ee wien ? on. KORLTNEPEOBEE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY DRUEN y Ha Hi \ HANDBUCH MORPHOLOGIE DER WIRBELLOSEN TIERE BEARBEITET VON Dr. CARL BÖRNER, St. Julien bei Metz; Prof. E. BUGNION, Blonay s. Vevey; Dr. MARIE DAIBER, Zürich; Prof. W. GIESBRECHT, Neapel; Prof. VALENTIN HAECKER, Halle a.S., Prof. KARL HESCHELER, Zürich; Prof. ARNOLD LANG, Zürich ; Prof. M. LÜHE, Königsberg; Prof. O. MAAS, München; Dr. S. TSCHULOK, Zürich und Dr. J. WILHELMI, Berlin-Steglitz \ HERAUSGEGEBEN VON ARNOLD LANG ZÜRICH ZWEITE BEZW. DRITTE AUFLAGE VON ARNOLD LANG’S LEHRBUCH DER VERGLEICHENDEN ANATOMIE DER WIRBELLOSEN TIERE ERSTER BAND. PROTOZOA Erste Lieferung Mit 156 Abbildungen im Text Inhalt: Protozoa (Urtiere). Von Prof. Max Lühe, Königsberg i. Pr. (S. 1—160; Abbild. 1—156) JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1913 ei Sn ae Hab, Ex 'inde in feet Weise verteilen. rbeitet. von Prof. Max Lühe in Kön von Dr. $. Tschulok N üri "Prof. var 2.2. 15. Prof, rnold Lang in Zürich. ten. beitet von Prof. OEM iR. in München. ‚Bearbeitet von Dr. J. Wilhelmi in Sr Percbaitet vi Prof.K.Hescheler a Prof. W. Giesbrecht in Nea ie Daiber in Zürich, r. "Carl t von Prof. K. Hescheler in Zürich. nd EEE a von Prof. Prof. K. Hese eler in Zürich, ch HE ! Mit At, Abbildungen a "Tork nalen im Text. dungen im Text. Eu u al Abbild. im de 13931 OCT 16 192 Erstes Unterreich der Tiere. Einziger Kreis und Stamm: Protozoa. Urtiere. Einzellige. Von Prof. Max Lühe, Königsberg i. Pr. Mit zahlreichen Figuren im Text. A. Einleitung. 1. Die Zelle. Der Ausgangspunkt alles organischen Lebens und aller organi- schen Formbildung ist die Zelle. Die einfachsten Organismen, Tiere sowohl (Protozoa) wie Pflanzen (Protophyta) sind selbständig und unabhängig lebende einzelne Zellen. Auch bei jeder höheren Tier- oder Pflanzenart kehrt mit jeder neuen Generation oder doch wenigstens nach Ablauf einer gewissen Zahl von Generationen ein einzelliges Stadium wieder. Alle ausgebildeten höheren Organismen (Metazoen und Meta- phyten) sind dagegen aus einer größeren Zahl von Zellen zusammen- gesetzt, die durch wiederholte Fortpflanzung (Teilung) aus einer einzigen Zelle hervorgegangen sind. Charakteristisch für diese den mehr- bis vielzelligen Organismus aufbauenden Zellen ist die weit- gehende Arbeitsteilung, die zwischen ihnen aufgetreten ist, und ihr damit zusammenhängender weitgehender Polymorphismus, der zur Entstehung der verschiedenen, von ungleichwertigen Zellen gebildeten Gewebe und Organe des Körpers führt. Trotzdem aber erscheinen diese Zellen noch verhältnismäßig einförmig bei einem Vergleich mıt den selbständig lebenden Zellen (Protozoen und Protophyten), die uns in einer geradezu verblüffenden Mannigefaltigkeit entgegen- treten und in Anpassung an das selbständige Leben morphologische und physiologische Komplikationen aufweisen, die den unselbständigen Metazoen- und Metaphytenzellen unerreichbar sind. Im folgenden wollen wir die selbständig lebenden tieri- schen Zellen, die Protozoen oder Urtiere, untersuchen, die, obwohl vollständige und selbständige Organismen und als solche den Metazoen vergleichbar, doch im Gegensatz zu diesen zeitlebens auf dem Stadium der Einzelligkeit stehen bleiben. Zur vorläufigen Orien- tierung aber müssen wir zunächst erfahren, was man heute unter einer Zelle versteht. Die Zelle, deren Name noch aus jener Zeit stammt, in der man die bei manchen Zellen, namentlich bei den meisten Pflanzenzellen vorkommende und sie einschließende Membran als das Wesentliche betrachtete, ohne deren Inhalt zu beachten, ist nach heutiger Auf- Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 1 2 Protozoa. Max Lünz, fassung ein (von seinen Nachbarn nicht immer deutlich abgegrenztes) Klümpchen Protoplasma, das in seinem Inneren einen besonders geformten Bestandteil, den Kern (Nucleus), enthält. 1. Das Protoplasma ist eine aus einem komplizierten Stoft- gemenge bestehende schleimig-zähflüssige Masse und als solche den Kapillaritätsgesetzen unterworfen. Von diesen Gesetzen sind für die Lebensvorgänge (speziell auch der Protozoen) von Wichtigkeit: 1) die Erscheinungen der Oberflächenspannung, welche die Flüssig- keiten gewissermaßen zusammenzieht, so daß deren Oberflächen Minimalflächen sind. und 2) der Satz von der Konstanz der Randwinkel, den die Flüssigkeitsoberfläche mit einer festen Körper- fläche bildet. Die feinste Organisation des Protoplasmas ist sicher wesentlich komplizierter, als unsere technischen Hilfsmittel zu erkennen gestatten. Die optisch nachweisbaren Strukturen sind in verschiedener Weise gedeutet worden, doch gewinnt BürTscHLıs Auffassung, daß das Plasma “eine feinwabige oder schaumige Struktur besitze, immer mehr Anhänger. Durch sie wird auch der gleichzeitige, räum- lich getrennte Verlauf verschiedenartiger chemischer Vorgänge im Plasma verständlich, der für das Zustandekommen der Lebensvorgänge eine unentbehrliche Vorbedingung ist. Die wichtigsten Träger des Lebens im Plasma sind Eiweiß- substanzen (Proteine), die außer Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff vor allem noch Stickstoff und Schwefel enthalten. Neben ihnen scheinen vor allem noch die sog. Lipoide eine wichtige Rolle zu spielen, d. h. Zellbestandteile, die nach Art von Fetten durch Aether und ähnliche Lösungsmittel (Alkohol, Chloroform, Benzol, Aceton usw.) extrahiert werden können, auch in Saponin, Galle, cholalsaurem und taurocholsaurem Natrium u. dgl. löslich sind ; chemisch sind sie außerordentlich verschiedenartig (zum Teil enthalten sie Stick- stoff und Phosphor, wie z. B. das Leeithin, zum Teil zwar Stickstoft, aber keinen Phosphor, wie z. B. die Gerebroside, die nicht nur im Gehirn, sondern auch in vielen anderen Zellen vorkommen, zum Teil endlich gleich den Fetten und Fettsäuren keines dieser beiden Elemente, wie z. B. das weitverbreitete Cholesterin); intravital aber scheinen sie trotzdem eine physiologisch-einheitliche Funktion zu haben, indem sie durch ihre Anwesenheit die Lösungsbedingungen für Stoffe, die sonst in Wasser schwer löslich sind, erhöhen (auf ihnen beruht z. B. die Möglichkeit der Narkotisierung) und PROWAZER (1908 und 1910) führt die Wabenstruktur des Plasmas darauf zurück, „daß in letzter Linie das Protoplasma eine Emulsion von Lipoiden und verschiedenen Eiweißstoffen darstellte Durch diese Wabenstrukturen, die eine innere Öberflächenentwickelung mit Flächenenergien anbahnen, so- wie durch den von der Art abhängigen Lipoidgehalt des Protoplasmas wird in der Zelle selbst eine spezifische, innere Struktur- spannung erzeugt, und die untypischen Lipoide stehen in diesem Sinne im Dienste der Morphe — sie sind gleichsam die Träger der Morphe des ersten Grades.“ Das Protoplasma ist sehr wasserreich und enthält verschiedene Salze. Außer kleineren oder größeren flüssigkeitserfüllten Vakuolen finden sich in ihm stets auch noch andere Produkte seiner Lebens- A. Einleitung. 1. Die Zelle. 5) tätigkeit (des Stoffwechsels), wie Zucker, Dextrin, Glykogen, Para- glykogen, Fette, Milchsäure, Harnstoffe u. a. 2. Der in der Einzahl, mitunter aber auch in der Mehrzahl in dem Plasma der Zelle liegende Kern ist meist kugelig oder oval, oft genug aber auch ganz anders gestaltet (strangförmig, verästelt usw.). Man unterscheidet an ihm 1) die Kernmembran (mitunter fehlend), 2) das Kerngerüst (Linin). 3) das Chromatin, 4) Plastinsubstanzen und 5) den Kernsaft. Die Chromatine, welche sich mit gewissen basischen Farb- stoffen (z. B. Alaunkarmin, Hämalaun) elektiv färben, sind „Nucleo- proteide“, Eiweißkörper, deren starksaure Reaktion auf dem Gehalt an Phosphorsäure beruht. Sie finden sich im Kern in verschiedener An- ordnung, als Fäden, als kleinere oder größere Körnchen, in Form eines Gerüstes oder auch vereinigt in einem einzigen größeren, fast homogen erscheinenden Körperchen. Das Linin, das im Gegensatz zum Chromatin eine besondere Affinität zu den sauren, das Protoplasma färbenden Farbstoffen besitzt, durchsetzt den Innenraum des Kernes in Form eines schwammigen Wabenwerkes, dessen Lücken von einer homogenen klaren Flüssigkeit, dem Kernsaft, erfüllt sind. während Chromatin und Plastin vorzugs- weise in die Wände der Lininwaben eingelagert sind. Reichlicher Kernsaft bedingt einen bläschenförmigen, spärlicher Kernsaft einen kompakten Bau des Kernes, der dann auch außerordentlich klein kann (extremes Beispiel hierfür: Kopf der meisten Sperma- tozoen). Das Plastin ist ein (ebenfalls acidophiler) Eiweißkörper, der vornehmlich in Form größerer, in Ein- oder Mehrzahl vorhandener Kügelchen (Kernkörperchen oder Nukleolen) auftritt. Nicht selten findet es sich mit dem Öhromatin zu einem verhältnismäßig großen einheitlichen Innenkörper im Kern vereinigt (z. B. Karyosom vieler Protozoen). 3. Außer dem Kern findet sich in vielen Zellen noch ein weiteres spezifisches lebenswichtiges Körperchen, das GCentrosoma, welches namentlich bei der Zellteilung eine überaus wichtige Rolle spielt. Es scheint in den Zellen der Metazoen allgemein vorzukommen, in den Zellen der Metaphyten dagegen ebenso allgemein zu fehlen. Inner- halb der Protisten lassen sich verschiedene Differenzierungsgrade eines anscheinend dem Centrosom der Metazoen entsprechenden Ge- bildes erkennen, die in dem Abschnitt über den Kernapparat der Protozoen zu erwähnen sein werden. Die Zellmembran, welche das Protoplasma auf seiner Ober- fläche abscheiden oder in die sich die oberflächlichste Plasmaschicht verwandeln kann, ist eine Stütz- und Schutzvorrichtung, die sehr häufig fehlt und nicht als wesentlicher Bestandteil der Zelle an- gesprochen werden darf, obwohl sie ihr ihren Namen eingetragen hat. Das Leben der Zelle äußert sich zunächst in: 1. Stoffwechsel und formativer Tätigkeit. a) Jede lebende Zelle hat die fundamentale Tätigkeit der Assi- milation, d. h. sie vermag fremde gelöste Substanzen (Nährstoffe) von bestimmter chemischer Zusammensetzung in neue, mit der eigenen übereinstimmende Substanz umzuwandeln, die dann selbst wieder assimilieren kann. Die tierische Zelle vermag im Gegensatz zur 1* 4 Protozoa. Max Lüne, pflanzlichen nur bereits vorgebildete organische Substanzen zu assi- milieren, und eine Neubildung eigener Proteinsubstanz kann ohne Zufuhr stickstoffhaltiger organischer Nahrung (Proteinsubstanz) nicht stattfinden. Die Tiere sind also mit Bezug auf ihre Nahrung auf andere Tiere oder, in letzter Linie, auf die Pflanzen angewiesen. b) Durch die Verdauung werden geeignete feste Fremdkörper (Nahrung) für die Assimilation vorbereitet, indem sie durch chemische Stoffe (Fermente), die alle einzelligen Wesen sowie gewisse Ge- webszellen der höheren Tiere absondern, in eine flüssige Form über- geführt werden. Nur flüssige Nährstoffe können assimiliert werden. c) Durch Sekretion können außer diesen Fermenten von dem Plasma der Zelle auch noch andere bei ihrem Stoffwechsel erzeugte Stoffe abgeschieden werden, aus denen die Zelle besondere Teile bildet, die, ohne selbst aktiv an den Lebenserscheinungen teilzu- nehmen, doch noch eine wichtige physiologische Bedeutung haben, wie z. B. die Hüllen und Schalen vieler Protozoen. d) Durch Exkretion entledigt sich die Zelle derjenigen während ihrer Lebenstätigkeit entstandenen Stoffe (Stoffwechselprodukte), die für sie unnütz oder gar schädlich sind (z. B. Harnstoff). e) Bei der Atmung nimmt die Zelle aus dem umgebenden Medium Sauerstoff auf, dessen sie bedarf, um Proteine und andere im Plasma gebildete Stoffe (Kohlehydrate, Fette) zu oxydieren. Die dabei freiwerdende lebendige Kraft wird in Bewegung oder Wärme umgesetzt. Die bei der Oxydation gebildete Kohlensäure wird wieder ausgeatmet. Der dauernde Zerfall von Körpersubstanz durch Oxy- dation bedingt die Notwendigkeit der Zufuhr neuer Substanz (Er- nährung) für die Aufrechterhaltung des Lebens. 2. Bewegungserscheinungen. Im einfachsten Falle äußern sie sich in einer gegenseitigen Verschiebung der Plasmapartikelchen. ‚Eine solche kann stattfinden, ohne daß dabei die Zelle ihre äußere Gestalt ändert. Sie kann aber auch eine mehr oder weniger weit- gehende Veränderung der Zellform herbeiführen. Wenn bei Amöben oder amöboid beweglichen Zellen ein Teil des Plasmas nach einer Richtung gegen die Oberfläche strömt, bildet sich an dieser Stelle ein sich verlängernder Plasmafortsatz, während an einer anderen Stelle durch Zurückströmen von Plasma ein amöboider Fortsatz ein- gezogen werden kann. Dadurch kommt auch Ortsbewegung zustande. 3. Reizbarkeit. Auf äußere Reize irgendwelcher Art (ther- mische, elektrische, optische, akustische, mechanische, chemische Reize) reagiert die Zelle in bestimmter Weise (z. B. durch bestimmte Bewegungen, durch bestimmte Veränderungen im Stoffwechsel u. dgl.). 4. Wachstum. Wird bei der Assimilation mehr lebende Sub- stanz gebildet, als beim Stoffwechsel eingebüßt wird, so wächst die Zelle. Diesem Wachstum sind jedoch normalerweise gewisse Grenzen gesetzt, die zwar je nach der Tier- bzw. Pflanzenart und je nach dem Charakter der Zelle sehr verschieden sind, die aber nicht über- schritten werden können, ohne daß degenerative Veränderungen ein- treten. 5. Fortpflanzung. Die Zelle hat die Fähigkeit, sich nach abgeschlossenem Wachstum zu teilen, wobei auch eine Teilung aller ihrer lebenswichtigen Organe (also außer dem Plasma speziell Kern und Centrosoma) erfolgt. Häufig wird diese Vermehrung der Zellen A. Einleitung. 1. Die Zelle. 5 durch Teilung als ein Wachstum über das individuelle Maß hinaus betrachtet. Man unterscheidet verschiedene Arten der Teilung je nach dem Verhalten des Kernes. Die beiden bei Metazoen zu beobachtenden Extreme, zwischen denen speziell bei den Protozoen mannigfache Uebergänge vorkommen, sind die direkte Kernteilung (Kernzer- schnürung, Amitose) und die indirekte Kernteilung (Kernsegmentierung, Mitose, Karyokinese). # Teilung der Zelle mit direkter Kernteilung. Der Kern erfährt bei der Teilung keine Veränderung seiner Struktur, er bekommt einfach, sogar ohne daß seine Membran auf- gelöst wird, eine sich‘ allmählich vertiefende Einschnürung an der Stelle der künftigen Teilungsebene, die ihn hantel- oder sanduhr- förmig erscheinen läßt. Schließlich reißt die letzte Verbindungsbrücke zwischen beiden Hälften. Der Kernteilung folgt alsbald die Zell- teilung, indem auch auf der Oberfläche des Zellkörpers eine allmäh- lich immer tiefer einschneidende Ringfurche auftritt, die schließlich zu einer völligen Durchtrennung der Zelle in zwei Hälften, die beiden Tochterzellen, führt. Jede der beiden Tochterzellen erhält hierbei auch einen der vorher gebildeten Tochterkerne. Die direkte Kernteilung ist wesentlich seltener als die mitotische (am leichtesten bei den Lymphzellen des Frosches zu beobachten). Auch bei Protozoen ist sie in reiner Form selten (sichergestellt z. B. . für das Radiolar Aulacantha). Teilung der Metazoenzelle mit Mitose des Kernes. 1. Prophase (Vorbereitung des Kernes zur Teilung). Das Chromatin des Kernes erfährt eine Umlagerung, wobei es häufig sich zu einem langen, knäuelförmig gewundenen Faden gruppiert, der anfangs, entsprechend seiner Entstehung durch Zusammentritt zahl- reicher kleiner Körnchen, noch rauh erscheint (Fig. 1 B), sich aber bald glättet und hierbei gleichzeitig etwas verkürzt und verdickt (U), Seine Färbbarkeit nimmt zu. Das oder die Kernkörperchen werden kleiner und verschwinden schließlich. Der Uhromatinfaden zerfällt dann in eine bestimmte Anzahl gleich langer Stücke, die Kern- segmente oder Chromosomen, deren Zahl bei verschiedenen Tierarten verschieden, für die Zellen ein und derselben Tierart da- gegen konstant ist. Während dieser Veränderungen am Kern hat sich das dem Kern benachbarte Centrosom geteilt und ist um das Centrosom herum eine charakteristische radiäre Strahlung im Plasma deutlich geworden, die, anfangs noch einheitlich (3), mit dem Auseinanderrücken der beiden Tochterchromosomen in eine von diesen beiden als Zentren aus- gehende Doppelstrahlung übergeht. Der zwischen den beiden Üentro- somen gelegene Teil dieser Strahlung, der mit der Zeit immer deutlicher hervortritt, besteht aus achromatischen Fäden, die zusammen die Figur einer Spindeil bilden ((©). 2. Metaphase (Bildung der Aequatorialplatte). Im Anschluß an die geschilderten Veränderungen erfolgt die Auflösung der Kern- membran (C, D) und von diesem Zeitpunkt an rechnen wir den Beginn der 2. Phase der Kernteilung. Die ÜCentrosomen weichen 6 Protozoa. Max Liünu, immer mehr auseinander unter entsprechender Vergrößerung der Spindel,. deren Pole sie einnehmen (daher auch Polkörperchen ge- nannt), bis schließlich die Achse der Spindel mit der größten Achse der ganzen Zelle zusammenfällt (E—G). Gleichzeitig verändern auch die Chromosomen ihre Lage; sie nehmen die Form regelmäßiger U-förmiger Schleifen an und ordnen sich in der Aequatorialebene der Spindel in einem regelmäßigen Kreise um die Spindelachse (Aequatorialplatte). Hierbei sind die Winkel der Schleifen gegen Fig. 1. Schema der Zellteilung mit mitotischer Kernteilung. A Ruhende Zelle: 1 Protoplasma, 2 Centrosom, 3 Kernkörperchen (Nucleolus), 4 bläschenförmiger Kern mit den Chromatinkörnehen im Liningerüst. B—C Prophase.. D-—-E Metaphase. F—-G Anaphase. H Aequatorialplatte in Polansicht (optischer Querschnitt). I Telophase. Originalabbildung von LANG. das Zentrum, die beiden freien Enden gegen die Peripherie der Aequa- torialebene gerichtet (E und HZ). Inzwischen hat sich auch bereits jedes einzelne Chromosom der Länge nach gespalten, die beiden so entstandenen, einander gleichen Tochterchromosomen liegen aber noch durchweg dicht aneinander (#). 3. Anaphase (Bildung und Auseinanderrücken der Tochter- platten). Die beiden Tochterchromosomen jedes Paares rücken unter dem richtenden Einfluß der Spindelfasern nach den Polen der Spindel zu auseinander, und zwar beginnt dieser Vorgang an den Winkeln A. Einleitung. 1. Die Zelle. 7 der Schleifen, um von diesen aus nach den freien Enden der beiden Schenkel zu fortzuschreiten (F)). Schließlich haben sich die beiden Gruppen von Tochterchromosomen (Tochterplatten) je einem Centro- som dicht genähert, wie wenn sie von ihm angezogen worden wären; beide bleiben aber durch achromatische Fäden, die nahezu parallel der Spindelachse verlaufen, miteinander in Zusammenhang (@). 4. Telophase (Rekonstruktion der Tochterkerne). Jede der beiden Tochterplatten macht nunmehr rückläufig ähnliche Verände- rungen durch, wie sie in der Mutterzelle von dem ruhenden Kern zur Bildung der Aequatorialplatte führten: die regelmäßige Anord- nung der Uhromatinschleifen wird aufgegeben, die Schleifen selbst werden unregelmäßig (J, linke Zelle), um die ganze Gruppe von Chromosomen herum bildet sich wieder eine Kernmembran und innerhalb dieser nimmt das Chromatin wieder die für den ruhenden Kern charakteristische Anordnung an; auch im übrigen wird die Struktur des ruhenden Kernes durch Neubildung von Kernkörperchen usw. wieder hergestellt (J, rechte Zelle). Gleichzeitig hat sich auch die ganze Zelle geteilt. An ihrer Oberfläche tritt eine äquatoriale Ringfurche auf (F), die immer tiefer einschneidet, bis schließlich der ganze Zellkörper in zwei Hälften, die beiden Tochterzellen, geteilt ist (J). Zu jeder dieser Tochterzellen gehört ein Gentrosom und eine der beiden Gruppen von Tochter- chromosomen. die in bereits geschilderter Weise wieder zu einem Kerne zusammentritt. Hat dieser sein Ruhestadium wieder erreicht, so ist der ganze Teilungsvorgang beendet. Während bei den Metazoen diese mitotische Kernteilung in prin- zipiell ähnlicher Weise allgemein verbreitet ist, kommt sie bei Protozoen in ganz typischer Form nicht vor. Wohl finden sich auch bei diesen Kernteilungsbilder, die zum Teil lebhaft an die Mitose der Metazoen erinnern, ohne ihr doch völlig zu entsprechen. Verhältnis- mäßig am meisten Aehnlichkeit mit der Metazoenmitose werden wir bei Radiolarien (Aulacantha) und Heliozoen (Acanthocystis) finden, im allgemeinen wiegen aber unter sich verschiedenartige Teilungs- formen vor, die mehr oder weniger deutliche Zwischenstufen zwischen der direkten und der indirekten Kernteilung der Metazoen darstellen (vgl. den Abschnitt über den Kernapparat der Protozoen). Verschiedene Teilungsformen des Zellkörpers. Betrachten wir nicht, wie bisher, den Kern, sondern den ganzen Zellkörper, so können wir nach dessen Verhalten unterscheiden: 1. Totale Teilung. Es findet eine völlige Durchteilung des Plasmakörpers statt. a) Aequale Teilung. Die beiden hierbei entstehenden Tochter- zellen sind gleich (Beispiele: Zweiteilung der Amöben, 1. und 2. Furchung der meisten Eier u. a.). b) Inäquale Teilung. Die beiden Tochterzellen sind un- gleich (verschieden organisiert und häufig auch etwas verschieden groß) (Beispiele: Zweiteilung der Wimperinfusorien, 3. Furchung des Froscheies u. a.). Sind hierbei auch die beiden Tochterkerne ungleich, so sprechen wir von heteropoler Kernteilung. c) Knospung. Die Verschiedenheit beider Tochterzellen, vor allem ihr Größenunterschied ist so groß, daß die eine nur wie ein 8 Protozoa. Max Lünur, kleines Anhängsel an der anderen erscheint (Beispiele: Knospung von Acanthocystis und Sauginfusorien, Bildung der Richtungskör-. perchen bei den Eiern). 2. Partielle Teilung. Die Durchtrennung des Plasmakörpers bleibt unvollständig (Beispiele: Koloniebildung bei Radiolarien und Vorticellen, Anfangsstadien der discoidalen Furchung telolecithaler Eier). 3. Vielkernbildung. Der Kernteilung folgt (wenigstens zu- nächst) überhaupt keine Teilung des Plasmakörpers, so daß viel- kernige Zellen entstehen. Die Zahl der Kerne kann sich hierbei auf mehrere Hundert belaufen (Beispiele: mehr- bis vielkernige Arten oder Entwickelungsstadien von Protozoen, Anfangsstadien der super- fiziellen Furchung centrolecithaler Eier, u. a.). Folgt dann später die Teilung des Plasmakörpers nach, so ist dieselbe meist multipel, indem so viel Zellen gebildet werden wie Kerne vorhanden waren (Beispiele: Schizogonie der Coceidien und Malariaparasiten, super- fizielle Furchung der Arthropoden, Endospermbildung im Embryo- sack der Phanerogamen u. a.). Unterbleibt eine der Zahl der Kerne entsprechende Teilung des Plasmakörpers überhaupt, so nennt man die vielkernigen Plasma- massen Plasmodien, wenn sie als größere selbständige Organismen erscheinen (Beispiele: Myxomyceten, Siphoneen — Caulerpa, Vau- cheria u. a.) bzw. Syncytien, wenn sie nur Teile höherer Viel- zelliger darstellen. Innerhalb der Protozoen ist indessen eine der- artige Unterscheidung der vielkernigen Formen (wie z. B. Actino- sphaerium, Opalina) von den einkernigen nicht zweckmäßig, da sie wegen der gleichen Leistungsfähigkeit beider den tatsächlichen Ver- hältnissen zu wenig entspricht. 2. Protozoa (Urtiere). Systematische Uebersicht. I. Unterstamm: Plasmodroma (Cytomorpha). Protozoen mit Pseudopodien oder Geißeln als Bewegungsorganellen und mit einem oder mehreren meist bläschenförmigen Kernen. Kern- dimorphismus ist selten deutlich und, wenn vorhanden, jedenfalls nicht in Form einer Differenzierung von Haupt- und Geschlechtskern. Be- fruchtung in Form von Kopulation oder (seltener) Autogamie. In der Regel findet sich ein Generationswechsel. I. Klasse: Mastigophora. Geißeltierchen. Einzeln lebende oder koloniebildende, meist sehr kleine Protozoen mit einer oder zwei (selten mehr) Geißeln (Flagellen), die in erster Linie der freien Bewegung dienen, aber zeitweise (nur. bei wenigen parasitischen Formen dauernd) rückgebildet werden können. Fast stets einkernig. I. Unterklasse: Flagellata (Euflagellata) !). Aeußere Begrenzung des Körpers durch ein wenig differenziertes De oder eine verhältnismäßig feste Plasmamembran (Periplast) 1) Von den hier unterschiedenen Flagellatenordnungen sind mehrere nicht allgemein anerkannt; diese werden aber von verschiedenen Autoren in verschiedener Weise mit * A. Einleitung. 2. Protozoa (Urtiere). Systematische Uebersicht. 9 gebildet. Kern bläschenförmig. Die Fortpflanzung erfolgt durch Längs- teilung, häufig im beweglichen Zustande, seltener durch gleichzeitigen Zerfall in zahlreiche Tochterindividuen. Vorwiegend Süßwasserbewohner, zum Teil marin oder parasitisch. 1. Ordnung: Rhizomastigina. Amöbenähnlich, mit deutlichkem Ektoplasma und Bewegung durch breitlappige bis fingerförmige Pseudopodien. 1—2 Geißeln entspringen 5 ohne Vermittelung eines Basal- kornes direkt aus dem Karyosom des bläschenförmigen Kernes; sel- tener sind sie vom Kern völlig un- abhängig. Mastigamoeba (Fig. 224), Mastigina (Fig. 2), Cercobodo (mit 2 Geißeln), Mastigella (mit einer oder mehreren, vom Kern un- abhängigen Geißeln). 2. Ordnung: Protomonadina. Ektoplasma wenig differen- ziert, zart; Körper daher häufig amöboid. Die in Ein- bis Vierzahl vorhandenen (zur Unterscheidung der Familien benutzten) Geißeln entspringen aus einfachen oder doppelten Basalkörnern, die mit dem Binnenkörper (Karyosom) des einfachen Kernes durch einen Rhizoplast in Verbindung stehen. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 2. Mastigina setosa GOLDSCHM. Die Geißel entspringt direkt vom Kern. Vergr. 652:1. Nach GoLDScHMIpDT 1907. Fig. 3. Monas guttula Enree. b Basalkörper der Geißel, n Kern, r Rhizo- plast. ' Nach PROWAZER 1903. Parabasalapparat und Achsenstab fehlen, Kernteilungsspindel intra- nukleär. 1—2 einfach gestaltete pulsierende Vakuolen (nur bei den Süß- wasserbewohnern). Chromatophoren fehlen; Ernährung holozoisch oder saprophytisch, bei Parasiten durch Osmose. Cercomonas, Oecomonas, Ancyromonas, Monas (Fig. 3), Dendromonas, Cephalothamnium, Anthophysa (Fig.4). Bodo (Fig. 226 u. 286), Phyllomitus. anderen vereinigt. Bei dem derzeitigen Stande des Flagellatensystems dürfte daher eine vielleicht etwas zu weitgehende Sonderung im Interesse der Uebersichtlichkeit immer noch besser sein wie zu weitgehende Zusammenfassung. 10 Amnn, ern, rel. Protozoa. Max Lünur, Fig. 4. Anthophysa vegetans MÜLL. Süßwasser. Reich verzweigte, ansehnliche Kolonie mit sehr zahlreichen Endtrauben, wovon eine in Teilung. Vergr. 165:1. Nach KEnT 1880/81. Fig. 5. Bicosoeca socia- lis LAUTERB. Sternförmige Kolonie. 1 Hauptgeißel, 2 häu- tiges hyalines Gehäuse, 3 pul- sierende Vakuole, 5 zarter, kragenartiger Plasmasaum, 5 Kern, 6 hintere Geißel, die weit vorn entspringend und in einer Rinne auf der Ventral- seite des Zelleibes nach hinten ziehend, der Schleppgeißel von Bodo entsprieht und die Fixie- rung des Tieres in seinem Ge- häuse vermittelt. Vergr. ca. 1125:1. Nach LAUTERBORN 1899. Fig. 6. Salpingoeca va- ginicola St. B%k Basalkörper- chen der Geißel, Col Kragen, Cv kontraktile Vakuole, # Fuß des Gehäuses, Fl Geißel, Gh Ge- häuse, N Kern, V nicht-kon- traktile Vakuole. Vergr. 700 ::1. Nach BURCK 1909. A. Einleitung. 2. Protozoa (Urtiere). Systematische Uebersicht. 11 Bicosoeca (Fig. 5), Poteriodendron. Amphimonas, Diplomita, Spongomonas, Cladomonas (Fig. 267), Rhipidodendron, Cyathomonas, Trimastix, Dallin- geria, Costia. Beiden Craspedomonaden (s. Choanoflagellaten) \ Fig. 7. Codonocladium allioides S. K. Erwachsene Kolonie. Vergr. 480::1. Nach SAVILLE KENT 1880/82. Fig. 8. Hexamitus inflatus Dus. (Länge 13—25 u, Breite 9—15 pn). I Lage des Kernes, 2 Hauptgeißeln, 3 Nahrungsvakuole, 7 Mundspalten, 5 kontraktile Vakuole, 6 Schleppgeißeln. Vergr. 1300:1. Nach Kress 1892/93. 12 Protozoa.. Max Lüne, ist die einzige Geißel von einem trichterförmigen protoplasmatischen Kragen umgeben: Monosiga, Protospongia (Fig. 163), Codosiga (Fig. 285), Codonocladium (Fig. 7); Salpingoeca (Fig. 6 u. 285 d), Polyoeca (Fig. 268), Diplosiga, Diplosigopsis; in die Nähe auch Phalansterium. 3. Ordnung: Distomatina (Diplozoa). Kernapparat und andere Örganellen (Oytostom, wenn vorhanden) doppelt; Geißeln entsprechend bilateral symmetrisch, in 4- bis 8-Zahl (nur bei Spironema noch zahlreicher). Im übrigen den Protomonadinen entsprechend (nach HArrmAann nur Unterordnung von diesen). Gyro- monas, Trigonomonas, Trepomonas, Hexamitus (Fig. 8); Urophagus, Octo- mitus, Lamblia. 4. Ordnung: Binucleata). Ektoplasma verhältnismäßig zart, bei geißellosen und amöboid be- weglichen zellschmarotzenden Formen überhaupt nicht hervortretend. Außer dem Hauptkern ist noch ein besonderer lokomotorischer Kern vorhanden, mit dem die in der Ein- oder Zweizahl ausgebildeten Geißeln in Verbindung stehen. Doch kann der Geißelapparat überhaupt rück- x gebildet sein. Pulsierende Vakuole und Fe Chromatophoren fehlen. Nur eine holo- | zoische Gattung (Prowazekia, Fig. 9) Ss I punkt der Zentralkapsel aus- strahlenden und die Kapsel- membran durchsetzenden Stron- tiumsulfatstacheln gelildet. 1. Acanthometra. Acan- tharien ohne Gitterschale. Acti- nelius, Podactinelius; Acantho- chiasma(Fig. 189); Trizona (Fig.43), / \ Actinastrum; Acanthometron (Fig. 259), Phyllostaurus, Zygacanthi- Fig. 45. Hexalaspis heliodiscus H. di ß : Ä : juv. (= Rosetta elegans Por.). (Im Sa Lithoptera I Amphilonche, erwachsenen Zustand gitterschalig.) Lateral- Amphilonchidium (Fig. 207); Cruci- ansicht. Vergr. 512:1. Nach PoPorskY 1904 forma. (Orientierung nach MIELCK 1907). 30 Protozoa. Max Lüne, 2. Acanthophracta. Acantharien, deren 20 Radiärstacheln durch eine kugelige, ellipsoide oder linsenförmige Gitterschale verbunden sind. Astrocapsa; Icosaspis, Dorataspis (Fig. 44); Hexalaspis (Jugend- stadium mit noch unentwickelter Gitterschale: Rosetta, Fig. 45). B. Mit Skelett aus Kieselsäure oder (selten) ohne Skelett. 2. Ordnung: Spumellaria. Kern meist exzentrisch gelegen, groß, sich erst spät teilend, daher meist einfach. Kapselmembran ohne Hauptöffnung, überall gleichmäßig von Poren durchbohrt. 1. Sphaerellaria. Einzellebend, klein. Skelett in Form einer einfachen oder mehrerer ineinander geschachtelter Gitterschalen, die im einfachsten Falle homaxon und kugelig sind (Sphaeroidea: Lio- sphaeridae ohne, Stylosphaeridae mit zwei gegenständigen, Staurosphaeridae mit vier kreuzweise stehenden, Cubosphaeridae |Hexacromyum, Fig. 197] mit sechs paarweise in den drei Hauptdimensionen angeordneten, Astro- sphaeridae [Caryomma, Fig. 196; Heterosphaera, Fig. 198; Arachnospongus, _ Fig. 199) mit 8 oder mehr Radialstacheln), aber infolge Verlängerung oder Verkürzung einer Achse monaxon ellipsoidisch oder zylindrisch (Prunoidea) bzw. linsen- oder scheibenförmig (Discoidea) werden können oder auch drei verschiedene, aufeinander senkrecht stehende Achsen besitzen können (Larcoidea). 2. Polyeyttaria. Koloniebildend, die einzelnen in ein gemein- sames Extracapsulum eingebetteten Zentralkapseln vielkernig: Collozoum Fig. 46. Collozoum inerme H. Kleine Kolonie. Die dunklen Kugeln sind die 0,04—0,06 mm im Durchmesser haltenden Zentralkapseln mit ihrem zentralen Oel- tropfen. Aus DOFLEIN. (skelettlos, Fig. 46), Sphaerozoum (mit isolierten Kieselnadeln), Collo- sphaera (Skelett der Einzelindividuen eine Gitterkugel). 3. Collodaria. Einzeln lebende, meist sehr große Formen mit einem einzigen großen Kern, der bei Thalassophysa radiale Aussackungen A. Einleitung. 2. Protozoa (Urtiere). Systematische Uebersicht. 31 besitzt. Skelett fehlend oder von einzelnen kleinen Kieselnadeln ge- bildet (Thalassicolla, Fig. 47; Thalassophysa; Thalassoplancta, Fig. 96), bei einigen Tiefsee- i formen von einem ein- zigen verzweigten Rie- senspiculum (Thalasso- thamnus, Cytocladus) oder von einer kom- plizierten, derben Gitter- schale mit verzweigten und bedornten Radial- stacheln (Oroscena) ge- bildet. \ N r Fig. 47. Thalassicolla pelagica H. Durchmesser 1—4 mm. Im Zentrum der Kern in der kugeligen Zentral- kapsel, die außerdem zahl- reiche Oelkugeln enthält. Um diese der extrakapsuläre Weichkörper mit Vakuolen, gelben Zellen (schwarz ge- zeichnet) und Pseudopodien. Aus HErTwIGs Lehrbuch. 3. Ordnung: Nassellaria (Monopylea). Kern exzentrisch. Kapselmembran mit einer durch einen porösen Deckel verschlossenen Hauptöffnung am basalen Pole der Hauptachse, ohne Poren und ohne Nebenöffnungen. Skelett sehr mannigfaltig, bei den Plectoidea drei- fußähnlich (Plectacantha, Fig. 201; Plagiocarpa, AO KR DC () 7 ” Ne ar 9 ER SR BIN. + one ARE, \ E & Re 7 . ‚ P d:,K a Zt 19170 Pe 4 E DEN 7 EP ul, ra SHE | ---5 Plasmodromen erinnernden Be- fruchtungsvorgängen. 2. Formen mit dauernd per- sistierendem Kerndimorphismus: Holophrya, Enchelys, Chaenea, Tra- chelophyllum, Prorodon (Fig. 59), Coleps (Fig. 327), Didinium (Fig. 113), Actinobolus, Nassula (Fig. 60), Trachelius, Chilodon. — In die Nähe wohl auch als durch Parasitismus Fig. 59. Prorodon teres EHREG. von der Seite. Vergr. 520:1. 2 Cyto- stom (Zellenmund), 2 Cytopharynx (Zellen- schlund), 3 aus einzelnen Stäbchen be- stehender Reusenapparat (vgl. Fig. 295), 4 Makronucleus, 5 Nahrungskörper, 6 Cytopyge (Zellenafter,, 7 pulsierende Vakuole (Hauptvakuole umgeben von Bildungsvakuolen), 8 Mikronucleus, 9 Pelli- cula mit darunterliegender Alveolarschicht des Ektoplasmas. Nach SCHEWIAKOFF 1889. rückgebildete Form Ichthyophthirius mit einem großen massigen Makro- nucleus und nur zeitweise nachweisbarem Mikronucleus. ---- N ch DR G 2. Unterordnung: Hymenostomata. Zellmund dauernd offen, eine oder mehrere undulierende Membranen vorhanden; Saprophyten. Colpoda (Fig. 158), Col- pidium, Frontonia, Glau- coma, Uronema, Para- maecium (Fig. 109), Uro- } centrum, Pleuronema HE: (Fig. 61). ; AN : Fig. 60. Nassula ele- £ ch] Ya seh gans EHRBG. (0,1—0,14 mm ä N f|| EIN Ei lang, und 0,06—0,09 mm 2 inyr. : EN ? breit), von der Bauchseite. SE a [SL es N 1 Pigmentfleck, 2 adorale KA nk er N EN Wimperzone, 3 Cytopharynx, Kr \ ? ER. - 22 ;) 4 Gallerthülle, 5 Nahrungs- körper, 6 Pellicula, 7 homo- gene Schicht des Ektoplasmas, 8 Cytopyge, 9 Makronucleus, 10 Mikronucleus, 7/7 Mündungs- stelle der pulsierenden Vakuole, 12 pulsierendeVakuole, 13 Cyto- stom,. 14 Triehoeystenschicht. Nach SCHEWIAKOFF 1889. A. Einleitung. 2. Protozoa (Urtiere). Systematische Uebersicht. 39 3. Unterordnung: Astomata. Zellmund und Zellafter fehlen. Kerndimorphismus und meist auch kontraktile Vakuolen (im Gegensatz zu der ganz abweichenden Opalina) in typischer Weise ausgebildet. Endeparasiten mit osmotischer Ernährung: LEN, ZA Ba ZEN u r - rl 3 SHHRN x E 13:0 VAN) — Beni | a zu X be! p N: \ SE en Ei Be, :% Tsssitrk re =: 1) 5 v ä Pe= =. Be E ke I NER EI Ef 5 & 2 BR \ 2 Se FRI, Fig SIE SI III ee! = Fig. 61. Pleuronema chrysalis Enrgc. (0,068 —0,083 mm lang, 0,037—0,042 mm breit), von der linken Seite. 7 Nahrungsvakuolen, 2 Mikronucleus, 3 Makronucleus, 4 pulsierende Vakuole, 5 Cytopyge, 6 Cytopharynx, 7 undulierende Membran, 8 rechts- seitiger Peristomrand. Nach SCHEWIAKOFF 1889. Intoshellina (Fig. 296), Anoplophrya, Hoplitophrya (Fig. 274 und 275), Haptophrya (Fig. 313), Discophrya, Steinella, Maupasella (Fig. 276), Collinia, Rhizocaryum, Foettingeria. 2. Ordnung: Heterotricha. Mit stets wohlausgebildeter, aus Membranellen zusammengesetzter linksgewundener adoraler Zone. Der übrige Körper in der Regel all- seitig und gleichmäßig bewimpert ohne Differenzierung besonderer Bauch- und Rückencilien. 1. Heterotricha s. str. (Polytrichidea). Allgemeine Körper- bewimperung gut ausgebildet. Plagiotoma, Spirostomum (Fig. 268), Bursaria (Fig. 297), Nyctotherus (Fig. 312), Balantidium, Climacostomum, Condylostoma, Maryna, Stentor (Fig. 62), Folliculina (Fig. 167). 2. Tintinnodea. Planktonische Infusorien, deren allgemeine Körper- bewimperung zwar vorhanden, aber infolge Ausbildung eines das ganze Tier umschließenden Gehäuses nur schwach entwickelt ist. Dietyocysta (Fig. 168, 1); Tintinnus (Fig. 168, 5), Tintinnopsis, Tintinnidium, Codonella 40 Protozoa. Max Lüns, (Fig. 169), Cyttarocyclis (Fig. 300), Coxliella (Fig. 168, 3), Ptychocyelis (Fig. 168, 2), Xystonella (Fig. 168, 4), Undella, Rhabdonella (Fig. 168, 6). 3. Oligotricha (s. str... Bewimperung des Körpers nicht allgemein, sondern sehr stark, nicht selten vollständig rückgebilde.. Wo Körper- wimpern vorhanden sind, sind dieselben wenig zahl- reich, dafür aber häufig zu membranellenähnlichen flächenhaften Gebilden verschmolzen. Ophryo- scolex (mit einem huf- eisenförmigen Wimper- gürtel, Fig. 154), Cyclo- posthium (mit zwei iso- lierten, auf je einem re- traktilen Plasmafortsatz stehenden Wimpergrup- pen, Fig. 248), Ento- dinium (ohne jegliche Körperbewimperung). — Halteria, Strombidium. Fig. 62. Stentor poly- morphus MÜLL. Länge aus- gestreckt bis über 1 mm, Süß- wasser. Nach STEIN, verändert von BÜTSCHI und SCHEWIA- KOFF in LEUCKARTs Wand- tafeln. 2 adorale Membranellen- zone, 2 der vordere Sammel- kanal der pulsierenden Vakuole, 3 Kotvakuole kurz vor ihrer Entleerung, Z Cytopyge, 5 pul- sierende Vakuole, 6 deren hin- terer Sammelkanal, 7 Zoochlo- rellen, & perlschnurförmiger Makronucleus, 9 Mikronuclei, 10 Cytopharynx (die Verweis- linie geht ein wenig zu weit), 11 Stirnfeld, 172 Cytostom. 3. Ordnung: Hypotricha. Körper dorsoventral abgeflacht. Auf der gewölbten Rückenfläche keine lokomotorischen Wimpern, sondern nur Tastborsten. Auf der flachen Bauchfläche außer der kräftigen linksgewundenen adoralen Membranellen- zone verschieden differenzierte, aus verschmolzenen Cilien bestehende Cirren, auf denen die Infusorien laufen. Epiclintes, Holosticha, Uroleptus, Oxytricha (Fig. 122), Stylonychia (Fig. 302), Euplotes (Fig. 247 und 325), Aneistropodium (Fig. 270). : 4. Ordnung: Peritricha. Außer der adoralen Zone höchstens noch ein das Hinterende des Körpers umgürtender Wimperring vorhanden, dessen einzelne Cilien in verschiedener Weise zu flächenhaften Gebilden verwachsen sind, der aber bei festsitzenden Formen fehlt. 107 A. Einleitung. 2. Protozoa (Urtiere). Systematische Uebersicht. 41 1. Adorale Zone linksgewunden und in der gewöhnlichen Weise von zahlreichen quer zur Spiralrichtung stehenden Membranellen oder Fig. 63. Carchesium poly- pinum L. (koloniebildende Vorti- eellide). Einzelnes Individuum von der Ventralfläche. (Länge des Einzeltieres bis 60 u.) a. Sp Zwei- reihige adorale Spirale, Cv kon- traktile Vakuole, Fi kontraktile Fibrillen (Myoneme), ZL lippen- förmig entfalteter Peristomwulst, Mm wundulierende Membranen im Cytopharynx, My kontraktiles Fi- brillenbündel des Stieles (Stiel- muskel), aus dem die einzelnen Fibrillen (Fi) durch Aufpinselung hervortreten, N Großkern (die unterhalb des Großkernes sichtbare, die Längsfibrillen verbindende Ringlinie entspricht der Lage des hinteren Wimperkranzes, vgl. Fig. 64), Na Nahrungsvakuole, Nn Kleinkern, R Reservoir der kontraktilen Vakuole, Um Eingang in das Vestibullum mit undu- lierender Membran, V Vestibulum. Aus DOFLEIN. rudimentär und von einfachen Wimpern gebildet. Spirochona (Fig. 305), Lienophora (Fig. 216). 2. Adorale Zone rechtsgewunden und (wenigstens bei den neuer- dings genau untersuchten Formen) von zwei in der Spiralrichtung kon- zentrisch verlaufenden undulierenden Membranen gebildet. Trichodina (Fig. 249), Cyclochaeta, Hemispeira, Vorticella, Carchesium (Fig. 63, 64), 42 Protozoa. Max Lüns, Zoothamnium, Epistylis, Campanella (Fig. 304), Opercularia, Ophrydium (Fig. 65, 66), Cothurnia, Lagenophrys. DITNNHEHRNNN IM: Di ZIG Fig. 64. Fig. 65. Fig. 64. Carchesium polypinum L. Losgelöstes Individuum mit hinterem Wimperkranze (4HW). Aus DOFLEIN. Fig. 65. Ophrydium versatile Eure. Mäßig große festsitzende Kolonie mit völlig vorgestreckten Individuen. Vergr. 56:1. Nach SAVILLE KENT 1880/82. II. Klasse: Suctoria, Sauginfusorien. Im erwachsenen Zustande ohne Wimpern und auch ohne andere Bewegungsorganellen. Mit einem oder mehreren Saugtentakeln. Ohne Fig. 67. Fig. 66. Ophrydium versatile EHRBG. Ausge- strecktes Einzeltier, bis 500 u lang. 1 Eingang zum Vestibulum (9), 2 Cytostom (im Grunde des Vestibulums), 3 langer, enger, röhrenförmiger Cytopharynx, 4 band- förmiger Makronucleus, 5 Stiel, 6 Nahrungsvakuolen, ? pulsierende Vakuole, 8 Biläungsvakuole der letzteren, 9 Vestibulum, 7/0 adorale Zone. Vergr. 320:1. Nach WRZESNIOWSKY 1877. Fig. 67. Tocophrya quadripartita CL. &L. Nach Fig. 66. FILIPJEV 1911. A. Einleitung. 2. Protozoa (Urtiere). Systematische Uebersicht. 43 Zellmund.. und .Zellafter, aber mit kontraktiler Vakuole. Mit Großkern und Kleinkern. Fortpflanzung vorwiegend durch Bildung sich los- lösender bewimperter Knospen. Meist als Raumparasiten auf anderen Tieren festsitzende, seltener auf anderen Gegenständen (z. B. Metacineta auf Algen) angeheftete oder endoparasitisch (z. B. Sphaerophrya in Paramaecium) lebende Protozoen des süßen und salzigen Wassers. Hypocoma, Urnula (Fig. 145, 7), Podophrya, Ephelota (Fig. 343), Toco- phrya (Fig. 67), Acineta, Dendrosoma (Fig. 145), Dendrocometes (Fig. 309), Ophryodendron, Trichophrya, Solenophrya. Anhang zu den Protozoen. 1. Mycetozoa s. Myxomyceta. Werden von einzelnen Forschern den Sarcodinen angeschlossen, in Rücksicht auf die vegetativen Formen (Myxamöben und Plasmodien), die amöboid beweglich und in der Jugend auch trotz abweichenden Kernbaus amöbenähnlich sind, später aber durch Verschmelzung mehrerer Myxamöben entstehende, von netzförmig verbundenen Strängen gebildete und oft mehrere Zentimeter im Durchmesser messende Plasmakörper dar- stellen. Die Fortpflanzung, die unter Bildung mehr oder weniger ge- stielter- derbwandiger, die Sporen umschließender, blasenförmiger Frucht- körper (Sporangien) erfolgt, hat aber keinerlei Analogie unter den Proto- zoen, sondern verweist die eigenartige Organismengruppe unter die niederen Pilze. Fuligo (Aethalium), Plasmodiophora. 