcher nach vorn von dem Cylin- der geht, und den Hoden von Anfang an bekleidet; die tunica vaginalis propria funiculi spermat. endlich aus der Falte und dem kurzen Cylinder, in welchen das Bauchfell eingeht, bevor es den Hoden selbst umhüllt. Die Alhuginea aber ist mit dem Hoden selbst auf das genaueste verwachsen (p. 401.). C. J. Langenbeck {^Comm,entarius de structura peritonei etc. Götting. 1817. 8.) unterscheidet bekanntlich an dem Bauch- felle zwei Lamellen, eine äufsere und eine innere. Die äufsere hat nur einen Fortsatz, der später membranös und beim Herab- steigen des Hodens in den Hodensack herabgedrängt wird (p. 60.). Er bringt nun den Hoden in Analogie mit dem übrigen Einge- weide und so ist bei ihm die Albuginea dasselbe, was bei jenen z. B. die erste Haut der Gedärme, bei ihm das Bauchfell, was bei den Lungen die Pleura ist u. dgl. (p. 61.). Der Cylinder lei- tet den Hoden in die Bauchhöhle hinab, kehrt sich dabei um und treibt die äufsere Lamelle des Bauchfelles vor sich her (p. 62.). Die tunica 'caginalis propria ist eine seröse Haut, wie die innere Lamelle des Peritoneum (p. 64.). 1820. — Nach J. Fr. Meckel (menschl. Anat. IV. S. 599 — 610.) entspringt (S. 603.) das Leitband unter dem Bauchringe aus der oberen Gegend des Hodensackes, tritt durch den Annulus hindurch, erhält Fasern von dem Musculus ohliquus internus und transversus und schlägt sich mit seinem oberen Theile auf den Hüftbeinmuskel zum unteren Ende des Nebenhoden empor. Es ist mit einer gallertartigen Masse gefüllt, aber nicht deutlich hohl. Nun bildet sich (S. 604.) ein blind geendigter Fortsatz des Bauchfelles, während der Hode noch frei in der Bauchhöhle auf dem oberen Ende des Leitbandes sitzt. So lange der Hode in dem Unterleibe sich befindet, ist er von der Albuginea und einer Lamelle des Bauchfelles bekleidet (p. 608.). Der Fortsatz des Bauchfelles wird nun zur tunica vaginalis communis^ ent- steht aus dem in dem Leitbande hüher befindlichen Schleimge- webe. Die früher aufsteigenden von den beiden inneren Bauch- muskeln kommenden Fasern wenden sich nun nach aufsen und 26- 40*2 Von dem Embryo. bilden den Cremaster. Die Dartos befindet sich endlich schon früher in dem Hodensacke, ehe der Hoden hinabgesunken ist. Diese Veränderungen kommen gröfstentheils dadurch zu Stande, dafs das Leitband während des descensus testicuU sich umkehrt; doch tritt unabhängig von dieser Umkehrung der Bauchfellfortsatz eigenmächtig hervor. Die Zusammenziehung des Leitbandes (S. 610.) ist nur das Mittel zu dem Herabsteigen des Hoden. — 1822. — Seiler (neue Abhandlungen über die Schenkel und Mittelfleischbrüche übers, und vermehrt von B. W. Seiler 1822. 8. S. 365 — 397.) liefert eine gehaltvolle Zusammenstellung aller früheren Beobachtungen, so wie die Resultate vieler, sehr genauer eigener Untersuchungen. Die Hoden sind zuerst als eigene Ge- bilde in der zehnten Woche zu erkennen (S. 365.). Sie sind dann mehr länglich rund, liegen nur wenig schräg von aufsen nach einwärts und haben eine Länge von 1^ — l|'"j am Ende des dritten Monates dagegen eine Länge von 3 Linien und eine Dicke von i\ Linie. Vom sechsten bis zum achten Monate vergröfsert sich ihre Länge um 1 — 2 Linien und sie beträgt in dem Neuge- borenen gewöhnlich 5 Linien, die Dicke aber 1\ — 5 Linien (S. 367.). So lange der Hoden in der Bauchhöhle ist, wird er von dem Peritoneum, wie der Darmkanal u. dgl. überzogen. Diese Duplikatur des Bauchfelles, ein vvahres Gekrös des Hodens, hat eine ungleich dreiseitige Gestalt und endigt sich abgestumpft über dem inneren Rande des Schenkelbogens , wo bis zu dem fünften Monate nur eine schwache Vertiefung in dem Bauchfelle, der Anfangspunkt des späteren Scheidenkanales sich befindet (p. 369.). Der angebliche Processus vaginalis ist kein hohler Cylinder, sondern der untere Theil des Gekröses des Hodens und stülpt sich keinesweges bei weiterer Ortsveränderung des Zeugen um. Man könnte ihn am zweckmäfsigsten von dem Gekröse des Ho- dens Mesorchium überhaupt mit dem Namen Gekrös des Ho- denbandes (Mesorchiagogos) unterscheiden (S. 370.). Das Leit- band des Hodens {Gubernaculum s. Ugamentuni testis) ist zur Zeit seiner höchsten Ausbildung ein rundlicher, cylindrischer, oder unten stark abgestumpfter, conischer Strang, welcher von dem Hodensacke aus durch den vorderen Leistenring bis zu dem unteren Ende des Nebenhodens heraufsteigt und von den beiden Platten des Mesorchium eingeschlossen wird (S. 371.). Der Zell- stoff, weicher sich an der Aponeurose des äufseren, schiefen Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtsth» 403 Bauchmuskels fortsetzt und später die äufserste Hülle des Saa- menstranges bildet, stellt den Kern des Leitbandes dar. An sei- nem oberen (vorderen) Ende verbindet sich mit ihm eine gallert- artige Masse von runder oder ovaler Form, welche an den unte- ren Rand des Nebenhodens grenzt. Um diesen Kern legen sich Muskelfasern, welche von der Verbindung des Obliguus inferior mit dem transversus abgehen und mit Zellstoff, der später zur J'ascia transversa wird, bedeckt sind (S. 372.), Im dritten Monate ist das Leitband verhältnifsmüfsig am längsten, im fünften und sechsten wird es kürzer und dicker, bildet sich zuletzt aus der Unterleibshöhle ganz heraus und entwickelt sich zu den Hüllen des Saamenstranges und des Hodens, an deren unteren Theilen sich auch später die gallertartige Masse findet, die sich früher mit dem vorderen Ende des Gubernaculuni verband (S. 373.). Bis zur zweiten Hälfte des dritten Monates verändert der Zeuge nun seine Lage durch das Wachstham des ganzen Körpers über- haupt sowohl, als des Beckens insbesondere. Um diese Zeit be- ginnt die eigenthiimliche Senkung des Hodens. Die frühere kleine Furchie an der äufseren und vorderen Fläche des Scheiden- fortsatzes ist zu einer kleinen Grube geworden und das Bauchfell ragt in Form eines kleinen Säckchens aus dem Bauchringe her- vor. So entsteht der Scheidenfortsatz vor und unabhängig von dem Eindringen des Hoden und das Gubernaculimi stülpt sich, wie man es im Allgemeinen lehrt, nicht um, sondern wird mit dem Hoden zugleich aus der Bauchhöhle herausgebildet (S. 375.). Die beiden Platten des Gekröses entfalten sich nun immer mehr, so dafs zuletzt die Saamengefäfse an der äufseren Fläche des Bauchfelles und des Scheidenkanales liegen (S. 376.). Sobald der Zeuge in den Grund des Hodensackes gelangt, beginnt die Rückbildung des Scheidenkanales in die tunica vaginalis pro- pria testis (S. 379.). Dieses geschieht in vier Stadien: 1. Der obere Theil von dem hinteren Leistenringe, bis zur Mitte des Saamenstranges schliefst sich. Es bleibt nur noch eine kleine Grube an dem inneren Leistenringe, hinter der bisweilen eine klappenartige Falte des Bauchfelles liegt. 2. Die Wände des Scheidenkanales verwachsen ganz bis zu dem oberen Ende des Hodens oder jener schliefst sich zuerst in der Nähe des Hodens, so dafs der mittlere Theil noch offen bleibt. 3. Der bandartige Streifen seröser Haut wird zu Zellgewebe zurückgebildet als Ru- 26* 404 Von dem Embryo. diment des Scheidenkanales. 4. Dieser ZellstofFstreifen schwin- det ganz oder es bleibt nur ein kleines Stückeben von ibm zu- rück (S. 380 — 81.). Der Irrtbum, dafs die tunica imginalis communis für eine Fortsetzung des Bauchfelles gehalten wird, basirt sich zum Theil auf Galens aus Affen von dem Genus Cy- nocephalus und Cercopithecus entnommenen Beschreibungen. Fernelius und Sylvius verbreiteten dagegen die unrichtige Ansicht, dafs das Bauchfell sich nie über den Bauchring hinausstrecke (S. 384.). Das Rudiment des Scheidenkanales hat aus männli- chen Leichen Bidloo (anat. c. h. tob. XXXII. fig. A.) zuerst, Nuck dagegen aus weiblichen Körpern als sein diverticulum, ab- gebildet. Vic d'Azyr und Brugnone erkannten zuerst seine Be- deutung; Schreger (Abhandlung, d. Physikal. medizin. Societ. zu Erlangen Bd. I, 1810. S. 345.) jedoch hat dasselbe am genaue- sten untersucht und Cloquet stellt es als prolongement du pe- ritoine und poche sereuse dar (S. 392 — 93.). Seiler hat end- lich eine Synomik der Scheidenhäute geliefert, von welcher wir hier einen Auszug zu geben für zweckmäfsig halten. 1. Der obere Theil der Verdoppelung des Bauchfelles, das Gekrös des Hodens, Mesorchium Seiler^ Falte des Bauchfelles der meisten Schriftsteller, Mesenterium testiculi s. laminae pe- ritonei internae processus LangenbecTc. (Doch bezeichnet der Letztere mit diesen Namen die ganze Verdoppelung bis zu dem Bauchringe hinunter.) 2. Der untere Theil, das Gekrös des Hodenbandes, Mesor- chiagogos Seiler = Vagina cylindrica Ilaller ^=- Cylindrus Camper^ Pancera, Paletta^=^ Vagina Ilalleri Hildehrandt ^=- Scheidenfortsatz, processus vaginalis Halleri auctt. 3. Das Leitband oder Band des Hodens = /%a7wen^JA7?i s. Guhernaculum testis Hunter et »/.= ein .Theil der Vagina cylindrica Haller = Basis Girardi = ligament de testicule Vic d'Azyr = ligamentum testis Paletta = Appendix testis Lohstein = Regolatore, Leithaut Tuminati'=- ein Theil des Pro- cessus laminae externae peritonei Langenbeclc. 4. Der Scheidenkanal, Scheidenfortsatz, Processus perito- nei vaginalis, Bauchfelifortsatz, a-xo^XacfTri^ia rov 'jtsQifovaiov, propago peritonei. Der Gang von der Unterleibshöhle in der- selben 5togoi,^, meatus Galen, Camper. 5. Das Rudiment des Scheidenkanals, Ruinae canalis va- Keimbereitende und ausführende innere Gesehlechtsth. 405 ginalis Scherper = diverticulum Bidloo, Camper = Habercula Brugnone = Prolongement du peritoine, poche sereuse J. C^oquet. 6. Der Hodenmuskel, Aufhebungsmuskel oder Aufhängemus- kel des Hodens, Cremaster, testis musculus, tunica erythroides. 7. Die gemeinschaftliche Scheidenhaut, tunica 'vaginalis communis '= exterior tunicae 'vaginalis cortex Malier ^=- 'va- gina communis Lohstein ^=^ Processus peritonei Heister ^=Ven- veloppe des vaisseaux spermatiques, le tissu de la gaine du cordon des vaisseaux spermatiques TVinslow^ 8. I)ie eigene Scheidenhaut des Saamenstranges, tunica 'va- ginalis propria funiculi = T^agina funiculi Lohstein^=^la gaine du cordon des vaisseaux spermatiques TVinslow. 9. Die eigene Scheidenhaut des Hodens tunica vaginalis testis propria = inferior tunicae vaginalis cavea testi prO' pria Haller = Vagina testis Lobstein = Peritestis Verdier = Tunica elythroides Vett. 10. Die seröse Haut des Hodens, tunica testiculi sei^osa = (in Gemeinschaft mit der folgenden Albuginea) tunica alba, tunica propria testis, e'^ididv f.ioq. 11. Die eigentiiehe weifse oder sehnigte Haut des Hodens tunica testiculi propria, alba, aponeurotica = albuginea plur. = conjuncti'oa Tuminati '=■ tunica nomine expers Brugnone. 1828. — K. Fr. Burdach (die Physiologie als Erfahrungswis- senschaft Bd. 2. S. 581 — 589.) liefert eine geistvolle Darstellung der^^ Ortsveränderung der Hoden, welcher Arbeit vorzüglich die Abhandlung von Seiler zu Grunde gelegt ist. 1830. -- Job. Müller (Bildungsgesch. der Genitalien 1830. 4. S. 91 — 93.) bestätigt die besonders in Burdachs Physiologie «ich findenden Angaben vorzüglich aus eigener Erfahrung. H. Oesterreicher (neue Darstellung der Lehre von der Orts- veränderung der Hoden 1830. 4.) fand den Stiel zwischen Hoden und Leistenring, wie Vic d'Azyr, dünner, als den Hoden (S. 12.). Das Leitband besteht in ganz frischem Zustande untersucht aus einem rölhlich gelben, klebrigen Stoffe ohne alle Spur von Faser- bildung (S. 13.). Diese zeigt sich aber sogleich, sobald das Prä- parat einige Zeit in Weingeist gelegen hat (S. 15.). Das Bauch- fell überzieht als Mesorchium den Hoden auf dieselbe Weise, wie es das Colon überzieht (S. 17.). So lange der Hode an dem 406 Von dem Embryo. inneren Rande der Niere anliegt, fehlt jede Spur des inneren Leistenringes. Der Leistenkanal ist dagegen schon gebildet und durch ihn kommt ein Theil des Leistenbandes heraus, um in den Hodensack zu gelangen (S. 19.). Alle diese Beobachtungen sind an Katzen-, Hunde-, Ratten- und Menschenembryonen gemacht, wo überall das Verhältnifs dasselbe ist. In der zweiten Periode ist der Hoden hinabgerückt, das Leitband ist kürzer geworden. In der Gegend des Leistenkanales befindet sich eine schwache Vertiefung des Bauchfelles, die aber noch nicht in ein Säclcchen oder einen Schlauch führt. Diese bildet sich nicht auf Kosten des Ueberzuges des Leitbandes, sondern des Theiles des Perito- neum, welches sich rings um das untere Ende des Bauchtheiles des Leitbandes befindet, welches also früher den Abdominalmus- keln auflag (S. 20.). Sie ist nicht allein vom Zellgewebe, son- dern auch von mehr oder minder deutlichen einzelnen Muskelfa- sern bedeckt (S. 21.). In der dritten Periode liegt der Hode nahe an dem Leistenkanale. Das Säckchen enthält in seinem Innern wieder eine Falte, in welcher sich so viel von dem Bauch- theile des Leitbandes befindet, als bei oberflächlicher Betrachtung von demselben geschwunden zu seyn scheint. Es hat sich also in dieser Periode nur der Hodensacktheil des Leilbandes verkürzt (S. 24.). In der vierten Periode endlich befindet sich der Hoden aufserhalb der Bauchhöhle. Der Sack ist dann gröfser, als es der Hode und Nebenhode erforderte und zwar aus dem Grunde, weil sich in ihm noch der Bauchtheil des Leitbandes befindet. Dieses hat sich verkürzt, ist von fast viereckiger Gestalt und Avird bald zu einem zapfenförmigen Fortsatze, welcher beinahe so grofs ist, als der Hode und Nebenhoden. Dieser erscheint von röthlich blauer Farbe und besteht aus vielen durch einen eigenen Schleim zusammengehaltenen Fasern (S. 26.). Durch ihn geht der Schwanz des Nebenhodens hindurch. In der fünften Periode ist der zapfenförmige Ueberrest des Leitbandes geschwunden und an seiner Stelle findet sich nun etwas festes Zellgewebe (S. 27.). In der sechsten Periode endlich ist der Zustand wie in dem Er- wachsenen (S. 28.). Das Leitband ist das Hauptorgan für die Ortsveränderung deY Hoden (S. 37.). 1832. — Rathke (Abhandlung, aus der Bildungs- und Entw. gesch. des Menschen und der Thiere. Tbl. I. S. 69. fg.) beschreibt zuerst mit der ihm eigenen Genauigkeit und Bestimmtheit den Keimbereitende und ausführende innere Geschlechtsth. 407 Descensus testiculorum aus den Wiederkäuern und dem Schweine (S. 69 — 74.) und liefert dann folgende Resultate seiner an fünf menschlichen Früchten aus dem fünften oder sechsten Monate un- ternommenen Untersuchungen (S. 75. 79.). Von dem hinteren Ende des Hodens und dem an dieser Stelle liegenden Theile des Saamenleiters, geht ein fibröser ziemlich dicker Strang, das Leit- band oder Gubernaculum Hunteri, ab, welches durch den Lei- stenkanal hindurch nach aufsen tritt. Das Bauchfell umhüllt es nicht gänzlich wie bei den Wiederkäuern und dem Schweine, sondern nur an seiner vorderen Hälfte und bildet noch keine Scheide für den Leistenkanal. Das Leitband selbst breitet sich beinahe flächenförraig gegen den Grund des Hodensackes aus; der aufserhalb des Leistenkanales befindliche Theil des GuhernO' culinn war nirgends gallertartig und ohne deutlich sichtbare Mus- kelfasern, sondern bestand aus einem zwischen fibrösem Gewebe und Zellstoffe das Mittel haltenden Gefüge. Der zellstoffige Kern des Leitbandes ist wahrscheinlich ein eigenthümliches Gebilde. Die tunica vaginalis communis ist wahrscheinlich auch bei dem Menschen in ihrer Anlage früher vorhanden, als der Hoden die Bauchhöhle verläfst und schliefst hier den inneren Theil des Leit- bandes ein, und zwar gleich einer an beiden Enden offenen Scheide, die von den Bauchmuskeln nach innen geht. Verkürzt sich nun darauf das Leitband, so wird diese dasselbe umgebende Scheide, deren oberes Ende dicht am Hoden mit dem oberen Ende des Leitbandes aufs Innigste verwachsen und von ihm gleichsam ver- stopft ist, wie der Körper eines Handschuhes umgestülpt, und nimmt darauf an Umfang und Dicke durch Anbildung plastischen Stoffes immer mehr zu. — Dadurch, dafs der Hoden bei seinem Heraustreten aus der Bauchhöhle den benachbarten und mit sei- nem Ueberzuge zusammenhängenden Theil des Bauchfelles mit sich zieht, entsteht die tunica vaginalis propria (Scheidenka- nal). — Nachdem er einige wesentliche Unterschiede über die ver- schiedenen Verhältnisse der tunica vaginalis propria und com- munis angegeben, liefert er noch polemische Bemerkungen gegen Oesterreichers Dissertation {de guhernaculo s. d. Hunteriano. 1828. 4.), in welcher dieselben Ansichten, wie in der von uns oben angeführten, späteren Schrift von Oesterreicher enthalten zu seyu scheinen. Er zeigt, dafs die Ortsveränderung der Hoden eine andere bei den Thieren und eine andere bei dem Menschen sey. 408 Von dem Embryo. E. H. Weber (Hildebrandts Anatomie IV. S. 393 — 97.) lie- fert eine mit gewohnter GründlicHkeit zusammengestellte Ausein- andersetzung des Descensus testiculi nach den Erfahrungen von Wrisberg, Hunter, Seiler, Scarpa u. A. Dies wäre ein möglichst kurzer Auszug aus den wichtigsten Quellen, welche uns über den Descensus testiculi zu Gebote standen. Eigene vollständige Erfahrungen fehlen uns hier noch gänzlich. E. Entstehung der Nieren nebst den Ureteren und den Nebennieren. Die erste Spur der Nieren zeigt sich, wie die der keimbe- reitenden Genitalien, lange nach dem Auftreten der Wolffschen Körper. Sie erscheinen bei Schaafen nach Rathke (Abhandl. Tbl. II. S. 97.) und bei Schweinen nach meinen Beobachtungen als ein kleines kugliges Gebilde, welches der inneren Oberfläche der Bauchplatten fest ansitzt und in der allerersten Zeit in der Re- gel an diesen sitzen bleibt, ohne den abgegangenen Wolffschen Körpern zu folgen. Die Nieren gehören daher wahrscheinlich ursprünglich dem serösen Blatte an, so wde vielleicht die inneren keimbereitenden Genitalien aus dem Gefäfsblatte entspringen. Das Nierenrudiment liegt in frühester Zeit mehr nach hinten als spä- terhin, ist im Anfange solid und weder mit warzigen Erhaben- heiten noch mit Fortsätzen oder einem Ureter versehen. Bald jedoch zeigen sich nach Rathke (Abhandl, II. S. 97. tab. 7. fig. 8-— 12.) auf seiner Oberfläche warzenähnliche Erhöhungen, und um diese Zeit sieht man in dem Innern kleine Kolben, deren dicke, blinde Enden nach aufsen, deren Spitzen nach innen lie- gen. Die Kolben sind die Rudimente der Harngefäfse. Was nun den Ureter betrifl"t, so äufserte Rolando (Joiirn. de Compl. XFI. S. 53.), dafs er als eine Ausstülpung der Kloake entstehe. Allein seine ganze Darstellung verleitet sehr zu glauben, dafs er dieses Factum keineswegs selbst gesehen, sondern der Analogie der Le- ber, des Pancreas und dgl. gemäfs erschlossen habe. Auch ma- chen es die Erfahrungen von Rathke u. A. so wie unsere eige- nen Beobachtungen im höchslen Grade unwahrscheinlich, dafs der Vorgang auf diese Weise Statt finde. Denn 1. müfste man dann den Harnleiter vor der Bildung der Harngefäfse sehen, welches bestimmt nicht der Fall ist. 2. Müfste er zuerst von gleicher Nieren, Ureter und Nebennieren. 409 Dicke mit den Harngefäfsen und diese eine unmittelbare Fortset- zung desselben seyn, was eben so wenig Statt findet. 3. Müfste das Blastem der Nieren zum Theil oder gänzlich von dem Schleim- blatte ausgehen, welches, wie wir bestimmt behaupten können, durchaus nicht in der That so ist. Wir glauben vielmehr, dafs, so wie die Nieren ursprünglich als eine Ablagerung von Bildungs- stofF an der inneren Fläche der Bauchwandungeu hervorkeimen, so auch eine gleiche fadenförmige Bildung entsteht, welche sich später aushöhlt, ebenso, wie wir es oben bei Gelegenheit der keimausführenden Geschlechtstheile gesehen haben. Nur ist zwi- schen beiden der Unterschied, dafs diese von einer Falte des Bauch- felles überzogen werden, jene dagegen von Anfang an frei von einem solchen Ueberzuge wenigstens in ihrem oberen Tlieiie ist. Die ur- sprünglich an die Niere sich anlagernde Bildungsmasse wird wahr- scheinlich zu Ureter und Nierenbecken. So fand ich in einem fünf Linien langen Schweineembryo in dieser Beziehung folgende Verhältnisse: Die Nieren bildeten länglich runde Körperchen. Ihre äufsere Begrenzung bestand aus einem hellen durchsichtigen Blastem, wie das der Speicheldrüsen z. B. ist. Da es nur an der den Eingeweiden zugekehrten Fläche von dem Bauchfelle um- hüllt war, so war es zwar von der übrigen Masse minder be- stimmt gesondert, doch definit genug, um es für sich genau zu unterscheiden. Sein äufserer Rand war convex, sein innerer da- gegen schien mehr gerade zu seyn. Seine dem Bauchfelle zuge- kehrte Oberfläche gewölbt; die nach dem Rücken hin gewandte platt und mehr eben. Die Länge einer jeden Niere betrug 0,408400 P. Z. Ihre gröfste Breite, welche in die Mitte ihres Längen- durchmessers fiel, 0,028336 P. Z. An ihre innere Seite setzte sich eine länglich runde Masse, wie sie Rathke aus einer etwas späteren Zeit abgebildet hat. Diese verlief dicht der Niere an- liegend längs des gröfsten Theiles der inneren Seite derselben und setzte sich nach hinten in einen dünnen Faden fort. In dem ganz frischen Zustande bildeten die bald zu beschreibenden Andeutun- gen der Harnkanälchen durchaus keine Erhabenheiten anf der äu- fseren Oberfläche der Niere; diese also, welche Rathke gesehen, waren Folge des Weingeistes, welcher das Blastem zusammenge- zogen hatte. Mit blofsen Augen betrachtet, zeigten sich diese Rudimente der Harngänge als kleine, längliche und rundliche An- schwellungen von gröfsercr Dichtigkeit und weifserer Farbe, als 410 Von dem Embryo. das übrige Blastema. Die microscopiscbe Untersuchung lehrte aber folgende Verhältnisse: Es waren vier breite, länglich runde Höhlen, deren Wandangcn ein dichteres Gefüge hatten und wel- che in ihrem Innern wahrscheinlich eine helle Flüssigkeit enthiel- ten. Der Durchmesser dieser Höhlen variirte von 0,003542 P. Z. bis 0,005570 P. Z. bis 0,008600 P. Z. bis 0,010626 P. Z. Sie waren von einander getrennt und enthielten einzelne, bläschenar- tige Anschwellungen, die ihrer Oberfläche ein warzenartiges Aus- sehen gaben. Diese ersten Rudimente der wahren Harnkanäle hatten einen Durchmesser von 0,002327 P. Z. im Minimum, 0,003542 P. Z. im Medium, 0,005060 P. Z. im Maximum. Sie verhielten sich also zur Länge der ganzen Niere wie 1 : 30,4 bis 1:20 bis l:14und zur Breite derselben wie 1:12,1 bis l:8bis 1:5,6. Die Rudimente des Harngefäfssystemcs füllten nicht die ganze Niere aus, sondern liefsen einen schmalen, länglichen, nach der vorderen und hinteren Seile einen breiteren queren, nach der inneren Seite dagegen den breitesten Zwischenraum einfacher Urmasse übrig. Anderseits hatte der Ureter eine in seinem Innern ent- haltene, äufserst deutliche cylindrische Höhlung, welche bis zu der Stelle verlief, wo an den inneren Rand sich die längliche, oben erwähnte Urmasse ansetzte. Hier hörte sie nicht plötzlich auf, sondern sie wurde allmählig undeutlicher. Man sah, dafs an dieser Stelle die Masse im Innern sich eben zu verflüssigen im Begriffe war. Ich berechnete den Breitendurchmesser des Ureter zu 0,007084 P. Z. und den seiner Höhlung zu 0,001620 P. Z. Zwischen dem vorderen Ende des Ureter und den Rudimenten des Harngefäfssystemes schien die Masse ganz solid zu seyn und das Nierenbecken selbst ganz zu fehlen. Prefste ich aber Niere und Ureter leise zwischen zwei Glasplatten, so zeigte sich die- ses deutlich in Gestalt eines Dreieckes, dessen Basis nach dem Harngefäfsstamme oder der äufseren Seite der Niere hin, dessen Spitze nach der inneren Seite der Niere oder nach der Einmün- dung des Ureter hin sah. Ich fand den Längendurchmesser die- ses Triangels 0,022770 P. Z. , den Breitendurchmesser seiner Ba- sis 0,023782 P. Z. und den seiner Spitze 0,009108 P. Z. Das Nierenbecken war nur seiner äufseren Form nach durch dichtere Masse angedeutet. Sein Inneres bestand noch aus dem dem Aeu- fseren nach unveränderten Urstoffe und enthielt bestimmt noch keine Höhlung. — Diese Beobachtungen führen mich zu folgen- Nieren, Ureter und Nebennieren. 411 den Schlüsseu: 1. Das System der Harngefäfse entsteht unab- hängig und getrennt von der Höhlung des Ureter. 2. Eben so unabhängig entsteht das Nierenbecken. 3, Diese Theile bilden sich sämmtlich dadurch, dafs sie in der Urmasse der äufseren Form und Begrenzung nach angedeutet werden und dann erst gleichzeitig Flüssigkeit im Innern und gröfsere Dichtigkeit der Wände sich zeigt. 4. In dem Systeme der Harngefäfse bilden sich, wie bei der Genese des Blutes, der Knochen und dgl. grö- fsere Complexe isolirt und unabhängig von einander, Theile, wel- che ungefähr den späteren Pyramiden entsprechen. 5. In jeder Pyramide entstehen die einzelnen Harngefäfse, als Ausstülpungen der Begrenzung, gleichsam der Haut oder der Wandung dersel- ben. — Was nun aber die selbstständig vermuthlich entstehenden Harnkanälchen besonders betrifft, so geben wir auch hier zuerst eine tabellarische Uebersicht einer Auswahl von uns hierüber angestellter mikrometrischer Messungen, ehe wir die äufsere Gestaltung so- wohl als die speciellen inneren und äufseren Formen der Nieren im Einzelnen verfolgen: Köi'perlänge. Durchmesser der Harnkanälchen. 1. Rind 2 Zoll. 0,001820 P. Z. 2. Schaaf a. 2| Zoll. 0,002631 P. Z. b. 12 Zoll. 0,001518 P. Z. — 0,001012 P. Z. 3. Schwein a. 10 Linien. 0,009614 P. Z. — 0,005667 P. Z. b. 1 Zoll 4 L. 0,002530 P. Z. c. 2 Zoll. 0,003340 P. Z. d. 2| Zoll. 0,003036 P. Z. — 0,002024 P. Z. e. 4 Zoll. 0,002834 P. Z. f. 2 Zoll 3 L. 0,003542 P. Z. Bei No. II. b. betrug die Länge der Niere 1 Zoll 4 Linien. Bei No. m. a. 0,0131560 P. Z. Bei No. III. a. fand ich den Durchmesser des Harnleiters 0,011940 P. Z. Bei No. III. c be- trug der Durchmesser der Malpighischen Körperchen 0,007590 P. Z. und bei No. III. e. berechnele ich die verknäuelten Enden der Harngefäfse auf der Oberfläche der Niere 0,006072 P. Z. bis 0,004048 P. Z. im Durchmesser. Bei No. III. c. aber betrug er 0,007590 P. Z. Die Harnkanälchen entstehen, wie dieses die Beobachtungen von Joh. Müller, Rathke und mir gezeigt haben, als längliche mit blinden kolbigen Enden sich schliefscnde Gefäfse , welche nach 412 Von dem Embryo. der inneren Seite hin spitz zulaufen und mit einander convergi- ren. Es dürfte kaum etwas Interessanteres und sielbst für das Auge Ergötzenderes geben, als die Genese der Harnkanälchen in der Natur zu verfolgen, und wir empfehlen sie daher einem Je- den, welcher mit den dazu absolut nothwendigen Instrumenten, besonders guten, ziemlich vergröfsernden und mit weiter Focaldi- stanz versehenen Linsen ausgerüstet ist. "Wir haben folgende Methode als vorzüglich brauchbar ^su solchen Untersuchungen ge- funden. Es ist unablässig nothwendig, dafs man, wie vorzüglich Job. Müller {de glanduUs p. 23. 24.) schon bemerkt, alle diese Theile auf schwarzem Grunde betrachte. Am vortheilhaftesten ist es, wenn sie unmittelbar auf demselben aufliegen, bei weitem zweckwidriger dagegen, wenn zwischen der dunklen Oberfläche und dem Objekte ein heller Lichtraum noch befindlich ist, wie wenn man z, B. den Gegenstand auf ein durchsichtiges Glas legt und den Reflexionsspiegel des Microscopes umkehrt. Die Theile müssen vollkommen frisch seyn, und lassen nur in diesem Zu- stande durchaus sichere Resultate zu, wiewohl bei einiger Uebung in Untersuchungen der Art sich auch aus Präparaten, welche lange Zeit in schwachen Weingeist (doch dies ist wesentlich) aufbewahrt worden, das Rechte ersehen läfst. Allein auch in ganz frischem Zustande erscheinen sie mit blofsem Wasser benetzt keineswegs mit der möglichsten Schärfe. Um diese zu erlangen, bediente ich mich eines nur sehr wenig verdünnten Alkohol, den ich während der Untersuchung auf das Präparat einwirken liefs. Auf diese Weise erscheinen die zarten Kanälchen von schöner milchweifser Farbe, im Gegensatz zu dem völlig schwarzen Grunde. Allein man darf dann die Untersuchung keineswegs auf- schieben, weil sich bald nach längerer Einwirkung des Alkohols das Ganze in eine weifse undurchsichtige Masse verwandelt. — Was nun die Linsen betrifft, so müssen sie mit dem nöthigen Grade von Klarheit auch einen mäfsigen Blick in die Tiefe erlau- ben und zugleich wenigstens eine Focaldistanz von \ Zoll haben. (Am zweckmäisigsten zeigte sich uns an dem grofsen Plöfslschen Instrumente Ocular No. 1. und Obj. No. 1. od. Obj. No. 1. und No. 2.) Die Beleuchtung vermittelst des Selligueschen Prisma, sey es durch Sonnen- oder Kerzenlicht, nützt zwar bisweilen sehr, doch keineswegs in dem Grade, als man es im Anfange erwartet Nieren, Ureter und Nebennieren. 413 hatte. (Vgl, Annales des sc. nat. Tom. III. 1824. p. 354. bei Job. Müller de glandiilorum structura p. 24.) Was nun die mit kolbigen Enden versehenen Kanälchen in der früheren Form der Nieren anbelangt, so laufen sie in meb- reren Schichten (ob gerade in drei Lagen, wie Rathke angiebt, war mir unmöglich auszumitteln) von der äufseren nach der in- neren Seite convergirend zusammen. Ein Zusammenhang mit dem schon existirenden Nierenbecken ist zuerst nicht vorhanden, son- dern dieses und das Nierenbecken stofsen vermuthlich erst später an einander. Wenigstens konnte icb in frühester Zeit ebenso wenig als Rathke eine Communication zwischen beiden wahrneh- men. Zuerst sind sie, wie man aus den obigen Messungen leicht ersehen kann, sowohl absolut als relativ zur Niere gröfser als in dem späteren Zustande. In der Folge der Entwickelung nun werden sie länger und dünner, behalten aber noch geraume Zeit ihre kolbigen Enden bei. Ja diese erscheinen sogar um so be- stimmter, je mehr sie gegen die dünneren Harnkauälchen con- trastiren (von Abbildungen s. Job. Müller de glandulis tah. Xiy. fig. 1. und Rathke Abhandlungen Tbl. II. tab. VII. fig. IL). Während dieser Metamorpbose der ursprünglichen Kanälchen ent- stehen neue ähnliche Kanälchen, wie es scheint, selbstständig. Wenigstens sieht man gleichmäfsig mit der Vergröfserung des Volumens auch die Harnkanälchen rasch zunehmen. Doch kann man auf keine Weise die neu entstandenen von den alten meta- morphosirten unterscheiden. Unterdessen hat auch das Nieren- becken sich weiter ausgebildet. Es hat sich nämlicb vergröfsert und verlängert und schickt einzelne Fortsätze in die ionere Sub- stanz der Nieren, zwischen denen Bündel von Harngefäfsen sich befinden. Beide umfassen sich gegenseitig ungefähr wie die Pro- ductionen der Placenta foetalis und materna bei den Pachy- dermen oder wie wenn man die Finger beider Hände wechsel- seitig in einander greifen läfst. Dadurch nun, dafs diese Bildung im Innern fortschreitet, entsteht natürlich nach innen das Nieren- becken, nach aufsen dagegen die Nierenkelche. Die Harngefäfse ha- ben dagegen nach innen zu ihre mehr gestreckte Lage erhalten und behauptet und sind büschelförmig vereinigt zu Ferreinschen Pyrami- den. Nach aufsen haben sie sich immer mehr verlängert und ver- scbmälert, und gewinnen anfangs mehr Raum, indem des verbinden- den Schleiragewebes immer weniger wird. Indem aber die kolbigen 414 Von dem Embryo. Enden dadurch immer mehr schwinden, gewinnen die Harnkanäl- eben, welche zwar immer mehr sich verschmälern , dagegen desto mehr an Länge, und winden und verknäueln sich auf eine eben so zierliche als eigene Weise an einzelnen Stellen in einander. Dieses bedingt auch einen Unterscbied der Oberfläche der Niere selbst; zuerst war sie mehr eben und nur dann ungleich, wenn wie z. B. durch die Einwirkung des Weingeistes das umhüllende Schleim gewcbe sich zusammengezogen und so die kolbigen Enden der Harnkanälchen von der Oberfläche aus sichtbar waren. Indem sie sich aber schlängeln und verknäueln und das umhüllende Schleim- gewebe unterdefs schvrindet, erhebt sich jede Verknäuelung über die Oberfläche in Form einer sehr kleinen Warze, welche von der angrenzenden durch eine kleine Vertiefung und etwas verbin- dendes Schleimgew^ebe getrennt wird. Diese zierliche Bildung kann man in Embryonen von zwei Zoll Länge schon mit blofsem Auge wahrnehmen. Deutlicher jedoch ist sie unter einer schwa- chen Vergröfserung zu erkennen. Gleichzeitig mit den Windun- gen der Harnkanälchen, d. h. mit dem deutlicher ausgesprochenen Gegensatze zwischen Cortical- und Medullarsubslanz der Nieren scheinen sich die Malpighischen Körperchen in derselben zu bil- den. Wenn aber Rathke (Abhandl. Tbl. IL S. 101.) behauptet, dafs die Zusammcnknäuelung der Blutgefäfse zuerst fehle, so müs- sen wir diesem direct widersprechen. Denn irnmer haben wir sowohl in ganz frischen Nieren, deren Blutgefäfse noch zu erken- nen waren, als auch nach gelungenen Injectionen die Knäuel er- kannt, obschon mit einem gröfseren oder geringeren Grade von Deutlichkeit. Ganz richtig bemerkt dagegen Rathke, dafs sie in früherer Zeit sowohl kleiner als sparsamer erscheinen, als im spä- teren Zustande. Wie man aus den oben angeführten mikrorae- trischen Messungen ersieht, sind die Harngcfäfse zuerst sowohl absolut als relativ gröfser wie in späterer Zeit. Sie werden dann zuerst sowohl absolut als relativ kleiner. Mit fortschreitendem Wachsthume aber vermehrt sich zwar ihre absolute Gröfse. Ihre relative dagegen ist noch unterdefs beständiger Verminderung un- terworfen. Die Nieren enthalten, wie man sich an frischen Embryonen leicht überzeugen kann, von sehr früher Zeit an eine bedeutende Anzahl von Blutgefäfsen. Eine vollständige Injection derselben gelang mir an 2^ Zoll langen Schweinefötus, nach welchen ich Nieren, üretefr und Nebennieren. 415 sie folgendermafsen vertheilt fand: Von dem inneren Rande nach aufsen verliefen gerade, transversal gerichtete Gefäfse, welche sich häufig mit einander verbanden. An der Oberfläche dagegen wurde jede durch eine Verknäuelung entstandene, kleine Hervor- ragung von einem Netzchen umgeben, so dafs das Ganze ein zier- liches maschenförmiges Ansehen annahm. Zwischen den inneren Quergefäfsen (Longitudinalgefäfsen, sobald man sich die Niere auf ihrem Hylus aufgestellt denkt) befanden sich die Malpighischen Körperchen als kleine Knäuel äufserst zarter Blutgefäfse. Den Durchmesser der injicirten Quergefäfse berechnete ich zu 0,003530 P. Z. bis 0,000910 P. Z. und den Breitendiameter der malpighi- schen Körperchen zu 0,019734 P. Z. bis 0,014168 P. Z., den Läugendurchmesser dagegen von 0,025300 P. Z. bis 0,0107240 P. Z. Die äufsere Form der Nieren wird ziemlich frühzeitig voll- endet. Zuerst stellt sie ein rundliches Knötchen dar, welches sich bald verlängert und sich krümmt. Mit dieser Krümmung ist natürlich die Bildung des Hylus gegeben. Dieser wird jedoch immer mehr bestimmt, je mehr das Nierenbecken sich in die Niere selbst zurückzieht, und je weniger es daher blofs äufserfich ange- legt zu seyn scheint, — Der Wachsthum der äufseren Form der Nieren schreitet schnell vor sich, und sie erscheinen daher, wäh- rend die WolfFschen Körper selbst an ihrem hinteren und äufse- ren Rande zu liegen kommen, frei. — In ziemlich später Zeit theilt sich die Niere in mehr oder weniger tief getrennte einzelne Läppchen, welche von den früheren durch die einzelnen Windun- gen hervorgebrachten Erhöhungen durchaus verschieden sind. Jede einzelne von ihnen umfafst sehr viele solcher von den Ver- knäuelungen herrührender Erhabenheiten. Später verschmelzen diese wiederum mit einander und stellen die glatte Oberfläche der Nieren dar. Das Gewicht der Niere ist früher im Verhält- nisse zu dem ganzen Körper bedeutender als in dem Erwachse- nen, So bestimmt Meckel (Anat. IV, S. 486.) die Relation des Gewichtes beider Nieren zu dem ganzen Körper bei dem reifen Fötus wie 1 : 80, während sie beim Erwachsenen wie 1 : 240 ist. Auch ist nach ihm in der Frucht jede Niere länglicher; das Nie- renbecken selbst liegt mehr an der vorderen Fläche; die Ausbil. düng des Nierenschnittes ist geringer. Die Nebennieren gehören wahrscheinlich dem Gefäfsblatte an, denn sie entstehen oberhalb der Niere und der Aorta als eine 416 Von dem Embryo. selbstständig abgesonderte Masse, keineswegs aber durch Absclinü- rung von den Wolösclien Körpern, wie dieses Arnold (Salzburg, medizin, cliirurg. Zeit. 1831. S. 236. 37.) behauptet hat. Auch soll nach diesem Schriftsteller die Nebenniere zuerst dieselbe Structur yvie die Wolffschen Körper haben — eine Beobachtung, welche aufser Arnold noch keinem zu machen gelungen ist und kaum je wohl gelingen wird. Beide Nebennieren entstehen viel- mehr als eine einfache Masse oberhalb der "Wirbelsäule und vor den Nieren, wie ich an Embryonen des Schaafes und Hundes ge- sehen habe. Diese wulstet sich auf, sondert sich in zwei symme- trische Hälften und so entstehen die beiden getrennten Nebennie- ren, welche bei den Haussäugethieren immer kleiner als die Nie- ren sind und nach innen und vorn von ihnen liegen. Die be- stimmte Sonderung der Nebennieren fällt in eine spätere Zeit, als die Entstehung der Nieren. Bei dem Menschen sind die Ne- bennieren von imgemeiner Gröfse und sind, je jünger der Fötus, desto gröfser, ja sogar in der Frucht von persistirender Bedeutung, während sie im Erwachsenen in ihrer Ausbildung stehen bleiben und im Alter zum Theil oder gänzlich schwinden. J. Fr. Meckel sah sie schon bei einem zweimonatlichen Em- bryo deutlich (Auat. IV. S. 506.). Nach ihm (S. 507.) verhält sich das Gewicht derselben zu dem der Nieren im Anfange des sechs- ten Monates wie 2 ; 5. Bei dem reifen Fötus ist es wie 1 : 3, bei dem Erwachsenen aber wie 1 : 28. Bekanntlich haben viele Anatomen in dem Inneren der Nebenniere eine Höhle sehen wol- len. Allein weder im frischen noch im ausgebildeten Fötuszustande ist eine solche wahrzunehmen, in Früchten dagegen, welche lange Zeit in stärkeren Weingeist gelegen, oder macerirt haben, wird oft eine solche künstlich erzeugt, indem das im Innern nach Joh. Müllers Untersuchungen (Hildebr. Anat. herausgegeben von E. H. Weber IV. S. 355.) befindliche Venennetz durch die Wirkung des Weingeistes unsichtbar wird oder das Parenchym sich auflöst und so der Schein einer Höhlung entsteht. Ganz dasselbe ist auch bei dem Erwachsenen der Fall. F. Entwickcluugsgeschichtc der mittleren Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane. Wir werden es weiter unten bei dem Sehleimblatte sehen, dafs anfangs auch bei den Säugethieren , wie bei dem Hühnchen ein Mittlere Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane. 417 ein einfacher Enddarm vorhanden ist, welcher sich nach hinten frei öffnet, dafs nachher an dem hinteren Theile der oberen Fläche dieses einfachen Enddarmes eine zuerst kuglige, späterhin cylin- drische Ausstülpung entsteht, welche aus der Bauchhöhle hervor- tritt und über den Fötus hinauswächst. Indem nun die Bauch- platten sich so weit schliefsen, dafs nur die Nabelöffnung als Sput der früheren Spaltung übrig bleibt, so entsteht eine Begrenzung, eine Verengung in der AUantois, Der Theil, welcher in der Bauchhöhle sich befindet, ist von länglicher cylindrischer Form und mündet nach unten und hinten in den Mastdarm, so dafs das Stück des Enddarmes von der Einmündungsstelle der AUantois bis zu seiner äufseren Oeffnung mit Recht als das Analogon einer Kloake auch bei den Säugethieren angesehen werden kann. Rathke (Abhandl. Tbl. I. S. 57.) glaubt nun, dafs, indem "die Trennungs- falte zwischen Mastdarm und AUantois gröfser wird, sich zugleich von beiden Seiten Falten in der Kloake bilden und, indem diese drei Falten mit einander zusammenstofsen, die Trennung der bei- den gesonderten Gebilde entsteht. Ich möchte w^ohl wissen, ob Rathke diese drei Falten getrennt gesehen oder ihre Existenz und ihre Ausbildung nur aus einer Reihe von Präparaten erschlossen hat. Mir wenigstens wollte es nie gelingen, etwas der Art wahr- zunehmen, und nach meinen hierüber an Schweinen, Schaafen und Rindern angestellten Untersuchungen geht der Procefs höchst wahrscheinlich auf folgende Weise vor sich: Indem die AUan- tois sich immer von dem Mastdarm abschnürt, verkürzt sich die Kloake, während der hinterste Theil der getrennten AUantois und des getrennten Mastdarmes sich verlängert. Ist nun die Kloake endlich gänzlich geschwunden, so haben wir nach unten einen durchaus getrennten Mastdarm, nach oben dagegen ein cylindri- sches Rohr, die unmittelbare Verlängerung des früher vor und über ihm befindlichen AUantois-Anfanges. Rathke nennt dieses Rohr die Harnröhre, Job. Müller dagegen (Bildungsgesch. der Ge- nit. S. 70.) Sinus uro -genitalis. Uns scheint für dieses Gebilde der Name Canalis uro-ge?iilalis noch zweckmäfsiger zu scyn. Un- terdefs hat sich aber der in der Bauchhöhle befindliche Theil der AUantois ebenfalls wesentlich metamorphosirt; doch erfolgen diese Metamorphosen bei den Säugethieren weit später, als bei dem Menschen. Während nämlich früher dieser Theil der AUan- tois überall gleich zart und dünnwandig war, schwillt die untere 418 V^on dem Embryo. und hintere Abtheilung desselben blasenförmig an und verdickt sich in seinen Wandungen, während der übrige Theil dünn und kanalförmig bleibt, sieh sogar immer mehr verdünnt, je stärker > die Ausbildung des unteren Theiles vor sich geht. Die untere Anschwellung heifst nun Harnblase, die kanalförmige Communi- cation zwischen dem aufserhalb des Embryonalkörpers befindli- chen Theile der Allantois und der Harnblase heifst Urachus oder Harnstrang. Bei dem Menschen und den meisten Säugethieren ist der Urachus als die unmittelbare Fortsetzung der Harnblase dadurch bezeichnet, dafs er aus ihrem oberen und vorderen Ende entspringt. Doch fand Rudolphi (über den Embryo der Affen und einiger anderen Säugethiere. Gelesen in der Berl. Academie 1828. S. 7.), dafs bei dem Faulthiere der Urachus nicht aus dem Grunde, sondern aus der vorderen Wand der Harnblase näher dem Halse entspringe. — Die Harnblase des Menschen liegt in früher Zeit, wie schon J. Fr. Meckel (Anat. IV. S. 487.) bemerkt!, au- fserhalb der Beckenhöhle. Der Harnstrang ist nach ihm noch bei dem Neugeborenen hohl und läfst sich von der Blase aus eine gröfsere oder geringere Strecke in den Nabelstrang hinein verfol- gen und mit Quecksilber, wie es Röderer schon gethan, anfüllen. Die Harnleiter münden zuerst in den hintersten und untersten Theil der Harnblase; vor ihnen münden dagegen die keimberei- tenden Geschlechtstheile in einen einfachen mittleren Gang, wel- cher sich in den vordersten und untersten Theil des Canalis uro-genitalis einsenkt. Dieser einfache mittlere Geschlechtsgang findet sich zuerst [bei dem Männchen ebenso gut, als bei dem Weibchen. Bei dem ersteren bleibt er sehr dünn und zart, nimmt die beiden Saamengänge an seinen beiden Seiten auf, verkürzt sich allmählig und wächst gleichsam in den bleibenden und sich nur metamorphosirenden Theil des Canalis iiro-genitalis hinein. Dadurch erhält dann natürlich jeder Saamengang seine eigene, von dem anderen getrennte Mündung. Bei dem Weibchen dagegen wird dieser unpaare Geschlechtstheil gröfser, verlängert sich besonders von hinten nach vorn, erhält eine dichtere Textur und bleibt als Fruchthälter oder Uterus. Die Trompeten bilden entweder, in- dem sie sich an ihren Mündungsstellen berühren, einen Uterus bicornis, wie bei den meisten Säugethieren, oder werden durch das sich fortbildende Mittelstück, welches hier zum fundus uteri wird, getrennt, wie bei dem Menschen. Indem sich aber der Aeufsere Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane. 419 Fruchthälter und mit ihm gleichzeitig die Tuben verlängern und vergröfsern, winden sich die letzteren mehr oder minder spiralig, und ihre Drehungen sind sogar in der Frucht bei Weitem ver- hältnifsmäfsig stärker und auffallender, als im Erwachsenen. Die Höhle der Gebärmutter sowohl, als der Tuben ist anfangs mit einer mehr oder minder hellen, wäfsrigen Flüssigkeit gefüllt. G. Entwickelungsgeschichte der äufseren Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane. a. Bei dem männlichen Geschlechte. Der Canalis uro-genitalis bildet hier einen länglichen Schlauch, welcher von der Vereinigung der Harnblase mit dem unpaaren Gange, in den die beiden Saamengänge münden, bis zur äufseren Oeffnung reicht. Diese liegt über der Aftermündung und wird von ihr durch eine Leiste, das künftige Prineum, getrennt. Der Canalis uro-genitalis erhält nun, wie Räthke (Abhandl. I. S. 59.) zuerst beschrieben hat und ich selbst bestätigen kann, zwei seitliche Ausstülpungen, die künftigen Saamenblasen. Diese erscheinen bald als zwei seitliche, fast cylindrische Körperchen, welche mit ihren inneren Rändern sich bald erreichen, doch aber durch eine zarte Masse von Schleimgewebe in ihrer Mitte getrennt bleiben. Auf ihrer Oberfläche erscheinen sie einer in ihrer er- sten Formation begriffnen Drüse nicht unähnlich, indem ihre Höh- lung ebenso blinde, zuletzt kolbig anschwellende und verzweigte Gänge darstellt. Bei Durchschnitten sieht man aber, dafs diese Gänge in der Mitte und etwas nach innen hin zu einer grofsen länglichen Höhlung zusammenstofsen, welche mit dem Canalis uro-genita- lis communicirt. Nun verkürzt sich der Kanal immer mehr und schwindet endlich ganz. Dieses zieht aber, wie Rathke schon beobachtet hat, merkwürdige Veränderungen nach sich. Die Ein- mündungssteile der Saamenleiter rückt daher den Saamenblasen immer näher, und beide vasa deferentia öffnen sich, indem ihr Mittelstück, die unmittelbare Fortsetzung des Canalis uro-geni- talis^ ebenfalls verschwunden ist, mit zwei gesonderten Mündungen. Die Saamenblasen communiciren ebenfalls mit zwei gesonderten, an kleinen Stielen geöffneten Einpflanzungsstelleu. Die Harnröhre verläuft zuerst in der oberen (vorderen) Fläche des Canalis uro- genitalis und tritt unten mit dem Penis aus der Beckenhöhle 27* 420 Von dem Embryo. nach aufsen. Sie isolirt sich schon in ihrer Bildung, wenn noch der Canalis uro - genitalis im hohen Grade der Ausbildung sich befindet. Indem dieser aber schwindet, rücken die Vasa defe- rentia s,o\\6h\^ als die Saameublasen in ihr Bereich hinein. Sie ist nämlich anfangs eine nach unten offene Rinne, welche mit dem Verschwinden des Canalis sich von beiden Seiten zusammenlau- fend schliefst und an ihrer unteren (hinteren) Hälfte die Saameubla- sen und die Vasa deferentia aufnimmt. Die Vorsteherdrüse ent- steht wahrscheinlich zuerst als eine Anschwellung der hinteren V?