2. Spirochaetoidea. Fadenförmige, korkzieherartig gewundene und aktiv biegsame Orga- nismen, die sich durch Rotation um ihre ideelle Längsachse lebhaft vor- wärts schrauben, in ihrer feineren Organisation aber Verschiedenheiten aufweisen, die ihre systematische Zusammengehörigkeit noch nicht als gesichert erscheinen lassen. Hier anzuführen wegen ihrer zeitweise von einigen Forschern angenommenen Zugehörigkeit zu den Protozoen, trotz- dem sich diese nicht aufrecht erhalten läßt. Die Vermehrung erfolgt anscheinend ausschließlich durch (einfache oder multiple) Querteilung. Spirochaeta (große, bis 500 u lang werdende, freilebende Sapro- phyten mit gradlinigem Achsenfaden, um den sich der einschichtige, wabige, Volutinkörner enthaltende Plasmakörper schraubenförmig herum- legt, ohne morphologisch differenzierte Membran; Typus: Sp. plicatilis). Saprospira (ca. 18—100 u lange freilebende Saprophyten mit aus einer einzigen Alveolenreihe bestehendem Körper, ohne Achsenfaden, Volutinkörner und Crista). Cristispira (verhältnismäßig große, bis ca. 200 u lang werdende Darmparasiten von Lamellibranchiern, deren aus einer einzigen Alveolenreihe bestehender Körper von einer sehr dünnen, aber ziemlich widerstandsfähigen Membran umschlossen ist und auf einer Seite einen zarten Längskamm, die sog. Crista, trägt, die einer undulie- renden Membran analog erscheint, ohne Achsenfaden und Volutinkörner; hierher Cr. balbianii, anodontae, modiolae, limae, pectinis u. a.). Spiroschaudinnia (kleine, kaum über 20 u lang werdende Blut- parasiten von Warmblütern vom Typus der Sp. recurrentis, ohne Achsen- faden und ohne Crista; hierher außer den Erregern der verschiedenen Formen des menschlichen Rückfallfiebers Sp. anserina, gallinarum u. a.). Treponema (kleine ca. 6—20 u lange Gewebsschmarotzer; hierher außer der Syphilisspirochäte, Tr. pallidum, auch der Erreger der Fram- 44 Protozoa.. Max Lünr, bösie, Tr. pertenuis). Bei zahlreichen anderen Spirochäten, die z. B. in der Mundhöhle des Menschen (Sp. dentium u. a.), auf entzündeten Schleimhäuten, in Geschwüren und ulzerierenden Geschwülsten (Sp. refrin- gens, pseudopallida, balanitidis, vincenti, schaudinni u. a.), im Darm verschiedener Tiere (Sp. eulicis u. a.) schmarotzen, ist noch kein Urteil über die Zugehörigkeit zu bestimmten Gattungen möglich. B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. Die Protozoen sind einzellige Organismen oder einfache Kolonien gleichartiger einzelliger Organismen. Der typische Cha- rakter der Einzelligkeit erscheint zwar häufig dadurch gestört, daß anstatt eines Kernes deren mehrere vorhanden sind, indem der ur- sprünglich einfache Kern durch wiederholte Teilungen in mehrere oder viele zerfällt. Aber diese Teilungen stehen entweder mit der Fortpflanzung in irgendeinem Zusammenhange. indem sie dieselbe ein- leiten, oder es bleibt doch der ganze übrige Teil der Zelle durch die Vermehrung der Kerne völlig unberührt. Trotz der Einzelligkeit der Protisten zeigt sich bei ihnen doch eine außerordentliche Formenmannigfaltigckeit und bei vielen tritt eine große Komplikation des Baues auf. Sind doch die Protisten selb- ständige Organismen und als solche nicht nur den einzelnen Meta- zoenzellen, sondern den ganzen Metazoen vergleichbar. Für die verschiedensten Lebensverrichtungen können daher besonders dazu geeignete Einrichtungen ausgebildet sein, wenn diese auch im Gegen- satz zu den aus zahlreichen Zellen und meist sogar aus verschieden- artigen Zellgeweben aufgebauten Organen der Metazoen immer nur Teile einer und derselben Zelle sind. Wir können sie als Organellen bezeichen, um dem angeführten Gegensatz zu den Organen der Metazoen auch in Namen Ausdruck zu verleihen. Nirgends im Körper der Metazoen erlangt die einzelne Zelle einen so hohen Grad morphologischer Differenzierung, eine so kom- plizierte Struktur, wie dies beim einzelligen Körper der Protozoen der Fall ist, und auch die scheinbar am einfachsten gebauten Proto- zoen stehen, zu allen wesentlichen Lebensverrichtungen befähigt, auf einer so viel höheren Individualitätsstufe wie die Zellen der mehr- zelligen Organismen, daß nur deshalb der Versuch gemacht ist, die Protisten überhaupt außerhalb der ganzen Zellenlehre zu stellen (DoBELL 1911). Es dürfte zweckmäßig sein, das Gesagte zunächst durch ein- gehendere Schilderung einzelner Protozoentypen zu erläutern. 1. Amoeba. Vorkommen. Viele Arten im Süßwasser, einige im Meere, manche an feuchten Orten in und auf der Erde und in Moosrasen (z. B. A. terricola), wieder andere parasitisch (z. B. A. blattae im Enddarm von Periplaneta orientalis, A. diploidea im Enddarm von Eidechsen, die verschiedenen Arten der Gattung Ent- amoeba in verschiedenen Teilen des Darmes — meist im Dickdarm, einzelne Arten aber auch in der Mundhöhle oder im Dünndarm — des Menschen und verschiedener Wirbeltiere). B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 45 Die Größe der Amöben ist bei verschiedenen Arten außer- ordentlich verschieden. Zu den kleineren Arten gehört die in der Mundhöhle des Menschen schmarotzende Entamoeba buccalis mit einem Durchmesser von 6—32 u. Demgegenüber mißt Amoeba vespertilio durchschnittlich 200—300 a, A. proteus erreicht einen Durchmesser von bis zu 500 vu, und A. laureata, die im allgemeinen 500—800 p lang ist, kann sogar 1400 u erreichen. Die größte aller Amöben aber ist die vielkernige Pelomyxa palustris mit einem Durchmesser von 3—15 mm! Konsistenz. Der Körper der Amöben besteht nur aus einem sehr formveränderlichen Tröpfchen kernhaltigen Protoplasmas. Dieses Protoplasma ist je nach den Arten in verschiedenem Grade zäh- flüssige. Besonders zähflüssige Formen sind A. verrucosa und A. terricola, während z. B. A. proteus und die unter dem Namen A. limax zusammengefaßten Formen (Gattung Vahlkampfia CHATTON) zu den verhältnismäßig dünnflüssigen Arten gehören. Die Konsistenz des Protoplasmas kann aber auch bei ein und derselben Art je nach physiologischen oder entwickelungsgeschichtlichen Zu- ständen wechseln. Das spezifische Gewicht ist nur wenig größer wie das des Wassers. Bau des Protoplasmas. Die wabig-alveoläre Grundstruktur des Protoplasmas ist nur bei den stärksten Vergrößerungen und an ‘günstigen Objekten erkennbar. Sehr deutlich tritt dagegen, wenigstens während der Bewegung der Amöben, eine Sonderung des Plasmas in eine oberflächliche, dünne, nur an den Pseudopodien stärker ent- wickelte, hyaline (d. h. körnchenfreie) Schicht (Ektoplasma) und ein von dieser umschlossenes körniges und dünnflüssigeres Endo- plasma hervor. Die Stärke der Ektoplasmaschicht ist ebenso wie ihre Konsistenz bei verschiedenen Arten verschieden. Bei manchen geschützt lebenden Arten (z. B. bei Entamoeba coli, einem harm- losen Dickdarmschmarotzer des Menschen) ist das Ektoplasma so wenig entwickelt, daß es in der Ruhe überhaupt nicht erkennbar ist und nur in den Pseudopodien hervortritt. Andere Formen besitzen dagegen eine verhältnismäßig dicke und daher stets sehr deutlich in die Augen fallende Ektoplasmaschicht, die bei den schädigenden Einflüssen seitens des umgebenden Mediums besonders ausgesetzten Erdamöben (A. terricola u. a.) sich durch ganz besondere Derb- heit auszeichnet, so daß sie fast den Eindruck einer den Körper um- schließenden Membran macht. Ekto- und Endoplasma sind jedoch nicht dauernd in unveränderlicher Weise gesondert; vielmehr kann Endoplasma an die Oberfläche der Amöbe vortreten und sich dort in Ektoplasma umwandeln und umgekehrt (vgl. nachstehend die Be- sprechung der Bewegung der Amöben). Daß es sich bei der verschiedenen Ausbildung des Ektoplasmas der Amöben nicht nur um zweckmäßige Anpassungserscheinungen handelt, daß vielmehr diese Ausbildung auch direkt durch das umgebende Medium beeinflußt wird, geht aus Versuchen Zürzers (1910) mit A. verrucosa hervor. Diese Art besitzt unter allen Süßwasseramöben wohl das zäh- flüssigste Ektoplasma, das unter normalen Verhältnissen stets deutlich vom Endoplasma geschieden ist. Es gelingt aber, sie allmählich an das Leben im Meerwasser zu gewöhnen und hierbei geht unter starker Schrumpfung des ganzen Körpers die Scheidung von Ekto- und Endo- 46 Protozoa. Max Lüns, plasma völlig verloren. Nur auf gefärbten Präparaten ließ sich dann noch eine das ganze Tier umgebende äußerst feine Membran nachweisen, von der es zweifelhaft bleibt, ob sie „als Rest des Ektoplasmas oder ein Produkt desselben aufzufassen ist“. Die größere Dichte und Widerstandsfähigkeit des Ektoplasmas geht am klarsten aus folgendem hervor. In Schnitten durch A. verrucosa konnte RuumßLeR durch Behandlung mit Kalilauge das ganze Endo- plasma zur Lösung bringen, während Ektoplasma und Kern noch un- gelöst blieben, und von A. vespertilio beobachtete DorLeın (1907) ab- gestorbene Exemplare, die von Bakterien und kleinen Flagellaten der- art ausgefressen waren, daß nur das Ektoplasma als verschrumpelter Sack und der Kern übrig geblieben waren. Pseudopodien. Während des tätigen Lebens entsendet der Körper der Amöben nach außen „Pseudopodien“ in Form von meist nicht sehr langen, mehr oder weniger breiten, lappigen bis finger- förmigen, seltener fast fadenförmigen Fortsätzen, die ausschließlich aus Ektoplasma bestehen können, während sich andererseits sehr häufig an ihrer Bildung neben dem stets sehr stark hervortretenden Ektoplasma auch noch das Endoplasma beteiligt. Sie sind unver- ästelt oder zeigen doch nur geringe Neigung zur Verästelung und verschmelzen an ihren frei vorragenden Enden niemals miteinander. Vielfach ist Zahl und Form der Pseudopodien zur Charakterisierung verschiedener Arten benutzt worden. So haben A. verrucosa (Fig. 76) Fig. 68. Amoeba (Vahl- kampfia) limax bei ver- schiedenen Temperaturen. A Gewöhnliche Form bei 25° C. Die Amöben haben langgestreckte Keulenform und zeigen lebhafte Proto- plasmaströmung bei rascher, fließender Fortbewegung. B Bei über 35° C. Die Amöben haben Kugelform angenommen und verharren in Wärmestarre (dieselbe Erscheinung zeigt sich auch bei 0° und darunter). € Bei 2°C. Die Amöben zeigen einen klumpigen Körper, aus dem zahlreiche kleine Pseudopodien hervorragen. Die Bewegung ist nur bei schr lang andauernder Be- obachtung bemerkbar und wird erst bei steigender Temperatur lebhafter. Nach VERWORN 1897. und A. terricola (Fig. 70) zahlreiche kurze höcker- oder warzenför- mige Pseudopodien, die den Körper fast runzelig erscheinen lassen. Entamoeba tetragena (die Dysenterieamöbe des Menschen) und A. blattae besitzen nur sehr wenige (meist 1—2) breitlappige Pseudo- podien, und bei der gewöhnlichen Form der als A. limax zusammen- gefaßten Arten (Fig. 68 und 94) wird ebenfalls nur ein einziges Pseudo- B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 47 podium in der gerade eingehaltenen Bewegungsrichtung gebildet, von dem aus sich der Körper nach hinten birn- oder keulenförmig ver- schmälert. A. polypodia (Fig. 90) und A. proteus (Fig. 23) haben fingerförmige, am Ende abgerundete Pseudopodien, die sich bei A. pro- teus in geringem Grade verästeln können; A. diffluens hat kurz Fig. 69. Amöben mit „Quastenpseudopodien“ am Hinterende. «a A. fasci- eulata PEN. 5b A. elavarioides PEN. ce A. ambulacralis PEN. Nach PENARD 1902. fingerförmige, am Ende zugespitzte, A. ambulacralis (Fig. 69e) dagegen langgestreckt fadenförmige Pseudopodien, die in ihrer dauern- den lebhaften Bewegung an die Ambulacralfüßchen eines kriechenden Seeigels erinnern; allseitig radiär ausgestreckte, fadenförmige Pseudo- podien haben sogar Veranlassung gegeben zur Bildung einer besonderen Gattung für das frei im Wasser schwebende Dactylosphaerium radiosum, finden sich aber in im wesentlichen gleicher Weise bei den verschiedensten Amöbenarten, sobald dieselben, von der Unterlage abgelöst, „Schwebform“ annehmen (vgl. Fig. 71). Besonders differenzierte Pseudopodien, die eine förmliche Quaste bilden können, finden sich bei manchen Amöben am Hinterende (Fig. 69). Sie dienen vielleicht ähnlich der Schleppgeißel bei Flagellaten als eine Art Steuerapparat. Auch die erwähnten langen Pseudopodien von A. ambula- eralis scheinen derartige, nur besonders stark ent- wickelte Quastenpseudopodien zu sein. Bei den zäh- flüssigen Arten (wie A. terricola) ist, wie im An- schluß hieran erwähnt sei, das Hinterende häufig zu einem runzeligen Schopfe abgesetzt (Fig. 70), der durch das faltige Zusammensinken des zähen Ekto- plasmas bei Vorströmen des Endoplasmas entsteht. Die Ausbildung der Pseudopodien ist jedoch bei ein und derselben Amöbe in hohem Grade abhängig , Fig. 10., Amoehe = ‚ats : erricola GREEFF von äußeren Einflüssen, deren Wechsel weitgehende „nit schopfartigem Zustandsänderungen der ganzen Amöbe bedingt (vgl. Hinterende. Nach Fig. 68 und 71, deren Erklärung nichts mehr hinzu- GROSSE-ALLERMANN gefügt zu werden braucht). —- Der Kern der Amöben liegt im Endoplasma und ist fast stets in der Einzahl vorhanden. A. binucleata und A. diploidea be- 48 Protozoa. Max Lüne, sitzen jedoch zwei, A.blattae 2-20, A.nobilis 4—49 und Pelo- myxa palustris sehr zahlreiche einander gleichwertige, Par- amoeba eilhardi zwei verschiedenwertige Kerne. In der Regel Fig. 71. Amoeba spec. 1 Gewöhnliche, frei im Wasser flottierende Schwebform (sog. Daetylosphaerium radiosum). 2 Dasselbe Individuum hat mit dem in Fig. 1 durch einen Pfeil gekennzeichneten Pseudopod den Objektträger berührt und beginnt nun auf diesem in der Pfeilrichtung hinzukriechen, indem das Endoplasma des Körpers in das der Unterlage sich anlegende Pseudopod hineinströmt. 3 Dasselbe Individuum wieder kurze Zeit später; der Uebergang von der Schweb- zur Kriechform ist vollendet. 4—6 Andere Exemplare derselben Art in verschiedenen, etwas von dem gewöhnlichen Bild abweichenden Sehwebformen: 4 die Pseudopodien führen hakenförmige Einkrümmungen aus, 5 Schwebform mit verhältnismäßig kurzen Pseudopodien (erst kürzlich von der ‘Unterlage abgelöst?), 6 Schwebform mit pendelartigen Bewegungen der Pseudopodien durch Einknickungen an deren Basis. Nach HEIDENHAIN 1911. ist der Kern der Amöben bläschenförmig und entbält das Ohromatin vollständig oder doch zum großen Teile in einem ‚großen runden kompakten Innenkörper, dem Karyosom, vereinigt. Etwas ge- B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 49 nauere Angaben hierüber sollen unten in einem besonderen Ab- schnitt über den Kern der Protozoen gemacht werden. ‚Kontraktile oder pulsierende Vakuole. Bei allen Süß- wasseramöben findet sich im Endoplasma, dicht unter dem Ekto- plasma, eine pulsierende Vakuole in Form eines Tropfens wässeriger Flüssigkeit (Fig. 76, 78), die periodisch entleert wird und wahrschein- lich Exkrete gelöst enthält. Nach seiner Entleerung sammelt sich ‘ der Flüssigkeitstropfen allmählich wieder an, und zwar bei ruhenden Amöben lange Zeit hindurch immer wieder an derselben Stelle. Bei in Bewegung befindlichen Amöben aber ist er infolge des Strömens des Plasmas nicht an einen bestimmten Ort gebunden, sondern wird, wenigstens so lange bis er eine gewisse Größe erreicht, mit dem Plasmastrome fortbewegt. Bei A. proteus entsteht die Vakuole aus einzelnen kleinen Flüs- sigkeitströpfchen, die meist hinter dem Kern liegen, und wächst allmählich durch deren Zusammenfließen. Hat sie dann eine gewisse, aber keines- wegs genau bestimmte Größe erreicht, so entleert sie plötzlich ihren Inhalt nach außen und infolge der dadurch eintretenden Volumvermin- derung stürzt oder sinkt das Plasma von allen Seiten an ihrer Stelle zusammen. Diese periodischen Entleerungen erfolgen bei ungeschädigten Tieren in der Regel in Intervallen von 5—8 Minuten (nach GrUBER 1912). Bei A. verrucosa bildet das Plasma um die pulsierende Vakuole jeweilen ein zähflüssiges, ektoplasmaähnliches Häutchen, das nach jeder Entleerung resorbiert und an der neu auftretenden Vakuole neu gebildet wird. Infolge der großen Zähflüssigkeit des Plasmas dieser Art erfolgt die Pulsation der Vakuole bei ihr langsamer wie bei A. proteus und ‚anderen Formen mit verhältnismäßig dünnflüssigem Plasma. Bei A. terricola sind die kontraktilen Vakuolen gewöhnlich in der.Mehrzahl vorhanden, doch kann gelegentlich durch deren Zusammen- fließen auch eine einzige außerordentlich große Vakuole entstehen. Bei Pelomyxa palustris finden sich statt einer großen sehr zahlreiche außerordentlich kleine Vakuolen. Bei A. geminata sah RuumeLer (1898) „in der Nähe des Kerns größere Vakuolen mit einem plötzlichen Ruck verschwinden, bei dem sich helle Streifen in dem umgebenden Plasma bemerkbar machten; die Vakuolenflüssigkeit schien in das umgebende Protoplasma hineinexplodiert zu sein und bei dieser Explosion schienen die Einlagerungen des Endo- plasmas zur Seite gedrängt zu sein.“ Da auch bei anderen Amöbinen noch nie eine Oeffnung wirklich gesehen wurde, durch die die Entleerung der Vakuole nach außen erfolgt, so nahm Prxarp (1902) an, daß diese Entleerung überhaupt immer ins umgebende Plasma erfolgt und daß die Vakuole kein Exkretions-, sondern ein kiemenähnlich die Aufnahme von Sauerstoff vermittelnder Atmungsapparat sei. Später (1904) konnte er jedoch bei A. terricola mit Hilfe fein verteilter chinesischer Tusche doch eine Entleerung nach außen sicherstellen, die seiner Annahme zu- folge bei der Unsichtbarkeit eines Ausführungskänales vielleicht durch eine größere Zahl von unsichtbaren, über eine größere Zone der Pelli- cula verteilten Poren erfolgt. Nach MercAur (1910) wölbt die Vakuole ‘am Ende der Diastole durch ihren ‚Druck eine äußerst dünne, aber offenbar sehr widerstandsfähige Hautschicht der Amöbe nach außen vor. Die Art des dann folgenden Zusammenfallens der Vakuole weist auf ‘das Auftreten einer direkt nicht sichtbaren feinen Oeffnung hin (ver- Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 4 50 Protozoa. Max Lüne, mutlich «durch Bersten der Hautschicht; vgl. auch unten die Bespre- chung von Paramaecium). Die Ortsbewegungen der Amöben sind in neuerer Zeit viel- fach studiert worden, besonders eingehend von RHUMBLER (1898 und 1905) und JEnnınas (1904 und 1910). Sie treten in drei ver- schiedenen Hauptformen auf, als fließende Bewegung mit Fontänen- strömung, als rollende Bewegung ohne Rückströme und als Bewegung mit Hilfe eruptiver Pseudopodien. Die fließende Bewegung mit Fontänenströmung findet sich vor allem bei Amöben mit relativ dünnflüssigem Plasma wie A. (Vahlkampfia) limax, Amoeba blattae, Pelomyxa palustris. Das Ektoplasma strömt in der Bewegungsrichtung in Form eines breit- lappigen Pseudopods („Lobopodium“) vor, dann folgt heftig nach- strömend das Endoplasma nach und durch dieses Vorströmen der Körpermasse an einer oder auch mehreren benachbarten Stellen wird das Vorrücken des ganzen Tieres bedingt. Hierbei besteht keine dauernde Grenze zwischen Ekto- und Endoplasma, vielmehr wandelt sich das in der Achse des Körpers rasch vorströmende körnige Endo- plasma vorne in Ektoplasma um (Endoplasma-Ektoplasma- Prozeß RHUMBLERs) und am Vorderende des Pseudopods ange- langt, biegt die Strömung fontänenartig nach den beiden Seiten ab und geht hier in schwächere rückläufige Randströme über, wobei dann auch wieder umgekehrt Ektoplasma sich in Endoplasma zurück- verwandelt. Die rückläufigen Randströme sind in der Regel nur schwer zu er- kennen und ihr Vorkommen ist deshalb mehrfach bestritten, von RHUMBLER (1898, 1905) aber einwandfrei nachgewiesen. Hinsichtlich der physio- logischen Erklärung dieser Bewegungsart durch Veränderung der Ober- flächenspannung muß auf dessen Originalarbeiten verwiesen werden. Wohl stets ruhen die Amöben bei ihrer Fortbewegung nur mit einem Teil ihrer Unterfläche auf der Unterlage. Berühren sie die letztere nur mit wenigen kurzen Pseudopodien, so kommt eine Art von schrei- tender Bewegung zustande, die DerLınser (1906) mit Hilfe einer be- sonderen Vorrichtung zur seitlichen Beobachtung kriechender Amöben studiert hat. Hierbei wird das Vorderende der Amöbe frei ins Wasser vorgestreckt (Fig. 72, A) und dann auf dem Untergrunde festgeheftet (Fig. 72, B). Hierauf wird das Hinterende unter Ablösung von dem Untergrunde nachgezogen und dadurch der ganze Körper soweit nach vorn verschoben, daß er sich aufs neue weiter vorn mit Hilfe eines neuen vorgestreckten Pseudopods anheften kann. Es wird dann also bei der in Fig. 72 dargestellten Amöbe das bei d oder e hervortretende Pseudopod an Stelle von ce zum Vorder- und 5b an Stelle von a zum Hinterende. Hierbei handelt es sich aber nicht etwa um eine allmäh- liche Rotation des ganzen Amöbenkörpers in einer vertikalen Ebene, da dem dorsalen Ektoplasma außen anklebende Fremdkörper nach Der- LINGERS Beobachtungen im Gegensatz zu der nachstehend besprochenen A. verrucosa nicht über den Vorderrand der Amöbe hinweg auf die Ventralfläche gelangten, sondern auf der Dorsalfläche liegen blieben. Das zur Bildung der vorgestreckten Pseudopodien benötigte Plasma kann demnach nur aus dem Körperinnern stammendes, neu hervor- brechendes Endoplasma darstellen, dessen Umwandlung in Ektoplasma an anderer Stelle eine Rückverwandlung von Ektoplasma in Endoplasma B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 51 gegenüberstehen muß. Die geschilderte schreitende Bewegung kann hiernach nur als eine durch die Bildung zahlreicher Pseudopodien be- dingte Komplikation der einfachen fließenden Bewegung aufgefaßt werden. f Fig. 72. Schreitende Bewegung von Amoeba proteus, in zwei aufeinander- folgenden Stadien der Fortbewegung von der Seite gesehen. Die Pfeile geben die Rich- tung der Fortbewegung an, während die kleinen Buchstaben die einander entsprechenden Teile der beiden Figuren bezeichnen. 2 zeigt die Amöbe einige Sekunden später als A. Nach JENNINGS (1910) unter Zugrundelegung von Mikrophotographien DELLINGERS (1906). Die Bewegung mit Hilfe eruptiver (Bruchsack-)Pseudo- podien schließt sich insofern an die fließende Bewegung an, als auch bei ihr ein „Endoplasma-Ektoplasmaprozeß“ deutlich hervortritt. Sie hat eine verhältnismäßig größere Festigkeit des Ektoplasmas oder doch wenigstens von dessen oberflächlicher Grenzschicht (Haptogenmembran) Fig. 73. Bruchsackpseudopod von Amoeba blattae BürscnLı. A Das hervorbrechende Pseudopod lagert sich über das frühere Ektoplasma Z,. B Das Pseudo- pod hat sich noch weiter vergrößert, E, beginnt sich aufzulösen. C E, ist vollständig aufgelöst, das Bruchsackpseudopod umkleidet sich mit neuem Ektoplasma Z,. Nach RHUMBLER 1898. zur Voraussetzung, ist unter anderem von RHUMBLER (1898) bei A. blat- tae beobachtet und nach HARTMANN (1911) für die Dysenterieamöbe Entamoeba tetragena charakteristisch. An einer kleinen Stelle reißt plötzlich die Oberflächenhaut, und das darunter liegende Ektoplasma bricht mit mehr oder weniger Endoplasma bruchsackartig vor und 4* 59 Protozoa. Max Lüns, breitet sich über die Haptogenmembran der ursprünglichen Oberfläche aus (Fig. 73). Die Einlagerungen in dem vorgestürzten Endoplasma sind anfänglich in wild wirbelnder Bewegung. Das von ihm überflossene alte Ektoplasma wird dann allmählich in Endoplasma umgewandelt, während auf der Oberfläche des Bruchsackpseudopods das bisherige Endoplasma sich in Ektoplasma umwandelt. An einer benachbarten oder auch ganz entfernten Stelle der Ober- fläche wiederholt sich dann derselbe Prozeß; häufig findet er auch gleichzeitig an verschiedenen Stellen statt (Fig. 74). Bei A. blattae Fig. 74. BEmntamoeba tetragena VIERECK aus dem Darme des Menschen. Individuum in drei Stadien der Bewegung, mit eruptiven Pseudopodien An den Stellen, wo diese bruchsackärtig vorgequollen sind, scheint das frühere Oberflächenplasma noch durch (vgl. die mehr schematische Fig. 73 B). spielt neben den Bruchsackpseudopodien die fließende Bewegung noch eine große Rolle, bei Entamoeba tetragena gehört dagegen die letztere zu den Ausnahmen und ist Bewegung mit Bruchsackpseudopodien durch- aus vorherrschend. Die rollende Bewegung ist insofern anderer Art, als bei ihr eine Umwandlung von Endo- in Ektoplasma und umgekehrt an- scheinend nicht stattfindet. Sie scheint nur bei Amöben mit sehr derbem, pelliculaartigem Ektoplasma vorzukommen und ist von JENNINnGS (1904) bei A. verrucosa mit Hilfe von Tuschekörnchen, Fig. 75. Schema der rollenden Bewegung von Amoeba verrucosa EHREG. Seitenansicht. An der Oberfläche der Amöbe haftet ein Körnchen, das sich in Z am Hinterende der Amöbe befindet, bei dem Vorwärtskriechen nach vorn rückt (2) und in 3 das Vorderende erreicht (bei x). Dort bleibt es während der Weiterbewegung der Amöbe liegen und findet sich, wenn die Amöbe die Stellung 4 erreicht, in der Mitte von deren Unterfläche. In der Stellung 5 liegt es immer noch am gleichen Platze und ist nur ein wenig gehoben, da das Hinterende der Amöbe der Unterlage nicbt mehr unmittelbar auf- liegt. Bei der Weiterbewegung gelangt es dann wieder auf die Oberseite (6), und der Kreislauf beginnt von neuem. Die unterbrochenen Linien geben den in Ruhe befind- lichen Teil der Oberfläche der Amöbe wieder, die großen Pfeile zeigen die Bc- wegungsrichtung der Amöbe, die kleinen diejenige des anhaftenden Körnchens. Nach JENNINGS 1904. B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 53 die der Oberfläche der Amöben anhafteten, sehr eingehend studiert worden. Vor allem ist sie durch das Fehlen rückläufiger Randströme ausgezeichnet. Die von der Unterlage abgewandte Oberseite sowie das Endoplasma der Amöbe befinden sich in vorwärtsströmender Be- wegung, während die der Unterlage aufliegende Fläche sich in Ruhe befindet. Ober- und Unterseite der Amöbe aber werden dauernd miteinander vertauscht, indem vorne das vorgeströmte Ektoplasma der bisherigen Oberseite sich der Unterlage anschmiegt, hinten da- gegen ein entsprechender Teil der Oberfläche der Amöbe sich von der Unterlage abhebt (vgl. Fig. 75). Diese Bewegung kann also dem Vorwärtsrollen eines flüssigkeitserfüllten deformierbaren Sackes ver- glichen werden. Die Verlängerung einzelner Pseudopodien erfolgt bei den Formen mit rollender Bewegung, soweit diese Pseudopodien der Unterlage auf- liegen, in ganz entsprechender Weise wie die rollende Bewegung der ganzen Amöbe, indem das Ektoplasma der freien Oberfläche vorströmt und sich an der Spitze des Pseudopods umschlägt und der Unterlage anschmiegt. Die Verlängerung eines frei in das Wasser vorragenden Pseudopods erfolgt dagegen lediglich durch Zutritt neuen Plasmas an seiner Basis (ein einem solchen Pseudopod oberflächlich anhaftendes Tuschekörnchen oder dergleichen bleibt während der Verlängerung des Pseudopods stets in der gleichen Entfernung von dessen freiem Ende) ‘und entsprechend erfolgt dann auch die Verkürzung wieder von der Basis aus. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten dieser Bewegungsweise muß auf die sehr ausführliche Arbeit von JEenxınas verwiesen werden, hinsichtlich eines Versuches, die rollende Bewegung physikalisch durch verschiedene Stärke des Gelatinierungsdrucks an verschiedenen Stellen der Oberfläche der Amöbe zu erklären, auf RuumeLer (1905). Von der vorstehend besprochenen rollenden Bewegung wohl zu unter- scheiden ist die gelegentlich bei zähflüssigen Amöben zu beobachtende passiv rollende Bewegung. Diese ist nur dann möglich, wenn die Amöbe (z. B. A. verrucosa) nur sehr lose oder gar nicht auf der Unterlage haftet. Streckt dieselbe hierbei nach allen Richtungen Pseudo- podien frei in das Wasser vor, so können ein oder mehrere nach einer Seite gewandte Pseudopodien das Uebergewicht bekommen, worauf in- folge der Verlagerung des Schwerpunktes die ganze Amöbe ein wenig nach dieser Seite herüberrollt. RuumsLer (1898) hat auch die Geschwindigkeit der Orts- bewegung einiger Amöbenarten bestimmt. Am trägsten zeigte sich die zähflüssige A. verrucosa, die günstigstenfalls in einer Sekunde um etwa 0,5 m vorrückte, während in der gleichen Zeit A. limax und A. striata um I, A. geminata wechselnd um 1,5—3 vorrückten. Ob mit der Bewegung der Amöben Volumveränderungen ver- bunden sind (wie bei jeder auf Kontraktion beruhenden Bewegung), ist nicht bekannt. Die Nahrungsaufnahme der Amöben ist eng mit ihren Be- wegungen verknüpft, hängt wie diese letzteren von Anomogenitäten der Oberflächenspannung ab und tritt uns in 4 verschiedenen Formen entgegen (vgl. namentlich RHUMBLER 1898 und 1910): . Bei der Nahrungsaufnahme durch Umfließung (Gircumfluenz) bleibt der aufzunehmende Fremdkörper nach seiner 54 Protozoa. Max Lüur, Berührung mit der Oberfläche der Amöbe zunächst noch ruhig liegen. Das Plasma der Amöbe fließt aber infolge einer durch die Adhäsion zum Nahrungskörper verursachten Herabminderung seiner Oberflächen- spannung an der Kontaktstelle um den Nahrungskörper in enger An- schmiegung herum, indem es sich auf seiner Oberfläche ausbreitet; die hierbei eintretende Gestaltsveränderung der Amöbe verläuft in direkter Abhängigkeit von der ÖOberflächenform des Fremdkörpers, ohne daß die Amöbe selbst den Verlauf der die Umfließung ver- mittelnden Strömungsrichtungen zu determinieren braucht. Die Ge- schwindigkeit des Vorgangs hängt naturgemäß von der mehr oder weniger großen Zähflüssigkeit der Amöbe ab. Bei der sehr zäh- flüssigen A. verrucosa (Fig. 76) erfolgt er so langsam, daß z. B. bei einer Beobachtung ein Exemplar zur Einschließung eines bloß 25 u im Durchmesser haltenden Zoogloeahäuf- chens (Zoogloea sind durch Gallerte zusammengehaltene Häufchen von Bak- terien) 5 Minuten. bedurfte. Fig. 76. Amoeba verrucosa EHREG., 80 bis 100 x» im Durchmesser. 1 Zoogloea (Bakterien- haufen), welche die Amöbe im Begriff ist, als Nahrung aufzunehmen, 2 aufgenommene Nahrung, in Nahrungsvakuolen eingeschlossen, 3 pulsierende (kontraktile) Vakuole, 4 Kern. 2. Die Nahrungsaufnahme durch Einfangen (Circum- vallation) ist insofern besonders merkwürdig, als sie ganz den Ein- druck einer berechnenden Handlungsweise der Amöbe macht. Das Amöbenplasma schickt nämlich an beiden Seiten der Beute vorbei Pseudopodien, die sich jenseits derselben miteinander vereinigen, nach dieser Verschmelzung einen vollständigen Wall um die Beute herum bilden, sich bald darauf auch auf der Ober- und Unterfläche der Fig. 77. Amoeba (Vahlkampfia) limax, eine Algenzelle fressend. Vier auf- einander folgende Stadien der Nahrungsaufnahme. Der helle Fleck oberhalb des Kernes bzw. der Nahrungsvakuole ist die kontraktile Vakuole. Nach VERWORN 1897. Amöbe zusammenschließen und hiermit die Beute völlig einkerkern, ohne daß das Plasma der Amöbe selbst bis dahin mit dieser irgendwo in direkten Kontakt gekommen zu sein braucht (Fig. 77). Bei A. proteus wird dieses Einfangen meist dadurch eingeleitet, daß das Beuteobjekt zunächst von einem glockenartig sich vorwölbenden Fortsatz der Amöbe überdacht wird, der sich dann ohne Berührung der Beute zur Höhle schließt (GRUBER 1912). B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 55 Diese Art der Nahrungsaufnahme ermöglicht z. B. der A. proteus die Aufnahme von Euglenencysten, die vor ihr bei vorzeitiger direkter Berührung davonrollen (vgl. Jennıngs 1910), sowie so lebhaft beweglicher Infusorien wie Paramaecium und Coleps, die, während sie vorübergehend ruhen, überrascht werden (vgl. GrusER 1912). Sie erklärt sich nach RuumsLer (1910) „daraus, daß durch Reizwirkung von der Beute her eine lokale Aufquellung mit nachfolgender Verflüssigung der festen Ober- flächenschicht (eines einfachen Niederschlagshäutchens oder einer derberen Pellicula) der Amöbe an den der Beute zunächst gelegenen Stellen der Oberfläche stattfindet, welche ein pseudopodiales Vordringen der ver- quollenen bzw. verflüssigten und eventuell auch der unter ihr liegenden flüssigen Plasmaschichten nach der Beute hin zur Folge hat. Bei dem Vordringen gegen die Beute hin steigert sich aber infolge der mit der Annäherung zunehmenden Verflüssigung die ÖOberflächenspannung der der Beute am meisten genäherten Oberflächenteile und infolge hiervon muß die vorfließende Masse sich im Kreisbogen in einiger Entfernung von der Beute um letztere herumschlagen“. 3. Bei der Nahrungsaufnahme durch Import wird der Fremdkörper in die Amöbe hineingezogen, nachdem er mit deren wu “od Fre: 62: » L) »% Fig. 78. Amoeba verrucosa EHRBG. mit dem Import und der Aufrollung eines Oseillarienfadens beschäftigt. A—C Ein Exemplar in viertelstündigen Pausen gezeichnet. D Dasselbe nach mehreren Stunden. E—G Ein anderes Exemplar in größeren Zeit- intervallen gezeichnet: E die Einfuhr wird in kugeligem Zustande besorgt, F ein Pseudo- pod dringt auf dem Algenfaden vor, G das Pseudopod ist wieder zurückgezogen. 1 Pul- sierende Vakuole.e. Nach RHUMBLER 1898, von LANG ganz unwesentlich verändert. Oberfläche in Berührung gekommen ist, ohne daß die Amöbe dabei selbst irgendwelche nennenswerte Bewegungen auszuführen braucht, aber auch ohne daß ihr solche an sich beliebige Bewegungen ver- wehrt wären. Auf diese Weise vermögen Amöben (z. B. A. verru- 56 Protozoa. Max Lüns, cosa) Algenfäden, die bedeutend länger sind wie ihr eigener Körper, einzuziehen und dabei aufzuknäueln. RHUMBLER (1898) hat einen Algenfaden von 540 u von einer nur 90 u großen Amöbe in stunden- langer Arbeit zu einem dichten Knäuel aufrollen sehen. Die Amöbe kann dabei in folgender Weise vorgehen (Fig. 78): Sie umfließt einen Algenfaden (z. B. von Oseillaria) in seiner Mitte und nun beginnt an beiden Stellen, wo der Oscillariafaden frei aus der Amöbe vor- ragt, je ein Pseudopod vorzutreten, das den Algenfaden weiter um- fließt. Dann krümmt sich das eine oder das andere Pseudopod zurück und verschmilzt schließlich mit der Hauptmasse des Körpers, wodurch der Ösecillariafaden im Inneren der Amöbe geknickt wird. Oder die beiden Pseudopodien kontrahieren sich einfach, wodurch der Oscillariafaden von zwei entgegengesetzten Seiten in das Innere der Amöbe hineingezogen wird und sich hier in eine Windung legen muß. Dann fließen wiederum Pseudopodien um den frei vorragenden Algenfaden herum vor, biegen oder ziehen sich wiederum zurück, und so geht der Vorgang weiter. Bisweilen aber bewegt sich bei dem Nahrungsimport die Amöbenoberfläche überhaupt nicht: Der Faden dringt, wie aufgesogen, ohne besondere sichtbare Anstrengungen der Amöbe in deren Körper von zwei Enden aus ein. 4. Die Nahrungsaufnahme durch Einstülpung (In- vagination) ist namentlich für A.terricola charakteristisch, deren Ektoplasma infolge des Lebens im Moose und des dadurch bedingten Fig. 79. Amoeba terricola GREEFF. Nahrungsaufnahme durch Invagination, schematisch. /—5 Schnitte durch aufeinanderfolgende Stadien, 6 Gesamtansicht zur Dar- stellung der Stromrichtung im Ektoplasma der Oberfläche sowie der Invagination. Nach GROSSE-ALLERMANN 1909. Kontaktes mit der Luft sehr stark verdichtet ist und sich daher in einem Zustande expansiver Quellungsspannung befindet. Berührung eines Fremdkörpers führt hier an der Kontaktstelle nicht gleich zu einer Verflüssigung der Pellicula, sondern zunächst nur zu einer Herabminderung ihrer elastischen Widerstandskraft, die zu einer Ein- stülpung führen muß (RHUMBLER 1910). Der Nahrungskörper, der von der deutlich häutigen und offenbar stark klebrigen Öberflächen- schicht erfaßt wurde, wird daher dadurch in das Innere der Amöbe B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 57 hineingebracht, gewissermaßen eingeschlürft, daß sich die dem Fremd- körper anhaftende Strecke des Ektoplasmas schlauchartig in das Entoplasma hineinstülpt, um später nach Auflösung des eingestülpten Ektoplasmaschlauches den eingeführten Nahrungskörper dem Endo- plasma zur weiteren Verarbeitung zu übergeben (Fig. 79). Häufig sieht man die Nahrungsaufnahme der Amöbe noch im letzten Moment mißglücken (vgl. z. B. Jensnes 1910). Es ist dies nach Rauumsrer (1910) die Folge davon, daß die ÖOberflächenspannung der Amöbe nicht nur von der jeweiligen Plasmakonstitution, sondern auch von der Konstitution des Außenmediums und derjenigen etwa berührter fester Gegenstände abhängt und daß dadurch auch das Handlungsbereich der Amöbe in hohem Grade von den Einflüssen der Umgebung ab- hängig wird. Verdauung. Um die aufgenommenen Nahrungspartikelchen (mikroskopisch kleine Algen, Infusorien, Flagellaten, Rotatorien, Bakterien, Zooglöen. Protozoen- und Protophyteneysten, Eier niederer Tiere usw.) bilden sich gewöhnlich im Endoplasma Nahrungs- vakuolen, d. h. kugelige Wasseransammlungen, in welche von seiten des "umgebenden Protoplasmas Säuren und Fermente abge- schieden werden. Durch diese werden die verdaulichen Bestandteile der Nahrung in der Nahrungsvakuole gelöst und können dann vom ‘umgebenden Protoplasma assimiliert werden. Die Entstehung der Nahrungsvakuole beruht wohl stets auf einem verflüssigenden Reiz, den die eben aufgenommene Nahrung auf das Plasma ausübt (vgl. die Besprechung der Nahrungsaufnahme durch Ein- fangen auf S. 54f.). Den Hergang der Verdauung kann man sehr schön bei A. verru- cosa an einem und demselben Öscillarienfaden beobachten, wenn die Amöbe noch an dem Importe eines Fadens arbeitet, dessen in den Amöbenkörper eingeführtes anderes Ende bereits vollkommener Ver- dauung unterlegen ist. Das hellbläuliche Grün des freien Fadenendes geht allmählich innerhalb der Amöbe in Dunkelgrün über, das Dunkel- grün wandelt sich dann in Hellgelb um, das Hellgelb in Gelbrot, das Gelbrot in Braun, das Braun schließlich in Braunrot. Im Gebiete des Gelbrot, Braun und Braunrot verliert die Alge ihre Fadennatur (offenbar wird ihre Cellulose aufgelöst), sie zerbricht in unregelmäßig zusammen- gebackene Stücke, die schließlich in braunrote Krümel zerfallen. Diese bezeichnen die Endstufe der Verdauung und werden als Fäkalien aus- gestoßen. Bei einem langen Öscillarienfaden kann die Verdauung 3—5 Tage dauern (RuuMmBLer). Daß in die Nahrungsvakuolen Säure abgeschieden wird, läßt sich durch Färbung der lebenden Amöbe mit sehr stark verdünntem Neu- tralrot nachweisen, das bei Gegenwart von Säure eine lebhaft rote Farbe annimmt. Bakterien, die die Amöbe verschlungen hat, werden nämlich im Innern der Nahrungsvakuole in dieser Weise lebhaft rot gefärbt, sobald sie unter dem Einfluß der verdauenden Tätigkeit der Amöbe abgestorben sind (Mourox 1902), Von verdauenden Fermenten ist bei Amöben speziell ein proteo- lytisches (eiweißverdauendes) Ferment nachgewiesen worden (durch Mouron 1902). Dasselbe verflüssigt Gelatine sehr leicht, wirkt auf Fibrin nur, wenn es in physiologischer Kochsalzlösung gelöst ist, 58 Protozoa.. Max Lüur, dagegen nicht in Lösung in destilliertem Wasser, und ist auch nur von geringer Wirkung auf durch Hitze koaguliertes Hühnereiweiß. Anderer- seits erweist es sich noch wirksam bei Temperaturen, die für die Amöben schon sehr schädlich sind (37—45 °C), nach Erwärmung auf über 50°C nimmt seine Wirksamkeit jedoch ab, um durch Erwärmung auf 60° C völlig vernichtet zu werden. Eine fettverdauende Lipase konnte Mouron bei den von ihm untersuchten Amöben nicht nachweisen. Eine stärkeverdauende Amylase hat er zwar gefunden, doch läßt er es zweifelhaft, ob dieses Ferment wirklich aus den Amöben stammte und nicht etwa nur aus den zu deren Fütterung benutzten Colibacillen. Srorc (1900) hat jedoch be- obachtet, daß A. proteus Stärkekörner aufnahm und in der für diasta- tische Fermente charakteristischen Weise korrodierte. (Vgl. hierzu auch die nachfolgende Besprechung von Paramaecium.) Pelomyxa verdaut nach demselben Autor auch Üellulose, wie dies nach Ruumsrers Be- obachtung auch bei A. verrucosa der Fall zu sein scheint. Defäkation. Nach vollendeter Verdauung werden die unver- dauten Nahrungsreste ausgestoßen. Diese Defäkation ist ebenso wie die Nahrungsaufnahme an keine bestimmte Körperstelle gebunden und kann gleich dieser in verschiedener Weise erfolgen. 1. Im einfachsten Falle erfolgt die Defäkation durch einen Vorgang, der umgekehrt wie die Nahrungsaufnahme durch Umfließung oder durch Umwallung verläuft. Wenn der Kotballen nahe an die Oberfläche des Amöbenkörpers getreten ist, zerreißt die dünne ihn von dem umgebenden Medium trennende Plasmaschicht und von der Rißstelle fließt das Plasma Fig. 80. Amoeba (Vahlkampfia) limax. Vier aufeinander folgende Stadien der Defäkation. Neben dem dunklen Kern liegt im Plasma eine blasse kontraktile Vakuole. Aus VERWORN 1897. | nach den Seiten fort, so daß beim Weiterkriechen der Amöbe der Kot- ballen hinter ihr liegen bleibt (Fig. 80), falls er nicht etwa, was sehr häufig geschieht, anfangs noch an der Oberfläche der Amöbe kleben bleibt, eine Zeitlang mit herumgeschleppt und schließlich an irgend einem äußeren Hindernis abgestreift wird. 2. Die Defäkation durch Ausschleuderung, von RHUMBLER 1898 für A. verrucosa geschildert, scheint der Nahrungsaufnahme durch Import zu entsprechen. Die Entleerung des Nahrungsrestes erfolgt hierbei so gewaltsam, daß derselbe oft ziemlich weit fortgeschleudert wird. Abgesehen von dem Platzen der Kotvakuole ist hierbei jedoch keinerlei der Ausstoßung entsprechende Gestaltsveränderung der Amöbe wahrnehmbar. In ganz entsprechender Weise kann A. verucosa auch Oscillarienfäden wieder ausstoßen, die sie erst kurz vorher aufgenommen hatte und nun in unverdautem Zustande wieder freigibt (Fig. 81). B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 59 3. Endlich kann die Defäkation auch ganz wie die Nahrungsaufnahme mit Hilfe einer Invagination erfolgen. Wenn A. terricola sich zur Defäkation anschickt, so beginnt die Pellicula um die der Oberfläche nahe gerückten Nahrungsreste herum „durch Einstülpung eine erst flache, dann immer tiefer einschneidende ring- förmge Vertiefung zu bilden, deren innerer Durchmesser sich unterhalb der auszustoßenden Stoffe verringert und dadurch eine Art Blase, mit den Resten der Nahrungskörper als Inhalt, hervor- treten läßt (Fig. 82, 1—3). Die äußere Wand der Einsenkung rückt nun immer näher an die innere heran, um schließlich mit ihr zu verschmelzen (Fig. 82, 4, 5); auch in diesem Falle ist dies leicht er- klärlich durch den mangelnden Einfluß des Wassers. Dadurch aber vertieft sich der schon im vorigen Stadium angedeutete Kanal, sein Durchmesser wird geringer, während gleichzeitig ein Anschwellen der bruchsackartig über die Oberfläche emporragenden Defäkations- .blase zu beobachten ist. Augenscheinlich Fig. 81. Amoeba verrucosa EHREG., einen kurz vorher aufge- nommenen, noch unverdauten Algen- faden wieder rasch ausstoßend, ohne daß sie bei der Ausstoßung irgend- wie entsprechende Gestaltsverände- rungen vornimmt. B 5 Minuten später als A gezeichnet. Nach RHUMBLER 2 F 5 1898 aus DOFLEIN. werden von innen noch diffus im Plasma verteilte Stoffe in den Kanal hineingebracht. Dann verschließt sich das tief im Innern der Amöbe liegende Ende des Kanales durch vielseitiges Verschmelzen der Wände, so daß eine stark gefältelte Verdickung ent- steht (Fig. 82, 5). Die Kanalwände verschmelzen zu einem Faden (Fig. 82, 6) und auf diesem Stadium löst sich meistens die Defäkations- 5 6 4 8 Fig. 82. Amoeba terricola GREFF. schematisch. Nach GROSSE-ALLERMANN 1909. Defäkation mit Hilfe einer Invagination, 60 Protozoa. Max Lüne, blase, die sich hoch über die Oberfläche erhoben hat und nur noch durch einen dünnen aber äußerst zähen Faden mit dem Kanaleingang in Ver- bindung steht, ab (Fig. 82, 7). Der Faden im Innern der Amöbe zerreißt und nur ein feiner Strich im Ektoplasma deutet noch längere Zeit die Stelle an, wo die Invagination stattgefunden hatte (Fig. 82, 8). Das verdickte gefältelte Ende des Kanales aber ist noch tagelang zu er- kennen“, bis es vom Endoplasma aufgelöst wird. Besonders bemerkens- wert ist bei diesem Vorgange, daß zusammen mit den Nahrungsresten auch ein (wenn auch kleiner) Teil des Amöbenkörpers selbst abgestoßen wird (GROSSE-ALLERMANN 1909). Die Amöben sind auf körperliche Nahrung angewiesen und daher ist es nicht möglich, sie nach Art von Bakterien in Rein- kulturen zu züchten. Wohl aber gelingt die künstliche Züchtung einer Reihe von kleineren Arten, wie z. B. der Amöben vom Typus der A. limax, d.h. der Arten der Gattung Vahlkampfia CHATTON (1912), auf flüssigen und festen Nährböden in Form sogenannter „ge- mischter Reinkulturen“, d. h. zusammen mit Bakterien, die ihnen als Nahrung dienen. Die Zahl der verschiedenen für Amöbenzüchtung benutzten Nähr- böden ist eine sehr große. Wesentlich scheint nur zu sein, daß sie den zur Nahrung bestimmten Bakterien das Gedeihen ermöglichen, denselben andererseits aber auch nicht allzugünstige Existenzbedingungen schaffen, da sonst die Amöben völlig überwuchert werden. Deshalb ist Bouillon u. dgl. nur in starken Verdünnungen brauchbar. Unter den festen Nähr- böden hat sich besonders bewährt ein Agarnährboden nach Frosch (Agar 0,5, Leitungswasser 90,0, gewöhnliche alkalische Nährbouillon 10,0). Als flüssigen Nährboden empfiehlt Gräser (1912) 2—3 Tropfen Eiweiß auf ein Uhrschälchen mit Leitungswasser von 6 cm Durch- messer. Züchtung größerer Amöbenarten (z. B. A. proteus) auf festen Nähr- böden ist noch nie gelungen, offenbar wegen größerer Ansprüche, die diese Arten an die Ernährung stellen. Ebensowenig ist es möglich — trotz gegenteiliger Angaben in der Literatur — die parasitischen Ent- amöben außerhalb ihrer Wirte künstlich zu züchten. Die auf festen Nährböden gezüchteten Amöben zeigen naturgemäß eine langsamere Bewegung wie im Wasser. Auch die Plasmastruktur ist infolge der anderen osmotischen Verhältnisse verändert und vor allem durch stärkere Vakuolisierung gekennzeichnet; nach VAuLkAmPpF (1904) und Nicrer (1909) hängt dies damit zusammen, daß die Amöben auf dem festen Nährboden mehr Wasser aufnehmen müssen. um nicht auszu- trocknen. Als Schutz gegen Austrocknung ist es auch, wenigstens zum großen Teil, aufzufassen, wenn die Amöben in derartigen Kulturen stark zur Encystierung neigen. Reizbarkeit. Die Art, wie Amöben auf äußere Reize reagieren, ist in neuerer Zeit mehrfach studiert worden, am eingehendsten von Verworn (1889, 1897) und Jenninss (1904, 1910). Die verschieden- artigsten Reize, mechanische, chemische, thermische (Erwärmung auf über 350 sowie Abkühlung auf 0° und darunter), elektrische, radioaktive Reize haben Einziehen der Pseudopodien und kugelige Abrundung des Körpers zur Folge (Fig. 68 B). Auch bei schwächeren, noch nicht zur Abrundung führenden Reizen ist die Art der Reaktion kriechender B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 61 Amöben auf verschiedenartige Reize im wesentlichen immer die gleiche. Von Einzelheiten sei folgendes angeführt: 1. Mechanische Reize. Wenn eine mit sternförmig ausstrahlen- den Pseudopodien im Wasser flottierende Amöbe mit einem einzelnen Pseudopod eine Unterlage berührt, so bleibt dieses infolge Klebrigwerdens seiner Oberfläche haften und der Körper wird mehr und mehr an die Unterlage herangezogen, unter gleichzeitigem Einziehen der übrigen Pseudopodien; die Amöbe schmiegt sich auf diese Weise der Unterlage an und kriecht dann auf ihr hin (Fig. 71). Wird dagegen eine kriechende Amöbe an ihrem Vorderende mecha- nisch gereizt, so führt dies zunächst zu Stillstand der Bewegung, worauf ein anderes Pseudopod in anderer Richtung ausgesendet wird und die Fig. 83. Negative Reaktion der Amöbe auf mechanische Reizung. Eine Amöbe, die sich in der durch Pfeile bezeichneten Richtung fortbewegt, wird an a ihrem Vorderende mit der Spitze eines Glasstabes gereizt (a). Daraufhin zieht sich diese Stelle ein, die Strömungen ändern sich, und die Aussendung der Pseudopodien erfolgt in einer neuen Richtung (b). Bei Reizung des ganzen » Vorderendes ist die Richtungsänderung eines völlig neuen . Pseudopods noch wesentlich stärker. Nach JENNINGS 1904. Amöbe in dieser neuen Richtung wieder weiterkriecht (Fig. 83). Durch wiederholte derartige Reizung konnte Jenxıngs eine Amöbe in einer beabsichtigten Richtung vorwärtstreiben. 