^and des Canalis. Wenigstens habe ich bei Schweinen an der Stelle der künftigen Prostata einen kleinen dichteren Wulst an- fangs wahrgenommen. Später nach dem Verschwinden desselben rückt sie an die untere (hintere) Wand der Harnröhre und weicht in ihrem Baue in Nichts von den übrigen Drüsen ab. — Diese, Rathke's Erfahrungen gröfstentheils bestätigende Reihe von Beob- achtungen sind die Resultate meiner an Embryonen des Rindes und des Sehweines angestellten Untersuchungen. — Schon frühzei- tig wächst an dem oberen Rande des Canalis uro-genitalis ein länglicher, warzenartiger Körper hervor, welcher an seiner unte- ren Fläche eine ziemlich breite Rinne hat. Er hat zuerst eine nach unten zu concav gekrümmte Gestalt und an seinem äufser- sten Ende eine kleine rundliche Anschwellung. Dieser Thcil, welcher bei beiden iGeschlechtern gleich vorkommt, verlängert eich bei dem Männchen im Laufe der Enlwickclung immer mehr, bleibt aber im Ganzen dünn und gracil und wird zu dem Penis. Bei den Wiederkäuern und dem Schweine verläuft er unter den Bauchdecken, wie Job. Müller und Ralhke schon beobachtet ha- ben, bis dicht an den Nabel, wo er mit einer rundlichen, dichte- ren und härteren Anschwellung" endigt. Bei dem Schweine ra- gen zuerst aus der Oeffnung der Bauchdecken, in welcher das vorderste Ende des Penis liegt, zwei kleine Warzen hervor, wel- che sich bald in die Oeffnung selbst hineinziehen. Die Zeit die- ses Hineiniretens in die Oeffnung ist bei den verschiedenen Indi- dividuen verschieden. So fand ich sie bei einem A^ Zoll langen Schweineembryo noch aufserhalb der Oeffnung, bei einem ande- ren gleich langen und aus demselben Fruchthälter genommenen Individuum wiederum innerhalb der Oeffnung. Die Structur des Penis war bei diesen Früchten folgende: Nach unten (hinten) lagen die Corpora cavernosa penis als zwei cyliadrische, ziem- Aeufsere Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane. 421 lieh dichte und mit einem weicheren hautartigen Ueberzuge um- gebenen Organtheile neben einander, und oben sowohl als unten befand sich zwischen ihnen eine der Länge nach verlaufende Furche. In der oberen (vorderen) Furche lag die Harnröhre als ein zartes durchsichtiges Rohr mit den corporihus cavernosis urethrae. Die vordere der Eichel entsprechende Mündung war von knorpeliger Härte und in ihr waren die drei cylindrischen Körper keineswegs mit Deutlichkeit zu unterscheiden. Feine Quer durchschnitte auf schwarzem Unterlage betrachtet, boten ein äufscrst zierliches Ansehen dar. Der vordere Cylinder hatte in der Mitte, doch etwas mehr nach vorn, eine runde OefFnung, den Durchschnitt der Harnröhre. Von ihr liefen sternförmig und ra- dienartig sehr schön geordnete und an ihren äuüercn Enden et- was sich verdickende Höhlungen aus. Diese nebst dem unge- benden Gewebe bezeichneten die cavernösen Körper der Urethra. Die Corpora cavernosa penis dagegen zeigten so schön ramifi- cirte und mit kolbigen, blinden Enden versehene Höhlungen, dafs sie der Ungeübtere leicht mit einer angelegten Drüse vorwech- seln konnte. Wurden solche feine Durchschnitte zwischen zwei Glasplatten gcprefst, so zeigten sich parallele und concentrische Fasern von 0,000708 P. Z. im Durchmesser. Sie bestanden aus zarten, gallertartigen Fäden, in welchen die Körnchen des Bil- dungsstofFes von einem mittelern Durchmesser von 0,000506 P. Z, nach longitudineller Richtung geordnet waren. — Was nun den Menschen betrifft, so fand J. Fr. Meckel (Anatomie IV. S. 610.) um die Mitte des dritten Monats die Eichel noch durchaus nicht von der Vorhaut bedeckt und noch gänzlich verschlossen. Ihre künftige Mündung wurde jedoch schon durch einen weifsli- chen Fleck bezeichnet. An der unteren Fläche der Ruthe befand sich eine longitudinelle Spalte, welche sich sogar oft bis eine kleine Strecke in die Eichel hinein verlängerte. An dem hintersten Ende der Ruthe "war die Harnröhre schon gänzlich geschlossen. Im vierten Monate wird die hintere gröfsere Abtheilung der Ei- chel (S. 64.) von der Vorhaut bedeckt, und die Mündung der Harnröhre ist an dem unteren Theile ihrer vorderen Fläche als eine kleine Spalte sichtbar. Nun vergröfsert sich die Vorhaut und umschlicfst die ganze Eichel während des übrigen Fruchtle- bens so genau, dafs sie über die Eichel nicht zurückgebracht wer- den kann. Der Fötus hat also, wie Job, Müller bemerkt, eine 422 Von dem Embryo. normale Hypospadie und nach Meckels Ausdruck zuerst Paraphy- mosis (doch nicht ganz mit Recht) und zuletzt Phymosis. Der Hodensack entsteht, wie Tiedemann (Anatomie der kopflosen Mifs- geburten. 1814. fol. S. 84.) und Rathke (Abhandl. I. S. 60.) be- merken, dadurch, dafs die seitlichen Ränder nach aufsen von der Ruthenrinne sich verdicken, und, indem sie mehr an Schleim- stoff gewinnen, an einanderstofsen und zu einem einzigen Gebilde sich vereinigen. Die Stelle ihres Zusammenstofsens bildet die Nath oder Raphe. Diese ist, wie Rathke berichtet, die Fortset- zung der Nath des Dammes. Die Scheidewand kann man leicht als eine dichtere, weifsere Schleimstoffmasse erkennen. b. Bei dem weiblichen Gcschlechte. Es ist schon oben bemerkt w^orden, dafs der einfache un- paare Gang, in welchen die beiden keimausführenden Geschlechts- theile münden, bei dem weiblichen Geschlechte bleibe und sich zu dem Uterus entwickele. Zuerst stofsen die beiden Trompe- ten, wie dieses schon J. Fr. Meckel, Job. Müller und Rathke be- obachtet haben, zu einem einfachen Kanäle zusammen. Selbst bei dem Menschen ist dieses der Fall, und auch er hat in früher Entwickelungszeit einen normalen Uterus bicornis. Spätet je- doch entwickelt sich der unpaare Gang mehr nach vorn, und es ent- steht auf diese Weise der Fundus der Gebärmutter, während die Mündungsstellen der Trompeten mehr nach den beiden Seiten hin zurücken. Zugleich gewinnt seine Substanz mehr an Dichtigkeit und Stärke, und aus dem Schleimgewebe, das in der Mitte liegt, also zwischen seröser und Schleimhaut sich befindet, entstehen die Fasern des Uterus. Dieser selbst setzt sich zuerst unmittel- bar in den Canalis uro-genitalis fort, welcher in frühester Zeit nicht blofs die Scheide, sondern auch die Harnröhi-e darstellt. Unlerdefs hat sich die schon oben erwähnte bei beiden Geschlech- tern zuerst gleiche Warze gebildet, w^elche in conischer oder cy- lindrischer Gestalt herauswächst, sich nach unten und hinten um- biegt und auf ihrer unteren Fläche eine Rinne enthält, die un- mittelbar mit der vorderen oder oberen Abiheilung des Canalis zu communiciren scheint. Während sie sich bei dem männlichen Geschlechte immer mehr vergröfsert und zum Penis wird, bleibt hier ihr Wachsthum relativ sieben, und ihre Volumenvermehrung Aeufsere Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane. 423 ist jetzt fast nur eine absolute, ünterdefs vermehrt sich auch das Schleimgewebe unter der Haut an der äufseren Mündung des Canalis uro - genitalis , doch nicht in dem Grade, wie bei den Männern, wo beide Hälften an einanderstofsen und den Hodensack darstellen. Die Spalte bleibt vielmehr offen und die wulstigen Hautränder bilden auf jeder Seite die äufseren Schaamlippen. Nun hat sich aber, während dieses geschah, der hintere, der äufse- ren Mündung nahe Theil des Canalis uro • genitalis verlängert, und die Klitoris, welche an den Schaambeinen festsitzt, wird daher von Schaamlippen gänzlich bedeckt. Sobald diese so in das Innere der Scheide hineingezogen worden, bildet sich, wie Rathke gesehen und ich aus dem Schweine bestätigen kann, an dem oberen Ende der Scheidenspalte ein kleiner sie halb verdeckender Hauptlappen, welcher später wieder schwindet. Nicht minder wichtige Ver- änderungen sind aber während dieser Zeit mit dem vorderen (oberen) Theile des Canalis uro-genitalis vorgegangen. Es hat sich nämlich die Harnröhre als eine unmittelbar vei-dünnte Fort- setzung des Körpers der Harnblase von dem Canalis abgesondert und liegt als ein schmales, cylindrisches und kürzeres Rohr ober- halb desselben (vor demselben). Wahrscheinlich geschieht dieses durch eine rasch und vielleicht von beiden Seiten her erfolgende Abschnürung. Doch bin ich über diesen Hergang noch ungewifs. Sobald die Trennung vollendet ist, findet man, wie z. B. bei 4 — 6" langen Schweineembryonen, folgendes Verhältnifs: Exente- rirt man, was bei beiden Geschlechtern überaus leicht geschieht, die J^iscera uropoetica und genitalia und schneidet man die untere (hintere) Wand des Canalis uro-genitalis der Länge nach auf, so kommt man, von der äufseren Mündung ausgehend, in ei- nen ziemlich weiten cylindrischen Kanal, welcher endlich vorn (oben) etwas nach unten (hinten) umbiegt und sich in den Frucht- hälter unmittelbar fortsetzt. An der Umbiegungsstelle liegt eine andere kleine Oefihung, welche in ein ziemlich langes, aber um vieles engeres Rohr, die Harnröhre, führt. Wir wollen den Theil, welcher von der äufseren Oeftnung bis zu der Mündung der Harn- röhre reicht, Scheideneingang, den Theil dagegen von der Mün- dung der Urethra bis zu dem hintersten (untersten) Ende des Fruchthälters Scheidengewölbe im engeren Sinne nennen. Der Scheideneingang ist um diese Zeit noch verhältnifsmäfsig sehr weit. Allein auch er scheint bald nicht mehr relativ au Gröfsc 424 Von dem Embryo. zuzunehmen, ja sogar sich zu verkürzen. An dem Scheidengewölbe dagegen sondert sich der Vaginaltheil der Gebärmutter deutlicher und bestimmter ab. Die Unebenheiten der inneren Oberfläche erscheinen schon sehr frühzeitig; sie werden selbst als Ansamm- lung dichterer und daher dunkcler Massen schon angelegt, sobald die Abschliefsung der Harnröhre begonnen. So viel über die all- gemeinen Verhältnisse der äufseren Sphäre der weiblichen Geni- talien, wie sie bei den Säugethieren sowohl, als bei dem Men- schen leicht beobachtet werden können. Man sieht, dafs diese aus eigenen Erfahrungen gewonnenen Resultate fast nur Bestä- tigungen der Beobachtungen von Tiedemann, Job. Fr. Meckel, J. Müller und vorzüglich von Rathke sind. Nun sey es uns nur noch er- laubt, einige specielle Data, die vorzüglich den Menschen betreffen, hier anzureihen. Wir folgen hierin besonders J. Fr. Meckel, welcher an dem Menschen die meisten Untersuchungen angestellt hat. Nach ihm (menschl. Anat. IV. S. 591.) ist der Uterus bis zum Ende des dritten Monates zweihöinig und erweitert sich am Ende des vier- ten Monates, um den Fundus zu bilden. Während des ganzen Fruchtlebens und noch später finden sich auf der inneren Ober- fläche der Gebärmutter Runzeln, welche gegen die Mündungen der Trompeten zu convergiren. Der äufsere Muttermund erscheint als ein kleiner Vorsprung der Gebärmutter in die Scheide, der sich jedoch so sehr vergröfsert, dafs in der letzten Zeit des Fö- tuslebens die portio vaginalis gröfser ist, als späterhin. Sie ist anfangs uneben, faltig und ungleich, wird späterhin glatt, so dafs der Muttermund zuletzt als eine einfache quere Spalte erscheint (S. 592.). Der Canalis uro-genitalis ist, wie J. Müller (Bildungsgesch. der Genitalien S. 88.) gezeigt hat und ich selbst bestätigen kann, ein Gang, welcher eben so gut den Harn- als den Geschlechtsor- ganen angehört. Später trennt er sich in die obere (vordere) noch verhältnifsmäfsig sehr weite Harnröhre und die ziemlich lange und weite Scheide (vergl. die Abbildung, bei Joh. Müller 1. c. tab. IV. fig. 9. ,c.), so dafs man dann einen einfachen Kanal hat, welchen Joh. Müller (1. c. S. 89.) Aditus uro-genitalis n«nnt, der sich oben in die nach vorn gehende Urethra und das nach hinten gehende Scheidengewölbe spaltet. Dieses letztere vergröfsert sich nun immer mehr auf Kosten der ersteren, so dafs indem zugleich Uterus und Scheide sich nach vorn (oben) be- stimmter sondern, das Scheidengewölbe die Oberhand über die Aeufsere Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane. 425 enge und kurze Harnröhre gewinnt und der Aditus uro-genitalis, indem er sich zugleich relativ noch zu verkürzen scheint, zum Aditus vaginae sich umwandelt. Nach Meckel (1. c. S. 596.) erscheint in dem fünften Monate an der vorderen (oberen) und hinteren (unteren) Fläche der Scheide eine Längenerhabenhcit, welche durch viele bald sich hinzugesellende Querfalten ungleich W'ird. Diese verbreiten sich durch andere, in schräger Richtung verlaufende, verbunden durch die ganze innere Oberfläche der Scheide. Sie erscheint daher als ein zusammengesetztes Netz, welches dadurch noch ungleicher wird, dafs die Falten wiederum vielfach eingeschnitten und gefranzt sind. Der eben geschilderte Zustand ist im siebenten und achten Monate am deutlichsten zu erkennen. Die Falten verkleinern sich nun, und sind schon bei dem Neugeborenen weniger deutlich und bestimmt wahrzuneh- men. Die Scheide selbst ist anfangs sehr eng, im siebenten bis ach- ten Monate aber unstreitig relativ weiter, als in irgend einer Lebens- periode. Die Scheidenklappe (S. 597.) findet sich erst in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft. Der Kitzler ist im An- fange des dritten Monates über eine Linie lang und eine halbe Linie dick. Er erigirt sich nie sehr gegen den Nabel. Die Eichel (S. 598.) ist bis in der Mitte des vierten Monates unbedeckt. Rasch wächst nun die Vorhaut über sie hinweg, indem sich gleich- zeitig die inneren Lefzen hervorbildcn. Die äufseren Schaamlip- pen bedecken (S. 599.), je jünger die Frucht ist, den Kitzler und die inneren Schaamlippen um so weniger. Endlich müssen wir hier noch auf einen Punkt wenigstens aufmerksam machen, welchen wir v^^eiter unten nochmals zu be- rühren Gelegenheit haben werden. Man kat nämlich über das Geschlecht der Frucht vielfach gestritten und glaubte endlich in den ersten beiden Jahrzehenden dieses Jahrhunderts zu dem Re- sultate gelangt zu seyn, dafs alle Früchte zuerst weiblich seyen, und dafs aus dem weiblichen Typus sich allmählig erst bei den dazu bestimmten Individuen der männliche hervorbilde. Man meinte für diesen Satz die deutlichsten Belege aus der Erfahrung selbst gefunden zu haben und gerade die äufseren Genitalien ge- ben nicht w^enige scheinbare Gründe für diese Ansicht dar. Al- lein geblendet von diesem Vorurtheile hatte man einiger bei ober- flächlicher Betrachtung sich ergebenden Aehnlichkeit halber alle frühzeitigen Früchte, in denen man das Geschlecht nicht mit Be- 426 Von dem Embryo. stimmtheit zu erkennen vermochte, für weibliche erklärt, wozu besonders der Umstand verleitete, dafs die äufsere OelBiung des Canalii uro -genitalis als Schaamöffnung , das einfache äufsere Geschlechtsglied als Penis gedeutet wurde. Allein genauere Un- tersuchungen mufsten auch hier bald den Irrthum aufhellen und so gelangte man vorzüglich durch die Bemühungen von Rathke, Burdach und besonders Joh. Müller dahin, dafs man einsah, dafs ein Typus oder vielmehr dasjenige, welches wir weiter unten die Uridee nennen werden, in beiden Geschlechtern wiederkehre und sich bei dem Männchen nur in einer anderen Richtung ausbilde, als bei dem Weibchen, dafs man daher eben so wenig eine Frucht vom Anfange an geschlechtslos, als in ihrer Geschlechts- sphäre so ausgebildet nennen kann, wie es späterbin der Fall ist. Mehreres hierüber siehe unten in den Fragmenten zu einer Ge- setzlehre der Entwickelungsgeschichte. Wahrscheinlich mit noch mehr Recht als die Geschlechtstheile selbst, gehören zu dem Gefäfsblatte die Blutdräsen und vielleicht auch das System der lymphatischen Drüsen und der Lymphge- fäfse. Allein da ihr erstes Sichtbarwerden in eine spätei-e Zeit fällt, als die drei Blätter der Keimhaut durch unmittelbare An- schauung von einander unterschieden werden können, überdiefs manche von ihnen, wo nicht alle mit dem Schleimblatte in die innigste Berührung kommen, so halten wir es für zweckmäfsiger, sie bei diesem an den passenden Stellen und in Verbindung mit den immer dazugehörenden ausführenden Drüsen abzuhandeln, Ueberdiefs könnte ihre Geschichte hier nur noch unvollständig erzählt werden und müfste daher gröfstentheiis nothweudiger Weise unverständlich seyn. III. Schleimblatt. ' Das Schleimblatt ist das unterste von drei Blättern der Keimhaut und liegt daher der Oberfläche des Dotters am näch- sten. Aufserdem hat der Umkreis seines Hofes, des Dolterhofes, den gröfsten Radius und reicht unter dem Frucht- und Gefäfshofe über diese beiden hinaus. Der Gegensatz zwischen centralem Embryonaltheil und excentrischem Hüllentheil, mangelt ihm eben so wenig, als den beiden übrigen Blättern der Keimhaut. Nur wird er hier später, als bei diesen deutlicher marquirt und ist daher zuerst minder leicht kenntlich. Die Individualisirung des Embryo- ' Darm und Gekröse. 427 naltheiles giebt sich hier nur durch zwei aus einem Acte hervor- gehende Momente zu erkennen, nämlich durch Elevation und Abschnürung. Dieses ist aber nur dadurch möglich, dafs er sich in eia röhrenförmiges Gebilde umwandelt. Da auch das Schleira- blatt in seinem centralen Theile in eine Epidermisschicht und eine Substanzschicht wahrscheinlich zerfällt, so entsteht zuerst aufser den Anlagerungen der Epidermisschicht an die innere Ober- fläche des unteren Centralrohres des serösen Blattes und die obere Fläche der Substanzlage des Schleimblattes selbst eine Rinne der Epidermisschicht, deren beide Seitenwände mit einander zu dem Gekröse verwachsen. Die Substanzlage des Schleimblattes (ver- bunden mit einem Theile der Epidermislage desselben) schliefst sich zu einem Rohre, welches den allergröfsten Theil des zukünf- tigen tractus intestinorum darstellt. Dieses wäre die primäre Bildung des Schleimblattes, an dessen Darstellung wir noch die Genese zweier vielleicht z. Tbl. hierher gehörender Organtheile an- knüpfen werden, nämlich des Zwergfelles und des sympatischen Ner- ven, Aufserdem entsteht aus dem primär gebildeten Darmrohre eine Reihe secundärer Bildungen, welche sich auf folgende allge- meine Gesichtspunkte reduciren lassen, a. Einfurchungen des se- sösen Blattes nach dem .Schleimblatte hin, welche dieses an be- stimmten Stellen endlich erreichen und sich mit ihm in unmittel- bare Continuität setzen. Aeufsere Nase, Mund, Kiemenspalten, After, b. Blastematische Ausstülpungen, Kehlkopf und Lungen. Anhang. Schilddrüse, Thymus und Drüsen des Halses. Leber. Anhang. Milz und lymphatische Drüsen. Speicheldrüsen, c. Eine membranöse Ausstülpung, welche über den Embryonalkörper hinauswächst und eines Theils zu einem persistirenden Gebilde, anderseits zu ver- gänglichen Fötaltheilen wird, die AUantois. 1. Primäre Metamorphose des Schleimblattes. Darmrohr und Gekröse. Aus leicht erhellenden Gründen schicken wir auch hier eine kurze Darstellung der frühesten Entstehung und Bildung des Darmkanales, wie man diese beim Hühnchen beobachtet hat, vor- aus. Der erste, welcher mit unermüdlicher Geduld und gröfst möglicher Unbefangenheit diesen Gegenstand verfolgt hat, war C. Fr. Wolff. Seine Beobachtungen {de formatione intcstino- 428 Von dem Embryo. rum in Nov. Comment. Petrop. Tom. XII. und Tom. XIII.) wurden vorzüglich in den Jahren 1764 — 66 veranstaltet. Allein man berücksichtigte sie weniger, als sie es verdienten, so dafs sie ausgezeichneten Mänuern, welche über diesen Hergang bei Säuge- thieren schrieben, unbekannt blieben. Erst J. Fr. Meckel (C. F. WolfF über die Bildung des Darmkanalcs in bebrüteten Hühnchen, übers, von J. Fr. Meckel. 1812. 8.) zog diese trefflichen Abbandlungen aus demStaube der Bibliotheken hervor. Die in diesen Schriften enthaltenen Beschreibungen umfassen einen Schatz genauer Beob- achtungen, welche die unterdefs oder bald nachher erschienenen Versuche von Tiedcmann, Nicolai, Niemeyer u. A. weit hinter sich liefsen. Nur drei Momente sind an ihnen auszusetzen, wo- durch sie minder brauchbar werden, wie v. Bär schon aufmerk- sam gemacht hat. 1. Die unendliche, ermüdende Wiederholung, welche mehr zu verwirren, als aufzuklären vermag. 2. Die In- constanz der Ausdrücke für die zu bezeichnenden Gegenstände, ^die Meckel zum Theil in seiner Uebersetzung noch vermehrt hat und 3. der Mangel der Unterscheidung der drei Blätter. Denn er spricht nur von einer oberen Haut, unserer Dotterhaut, und einer unteren Membran, unserer Keimhaut überhaupt lieber den Werth dieser Abhandlungen, so wie über den der übrigen Schrif- ten Wolffs hoffen wir in einer eigenen Uebersetzung seiner Schriften noch ausführlicher und specieller zu handeln. Durch die Pandersche Arbeit (Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens im Eie. 1817. fol.) wurde die Entstehung des Darm- kanals durch die specielle Nachweisung, dafs er dem Schleimblatte angehöre, in helles Licht gesetzt, v. Bär aber (über Entwicke- lungsgeschichte, Beobachtung und Reflexion. 1828. 4. und in Bur- dachs Physiol. 1828. 8.) hat die Entstehung des Darmrohres so klar beschrieben, dafs im Wesentlichen wohl kein Irrthum nach- zuweisen seyn dürfte. Nur gegen die Entstehung des Gekröses könn- ten sich einige gegründete Einwendungen machen lassen. Da uns aber jetzt (mitten im Winter) keine frischen Hühnerembryonen zu Ge- bote stehen, um dasjenige, welches wir bei früheren anderen Un- tersuchungen hierüber unvollständig gelassen hatten, von Neuem aufzunehmen und zu vollenden, so hallen wir es für zweckmäfsi- eer, vorläufig auch in der Darstellung der Genese des Gekröses von Bär zu folgen. Indefs können wir jedoch die Bemerkung nicht unterdrücken, dafs nach seiner Darstellung die Entstehung Darm und Gekröse. 429 des Theiles des Peritoneum, welches die innere Oberfläche des unte- ren Centralrobres bekleidet, unerklärt bleibt, ja kaum genügend er- klärt werden könnte. Die Scheidung des Ernbryonaltheiles der Keim- haut von dem Hiillcntheile giebt sich zuerst durch Abschnürung zu erkennen. Sobald diese in dem serösen Blatte begonnen und etwas vorgeschritten ist, senkt sich der Embryo in die peripheri- sche Partie des serösen Blattes ein, und diese selbst schlägt sich über ihn herum (siehe oben S. 277.). Da diese Umschlagung aber vorn zuerst geschieht, so entsteht hier in der ersten Hälfte des zwei- ten Tages an der unteren Fläche der Frucht eine Höhlung, welche durch das Schleimblatt gebildet wird. Diese Höhlung ist zuerst dicht hinter der vorderen Umbeugung des serösen Antheiles des Embryo blind geendigt, und geht nach hinten an dem Anfange der Umschlagsstelle in den Raum über, welcher sich zwischen Dotteroberfläche und unterer Fläche des Scheimblattes befindet. WolfT (über Bild. d. Darmkan. S. 118. u. a. m. O.) nannte diese Höhlung ybz'ra cordiaca^ Magen- oder Herzgrube nach Mcckcl, zweckmäfsiger dagegen belegte sie v. Bär (über Entw.gcsch. S. 27. bei Burdach S. 256.) mit dem Namen des vorderen Eingan- ges in den Speisekanal, "Während sich nun am Ende des zwei- ten Tages die Kopfkappe nach hinten zu verlängert, entsteht zu- gleich nach hinten die Schwanzkappe und mit ihr ebenfalls eine Grube des Schleimblattes; um diese Zeit ist auch schon die Ab- schuürung des Keimblattes von allen Seiten eingeleitet (über Entw.gesch.S. 37. bei Burdach S. 267.); denn die ßauchplatlen, wel- che mit ihren äufseren Rändern sich etwas nach unten neigten, fah. ren in dieser convergirenden Richtung fort. Die Trennung in ihre den verschiedenen Lagen entsprechenden Blätter beginnt jetzt auch deutlicher zu w^erden. Es scheidet sich nämlich eine obere Lage (seröses und Gcfäfsblalt) von einer unteren (Schleimblatt) ziemlich rasch, so dafs die Anlagerung an den beiden Bauchplatten des serösen Blattes aufhört, die an die innere Fläche der Wirbelsäule dagegen verharrt. Indem sich nun das Schleimblatt immer nach unten wölbt, an der Wirbelsäule aber angeheftet bleibt, so mufs der gelöste innere Rand der (früheren) Anheftung sich senkrecht stellen und dann als ein dunkler, von der Wirbelsäule ausgehen- der Streifen erscheinen (über Entw.gcsch. S. 40. bei Burdach S. 271.). Er verdickt sich nun und sondert sich sowohl durch einen Winkel von dem serösen, als durch einen Winkel von dem nicht 430 Von dem Embryo. verdickten Theile des Gefäfsblattes. Der verdickte Streifen zwi- schen beiden Winkeln ist eine Gekrösplatte. Anfangs sind die beiden unteren dem übrigen ScMeimblatte näheren "Winkel von einander entfernt und es entsteht daher zw^ischen beiden Leisten eine Rinne oder ein Halbkanal, Wolffs Darmrinne. Indem nun die beiden unteren Winkel immer näher an einander rücken, schliefst sich hier die Rinne und so entsteht Wolffs Nath. Wäh- rend dies geschieht, und so die beiden Gekrösplatten an einander treten, schieben sie das Schleimblatt vor sich, so dafs dieses nach vollendeter Schliefsung nicht mehr zwischen, sondern unter ihnen befindlich ist; zwischen ihnen liegt vielmehr dann nur ein An- theil des Gefäfsblattes (über Entw.gesch. S. 43. bei Burdach S. 272.). Nun rückt die Verwachsung der Gekrösplatten von vorn (unten) nach hinten (oben) vor und wird im Laufe des dritten Tages im Allgemeinen vollendet. Es entsteht ein Gekröse, wel- ches um diese Zeit zuerst gleichmäfsig von dem vordersten bis zu dem hintersten Ende des Darmrohres verläuft, bald jedoch et- was hinter der Mitte des Rumpfes rascher wächst, als in der übrigen Länge. Nach der Schliefsung der Nath erhebt sich jeder- seits ein Streifen des Gefäfs- und Schleimblattes, welche Streifen in der Mittellinie an der Nath des Gekröses zusammenstofsen und einen Halbkanal, das noch offene Darmrohr, darstellen. Die bei- den Streifen nennt B. Darmplatten und die zwischen ihnen be- findliche Rinne Darmrinne. Indem nun die Enden der Kopf- und Schwanzscheide mehr einander entgegen rücken und das Schleim- blatt immer mehr dadurch in den Embryo hineingezogen wird, schliefst sieh die Darmrinne vorn sowohl, als hinten zu einem wahren röhrigen Gebilde. So hat am Ende des dritten Tages nur ein Drittheil des Speisekanales die Form einer Rinne, wel- chen Theil Wolff den Mitteldarm nennt (üb. Entw.gesch. S. 44 — 46. bei Burdach S. 273 — 76.). Am folgenden Tage stellen sich Rachenhöhle, Speiseröhre, Zwölffingerdarm und Magen geson- derter dar (über Entw.gesch. S. 60. bei Burdach S. 290.). Die Darmrinne schliefst sich an diesem und dem folgenden Tage im- mer mehr, indem die Kopf- und Schwanzkappe nebst den Seiten- kappen immer näher an einander rücken und so der Nabel durch Schliefsung der Bauchplatien gebildet wird. Nur ein kleiner Theil des Darmes hat noch die Form einer Rinne und selbst dieser schon an beiden Seiten gewölbte Wandungen. Durch die oben beschriebene Darm und Gekröse. 431 Trennung der Baucliplatten in eine obere und untere Lage war der erste Antrieb zur Entstehung der Bauchhöhle gegeben. Sie ist daher Anfangs jederseits offen und wird um so mehr geschlossen, je mehr der Nabel sich ausbildet, indem zugleich die Trennung immer fortschreitet und das Gekröse sich vergröfsert (Entw.gesch. S. 68. bei Burdach S. 298.). Der Speisekanal ist an dem vierten Tage noch ganz gerade. Nur der mit der offenen Rinne versehene Theil liegt tiefer, indem sich hier das Gekröse vergröfsert hat. In dem vorderen Eingange liegt nach vorn die Rachenhöhle, hin- ter dieser die kurze Speiseröhre und hinter ihr eine Erweiterung der noch in der Längenaxe befindliche Magen, zuletzt endlich das duodenum, welches sich erweiternd in den vorderen Eingang der Speiseröhre ausläuft. Diese Rinne ist ^ Linie lang. Im hin- teren Theile des Speisekanals findet sich der dicke Darm nebst seinen beiden Blinddärmen und der von ihm sonst nicht unter- schiedene dünne Darm (üb. Entw.gesch. S. 70. bei Burdach S. 300.). Die Lücke im Gekröse hat sich indefs verengt (üb. Entw. gesch. S. 71. bei Bnrdach S. 301.). Am fünften Tage gewinnt nun das Gekröse in der Mitte an Ausdehnung, so dafs die beiden Darmhälften mit einander einen scharfen Winkel gegen den Dot- tergaug (den verengerten Nabel) machen. Die übrigen Theile des Darmkanales individualisiren sich immer mehr (üb. Entw.gesch. S. 80. bei Burdach S. 312.). Es scheidet sich der Vormagen von dem Magen- Der Darm bildet hinter dem Magen eine den Zwölffingerdarm enthaltene Schlinge und hinter dieser eine zweite Schlinge, welche aus zwei gleichen, einfachen Bogen besteht. Der erstere ist der vordere Theil des Dünndarmes, und der Dick- darm, an welchem sich jetzt rasch die Blinddärme weiter ent- wickeln (üb. Entw.gesch. S. 96. bei Burdach S. 325.). Nun ver- längert sich die vordere Hälfte des Dünndarmes, so dafs ihr Bo- gen nicht mehr einfach bleiben kann, der dicke Darm dagegen ist viel weiter, als die dünnen Gedärme. Am Halse bildet sich der Kropf als eine blasige Erweiterung (üb. Entw.gesch. S. 111. bei Burdach S. 34=0. 41.). Endlich scheiden sich die einzelnen Theile des Darmkanales noch deutlicher von einander und bilden auch an ihrer inneren Fläche, Unebenheiten, so wie in sich ihre verschiedenen histiologischen Charaktere vollständiger aus. Es entsteht nun zuvörderst die Frage, welches ist bei den Säugethieien der analoge Theil, aus dem die primäre Bildung des 432 Von dem Embryo. Darmrohres hervorgeht, oder wie ist die Conformation des Schleim- blattes in der höchsten Thierklasse bei den ersten Momenten der Entwickelung beschaffen. Da es an Beobachtungen der Säugethier- embryonen der allerersten Zeit der Entwickelung gänzlich fehlt, die Zahl derselben aus den frühsten Stadien der Evolution, besonders solcher, welche mit Sicherheit zu wissenschaftlichen Resultaten zu benutzen sind, gering ist, so ist natürlich den Con- jecturen hier das Feld geöffnet. Daher wird auch eine Reihe sich vielfach widersprechender Angaben gefunden, welche weniger, wiewohl auch zum Thcil auf differenten Erfahrungen beruhen, als darin ihren Grund haben, dafs man von bestimmten gesehenen Stadien einer frühen Entwickelung auf verschiedene Weise rück- wärts schlofs. Man mufs aber hier zwei Ansichten unterscheiden, aus welchen die hauptsächlichsten Angaben hervorgingen. Die einen nämlich, welche nur dasjenige annahmen, was sie aus spä- teren Stadien der Entwickelung wirklich gesehen hatten, wurden von manchen unläugbar hier sich zeigenden Eigenlhümlichkeiten so geblendet, dafs sie die spezielle Analogie mit dem Vogel we- niger berücksichtigten, als sie es in der That verdiente und ihre freilich frühen Embryonenbildungen für früheste auszugeben kei- nen Anstand nahmen. Andere dagegen verfielen in ein anderes Extrem. Sie parallelisirten, bewufst oder unbewufst, den Vogel mit dem Säugethiere in dieser Rücksicht völlig, und sprachen daher mit Bestimmtheit Sätze aus, welche jedenfalls unbegründet, zum Theil aber auch ganz falsch waren. Als einer mittleren und wahreren Richtung angehöi'ig kann endlich die Zahl derjeni- gen angesehen werden, welche die Aehnlichkeiten sowohl als die Verschiedenheiten zwischen Vögeln und Säugethieren in Betrach- tung zogen und so weder den allgemeinen Typus noch die spe- ziellere Individualität unberücksichtigt liefsen. Vor Allem ist es hier zu bestimmen noth wendig: Welches ist der Dotter der Säugethiere? Wie er in dem Eie sich ver- halte, ist schon oben abgehandelt worden. Wir müssen aber hier den Faden von Neuem wieder aufnehmen, um zur klaren Einsicht dieses Verhältnisses zu gelangen. Bei den Vögeln, so wie bei den niederen Thierklassen ist der Dotter die Nahrungsflüssigkeit der Frucht und zwar der gröfste Theil derselben, indem ein im Ganzen geringerer Antheil von Ernährungsstoffen durch die Res- piration des Eies hinzugefügt wird. Nicht so bei den Mamma- lien. Darm und Gekröse. 433 lien. Hier ist früher die Ei- und später die B'ötusrespiration nicht blos wesentlicher Charakter der ganzen Thierklasse, sondern das vorzüglichste Vehicel zur Ausbildung und dem Wachsthume der Frucht. Wenn sie daher in den niederen Thierklassen nur acces- sorisch und mehr neben der Dotterassimilation auftrat, so über- wiegt sie bei den Säugethieren und dem Menschen diese so sehr, dafs die Letztere vielleicht nur in der allerfrühesten Zeit von bedeutenderer Wichtigkeit ist. Dieses sowohl, als die frühere selbstständige Stellung des Säugethier- und Menschenembryo, sind aber zwei wesentliche Momente, welche gi'olse Differenzen hervorzubringen im Stande sind und in der Thal auch bald her- vorbringen. Denn wenn in den niederen Thierklassen der Dot- ' ter mit der Leibesmasse des Embryo in enge oder engste Berüh- rung tritt, zuletzt sogar in dieselbe aufgenommen wird, so ist hier das Verhältnifs gerade das umgekehrte. Wahrscheinlich schon während oder bald nachdem der centrale Theil des Schleim- blattes sich abschnürt, fliehen sich Embryo und Dotter und zwischen beiden zieht sich ein immer länger und dünner werdender Communi- cationskanal aus. Hiermit schwindet auch jede höhere unvermittelte Thätigkeit des Dotlers. Er verzehrt sich, die Wandungen seiner Blase fallen zusammen und der Dotiersack mit seiner Verbindung liegt als ein mehr oder minder unansehnliches Gebilde zwischen den anderen schon so bedeutenden Ei- und Fötushüllen, vorzüg- lich zwischen Chorion und Amnion. Wahrscheinlich hat in der Klasse der Säugethiere und in dem Menschen der Dotter nur so lange wesentlichen und bedeutenden Einflufs auf die Ernährung und das Wachsthum des Embryo, als das Ei lose in den Tuben oder dem Fruchthälter liegt und mit den Wandungen des letzte-, ren noch nicht in jene unmittelbare innige Berührung getreten ist, welche wesentliche Eigenthümlichkeit des Fruchtlebens der Säuge- thiere genannt werden kann. Das aufser der AHantois vorkommende rundliche, durch einen mehr oder minder langen Strang mit dem Embryo verbundene Gebilde , welches später zwischen Chorion und Amnion sich be- findet, nennt man bekanntlich Nabelblase, Kesicula umhilicalis, allgemein bei dem Menschen. In der Klasse der Säugethiere hat man dieses Organ zum Theil auch mit dem Namen der vesicula erythroides bezeichnet (über Pockels Vesicula erythroides bei dem Menschen siehe oben Abschnitt Ei S. 134 — 136.). Es kom- 28 434 Von dem Embryo. men hier aber folgende Momente in Betracht, a. Der Inhalt des Dotters, b. Die Verbindung mit dem Fötus und c. die Natur der Wandungen oder Hüllen. a. Der Inhalt des Nabelbläschens, der Dotter. — Die mei- sten Naturforscher, welche sehr frühe Eier der Säugethiere und des Menschen zu untersuchen Gelegenheit hatten, haben doch in ihrer Ausbildung schon zu weit vorgerückte Früchte vor sich gehabt, als dafs sie den Embryo mit dem Dotter in unmittelba- rem Zusammenhange noch befindlich hätten sehen können. K. E. V. Bär war hierin der glücklichste und auch bis jetzt der ein- zige, der das den Vögeln völlig analoge Verhalten des Säugethier- embryo in allerfrühester Zeit zu beobachten Gelegenheit hatte Er sah nämlich {de ovi mammalium et hominis Genesi. 1827. 4. p. 2. ) bei vier Linien langen Hundeembryonen den Embryo auf dem grofscn Dottersacke, Darmsacke, Kcsieula umhilicalis s. erythroides völlig aufliegeo, gerade so wie es bei dem Hühn- chen am zweiten bis dritten Tage der Fall ist. Der Dotter selbst war gelblich, die denselben umkleidende und einschliefsende Haut war gelblich und an ihrer inneren Oberfläche ungleich zottig (Bur- dachs Physiol. II. S. 484.) und mit Körnern bestreut (Bär de ovo 1. c). Früher noch, als die Dottermasse selbst sich bedeutend verrin- gert, scheint schon die Trennung des Embryo von dem Dotter- sacke j wenigstens bei mehreren Säugethieren, zu beginnen. Die Masse selbst ist dann dem Aeufseren nach dem Dotter zwar nicht unähnlich, scheint aber aufser der vielleicht schon ursprünglich existirenden Differenz neue rasche und bedeutende Veränderungen einzugehen. So bemerken Emmert und Burgälzky (Meck. Arch. IV. 5. 18.), dafs die Flüssigkeit der Darmblase arm an thierischen Stoffen sey und keine dem Dotter ähnliche Substanz enthalte, während in dem Dottersacke der Vögel gerade das Entgegenger setzte der Fall ist. Emmert und Hochstetter fanden in einem Katzenembryo von acht Linien Länge den flüssigen Inhalt der Darmblase gelb von Farbe und von salzigem Geschmacke. Mit Weingeist trübte er sich und nach dem Abdampfen liefs er einen bräunlichen Rückstand zurück (Reils Arch. X. S. ö-d.). Auch bei Hunden war er gelblich und gerinnbar. Jedenfalls aber weicht die Flüssigkeit der Darmblase von dem der übrigen Ei- und Frucht- hüllen wesentlich ab (ebendas. S. 53.). J. Hunter (Anat. des schwangeren Uterus übers, von Froriep 1802. S. 68.) fand in der späleren Periode des menschlichen Darrabläschens eine rahmähn- Darm und Gekröse. 435 liehe, leicht bewegliche Flüssigkeit; Pockels (Isis 1825. S. 1346.) in der V^esicula umbilicalis des Menschen eine klare Flüssigkeit, welche sich durch Weingeist nicht trübte. Nach Velpeau (Heu- singers Zeitschr. der organ. Physik II. S. 80.) ist diese falafsgelb undurchsichtig, von der Consistenz einer etwas dickeren Emulsion bald flüssiger und lieller, bald dicker und undurchsichtiger. Bis- weilen enthält sie geronnene Klumpen, dem gekochten in einer wenig gefärbten Flüssigkeit schwimmenden Dotter der Hühnereier nicht unähnlich. Joh. Müller {de ovo humano p. 13. Meckels Arch. 1830. S. 430.) sah das Nabelbläschen in einem fünf Linien langen Embryo mit einer weifsen dichten Materie gefüllt. — Wir selbst haben in sieben bis achtwöchentlichen menschlichen Früch- ten, welche längere Zeit schon im Weingeist aufbewahrt waren, eine geringe Quantität einer gelblichen, körnigen Masse gefunden, welche unter dem Microscope wie gekochter Dotter nur entfernt aussah. Jedenfalls dürfte sich aus den bisherigen sicheren, aber sparsamen Erfahrungen so viel ergeben, dafs der Dotter der Säuge- thiere zwar functioncll in frühester Zeit dem Dotter der Vögel gleich ist, in seiner äufseren und chemischen Beschaffenheit dagegen auf eine eigenthümliche und wesentliche Weise von diesem abweicht, Mehreres hierüber siehe oben in dem Abschnitte von dem Eie. Die Existenz des Nabelbläschens ist allen Säugethieren gemein. Doch war auch diese Behauptung Gegenstand des Streites. Was den Menschen betrifft, so erklärte es Oslan- der (Salzb. medizin. chirurg. Zeit. 1814. S. 415.) für eine krank- hafte Erscheinung und bald nach ihm läugneten Döllinger und Samuel {de ovorum mainvialium velamentis. 1816. 8. p. 82.) seine Anwesenheit in der Klasse der Wiederkäuer. Allein alle nachfolgenden Beobachter, selbst Döllinger (siehe Meck. Arch. 11. S. 401.) haben später die paradoxe Osiandersche Behauptung nicht bestätigt gefunden, so dafs wohl jetzt kaum Jemand seyn dürfte, welcher an der Existenz der Nabel- oder Darmblase in normalen, sehr frühzeitigen Früchten mit Ernst zweifelte. — Die äufsere Form der Darmblase ist bei den verschiedenen Säugethieren ver- schieden (vergl. Cuvier in Mem. de Museum d'hist. not. Tom. in. p. 114 — 138.). So beschreiben sie Emmert und Hochstetter (Reils Arch. X. S. 56.) bei den Wiederkäuern, wo sie sehr zei- tig schwindet, als ein dünnes mit vielen Blutgefäfscn durchzoge- nes Bläschen und Bojanus (Meck. Arch. IV. S. 44.) bei jungen 28* 436 Von dem Embryo. Schaafembryonen in ihren Ueberresten als einen länglichen Strang jederseits, welcher einen Knoten vor (unter) dem Unterleibe bil- det und dann in diesen eintritt. Doch mag in dem letzteren Falle vielleicht eine Verwechselung mit der zusammengefallenen und ihres Inhaltes entleerten Allautois vorgekommen sejn. Da- gegen bildet sie Carus (Erläuterungstafeln zur vergl. Anat. Hft. II. 1831. fol. tab. IX. fig. 1. f.) in einer dem menschlichen Nabelbläs- chen nicht unähnlichen Form aus einem jungen Schaafembryo ab. Bei Schw^einen sahen sie Emmert und Hochstetter ( 1. c. S. 57. ) als ein länglich rundes, mit gelblicher Flüssigkeit gefülltes Säckchen, welches später etwas länglicher und zusammengefallen sich zeigte. Bei Pferden /and sie (1. c. S. 59.) sich von birnförmiger Gestalt, so dafs ihre Längenaxe mit der der Nabelschnur parallel lief. Sie enthielt eine gelbliche, dem Ohrenschmalz ähnliche Masse und hatte auf der Oberfläche viele der Länge nach verlaufende Falten. In der Katze dagegen ist sie nach ihnen (1, c. S. 61.) bei acht Linien langen Embryonen in der Mitte bauchigt erweitert, ge- gen beide Enden verengert und strotzt von Flüssigkeit. Sie ist gröfser, als der Embryo und liegt in der Längenaxe des Eies. Bei Hunden hat sie Bojanus (A^ov. Act. Ac. IV. C. Tom. X. p. 139' — 152.) als einen länglichen, cylindrischen, in der Längenaxe des Eies befindlichen und dem Embryo parallelen Sack beschrie- ben und abgebildet (fig. 4.) und Emmert und Hochstetter (1. c. S. 63.) beschreiben sie an Hundeembryonen von 5 — 6 Zoll Länge als einen 1 Zoll im Querdurchmesser haltenden und in der Mitte erweiterten, gegen die Enden aber verengerten Sack, welcher schon bei vier Linien langen Embryonen fast dieselbe Gestalt hatte. Bei einem reifen Fledermausfötus dagegen fanden sie (1. c, S. 65.) den Sack zusammengefallen und, wenn er aufgeblasen wurde, von ovaler gegen die Enden zugespitzter Form. Bei den Nagern end- lich glaubten sie einen breiten Streif des Chorion dafür halten zu müssen, und Cuvier (1. c. S. 119.) folgte ihnen hierin nach. Schon Needham {de formato foetu. 1668. 8. p. 66.) soll diese Ansicht gehabt haben. Doch scheint mir dieses nicht deutlich genug aus seinen Worten hervorzugehen. Allein G, R. Trevira nus (die Erscheinungen und Gesetze des organ. Lebens. Tbl. I. 1831. S. 90.) hat auch in dieser Thierklasse ein eigenes Bläschen entdeckt, welches er für das wahre Nabelbläschen der Nagethiere hält. (Ueber noch einige Formen der Nabelblase s. Oken Beitr Darm und Gekröse. 437 S. 39 fg.) Bei dem Menschen ist es bis jetzt noch nie geglückt, einen so zeitigen Embryo zu untersuchen, dafs dieser oder viel- mehr die Keimhaut unmittelbar auf dem Nabelbläschen, dem Dot- ter, auflag. Am nächsten kommt noch der in der neuesten Zeit von J. Müller beschriebene Embryo diesem Zustande (vgl, den Ab- schnitt von dem Eie S. 100. 101.). Man hat es bis jetzt nur immer von dem Embryonalkörper entfernt und durch einen mehr oder min- der langen Stiel mit demselben verbunden gesehen. Dieser Letz- tere ist anfangs kürzer und dicker und verläuft mehr unmittelbar in die Hüllen des Nabelbläschens, je jünger der Embryo ist. Die am meisten zur Ansicht zu empfehlenden Abbildungen des mensch- lichen Nabelbläschens sind folgende: Albini acad. adnott. Uhr. I. tob. I. fig. 12. Hunter anat. uteri h. gravidi tab. 33. fig. 6. tab. 34. ßg. I. 2. Wrisberg descr. anat. embr. ßg. 2. 3. BJumenbach specimen phystologiae eomparatae ßg. 1. Soem- mering icones embr. huni. tab. L ßg. 2. Kieser der Ursprung des Darmkanales aus der vesicula umbiliGalis dargestellt im menschlichen Embryo. 1800. 4. tab. 2. fig, 1 — 3. Meckel in sei- nen Beiträgen zur vergl, Anat. tab. 5, und in seinem Archiv III, tab. 1. Samuel praeside Doellinger de ovorum mammalium velamentis. 1816. 8. ßg. 1 — 3. Pockels in der Isis 1825. tab. XII— XIV. Joh. Müller in Meckels Arch. 1830. tab. XI, fig. B. A. und vorzüglich fig. 11, und 11 f, b. Die Verbindung des Nabelbläschens mit dem Embryo gab. zu Verschiedenheiten der Ansichten Veranlassung, welche erst in der neuesten Zeit ausgeglichen wurden. So viel war ausgemacht, dafs die Nabelblasc an einem Faden hange, der sich an dem Em- bryonalkörper selbst ansetzt. Allein wie er sich mit diesem ver- binde und was er eigentlich sey, wurde verschieden berichtet. 1. Nachdem Albinus schon den Faden beschrieben hatte, unter- suchte ihn W^risberg (descr. anat. embr. h. p. 19.) in einer zehn- %vöchentlichen Frucht genauer und fand, dafs er genau genommen aus zwei Fäden bestehe. Diese gelangen mit einander verbunden in den Nabelstrang und sind so lange spiralig gedreht, als sie von dem End- punkte des Nabelbläschens aus mitten im Nabelstrange verlaufen, sobald dieser sich aber in den Bauch inserirt, weichen sie aus- einander, und verlaufen getrennt zwischen den Windungen der in dem N.'^belslrange z. Th. noch enthaltenen Gedärme. Der eine Faden inserirt sich in das Mesenterium, der andere in die Membran, 438 Von dem Embryo. welche das diiodenum da umgiebt, wo das Pancreas sicli mit ihm verbindet. Späterhin (s. Hallers Gruudrifs der Physiol. übers, v. Leveling Bd. 2. S. 677.) gelang es Wrisberg das früher Gesehene zu bestätigen und bei Injection des einen Embryo das kleine Fäd- chen mit zu füllen. Es war eine aus dem Netzgefälse in den Nabelstrang verlaufende Arterie, welche sich mit feinen Zweigen in das Zellgewebe und über das Bläschen verbreitete. Lohstein (üb, die Ernährung des Fötus übers, von Kastner. 1804. S, 63.) erklärte hierauf bestimmt, dafs die Verbindung des Nabelbläschens mit dem Fötus nichts als verwachsene oder offene Blutgefäfse seyen. 2. Die Selbstständigkeit des Verbindungsfadens hatte W. Hunter (Anat. des schwangeren Uterus S. 68.) gewissermafsen schon durch seine Beobachtung vindicirt, dafs die in dem Nabel- bläschen enthaltene Flüssigkeit durch Druck sich in den Faden hineinbefördern lasse. Von theoretischer Seite hatten Blumen- bach {specivien physiol. comp. p. 10. und Handbuch der vergl. Anat. 1815. 8. S. 289.) und Sömmering (Hallers Physiol. S. 800.) dasselbe stillschweigend vorausgesetzt, indem sie die Analogie des Nabelbläschens mit dem Dottersacke der Vögel aussprachen. Oken (Beitr. zur vergl. Zoologie, Anatomie und Physiologie 1806. 7. 4.) stellte, nachdem er schon früher (die Zeugung. 1805. 8. S. 150.) die Existenz eines wahren ductus intestinalis bei den Säu- gethieren vertheidigt hatte, die Behauptung auf, dafs der Darm- kanal aus dem Nabelbläschen entstehe. Einer der hierher gehö- rigen Cardinalsätze war der, dafs der Darm eine unmittelbare Fortsetzung des Nabeibläschens sey (S, 3. S. 78.). Doch findet sich nirgends ein stringenter Beweis für die Communication der Hölllungen beider, da das Eindringen der eingeblasenen Luft in die Bauchhöhle nur Folge von Ruptur seyn kann. Durch J. Fr. Meckels Bemühungen (Beitr. Tbl. L Hft. L No. V, und vorzügl. Arch. in. S. l — 53.) wurden theils manche von Oken aufge- stellte Irrthümer berichtigt, theils auch die unmittelbare Commu- nication der Höhle des Darmrohres mit der der Nabelblase durch den hohlen Faden oder Zwischengang bestimmt dargethau und abgebildet, ünterdefs aber hatten Kieser (der Ursprung des Darm- kanales 1810. 4.) für, Emniert und Hochsletter aber (Reils Arch. X. S. 75.) zum Theil gegen die Okensche Ansicht gesprochen, indem die Letzteren jede Communication der Höhle des Nabelbläs- chens mit der Höhle des Darmkauales läugnetcn. Als eifriger Darm und Gekröse. 439 Anhänger der Letzteren zeigte sich Fleischmann (Leichenöffnungen. 1815. 8. S. 20.). Bojanus wies nun die offene Communicatlon der Nabelblase mit der Darmhöhle an vierundzwanzig Tage alten Hundeembryonen deutlich nach {ISov. N. C. tom. X. fig. 4. 7. 9.). Velpeau (Heusingers Zeitschr, IL S. 79.) berichtete sogar, dafs er Flüssigkeiten aus dem Nabelbläschen in den Darmkanal übergetrie- ben habe. Eine vorzüglichere und solidere Stütze erhielt aber die früher schon vielfach ausgesprochene Ansicht, dafs die J^esicula um- bilicalis dem Dottersacke analog sey, durch v. Bars schöne Beob- achtung an einundzwanzig Tage alten Hundeembryonen {^de ovo mammal. 1827. 4. p. 2. fig. 7.), so dafs also die Annahme einer freien Conimunication zwischen Nabelblase und Darmrohr unmit- telbar sich daraus ergab. Von Letzterem hatte sich aufserdem V. Bär (Burdachs Physiol. II. S. 484.) noch in Schweinen und dem Menschen mit Bestimmtheit überzeugt. Joh. Müller {de ovo hivmano atquc emhvyone humano. 1830. 4. p. 4. und Meck. Arch. 1830. S, 415 — 417.) beschrieb die Nabelblase und den Communicationsgang, den er passend mit dem Namen des duc- tus omphalo-entericus bezeichnet, aus einem, wie es scheint, völlig normalen, überaus frühen menschlichen Embryo und stellte seine Conimunication mit dem Darmkanale aus einer etwas älte- ren Frucht dar, indem er sich noch aufserdem bestimmt über- zeugte, dafs der ductus omphalo-entericus unabhängig von den Blutgefäfsen der Nabelbiase esistire {de ovo p. 13. Meck. Arch. S. 431.). Mayer {ic. musei anat. Bonnens. 1831. fol.) stellte sie endlich aus späteren Perioden der Schwangerschaft dar, pflich- tete aber merkwürdiger Weise der Emraertschen Ansicht bei, während Bischoff mit Recht die entgegengesetzte Meinung ver- theidigte. Es läfst sich nach dem bisher gegebenen wohl kaum bezweifeln, dafs das Nabelbläschen der Dottersack und der duc- tus omphalo-entericus der Dottergang der Vögel sey. Für diese Analoirie halte im vorigen Jahrhundert, nachdem Needham schon einige Andeutungen geliefert, Blumenbach und Sömmeriug sich öffentlich erklärt und sie hatten eine gröfsere Anzahl von Nach- folgern als Gegnern erhalten. Eramert (Reils Arch. X. S, 69 — 72. und Meckels Arch. III. S. 15—24.) und Meckel (s. Arch. HL S. 10.) haben die Analogien sowohl, als die Verschiedenheiten aufzuhellen gesucht, wiewohl sie bei den Letzteren auch einige unwesentliche Momente zu sehr hervorhobenc Eine kurze Dar- 40 Von dem Embryo. Stellung des Herganges, wie er wahrscheinlich bei den Säugethie- ren Statt findet, wird uns den Weg bahnen, den folgenden Punkt, die Häute der Nabelblase deutlich zu erkennen. Bei der verhält- nifsmäfsig so überaus grofsen Kleinheit der Eier scheint bei den Säugethieren sowohl, als bei dem Menschen die Keimhaut zwar absolut ebenfalls sehr klein, doch relativ über eine gröfsere Fläche des Dotters verbreitet zu seyn, als bei den Vögeln. Die Abschnürung des Embryo von dem Dotter scheint hier sowohl früher, als voll- ständiger und rascher zu erfolgen, als bei den Vögeln. So sah v. Bär bei einundzwanzig Tage alten Hundeembryonen den Embryo nur we- nig von der Darmblase entfernt, während diese bei Bojanus Em- bryonen von vierundzwanzig Tagen ihre Gestalt schon verändert und ihre Entfernung von dem Embryo sich merklich vergröfsert hatte. So bemerkt auch Meckel (Anat. IV. S. 296.), dafs anfangs das Nabelbläschen bis dicht an die vordere BauchQäche des Embryo reiche. Je mehr sich nun aber der Dotter von dem Embryo entfernt, um so gröfser wird auch der ductus omphalo-entericus. Bei dem Menschen mufs dieses schon vor Ablaufe des ersten Mo- nates der Schwangerschaft der Fall seyn, da alle Beobachter um diese Zeit den ductus mehr oder minder lang gefunden haben. Wenn wir annehmen, dafs die erste Ausbildung des Embryo in den Anfang der dritten Woche fällt, so mag die energische Abschnürung und Entfernung desselben von dem Dotter der ersten Hälfte der vier- ten Woche angehören, wiewohl mit der weiteren Entwickelung der Frucht die Entfernung und mit ihr die Dünne des ductus omphalo- entericus immer mehr zunimmt. Fragen wir nach den drei Blättern der Keimhaut, so bildet, der Analogie nach zu schliefsen, das Schieim- blatt die innerste Lamelle des Nabelbläschens und des ductus om- phalo- enter. \ auf einem Theile der Oberfläche des Nabelbläs- chens verbreitete sich das Gefäfsblatt als Gefäfshof und über die- sem läge vielleicht theilweise das seröse Blatt. Die wenigen fragmentarischen Beobachtungen, welche wir hierüber besitzen, stimmen auch hiermit überein, denn c. Während die meisten übrigen Beobachter es gänzlich über- gehen, ob das Nabelbläschen aus einer oder aus mehreren La- mellen bestehen, so bemerken Emmert und Hochstetter ausdrück- lich (Reils Arch. X. S. 55.), dafs die Blutgefäfse des Nabelbläs- chens (Gefäfshof, peripherischer Antheil des Gefäfsblattes) durch- aus nicht frei liegen, sondern zwischen zwei Blättern enthalten Darm und Gekröse. 441 zu seyn scheinen. Das obere entspräche dann dem serösen Blatte oder der Dotterhaut und das untere dem Schleimblatte, die mitt- lere Gefäfsverbreilung dagegen dem Gefäfsblatte. Da diese drei Blätter ebenfalls in dem an dem Embryo anliegenden Theile des gan- zen ductus omphulo-entericus wahrscheinlich wiederkehren, so setzt sich die äufsere Lamelle vermuthlich in die Bauchplattcn, die in- nere dagegen in das Bauchrohr fort. Fassen wir nun noch schliefslich die Analogie des Säugethieres mit dem Vogel und ihre Verschiedenheiten ins Auge, so erhalten wir folgende nach den jetzigen Erfahrungen wahrscheinlich unbezw^eifelt richtige Momente: 1. Beide Thierklassen haben einen Dotter, welchem in al- lerfrühester Zeit die Keimhaut unmittelbar aufliegt. 2. Der Dotter der Vögel unterscheidet sich aber von dem Dotter derSäugethiere durch äulsere sowohl, als durch chemische Eigenschaften. Aufserdem ist ihre absolute Gröfse und wahr- scheinlich ihre relative (in Bezug auf die Keimhaut) verschieden. 3. Die Abschnürung des Embryo von dem Dotter fällt bei den Säugethieren zwar in dasselbe Stadium der Ausbildung, wie bei den Vögeln; allein 4. Die Entfernung des Embryo von dem Dotter erfolgt bei den Säugethieren viel rascher und ist bei ihnen -weit vollständi- ger. Wie überhaupt der Embryo der höchsten Thierklasse seine frühere höhere Individualität schon dadurch beurkundet, dafs er sich (durch den Nabelsti-ang) von dem mütterlichen Körper mög- lichst weit hinwegbegiebt, so ist dies auch mit seinem früheren EinährungsstofFe, dem Dotter, der Fall. Es wäre interessant zu wis- sen, ob die gröfste Länge der Nabelschnur und des ductus omphaJo< entericus in der Reihe der Säugethiere einander parallel laufen. 5. Die Ausbreitung des Gefäfsblattes als Gefäfshof scheint bei den Säugethieren gröfser zu seyn, als bei den Vögeln. In den Klassen der Säugethiere geschieht dieses im' Allgemeinen durch eine Arterie und eine Vene; im Pferde dagegen kommen zwei hierher gehörende Arterien vor. 6. Der Dotter selbst persistirt bei den Vögeln weit länger und wird zuletzt, was bei den Säugethieren nie der Fall ist, in den Embryonalkörper hineingezogen. Das Terminalgefäfs scheint bei beiden zu gleichen Stadien zu schwinden, der Gefäfshof dagegen bei den Säugethieren, wenigstens bei einigen, verhäitnifsraäfsig länger zu verharren, als bei den Vögeln. 442 Von dem Embryo. 7. Der Dölter kann in beiden Klassen unmittelbar von dem Embryo aufgenommen werden. Bei den Säugelhieren gescbiebt dieses nicht, wie es früher von Burdaeb einmal irrtbümlicb ange- geben wurde, dnrcli den ürachus, sondern durcb den ductus om- phalo - entericus. 8. Die augeblicb verschiedenen Lagenverhältnissc des Dot- tersackes und des Nabelbläschens zu den übrigen Ei- und Frucht- hüllen ergeben sieb von selbst. Das Chorion umschliefst bei den Säugethieren sowohl, als bei den Vögeln die Frucht und die Frucht- hüllen. Bei den Vögeln dagegen, wo der Dottersack einen sehr grofsen Umfang hat und der Dottergang überaus kurz ist, wo also das Amnion keine verhältnifsmäfsige so grofse Extension in Rücksicht der Chorionhöhle haben kann, liegt das Letztere mehr vor und über dem Dottersacke. Bei den Säugethieren dagegen, in welchen das kleine Nabelbiäschen mit einem verhältuifsmäfsig sehr langen ductus omphalo-enter. versehen ist, liegt es deutlicher zwi- schen Amnion und Chorion. Im Grunde genommen ist aber das Ver- hältnifs bei beiden dasselbe. Das Chorion uraschliefst in beiden Klassen die Frucht und die FrucbthüUen (Dottersack, Amnion und AUantois). Die Lelzteten gehen sämmllich von der Nabelöffoung aus, und zwar das Amnion in gröfster Extension um den bei Wei- lern ausgedehntesten Theil der inneren Fläche des Chorion, der Dottersack (relativ zur Lage des Embryo) mehr nach unten, die AUantois dagegen nach hinten und zuletzt nach oben. Wir kommen nun ziir Eutwickelungsgescliichte des Darmka- nales selbst, d. h. zur Darstellung der primären Entwickeluug des Schleimblattes in der Klasse der Säugetliiere. Wie es oben von den Vögehi berichtet wurde, dafs dui-ch Hineinziehen des Schleimblattes in die Höhle des Embryo zuerst eine vorn und hinten eindringende Grube, welche in der Mitte durch eine dem Dotter zugekehrte Rinne verbunden ist, sich bildet, so findet die- ses nicht minder bei den Säugethieren Statt. Diesen sehr IVü- hen Zustand hat von Bär {de ovo p. 4.) bei seinen vier Linien langen Hundeembryonen gefunden und (fig. VIL a.) abgebildet, so wie durch eine schöne Durchschnittszeichnung (fig. VIL 6.) er- läutert. Die Abschnürung geht nun rasch von hinten nach vom sowohl, als von vorn nach hinten vor sich, so dafs bald der Darm- kanal ein einfaches langes, nur durch eine kleine Mündung mit dem ductus oviphalo-entericus verbundenes Rohr darstellt. AI- Darmkanal. 443 lein in ihm sowohl als dem Gekröse geht bald eine wichtige, auch in der Klasse der Vögel nicht fehlende Veränderung vor. Je mehr er sich nämlich von dem Dotter entfernt und abschliefst, um so mehr wird er mit seinem mittleren Theile, durch den er mit dem Dotier zusammenhängt, gegen diesen gleichsam hin und von dem übrigen Theile des Embryo abgezogen. In dem Darme ent- steht daher eine winkelförmige Einbiegung und in dem Gekröse an der entsprechenden Stelle eine Vergröfserung. Besonders aber wird das Letztere hier länger und breiter. Diesen Zustand des Darm- kanales hat man schon vielfältig bei dem Menschen und den Säu- gethieren beobachtet. Wir führen nur einige deutliche, hiervon gegebene Abbildungen an, um das Verhältnifs durch Vergleichen derselben anschaulicher machen zu lassen. S. Meck. Arch. III. 1817. tab. I. fig. 2—4. tab. 2. fig. 1. (Mensch) 1830. tab. 1. fig. 1. (Schaaf) tab. XI. fig. 1. (Mensch und Wiederkäuer) Rathke's Abhandl. Tbl. IL tab. VIL fig. 6 — 8. (Schaaf). In diesem Zu- stände des Darmkanals kann man drei verschiedene Abtheilungen an ihm unterscheiden. Der vordere gerade Theil ist der Anfangs- darm, der hintere gerade der Enddarm, der mittlere gebogene oder eingeknickte der Mitieldarm. Dieser zerfällt natüi'lich wie- derum in zwei Schenkel, nämlich in einen vorderen, mit dem Anfaugsdarmc , und einen hinteren, mit dem Enddarme in Ver- bindung stehenden. Die beiden Schenkel bilden einen mehr oder minder spitzen Winkel mit einander, weicher von dem sie ver- bindenden Gekröse ausgefüllt wird. Nun wächst der Mitteldarm immer mehr, und tritt, was z. Tb. schon, als er noch einen ein- fachen Winkel bildete, der Fall war, aus der Bauchhöhle des Embryo heraus. Denn diese ist noch zum gröfsten Theile offen, da die Bauchplatten sich noch nicht bis auf die enge Nabelring- öffnung geschlossen haben. Ein Theil des Darmes und zwar die bei Weitem gröfsere Abtheilung des Mitteldarmes liegt nun, wie man sich nicht ganz richtig und passend auszudrücken pflegt, au- fserhalb der in dem Embryo befindlichen Cavität. Wenn auch dieser Ausdruck ungeschickt ist, so ist das Factum doch imbe- zweifelt richtig, wie schon längst Emraert, Oken u. A. beobachtet und Meckel gegen Oslander und Fleischmanu vertheidigt haben. In- dem nun das Wachsthum des Mitteldarmes immer mehr fort- schreitet, kräuselt und windet er sich besonders in seinem aufser- halb der Bauchhöhle befindlichen Theile der Frucht. Die Krau- 444 Von dem Embryo. seiung geschieht zuerst an seinem vorderen Schenkel, während der hintere noch mehr gerade bleibt. Zu gleicher Zeit mit Kräu- selung des Letzteren oder kurz vorher winden sich auch die bei- den Schenkel um einander, ein Factum, welches für die Entste- hung der Netze von gröfster Wichtigkeit wir^, und auf das wir bald zurückzukommen Gelegenheit haben werden. Die Kräuse- lungen des vorderen Schenkels des Milteldarmes werden, indem dieser sich immer mehr verlängert, stets zahlreicher, während die des hinteren Schenkels ihrer Zahl nach nur gering und von mehr un- tergeordneter Bedeutung sind. Unterdefs hat sich das früher ein- fache Darmröhr, welches in seinem ganzen Verlaufe von gleicher Dicke war, in seinen Abtheilungen mehr gesondert. Zugleich haben auch die sekundären Bildungen, und zwar diese mit verschiede- nen Graden der Extensität, begonnen. Der Anfangsdarm hat sich in seinem vorderen Theile zur Speiseröhre ausgezogen und ist in seinem hinteren Theile zu dem Magen angeschwollen. Dieser ist aber anfangs nur eine der Länge nach verlaufende Erweiterung des Anfangsdarmes, und daher mit seiner kleinen Curvatur nach rechts, mit seiner grofsen dagegen nach links gewandt. Der hin- terste Theil des Anfangsdarmes geht als ein kui-zes gerade von vorn nach hinten verlaufendes und mit dem Magen mehr oder minder verschmolzenes Rohr bis zu der Stelle, wo der vordere und hintere Schenkel des Mitteldarmes seine Windung macht, und stellt so das Rudiment des künftigen Duodenum dar. Der frü- here vordere, jetzt nach geschehener Windung aber hintere Schenkel bildet die dünnen Gedärme, während der frühere hintere, jetzt aber vordere Schenkel die dicken Gedärme darstellt.- Diese bil- den zuerst einen ziemlich geraden Winkel, werden aber bald, in- dem sie sich ebenfalls vergröfsern und verlängern, mehr bogen- förmig gekrümmt, und erhalten daher einen aufsteigenden, einen kurzen horizontalen und einen absteigenden, fast ganz in der Län- genaxe der Frucht befindlichen Theil. Bei dem Menschen fallen diese Veränderungen in die achte bis zehnte Woche. Nun bildet sich jede Abtheilung des Darmkanales allmählig selbstständiger aus. Der Oesophagus verlängert sich. Der Magen wird weiter und von dem übrigen Anfangsdarme geschieden. Zugleich begiebt er sich aus seiner longitudinellen Richtung in eine mehr trans- versale, indem sein Kardiatheil nach links, vorzüglich aber sein Pylonistheil nach rechts sich wendet. Gleichzeitig mit dieser Darmkanal. 445 Veränderung verlängert sich auch das Duodenum, scheidet sich bestimmter von dem Magen und erhält allmählig seine Flexuren. Die dünnen Gedärme bilden sich immer mehr aus und nehmen die mitllerc Region des Unterleibes ein. Zu ihnen gehört auch das Caecum und der processus verinifoj^viis. Der Blinddarm war schon an ihnen in seinen ersten Anfängen sichtbar, als die beiden Schenkel des Mitteldarmes noch aufserhalb der Bauchhöhle befindlich waren. Selbstständig erscheint auch an ihm der Wurm- fortsatz. Zwar hatte Oken geglaubt, dafs der processus vermi- formis der Ueberrest der früheren Verbindung der Nabelblase mit dem Darrakanale sey. Allein genauere Untersuchungen von Emmert und besonders von Meckel und in neuester Zeit von J. Müller haben es hinlänglich nachgewiesen, dafs diese Ansicht un- richtig sey. Denn die Verbindung mit der Nabelblase findet an der Stelle des Ueberganges des vorderen Schenkels in dem hin- teren des Mitteldarmes Statt. Das Caecum dagegen gehört der hinteren Hälfte des vorderen Schenkels des Mitteldarmes an. Vielmehr glaubt Meckel, dafs ein bisweilen vorkommendes Diver- tikel an dem dünnen Darme die Spur der früheren Verbindung des Darmkanales mit der Nabelblase darstelle. Der Dickdarm scheidet sich endlich früher durch seine Lagenverhältnisse und später durch seine Structur von dem Mastdärme. Diese verschie- denen Sonderungen und Metamorphosen sind zwar in den ver- schiedenen Individuen der Zeit nach sehr verschieden. Im All- gemeinen kann man aber für den Anfang und den vorderen Schenkel des Mitteldarracs den dritten, für den hinteren Schen- kel des Mitteldarmes und den Enddarm den vierten bis fünften Monat als die Zeit ihrer wichtigsten Metamorphosen ansehen. — Was nun die Länge des ganzen Darmkanales überhaupt betrifft, so übertrifft diese schon, sobald er sich von der Nabelblasc ab- geschlossen, die Länge des Embryonalkörpers. Dies hat darin sei- nen vorzüglichen Grund, dafs um diese Zeit schon der vordere und hintere Schenkel des Mitteldarmes ein relativ bedeutendes Gekröse haben. Dieses vermehrt sich nun natürlich bei zuneh- mender Kräuselung des Milteldarmes sowohl, als bei fortschrei- tendem Wachsthume des ganzen Darmkanales. J. Fr. Meckel (Tabelle zum ersten Heft des dritten Bandes s. Arch.) fand das Verhältnifs der Länge des Embryo zu der seines Darmes bei dem Menschen auf folgende Weise bestimmt : 446 Von dem Embryo. A. Verhältnifstabelle der Länge des ganzen Körpers (vom Scheitel bis zur Zehe) zur Länge des Darm- kauales. Embryo von 12 — 13 Wochen wie 1:2,500. 15 16 17 20 21 26 28 Neugebornes Kind Erwachsener Alte Personen 1 : 3,000 — 1 : 3,333. 1 : 3,625.- 1 : 3,500. 1 : 5.333. 1 : 4,200. 1:4,142. 1:3,500. 1 : 7,500. 1:4,1 — 1:6,6. 1 : 3,7 — 1 : 4. B. Verhältnifstabelle der Länge des Körpers (vom Scheitel bis zum After) zur Länge des Darmes. Embryo von 7 \^ ochen wie 1 : 1,428. - 8 - 1 : 1,333. - 9 - 1 : 1,750. - 10 . 1 : 2,333. - 11 — 13 - 1 : 3,500. - 14 - 1 : 4,500. - 15 - 1:5—1: ■ - 16—17 - 1 : 5,500. - 20 - 1 : 7,500. - 21 — 26 - - 1:6. - 28 - - 1 : 5,666. 5,250. Hieraus ersieht man nun, dafs die Länge des Darmkanales bis zum Anfange des fünften Monates noch immer bedeutend im Verhältnifs der Körperlänge zunimmt. Späterhin treten gewisse ündulationen ein, die sich um so weniger genau im Einzelnen bestimmen lassen, je mehr sie durch viele und mannigfach con- cidirende verschiedenartige Verhältnisse bedingt sind. Auch über die Längen Verhältnisse des Dick- und Dünndar- mes, so wie des Wurmfortsatzes hat Meckel Beobachtungen an- gestellt, die wir hier nach ihren Verhältnifszahlen wiedergeben. Darmkanal. 447 A. Verhältnisse der Länge des Körpers (vom Munde bis zum After) zu der der dünnen Gedärme. Embryo von 7 Wocben wie 1 : 1,750. 8 - - 1:1,714. 9 - - 1:2,000. 10 . - 1:3,000. 11 - - 1:4,500. -12—13 - . 1:4,500. 14 - - 1:5,333. 15 - - 1:6,000 — 1:5,333. 16 - - 1 : 6,000. 17 - - 1:6,000. 20 - - 1:10,000. 21 - - 1:7,333. 26 - - 1 : 7,000. 28 - - 1 1 5,500. Neugeboreoer 1 : 15,000. Mann von 50 Jabren 1 : 8,000. B. Verbältnisse der Länge des Körpers (vom Munde bis zu dem After) zu der Länge der dicken Gedärme Embryo von 7 Wocl len -wie ; 1 : 0,750. - 8 - 1 1 0,266. - - 9 - 1 : 0,666. - . - 10 - 1 : 0,666. - - 11 - 1 : 1,000. - - 12- -13 - 1 : 1,055. - - 14 - 2-1,000. - - 15 - 1:0,966- - 16 - 1 : 1,076. - - 17 - 1 : 1,500. - - 20 - 1 : 1,300. - - 21 , - 1:1,111. - - 26 - 1:1,181. - 28 - 1 : 1,083. Neugeborner 1 : 3,00. Mann von 50 Jahren 1 : 1,600. 1:0.965. 448 Von dem Embryo. C. Verhältnifs der Länge des Wurmfortsatzes zur Länge des Darmkanales. Embryo von 7 Wocbe n wie 1:20. - 8 - 1:21. - 9 - 1:18. - 10 - 1 : 30. - 11 . 1 : 43. - 12- -13 - 1:51. - 14 - . 1 : 43. . 15 - 1:51 — 1 . 16 - 1:50. - 17 . - 1:66. - 20 . 1:67. - 21 - 1:65. - 26 - 1 : 62. - 28 - 1:53. Neugeborner 1:71. Mann von 50 Jahren 1 : 115. 54. Wenn diese Verhältnifszahlen riclitig sind, so ergiebt sich hieraus a. dafs der Dünndarm in Vergleich der oben angegebenen theilweisen Körperlänge bis zu Ende des fünften Monates sich verlängert, dafs von Ende des fünften bis zu Ende des siebenten Monates seine relative Länge wieder abnimmt, bei der reifen Frucht aber minder vergröfsert und auf dem Culminationspunkte des Lebens wiederum verkleinert gefunden wird; b. dafs die re- lative Länge der dicken Gedärme mannigfachen Undulationen un- terworfen ist. Von der sieberften zur achten Woche nimmt sie ab, in der neunten bis zehnten wiederum zu, in der zwölften bis dreizehnten ab, in der vierzehnten wiederum zu. In der fünfzehnten verringert sie sich etwas, vergröfsert sich in der sech- zehnten und siebzehnten, verkleinert sich von Neuem in der zwanzigsten und einundzwanzigsten, nimmt dagegen etwas zu in der sechsandzwanzigsten und vermindert sich wiederum etwas in der achtundzwanzigsten Woche, bis endlich in dem Neugebornen der Exponent des Verhältnisses der gröfsie wird. Denn im fünf- zigjährigen Körper ist er wieder fast um die Hälfte geringer. Doch steht es noch zu erwarten, ob diese Resultate sich allge- mein bestätigen werden, c. Der Wurmfortsatz endlich wird in der Darmkanal. 449 der achten Woche relativ kürzer, in der neunten länger, in der lehnten bis dreizehnten kürzer, in der vierzehnten länger, in der fünfzehnten kürzer, in der sechszehnten etwas länger und von der siebzehnten Woche endlich an immer kürzer, so dafs der Wurmfortsatz des Neugebornen relativ 3^ und der des Erwach- senen von fünfzig Jahren 5|- mal so kurz ist, als der des sieben- wöchentlichen Embryo. Auch die Breite oder Dicke des Darm- rohres ist zu verschiedenen Zeiten verschieden. Nach Meckel (Arch. III. S. 66.) ist in den frühesten Perioden der Därmkanal im Verhältnifs zu seiner Länge weiter, als in späteren Perioden des Fötuslebens, in der letzteren Zeit aber relativ zu seiner Länge selbst enger, als in dem A'oUkommen ausgebildeten Zustande. — Was nun aber die Durchmesser der einzelnen, das Darmrohr con- stituirenden Abtheilungen betrifft, so müssen wir vorerst an ein Gesetz erinnern, das wir in den sekundären Bildungen des Schleim- blattes modificirt wiederkehren sehen werden. Alle einzelnen Abtheilungen des Darmkanales sind Anfangs von durchaus gleicher Weite, die dickeren daher zum Theil anfangs dünner und die dünneren umgekehrt relativ dickei-. Diejenigen Abiheilungen end- lich, welche, wie das Caecum, Ausstülpungen der dritten Art, wie wir sie unten nennen werden, von dem Darmrohre sind, ha- ben zuerst und noch eine geraume Zeit nach ihrer ersten Bildung einen ganz gleichen Durchmesser der Breite mit dem Darmrohre selbst. — Um mehr in das Einzelne einzugehen, geben wir hier wiederum eine Reihe von Verhältnifszahlen, welche nach einem Theile der von Meckel hierüber gelieferten Resultate entnom- men sind. A. Verhältnifs des Durchmessers des Dünndarmes zur Länge desselben. Embryo von 7 Wochen wie 1 : 42. - 8 - - 1:60. - 9 . - 1:63. - 10 -■ - 1 : 135. - 11 - ■- 1 : 144. - 12 — 13 - . 1 : 168. - 14 . - 1:152. - 15 . - 1 : 234 — 1 : 189. - 16 - - 1 : 236. 29 450 Von dem Embryo. Embryo von 17 Wochen wie 1 : 184. 20 - - 1 : 240. . . 21 - - 1:264. - 26 . - 1 :234. 28 - - 1 : 396. Neugeborner 1 : 480. Mann von 50 Jahren 1 : 288. B. Verhältnifs des Üurchmessers des dicken Darmes zur Länge desselben. Embryo von 7 Wochen wie 1:21. . 8 - 1:26. - 9 - - 1:35. . .. 10 - - 1:36. , 11 - - 1 : 42. - 12- -13 - - 1 : 54. - . , - 14 . - 1:48. . 15 - . 1:37—1:38, . . 16 - 1:60. . 17 . - 1 : 35. . 20 - 1.66. - 21 - - 1 : 60. - . 26 - - 1:39. - 23 - - 1 : 55. Neugeborner 1 : 53. Mann von 50 Jahren 7:24. Verhältnifs des Durchmessers des Wurmfortsatzes zu seiner Länge. )ryo von 7 Wochen wie 1 : 3,5. 8 - 1:4. 9 - 1:7. 10 - 1:6. - 11-13 . 1:8. 14 - 1:10- 15 . 1:8- 1 - 16-17 - 1 : 10. 20 - 1:11. 21 . 1 : 10. 12. Darmkanal. 451 Embryo von 26—28 Wochen wie 1:12. Neugeborner 1 : 19. Mann von 50 Jahren 1 : 10, D. Verhältnifs der Weite des Wurmfortsatzes zur Weite des Dickdarmes. Bis zu Ende der zehnten Woche sind beide gleich weit. Embryo von 11 Wochen wie 1:1,333. - 12—13 - - 1:1,000. 14 - - 1:1,200. 15 - - 1:1,111—1:2,250. 16 - . 1:1,333. - 17 - - 1:3,000. 20 - - 1 : 1,333. - - 21 - - 1 : 2,000. 26 - - 1:2,666. 28 - - 1:2,000. Neugeborner 1:4.- Mann von 50 Jahren 1:8. Die Richtigkeit dieser Verhältnisse vorausgesetzt (was wir jedoch noch sehr in Zweifel ziehen müssen, da nicht wenige Ver- hältnifszahlen mit den angebenen Längen- und Breitendimensionen der einzelnen Theile in Widerspruch stehen) dürfte sich Folgendes ergeben : a. Der Dünndarm wird in Verhältnifs zu seiner Länge bis zu der dreizehnten Woche immer enger, in der vierzehnten weiter, in der fünfzehnten und sechszehnten mehr oder minder enger, in der siebzehnten wiederum ein Weniges weiter, in der zwanzigsten und einundzwanzigsten enger, in der sechsundzwan- zigsten etwas enger und in der achtundzwanzigsten Woche und bei der reifen Frucht endlich enger, bei dem ausgebildeten Manne dagegen wiederum verhältnifsmäfsig weiter, b. Der dicke Darm wird in Verhältnifs zu seiner Länge dicker, von der neunten bis zur dreizehnten Woche dünner, in der vierzehnten dicker, in der sechszehnten wiederum dünner, in der siebzehnten dicker, in der sechsundzwanzigsten dünner, in der einundzwanzigsten bis sechs- undzwanzigsten wiederum immer dicker, in der achtundzwanzig- sten Woche dünner, um weniges dicker endlich bei der reifen Frucht und um noch mehr dicker bei dem Erwachsenen, c. Bis zu Ende der vierzehnten Woche verlängert sich der Wurmfort- 29 * 452 Von dem Embryo. satz auf Kosten seines Brcitendurchmessers. Von da bis zu Ende des siebenten Monates undulirt das Verhältnils, bis der Proces- sus vermiformis bei dem Neugebornen neunzehnmal und bei dem Manne von fünfzig Jahren zehnmal so lang, als dick ist, d. Wurm- fortsatz (s. unten) und Dickdarm sind bis zur Mitte des dritten Monates von gleicher Weite. In der eilften Woche wird der Dickdarm etwas weiter, während in der zwölften bis dreizehn- ten Woche das alte gleiche Verhältnifs wieder Statt findet. Von der vierzehnten Woche an hat die Weite des Dickdarmes wie- derum das Uebergewicht. Dieses ist während des Fötallebens in der isiebzehnten Woche am Stärksten, stärker jedoch in der rei- fen Frucht und noch stärker endlich in dem Erwachsenen von fünfzig Jahren. Dieses wären die wesentlichsten aus Meckels Angaben folgenden Resultate. Doch müssen sie der Natur der Sache nach nochmals wiederholt und zum Tlieil berichtigt wer- den, ehe die aus ihnen von selbst sich ergebenden Folgerungen der Wissenschaft einverleibt werden können. Krause (s. d. Vorrede z. 8. Lehrb. d. Änat. Th. I. 1833. 8.) dürfte ihr am ersten diesen Dienst zu erweisen im Stande seyn. — Ueber die verschiedene Gröfse der Höhlung des Darmkanales ;und die wechselnde Dicke seiner Wandlungen s. unten bei den Häuten desselben. Wir wollen nun noch die einzelnen Abtheilungen des Darm- kanales besonders durchgehen, um bei jeder speciell dasjenige nachtragen zu können, was über seine morphologische Entwicke- lung zu bemerken uns noch übrig ist. a. Die Speiseröhre — Diese ist anfangs nur der integrirende vorderste Theil des Anfangsdarmes oder fehlt vielleicht zuerst gänzlich. Sobald späterhin das Herz sich scheinbar mehr nach hinten zurückzieht und mit weiterer Evolution der Lungen und bei den Säugethieren des musculösen Zwerchfelles sich eine wahre Brusthöhle ausbildet, wird diese auch länger. Indem nun einerseits vorn die Rachenhöhle (s. unten) sich mit ihr in ein bestimmteres Ver- hältnifs setzt, anderseits der Magen sich ausweitet, und sich so distinkter von ihr abgrenzt, erlangt sie selbst mehr Selbstständig- keit. Ihre Häute sowohl als ihre Höhlung sind frühzeitig schon dem Verhältnisse, welches sie in dem Erwachsenen haben, näher, als dieses in den meisten anderen Theilen des Darmkanales der Fall zu seyn scheint. Doch sind auch hier die Wandungen zu-, erst relativ noch um ein Bedeutendes dicker als später. Darmkaiial. 453 b. Der Magen. — Wir haben schon oben über die früheste Entste- hung des Magens berichtet und zugleich angemerkt, dafs er in der er- sten Zeit senkrecht gestellt sey. Er ist anfangs eine etwas ungleiche Erweiterung des Anfangdarmes. Doch scheint selbst von der er- sten Zeit an die linke Seite' desselben etwas zu prävaliren. Im Ganzen hat er zuerst eine mehr längliche Form, welche später mehr in das Rundliche übergeht, so dafs er dann nach Meckel (Arch. III. S. 72.) selbst rundlicher ist, als in der folgenden Fö- tuszeit und in dem Erwachsenen. Ehe er noch aus der senk- rechten Lage in die wagerechtc übergeht, läfst sich schon an ihm die grofse Curvatur von der kleinen unterscheiden. Die ersiere hat schon einen nach aufsen convexen Rand und liegt nach der linken Seite zu, die andere ist mit einem äufseren concaven Rande versehen und gegen die rechte Seite hin gerichtet. Die Cardia ist dann von aufsen deutlicher zu erkennen, als der Pylorus. Denn nach hinten setzt sich der Magen mehr unmittelbar und allraählig in ein kurzes Darmstück, das Rudiment des Duodenum fort. Die erste Spur des fundus ventriculi entsteht schon bei noch senkrechter Lage des Magens. Nun geht dieser aus der longi- tudinellen Richtung in eine mehr schiefe und zuletzt transverselle über. Zuerst geschieht dieses an dem Pförtnerende, welches sich sowohl von links nach rechts, als auch von hinten nach vorn wendet. Die der Cardia nähere Hälfte folgt bald nach, doch geht sie offenbar später, als die Pylorushälfte in diese Lagenverände- rung ein. Durch die letztere wird aber die kleine Curvatur be- sonders schärfer. Der Blindsack wird immer mehr ausgebildet und ist dann verhältnifsmäfsig stärker, als in irgend einem späte- ren Zustande. Interessant ist auch noch die Entwickelungsge- schichte des Magens der Wiederkäuer, welche bekanntlich im ausgebildeten Zustande vier Magen besitzen. So lange ihr Magen senkrecht steht, ist er durch zwei quere Einschnitte in drei Ta- schen getheilt, von denen die mittlere die gröfste ist. Sie schnü- ren sich nun mehr von einander ab, und die mittlere zerfällt wie- derum in zwei Abtheilungen, so dals endlich auf diese Weise die vier Magen der Wiederkäuer gebildet w^erden. Das Speciellere hierüber s. bei Meckel in s. Arch. III. S. 75. 76. c. Das Duodenum. — Seine vordere Grenze verfliefst an- fangs mehr mit der Pylorushälfte des Magens, seine hintere da- gegen wird durch die Windungsstelle des Mitteldarmes frühzeitig 454 Von dem Embryo. bezeiclinet. Mit der Lagenveränderung des Magens verlängert es sich und erhält seine Flexuren. Die Valvula -pylori ist nach Meckel (Arch. III. S. 72.) vor dem Ende des vierten Monates nicht sichtbar. Sein klappenartig in das Duodenum vorspringen- der Tbeil ist noch im sechsten Monate sehr unbedeutend und bei dem Neugebornen verhältnifsmäfsig noch sehr niedrig. Nach ihm (1. c. S. 70. 71.) sind auch bei dem Menschen die Mündungen des ductus choledochus und FFirsuguianiis anfangs von einander getrennt und enifernt. Der letztere öffnet sich durch ein eigenes, meist in dem Neugeboi'nen noch vorkommendes Wärzchen und oben in den absteigenden Theil des Zwölffingerdarmes, der Gallengang dagegen mehr nach rechts und unten durch eine noch im dritten Monate deutlich erkennbare Longitudinalspalte. Beide Mündungen verkleinern sich später und rücken an einander. d. Die dünnen Gedärme. — Da, wie wir bald sehen wer- den, die Leber in früher Zeit der Entwickelung den gröfsten Theil der Unterleibshöhle einnimmt, so liegen dann die dünnen Gedärme unmittelbar unter ihr und von ihr in der ersten Zeit seit dem Zurücktreten des Darmkanales aus der Nabelschcide in die- Bauchhöhle bedeckt. Man sieht dann ein verschlungenes Convolut von Därmen frei unter der Leber. Je mehr diese und mit ihr der Nabel nach vorn zurückweicht, um so mehr treten sie an die Oberfläche, werden aber auch desto mehr von dem nach hinten sich herabsenkenden Kolon transversum, wenigstens zum Theil, bedeckt. Von dem Momente der Windung des Mitteldarmes an liegen sie immer als Metamorphosen des früheren vorderen, spä- teren hinteren Schenkels hinter dem vorderen Theile der dicken Gedärme, da diese aus dem früheren hinteren, späteren vorderen Schenkel des Mitteldarmes entstehen. e. Die dicken Gedärme. — Nach der Windung des Mittel- darmes befindet sich der nun vordere Schenkel des Mitteldarmes mit seiner gtöfsercn Hälfte nach vorn und biegt unter einem bei- nahe rechten Winkel ein, wo sein hinterer Theil dann in der Mittellinie des Körpers oder nahe derselben von vorn nach hin- ten verläuft. Indem nun die dicken Gedärme sich immer mehr verlängern, macht ihre vordere Abtheilung zuerst einen Bogen, dessen Concavität nach hinten sieht. Hierdurch entsteht ein kur- zer auF^igender, ein mehr oder minder gekräuselter und trans- j vcrsaler, mittlerer und ein absteigender Theil, welcher sich nach Darmkanal. 