2. Chemische Reize. Gegen chemische Veränderungen des Mediums sind zwar nicht alle, aber doch manche Amöben sehr empfind- lich. Für Pelomyxa palustris z. B., die in der Regel in schlam- migen, stark nach Schwefelwasserstoff oder Sumpfgas riechenden Wassern lebt, ist eine Verdünnung dieses Mediums fast immer tödlich. Amoeba vespertilio andererseits, die besonders gut in klaren, algen- und diatomeenreichen Sumpf- oder Moorwassern gedeiht, kugelt sich nach Doflein (1907) sofort ab, wenn die Fäulnis verwesender tierischer Substanzen (Insektenleichen z. B.) einen gewissen Grad erreicht, und verharrt tagelang in diesem Zustand, um schließlich abzusterben, wenn nicht Zufuhr frischen Wassers erfolgt, die alle Individuen wieder be- weglich und normal werden läßt. A. proteus, die vor allem ein kalk- armes Wasser beansprucht, ist nach GruBEr (1912) von der Beschaffen- heit des Kulturwassers in ganz überraschend hohem Grade abhängig, so daß es oft der reine Zufall ist, ob man gerade ganz günstiges Wasser für Kulturzwecke findet; auch auf sie wirkt Fäulnis schädlich, ebenso stärkerer Kohlensäuregehalt, während eine der Verwendung voraus- gehende Durchlüftung des Wassers (z. B. abgestandenen Leitungswassers) keine Vorteile bietet. Positiv chemotaktische Reaktionen sind bei Amöben experimentell mit Sicherheit noch nicht herbeigeführt worden. Negative Chemo- taxis in Form der gleichen Reaktion wie auf mechanische Reize ist dagegen nicht schwer zu beobachten, am leichtesten nach Junnınes durch Einbringen einzelner Körnchen von Methylgrün oder Methylenblau in das Wasser. Die Reaktion tritt dann ein, wenn das Vorderende der 62 Protozoa. Max Lüns, Amöbe in Berührung kommt mit der sich von diesem Körnchen aus- breitenden Farbstoffwolke (Fig. 84). Fig. 834. Negative Chemotaxe der Amöbe. Etwas Methylgrün (punktiert dargestellt) diffundiert gegen das Vorder- ende der Amöbe. Diese reagiert mit Aussenden eines neuen Pseudopods auf einer Seite des Vorderendes und Fortkriechen in der dadurch bestimmten Richtung. Die Pfeile zeigen die Richtung der Plasmaströmung. Nach JENNINGS 1904. In durch Kalilaugezusatz schwach alkalisch gemachtem Wasser nehmen Amoeba limax und andere Arten infolge Aussendung langer schlanker fadenförmiger Pseudopodien, die sich verzweigen können, Stern- form an (Fig. 85); bei Ueberführung in gewöhnliches Wasser gewinnen sie dann ihre gewöhnliche Form zurück. Nach Gräser (1912) ist diese Formveränderung aber nur indirekt durch die Kalilauge bewirkt; diese zerstört die klebrige Substanz, die von der Pseupodienoberfläche abge- schieden wird, und macht dadurch die gewöhnliche Kriechbewegung der Amöbe unmöglich. Die fadenförmigen Pseudopodien „stellen offenbar Fig. 85. Amoeba (Vahlkampfia) limax. a kontrahiert, 5 im Beginn der Pseudopodienbildung (Proteusform), c gewöhnliche Limaxform, d—f Formen nach Zusatz von Kalilauge, d am Beginn von deren Einwirkung, e—f Radiosaformen (vgl. hierzu Fig. 71). Nach VERWORN 1897. einen Versuch der Amöbe dar, sich doch noch einigermaßen zu befesti- gen. Dazu ist diese Form der Pseudopodien — zahlreiche dünne Fortsätze, die eine möglichst große Oberfläche entwickeln — sicher die geeignetste und wir finden sie daher besonders ausgebildet bei den Foraminiferen, die eine schwere Schale herumzuschleppen haben.“ In sauerstofffreiem Medium stellen die Amöben und andere Rhizo- poden ihre Pseudopodienbildung ein, um sie erst bei Sauerstoffzufuhr wieder aufzunehmen. B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 63 3. Thermische Reize. Wenn Jenxınas eine kriechende Amöbe an ihrem Vorderende vorsichtig durch Erwärmung reizte (durch Berührung des Deckglases des Präparates vor der Amöbe mit einer erhitzten Nadel) so erfolgte die gleiche Reaktion wie bei entsprechender mechanischer Reizung und die Amöbe kroch nach einer anderen Richtung (negative Thermotaxis). Auf Kältereize konnten dagegen weder VERWORN noch Jennıngs eine Reaktion erzielen, soweit nicht die Stärke des Reizes zu kugeliger Abrundung führte. Im übrigen ist die Temperaturempfindlichkeit bei verschiedenen Amöben offenbar recht verschieden. A. vespertilio z. B. kriecht nach Dorreın (1907) bei Temperaturen über 30°C noch außerordentlich lebhaft umher, um erst bei 37° © sich abzukugeln und abzusterben; bei Abkühlung bis auf etwa 5° C tritt eine starke Verlangsamung aller Lebenserscheinungen (Bewegung, Stoffwechsel, Vermehrung) ein und in- folge der Verzögerung der Vermehrung durch Teilung wachsen die Tiere zum Teil zu sonst nicht erreichten Größen heran; bei + 2—4°Ü erstarren sie, ohne sich vorher abgekugelt zu haben. Bei A. terricola ist da- gegen nach GRoSSE-ALLERMANN (1909) schon bei Temperaturen über 20° C die Beweglichkeit und Widerstandsfähigkeit sehr herabgesetzt und bei 25°C leben die Amöben meist nur noch wenige Stunden; dafür ist aber ihre Beweglichkeit auch bei Temperaturen unter 10° C noch eine sehr lebhafte und ein kurzwährendes Einfrieren einiger Amöben in einem Wassertropfen führte noch nicht zu deren Tode, vielmehr erwachten sie nach dem Auftauen bei steigender Temperatur bald wieder zu vollem Leben. Bei A. proteus führt geringe Erwärmung nach GrUBER (1912) zu einer Steigerung der Pulsationsfreguenz der kontraktilen Vakuole, Erwärmung auf 30°C dagegen zu einer stetigen Zunahme der Vakuolen- größe bis auf ein Vielfaches, ohne daß eine Entleerung erfolgt, und erst eine Erholung der Amöbe in kühlem Wasser läßt den ursprünglichen Rhythmus wieder auftreten. Vgl. auch Fig. 68 auf S. 46. Die bei Erwärmung innerhalb der überhaupt erträglichen Grenzen eintretende Steigerung der Bewegungsintensität ist nach Versuchen, die GruBer (1912) bei A. proteus machte, nur eine vorübergehende: eine konstante Temperatur von 22° C hat nach etwa 24 Stunden eine deut- liche Schädigung zur Folge und bei 30° © erfolgt schon nach etwa 11], Stunden der Zerfall der Amöben, die anfangs sehr lebhaft beweglich waren, sich später unter degenerativer Veränderung des Ektoplasmas abkugelten, sich aber nach einstündiger Einwirkung der genannten Tem- peratur trotz der bereits eingetretenen starken äußeren Veränderungen noch vollständig erholen konnten. 4. Optische Reize. Helle Belichtung scheint nach Beobach- tungen von RuungLer (1898) die Nahrungsaufnahme der Amöben zu ver- hindern oder zu erschweren (in der Tat ist bei den mit dem Spiegel stark belichteten Amöben unter dem Mikroskop die Nahrungsaufnahme nur selten zu beobachten), dagegen die Defäkation zu fördern. Vielleicht er- folgt die Nahrungsaufnahme vorwiegend bei Nacht, die Defäkation am Tage. Nach Näcrer (1909) hemmt starkes Licht die bereits begonnene Kern- teilung, womit es wohl auch zusammenhängt, daß die Teilungsvorgänge sich vorzugsweise bei Nacht abspielen. Plötzliche intensive Belichtung führt zu kugeliger Kontraktion und späterem Absterben der Amöben (EnseLmann 1879, Dreyer 1903). Plötzliche Belichtung, die nur das äußerste Vorderende einer kriechenden Amoeba limax trifft, führt zu Umkehr der Bewe- 64 Protozoa. Max Lünk, gungsrichtung (negative Phototaxis, Fig. 86). Im übrigen konnte aber eine Reaktion der Amöben auf senkrecht von unten einfallende I ITIA IIB Fig. 86. Negative Phototaxis der Amöbe. I Auf einem großen Deckglas befindet sich eine Wassermasse mit vielen Amöben. Das Deckglas liegt über einem schwarzen Grunde, der in der Mitte einen scharfen, viereckigen Querschnitt hat. Durch Verschieben des Deckglases kann eine Amöbe gerade so eingestellt werden, daß sie beim Verfolg ihrer Kriechbahn über die Grenze des Ausschnittes kriecht (IT A). Wird dann plötzlich konzentriertes Sonnenlicht vom Mikroskopspiegel durch den Ausschnitt gelassen, so kriecht die Amöbe sofort wieder ins Dunkle zurück (IT B). Die Pfeile geben die Kriechriehtung an. Nach VERWORN 1897. Sf y) “ Lichtstrahlen nicht konstatiert werden, was freilich nach Jennines vielleicht nur mit tech- Y nischen Schwierigkeiten zusammenhängt. Fallen J die Lichtstrahlen schräg von der Seite auf die n Amöbe, so reagiert diese nach Davenrorr (1897) \ negativ durch Fortkriechen nach der entgegen- gesetzten Richtung (Fig. 87). Harrınaron und Leanmg (1900) fanden Verschiedenheiten der Reaktion auf verschiedenfarbiges Licht (Stillstand in weißem und blauem, Wiederbeginn der Be- wegung in rotem Licht); Dreyer (1903) fand umgekehrt die Beweglichkeit einer Amöbe in rotem Licht außerordentlich viel geringer als in weißem oder blauem Licht, während zwischen letzteren beiden kein wesentlicher Unterschied bestand. Auch die von DrEYER untersuchte _—> Fig. 87. Negative Phototaxis der Amöbe. Die schwarz gezeichnete Amöbe bewegte sich zuerst in der durch den punktierten Pfeil angedeuteten Richtung. Dann wurde sie seitlich belichtet, wobei die Lichtstrahlen nach- einander aus den durch ausgezogene Pfeile angedeuteten k Richtungen kamen. Jedesmal wenn die Richtung der Be- AM lichtung wechselte, änderte auch die Amöbe ihren Kurs derart, daß sie stets von der Lichtquelle fortkroch. Nach DAVENPORT (1897) und JENNINGS (1910). Se) er er B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 65 Schädigung der Amöben durch sehr intensives Licht ist bei Licht ver- schiedener Wellenlänge sehr verschieden: sehr groß bei ultraviolettem, überhaupt nicht nachweisbar bei rotem Licht. 5. Elektrische Reize sind vielfach Gegenstand der Unter- suchung gewesen. Einzelne Induktionsschläge haben kugelige Abrundung zur Folge (EnGenLmann 1869). Unter dem Einfluß des konstanten gal- # 2 3 4 Fig. 88. Negative Galvanotaxis der Amöbe. Die Pfeile zeigen die Richtung der Plasmaströmung. Bei 7 ist die Fortbewegungsrichtung vor der Einwirkung des elek- trischen Stromes angedeutet; 2—/ zeigen aufeinander folgende Stellungen nach der Durch- leitung des elektrischen Stromes durch das Präparat. Nach JENNINGS 1904. vanischen Stromes kriecht die Amöbe, häufig unter Veränderung ihrer Pseudopodienform (Fig. 23), nach der Richtung der Kathode (negative Galvanotaxis, Fig. 88). 6. Die Einwirkung ven Röntgen- und Radiumstrahlen führt bei Amöben zum Einziehen der Pseudopodien und zu kugeliger Abrun- dung, der Absterben und Zerfall folgen kann. Formen mit wasser- reichem leichtflüssigen Plasma scheinen leichter geschädigt zu werden wie solche mit zähflüssigem Plasma und bei Formen mit zahlreichen Kernen ist die Schädigung sehr viel erheblicher wie bei einkernigen (SCHAUDINN 1899, Zürzer 1905). Als Beispiel sei angeführt, daß bei Radiumbestrah- lung nach Zürzer Pelomyxa palustris nach 4—10 Minuten unter Beschleunigung der Plasmaströmung lebhafter umherzukriechen, nach weiteren 8—15 Minuten dagegen sich abzukugeln begann; nach aber- mals ca. 10 Minuten können die Tiere dann bereits zerfallen, während andere (kleinere? — bei Röntgenbestrahlung sterben nach ScHAaupınn größere, kernreichere Pelomyxen früher ab wie kleinere) 1—4 Stunden ruhig daliegen können, um dann erst langsam aufzuquellen und zu zer- platzen. Die kleine einkernige Amoeba limax erwies sich dem- gegenüber viel widerstandsfähiger: wurden schnell umherkriechende Tiere der Radiumbestrahlung ausgesetzt, so verlangsamten sie allmählich ihre Bewegungen; nach 3—4 Stunden lagen sie ruhig und kugelten sich ab, um dann nach 24 Stunden noch unverändert zu sein; wurden sie nunmehr der Radiumeinwirkung wieder entzogen, so erholten sie sich rasch und krochen schon nach 2 Stunden wieder normal umher. Als Merotomie bezeichnete BaAuzıanı das Zerschneiden einer lebenden Zelle in zwei oder mehr Stücke zwecks Feststellung, wie sich die verschiedenen Stücke verhalten. Solche Versuche sind bei Amöben von Horer (1889), Srorc (1902 und 1910) und Gruzer (1912) ausgeführt worden. Zerschneidet man eine A. proteus derart, daß man ein kernhaltiges und ein kernloses Stück erhält, so verhält sich das kernhaltige wie eine normale Amöbe. Auch das kernlose Stück kann noch längere Zeit am Leben bleiben, nach Horer durchschnittlich 9—10 Tage, bei einem Versuche von SrtouLc sogar 34 Tage, schließlich aber geht es immer zugrunde. Seine Bewegungen sind verändert und herabgesetzt; sie erscheinen un- Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. 1. 5 66 Protozoa.. Max Lünr, geordnet, scheinbar ziellos.. Anscheinend ist die normale Reaktion des Plasmas auf äußere Reize infolge des Verlustes des Kernes gestört und insbesondere haben die Pseudopodien meist die Fähigkeit verloren, bei Berührung klebrig zu werden und sich an eine Unterlage anzuheften. Die Erscheinungen des Stoffwechsels sind zwar nicht völlig aufgehoben, aber doch wesentlich eingeschränkt. Vor allem sind die kernlosen Stücke unfähig, aufgenommene Nahrung zu verdauen und zu assimilieren, während der Verbrauch der Körpersubstanz nur verlangsamt, aber nicht auf- gehoben wird, indem sowohl Sauerstoffaufnahme wie Exkretion auch weiter stattfinden; war die kontraktile Vakuole in dem kernhaltigen Stück geblieben, so wird eine solche in dem kernlosen neu gebildet (Fig. 89), die Pulsation der Vakuole in dem kernlosen Stück ist jedoch Fig. 89. Amoeba proteus, Merotomie. 7 unmittelbar nach der Durchschnei- dung, IT am zweiten Tage nach derselben. A kernlose, B kernhaltige Hälfte. 7 Alte kontraktile Vakuole, bei der Durchschneidung der kernhaltigen Hälfte zugeteilt, 2 Kern, 3 in der kernlosen Hälfte neu aufgetretene kontraktile Vakuole. Nach HOFER 1889. verlangsamt. — Das Verhalten des Kernes in dem kernhaltigen Bruch- stück hat GruBER näher untersucht und hierbei gefunden, daß der Kern sich durch Verkleinerung dem reduzierten Volum des umgebenden Plas- mas anzupassen sucht und sich erst später wieder vergrößert, wenn die operierte Amöbe auch ihrerseits wieder im Gefolge ihrer Nahrungsauf- nahme heranwächst. Für den normalen Ablauf der Lebensvorgänge ist also anscheinend ein streng geregeltes Größenverhältnis von Kern und Plasma erforderlich (vgl. auch die Besprechung der Kern-Plasma- relation bei Paramaecium, S. 119 £.). Enceystierung. Langsam auftretende schädigende Einflüsse führen bei den Amöben die Bildung einer Cyste herbei (vgl. Fig. 94 B). Die Encystierung geht bei A. vespertilio nach Dorrzzın (1907) folgendermaßen vor sich: „Das Tier ‚zieht seine Pseudopodien ein und kugelt sich unter Ausstoßung einzelner Fäkalballen zu einer ziemlich vollkommenen Kugel ab. Sehr bald schon erscheint sie von einer doppelt konturierten Hülle umgeben, welche wasserhell durchsichtig ist und eine weiche Konsistenz besitzt. Ringsum erscheint eine solche Cyste von Fortsätzen bedeckt, welche fast wie kurze, feine Pseudopodien aussehen. Sie sind manchmal breit lappenförmig, manchmal dünn fingerförmig, oft distal verbreitert und in Zipfel geteilt oder sehr fein gezackt. Während B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 67 ihrer Entstehung sind sie offenbar zähflüssig und klebrig. Dieselbe Konsistenz scheint die doppeltkonturierte Cystenhülle zu besitzen, von deren Außenseite sie entspringen.“ Bei der im Darme des Menschen schmarotzenden Entamoeba coli erfolgt die Encystierung unter dem Einflusse der Eindickung des Kotes im Dickdarm. Die Cystenhülle, innerhalb deren ein Vermehrungs- vorgang sich abspielt (vgl. unten), ist anfangs’ gallertig, um jedoch bald zu fester Schalenkonsistenz zu erhärten (Schaupınn 1904, WERNER 1911). Die von Srtorc (1910) beobachtete Encystierung der vielkernigen Pelomyxa palustris ist dadurch bemerkenswert, daß ihr ein Ver- mehrungsvorgang vorausgeht und die Hülle doppelt ist. Der Körper des Tieres, der keine Nahrungskörper oder Ueberreste von solchen mehr enthält, teilt sich in mehrere, und zwar ungleiche Teile von väriablen Dimensionen. „Aus jedem solcher Teilstücke wird schließlich eine Cyste, indem die Stücke sich abrunden und besondere Stoffe sezernieren, die eine zweifache Hülle liefern. Die äußere, mehr oder weniger breite, zu- weilen sogar undeutliche Hülle ist von einer schleimigen Konsistenz, so daß an ihr verschiedene Partikel (Humus, Algenüberreste, Sandkörnchen) haften bleiben, wogegen die innere, derbere, ziemlich dicke und hell- braune Hüllmembran chitinartiges Aussehen hat. Letztere Hülle ist noch dadurch. bemerkenswert, daß ihre Oberfläche keineswegs glatt, son- dern in regelmäßigen Abständen mit seichten länglichen Grübchen ver- sehen ist.“ Wie stark die Dimensionen dieser Cystenschwanken, mag durch ein Beispiel er- läutert werden, wo 5 von einem Individuum gebildete Oysten einen Durchmesser von 1,0, 0,35, 0,3, 0,2 bzw. aber- mals 0,2 mm hatten. Fortpflanzung. Die häufigste Ver- mehrungsweise der Amöben ist die Zwei- teilung, soweit unsere derzeitigen, noch immer recht wenig be- friedigenden Kennt- nisse über die Fort- pflanzungsverhältnisse der Amöben hierüber ein Urteil gestatten. Daneben kommt aber auch multiple Teilung u nee Be : “4: ig. 90. Amoeba polypodia M. SCHULTZE in den a, - nenn ‘ aufeinander folgenden Stadien der Teilung. Vergr. 250 :1. erfall in eine gröbele Die helle Stelle ist die kontraktile Vakuole, der dunkle Zahl von Tochterindi- Fleck der Kern. Nach F. E. Scuuze 1875. viduen vor (Fig.90-95). Die Teilung des Kernes ist wohl nie eine einfache direkte Durch- schnürung, wenn sie als Promitose (Fig. 91 und 146, I) einer 68 Protozoa. Max Lüne, solchen auch recht ähnlich erscheinen kann, während sie in anderen Fällen Bilder bietet, die in gewissen Teilungsstadien an die Mitose der Metazoenzellen erinnern (vgl. außer Fig. 91 und 92 auch den Ab- schnitt über den Kern der Protozoen). So verschiedenartig aber diese Kernteilungen auch verlaufen können, sind sie für die einzelnen 12 Fig. 91. Kernteilung (Promitose) von Amoeba (Vahlkampfia) limax. 2 ruhender Kern, 2, 35 Beginn der Kernteilung und Bildung der Polkappen, 4, 5 An- sammlung von Chromatinkörnchen zwischen den beiden Polkappen (in 4 zwischen diesen noch eine feine chromatische Verbindung), 6 Kondensierung dieser Chromatinkörnchen zu Chromosomen und Bildung einer Aequatorialplatte, 7 die Chromosomen sind in die Länge gewachsen, 8 dieselben haben sich in Tochterchromosomen geteilt, 9, 10 Aneinander- lagerung und Verklebung der Tochterchromosomen (in 9 hat sich die Kernmembran schon durchgeschnürt, 2/2 Abrundung der vereinigten Tochterchromosomen, die an Größe zu- genommen haben, während die Polkörper stark verkleinert sind. Die Amöbe hat sich auf diesem Stadium bereits in zwei Tochteramöben geteilt. 12 Vollständige Vereinigung von Chromosomen und Polkörper. Uebergang in den ruhenden Kern. Nach VAHL- KAMPF 1905. Arten doch charakteristisch, derart daß ihre Verschiedenartigkeit ebenso wie auch der verschiedene Bau des ruhenden Kernes für die systematische Unterscheidung der Amöben von be- sonderer Wichtigkeit ist. Näheres hierüber siehe bei GLÄSER (1912) und NÄGLER (1909). Bei der multiplen Teilung der Amöben erfolgt die Vermehrung der Kerne wohl stets durch wieder- holte Zweiteilung (z. B. bei A. vespertilio und A. blattae) und dieser Kernvermehrung folgt dann in jedem Falle alsbald die Zerteilung des Plasma- körpers in so viele, je einen Kern enthaltende Teilstücke, wie vorher Kerne entstanden waren. 2: Bei der Schizogonie von Entamoeba coli ” / sollte nach Scuaupinn (1903) an Stelle einer wieder- holten Zweiteilung eine gleichzeitige multiple Teilung des Kernes in 3 Tochterkerne stattfinden, entsprechend h der 8-Zahl der entstehenden Tochteramöben; Harr- Fig. 92. Amoeba ; 3 binucleataGruser. MANN und Wırnmore (1912) haben dies aber nicht Beginn der Teilung, bestätigen können und nehmen auch für diese Art Beide Kerne teilen wiederholte Zweiteilung an. sich gleichzeitig. Die Andererseits schildert Pororr (1911) für A. mi- Teilung ähnelt sehr : N ? einer Mitose. Nach anuta einen Zerfall des ursprünglichen Kernes SCHAUDINN 1895. unter Austritt von Chromatinbrocken (Chromidien) B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 69 in das Plasma und darauf folgende Entstehung der neuen Kerne aus wieder zusammentretenden Chromatinbrocken. Seine diesbezüglichen Angaben sind aber bisher um so weniger beweiskräftig, da er selbst be- tont, daß die Zahl der Kerne allmählich zunimmt, wie es doch ge- rade bei wiederholter Zweiteilung der Fall sein müßte. Bei Arcella hat zwar Herrwıc (1899) die Entstehung zahlreicher neuer Kerne aus Chromidien bei gleichzeitigem Zerfall der beiden alten Kerne beobachtet; aber hier entwickeln sich diese „Sekundärkerne“ gleichzeitig und nicht nacheinander. Multiple Teilung ist bisher erst von verhältnismäßig wenig ‘ Amöben sicher bekannt, wahrscheinlich aber weiter verbreitet. Sie kann gleich der Zweiteilung als vegetative Vermehrung auftreten oder aber in Zusammenhang mit Befruchtungsvorgängen stehen, und da wohl stets neben ihr auch noch einfache Zweiteilung vorkommt, so ergibt sich hieraus ein verhältnismäßig komplizierter Entwickelungs- kreis, der zuerst von SCHAUDINN (1903) bei der im Darme des Menschen schmarotzenden Entamoeba coli verfolgt wurde und den wir an dem Beispiel von Amoeba minuta Pororr (1911) unter vergleichender Heranziehung einiger anderer Arten Sina näher be- trachten wollen. A. minuta ist eine Amöbe von 15—25 y Durchmesser, die in ‚Sofia in mit Kopfsalatinfus angesetzten Flagellatenkulturen auftrat. Ihre vegetative Vermehrung (Agamogonie) besteht entweder in Zwei- teilung (Fig. 93, 2) oder in multipler Teilung (Schizogonie), bei der ohne vorherige Encystierung gleichzeitig bis zu 9 Tochtermöben ent- stehen (Fig. 93, 3—5). Sowohl die Zweiteilung wie die Schizogonie können sich mehrfach wiederholen und ganz das gleiche gilt auch für die Entamöben (z. B. Entamoeba coli und Entamoeba muris), bei deren Schizogonie stets 8 Tochtermöben gebildet werden. Auch bei der in Sumpf- und Moorwasser lebenden A. vespertilio DorLeın (1907) kommt neben Zweiteilung eine Schizogonie mit dreimaliger Zwei- teilung des Kernes und darauf folgendem Zerfall des Amöbenkörpers in 8 junge Tochtermöben vor. Eine Gesetzmäßigkeit bei dem Wechsel zwischen Zweiteilung und Schizogonie ist bisher nicht bekannt. Bei Amoeba blattae kommt nach Mercıer (1909) Schizogonie nicht vor, so daß die Agamogonie hier nur in wiederholten Zweiteilungen besteht; auch von Entamoeba tetragena ist bisher nur Zweiteilung bekannt. Neben der Schizogonie kommt sowohl bei A. minuta wie auch bei den Entamöben noch eine zweite Form der multiplen Vermehrung vor, die sich von der ersteren sofort dadurch unterscheidet, daß sie inner- halb einer Cyste erfolgt (Fig. 93, 6—10). Bei A. minuta ist die hierbei entstehende Zahl von Tochterindividuen eine verhältnismäßig große (bis zu ca. 40). Nachdem die Kerne für diese Tochterindividuen gebildet sind, vielleicht auch schon während dieselben noch eine Ver- mehrung erfahren, entsteht im Zentrum der Üyste eine unregelmäßig gestaltete große Vakuole (Fig. 93, 9), die zuerst einheitlich ist, dann aber allmählich feine Ausläufer nach allen Richtungen hin entsendet (Fig. 93, 10). Diese Vakuolenkanäle winden sich überall im Plasma durch und zerteilen dieses derart, daß um jeden Kern eine Plasmaschicht abgegrenzt wird. Anscheinend wird hierbei das ganze Plasma aufge- braucht, ohne daß ein zugrunde gehender „Restkörper“ übrig bleibt. Ist diese Entwickelung abgeschlossen, so „reißt die Cystenwand an 70 Protozoa. Max Lüne, manchen Stellen durch“ und läßt die in der Oyste entstandenen Tochter- individuen in Form kleiner Amöben austreten (Fig. 93, 11). Die letzteren sind die befruchtungsfähigen Gameten und die Vermehrung innerhalb der Cyste charakterisiert sich somit als Gamogonie im Gegensatz zu Fig. 93. Zeugungskreis von Amoeba minuta POPOFF. Schematisch., 1 er- wachsene Amöbe, 2 Vermehrung durch Zweiteilung (kann sich mehrfach wiederholen), 3—5 Schizogonie (Agamogonie) (ebenfalls mehrfach wiederholt), 6 Eneystierung der er- wachsenen Amöbe, 7—9 Vermehrung der Kerne in der eneystierten Amöbe (Gamogonie), 10 Sonderung der Gameten innerhalb der Cysten, 71 ausgeschlüpfte Gameten, 12 Kopu- lation zweier Gameten, 13 Copula, 24/—15 junge herauwachsende Amöben. Aus PoProrFrrF 1911. den vegetativen Vermehrungsweisen (Agamogonie) durch Zweiteilung und Schizogonie. Irgendwelche Geschlechtsunterschiede zwischen den Gameten oder auch zwischen den sie erzeugenden Cysten sind nicht wahrnehmbar; es handelt sich also um Isogameten. Je zwei dieser B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. TI Gameten verschmelzen dann miteinander, wobei der Verschmelzung des Plasmas zu einem einheitlichen Plasmakörper (Fig. 93, 12) auch die Verschmelzung der beiden Kerne zu einem neuen einheitlichen Kerne (Kopulationskern, Frischkern oder Synkaryon) folgt (Fig. 93, 13). Nach Analogie mit den Erfahrungen bei anderen Protozoen (auch speziell Sarcodinen, z. B. Trichosphaerium, Peneroplis) dürfen wir vermuten, daß nur 2 aus verschiedenen Cysten stammende Gameten miteinander kopulieren (in Fig. 93 dadurch angedeutet, daß in Stadium 10 2 Cysten gezeichnet sind, was nicht etwa als eine Teilung der einen in Stadium 9 gezeichneten Cyste aufgefaßt werden darf). Die durch Verschmelzung der beiden Gameten entstandene Copula wächst dann alsbald heran (Fig. 93, 13—15, I), um hierauf wieder zur vegetativen Vermehrung durch Zweiteilung oder durch Schizogonie zu schreiten. Damit sind wir bei dem Stadium wieder angelangt, von dem unsere Betrachtung ausging; der Entwickelungskreis der Amöbe ist ge- schlossen. Bei A. blattae erfolgt nach Mkrcıer (1909) eine multiple Ver- mehrung innerhalb einer Cyste in gleicher Weise wie bei A. minuta als Gamogonie unter Bildung zahlreicher kleiner amöbenförmiger Ga- meten; die beiden miteinander kopulierenden Gameten sollen aber stets etwas verschieden groß sein (Anisogameten). Bei den Entamöben entstehen innerhalb einer Cyste nach wieder- ‚holter Zweiteilung des Kernes stets 8 (bei E. coli und muris) bzw. 4 (bei E. tetragena und ranarum) junge Amöben und auch hier handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Gamogonie. ScHaupınn (1903) hat zwar eine wesentlich abweichende Darstellung dieser Entwicke- iungsvorgänge gegeben. Nach ihm soll nämlich nach der Enceystierung zunächst die Befruchtung in Form einer Autogamie (Selbstbefruchtung) erfolgen. Dann erst soll die zur Entstehung der kleinen Amöben füh- rende Vermehrung stattfinden und diese jungen Amöben sollen nach ihrem Ausschlüpfen aus der Cyste direkt zur erwachsenen vegetativen Form heranwachsen. Hiernach würde also die multiple Vermehrung innerhalb der Cyste bei den Entamöben keine Gamogonie sein wie bei A. minuta und A. blattae, sondern ein sich an die Befruchtung an- schließender einmaliger Vermehrungsvorgang besonderer Form, wie er von den Üoceidien als „Sporogonie“ bekannt ist (vgl. hierzu unten den Abschnitt über den Generationswechsel bei Protozoen). Harrmann (1911, 1912) sowie HArTMmAnn und WırHumorE (1912) haben aber ScHhAaupinns Angaben nicht bestätigen können und vermuten, daß Schaupıinn durch Degenerationserscheinungen irregeführt wurde und daß auch bei den Entamöben keine Autogamie vorkommt, vielmehr erst die aus der Cyste ausschlüpfenden kleinen Amöben ganz wie bei A. blattae und minuta die Gameten darstellen. Im Anschluß hieran sei noch erwähnt, daß bei freilebenden Amöben des Süßwassers mehrfach irrige Auffassungen über die Fortpflanzung veranlaßt worden sind durch parasitische Organismen, die sich ver- hältnismäßig häufig in den Kernen der Amöben einnisten (vgl. hierüber z. B. Dorteın 1907). In dem Entwickelungskreis der vorstehend besprochenen Amöben sind sämtliche bewegliche Stadien amöbenförmig. Bei einigen an- deren Arten sind dagegen neben den typischen Amöbenformen auch flagellatenförmige Entwickelungsstadien beobachtet wor- 712 Protozoa. Max Lüns, den, deren Zugehörigkeit zu den betreffenden Amöbenarten durch die Kernverhältnisse sichergestellt scheint. So hat z. B. Arkxumerr (1912) ein flagellatenförmiges Stadium mit 2 langen Geißeln bei A. (Vahlkampfia) limax und punctata be- obachtet (Fig. 94). Genauere An- gaben über eine Amöbe, bei der der- artige flagellaten- förmige Stadien auf- treten, hat vor allem ScHauDInx (1896) für Paramoeba eil- hardi gemacht, für die der sogenannte „Nebenkörper“, ein neben dem Kern im Plasma gelegenes, stark lichtbrechen- des, kugeliges oder wurstförmiges Ge- bilde von selbstän- diger Teilungsfähig- keit charakteristisch Fig. 94. Amoeba (Vahlkampfia) punctata DANGEARD. : A Vegetative Amöbenform. B Cyste mit charakteristischen ist (Big. 98, A) Chromatinbrocken im Plasma. © Zweigeißliges Stadium. cv Kon- ” or der En- traktile Vakuole, in A kurz vor, in € kurz nach der Ent- cystierung stößt leerung. Vergr. 1500:1. Nach ALEXEIEFF 1912. Paramoeba eilhardi die Nahrungsreste aus, zieht die Pseudopodien ein und rundet sich ab. Dann wird zuerst eine gallertige Hülle ausgeschieden, mit der die ausgestoßenen Nahrungs- reste verkleben können (Fig. 95, B—D), und darauf innerhalb dieser noch eine festere Membran. Innerhalb der so gebildeten Cyste teilt sich dann zunächst der Nebenkörper in zahlreiche Teilstücke (Fig. 95, B). Hierauf zerfällt der Kern durch mehrfache, sich rasch wiederholende Zweitei- lungen in zahlreiche kleine Tochterkerne, die sich im Plasma so ver- teilen, daß sich zu jedem Nebenkörper ein Kern gesellt (Fig. 95, C). Hierauf zieht sich das Protoplasma etwas von der Cystenhülle zurück und die je von einem Nebenkörper begleiteten Kerne rücken an die Ober- fläche, wo sich um jeden von ihnen eine Plasmaportion sondert (Fig. 95, D). Diese Sonderung der einzelnen Plasmaportionen schreitet von der Ober- fläche nach der Tiefe zu vor und schließlich wird auch das anfangs noch ungeteilt gebliebene Plasma im Zentrum der Cyste zerklüftet. Die ein- zelnen Teilstücke lagern sich dabei unregelmäßig durcheinander und schwärmen dann nach Sprengung der Cystenhülle als flagellatenähnliche . Zellen aus, nachdem sich inzwischen an ihnen je 2 Geißeln ausgebildet haben. Diese flagellatenförmigen Stadien kann man nicht einfach als Schwärm- sporen bezeichnen (z. B. entsprechend den Schwärmsporen der Radio- larien, vgl. die nachstehende Besprechung von Coelospathis), da Schwärm- sporen sich (meist nach vorheriger Kopulation, d. h. paarweiser Ver- schmelzung) direkt zu der erwachsenen Form entwickeln, ohne sich vor- B. Monographische Darstellung einzelner Protozoentypen. 1. Amoeba. 73 her fortzupflanzen. Bei Paramoeba eilhardi pflanzen sich dagegen die ausschwärmenden Geißelformen nach Flagellatenart durch Längstei- lung fort. Sie stellen also eine besondere Generation dar und es be- steht bei Paramoeba eilhardi ein Generationswechsel zwischen einer sich zuerst durch Zweiteilung, dann durch multiple Teilung fort- pflanzenden Amöbengeneration und einer sich durch Längsteilung fortpflanzenden Flagellatengeneration. Die Individuen der Flagellatengeneration (Fig. 95, E) sind vorn schräg abgestutzt oder etwas ausgebuchtet. Im Grunde dieser Aus- buchtung öffnet sich ein röhrenförmiger Öytopharynx und neben dem Cytostom entspringen die beiden Geißeln. Im Plasma entwickeln sich bei älteren Individuen zwei große gelbliche bis braungelbe Chromato- Fig. 95. Fortpflanzung und Generationswechsel von Paramoeba eilhardi SCHAUDINN. A Vegetative Amöbenform. B—D Multiple Vermehrung im encystierten Zustand. E Das aus der Cyste ausschlüpfende flagellatenförmige Stadium. F—I Stadien der Längsteilung dieser Flagellatenform. 1 Nebenkörper, 2 Kern, 3 gefressene Diatomeen, 4 Cystenhülle,. 5 Chromatophoren, 6 Stärke. Vergr. von A und F—I ca. 1125 :1, von B—E ca. 600:1. Nach SCHAUDINN 1896. phoren sowie Stärkekörnchen. Die Tierchen zeigen eine außerordentliche Aehnlichkeit mit gewissen, schon lange bekannten Arten der Flagellaten- gattung Cryptomonas, der die in Trichosphaerium wie auch die in Peneroplis hausenden Zooxanthellen angehören (Fig. 17). (Dorueın (1911) denkt deshalb auch an die Möglichkeit, daß sie entgegen ScHAu- pınns Annahme vielleicht gar nicht in den Entwickelungskreis der Par- amoeba gehören, sondern vielmehr eine selbständige Flagellatenart dar- stellen.) Bei ihrer Fortpflanzung durch Teilung (Fig. 95, F—J) teilt sich zunächst der Nebenkörper, indem er hantelförmig wird, sich dann 74 Protozoa. Max Lüns, völlig durchschnürt und hierauf seine beiden Teilstücke bei der dann folgenden, sehr an eine Mitose erinnernden Teilung des Kernes eine ganz ähnliche Rolle spielen wie das Oentrosoma bei der Teilung der Metazoenzellen. Die Paramoeba-Flagellaten fallen nach ScHauvınns Schilderung schließ- lich zu Boden, indem sie ihre Geißeln und Chromatophoren rückbilden; sie runden sich ab, entwickeln Pseudopodien und haben damit wieder den Amöbenzustand erreicht. — Die Befruchtung ist bei Paramoeba bisher noch nicht bekannt. Neuerdings hat Janıckı (1912) zwei andere Paramöben untersucht, die in der Schwanzleibeshöhle von Chätognathen schmarotzen. Hier stellt der für die Gattung charakteristische „Nebenkörper“ einen voll- wertigen zweiten Kern dar, der mit einem Centrosom nicht homologisiert werden kann; beide ungleichwertigen Kerne teilen sich vielmehr stets völlig selbständig. Flagellatenstadien wurden nur bei einer dieser beiden Paramöben (Paramoeba pigmentifera) beobachtet; sie sollen aber nur eine einzige Geißel besitzen und werden trotz ihrer Vermehrung durch Längsteilung von Jansckı als Gameten betrachtet, da anscheinende Reifungserscheinungen am Kern beobachtet wurden. 2. Coelospathis ancorata HAEcK. ist ein Beispiel eines besonders in seinem Skelettbau äußerst kom- plizierten einzelligen Wesens. Sie wurde von der Challenger- Expedition im südpazifischen Ozean in einer Tiefe von 2550 Faden gefunden. Coelospathis gehört zu der Unterklasse der Radiolarien, einer außerordentlich formenreichen Abteilung mariner Rhizopoden, die durch folgende Organisationsverhältnisse aus- gezeichnet ist. Der Zellleib ist ursprünglich kugelig und durch eine.ebenfalls ursprünglich kugelige Kap- selmembran (Fig. 96, km) von pseudochitin- ähnlicher Beschaffenheit in zwei Teile geteilt, in den intrakapsulären und den extrakapsulären Zellleib. Der erstere, die sogenannte Zentral- kapsel, welche bei einzelnen Radiolarienformen Fig. 96. Thalassoplancta brevispicula HAECKEL. Durchmesser 2,5 mm. Ein Ausschnitt des Körpers. ca alveo- läres Calymma, ep extrakapsuläres Protoplasma (Sarcomatrix), ip intrakapsuläres Protoplasma, km Kapselmembran, n Kern, nl Kernkörperchen, öt Oeltropfen, rp Protoplasma an der Oberfläche des Calymma (Sarcodietyum), s Spieula. Nach HAECKEL. normalerweise in der Zweizahl vorhanden ist, besteht aus dem intra- kapsulären Protoplasma (?p) und dem in ihm eingeschlossenen großen bläschenförmigen Zellkern (rn). Im Plasma können sich verschiedene Einschlüsse: Fetttröpfchen, Oeltröpfchen (öt), Eiweißkristalle, Vakuolen, Pismentkörnchen, vorfinden. Pulsierende Vakuolen fehlen. Die Kapsel- membran besitzt Oeffnungen, durch welche das intrakapsuläre Proto- plasma mit dem extrakapsulären in Verbindung tritt. B. 2. Coelospathis ancorata HaEck. 15 Der extrakapsuläre Teil des Zellleibes besteht von innen nach außen aus 1) einer dünnen Schicht von extrakapsulärem Protoplasma, welche der Kapselmembran außen anliegt, der Sarco- matrix (ep), 2) einer dicken Lage einer im Leben glashell durch- sichtigen, farblosen Gallerte von meist alveolärem Bau, Calymma genannt (ca), 3) einer dieses Calymma umschließenden zarten Proto- plasmaschicht, dem Sarcodiectyum oder Oberflächenhäut- chen (rp), das etwaige oberflächliche radiäre Skelettelemente bal- dachinartig überwölbt, von dem die Pseudopodien ausstrahlen und das die hauptsächlichste Bildungsstätte der wunderbar mannigfaltigen, nur bei sehr wenigen Formen fehlenden Skelette der Radiolarien ist. Das Calymma ist durchzogen von einem grobmaschigen Flechtwerk von Protoplasma, das das Oberflächenhäutchen mit der dünnen, die Kapsel- membran unmittelbar bedeckenden Plasmaschicht verbindet. Die die Bewegung und Nahrungsaufnahme vermittelnden Pseudo- podien sind lange, sehr dünne Protoplasmafäden, die vom Zellleib nach allen Richtungen ausstrahlen, langsam vorgestreckt und langsam wieder zurückgezogen werden können. Sie sind klebrig und zeigen die Neigung, an Stellen, wo sie sich begegnen, miteinander zu ver- schmelzen und derart Netze und Anastomosen zu bilden. Die Radiolarien werden in 4 Ordnungen eingeteilt. Coelospathis eehört zu derjenigen der Phaeodaria oder Tripylaria und be- ‘sitzt folgende Merkmale dieser Ordnung. Die Zentralkapsel ist nicht streng kugelig, sondern einachsig, in der Richtung der Achse leicht abgeplattet. Ihre Membran besitzt nur eine große kreisrunde Hauptöffnung (Astropyle) an dem beim lebenden, frei im Wasser schwebenden Tiere nach unten ge- richteten oralen Pole der Hauptachse (vgl. Fig. 51). Diese ist ver- Fig. 97”. Astropyle von Coeloplegma mur- rayanum HAECKEL. Late- ralansicht. 7 Oeffnung der Proboseis, 2 innerhalb der Zentralkapsel gelegene Kri- stalle, 3 Kern, 2 und 5 Kapselmembran (bei der Konservierung der Fläche nach gespalten), 6 Strahlen- deckel oder Astropyle. Nach HAECKEL 1888. schlossen von einer kreisrunden, für flüssige Substanzen durchlässigen osmotischen Membran mit strahlig angeordneten, nach innen vor- springenden Lamellen, dem Strahlendeckel (Öperculum), aus dessen Mitte sich eine Röhre, der Rüssel (Probosecis), erhebt mit kreisrunder terminaler Oeffnung (vgl. Fig. 97). Außer dieser Hauptöffnung sind noch zwei Nebenöffnungen (Parapylen) vor- handen, je eine zu Seiten des aboralen Poles der Hauptachse (vgl. 76 Protozoa. Max Lünr, Fig. 98). Auch diese zeigen ähnlich der Astropyle einen verhältnis- mäßig komplizierten Aufbau, indem ein durch eine ringförmige Ver- diekung der Zentralkapsel gebildeter Oeffnungshals (Fig. 98, öh), ein halbkugeliger oder scheibenförmiger Bulbus (b), ein in seiner Mantel- schicht fein gestreifter Oeffnungskegel (ök) und eine von der Ver- längerung dieses Kegels gebildete rohrförmige Paraboscis (ka) unter- schieden werden können. Die Ebene, in welcher die drei Oeffnungen liegen, wird als Frontal- ebene, von HAECKER speziell bei den Üölodendriden aus weiter unten ersichtlichen Gründen als Spaltebene bezeichnet, und in dieser selben Ebene liegt auch die Paraboscis der beiden Neben- öffnungen, wenn sie, wie bei den Tuscaroriden (Fig. 98), stark verlängert und ziemlich ie ne a8 en u nahe über der Kapselmembran Dale Hakedmn) Picntaldnahint b Bulbus, rechtwinklig nach außen ab- ka Kamin, öh Oeffnungshof, ök Oeffnungskegel, gebogen 1st (sie wird in ph Parapylenhof. Aus HAECKER 1908. diesem Falle von HAECKER als Kamin bezeichnet). In einer Erweiterung der Sarcomatrix in der Umgebung der Astropyle (also exzentrisch im basalen und oralen Teile des Körpers) liegt eine Masse von dunkelgefärbten (braunen, grünen oder roten) Tropfen, Körnern oder Schollen, das Phaeodium (vel. Fig. 51. ph). Die dasselbe bildenden einzelnen Phäodellen sind anscheinend schleim- artige Sekrettropfen, welche in dem extrakapsulären Plasma ent- stehen, sich nach und nach in eine gallertartige Substanz umwandeln und wahrscheinlich bei der Verdauung der aufgenommenen Nahrungs- bestandteile eine wichtige Rolle spielen, ähnlich den Nahrungsvakuolen anderer Protozoen. Nicht nur zwischen den einzelnen Phäodellen frei im Plasma, sondern auch in einem großen Teil der Phäodellen eingeschlossen finden sich Fremdkörper in Gestalt von Diatomeen- panzern, Copepodeneiern u. dgl. Besonders lehrreiche Bilder über Bau und Funktion der Phäodellen bot eine von HAEckER (1907 und 1908) untersuchte, noch skelettlose Jugendform, Phaeocolla valdiviae (vgl. Fig. 99), insofern „die Nahrungsteile und Phäodellen eine regelmäßige örtliche Anordnung aufweisen, welche auf eine bestimmt gerichtete Zirkulation und eine stufenweise, während derselben vor sich gehende Umwandlung schließen läßt. In der Mitte der herzförmigen Körperscheibe, zwischen den beiden Zentralkapseln, finden sich vorzugsweise freie, d. h. nicht von Phäodellen- substanz umhüllte Nahrungsteile, Diatomeenpanzer und Diatomeensporen, vor. Gegen den oralen Rand zu sieht man die letzteren mehr und mehr von kleineren, dunkel tingierbaren Sekrettropfen eingeschlossen (Fig. 99, «), längs der seitlichen Scheibenränder folgen dann blassere Tropfen (d) und am aboralen Rande sehr große Gallertvakuolen (c), sowie die von anderen Autoren beschriebenen „gefalteten Membranen“ (d), d.h. in diesem Fall wohl ausschließlich Vakuolen, welche unter der Wirkung der Reagenzien eine künstliche Deformierung erfahren haben. (In anderen Fällen, z. B. B. 2. Coelospathis ancorata Harck. 