455 der Mittellinie zu wendet und so eine Art von S Romanum zuletzt darstellt. Im Laufe der Entwickelung verlängert sich nun der auf- steigende Theil und rückt mehr nach rechts, der absteigende da- gegen mehr nach links. Die Grimmdarmklappe ist bis zu dem dritten Monate nach Mcckel (l. c. S. 70.) sehr unvollkommen, dann aber, sehr deutlich. Den Blinddarm fand er (1. c. S. 79.) zuerst bei einem in der zweiten Hälfte des zweiten Monates be- findlichen sieben Jjimcn langen Embryo. Anfangs sind beide, Blinddarm und Wurmfortsatz, nicht wie in dem Erwachs,enen von einander geschieden, sondern mehr eins. Der Wurmfortsatz ist zuerst das ein wenig zusammengezogene, über den Krumm- darm hinausreichende blinde Ende des dicken Darmes (Meckels Anatomie IV. S. 309.). Dafs er kein Ueberrest der früheren Comraunication des Darmkanales mit der Nabelblase sey, haben wir schon oben angeführt. l'^t> Lij'ioii'iü'. u>,^ic. J; Es bleibt uns nur noch übrig, die den DarnikaDal zusammen-' setzenden und an den übrigen Theil des Embryonalkörpers befe- stigenden Häute durchzugehen. Die Schleimhaut ist ohne Zwei- fel ein reines Produkt des Schleimblattes. Ob aber die Gefäfs- haut eine Hineinbildung des Gefäfsblattes sey oder nicht, mufs noch unentschieden bleiben. Nach v, Bars Ansicht scheint dieses wenigstens der Fall zu seyn. Ebenso wenig wagen wir über das Bauchfell zu entscheiden, welches das Darmrohr völlig um- schlicfst, als Gekröse an die Wirbelsäule anheftet und zuletzt noch die ganze innere Oberfläche der Rampfwände der Bauchhöhle (nebst der Oberfläche der harn- und keirabereitenden Oi'gane) theilweise bekleidet. Ihr Ursprung aus den Blättern der Keim- haut ist aber auch für diesen unseren nächsten Zweck von ge- ringerem Interesse, da ihre speciellere histiologische Ausbildung in eine weit spätere Zeit fällt, und daher auch ohne diese Kennt- nifs sicher verfolgt werden kann. Das Bauchfell bildet sich wahrscheinlich in frühester Zeit auf dieselbe Weise bei den Säugethieren^ wie bei den Vögeln. Wenigstens hat v. Bär {de ovo fig. VII. b.) aus seinen vier Li- nien langen Hundeembryonen den Zustand des Gekröses so dar- gestellt, wie er bei dem Hühnchen unmittelbar nach begonnener Nathbildung vorkommt. So lange der Darm noch einfach gebo- gen ist, heftet ihn das Gekröse als eine einfache Doppellamelle an die Mittellinie des Köi-pers. Am Anfang- und Enddarme ist 456 Von dem Embryo. 4iese von ziemHch gleicher Breite. Nur in der Mitte zwischen d:en beiden rSbhenkeln des Umbiegungswinkels wird sie breiter, gleichsam ausgezogen. An denjenigen Stellen des Darmkanales, wel- Qhe durch Einstülpung von dem serösen Blatte aus entsiehen, fehlt das Gekröse gänzlich, da diese Bildungen später, als es selbst, auftreten. Ich wäre zum Theil aus diesen, zum Theil auch aus anderen Gründen zu vermuthen geneigt, dafs der Oesophagus nicht sowohl den Anfahgdarm selbst, als seiner vorderen Einstülpung angehöre und sich dann erst mit der Bildung der Brust länger ausziehe. Dadurch, dafs nun die beiden Schenkel des Mitteldar- mes sich umeinander winden, kommt nalürlicli das Gekröse der dünnen Gedärme, d. h. des früheren vorderen, jetzigen hinteren Schenkels, hinter und zum Theil unter der vordersten Abtheilung des Gekröses der dicken Gedärme, d, h. des früheren hinteren, jetzigen vorderen Schenkels zu liegen. Mit den Kräuselungen der dünnen Gedärme vergröfsert sich nun auch ihr Gekröse. Es bleibt jedoch in der Mittellinie haften, und es erhält daher bald das. Ansehen, als ob die dünnen Därme durch das Bauchfell ro- settenförmig an die' Wirbelsäule und die- vor ihr liegenden von dem , Bauchfelle nicht bekleidelen Theile befestigt wären. Das Gekjösc der dickeii Gedärme dagegen bildet sich an verschiede- nen-Orten verschieden aus. Das Colon trunsversum^ welches der bald nach der Windung schon transversal gelagerte Theil des früheren hinteren, jetzigen vorderen Schenkels des Mitteldarmes war, hat ein sehr grofses Gekröse, welches unmittelbar von der noch kennbaren Windungsstelle entspringt und als eine breite Doppellamelle nach vorn und oben geht. Sein linker gegen die pars descendens gerichteter Theil ist später mehr nach der lin- ken Seite gedehnt und sein Gekröse auch auf entsprechende Weise gröfser. Das Colon descendens, wie das rectum behalten ihr deutliches, nach der Mittellinie hin sich ziehendes Gekröse, wel- ches nur gleichzeitig mit ihnen sich verlängert. Das Colon ad- scendens ist kleiner und nach der Windungsstelle wie hingezo- gen. Da der Blinddarm und Wurmfortsatz durch Ausstülpung der dem späteren hinteren Schenkel nahen Abtheilung des vorderen Theiles entsteht, so zieht er eine doppelte Lamelle des Bauch- felles, eine Gekrösfalte nach sich, und erscheint daher dann durch ein kleines spitz zulaufendes Gekröse an dem der dicken Gedärme befestigt. Dadurch, dafs das Gekröse des Colon descendens Darmkanal. 457 um etwas, das des Colon adscendens aber um ein Bedeutendes schmäler wird, und zwar das letztere so sehr, dafs das Bauchfell an dieser Stelle zuletzt nicht einmal das {;anze Darmrohr um- hüllt, entsteht die eigenthümliche Einhüllung des Grimmdarmes, wie wir sie bei dem Erwachsenen vorfinden. Da jedoch die Ge- kröse nicht von der Mittellinie der Wirbelsäule beginnen, sondern sich von dort über die innere Oberiläche des unteren Centralroh- res fortsetzen, so müssen natürlich die Theile des Bauchfelles, welche zuletzt den Grimradarm überziehen, ohne ein Gekröse zu bilden, sich unmittelbar, nachdem sie ein gröfseres oder geringe- res Stück dieses Darmlheiles eingehüllt, sich über die innere Oberfläche der Bauchmuskeln verbreiten. So sehen wir es schon in den letzten Monaten des FruchÜebens bei dem Colon adscen- dens. Das Colon descendens dagegen macht selbst bei dem Neugebornen eine gröfsere nach links gerichtete Biegung, und hat daher, so lange dies der Fall ist, auch ein gröfseres Gekröse. Die Bildung der Netze ist vorzüglich durch die Untersuchun- gen von Meckel (Arch. III. S. 82 — 84.) und Job. Müller (Meck. Arch. 1830. S. 395 — 411. Remie medic. Fevrier. 1834. p. 265 — 269. Physiol. I. 2. 1834. 8. S. 476—478.) aufgehellt worden. Wir haben es oben gesehen, dafs der Anfangsdarm zuerst, so lange er noch gänzlich in longitudineller Richtung sich befindet, durch ein Ge- kröse, d. b. eine Doppellamelle des Bauchfelles an die Mittellinie der W^irbelsäule angeheftet ist. Müller, welcher zuerst hierauf aufmerk- sam gemacht hat (Arch. S. 400.) nennt dieses Gekröse des Magens Ma- gengekröse, Mesogastriuni. Da die Leber als Ausstülpung des Darni- kanalcs (s. unten) den Peritonealüberzug mit sich fortzieht und eben- falls von dem Bauchfelle eingehüllt wird, das Mesogastrium aber, um die noch nach links gerichtete grofse Curvatur des Magens zu erreichen, sich nach links wendet, so entsteht hinter dem Ma- gen ein von dem Bauchfelle gebildeter halbmondförmiger Beutel, dessen vordere Wand der Magen und dessen hintere Wand das Bauchfell (zum gröfsten Theile das Mesogastrium) ist und des- sen Eingang, d. h. dessen Communication mit dem übrigen von dem Peritoneum bedeckten Theile der Bauchhöhle rechts von dem Magen an seiner kleinen Curvatur sich befindet (s. die Abbildung, bei Job. Müller 1. c. tab. XI. fig. 1. 2. 12. Bd.). Während nun das übrige Gekröse die Bauchhöhle in zwei ziemlich gleiche, seit- liche Hälften theilt, so geht zwar das Mesogasirium auch von 458 Von dem Embryo. der Mittellinie aus und thut jenes wahrscheinlich, so lange der Anfangsdarm keine Anschwellung hat, ebenfalls; später dagegen biegt es sich nach links, um die grofse Curvatur zu erreichen und bildet also unten (hinter dem Magen) eine nach links sich erstreckende beuteiförmige Verlängerung. Wiewohl nun Meso- gastrium und Mesenterium aus denselben Blättern entstehen, so zieht sich das erstere, doch nur der grofen Curvatur entsprechend, aus und hört daher am Anfange des Darmes im engeren Sinne auf. An dieser Unterbrechungs- oder Abgrenzungsstelle liegt spä- ter der hinter dem Bauchfellsacke befindliche Anfang des dünnen Darmes (Job. Müller 1. c. S. 402.). Bisher war der Eingang in den Beutel des Mesogastrium grofs und ojDfen. Indem sich nun aber der Magen und zw^ar mit seinem Pylorustheile zuerst nach der rechten Seite und vorn hinwendet, und die von der Leber zur kleinen Curvatur gehende Falte des Peritoneum mehr hinab- zieht, wird er unter der Leber kleiner und enger. Das Meso- gastrium rückt aber durch diese Veränderungen aus der senk- rechten in eine mehr schiefe Lage. Der Beutel des Mesogastrium verlängert sich nach hinten und wird zugleich runzelig (1. c. S. 403. 404.). Indem nun das Gekröse des Dickdarmes sich immer mehr aufstellt, rückt es mit seinem dem Colon transversum entsprechenden Theile dem Magen immer näher. Das Mesocolon transversum nähert sich daher immer mehr dem Mesogastrium und beide scheidet nur die hintere, an der Wirbelsäule aufliegende Platte des Bauchfelles, in welche sie übergehen. Diese verklei- nert sich nun immer mehr und zwar von rechts nach links, so däfs sie endlich gänzlich schwindet und die innere Lamelle des Mesogastrium oder Netzbeutel in die äufsere Lamelle des Meso- colon unmittelbar übergeht (S. 407.). Nun verwächst, wie Meckel (1. c. S. 83.) und Müller (1. c. S. 408.) gefunden haben und Ijeder sich leicht überzeugen kann, der hintere obere (untere, vordere) Theil des Nefzbeutels mit der oberen Wand des Mesocolon transver- sum von hinten und oben nach unten und vorn, so dafs hinten zuletzt das Netz an das Colon transversum sich anzusetzen scheint. Die untere und innere Lamelle des Netzbeutels geht nun über die vordere und untere Seitia des Colon transversum in die obere Lamelle des Mesocolon transversum und dann in die vordere untere Peritoneal wand über; die obere und äufsere Lamelle des Netzbeutels dagegen scheint über die untere Seite Darmkanal. 459 des Colon transversum und die untere und hintere Platte des Mesocolon überzugehen, ist jedoch nur am Colon transversum mit ihr verwachsen (Joh. Müller 1. c. S. 409.). Der Eingang in den Peritonealbeutel hat sich nun immer mehr verengt und liegt dann als sogenanntes fovamen Winslonni zwischen ligamentinn hepatico-duodenale und dem liganientum cluodeno-renale (1. c, S. 411.). Da jedoch die beiden Lamellen des Netzbeutels mit einander verwachsen sind, so kann von Aevaforamen TJ^inslowii aus nur der hinter dem Magen befindliche Theil, nicht mehr aber der ganze Nelzbeutel aufgeblasen werden. Zur Erläuterung des Gesagten siehe die Durchschnittszeichnungen von Müller in Meck. Arch. 1830. tab. XI. fig. 2 — 10. besonders fig. 10. a. und b. Die Structur des Peritoneums ist dieselbe, es mag das Ge- kröse bilden oder sich an den Darm oder die Bauchwandungea anlegen. Zuerst besteht es aus einem durchsichtigen Stoffe, in vrelchem eine sehr grofse Anzahl von Körnchen enthalten sind. Die Körnchen haben einen mittleren Durchmesser von 0,000425 P. Z. Nun entstehen in dem gallertartigen, durchsichtigen Stoffe feine, sich vielfach verbindende Fäden. Ihren Durchmesser be- rechnete ich aus dem dritten Monate des menschlichen Embryo zu 0,000220 P. Z. Mit der Ausbildung dieser offenbar späterhin eine eigene Schicht bildenden Fäden, vermindert sich die Zahl der Körnchen. Durch weitere Fortbildung stellt nun allmählig die Faserschicht die seröse Haut, die Körnerlage dagegen das verbindende Schleimgewebe dar. Die Muskelfasern des Darmkanales entstehen auf ähnliche Weise, wie die Muskelfasern des Herzens, d. h. nicht wie die will- kührlichen Muskeln aus longitudinell zusammengereiheten und mit einander scheinbar verschmelzenden Kügelchen, sondern durch ur- sprüngliche Bildung in der vorhandenen, verbindenden Gallertmasse, während die Kügelchen mehr zwischen ihnen befindlich bleiben. Die Muskelfasern selbst erscheinen dann als dünne homogene und durchsichtige, mehr oder minder mit einander verwebte und zum Theil, wie es scheint, mit einander anastomosirende Fäden, deren Durchmesser ich bei dem menschlichen Embryo aus dem fünften Monate in der longitudiuellen Schicht des Dünndarmes zu 0,000506 P. Z. in der circulären dagegen zu 0,000404 P. Z. bestimmt habe. Der Diameter der zwischen ihnen enthaltenen Kügelchen betrug 0,000304 P. Z. im Durchschnitte. 460 Von dem Embryo. An der Schleimhaut des Darmkanales nimmt vor Allem die Gestaltung ihrer Oberfläche, besonders in den dünnen Gedärmen, unsere Aufmerksamkeit und unser Interesse in Anspruch. Bekannt- lich nennt man die Produktionen der Schleimhaut des duodenum sowohl, als der dünnen Gedärme, Darmzotten. Diese zierlichen Gebilde haben in dem erwachsenen Menschen sowohl, als in den verschiedenen Thicren, die berühmtesten Forscher, wie Lie- berkühn, R. Hedwig, Rudolph!, J. Fr. und Alb. Meckel, Bleuland, Döiiinger, Seiler, Joh. Müller, E. H. Weber, Retzius u. A. ver- folgt. Ueber ihre Entwickelung in dem Menschen hatte J. Fr. Meckel (Arch. III. S. 68 — 70.) Untersuchungen angestellt, deren Resultate kürzlich folgende vvaren. Sie erscheinen zu Anfange des dritten Monates in ihren ersten Spuren als dicht neben ein- ander stehende Längenfalten, welche kaum an ihrem freien Rande eingekerbt sind. Die Zahl der Einschnitte vermehrt sich nun immer mehr; sie dringen mehr in die Tiefe. Die Zotten entste- hen also durch allmählig geschehende Einkerbung und dadurch bewirkte Zerfällung von einfachen Längenfalten. — Bis zum sie- benten Monate finden sie sich nicht blos in den dünnen, sondern auch in den dicken Gedärmen. Hier sind sie aber schon in dem dritten Monate niedriger jedoch noch sehr zahlreich. Im vierten ist ihre Gröfse, Anzahl, Höhe und Dicke geringer geworden. Dieses nimmt nun immer mehr zu, bis im achten Monate nur niedrige, flach eingeschnittene Längenfalten sich finden. — Ich habe es mir angelegen seyn lassen, die Entstehung so schöner und wichliger Gebilde, als die Darmzotten sind, genau zu ver- folgen und glaube daher über ihre Genese einige nicht ganz un- interessante Zusätze anführen zu können. Schon Meckel halte bemerkt, dafs die Schleimhaut des Darmkanales in früher Zeit des Embryonallebens verhältnifsmäfsig bedeutend dicker sey, als späterhin. Diese Beobachtung läfst sich äufserst leicht bestätigen, und so fand ich, um nur ein Beispiel anzuführen, bei einem 1 Zoll langen Schweinefötus das Verhältnifs der Dicke der Schleim- haut zu der des inneren Darmrohres im Dünndarme, wie 1:7 (s. unten die micrometrischen Messungen). Schon um diese Zeit lassen sich zwei Lagen an der Schleimhaut des Darmrohres un- terscheiden, eine obere dickere und eine untere dünnere Lage. Die Dicke der ganzen inneren Schleimhaut ist aber so bedeutend, dafs dadurch ein nur verhältnifsmäfsig kleiner Raum für die ganze Darmkanal. 461 übrige Höhlung des Darmrohres übrig bleibt. Nun erhebt sieh die Schleimhaut mit ihren beiden Lamellen zuerst in eine oder mehrere, fast den dritten Theil der Peripherie des Rohres einnehnlenden Falten, welche sich isehnell mit dem Wachsthume des Darmes vermehren, so dafs es den Anschein hat, als seyen die grofsen wulstigen, fast das ganze innere Darmrohr ausfüllen- den Falten die: ersten Rudimente der später persistirenden Oarm- zotten. Allein dafs dieses nicht so sey, davon kann man sich leicht überzeugen. Zieht man nämlich die innere dickere Lage der Schleimhaut ab, welches vorzüglich an solchen Stücken leicht gelingt, die einige Zeit in Weingeist gelegen, so liegen erst unter ihr die einzelnen isolirien, kleinen Darmzolten. Offenbar näm- lich ist der Häutungsprocefs der inneren Oberfläche der Schleim- haut des Darmkanales ein wesentlicher und ein nothwendiger Vorgang. Schon Rudolphi, vorzüglich aber Joh. Müller (Physiol. L S. 25-4.) sprechen von einer epidermisartigen , mehr oder min- der leicht abstreif baren Hülle der Darmzotten, welche der Letz- tere für eine Mittelform zwischen Epithelium und Schleim hält. Dieser fortwährende Häutungsprocefs, d. h. die Losstofsung der alten und gleichzeitige Bildung einer neuen Hülle findet zwar, wie ieh au einem anderen Orte nachweisen werde, während des ganzen Lebens Statt. Im Fötus aber ist er von einer hohen imd cinfiufsreichen Wichtigkeit. Die oben genannte, dickere Lage ist nämlich eine solche erste Abstofsungsscliicht, welche also zuerst stärker und dichter ist, als die Darmzotten selbst. Je mehr sich nämlich diese dickere Lage erhebt, um so mehr folgt ijir anfangs die untere ei^vas dünnere Lage nach. Bald jedoch überwächst diese letztere die erstere, so dafs die kleinen wahren Zotten in ihnen ungefähr eben so liegen, wie die Finger der Hand in einem Handschuh sich befinden. Hat man ein taugliches Stück der dünneu Gedärme, z. B. eines menschlichen Embryo aus dem vier- ten oder dem Anfange des fünften Monates besonders etwas in Weingeist erhärten lassen, so kann man die obere dichtere Lage von der unteren abziehen. Die abgezogene Lamelle hat dann, von der inneren Seite angesehen, ein sehr zierliches, maschenför- miges Ansehen, welche Maschen von einer mehr oder minder re- gelmäfsigen Gestalt und von einer meistens rundlichen Form sind. Von jedem Maschennetze geht eine cylinderförraige einem Hand- schuhfinger nicht unähnliche Verlängerung aus, die Scheide der 462 Von dem Embryo. wahren Zotte. Erst nachdem man nun die obere dickere La- melle abgezogen, kommen die kleinen zierlichen, der unteren Lamelle allein angehörenden Zotten zum Vorschein. Diese sind (s. die micrometr. Messungen) um vieles kleiner und durchaus nicht mit einander verbunden, sondern discret. Sie haben daher in der That ein ganz anderes Ansehen, als sie vorher mit der dickeren Hülle überzogen zu besitzten schienen und erscheinen w^enigstens von dem Momente an, in welchem sie sich schärfer von der dickeren Lamelle scheiden, isolirt, wiewohl sie vorher wahrscheinlich auch in den dünnen Gedärmen (denn in dem Zwölffingerdarm ist dieses, wie Job. Müller schon bemerkt, nor- mal) durch zarte Fältchen an ihrer Basis mit einander verbunden seyn mögen. Die dickere obere Lamelle wird oben abgestofsen und ich werde diesen merkwürdigen Prozefs mit dem Namen der Urhäutung der inneren Oberfläche des Darmrohres belegen. Diese Urhäutung wird aber durch zwei Momente vollbracht: 1. Die obere Lage wird besonders an den Seiten und in den Zwischenräumen der Darmzotten zuerst etwas losgestofsen , so dafs ein kleiner Zwischenraum zwischen ihr und den entsprechen- den Stellen der unteren Lage entsteht und 2. sowohl die so von ihrer unmittelbaren Verbindung mit der blutreichen Darmober- fläche befreiten Stellen, als die noch in Verbindung mit ihm ste- henden Oberflächen werden zum Theil resorbirt, zum Theil ent- fernt und aufgelöst. Das sie verbindende und umhüllende Schleim- gewebe wird lockerer und in eine wahre schleimartige Masse verwandelt; die in ihm enthaltenen Kömchen werden zum Theil aufgelöst, die rückbleibenden verharren aber zum Theil in dersel- ben Form und Gestalt, als früherhin. Die so mctamorphosirte Masse füllt nun das innere Darmrohr. Das Meconium oder ^\tfaeces des Fötus sind nichts weiter, als diese Masse verbunden mit der aus- geschiedenen, als kleine gelbe Körnchen oder Klümpchen erscheinen- den Galle und vielleicht einen noch durch die Schleimhaut des Darm- kanales abgesonderten flüssigen Materie. In früher Zeit ist blofs die durch den Urhäutungsprozefs gebildete Masse mit nur sehr weniger Galle vorhanden, welche in einzelnen Pünktchen theils in der Kothmasse, theils an den wahren Dai'mzotten sitzen. Diese dagegen bestehen schon aus einer oberen und einer unte- ren inneren Lage. Die Blutgefäfse reichen, so viel ich wenig- stens an ganz frischen Säugethierfötus sah, keineswegs bis aa die Darmkanal. 463 obere und äufsere Lage der wahren Darmzotten, sondern schei- nen schon in der Mitte der unteren Lage aufzuhören. Leider ist mir bis jetzt noch keine vollständige feine Injection der Darm- zotten in so früher Zeit des Fötuslebens gelungen, ciafs ich mit Bestimmtheit anzugeben vermöchte, wie weit die Blutgefäfse in die innere Lage derselben hineinreichen. Ist nun diese Urhäutung vollendet, so erscheinen die Darmzotten zwar freier, es beginnt aber von nun an der permanente Häutungsprozcfs derselben, wel- cher durch das ganze Leben anhält. Nur ist die obere sich ab- stofsende Lage um so dicker, und um so leichter trennbar, je jünger das Individuum ist. Im Fötus der letzteren Hälfte der Schwangerschaft sowohl, als in den Neugeborenen, ist das Häut- chen noch ziemlich fest und man findet in dem frischen Meconium aufser der nunmehr zum Theil verflüssigten Galle und der schleim- artigen Masse nicht selten ganze Scheiden der Darmzotten. Nach Berzelius ist das Meconium des Neugeborenen ohne Geruch und ohne Geschmack, zuweilen jedoch übelriechend, verliert bei dem trocknen \ seines Gewichtes, wird braun, süfslich riechend und pulverisirbar. Bei der trockenen Destillation giebt es brennbare Gase, kohlensaueres Ammonium, Wasser, empyreumatisches Oel und hinterläfst | seines Gewichtes Kohle. Nach Payen zieht Alkohol aus ihm -^ einer grünen dem Gallertharze ähnlichen Materie aus^ Alkali dagegen eine braungelbe Substanz. Die Asche enthält Kochsalz, kohlensaueres Kali und phosphorsaueren Kalk. Siehe Berzelius Thierchemie S. 596. 597. — Wie der erste Vorläufer der Zotten, die Falten des gröfseren Theiles der oberen und eines kleineren Theiles der unteren Lage sind, so kehrt durchaus derselbe Prozefs in den übrigen Th eilen des Darmkanales wieder. Ja es geht sogar so weit, dafs in dem Magen sowohl, als in dem Dünndarme Zotten zu entstehen scheinen und zum Theil wahre Zotten sich auch bilden. Es wird nämlich auch die zuerst entstehende Reihe der Längen- falten transversal mehr oder minder regelmäfsig eingekerbt, so dafs, wenn man das Darmrohr, sey es im Magen oder den dicken Gedärmen, öffnet, man eine mit Zotten besetzte Fläche vor sich zu sehen glaubt. Man sieht nämlich rundliche oder cyliuderför- mige Erhabenheiten, welche durch Einschnitte deutlich genug von einander geschieden sind. Zieht man aber die obere Lage der Schleimhaut ab, so sieht man im Magen verhältnifsmäfsig später, 464 Von dem Embryo. als in den dicken Gedärmen eine ebenso zierliche, als eigenthüm- liclie Conforniation der unteren Lage der Schleimhaut. Diese er- hebt sich nämlich und bildet in dem Magen ein zierliches Netz von maschenförmig mit einander verbundenen Fallen, welche runde, vier- oder vielseitige Areolen zwischen sich lassen. In den dik- ken Gedärmen findet sich ein ähnliches Maschemiefz. Nur sind hier die Areolen kleiner und mehr von gleicher Gröfse. An den Winkeln der Areolen, d. h. an denjenigen Stellen, wo die Fallen der unteren Lage zusammenstofsen , bildet sich ein Knotenpunkt, d. h. eine rundliche Anschwellung. Auf dieser aber steht eine wahre Darmzotte. Macht man daher Durchschnitte, so werden die Falten, selbst in der Profilansicht weniger kenntlich, während die über die Ebene hinausragenden in den Knotenpunkten stehenden Zotten sogleich in die Augen fallen. Dieses scheint auch Meckel verführt zu haben, wenn er in seiner Abbildung (Profilansicht fig. 21. tab. I. s. Arch. Bd. IIL) aus dem fünften Monate isolirt stehende Darmzotlen aus dem Dickdarme darstellt. Die zierliche maschenförmige Conformation kann man aber in den dicken Ge- därmen schon zu Ende des diütten oder im Anfange des vierten Monates sehen; in dem Magen dagegen undeutlich im Anfange des vierten und deutlich erst beim Beginne des fünften Monates erkennen. Im Magen nun treten an der Stelle der Areolen grofse Conglomerate von Schleimdrüsen. In den dicken Gedärmen erheben sich nun die Falten immermehr, während die auf den Knotenpunkten stehenden Zotten kleiner werden oder wenigstens sich nicht vergrö- fsern, so dafs sie zuletzt mit den Falten in gleiches Niveau kom- men. Wir müssen nun aber wieder zu der oberen Lage zurück- kehren. Wir halten gesehen, dafs sie in dem Magen sowohl als in den dicken Gedärmen zuerst die untere Lage so bekleidete, dafs der Schein existirender Zotten entstand. Vergleicht man die Art und Weise, wie hier die obere Lage die Falten und Zotten überzieht, mit der, wie dieses in den dünnen Gedärmen mit den wahren Zotten der Fall ist, so finden wir das Verhältnifs in bei- den von einander abweichend. Während in dem Jejunum und Ileum jede zottenförmige ümkleidung der oberen Lage einer wah- ren Zotte der unteren Lage entspricht, so ist dieses in den dik- ken Gedärmen nur bei den in^ den Knotenpunkten befindlichen Zotten der Fall. Die übrigen scheidenförmigen und zottenarti- gen Hüllen der oberen Lage dagegen entsprechen den Falten und ihre Darmkanal. 465 ihre in die Tiefe gegeo die untei'e Lage liiagehende Einsenkungen der Areolen. Da diese letzteren besonders zu Anfange des fünf- ten Monates eine relativ grofse Tiefe haben, so erscheint die obere Lage auch von ihrer inneren, der unteren Lage zugekehrten Ober- fläche angesehen, "vvie die obere Fläohe der oberen Lage der dünnen Gedärme. Dieses natürlich sich ergebende Verhi^ltnifs kann leicht auf den ersten Blick Verwirrungen veranlassen. Man orienlirt sich aber, sobald man nur das relative Verhältnifs der Falten und Areolen der unteren Lage in Erwähnung zieht. — Wir geben nun eine Auswahl der sehr zahlreichen, von uns veranstal- teten mikrometrischen Messungen, theils um Manches des bisher Erörterten mehr zu begründen, theils um die Erkenntnifs einiger noch nicht erwähnter Verhältnisse vorzubereiten: A. Schweinefötus. a. Länge des Körpers 1 Zoll. 1) Durchmesser des Darmrohres, wie es sich auf Durchschnitten einer in Weingeist erhärteten Frucht zeigte 2) Durchmesser der Dicke der ganzen Schleim- haut (in beiden Lagen) von demselben Durch- schnitte b. Körperlänge 1| Zoll. 1) Mittlere Breite der ganzen Dünndarmzotten (mit oberer und unterer Lage), frisch 2) Mittlere Länge derselben 3) Ein Stückchen Dünndarm von 0,12144 P. Z. Länge und 0,10938 P. Z. Breite enthielt 18 Zotten. 4) Nach diesen Daten kommen auf einen Quadrat- zoll Dünndarm 1356 Zotten. c. Körperlänge 2 Zoll. Mittlere Breite einer Falte des Magens d. Körperlänge 4 Zoll. 1) Breite der Dünndarmzotten 2) Länge derselben 3) Durchmesser der inneren Oberfläche des Darm- rohres 4) Auf ein Stück Darm von 0,067084 P. Z. 0,014168 P.Z. 0,002024P.Z. 0,005570 P.Z. Oj014674P.Z. 0,015 180 P.Z. 0,004454 P.Z. 0,017204P.Z. 0,035420P.Z 30 466 Von dem Embryo. Länge und 0,080600 P. Z. Breite gehen unge- fähr 15 Zotten. 5) Dieses giebt für einen Quadratzoll 277,7 Zotten. B. Rindsfötus. a. Körperlänge 3 Zoll. 1) Mittlere Breite der Dünndarmzotten 2) Mittlere Länge derselben b. Halbreifes Kalb. 1) Länge der Dünndarmzotten 0,004655 P.Z. 0,017204P.Z. 2) Breite derselben C. Mcnsebenfötus. 0,013156P.Z. bis 0,026818P.Z. 0,003542 P.Z. bis 0,005262 P.Z. a. Am Ende des dritten Monates. Dünndarmzotten. 1) Mittlere Breite derselben mit beiden Lagen (in Weingeist aufbewahrt) 0,004554 P.Z. 2) Mittlere Länge derselben mit beiden Lagen 0,000910P.Z. 3) Breite (Dicke) der oberen Lage 0,001518 P.Z. 4) Mittlere Breite der Darmzotten ohne obere Lage 0,002530 P. Z. 5) Mittlere Länge derselben ohne Epithelium 0,006072 P.Z. b. In der Mitte des fünften Monates. a. Dünndarmzotten. CK». Mit der oberen Lage. 1) Mittlere Breite 0,005060 P.Z. 2) Mittlere Länge 0,014168 P.Z. ßß. Ohne die obere Lage. 1) Mittlere Breite 0,004048 P.Z. 2) Extreme der Breite 0,002732 P.Z. bis 0,005566 P.Z. 3) Mittlere Länge 0,001214 P.Z. 7 2 S"« er b To e a«? (D CS ■-s o J* Q I-! a.-: a.-: IT' :::• K ^ CD S?: ar: IT' •^ § S ^§.' 2 K- a- S. «3 w OS o d er O es s B ST 05 t^ s-2: H w g° OS r*'» Dj '^^ ->v s 0 0 «> ^3 0 ""^ <^^. »^ !!}: Ö S C 05* St' 1 l^+. 5 0* 0 « 3 cf'- £-S ^ 03 S? " El i-F* ^ ® C öö g ■& v2 -tic. B CO CO "3 ^ f B er; B B o B W CM ►-: « EU B B a« r" f6 3 o o Ol fD (ti fD Ol Dritter Abschnitt. Fragmente zu einer künftigen Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. 36 „Noch Manchem wird ein Preis zu Theil werden. Die Palme aber „wird der Glückliche erringen, dem es vorbehalten ist, die bildenden „Kräfte des thierischen Körpers auf die allgemeinen Kräfte oder Lebens- „richtungen des Ganzen zurückzuführen. Der Baum, aus welchem seine „Wiege gezimmert werden soll, hat noch nicht gekeimt." Karl Ernst von Bär über Eatwickelungsgeschichte der Thiere S. SXII. I. Nothwendiger Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus. Tendenz der Zeit. D. 'as egoistische Princip des Menschen hat zu allen Zeiten mit der ihm gegenüberstehenden Aufsenwelt in Widerspruch ge- standen und daher seine Ideen gegen die objective Realität geltend zu machen gesucht. Denn wohl wis,send, dafs unser Geist die äufseren Dinge zu umfassen und in eine höhere Einheit zu bringen vermag, werden wir nur zu leicht zu dem Irrthume •verleitet, dafs wir den äufseren Stoff nicht nur bändigen und ordnen, sondern auch beherrschen und ändern könnten; als sey es kein blofs thörigter Wahn, der Natur unsere Ideen anzupas- sen, die Spiele unserer Phantasie ihr als bestehende Gesetze auf- drücken und ihre unverrückbaren Bahnen durch ungleiche Kräfte erschüttern zu wollen. Es ist freilich für einen etwas aufgeregten Geist lockend genug, divinatorisch, wie von dem Dreifufse herab, Orakel über die Natur und deren Erscheinungen auszusprechen, Lehrsätze in einem mehr oder minder systematischen Zusammen- hange vorzutragen und auf diese Weise einen vollständigen und scheinbar genügenden Commentar der sich überall aufdrängenden unendlichen Wunder liefern zu wollen. Wie das Temperament eines Jeden von uns unser Handeln im Leben sowohl, als in der Wissenschaft bestimmt und erklärt, so sind es besonders diejeni- gen, welche scharfe Combinationen entfernter und scheinbar unähnlicher Gegenstände zu machen, ein Convolut von Einzelhei- ten schnell zu überblicken und die Mannigfaltigkeit der objecti- ven Welt in allen ihren Modificationen und unter allen Verhält- nissen lebhaft und anschaulich in sich aufzunehmen vermögen, welche sich vorzüglich zu der bezeichneten Richtung der Natur. 566 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. forschung (im weitesten Sinne des Wortes) hinneigen — dem sogenannten Ideallsmus. Da die Koryphäen dieser wissenschaflli- chen Tendenz sich besonders dadurch auszeichnen, dafs sie viele, dem schlichten Sinne leicht und in der Regel entgehende Ver- hältnisse auf eine glänzende Weise hervorheben und durchführen, so belegt sie ein Theil der wissenschaftlich Gebildeten, insbeson- dere die Schaar der Dilettanten, vorzugsweise mit dem Namen der Geistreichen. Ja man sieht sogar sehr häufig bei vielen Idea- listen Spuren eines gewissen Eigendünkels und Stolzes, welcher aus ihrem meist lebhaften Selbstgefühle hervorgeht, und sie in ih- ren eigenen Augen höher stellt, als die emsigsten Forscher und die genauesten und conscquentesten Beobachter. Sie glaubten oft ein besonderes Verdienst darin zu finden, dafs sie vor langer Zeit durch Deduction auf Sätze kamen, oder diese, bewogen durch subjective Gründe, voraussagten, welche nach einer Reihe von Jahren erst durch Erfahrung begründet oder näher bestimmt wor- den sind. Mitleidigen oder gar verächtlichen Blickes voll schauen sie bis^veilen auf die Zahl derjenigen hinab, welche nüchtern und treu nur das sinnlich Wahrnehmbare auffassen und zusammentra- gen und so Stein auf Stein zu einem Gebäude häufen, das sie nie vollenden; als ob es verdienstlicher sey, mit Wachsflügeln dem Adler, als mit den nöthigen Kräften ausgerüstet der fleifsigen Ameise naclizuahmen. Die einnehmende Idee einer subjectiven Einheit läfst hier oft die reelle Vielheit zum Theil vergessen, wie im Auge das lebhafte subjective Farbenbild die äufseren Gegen- stände verdeckt und unkenntlich macht oder der helle Sonnen- schein die Myriaden von Welten verhüllt, weiche am meisten dem Sterblichen zu zeigen vermögen, was die Welten neben sei- ner und wie wenig er selbst in diesen sey. Die idealistische Tendenz im Allgemeinen ist aber keine blofs zufällige, nur dem Menschen inwohnende subjective Rich- tung. In ihr wiederholt sich nur Einer der Gegensätze des un- endlichen Processes, der in der äufseren wie der inneren, der materiellen wie der immateriellen Welt stets existirt und stets sich wiederfindet. Sie kann auch nothwendiger Weise keine absolut freie und für sich bestehende seyn. Ihre Individualität mufs vielmehr wie die jedes anderen Individuums überhaupt, ih- rem Charakter nach nur durch ein Mehr oder Minder bestimmt werden, wahrend ihre Totalität Idealität eben so gut in sich I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus. 567 schliefst, als Realität. Denn es ist besondere Eigenthümlichkeit eines jeden Concreien, Einzelnen, nicht Absoluten, die beiden Gegensätze des Ideellen und Reellen, Geistigen und Körperlichen nicht in sich auf gleiche Weise zu einem höheren, absoluten Drit- ten verschmolzen und ausgeglichen zu haben, sondern dem Einen oder dem Andern das Uebergevricht, gleichsam das Vorrecht des Herrschers, zu lassen und so ein einseitiges, beschränktes Wesen darzustellen. Wenn nun durch das Ueberwiegen des einen Poles der Idealismus entsteht, so erzeugt das des Anderen den Realis- mus, d. h. die Tendenz, nur das Empirische, sinnlich Darstell- bare, durch Beobachtung oder Versuch Jedem Vorzuführende zu verfolgen und die unendliche Mannigfaltigkeit der Natur wo mög- lich auf dem Felde der Wissenschaft zu wiederholen, die Reihen der gemachten Erfahrungen in planmäfsiger Ordnung aufzustellen und zur leichten üebersicht vorzubereiten. Werden daher durch den Idealisten consequente Systeme geschaffen, so liefert der Realist geordnete Aggregate. In dem ersteren herrscht die eigene Macht des schaffenden, in dem letzteren die Kraft des empfan- genden Geistes vor. Idealismus und Realismus werden und müssen so lange ein- ander gegenüberstehen, als unser stets individueller Geist die Ge- biete der Wissenschaften bearbeiten wird. Zu einer absoluten Vereinigung beider zu einem höheren, für sich bestehenden Drit- ten kann unsere Bemühung nie gelangen, weil wir selbst nicht absolut, wir selbst Individualitäten, mit dem Charakter der Ein- seitigkeit nothwendig begabte Wesen sind. Nur das Uebergewicht der einen oder der anderen Richtung herrscht in diesem oder jenem Menschen, diesem oder jenem Zeitalter vor. Da aber jede wissenschaftliche Thätigkeit eben durch die reelle Objecteuwelt bedingt und bestimmt ^vird, so müssen Idealismus und Realismus auf gleiche Weise nach der Menge und dem Werthe der zur Zeit bekannten und g-ewonnenen Erfahrungen charakteristisch bezeich- net seyn. Wie der Dichter nicht nur durch seinen Geist an und für sich, sondern auch durch die ihn umgebende, äufsere Natur, die Richtung der Zeit, den Charakter des Volkes, ja selbst durch die höhere oder niedere Stufe der eigenen geistigen Ausbildung bestimmt wird, so kann auch der Idealist nur durch die Masse der ihm zu Gebote stehenden objectiven Kenntnisse geleitet, seine Combinationen und Abstractionen zu Stande bringen, Gesetze ent- 568 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwiekelung. wickeln und fortführen und umfassende Theorieen und Systeme aufbauen. Es wird ihm nur Nebensache, dienendes Mittel, was einzige und Haupttendenz des realistischen Forschers ist. Und während so die Gebäude von beiden auf denselben Grundvesteu ruhen, kehrt auch hrer in dem Gebiete geistiger Bestrebungen dieselbe Norm wieder, welche in dem Gebiete der äufseren Na- tur überall realisirt ist, ein nie für sich bestehendes, absolutes Dritte, dessen zerfallene Seiten, dessen ungleiche Vertlieilung der constituirenden Elemente die einseitigen und abhängigen Indivi- dualitäten darstellt und charakterisirt. Die Geschichte der Wissenschafleu ist, wie die der Zeiten, kein blofs zufälliges Ding, sondern das nothwendige Produkt der Aus- und Fortbildung des literarischen Zeitgeistes. Jede neue Epoche ruht hier, wie dort, auf den Schultern der vorhergehen- den und ist ihr nicht etwa von aufsen her angefügt und ange- pafst, sondern aus ihr hervorgegangen, durch sie bedingt, ein wei- teres Moment derselben. Die durch die Zeit gegebenen Probleme müssen trotz aller scheinbaren Hindernisse, trotz der gröfsten Zahl der Widerwärtigkeiten gelöst werden, w^eil sie der Zeitgeist, nicht dieser oder jener menschliche Geist will. Eine solche Idee, die eine Wissenschaft in einer bestirnnjiten Zeitepoche vorzugs- weise beherrscht, pflegt man mit dem Namen der Tendenz der Zeit zu belegen, d. b. dem vereinten und mehr oder minder aus- schliefsenden, bewufsten oder unbewufsten Streben der gleichzei- tig thätigen Geisler, In ihr vereinigen sich nolhwendig Idealis- mus und Realismus, als Formell desselben Materiales einerseits und als Materien desselben geistigen Gebaltes anderseits, in jener Beziehung als beherrschende, in dieser als dienende Elemente. Das Problem der jüngsten Vergangenheit; so wie der uns umfas- senden Gegenwart in jedem Zweige Wissenschaft lieber Bestrebun- gen ist die Erkenntnifs des unendlichen Processes, des nie ruhen- den Wogens von Entstehen und Vergehen, die Auffassung des scheinbar Bestehenden als Transitorischen, des Seyn's als Wer- dens, die Durchführung der eben so tiefen, als wahren Lehre, dafs die wahre Existenz nur dem Processe und nicht der Schein- existenz des Persistirenden zukomme. Von welcher Bedeutung diese Richtung in der Lehre von dem Leben der thierisch- orga- nischen Geschöpfe sey, möge hier mit möglichster Kürze vorge- stellt werden. I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus. 569 Im vorigen Jahrhunderte gingen im Allgemeinen Philosophie und Naturwissenschaften gesonderte Wege. Nur der mathemati- sche Theil lieferte einen kleinen, einseitigen und im Ganzen un- tergeordneten Berührungspunkt. Kant und seine Nachfolger such- ten zwar die Verhältnisse beider Disciplinen zu einander genauer festzusetzen und hierdurcli zugleich die frühere so schroffe Stel- lung beider gegen einander zu vernichten. Allein nur lose blieb das Band geknüpft und, während in den metaphysichen Anfangsgrün- den der Naturwissenschaft die mathematische Seite als einendes Element vorzüglich hervorgehoben ward, dienten die übrigen na- turwissenschaftlichen Kenntnisse nur zu anschaulicheren Erläute- rungen der a -priori constatirten Sätze oder wurden als Grund- lage von Analogieen benutzt, welche auf den Gang der streng wissenschaftlichen Philosophie von gar keinem oder nur höchst untergeordnetem Einflüsse waren, Fichte's Idealismus war dazu geeignet, die Grenzlinien noch schärfer zu bezeichnen, die einzel- nen Gebiete noch weiter zu entfernen, und schien durch seine absondernden Principlen nicht nur die innere Natur des subjecti- ven Geistes von der äufseren objectiven Natur überhaupt distine- ter scheiden, sondern sogar diese letztere gegen die erstere als unwahr darstellen, in ihrer ganzen Wesenheit vernichten und ih- res unendlichen Einflusses berauben zu wollen. Da trat als noth- wendig entgegengesetztes Element Schelling auf, fufsend auf Vor- gänger ganz verschiedenartigen Charakters, als Spinoza, Baco, Leibnil z und Anderen. Die objective Natur wurde mit Nachdruck und nicht ohne Gewalt in das Gebiet der Philosophie hineinge- zogen; die einzelnen reellen Objecto in die philosophische Form geschmiedet, nach geistigen Schemen zusammengestellt, geordnet und als Typen einer Geist und Körper zugleich umfassenden und einenden Welt angesehen. Wiewohl Schelling selbst mehr die physikalisch chemischen Disciplinen zunächst in das Auge fafste, um ihre einfachen Elemente als allgemeine Urgegensätze und Ur- metamorphosen darzustellen, so ward doch durch seine Bemühun- gen anderen gleichgesinnten Männern der erste Antrieb gegeben, auch auf neuen Feldern der Wissenschaft in derselben Richtuns ihre Kräfte zu nennen. Vor Allen aber sind H. Steffens und L. Okcu zu nennen, welche es sich angelegen seyn liefsen, in den übrigen Zweigen der Naturwissenschaften dasjenige zu vollen- den, was Scholüng in den Reichen der Physik und Chemie an- 570 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. gefangen- Steffens ergriff besonders die anorganische, Oken da- gegen die organische Natur, und hatte hier Männer wie Schel- vcr, Kieser, Meckel, Nces v. Esenbeck, Döllinger u, A. zu Nach- folgern oder Mitarbeitern. Es war aber die Haupttendenz der naturphilosophischen Schule, die allgemeine Idee aufzufassen und die objectiven Erscheinungen in ihren allgemeinsten Verhältnissen als Factoren der allgemeinen Idee darzustetlen. Oken, der nicht blofs bei den allgemeinen und vagen Betrachtungen stehen blieb, sondern in die speciellen Verhältnisse der beiden organischen Reiche auf eine möglichst vollständige Weise einzugehen sich be- mühte, sah es bald als eines der sich darstellenden Hauptprobleme an, die Entwickelung dei' animalischen Welt von einem höheren Standpunkte aus aufzufassen und durch