7 bei den Tuscaroren, handelt es sich bei den „gefalteten Membranen“ zum Teil um geschrumpfte Ei- und Cystenhüllen verschiedener Organismen.) Hier ist mit Sicherheit zu erkennen, daß die aufgenommenen Nahrungs- teile in den mittleren Partien des Weichkörpers von wahrscheinlich schleimartigen Sekrettropfen umschlossen werden, und daß die so ge- Fig. 99. Phaeocolla valdiviae HAECKER. a—d Die allmähliche Umwandlung der Phäodellen. Aus HAECKER 1908. bildeten Phäodellen während der Verdauung der Nahrung und unter gleichzeitiger Ueberführung des Sekretes aus einem tingierbaren, vielleicht mehr schleimigen, in einen blassen gallertigen Zustand in einer Art von „Fontänenstrom“ nach den seitlichen Rändern und schließlich nach dem Hinterrande der Weichkörperscheibe befördert werden.“ Wie die große Mehrzahl der Radiolarien besitzt Coelospathis ein Skelett, und zwar ein sehr kompliziertes, bestehend aus einem karbonischen Silikat (einer Verbindung von organischer Substanz mit Kieselerde). Hauptsächlich nach der Beschaffenheit dieses sehr ver- schieden ausgebildeten Kieselskelettes werden die Unterordnungen, Familien, Gattungen und Arten der Tripyleen unterschieden. Wir wollen jetzt seinen Bau für die zur Familie der Cölodendriden ge- hörige Coelospathis ancorata beschreiben (vgl. Fig. 100). Charakteristisch für die Cölodendriden ist der Einschluß der Zentralkapsel in einer dünnen zweiklappigen Gitterschale, bei der jede Klappe einen helmartigen, den Ausgangspunkt für divergierende, verzweigte Röhren bildenden Aufsatz trägt. Jede der beiden Schalenklappen (Fig. 100, 75) ist halbkugelig. Der freie Rand der einen ist von dem der anderen durch einen überall gleich breiten, offenen Spalt getrennt, der in der Frontalebene 18 Protozoa. Max Lüns, Fig. 100. Coelospathis ancorata HAECKEL. Lateralansicht. Die sich über die: Spathillen (2) und Terminaläste (70) ausspannende Oberfläche des Weichkörpers ist nicht dargestellt. 7/ Spathillen oder Ankerpinsel, 2 vordere oder orale Griffelröhre, $ vorderer Dendrit, 4 Strahlendeckel (Operculum radiatum), die Hauptöffnung (Astropyle) der Zentral- kapsel (//) verschließend, mit dem vom Phaeodium (7/8) umgebenen Rüssel (Proboseis), 5 äquatoriale Griffelröhre, 6 großer Kern in der Zentralkapsel, 7 Nebenöffnung (Parapyle) der Zentralkapsel, ebenso wie die Hauptöffnung in dem frontalen Spalt zwischen den beiden Klappen der inneren Gitterschale (75) gelegen, 8 eine der beiden paarigen Griffel- röhren, abgebrochen, 9 die andere, intakt, 10 Terminaläste der Griffelröhren (Kränzchen),. 11 hinterer Dendrit, zum Teil abgebrochen, 12 Endzweigchen am Rande der beiden Klappen des äußeren Gittermantels (73), 73 äußerer Gittermantel, der die Spathillen (21) trägt und dessen ganzer Innenraum in der Figur mit grauem Ton dargestellt ist, 1, Zentralkapsel, 15 innere zweiklappige Gitterschale, 16 Helm (Galea), 17 Frenulum,. 18 der den Rüssel umgebende Teil des Phaeodiums. Nach HAECKEL 1888. B. 2. Coelospathis ancorata Hack, 79 liegt, so daß die drei Oeffnungen der Zentralkapsel in ihn münden. Sie sind äußerst dünnwandig und in unregelmäßiger Weise durch- löchert. Eine zweiklappige Schale findet sich unter den Tripyleen außer bei den Cölodendriden auch noch bei den Conchariden. Doch bildet sie hier allein das ganze Skelett und ist in Zusammenhang hiermit meist recht dickwandig. Besonderes Interesse aber verdienen diese Conchariden- schalen durch ihre Schloßeinrichtungen, welche die Schloßbildungen der Fig. 101. Schalenschloß von Conchoceras caudatum HAECKEL. Aus HAECKER 1908. Lamellibranchier an Kompliziertheit und Raffiniertheit bei weitem über- treffen. Die Ränder der beiden Halbschalen sind mit Zahnreihen besetzt, die wie die Finger einer gefalteten Hand ineinandergreifen, und zwar hängen die Zähne der einen Schale mit der Innenseite der anderen durch eine doppelte Führung zusammen (Fig. 101). Jede Klappe der inneren Gitterschale von Coelospathis trägt auf ihrem oralen Teile einen symmetrischen, helmförmig gewölbten Auf- satz, dessen konvexer Scheitel nach dem oralen Pole gerichtet ist, den Helm (Galea) (Fig. 100, 16; Fig. 102, 6). Die beiden Helme sind an der zweiklappigen Gitterschale durchaus symmetrisch an- gebracht und liegen in einer die Frontal- oder Spaltebene kreuzenden Ebene, die man als Sagittal- oder Apikalebene bezeichnet. Jeder Helm verlängert sich in apikaler Richtung zu einem Rohr, dem sogenannten Nasenrohr (Rhinocanna) (Fig. 102, 7), das an der Oberfläche der Schalenklappe bis nahe zur vorragenden Proboseis hinzieht, wo es offen ausmündet (Fig. 102, 2). Die Proboseis liegt also mitten zwischen den beiden einander zugekehrten Nasenöffnungen. Eine Kieselbrücke (Frenulum) (Fig. 100, 17; Fig. 103, 4) ist im Interesse besserer Verfestigung zwischen jeder Nasenöffnung und der Spitze der zugehörigen Galea in genau apikaler Richtung ausgespannt. Die Kieselwand der Galea und des Nasenrohres hat dieselbe Be- schaffenheit wie die Schalenklappe, der sie aufgelagert ist. Der Hohl- raum der Galea ist gegen den Hohlraum der inneren Gitterschale sowohl wie gegen den Hohlraum der gleich zu besprechenden radiären 80 Protozoa. Max Lüne, Kieselröhren durch eine solide, nicht durchbrochene Kieselwand voll- ständig abgeschlossen. Er kommuniziert nur mit dem Extracapsulum und zwar außer durch fensterartige Durchbrechungen der Galeawandung selbst vor allem durch das Nasenrohr und die Nasenöffnung hindurch. Jede Galea nebst dem zugehörigen Nasenrohr ist erfüllt von einer Hälfte des Phaeodiums, das aber auch noch aus der Nasenöffnung hervorquellen und die Proboseis umlagern kann (Fig. 100, 18). Fig. 102. Coeloplegma murraya- num HAECKEL. ÖOralansicht der inneren zweiklappigen Schale, ein wenig schräg von rechts. / Nasenrohr (Rhinocanna), 2 Mündung desselben, 3 Strahlendeckel (Astropyle), deren Rüssel (Proboseis) aus der frontalen Gürtelspalte zwischen den beiden Nasenrohrmündungen hervortritt, Fig. 102. 4 zweiklappige innere Gitterschale (die Gitterung nicht dargestellt), 5 eine der beiden paarigen Griffelröhren, 6 Helm (Galea), 7, 8 die beiden unpaaren Griffelröhren, 9 ‘die andere paarige Griffelröhre, 10 Zentralkapsel (die Verweislinie hört etwas zu früh auf), 72 Kern, 12 intrakapsuläre Kristalle, 13 Klappe der inneren Gitterschale. Nach HAECKEL 1888. Fig. 103. Nasenrohr und Frenulum von Coelospathis ancorata HAECKEL. 1 Ein Stück des Helmes, 2 das zylindrische Nasenrohr (man sieht die Gitterung), 3 ein Stück der zugehörigen inneren Schalenklappe (ohne Gitterung dargestellt), 7 das durch- brochene Frenulum, welches die Mündung des Nasenrohres (links) mit der Kuppe des Helmes (rechts) verbindet. Nach HAECKEL 1888. Die die charakteristische Gestalt der Galea bei den verschiedenen Cölodendriden im wesentlichen bedingende Hauptfunktion ist mechani- scher Natur, indem die Galea als Postament dient für die sogleich zu besprechenden radiären Skeletteile. Erst sekundär ist bei einem Teile der Cölodendriden unter Ausbildung der Rhinocanna die Nebenfunktion einer Verdauungshöhle hinzugetreten, indem die sehr geräumige Galea zu einem regelmäßigen Depot für die Phäodellen wurde, während gleich- zeitig die Rhinocanna eine bestimmt gerichtete Regulation des Säfte- stromes bedingte (HAEckEr 1908). B. 2. Coelospathis ancorata HAEck. s1 Von den beiden Helmen, zum kleineren Teile auch von den inneren Schalenklappen direkt, strahlen in symmetrischer Anordnung und in Gestalt von hohlen, beiderseits geschlossenen, meist reich ver- zweigten Kieselröhren radiäre Skeletteile aus, unter denen zwei Haupttypen unterschieden werden können: 1) baumförmige, meist ziemlich regelmäßig dichotomisch verzweigte Röhren (Dendriten) (Fig. 100, 3 u. 17), deren Stamm sich in der Regel kurz oberhalb der Basis vollkommen in seine Verzweigungen auflöst und deren Endverzweigungen sämtlich in einer regelmäßig gestalteten Fläche enden und durch Anastomosenbildung einen äußeren Gittermantel bilden; 2) stark verlängerte, das allgemeine Niveau des Weichkörpers mehr oder weniger überragende „Griffelröhren“, welche in ihrem basalen Abschnitt mit dendritenartigen Seitenästen, in ihrem distalen Teil mit zierlichen, Ankerfädchen tragenden Bäumchen besetzt und an ihrem Ende mit besonderen Terminalbildungen ausgestattet sind. Coelospathis besitzt jederseits 4 derartige Griffelröhren, zwei unpaare, in der Apikalebene gelegene, von denen die eine oralwärts, die andere (nur !/; so lange) äquatorial entspringt (Fig. 100, 2 und 5), und zwei paarige, die halb so lang wie die Oralgriffel sind und aboral- wärts gerichtet aus der Apikalebene heraus divergieren (Fig. 100, & und 9). Die bisher bekannt gewordene Höchstzahl von Griffeln findet sich bei dem im nördlichen indischen Ozean gefundenen Coel- anthemum auloceroides HAECKER und beträgt nicht weniger als 28 (jederseits 14). Der durch tangential verlaufende, sehr zarte Anastomosen der Dendriten gebildete äußere Gittermantel besteht aus unregel- mäßigen, verschieden großen, polygonalen Maschen und ist wie die innere Gitterschale zweiklappig. Seine beiden Klappen sind ebenso orientiert wie die der inneren Gitterschale und greifen an ihren Rändern mit frei vorstehenden Endzweigchen ineinander, ohne jedoch miteinander zu verwachsen. An der Bildung des Gittermantels be- teiligen sich neben den Dendriten auch die basalen dendritenähnlichen Aeste der Griffelröhren. Die allgemeine Gestalt des äußeren Gittermantels von Coelo- spathis ancorata ist etwa keilförmig, der Keil ca. 11l,mal länger als breit. Die aborale Basis des Keiles (in Fig. 100 nach oben gerichtet) ist quadratisch, die der Frontal- oder Spaltebene parallelen Seitenflächen sind gleichschenkelig dreieckig, die an der oralen, konkav eingebuchteten Schneide zusammenstoßenden Flächen rechteckig. Durchschneiden wir den Keil in der Transversalebene in der Richtung des Aequators der inneren Gitterschale und der Zentralkapsel, so- sind die beiden Stücke, das orale und das aborale, in Form und Organisation durchaus ungleich. Durchschneiden wir den Keil in der Richtung der Frontal- oder Spalt- ebene, so sind die beiden Teilstücke in allen Stücken kongruent, und dasselbe ist der Fall, wenn der Körper in der Apikalebene geteilt wird. Die Länge des äußeren Gittermantels von Coelospathis ancorata erreicht 2—3 mm, die Breite 1,2—2,1 mm. Die Art gehört zu den sehr großen Protozoen. Manche andere Tripyleen der Tiefsee werden freilich noch erheblich größer: so ist z. B. das ballonförmige Sagenoarium chuni 4—6,8 mm lang bei einem Aequatorialdurchmasser von 3—3,5 mm und die kugelige Aulospathis variabilis aulodendroides hat sogar einen Durchmesser von 7—8 mm; bei Tuscarantha luciae Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 6 82 Protozoa. Max Lüur, ist zwar die eigentliche Schale nur 3 mm hoch, dadurch daß sie an beiden Polen Stacheln von je 6 mm trägt, wird aber die stattliche Ge- samtlänge von 15 mm erreicht und einzelne Ooelodendriden erreichen einschließlich des ganzen Schwebeapparates sogar die für Protozoen riesige Größe von 20—30 mm. Auch in der Ordnung der Spumel- larien finden sich auffällig große Arten, darunter die hinsichtlich der Masse des eigentlichen Weichkörpers größten aller Radiolarien (Cyto- cladus spinosus indicus mit einem allseitigen Durchmesser bis zu 15 mm). Nähere Untersuchung hat gezeigt, daß bei den Radiolarien (speziell den Tripyleen), wenigstens innerhalb engerer Gruppen, charakteristische Beziehungen zwischen der Größe der Arten und der von ihnen bewohnten Meerestiefe bestehen. Nahe der Oberfläche finden sich so gut wie aus- schließlich Zwergformen, nach der Tiefe zu nimmt die Größe zu und ausgesprochene Riesenformen finden sich so gut wie ausschließlich in größeren Meerestiefen. Einige Beispiele mögen dies erläutern: Unter den Aulacanthiden ist die der Oberfläche sich am meisten (bis auf 50 m) nähernde Form, Aulacantha scolymantha typica, zugleich die kleinste mit einem Durchmesser von 0,5 bis höchstens 1,8 mm; in größeren Tiefen (ca. 400—1000 m) kommt aber neben ihr eine lokale Unterart, Aul. scol. bathybia, vor mit einem Durchmesser von 3—4 mm, und daß andere Tiefsee-Aulacanthiden noch wesentlich größere Dimensionen erreichen, lehrt die bereits angeführte Aulospathis von 7—8 mm (vermutlich aus 1000—1500 m). Unter den Sagosphäriden ist die 1,2—1,5 mm messende Sagoscena elegans noch oberhalb des 50-m-Horizontes angetroffen, während die großen Sagenoarien den tieferen Regionen angehören. Challengeria xiphodon, eine der verbrei- tetsten und häufigsten Ohallengeriden aus 50—400 m Tiefe hat einen Schalendurchmesser von nur 0,09—0,13 mm und eine durchschnittliche Länge von 0,119 mm, Challengeria bethelli aus 400—1500 m mißt 0,18—0,25 mm im Durchmesser und 0,215 mm in der Länge, und Chal- lengeria naresi aus Tiefen unter 1500 m 0,5—0,65 bzw. 0,575 mm. In diesem Zusammenhange ist es auch von Bedeutung, daß die Tusca- roriden, welche in auffälliger Weise nahezu sämtlich der gleichen Größenklasse angehören, auch sämtlich ungefähr in der gleichen Tiefen- stufe (400—1000 m) vorkommen. Wie auf die Größe ist die Meerestiefe aber auch auf die Form der Radiolarien von Einfluß. „Die mehr oberflächlichen Zwergformen neigen zur Kugelgestalt und erreichen damit auch eine Vergrößerung des Quer- schnittes; die großen Tiefenbewohner dagegen sind nicht an die kugelige Körperform gebunden, sondern nehmen, offenbar im Interesse eines er- höhten Steig- und Sinkvermögens, verschiedene abweichende Gestalten, so diejenige eines Ballons, einer Spindel oder einer senkrechten Scheibe an“ (HArcker 1908). | Der äußere Gittermantel von Coelospathis trägt auf seiner ganzen Oberfläche zerstreut zahlreiche Büschel von feinen Endästchen, die an ihrem freien Ende eine zierliche ankerähnliche Bildung tragen (Fig. 100, 2). Das sind die sogenannten Spathillen, deren physio- logische Bedeutung darin zu suchen ist, daß sie das Oberflächen- häutchen (die oberflächlichste zusammenhängende Plasmaschicht des Weichkörpers) tragen und ausgespannt erhalten. Die endständige Ankerbildung dient hierbei offenbar dazu, durch Vergrößerung der B. 2. Coelospathis ancorata Harck. 85 Oberfläche die Adhäsion des Oberflächenhäutchens zu steigern (HAECKER 1908). In ebensolche Spathillen laufen auch die Seitenäste aus, welche sich an dem den Gittermantel überragenden Teil der beiden oralen unpaaren Griffelröhren in quirlförmiger oder gegenständiger Anordnung finden (vgl. Fig. 100, /). Die freien Enden aller Griffel- röhren gehen bei Coelospathis ancorata in besondere doldenförmige Terminalbildungen („Kränzchen“) über, indem die Griffel sich durch dreimalige dichotome Teilung in 8 dünne, nahezu gleich- lange, divergierende Endzweige („Finger“) spalten. Jeder dieser Finger verläuft ziekzackförmig, trägt alternierend angeordnete Wider- haken und ist an seinem Ende von einem Quirl von 4—6 kleinen zurückgebogenen Zähnchen gekrönt (Fig. 100, 10. Auch diese Terminalbildungen der Griffel liegen ebenso wie die Spathillen beim unverletzten Tier noch vollständig innerhalb des Weichkörpers, dessen Oberflächenhäutchen baldachinartig über die Finger aus- gespannt ist. HAECKEL war in seinen grundlegenden Radiolarien-Arbeiten noch der Ansicht, daß ein großer Teil der Skelettstrukturen nackt, ohne plas- matische Umhüllung, in das umgebende Medium vorrage, und diese Vorstellung liegt auch noch der Fig. 100 zugrunde, in der der durch grauen Ton angedeutete Weichkörper von Coelospathis mit der äußeren Gitterschale abschließt. Die peripheren Appendicularorgane des Skeletts, in unserem Falle die Spathillen und die Terminalbildungen der Griffel, sollten nach HArckeı als Fangapparate dienen, indem anschwimmende Nahrungskörper an ihren Widerhaken hängen bleiben. Diese Anschauung hat sich aber inzwischen als irrig herausgestellt; sie beruhte auf unzu- reichender Erhaltung des vorliegenden Materiales. Die Bearbeitung der Radiolarien der deutschen Tiefseeexpedition durch HaAzcker lehrt vielmehr, daß alle Skelettelemente der Radiolarien (speziell der Tripyleen mit ihren zum Teil so außerordentlich komplizierten Skeletten) durchaus innerhalb des Weichkörpers liegen. Seiner Funktion nach ist das Radiolarienskelett in erster Linie ein Stützapparat für den plasmatischen und gallertigen Weichkörper und gleichzeitig ein Schutzapparat gegen äußere Einflüsse. Bis in seine Einzelheiten hinein ist der Bau des Skelettes in zweckmäßigster Weise seiner mechanischen Aufgabe angepaßt. Die radiären Skelett- elemente dienen als Druck- und Stoßfänger; ihre Röhrenform bedingt bei möglichster Festigkeit gleichzeitig möglichste Material- und Ge- wichtsersparnis. Aeußerer Gittermantel und innere Gitterschale bilden bei Coelospathis ein durch die Dendriten und Griffel als Füllung ver- bundenes zusammengesetztes Fachwerk, welches als Druckverteilungs- apparat funktioniert, und speziell die innere Gitterschale bietet allen radiären Skelettelementen ein festes Widerlager bei gleichzeitigem Schutz der von ihr umschlossenen Zentralkapsel. Durch die Zwei- klappigkeit der Gitterschale wird dabei dem Wachstum, der Teilungs- fähigkeit und eventuellen periodischen Größenschwankungen in ein- facher Weise Rechnung getragen. Den Stütz- und Schutzfunktionen des Skeletts gesellt sich nun aber auch noch eine hydrostatische Funktion bei, die bereits oben bei dem Vergleich von Oberflächen- und Tiefseeformen berührt wurde. Speziell bei Coelospathis ist nach dieser Richtung nicht nur die Keilform des äußeren Gittermantels von Wichtigkeit; auch die 6* 84 Protozoa. Max Lüne, über diesen Gittermantel hinausragenden Griffelröhren haben offen- sichtlich die Bedeutung von Schwebeapparaten, wie solche bei anderen Radiolarien in Form von verschiedenartigen, mehr oder weniger weit vorspringenden und charakteristisch angeordneten radiären Strahlen noch klarer hervortreten. Speziell bei dem lediglich von Radiärstacheln gebildeten Skelett der Acanthometriden ist die Bedeutung für das Schwebevermögen der Tiere schon lange bekannt (vgl. im übrigen die Besprechung des Radiolarienskeletts in dem Abschnitt über die Stützorganellen der Protozoen). Andererseits ist es aber auch nicht unwahrscheinlich, daß besonders lange Fortsätze an dem Skelett gewisser Tripyleen neben ihrer hydrostatischen Funktion sekundär auch noch eine Bedeutung für die Ernährung els Fangapparate ge- wonnen haben, insofern sie nämlich ihrem Träger die Möglichkeit ge- währen, ein größeres Wasserquantum abzufischen. Besonders einleuchtend erscheint dies bei Formen wie Tuscarantha luciae, deren 3 mm hohe Schale an ihrem aboralen Pole einen und im Umkreis ihres Peri- stomes (d. h. der den oralen Pol einnehmenden Oeffnung der im ganzen schlank helmförmigen Schale) drei Stacheln von nicht weniger als 6 mm Länge tägt. An der dünnen, diese vier riesigen Stacheln überziehenden Protoplasmaschicht bzw. an den von dieser Plasmaschicht noch wieder ausstrahlenden Pseudopodien wird oft genug ein als Nahrung verwert- barer Fremdkörper kleben bleiben. Ueber die Lebensverrichtungen eines Radiolars ist dem zur Erläuterung der morphologischen Eigentümlichkeiten bereits Mitge- teilten nur noch wenig hinzuzufügen. 1. Lokomotion. Die Radiolarien schweben, flottieren im Seewasser, indem ihr spezifisches Gewicht mit dem des umgeben- den Seewassers übereinstimmt. Außer den eben erwähnten Schwebe- fortsätzen des Skeletts spielen dabei wohl auch die allseitig radiär ausstrahlenden Pseudopodien eine Rolle, indem sie den Reibungs- widerstand vergrößern. Aktive seitliche Schwimmbewegungen ver- mögen die Tierchen nicht auszuführen, wohl aber vermögen sie im Wasser langsam zu steigen und- zu sinken. Darauf, daß dieses Vermögen häufig durch die Form des ganzen Körpers wesent- lich erleichtert wird, wurde ja oben bereits einmal hingewiesen. Da aber das Protoplasma sowohl wie das Skelett schwerer sind wie Wasser, wird zum Zwecke des Flottierens ein hydrostatischer Apparat ausgebildet in Form von Oeltropfen, die sich im Innern der Zentralkapsel finden, und in Form von extrakapsulären Flüssigkeits- vakuolen, deren Inhalt spezifisch leichter ist als Meerwasser. Die bei der Atmung gebildete Kohlensäure wird in der Vakuolenflüssigkeit gelöst und auf diese Weise deren Salzgehalt und damit auch ihr spezifisches Gewicht verringert (BRAnpt 1895/97). Daneben spielt offenbar auch die Schleimhülle, das Calymma, eine Rolle, da auch sie in vielen Fällen spezifisch leichter ist als Meerwasser. Auf äußere Reize hin sinken die Radiolarien im Wasser, indem sie einen Teil ihrer Vakuolen oder alle entleeren. Nach Aufhören des Reizes steigen sie wieder unter Neubildung von Vakuolen empor. 2. Die Nahrungsaufnahme erfolgt durch die Pseudopodien. Nahrungspartikel bleiben an diesen kleben, werden von ihnen um- flossen und dem extrakapsulären Plasma zugeführt. Die Rolle, die die Phäodellen der Tripyleen bei der Verdauung spielen, ist bereits B. 2. Coelospathis ancorata Hack. 85 auf S. 76f. besprochen. Bei den anderen Radiolarien wird den (den Tripyleen fehlenden) „gelben Zellen“ oder Zooxanthellen (Fig. 258, x) eine besondere Bedeutung für die Ernährung zugeschrie- ben, einzelligen Algen bzw. Flagellaten, die gewöhnlich in größerer Zahl im Radiolarienkörper vorkommen. Bei den Acantharia liegen sie im Inneren der Zentralkapsel, bei den Spumellaria und Nassel- laria im extrakapsulären Weichkörper. Sie sollen unter Verwendung der vom Radiolar ausgeschiedenen Kohlensäure Stärke produzieren, die dann von dem Tier als Nahrung benutzt wird. Außer durch ihre Lage unterscheiden sich die „gelben Zellen“ der Acantharia einerseits, der Spumellaria und Nassellaria andererseits auch noch dadurch, daß die letzteren bei Behandlung mit Schwefelsäure blasser (sehr hellgelblich oder grünlich) werden und eine derbe Membran be- sitzen, während die „gelben Zellen“ der Acanthometriden bei Behandlung mit Schwefelsäure spangrün werden und eine Membran nicht erkennen lassen. Unter Berücksichtigung weiterer cytologischer Details, auf die hier nicht eingegangen werden kann, sind nun Mororr und Stıassy (1909) zu der Auffassung gelangt, daß die „gelben Zellen“ der Acantharia entgegen der herrschenden Ansicht, aber anscheinend auch im Gegensatz zu den echten Zooxanthellen der anderen Radiolarien, nicht symbiontische Algen, sondern Teile des Radiolars selbst (und zwar trophische Kerne) sind. Außer bei den Radiolarien finden sich Zooxanthellen auch bei an- deren marinen Sarcodinen in weiter Verbreitung, namentlich bei Foramini- feren. Am besten bekannt sind diejenigen von Trichosphaerium sieboldi und Peneroplis pertusus, die beide zu der Gattung Oryptomonas gehören (vgl. Fig. 17). Exkretion und Atmung geschehen osmotisch an der gesamten Oberfläche des Weichkörpers. Die Fortpflanzung der Radiolarien ist im Vergleich zu der mancher anderen Protozoen erst verhältnismäßig unvollkommen be- kannt. Wohl sind, vor allem von BRAnDr (1885, 1890, 1902 und 1905) und BORGERT (1900 und 1909), eine ganze Reihe verschiedener Ent- wickelungsphasen zum Teil recht eingehend geschildert worden. Trotzdem ist es bisher noch nicht möglich, ein einheitlich abgeschlos- senes Bild von der Lebensgeschichte eines Radiolars in Form eines „Zeugungskreises“ aus den bisher bekannt gewordenen Bruchstücken eines solchen zusammenzusetzen. Verhältnismäßig am besten sind wir dank der schönen Untersuchungen BORGERTs über die Fortpflan- zung von Aulacantha scolymantha unterrichtet, die gleich Coelospathis zu den Tripyleen gehört und bei der beobachtet wurde: 1. Vegetative Zweiteilung mit mitotischer Kernver- mehrung. Das Chromatin des großen Kernes, welches im Ruhe- zustand ein den Kernraum durchsetzendes grobspongiöses Gerüst mit einer dichteren zentralen Masse darstellt, ordnet sich zu zahlreichen (anscheinend weit über 1000) verschieden langen, etwas geschlängelten Fäden, die, an die Chromosomen der Metazoen erinnernd, unter gleichzeitiger Auflösung der Kernmembran eine Aequatorialplatte bilden, sich der Länge nach spalten und auf 2 (zeitweise in ihrer Form infolge starker Krümmung an Gastrulae erinnernde) Tochter- platten verteilen und schließlich wieder zur Bildung abgeschlossener 86 Protozoa. Max Lüne, Tochterkerne zusammentreten (Fig. 104 und 105). Der Teilung des Kernes folgt die Zweiteilung der Zentralkapsel und dieser die des ganzen Radiolars. Die riesige Zahl der anscheinenden Chromosomen („Sekundärkerne“ HArTMmANNs, vgl. den Abschnitt über den Kern der Protozoen) ist auch bei anderen Arten wiedergefunden. HäÄcker gibt für das ebenfalls zu Fig. 104. Zentralkapsel von Aulacantha scolymantha in Teilung. A In der Mitte der Zentralkapsel die auseinander weichenden Tochterplatten des Kernes. B Die beiden Kernhälften beginnen die neuen Kerne zu rekonstruieren, die Zentralkapsel hat sich in transversaler Richtung in die Länge gestreckt und an der aboralen Fläche eingeschnürt, die Astropyle noch ungeteilt. Vergr. 300:1. Nach BORGERT (1901) aus GURWITSCH (1904). Fig. 105. Aulacantha scolymantha. Schnitt durch den zentralen Teil der Zentralkapsel mit einem Teil der in Teilung begriffenen Aequatorialplatte mit den band- förmigen Chromosomen (bzw. Sekundärkernen nach HARTMANN). Vergr. 900:1. Nach BORGERT 1901 ans GURWITSCH 1904. den Tripyleen gehörige Castanidium variabile!) die Chromosomen- zahl des Kernes auf 1500—1600 an. In den Tochterkernen scheint diese sich noch zu verdoppeln, da nach Beobachtungen von BoRGERT 1) Bei Castanidium sind 2 Zentralkapseln vorhanden, die sich synchron teilen. B. 2. Coelospathis ancorata Hack, 87 (1900) bei Aulacantha und von Scnhumivr (1908) bei Castanidium der 1. Spaltung der Chromosomen, die zur Bildung der Tochterplatten führt, noch eine 2. Längsspaltung innerhalb jeder Tochterplatte folgt, deren Bedeutung bisher unklar ist (vgl. aber hierzu unten unter 2). Bei der Teilung der Zentralkapsel wird die Astropyle geteilt (wie Fig. 104 zeigt, erst verhältnismäßig spät). Von den beiden Parapylen erhält jede Tochterkapsel eine; die zweite Parapyle der Tochterkapseln entsteht durch Neubildung, und zwar meist schon vor der Teilung. Die Teilung des Skelettes ist bei Aulacantha verhältnismäßig einfach, da dieses aus nicht zusammenhängenden radiären Elementen besteht, die einfach auf die beiden Tochtertiere‘ verteilt werden. Bei den zweischaligen Tripyleen (jedenfalls bei den Conchariden, vermutlich auch bei den Cölodendriden) erhält jedes Tochtertier eine der beiden Schalenklappen, um die andere neu zu bilden. Bei denjenigen Tripy- leen dagegen, deren Sklelett ein festes zusammenhängendes Gerüst oder eine einheitliche Schale bildet (z. B. Challengeriden), wird dieses bei der Teilung nicht mit zerlegt, vielmehr wandert der eine der beiden Sprößlinge aus der Hauptöffnung des mütterlichen Skelettes aus, um dann ein neues zu bilden. Bei den Tuscaroriden soll die Vermehrung durch Teilung nach Harcker (1904) zur Entstehung von Kolonien führen, in denen je 8 Einzeltiere durch eine gemeinsame Gitterschale zusammen- gehalten werden; doch bedürfen diese Vorgänge noch näherer Auf- ‚klärung. Bei Aulacantha kommen noch zwei eigenartige Modifikationen der indirekten Kernteilung vor, die „Zweiteilung mit Kernfurchung“ und die „Zweiteilung unter Bildung der Manschettenform des Kernes“. Hinsichtlich beider muß hier auf Borserr (1909) verwiesen werden, zu- mal wenigstens die erstere kein normaler Entwickelungsvorgang zu sein scheint. 2. Vegetative Zweiteilung mit direkter Kernvermeh - rung. Einfache Durchschnürung des Kernes mit folgender Durch- schnürung von Zentralkapsel und ganzem Tier. Hierbei muß, da die ganze Masse des ruhenden Kernes einfach in 2 gleiche Portionen zerlegt wird, offenbar auch eine Halbierung der Chromosomenzahl erfolgen und in Rücksicht hierauf, wie auf das angeführte Verhalten der Chromosomen bei der mitotischen Kernteilung ist es von Interesse, daß sich bei Aulacantha in der Regel im sofortigen Anschluß an die direkte Halbierung der Kern zur nächsten auf mitotischem Wege erfolgenden Teilung vorbereitet. Durch diesen Wechsel beider Teilungsweisen wird offenbar eine Regulation erzielt und die Chromosomenzahl zwar nicht absolut, aber doch annähernd konstant erhalten werden. 3. Reproduktive Fortpflanzung unter Bildung zahl- reicher Makro- und Mikrogameten. Der Kern löst sich auf und zerfällt in eine Unmenge sehr kleiner, im intrakapsulären Plasma zerstreuter Kerngebilde (Fig. 106). Hierauf erfolgt auch eine Auf- lösung der Zentralkapsel, statt deren man dann in dem Weichkörper des Radiolars eine größere Anzahl kernhaltiger Protoplasmaballen findet; gleichzeitig entledigt sich das Tier auch des Phaeodiums als eines unnütz gewordenen Ballastes. Die spätere Entwickelung folgt bei verschiedenen Individuen zwei verschiedenen Wegen. In dem 88 Protozoa. Max Lüne, einen Falle ist die Zahl der Kerne in den Protoplasmaballen außer- ordentlich groß, das Plasma der Ballen daher verhältnismäßig spärlich, dabei aber sehr dicht und fein strukturiert; auch ist jeder der Kerne Fig. 106. Aulacantha scolymantha. Auflösung des Kernes und Zerfall des- selben in zahlreiche, sehr kleine Kerne, die sich im ganzen (hier allein gezeichneten) intrakapsulären Plasma verteilen. Vergr.300:1. Nach BORGERT 1909 aus HARTMANN 1911, durch den Einschluß von ein paar kleinen Proteinkristalloiden aus- gezeichnet (Fig. 107, a). In dem anderen Falle ist die Zahl der Kerne trotz etwas erheblicherer Größe des ganzen Ballens geringer, I EN z Fig. 107. Gameten- Ne: ey >> © a ER bildung von Aula- ’ hr a cantha scolymantha. Schnitte durch einzelne Ballen, die nach Zerfall der Zentralkapsel den Hohlraum des Skelettes in größerer Zahl erfüllen, und zwar A von einem Mikrogameten bildenden, B von einem Makro- gameten bildenden Ra- diolar. Vergr. 720:1. Nach BORGERT 1909. das demzufolge reichlichere Protoplasma auch verhältnismäßig grob strukturiert, mit zahlreichen größeren und kleineren Vakuolen; Kristalloide fehlen (Fig. 107, 5). Das weitere Schicksal dieser Protoplasmaballen ist bei Aulacantha noch nicht verfolgt. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dab aus den beiderlei Arten dieser Ballen diesexuell dimorphen Gameten (männliche Mikro- und weibliche Makrogameten) hervorgehen, die dann paarweise miteinander kopulieren. Wahrscheinlich sinkt Aulacantha bei der Gametenbildung infolge Zerfalls des hydrostatischen Apparates in B. 3. Paramaecium. 89 größere Meerestiefen hinab, in denen dann das Ausschwärmen der Ga- meten erfolgt. Direkt beobachtet ist dieses Verhalten von BrAnpr (1905) bei der multiplen Vermehrung von Thalassicolla. Soweit über andere Tripyleen Angaben vorliegen, gestatten diese die Vermutung, daß die Fortpflanzung ähnlich verläuft wie bei Aula- cantha, wenngleich alle 3 Vermehrungsweisen bisher nur noch bei Casta- nidium wirklich sicher festgestellt sind. Im übrigen haben wir vor allem noch Kenntnis von der Fortpflanzung der Collodarien (Thalassi- colla, Thalassophysa) und Polycyttarien (Collozoum, Sphaerozoum). Hier erfolgt die Gametenbildung, wie bereits eben angedeutet, ähnlich wie bei Aulacantha. Vegetative Vermehrung findet aber nicht nur durch Zweiteilung statt, sondern auch auf multiplem Wege TFT STEIEE TE (wenngleich mit etwas an- derem Verlauf der feineren Kernteilungsvorgänge wie bei der Gametenbildung) durch Bildung zahlreicher, gleich den Gameten mit 2 Geißeln versehener, aber unter sich durchweg gleich gestalteter Fig. 108. Gameten und Iso- sporen verschiedener Radio- larien. Vergr. 2000 :1. Nach BRANDT 1885. 4A Isospore von Collozoum fulvum BrAnDr. B Iso- spore (?) von Myxosphaera coe- rulea HAECKEL. C Isospore (?) von Siphonosphaera tenera BRANDT (hinten ein fadenförmiger unbeweg- licher Fortsatz).. D und E Gameten von Collozoum inerme MÜLL, und zwar D Makrogamet, Z Mikro- gamet. F' Isospore (?) von Xipha- cantha alata. Fortpflanzungskörper („Isosporen“, Fig. 108 A). Die Zweiteilung kann bei Collodarien zu vorübergehenden „polycystinen“ Zuständen führen, bei denen mehrere Zentralkapseln von einem zunächst noch ungeteilt blei- benden gemeinsamen Gallertmantel umschlossen sind, und führt bei den Polycyttarien auf gleichem Wege zur Entstehung von großen, zahl- reiche Einzelindividuen enthaltenden Kolonien. 3. Paramaeeium ist ein anders geartetes Beispiel eines sehr komplizierten einzelligen Tieres aus der Gruppe der Wimperinfusorien (Ciliata). Während bei den Radiolarien die physiologische Differenzierung des Weich- körpers hinter der ganz wunderbare Grade erreichenden morpho- logischen Komplikation des Skelettes weit zurückbleibt, gehen bei den Infusorien physiologische und morphologische Differenzierung Hand in Hand. Innerhalb der ganzen Klasse der Infusorien aber bietet Paramaecium noch verhältnismäßig einfache Verhältnisse. Paramaecium caudatum (Fig. 109) ist ein zartes, durch- sichtiges Tierchen von 0,1—0,3 mm Länge. Seine Form ist länglich, 90 Protozoa. an Max Lüns, Fig. 109. Para- maecium cauda- tum EHRBG. Von LAnG kombinierte Figur. Ventralansicht. Zu äußerst die eilien- tragende Pellieula, darunter die Alveolar- schicht und darunter im Corticalplasma die Triehoeystenschicht. ant =vom, der = rechts, post— hinten, sin =links. 1 auf- genommene Nahrung (Bakterien), /a soeben am Grunde des Cyto- pharynx ° gebildete Nahrungsvakuole, 15 von derselben um- schlossener, durch den Cytopharynx ein- gestrudelter Bak- terienhaufen, Ic, 1d, le, 1f in Cyelose begriffene Nahrungs- vakuolen, I/g, Ih zu Kotvakuolen ge- wordene Nahrungs- vakuolen dorsal vom Peristom, 1i Exkre- mentballen dicht vor dem After, 2 Peri- stom, 3 undulierende Membran im Cyto- pharynx, 7 _ Cyto- pharynx, 5 Exkret- kristalle in beson- deren Vakuolen, 6 Trichoeysten, 7 pul- sierende Vakuolen, eine vorn, eine hinten, die vordere kurz vor ihrer Ent- leerung, die hintere bald nach ihrem Wiederauftreten, 8 Bildungsvakuolen, 9 Kleinkern (Mikro- nucleus), 20 Groß- kern (Makronucleus), 11 verdünnte Stelle der Pellieula, an der die Entleerung der pulsierenden Vakuole erfolgt. B. 3. Paramaecium. 91 spindelförmig, doch in charakteristischer Weise asymmetrisch. Man kann an dem Körper ein Vorn und ein Hinten, eine Dorsal- und eine Ventralfläche, eine linke und eine rechte Hälfte unterscheiden. Die beiden letzteren sind einander nicht spiegelbildlich gleich, was die Asymmetrie, die Abweichung von der bilateral-symmetrischen Grundform bedingt. Das Vorderende ist abgerundet, gleichzeitig aber etwas nach links abgeschrägt. Das Hinterende läuft ziemlich spitz abgerundet aus. Auf der Bauchfläche erstreckt sich von der vorn links gelegenen Abschrägung des Körperrandes aus eine Einsenkung, das „Peristomfeld“, die halbe Körperbreite einnehmend nach hinten bis zum „Zellenmund“ (Gytostom) (2), der annähernd in der ventralen Medianlinie etwas hinter der Mitte der Körperlänge liegt und an den sich ein in das Innere des Zellleibes hineinführendes, S-förmig gebogenes, nach hinten ziehendes Kanälchen, der „Zellen- schlund“ (Cytopharynx) (4), anschließt. Ein „Zellenafter“ (Cytopyge) findet sich halbwegs zwischen Cytostom und Hinterende. Am Anfang des 2. und 4. Körperviertels liegt die Entleerungsstelle je einer pulsierenden Vakuole (7 bzw. 11). Das nachstehend mehrfach zum Vergleich ee P. aurelia unterscheidet sich von dem typischen P. caudatum vor allem durch ge- ringere Größe und den Besitz zweier Kleinkerne. Das Protoplasma von Paramaecium zeigt wie bei allen Wimper- infusorien eine Differenzierung in ein oberflächliches Ektoplasma und ein inneres Endoplasma. Das Ektoplasma selbst läßt bei vielen In- fusorien wieder 3 Schichten unterscheiden: Pellicula, Alveolarschicht und Cortiecalschicht. 1. Die Pellicula ist ein den Körper allseitig überziehendes, dünnes, aber verhältnismäßig derbes, in geringem Grade dehnbares und nach Aufhören der dehnenden Wirkung wieder in die ursprüng- liche Form zurückkehrendes Plasmahäutchen, welches sich bei Ein- wirkung gewisser Reagentien vom Körper abhebt. Durch Druck läßt sich das verhältnismäßig dünnflüssige Endoplasma aus der berstenden Pelli- cula herausquetschen. Dem Besitze der Pellicula verdanken die Infusorien ihre bestimmte Eigengestalt, zu der der Körper nach etwaigen Kontrak- tionen immer wieder zurückkehrt. Die Oberfläche der Pellicula zeigt bei Paramaecium eine sehr charakte- ristische Skulptur. Sie wird näm- lich durch vorspringende Leistchen in Fig. 110. Paramaecium cau- kleine, regelmäßig aneinander gereihte datum. Ein kleiner Teil der dorsalen Feldchen zerlegt, welche an verschie- Körperoberfläche. C Wimpern, Z leisten- denen Körperstellen eine etwas ver- tie, Yorpringe,, de, senhekiee schiedene Form haben. Größtenteils Yergr.2250:1. Nach SCHUBERG 1905, sind sie sechseckig (vgl. Fig. 110), nach Kuaıssky 1911 etwas verändert. doch können zwei einander parallele Seiten der Sechsecke sich mehr oder weniger verkürzen. Besonders groß wird diese Verkürzung nach dem Peristomfelde zu, und in 92 Protozoa.. Max Lün, diesem selbst gehen die Sechsecke durch völligen Schwund zweier gegenüberliegenden Seiten in Rhomben über. Diese Felderung ist so fein, daß sie nur bei stärkster Vergrößerung deutlich erkennbar ist. Bei schwächeren Vergrößerungen äußert sie sich in einer charakteristischen Streifung der Pellicula, deren Richtung den (längeren) Seiten der Sechsecke bzw. Rhomben entspricht. Auf der Bauchfläche treten, abgesehen vom Peristomfeld, am deutlichsten Streifen hervor, die von links-vorn nach rechts-hinten ziehen; etwas schwächere Streifen kreuzen die vorigen nahezu rechtwinklig von rechts-vorn nach links-hinten, wobei sie jedoch mit der Längsachse des Tieres einen etwas größeren Winkel bilden als die vorgenannten. Auf dem Peristomfelde verlaufen die stärkeren Streifen, von hinten kommend, im Bogen nach rechts zum rechten Peristomrande, um an diesem im Winkel in die Hauptstreifen der rechten Hälfte der Bauchfläche überzugehen; das schwächere Streifensystem ist auf dem Peristomfeld nahezu transversal gerichtet. Auf der Dorsalfläche ziehen die stärkeren Streifen vom vorderen zum hinteren Körperende in der Richtung von vorn-rechts nach hinten-links. Die stärker hervortretenden Streifen verlaufen also im allgemeinen an dem spindelförmigen Körper in rechtsgewundenen gestreckten Schraubenlinien. In der Mitte jedes der grubenartig vertieften Feldchen entspringt eine Wimper, auf deren feineren Bau, Insertion und Wirksamkeit unten zurückzukommen ist. 2. Als Alveolarschicht wird bei den Infusorien eine sehr dünne, unter der Pellicula gelegene Plasmaschicht bezeichnet, die auf dem optischen Querschnitt eine feine, senkrecht zur Oberfläche stehende Strichelung erkennen läßt als optischen Ausdruck einer äußerst feinen, einschichtigen Wabenstruktur. In diese bei anderen Infusorien mit Sicherheit nachgewiesene Schicht können außer den „Basalkörperchen“, von denen aus die Wimpern entspringen, auch noch besondere Fibrillen eingelagert sein. Daß sie speziell auch bei Paramaecium ausgebildet sei, wird von MAIER (1902) im Gegensatz zu anderen Angaben bestritten. Indessen muß ihr direkter Nachweis infolge der außerordentlichen Kleinheit und Kompliziertheit der Verhältnisse gerade bei Paramaecium (dichte Zusammendrängung von Leistenbildungen der Pellicula, Basalkörper- chen der Wimpern, neben diesen vorhandenen, mit Neutralrot färb- baren Körnchen von noch unaufgeklärter Bedeutung und peripheren Endigungen der in der Corticalschicht gelegenen Trichocysten) auf sehr erhebliche technische Schwierigkeiten stoßen. SCHUBERG (1905) beruft sich deshalb zum Beweise für ihr Vorhandensein aufFibrillen, welche, in der Längsrichtung der hintereinander gelegenen Feldchen der Pellicula verlaufend, die Basalkörperchen der in diesen Feldchen entspringenden Wimpern miteinander verbinden und ebenso wie diese Basalkörperchen unmittelbar unter der Pellicula gelegen und daher nur als fibrilläre Differenzierungen innerhalb einer Alveolarschicht verständlich sind (vgl. Fig. 110). Nach Knaınsky (1911) färbt sich bei mit Brom vorbehandelten Paramäcien eine der Alveolarschicht entsprechende dünne Schicht unter der Pellicula viel intensiver als das übrige Ektoplasma. 3. Unter der Alveolarschicht, von ihr scharf abgegrenzt, liegt eine dünne Schicht hyalinen Plasmas, das sich vom Endoplasma durch B. 3. Paramaecium. 