ihre speciellen Combina- tionen zu verfolgen. Die Zeugung der Thierwelt, so wie des einzelnen individuellen Thieres ei^schien ihm so in ihrem hellsten Lichte, und die vielseitigere Bearbeitung der naturphilosophischen Richtung in dem speciell zoologischen und physiologischen Gebiete führte unmittelbar auf einen wesentlichen Berührungspunkt des thierischen Individuums und der Thierwelt, die Entwickeluqgs- geschichte. Diese war indefs, was die einzelnen empirischen Facta betraf, früher schon bearbeitet worden, doch mehr nur als Nebenzweig der Anatomie und in einzelnen aphoristischen Frag- menten, wie sie der Zufall dargeboten hatte, oder w^enigstens nicht consequent und selbstständig genug, mm als eigene physiologische Disciplin auftreten zu können. Denn ihre ausgedehntere Anwen- dung, wie ihr bedeutender Einflufs auf die ganze wissenschaft- liche Behandlung der Lehre von dem Leben war von Wenigen nur geahnet und von Keinem vollständig aufgefafst und zur Aus- führung gebracht worden. Man hatte daher nur einzelne unge- nügende Data, welche meistens mehr die heute noch so sehr in Dunkel gehüllte Entwickelung des Menschen betrafen, oft ohne alle Kritik angenommen, oder einige Lieblingsprobleme, wie den Kreislauf des Blutes, die Ernährung des Fötus, die Ossifications- geschichtc, die Darstellung des äufseren Habitus in den verschie- denen Sciiwangerschaffsmouaten u. dgl. einer gründlicheren Durch- führung zu unterwerfen versucht. Auf diesem Wege waren die für das Specielle so äufserst wichtigen Arbeiten eines Duverney, Trew, Mery, Haller, C. Fr. WoUF, Sabatier, Hunter, Böhmer, Wrisberg, Ph. Fr. Meckel, Sömmering und vieler Anderer ent- I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus. 571 standen — Leistungen von zum Theil bleibendem Werthe, so fern man von der feineren Anatomie — einem Hauptprobleme jeder Entwickelungsgeschichte — und von dem meist unrichtigen oder schiefen Raisonncment abstrabirt. Allein gerade die wichtigsten und interessantesten Fragen blieben ungelöst, weil man fast nie die frühen entscheidenden Verhältnisse beobachtet, oft die krank- haften Zustände bei menschlichen Eiern und Früchten für normale Produkte angesehen und die wichtige Untersuchung unter dem Mikroscope vernachlässigt hatte, weil man seltene Präparate früh- zeitiger Embryonen durch Vorurtheil oder äufsere Verhältnisse geleitet lieber in Weingeist verderben, als in frischem Zustande zerschneiden und untersuchen liefs. Nun hatte die herrschende Naturphilosophie auffallende und jedenfalls merkwürdige Sätze auf diesem Gebiete hervorgebracht, welche von den Anhängern oder Verfechtern noch näher begründet, von den Gegnern durch Er- fahrungen und Versuche widerlegt werden sollten. Dieses regte nothwendiger Weise ein allgemeineres Streben, die Entwlcke- lungsgeschichte des Individuums zu. erforschen, an, so dafs Män- ner, welche sonst jeder naturphilosophischen Richtung ihre Theil- nahme versagt hatten, zur Beachtung gezwungen wurden, weil rnan empirische zum Theil neue Facta zur Stütze naturphiloso- phischer Aussprüche benutzte. Es würde aber äufserst schwierig seyn, die Forscher hier in zwei Reihen theilen zu wollen, in solche nämlich, welche reine Naturphilosophen, und solche, wel- che bloise Empiriker seyen. Die Meisten V3n ihnen verfolgten der Natur der Sache nach beide Richtungen zugleich, wie Oken selbst. Kieser, Job. Fr. und Albert Meckel, Horkel, Carus u. A. Nur sehr Wenige, wie z. Th. Tiedemann, Emmert, Hochstetter, Rudolphi u. A. , dürften mit Recht zu den reinen Empirikern, welche sich von dem Einflüsse der weit verbieiteten Naturphilo- sophie möglichst fern hielten, gerechnet werden können. Aus diesen ihrem Wesen nach polemischen Bestrebungen gingen eine Reihe vortrefflicher Arbeiten über die EihüUen, den Darmkanal, die Geschlechtstheile auf dem Felde der individuellen Entwicke- lungsgeschichtc hervor. Die seegenreichsten Früchte, welche diese einerseits entgegengesetzten, anderseits aber und von einem hö- heren Standpunkte aus verbundenen Bestrebungen trugen, waren die in Deutschland sorgfältig gepflegten Untersuchungen über die EntwickeluDg des Gehirnes,, vorzüglich von Carus, Tiedemannn, 572 Fragmente z. Gesefzlehre d. individuellen Enlwickelung. J. Fr. Meckel, Döllinger u. A. In Frankreich, Italien und Eng- land, wo die Naturphilosophie von gar keinem oder nur geringem Einflüsse war. verfolgte man die alte, bei uns seit dem ersten Deceunium des neunzehnten Jahrhunderts fast ganz verlassene Richtung. Allein in diesen Ländern hatte die von Frankreich be- sonders ausgegangene Idee der vergleichenden und allgemeinen Anatomie zu tief Wurzel gefafst, als dafs man nicht diese auch auf die individuelle Entwickelungsgeschichte, als einen Zweig der Anatomie überhaupt, hätte anwenden sollen. So entstanden die Arbeiten von Rusconi, Mondini, Configliachi, von Ev. Home, Bauer, Hamilton u. A. Vorzüglich erwachte aber in Frankreich ein lebendiger Trieb' mehr vergleichend die Geschichte des Eies zu bearbeiten, wie die vielen Abhandlungen von Dutrochet, Cu- vier, Serres u. A. zeigen, während specielle Zweige der Fötalge- schichte von Serres, Beclard, Clocquet, Ribes^ Geoffroy u. A. mehr oder minder vollständig von Neuem vorgenommen wurden. Die- ses Alles geschah bis zu dem Jahre 1817. Einerseits hatte also die Entwickelungsgeschichte an empirischen Daten, welche zu Ende des vorigen und zu Anfange des jetzigen Jahrhunderts durch Wrisbcrg, Ph. Fr. Meckel, Sömmering, Autenrieth, Rosenmüller, Dzondi, Oken, Kieser, Tiedemann, Carus, J. Fr. und Albert Mek- kel, Dutrochet, Cuvier, Rudolphi und sehr viele Andere gewon- nen Vikaren, vielfachen Zuwachs erhalten, anderseits wurde ihre höhere Bedeutung mehr, als dieses früher der Fall gewesen war, besprochen, ihr Studium vielfach angeregt und zum Theil geför- dert, vorzüglich durch Oken, welcher das Ideele mehr auffafste und besprach und Joh. Fr. Meckel, welcher mehr die Erfahrungen vervollkommnete, um die Ideen zu erkennen, herzuleiten oder zu begründen. Doch versuchte auch Jeder von ihnen auf beiden Wegen, dem der Ratiocination, wie dem der Empirie seine nicht geringen Kräfte. Meckel hat sich auch hier, wie in fast jedem anderen Zweige der anatomisch-physiologischen Discipliuen durch eine sehr grofse Zahl genauer und mühsamer Untersuchungen nicht blofs den Dank der Mitwelt erworben, sondern auch die Unsterblichkeit des durch Bruder, Vater und Grofsvater schon berühmten Namens für alle Folgezeiten gesichert. — Es war aber zu dieser Zeit zwar das empirische Wissen bedeutend erweitert, so wie anderseits die einflufsreiche Bedeutung der Entwickelungs- geschichte lebhaft erkannt; es mangelte jedoch noch eine innige I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus, 573 Durchdringung dieser beiden entgegengesetzten Elemente. Es war eine Epoche der Gährung, die selbst zu keinem abgeschlossenen Resultate kam, dieses aber dadurch vorbereitete, dafs sie zu einer neueren, höheren Richtung überführte, in welcher wir uns jetzt befinden. Die Idee des Werdens, des nie Ruhenden in der Na- tur, die Idee des unendlichen, immer sich erneuernden und eben hierdurch das Leben constituirenden Processes trat aus den ihr bisher angewiesenen Schranken innerhalb der blofsen Theoreme zu Anfange unseres Jahrhunderts mehr und allgemeiner in das Leben, so dafs, hatte man bisher nur die esistirenden Objecte der Aufsenwelt vorzugsweise zu erforschen sich bemüht, man sich mit der blofsen Existenz zu irgend einer Periode oder in irgend einem Verhältnisse nicht zufrieden stellte, sondern die nach Raum und Zeit verschiedenartigen Daseynsformen zu Problemen der Untersuchung machte. In der Philosophie hatte Fichte diese Bahn durch seine Wissenschaftslehre begonnen und weniger Schelling, als Hegel (als sein sogenanntes dialektisches Moment) weiter fortgeführt. Auf dem Gebiete der Wissenschaften des organischen Lebens wurden neue Richtungen mit Sorgfalt durch diese Idee gepflegt und zu einer nicht geringen Höhe der Aus- bildung gebracht. So ist die in neuerer Zeit erst wissenschaftlich begründete Geographie der Pflanzen offenbar nichts anderes, als die Darstellung der räumlichen Entwickelungsgeschichte der Ve- getabilien und es ist nur zu bedauern, dafs, während diese durch Humboldt, Shouw, Wahlenberg, Agardh, Schübler u. A, einen so hohen Grad von Ausbildung erlangt hat, die schon vor sechzig Jahren durch Zimmermann begründete Geographie der Thiere hinter ihrer wissenschaftlichen Schwester so weit noch zurück ist. Was aber die Geschichte ' der thierischen Organisation an- geht, so sind es zwei Disciplinen, welche auf dieser allgemeinen Idee der Metamorphose des Processes fufsen, nämlich die verglei- chende Anatomie, als Evolutionsgeschichte der Thierwelt, und die Geschichte der individuellen Entwickelung als Evolutionsge- schichte des Thieres. Jene hat ihre wissenschaftliche Begründung in dem letzten Jahrzehend des vergangenen Jahrhunderts durch Cuvier erhalten und während fast die Gesamratzahl der Anatomen und Physiologen an der Vervollständigung ihres materiellen In- haltes eifrig arbeiteten, gewann sie zugleich ein mehr speculatives Interesse durch die Idee der Bedeutung der Organe, d. h. durch 574 Fragmente z. Geselzlehre d. individuellen Entvvickelung. die allgemeine üeberzeugung, dafs alle Tliiere, alle thierischen Organe nur Modificationen oder Metamorphosen von Urideen seyen, auf welchem Gebiete zum Theil Cuvier selbst, besonders aber d'Aubenton, Meckel, Oken, Carus, Geoffroy St. Hilaire, Spix, Huschke u. A. sich auszeichneten. Nachdem nun aber so die Entwickelung der Thierwelt mit inniger Liebe umfafst, die Idee des sich entwickelnden Processes in der Natur überhaupt lebhaf- ter erkannt und zur Anwendung gebracht worden war, so blieb die individuelle Entwickelungsgeschichte als ein zum Theil homo- loges, zum Theil ergänzendes Element, das zunächst zu lösende Problem. Wie jedes neue, grofse Ereignifs durch Einen oder Mehrere angeregt, durch einzelne taugliche Anhänger fortgeführt und zuletzt erst von Allen, sobald es sich in sein vortheilhaftes Licht gestellt hat, aufgenommen, gepflegt und benutzt wird, so erging es auch nun der Entwickelungsgeschichte, welche zwar in Bezug auf beobachtete Facta nichts weniger, als neu, in Rücksicht ihrer Bedeutung und Anwendung für die Physiologie überhaupt aber einer höheren Stufe wcrth ward. Hatte Oken schon zu Anfange unseres Jahrhunderts, von ihrem grofsen Einflüsse auf die Lehre von dem Leben durchdrungen, mit Nachdruck von Sei- ten der Speculation auf sie hingewiesen, so trat jetzt das Haupt der sogenannten Würzburger physiologischen Schule, DöUinger, mit neuen empirischen Daten ausgerüstet, als der erste Wende- punkt zu einer einflufsreichen Betrachtungsweise derselben auf. Er und seine beiden Schüler, Pander und d' Alton, bearbeiteten die früheste Entwickelung des Hühnchens mit aller ihnen mögli- chen Genauigkeit und Vollständigkeit, und als Epoche machendes Resultat dieser Bemühungen mufs es angesehen werden, dafs sie zuerst die drei Blätter der Keimhaut, von denen jedes seine be- stimmten Metamorphosen eingeht, unterschieden. In dieser Zeit empfing auch Karl Ernst v. Bär, damals ein Schüler Döllingers, den ersten Impuls zu seinen späteren, wichtigen Arbeiten. Aber auch zum Theil unabhängig von der Würzburger Schule wurden die Untersuchungen specieller Gegenstände der Entwickelungsge- schichte zahlreicher. So erschienen neue Beiträge zur Geschichte des Eies von Oken, Bojanus u. A., zu der des Gehirnes von Ser- res, Desmarest u. A., zu der des Blutes von Döllingcr, zu der des Athmens und dessen Folgen von Joh. Müller, zu der der Mollus- ken von Stiebel, zu der der Amphibien von Rusconi, Configliachi, T. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus. 575 Steinlieim u. A., zu der der Vögel von Ilolando, zu der der Säu- gethiere von Bojanus, Cuvier u. A. und wenn auch diese Arbei- ten keinesweges aus den Anregungen Döllingers unmittelbar und allein hervorgingen, so zeugten sie doch deutlich genug von dem lebhaft gefühlten Bedürfnisse, durch die Entwickelungsgeschichte des Thieres wichtige Probleme der Physiologie zu lösen und ebeu so glänzende Resultate auch auf diesem Wege zu erlangen, als die- jenigen waren, welche man mit Hülfe der vergleichenden Anatomie schon gewonnen hatte. Es war natürlich, dafs beide DiscipHnen nun immer mehr Hand in Hand gingen, einander wechselseitig unterstützten, ergänzten und beleuchteten. Und so gewannen die physiologischen Resultate, welche von Seiten des Idealismus durch die Naturphilosophie, von Seiten des Realismus durch die ver- gleichende Anatomie gewonnen waren, immer mehr an Breite, an Specialitäten, an innerem Gehalte. Purkinje hatte im Jahre 1825 die 'Untersuchung des Vogeleies vor der Brütung, welches zuletzt Dutrochet in Frankreich bearbeitet, wieder aufgenommen und au- fser vielen mit Scharfsinn und Originalität behandelten Einzeln- heiten die wichtige Entdeckung gemacht, dafs das Vogelei, so lange es dem Eierstocke angehört, in der Mitte der Narbe ein Bläschen enthalte, welches bei dem Eintritte des Eies in den Ei- leiter schwinde, wahrscheinlich platze und seinen Inhalt entleere. Bei niederen Tbieren wurde bald ein solches Bläschen ebenfalls gefunden und auf diß Allgemeinheit seines Vorkommens in der Reihe der Thierwelt mit Recht geschlossen. Allein die Säuge- thiere, deren erste Entwickelungsgeschichte zum Theil heute noch zu den Desideraten der Wissenschaft gehört, schienen hiervon eine unerklärbare Ausnahme zu machen. Die Aehnlichkeit der Form der Folliculi Graafiani mit den Eiern des Ovariums der Vögel hatte schon vor drei Jahrhunderten zur Ueberzeugung ge- führt, dafs die Eiei'stöcke der Säugeihicre und Vögel analoge Ge- bilde seyen. Regner de Graaf hatte schon zu Ende des siebzehn- ten Jahrhunderts aus einer Reihe ausgezeichneter Beobachtungen mit vieler Wahrscheinlichkeit den Schlufs gezogen, dafs der Fol- liculus ein sehr kleines Eichen in seinem Innern enthalte, welches bei dem in Folge der Conception stattfindenden Platzen des Fol- liculus übergeführt werde. Minder sorgsame Beobachtungen der Nachfolger und vorzüglich die gewichtige Auctorität Hallers hat- ten diese ^'^'ahrheit verdunkelt, und selbst erneuerte Versuche 576 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. Haightons schienen gegen den halb vergessenen Graaf zu sprechen, während ihn freilich die genaueren Beobachtungen Cruikshanks von Neuem unterstützten. So ruhete dieser wichtige Gegenstand ohne Entscheidung, bis Prevost und Dumas, zwei in jeder Bezie- hung ausgezeichnete Forscher Frankreichs, die Entwickelung der Wirbelthiere von Neuem vornahmen. Nachdem sie die ßatrachier und Vögel in dieser Rücksicht behandelt hatten, suchten sie das schwierige Feld der ersten Evolution der Säugethiere aufzuhellen, und sprachen bei dieser Gelegenheit mit Bestimmtheit die Ver- mulhung aus, dafs der Folliculus hier ein Ovulum in sich ent- halte,. Unbegreiflicher Weise entging ihnen aber die bestimmte Beobachtung desselben, wiewohl sie häufig genug Hunde unter- suchten, deren Eichen schon mit blofsem Auge in dem unver- letzten Folliculus wahrgenommen werden kanu. Dieses Problem, durch Empirie die Existenz eines Eichens innerhalb des Follicu- lus nachzuweisen, löste von Bär, welcher seine Entdeckungen nebst sehr vielen anderen wichtigen und schätzbaren Beobachtungen in seinem Schreiben an eine Akademie bekannt machte, die den von Deutschland verkannten und verstofsenen Caspar Friedrich Wolff aufgenommen hatte und Pander und Döllinger, so wie Bär selbst zu ihren Mitgliedern rechnet. Indem er aber das Eichen der Säuge- thiere mit dem Keimbläschen der Vögel indentificirte, brachte er neue Verwirrung in die so dunkele Lehre, und so mufste erst in der neuesten Zeit eine zweite Entdeckung des wahren Keimbläs- chens der Säugethiere gemacht werden, um die Analogie mit dem Vogel deutlich und richtig darzustellen. Aufserdem wurden in den Jahren 1823 — 28 eine Reihe von Vorarbeiten über die Ent- wickelungsgeschichte der Frucht selbst gemacht, welche in sich einen gemischten Charakter trugen. Denn indem die Einen mehr •durch idealistische Principien geleitet ihre aus philosophischer Deduction folgenden Sätze durch Beobachtungen zu bestätigen . oder zu erläutern pich bemüheten, kamen Andere, nur der sinn- lichen Erfahrung trauend, auf allgemeine Resultate, welche merk- würdiger Weise mit naturphilosophischen Ideen entweder zu- sammenfielen oder wenigstens in inniger Verbindung standen. Jeder weifs, welche Männer ich hier vorzugsweise nennen mufs, wenn ich mich nur auf diejenigen beschränke, welche mit beson- derer Vorliebe und fast ausschliefslich die Eutwickelungsgeschichtc bearbeiteten. Es sind Karl Friedrich Burdach, Karl Ernst von Bär, I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus. 577 von Bär, Heinrich Rathke und Emil Huschke, deren Leistungen zwar schon 1820 auf diesem Felde begannen, deren Concenfra- lionspunkt jedoch in das Jahr 1828 fällt. Emil Huschke, ein frü- herer Schüler Okens und von diesem in naturphilosophische Sta- dien uud Spcculationen eingeweiht, suchte in einer Schrift über die Sinnesorgane seine Ideen, vorzüglich in BetrelT des Gchöror- ganes und zum Theil des Auges durch Momente aus der Entwik- kelungsgeschichte dieser Theile zu begründen, Untersuchungen über den Kamm des Vogelauges gaben neue Gelegenheit, die Ent- wickelung dieses Organes bei dem Hühnchen darzustellen, so wie Untersuchungen über das Gehörorgan bei Thieren überhaupt, auf den merkwürdigen Meckelschen Fortsatz bei Embryonen wieder- um zurückzukommen. Heinrich Rathke hatte zuerst die Entvvik- kelungsgeschichte der ürodelen und Anuren mit Ausführlichkeit und Gründlichkeit bearbeitet und späterhin seine Forschungen über alle vier Wirbeltbierklassen ausgedehnt, die Verhältnisse der Wolffschen und Okenschen Körper genauer verfolgt und durch Abbildungen erläutert. Die Untersuchung von zarten Embryonen des Schaafes, Schweines und Pferdes hatten ihn zu der wichti- gen Entdeckung der Kiemenspalten bei Säugethierembryonen ge- führt, und wider Vermuthen fand er auch bald diese merkwürdi- gen Gebilde in zeitigen Früchten der Schlangen und Vögel. Die Anordnung der Kiemengefäfse wurde Gegenstand eines lebhaften Streites zwischen ihm und Huschke, dessen Folgen, wie die jeder acht wissenschaftlichen Discussion, nur erspriefslich waren und zu dessen Schlichtung ouch zwei Arbeiten von Karl Ernst v. ßär beitrugen. Aufserdem lieferte Rathke in diesem Zeiträume wich- tige Beiträge zur Entwickelung der Rochen und Hayen und zur Evolutionslehre der Athmungswerkzeuge in den Vögeln und Säu- gcthieren. Karl Ernst v, Bär halte in seinem Sendschreiben an die Petersburger Akademie aufser dem schon oben erwähnten Ei- chen der Säugethiere die Bildung der gelben Körper, vorzüglich aber die früheste Entwickelung der Säugethiere mit musterhafter Genauigkeit beschrieben und abgebildet und die gröfstmögliche Analogie mit dem Vogel nachgewiesen. Aufser diesem waren von den beiden zuletzt genannten Naturforschern eine Menge Beobach- tungen gemacht worden, welche in Kürze wenigstens der bald zu nennenden Schrift einverleibt wurden. Karl Friedrich Burdach, seit mehr als einem Viertel eines Jahrhunderts in dem Felde fast 37 578 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. aller naturwissenschaftliclien Disciplinen thätig, hatte zuletzt mit bewunderungswürdigem Fleifse eine grofse Arbeit über Hirn- und Rückenmark vollendet, welche einen Aufwand ausgedehnter und genauer Leetüre enthielt, wie wenig Werke Deutschlands oder anderer Völker, ein Vorzug, den man in keiner Burdachschen Schrift vergeblich sucht. Nun wandte sich dieser ausgezeichnete Naturforscher an die Bearbeitung der Physiologie, und halte in dem Jahre 1826 den ersten über die Zeugung handelnden Band herauszugeben. Der zweite sollte nun die Entwickelung umfas- sen. Aufserdem, dafs Burdach eine aufserordentliche Fülle vori Gelehrsamkeit, eine ziemlich bedeutende Zahl von eigenen Beob- achtungen zu Gebote stand, konnte er noch die hülfreiche Hand Ernst Meyers für das Botanische und Karl Ernst von Bars und Heinrich Rathke's für das Zoologische benutzen. Die Beiträge der Letzteren waren aber das Resultat jahrelanger, mühevoller Forschungen über die wichtigsten Objecto der individuellen Ent- wickelungsgeschichte. Wir erinnern nur an dasjenige, was Rathke über den Flufskrebs, die Fische, die Geschlechtsorgane, den Darm u. dgl, mehr hier bekannt macht, was Bär über Frösche und vor allen über Vögel hier lehrte, um anzuzeigen, mit welchem Rechte man blofs wegen dieses Werkes das Jahr 1828 als dasjenige an- sehen kann, in welchem eine neue Aera der Entwickelungsge- schichte beginnt, wie hier sich die 1817 beginnende vorbereitende Periode schliefst, um nun dem eigenihümlichen und selbstständi- gen Gange der wissenschaftlichen Evolutionslehre Platz zu ma- chen. Noch in demselben Jahre gab v. Bär die Entwickelungs- geschichte des Hühnchens mit wenigen Veränderungen gesondert heraus, begleitete aber diese Beobachtungen durch eine Reihe von allgemeinen Betrachtungen. Aufserdem feierte er Samuel Thomas Sömmeriugs Jubelfeier durch seine oben vielfach genannte Schrift über die Gefäfsverbindung zwischen Mutter und Frucht. Das In- teresse für die Entwickelungsgeschichte wurde nun mit jedem Jahre gröfser und allgemeiner. Zu den oben genannten vier Co- ryphäen der Entwickelungsgeschichte gesellten sich bald andere, gröfsteniheils durch frühere Arbeiten schon berühmte Naturfor- scher, welche gleiche Ehre auf diesem Felde zu erwerben sich bemühten. Job. Müller beschrieb zuerst die WollFschen Körper bei Batrachiern, wo man sie vorher noch nicht gesehen hatte, bearbeitete ausführlich in einer gesonderten Schrift die Entwik- I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus. 579 kelung der Geschlechtstheile, berücksichtigte stets mit besonderer Aufmerksamkeit die Entwickelungsgeschichte in seinem Werke über die Drüsen, beschrieb sehr zeitige menschliche Embryonen, die Verhältnisse der Netze, machte Beobachtungen über die de- cidua, die Lymphgefäfse des Nabelstranges u. dgl. mehr bekannt. Carus bearbeitete mit vieler Vorliebe die Entwickelung der Schnek- ken und Muscheln, lieferte in seinen Erläuterungstafeln zur ver- gleichenden Anatomie Abbildungen von Embryonen der Fische, seltener Säugethiere u. dgl, mehr. Purkinje verleibte der 1830 erschienenen zweiten Auflage seiner Schrift die neuen von ihm gemachten Erfahrungen, indem die älteren schon Berthold gröfs- tenlheils bestätigt hatte, ein. Jacobson beschrieb die Okenschen Körper der Säugethiere nach eigenen Beobachtungen, v. Ammon bearbeitete die Genese des Auges bei dem Menschen, und Huschke, unermüdlich in seinen Forschungen über die Sinnesorgane, hellte die früheste Entwickelungsgeschichte des Auges auf, während er die Entwickelung des Gehörorganes mit einflufsvollen Enideckun- gen bereicherte, v. Bär machte neue Erfahrungen über das Hären der Embryonen der Säugethiere und des Menschen, über die Ent- wickelung der Schwimmblase bei Fischen bekannt. Heinrich Rathke ging auf der rühmlichst begonnenen Bahn rüstigen Fufses fort und machte Beobachtungen über die Entwickelung der Insek- ten, Crustazeen, Arachnidcn, über Knochenfische, die Geschlechts- werkzeuge, die Harnorgane, das Gehörorgan u. dgl. melir. Mayer nahm die Untersuchungen über die Nabelblase von Neuem auf, während BischofF die Eihüllen des Menschen überhaupt zum Ob- jecte einer eigenen Schrift wählte. Wir könnten noch viele aus- gezeichnete Arbeiten hier aufzählen, wenn wir nur mit irgend einem Gi-ade von Vollständigkeit die vielfachen in die letzten sechs Jahre fallenden Bemühungen, die individuelle Entwickelungs- geschichte aufzuhellen, auseinanderzusetzen die Absicht hätten. Wir wollten aber nur durch einige wenige Züge die Bedeutsam- keit und Allgemeinheit dieser Richtung anschaulich machen, und glauben durch diese unvollständige Darstellung unsere Absicht schon hinlänglich erreicht zu haben. Sehen wir aber auf die Reihe der oben genannteji Naturforscher, so finden wir fast nur deutsche Namen genannt, die sich um die individuelle, wissen- schaftliche Entwickelungsgeschichte in der neuesten Zeit verdient gemacht haben. Wie die Naturphilosophie in ihrem ersten Be- 37' 580 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. ginnen einst Deutschland ausschliefslicli angehörte und erst in dem zweit en Decentiium ihrer Existenz in Frankreich ebenfalls Wurzel fafsle, so scheint auch die scientifischc Entwickelungsgc- schichte demselben Schicksale entgegenzusehen. Die französischen hierher zu rechnenden Arbeiten gehören sämmtlich noch jenem Geisie an, der die früheren Untersuchungen von Dutrochet, Cu- vier, Serres u. A. erzeugt halte, wie die neuesten Arbeiten über das menschliche Ei von Breschet, Velpeau ,u. A. hinlänglich zei- gen. Vorzüglich aber können die Beobachtungen von Coste und Delpech zu Beweisen dienen, wie diese Naturforscher sich von schiefen und unrichtigen Ideen, als physikalischen Analogieen, der Präexisienz des Amnion u. dgl. noch nicht loszumachen ver- mögen. In England scheint die ganze Entwickelungsgeschichte noch nicht mit so vieler Liebe, als in Deutschland und Frank- reich, gepflegt zu werden. Doch zeigt die Arbeit von Themsoa über die Entslehung des Gcfäfssystemes, dafs der deutsche Geist der Evolutionsichre auch jenseits des Kanales nicht ganz unge- kannt ist und auch dort wohl bald seine seegenreichsten Früchte crndten wird. Dieselben HofTuungen dürften mit Recht auch von Italien zu machen seyn. Und wie Frankreich sich die Ehre an- eignet, dafs die Entwickelungsgeschichte der Thierwelt durch den Einflufs und die Bemühung seiner Gelehrten zuerst zur Wisseor Schaft geworden, so kann Deutschland gleiche Ansprüche auf den- selben Ruhm in Rücksicht der individuellen Entwickelungsge- schichte machen, die sogar noch verhältnifsmäfsig rascher und mit relativ geringeren Mitteln in das Leben trat, als die verglei- chende Anatomie. Dafs durch diese vielfachen Bemühungen und regen Forschun- gen das Gebiet der individuellen Entwickelungeu seine Grenzen immer mehr ausgedehnt und erweitert habe, ist leicht zu begrei- fen, und es giebt fast keine Thierklasse oder kein Thierorgan •mehr, dessen Genese nicht mit mehr oder minder Vollständigkeit durch die Arbeiten unseres Jahrhunderts bekannt wä're. So ver- danken wir mannigfaltige Erfahrungen über die Evolulionsge- ßchichte der Wirbellosen einem Herold, Rathke, Carus, Joh. Mül- ler, Ehrenberg, Audouin, Milne Edwards, Straufs-Dürkheim, Bur- meister, OweA, Grant, Della Chiaja, R. Wagner u. A., über die der Fische Carus, Baumgärtner, Prevost und Dumas, Rathke u. A., über die der Amphibien Prevost und Dumas, von Bär, Rathke, I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus. 581 Huschke, Siebold, Job. Müller, Baumgärtner, Tiedemann, Owen u. A,, die der Vögel Purkinje, von Bär, Rafbke, IJuschke, Bur- dacli, Prevost und Dumas, Pfeil u. A., die der Sängeibicre Boja- nus, Oken, Job. Fr. RTeckel, Rudolpbi, Döllinger, Tiedemann, Ca- rus, Bär, Rafbke, Prevost und Dumas, Huscbke, An)mon, IJenle, Reicli, Rudolph Wagner, Bresebet, Geoffroy, St. Hilaire, Coste, Retzius, Jacobson und nocb scbr vielen Anderen. Für die Or- ganogenese wurden von besonderer Wiclitigkeit die Arbeiten von Oken, Bojanus, J. Fr. Meckel, Purkinje, Carus, v. Bär, Raibkc, Burdaeb, Job. Müller, Seiler, Breschet, Raspail, Velpcau, E. IL Weber, Leo, Burns u. A. über das Ei und die einzelnen Eitbcile, von Bär, Rathke, Burdaeb, Huscbke ü. A. über Hirn und Rücken- mark, von Carus, E. H. Weber u. M. J. Weber über das Ske- lett, von Bär, Ratbke, Huscbke, Job. Müller, Baumgäitncrs Thom- son, Owen, Prevost und Dumas, Cosfc, Delpech, Burdach u. A. über das Blufgefäfssystcm, v. Bär, Raihke, Burdach, Job. Müller, G. R. Treviranus u. A. über den Darmkanal, von Rathke, Job. Müller u. A. über die Alhmungswerkzeuge, von E. H. Weber, Ratbke, Job. Müller u. A. über die Drüsen, v. Bär, Ratbke, Bur- da(^i, Huscbke, Job. Müller, Ammon, Gescheidt, Henlc, Reich, R. Wagner u. A. über das Auge u. dgl. ,m. Kurz fast alle in unse- rem Zeitalter thätigen und ausgezeichneten Physiologen und Ana- tomen, welche vollsiändig anzuführen hier der Ort nicht seyn kann, haben einen Tbeil ihrer vorzügliciiäten Bestrebungen auf die individuelle Eutwickelungsgeschichte gerichtet, der gegenüber als anderseitiges Problem die Enlwickelungsgeschichte der Thier- welt, die vergleichende Anatomie steht. Beide zusammen sind die Grundlagen, auf denen jede wahre und ächte Erkennt nifs der Natur des tbierischcn Lebens basirt werden mufs. — So zeigt sich die Idee der genetischen Beziehungen als das herrschende Element unserer heutigen physiologischen Leistungen, wie nicht minder der Gesammlheit alles wissenschaftlichen Strcbens unserer Zeit. In der Naturwissenschaft des tbieriscben Lebens wird durch sie das Problem gestellt, nachzuweisen, dafs jedes organische We- sen, jedes Organ, jeder Organtheil seine bestimmte Eigentbüm- licbkeit habe und behaupten müsse, dafs aber alle nur, im Gan- zen wie im Einzelnen, unendliche Metamorphosen der einen und höchsten Uridee sind. Wenn früher die letztere nur im Allge- meinen aogedeutet wurde, und so ein blofses Object des speculi« 582 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. renden Geistes war, so machte bald ihr speciellercs Verfolgen die Mannigfaltigkeit empirischer Facta, sowohl schon bekannter, als noch aufzufindender üothwendig. Und wenn anderseits vollstän- dig verfolgte Erfahrungen zu allgemeinen, den durch die Idee ge- wonnenen Schlüssen nicht unähnlichen Resultaten führten, so ist der schroffe Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus um Vieles geringer geworden. Sie sind beide zu einer höheren Ver- einigung zum Theil eingegangen und insofern der absoluten Ver- bindung, die hicnieden nie vollständig seyn kann, um einen Schritt näher getreten. Die vollständigere Erfahrung führt so zu einer deutlicheren Auffassung des Ganzen, die um so richtiger ist, je mehr sie aus der innigen und wahren Verknüpfung sicherer em- pirischer Data hervorgegangen. „Denn der Mensch, als der Die- ner und Ausleger der Natur, wirkt und erkennt nur so viel, als er von der Ordnung derselben entweder durch angestellte Ver- suche oder durch Beobachtung bemerkt hat, und über dieses hin- aus weifs und vermag er Nichts. Keine Kraft ist nämlich im Stande, die Kette der Ursachen aufzulösen oder zu zerbrechen, und man bemächtigt sich der Natur nicht anders, als dadurch, dafs man ihr gehorcht." — Baco von Verulam. — II. Allgemeine Begriffe. — üridee. — Metamorphosen. Dem oberflächlichen und Sinne des Menschen erscheint die Natur als eine Mannigfaltigkeit verschiedener Objecte, von denen jedes einen gewissen Grad von Unabhängigkeit und Selbstständigkeit behauptet. Anderseits wird jedoch die Spur eines Zusammen- hanges durch äufsere Verhältnisse bald kenntlich. Doch die Idee eines innig verschmolzenen Ganzen, dessen einzelne Theile auf das Genaueste sich verbinden, nur in und durch einander bestehen, mangelt noch gänzlich. Dieses übt natürlich auf den ganzen Gang der noch auf niederem Standpunkte befindlichen Auffas- sungsweise einen wesentlichen Einflufs aus. Denn wenn auch die lebhafte Anschauung eines in allen seinen Theilen sich wech- selseitig durchdringenden Ganzen fehlt, so stellt sich doch mit Erweiterung objectiver Kenntnisse ein um so gröfseres Aggregat von Erscheinungen dar, die von dem systematisirenden und um- fassenden Geiste des Menschen als ein Complex angesehen wer- II. Allgemeine Begriffe, üridee. Metamorphosen. 583 den. Allein diese Verstellungsweise bedingt es, dafs der Geist zwei Ansichten fest hält, welche, so wie er sie auffafst, schief und zum Theil unwahr sind. Da ihm der innige und wesentliche Zusammenhang der Naturerscheinungen entgeht, die Natur selbst ihm also nicht einmal ein solches Ganze ist und seyn kann, als seine eigene Persönlichkeit, seine relative Individualität, er selbst für sich daher schon höher zu stehen scheint, als das AU der äufse- ren Objectenwelt, so glaubt er den Grund und den Ursprung al- ler reellen Totalität aus etwas Höherem, für sich Individuellen, Per- sönlichen ableiten zu müssen. Er stellt daher eine geistige Per- son über die Welt, welcher sie erzeugt hat, ihre Fortdauer un- terhält und die Herrschaft derselben besitzt. Diesem scheinbar höheren Wesen wird nun die Welt als etwas Aeufserliches un- tergeordnet, als sein Produkt, sein Werk, seine Freude angesehen, und auf diese Art unwillkührlich und unbewußt der höchste, von aller Relativität zu befreiende Begriff anthropomorphisirt, in nie- dere, unwahre Verhältnisse hinabgezogen, indem man ihn gerade zu erheben und von dem angeblich Niederen zu trennen sich be- müht. Man geht sogar noch weiter. Man sagt zwar, dafs der höchste Begriff untheilbar sey, verfehlt aber sogleich die eben ausgesprochene Ansicht, wenn man gleichsam erklärend hinzugefügt, dafs er eine Unendlichkeit von Eigenschaften in sich vereinige. Diesem in Rücksicht der Ursachen begange- nen Irrthume steht aber ein anderer, in Bezug des Zweckes gemachter vollkommen zur Seite. Man glaubt nämlich , da die Idee eines innern, wesentlichen Zusammenhanges der äufse- ren Objecte noch fehlt, dafs das Eine nur zum Nutzen des Anderen oder behufs seiner eigenen Sclbsterhaltung existire, dafs also überall eine gewisse äufsere Zweckmäfsigkeit, eine weltkluge Combination der Erscheinungen vorhanden sey — eine nothwen- dige Folge dessen, dafs man nur das Aeufserliche in der Natur aufgenommen und erkannt hat. Diese rein teleologische Richtung ging Jahrhunderte lang jener anthropomorphisirenden physikotheo- logischen Ansicht zur Seite, hatte im siebzehnten und achtzehn- ten Jahrhundert die gröfste Höhe ihrer Ausbildung durch reelle Kenntnisse erreicht und hallt selbst in unseren Tagen auf eine merkwürdige Weise, wenn auch nur vereinzelt, von manchen Or- ten wieder. Zwar ist diese niedere Stufe der Betrachtung für denjenigen, welcher auf ihr steht ,^ beruhigend genug, weil sie 584 Fragmente z. Gesctzlehre der individuellen Entwickelung. Vieles erklärt, die Einsicht des bis jetzt Unerklärten mit einem gewissen Rechte von der Zukunft erwartet und am Ende nur ein Rathsel ungelöst läfst, nämlich den höchsten Begriff selbst. Allein mit ihr ist auch der Knolen eher zerhauen, als gelöst, und die schwierigsten, aber auch fruchtbarsten Gebiete der höheren Forschung sind gänzlich abgewiesen, sobald man die Natur als ein aus der Hand des Schöpfers gekommenes, abgeschlossenes und fertiges Product ansieht, die einzelnen Realitäten dagegen als Ob- jccte der höchsten individuellen Weisheit mit dcm^ höchsten Grade äufserer Zweckmäfsigkeit begabt seyn läfst, — Dringt je- doch der Geist liefer. und mit unbefangenerem Blicke in die Ge- heimnisse der Natur ein, so genügt ihm jene blofs oberflächliche und einseitige Betrachtung derselben keinesweges mehr. Die nächste Folge des eingesehenen Irrthumes und der neu verfolgten Bahn der Forschung, ist die immer lebhafter aufsteigende Erkennt- nifs, dafs es nicht blofs jene äufsere Zweckmäfsigkeit sey, welche der Natur inhärire, dafs -vielmehr ein innerer, weit höherer Zu- sammenhang, eine Verbindung, die ihr ganzes Wesen, Inneres und Aeufseres, durchdringet und einet, zwischen ihren Objcclen Statt linde. So sinkt nun vor den Augen des Menschen jenes rein te- leologische Princip in seine untergeordnete, zum Theil unwahre Stellung hinab. Freilich waren für die verlassene Ansicht der anzuführenden Beispiele oder Scheinbeweise Viele zu finden, nicht aber deshalb, weil die Sache an sich so klar gewesen und sich unmittelbar von selbst ergeben, sondern weil das Aeufserlichc von dem sinnlichen Menschen immer leichter aufgegriffen wird, weil CS selbst minder Begabten und Einsichtsvollen deutlicher und zugänglicher ist und aus diesen Gründen auf den Beifall der Menge mit Gewifs^heit rechnen kann. Was aber auf den ersten Blick sich kund giebt, ist deshalb nicht immer das Richtige und eine Idee nicht aus dem Grunde wahr, weil sie leicht, sondern weil sie sich aus dem Wesen der Objecto nolhwendig und, so- bald die Totalilät derselben vollständig erkannt ist, von selbst ergiebt. Mit der Resignation auf eine blofs teleologische. Erkennt- nifs der Natur wird die Idee eines höheren inneren Zusammen- hanges nothwendig gegeben und deren Enthüllung als das höchste und wichtigste Postulat der Naturwissenschaften gesetzt. Jene frühere anthropomorphische Vorstellung der Beziehung zu dem höchsten Begriffe aber räumt nun einer höheren, ideelleren oder 11. Allgemeine Begriffe, üridee. Metamorphosen. 585 vielmehr erhabeneren Ansicht den Platz ein, welche nur zu leicht mifsvcrstauden und von Gegnern oft nicht ohne Leidenschaftlich- keit und Partheisucht unrichtig gedeutet wird. Nun ist die Natur dem so erschlosseoen Geiste kein -Aggre gat äufäerer Erscheinungen mehr, sondern das höchste System zusammenhängender Phänomene, eine wunderbare Verschlingung unendlicher Glieder, deren Gesammtheit in die absoluteste Ein- heit eingeht. Wir selbst sind solche einzelne Glieder, solche scheinbar isolirte, in der Wahrheit aber mit einander verbundene und an einander gekettete Theile einer höheren Totalität, eines umfassenderen Organismus. Denn diese letztere Benennung ge- bührt jedem aus relativ selbstständigen Theilen verbundenen Gan- zen, welches sich den Schein absoluter Selbstständigkeit anzueig- nen bestreb l, seinem Wesen nach aber eine nur mebr oder min- der relative zu erlangen vermag. In dem Reiche der organischen Wesen giebt sich uns dieser Individualisatioustrieb vorzüglich deutlich kund; daher man auch im gewöhnlichen W^ortgebrauche nicht selten die Ausdrücke Individualilät, Individuum nur auf diese anwendet und mit der Bezeichnung menschlicher Individua- lität unsere Selbstständigkeit und Abhängigkeit auf gleiche Weise andeutet. Denn trotz aller scheinbaren Verschiedenheit aller ein- zelnen Individualitäten ist es doch ein ihnen allen zum Grunde liegendes Identische, welches sie an einander kettet, aus ihren Einzelheiten als Allgemeines hervorleuchtet und als solches ab- strahirt zu werden vermag. Für unsere sinnlicbe Auffassung ist zwar jedes Abstrahirte unwahr, weil es unvollständig ist. Allein die unser ganzes geistiges Wesen beherrschende Methode der Ab- straction beruht darauf, dafs wir als Individualitäten, Persönlich- keiten jeder äufseren Mannigfaltigkeit gegenübergestellt und ent- gegengesetzt sind, dafs wir eben deshalb über sie erhaben zu seyn wähnen. Unsere Abstraction ist der geistige Ausdruck un- serer Individualisationstendenz und wie diese der Widerspruch des höheren organischen Ganges, so ist jene der Widerspruch der ihr unterworfenen Objecte. Die Abstraction ist daher unsere geistige Individualität und steht zur Idee in demselben Verhält- nisse, wie wir zu dem höheren Ganzen, dessen Theilorganismen wir ausmachen. Unser ganzes Wissen, sey es von körperlichen oder geistigen Dingen, ist, wie wir eben gesehen, etwas Abstraktes, Unvollstän- 586 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. diges und Einseitiges, daher z. Thl. Unwahres, der allgemeinen um- fassenden Idee Entgegengesetztes. Die Tendenz oder vielmehr das Priueip der Einheit, des einzigen Alles in sich einschliefseuden Ganzen haben wir mit der höheren Totalität, dessen Theilorganis- men wir selbst sind, gemeinscliaftlich. Allein die Realitäten sind ver- schieden, für uns eine gröfsere oder geringere Anzahl sinnlicher Ob- jecte, deren Erkenntnifä uns immer mehr oder minder mangelhaft bleibt. Mit der Zahl dieser erkannten Dinge aber wächst einzig und allein das Materiale unseres wahren Wissens und wenn dieses auch nie die Natur vollkommen zu umfassen vermag, so vollbringt es doch dieses um so genügender, eine je gröfsere Menge von Ein- zelheiten der singulären Objecte wir in ihrem inneren Zusammen- hange aufgenommen und zu einer umfassenden Einheit verbunden haben. Der Mangel an empirischen Factis führt zu einer Leer- heit, in welcher der Forschergeist nie ruhen kann. Daher keine Erfahrung, und scheine sie noch so unbedeutend und kleinlich, es in der That ist, sondern das wesentliche Glied einer schon geoflfenbarten oder in Zukunft noch zu enthüllenden Erkenntnifs. Zunächst ist es nun aber von Interesse, das Verhältnifs des höheren Ganzen zu den relativen Individualitäten und dieser un- ter einander zu erforschen. Der Weg, auf dem wir zur Erkennt- nifs des Allgemeinen, welches allen Objecten zum Grunde liegt, gelangen, ist für unsere Weise ein durchaus synthetischer. An und für sich liefse sich aus der unendlichen Mannigfaltigkeit der unserer sinnlichen Auffassung sich darbietenden Objecte von uns keine Ordnung, kein Plan entnehmen. Denn keines derselben ist dem anderen vollkommen gleich, sondern durch bestimmte eigenlhümliche Merkmahle geschieden. Unser Geist entfernt nur das Unähnliche und Ungleiche und erzeugt so eine Zahl neben einander stehender Gruppen, welche eine Reihe in gewissen Cha- rakteren übereinstimmender Objecte umfassen, wo also die spe- ciell^ Individualität der Einzelnen durch die Gruppirung vernich- tet worden. Das Aehnliche und Gleiche coustituirt aber den Gruppencharakter. Es ist die derselben zum Grunde liegende Idee und für diese Gruppe oder Abtheilung Uridee. Je höher jene also ist, einen je gröfseren Umfang sie hat, von um so gröfserem Umfange auch ist natürlich die Uridee. Allein diese findet sich nothwendiger W^eise in keinem Individuum vollständig realisirt, da die Charaktere jedes Einzelwesens zahlreicher seyn müssen. m. Wiss.schaftl. Bearb. d. Th.w. Bed. d. Org. d. Th. 587 Sie ist iu jeder untergeordneten Abtheilung, also auch in jedem Individuum enthalten, jedoch auf eine specielle, die relative Indi- vidualität constituirende Weise realisirt und diese verschiedenen Arten der Realisation nennt man Metamorphosen der Uridee. Die Relativität beider BegrifTe leuchtet von selbst ein. Denn jede Abtheilung hat ihre relative Metamorphosen und für zwei einander zunächst stehende Abtheilungen ist Uridee der subsu- rairten Metamorphose der Metamorphose der subsumirenden gleich. Die Beschränktheit unserer Erkenntnifs giebt sich hier, wie über- all, deutlich genug kund. Auf die uns hier zunächst interessirende Thierwelt angewen- det, können als Metamorphosen der Uridee die Abtheilungen der Thierwelt, dann die Thiere, dann die Organe und Organtheile derselben angesehen werden, und Jedes dieser Dinge mufs seine bestimmte Metamorphosenreihe durchlaufen. Die Nachweisung der Letzteren für die Totalität der Thiere ist die Aufgabe der höheren Zoologie. Nach dem Vorhergehenden könnte dieses Pro- blem zwar sonderbar scheinen, da die Uridee erst das Resultat der Erfahrungs Wissenschaft ist. Allein es ist Charakter unseres Geistes, dasjenige, welches wir durch Synthese auf Erfahrungs- wegen gewonnen, als höchsten Satz bei künftigen Beobachtungen zu Grunde zu legen und wenigstens prüfend und der Correction halber anzuwenden. Die Realisation der Uridee in den Organen der Thiere kann aber auf zweifache Weise aufgefafst werden, entweder in der Thierwelt überhaupt oder in der zeitlichen Ent- wickelung jedes einzelnen Thieres insbesondere. Die erstere Auf- gabe behandelt die vergleichende Anatomie; die zweite, die ganze Individualität umfassend, die Entwickelungsgeschichte. Die Ur- idee der Thierheit und des Thieres liegt also allen diesen Disci- plinen zum Grunde. III. Wissenschaftliche Bearbeitung der Thierwelt. — Bedeutung der Organe der Thiere. Die Thierwelt besteht aus der Menge der einzelnen, thieri- schen Individualitäten und jedes von diesen wiederum aus einzel- nen thierischen Organen. Die Metamorphosen der Uridee, wie 588 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. sie sich gleichzeitig in den ver.^chiedenen Raumverhältnissen dar- bieten, verfolgle die höhere Zoologie und die vergleichende Ana- tomie. Diese den beiden Wissenschaficn gestellten Probleme sind aber nicht so einfach, als es auf den ersten Blick den Anschein haben dürfte. Es giebt zwar gewisse Hauptcharaktere, auf wel- chen die gröfscren Abtheilungen der Tbicrwelt in den Systemen basirt werden, die mit inneren wichtigen Merkmahlen auch äu- fserlich leicht kenntliche Zeichen verbinden und auf diese Weise ziemlich feste und unverrückbare Gruppen abgeben. So die Zer- füUung der Thierwelt in Wirbellose und Wirbellhiere, und der letzteren in Säugethiere, Vögel, Amphibien und Fische. Allein zeigen sich hier schon Schwierigkeiten, jeder einzelnen Form ihren bestimmten Platz anzuweisen, so häufen sich in der Meta- morphosenlehre der Organe die Hindernisse um so mehr, je viel- seitigere und abweichendere Verhältnisse die einzelnen Organe in ihren Veränderungen behaupten, je gröfser die Aberrationen in den Metamorphosenreihen der einzelnen Organe unter einander selbst sind. So ist z. B. der Darmkanal von einer weit allge- meineren, Constanten Bildung, während eine wahre Lungenbildung in der Reihe der Wirbellosen vielleicht zum Theil bei den Spin- nen, in der Reihe der Wirbelthiere erst bei den luftathmenden Amphibien im Ganzen noch unvollkommen hervortritt und in der Klasse der Vögel einen höheren Grad der Ausbildung erreicht als in der angeblich höher stehenden Klasse der Säugethiere. Ein neuer Beweis für die UnvoUständigkcit unserer Auffassungs- weise. Denn wir sehen nach gewissen abstrahirten Merkmalilen eine Thierldasse für höher stehend, als die andere, an, und wer- den durch ähnliche Beispiele, als das eben angeführte, nur zu oft widerlegt. Es hat daher immer etwas Schiefes, wenn wir sagen, dafs ein Thicr höher gestellt sey, als das andere, da in der Regel die einseitige Rücksicht auf die mehr oder minder Statt findende Präponderauz der animalischen Organe über die vegetativen bei solchen Bestimmungen uns leitet. Für die Realisationen der Uridee in der Thierwelt überhaupt pflegt man auch den Namen des Typus zu gebrauchen. Wir wol- len aber diesen Ausdruck nur für die Verwirklichung der Uridee in den einzelnen Organen benutzen. Wir haben es schon oben gesehen, dafs das den ürideen nach entworfene System keines- weges mit den Organtypen correspondirt, sondern dafs jedes von III. Wiss.schaftl. ßearb. d. Th.w. ßed. d. Org. d. Th. 589 diesen seinen eigenen, gesonderten Weg gehe. Dieser ist hin- sichtlich der Typen noch schwieriger zu bearbeiten, als in Rück- sicht der Thierklassen selbst, nicht blofs wegen der mühsameren Auffindung, sondern wegen der oft schwierigen Erkenntnifs eines bestimmten Organes in einem bestimmten Thiere, weil sich nicht blofs äufsere Form, sondern innere Struktur, Lage, Gi'öfse, Aus- dehnung und Verbindung verschieden finden. Die Functionen bleiben bald durchaus dieselben, bald werden sie zum Theil eben- falls geändert. Zwei solche Theile können daher nicht immer mit einander identificirt werden, wiewohl die Uridee in ihnen dieselbe ist, sie nach demselben Typus gebildet sind. Man sagt von solchen Organen, dafs sie in den verschiedenen Thieren gleiche Bedeutung haben. Der Zweck aller höheren vergleichen- den Anatomie kann daher auch so aufgefafst werden, dafs sie die Bedeutung der Organe durch eine möglichst grofse Menge von Beobachtungen entwickeln und mit achtem naturwissenschaftlichen und philosophischen Geiste die Typen der Organisation und der Organe kennen lehre. In der Thierwelt suchen wir durch Constitution der Klassen, Arten u. s. w. die Urideen zu bestimmen. Die gegenseitigen Berührungspunkte dieser Abtheilungen häufen sich aber, je grö- fser die Masse unserer speciellen Kenntnisse wird. Hiernach rich- tet sich auch die Art unserer Auffassung. Gewöhnt, der Zeit nach Eines nach dem Anderen kennen zu lernen, tragen wir diese unsere Perceptionsweise auf die äufseren Objecto über. "Wir reihen dieselben daher nach einer einfachen Kette an einan- der und bürden uns so die Vorstellung einer vom Niederen zu dem Höheren gerade aufsteigenden progressiven Reihenfolge auf. Die Stufenleiter der organischen Wesen, wie sie besonders im vorigen Jahrhundert gelehrt wurde, ist die consequentestc Aus- bildung dieser einseitigen Vorstellungsart. Wenn auch durch die ungemeinen Fortschritte, welche die Zoologie seit dieser Zeit ge- macht hat, diese Lehre in ihren Grundfesten erschüttert worden, so wird unser Geist doch nie ihr ganz fremd bleiben können, weil sie das Product seiner Natur als relativen Individualität, seines Bestrebens zu absoluter Individualisation ist. Den Gang, welchen die Uridee in den unendlichen Metamor- phosen eines Ganzen durchläuft, nennen wir die Entwickelung desselben. Es kann diese daher nirgends eine einfache seyn und 590 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. unsere Erkenntnifs derselben wird in geradem Verhältnisse ihrer Vielseitigkeit vollständiger und richtiger. Die Idee der Entwickelung findet aber auf verschiedene Ganze ihre Anwendung und constltuirt nacli diesen verschiedene Disciplinen, so z. B. in Rücksicht der Thierwelt die höhere Zoo- logie, in Rücksicht der organischen Verbindung der einzelnen Organe in den Thicren die vergleichende Anatomie und in Rück- sicht der Zeit in dem einzelnen Thiere die individuelle Entwicke- lungsgeschichte. Alle diese Disciplinen sind aber derjenigen, welche von dem höheren Ganzen handelt, der Lehre von dem Leben untergeordnet. Unserem sinnlichen Blicke fehlt jede Ver- knüpfung dieser scheinbar geschiedenen Disciplinen. Die Ent- wickelung der Thierwelt, sowohl iii Rücksicht der Totalität, als der einzelnen Organe, ist eine gleichzeitig existirende Mannigfal- tigkeit verschiedener Objecte, die des individuellen Thieres eine Reihe in der Zeit erscheinender und wechselnder Zustände des- selben Objectes. Da aber in dem höheren Ganzen, als dem Ab- stractum, der Negation der Sinnlichkeit, Zeit und Raum als nie- dere Verhältnisse untergehen, so bleibt nur die einende und iden- tische Uridee des Thieres übrig, welche in allen drei Disciplinen einen und denselben Charakter haben mufs. Wir schliefsen da- her hieraus, dafs die Entwickelung der Thierwelt und des indi- viduellen Thieres in der Uridee durchaus Eines und identisch, in der sinnlichen Welt der Einzelwesen aber völlig difFerent und nach verschiedenen Richtungen hin ausgebildet seyen. Zu der weiteren Ausführung und Anwendung des Gesagten wird sich bald die erwünschte Gelegenheit darbieten. IV. Entwickelung des individuellen Thieres. Die Tendenz jeder individuellen Entwickelung besteht darin, aus einem gegebenen Objecte ein bestimmtes, relativ selbststän- diges, lebendiges Individuum zu machen. Die Gesammtheit der speciellen Eigenthümlichkeifen des darzustellenden Individuum ist daher der Zweck derselben, den sie im Laufe ihrer bestimm- ten Entwickelungszeit erreicht. Hierzu sind aber zwei Dinge nothwendig, 1. ein wiederum specieller, relativ iadividualisirter IV^. EntwickeluDg des individuellen Thieres. 591 ürstofF und 2. die üridee des speciellen, darzustellenden, thieri« sehen Individuums, durch welche die von aufsen zu dem Wachs- thume und der Ausbildung herbeizuführenden Stoffe nach den bestimmten individuellen Verhältnissen umgeändert werden. Diese beiden Seiten des Verhältnisses sind in und durch einander be- dingt. Das Blastem des neuen Wesens niufs schon eigcnthümlich organisirt seyn, um dieses oder jenes Individuum unter den noth- wendigen, begünstigenden Verhältnissen zu erzeugen. Eine form- lose, allen beliebigen späteren Individualitäten zum Grunde lie- gende Materie ist ein blofses Abstractum des Geistes und exisiirt nirgends in der Natur, wo es nur Concreta, mehr oder minder charakteristische und in einem höheren Ganzen enthaltene Indi- vidualitäten giebt. Der bestimmte Urstoff wird zu der bestimm- ten Individualität, doch im Laufe der Zeit, geleitet durch die Uridee des Thieres übei'haupt und der singulären thierischen Indivi- dualität insbesondere, welches hier in den verschiedenen Zeitmomen- ten sich eben so kund giebt, als in der Thierwelt überhaupt in dem räumlichen Nebeneinanderseyn. Nothwendig erscheint aber die Metamorphose der Uridee in beiden Verhältnissen verändert. Zwar stehen in beiden Uridee als höchstes Abstractum und Indi- vidualität als höchstes Concretum einander gegenüber; in beiden ist die letztere die reale Existenz, die erstere die ideelle Verbin- dung. In der Thierwelt ist aber der Charakter des speciellen Thieres bleibend und für jedes specielle Individuum bestimmt fixirt. In dem Embryo ist der Individuali lälsgrad wechselnd, zeitlich gesetzt. Die Metamorphosen der Uridee des Thieres ha- ben in der Thierwelt einen bei w^eitem gröfseren Umfang, eine gröfsere Mannigfaltigkeit als in denen der individuellen Entwicke- lungsgeschichte. Alle Zweige derselben sind dort in das Einzelne verfolgt, alle singulären Momente in einer Reihe verschiedenartiger Formen fixirt, und jede Abtheilung höherer oder niederer Ord- nung wird auf das Freieste, Breiteste und Vollständigste nach al- len Seiten hin ausgeführt und in bestimmten Gestalten dargestellt. Nicht so in der individuellen Entwickelungsgeschichte. Jede all- seitige Metamorphosirung der Uridee wird hier durch die Kraft der bestimmten Individualität gefesselt. Diese ist einziges und Hauptziel und jeder scheinbare Seitenweg ist nur der Vorläufer der individuellen Bildung dieses oder jenes Theiles, wie es der darzustellenden Individualität gemäfs ist. Beiden Reihen ist die 592 Fragmente z. Geselzlehre der individuellen Entwickelung. üridee des Thieres auf gleiche Weise involvirt. Dort wird die gröfste Mannigfaltigkeit, Lier concrete Einheit erstrebt. Der Keim jedes thicrischen Wesens ist von seinem ersten Momente an eben so bestimmt individuell, als zu jeder späteren Zeit, Die Annahme, dafs der Embryo der höheren Thiere die Stufen der niederen Thierwelt durchlaufe, wäre daher dem Satze völlig gleichzustellen, dafs das thierische Individuum zu einer be- stimmten Zeit seine Individualität ablegen und mit der eines an- deren individuellen Wesens vertauschen könnte, welche Annahme aber seine ganze Existenz als bestimmt Concretes aufheben würde. Auch läfst sich, wie v. Bär schon treffend bemerkt hat, der Satz, dafs der Embryo der höheren Thiere die Stufen der niederen Thierwelt durchlaufen müsse, ohne die irrthümliche Ansicht einer einfachen aufsteigenden Kette der Wesen nicht denken. Es ist zwar nicht zu läugnen, dafs bei oberflächlicher Betrachtung ge- wisse frappante Aehnlichkeiten für diese Ansicht zu sprechen scheinen, wie die Genese des Herzens und der grofsen Gefäfs- stämme, die Bildungsgeschichte des Gehirnes, des Skelettes, die Anwesenheit eines Kiemengerüstes u, dgl. mehr. Allein bei ei- ner schon etwas genaueren Betrachtung müssen selbst die eifrig- sten Anhänger der besprochenen Meinung zugeben, dafs die üe- bereinstimmung im Ganzen unvollkommen und stets durch ge- wisse Verhältnisse modificirt sey. Schon der grofse Meckel be- merkte dieses und seinen Grund, dafs in der Welt der Sinnlich- keit nur Individualitäten, Einzelnheiten und Verschiedenheiten existiren, wenn auch die in ihnen liegende Uridee etwas Identi- sches an ihnen erzeugt. Diese aber wird immer specieller, je mehr die Entwickelung vorschreitet. So hat der Keim des Hühn- chens z. B. zwar von Anfang an die Tendenz zur Darstellung des speciellen Hühnchens in sich, und ist daher schon von jeder ^bestimmten, fremden Individualität durchaus geschieden. Allein anderseits mufs es die verschiedenen Urideen durch immer grö- fsere Specialisirungen sich aneignen, gleichsam in Kampf für sie treten und jede einzelne derselben sich erringen. Daher wird 1. in frühesten Entwickelungszusländen, wo die einzelne Individua- lität vor dem concret allgemeinen Charakter weniger hervortritt, dem ersten Blicke nach die Uridee in den verschiedenen spcciali- sirenden Verhältnissen deutlicher zu erkennen seyn. 2, Diese wird aber mit dem Zuwachse der Individualitätscharaktere immer mehr IV. Entwickelung des individuellen Thieres. 593 mehi" in den Hintergrund treten, weil sie als concret Allgemeines immer weniger deutlich ausgeprägt ist. Als Beleg möge das Kiemengerüste dienen. So sollen die höheren Wirbelthiere, z. B. die Säugethiere zu einer Periode ihrer individuellen Entwicke- lung Fischkiemen haben. Allein in den Fischen ist das Gefäfssy- stem derselben vielfach verzweigt und zum Theil in gewissen, eigenthümlich construirien Anhängen, den Kiemenblättcheu, ent- halten; bei den Säugethieren ist es eine einfach umbiegende Ge- fäfsschlinge ohne alle weitere Yerästelung (mit Ausn. d. ersten s. o. S. 307). In den ausgebildeten Fischen findet offenbar wahre und alleinige Athmungsfunction durch die Kiemen Statt; bei den Säu- gethieren läfst sich die einzige Athmung durch die Kiemen mit Bestimmtheit läuguen, da einestheils die Dotterrespiration durch den Gefäfskreis , anderntheils die Eischaalenrespiration durch das Eüdochprion zu wichtigeren Athmungsprocessen eingehen u. dgl. m. Die Kiemen der Säugethierembryonen sind also von denen der ausgebildeten Fische durchaus verschieden. Allein in den Embryonen aller vier Wirbelthierklassen findet sich zu be- stimmten frühen Perioden ihrer Entwickelung eine analoge Kie- menformation, nämlich eine Zahl von Kiemenbogen, nebst zwischen ihnen befindlichen Spalten, welche aus dem animalen Theile des Lei- bes (dem serösen Blatte) in den vegetativen desselben (das Schleim- blatt) hineindringen und zwischen sich Gefäfsbogen, die von dem am- biguen Gefäfsblatte kommen, enthalten. Wir schliefsen daher, dafs durch die Uridee der Wirbelthiere überhaupt eine solche Durch- gangsformation bedingt sey. Allein selbst in diesem Punkte treffen wir noch Ungleichheiten an. Abgesehen von den minder auffallenden kleineren Differenzen sehen wir, dafs bei den Fischen und vielen Am- phibien sich fünf Spalten bilden, während die fünfte Spalte in den hö- heren Wirbelthieren nur durch einen Gefäfsbogen angedeutet wird, dafs diese fünf Spalten hier gleichzeitig, dort nach einander auf- treten u. dgl. m. Ein gewisser Grundtypus liegt hier zwar au- genscheinlich zu Grunde, aber wie die Realisirung desselben in den speciellen Einzelwesen, so ist auch die weitere Fortbildung verschieden. Bei den Fischen erzeugen sich knorpelig häutige Anhänge, die Kiemenblätter, während in dem Kiemengerüste Kno- chenbogen sich bilden; bei den Fröschen entstehen zwar auch äufsere Kiemen oder genauer Kiemenanhänge, diese schwinden aber bald, während die Kiemenhöhle theilweise oder gänzlich zur 38 594 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. Paukenhöhle sich umwandelt u. dgl. m. Die Metamorphose der einzelnen Gefäfsstämme, wie sie in dem zweiten Abschnitte dar- gestellt wurde, kann noch viele Beweise leicht liefern. Was hier von den Thierreihen gesagt worden, kann auch auf die Organe angewandt werden. Es ist die jeder Leberbildung, wie jedem drüsigten Organe z. B. zum Grunde liegende Uridee eine möglichst grofse Absonderungsfläche, eine möglichst grofse Menge secernirender, blind sich endigender Schläuche zu haben, zwischen denen sich die Blutgefäfsnefze, Nerven, Parenchymkör- ner, Schleimgewebe u. dgl. befinden. In der concret allgemein- sten Form erscheint die Leber daher in Gestalt blinder, für sich bestehender und in den Darmkanal sich öffnender Schläuche. So sah sie Rafhke (Meck. Arch. neue Folge Bd. VL tab. IV. fig. 5.) bei Insekten, wo sich bald aus ihnen die sogenannten Malpighi- schen Harn- oder Gallengefäfse entwickeln. So ist auch die erste Formation der Leber in Amphibien, Vögeln und Säugethieren als eine Aggregation zweier oder mehrerer blinder Schläuche beob- achtet worden. Allein bei der Blatta verzweigen sie sich we- der weiter, noch verbinden sie sich zu einem parenchymatösen Organe, während in der Regel in den höheren Thieren, allen Wir- belthieren, sich die beiden zuerst gebildeten Ausstülpungen an ein- ander legen, indem sie ein Blutgefäfs zwischen sich fassen. Die Schläuche verzweigen und vermehren sich und constituiren so ein bisweilen relativ aufserordentlich entwickeltes Organ, wie z. B. in manchen Mollusken. Den Antagonismus desselben mit den Luftres- pirationsorganen hat schon Meckel in der Thierwelt, wie in dem Embryo nachgewiesen. Seine Tendenz zur Zerfällung in mehrere Abtheilungen findet sich (besonders in dem linken Lappen) in der Reihe der Säugethiere eben so, wie in dem menschlichen Em- bryo. Und wie verschieden ist doch die Leber in verschiedenen Arten, während die Uridee dort in der räumlichen, hier in der zeitlichen Entwickelung wiederkehrt, dort nach der verharrenden Individualität modificirt, hier durch die Richtung nach der zu erreichenden Individualität hin beherrscht. Endlich kann als letzte Ahtheilung noch das Geschlecht hier angeführt werden. Denn dieses steht mit seiner Individualität zwischen der abstrahirten der Art und der speciellen des Einzel- wesens. Es ist das zuerst Zusammenfassende, concret Allgemeine. Beide Geschlechter ruhen aber in einer Uridee. Der Keim ist V. Metamorphosengang der Individuellen Entwickelung. 595 von Anfang an individuell, mithin auch geschlechtig bestimmt. Dies zeigt z. B. die schon im zweiten Abschnitte angeführte Er- fahrung Sömmerings, dafs noch früher, als sich die Differenz des Geschlechtes durch äufsere und innere Genitalien kund giebt, der Habitus des Körpers, die vorherrschende Ausbildung mancher Theile zwei constante Reihen erzeugen, die mit den künftigen geschlechtigen zusammenfallen. Allein die beiden zum Grunde liegende Uridee, das in ihnen enthaltene (und in den Genitalien besonders hervortretende) concret Allgemeine mufs sich in dem männlichen Geschlechte eben so zeigen, wie in dem weiblichen und in jedem nur durch die specielle Individualität modificirt seyn. Daher ein höherer Typus auch hier, wie Job. Müller schon richtig bemerkt, früher dargestellt wird, bevor die singulären Geschlechter hervorgehen. Die Ansicht, dafs das männliche Ge- schlecht, als das angeblich höhere, das niedere, früher existirende weibliche durchlaufen müsse, fällt mit der Meinung zusammen, welche für das Durchlaufen der Stufen der niederen Thierwelt streitet. Diese aber, mit welcher nothwendig die Annahme einer einfachen Kette der Wesen verbunden ist, erreicht ein blofs äufse- res, scheinbar anschauliches Verhältnifs und gleicht so in Rück- sicht ihrer Einseitigkeit und Beschränktheit dem teleologischen Principe. Der Weg einer mehr allseitigen Beobachtung ist zwar dornigter, als der der niederen Vorstellungsweise; die Resultate der ersteren sind deutlicher und planer, als die der letzteren, da jene der speciellen denkenden Individualität mehr consonirende Sätze liefert, eben deshalb aber gerade mehr an dem Aeufserlichen hängen bleibt, während diese aller eigenen Persönlichkeit entsa- gend nur das höhere Ganze nach Kräften zu begreifen und immer vollständiger aufzufassen, sich bemüht. V. Metamorphosengang der individuellen Entwickelung. Wir haben gesehen, dafs die Entwickelung der Thierwelt die Darstellung der mannigfach sich sub- und coordinirenden Urideen war; die Entwickelung des individuellen Thieres dagegen die Individualisation des Einzelwesens aus einer bestimmten, in- dividuellen Anlage durch eine Reihe von Metamorphosen der Ur- ideen hervorgehen liefsj dafs in jener in einer unendlichen Menge 38* 596 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. von Individualitäten unendliche Metamorphosen der Urideen räum- lich fixirt, hier in der Zeit gegeben werden. Auf die allseitige Beziehung jedes Einzelwesens als das Resultat dieses Verhältnis- ses ist schon oben ebenfalls hingedeutet worden und jede nur irgend einseitige Vorstellungsweise kann und mufs hier abgewie- sen werden. In dieser Hinsicht ist der wabre Ausspruch Ba- cos nicht oft genug einzuschärfen: „Man mufs den menschlichen Verstand nicht mit Schwingen beflügeln, sondern mit Blei und Gewicht beschweren , um ihn von jedem voreiligen Sprunge zurückzuhalten." — Nicht die Identität, sondern die Mannigfal- tigkeit ist hier das Ziel des beobachtenden Naturforschers. Wäre die Natur eine einfache Kette sich in jeder Rücksicht progressiv vervollkommender Wesen, so müfste der anfangs un- bestimmte Keim eine Vollkommenheit nach der anderen, einen Individualisationscharakter nach dem anderen sich aneignen, bis die specielle Individualität erreicht ist. Da jenes aber nicht Statt findet, so kann auch der Gang der individuellen Entwicke- lung kein so einfacher seyn. Er mufs daher in jeder Beziehung complicirt und für die sinnliche Beobachtung nicht blofs progres- siv, sondern undulirend, bald vor, bald rückwärts schreitend er- scheinen. Es ist auch in der That nichts häufiger, als dafs Or- gane und Organlheile in dem Laufe ihrer Entwickelung bald sich innerlich, wie äufserlich bedeutend ausbilden, um in der Folgezeit wiederum von ihrer Mannigfaltigkeit von Eigenschaften zu ver- lieren, wie z. B. die Lungen, Leber, Nieren, Theile der Genitalien u. dgl. m. Dieses merkwürdige Verhältnifs aber, welches auf eine höhere Auffassung unmittelbar leitet, zeugt gerade auch an- derseits, wie sehr in den ganzen Gang der Entwickelung die specielle Individualisation eingreift. Formen nämlich, welche der Individualität eines Thieres, einer Klasse u. dgl. speciell und charakteristisch angehören, werden, sobald eine im Uebrigen höher stehende Klasse sie nicht hat, wie in dieser und sey es nur tem- porär, um wieder rückgebildet zu werden, nicht dargestellt. Ein Beispiel kann uns in dieser Rücksicht das Lungensystem der Vögel gehen. Während sich bei diesen die Luftsäcke als Anhänge des Lungensystemes durch den Körper verbreiten, so findet sich bei Säugethieren zu keiner Zeit des Fötallebens die Spur einer Bil- dung der Art, welches nothwendig der Fall seyn müfste, wenn die Säugethiere im Laufe ihrer individuellen Entwickelung durch die V. Metamorphosengang der individuellen Entwickelung. 597 Klasse der Vögel durchgehen müfsten. Vielmehr werden hei dem Hühnchen, wie den Säugethicren die Lungen anfangs relativ sehr vergröfsert, dann relativ verkleinert, und erst zuletzt, nachdem sie wiederum an Volumen zugenommen, erscheinen als Anhänge die Luftsäcke. Die Erklärung ist leicht. Die Bildung der Luft- säcke ist ludividualitätscharakter des Vogels, in seiner Uridee, nicht aber in der der Säugethiere oder der der Wirbelthiere über- haupt enthalten. Sie könnte daher in anderen Thierklassen nur durch Verläugnen der ihr eigenthümlichen Individualität auftre- ten. Dasselbe ist aber so bei allen charakteristischen Theilen eines Thicres der Fall. Dieser eigene Gang der Entwickelung, welcher immer durch eine sehr enge Specialität der Uridee bedingt wird, vermag uns auch mit Gewifsheit den Charakter der Bedeutung eines Organes in einem bestimmten Thiere nachzuweisen. Denn dieses hat zwei Arten von Theilen und eben so zwei Arten von Charakteren an diesen Theilen, 1. concret allgemeine, d. h. solche, welche einer höheren Uridee angehören und nicht blofs der bestimmten Thier- species, sondern einer gröfseren oder geringeren Abtheilung der Thierwelt zukommen und 2. concret individuelle, d. h. solche, welche die Individualität nur dieser oder jener bestimmten Spe- cies charakterisiren. Es versteht sich von selbst, auf welche Weise sich diese beiden Arten im Gange der individuellen Ent- wickelung von einander unterscheiden müssen. Da die ersteren allgemeinere Urideen sind, so werden sie sowohl in einer gröfse- ren Anzahl von Thieren während der individuellen Evolution er- scheinen, als auch der Zeit nach früher sich zeigen, als die letz- teren, welche nur bei der bestimmten Species vorkommen, als die Vollendung ihrer speciellen Individualität in ihrer Vollkom- menheit zuletzt und nirgends als Durchgangsformationen auf- treten. Wenn daher zwei Organe oder Organtheile in zweien Thie- ren gleiche Bedeutung haben, so ist es der concret allgemeine Charakter in denselben, der diese Identität begründet. Indem .nun aber so aus ihnen das concret Individuelle hinweggedacht wird, darf es zugleich nicht übersehen oder gar geläugnet werden. Dasselbe gilt auch von den Functionen gleichbedeutender oder mehr oder minder gleicher Theile in verschiedenen Thieren. Ueberall ist eine solche Gleichstellung unser Werk, dessen Gegen- 598 Fragmente z. GesetÄlehre d. individuellen Entwickelung. bild zwar in der Natur existirt, zu dem sich aber unsere Vor- stellung eben so verhält, wie die Skizze zu dem ausgeführten Gemähide. Auch hier also kehrt nur in anderer Form der idea- listische und realistische Gegensatz vollkommen wieder. VI. Specielle Darstellung der Gesetze der individuellen Entwicke- lung. — Wirbellose und Wirbelthiere. üridee und Individualität verhalten sich wie Abstraktes zu Concretem, wie Allgemeines zu Besonderem, wie Einfaches zu Zusammengesetztem, wie das höhere Ganze zu den umfafsten Theilen. Beide sind aber nothwendig in und mit einander. Die Uridee allein hätte ohne Individualität keinen Inhalt, wäre leer und unbestimmt. Eine Individualität ohne Uridee dagegen wäre etwas Isolirtes, für sich Bestehendes, mit keinem Anderen Zusammenhängendes und so auch ohne Bestimmtheit, ohne Cha- rakter. Die specielle, reel existirende Individualität mufs beide nothwendig in sich vereinigt und verschmolzen enthalten. Es fragt sich nun aber, welches ist der Gang dieser Verschmelzung in dem Verlaufe der individuellen Entwickelung? Der Keim hat einerseits die Bestimmung in sich, ein Thier von einer gewissen Art aus sich zu entwickeln, anderseits als relative Individualität, seinen eigenen, gesonderten, individuellen Charakter zu constituiren. Insofern also in erstcrer Beziehung alle reale Existenz des auszubildenden Thieres noch durchaus ne- girt ist, keine speciellen Individualisationscharaktere sich in ihm finden, ist er das abstrakt Allgemeinste. Als individueller Keim dagegen ist er ganz und gar concret individuell und besteht so als relatives Ganze aus gewissen subordinirten Organtheilen, den Hüllen (Chorion, Eihülle), der Fruchtanlage (Keimanlage und nach geschehener Befruchtung Keimhaut) und den NahrungsstofFen (Ei- weifs und dem in der Dotterhaut eingeschlossenen Dotter). Von diesen gewinnt durch die Entwickelung zuerst die Keirahaut überhaupt und dann der centrale Theil derselben insbesondere eine immer gröfsere relative Individualität. Denn das Leben des Embryo ruhet auf der Tödtung des selbstständigen Lebens des Eies. In jenem VI. Specielle Darstellung d. Gesetze d. indiv. Entwickel. 599 ist aber die Individualität und die üridee des Thieres überhaupt, dann der Hauptabtheilung und der bestimmten Reihe der Unter- abtheilungen bis zu der bestimmten Individualität enthalten. Der Keim ist von Anfang an selbst individuell, ein Theilorganis- mus eines bis zu der Art hinab mit der späteren entwickelten Frucht identischen Ganzen, Die individuelle Entwickclung des Embryo mufs also einerseits mit der höchsten üridee anfangen und zu immer specielleren fortgehen. Sie ist aber deshalb Yon Anfang an nichts Allgemeines, sondern eine durchaus specielle Individualität, wegen der speciellen Individualität des Keimes selbst. Dieses Verhältnifs ist kein blofs theoretisch deducirtes, sondern wird durch die genaueste Beobachtung bestätigt. Der Primitivstreifen ist die erste Metamorphose der den Embryo des Thieres aus sich hervorbildenden Keimhaut und als solche eine Metamorphose, welche die üridee des thierischen Wesens über- haupt auszudrücken scheint. Und wie verschieden ist er nicht in den Wirbellosen, den Crustazeen z. B. und den Wirbelthieren, und unter diesen wiederum in der Klasse der Amphibien, beson- ders der Batrachier, und der Vögel. Ja jede Art mufs in diesem ersten Acte der Bildung ihren bestimmten Charakter haben, wel- cher unserem mehr auf das Gemeinschaftliche, die üridee, gerich- teten Blicke nur zu leicht entgeht. Der weitere Fortschritt der Bildung wird nun einerseits von weiteren Urideen zu immer en- geren, anderseits von einer geringeren Zahl von Individualitäts- zeichen zu einer immer gröfseren derselben übergehen, bis sie das speciellste zu erreichende Ziel wirklich erreicht hat. Wäre unsere Eintheilung der Thierwelt eine vollkommen richtige (dafs sie dieses aber nicht seyn könne, haben wir schon oben gezeigt), so könnte man den Satz auch so ausdrücken: der specielle sich z. B. in das Schaaf umgestaltende Keim enthalte zuerst die ür- idee des Thieres, dann die des Wirbelthieres, dann die des Säu- gethieres, dann die des Wiederkäuers, dann die des Schaafes, zu- letzt endlich dieses oder jenes Schaafes. Er durchliefe in gleichem Verhältnisse der Vermehrung seiner Individualitätscharaktere im- mer enger werdende Urideen, bis er endlich die speciellste, die selbst specielle Individualität ist, erreichte. Die individuelle Entwickelung beginnt, indem sich der dazu tauglichen Keimanlage, und zwar dem sich besonders individuali- sirenden centralen Theil derselben, in seiner speciellen Individuali- 600 Fragmente z. Gesetz,lehre d. individuellen Entwickelung. tat, die üridee des Tliieres überhaupt aufdrückt. Dieses scheint aber nach den bis jetzt bekannten Erfahrungen in folgenden Momenten zu bestehen. 1. Wie jeder höhere Organismus aus Theilorganismen besteht, diese aber wiederum in einem mehr oder minder innigen Zusam- menhange stehen, so theilt sich auch die Keimhaut in mehrere Theile und Blätter, welche bestimmten Complcsen von Organsy- stemen entsprechen. 2. Der Hauptgegensatz in jedem Thiere ist das Verhältnifs der rein animalen Theile zu den vegetativen. Dieser Gegensatz spricht sich in der Spaltung des Keimblattes in ein seröses und mucöses Blatt aus. Wie das Blut beiden Sphären auf gleiche Weise angehört, so liegt das Gefafsblatt, wo es gesondert existirt, zwischen ihnen, bald mehr an das Eine, bald mehr an das Andere sich anschliefsend. 3. Das Schleimblatt, als der Repräsentant der vegetativea Sphäre kommt mit der Hauptnahrungsmasse, dem Dotter in die innigste Berührung. Sein peripherischer Theil umfafst denselben, während sein centraler zunächst in die primäre Bildung des Darmrohres eingeht. 4. Die Idee der thierischen Individualität ist ein Einfaches, von Anderen sich Unterscheidendes, welches zwar zwei entgegen- gesetzte Momente in sich enthält, deshalb aber nicht nothwendig aus ihnen, wie aus zwei gleichen Hälften zusammengesetzt ist. Diesen allerersten Act der Individualisation des Embryo stellt vielleicht der Primitivsteifen zum Theil dar, welcher bei allen Thieren voraukonimen scheint. Er mag als der Repräsentant des selbätständig thierischen Wesens üherhaupt auch deshalb in dem rein animalischen Blatte desselben erscheinen, während um die- selbe Zeit oder bald nachher das Schleimblatt seinen ersten Schritt zur Embi'yonalbildung, die Entfernung von dem Dotter, realisirt. 5. Wie die rein animalischen Organe und Functionen die Thiere vor den anderen organischen Wesen auszeichnen, während sie z. B. die vegetativen (der Idee nach) mit den Pflanzen gemein haben, so ist auch die Entwickelung derselben der Zeit nach frü- her, als die der vegetativen Theile. Ja es ist hier der erste Act eine selbstständige Entwickelung, die Erzeugung eines neuen Gebil- des, während es dort nur die Position eines Gegensatzes, eine rein locale Entfernung ist, während das centrale Schleimblatt sich blofs VI. Specielle Darstellung d. Gesetze d. indiv. Entwickel. 601 faltet und dem Dottersack gegenüberstellt, um ihn als entge- gengesetztes, fremdes Moment in sich aufzunehmen und sich an- zueignen. 6. Die einzelnen Organe stehen in demselben Verhältnifs zu einander und zu dem Ganzen. Wie diejenigen in der Reihe der Thierwelt, welche gleiche Bedeutung haben, auch ihrer Uridee nach identisch sind, so entwickeln sie sich auch als primäre oder secundäre Bildungen aus denselben Blättern der Keimhaut, wel- ches Reale dieses Urverhältnifs der einzelnen Organe zu einander am bestimmtesten ausdrückt. Die gemeinschaftlichen ersten Acte der Bildung und Sonde- rung der Keimhaut liegen in der Uridee des Thieres überhaupt so sehr involvirt, dafs sie wahrscheinlich der erste Anfang der gan- zen individuellen Thierwelt sind. Die sogenannten niederen Thier- klassen sind hier noch das gröfste Räthsel, weil unsere Zeit ge- rade hier mehr die Mangelhaftigkeit und Oberflächlichkeit der früheren Erfahrungen kennen gelehrt hat. Es wird sich sicher durch möglichst genaue Beobachtungen noch vieles Interessante und Wichtige ergeben, ja mancher der eben berührten und nach den jetzigen Erfahrungen für die ganze Thierwelt allgemein gel- tenden Sätze dürfte eben dadurch seine Correction, Einschrän- kung, wo nicht gar verdiente Vernichtung finden. Und wenn in der Reihe der Wirbelthiere genügende Data über einige Arten aller Klassen derselben in Rücksicht der individuellen Entwicke- lung vorhanden sind, so wissen wir von der ungeheuren Reihe der Wirbellosen nur zu wenig. Blofs einzelne aphoristische Be- merkungen sind uns zu Theil geworden, und nur über die Klasse der Crustazeen, Insekten, Mollusken besitzen wir vollkommen ge- nügende und sicher zu benutzende Untersuchungen. Wenn wir daher jetzt zur Angabe der Differenzen der individuellen Entwik- kelung bei Wirbellosen und Wirbelthieren schreiten, so mufs na- türlich nur von diesem Standpunkte aus der ganze Versuch an- gesehen und beurtheilt werden. Zur Grundlage dienen einerseits die hierüber schon gemachten Bemerkungen von Burdach (Phy- siol. II. S, 602. fgg.), Bär (über Entwickelungsgeschichte S. 244 — 245.), vorzüglich aber von Rathke (Flufskrebs S. 78 — 90.), theils nach den Erfahrungen von Ehrenberg, Meyen, Suckow, Bär, Rathke, E. H. Weber, Carus, Burmeister, Duge's u. A. und unseren eigenen Beobachtungen entnommene Schlüsse. Die wesentlichsten 602 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. und wichtigsten Differenzen zwischen Wirbelthiercn und Wirbel- losen sind in Bezug auf die individuelle Entwickelung folgende: 1, Da der Zeit nach die Uridee des ganzen Thieres sich im- mer mehr specialisirt, so wird sie natürlich blofs die allgemein- sten Verhältnisse durchlaufen, und je tiefer die Entwickelung hinabsteigt, desto kleinere Sprünge gleichsam machen. So stellt sich vielleicht allgemein zuerst der Primitivstreifen dar. Seine unmittelbare nächste Metamorphose ist aber die in d«n wichtigsten animalen Theil des speciellen thierischen Leibes. Daher wird sich bei den Wirbellosen das System der Bewegungorgane, der Extremi- täten besonders, zuerst entwickeln. Die Wirbelthiere dagegen wer- den ihr centrales Nervensystem speciell daraus bilden und ihren übri- gen animalen Theil als Rücken und Baucbplatten nur in der all- gemeinsten Uridee andeuten. In der Klasse der Wirbellosen ent- steht also auf diese Weise der Hauptcharakter des Thieres über- haupt, sein animaler Theil zuerst, in der Klasse der Wirbelthiere zerfällt sogleich dieser animale Theil, indem sich sein Haupttheil (centrales Nervensystem und Hülle, Wirbelsäule) besonders her- vorhildet, sein untergeordneter animaler Theil dagegen nur in der Uridee angedeutet ist. Organe der willkührlichen Bewegung der Wirbellosen und der Empfindung der Wirbelthiere sind also die beiden höchsten Charaktere der beiden Thierreihen überhaupt. 2. Die Uridee zerfällt in eine gröfsere Zahl nächst niederer Urideen bei den Wirbellosen, als bei den Wirbelthiercn. Denn hier sind eiliige wenige (nach der allgemeinen Annahme vier) Hauptklassen, welche sich vielfach individualisiren. Es werden daher in Bezug auf die Urvorgänge der individuellen Entwicke- lung weit mehr und weit gröfsere Verschiedenheiten sich finden, als bei den Wirbelthiercn. Rathke. 3. In jeder individuellen Entwickelung setzt sich die indi- viduelle Keimanlage den Nahrungsflüssigkeiten des Eies entgegen. Bei den Wirbelthiercn ist jene nun eine mehr oder minder be- grenzte Scheibe, welche auf dem Dotter liegt und von der Dot- terhaut eingeschlossen wird, später mit dem Verschwinden dieser Letzteren sich über den Dotter ausbreitet und ihn umfafst. Bei den Wirbellosen findet hierin ein anderes Verhältnifs Statt. Wie dieses aber im Allgemeinen sey, läfst sich bei den zum Theil wi- derstreitenden Relationen mit Sicherheit noch nicht bestimmen. So ist es nach den von Herold, Rathke u. A. geraachten Erfah- VI. Wirbellose und Wirbelthiere. 603 rungen bei Arachniden und Crustazeen gewifs, dafs die Keim- scheibe, ehe sie sich zu dem Embryo umbilde, sich selbst erst in- dividualisiren müsse (s. oben S. 144.). Sobald dieses geschehen, bildet sie sich gänzlich zu den Embryonaltheilen Jim. Nach den Beobachtungen von Carus , Sliebel u. A. zu schliefsen, scheint auch etwas Analoges, wo nicht Identisches bei den Mollusken vorzukommen. Nach einer Reihe über die Entwik- kelung des Blutegels gemachter Erfahrungen sprach E. H, We- ber sich dahin aus , dafs , während die Keimhaut der Wir- belthiere beschränkt und gewissermafsen unabhängig von dem Dotter sey, diese ihn bei den Wirbellosen gänzlich amschliefse, ja bei dem Blutegel insbesondere sogar erst erzeuge. Doch halten Carus und R. W^agner dasjenige, welches E. H. Weber für den Keim ansieht, für Dotter. Gerade dieser so schwierige Theil be- dürfte der genauesten und bestimmtesten Beobachtung. A. Die Lage der Keimhaut zu dem Dotter, welche besonders während des Verlaufes der Entwickelung deutlich wird, bedingt einen Fundamentalunterschied. Wir verdanken diesen wichtigen Satz, von dessen Richtigkeit die Entwickelung jedes Crustazeen- eies leicht überzeugen kann, vorzüglich Rathke und nächst ihm Bär, Burdach und E. H. Weber. Wir wissen, dafs das seröse Blatt gegen die Dotterhaut, das mucöse Blatt dagegen gegen den Dotter hin liegt. In der Reihe der Wirbelthiere entsteht nun in der gegen die Dotterhaut zugekehrten Seite des serösen Blattes das centrale Nervensystem, und die Extremitäten laufen bald dem unteren centralen Rohre, mithin dem Schieimblatte, parallel. Die Bauchplatten umfassen den embryonalen Theil des Schleimblattes, und so kommt der Dotter unter dem Embryo an der Bauchseite desselben zu liegen. Nicht so bei den Wirbeilosen. Die Extre- mitäten derselben befinden sich nicht in einer dem Schleim- blatte parallelen, sondern demselben entgegengesetzten Richtung. Der Dotter liegt also über dem Embryonaltheile, wegen welcher Lage die Einfügung der Extremitäten hier nach unten gewandt, also an der Bauchseite ist; der Dotter liegt daher bei den Wirbellosen über, bei den Wirbelthieren unter dem Embryo. Vgl. obcu S. 147. 