095 dichtere, von Einschlüssen freie Struktur und eine dadurch bedingte etwas größere Festigkeit unterscheidet. Nahrungskörperchen treten niemals in dieses Corticalplasma ein, das der Sitz eigentüm- licher, als Trichocysten bezeichneter Gebilde ist. Dies sind mehr oder weniger spindelförmige, hyaline, farblose Gebilde, die offenbar aus einer plasmaartigen Substanz bestehen, jedoch stärker licht- brechend sind als das umgebende Protoplasma. Mit Eisenhämatoxylin färben sie sich gleich den Wimpern und ihren Basalkörperchen in- tensiv schwarz (vel. Fig. 111). Bei Paramaecium sind sie verhältnis- mäßig dick, eiförmig; von ihrem breiteren, der Oberfläche des Tieres zugewendeten Pole geht noch ein scharf abgesetzter, stabförmiger Fortsatz aus, der bis in die Pellicula eindringt. Sie sind außerordentlich zahlreich und finden sich, senkrecht zur Oberfläche gestellt, in Maar Paramaecium caudatum. Längsschnitt durch den Cytopharynx. Bl Basallamelle der undulierenden Membran, Bs Basalsaum derselben (aus einer Reihe von Basalkörperchen be- stehend), Zn Endoplasma, Ma Großkern, Mb undulierende Mem- bran, Mu Cytostom, N Nahrungs- vakuole mit aufgenommenen Bak- terien, Ne in Entstehung begriffene Nahrungsvakuole am Grunde des Cytopharynz, S Cytopharynx, T Trichoeyste. Nach MAIER 1903. Fig.112. Ausgeschleuderte Trichocyste von Paramaecium caudatum. Vergr. 2250:1. Nach SCHUBERG 1905. Fig. 112. einer einschichtigen, gleichmäßig über den ganzen Körper aus- gebreiteten Lage (Fig. 109, 6). Ihre Verteilung ist bei Paramaecium insofern eine streng gesetzmäßige, als ihre stäbchenförmigen Fortsätze sich stets in den Leisten der Pelliculafeldehen inserieren, nie im Inneren dieser Feldchen, und zwar findet sich nach SCHUBERG (1904) und Knaınsky (1911) je eine Trichocyste 1) an jeder Ecke dieser Feldchen und 2) außerdem an denjenigen Seiten der Feldchen, die von den Fibrillen der Alveolarschicht gekreuzt werden, dicht neben diesen Fibrillen (vgl. Fig. 110). Auf Druck- und gewisse chemische Reize werden diese Trichocysten plötzlich zu langen Fäden ausgeschnellt, die an dem einen Ende in eine Spitze auslaufen, an dem anderen eine charakteristische kopfartige Bildung (Fig. 112) tragen, die nach KuAınsky (1911) durch Aufquellung des stabförmigen Fortsatzes der noch in natürlicher Lage befindlichen Trichocysten entsteht. Die Explosion der Trichocysten, die bei Paramaecium mit einer völligen Herausschleuderung derselben aus dem Körper ver- bunden ist, stellt offenbar eine Abwehrreaktion dar (Fig. 113). Von einer feineren, die Explosion der Trichocysten verständlich machenden Struktur ist nichts Sicheres bekannt. Verworn faßt die aus- geschnellten Fäden, die bei manchen Infusorien (z. B. Lionotus) mit ihrem einen Ende im Körper stecken bleiben, als einen durch Kon- 94 Protozoa. Max Lünr, traktion der äußersten Körperschicht hervorgepreßten, bei Berührung mit Wasser sofort erstarrenden Flüssigkeitsstrahl auf. Nach den Beobach- q tungen von Kuansky (1911) ent- stehen sie aber sicherlich durch Aufquellung der hervorgepreßten Trichocysten selbst, deren Aus- schnellung durch eine lokale Kon- traktion der Pellicula infolge ein- seitiger äußerer Reizung bewirkt werden dürfte. Fig. 113. Paramaecium cauda- tum, unmittelbar nach dem Angriff durch ein Didinium nasutum. Die Trichocysten. sind entladen, und hierbei ist das Di- dinium mechanisch zurückgedrängt unter gleichzeitiger Vorzerrung eines Fortsatzes des Paramaeciums an der Stelle, wo das aus dem Cytopharynx vorgestreckte Fang- organ des Didinium (vgl. Fig. 293) sich angeheftet hatte. Nach MASsT 1908. Der Corticalschicht gehören auch, wenigstens noch teilweise, die fast allen Infusorien zukommenden kontraktilen oder pulsieren- den Vakuolen an. Paramaecium besitzt zwei unmittelbar unter der Trichocystenschicht liegende Vakuolen an der Grenze des 1. und 2. bzw. des 3. und 4. Viertels der Körperlänge (Fig. 109, 7). Jede Vakuole ist umstellt von einem Kranze von 7—10 zuführenden Kanälen (8), die ebensowenig wie die Vakuolen selbst eine eigene Wand besitzen; es sind vielmehr lediglich Flüssiekeitsansammlungen im Corticalplasma. Die zuführenden Kanäle verlaufen geradlinig in radiär-strahlenförmiger Anordnung durch die ganze zugehörige Körper- hälfte, hierbei nach der Peripherie des Strahlensystems immer enger und feiner werdend. Gegen Ende der Diastole der kontraktilen Vakuole, d. h. wenn der sie bildende Flüssigkeitstropfen groß wird, sind auch die zu- führenden Kanäle immer deutlich zu erkennen. Sie stehen aber mit ihr nicht in Kommunikation (vgl. Fig. 114). Immer mehr fließt die Flüssigkeit in den Kanälen eines Systems zentralwärts, so daß deren zentrale Enden zu sogenannten Bildungsvakuolen anschwellen, während ihr übriger entleerter Teil schließlich nicht mehr zu erkennen ist. Die angeschwollene pulsierende Vakuole ist jetzt von 7 -bis 10 Bildungsvakuolen dicht umlagert. Nun erfolgt die Systole, d. h. die plötzliche Entleerung der pulsierenden Vakuole. Gleich darauf treten die Bildungsvakuolen an die Stelle der verschwundenen Haupt- vakuole, indem sie durch Zusammenfließen eine neue bilden, in deren Umkreis wieder neue zuführende Kanäle, ganz genau an der Stelle der alten, sichtbar werden. Die Pulsationen der beiden Vakuolen von Paramaecium erfolgen in der Regel alternierend (vgl. Fig. 109). Man nahm bisher fast stets an, daß bei Paramaecium und anderen Infusorien ein besonderer Exkretionsporus vorhanden sei. Kuaınsky (1911) hat jedoch den Nachweis erbracht, daß Paramaecium einen solchen prä- formierten Porus ebensowenig besitzt wie die Amöbe. Sein Vorhanden- B. 3. Paramaecium. 95 sein wird bei der Untersuchung lebender Tiere vorgetäuscht durch eine grubige Einsenkung der nicht unterbrochenen Pellicula über der Mitte der pulsierenden Vakuole (Fig. 109, 11). Diese Einsenkung ist zunächst trichterförmig (Fig. 115, A) und geht während des Anfanges der Diastole in die Form eines kurzen engen Kanales mit dichtem Boden über ee Fig. 114. Paramaecium caudatum. Pulsation der kontraktilen Vakuole. / Un- mittelbar vor der Entleerung. 2 Unmittelbar nach derselben; die Bildungsvakuolen be- ginnen in der Richtung der Pfeile zusammenzurücken. 3 Die Bildungsvakuolen sind teilweise zusammengeflossen. 4 Dieses Zusammenfließen ist beendigt; neue zuführende Kanäle beginnen aufzutreten. 5 Die neugebildete Vakuole hat sich abgerundet. 6 Die zentralen Enden der zuführenden Kanäle beginnen zu neuen Bildungsvakuolen anzu- schwellen. Aus PÜTTER 1904. (Fig. 115, B); bei stärkerer Füllung der Vakuole gleicht sie sich jedoch aus, und am Ende der Diastole findet sich statt ihrer sogar umgekehrt eine durch den steigenden Vakuolendruck bedingte Vorwölbung der dünnen, die Vakuole von der Außenwelt trennenden Ektoplasmaschicht 96 Protozoa. Max Lünr, (Fig. 115, CO). Steigt der Druck noch mehr an, so berstet offenbar diese Deckschicht, die Vakuole entleert sich, und das Ektoplasma stürzt zu- sammen, um von neuem die trichterförmige Einsenkung zu bilden. Die Frequenz der Pulsationen der kontraktilen Vakuole steigt mit zunehmender Temperatur. Die einzelne Pulsation dauert bei 16° C 21 Sekunden, bei 20°C 14 Sekunden, bei 27°C 9 Sekunden, bei 34° C 6 Sekunden; bei noch höherer Temperatur wird der Puls unregelmäßig — Unregelmäßigkeiten in der Form der zuführenden Kanäle in Gestalt rosenkranzähnlicher Erweiterungen bei gleichzeitiger abnormer Größe der zentralen Vakuole beginnen bereits bei 30° C aufzutreten —, bei Fig. 115. Paramaecium caudatum. Querschnitte senkrecht zur Oberfläche durch die kontraktile Vakuole,. A kurz nach der Entleerung der Vakuole, B während der Diastole, © gegen Ende der Diastole, kurz vor der Entleerung. Nach KHAINSKY 1911. 37°C wird der Puls plötzlich ganz langsam und hört bald ganz auf (Stillstand erfolgt in maximaler Diastole), und bei Steigerung über 40° © hinaus sterben die Paramäcien ab. Nach Pürrter (1900) und ProwAzek (1901) ist bei Paramäcien, die thigmotaktisch an einem festen Gegenstand stillstehen, die Pulsation der Vakuole oft außerordentlich verlangsamt. Vielleicht hängt hiermit die von PürteEr (1904) beobachtete längste Dauer einer einzelnen Pulsation von 43 Sekunden zusammen. Andererseits wird nach Pürrer (1904), wenn das Paramaecium die Oberfläche einer Luftblase berührt, die Pulsation der benachbarten Vakuole oft erheblich beschleunigt (in einem Falle z. B. von vorher 17—30 auf 8—9 Sekunden). Die Ursache dieser Erscheinung ist noch unbekannt. Man hat berechnet, daß die kontraktile Vakuole von Paramaecium aurelia bei 27°C in ca. 46 Minuten ein dem Körpervolumen gleiches Volumen Flüssigkeit entleert. Das körnige Endoplasma, das wesentlich einfachere Ver- hältnisse bietet als das Ektoplasma, enthält die Kerne, Nahrungs- vakuolen und Exkretkörner. Kerne. Wie fast alle Infusorien hat Paramaecium 2 verschie- dene Kerne, einen Großkern oder Makronucleus und einen Kleinkern oder Mikronucleus. Der Großkern ist ellipsoidisch, - mit sehr dichter Struktur; er gehört zu dem Typus der „massigen Kerne“. Seine Oberfläche zeigt an einer Stelle, meist an einer Längs- seite, eine kleine grubige Vertiefung mit meist scharfen Rändern, in der der kleine runde Mikronucleus liegt, von der Wandung des Grüb- chens nur durch eine sehr dünne Plasmaschicht getrennt. Der Klein- kern läßt nur bei sehr sorgfältiger Färbung den körnigen Charakter des sehr dicht zusammengedrängten Chromatins erkennen. B. 3. Paramaecium. 97 Die Bewegung wie auch die Nahrungsaufnahme von Paramaecium wird vermittelt durch die für die Wimperinfusorien charakteristischen Wimpern oder Cilien, kurze und überaus dünne, haarähnlich nach außen vorragende Protoplasmafortsätze, die rasch schwingende Bewegungen in nahezu einer Ebene ausführen, im übrigen aber im Gegensatz zu den Pseudopodien nicht formveränderlich sind. Paramaecium gehört zu den holotriehen Infusorien, die auf der ganzen Oberfläche mit im allgemeinen gleich langen und in gleich- mäßigen Längsreihen stehenden Cilien bedeckt sind und auch in der Umgebung der Mundöffnung nur einfache Cilien besitzen. Die Cilien sind aber nicht durchweg gleich. Bei Paramaecium caudatum finden sich am Hinterende einige in ihrer Form den Cilien ähnelnde unbewegliche Borsten, denen man Tastfunktion zuschreibt und die man deshalb „Tastborsten“ nennt, und ferner noch einige Cilien, die die übrigen an Länge übertreffen, aber nicht die für die übrigen Cilien charakteristischen schlagenden Bewegungen machen, sondern stetig geißelähnlich vibrieren. Auch am Vorderende finden sich ähnliche längere Cilien, die ebenfalls bei dem infolge Ruhens der anderen Wimpern still- stehenden Tiere derartige vibratile Bewegungen machen. Jede einzelne Cilie entspringt von einem unter der Pellicula ge- legenen, sich mit Eisenhämatoxylin schwärzenden kleinen Körnchen, .dem Basalkorn oder Basalkörperchen (Fig. 110 und 111), das offenbar dazu dient, die Cilie im Ektoplasma zu verankern, ihr bei ihren Bewegungen als Widerlager zu dienen. Eine weitere ihm gelegentlich zugeschriebene Bedeutung als eine Art von motorischem Zentrum für die Bewegung der Cilie ist zum mindesten nicht er- wiesen und deshalb unwahrscheinlich, weil ganz gleiche Basalkörperchen auch bei den starren Tastborsten vorhanden sind. Von dem Basalkorn zieht noch wieder eine Fibrille ins Innere des Plasmakörpers hinein, die, von anderen Infusorien schon länger bekannt, speziell bei Paramaecium erst durch KuaınskyY (1911) nachgewiesen ist. Die dauernde Erhaltung eines derartig feinen fadenförmigen Gebildes, wie es von den Cilien der Wimperinfusorien dargestellt wird, setzt eine bedeutende Festig- keit voraus, Andererseits ist die Be- wegung der Cilien am leichtesten verständ- lich durch einen Antagonismus zwischen einem die Krümmung bewirkenden kon- traktilen Bestandteil und einem bei Nach- laß der Kontraktion die Wiederaufrichtung bewirkenden elastischen Bestandteil; der letztere wäre dann gleichzeitig das feste, formbestimmende Element der Cilie. Mit \ Hilfe der LörrLerschen Geißelfärbung und Ei De tgientersaern- der Gorgıschen Methode wies nun SCHU- jeus. Ein Stückehen der Körper- BERG (1905) bei Paramaecium und anderen oberfläche. Vergr. 2250 :1. Infusorien nach, daß die Cilien in der Tat Nach ScHuBEre 1905. morphologisch nicht ganz einheitlich sind, vielmehr läßt sich ein schwächer färbbares „Endstück“ von dem dunkel gefärbten übrigen Teil der Wimper scharf abgrenzen (Fig. 116). Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 7 98 Protozoa. Max Lünuz, Auf Grund eines Vergleiches mit dem Bau der Schwanzgeißel der Spermatozoen, sowie der Geißeln der Flagellaten und der Axopodien der Heliozoen (vgl. hierüber den Abschnitt über Bewegungsorganellen) deutet SCHUBERG diese Beobachtung dahin, daß das Endstück das nackt hervorragende Ende eines elastischen Achsenfadens dar- stellt, der bis auf dieses Endstück von einem dünnen flüssigen Plasmamantel umhüllt ist. Ueber die Anzahl der Cilien gehen die Ansichten der Forscher weit auseinander. EHRENBERG schätzte dieselbe bei dem (von Par. cau- datum durch den Besitz zweier Kleinkerne sowie durch etwas geringere Größe unterschiedenen) Par. aurelia auf 2640, ScHhumann auf 10000 bis 14000, Mauras bei ca. 0,04 mm großen Exemplaren (1/,—!/, der Maxi- malgröße) auf 350. Bürscauı hält die letzte Zahl für viel zu niedrig und glaubt, daß wohl EHRENBERGS Schätzung ziemlich zuverlässig sei. Die Bewegungen der Wimpern erfolgen in einem be- stimmten zeitlichen Zusammenhange, derart, daß das ganze sich be- wegende Wimperkleid an ein vom Winde bewegtes Getreidefeld erinnert. Die Bewegungswellen, durch abwechselndes, in genau gleichem Rhythmus erfolgendes Schlagen und Sich-wieder-aufrichten der Wimpern hervorgerufen, durchlaufen das Wimperfeld in der Längsrichtung, wobei alle Wimpern einer Querreihe vollständig syn- chron tätig sind. Innerhalb jeder Längsreihe erfolgt die Bewegung: dagegen.metachron. Auf den Schlag der ersten Wimper folgt der der zweiten, dann der der dritten usw.; jede Wimper beginnt ihre Bewegung sofort, nachdem die vorhergehende die ihrige begonnen und noch lange bevor sie sie beendet hat (Fig. 117). /[] ) i ? IB 1 DIE N FI CH SZ ZZ = Fig. 117. Flimmerbewegung einer Wimperreihe in Seitenansicht. Nach VERWORN 1897. Die Schlagrichtung der Cilien ist für gewöhnlich ein wenig schräg nach hinten gewandt und bedingt die Lokomotion, die ein rasches und leichtes gleichmäßiges Gleiten durch das Wasser darstellt. Die etwas schräge Schlagrichtung veranlaßt eine dauernde Drehung des Tierchens um seine Längsachse bei der freischwimmenden Vor- wärtsbewegung, und da die Cilien des Peristomfeldes kräftiger schlagen als alle übrigen, so erfolgt gleichzeitig eine dauernde seitliche Ab- lenkung der Schwimmbahn nach der aboralen Seite. Diese Ablen- kung wechselt aber wegen der gleichzeitigen Drehung des Körpers um seine Längsachse ebenso dauernd ihre Richtung im Wasser und führt so dazu, daß die Schwimmbahn die Form einer langgestreckten Schraubenlinie hat. Die Rotation um die Längsachse, die wir nicht nur bei allen frei- schwimmenden Protozoen, sondern z. B. auch bei den Rotatorien finden, ist offenbar von wesentlicher Bedeutung für die Innehaltung der geraden Richtung in der Achse der Schraubenlinie. Durch Wechsel von Richtung und Kraft des Wimperschlages kann die Bewegung der Paramäcien mannigfache Modifikationen erleiden: B. 3. Paramaecium. 99 die Tierchen können stillstehen, rückwärts schwimmen u. dgl. Näheres über diese durchweg zweckmäligen Erscheinungen folgt bei Besprechung der Reizbarkeit auf S. 103f£. Ernährung. Paramaecium ist auf die Aufnahme kleinster Nah- rungskörperchen angewiesen. Seine gewöhnliche Nahrung besteht aus Fäulnisbakterien, für Stoffwechselversuche können Dotterauf- schwemmungen u. dgl. benutzt werden. P. caudatum ist die gemeinste Infusorienart in fauligem Wasser, tritt stets in Aquarien mit faulen- den organischen Substanzen auf und findet sich im Freien im Verein mit P. putrinum vornehmlich und dann meist in ungeheurer Zahl an der Oberfläche im Wasser liegender faulender Tierleichen. Die Bak- terien oder ähnliche kleine Partikelchen werden durch die Cilienbewe- gung des Peristomfeldes dem Munde zugeführt und in den Schlund hineingetrieben. Die oralen Wimpern rufen nämlich einen Wasserstrom hervor, der äußerst rasch an dem Peristomfelde entlang zum Munde hinführt. Durch, ihn werden nicht nur Bakterien mitgerissen; es wird auch allgemein, „wenn vor dem Tiere ein Stoff im Wasser diffundiert, oder wenn das Wasser wärmer oder kälter ist oder sich auf irgendeine andere Weise unterscheidet, eine Probe von dieser veränderten Umgebungsflüssigkeit kegelförmig rückwärts gezogen und infolge des stärkeren Schlages der oralen Wimpern in einer Strömung an dem Peristomfelde hinab zum Munde geführt. Dies kann man am besten beobachten, wenn man in die Nähe des vorderen Endes eines ruhenden Paramaecium mittels einer kapillaren Pipette etwas Farblösung, wie Methylenblau, bringt oder wenn man in derselben Weise Wasser mit Tusche verwendet.“ „Auf diese Weise erhält Paramaecium beständig Proben des vor ihm befind- lichen Wassers, und da sich seine Spitze infolge der schraubenförmigen Bewegung nacheinander nach verschiedenen Richtungen kehrt, so kommen auch die Wasserproben, die es erhält, nacheinander aus vielen ver- schiedenen Richtungen“ (Jennines 1910, vgl. hierzu Fig. 121 und 124). Von der dorsalen Wand des Schlundes ragt in seinen Hohlraum ein zartes protoplasmatisches Häutchen vor, welches wellige Bewe- gungen ausführt, die undulierende Membran (Fig. 109, 3 und 111, Mb). Ihre Bewegung erleidet niemals eine Unterbrechung, so- lange das Tier lebt und sich nicht in Teilung oder Konjugation be- findet, und befördert das mit dem Wasserstrudel in den Mund ge- langte Nahrungspartikelchen in den Grund des das Ektoplasma durch- setzenden ÜÖytopharynx, wo es in das Endoplasma eintritt. Die undulierende Membran selbst entspricht einer mehrfachen Reihe mit- einander verschmolzener Cilien; sie läßt eine feine parallele Streifung erkennen, bedingt durch dicht gestellte, an konserviertem Material sich leicht voneinander trennende Fasern, die den elastischen Achsen- fibrillen einzelner Cilien homologisiert werden müssen, zumal jede einzelne dieser Fasern von einem Basalkorn entspringt, das durchaus den Basalkörnern der einzelnen Cilien gleicht (Fig. 111, Ds). Die Aufnahme der Nahrungspartikelchen aus dem Schlunde in das Endoplasma ist mit der Bildung einer Nahrungsvakuole verbunden, die ebenso wie die sich anschließenden Verdauungsvor- gänge von NIRENSTEIN (1905) in einer sehr wichtigen Arbeit studiert ist. Die am Grunde des Schlundes zusammengedrängten Nahrungs- 100 Protozoa.. Max Lüne, partikelchen werden mit dem sie umschließenden Wassertropfen nicht einfach passiv durch den Druck des von außen nachdrängenden Wasserstrudels in das Plasma hineingepreßt, wie man früher annahm, sondern aktiv eingeschlungen. Das am Grunde des Schlundes nackt zutage liegende Endoplasma höhlt sich halbkugelig aus und zieht da- durch die den Schlund füllende Flüssigkeit in Form eines Tropfens in das Innere des Zellkörpers hinein (Fig. 118, 6, 2). Die hierdurch 4 5 6 Fig. 118. Bildung der Nahrungsvakuole (punktiert gezeichnet) und Ablösung derselben von dem (durch ausgezogene Linien dargestellten) Cytopharynx bei Paramaecium caudatum. Im Stadium 6 beginnt nach der Ablösung der ersten bereits die Bildung einer neuen Vakuole. Nach NIRENSTEIN 1905. gebildete Nahrungsvakuole ist von einer sehr feinen, an ihrem stärkeren Lichtbrechungsvermögen erkennbaren Membran, der Va- kuolenhaut, überzogen, die eine wohl durch den Kontakt mit dem Wasser hervorgerufene Differenzierung der oberflächlichen Endo- plasmaschicht (eine sogenannte Haptogenmembran) darstellt. Die Ablösung der Nahrungsvakuole vom Schlunde wird dadurch eingeleitet, daß der Tropfen, anscheinend infolge einer Zugwirkung seitens des Endoplasmas, in eine Spitze ausgezogen wird (Fig. 118, 2). Dann zieht sich das die innere Schlundmündung umgebende Endoplasma konzentrisch zusammen und schnürt dadurch die Nahrungs- vakuole, zunächst noch in Spindelform, vom Schlunde ab (Fig. 118, 3—5). Fig. 119. Schematische Dar- stellung der Cyclose von Para- maecium caudatum. A in Ventral- ansicht, B in Seitenansicht. cv pul- sierende Vakuolen, nv vom Cytopharynx abgelöste Nahrungsvakuole, nv, neue, am Grunde des Cytopharynx in Bil- dung begriffene Nahrungsvakuole, w Umlaufsbahn der Nahrungsvakuolen. Schraffiert die hinter dem Kern ge- legene Region der „kleinen Umlaufs- bahn,“ die wiederholt durchlaufen werden kann, bevor die Nahrungs- vakuole in die „große Umlaufsbahn“ eintritt. Mitunter wird auch überhaupt nur die „kleine Umlaufsbahn‘“ durch- messen. Nach NIRENSTEIN 1905 aus A B DOFLEIN. a B. 3. Paramaecium. 101 Die sich alsbald abrundende (Fig. 118, 6) Nahrungsvakuole macht nun eine charakteristische, wenn auch im einzelnen etwas variable Wanderung (Cycelose) durch, die auf Strömungen im Endoplasma beruht (vgl. Fig. 119). Diese Wanderung erfolgt aber nicht mit durch- weg gleichbleibender Geschwindigkeit, vielmehr wird die Nahrungs- vakuole stets in der Gegend dicht hinter dem Kern eine Zeitlang zurückgehalten. Auch ist sie bei Aufnahme verdaulicher Stoffe von längerer Dauer als bei Aufnahme unverdaulicher Stoffe, die rascher wieder entleert werden (METALNIKOW 1912). Während der Wanderung erfolgt die Verdauung der in der Nahrungsvakuole enthaltenen Nahrungspartikelchen mit Hilfe der Sekretion von Mineral-(Salz-?)Säure und proteolytischem Ferment. Die Veränderungen, welche die Vakuole samt Inhalt hierbei erfährt, lassen 2 schon äußerlich durch die Größenverhältnisse der Vakuole ge- kennzeichnete Perioden unterscheiden (Fig. 120). Einige Zeit nach der Bildung der Nahrungsvakuole beginnt die Säure-Abscheidung, kenntlich an einer von der Peripherie nach dem Inneren der Vakuole allmählich vorschreitenden Rotfärbung bei Einwir- kung neutralisierter farbloser Neutralrotlösung (1—2 Tropfen 0,01-proz. Lösung auf 10 ccm des Wassers, in dem die Paramäcien schwimmen). Die Färbung der aufgenommenen Bakterien folgt der der Vakuolen- flüssigkeit nach (Fig. 120, a, b) und geht einher mit Ballung des Va- Fig. 120. Umwandlungserscheinungen an einer Nahrungsvakuole von Paramaecium caudatum bei Vitalfärbung mit Neutralrot. Erklärung im Text. Nach KHAINSKY 1911. kuoleninhalts (ec). Gleichzeitig erfolgt eine allmähliche Wasserdiffusion in das umgebende Plasma, bis die Vakuole so stark verkleinert ist, daß ihr Volumen nur noch durch den geballten körperlichen Inhalt bestimmt ist (e). Auf diesem Stadium maximaler Verkleinerung, das nach Nırkx- stein in 4—6 Minuten erreicht wird, verharrt die Vakuole verhältnis- mäßig lange Zeit (nach Nırrnsteıvn bis zu 16 Minuten), dann beginnt die 2. Periode, in der die Vakuole sich allmählich wieder vergrößert. Hierbei sollte nach Nırenstein die vorher saure Reaktion des Vakuolen- inhalts alkalisch werden, indessen hat sich dies bei Nachuntersuchung 102 Protozoa. Max Lüne, durch Knaısky (1911) nicht bestätigt!). Gleichzeitig mit der Ver- größerung der Vakuole erfolgt jedoch eine Auflösung ihres Inhaltes: es bilden sich intensiv färbbare Körnchen oder Tröpfchen, die sich der Vakuolenoberfläche anlagern (f—i), ins Plasma austreten und dort als- bald resorbiert werden. Dieser ganze Prozeß vollzieht sich nach Kaamsky in 10—15 Minuten. Nach vollendeter Resorption, während deren der durch die Rotfärbung angezeigte Säuregehalt der Vakuolen- flüssigkeit allmählich wieder schwindet, tritt eine zweite Verkleinerung der Vakuole ein, in der jetzt nur noch einige unverdaute Nahrungsreste sichtbar sind (Fig. 120, k). — Daß die Säure eine Mineralsäure ist, läßt sich durch Blaufärbung der Vakuole bei Anwendung von Kongorot nachweisen; ihre Deutung als Salzsäure ist dagegen hypothetisch. Die in den Nahrungsvakuolen zur Zeit ihrer Verkleinerung ent- haltene Salzsäure schätzt NıRensteın auf 0,018—0,03 Proz. Durch Untersuchung an lebenden Paramäcien, die mit Dotter- oder Stärkekörnchen gefüttert wurden, ist Verdauung von Eiweiß und Kohle- hydraten sichergestellt. Auch haben Messın und Mouron (1903) aus Paramäcien ein proteolytisches Ferment isoliert, das Gelatine und Fibrin verflüssigt. Ein im Plasma diffus verteiltes Glykogen hat bereits MaupAs nachgewiesen. Unter normalen Lebensbedingungen enthalten Paramäcien stets eine mehr oder minder erhebliche Zahl von Fettkörnchen. Nach NıreEx- stein (1909) soll nun gleichzeitig mit der Proteolyse in der Nahrungs- vakuole auch eine Verdauung des Fettes stattfinden, indem dasselbe in seine wasserlöslichen Komponenten (Fettsäure und Glyzerin) zerlegt wird, die dann nach Aufnahme in das Endoplasma wieder zu Neutralfett ver- einigt werden. Srtanızwicz (1910) konnte dies aber nicht bestätigen; nach ihm können Paramäcien (und wahrscheinlich sogar alle Protozoen) Fett nicht assimilieren, bilden es vielmehr lediglich aus Kohlehydraten und Eiweilß. Den Einfluß längeren Hungerns auf Paramaecium haben vor allem Kasanzerr (1901) und WALLENnGREN (1901) studiert. Es erfolgt eine abnorme Größenzunahme des Makronucleus und eine vakuoläre Degene- ration des Plasmas. Die Reihenfolge, in der die verschiedenen Orga- nellen angegriffen werden, entspricht ihrer Lebenswichtigkeit: zuerst erfolgt der Verbrauch der in Granulaform aufgespeicherten Reserve- materialien, dann ein Einschmelzen des Endoplasmas, dann eine Ver- minderung des Ektoplasmas und seiner Differenzierungen (Wimpern, Triehocysten) und hierauf erst ein Zerfall des massigen, vergrößerten Großkerns, der Mikronucleus dagegen bleibt bis zum körnigen Zerfall der ganzen Zelle nahezu unverändert. Paramäcien, die lange gehungert haben, haben nach Nırensteın (1909) die Fähigkeit zur Bildung von Nahrungsvakuolen dauernd verloren. Nach WALLENGREN (1901) können jedoch auch stark vakuolisierte und deformierte Paramäcien sich bei 1) Nach neueren Versuchen von METALNIKOW (1912) scheint die Reaktion der Nahrungsvakuolen je nach der Natur der aufgenommenen Nahrung verschieden zu sein. Bei Ernährung mit Eiweißkörpern (z. B. Eidotter) soll entsprechend den Angaben NIREN- STEINsS auf eine Periode saurer eine solche alkalischer Reaktion folgen; bei Fütterung mit Fett, Kohlehydraten (Amidon) oder pulverisiertem Glase dagegen die alkalische Re- aktion ganz oder fast ganz fortfallen, bei Ernährung mit gewissen Bakterien endlich (B. coli, Proteus) umgekehrt die saure Reaktion ausbleiben und dauernd alkalische Re- aktion bestehen. Hiernach würde also saure Reaktion vorherrschen bei unverdaulicher oder schwer verdaulicher, alkalische dagegen bei normaler leichtverdaulicher Ernährung der Paramäcien. B. 3. Paramaecium. 103 Nahrungszufuhr noch wieder erholen und normale Form annehmen. Erst wenn kleinere oder größere Teile des Körpers bereits körnig zerfallen sind, ist eine Wiedererholung nicht mehr möglich. Die nur noch die unverdaulichen Nahrungsreste enthaltenden Kotvakuolen (Fig. 109, 1? und Fig. 120, k) gelangen schließlich zu dem Zellafter (Cytopyge), der bei Paramaecium auf der Bauchfläche zwischen Cytostom und Hinterende liegt, aber nur in dem Momente sichtbar wird, wenn die unverdauten Nahrungsreste durch ihn entleert werden. Diese Entleerung erfolgt durch einfaches Bersten der Kotvakuole. Von Stoffwechselprodukten finden sich im Endoplasma von Para- mäcien außer den bereits bei Schilderung der Verdauung besprochenen noch eigenartige „Exkretkristalle“, die nach SCHEWIAKOFF (1894) aus phosphorsaurem Kalk bestehen (Fig. 109, 5). „Sie werden von der Plasmazirkulation umhergeführt und zeigen die Tendenz im vorderen und hinteren Körperende, d. h. in der Nähe der beiden kontraktilen Vakuolen, sich anzusammeln.“ Dabei kommen sie dicht unter das Ektoplasma zu liegen, nehmen an Größe allmählich ab, schmelzen gleichsam, wobei sie meist in kleinere Stücke zerbröckeln. Schließlich schwinden sie. Da nie beobachtet werden konnte, daß sie per anum austreten, so vermutet SCHEWIAKOFF, daß sie aufgelöst und im flüssigen Zustande durch die kontraktilen Vakuolen entleert werden. Eneystierung ist bei den Wimperinfusorien schon sehr lange bekannt und bei gewissen Arten leicht zu beobachten. Obschon nun aber die Paramaecium-Arten zu den häufigsten Infusorien gehören und deshalb sowie ihrer leichten Züchtbarkeit wegen von jeher ein Lieblingsobjekt für Untersuchungen gewesen sind, so sind doch Cysten von Paramaecium erst in neuerer Zeit entdeckt worden. PROWAZEK (1899) fand die runden, hellen Cysten von P. bursaria, deren Wand aus einer gelblichgrünen, deutlich konturierten Membran besteht; er konnte auch das Auskriechen der Tiere aus der Cystenhülle be- obachten. Reizbarkeit. Der Einfluß verschiedenartiger Reize auf Para- mäcien und andere Infusorien ist im Laufe der letzten beiden De- zennien Gegenstand vielfacher Untersuchungen gewesen, die Ergebnisse von allgemeiner Bedeutung gezeitigt haben. 4 Solange der Reiz nicht durch eine direkt schädigende Einwirkung eine eingreifendere Veränderung des Infusors hervorruft, wird die Reak- tion in einer Veränderung der Bewegung bestehen und diese Bewegungs- änderung beruht bei den verschiedenartigsten Reizen fast immer auf derselben in der Organisation des Tieres begründeten „Fluchtreak- tion“. Durch die Peristomwimpern werden, wie wir gesehen haben (S. 99), andauernd „Proben“ des vor dem Tier befindlichen Wassers dem Cytostom zugeführt. Wenn nun dieses Wasser eine Reizwirkung ausübt (beispielsweise dadurch, daß es einen wirksamen chemischen Stoff in Lösung enthält, der dem Wasser, aus dem das Infusor heran- geschwommen kommt, fehlt; experimentell leicht erreichbar durch Ein- bringen eines Kochsalzkristalles an den Rand des die Infusorien ent- haltenden Wassertropfens), so wird je nach der Stärke des Reizes die Vorwärtsbewegung verlangsamt, zum Stillstand gebracht oder gar durch ein Rückwärtsschwimmen ersetzt. Dadurch kann sich das Infusor einem 104 Protozoa. Max Lünr, schädlichen Einfluß entziehen. Gleichzeitig aber verlangsamt sich auch seine Rotation um die Längsachse, während sich die Abweichung nach der aboralen Seite (vgl. S. 98) verstärkt; infolgedessen dreht sich das Tier bei Stillstand in der Längsrichtung (eventuell nach Aufhören der anfänglichen Rückwärtsbewegung;) in einer trichterförmigen Bahn (Fig. 121) Fig. 121. Deutlich ausgesprochene Fluchtreaktion von Paramaecium. 1—5 Fünf aufeinander folgende Stellungen des in trichterförmiger Bahn herumschwingenden Infusors. Nach JENNINGS 1910. herum, wobei der Oeffnungswinkel | | des Triehters abhängig ist von der Stärke des Reizes. Bei dieser Bewegung werden dem Cytostom Wasserproben aus sehr verschie- denen Richtungen zugeführt und wenn infolge dieses Wechsels der Reiz, der die Reaktion ausgelöst hatte, wieder aufhört, so setzt die normale Vorwärtsbewegung wieder ein. Kleine Hindernisse können auf diese Weise schon mit Hilfe einer einmaligen Flucht- reaktion, größere durch mehr oder weniger oftmalige Wiederholung solcher (Fig.122) umgangen werden. „Die Art der Reaktion mit dem Fig. 122. Fluchtreaktion eines Infusors (Oxytricha fallax). In der Stellung 2 wird das Tier durch einseitige Erwärmung von der Richtung der par- allelen Pfeile her gereizt, dreht sich nach der aboralen Seite (2), fährt zurück (3) und dreht sich noch weiter aboral (4). Darauf schwimmt es wieder vorwärts (5), fährt aber wieder zurück (6) und dreht sich dann wieder nach der aboralen Seite (7). Die gleiche Reaktion wieder- holt es noch zweimal (8$—13), bis es auf diese Weise schließlich eine von der Reizquelle abgewandte Richtung gewinnt, in der es davonschwimmt (7/),. Nach JENNINGS 1904, etwas verändert. B. 3. Paramaecium. 105 systematischen Probieren aller Richtungen muß dazu führen, jeden vor- handenen Ausweg zu finden, gleichgültig wie eng er auch sein mag“ (Jennıngs 1910). 1. Mechanische Reize. a) Berührungsreize. Wenn Paramaecium beim Vorwärts- schwimmen gegen einen festen Gegenstand stößt, so antwortet es darauf gewöhnlich mit der vorstehend geschilderten typischen Fluchtreaktion durch Rückwärtsschwimmen. Bei Versuchen mit einem in äußerst feine Spitze ausgezogenen Glasstäbchen genügt schon eine ganz leise Be- rührung des Vorderendes zur Auslösung einer kräftigen Fluchtreaktion, während die übrige Körperfläche sehr viel weniger empfindlich ist und einen sehr viel stärkeren Reiz erfordert, der dann gleichwohl nur eine geringfügige Reaktion veranlaßt (Jennınas 1897, 1900). — Spirosto- mum ist dagegen an allen Stellen der Körperoberfläche in gleicher Weise für mechanische Reize empfindlich und reagiert stets mit der- selben Fluchtreaktion, gleichgültig, ob die Berührung vorn, hinten, dorsal oder ventral erfolgt. Unter gewissen, noch nicht mit voller Genauigkeit festgestellten Bedingungen flieht dagegen Paramaecium nicht von dem berührten Gegen- stand fort, sondern hemmt vielmehr seine Bewegung, indem die den betreffenden Körper berührenden Wimpern stillstehen und unbeweglich bleiben (Thigmotaxis, Fig. 123). Auch die übrigen Wimpern schlagen A B Fig. 123. Thigmotaxis von Paramaecium. A Ein Individuum in Berührung mit einer Fließpapierfaser. Die die Faser direkt berührenden Wimpern stehen voll- kommen stille. B Ansammlung von Paramäcien um ein Fließpapierstückchen unter dem Deckglas. Nach JENNINGS 1897 aus VERWORN, Allgem. Physiologie. dann mit Ausnahme der des Peristoms gewöhnlich nur schwach und wirkungslos, so daß die Tiere wie festgebannt am Platze verharren. Nur auf dem Peristom wird die Wimperbewe- gung energisch fortgesetzt, einen kräftigen mundwärts gerichteten Strudel erzeugend (Fig. 124). Die Körper, mit denen Para- maecium unter natürlichen Verhältnissen Fig. 124. Paramaecium caudatum. Durch Berührung des Vorderendes mit einem Zoogloeahaufen ist das Tier zum thigmotak- tischen Stillstand gekommen. Die gebrochenen Linien und Pfeile geben die unter diesen Um- ständen durch die Wimpern (vornehmlich des Peristoms) hervorgerufene Strömung in dem um- gebenden Wasser an. Nach JENNINGS 1910. 106 Protozoa. Max Lünz, am häufigsten in Berührung kommt, sind Teilchen verwesender Pflanzen- teile oder Bakterienhaufen; der thigmotaktische Stillstand hilft ihm also wesentlich bei der Gewinnung seiner aus Bakterien bestehenden Nah- rung. Derselbe ist so stark, daß hierdurch sogar die nachstehend be- sprochenen Wirkungen galvanischer und thermischer Reize aufgehoben oder doch wenigstens stark gehemmt werden: Tiere, die auf die letzteren Reize allein sofort davonschwimmen würden, bleiben in ihrer thigmo- taktischen Ruhe, manche Infusorien so vollkommen, daß sie unter Um- ständen infolge von Temperatursteigerung absterben; speziell bei Para- mäcien tritt letzteres allerdings nicht ein: bei 37° © überwindet die Reaktion auf den thermischen Reiz die Thigmotaxe, so daß die Tiere sich losreißen und davonschwimmen. Thigmotaxe ist bei Protozoen außerordentlich weit verbreitet; unter den Infusorien spielt sie eine besonders große Rolle bei den Hymeno- stomen (zu denen ja auch Paramaecium gehört) und den Hypotrichen, während sie bei den räuberischen Gymnostomen kaum vorkommt. Sehr häufig ist der thigmotaktische Stillstand verbunden mit der Abscheidung einer klebrigen Substanz auf der Oberfläche des Körpers (vgl. hierzu unten das Kapitel über die Haftorganellen der Protozoen). b) Wirkung von Strömungen. Auf eine Strömung im Wasser reagiert Paramaecium derart, daß es sich in der Richtung der Strömung mit dem Vorderende stromaufwärts einstellt (positive Rheotaxe). Jennıngs (1910) erklärt diese Reaktion damit, daß ein Wasserstrom, der das Infusor von hinten oder in schräger Richtung trifft, den Wimpern des von ihm getroffenen Körperteils und der durch diese Wimpern her- vorgerufenen Wasserströmung entgegenarbeitet und so eine mechanische Störung bedingt, die bis zu ihrer Beseitigung die gewöhnliche Flucht- reaktion hervorruft; die Reaktion ist hiernach der durch Berührungs- reize hervorgerufenen vergleichbar. — Die gleiche Einstellung gegen die Strömung ist bei Protozoen sehr weit verbreitet; sie findet sich nicht nur bei freischwimmenden Infusorien und Flagellaten, sondern auch bei manchen Amöben ist beobachtet worden, daß sie ähnlich den Plas- modien der Myxomyceten dem Wasserstrome entgegenwandern. Bei manchen Arten ist diese Einstellung gegen die Strömung physiologisch von besonderer Wichtigkeit, so z. B. bei den Trypanosomen und ähn- lichen Blutparasiten, bei deren im Darm von Arthropoden und Blutegeln lebenden Entwickelungsstadien sie in neuerer Zeit durch Beobachtungen sichergestellt ist, nachdem ich sie schon früher vorausgesetzt hatte, da die fraglichen Formen zum Zwecke der Infektion des Wirbeltieres dem gesaugten Blutstrom entgegenschwimmen müssen. c) Wirkung der Schwer- und Zentrifugalkraft. Para- mäcien, die in Glasröhren mit reinem Wasser überführt werden, sammeln sich bald an der Oberfläche der Wassersäule (negative Geotaxis). Entsprechend der Schwerkraft wirkt auch die Zentrifugalkraft. JENSEN (1892) hat Paramäcien enthaltende Röhren radiär auf einer Zentrifugal- scheibe befestigt und dabei konstatiert, daß sich die Paramäcien am zentralen Röhrenende als der Stelle niedrigsten Druckes ansammeln, vorausgesetzt natürlich, daß so langsam zentrifugiert wurde, daß die Paramäcien noch aktiv der Zentrifugalkraft entgegenschwimmen konnten. Das eigentliche Wesen des ausschlaggebenden Faktors bei der Reaktion auf die Schwer- und Zentrifugalkraft ist noch ziemlich dunkel. Wahrscheinlich beruht dieselbe auf der Verteilung von Substanzen ver- B. 3. Paramaecium. 107 schiedenen spezifischen Gewichts im Plasma, die bei Stellung der Para- mäcien mit dem Vorderende abwärts zu „Fluchtreaktionen“ führt (Lyon 1905, Jenxıngs 1910). Die verschiedene Stärke des Geotropismus in verschiedenen Paramäcienkulturen führt Pürrer (1911) auf die Ver- schiedenheiten in der Menge der Kristalle phosphorsauren Kalkes zurück. Bei aller Verschiedenheit seiner Stärke ist der Reiz aber offenbar doch stets ein verhältnismäßig schwacher, da er durch Veränderungen der Erregbarkeit der Tiere zeitweise unwirksam gemacht oder gar die nega- tive Geotaxe in eine positive umgekehrt werden kann (Ansammlung der Paramäcien am unteren Ende der Wassersäule), Letzteres geschieht z. B. nach Sosnowskı (1899) bei Erschütterungen der die Tiere ent- haltenden Glasröhre; auch hohe Temperaturen können vorübergehend positive Geotaxe hervorrufen. Dabei ist das wirksame Temperatur- minimum bei verschiedenen Kulturen verschieden, das niedrigste be- obachtete war + 24° C; maßgebend ist die absolute, nicht die relative Temperaturhöhe; es gibt aber nach Sosnowskı Kulturen mit so stark entwickelter negativer Geotaxe, daß auch die höchsten möglichen Tem- peraturen unwirksam bleiben. Herabsetzung der Temperatur ruft keine Veränderung der Geotaxe hervor. Auch durch chemische Reize, z. B. durch Zusatz geringer Mengen von Säuren oder Alkalien zu der Kultur- flüssigkeit, kann vorübergehend positive Geotaxe hervorgerufen werden und durch erneuten Zusatz kann man diese Erscheinung wiederholt ‘wieder erzeugen, wenn die Tiere vorher unter Anpassung an das ver- änderte Medium wieder negativ geotaktisch geworden waren; ebenso wirken auch Lösungen von Eiweiß, Kasein, Gelatine und Zucker. — Es gibt übrigens auch Infusorien, die normalerweise positiv geotaktisch sind, also umgekehrt wie Paramäcien auf Schwer- und Zentrifugalkraft reagieren. 2. Chemische Reize. Die Erscheinungen der Chemotaxis bei Paramaecium sind von JenninGs (1897, 1899, vgl. auch 1910) sehr genau untersucht worden. Paramaecium ist ausgesprochen positiv chemo- taktisch gegenüber in Wasser gelöster Kohlensäure (daher die spon- tane Anhäufung der Paramäcien in dichten Haufen infolge der von ihnen selbst produzierten 0O,). Ueberhaupt ist Paramaecium positiv chemo- taktisch gegenüber allen schwachen Säuren und sauer reagierenden Lösungen. Wird aber ein gewisser Konzentrationsgrad überschritten (auch bei der Kohlensäurelösung), so reagieren die Infusorien negativ chemotaktisch. Positiv chemotaktisch ist Paramaecium auch gegenüber destilliertem Wasser und in besonders starkem Maße, wie Nowıkow (1908) zeigte, gegenüber Extrakten der Schilddrüse, Hypophyse und Nebenniere. Paramaecium ist dagegen negativ chemotaktisch außer gegenüber stärkeren Säurelösungen auch gegenüber der eigenen Kulturflüssigkeit, welche pflanzliche Zerfallprodukte enthält und alkalisch reagiert, überhaupt gegen alle alkalisch reagierenden, aber auch gegen viele neutrale Lösungen. Bei Kochsalz, überhaupt bei allen Alkalien und Verbindungen der Alkali- und Erdalkalimetalle (außer den Tonerden mit . nur sehr kleinem Metallanteil) ist die abstoßende Kraft im Verhältnis zur Schädlichkeit sehr groß; die Reaktion tritt daher so früh ein, daß sie die Infusorien vor Schädigungen schützt. Bei den meisten anderen Verbindungen (Säuren, Alaune, Zucker, Glyzerin u. a.) ist da- gegen die abstoßende Kraft im Verhältnis zur Schädlichkeit nur gering; * die Reaktion schützt daher nur unvollkommen und hängt vielleicht sogar mit bereits beginnender Schädigung zusammen. 108 Protozoa. Max Lüns, Als Reiz wirkt stets nur eine Veränderung des Mediums und die Reaktion beruht stets auf der typischen Fluchtreaktion. Positive Chemotaxe kommt dadurch zustande, daß beim Eintritt in das betreffende Medium, etwa eine stark verdünnte Säurelösung, keine Reaktion er- folgt, der Austritt dagegen durch die Fluchtreaktion beim Erreichen Fig. 125. Chemotaxis von Paramaecium. A Chemotaktisches Deckglaspräparat: mit einer Kapillarpipette ist ein Flüssigkeitstropfen unter das Deckglas gebracht worden, der negativ chemotaktisch wirkt. B Positiv ehemotaktische Ansammlung. © Dieselbe bei zu hoher Konzentration der betreffenden Lösung: Die Paramäcien haben sich ring- förmig im Optimum der Konzentration angesammelt (vgl. hierzu Fig. 126). D Eine Kohlensäure- und eine Luftblase sind unter dem Deckglas: die erstere (links) wirkt positiv chemotaktisch, die letztere (rechts) ist indifferent. E Dasselbe Präparat einige Minuten später: die Kohlensäure ist zum Teil in das umgebende Wasser diffundiert und hat dort durch ihre zu hohe Konzentration die Paramäcien bis dahin vertrieben, wo sie ihr Kohlensäureoptimum finden. Nach JENNINGS 1897 aus VERWORN, Allgem. " Physiologie. B. 3. Paramaecium. 