5. Der Dotter der Wirbelthiere wird nie unmittelbar in den Embryonalkörper verwandelt, sondern sein Sack bleibt mit der primären Bildung des Scbleimblattes in unmittelbarer Verbindung, 604 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. und er schwindet entweder lange vor Beendigung des Fruchtle- bens gänzlich oder wird zulelat in den Leib des Embryo aufge- nommen. Bei einem Theile der Wirbellosen wenigstens scheint er unmittelbar in die Körpermetamorphose einzugehen, welchen Punkt jedoch noch künftige Erfahrungen näher erläutern müssen. Wenigstens ist aber der Gegensatz zwischen ihn? und der Keim- haut durchaus nicht so bestimmt und in der Bildung fixirt, 6. Wir haben es in dem zweiten Abschnitte gesehen, dafs in der Keimhaut der Wirbeltbiere ein oberes und ein unteres Rohr entstehe, welche beide von der Mittellinie ausgehen. Das obere hat seine Schlufslinie nach der Rücken-, das un- tere nach der Bauchseite zu. v. Bär nannte daher diese Art der Entwickelung eine Evolutio bigemma. Bei den Wirbelthie- ren findet sich nur ein einfaches Rohr, welches von der unterhalb des Dotters liegenden Mittellinie ausgehend diesen umfafst und über ihm an der Rückenseite sich schliefst, v. Bär nennt dieses daher Evolutio gemina. — Dieses Verhältnifs könnte vielleicht vollständiger noch auf folgende Art aufgefafst werden. In der Klasse der Wirbeltbiere giebt es drei röhrige Gebilde; 1. Das begrenzende und umschliefsende Hautrohr, welches 2, das obere Centralrohr und 3. das untere Centralrohr umfafst. Aus dem oberen entstehen die mehr animalen, aus dem unteren die mehr vegetativen Organe. Die Extremitäten wachsen aus der Mittel- linie zwischen beiden hervor und drängen den früher über ihnen liegenden Theil des Hautrohres vor sich her, so dafs dieses auch sie, wie den übrigen Körper, einhüllt. Ihre Entstehung gehört aber hier im weitesten Sinne des Wortes zu den Hervorstülpungs-, zu den Verdickungsbildungen. Nicht so bei den Wirbellosen. Hier findet sich nur eine einfache ümschlagung, welche zwei Röhren (der Idee nach) concentrisch in sich enthält. Das innere Rohr ist Höhlung des Schleimblattes, welche den Dotter in sich aufnimmt. Das äufsere Rohr tritt in die Bedeutung des Haut- rohres, ist aber hier nicht blofse Umscbliefsung , sondern enthält die vorzüglich animalen Organe. Ja das Verhältnifs kann sogar eini- ges Licht auf die Natur der beiden Thierablheilungen überhaupt wer- fen. Abstrahiren wir nämlich von dem unteren, gröfstentheils dem Schleimblatte angehörenden Centralrohre, wie dieses auch bei dem inneren Rohre der Wirbellosen der Fall ist, so haben wir das obere Centralrohr als ein Gebilde, aus welchem die sensiblen Cen- VI. Wirbellose und Wirbelthiere. 605 tralsysteme des Wirbelthieres nebst ihren Hüllen entstehen und das Hautrohr (die Fleischschicht und die Bildungsmasse für die Extremitäten kommen dann zu diesem hinzu) für die animalen Functionen, für willkührliche Bewegung. Wir haben also dann 1. unteres Centralrohr, Repräsentant der vegetativen Organe, 2. obe- res Centralrohr, Repräsentant der rein sensiblen Organe und 3. Hautrohr, Repräsentant der motorischen Organe. Bei den Wir- bellosen dagegen haben wir 1. inneres Rohr, Repräsentant der vegetativen Organe und 2. äufseres Rohr, Repräsentant der rein animalen Organe. Diese sind aber vorzüglich noch rein motorisch und die sensiblen erscheinen ihnen mehr untergeordnet, mehr in ihnen. Daher verwandelt sich auch der bei Weitem gröfste Theil dieser Abtheilung der Keimhaut in die der willkührlichen Bewe- gung bestimmten Organe. Der Unterschied der specielleren Me- tamorphosen hat in eben diesen Verhältnissen seinen Grund. Bei den Wirbelthicren sondert sich das Hautrohr als Haut von der von ihm umfafsten Fleischschicht. Die Skelettgrundlage der Letz- teren legt sich an und um die beiden Skelettröhren des oberen und unteren Centralrohres. Bei den Wirbellosen wird die nach aufsen gekehrte Oberfläche des äufseren Rohres der Keimhaut nicht blofs zur äufseren Haut, sondern zu dem Stützpunkte der motorischen Organe , zum Skelette. Die Fleischmasse liegt also hier innerhalb desselben, wie sie bei den Wirbelthicren aufserhalb desselben sich befindet. Die Extremitäten erscheinen bei den Wirbelthicren als Ausstülpungsbildungen, ausgehend von der Mit- tellinie des oberen und unteren Centralrohres. Bei den Wirbel- losen sind sie wahre Einfurchungsblldungen ; und so kann man in der ganzen Reihe der motorischen Organe der Wirbellosen den Gang als einen von aufsen nach innen, bei den Wirbelthicren von innen nach aufsen sich richtenden bezeichnen. 7. Bei den meisten Wirbellosen entsteht in der Keimhaut nicht ein Gegensatz zwischen centralem Embryonaltheile und peripheri- schem Hüllentheile, sondern sie geht ganz in die Bildung des Embryo ein. Der Erstcre aber findet bei allen bisher untersuchten Wir- belthicren mit Ausnahme der Batrachier und z. Th. der Fische Statt. Dieser Unterschied ist also nicht durchgreifend. 8, Die Keimhaut spaltet sich bei Wirbellosen sowohl, als bei den Wirbelthicren zunächst in ein seröses und ein mucöses Blatt, zwischen welchen nun früher oder später ein drittes, das 606 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. Gefäfsblatt, sich findet. Rathke vermuthete, dafs dieses letztere bei dem Krebse sich mehr an das seröse, bei den Wirbelthieren an das Schleirablatt halte. Bei den Letzteren mit Ausnahme der Cy- clostomen und Cyprinen trenne es sich zum Theil als Gekröse, welches R. mit v. Bär u. A. von dem Gefäfsblatte herleitet. Er erklärt auch hieraus das besondere Verhältnifs der Leber beider Thierabtheilungen. Da dieser als Ausstülpungsbildung des Schleim- blaltes die Gefäfsschicht fehlt, so erscheinen ihre Blinddärmchea frei und ohne verbindendes gefäfsreiches Parenchym. — Wie ver- hält es sich mit der Leber der Mollusken? — Dieses sind die wichtigsten, aus den bisherigen Erfahrungen herzuleitenden Differenzen der Totalität des Embryo oder der Keim- haut. Wir gehen nun zu den wesentlichsten Unterschieden, welche durch die Organe und Organsysteme bedingt werden, über. 9. Bei den Wirbelthieren bildet sich an dem oberen Cen- tralrohre zuerst eine solide Masse nach aufsen und ein flüssiger Stoff im Innern. Dieser letztere verwandelt sich in die Central- theile des Nervensystemes, während die erstere zur Wirbelsäule wird. Bei den höheren Wirbellosen tritt der Bauchganglienstrang als der Repräsentant des centralen Nervensystemes von Anfang an in solider Form auf, und zwar nach Rathke und E. H. We- ber so, dafs die einzelnen Knoten schon durch dünnere Fäden verbunden sind, also selbst abweichend von der Entstehungsart, welche wir an dem sympathischen Nerven der Wirbelthiere zu beobachten Gelegenheit halten. Auch entsteht Hirn und Rücken- mark, wie das obere Centralrohr überhaupt, in der oberen, von dem Dotter abgewandten Hälfte, der Ganglienstrang der Wirbel- losen mehr in der unteren Hälfte des serösen Blattes, üeberhaupt herrscht das rein sensible Centralsystem in der Klasse der Wir- belthiere während der ganzen Zeit der Entwickelung, am deut- lichsten aber in den ersten Stadien derselben, nicht nur vor den übrigen Metamorphosen vor, sondern scheint auch nicht ohne Ein- flufs auf manche wichtige Metamorphosen der anderen Blätter überhaupt (wiewohl gerade in dieser Rücksicht sehr Vieles ohne allen wahren Erfahrungsgrund behauptet worden ist und noch be- hauptet wird) zu seyn. Bei den Wirbellosen tritt der Ganglien- strang in ein mehr untergeordnetes Verhältnifs zurück, und so- wohl der Masse als der Bedeutung nach ist es der motorische Theil des Leibes, welcher das Uebergewicht hat. VI. Wirbellose und Wirbelthiere. 607 10. In der Klasse der Wirbelthiere entstehen vermöge ihrer eägenthümlichea Evolutio bigemina zwei nach oben gehende Rücken- und zwei nach unten gehende Bauchplatten; bei den Wir- bellosen sind dem Typus nach nur zwei von der Bauch- nach der Rückenseite gehende Platten, welche ihrer Bedeutung nach als blofse Bauchplatten angesehen werden müssen, vorhanden. Die Wirbelthiere haben, um mich dieses zweideutigen und ungeschick- ten Ausdruckes zu bedienen, keinen ^vahren Rücken, sondern blofs die Tendenz einen solchen zu bilden. Sie sind ein umgekehrtes unteres Centralrohr, von einem einfachen Hautrohre umgeben. 11. Jü der Mittellinie zwischen oberem und unterem Cen- tralrohre und unter dem Hautrohre entstehen bei den Wirbel- thieren die Extremitäten wenigstens allgemein in den drei höhe- ren Klassen derselben, und so viel ich sehen konnte, auch in den Fischen. Sie sind dann von oben nach unten gerichtet, und in einem idealen Querdurchschnitte ginge ihre ideale Richtungslinie dem Durchschnitte des Dotters parallel. W^enn man den Embryo der W^irbelthiere sich so gelagert denkt, dafs der Dotter unter ifinen liegt, so ist parallel dieser nach unten gerichteten Lage des Dotters auch die der Extremitäten auf gleiche Weise nach unten gewandt. Bei den W'irbellosen ist das Verhältnifs anders. Wir müssen nach dem unter No. 4. Angeführten diese Thiere als un- ter dem Dotter liegend uns denken. Es müfste daher, wenn diese eine gleiche Lage zu den Nahrungsflüssigkeiten des Embryo, wie in den Wirbelthieren hätten, ihre Richtung hier nicht, wie in den Wirbelthieren von oben nach unten, sondern ebenfalls von unten nach oben seyn. Allein die Gliedmaafsen des wirbellosen Thiercs sind dessenungeachtet ebenfalls von oben nach unten und innen gerichtet, dem Dotter nicht parallel, sondern abgewandt, nicht über oder neben dem Dotter, sondern unter demselben. — Man kancn vielleicht dieses merkw^ürdige Verhältnifs auf einen höheren Standpunkt zurückführen. Bei den Wirbelthieren herrscht das sen- sible Centralorgan vor und das System der motorischen Organe ist von untergeordnetem Verhältnisse. Es zerfällt daher die Reihe der Metamorphosen des serösen Blattes, als der rein animalischen Organe, in ein oberes Centralrohr für das centrale Nervensystem und ein unteres Centralrohr. Zwischen beiden stehen die Extre- mitäten, einerseits die Hauptträger der Bewegung, anderseits die Re- präsentanten eines eigenen Sinnes. Bei den Wirbellosen sind die 608 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. motorisclien Organe die vorherrschenden. Sie suchen daher ein ei- genes Rohr zu bilden. Wie in der Klasse der Wirbelthiere das obere Centralrohr sich dem unteren als dem das Rohr des Schleim- blattes unmittelbar einschliefsenden entgegensetzt, so nehmen die in ihrer Tendenz wenigstens die Röhrenform darstellenden Extre- mitäten eine dem das Schleimblatt und den Dotter unmittelbar umschliefsenden Rohre entgegengesetzte Form an. Es ist also auch bei den Wirbellosen die Neigung wenigstens ausgedrückt, ein zweites Rohr zu bilden, welches dem repräsentativen anima- lischen Organsysteme oder Complexe angehört und entgegengesetzt von dem Schleimblattrohre sowohl, als dem dasselbe parallel um- schliefsenden Rohre des serösen Blattes ist. Es tritt nur der Fun- damentalunterschied ein, dafs, da diese Bildung das Hauptsystem der animalischen Organe unmittelbar angeht, sie in den Wirbel- thieren die sensiblen, in den Wirbellosen dagegen die motorischen Organe betrifft. 12. Was wir eben von den Extremitäten gesagt haben, läfst sich auch mit einigen Modificationen von dem Kopfe und dem Schwänze behaupten. Die Lagerungsverhältnisse sind durchaus dieselben. Nur darin findet noch ein Unterschied Statt, dafs, während bei allen Wirbelthieren sich der Kopf und Schwanz nicht blofs mit ihrem serösen Antheile, sondern mit der Keimhaut über- haupt von dem I)otter und dem ihn überziehenden Theile der Schleimhaut abschnüren und entfernen, dieses wenigstens bei den Crustazeen nur mit dem Schwänze der Fall ist. Die gröfsere Macht der vegetativen Organe giebt sich auch hier deutlich zu erkennen. 13. Das Gefäfsblatt. Dafs dieses sich vorzüglich nach den Angaben von Rathke bei den Wirbellosen mehr an das seröse, bei den Wirbelthieren melir an das mucöse Blatt anschliefse, ha- ben wir schon oben berichtet. Vieles hierüber mufs noch die künftige Forschung aufhellen und die genaueste an Durchschnitten vorgenommene Untersuchung über die erste Bildung des Gekröses der Wirbelthiere wird hier nicht wenig zu entscheiden im Stande seyn. Von eben solcher Wichtigkeit dürfte es seyn, die Lage des Herzens nach allen seinen Metamorphosen zu verfolgen. Es scheint sich immer gegen die Schlufslinie desjenigen röhrigen Ge- bildes zu richten, welches dem Schleimblattrohre parallel geht. 14. Das Schleimblatt kommt bei allen Thieren mit dem Dot- VI. Wirbellose und Wirbeltliiere. 609 Dotter in innige und unmittelbare Verbindung. Bei den Wirbel- thieren scbnürt sich der centrale Theil desselben, der Embryonal- theil, mehr oder minder von dem peripherischen Theile, dem Dot- tertheile, ab und begrenzt sich von ihm, wenn auch der Dotter selbst innerhalb der Bauchplatten, d. h. des serösen Antheiles, des unferen Centralrohres aufgenommen wird. Bei den Wirbel- losen fehlt diese bestimmte Begrenzung, wie überhaupt die stren- gere und darchgeführtere Scheidung von centralem und periphe- rischem Theile der Keimhaut. Der Dotter wird so bei ihnen im Laufe der Entwickelung zu einem wahren Körpertheile des Em- bryo, bei den Wirbelthieren dagegen in den Embryonalkörper mehr als ein fremder von einer eigenen Hülle umgebener Eitheil aufgenommen. Bei den Säugethieren bleibt er sogar immer von dem Embryonaikörper geschieden. 15. Die Verbindung des Dotfers mit dem Darmrohre ist in der ganzen Reihe der bis jetzt untersuchten W^irbelthiere eine Steile der dünnen Gedärme, bei Vögeln, Säugethieren und dem Menschen die frühere Umbiegungsstelle derselben. Anders ist die- ses jedoch bei den Wirbellosen. Es fehlt entweder jene innige an einer bestimmten Stelle concentrirte Verbindung ganz oder sie findet sich an anderen Orten, als an einem bestimmten Punkte des Mitteldarmes. Die interessanteste -der Art, welche schon Aristoteles und Cavolini gekannt, v. Bär und Burdach aber be- zweifelt haben, hat Carus in neuester Zeit durch treffliche Zeich- nungen erläutert, wiewohl Cuviers Beobachtungen noch manchen Zweifel hierüber rege w^erden lassen. Es ist dieses in der Klasse der Cephalopoden beiden Sepien, wo die Einmündungsstelle der Mund selbst ist oder vielmehr eine ihm nahe anliegende Stelle. Carus sagt bei dieser Gelegenheit: „Wenn ich übrigens früher an meh- reren Orten die Mollusken als die Bauchthiere bezeichnet habe, so frage ich, w^as kann diese Bedeutung der Klassen vollkom- mener rechtfertigen, als dafs selbst in der höchsten Form der- selben, den Cephalopoden ;, der Kopf insofern sich doch nicht über die Bedeutung des Bauches erhob, als er eben so dem übri- gens hier zuerst von dem Embryo sich bestimmter absondernden Dotter den Eingang in den Nahrungskanal verstattet, wie dies in den Thieren, welche ich Kopfthiere nenne, d. h. in Fischen, Lur- chen, Vögeln und Säugethieren, durch die eigentliche Bauchge- gend geschieht." 610 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. 16. Wenn zwar im Laufe der individuellen Entwickelung eines jeden organischen Wesens manche Theile vorzüglich ausge- bildet und kürzere oder längere Zeit darauf wiederum rückgebil- det werden, so zeigen sich doch in dieser Beziehung in der Klasse der Wirbellosen so auffallende Veränderungen, wie in keinem der bis jetzt untersuchten Wirbelthiere. Merkwürdiger Weise wer- den aber hier fast alle diese Metamorphosen durch den in der Physiologie der Pflanzen und der Thiere gleich wichtigen Häutungs- procefs vollendet. Hierher gehört z. B. das Verschmelzen von früher gesonderten Ganglien, die so bedeutende Verwandlung des äufseren Habitus, vorzüglich der Extremitäten, so dafs der Em- bryo oder das junge Thier dem ausgebildeten Thiere ganz und gar nicht ähnlich sieht, wie besonders in neuester Zeit die schö- nen Beobachtungen von Nordmann und Burmeister gelehrt haben. Das Ablegen von früher existirenden Sehorgauen, welches Ehren- berg beobachtet hat, ist wegen der hohen Dignität der Sinnes- werkzeuge überhaupt noch merkwürdiger fast, als das von Thom- son u. A. wahrgenommene Factum, dafs Thiere, welche die übrige Zeit ihres Lebens einer jeden weiteren Locomotion ermangeln, als Embryonen frei herumschwimmen. Doch läfst sich anderseits nicht läugnen, dafs wenigstens analoge Erscheinungen auch bei den Wir- belthieren vorkommen, wie z. B. die Metamorphosen der Kiemen, der Extremitäten, der Batrachier u. dgl. m. Auch haben Embryo- nen des Maulwurfes nach meinen Beebachtungen relativ um so gröfsere und ausgebildetere Augen, je jünger sie sind. Wir haben hier die wichtigsten nach den bisherigen siche- ren und wissenschaftlichen Erfahrungen zu entnehmenden Unter- schiede der individuellen Entwickelung bei Wirbellosen und Wir- belthieren hervorgehoben. Künftige Beobachtungen werden noch Vieles berichtigen. Manches aufhellen, Manches hinzufügen, Man- ches in besserem Lichte darstellen. Vor Allem mufs noch die Entwickelungsgeschichte der Wirbellosen mehr im Zusammen- hange untersucht und aufgefafst werden, wenn die vielen Lücken unseres Wissens in dieser Rücksicht einigermafsen ausgefüllt wer- den sollen. Die obige Darstellung ist nach folgenden Werken, zum Theil aber auch aus eigenen Erfahrungen, welche wir an ei- nem anderen Orte speciell erzählen werden, entnommen. Wichtigste Quellen. — M. Herold Untersuchungen über die Bildungsgeschichte der wirbellosen Thiere im Eie. 1824. fol. — VI. Wirbellose und Wirbelthiere. 611 Carus von den äufseren Lebensbedingungen der weifs- und kalt- blütig-en Thiere. Leipz. 1824. 4. u. Nov. Act. N. C. Tom. XF. — Ratbke in der Isis. 1825. — K. E. v. Bär über Entwickelungs- gescbicMe der Thiere. 1828. 4. S. 245. fgg. — Burdach die Phy- siologie als Erfahrungswissenschaft. Zweiter Theil. 1828. 8. S. 417. 603. u. a. v. a. O. — E. H. Weber in Meck. Arch. 1828. S. 366 — 418. u. 424—436. — H. Rathke über die Bildung und EntwickeluDg des Flufskrebses. 1829. fol. S. 78—80. — Cuvier in Ann. des sc not. 1832. Mai p. 69. Aus dem oben Dargestellten sowohl, als aus anderen consta- tirten physiologischen Sätzen lassen sich folgende allgemeine De- duclionen machen: 1. In jedem Thiere findet sich ein Gegensatz zwischen ve- getativen und animalen Organen. 2. Die animalen Organe und Functionen zerfallen im Ganzen in sensible und motorische. 3. Die vegetativen Organe gehören gröfstentheils dem Schleim- blatte, die animalen dem serösen Blatte an. 4. Die vegetativen Organe sind in den Embryonen aller Wirbelthiere zu einer nach den einzelnen Klassen bestimmten Zeit der Entwickelung mit dem Dotter in naher Verbindung. Bei den Wirbellosen wird dieser integrirender Körpertheil; bei den Wirbelthieren dagegen wie ein fremder Theil in den Körper aufge- nommen oder entfernt sich im Laufe der Entwickelung immer mehr von diesem, wie bei den Säugethieren. 5. Das Schieimblatt schnüret sich bei den Wirbelthieren von dem Dotter ab, bleibt dagegen bei der gröfsten Zahl der Wir- bellosen organisch mit ihm verbunden. Die Verdauungsorgane der Wirbelthiere haben also ihrer individuellen Entwickelung nach eine höhere Selbstständigkeit, als die der Wirbellosen. 6. Ein Fundamentalunterschied der Wirbellosen und Wirbel- thiere scheint der zu seyn, dafs bei den ersteren die motorischen Organe und Functionen vorzüglich ausgebildet, die sensiblen da- gegen mehr zurückgedrängt, zum Theil fast annulirt sind. In den Wirbelthieren entwickelt sich das sensible Centralsystem zum Haqptsysteme des Körpers und die motorischen Organe haben eine mehr untergeordnete Wichtigkeit und Bedeutung. Diesem gemäfs lagert sich auch Hirn- und Rückenmark an die obere Hälfte des serösen Blattes und ein Theil der motorischen Organe 39* 612 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. an die untere Hälfte desselben. Die Extremitäten stehen zwi- schen beiden, einerseits als Bewegungs-, anderseits als Sinneswerk- zeuge, Ja dieser Unterschied spricht sich überall im Erwachsenen in der Differenz zwischen hinteren (oberen) und vorderen (unte- ren) Nervenwurzel als Leiter der Empfindung und Bewegung deutlich genug aus. Die nun am Nächsten liegende Federung wäre die, Vergleiche unter den einzelnen Klassen der Wirbellhiere sowohl, als der Wirbellosen anzustellen. Allein hierzu sind, wie man wohl sa- gen kann, bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft kaum einige Vorarbeiten geliefert. Eine Darstellung der Unterschiede selbst müfste noch zu viele Hypothesen enthalten, da wir in manchen Klassen die Entwickelungsgeschichte eines einzigen Thieres nur und selbst diese nicht vollständig besitzen. Wir gehen daher zu! den Theilorganismen des individuellen Thieres, seinen Organen, unmittelbar über. vn. Genese der Organe. Das Folgende ist das Resultat der im zweiten Abschnitte vorgetragenen Beobachtungen und mit möglichster Genauigkeit und Treue aus diesen gefolgert. Wir fassen das Wichtigste in eine Anzahl von Hauptpunkten zusammen, müssen aber bei die- ser sowohl, als der folgenden Rubrik das in dem zweiten Ab- schnitte Abgehandelte als bekannt voraussetzen, da Alles sonst nicht begriffen. Vieles sogar weder verstanden, noch richtig auf- gefafst werden kann. Es ist daher Jedem zu rathen, zuvor die Lehre von der Entwickelung des Embryo genau durchzugehen, ehe er an die Lesung dieser Theile der Schrift selbst schreitet. Wir müssen hier drei einander untergeordnete Verhältnisse unterscheiden: l. die Organcomplexe , 2. die Organsysteme, 3. die Organe selbst. Es giebt in jedem Thiere zwei Hauptcomplexe der in ihm vorkommenden Organsysteme, von denen der eine seiner Bedeu- tung nach mit dem pflanzlichen Organismus übereinkommt, der andere dagegen blofses Eigenthum und charakteristisches Unter- scheidungszeichen des Thieres ist. Den ersteren pflegt man mit dem Namen der vegetativen, den anderen mit dem der animali- schen Organe zu belegen. Organsysteme dagegen sind die den Complcxen untergeordneten individuellen Systeme des Körpers, VII. Genese der Organe. 613 welche für sich zu seyn und die Herrschaft über die übrigen Sy- steme auszuüben streben. 1. Die erste Bildung der Organe selbst hat die Andeutung der Organcomplexe und Organsysteme zum Vorläufer. Nach den bisherigen Erfahrungen scheint die Urdarstcllung der ersteren nicht immer der der letzteren voranzugehen. Doch fragt es sich, ob auch diese Beobachtungen bis in ihre feinsten Nüancirungen rich- tig sind. Die ürbildung der beiden Hauptorgancomplexe ist näm- lich die Spaltung der Keimhaut in ein seröses und ein raucöses Blatt, in das erstere als den Repräsentanten der rein animalen und das letztere als den Repräsentanten der rein vegetabilischen Or- gane. Die Urdarstcllung der Organsysteme beginnt in etwas vei'- wickelteren Momenten. Zuvörderst ist es der in dem serösen Blatte sich bildende Primitivstreifen, welcher die thierische Indi- vidualität überhaupt andeutet. Näcbstdcm aber die Abschnürung, welches das Urbild der Individualisation des Embryo als eines Theilorganismus des Eies bezeichnet. Erst , wenn diese Acte in ihrer frühesten Form begonnen und mehr oder minder gedauert haben, kommt es zur Darstellung einzelner Organe. 2. Die einzelnen Organsysteme scheinen zwar unabhängig von einander sich zu entwickeln. Sie sind aber durch ein höhe- res Band, die Individualität des ganzen Organismus, gebunden. Uebcrhaupt entsteht jedes Ganze nicht dadurch, dafs sich eine bestimmte Zahl von Einzelnheiten unabhängig von einander dar- stellen und zuletzt mit einander verbinden, sondern das Ganze ist von Anfang an das Beherrschende. Es specialisirt sich der Zeit nach immer mehr und an verschiedenen discreten Punkten. Da- durch wird aber die höhere Einheit nicht im Mindesten gestört und aufgehoben. Wir erkennen sie oft nur nicht deshalb, weil wir diese Einzelnheiten in der Beobachtung wahrnehmen und das Ganze daher aus dem Auge verlieren. Das geistige Auge ist hier demselben Fehltritte unterworfen, wie wenn wir z. B. mit dem leiblichen bei unmiUelbarer Anschauung die Niere als ein ganzes, bei genauerer Zergliederung als einen Complex von Rin- de, Marksubstanz, Nierenbecken, Nierenkelchen u. dgl., bei mi- kroscopischer Vergröfserung als eine Menge von gestreckten und geschlängelten Harngefäfsen u. dgl., und bei noch stärkei'er Ver- gröfserung als eine aus einem dichten mit Körnchen vermischten Stoffe zusammengesetzte Bildung angesehen. — Je mehr die Zahl 614 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. der untergeordneten Specialitäten sich häuft, um so schwerer ist es, den Einheitspunkt und die Verbindung klar im Auge zu be- halten, und doch fühlen wir wohl, dafs durch die Mannigfaltig- keit des Einzelnen jener nichts weniger als aufgehoben, sondern nur mehr individualisirt wird. 3. Theile von gleicher Bedeutung haben einen durchaus gleichen Gang der Entwickelung, sowohl für sich, als im Ver- hältnifs zu dem nächst höheren und höchsten Ganzen. Dieser Satz ist im allgemeinsten Sinne ausgesprochen durchaus wahr, und auf seiner Voraussetzung beruht sogar die Möglichkeit aller Erkenntnifs, aller Wissenschaft. Wenn aber bei der speciellen Anwendung scheinbare Ausnahmen sich finden, so sind diese nur durch unsere Auffassungsweise dadurch bedingt, dafs wir Einzel- heiten statt der allseitigen Beziehungen aufgenommen, dafs wir die Bedeutung eines Theilorganismus nur halb erkannt und daher von einem unrichtigen Standpunkte und in einem unwahren Verhältnisse angesehen haben. Weil wir sie nicht begreifen, deshalb geht die Einheit der Natur nicht von ihrem bestimmten und fixirten Wege ab. 4. Wenn man dasjenige, in welchem die Uridee sich noch einfacher ausspricht, mit dem Namen des Allgemeinen belegt, dasjenige dagegen, in welchem sie schon mehr specialisirt ist, als Besonderes bezeichnet, so läfst sich als ürgesetz angeben: der Zeit wie dem Räume nach erscheint das Allgemeine vor dem Besonderen. Da jedoch diese Ausdrücke etwas Schiefes und Un- richtiges haben, da die Bezeichnung der speciellsten Individuali- tät in ihnen nicht enthalten ist, so können wir in Voraussetzung des oben Gesagten und in Uebereinstimmung mit demselben den Satz dahin abändern, dafs in dem individuellen Keime die durch die speciellste Individualität hervorleuchtende und in ihr enthal- tene Uridee sich immer mehr specialisirt, bis sie zuletzt zur in- dividuellsten Uridee wird, d. h. mit der einzelnen Individualität selbst zusammenfällt. 5. Es Hegt aber zunächst in der Natur unseres Auffassungs- vermögens, dafs wir bei jeder Reihe von Specialitäten das nächste Ganze, welches dieses umschliefst, ins Auge fassen und als etwas Gesondertes und für sich Bestehendes angesehen,, gleichsam als fürchteten wir uns zu verwirren, wenn wir die einzelnen Ver- hältnisse zu dem entfernt höheren und höchsten Ganzen zur An- schauung bringen wollten — eine Furchr, welche bei der Indivi- VII. Genese der Organe. 615 dualität und Beschränktheit unseres Geistes sehr gegründet ist. Es geht aber dadurch jede Vollständigkeit eines Systemes zu Grunde. Wir gerathen hierdurch in einen nothwendigen, nie völ- lig zu lösenden Widerspruch, indem wir eine grofse Menge von Specialitäten unmittelbar, höchstens aber den Zusammenhang ein- zelner zu Theilorganismen, nie aber das ganze Individuum erken- nen. Entweder müfste uns das ganze Universum vollständig ent- hüllt seyn oder es ist uns, da dieses unmöglich ist, auch nicht möglich ein Individuum vollständig zu begreifen und allseitig ge- nug aufzufassen. Dies hat aber auf die Behandlung wesentlichen Einflufs. Es entsteht nicht ein ürgesetz, welches alle Specialitä- ten nach ihren kleinsten Einzelheiten vollständig in sich enthielte, sondern nur für jedes einseitig immer aufgefafste Moment eine Reihe von Normen. Das Ganze wird in der Wissenschaft so nothwendig kein System, sondern ein Aggregat dieser einzelnen Reihen. Auf die Entwicklung der Organe angewendet, werden wir hier am Zweckmäfsigsten folgende Reihen hervorheben. 6. Der Zeit nach entsteht nothwendig das ürorgan vor dem Nebenorgane. So bildet sich ein centrales Nervensystem über- haupt früher, als Hirn und Rückenmark, der Darmkanal überhaupt vor der Leber, den Lungen. 7. Dem Räume nach ist in dem Urorgane die Nebenbildung enthalten, und es ist daher unrichtig, wenn man das Urorgan mit einem Namen belegt, welcher später, sobald Nebenorgane aus ihm sich gebildet haben, dem Hauptorgane zukommt. So" sehr dieses spitzfindig und, wie die Benennung überhaupt, minder wichtig scheinen könnte, so wollen wir doch an einem Beispiele es er- härten, wie leicht durch nicht genaue Distinctionen grobe Un- wahrheiten zu Tage gefödert werden. Man hatte nämlich beob- achtet, dafs sich zuerst ein centrales Nervensystem in Form eines mehr oder minder breiten Streifens bilde. Der äufseren Aehn- lichkeit nach hat man diesen mit dem Namen des Rückenmarkes belegt und, wenn später an dem vorderen Ende desselben An- schwellungen als Andeutungen des Hirnes entstehen, gesagt, dafs das Hirn aus dem Rückenmarke hervorwachse, dafs das Rücken- mark die primäre und das Hirn die secundäre Bildung sey. Eine gröfsere Unwahrheit kann aber kaum ausgesprochen werden, und der Grund dieses Irrthumes ruht nicht sowohl auf einer falschen Erfahrung selbst, als auf einer falsch gedeuteten Beobachtung, 616 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. dafs man die allgemeinere Uridee des centralen Nervensystemes überhaupt mit der specielleren des Rückenmarkes identificirte. 8. Keine Organbildung ist für sich , sondern entsteht durch Specialisirung des nächst höheren Ganzen. Dieses zerfällt also in zwei oder melirere subordinirte Theile und wird auf diese Weise in seiner Einfachheit negirt. Der Satz ist die unmittel- bare Folge des Vorhergehenden, und was sich aus ihm über die Bedeutung der Organe in der individuellen Entwickelung sowohl, als in der der Thierwelt ergiebt, haben wir schon oben anzufüh- ren Gelegenheit gehabt. 9. Das nächst höhere Ganze ist so der ürstoflE der Organe und diese bilden sich aus diesem Urstoffe hervor. Hierdurch ent- stehen aber drei verschiedene Gradationen der Genese in dem Thierkörper, welche sich bequem durch die möglichen Theilungs- arten einer Linie versinnlichen lassen, a. Man denke sich eine gerade Linie in zwei ungleiche Theile getheilt. Der gröfsere Theil wird also das präponderirende und der kleinere von einem untergeordneten Verhältnisse seyn. So entsteht auch aus dem Urstoffe ein Hauptorgan und ein untergeordnetes Nebenorgan. Wie aber eine gerade Linie in mehrere ungleiche Theile zerfäll- bar ist, so können auch mehrere Nebenorgane in Bezug auf ein Hauptorgan vorkommen. Was also den ürstoff anlangt, so haben wir hier ein gleichmäfsig subordinirendes Verhältnifs und daher in dieser Beziehung ein coordinirtes der Theile selbst. Wie aber jede kleinefe Linie als ein Theil einer gröfseren angesehen wer- den kann, so ist auch das Nebenorgan in einem subordinirten -Verhältnisse zu dem Hauptorgane, wiewohl beide in Bezug auf das höhere Ganze einander coordinirt sind. Dieses ist, wie wir specieller auseinandersetzen werden, das Schema der Bildung der vegetativen Organe, b. Der nächste Uebergang von dem Falle, dafs eine gerade Linie in viele ungleiche Theile zerfällt, ist der, dafs sie in eine Anzahl gleicher Theile getheilt wird. Hier sind die einzelnen Abtheilungen nicht nur in Bezug auf das Ganze, sondern auch unter einander coordinirt. Dieses ist das Schema der animalischen, motorischen Organe, c. In den beiden genannten Fällen ist die Einfachheit der geraden Linie in viele Theilindividuen zerfallen, wo sich als untergeordnetes Verhältnifs äie Ungleichheit, als höheres die Gleichheit ergab. Wenn nun die Zerfällung möglichst gering wird, so ist der höchste Stand- VII. Genese der Organe. 617 punkt erreicht. Der Halbirungspunkt einer geraden Linie aber kaun als das Centrum eines Kreises oder einer Kugel angesehen werden, deren Radien die Hälften der Linien sind. Darauf be- ruht die Bildung des Thieres überhaupt, die Genese der animali- schen, sensoriellen Organe aber insbesondere. Wir ^vollen nun diese einzelnen Momente durchgehen. 10. Das Urbild der vegetativen Organe in den Wirbelthie- ren ist das Schleimblatt, welches sich zunächst dadurch individuali- sirt, dafs es sich über den Dotter wie die übrige Keirahaut erhebt und für sich die Röhrenform annimmt. Diese Abschnürung gehet von vorn sowohl als von hinten nach der Mitte zu fort, und so wird die primäre Bildung des vSchleimblattes als Darmkanal zu Stande gebracht. Wiewohl diese thierischen Organe in ihren stereome- trischen Begrenzungen die Röhrenform haben, so ist es doch das Zweckmäfsigste , die Genese der Organe in und aus ihnen nach ihren Dimensionen oder idealen Durchschnitten zu betrachten, weil nur auf diese Weise die gegenseitige Lage der Theile sich durch die einfachsten, mathematischen Formen darstellen läfst. Diese Methode haben die Crystallographen zum Theil dadurch nicht ohne Glück befolgt, dafs sie die Axen der Crystalle mit einander in Verhältnifs brachten und die Durchschnittzeichnungen der organischen Körper beruhen im Wesentlichen auf denselben Grundsätzen und demselben Ziele. Es wird aber hier gut seyn, zuvörderst die Breitendurchschnitte in Erwägung zu ziehen. Die Axe des einfachen Darmrohres ist der Diameter seines Durch- schnittkreises und viele secundären Bildungen entstehen hier da- durch, dafs dieser sich verlängert, nnd insofern eine neue Ansatz-, linie als das Product der weiteren Ausbildung an demselben ent« steht. Diese Art von Bildungen haben wir oben mit dem Namen der Ausstülpungsbildungen bezeichnet. Sie sind immer unterge- ordnet der primären Bildung und doch nur ein Theil der sich verbreiternden Queraxe der primären Bildung an einer bestimm- ten Stelle. Die Längenaxe zerfällt später auf dieselbe Weise in mehrere untergeordnete und ungleiche Abtheilungen, welche aber einander mehr coordinirt sind. Und so kann man sich das ganze Verhältnifs des röhrigen Schleimblattes als Zeichnung so denken, dafs eine Perpendikulärlinie an allen ihren Punkten von Queraxen durchschnitten wird, welche gröfstentheils einander gleich, an be- stimmten Punkten dagegen nach einer oder beiden Seiten vcrlän- 618 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. gert oder verkürzt sind. Diese letztere Abtheilung entspricht dann den Einfurchungsbildungen. In den motorischen Organen wäre der Typus auf diese Weise dahin zu reduciren, dafs die Queraxe in kleinere Linien zerfällt. Durch jeden Theilungspunkt gingen parallele Längenaxen, In den sensiblen Organen ginge in dem Centrum, so wie an den beiden Endpunkten der Queraxe eine ideale Längenaxe. Construirt man aber dieses lineare Schema nach stereometrischen Verhältnissen, so entständen hierdurch der Gegensatz eines umschlossenen und eines umschliefsenden Körpers, von Contentum und Hülle, ein Gegensatz, welcher der Uridee des Thieres überhaupt angehörend in jedem individuellen Thiere wiederkehrt. — Alle diese Fortschritte der Bildung sind aber kein Ansetzen einer neuen Linie an die alte Axe, sondern die Vergröfserung jener überhaupt und das Zerfallen der so neu ent- standenen gröfseren Linien in differente Theile. 11. Dadurch, dafs die Queraxen der ürbildung des Schleim- blattes, des Darmkanales entweder nach beiden Seiten hin sich andauernd vei-längern oder nicht, entstehen verschiedene Bildun- gen. Doch ist dieser Unterschied nur scheinbar. Im Urprocesse ist die Verlängerung nach beiden Seiten hin gleich, und da bei einem Cylinder alle Diameter, also alle Queraxen, einander gleich sind, so kommt es dann nur darauf an, die wahre Richtung der Queraxe zu bestimmen. Zu den einseitigen Bildungen scheinen die Lungen, die Leber, das Pankreas, der Blinddarm zu gehören. Allein bei Lungen und Leber geht zuerst die Verdickung der Queraxe gleichmäfsig vor sich, wenn man diese nicht von der Rücken- nach der Bauchseite, sondern von rechts nach links nimmt. Dafs aber zuerst ein doppeltes Pankreas wahrscheinlich sich finde, haben wir schon oben bemerkt. Es ist der Unterschied zwischen secundärer und primärer Bildung, dafs die erstere sich selbststän- dig zij machen bestrebt, die letztere dagegen in untergeordnete Theile zerfällt. Djes hat natürlich in Bezug auf die Axen einen wesentlichen Unterschied zur Folge. Bei den secundären Bildun- gen wird im Laufe der Entwickelung die Queraxe möglichst selbstständig und kommt mit der Längenaxe bei veränderter Lage in gar keine Berührung. In der primären Bildung zerfällt die Längenaxe in mehrere Abtheilungen und jede Differenz der Län- genaxe bedingt auch eine gröfsere oder geringere Differenz der Queraxen, z. B. im Magen, Dünndarm, Colon. In den motorischen VII. Genese der Organe. 619 Organen constituirt sich jede Längenaxe selbstständig für sich und zerfällt in ihre eigenen difFerenten Bildungen und auf gleiche Weise sind in den sensuellen Organen Centrum und Peripherie, Coutentum und Hülle geschieden und jedes von ihnen seiner eige- nen Differenzirung überlassen. Die Trennung der Längenaxe ge- schieht aber in beiden Abtheilungen auf dieselbe Weise, wie in den primären Bildungen des Schleimblattes. 12. Jedes der drei Blätter der Keimhaut hat seinen Embryo- naltheil und peripherischen Theil, in der Frucht selbst aber seine primäre und seine secundäre Bildung. 'Die primäre Bildung er- scheint als Röhre und ihr Anhang wird zur secundären Bildung. In dem serösen Blatte sind primäre Bildung das Centralnerven- system nebst Hüllen, in dem Gefäfsblatte das Herz, in dem Schleim- blatte der Darmkanal; in dem serösen Blatte sind secundäre Bil- dungen die inneren Abtheilungen der Sinnesorgane und vielleicht die Nieren, in dem Gefäfsblatte das Herz und vielleicht die inne- ren keimbereitenden Geschlechtstheile, die Schilddrüse, die Thy- mus, die Milz und die Nebennieren, in dem Schleimblatte endlich die Drüsen, die Lungen, die Leber. In jedem ist der Typus, nach welchem diese Theile sich bilden, verändert, der höheren Uridee nach aber ein und derselbe. In dem serösen Blatte ent- steht zuerst ein Gegensatz von centraler Flüssigkeit und Leibes- platten, als der Gegensatz von animalischem sensuellen und moto- rischenLeben überhaupt. Das sensuelle Leben scheidet sich in Centrum und Peripherie, Contentum und Hülle, centrales Nerven- system und Wirbelsäule. Die Leibesplatten trennen sich, diesem entsprechend, in Rücken und Bauchplatten als Organe der thieri- schen Bewegungsfunctionen überhaupt. Diese sondern sich aber beiderseits in der die Dimension der Tiefe entsprechend der Keim- haut überhaupt in eine obere, schützende Schicht, das Haut- und eine untere, die Bewegung vermittelnde, das Muskelsystem, Zwischen beiden Schichten, d. h. zwischen den an die Wirbel- säule sowohl, als dem oberen Centralrohre , angelagerten Bildun- gen und dem unteren Centralrohre, als auch zwischen der Haut und der primären Muskelschicht entsteht die abgelagerte Urmasse für die Extremitäten und deren Gürtel. Die Extremitäten selbst stehen mit beiden in inniger Verbindung. Als wahre Ausstül pungsbildungen treiben sie die Hautschicht vor sich her. Ihre Verwandtschaft mit der unteren Muskelschicht wird aber dadurch 620 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. beurkundet, dafs sie Fortsätze ausschicken, welche sich um diese herumlagern. In dem motorischen Organe überhaupt ist der Gegensatz von Bewegtem und Bewegendem, Passivität und Acti- vität, Knochen und Muskeln noth wendig gegeben. — Wie die Extremitäten die Mittelglieder zwischen oberem und unterem Centralrohre, zwischen schützender und begrenzender Schicht sind, so müssen die Sinnesorgane als Vermittler zwischen i^ein sensuellen und motorischen Organen angesehen werden. Die drei höheren, Auge, Ohr und Nase, zerfallen daher auch in äulscre und innere Abtheilungen, Als Verbindungsglieder zwischen den Leibesplatten und dem centralen Nervensysteme erscheint ihre innere Abtheilung als Einfurchung (Grube), welchen wahrschein- lich eine Ausstülpung des sensiblen Centralorganes entgegenkommt. Die äufseren Abtheilungen erscheinen später nach Verhältnifs ihrer zeitlichen Ausbildung und ihrer der absoluten Stellung des Sinnesor- ganes entgegengesetzten Dignität als Productionen der Bauchplatteu, daher zuerst die des Ohres, dann die der Nase und zuletzt die der Au- gen. Das obere und untere Centralrohr werden aber zu Hüllen und zwar das erstere zu denen der rein sensuellen, das letztere zu denen der vegetativen Organe. In dem Letzteren wird der Embryonaltheil des Schleimblattes eingeschlossen, so wie der über ihm liegende, entsprechende Antheil des Gefäfsblattes. Wir haben also in dem serösen Blatte alle rein animalischen Functionen vereinigt und zwar die rein sensuellen und die motorischen, die das Denken, die Bewegung und die Empfindung vermitteln. Aufserdem nimmt es auch an seiner äufsersten Oberfläche die schützende Function an, wie es, als das das Thier überhaupt Bestimmende, seine Form meistens festsetzt. In dem Gefäfsblatte ist die centrale Bildung das Herz und die peripherische das System der Blutgefäfse. Alle Gefäfse ent- stehen durch Verdichtung im Aeufseren und Verflüssigung im In- nern und dem Herzen selbst, als dem Centralgefäfse ist ganz der- selbe Procefs eigenthümlich. Nur krümmt dieses sich, zum Theil noch früher, als es in seinem Innern vollständig verflüssigt wor- den, in sich selbst zusammen und bekundet hierdurch seine hö- here Individualität. Es läfst sich der Analogie gemäfs erwar- ten, dafs auch hier secundäre Bildungen vorkommen. Welches aber ihr Charakter sey, ist durch Beobachtung noch nicht ausge- macht. VII. Genese der Organe. 621 Deutlicher ist das Veihältnifs dagegen in dem Schleimblatte. Seine primäre Bildung ist das Darrarolir in der Gestalt, dafs es ein vorn und hinten geschlossenes und in der Mitte nach dem Dotter hin geöffnetes Rohr bildet. Dieses zerfällt selbst auf die oben angegebene Weise in einzelne untergeordnete Theile. Es erscheinen aber an ihm eine Reihe secundärer Bildungen, welche es erst vervollständigen. So zeigen sich erstlich Einfurchungen, d. h. Ausstülpungen des serösen Blattes nach innen, welche das Schleimblatt erreichen, so dafs dieses sich, zuletzt an dem serösen Blatte nach aufsen öffnet. Man sieht, dafs hier das seröse Blatt überhaupt mit dem SchleimbJatte in dasselbe VerhäUnifs tritt, wie die Leibesplatten mit dem centralen Nervensysteme. Eine zweite Art secundärer Bildungen sind die sogenannten Ausstül- pungen, d. h. Verdickung der Wandung des Darmrohres, so dafs die Höhle des letzteren, sich in einen Theil des ersteren fortsetzt. Die gröfsere Massenbildung, die höhere Plaslicität überhaupt ist der ürcharakter dieser secundären Bildungen, zu welchem die ausführenden Drüsen, die Lungen und die Leber gehören. 13. Jedes Organ hat, ehe es in seiner bestimmten Form ent-, steht, einen ürstoff zum Vorläufer, wie der des Embryo selbst die Keimhaut ist. Die Art und Weise, wie aus dem Urstoffe sich die Form des bestimmten Organes hervorbilde, läfst sich un ter folgende Rubriken bringen. a. Der niedrigste Standpunkt ist der, wo ein mehr oder minder unbestimmles Blastem in seiner gröfsten Ausdehnung zu Grunde geht und sich nur zu einem kleinen Umfange zu seinem bestimmten Organe concentrirt, wo also ein kleines Organ ein gröfseres oder wenigstens länger ausgedehntes Blastema überwin- det. Diese Form findet sich z. B. bei den inneren keimbereiten- den Genitalien. Es entsteht an der inneren Seite der Wolff'schen Körper eine sehr lange und schmale Bildungsmasse, welche sich an einem Punkte verdickt, während ihr übriger Theil schwindet. Dasselbe findet wahrscheinlich auch bei den Nieren Statt. b. Wenn in der nun eben erwähnten Form das ganze Bla- stem in die Bildung eines einzigen Punktes eingegangen, so ist der nächst höhere Standpunkt der, dafs es zu einem gröfsereu oder geringeren Theile in das bestimmte Organ eingeht, mit sei- ner übrigen Abtheilung aber nicht schwindet, sondern unter einer metamorphosirten Gestalt, nämlich als verbindendes Schleimge- 622 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. webe, verharrt. So entstehen alle activ motorischen Organe und zwar scheint dieser Gegensatz von Umvs^andlung in das bestimmte Organ und verbindendes Schleimgewebe sich um so schärfer aus- zuprägen, je mehr das System der Bewegungsorgane überhaupt ausgebildet und je höher das Individuum in der Reibe der Thier- welt steht. c. In der vorigen Form ist von dem Blastema nichts verlo- ren gegangen. Es bestanden aber Organ- und Schleimgewebe mehr neben einander. Das Organ selbst lag noch nicht in dem Blastema, wie ein centrischer oder excentrischer Punkt innerhalb der Fläche des Kreises, wiewohl in dem höchsten Verhältnisse derselben dem der Knochen und Muskeln schon eine Annäherung hierzu Statt findet. Diese Modification wird nun realisirt und zwar auf eine dreifach verschiedene Weise. a. In den secundären Bildungen des Schleimblattes herrscht das dem Organ selbst Angehörende bedeutender vor und das Schleimgewebe hat nur eine untergeordnete Stellung. Die Or- gantheile verbreiten sich allmählig längs des ganzen Raumes des Blastema und dieses verbindet nun jedes Einzelne von jenen als Parenchym auf der Oberfläche sowohl, als in jeglichem Punkte des Innern selbst. ß. In den höheren, inneren Abtheilungen der Sinnesorgane bildet sich dadurch ein Gegensatz von Centrum und Peripherie. Beide sind aber von gleich wichtiger Bedeutung, das Centrum sogar von noch gröfserer, weil es zu dem empfindenden Theile wird, während die peripherische Abtheilung nur die Möglichkeit jeder Pex'ception bedingt. Es wiederholt sich hier derselbe Ge- gensatz, welcher zwischen centralem Nervensysteme und Sinnes- organen überhaupt Statt findet. ly. Die höchste Form endlich ist die, wo das ganze Blastema in die Bildung des Organes eingeht und durch den einfachsten Act der Genese überhaupt, durch Scheidung des Festen aus dem Flüssigen, die Metamorphose vollendet wird. Dieses ist in dem centralen Nervensysteme der Fall. 14. Was die Gröfse der Organe betrifft, so findet bei ihnen dasselbe ürgesetz Statt, welches wir bald bei den einzelnen Or- gantheilen und Geweben werden wiederkehren sehen, nämlich, dafs sie sich relativ zuerst vergröfsern und dann verkleinern. Man hat diesen Satz so ausgedrückt, dafs die Organe relativ grö- VII. Genese der Organe. 623 fser angelegt werden, als sie in der Folge selbst sind. Dies ist jedoch nicht allgemein wahr. 15. Verbundene Organe entstehen auf zwiefachem Wege durch Synthese oder durch Analyse. Jede von diesen beiden Entstehungsweisen hat aber wiederum mehrere Seiten. Die Ana- lyse ist a. Zerfällung, so die des centralen Nervensystemes in Hirn und Rückenmark, die des Darmrohres in Magen, Duodenum, Dünndarm u. dgl. b. Wucherung in Form secuadärer Bildungen (Individualisi- rung durch Abschnürung und Gegensatz) und zwar a. Wucherung der Masse. Dieses aus der primären Bildung hervorgegangene Blastem ist der vorzüglichste Antheii der secun- dären Bildung und die Höhlencommunication ihr untergeordnet. So die Leber, die Lungen, die Speicheldrüsen. ß. Prolongation der Höhlung. Die Wandung bleibt hier entweder ungeändert oder enthält wenigstens analoge Schichten, wie die primäre Bildung selbst. Die Höhlung dagegen nimmt den gröfsten Raum ein. Allantois und Harnblase. Wurmfortsatz. Die Synthese geschieht a. Durch Näherung. Zwei Organe, welche später verbun- den sind, rücken an einander und verwachsen entweder mit ein- ander oder nähern sich nur möglichst, wie die Asymptote der höheren Curve sich unendlich nähert, ohne sie je zu erreichen. Ist das Erstere der Fall, so geschieht dieses meistens durch ein Mittelorgan, wie dieses zwischen Hoden und Saamenleiter der Nebenhoden, zwischen Ureter und Nieren das Nierenbecken ist u. dgl, m. In dem letzteren Falle dagegen befinden sich z. B. Trompete und Eierstock. — b. Durch Verwachsung symmetrischer Hälften. Bei allen diesen Bildungen scheint zuerst ein einfacher UrstofF zu entstehen, welcher sich in zwei seitliche gleiche Hälften theilt, die zuletzt zu einem einfachen Organe mehr oder minder zusammenwachsen. So bei dem kleinen Gehirn, der Schilddrüse u. dgl. c. Es constituirt sich ein gröfseres Organ in seiner einfachen äufseren Form dadurch, dafs es zuerst einfach angelegt, in eine Menge kleinerer oder gröfserer Abtheilungen zerfällt, welche zu- letzt zu einem einfachen Organe sich zusammensetzen, z. B. die Nieren, Nebennieren u, dgl. 624 Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Enlwickelung. d. In jedem Organe, welches in ausgebildetem Zustande Lappen hat, entstehen diese dadurch, dafs sich kleinere Läppchen zu gröfseren Abtheilungen sammeln, nicht aber etwa dadurch, dafs diese von Anfang an schon angedeutet worden wären, z. B. bei den Lungen, der Leber u. dgl. Dieses Gesetz ist eine blofse Modification des unmittelbar Vorhergehenden. 16. Hohle Organe entstehen durch Veränderung des Urstoffes und zwar a. Der UrstofF ist flüssig und scheidet sich in dichtere Wan- dung, während die Flüssigkeit im Innern beharrt und gar nicht oder erst zuletzt schwindet. So im Gehirn, im Rückenmarke, Eum Theil in den Sinnesorganen u. dgl. b. Der UrstofT ist dichterer Natur und scheidet sich in festere W^aadung und Höhlung. So in den Drüsenorgauen, dem Ureter, den Trompeten u. dgl. VIH. Entstehung der Organtheile und Gewebe. Das mehr Flüssige ist, wie Carus schon treffend bemerkt, das Bestimmbare, aus welchem durch Gegensatz eines mehr Festen und mehr Flüssigen das Bestimmte hervorgeht. Da aber die Keim- haut schon das Produkt eines solchen Gegensatzes zwischen Em bryonaltheil und Dotter ist, so mufs sie schon in der Form eines Halbfesten sich zeigen. Ja als das mehr Individualisirte und einer noch höheren Individualisatiou Fähige ist sie dichter als der ihr gegenüberstehende Dotier, wiewohl zarter, als die beide schüt- zende Hülle. Sie selbst besteht aber aus einer zähen, farblo- sen Masse und einer Menge in dieser enthaltener durchsichtiger Kügelcheu. Mit ihrer Spaltung in Blätter werden diese beiden Substanzen derselben wahrscheinlich ebenfalls verändert. Da aber die feineren Nuancirungen in dem halbflüssigen Stoffe dem Auge unmittelbar entgehen und chemische Untersuchungen der Art mit der wünschenswerthen Schärfe noch nicht durchzuführen sind, so müssen wir uns für jetzt allein auf die Metamorphosen der Kügelchen beschränken. Dafs die des serösen Blattes von denen des Schleimblattes bestimmt abweichen, haben wir oben bei Ge. legenheit der Genese des Blutes angegeben. Diese Verschieden- heit ist im Anfange der individuellen Entwickeluug am deutlich. steu VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe. 625 sten kenntlich, indem sie sich besonders durch Gröfsendiflferenzen kund giebt, späterhin aber die Durchmesser sieb wiederum auf das Mannigfaltigste verändern, wenn bestimmte Organe aus jedem Blatte sich zu bilden begonnen haben. Man könnte daher viel- leicht diese nur mit guten Instrumenten wabrnehmbaren Unter- schiede (s. oben S. 287.) die ürdifFerenz der Gewebe der animalen und vegetativen Organe nennen, da die Spaltung der Blätter in Bezug auf die Organogenese dieselbe Bedeutung zu haben scheint. Auch erscheint die Differenz der Kügelchen vollkommen deutlich aus- gesprochen später, als die erste Spur der Spaltung in einzelne Blätter überhaupt. Wie die einzelnen Organe aus ihrem bestimmten Blatte, so entstehen die Organ- und Gewebtheile der ersteren aus den Kü- gelchen und der einfachen und verbindenden Masse des letzteren. Wir müssen es aber als ein für alle diese Theile geltendes Urge- setz aufstellen, dafs weder die Körnchen, noch die Masse selbst unmittelbar in die Gewebe, so wie sie im ausgebildeten Zustande gefunden werden, übergehen, sondern vorher bestimmte Mittel- stufen durchlaufen müssen, um die permanente Gewebsbildung zu erreichen. Ohne Zweifel ist dieses auch in Bezug auf ihre Mischung der Fall. Was aber die Form betrifft, so modificirt sich dieses Gesetz auf folgende Weise. 1. Die verbindende Masse wird dichter, dunkeler und durch- läuft die verschiedensten Grade der Consistenz in aufsteigender Reihe. Oder 2. Die verbindende Masse wird durchsichtiger, gewinnt an Zähigkeit und Zusammenhang und permanirt entweder so ziem- lich in ihrem früheren halbweichen Zustande oder durchläuft so- gar die verschiedenen Consistenz- und Härtegrade in absteigender Ordnung. 3. Die Körnchen werden verflüssigt und zwar a. Es tritt an ihre Stelle ein vollkommen liquider Stoff, welcher sich von der mehr colliquescirten weichen Masse gar nicht unterscheidet, mit ihr zusammenfliefst und ein Ganzes, der weite- ren Metamorphose Fähiges darstellt oder b. Die Körnchen verfliefsen in einer bestimmten Richtung mit einander und stellen dann gewisse fadenartige Gebilde dar, welche an Consistenz bei weiterer Entwickelung zunehmen. 4. Die Körnchen permanireu zum Theil, coUiquesciren also 40 626 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. nicht unmittelbar, verändern aber Form, Gestalt und Gröfse nach den durch die Organe fisirten individuellen Verschiedenheiten. Die näheren Belege hierzu siehe unten. Die Formation, welche der Bildung eines bestimmten Orga- nes vorhergeht, kann im engeren Sinne des Wortes der Urstoff desselben genannt werden. Dieser hat äufserlich seine definite, individuelle Form. Sein Gewebe ist aber nicht minder eigenthüm- lich. Es hat zuerst den Charakter eines Keimsloffes überhaupt, d. h. es hat in seinem Inneren noch keine ungleichartige Struc- tsir, sondern besteht, wie die Keimhaut, aus Körnchen und ver- bindender Masse; die Totalität des Charakters dieses ürstoffes ist aber in den einzelnen Organen eigenthiimlich und verschieden. Sie steht der Bildung der Organe selbst durchaus parallel. Wie diese daher von ihrem ersten Uranfange sich immer mehr specia- lisiren, so durchläuft auch der Urstoff analoge Metamorphosen- grade. Diese geben sich aber nothwendiger Weise nur durch das Totale des Charakters zu erkennen und zeigen sich bald durch Differenz der Körnchen, bald durch Differenz der verbindenden Masse und bald durch einen dritten verschiedenen Stoff, in wel- chen diese beiden Theile eingegangen sind und in dem ein neuer Gegensatz von Körnchen und verbindender Masse sich findet. Es wird von Nutzen seyn, diese Veränderungen specieller durchzu- gehen. 1. In dem serösen Blatte ist die erste Bildung der Primitiv- streifen. Hier scheinen sich die Körnchen auf Kosten der verbin- denden Masse nur anzuhäufen, übrigens aber sich weder an Gröfse noch an Form, noch an Gestalt wesentlich zu ändern. Sie liegen aber nicht blofs dichter an einander, als in der übrigen Keimhaut, sondern scheinen auch fester mit einander zusammenzuhängen und auf diese Weise entsteht, für den ersten Blick, der dunkele Con- tour, welcher sich besonders dann zu erkennen giebt, wenn man sich zur Beobachtung in die Tiefe schauender Linsen bedient» Der Anfang der Bildung ist auf diese Weise, wie die Tendenz derselben überhaupt, eine gröfsere Solidescenz. Die verbindende flüssige Masse wird fester und dichter, die von Anfang an dich- tere Abtheilungen (die Körnchen) reichlicher. In der nun nächst- folgenden Sonderung der Rückensaite, der Leibesplatten und einer wahrscheinlich zwischen diesen enthaltenen Flüssigkeit spricht sich der Gegensatz von Flüssigem und Festen in seinen wesentlichen Vlir. Entstehung der Organtheile und Gewebe. 627 Momenten recht deutlich aus. Wiewohl im Ganzen noch sehr weich und zart, bietet die Rückensaite doch schon dem betrachten- den Auge einen Körper von dichterer Consistenz dar; sie zeigt sich von dichterem, derberem Gefüge, ohne bedjeutende Körner- anhäufung im Innern, von einer mehr ins Opalartige gehenden Farbe, mit einem Worte von einem entfernt knorpelartigen Aus- sehen. Bei Vögeln und Säugethieren kann sich Jeder hiervon auf das Leichteste überzeugen. Die Rückenplatten scheinen mit denselben Körnchen versehen, überhaupt von demselben Consistenz- und Dichtigkeitsgrade zu seyn, als der Primitivsireifen war. Ob ihre Körnchen vielleicht etwas mehr zerstreut seyen oder nicht, läfst sich nur schwer mit Gewifsheit entscheiden, doch glaube ich aus Erfahrung das Erstere wenigstens mit Wahrscheinlichkeit aufstellen zu können. Mehr, als blofse Vermuthung, läfst sich auch nicht über die zwischen den Leibesplatten enthaltene Flüs- sigkeit geben, da eine genaue Isolirung derselben, so dafs sie mikroscopisch untersucht werden könnte, unmöglich ist. Diese drei ihrem Gewebe nach verschiedenen Theile gehen nun ver- schiedene Metamorphosen ein. Die Flüssigkeit zerfällt ganz nach aufsen in Hülle, mehr nach innen in Nervensubstanz und mag im Innern vielleicht unverändert bleiben oder sich der Consistenz nach verdünnen. Sie ist also Urstoff des centralen Nervensyste- mes und dessen Hüllen. Um die Rückensaite wird die Masse dichter und bildet mit dieser den Urstoff für die Wirbelsäule im engeren Sinne, d. h. für die über einander liegenden Wirbelkör- per. Die Leibesplatten zerfallen nach innen in eine Schicht von dichterer Consistenz, den Urstoff des oberen und unteren Central- rohres, in eine mittlere Schicht von gelatinöser zäher Consistenz für die motorischen Organe und die ihnen zugehörenden Theile, und endlich in eine äufsere Schicht für das äufsere Hautsystem. Alle diese drei Schichten gehen aber an ihren Grenzen mehr oder minder in einander über. Die Extremitäten gehören ihrem Ur- stoffe nach zu der mittleren Schicht. — Anfaogs scheinen die Gruben, welche die ersten Rudimente der höheren Sinnesorgane andeuten, mit keiner eigenen Flüssigkeit gefüllt zu seyn. Diese existirt aber unzweifelhaft, sobald z. B. am Auge die hinlere Wand der Grube kugelig hervortritt oder am Ohre das Labyrinth als rundliche Blase dargestellt wird, und hängt continuirlich mit der Flüssigkeit des centralen Nervensystemes zusammen. Als 40* 628 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. Urstoff der Sinnesorgane überhaupt ist daher der Theil der Lei- beswand, welcher eingegraben wird, anzusehen. Späterhin aber verwandelt er sich nWr in den ürstoff der peripherischen Gebilde des Sinnesorganes, während die centralen durch dieselbe Flüssig- keit erzeugt werden, als Hirn und Rückenmark selbst. 2. Die ersten liistiologischen Metamorphosen des Gefäfsblat- tcs sind schwieriger zu verfolgen, da sie durch die der beiden anderen Blätter nur zu leicht verhüllt und der genauen Beobach' tung entzogen werden. Es scheint hier in der Masse selbst der geringste Gegensatz zwischen Festem und Flüssigem obzuwalten, da, wenigstens bei der ersten Bildung des Herzens und der Gefäfse die ganze Masse aus zarten, dicht aneinander liegenden Kugeln besteht. (Die kleinen scheinbar an dem Herzen liegenden Kügelchen gehören "wahrscheinlich, wie schon oben S. 332. bemerkt wurde, dem Schleimblatte ganz und gar an.) In dem Herzen und den Gefäfsen sondert sich die dichtere Wandung von dem flüssigen Contentuni. Zwischen den einzelnen Gefäfsnetzen bleibt aber eine durchsichtige structurlose Membran, wie man an den Stellen sieht, wo sie frei zu Tage liegt, wie z. B. in dem Kapselpupillarsacke des Auges. Aus der Verbindung des serösen und des Schleimblattes ge- hen die Wolffschen Körper und hinter und neben diesen die Nie- ren und keimbereitenden Geschlechtstheile hervor, und es dürfte daher hier der schicklichste Ort seyn, von dem UrstofTe dieser genannten Theile zu sprechen. Dieser ist eine dichte Masse, wel- cher aus Körnchen zusammengesetzt ist, wie sie sich später in den Rücken- und Bauchplatteu finden. Auch der Charakter der verbindenden Masse kommt mit diesen überein und sie unterschei- den sich hierdurch wesentlich von dem UrstofFe der Drüsen. 3. So lange es in der primären Bildung des Schleimblattes zu keiner Sonderung in die das Darmrohr zusammensetzenden Membranen gekommen ist, behält dieses die kleinen, früheren Körnchen, wie sich an dem Hühnchen leicht wahrnehmen läfst, bei. Bald jedoch ändert sich der Charakter dahin ab, dafs die Körnchen gröfser und mehr regelmäfsig erscheinen. Die secun- dären Bildungen aber durchlaufen in Bezug auf ihre UrstofTe ver- schiedene Grade. Am dichtesten mit Körnchen gefüllt und weni- ger mit verbindender Masse versehen sind die der Lungen und der Leber; w^eit mehr der verbindenden Masse und wenn auch VIII. Entstehung der Organtheüe und Gewebe. 629 vreniger, dagegen zum Theil etwas gröfsere Körnchen finden sie sich in den Urstoffen der Speicheldrüsen. Die Allan tois ist in der Rücksicht ihnen am nächsten, >Yiewohl sich in ihr der bald anzugebende membranartige Charakter am deutlichsten ausgeprägt hat. Die Zunge nähert sich meistens den Bauchplatten; die Milz, die Nebeniäieren und die Thymus meistens der Leber und den Lungen. Wenn nun so die Urstoffe der einzelnen Organe gegeben sind, durchlaufen sie ihre bestimmte Metamorphosenreihe, um die einzelnen Organtheüe und Orgaustructuren zu erzeugen. Wir führen zuerst die wichtigsten Verhältnisse, wie sie sich der An- schauung unmittelbar darbieten, einzeln an. 1. Die Urflüssigkeit, aus welcher Hjrn und Rückenmark ent- stehen, scheidet sich in eine dichlere äufsere Masse und eine dünne innere. Ganz nach aufsen dagegen an ihrer Begrenzung bilden sich die Hüllen. Die dichtere Masse, welche die wahre Nervensubstanz darstellt, hat sowohl an Körnchengehalt, als auch an Menge der verbindenden Substanz gewonn'en. Die letztere ist sehr weich, aber zähe. Anfangs läfst sich an ihr keine wei- tere Structur unterscheiden. Die sehr häufigen Körnchen liegen dann ohne alle deutlich kennbarc Ordnung in dem verbindenden Stoffe eingebettet. Späterhin werden gewisse sich vielfach kreu- zende linearische Anordnungen der Kügelchen mehr kenntlich, bis endlich zuletzt die eigenthümlichen Hirnfasern sichtbar werden, nachdem viel früher schon der Unterschied von weifser und grauer Substanz entstanden ist. Doch bedarf gerade dieser Me- tamorphosengang noch künftiger genauer Untersuchungen. — Die dura viater entsteht an der äufsersten Grenze der Hirnsubstanz auf die bald näher anzugebende Weise, wie die übrigen faserigen Häute. 2, Vor der Anlage der Wirbel besteht die Masse der Leibes- platten aus Körnchen des serösen Blattes und einer zähen durch- sichtigen Gallerte. Diese wird nun an den Stellen, wo Knochen späterhin sich befinden, dichter, so dafs sie wahrscheinlich schon von Anfang an dichtere Scheiden für diese Körnchen bildet und die- selben nach bestimmten Gesetzen zusammenhält. Dieses schliefse ich wenigstens daraus, dafs man an den ersten Wirbelanlagen des Hühnchens schon sti'ahlenförmige Scheiden deutlich, wie ich an einem anderen Orte darstellen werde, findet. Indem nun dieser 630 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. dichtere Stoff in Knorpelmasse, den unmittelbaren Urstoff des Knochens übergeht, werden seine Körnchen rnndlicher, distincter und zum Theil gröfser. Nun intercurrirt die Höhlenbildung, be- vor die Verknöcherung eintritt. Diese geschieht nach dem bald auseinanderzusetzenden Princip der Isolirung und Verbindung ; der Act der Ossification ereignet sich aber auf folgende Art. Ein Theil der im Knorpel enthaltenen Körnchen wird aufgelöst, ein Theil dagegen bleibt zur weiteren Metamorphose zurück. Wenn in den Körnchen des Knorpels eine gewisse Regularität der Stel- lung, welche diesen sogleich kenntlich macht, nicht unberück- sichtigt bleiben konnte, die Masse dagegen mehr gleichartig war, wenn diese schon in sich durch die Höhlenbildung bestimmte Gegensätze zeigt, so giebt sich die Sicherheit und Besti'umtheit ihrer Form durch die nun eintretende Scheidenbildung deutlich zu erkennen. In den netzförmigen Knochenstücken sind diese Scheiden netzförmig mit einander verbunden; in den sogenannten faserigen Knochenantheilen dagegen liegen sie, wie parallele Cy- lindcr neben einander. Jeder dieser Cylinder umfafst eine, häu- figer zwei parallele Reihen von Körneben, welche von einander eben so weit entfernt zu seyn scheinen, als von der äufseren Oberfläche. Die Masse dieser Scheiden ist selbst schon dichter, als die des noch nicht so gesonderten Knorpels. Sie wird nun immer härter und weifser, bis sie in wahre Knochensubstanz übergeht. Dieses geschieht aber nicht nur durch das blofse Hin- zukommen des phosphorsaueren oder kohlensaueren Kalkes, son- dern durch eine vollkommene innere Umgestaltung des StofTes selbst. Die zurückbleibenden Körnchen verändern Form, Gröfse und Gestalt, um zu wahren Kuochenkörperchen zu werden. Die dichtere verbindende Masse des Knochens selbst theilt sich nach dem Gesetze der secundären Zerfällung (s. unten) in die feinsten Lamellen und Fasern des Knochens. Der Urstoff der willkührlichen Muskeln ist eine zähe Gallerte, welche ihrer Consistenz nach zwischen der Flüssigkeit des Hirnes und Rückenmarkes und der ersten Ausbildung des Knorpels das Mittel hält. Die Gallerte, welche die einzelnen Körnchen ver- bindet, gewinnt nicht sowohl an Umfang, als an Dichtigkeit der Masse und giebt daher dem Stoffe überhaupt ein etwas veränder- tes Aeufsere. Die Körnchen sind anfangs in keinen so bestimm- ten Distanzen geordnet, als in der sich entwickelnden Knorpel- Vril. Entstehung der Organtheile und Gewebe. 631 und Knochenmasse. Ehe sie sich aber verflüssigen, nehmen sie eine bestimmte lineare Richtung an. Ihre Verflüssigung fällt mit der Faserbildung zusammen, und es ist daher möglich, iu den er- sten Fasern an den meisten Stellen die halb verflüssigten Körn- chen vrahrzunehmen. Die Fasern entstehen nach dem Princip der Isolirung und theilen sich nach dem Princip der Zerfällung in einzelne Muskelfäden. Bei den Sehnen habe ich den Vorberei- tungszustand noch nicht mit der nothwendigen Bestimmtheit wahrnehmen können. Der übrige Hergang dagegen ist derselbe, wie in den Muskeln. Die Scheiden stehen den übrigen faserigen Häuten, so wie die Bänder, durchaus gleich. 4. Die äufserste Begrenzung des Körpers wird durch die membranartige Constitution charakterisirt. Die Kügelchen sind nämlich in dieser Abtheilung von Bildungen in reichlichem Maafse enthalten, die verbindende Masse dagegen ist durchsichtig und anfangs ohne deutliche, weitere Structur. Ihre Consistenz ist aber von gröfserer Dichtigkeit, wenn ihre Dicke auch verhältnifs- mäfsig sehr gering, so dafs eine membranförmige Bildung eben dadurch entsteht. Zuerst beschränkt sich diese nur auf ein dün- nes oberflächliches Blatt, welches unmittelbar in den darunter liegenden Urstoff der Muskeln und Knochen übergeht. Späterhin wird sie dichter und ändert sich dahin ab, dafs sie, je weiter von der Oberfläche entfernt, um so reicher an Körnchengehalt wird. Zuletzt entstehen die Fasern der Lederhaut auf die Art, welche wir bald die Faserbildung der zweiten untergeordneten Klasse nennen werden. Ihre Organtheile stehen aber mit ihrem Gewebe in einem minder innigen Zusammenhange. Die Drüsen und wahrscheinlich auch die Spiralfäden bilden sich von aufsen in sie hinein, die Haare dagegen aus ihr heraus. 5. Die Gefäfse und das Blut sind, wie wir oben gesehen haben, dadurch entstanden, dafs die Urmasse sich in äufseres Fe- stes und inneres Flüssiges schied. Dieses zerfällt aber wiederum in Blutflüssigkeit und Blutkörperchen. Diese constituiren gleich- sam die Bildungskörperchen des Blutes und es wäre interessant, zu wissen, ob nicht ein Theil derselben durch unmittelbare Ver- wandlung der Körperchen ihres ürstoffes entstehe. Nach unseren Beobachtungen dürfte dieses schwer möglich seyn. Die Entschei- dung eines so äufserst difficilen Punktes mufs aber nicht, wie es viele gethan haben (s, oben Gefäfsblatt ) , auf eine leichtfertige 632 Fragmente z. Gesetzlehre der indlvidueilen Entwickelung. und daher in keiner Rücksicht wahre und genügende Weise vor- genommen werden. — Die Häute der Gefäfse bestehen aus einem dichten durchsichtigen Stoffe, welcher viele Körnchen enthält; die Fasern in denselben bilden sich auf die bald anzugebende se- cundäre Weise. 6. Seiner Bedeutung nach ist das Herz ein grofses Central- gcfäfs. In seinen morphologischen Verhältnissen giebt sich dieses durch die individuellg Entwickelung sowohl, als durch die der Thierwelt deutlich zu erkennen. Noch sichtlicher ist dieses in seiner Histiologie und Histiogenie. Die innere Haut derselben ent- spricht der inneren Haut der Gefäfse, dafs aber seine sogenannte Muskulatur mit der Faserhaut der Gefäfse genetisch zusammen- hänge, und diese auf einer höheren wiewohl verschiedenen Stufe der Ausbildung sey, werden wir bald durch ihre Entstehung bei Ge- legenheit der Fasergewebe überhaupt darzuthun Gelegenheit haben. 7. Der ürstoff des Darmrohres ist anfangs eine gleichmäfsige Masse mit vielen in ihr enthaltenen Körnchen. Sie sondert sich bald, wie die Rücken- und Bauchplatten, in drei Lagen, nämlich die Schleimhaut, die Muskelhaut und die seröse Haut. Die Schleim- haut zerfällt, wie die Hautschicht, iu eine oberflächliche, sich häutende und eine untere, relativ persistirende Lage. Das Ge- webe der Schleimhaut ist eine durchsichtige, zähe, verbindende Masse von membränöseni Charakter. Die in ihr enthaltenen Kü- gelclien sind von einer meist rundlichen Form und im Allgemei- nen gröfser, als in der äufseren Haut. Die Muskelschicht entsteht aus der verbindenden Masse, und eben so die seröse Haut durch netzförmige Faserung in dieser (s. unten). — 8. Der ürstoff der Speicheldrüsen ist eine sehr zähe Gallerte, welche zerstreute Körnchen in sich enthält. Durch diese Gal- lerte werden auch die Organtheile derselben, die Gänge, gebildet. Diese bilden sich dadurch, dafs die Masse an den Wandungen derselben sich verdichtet (ohne in gleichem Verhältnisse an Körn- chengehalt zu gewinnen), im Innern dagegen colliquescirt, zuletzt aber hohl wird. Die unten noch zu erwähnenden Fasern entste- hen, wie die der Arterienhäute. 9. Die Leber besteht zuerst aiis einem Stoffe, welche dem des Darmkanales am nächsten steht, d. h. aus einer zähen Masse, welche ziemlich viele Körnchen zerstreut enthält. Späterhin hat die Masse eelbst eine geringere Consistenz und eine noch VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe. 633 unverliältnifsiiiäfsig gröfsere Anzahl von Körnchen, welche auch kleiner als die früheren sind. Wahrscheinlich entstehen die Gal- lengefäfse auf dieselbe Weise, wie die Gänge in den Speicheldrü- sen, wie ich an einem anderen Orte specieller aus dem Hühnchen auseinandersetzen werde. 10. Die Milz besteht zuerst aus einer gelatinösen, äufserst körnerreichen Masse, einer Mittelform zwischen der der Lungen und der Leber. Als ich die ersten Fäden und Bläschen bei den Säugethieren in ihr erkannte, hatten diese schon ihre faserige Structur aufs deutlichste ausgebildet. Wahrscheinlich entstehen sie wie die äufscrste Lage der mittleren Arterienhaut. 11. Das Gefüge der Lungen ist bald das dichteste von allen drüsigten Eingeweiden, wäewohl die Körnchen der Zahl nach weniger gefunden werden, als in der Leber. Auch sind die Gänge durch die dichtere übrige Masse weniger scharf bei der Durch- sicht vermittelst reflectirten Lichtes marqiiirt und die ihre genaue Beobachtung vermittelnde Durchsichtigkeit geht bald durch Wein- geist verloren, während sie in den Speicheldrüsen z. B. sich noch lange erhält. Die späteren Bildungen unterscheiden sich nicht von den analogen histiologischen Gebilden, so wie die Ringe der Luftröhre und der Bronchien nicht von den übrigen Knorpeln, die .Faserhaut von der der Arterien u. dgl. m. 12. Die Nieren haben anfangs einen mäfsig körnerhaltigen Urstoff, welcher ungefähr dem der Milz am nächsten steht. Die Harnkanälchen enthalten späterhin sehr viele Körnciien und ihre Masse ist so dicht und mit der übrigen Masse der Nieren gleich- artig, dafs man sie bei durchfallendem Lichte nie genügend er- kennen und mit Deutlichkeit unterscheiden kann. Am Wenig- sten ist dieses bei solchen Früchten möglich, welche in Wein- geist aufbewahrt werden, wiewohl ich hier noch anfangs die Harn- kanäleben auf dunkelera Grunde mit Bestimmtheit wahrzunehmen vermochte. Wesentlich dasselbe gilt von den Eierstöcken und im Ganzen auch von den Hoden. 13. Die höheren Sinnesorgane bestehen aus einer die Wan- dung bildenden sehr körnerreichen Masse, welche im Wesentli- chen mit der des serösen Blattes überhaupt und der der Rücken- und Bauchplatten insbesondere übereinkommt. Innerhalb dieses Stoffes is't eine heile Flüssigkeit enthalten, in welcher sich kleine Körperchen beGudcn, welche aber wahrscheinlich erst durch die 634 Fragmente z. Gesctzlehre der individuellen Entwickelung. Manipulation der Untersuchung in sie gelangen und durch sie selbst veränderte Blutkörperchen sind. Späterhin sondern sich diese beiden Tlieile auf die mannigfaltigste und verschiedenste Weise. So entstehen aus der äufseren Wandung im Auge 1. die Sklerotika. Ihre Fasern stehen ihrer Genese nach den fibrösen Häuten parallel. 2, Die Choroidea. In ihr sind aufser den Ge- fäfsschichten die Kügelchenschicht und das Pigment von vorzüg- licher Wichtigkeit. Die erstere entsteht nach dem Princip der Isolirung aus einzelnen zei'streuten Körperchen oder Bläschen, um welche sich nach demselben Principe die Pigmentkörperchen an- legen. 3. Die Cornea besieht zuerst aus sehr vielen rundlichen Körnchen und einer festen durchsichtigen verbindenden Masse, welche später sich nach dem Gesetze der Verbindung in ein fa- seriges Gewebe umwandeln. A. Die Iris besteht aus einem kör- nerhaltigen Gewebe, innerhalb welchem sich nach dem Principe der Isolirung die Falten und Fasern bilden. 5. Die Linse be- steht zuerst aus einem sehr körnerhaltigen weichen und durch- sichtigen Stoffe, in welchem sich nach dem Principe der unmittelba- ren Verbindung die Fasern von innen nach aufsen bilden, üeber die übrigen Theile des Auges und des Gehör- und Geruchsorganes sind in dieser Rücksicht meine Beobachtungen noch nicht vollständig ge- nug, als dafs ich sie hier specieller durchzugehen wagen dürfte. 14. Wenn an allen Stellen des Körpers sich die bestimmten Organe, Organtheile und Gewebe hervorgebildet haben, so bleibt zwischen den einzelnen Abtheilungen derselben eine Masse übrig, welche man bei dem Erwachsenen mit dem Namen des Schleim- gewebes, des Zellgewebes, des ßildungsgewebes u. dgl. mehr be- zeichnet hat. Sein allgemeiner Charakter ist der, vermöge seiner Zähigkeit die einzelnen Theile des Körpers zusammenzuleimen, sie sowohl, als die in sie gehenden Gefäfse, Nerven u. dgl. in ihrer bestimmten und nothweudigen Verbindung zu erhalten. Als solches erscheint es in drei verschiedenen Hauptformen, welche einander keinesweges nothwendig ausschliefsen. a. Es umhüllt kleinere oder gröfsere Theile membranartig, und erscheint daher als eine hautförmige Ausbreitung von einer mehr oder minder dichten Consistenz. b. Es zieht sich als Verbindungsglied in Fäden entweder schon als Zellgewebe oder verwandelt sich in solche nach jeder selbst nicht sehr eingreifenden Behandlung. VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe. 635 c. Es bildet eine mehr unbestimmte Masse, welche aus einem mehr oder minder zähen und durchsichtigen Stoffe und einer grö- fseren oder geringeren Anzahl von diesem eingeschlossener Körn- chen besteht. Mit der letzteren Form kommt die Masse der Keimhaut und ihrer secundären ürstoffe noch am Meisten überein, wiewohl Körn- chen sowohl, als verbindende Masse wesentlich differiren. Die Körnchen sind der Zahl nach geringer und im Allgemeinen klei- ner, als in der Keimhaut; die verbindende Masse ist zäher, feiner und durchsichtiger. Durch künstliche Behandlung werden die Fä- den erst dann erzeugt werden können, wenn die verbundenen Organe schon einen hohen Grad von Selbstständigkeit haben und ihre Organtheile in. weiterer Ausbildung vorgeschritten sind. So fein auch die Nuancen der einzelnen ürstoffe und ihrer Metamorphosen zu seyn scheinen, so bestimmt lassen sie sich doch in der Beobachtung verfolgen und unterscheiden. Ja Beschreibung und Abbildung müssen hier am Wenigsten genügen können, da sie nie die feinen Unterschiede und das Charakteristische der Massen mit der erfoderlichen Bestimmtheit und Genauigkeit aus- zudrücken vermögen. Ehe wir nun in dem Versuche, die Gesetze der Histiogenie zu entwickeln, fortfahren, müssen wir einige Begriffe näher in das Auge fassen. Man hat nämlich in den bisherigen sogenann- ten Systemen der Histiologie die verschiedensten morphologi- schen, physiologischen, chemischen Elemente u. dgl. zusammenge- worfen und aus diesem Coraplexe höchst verschiedenartiger Theile gewisse Gruppen gemacht, welche nicht minder unnatürlich, als verfehlt zu nennen sind. Auch hat man den Begriff der Gewebe selbst viel zu wenig fixirf. So spricht man von dem Gewebe der Drüsen und begreift hierunter das Verhältnifs der Drüsengänge zu den übrigen Theilen der Drüse; bald darauf dagegen spricht man inconsequent genug wiederum von einem Gewebe dieser Drüsengänge. Ein solcher Mangel an Distinctionen kann nur Verwirrung erzeugen, und hat sie auch schon in hinreichendem Grade erzeugt. — Jede Geweblehre ist eine morphologische Wis- senschaft, und eben so wenig als man zur Eintheilung der Or- gane chemische Merkmahle u. dgl. zu Hülfe nimmt, eben so we- nig kann und darf dieses in einer Histiographie geschehen. Für die Geweblehre müssen wir den Begriff festhalten, dafs sie nur 636 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. von den ohne künstliche Behandlung wahrzunehmenden einfachen Theilen als eine morphologische Wissenschaft (im allgemeinen Sinne des Wortes) handele. Hierdurch ist jede wieder aus Ge- weben zusammengesetzte höhere Abtheilung eines Organes von ihr ausgeschlossen. Wir wollen aber diese ersteren zwischen dem Ganzen des Organes und seinen Geweben in der Mitte ste- henden Dinge Organtheile nennen. Jedes Organ hat noth wendiger Weise Organtheile, welche nur dann mit dem Gewebe zusammenfallen, wenn sie einfach und gleichartig durch und durch, wie z. B. in den Haaren, oder nur durch andere, auch dem übrigen Systeme überhaupt eigene Or- gantheile, wie Blutgefäfse, Nerven u. dgl. durchzogen, wie in den Muskeln, Sehnen u. dgl., oder einem oder mehreren Nachbarthei- len gemeinschaftlich sind, z. B. in der Oberhaut, welche die auch die Lederhaut durchdringenden Haare, Hautdrüsen, Spiralfäden u. dgl. hat. Je differenter aber die Organtheile eines Organes sind, um so differenter sind auch im Allgemeinen die Gewebe dersel- ben unter einander. Die Organtheile selbst zerfallen aber 1. In allgemeine, d. h. solche, welche sich in derselben Qua- lität in den meisten Organen des Körpers finden, z. B. die Ge- fäfse, die Nerven u. dgl. 2. In charakteristische, d. h. in solche, welche noth wendig sich finden müssen, sobald das Organ diesen oder jenen bestimm- ten Charakter hat. So mufs sich in dem drüsigen Organe ein Complex von Organtheilen finden, welche die Stoffe aussondern, die Drüsengänge. 3. In besondere, d. h. solche, welche einem einzelnen oder einigen wenigen eigenthümlich sind, wie die Spiralfäden der Ober- haut und Lederhaut, die eigenen Höhlungen der Knochen und Knorpel u, dgl. ra. Die Schemen, nach welchen die Organe in ihre besondere Organtheile zerfallen, lassen sich aber in folgende Rubriken bringen: 1. Sie zerfallen nach der Dimension der Linie in Bündel, so z. B. die Muskeln, die Sehnen. 2. Sic zerfallen nach der Dimension der Fläche in Membra- nen, welche einander circulär einschliefsen, z. B. in dem Darme. 3. Das Verhältnifs der Organtheile zu den Organen ist wie das eines Contentum zu einem Continens überhaupt, und zwar sind die einzelnen Organtheile selbst VIII. Entstehung der Organthelle und Gewebe. 637 a. Nur contiguirlich oder nur zum Theil continuirlich mit einander verbunden, wie im Gehirn, b. Allseitig continuirlich, d. h. netzförmig mit einander ver- bunden, wie die ßlutgefäfse. c. Einseitig continuirlich, d. h. so mit einander verbunden, dafs ein Hauptstamni derselben sich in sehr viele und immer klei- nere Aeste, welche zuletzt blind endigen, verästelt, wie in den drüsigten Organen. Im Allgemeinen ist No. 3. a. den besonderen, No. 3. b. den allgemeinen und No. 3. c. den charakteristischen Organtheilen ei- genthümlich. Jeder Organtheil hat sein bestimmtes Gewebe. Gleichartige Organtheile haben im Allgemeinen auch gleichartige Gewebe, im- mer wenigstens gleiche Urtypen der Gewebe. Alle Gewebe des Körpers lassen sich unter folgende Rubri- ken unterordnen. 1. Die beiden Momente aller Gewebbildung überhaupt, ein relativ Festes als Körnchen und ein relativ Flüssiges als verbin- dende Masse, sind gescliioden neben einander, und zwar a. Das Flüssige constituirt die Hauptmasse und die festen Theile, die Körnchen nehmen nur eine sehr untergeordnete Stel- lung an. Die Masse bleibt daher auch noch in flüssiger Form, wenn sie aus dem Körper entfernt ist. Excretionsstoffe wie Spei- chel, Urin u. dgl. b. Das Flüssige constituirt die Hauptmasse. Es findet sich in ihm zwar ein relativ Festes, allein gröfsere Unterschiede der Coliä- sion geben sich besonders bald nach Entfernung aus dem Körper durch Gerinnung zu erkennen. Blut, Lymphe. Milch u. dgl. c. Flüssiges und Festes sind geschieden. Allein schon selbst das erstere erscheint nicht unter der Form eines reinen Flüssigen, sondern eines Halbflüssigen, Gelatinösen, Zähen. In einfacher Ge- stalt ist diese Form in dem Gewebe aller'Urstoffe und der Keim- haut selbst enthalten. In modificirtcn Formen findet sie sich in der grauen Substanz des Gehirnes, dem Parenchym der Drü- sen u. dgl. 2. Die ursprüngliche Scheidung der Masse in relativ Festes und Flüssiges schreitet zu höheren Bildungen fort, welche durch folgende Momente bedingt werden: a. Die ursprüngliche Form des Urstoffes ändert sich dahin 638 Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. um, dafs sie halbfliissig bleibt und als solche die Neigung zur Fa- serbildung annimmt, wie in der weifsen Substanz des Hirnes und Rückenmarkes. b. Der ursprüngliche Stoff verwandelt sich entweder ganz , in dichte feste Gebilde, in welchen keine Körperchen enthalten sind, und zwar a. In faseriger Gestalt. Wilikührliche Muskeln, Sehnen. ß. In membranförmiger Gestalt. Linsenkapsel. Oder c. Der ursprüngliche Stoff verwandelt sich in eine neue mehr oder minder dichte Masse, in welcher wiederum ein Gegensatz von verbindender Masse und Körnchen auftritt, und zwar a. Die Körnchen sind in der verbindenden Masse, welche die membranöse Form angenommen, zerstreut. Schleimhäute. ß. Die membranöse Form besteht aus einem Gewebe von Fa- sern, welche selbst eine körnige Structur besitzen. aa. Die Fasern sind neben einander parallel gelagert. Un- willkührliche Muskeln des Darmes, contractile Fasern der Iris, des Uterus, des Penis mancher Thiere u. dgl. ßß. Die Fasern laufen strahlenförmig auseinander und beste- hen aus mehr oder minder deutlich mit einander verschmolzenen Körperchen. Crystalllinse. >. \ f *v' J m ■ • ' >:.■■' \^ ^,: ,s^ ^^^ f ^ k ^ ',%#^ ^;,3 '^i ^'< -^ 1 < >"^^^ /::«