109 der Grenze verhindert wird. Manche anorganische Substanzen rufen schon Reaktionen hervor in Lösungen, die so schwach sind, daß sie den Geschmackssinn des Menschen noch ‚gar nicht erregen. Die allgemeine Wirkung der negativen Chemotaxe ist die, den Organismus aus der Einflußsphäre des Agens zu entfernen und ihn vor dem Wiedereintritt in dieselbe zu bewahren. Daß aber durch die blinde, nur von der Organisation des Tieres, nicht von der Richtung des Reizes abhängige Reflexbewegung das Tier auch geschädigt werden kann, lehrt folgender Versuch. In einer Paramaeciumkultur (etwa auf einem Objekt- träger) ruhen Paramäcien, thigmotaktisch mit dem Vorderende einem anderen Körper anliegend. Dem Wasser wird nun hinter diesen Tieren ein Tröpfchen einer schädlichen, negative Chemotaxis hervorrufenden Lösung zugefügt. Sobald diese die Paramäcien erreicht, zeigen sie die charakteristische Reaktion, schwimmen rückwärts und geraten dabei in den dichteren Teil der verwendeten Lösung, wo sie den Tod finden. Zur näheren Erläuterung der chemotaktischen Erscheinungen diene nachstehendes Beispiel (vgl. auch Fig. 125). Fügt man einer Deck- glaskultur von gleichmäßig zerstreuten Paramäcien mit fein ausgezogener Pipette ein Bläschen Kohlensäure hinzu und läßt dann diese Blase lang- sam ins Wasser diffundieren, so entsteht in letzterem ein Hof, an dessen Peripherie eine schwache (positiv chemotaktisch wirkende), in dessen Zentrum eine stärkere (negativ chemotaktisch wirkende) Kohlensäure- lösung vorhanden ist. Alle Paramäcien, die beim Herumschwimmen zu- fällig an die äußere Grenze des Hofes gelangen, überschreiten diese und treten ungereizt in den ringförmigen Bezirk der schwachen Kohlen- säurelösung ein, in der sie vorwärts schwimmen bis sie an eine Stelle kommen, wo die Lösung so konzentriert geworden ist, daß sie negativ chemotaktisch wirkt. In diesem Augenblick werden sie gereizt, schwim- men rückwärts, drehen sich und schwimmen in einem Winkel zur vor- hergehenden Bahn wieder vorwärts, bis sie, eventuell zum zweiten Male an der Grenze der stärker konzentrierten Lösung angekommen, gereizt werden und wieder jene Flucht- reaktion zeigen oder bis sie umgekehrt an der äußeren Grenze der Zone schwacher Lösung ankommen, wo die kohlensäurearme Kulturflüssigkeit als Reiz wirkt und ebenfalls die Fluchtreaktion auslöst. So finden sich die Paramäcien in der ringförmigen Zone der schwachen Kohlensäurelösung wie gefangen, sie schwimmen hin und her und werden regelmäßig an Fig. 126. ihrer äußeren und inneren Grenze zurückgeworfen Bi nabehn (Fig. 126). Allmählich geraten immer mehr, schließ- eines einzelnen lich vielleicht alle Paramäcien bei ihrem Umher- Paramaeciums schwimmen in diese ringförmige Zone, die das '\ BIBER EInE DEE : Rn - nsammlung, wie sie Optimum des Kohlensäuregehaltes darstellt und in pie, 125C darstellt. der sie in der geschilderten Weise zurückgehalten Nach Jenxınes 1910. werden. Die ringförmige Zone selbst erweitert und vergrößert sich inzwischen in demselben Maße, wie die Kohlensäure aus dem Bläschen in das umgebende Wasser diffundiert, während die zentrale, „paramäcienlose“ Zone konzentrierter Kohlensäurelösung sich ebenfalls entsprechend vergrößert. Art und Stärke der Einwirkung verschiedener Stoffe auf Paramäcien und andere Protozoen sowie die allmähliche Anpassung der letzteren an zunächst schädlich wirkende Stoffe ist im Laufe des letzten Dezen- 110 Protozoa. Max Lüne, niums von verschiedenen Autoren in zahlreichen Arbeiten untersucht worden. Hier muß jedoch dieserhalb auf ProwAzer (1909) verwiesen werden, wo die wichtigsten bis dahin erzielten Resultate zusammen- gestellt sind. Es sei nur angeführt, daß nach Pororr (1909) ammoniak- haltiges Wasser zu morphologischen Veränderungen führt, die den wäh- rend der Depressionsperioden eintretenden (vgl. S. 120) entsprechen 3. Thermische Reize. MenpeuLssonn (1895, 1902) zeigte, daß Paramäcien für Temperaturunterschiede sehr empfindlich sind. Herrscht im Wasser eine gleichmäßig konstante Temperatur, so zeigen die Tiere keine bestimmte Reaktion. Es genügt aber eine minimale lokale Er- wärmung oder Abkühlung, um sie positiv oder negativ thermotaktisch zu machen, und zwar tritt diese Reaktion der Paramäcien bereits dann ein, wenn der Unterschied zwischen den Temperaturen des Mediums an den beiden Enden ihres Körpers nur ca. 0,01° © beträgt. Bei Tem- peraturen über 24—28° C sind die Paramäcien negativ thermotaktisch ; sie verlassen die wärmeren und sammeln sich an kühleren Stellen an (Fig. 127). Bei Temperaturen unterhalb 24—28° C sind sie dagegen 26° 38° Fig. 127. Thermotaxis von Paramaecium. In einer schwarzen Ebonitwanne von 10 em Länge befinden sich zahlreiche Paramäcien, die sich bei einseitiger Erwärmung der Wanne auf über 24—28° C alle nach der kühleren Seite hin bewegen. Nach MENDELSSOHN 1895 aus VERWORN, Allgem. Physiologie. positiv thermotaktisch und verlassen die kühleren Stellen. Die Tem- peratur von 24—28° © stellt also für Paramäcien das Wärmeoptimum dar. Die Orientierung der Bewegungsrichtung kommt auch hier wieder durch die typische Fluchtreaktion zustande, indem die Paramäcien — solange sie nicht durch zu hohe oder zu niedrige Temperaturen direkt geschädigt werden — „jede mögliche Richtung mittels der Fluchtreaktion probieren, bis sie schließlich die einzige Richtung auffinden, die keine Reizung verursacht; und in dieser Richtung setzen sie ihre Bewegungen fort* (Jennıngs 1910, vgl. auch Fig. 122). Im übrigen gilt auch für Paramaecium das Gesetz, daß innerhalb gewisser Grenzen zunehmende Temperatur auf alle Lebensvorgänge er- regend und belebend wirkt. Außer bei der Lokomotion zeigt sich dies ganz besonders deutlich bei der Bildung der Nahrungsvakuolen, die bei Steigerung der Temperatur in ganz erheblich kürzeren Intervallen aufein- ander folgen (Merarnıkow 1912), sowie bei der Pulsationsfrequenz der kontraktilen Vakuole, die nach Kanırz (1907), und der Teilungsgeschwin- digkeit, die nach Sun (1912) eine Exponentialfunktion der Temperatur ist, indem entsprechend der van r’Horrschen Regel für chemische Reak- tionen bei einer Temperatursteigerung um 10° © ungefähr eine Ver- doppelung erfolgt (vgl. auch oben S. 96 sowie unten den Abschnitt über die Exkretionsorganellen). Die Kohlensäureproduktion ermittelte B. 3. Paramaecium. 21T BarrArr (1905) bei Versuchen, zu denen ein und dieselbe Kultur von Paramäcien benutzt wurde, bei 15° C zu 1,3 Proz. des Körpergewichts, bei 27—30° C dagegen zu 2,7 Proz., also mehr als doppelt so hoch!). 4. Optische Reize. Auf gewöhnliches Licht ist für Paramaecium keinerlei Reaktion bekannt. Dagegen konnte HerreL (1904) bei Ver- wendung von starkem ultravioletten Licht (Strahlen eines Magnesium- Spektrums mit einer Wellenlänge von 280 pp) eine negative Reaktion konstatieren, indem die Paramäcien sich bald an den nicht belichteten Stellen ansammeln. Bei .anderen Infusorien findet sich eine erheblich stärkere Empfind- lichkeit für Licht. So reagiert z. B. Stentor coeruleus sehr stark auf Belichtung des besonders empfindlichen Vorderendes, und zwar auch Fig. 128. Negative Photo- taxis von Stentor. Die großen Pfeile geben die Richtung der Lichtstrahlen an. Ein Schirm (s) hält dieselben von der unteren Hälfte des Gefäßes ab; »—y Grenze "> des beschatteten und des belichteten Teiles. Die Stentoren sammeln sich in dem beschatteten Teile und schwimmen dort in den ver- schiedensten Richtungen. Bei a (1—4) (punktierte Umrisse) die nach der Tropismentheorie bei gesteigertter — > Tätigkeit der vom Licht direkt ge- troffenen Wimpern zu erwartende direkte Abkehr von den Licht- strahlen, wenn ein Stentor in den belichteten Teil hineingerät; bei b (1—) die tatsächlich erfolgende Reaktion, bei der sich das Tier > seiner Organisation entsprechend nach der aboralen Seite dreht und daher in diesem Falle zunächst 5 dem Licht zuwendet. Nach JEN- NINGS 1904. wieder mit einer durch die Organisation bedingten charakteristischen Fluchtreaktion (ähnlich der von Paramaecium) ohne Rücksicht auf die Richtung, aus der der Reiz kommt (vgl. Fig. 128), mit Rückwärts- schwimmen und Drehung nach der rechten aboralen Seite. Positive Phototaxe ist am eingehendsten bei Euglena viridis untersucht. Auch hier ist die Lichtempfindlichkeit besonders im Vorderende lokalisiert, das ja auch den Pigmentfleck birgt, und auch hier beruht sie wieder auf einer Fluchtreaktion, die ähnlich wie eine schwache Fluchtreaktion von Paramaecium in stärkerer Krümmung der spiralen Schwimmbahn mit folgendem Weiterschwimmen in einer mit Hilfe dieser stärkeren Ablenkung der Körperachse von der bisherigen Schwimmrichtung gewonnenen neuen Richtung besteht und die bei Ab- 1) Die hierbei benutzte Kultur bestand aus Paramäcien, die gehungert hatten, so daß infolge dessen die Kohlensäureproduktion stark herabgesetzt war. In anderen Kulturen betrug sie je nach Temperatur und Ernährungszustand 2,9—5,3 Proz. des Körpergewichts. 112 Protozoa. Max Lüus, nahme der einwirkenden Lichtstärke eintritt, derart daß die Euglena nach „Probieren“ verschiedener anderer Richtungen schließlich dem Lichte zustrebt (also wieder eine Reaktion per exclusionem wie bei der positiven Chemotaxe, vgl. Jennıngs 1904, 1910). Eine entsprechende positive Phototaxe beobachtete EnGELMANN (1882) bei dem durch Zoochlorellen grün gefärbten Paramaecium bursaria, hier aber nur bei Sauerstoffmangel, während die Tiere sich bei Sauerstoffüberschuß von dem Lichte entfernten. In beiden Fällen ist rotes Licht am wirksamsten und die Reaktion steht offenbar in Be- ziehung zur Sauerstoffausscheidung der grünen Zoochlorellen unter der Einwirkung des Sonnenlichtes. 5. Elektrische Reize. Leitet man durch eine Paramäcien- kultur einen konstanten Strom, „so stellen sich im Moment der Schlie- ßung alle Paramäcien mit dem vorderen Körperpol nach der Kathode hin ein und schwimmen in dichter Schar auf dieselbe los. In wenigen Sekunden ist die Anode vollständig von ihnen verlassen und an der Kathode befindet sich ein dichtes Gewimmel, das bestehen bleibt, so- lange der Strom geschlossen ist (Fig. 129). Wendet man jetzt den Fig. 129. Kathodische (negative) Galvanotaxis von Paramaecium. Der Pfeil gibt die Schwimmrichtung der Paramäcien an, die sich bereits alle an der kathodi- schen Elektrodenleiste angesammelt haben. Nach VERWORN, Allgem. Physiologie. Strom in die entgegengesetzte Richtung, so daß zur Kathode wird, was vorher Anode war, und umgekehrt, so rückt die ganze Schar in ein- heitlichem Haufen wieder nach der gegenüberliegenden Seite hinüber und bildet, wie vorher, eine Ansammlung an der Kathode.“ Das Ex- periment kann beliebig oft wiederholt werden. „Oeffnet man den Strom schließlich, so zerstreut sich die Ansammlung von der Kathode her und die Paramäcien verteilen sich wieder gleichmälig in der ganzen Flüssig- keit“ (Verworn). Paramaecium ist also kathodisch-galvanotaktisch, und das gleiche gilt, wenigstens bei schwachen Strömen, als Regel für die Mehrzahl der Oiliaten; Opalina schwimmt jedoch gerade umgekehrt bei schwachen Strömen zur Anode und nur bei starken zur Kathode und Spirostomum stellt sich in der Regel quer zur Stromrichtung. Von Flagellaten schwimmt dagegen eine große Zahl ähnlich wie Opalina bei nicht zu starkem Strome zur Anode (z. B. Polytoma, Cryptomonas, Chilomonas), einige freilich zur Kathode (z. B. Trachelomonas, Peridinium), während Euglena viridis eine Reaktion auf den galvanischen Strom gänzlich vermissen läßt. Auf den ersten Blick scheint also die galvano- taktische Reaktion ziemlich regellos zu sein, indessen beruht dies offen- bar auch in den Fällen, wo der positive Nachweis noch fehlt, nur auf Verschiedenheiten der Organisation. B. 3. Paramaecium. 115 Bei den Flagellaten beruht die Galvanotaxe, soweit bekannt, in ähnlicher Weise wie die bisher besprochenen Orientierungen auf andere Reize, auf typischen Fluchtreaktionen (Jennınas 1910). Bei den Ciliaten kommt sie dagegen auf wesentlich andere, direktere Weise zustande. Schon Luporr (1895) stellte für Paramaecium fest, daß bei Erregung durch den gavalnischen Strom nur an der der Anode zugewandten Körperhälfte die Wimpern wie bei der normalen Vorwärtsbewegung in Fig. 130. Elektrische Erregungserscheinungen bei Paramaecium aurelia MÜLL., schematisch. A Ungereiztes Individuum. B Wirkung eines starken Stromes: das der Anode zugewandte Ende (hier das Hinterende, vgl. C) hat sich zipfelförmig zu- sammengeschnürt und seine Trichocysten ausgestoßen (nach LOEB und BouDGErT [1898] sekundäre Zerstörungserscheinung infolge der Elektrolyse des Mediums, bei der Stoffe entstehen, die die abgebildeten Veränderungen hei dem Infusor hervorrufen ; Zusatz eines Tropfens 0,1-proz. Lösung von NaHO zu der Flüssigkeit des Deckglaspräparates ruft z. B. genau dieselben Erscheinungen hervor). C und D Schwinglage der Wimpern; in © ist das Vorderende der Kathode, in D der Anode zugewandt; in beiden Fällen schlagen in (derjenigen Körperhälfte, die der Anode zugewandt ist, die Wimpern in normaler Weise nach hinten, in der anderen, der Kathode zugewandten Körperhälfte dagegen in umgekehrter Richtung nach vorne zu. Nach LUDLOFF 1895. der Richtung nach dem Hinterende zu schlagen, daß sie dagegen an der der Kathode zugewandten Körperhälfte in umgekehrter Richtung (vor- wärts) schlagen (Fig. 130). Der verschiedenartige lokomotorische Effekt dieser für den elektrischen Strom charakteristischen lokalen Umkehr des Wimperschlages hängt ab von der Anordnung der Wimpern und der Stärke ihres Schlages an verschiedenen Körperstellen. Die bei ver- Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 8 114 Protozoa. Max Lünz, schiedener Stromstärke und bei verschiedenen Arten zu beobachtenden Erscheinungen können nach ihren Ursachen folgendermaßen eingeteilt werden: a) Bei der Orientierung des Vorderendes nach der Ka- thode spielt neben der Richtung des Wimperschlages die gewöhnliche Tendenz der Organismen, bei Reizung nach einer bestimmten, und zwar durch die Struktur bestimmten Seite zu drehen, eine wichtige Rolle. b) Bewegung nach der Kathode ist die Folge größerer Stärke des Rückwärtsschlages der anodischen Wimpern im Vergleich zum Vor- wärtsschlag der kathodischen. c) Aufhören der Vorwärtsbewegung bei stärkerem Strome, unter Beibehaltung der nach der Kathode gerichteten Orientierung be- ruht darauf, daß der Vorwärtsschlag der kathodischen Wimpern mit der, Verstärkung des Stromes kräftiger wird, bis er dem Rückwärtsschlag der anodischen gleichkommt. d}) Rückwärtsschwimmen nach der Anode bei noch stär- kerem Strome ist die Folge fortgesetzter Steigerung der Kraft des Vor- wärtsschlages der kathodischen Wimpern, so daß sie die Tendenz der anodischen Wimpern, das Tier vorwärts zu treiben, überwinden. e) Die Transversalstellung von Spirostomum beruht auf der größeren Kraft der Wimpern der einen Längsseite des sehr langge- streckten Körpers, die bei Stellung in der Längsrichtung des Stromes kein Gleichgewicht aufkommen läßt und das Tier vielmehr zwingt, um eine transversale Stellung zu schwanken. f) Die Orientierung mit dem Vorderende nach der Anode bei Opalina beruht darauf, daß der umgekehrte Cilienschlag auf der einen Seite der vorderen Körperhälfte bei schwachen Strömen kräf- tiger ist als auf der anderen (obwohl dies für den gewöhnlichen Rück- wärtsschlag nicht gilt). Infolge dessen besteht bei Richtung des Vorder- endes nach der Kathode im Gegensatz zu Paramaecium kein Gleich- gewicht; wohl aber tritt ein, wenngleich ziemlich labiler, Gleichgewichts- zustand ein bei der umgekehrten Stellung. Bei starken Strömen schwindet dagegen jene Ungleichmäßigkeit des umgekehrten Wimperschlages, so daß die Bedingungen für Herstellung eines Gleichgewichtszustandes ähnlich werden wie bei dem kathodisch galvanotaktischen Paramaecium. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten sowie auch der theoretischen Er- klärung der galvanotaktischen Erscheinungen sei vor allem auf WALLEN- GREN (1902), Srarkewitsch (1903), Bancrorr (1906) und JENNINGS (1910) verwiesen. 6. Röntgen-und Radiumstrahlen. Der Einfluß von Röntgen- strahlen auf Ciliaten wurden zuerst von ScHAuDinn (1899) untersucht bei dem heterotrichen Spirostomum ambiguum EHarEnBERG. Nach 4—5 Stunden zeigte sich Verlangsamung der Bewegung, nach 6 Stunden sinken die Tiere auf den Boden, die Wimperbewegung hört schließlich auf und die Tiere sterben im ausgestreckten Zustand ab, nachdem ihr langgestreckt -perlschnurförmiger Kern in einzelne Teile zerfallen ist. Entsprechende Veränderungen fand Züzer (1905) bei der gleichen Art auch nach Radiumbestrahlung, nur machte sich deren Einfluß langsamer geltend: nach 24-stündiger Bestrahlung noch keine Veränderung, nach 36-stündiger starke Verlangsamung der Bewegung und klumpiger Zer- fall des Kernes, nach 3—4-tägiger Bestrahlung keine Reaktion mehr auf mechanische Reize, nach 5—6-tägiger Zerfall der Tiere; Teilung der B. 3. Paramaecium. 115 Tiere unterbleibt, wenn bei Beginn der Bestrahlung die Kerne noch ungeteilt waren. Spezifisch, wie dies nach den ersten Beobachtungen scheinen konnte, ist diese Reaktion aber ebenso wenig wie die „Flucht- reaktion“, denn ganz ähnliche Verhältnisse wie bei Radiumbestrahlung zeigt Spirostomum auch, wenn es einige Zeit Hunger und Kälte aus- gesetzt wurde; in diesen beiden Fällen konnte freilich nach Herstellung normaler Bedingungen eine Regeneration erfolgen, die nach Radium- bestrahlung noch nicht verfolgt werden konnte. — Paramaecium reagiert nach Zürzer auf Radiumbestrahlung auch in ähnlicher Weise: anfangs schwimmt es sehr lebhaft und unruhig umher (offenbar Fluchtreaktion!), später werden die Bewegungen verlangsamt, auch die Pulsationen der stark vergrößerten kontraktilen Vakuole erfolgen langsamer, und schließ- lich folgt unförmige Aufquellung, Zerplatzen und Zerfließen des Körpers; bei Luftabschluß (unter mit Paraffin verschlossenem Deckglase) erfolgen diese Veränderungen wesentlich rascher wie im offenen Glasring. Das tägliche Leben von Paramaecium gestaltet sich nach Jennines (1910) auf Grund der vorstehend besprochenen Reizbarkeit und der wenigen automatischen Reaktionen, die nur scheinbar willkür- liche Bewegungen, Auffinden von Bakterienhaufen auf verhältnismäßig große Entfernungen u. dgl. vortäuschen, etwa folgendermaßen: „Ein einzelnes Tier schwimmt frei in einer Pfütze umher und be- ginnt, wenn kein anderer Reiz einwirkt, auf die Veränderungen der Verteilung seiner Inhaltskörper zu reagieren, weil es noch nicht zur Schwerkraft orientiert ist. Es probiert verschiedene neue Stellungen, bis sein Vorderende aufwärts gerichtet ist, und schwimmt dann in dieser Richtung weiter. So kommt es an den Wasserspiegel. Hier reagiert es mit einer Fluchtbewegung, findet eine neue Stellung und schwimmt in der Nähe der Wasseroberfläche dahin. Jetzt erfolgt eine starke mechanische Erschütterung — es hat vielleicht jemand einen Stein ins Wasser geworfen —; das Infusor fährt zurück, versucht bestimmte neue Richtungen und verhält sich schließlich zur Schwerkraft umgekehrt wie vorher; denn es schwimmt jetzt abwärts. Dadurch kommt es aber bald in Wasser, in dem es merklich an Sauerstoff mangelt. Auf diese Ver- änderung reagiert es wie vorher, indem es neue Richtungen ausprobiert, bis es. wieder in die Nähe der Oberfläche kommt. Wenn es hier weiter schwimmt, nähert es sich einer Stelle, wo die Sonne stark in den Tümpel hineingeschienen und das Wasser erwärmt hat. Das Para- maecium bekommt etwas von diesem erwärmten Wasser mit der Strö- mung, die vom Vorderende am Peristomfeld hinabzieht. Daraufhin hält es inne, schwingt sein Vorderende im Kreise herum, und da es findet, daß das Wasser, welches aus einer der probierten Richtungen kommt, nicht so warm ist, so schwimmt es in dieser Richtung vorwärts. Dieser Kurs führt es vielleicht in die Gegend eines frischen Pflanzenstengels, der kurz vorher abbrach und ins Wasser fiel. Der hervorströmende Pflanzensaft verändert merklich die chemische Zusammensetzung des Wassers, und das Paramaecium |bekommt bald etwas von diesem ver- änderten Wasser in seinen Wimperstrom. Wiederum hält es inne, oder wenn der chemische Reiz stark wirkte, so schwimmt es ein Stückchen rückwärts. Dann schwingt es wieder sein Vorderende im Kreise herum, bis es eine Richtung findet, aus der es nichts mehr von diesem Stoffe erhält, und schwimmt in dieser Richtung vorwärts. „Nach einiger Zeit gerät unser Tier an ein verwelktes und auf- geweichtes Blatt. Anfangs fährt es etwas zurück, geht dann aber 8*+ 116 Protozoa. Max Lüne, wieder vor und setzt sich an dem Blatte fest. Die Körperwimpern halten in ihrer Bewegung inne, während die oralen Cilien einen starken Wasserstrom zum Munde strudeln. Nun trifft es sich, daß dieses Blatt erst kurz vorher ins Wasser gefallen ist, und daher noch keine Bak- terien daran sitzen, so daß das Paramaecium also nichts zu fressen be- kommt; trotzdem probiert es das Tier eine Zeit lang. Andere Para- mäcien mögen sich gleichfalls dort versammeln, aber nach einiger Zeit verlassen sie eins nach dem anderen das verwelkte Blatt. Wieder schwimmt unser Paramaecium umher und läßt sich dabei von den wech- selnden Verschiedenheiten in der chemischen Zusammensetzung oder Temperatur des Wassers hierhin oder dorthin treiben, bis es an eine Stelle kommt, die mehr Kohlensäure in Lösung enthält als sonst. Es gibt kein Anzeichen von sich, daß es dies bemerkt hat, außer daß es vielleicht etwas weniger energisch weiter schwimmt als vorher. Die kohlensäurehaltige Zone ist klein, und bald kommt das Tier an ihre äußere Grenze, wo das Wasser, das in seinen Mund hineinstrudelt, keine Kohlensäure enthält. Es hält an und probiert verschiedene Richtungen, indem es sein Vorderende im Kreise herumschwingt, bis es von neuem eine Richtung findet, von wo es Kohlensäure bekommt, und in dieser schwimmt es wieder vorwärts. Da es sich jedesmal, wenn es an die äußere Grenze der Kohlensäure kommt, ebenso verhält, so bleibt es innerhalb dieser Zone, indem es nur immer hin und her schwimmt und sie mit der Zeit sehr gründlich durchforscht. Endlich stößt es auf die Quelle der Kohlensäure — eine große Masse in Zoogloea eingebetteter Bakterien, die diese Substanz abgeben. Das Infusor setzt sich an der Zoogloeamasse an, hört mit der Bewegung seiner Körperwimpern auf und führt einen starken Wasserstrom entlang dem Peristomfelde zum Munde. Dieser Strom macht einige der Bakterien von der Zoogloea los und führt sie mit sich in den Mund hinein, wo sie verschlungen werden. Während das Tier nun so beschäftigt ist, können andere Paramäcien bei ihren plötzlichen Bewegungen dagegen anstoßen. Jetzt reagiert es aber auf derartige Erschütterungen gar nicht; es bleibt viel- mehr an seinem Platze und beschäftigt sich mit der Nahrungsaufnahme. Wenn das Tier eine Zeitlang so dagesessen hat, fängt die Sonne an, stark auf diesen Teil des Tümpels zu scheinen und das Wasser zu erwärmen. Alle freien Paramäcien an dieser Stelle fangen an, schnell herumzuschwimmen, wiederholt zurückzukehren und neue Richtungen zu probieren, bis eine nach kühleren Stellen hinführende Richtung gefunden ist. Unser Paramaecium aber, das noch immer von seiner Nahrungs- aufnahme in Anspruch genommen ist, reagiert überhaupt nicht auf die Erwärmung. Das Wasser wird wärmer und wärmer, und nach einiger Zeit bewegt sich unser Infusor ein wenig, indem es herumdreht oder seine Stellung wechselt, doch immer noch an der Zoogloea sitzen bleibt. Alle freien Paramäcien haben längst die Gegend verlassen. Wie das Wasser immer wärmer wird, verläßt unser Tier ganz plötzlich die Zoogloeamasse und stürzt jetzt unter der Einwirkung der großen Wärme wie toll umher. Erst schwimmt es rückwärts, dann wieder vorwärts, und es probiert eine Richtung nach der anderen. Glücklicherweise führt es eine dieser Richtungen bald in eine kühlere Gegend. In dieser Richtung schwimmt es weiter und sein Verhalten wird geordneter; es schwimmt jetzt, wie anfangs, ganz ruhig umher, bis es einen anderen Bakterienhaufen findet und wieder mit der Nahrungsaufnahme beginnt.“ B. 3. Paramaecium. 117 Merotomie. Untersuchungen über das Regenerationsvermögen der Infusorien (besonders an Stentor angestellt) haben gezeigt, daß abgeschnittene Bruchstücke des lebenden Körpers niemals sich zu voll- ständigen Tieren regenerieren, wenn sie nicht wenigstens ein Bruchstück des Makronucleus enthalten. Paramaecium hat ein geringes Regene- rationsvermögen. Nach Barsıanı (1893) können kernlose Stücke unter Umständen noch Nahrung aufnehmen, vermögen sie aber nicht zu ver- dauen; kernhaltige aber behalten das Vermögen der Verdauung bei. Nach Carxıns (1911) stirbt ein verhältnismäßig sehr großer Teil der durch Zerschneiden gewonnenen Bruchstücke von Paramaecium inner- halb von 24 Stunden ab, darunter alle, bei denen der Makronucleus verletzt wurde; das Regenerationsvermögen ist bei verschiedenen Rassen verschieden entwickelt und wenn ein lebend gebliebenes Bruchstück, das das abgeschnittene Vorder- oder Hinterende nicht regeneriert hat, sich teilt, so liegt die Teilungsebene an der normalen Stelle und es resultiert ein normales Tochterindividuum und ein abnormes mit einer dem ab- geschnittenen Stück entsprechenden Defektbildung. Wegen weiterer Einzelheiten muß auf die Arbeit von CArkıns selbst verwiesen werden. Im Anschluß hieran sei jedoch noch angeführt, daß nach anderen Ver- suchen von Carkıns (1911) das Regenerationsvermögen der heterotrichen Uronychia abhängig ist von dem Alter des Tieres: sehr gering un- mittelbar nach einer Teilung, in der Folgezeit allmählich größer werdend und verhältnismäßig am größten, wenn das Tier sich wieder zu einer Teilung anschickt. Fortpflanzung. Die einzige bekannte Art der Fortpflanzung von Paramaecium ist die durch Querteilung im beweglichen Zu- stande. Teilung im ruhenden (encystierten) Zustande, wie sie bei manchen anderen Infusorien vorkommt, ist bei Paramaecium nie be- obachtet worden, obschon Paramaecium zu den häufigsten, oft und genau beobachteten Formen gehört. Der Teilungsvorgang verläuft bei der als Paramaecium aurelia bezeichneten Form mit zwei Kleinkernen in der Hauptsache folgender- maßen (Fig. 131 und 132): die ersten Veränderungen treten an den beiden Mikronuclei und am Cytopharynx auf. Die ersteren schicken sich zur Teilung an in einer Form, die infolge des Auf- tretens fadenförmiger „Chromosomen“ trotz des Fehlens von Centro- somen lebhaft an eine Mitose erinnert und für die der Hinweis auf die Abbildungen genügen mag. Das Cytostom verlängert sich bei gleichzeitigem Undeutlichwerden des Peristomfeldes nach hinten und bekommt die Form einer Spalte, deren vorderes und hinteres Ende erweitert sind, das vordere, dem alten Cytostom entsprechende stärker als das hintere, welches die Anlage des neuen Cytostoms darstellt !). Der Cytopharynx bildet nach hinten eine sackförmige Ausbuchtung, die erste Anlage eines neuen Cytopharynx. Während also der alte Cytopharynx sich erhält und zum Schlunde des vorderen Tochtertieres wird, ist der Schlund des hinteren Tochtertieres ein Abkömmling, gewissermaßen eine Knospe des alten Cytopharynx. In ihm tritt alsbald eine neue undulierende Membran auf, während die alte sich im alten Cytopharynx erhält. Das Cytostom schließt sich sodann in seinem mittleren, spaltförmig verengerten Teile, wodurch das neue 1) Vgl. aber hierzu auch den später folgenden Abschnitt über die Teilung der Protozoen. 118 Protozoa. Max Lünr, hintere Cytostom sich vollständig vom vorderen alten trennt. Beide führen noch eine kurze Zeit lang in einen ungeteilten Cytopharynx, von dem sich aber bald die sackförmige Anlage des hinteren neuen Cytopharynx abschnürt, unter Ausbildung einer Sanduhrform und folgendem Schwunde des Verbindungsstückes. (Die Einzelheiten des Verhaltens von Cytostom und Cytopharynx bei der Teilung sind erneuter Untersuchung mit Hilfe moderner Methoden bedürftig.) Fig. 132. Fig. 131. Paramaecium aurelia MÜLL. Querteilung. 7 neue pulsierende Vakuole im vorderen Tochtertier, 2 vordere Hälfte des . sich amitotisch teilenden Groß- kernes, 3 vordere pulsierende Va- kuole des Muttertieres (hintere des vorderen Tochtertieres), 7 neu auf- getretene vordere pulsierende Va- AN kuole des hinteren Tochtertieres, un 5 hintere pulsierende Vakuole des Fig. 131. Muttertieres (und auch des hinteren Tochtertieres),, 6 hintere Hälfte des sich teilenden Großkernes, 7 Cytopharynx des hinteren Tochtertieres, durch Knospung von dem vorderen (9) abgeschnürt, 8 und /0 mitotische Teilung der beiden Kleinkerne, 9 Cytopharynx des vorderen Tochtertieres, aus demjenigen des Muttertieres direkt hervor- gegangen. Von LANG kombiniertes Bild. Fig. 132. A Paramaecium caudatum. Teilungsstadium des Mikronucleus, nach HErRTwIG 1895. B und C Param. aurelia. Cytostom und Cytopharynx in zwei Stadien während der Teilung des Tieres. / alter Cytopharynx, aus welchem der neue Cytopharynx (2) des hinteren Tochtertieres sich durch Knospung abschnürt, 3 hinterer Mundwinkel des spaltförmig verlängerten Cytostoma; aus ihm geht das Cytostoma des hinteren Tochtertieres hervor, 4 vorderer Mundwinkel desselben, aus dem das Cytostoma des vorderen Tochtertieres hervorgeht. Nach HERTWIG 1889. Inzwischen ist die Mitose der beiden Mikronuclei so weit gediehen, daß sie lange, den Körper in der Längsrichtung durch- ziehende Fäden darstellen, die am vorderen und hinteren Ende knopf- förmig verdickt sind. Jede der beiden Verdickungen enthält die Hälfte der chromatischen Substanz des Mikronucleus. Das achro- matische, lang ausgezogene Verbindungsstück ist faserig differenziert. Jetzt fängt auch der Makronucleus an sich in die Länge zu strecken und an der Ventralfläche des Tieres beginnt eine Ringfurche, die B. 3. Paramaecium. 119 Teilungsfurche, von der Oberfläche in die Tiefe des Körpers einzu- schneiden. Die Cytostomata rücken noch weiter auseinander und stellen sich in die ventrale Mittellinie ihrer respektiven Körper- hälften ein. Die Teilungsfurche breitet sich rings um den Körper aus und schneidet immer tiefer ins Körperinnere ein. Das Verbindungsstück zwischen den beiden Teilstücken eines jeden Mikronucleus ver- schwindet, so daß die Teilstücke ais Tochtermikronuclei ganz selb- ständig werden. Der Makronucleus wird zuerst stabförmig, dann schnürt er sich in der Mitte der Länge ein. Schließlich hängt der vordere Teil mit dem hinteren nur durch einen dünnen Verbindungs- faden zusammen, und wenn dieser zerreißt, ist auch die unter dem Bilde einer direkten amitotischen Durchschnürung erfolgende Teilung des Makronucleus vollendet. Die vordringende Ringfurche zerteilt den Körper nun vollständig in die beiden Tochtertiere. Beide haben ihr Cytostom und ihren Cytopharynx und jedes ist auch wieder mit einem Makronucleus und zwei Mikronuclei ausgestattet, den Teil- produkten der entsprechenden Teile des Muttertieres. Was die pulsierenden Vakuolen anbelangt, so tritt wäh- rend des Teilungsvorganges vor jeder der beiden alten eine neue auf, so daß bei vollendeter Teilung jedes Tochtertier wieder zwei Vakuolen hat, eine der beiden alten und eine neu gebildete. Das Wimperkleid des Muttertieres geht direkt in das der beiden Tochtertiere über. Der ganze Teilungsvorgang spielt sich bei Paramaecium aurelia in ca. 2 Stunden ab und unter günstigen Ernährungsbedingungen wachsen die Tochtertiere rasch zur Größe des Muttertieres heran, um sich bald wieder von neuem durch Teilung zu vermehren. Bei dem normalen Ablauf der Teilung spielt die Kernplasma- relation (Herrwıc), d. h. das Massenverhältnis von Kern und Plasma eine wichtige Rolle. Während das Plasmavolum des eben aus einer Teilung hervorgegangenen Paramaecium bis zu dessen nächster Teilung Fig. 133. Wachstums- kurve des Plasmakörpers (unterbrochen) und des Kernes (ausgezogen) von Paramaecium caudatum zwischen zwei auf- einander folgenden -Teilungen. Auf der Abszisse ist die Zeit in Stunden, auf der Ordinate sind die relativen Wachstums- größen eingetragen. Nach PoPorr 1909. ziemlich gleichmäßig zunimmt, ist die Zunahme des Kernvolumens an- fänglich eine wesentlich geringere (funktionelles Kernwachstum), um erst ziemlich kurz vor der neuen Teilung um so rapider zu erfolgen (Teilungswachstum des Kernes); beide Volumina erreichen dann gleich- zeitig das Doppelte des ursprünglichen Maßes (Fig. 133). Diese Ver- änderungen der Kernplasmarelation zwischen je zwei Teilungen scheinen 120 Protozoa. Max Lünr, ganz gesetzmäßig zu sein, wie denn überhaupt Herrwıc dieser Relation und ihren Veränderungen eine grundlegende Bedeutung für den Ablauf der Lebensvorgänge der Protozoen wie überhaupt aller Zellen zuschreibt: das anfangs raschere Wachstum des Plasmas führt zu einer „Kern- plasmaspannung“, die nach Hrrrwıc durch das Teilungswachstum des Kernes ausgeglichen werden muß und sonach in ursächlicher Be- ziehung zu der sich anschließenden Teilung steht. Bleibt infolge von Störungen des Stoffwechsels die Kernplasmaspannung aus, so verlieren die Infusorien die Fähigkeit sich zu teilen und fallen schließlich, wenn nicht noch wieder eine Regulation der Kernplasmarelation durch Ab- stoßung von Kernteilen erfolgt, dem Untergange anheim. Eine derartige krankhafte Störung tritt sowohl bei Ueberfütterung auf infolge eines krankhaft gesteigerten Kernwachstums wie auch im Hungerzustande, der zu starker Abnahme der Plasmamenge führt, derart daß unter Um- ständen das Plasma schließlich nur noch einen vergleichsweise dünnen Mantel um den nicht verkleinerten, oft sogar noch hypertrophisch ge- wordenen Kern bildet. Die Geschwindigkeit der Vermehrung ist bei verschie- denen Infusorienarten verschieden; so teilt sich z. B. Paramaecium cau- datum zweimal rascher wie Frontonia leucas. Sie ist ferner abhängig von der Temperatur; so teilt sich z. B. unter günstigen Umständen Paramaecium caudatum in 24 Stunden bei einer Temperatur von 15 bis 17° C durchschnittlich einmal, bei 17—20° C zweimal, bei 25°C drei- mal und bei 31,5°C viermal (JoukowskY 1898, Pororr 1909, Sun 1912; über Veränderungen der Kernplasmarelation unter dem Einfluß der Tem- peratur vgl. Raurmann 1909). Drittens ist die Vermehrungsgeschwin- digkeit noch abhängig von dem Stoffwechsel der Tiere, und hiermit hängt es zusammen, daß sie bei dauernder Weiterzüchtung einer Kultur nicht ständig gleich bleibt. Auf Perioden starken Wachstums und leb- hafter Vermehrung folgen andere, in denen Wachstum und Vermehrung wesentlich geringer sind oder gar vollständig pausieren. Mauras hatte deswegen von seniler Degeneration der Kulturen gesprochen; heute werden die Zeiten verminderter oder ganz unterbleibender Vermehrung meist mit Carkms als Depressionsperioden bezeichnet. Ist die Depression eine leichte, so kann sie durch verhältnismäßig einfache Maß- nahmen wieder behoben werden (z. B. durch Schütteln, durch eine Tem- peratursteigerung oder durch eine Veränderung der Ernährung, vgl. Carkıns 1902). Andernfalls führt sie zum völligen Aussterben des be- treffenden Infusorienstammes. Während der Depression lassen sich an den Paramäcien degenerative Veränderungen erkennen, die nach CALKINS (1904) vor allem den Mikronucleus betreffen können, während HErTwIG die Ursache der Depression in einer Störung der Kernplasmarelation zu- gunsten des Kernes erblickt. Diese soll nach einer größeren Zahl von Teilungen, bei denen der Kern nie ganz genau halbiert wird, als „phy- siologische Degeneration“ auftreten. Enrıguzs (1903, 1905, 1908) er- kennt dagegen eine solche Degeneration aus inneren Ursachen, ein „Altern“ der Infusorien im Laufe aufeinander folgender Generationen nicht an und führt die in Kulturen beobachteten Depressionen auf Schä- digung der Infusorien durch ungünstige Kulturbedingungen, Stoffwechsel- produkte, Bakterien, Toxine u. dgl. zurück. Er verweist dieserhalb auch auf die Erfahrungen von Carkıns (1902), in dessen Paramäcienzuchten Depressionen stets dann eintraten, wenn die Kulturen mehrere Tage nicht kontrolliert worden waren. Wooprurr (1911) konnte Paramaecium B. 3. Paramaeciam. 121 aurelia bei wechselnder Ernährung dauernd weiterzüchten, ohne daß die zeitweise aufgetretenen Depressionszustände zu einer ernsten Schädigung der Kultur führten und ohne daß Neigung zur Konjugation auftrat (vgl. hierzu S. 127); indem täglich die durch Teilung entstandenen Individuen isoliert wurden, gelang es Wooprurr in 31/), Jahren 2000 bzw. in 5 Jahren (1. Mai 1907 bis 22. Mai 1912) 3064 Generationen des Paramaeciums zu züchten. Die Leichtigkeit, mit der sich die Paramäcien in Uhrschälchen züchten lassen, hat auch Untersuchungen über Vererbung bei ihnen veranlaßt (Jennıngs 1908—1911). Hierbei ergaben sich ähnliche Re- sultate, wie sie JOHANNSEN bei höheren Pflanzen erzielt hat. Ein aus einem Tümpel oder dgl. gewonnener „wilder“ Paramäcienstamm stellt eine gemischte „Population“ dar, die aus einer größeren Zahl von „reinen Linien“ (erblichen Rassen) besteht. Aus einer derartigen Po- pulation hat z. B. Jennıngs acht reine Linien isoliert, die von je einem einzigen Individuum abstammten und sich in Länge und Breite deutlich voneinander unterschieden. Wohl ist auch innerhalb jeder dieser reinen Linien die Größe der Paramäcien noch nichts weniger wie konstant, aber diese Verschiedenheiten innerhalb der reinen Linien sind abhängig von dem Alter des einzelnen Individuums, das ja zwischen den beiden seine Dauer begrenzenden Teilungen ein Wachstum durchmacht, sowie von äußeren Einflüssen, besonders von der Ernährung (Veränderung der Ernährung konnte binnen einer Woche zu einer Zunahme der Länge von 146 auf 191 ı und der Breite von 31 auf 54 u führen) und sind nicht erblich. Die Durchschnittswerte bleiben dagegen innerhalb jeder reinen Linie während der aufeinander folgenden Generationen in sehr bemerkenswerter Weise konstant. Abnorm gestaltete Paramäcien sind nicht selten. Derartige Ab- normitäten sind aber nicht (bzw. nur in einem ihrer Lokalisation ent- sprechenden geringen Grade) erblich. Ein abnorm stumpfes Vorder- ende z. B. wird nur auf das vordere, ein ebensolches Hinterende nur auf das hintere Tochtertier übertragen und beide Abnormitäten werden im Laufe weniger Generationen völlig ausgeglichen. Abnorme Krüm- mungen des Körpers können bei der Teilung zur Entstehung auffälliger kegelförmiger Anhänge Anlaß geben, die dann bei den folgenden Tei- lungen je nach ihrem Sitz bald dem vorderen, hald dem hinteren Spröß- ling zugeteilt werden, um aber auch wieder nach wenigen Generationen ausgeglichen zu werden (JENNINGS). Konjugation. Unter Konjugation versteht man eine für die In- fusorien charakteristische vorübergehende Aneinanderlagerung zweier Individuen, während deren sich charakteristische Veränderungen an den Kernen abspielen, die zu einem Austausch von chromatischer Kernsubstanz führen. Diese Erscheinungen sind bei verschiedenen Infusorienformen eingehend studiert worden, ganz besonders genau bei Paramaecium. Verlauf der Konjugation bei Paramaecium cauda- tum mit einem Mikronucleus (vgl. Fig. 134—136). Zwei Individuen (Konjuganten) legen sich mit der Bauchfläche, Mund gegen Mund, der Länge nach aneinander. In jedem tritt der Mikronucleus in mito- tische Teilung (Fig. 134, 7—2) und die beiden Tochtermikronuclei teilen sich in gleicher Weise noch einmal (Fig. 134, 3), so daß jeder Konjugant vier Enkelmikronuclei bekommt, die unter sich völlig 122 Protozoa. Max Lünz, gleich, ohne bestimmte Regel im Plasma verstreut sind (Fig. 134, 4). Drei von diesen zerfallen und werden allmählich resorbiert, während N | Fig. 134. Konjugation von Paramaecium caudatum. Cop Geschlechtskerne, und zwar Cop ® stationärer Kern, Cop & Wanderkern, Kk Synkaryon, m Mikronucleus, m!—m* dessen Tochter- und Enkelkerne, M Makronucleus. Frei nach MAuPpaAs 1889 aus WEISMANN, Amphimixis, 1891. B. 3. Paramaecium. 123 der vierte sich abermals mitotisch teilt, und zwar ist dies derjenige, der dem Munde zunächst liegt (Fig. 134, 5). Er befestigt sich hier- bei mit einem Ende am Ektoplasma dicht vor dem Munde, streckt sich in die Länge und teilt sich mitotisch so, daß der eine seiner Tochterkerne, der männliche Kern oder Wanderkern (Fig. 155, a, und 5,) beim Munde bleibt, während der andere, der weibliche oder stationäre Kern (Fig. 135, a, und d,), ins Körperinnere zu liegen kommt. Als morphologischer Unterschied zwischen diesen beiden Kernen ist nur ein geringer Größenunterschied nachweisbar, indem nach CALKıns und Our (1907) der stationäre Kern 15—19 y, der Wanderkern dagegen nur 12—17 y. lang ist, wobei die Differenz innerhalb eines Paares zwischen 2 und 6 u schwankt. Die weitere, zum Teil bereits durch ihre Lage bedingte Rolle beider Kerne ist dagegen insofern eine recht verschiedene, als der stationäre Kern in dem Konjuganten, dem er angehört, zurück- bleibt, während der Wanderkern durch die beiden an- einander geschmiegten Öytostomata in den anderen Konjuganten hinübertritt. Dabei gleitet der Wanderkern des rechtsseitigen Konjuganten immer dicht über denjenigen des links- seitigen hinweg (Fig. 134, 6). Die cytologischen iiseihsiten spielen sich bei den drei aufeinander folgenden Teilungen des Mikronucleus jedesmal in anderer Weise ab. Hier kann in dieser Beziehung jedoch nur angeführt werden, daß bei den beiden ersten Teilungen die Chromosomen gespalten werden und daher an Zahl unverändert bleiben. Die dritte (letzte) Teilung ist da- gegen eine Reduktionsteilung, bei der die Chromosomen je zur Hälfte auf die beiden entstehenden Geschlechtskerne verteilt werden. Näheres siehe bei Carkıns und CurL (1907). Ist der Austausch der Wanderkerne erfolgt, so verschmilzt der stationäre, zurückgebliebene Kern eines jeden Konjuganten mit dem von dem anderen Konjuganten herrührenden Wanderkern (Fig. 134, 7). Dieser Austausch des Wanderkerns und seine Verschmelzung mit dem stationären Kerne ist das Wesentliche beim Konjugationsvorgange (Karyogamie). Der neue Kern, der so in jedem Konjuganten entsteht (Fig. 155, a, 5, und &5,) kann als konjugierter Kern, Frischkern oder Synkaryon bezeichnet werden. Nach diesem Kernaustausch trennen sich die beiden Paarlinge voneinander und schwimmen ein jeder seiner Wege. Die Trennung erfolgt zuletzt am Munde. Der Cytopharynx, der während der Konjugation verschwunden war, bildet sich wieder, so daß die Exkonjugierten wenige Stunden nach ihrer Trennung wieder Nahrung zu sich nehmen können. Der Makronucleus bleibt anfangs von den Vorgängen der Konjugation unberührt, läßt aber später eine fortschreitende Defor- mation erkennen. Nach der Trennung der beiden Konjuganten von- einander zerfällt er dann in kleine rundliche Körperchen, die schließlich resorbiert werden (Fig. 136, A und 9—T). Nach vollzogener Konjugation beginnt in jedem der beiden „ex- konjugierten“ Individuen sofort die Rekonstitution des Kern- apparates. Der konjugierte Kern (Synkaryon) teilt sich 3mal hintereinander, und zwar wiederum mitotisch (Fig. 136, A—H). Von 124 Protozoa. Max Lünue, den 8 Kernen, die so entstehen, kommen 4 in den vorderen, 4 in den hinteren Körperteil zu liegen (Fig. 136, J). Die 4 vorderen wachsen stark und stellen 4 Makronucleus- Anlagen dar; von den 4 hinteren entwickelt sich dagegen nur einer weiter zu einem neuen Mikronucleus, während die 3 anderen atrophieren und re- sorbiert werden (Fig. 136, K—L). Auf diesem Stadium der Rekonstitution des Kernapparates (mit 4 Makronucleus-Anlagen und einem Mikronucleus) sind die Exkon- al NUTZ alla Ir7z EAN ac Era are 9 Fig. 135. Schematische Darstellung der Vorgänge am Kernapparat von Paramaecium während der Konjugation und der dann folgenden Rekon- stitution. Die großen Tüpfel bedeuten die Großkerne bzw. deren Anlagen, die kleinen die Kleinkerne und deren Deszendenten. Eine Krone aus Strichelchen über einem: Tüpfel bedeutet Zerfall und Schwund des so gekennzeichneten Kernes. 7 die Generation der Konjuganten, II deren Tochter- und III Enkelgeneration. AB Die beiden Konjuganten, aabb deren 4 Tochtertiere, auuaßßBßB die 8 Enkeltiere. a, stationärer Kern und a, Wanderkern von A, b, stationärer Kern und b, Wanderkern von B; a,b, Synkaryon von A, a,b, dasselbe von "B. Ma Großkern und Mi Kleinkern der beiden Konjuganten. jugierten zur ersten Fortpflanzung durch Teilung bereit. Diese tritt bei 25° C und reichlicher Nahrung 24—30 Stunden nach der Trennung ein. Hierbei teilt sich der neue Mikronucleus in der gewöhnlichen Weise; die 4 Großkernanlagen hingegen teilen sich nicht, sondern es selangen von ihnen je 2 in die beiden Tochter- individuen, deren jedes also einen Kleinkern und 2 Großkernanlagen erhält (Fig. 136, M—N; vgl. Fig. 135, a, a, b, b). Ca. 20 Stunden nach der ersten folgt die zweite Teilung, bei der sich der Mikro- nucleus wiederum teilt, während die beiden Großkernanlagen auf die B. 3. Paramaecium. 125 Fig. 136. Paramaecium caudatum. Rekonstitution des Kernapparates nach erfolgter Konjugation. A Zwei konjugierte Individuen, im Begriff sich zu trennen. cy Cytopharynx, ma der alte veränderte Makronucleus, sy Synkaryon (Ver- schmelzungsprodukt von stationärem und Wanderkern). B, € Die beiden Individuen 126 Protozoa. Max Lünr, (Exkonjuganten) haben sich voneinander gelöst; das Synkaryon in Teilung. D Diese Teilung beendet, 7 und 2 die beiden Tochterkerne E Teilung dieser Tochterkerne. F Auch diese zweite Kernteilung beendet, /—/ die 4 Enkelkerne. &, H Dritte Kern- teilung. I Die dritte Kernteilung ist beendet, 1—8 die 8 Urenkelkerne des Synkaryons. K Vier dieser Urenkelkerne (—/) sind herangewachsen, um später zu Großkernen zu werden, drei andere (5, 7, 8) verfallen der Resorption, nur einer (6) erscheint unverändert und wird zum neuen Kleinkern. L Diese Veränderungen der Kerne sind beendet. m, —m, die neuen Großkerne, mi(6) der neue Kleinkern, die Kerne 5, 7, 8 sind restlos resorbiert. M, N Erste Teilung des Exkonjuganten. O, P Zweite Teilung desselben (bzw. des vorderen Tochtertieres von N), in beiden Fällen Teilung des Kleinkerns und Verteilung der Großkerne, so daß in P die Rekonstitution des Kernapparates beendet ist. — 0-—-T Veränderungen, Zerfalls- und Degenerationserscheinungen am alten Großkern des Exkonjuganten (vgl. ma in A), während dieser Rekonstitution des Kernapparates (in B—P im Interesse besserer Uebersichtlichkeit fortgelassen, ebenso wie in O—S die Ab- kömmlinge des Synkaryons nicht mit dargestellt sind). © entspricht dem Stadium der Fig. H, R dem der Fig. I, S dem der Fig. N (ein Tochtertier) und T dem der Fig. P (ein Enkeltier; X die letzten Reste des alten Großkerns, ma neuer Großkern, mi neuer Kleinkern). Nach MAurpAs 1889, von LANG schematisiert. beiden Enkelinfusorien verteilt werden (Fig. 136, O—P). Inzwischen sind diese Anlagen aber auch zur normalen Größe des Makronucleus herangewachsen, so daß also die Individuen der Enkelgeneration der Exkonjugierten wieder einen normalen Kernapparat (einen Makro- nucleus mit anliegendem Mikronucleus) rekonstituiert haben (Fig.156, P, vgl. Fig. 135, « und ß). Letzte Reste des alten Großkerns können zu dieser Zeit noch vorhanden sein (Fig. 136, T). Von nun an geschieht die Fortpflanzung durch Teilung regel- mäßige in der gewöhnlichen Weise, wie weiter oben geschildert wurde. Die Vereinigung der beiden Konjuganten mit ihren oralen Flächen beruht auf einer physikalischen Veränderung der Körpersub- stanz in der Gegend des Peristomfeldes. Hier wird die Oberfläche klebrig, so daß bei zufälliger Berührung eines zweiten Paramaeciums mit dieser Stelle die beiden Tiere aneinander hängen bleiben, gleich- gültig welche Stellung sie zueinander haben. Wenn in einer Kultur Konjugationen besonders häufig („epidemisch“) auftreten, sieht man da- her auch häufig einzelne Paramäcien mit ihrem Peristomfeld an belie- bigen Körperstellen anderer Paramäcien kleben bleibend. Die normale Vereinigung der Paare Peristomfeld gegen Peristomfeld beruht auf der- selben durch die Wimpern hervorgerufenen Wasserströmung, die die Nahrungspartikelchen dem Cytostom zuführt und deren Wirkung sich natürlich summieren muß, wenn zwei Paramäcien sich zufällig mit einander zugewandten Peristomflächen einander nähern. Irgendwelche Verän- derung der oben geschilderten Reaktionsmethoden der Paramäcien ist dagegen während der Konjugationsperioden nicht nachweisbar. Tageszeit und Dauer der Konjugation. Bei Paramaecium caudatum erfolgt die Konjugation immer gegen Ende der Nacht und in den ersten Morgenstunden. Sie dauert bei einer Temperatur von 20 bis 25°C ca. 12 Stunden, bei der als Paramaecium aurelia unterschiedenen Form mit zwei Mikronuclei bei 25°C ebenso lange, bei 15° © dagegen 24 Stunden. Die Bedingungen, unter denen fruchtbare Konjugation eintritt, sind trotz vielfacher Untersuchungen noch nicht vollständig klargelegt. Mauras (1889) bezeichnete als solche Bedingungen Konjugationsreife, möglichst entfernte Verwandtschaft der konjugierenden Individuen und Nahrungsmangel. B.3. Paramaecium. 127 1. Die Konjugationsreife sollte nach MaAuras erst nach einer mehr oder weniger großen Zahl von Generationen (von der nächst vorher- gehenden Konjugation aus gerechnet) erreicht werden; vorher sollten Konjugationen auch bei Realisierung der anderen Bedingungen nicht vorkommen und nach Ueberschreiten der Konjugationsreife sollten sie, wenn sie noch vorkommen, steril bleiben und zum Tode der Konjuganten führen. Bei Leucophrys patula z. B. sollte die Periode der Konjuga- tionsreife ungefähr von der 300. bis zur 450., bei Stylonychia pustulata von der 130. bis zur 170. oder 180. Generation dauern. Hiernach würde also eine Konjugation immer in einem gewissen regelmäßigen Cyelus auf eine längere Vermehrungsperiode folgen. Neuere Untersuchungen von Joukowsky (1898), Enkıques (1907, 1908), Jennings (1910) u. a. haben jedoch dieses zeitliche Moment nicht bestätigen können. JENNINGS beobachtete z. B. bei Paramaecium caudatum eine erneute Konjugation schon nach nur 4-maliger Teilung zwischen den 16 Nachkommen eines isolierten Exkonjuganten und Enrıquzs hat bei Chilodon uncinatus eine erneute Konjugation sogar schon beobachtet, ehe noch nach der voraus- gegangenen der Kernapparat wieder völlig rekonstituiert war. Hiernach kann also die Konjugationsreife jederzeit unabhängig von dem Alter der Kultur eintreten, wobei ich unter Konjugationsreife einen besonderen für den Eintritt der Konjugation erforderlichen, che- mischen und physikalischen Zustand des Protoplasmas verstehe. Außer der bereits erwähnten Klebrigkeit des Peristomfeldes ist freilich über diesen Zustand noch kaum Sicheres bekannt. Daß konjugierende Paramäcien sich im allgemeinen durch geringe Größe auszeichnen (vgl. z. B. Pearı 1906 und Jennıngs 1911), dürfte die Folge vorausgegangener mangelhafter Ernährung sein (vgl. die nach- stehende Besprechung von Einflüssen der Außenwelt auf die Konjugation). Auch bedingt das verhältnismäßig späte Einsetzen der Teilungen nach der Konjugation, daß die Exkonjuganten vor ihrer ersten Teilung zu- nächst relativ stark heranwachsen; die verhältnismäßig beträchtlichere Größe bleibt dann noch mehrere Generationen hindurch kenntlich. Andererseits ist eine untere Grenze für die Größe der Konjuganten da- durch gegeben, daß die Konjugation stets erst einige Zeit nach der letzten Teilung erfolgt, die Konjuganten seit dieser also auch bereits wieder etwas herangewachsen sind. Die Größenvariationen der Konjuganten sind demnach wesentlich geringer als diejenigen aller Individuen der ganzen Zucht. Im Anschluß hieran ist noch hervorzuheben, daß bei der Konjugation eine gewisse Zuchtwahl stattfindet, indem im allgemeinen größere Individuen mit größeren und kleinere mit kleineren kon- jugieren (nähere Einzelheiten siehe bei Jennıngs 1911). Für die Er- haltung von Rassenunterschieden, wie sie in den auf S. 121 erwähnten reinen Linien zum Ausdruck kommen, ist dies natürlich von Vorteil. Andererseits aber zeigt nach einer vorläufigen Mitteilung von JENNINGS (1911) die Nachkommenschaft der Konjuganten tatsächlich in Bestätigung der theoretischen Auffassungen Weısmanns eine größere Variabili- tät als die Nachkommenschaft völlig entsprechender Individuen, die nicht konjugiert haben, und können auch im Gefolge der Konjugation erbliche Unterschiede auftreten zwischen Angehörigen der gleichen Rasse, die sämtlich von einem einzigen Stammtier abstammen. 2. Möglichst entfernter Grad der Verwandtschaft ist durch neuere Untersuchungen ebenfalls der ihm von Mauras zuge- :128 Protozoa. Max Lüne, schriebenen großen Bedeutung entkleidet worden. Nach MaupAs’ aus- gedehnten, an verschiedenen Infusorienarten angestellten Untersuchungen sollten die Nachkommen ein und desselben Tieres auch dann nicht mit- einander konjugieren, wenn die übrigen Bedingungen zur Konjugation erfüllt waren (Konjugationsreife, Nahrungsmangel. Bei Vermischung von Zuchten konjugationsfähiger Individuen verschiedener Kulturen, die nicht derselben Generationsfolge angehören, treten dagegen so massen- haft fruchtbare Konjugationen auf, daß man von Konjugations- epidemien spricht. ProwaAzek (1899) konnte diese Angaben für Stylonychia pustulata MÜLLER, eine der bereits von MAurAs untersuchten Arten bestätigen: in keiner der Kulturen, die von einem einzigen Mutter- tier abstammten, trat Konjugation auf, dagegen ließ die Teilungsenergie bald nach und die Tiere encystierten sich; bei Vermischung von Kul- turen trat Konjugation ein. Bei anderen Versuchen (von MaAupaAs mit Stylonychia mytilus, von Joukowsky mit Pleurotricha lanceolata) gelang es dagegen nicht, durch Mischung von Individuen aus verschiedenen Kulturen Konjugationen herbeizuführen. Andererseits hat PRowAzEk (1910) bei Colpidium einmal auch Konjugation zwischen den Nachkommen eines Individuums beobachtet. Enkıquzs (1907) fand in gleicher Weise Konjugation zwischen nahen Verwandten bei Colpoda und ÖOpercularia und Joukowsky (1898), Carkıns (1902), sowie Jennıngs (1910) beobach- teten dasselbe bei Paramäcien. Daß diese Inzucht keinerlei Schädi- gung mit sich bringt, zeigen die Erfahrungen von CALkıns, der nach einer Konjugation zweier Tiere, die in der 8. oder 9. Generation von einem gemeinsamen Muttertier abstammten, die Nachkommenschaft eines der beiden Exkonjuganten durch 379 Generationen hindurch fortzüchtete, und von JENnNInGs, in dessen Zuchten sich Konjugationen zwischen der- art nahen Verwandten mehrfach wiederholten (in einem Stammbaum 4mal, in einem anderen 5mal in Intervallen von zum Teil nur wenigen Wochen; vgl. auch den hierhergehörigen schon auf S. 127 erwähnten Fall). 3. Einwirkungen der Außenwelt, von denen der von MAupAs allein hervorgehobene Nahrungsmangel nur einen besonders wichtigen Spezialfall darstellt, sind dagegen zweifellos von großem Einfluß auf das Eintreten der Konjugation und werden von ENnRIQUES sogar im Gegensatz zu inneren (konstitutionellen) Faktoren als allein wirksame Bedingungen der Konjugation betrachtet. Nach Maupas tritt Konjugation nur bei Nahrungsmangel auf, derart daß man auch bei Erfüllung der übrigen von ihm betonten Bedingungen Konjugationen durch Nahrungszufuhr jederzeit verhindern kann und andererseits Infusorien dadurch zur Konjugation veranlassen kann, daß man sie nach vorheriger reichlicher Ernährung hungern läßt. Diese Methode ist auch von Herrwıg, PoPorr, PRAnTL, PROWAZER u. a. mit Erfolg be- nutzt worden. Nach KasAantzerr (1901) korrigiert die Konjugation die durch den Hungerzustand herbeigeführte Störung der Kernplasmarelation (Zunahme der Kernmasse) und den hierdurch bedingten Depressions- zustand (vgl. auch S. 115£.). Nach Zweısaum (1912) sind Paramäcien immer zur Konjugation befähigt, wenn sie 5—6 Wochen lang nur spärlich ernährt wurden. Sie behalten dann diese Fähigkeit bei gleichbleibender Ernährung lange Zeit, ohne zugrunde zu gehen, und konjugieren sich stets, wenn bei plötzlicher weiterer Verringerung der Nahrungszufuhr und bei einer Temperatur zwischen 9 und 29° C (Optimum 20—23°C) die chemische B.4. Plasmodium vivax. 129 Zusammensetzung des Mediums bestimmten Bedingungen entspricht. In letzterer Beziehung ist nach Zweısaum der Salzgehalt des Wassers von Wichtigkeit: ganz besonders begünstigt wird die Konjugation nach seinen Untersuchungen durch AIC], in einer Konzentration von N/,,o00 bis N/;sooo und nächstdem durch NaNO, in Konzentration von N/j500 und durch Na,Co, in Konzentration von N/y4000 —N/36000, in geringerem Grade auch durch zahlreiche andere schwache Salzlösungen. Anscheinend wirkt jedes Salz in einer bestimmten schwachen Konzentration konjugations- fördernd (sogar Sublimat, und zwar in Konzentration von N/jz 000000 bis N/4s 000000); die Verschiedenheiten in der Wirkung verschiedener Salze entziehen sich jedoch zurzeit noch dem Verständnis und sei daher dieserhalb auf die Originalarbeit verwiesen. Daß außer der Nahrungszufuhr, Temperatur und chemischen Zu- sammensetzung des Mediums auch noch andere Einflüsse der Außenwelt eine Rolle bei der Konjugation spielen können, wird dadurch bewiesen, daß nach Enkıques (1907) Colpoda steini ausschließlich in Kulturen mit niedrigem Wasserstand (nicht über 2—3 mm) konjugiert. 4. Plasmodium vivax möge als Beispiel dienen für ein Protozoon, das in Bau und Ent- wickelung in weitgehendster Weise an den Parasitismus angepaßt ist. Plasmodium vivax ist ein Parasit der roten Blutkörperchen des Menschen und ruft durch seine Anwesenheit die Malaria tertiana hervor, bei der ein fieberfreier und ein fieberhafter Tag regelmäßig miteinander wechseln; daher auch sein Name Tertianparasit. Er ist zweifellos mit den Flagellaten verwandt und wird sogar von manchen diesen direkt zugezählt, wie dies auch oben in der syste- matischen Uebersicht geschehen ist; er hat jedoch in Anpassung an seinen endoglobulären Parasitismus den für die Flagellaten sonst charakteristischen Geißelapparat vollständig eingebüßt, wie wir ja auch bei anderen Parasiten (z. B. parasitischen Krustern) Rück- bildung und völligen Schwund der Lokomotionsorgane finden. Die jüngsten Stadien, die man in den Blutkörperchen des malaria- kranken Menschen antrifft, sind kleine, nackte, je einen Kern ent- haltende, amöboid bewegliche Zellen, die infolge des Einschlusses einer Vakuole ringförmig erscheinen (Fig. 137, 3). Diese Vakuole, die nur bei noch jugendlichen Individuen vorhanden ist, spielt offenbar bei der durch Osmose erfolgenden Ernährung des Parasiten eine Rolle und wird deshalb von ScHhaupınx (1902) direkt als Nahrungsvakuole bezeichnet, obwohl sie der typischen, geformte Nah- rungskörper enthaltenden Nahrungsvakuole anderer Protozoen kaum ver- gleichbar ist. Der Sitz des Parasiten im Inneren der Blutkörperchen ist mehr- fach bestritten worden zugunsten der Annahme einer nur äußerlich er- folgenden Anheftung. Er wird aber vor allem durch Schaupınxs (1902) Beobachtungen über das Eindringen der Jugendformen in die Erythro- cyten bewiesen, zumal dieses in ganz der gleichen Weise erfolgt wie das Eindringen der jungen Coccidien in die Epithelzellen ihrer Wirte. Bei ihrer Ernährung zersetzen die Parasiten den roten Farb- stoff (das Hämoglobin) des befallenen Blutkörperchens und lagern das Zer setzungsprodukt in Form von braunen, doppelt lichtbrechenden Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 9 130 Protozoa. Max Lüne, Fig. 137. Zeugungskreis von Plasmodium vivax (GR. & FEL.), kombiniert nach Abbildungen von GRASSI und SCHAUDINN, nach LÜHE 1906 (etwas verändert). 1 Sporozoit, 2 Eindringen des Sporozoiten in das rote Blutkörperchen, 3—7 Schizogonie, und zwar 3—/ Wachstum des Schizonten, 5—6 Kernteilung im Schizonten, 7 Zerfall des B. 4. Plasmodium vivax. 131 Schizonten in die Merozoiten, 8 einzelne Merozoiten, die nach ihrem Eindringen in rote Blutkörperchen entweder wieder zu Schizonten werden (2) oder zu Makrogametoeyten (9a) oder zu Mikrogametocyten (9b), 9a—12a Wachstum der Makrogametocyten, 9b—12b des- gleichen der Mikrogametocyten, 13a, 14a Reifung der Makrogameten durch Kernrednktion im Makrogametocyten, 135b, 14b Bildung der Mikrogameten durch Gamogonie des Mikro- gametocyten, 15b einzelner reifer Mikrogamet, 16 Befruchtung, 17 Copula (Ookinet), 13c—17e Rückbildung und Schizogonie des Makrogametocyten bei Verbleib in der Blut- bahn des Menschen, 78—19 Einwanderung des Ookineten in die Wandung des Mittel- darms (sog. Magens) der Mücke, 20—25 Sporogonie, und zwar 20—24 Kernvermehrung im Sporonten, 2/—25 Differenzierung der Sporozoiten, 26 Ueberwanderung der Sporozoiten aus der geplatzten Oocyste zur Speicheldrüse, 27 Speicheldrüse der Mücke mit ein- gedrungenen Sporozoiten. Vergr. von 1—17 ca. 1200:1, von 18—27 ea. 600:1. Pigmentkörnchen in ihrem Protoplasma ab. Bei fortschreitendem Wachstum der Parasiten (Fig. 137, 4) hypertrophieren die befallenen Blutkörperchen bei gleichzeitiger Entfärbung und schließlich bildet ihre Substanz nur noch eine dünne Schicht um den sich abrundenden Parasiten, dessen Durchmesser im ausgewachsenen Zustande nicht hinter dem eines normalen roten Blutkörperchens zurückbleibt und nicht selten sogar das anderthalbfache von diesem erreicht. Nun- mehr schickt sich der Parasit zur Fortpflanzung an, die durch mehr- fach wiederholte Zweiteilung des Kernes eingeleitet wird, bis 12—24 (meist 16) Tochterkerne entstanden sind (Fig. 137, 5—6). Um jeden dieser Tochterkerne gruppiert sich alsdann etwas Plasma und der ganze Parasit zerfällt derart gleichzeitig in ebenso viel einkernige Fortpflanzungskörper (Merozoiten) unter Zurücklassung eines zen- tralen, die Pigmentkörnchen enthaltenden Restkörpers (Fig. 137, 7). Diese Vermehrung nennen wir Schizogonie, das sich vermehrende Mutterindividuum dementsprechend Schizont. Sofort nach dem Zerfall des Schizonten in die Merozoiten oder schon gleichzeitig mit ihm zerfällt auch der Rest des degenerierten Blutkörperchens, in dem die Entwickelung erfolgte, und die frei ge- wordenen Merozoiten (Fig. 137, 7--8) dringen in andere Blutkör- perchen ein, um dort die geschilderte Entwickelung von neuem zu beginnen. In der Regel erfolgt die Entwickelung aller Parasiten in dem Blute ein und desselben Menschen synchron, derart daß sie gleichzeitig heranwachsen, gleichzeitig sich teilen und gleichzeitig neue Blutkörper- chen heimsuchen. Mit dem Eindringen der Merozoiten in die Blut- körperchen fällt dann der charakteristische Fieberanfall der Malaria tertiana zusammen, der sich alle 48 Stunden wiederholt, entsprechend der 48-stündigen Entwickelungsdauer einer Generation des Tertian- parasiten. Die Vermehrung durch Schizogonie dient nach dem Gesagten der Ausbreitung der Parasiten im Blute des bereits infizierten Menschen. Die tatsächliche Vermehrung der Zahl der Parasiten bleibt aber ähnlich wie bei freilebenden Tieren weit hinter der rechnerisch zu erwartenden zurück. Müßte doch sonst die Nachkommenschaft eines einzelnen Tertian- parasiten nach 12 Tagen bereits über 15 Millionen (16°) betragen. Tat- sächlich kann dagegen die Zahl der im Blute vorhandenen Parasiten von einem bis zum nächsten Fieberanfall sogar eine Verminderung er- fahren!). Es müssen also im Blute sich Einflüsse des Wirtes geltend 1) Genaue Zahlenangaben für den Tertianparasiten sind mir nicht bekannt. Als Anhaltspunkt kann aber dienen, daß GRAY in einem Falle von Quartana kurz nach vier 9* 132 Protozoa, Max Lüne, machen, die einen großen Teil der Parasiten dem Untergange zuführen, deren Vorhandensein wir aber bisher nur aus dieser ihrer Wirkung er- schließen können. Mit der Zunahme der Parasiten steigert sich auch die Reaktion des Wirtes und damit verschlechtern sich offenbar in einer in ihren Einzelheiten noch nicht ganz aufgeklärten Weise die Existenzbedin- gungen des Parasiten. Dessen Vermehrung durch Schizogonie erlischt allmählich unter diesen im einzelnen noch nicht festgestellten Ein- flüssen, indem die durch Schizogonie entstandenen jungen Merozoiten nach ihrem Eindringen in rote Blutkörperchen nicht mehr zu Schi- zonten, sondern zu geschlechtlich differenzierten Gametocyten heranwachsen (Fig. 137, 9—12). Das Wachstum dieser Gametocyten erfolgt wesentlich langsamer als das der Schizonten und erfordert speziell beim Tertianparasiten gerade die doppelte Zeit. Dementsprechend häufen sich in ihnen die Stoffwechselprodukte in Form des hämatogenen Pigmentes in sehr viel größerer Anzahl an, während andererseits ihnen die Nahrungsvakuole fehlt, die für die jungen Schizonten mit ihrem lebhaften Stoffwechsel so charakteristisch ist. Des weiteren unterscheiden sich die Gameto- cyten von den Schizonten noch durch wesentlich geringere amöboide Beweglichkeit. Männliche und weibliche Gametocyten unterscheiden sich vonein- ander durch verschiedene Plasmastruktur. Die weiblichen Makro- gametocyten (Fig. 137, 9a—12a) sind durch ein sehr dichtes, stark mit Reservestoffen beladenes und daher besonders intensiv färbbares Protoplasma ausgezeichnet. Bei den männlichen Mikrogametocyten (Fig. 137, 9b—12b) ist umgekehrt das Protoplasma im Leben wie im gefärbten Präparat ganz besonders blaß, während sich der Kern durch besondere Größe auszeichnet. Das weitere Schicksal der Gametocyten bei Verbleib in der Blutbahn ist ein verschiedenes. Die Mikrogametocyten, denen Reservestoffe völlig fehlen und deren großer Kern deutlich auf den Beruf der sogleich zu besprechenden, aber bei Verbleib in der Blutbahn nicht möglichen Mikrogametenbildung hinweist, gehen verhältnismäßig rasch zugrunde. Haben infolge Erlöschens der Schizogonie die Fieberanfälle aufgehört, so fehlen wenige Wochen nach dem letzten Fieberanfall auch die Mikrogametocyten im Blute ebenso vollständig wie die Schizonten. | Ganz anders die Makrogametocyten, deren Spezialisierung vor allem in ihrem dichten, reich mit Reservestoffen beladenen Protoplasma besteht und ihnen daher gerade eine größere Widerstandsfähigkeit verleiht, die sie zu längerem Leben auch unter ungünstigen Umstän- den befähigt. Die größere Widerstandsfähigkeit der Makrogametocyten zeigt sich nicht nur in ihrer längeren Lebensdauer, die offenbar eine Reihe von Monaten betragen kann, sondern auch gegenüber medikamentösen Ein- aufeinander folgenden, durch keine. ärztliche Behandlung beeinflußten Fieberanfällen ca. 500, 446, 627 bzw. 302 Parasiten im Kubikmillimeter Blut fand. Hierbei sei be- merkt, daß die Entwickelung des Quartanparasiten (Plasmodium malariae) völlig derjenigen von Plasmodium vivax gleicht, nur daß die Schizogonie 72 Stunden statt 48 dauert und zur Entstehung von nur 6—12, meist 8 Merozoiten führt. B. 4. Plasmodium vivax. 133 flüssen. Die Wirksamkeit des Chinins gegenüber der Malaria ist em- pirisch ja schon sehr lange bekannt; wurde diese Kenntnis doch nach der Entdeckung Amerikas von den Indianern den Europäern übermittelt. Erst neuerdings konnte festgestellt werden, daß die Chininwirkung auf einer direkten Schädigung der Malariaparasiten durch das im Blute kreisende Chinin beruht und daß wir imstande sind, mit Hilfe von Chinin die Schizonten überhaupt abzutöten, wenn wir dieses zu ge- eigneter Zeit (kurz vor dem zu erwartenden neuen Fieberanfall, da die jungen Schizonten am wirksamsten durch das Chinin beeinflußt werden) und in- geeigneter Menge verabreichen. Diese Schädigung übt das Chinin aber nur auf die Schizonten aus, deren Plasmakörper unter seinem Einfluß eigenartige, sehr stark zerschlissene Formen annimmt; die Makrogametocyten werden durch das Chinin in sehr viel geringerem und zum großen Teil überhaupt nicht merklichem Grade beeinflußt. Die langlebigen, im Blute verbleibenden Makrogametocyten können unter Umständen den Ausgangspunkt für das Einsetzen einer neuen Vermehrungsperiode bilden und hierdurch monatelang nach dem scheinbaren Erlöschen der Malariakrankheit zum Auftreten eines Rückfalls derselben Anlaß geben. Es tritt dies namentlich dann ein, wenn der Körper des betreffenden Menschen durch irgendwelche Einflüsse eine Schwächung erfahren hat, z. B. durch eine Erkältung oder durch Ueberanstrengung. Eine derartige Schwächung des Wirtes übt offenbar einen Reiz aus auf den Makrogametocyten, der eigen- artige, äußerlich unter dem Bilde einer inäqualen Kernteilung ver- laufende Veränderungen des Kernapparates durchmacht und sich hierdurch unter Verlust der Geschlechtsmerkmale zu einer vermeh- rungsfähigen Form rückbildet, die Lüme (1906) wegen ihrer Aehn- lichkeit mit dem Schizonten als „Gametoschizont“ bezeichnet hat. Die multiple Teilung erfolgt dann in ganz entsprechender Weise wie bei der gewöhnlichen Schizogonie, nur daß ein größerer, auch einen Teil des ursprünglichen Makrogametocytenkernes enthaltender Rest- körper übrig bleibt (Fig. 157, 13c—17c). Die Makrogametocyten stellen also auf Grund ihrer Langlebigkeit und ihrer Fähigkeit, sich zu einer vermehrungsfähigen Form rückzubilden, die Dauer- oder Latenzformen des Malariaparasiten dar. Ihrer eigentlichen (geschlechtlichen) Bedeutung können die (sametocyten aber nur dann nachkommen, wenn sie mit dem sie ent- haltenden Blutstropfen in den Darm einer Stechmücke aus der Gat- tung Anopheles gelangen. Die Entwickelung der Malariaparasiten ist also mit einem Wirtswechsel verbunden. Die Weiterentwickelung der Gametocyten der menschlichen Malaria- parasiten kann in verschiedenen Anophelesarten erfolgen, die dann die Infektion auch wieder auf andere Menschen zu übertragen vermögen. Sie 'erfolgt aber nur in Anopheles, nicht in Culex, während das ver- wandte Proteosoma der Vögel umgekehrt von Culex und nicht von An- opheles übertragen wird. In Europa ist die verbreitetste Anophelesart und demzufolge auch der wichtigste Malariaüberträger Anoph. maculi- pennis Meıe. (Fig. 138). Im Mitteldarm [von Anopheles erfolgt zunächst die Reifung der Gametocyten, während die gleichzeitig von der Mücke auf- genommenen Schizonten mit dem Blute verdaut werden. Die Reifungs- 134 Protozoa Max Lüne, vorgänge beginnen mit dem Austritt der Gametocyten aus dem Blut- körperchen (soweit dieser nicht etwa schon früher durch Zerfall des von dem Parasiten zerstörten Blutkörperchens erfolgt war) und der kugeligen Abrundung der Parasiten, sind dann aber im weiteren Ver- laufe bei beiden Geschlechtern verschieden. Der Makrogametocyt wandelt sich direkt vermittelst einer Kernreduktion zu dem befruchtungsfähigen Makrogameten um, indem an einer Stelle seiner Oberfläche ein buckelförmiger \ Höcker auftritt, der einen Teil des Kernes aufnimmt und als- bald als kleines Plasmaklümpchen völlig abgeschnürt wird, ähnlich etwa dem Richtungskörperchen eines Metazoeneies (Fig. 137, 13a—1l4a). Der Mikrogametocyt macht dagegen einen Vermeh- rungsprozeß durch, den wir, weil er die Gameten liefert, als Gamogonie bezeichnen. Schon in der Blutbahn des Menschen war die Teilung des Mikro- sametocytenkernes in 8 Tochter- kerne vorbereitet. Jetzt, im Mitteldarm von Anopheles, wird sie vollendet, die Tochterkerne rücken, während im Plasma leb- haft wirbelnde Strömungen ein- setzen, an die Oberfläche, und plötzlich schnellen dann aus dem Körper des Parasiten 4—8 lange, \ im Leben hyaline Fäden hervor, Fig. 138. Anopheles maculipennis welche lebhafte peitschende Be- MEIGEN (einschließlich der Mundwerkzeuge wegungen ausführen, sich alsbald 8—11 mm lang). Nach Grassı 1900. losreißen und in schlängelnden Bewegungen davonstürmen. Es sind dies die befruchtungsfähigen Mikrogameten, deren Zahl meist die der 8 vorgebildeten Kerne nicht erreicht, wobei dann ein Teil der letzteren unverbraucht in dem kleinen, auch die Pigment- kristalle enthaltenden und rasch absterbenden und zerfallenden Rest- körper des Mikrogametocyten, von dem sich die Mikrogameten ab- lösten, zurückbleibt (Fig. 137, 13 6—15 b). Wie die Reifung des Makrogameten, so erinnert auch seine Be- fruchtung durch einen Mikrogameten lebhaft an die entsprechen- den Vorgänge bei den Metazoeneiern. Sie erfolgt in der Weise, daß der Makrogamet an der Stelle, wo sein der Oberfläche genäherter Kern liegt, eine kleine Hervorwölbung, den sogenannten Empfängnis- hügel, dem Mikrogameten entgegenstreckt, und daß alsdann der Mikrogamet in diesen eindringt (Fig. 137, 16). Das Eindringen des Vorderendes des Mikrogameten erfolgt bei gleichzeitiger Zurückzie- hung des Empfängnishügels und abermaliger völliger Abrundung des Makrogameten verhältnismäßig rasch, während alsdann der Rest B. 4. Plasmodium vivax. 135 des Mikrogameten erst allmählich unter schlängelnden Bewegungen in dem Makrogameten verschwindet. Stets dringt nur ein einziger Mikrogamet ein; alle weiteren, die sich nähern, werden zurückge- wiesen, stellen alsbald ihre Bewegungen ein und verkleben knäuel- artig, um dann zu zerfallen. Nach Beobachtungen ScHAuDInNs (1902) scheint der Makrogamet an der Stelle, wo ein Mikrogamet eindrang, eine hyaline, sehr schwach lichtbrechende Substanz abzuscheiden, welche die später kommenden Mikrogameten verklebt. Gleichzeitig mit dem Eindringen des Mikrogameten setzt in dem Makrogameten eine lebhafte, das Pigment wirbelartig umherwerfende Plasmaströ- mung ein, welche aber nur wenige Minuten dauert und auf die zu- nächst eine Periode der Ruhe folgt, während deren die Kerne der beiden Gameten zu einem einheitlichen Kopulationskern (Synkaryon) verschmelzen. Dann beginnt an einer Stelle der Oberfläche der durch die Vereinigung der beiden Gameten entstandenen Copula eine kleine konische Hervorwölbung aufzutreten, die zunächst nur aus hyalinem Ektoplasma besteht, aber allmählich immer größer wird und mit dem Endoplasma auch das Synkaryon und das Pigment aufnimmt, bis auf diese Weise schließlich aus der anfangs kugeligen Copula ein gestreckt-spindelförmiges Stadium entsteht, der sogenannte Ookinet, welcher bis zu 20 w lang wird und sich in schlängelnden Bewegungen zwischen den Blutkörperchen umherbewegt (Ei0.137; 12): Der erste Anreiz zur Reifung wird auf die Gametocyten offenbar durch eine im Mückendarm sehr rasch erfolgende Veränderung der Dichtigkeit des Blutes ausgeübt. Jedenfalls beginnt die Reifung auch auf dem Öbjektträger, wenn die Dichtigkeit des Blutes verändert wird, sei es durch schwache Verdünnung desselben mit Wasser, sei es durch langsame Eindickung infolge der natürlichen Verdunstung an der Oberfläche des der Luft ausgesetzten Blutes, während dagegen die Gametocyten im unverdünnten Blute bei Luftabschluß völlig unverändert bleiben. (Systematische Versuche nach dieser Richtung hin hat bei Malariaparasiten bisher nur Ross vorgenommen.) Neben der Dichte des Blutes spielt aber vermutlich auch die Ab- kühlung eine Rolle, welche das Blut nach dem Verlassen der Blut- bahn erleidet. Anscheinend erfolgt die Bildung der Mikrogameten am sichersten bei einer Temperatur von ca. 20° C. Bei 18° C sah MARTIRANO sie nur in merklich geringerem Grade auftreten, und bei 170 C konnte er sie trotz mehrstündiger Beobachtung von Präparaten, die zahlreiche Gametocyten enthielten, überhaupt nicht beobachten. GrAssI vermutet, daß die Gametocyten bei 17° C und darunter im Mückendarm ebenso verdaut werden wie die Schizonten. Bei dem im Blute von Vögeln schmarotzenden Haemoproteus genügen diese beiderlei physikalischen Einflüsse, um die Reifung und Befruchtung herbeizuführen. (Hinsichtlich aller näheren Einzelheiten über diese Fragen muß hier auf Lüns 1906 verwiesen werden.) Erklärt SCHAUDINN doch sogar, daß die Infektion der Mücken mit Haemoproteus noctuae nur dann gelänge, wenn es auch auf dem Objektträger gelänge, in dem Blute des zum Infektionsversuch benutzten Vogels die Ent- wickelung der Geschlechtsformen bis zur Ausbildung des fertigen, zwischen den Blutkörperchen umherschwärmenden Ookineten zu verfolgen. Bei den Malariaparasiten des Menschen dagegen sind die Be- Protozoa. Max Lüne, 136 dingungen, die zu einem normalen Ablauf der Reifung und Befruchtung erfüllt sein müssen, anscheinend wesentlich komplizierter. Bei ihnen (und ebenso übrigens auch beim Proteosoma der Sperlinge) ist es noch nie gelungen, die Ookinetenbildung auf dem Objektträger zu ver- folgen. Ja, nicht einmal die Reifung der Gametocyten scheint bei ihnen unter den künstlichen Bedingungen, wie sie die Untersuchung des frisch entleerten Blutes auf dem Objektträger mit sich bringt, in völlig nor- maler Weise zu erfolgen, so daß ScHhaupınn (1902) bei seinen Unter- suchungen über diese Reifungsvorgänge das Blut nicht dem Malaria- kranken direkt entnahm, sondern statt dessen sich der Mücken als Ver- mittler bediente und erst deren Mageninhalt alsbald auf den Objekträger entleerte. Der bewegliche Ookinet der Malariaparasiten weist auf Beziehun- sen derselben zu den Flagellaten hin, denn nur bei Flagellaten kommen sonst noch ähnliche bewegliche Kopulaformen vor. Auch spe- ziell bei den Coccidien, mit denen die Malariaparasiten früher zusammen- gestellt wurden, ist die Copula stets bewegungslos und wird auch früh- zeitig von einer selbstgebildeten Oyste um- schlossen. Im übrigen sind direkte An- zeichen einer Verwandtschaft der Malaria- parasiten mit den Flagellaten kaum mehr vorhanden. ScHAaupınn (1904) wollte zwar bei Merozoiten und Sporozoiten noch Geißeln gefunden haben, indessen hat er nähere be- weisende Angaben hierüber nicht mehr machen können und von anderer Seite hat seine dies- bezügliche kurze vorläufige Mitteilung eine Bestätigung nicht erfahren. Wohl aber haben HARTMAnN und SERGENT noch eine deutlich Proteosoma praecox GR. & FEL. A Mero- Fig. 139. zoit mit Geißel.e B Makro- gametoeyt mit Hauptkern und Blepharoplast. 5 Blepharoplast, n Kern, p Pigment. © Mikro- gamet mit Kern, Blepharoplast und undulierender Membran. Nach HARTMANN 1910. entwickelte Geißel sowie eine charakteristische, an gewisse echte Flagellaten aus der HArrT- mAnNschen Ordnung Binucleata erinnernde Doppelkernigkeit bei Proteosoma gefunden (Fig. 139), einem Blutparasiten der Vögel, der den menschlichen Malariaparasiten außer- ordentlich nahe steht, so nahe, daß sogar schon die Berechtigung der Beibehaltung einer besonderen Gattung für ihn angezweifelt worden ist. Da auch noch weitere Zwischen- formen bekannt geworden sind (vgl. hierüber unten den Abschnitt über Haftorganellen), so kann füglich nicht daran gezweifelt werden, dal die Malariaparasiten von echten Flagellaten ab- stammen und sich aus diesen unter Rückbildung des Geißelapparates entwickelt haben. Der Ookinet, der im verdauenden Mitteldarm der Mücke aus den verschmolzenen Gameten entstanden ist, wandert alsbald in die Darmwandung ein. Er durchsetzt hierbei das Epithel und gelangt in die subepitheliale Tunica elastico-muscu- laris, in welcher er sich ansiedelt, um in ihr heranzuwachsen (Fig. 137, 19—25, sowie Fig. 140—142). Diese in der Darmwand der Mücke schmarotzenden Entwickelungsstadien des Malariaparasiten bezeichnen wir als Sporonten. Der Sporont und die ihn um- B. 4. Plasmodium vivax. 131 gebende vom Wirt gebildete Kapsel werden unter der gemeinsamen Bezeichnung Oocyste zusammengefaßt, während wir die Vermeh- rung des Sporonten als Sporogonie bezeichnen. Eine aktive Encystierung der Malariaparasiten innerhalb der Tunica elastico-muscularis nach Analogie der Encystierung bei anderen Proto- zoen und speziell auch der Coccidien, als deren nächste Verwandte die Fig. 140. Sporonten von Proteosoma am Magen von Stegomyia faseiata. A Ge- samtbild des Magens mit 9 Cysten des Parasiten. 10 Tage nach dem Saugakt. Vergr. 22:1. B Ein einzelner, nahezu reifer Sporont bei wesentlich stärkerer Vergrößerung, nach einem Totalpräparat, 14 Tage nach dem Saugakt. Man sieht im Inneren der Cyste die Sporozoiten sowie vier Restkörper und innerhalb dieser das Pigment durchschimmern. 1 Tunica elastieco-musceularis, 2 Epithelzelle des Mückendarmes. Vergr. 800:1. Nach NEUMANN 1909. Malariaparasiten eine Zeitlang betrachtet wurden, findet nicht statt. Die den Parasiten umgebende Kapsel (Fig. 140, 142) ist kein Produkt der Parasiten selbst, sondern nur ein integrierender Teil der Tunica elastico-muscularis des Stechmückendarms, deren strukturlose Beschaffen- heit freilich eine von dem Parasiten abgeschiedene Cyste vorzutäuschen vermag. Stets bleiben die Parasiten durch diese sie umschließende Kapsel an dem Darme des Anopheles fixiert. Es kann zwar bei ihrem weiteren Wachstum vorkommen, daß sie so weit aus der Darmwandung hervor- ragen, daß sie nur noch wie mit einem Stiele an dieser befestigt er- scheinen. Aber niemals kommt es zu einer völligen Loslösung. An- dererseits kann dagegen der Parasit trotz der Regel, daß er bei seinem Heranwachsen aus dem Niveau der benachbarten Darmwandung nach außen hervortritt, einen stärkeren Druck auf das Epithel ausüben und dessen Zellen nicht nur abflachen, sondern auch gegen das Darmlumen zu vorbuckeln (vgl. hierzu Fig. 142 A). 138 Protozoa Max Lüne, Die Zahl der Malariaparasiten, welche sich in einer einzigen Mücke entwickeln, kann eine sehr große sein. Grassı hat ihrer an einem ein- aort. ph. [02 D -9 4 Be A“ Perager Hi gl.sal. s.acc. s. prince. | 5 L.inf. l. sup. Fig. 141. Organisation einer weiblichen Mücke (Culex pipiens), im Sagittalschnitt, schematisch. a. An- tenne (nur die Grundglieder gezeichnet), aort. Aorta, c. Herz, col. Colon, gl.sal. linke Speicheldrüse, Ayp. Hypopharynx (Stechborste, in der Figur von der Oberlippe nicht scharf abgegrenzt und zusammen mit dieser sowie den nicht ge- zeichneten Ober- und Unterkiefern als Stechrüssel in die Haut eingesenkt), @. Ileum, l.inf. Unterlippe, l.sup. Oberlippe, oes. Oesophagus, ol. Olive (distales Ende der Unter- lippe, als Führung für den in die Haut eingesenkten eigentlichen Stechrüssel gegen deren Oberfläche gegengepreßt), p. Kiefertaster (beim Weibchen von Anopheles im Gegensatz zu dem des hier dargestellten Culex so lang wie der Stechrüssel), ph. Pharynx, prov. Vor- magen, rect. Rectum, s. acc. paarige dorso-laterale Blindsäcke des Saugmagens, s. prince. unpaarer ventraler Blindsack desselben, st. Mitteldarm (Magen), £.m. Malpighische Gefäße. Aus HARTMANN. zigen Anophelendarm über 500 beobachtet. In der Regel ist hierbei die Ansiedlung der Parasiten auf die hinteren beiden Drittel des er- Fig. 142. Querschnitt durch den Magen von Anopheles mit menschlichen Malariaparasiten. A Uebersichtsbild eines ganzen Querschnitts, B Teil eines solchen bei stärkerer Vergrößerung. 1 Parasit (Sporont), 2 Darmepithel, 3 Tunica elastica museu- laris des Darmes, 4 die von dieser gelieferte Hülle um den Parasiten. Nach GrassI 1900. B. 4. Plasmodium vivax. 139 weiterten, der Kürze wegen in der Malarialitteratur meist als Magen bezeichneten Abschnittes des Mitteldarmes beschränkt. Nach seiner Ansiedlung in der Tunica elastico-muscularis des Mückenmagens verkürzt und verdickt sich der Sporont etwas, wird zunächst spindelförmig und alsdann eiförmig (Fig. 137, 20). Bei den kleinsten, schon eiförmig gewordenen Parasiten fand GrAssI den größten Durchmesser 5 u, den kleinsten 4 m lang. Sie wachsen aber bald heran, wenngleich dieses Wachstum, dem die elastische von der Tunica elastico-muscularis gebildete Kapsel keinerlei Hindernis ent- gegenstellt, sehr ungleichmäßig erfolgt, so daß auf demselben Ent- wickelungsstadium stehende Sporonten sehr verschiedene Größe zeigen können. So schwankt z. B. der Durchmesser der ausgewach- senen reifen Oocysten zwischen 30 und 90 u, wenngleich er 60 4. nur selten überschreitet. Gleichzeitig mit dem Wachstum der Sporonten geht eine die Sporogonie einleitende Vermehrung der Kerne einher, indem der eine Kern des Ookineten durch vielfach wiederholte direkte Tei- lung in zahlreiche Tochterkerne zerfällt unter gleichzeitiger allmäh- licher Abnahme der Größe der einzelnen Kerne. Während dieser Kernvermehrung spielen sich nun auch charak- teristische, in ihren Einzelheiten freilich nur sehr schwer genau festzu- stellende Vorgänge im Protoplasma des Sporonten ab, die dazu führen, daß auf Durchschnitten jeder Kern von einer Zone verdichteten Protoplasmas umgeben, der ganze Sporont also in eine größere Anzahl einzelner Zellen zerfallen erscheint, ähnlich wie der Sporont der Cocei- dien in mehrere Sporoblasten zerfällt. Die Form dieser anscheinenden Zellen ist freilich eine sehr unregelmäßige und wechselnde, bald mehr rundliche, bald mehr polygonale oder gar balkenförmig gestreckte. Auch sind die einzelnen derartigen Protoplasmamassen nicht völlig voneinander gesondert, sondern sie stehen vielmehr durch brückenartige Verbin- dungen miteinander in Zusammenhang. Grassı bezeichnet deshalb auch diese kernhaltigen Protoplasmamassen zum Unterschiede von den regel- mäßig gestalteten und völlig voneinander gesonderten Sporoblasten der .Coceidien als „Sporoblastoiden“. Ihre Entstehung führte er darauf zurück, daß das Protoplasma an vielen, von den Kernen verhältnismäßig entfernt liegenden Stellen eine Verflüssigung erfahre. Hierdurch komme es zur Bildung mehr oder weniger komplizierter Lakunen oder Vakuolen, und diese seien es dann, die die Sonderung der „Sporoblastoiden“ zur Folge haben. Später hat Schaupınn (1904) aber die Ueberzeugung gewonnen, daß die fraglichen Bilder dadurch zustande kommen, daß der vorwiegend in einer (Längs-)Richtung wachsende Sporont sich innerhalb der an- nähernd kugeligen Kapsel stark aufknäuelt. Die „Sporoblastoiden“ würden also hiernach nur die Durchschnitte durch verschiedene Stellen eines durchaus einheitlichen Knäuels darstellen. Während die Kerne anfänglich im Inneren dieser von GRASSI als „Sporoblastoiden“ bezeichneten Protoplasmamassen lagen (Fig. 157, 27—23), rücken auf späteren Entwickelungsstadien die zahlreichen, durch die immer von neuem wiederholten Zweiteilungen entstandenen Tochterkerne an deren Oberfläche (Fig. 137, 24). Dort umgeben sie sich mit einem dünnen Protoplasmamantel, der sich durch seine hyaline Beschaffenheit von dem mehr körnigen Plasma im Inneren 140 Protozoa. Max Lüne, der „Sporoblastoiden“ unterscheidet. Derart entsteht an der Ober- fläche der „Sporoblastoiden“ eine große Zahl von kleinen Zellen, die sich im weiteren Verlaufe der Entwickelung stark in die Länge strecken und sich schließlich von den hierbei unverbraucht übrig bleibenden körnigen Protoplasmamassen (den Restkörpern, deren einer auch das hämatogene Pigment des ursprünglichen Makro- gametocyten enthält) als sogenannte Sporozoiten ablösen (Fig. 137, 25— 26). Diese Sporozoiten (Fig. 137, 7) sind langgestreckt spindel- förmig, mit einer Länge von 10—20 (im Mittel 14) u bei einer Dicke von nur 1—2 i. Ihr Plasma ist dicht, homogen, stark lichtbrechend. Die Zahl der Sporozoiten, die von einem Sporonten gebildet werden, ist eine sehr erhebliche, unterliegt aber noch größeren Schwan- kungen wie die bereits erwähnte Größe der reifen Sporonten. Nach Grassı beträgt sie bald nur etliche 100, bald über 10000. Die Dauer der Sporogonie ist abhängig von der Tempera- tur. Sie beträgt bei Plasmodium vivax bei 30° C ca. 8—9 Tage, ge- rechnet von der Blutaufnahme seitens des Anopheles; bei 24—25° C beträgt sie dagegen schon 10 bis 12 Tage und bei 18—20° © 18—19 Tage. Bei einer zwischen 15 und 17° C schwankenden Temperatur hat nur noch JAancsö einmal die Sporogonie beob- achtet, die indessen 53 Tage erforderte und nicht mehr als normal bezeichnet werden kann. Nicht nur war ein großer Teil der Sporonten bereits früher der Degeneration anheimgefallen, auch die reifen Cysten, welche am 53. Tage nach der Infektion der Mücken gefunden wurden, waren nicht völlig normal, die Speicheldrüsen waren nicht in- fiziertt und zu einer Ueber- tragung der Malaria waren die betreffenden Anophelen, wie Fig. 143. Eine der beiden Speichel- mehrere vergebliche Versuche drüsen von Anopheles. 1 Ausführungsgang, lehrten, nicht befähigt. In 2 mittlerer Drüsenschlauch, 3 paarige (dorsalerund ähnlicher Weise wie bei diesen ventraler) Drüsenschläuche. Nach GRAssI 1900. niedrigen Temperaturen wurde auch bei erhöhten Tempera- turen von 35—37° C nach Jancsö nicht nur die Sporogonie des Tertian- parasiten verlangsamt, sondern gleichzeitig erlitten die Parasiten eine degenerative Veränderung. Wenn der Sporont reif geworden ist, so platzt die ihn um- schließende Kapsel, vielleicht infolge eines Aufquellens der Restkörper, und durch die Oeffnung treten die Sporozoiten, die bereits innerhalb der reifen Oocyste Bewegungen ausführten, in die Leibeshöhle der Mücke aus, in der die Blutflüssigkeit zirkuliert (Fig. 137, 25—26). Mit dem Blutstrom gelangen sie in alle möglichen Organe, sammeln sich aber schließlich alle um die Speicheldrüsen der Mücke C. Der Kernapparat der Protozoen. 141 und dringen, offenbar durch aktive Bewegungen, in diese ein. Sie finden sich dann in dem Sekret der einzelnen Drüsenzellen und ge- langen mit diesem auch in den Hohlraum der Drüsengänge (Fig. 137, 27, sowie Fig. 144). Offenbar übt das Speicheldrüsensekret einen positiv chemotaktischen Einfluß auf sie aus (vgl. hierzu oben S. 109). Fig. 144. Teil eines Querschnittes durch den dorsalen Drüsenschlauch einer Speicheldrüse von Anopheles mit Sporozoiten eines menschlichen Malaria- parasiten. 1 Fettkörper in der Umgebung der Speicheldrüse, 2 innere Cuticula des Drüsen- ganges (als heller Ring er- scheinend, in dem von ihr um- schlossenen Lumen des Drüsen- ganges Speichelsekret mit quer- geschnittenen, als dunkle Punkte erscheinenden Sporozoiten), 3 Sporozoiten, 7 Sekret in den Drüsenzellen. Nach GRASSI 1900. Sticht nun ein Anopheles, dessen Speicheldrüsen Sporozoiten enthalten, einen Menschen, so gelangen mit dem hierbei entleerten Sekret der Speicheldrüsen auch Sporozoiten in das Blut des betref- fenden Menschen. Hier bohren sie sich dann in rote Blutkörperchen ein vermöge ihrer aktiven Bewegungen, die teils in seitlichen Krüm- mungen bestehen, namentlich des schärfer zugespitzten und stärker lichtbrechenden, offenbar von besonders dichtem Protoplasma gebil- deten Vorderendes, teils in peristaltischen Kontraktionen, bei denen ringförmige Einschnürungen unter starker Verkürzung des Sporozoiten vom Vorderende zum Hinterende verlaufen. In dem roten Blut- körperchen wachsen sie dann zum Schizonten heran und damit ist das Entwickelungsstadium, von dem wir bei unserer Betrachtung aus- gingen, wieder erreicht, der Entwickelungskreis des Malariaparasiten also geschlossen. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten bezüglich der Entwickelung der Malariaparasiten muß hier auf Ross (1905), Grassı (1901), SCHAUDINN (1902) und LüHE (1906) verwiesen werden. C. Der Kernapparat der Protozoen. Die frühere Annahme, daß die niedrigsten als Moneren be- zeichneten Protozoen kernlos seien, hat genaueren Untersuchungen nicht standgehalten. Soweit die fraglichen Formen mit modernen cytologischen Methoden untersucht wurden, ist auch bei ihnen ein Kern nachgewiesen worden, der somit offenbar allen Protozoen zu- kommt. Er liegt stets im Endoplasma. Nicht selten finden sich jedoch statt eines mehrere bis viele Kerne. Es ist dies wohl fast immer (in vielen Fällen nachgewiesener- maßen) die Folge einer fortgesetzten Teilung eines ursprünglich, beim 142 Protozoa.. Max Lüus, ganz jugendlichen Tier, in der Einzahl vorhanden gewesenen Kernes. In vielen Fällen ist sogar diese Kernvermehrung nur eine frühzeitige Vorbereitung zur Fortpflanzung. DieMastigophoren besitzen fast durchweg nur einen einzigen Kern, wenn wir von dem unten zu besprechenden Kerndimorphismus absehen. Nur einzelne früher zu den Trichonymphiden gerechnete Polymastiginen (Calonympha, Fig. 235, und Stephanonympha) haben zahlreiche kleine Kerne. Die Amoebozoen haben meist nur einen Kern. Ueber Ab- weichungen bei nackten Amöben vgl. S. 48. Von beschalten Formen hat z. B. Arcella stets zwei (soweit nicht noch mehr) Kerne. Zahl- reiche Kerne hat Trichosphaerium (Fig. 25). Von Foramini- feren hat Orbitolites sehr zahlreiche kleine Kerne. Unter den Heliozoen finden sich neben einkernigen Arten (z. B. Actinophrys) auch mehrkernige (Nuclearia, Gymnophrys) und vielkernige (Camptonema, Actinosphaerium, letzteres mit bis zu 200 und mehr Kernen). Unter den Radiolarien, wo der oder die bläschenförmigen Kerne stets im Innern der Zentralkapsel liegen, besitzen die Acantharien sowie die Polycyttarien mehrere bis viele Kerne. Bei den übrigen Radiolarien zeichnet sich der einheitliche Kern durch seine beträcht- liche Größe und seinen komplexen Bau (vgl. S. 86 u. 149) aus. Die Sporozoen sind sämtlich einkernig. Bei den polycysti- den Gregarinen, deren Körper durch eine ektoplasmatische Quer- scheidewand in einen vorderen Protomeriten und einen hinteren Deutomeriten geteilt ist, liegt der bläschenförmige Kern stets im letzteren (Fig. 52). Die Cnidosporidien sind meist mehr- bis vielkernig, doch finden sich unter den Microsporidien auch einkernige Formen. Unter den Infusorien zeichnet sich Opalina durch den Besitz von zwei bis vielen morphologisch und physiologisch gleichwertigen Kernen aus. In dieser Uebersicht ist noch keine Rücksicht genommen auf das Vorkommen mehrerer ungleichwertigerKerne, das für die -Infusorien und die Flagellatenordnung der Binucleaten charakteristisch, bei den Heliozoen umstritten, dagegen noch bei einzelnen anderen Sarcodinen (Paramoeba) sowie bei Nocti- luca nachgewiesen ist. Bei allen diesen Formen kommen aber, so verschieden ihre Kernverhältnisse sonst auch sind, einkernige Ent- wickelungszustände vor, aus denen die mehrkernigen erst durch Kernteilung hervorgehen. Die Infusorien besitzen in der Regel zwei verschieden große, cytologisch verschieden gebaute und physiologisch durchaus ungleich- wertige Kerne. Der größere, Großkern (Makronucleus), be- herrscht die Funktionen des Stoffwechsels und der Bewegung und geht bei der Konjugation zugrunde; der ihm dicht angeschmiegte winzige Kleinkern (Mikronucleus) spielt im Gegenteil bei der Konjugation die dominierende Rolle und erzeugt nach derselben durch Teilung wieder die beiden verschiedenartigen Kerne, versieht also generative und reproduktive Funktionen (näheres vgl. 8. 121—126 sowie unten in dem Abschnitte über die Befruchtung). C. Der Kernapparat der Protozoen. 143 Dieser für die Infusorien charakteristische Kerndimorphismus fehlt sicher nur der eben bereits ihrer Mehrkernigkeit wegen erwähnten Opalina, sowie anscheinend der einkernigen Maupasia, die von ihrem Entdecker SchewIArorr (1893) wegen des Besitzes von Geißeln neben Wimpern allen anderen Infusorien gegenübergestellt wird. Einige andere, anscheinend noch verhältnismäßig ursprüngliche In- fusorien (Trachelocerca phoenicopterus nach Lesenew 1908, Loxodes rostrum nach Joseprk 1907, Dileptus anser nach Dor- LEIN) besitzen während ihres vegetativen Lebens zahlreiche kleine bläs- chenförmige, anscheinend gleichwertige Kerne. Bei der Vorbereitung zur Konjugation aber bilden sich Verschiedenheiten zwischen den Kernen aus, die zur Entstehung besonderer Mikronuclei (Geschlechts- kerne) führen, wie sie die überwiegende Mehrzahl der Infusorien dauernd auch während des vegetativen Lebens besitzt. Auch Ichthyphthirius scheint im erwachsenen Zustande keinen Mikronucleus zu besitzen; bei jungen Exemplaren ist jedoch ein Kern- dimorphismus leicht erkennbar, der freilich von dem der anderen In- fusorien nicht unwesentlich abweicht, insofern der als Mikronucleus auf- gefaßte Kern verhältnismäßig groß, bläschenförmig ist, alveoläre Struk- tur zeigt undnach NERESHEIMER (1908) durch einen eigenartigen Knospungs- vorgang aus dem Hauptkern entsteht. Der Makronucleus vieler Ciliaten, namentlich der meisten kleineren Arten ist gleich dem Kern anderer Protozoen kugelig, ovoid oder ellipsoid. Bei anderen, vornehmlich den größeren Arten finden wir dagegen sehr abweichende Formen. Er kann sich wurstförmig in die Länge strecken und dabei hufeisenförmig auf sich selbst zurückkrümmen (z. B. Didinium, Euplotes, Urocentrum, Ichthyophthirius und viele Peritricha: Vorticella, Carchesium [Fig. 63], Zoo- thamnium, Epistylis, Campanella [Fig. 255], Opercularia, Lagenophrys) oder auch lang bandförmig werden und dabei Biegungen und Windungen bilden (z.B. Trichodina, Ophrydium, Cothurnia und manche Heterotricha: Plagiotoma, Bursaria, Climaco- stomum). Der bandförmige Kern kann in regelmäßigen Abständen Ein- schnürungen darbieten und dadurch perlschnur- oder rosenkranzförmig werden, um nur bei der Vorbereitung zur Teilung sich mehr zu konzen- trieren (z. B. die Heterotricha: Condylostoma, Stentor [Fig.62], Spirostoma). Unter den Astomata haben Intoshellina (Fig. 296), und die Anoplophryiden (Fig. 274—276) in der Regel einen bandförmigen Kern, der bei Anoplophrya alluri und striata unregelmäßige Verdickungen aufweist, die sich bei Rhizo- caryum zu wurzelartigen Ausläufern verlängern; hiervon ableitbar er- scheint der Kern von Foettingeria und Opalinopsis, der infolge sehr starker Längsstreckung, Verzweigung und Anastomosenbildung die Form eines unregelmäßigen Netzwerkes gewinnt. Bei den Hypotrichen zerfällt der Makronucleus gewöhnlich in zwei, selten mehr, ellipsoidische Stücke, die aber miteinander durch dünne Verbindungsstränge ver- bunden sind (Fig. 302). Einige marine Infusorien endlich haben zahl- reiche gesonderte Makronuclei, z. B. Holophrya oblonga (diese im Gegensatz zu der Süß- und Brackwasserart Holophrya discolor), Holosticha multinucleata, Uroleptus, Epiclintes — ganz abgesehen von den schon erwähnten vielkernigen Formen ohne dauernd persistierende Mikronuclei. 144 ... Protozoa. Max Lüne, Der Mikronucleus ist dort, wo der Großkern gedrungene Form hat, meist in der Einzahl vorhanden. Wo aber der Großkern lang- gestreckt, band- oder perlschnurförmig ist, finden sich häufig mehrere bis viele Mikronuclei, auf die ganze Länge des Makronucleus verteilt (z.B. Condylostoma, Bursaria, Stentor, [Fig. 62], Spirostoma). Bei den Hypotrichen liegt jedem Stück des Großkerns ein Klein- kern an (z.B. Stylonychia, Fig. 302) und bei Loxodes und Trache- locerca bilden sich entsprechend den zahlreichen Hauptkernen auch zahlreiche Mikronuclei. Bei den Suctoria wiederholen sich ähnliche Verhältnisse wie bei den Ciliaten. Der Großkern ist meist gedrungen (kugelig, eiförmig, spindelförmig, wurstförmig, sichelförmig oder hufeisenförmig), kann aber auch band- oder strangförmig werden (z. B. Tocophrya elongata, Acineta linguifera und tuberosa, Ophryodendron belgi- SENT WW: 2 We h; N & wie en IS u "we: AN’, MAI Y/ ri == 7. 7 eh ex I ch W E% EN\/E > WaW; sg Ag Y Wi EA Da Y 5 F ie: UP IR TAN rd & A / 4: er a: " g R Fig. 145. Dendrosoma radians EHRB. Ueppig entwickeltes, reich verästeltes Exemplar. Höhe bis 2,4 mm. 7 Eine andere, auf Dendrosoma lebende Acinetenart, Urnula epistylidis CL. & L., 2 aufrechte verzweigte Stämmehen von Dendrosoma, 3 bandförmiger, allen Verzweigungen folgender Kern (nur in der rechten Hälfte der Figur schematisch eingezeichnet), 7 kontraktile Vakuolen, 5 Unterlage (Oberfläche einer Wasser- pflanze), 6 dieser Unterlage sich anschmiegende Aeste (Stolonen), 7 Knospen des Dendro- soma. Nach S. KEnt 1880—1882, von LANG etwas verändert. . C. Der Kernapparat der Protozoen. 145 cum) oder, besonders bei zunehmendem Alter, sich verästeln (Arten der Gattungen Ephelota, Ophryodendron, Trichophrya). Bei Tocophrya striata gehen von einer zentralen Partie des Makro- nucleus nach allen Richtungen Zweige ab, die sich selbst wieder ver- ästeln können. Bei Dendrosoma (Fig. 145), dessen Zweige selbst vielfache Aeste bilden, erstreckt sich der bandförmige Großkern, indem er sich ebenfalls verzweigt, in sämtliche Aeste hinein. Der Mikronucleus ist bei den Suctorien wahrscheinlich ebenso allgemein verbreitet wie bei den Ciliaten, aber nur bei einem verhältnis- mäßig kleinen Teil der Arten nachgewiesen. Meist wird angegeben, er sei nur in Einzahl vorhanden; Dendrocometes paradoxus besitzt aber neben einem einfachen ovalen Großkern 2—5 (meist 3) Mikronuclei und bei Dendrosoma sind zahlreiche Kleinkerne vorhanden. Ganz anderer Art wie bei den Infusorien ist die Doppelkernig- keit bei Binucleaten, Heliozoen (?), Paramoeba und Noctiluca. Für deren Verständnis ist es aber nötig, zuvor die Konstitution des Protozoenkernes, wie sie uns bei seiner Teilung enthüllt wird, zu betrachten. Die Kernteilung der Protozoen ist im Laufe der letzten Jahre von verschiedenen Forschern in sehr minutiöser Weise untersucht worden und diese Untersuchungen haben es ermöglicht, daß HARTMANN (1911) den Versuch wagen konnte, die überaus mannig- faltigen Vermehrungsweisen der Protozoenkerne, die noch vor kurzem ein geradezu kaleidoskopisches Bild boten, zu einem gesetzmäßigen Ganzen aneinander zu fügen. HARTMANN unterscheidet: 1. Echte Karyosomkerne (bei Amöben, Flagellaten u. a. weit verbreitet. Im einfachsten Falle, der durch die Amöben vom Typus der A. limax repräsentiert wird, sind das ganze Chromatin und Plastin in einer fast homogen erscheinenden Kugel (dem Karyosom) vereinigt, die nur durch eine helle Kernsaftzone von dem umgebenden Plasma getrennt ist; Kernmembran und Liningerüst fehlen (Fig. 146, I, a). Genauere Untersuchung zeigt aber im Karyosom noch ein zentrales Korn, das Centriol. An der Peripherie des Karyosoms können kleine chro- matische Körnchen auftreten, die in die Kernsaftzone übertreten, um dort entweder zu verschwinden oder als sogenannte Chromidien in das Plasma weiterzuwandern (Ausdruck zyklischer Veränderungen am Karyosom). Bei der Teilung teilt sich zuerst das Centriol, dessen Teile zunächst noch durch eine Fibrille (Oentrodesmose) verbunden bleiben (b). Dann folgt die Teilung des Karyosoms, wobei dessen chromatische Ele- mente sich größtenteils als Polkappen an den Polen einer ellipsoiden achromatischen Zentralspindel ansammeln, zwischen denen sich in der Mitte eine feine chromatische Aequatorialplatte bildet (ce). Diese spaltet sich in 2 Tochterplatten (d), worauf die Durchschnürung des ganzen Kernes und die Regeneration der beiden Tochterkerne folgt. Bei Be- schleunigung der Teilung (experimentell durch höhere Temperatur zu erzielen) entstehen infolge Undeutlichwerdens der Einzelheiten meist ein- fache, nur scheinbar amitotische Durchschnürungsbilder (e, f). Harr- MANN betrachtet von den angeführten Elementen des Kernes die Chromo- somenplatte als idiogenerative Komponente, Zentralspindel, Pol- kappen und Centriol zusammen als lokomotorisch-generative Komponente. Die geschilderte Art der Teilung des Kernes, die keine völlig direkte ist und doch noch wesentlich einfacher verläuft als die Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I, 10 146 Protozoa. Max Lüne, Mitose der Metazoenkerne, bezeichnet Hartmann im Anschluß an Cnarron (1910) als Promitose. Komplikationen dieses einfachsten Typs finden sich bei Karyosom- kernen nach der Richtung, daß eine Kernmembran auftritt (z. B. bei Spongomonas uvella, Fig. 146, II, bei der die chromatischen Pol- Fig. 146. Echte Karyosomkerne (aus HARTMANN 1911). I Karyosomkern ohne Kernmembran und ohne Liningerüst von Amoeba (Vahlkampfia) limax (nach NÄGLER 1909): a—d gewöhnliche, e—f abgekürzte Kernteilung. II Karyosomkern mit Kernmembran von Spongomonas uvella (nach HARTMANN & CHAGAS 1910). III Karyo- somkern mit Kernmembran und Liningerüst von Entamoeba tetragena (nach HART-- MANN 1908): a—d zyklische Veränderungen am Karyosom, e—f Kernteilung. IV Karyo- somkern mit stark entwickeltem „Außenkern“ von Chlamydophrys stercorea (nach SCHAUDINNs Nachlaß). Weitere Erklärungen siehe im Text. kappen fehlen, die achromatische Spindel dagegen besonders deutlich ist), auch können Chromatinkörnchen in der Kernsaftzone liegen und es kann ein Liningerüst auftreten. Bei Entamoeba tetragena (Fig. 146, IIT) ist dieses Liningerüst sehr gut ausgebildet und sind die C. Der Kernapparat der Protozoen. 147 zyklischen Veränderungen am Karyosom besonders stark ausgeprägt, so daß bei dem zentrifugalen Abbau des Karyosoms durch Abwanderung von Chromatinkörnchen in das Liningerüst (III, b, e) mitunter fast nur N a db c e Fig. 147. Pseudokaryosomkerne und deren Ableitung (aus HARTMANN 1911). I Echter Karysomkern von Eimeria schubergi (nach SCHAUDINN 1900). II Pseudo- karysomkern mit Nucleocentrosom (Centriol) von Adelea zonula (nach MOROFF 1906). III Abtrennung des Centriols vom ursprünglich echten Karyosom (a—c) und Kernteilung von Haemogregarina lutzi (nach HARTMANN und CHAGAS 1910). von Myxobolus pfeifferi (nach KeysseLıtz 1908). Ophryocystis (nach LEGER). IV Desgleichen V Pseudokaryosomkern von 10* 148 Protozoa. Max Lüne, das Centriol übrig bleibt (d), ähnlich wie dies für gewisse Metazoen- Centrosome bekannt geworden ist. Bei manchen Amöbinen sowie bei fast allen Euglenoideen endlich findet sich ein Karyosomkern, bei dem das Karyosom von reichlichem in der Kernsaftzone zerstreutem Ohromatin (Außenkern) umgeben ist und dieses Chromatin allein die Aequatorial- platte liefert (Fig. 146, IV’), d. h. nach Harrmann die ganze generative Komponente bildet, während das Karyosom nur noch die lokomotorische Komponente darstellt. — Cnarron (1910) bezeichnet eine Kernteilung, bei der wie bei Entamoeba tetragena und Chlamydophrys stercorea eine Fig. 148. Massige Kerne und deren Ableitung (aus HARTMANN 1911). I Kerne von Entamoeba testudinis mit verschiedenen Stadien zyklischer Verände- rungen am Karyosom, wodurch zeitweise (a) Karyosom und Centriol kaum erkennbar sind (nach HARTMANN 1910). IT Kern und Kemteilung von Gymnodinium fucorum mit Karyosom und Centriol (nach JoLLos 1910). III Desgleichen von Ceratium: a ruhender Kern mit Nukleolen ohne erkennbares Centriol, b—c Kernteilungsstadien mit Centrodesmosen (nach JOLLoS 1910). C. Der Kernapparat der Protozoen. 149 deutliche Spindel innerhalb einer Kernmembran gebildet wird, im Gegen- satz einerseits zur einfacheren Promitose der Limaxamöben und andererseits zur „Metamitose“, bei der die Kernmembran aufgelöst wird, als Mesomitose. 2. Die Pseudokaryosomkerne (Fig. 147) sind ebenso wie die Karyosomkerne bläschenförmig und auch bei ihnen findet sich ein größerer chromatischer Binnenkörper. Dieser hat jedoch nur vegetative (trophische) Funktionen und ist also kein echtes Karyosom mehr, da für dieses die lokomotorisch-generativen Funktionen wesentlich sind. Wohl kann im jugendlichen Pseudokaryosomkern noch ein typisches Karyosom vorhanden sein, aber dieses „teilt sich heteropol und schnürt so ein kleines Korn ab, welches sich nun seinerseits teilt und die Rolle des Centriols bei der Mitose übernimmt, während der Rest des Karyosoms als somatischer Nucleolus eliminiert wird“ (vgl. namentlich Fig. 147, III und IV). Bei der Kernteilung kann es schon zum Bilde einer voll- kommenen Mitose kommen, wie wir sie von den Metazoen kennen; aber im wesentlichen Gegensatz zu den Metazoen spielt sich das ganze Bild ausschließlich innerhalb des Kernes ab, ohne daß Plasma zur Spindel- bildung mit hineingezogen wird (vgl. Fig. 147, IV, e). 3. Ganz anders gestaltet sind die massigen Kerne, verhältnis- mälig große Kerne, in denen ein größerer Binnenkörper nicht hervor- tritt, die vielmehr mehr oder weniger gleichmäßig strukturiert sind, mit dicht zusammengedrängtem Chromatin. Sie finden sich vor allem bei der Mehrzahl der Dinoflagellaten und Infusorien. HArTMmAnn leitet sie von dem Karyosomkern ab durch Vermittelung von Kernen mit stark ausgeprägten zyklischen Veränderungen am Karyosom (Fig. 148). 4. Allen bisher erwähnten „monoenergiden“ Kernen stellt HArrTmAnNn die komplizierter gebauten Kerne der Radiolarien und Tricho- nymphiden sowie einzelner Heliozoen (Wagnerella) und Coceidien ® a „.. ®®, = Fig. 149. Bildung polyenergider Kerne bei Wagnerella borealis. Nach ZÜLZER 1909 aus HARTMANN 1911. (Adelea) als „polyenergide Kerne“ gegenüber. Als Typus für ein solches Polykaryon mag hier Wagnerella dienen. „Hier teilt sich im Innern des Primärkernes das mit einem deutlichen Centriol aus- gestattete Karyosom fortgesetzt durch Zweiteilung und so entstehen Kerne mit einer großen Anzahl von Karyosomen, die infolge ungleichen Wachstums ganz verschiedene Größe aufweisen können (Fig. 149, a—d). 150 Protozoa. Max Lüne, Bei den verschiedenen Vermehrungsarten der Heliozoe zerfällt entweder das ganze Polykaryon oder es treten nur einzelne Sekundärkerne durch Knospung aus ihm heraus.“ Alle multiplen Kernteilungen bei Protozoen faßt Hartmann als einen derartigen Zerfall polyenergider Primärkerne in monoenergide Sekundärkerne, die mitotische Figur bei der Zweitei- lung von Aulacantha (Fig. 104 und 105) als „gleichzeitige parallele Teilung der Sekundärkerne (Öhromosomen) eines Polykaryons unter dem Bilde einer Mitose“ auf. Auf wejtere cytologische Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden. Es muß jedoch erwähnt werden, daß Harrmanns Auffassung der Protozoenkerne noch keineswegs unbestritten ist. Sie wird aber zweifellos in vielen Protozoenarbeiten der nächsten Zeit eine wichtige Rolle spielen und damit auch die Feuerprobe auf ihre fernere Berech- tigung zu bestehen haben. Im Anschluß an diese Besprechung der verschiedenen Kern- formen sei noch angeführt, daß jeder stark funktionierende Kern unter Umständen Chromatinkörnchen in mehr oder weniger großer Menge an das Plasma abgeben kann. Solche in das Plasma ausge- tretene Chromatinkörnchen bezeichnet man mit R. HERTWwIG als Chromidien. Nunmehr können wir die funktionelle Doppelkernigkeit bei Binucleaten, Heliozoen (?), Paramoeba und Noctiluca betrachten. 1. Bei den Trypanosomen findet sich neben dem Hauptkern noch ein chromatisches Gebilde, welches mit dem Randfaden der undulieren- den Membran in Verbindung steht, der Blepharoplast oder Kineto- nucleus. Nach den Feststellungen von ScHaupDınx (1904) und Pro- wAzEr (1905) entsteht er nach der Befruchtung aus dem ursprünglich einheitlichen Kern durch heteropole Teilung (Fig. 150, I,a). Sowohl Hauptkern wie Blepharoplast sind typische Karyosomkerne im Sinne HARrRTMAnNs; beide teilen sich nach RosenguschH (1909) durch eine ähn- liche Promitose wie die Limax-Amöben und die primitiven Flagellaten (Fig. 150, I, d und e). Der Hauptkern ist deutlich bläschenförmig, beim Blepharoplast sind dagegen nur selten Spuren eines Außenkernes zu beobachten. „Beide Kerne, der Hauptkern wie der Kinetonucleus, sind vollwertige Kerne, welche die beiden Komponenten, die lokomo- torisch-generative und die idio-generative, besitzen. Beide können auch peripher chromatisches Material an den Außenkern und schließlich in Form von Chromidien an das Plasma abgeben. Doch besteht insofern ein Unterschied zwischen ihnen, als beim Hauptkern die trophische Komponente stärker ausgebildet ist im Gegensatz zu der lokomotorischen, beim Kinetonucleus umgekehrt. Das kann so weit gehen, daß letzterer, z. B. bei Trypanosoma rotatorium nach FrancAa und Arhıas, die Rolle der lokomotorischen Komponente für den Hauptkern übernimmt, indem er als Centrosom die Pole der Hauptkernspindel einnimmt. Immer aber ist der Hauptkern noch omnipotent, da er nach Verlust des Ble- pharoplasten stets wieder einen neuen bilden kann. Dagegen scheint der Kinetonucleus für sich allein nicht imstande zu sein, das Zellleben dauernd zu erhalten. Denn hauptkernlose Formen, die bei manchen Trypanosomenarten häufig beobachtet werden, und die man, wie Pro- WAZEK (1908) in einem interessanten Versuch gezeigt hat, auch experi- mentell erzeugen kann, leben zwar noch eine Zeitlang, ja sie vermögen C. Der Kernapparat der Protozoen. 151 sich sogar noch zu teilen, was bei dem Ueberwiegen der lokomotorischen Komponente verständlich erscheint; nach ein oder zwei Teilungen sterben sie jedoch regelmäßig ab“ (Harrmann 1911). Ein analoger Kerndimor- phismus findet sich bei fast allen eben deshalb von Harrmann als Binucleaten zusammengefaßten Flagellaten (darunter die überwie- gende Mehrzahl der Blutparasiten), sehr deutlich z. B. auch bei den geißellosen Babesien. Nur bei den Malariaparasiten des Menschen fehlt er, ist dafür aber von Harrmann bei dem diesen so nahe stehen- den Proteosoma der Vögel nachgewiesen worden (vgl. Fig. 139). PRINN % TEE TAN N: |, Mretbenringenn Fig. 150. Doppelkernige Protozoen (aus HARTMANN 1911). I Haemoproteus noctuae. a—c Bildung des Blepharoplasten und der Geißel durch heteropole Kern- teilungen, d mitotische Teilung des Blepharoplasten bei Beginn der Vermehrung durch Zweiteilung, e etwas späteres Teilungsstadium mit mitotischer Teilung des Hauptkernes (nach verschiedenen Autoren kombiniert). II Acanthocystis aculeata (a—b zeigen nur den Kern, c—e den Kernapparat mit umgebendem Protoplasma). a«—e Bildung des Zentralkornes (lokomotorischen Kernes?) durch heteropole Karyosomteilung, d—e Entstehung der Mitose durch Zusammenwirken beider Kerne (nach SCHAUDINN 1896). III Par- amoeba eilhardi. Hauptkern und sog. Nebenkern, die sich im Amöbenstadium ge- sondert teilen, während sie im Flagellatenstadium durch Zusammenwirken (b—d) eine einzige Mitosefigur bilden (nach SCHAUDINN 1894). 152 Protozoa. Max Lüne, 2. Bei Heliozoen findet sich sehr häufig ein sogenanntes Zen- tralkorn in der Mitte des Körpers, von dem die elastischen Fibrillen der Axopodien ausstrahlen (vgl. die Abschnitte über Stütz- und Schutz- organellen und über Bewegungsorganellen), als ein im Leben ziemlich stark lichtbrechendes Körperchen, das sich durch verschiedene Kern- färbemittel stark färben läßt. Bei den betreffenden Heliozoenformen (nur Gymnophrys ist unter ihnen mehrkernig) liegt der Kern exzen- trisch. Die Entstehung des Zentralkorns und sein Verhalten bei der Teilung sind am besten von Acanthocystis aculeata bekannt). Nach ScHhaupınn (1896) entsteht es aus dem Kern — und zwar nach Kevsseuitz (1908) speziell aus dem Karyosom des Kernes — durch heteropole Teilung, entsprechend also dem Blepharoplast der Trypano- somen (Fig. 150, II, a—c). Im Vergleich zu diesem aber „scheint hier die trophisch-generative Komponente vollkommen rückgebildet, denn bei der Zweiteilung von Acanthocystis bildet das Zentralkorn eine Zentralspindel ohne Aequatorialplatten, in die nachträglich der Haupt- kern einrückt und die Chromosomenplatte liefert, ganz nach dem Muster der Metazoenmitose (Fig. 150, II, d und e)“ ?). „Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei Paramoeba eilhardi, die Scuaupinn (1894) schon früher beschrieben hat. Hier teilen sich im Amöbenstadium beide Kerne wie bei Trypanosomen selbständig mitotisch resp. promitotisch, während im Flagellatenzustand der sogenannte Neben- körper, das ist der überwiegend lokomotorische Kern, eine Zentral- spindel bildet, in die der andere Kern hineinrückt, so daß hier wie bei den Acanthocystiden die lokomotorisch e Komponente und die idio- chromatische einer scheinbar einheitlichen Mitosenfigur von zwei ge- trennten Kernen abstammen (Fig. 150, III, a—d; vgl. auch Fig. 95). Auch die sogenannte Sphäre von Noctiluca sowie die Centrosome der Diatomeen, die LAUTERBORN beschrieben hat, sind derartige einseitig lokomotorisch differenzierte Kerne“ (Harrmann 1911). Die physiologische Bedeutung des Kernes für das Leben der Protozoen ist bereits in den monographischen Besprechungen von Amoeba und Paramaecium behandelt worden (vgl. S. 65f. u. 117). Die Beziehungen des Kernes der Flagellaten zum Geißelapparat werden in dem Abschnitt über Bewegungsorganellen zur Erörterung kommen. Hier sei deshalb nur noch einmal die Wichtigkeit des Massenverhältnisses von Kern und Protoplasma (Kernplasma- relation R. Hrrtwıscs) für den normalen Ablauf der Lebensvor- gänge betont. Dieses Verhältnis ist nicht dauernd dasselbe; es schwankt innerhalb gewisser Grenzen und erfährt während bestimmter Entwickelungsvorgänge bestimmte Veränderungen, während größere Abweichungen von der Norm zu degenerativen Zuständen und unter Um- ständen zum Tode führen. Die Kernplasmarelation ist nach HERTWIG „ein gesetzmäßig regulierter Faktor, dessen Größe für alle vom Kern be- einflußten Lebensvorgänge der Zelle, für Assimilation und organisierende Tätigkeit, für Wachstum und Teilung, von fundamentaler Bedeutung ist“. Hinsichtlich aller Einzelheiten kann auch hierfür wieder auf die Besprechung von Paramaecium verwiesen werden (vgl. S. 119£.). 1) Bei Wagnerella sind die Beziehungen des Zentralkorns zur Teilung des Kernes nach ZÜLZER weniger eng wie bei Acanthoeystis. 2) Die von HARTMANN angenommene Kernnatur des Zentralkerns und damit auch die Doppelkernigkeit der Heliozoen wird von anderer Seite nicht ohne Grund ganz ent- schieden bestritten. Vgl. namentlich JANIcKI 1912. D. Uebersicht der plasmat. Organellen. I. Stütz- u. Schutzorganellen. 153 D. Vergleichende Uebersicht der verschiedenen plasmatischen Organellen der Protozoenzelle. Die Organellen der Protozoen, welche schon auf S. 44 im all- gemeinen kurz charakterisiert wurden und mit den Organen der Metazoen trotz vielfacher physiologischer Vergleichspunkte morpho- logisch völlig unvergleichbar sind, sind außerordentlich mannigfaltig und auch unter sich morphologisch ungleichwertig. Auch die vorstehend bereits besprochenen Kerne und Üentro- somen sind ÖOrganellen. Sie nehmen aber im Verein mit den in pflanzlichen Organismen weit verbreiteten, bei Protozoen jedoch nur selten vorkommenden Chromatophoren insofern eine Sonderstellung ein, als sie hinsichtlich ihrer Entstehung auf sich selbst angewiesen sind, d. h. nur durch Vermehrung (Teilung) schon vorhandener neu- gebildet werden können. Wir können sie deshalb mit BürscHLı als autonome ÖOrganellen allen anderen (plasmatischen) Organellen gegenüberstellen, die Erzeugnisse des Protoplasmas sind und bei der Vermehrung der Protozoen (sowie auch eventuell nach Verlust oder Rückbildung) neu hervorgebracht werden. Auch diese plasmatischen Organellen sind jedoch morphologisch- genetisch noch wieder sehr verschiedenwertig. Vor allem lassen sich unter ihnen 2 Hauptkategorien unterscheiden, die euplasmatischen und die alloplasmatischen Organellen BÜTScHLIs. Euplasmatische Organellen sind solche, die von etwas ver- ändertem, in besonderer Weise modifiziertem Plasma gebildet und an der Hervorbringung der Lebenserscheinungen aktiv beteiligt sind, also vor allem alle bei der Bewegung, der Nahrungsaufnahme und dem Stoffwechsel wirksamen ÖOrganellen, aber auch manche Öber- flächenstrukturen u. a. Alloplasmatische Organellen sind dagegen solche, die, durch Abscheidung aus dem Plasma entstanden, nicht eigentlich als lebendig betrachtet werden können, so groß im übrigen ihre physio- logische Bedeutung auch sein mag, also vor allem die so mannig- faltigen Schalen, Skelette, Cystenhüllen u. dgl. Im einzelnen kann die Entscheidung der Frage, ob eine Orga- nelle euplasmatisch oder alloplasmatisch ist, oft genug erhebliche Schwierigkeiten bieten, zumal unsere Kenntnis über die Herkunft und Entstehung mancher Organellen noch wenig sicher ist. Noch weniger aber ist zurzeit eine weiter ins einzelne gehende Gruppie- rung der Organellen auf morphologisch-genetischer Grundlage durch- führbar. In der folgenden Besprechung der verschiedenen plasma- tischen Organellen der Protozoen ist deshalb eine physiologische Ein- teilung befolgt worden. I. Stütz- und Schutzorganellen. Bildungen, die als formgebende oder formbestimmende Stützen für den Körper und als Schutzvorrichtungen gegen äußere Einflüsse dienen, sind bei den Protozoen in mannigfachster Form ausgebildet. In den meisten Fällen lassen sich hierbei die stützende und schützende Funktion ebensowenig von einander trennen, wie dies bei den Skelett- bildungen der höheren Tiere (z. B. Echinodermen, Arthropoden, 154 Protozoa. Max Lünz, Rumpfskelett der Wirbeltiere) der Fall ist. Eine Ausnahme hiervon bilden die elastischen Fibrillen, die offenbar nur stützende, und die Nematocysten von Campanella, die wohl nur schützende Bedeu- tung haben. Die in Rede stehenden Organellen sind einander durchaus un- gleichwertig, was sich vor allem darin äußert, daß sie zum Teil oberflächlich, zum Teil im Innern des Körpers liegen und wieder in beiden Fällen ein Teil (Ektoplasma, elastische Fibrillen) euplasma- tischer, ein anderer (Hüllen, Gehäuse, Schalen, Skelettbildungen) alloplasmatischer Natur ist. Als alloplasmatische Schutz- (und zum Teil auch Stütz-) Organellen sind wohl auch die Trichiten (wenigstens zum Teil), Trichocysten und echten Nematocysten aufzufassen. 1. Ektoplasma, Periplast, Pellieula. Bei den meisten Protozoen finden wir die oberflächlichste Proto- plasmaschicht anders strukturiert wie die von ihr umschlossene Haupt- masse des Plasmas. ; Die einfachsten Verhältnisse bieten die Amöbinen, bei denen die äußerste als Ektoplasma bezeichnete Plasmaschicht sich durch hyaline Struktur und größere Widerstandsfähigkeit von dem körnigen, dünnflüssigeren Innenplasma (Endoplasma) unterscheidet. Näheres hierüber und über die bei verschiedenen Amöben verschiedenartige Ausbildung des Ektoplasmas ist bereits auf S. 45f. mitgeteilt worden und aus dem dort Gesagten folgt ohne weiteres, daß wir das Ekto- plasma als eine freilich sehr unvollkommene Stütz- und Schutzein- richtung zu betrachten haben. Bei den beschalten Amöbinen (Difflugia, Arcella u. a.) bietet das Ektoplasma ganz analoge Verhältnisse dar, wie bei den nackten Amöben, findet sich aber deutlich entwickelt nur an den aus der Schale hervortretenden, direkt an das umgebende Medium grenzenden Teilen, vor allem also den nur oder fast nur aus Ektoplasma gebildeten Pseudo- podien. Den Foraminiferen und Radiolarien fehlt die Differen- zierung eines Ektoplasmas. Daß überhaupt die anderen osmotischen Ver- hältnisse im Meere auf die Ausbildung des Ektoplasmas von Einfluß sind, beweist die Rückbildung des Ektoplasmas bei Süßwasseramöben, die an das Leben im Meerwasser gewöhnt werden (vgl. S. 45). Sehr eigenartig sind die Verhältnisse bei den Heliozoen (vgl. Fig. 42). Hier ist meist das die zentrale Markmasse bildende Plasma hyalin, ohne Vakuolen und andere Einschlüsse oder doch ärmer an Vakuolen, wie die sehr stark entwickelte Rindenschicht, die bei manchen Formen so stark von Vakuolen durchsetzt ist, daß sie ein fast schaumiges Aussehen gewinnt (nicht zu verwechseln mit der wabig-schaumigen Mikro- struktur des Protoplasmas!). Die Nahrung dringt (mit einziger Aus- nahme von Actinosphaerium) nur in die Rindenschicht, nicht in die Markmasse ein. Da bei allen Protozoen mit typischem Ektoplasma dieses nur eine vergleichsweise dünne Hüllschicht von dichterer Struktur bildet und die Verdauung der aufgenommenen Nahrung ausschließlich im Endoplasma erfolgt, sind Rinden- und Markplasma der Heliozoen dem Ekto- und Endoplasma anderer Protozoen nicht vergleichbar, wohl aber dem extra- und intrakapsulären Plasma der Radiolarien (vgl. S. 74f.), deren schärfere Scheidung durch die zwischen ihnen ein- D.I. 1. Ektoplasma, Periplast, Pellicula. 155 geschaltete Kapselmembran als eine Weiterentwickelung der bei den Heliozoen angebahnten Differenzierung aufgefaßt werden kann. Unter den Flagellaten haben die niedersten, amöboid be- weglichen Formen (Rhizomastiginen, viele Protomastiginen) ein nur wenig differenziertes Ektoplasma, das durchaus dem der Amöben entspricht (Fig. 2). Jemehr aber die amöboide Beweglichkeit der metabolischen Platz macht und je geringer dann weiter auch die Fähigkeit zur Metabolie wird (vgl. den Abschnitt über die Bewegungs- organellen,, um so derber wird die oberflächliche Plasmaschicht, die hier meist als Periplast bezeichnet wird und die die relative Form- beständigkeit der höher organisierten Flagellaten bedingt. Die größte Festigkeit erreicht der alle etwa auftretenden Form- veränderungen des Körpers mitmachende Periplast bei den Eugleno- ideen, bei denen er in Form einer deutlichen Membran (Pellicula) ausgebildet ist und meist eine zarte, spiralig streifige Oberflächenskulptur erkennen läft; unter ihm kann dann auch noch eine besonders differen- zierte, hellere Plasmaschicht liegen, die gleich ihm selbst dem Ekto- plasma zuzurechnen ist (Dinema). Bei den Chloromonadinen liegt ebenfalls unter einer verhältnismäßig festen, aber äußerst dünnen Hautschicht, die wohl als Periplast bzw. Pellicula anzusprechen ist, noch eine besonders differenzierte Plasmaschicht in Form der so- genannten Alveolarschicht, die an die Verhältnisse bei den Infusorien erinnert. Auch bei den Cystoflagellaten und den nackten Dino- flagellaten findet sich eine dem Periplast der echten Flagellaten entsprechende verhältnismäßig feste, die Konstanz der Körperform be- dingende Hautschicht. Die Cellulosemembranen der anderen Dino- flagellaten gehören dagegen zu den weiter unten zu besprechenden allo- plasmatischen Hüllbildungen. Färberisch verhält sich der Periplast der Flagellaten anders wie das Endoplasma. Am auffälligsten tritt dies bei der Färbung nach GıemsA hervor, die den Periplast rosa, das Endoplasma dagegen blau färbt. Wo sich bei Flagellaten eine undulierende Membran findet (vgl. den Abschnitt über Bewegungsorganellen), wird deren Plasma meist aus- schließlich vom Periplast ohne Beteiligung von Endoplasma gebildet. Die größere Festigkeit des Periplastes im Vergleich zum Endoplasma zeigt sich am auffälligsten, wenn Flagellaten (z. B. größere Trypanosomenarten oder Euglenen) unter dem Deckglas zerdrückt werden. Dann fließt das Endoplasma durch einen Riß in dem als leere Haut übrig bleibenden Periplaste aus. Genauer untersucht ist die Struktur des Periplastes von Euglena ehrenbergi durch Haumgureer (1911). Er scheint hier von einer ein- fachen Alveolarschicht gebildet zu werden. Cellulose ließ sich in ihm nicht nachweisen, doch zeigte er die merkwürdige Eigenschaft, in kon- zentrierter Schwefelsäure unlöslich zu sein und durch Vorbehandlung mit solcher auch seine Löslichkeit in Pankreatin und in mit Salzsäure versetztem Pepsin zu verlieren. Seine feine Längsstreifung beruht auf dem Gehalt an zahlreichen feinen, in Pankreatin und Pepsin unlöslichen elastischen Fibrillen (vgl. den unten folgenden Abschnitt über diese und Fig. 210). 156 Protozoa. Max Lünk, Sehr eigenartig verhält sich nach ScHAUDInN der Periplast von Leucocytozoon. Während bei den amöboid beweglichen Flagel- laten das Ektoplasma offenbar eine ebensowenig dauerhafte Bildung darstellt wie bei den Amöben, sondern wie dort aus an die Ober- fläche tretendem Endoplasma hervorgeht, um später wieder ins Innere des Körpers zu gelangen und dort sich in Endoplasma zurückzu- verwandeln, ist der derbere Periplast der formbeständigen Flagellaten, soweit wir wissen, ganz ebenso wie die Pellicula der Infusorien und Gregarinen eine dauernde Bildung. Nur Leucocytozoon scheint hier- von eine Ausnahme zu machen, indem bei ihm der Periplast peri- odisch abgeworfen und wieder neu gebildet wird. Leucocytozoon ziemanni ist ein Parasit des Steinkauzes (Athene noctua) und findet sich in dessen Blute in Form charakteristi- scher spindelförmiger Elemente, die wesentlich größer sind wie die Blut- körperchen des Vogels. Im Inneren des spindeligen Gebildes findet sich der länglich ovale lebende Plasmakörper des Parasiten neben dem mehr oder weniger stark deformierten, hantel- förmigen Kern einer Nährzelle (zweifel- los eines Blutkörperchens, Fig. 151). Die Beziehungen des Parasiten zu dem Blutkörperchen sind verschieden be- urteilt worden. Während man früher all- gemein annahm, daß der spindelförmige Körper ein pathologisch verändertes Blutkörperchen sei — die einen dachten hierbei an Leukocyten, die anderen an Erythrocyten — in dessen Innerem der Parasit schmarotze, gelangte ScHAU- DInNn, dessen Arbeiten über die Lebens- Fig. 151. Leucocytozoon ziemanni (LAv.). Makrogametocyten. 1 Kern des Blutkörperchens (in 5 sehr stark hantelförmig zerschnürt), 2 Kern des Parasiten, 3 Blepharoplast. «a Typische Spindelform mit gelockertem Periplast. Vergr. a b ca. 1590:1. 5 Ein gedrungeneres Exemplar mit noch nicht abgehobenem Periplast. Vergr. ca. 1650:1. Nach LüHE 1906. geschichte der Protozoen ja technisch und methodisch mustergültig sind und eine neue Epoche der Protozoenforschung eingeleitet haben, zu einer gerade entgegengesetzten Auffassung. Nach ihm ist Leucocytozoon ziemanni im frei beweglichen Zustande, in dem es aber nur in inneren Organen (in der Milz, vielleicht auch im Knochenmark) gefunden wird, trypanosomenähnlich (Fig. 152). Es nährt sich von den noch hämo- globinfreien Erythroblasten, an denen es sich zunächst mit seinem geißel- freien Ende fixiert (Fig. 1525) und die es dann völlig in sein Inneres hineinzieht. Das Plasma des Blutkörperchens wird verdaut, der Kern zwischen dem Endoplasma und Periplast abgelagert. Während dieser Verdauungsperiode bildet der Parasit seinen Gejißelapparat völlig zurück bis auf den neben den Hauptkern rückenden Blepharoplasten (Fig. 152, e); D.I. 1. Ektoplasma, Periplast, Pellicula. 157 sein Periplast aber wird zu einer stärkeren Schutzhülle umgewandelt, in der die bewegungslose Ruheform ungefährdet in der Blutbahn treiben kann, eben jener spindelförmigen Hülle, welche man früher für eine a b ce d e Fig. 152. Leucocytozoon ziemanni (Lav.). «a--c Makrogametoeyten, d—e Mikrogametocyten mit den bereits vorgebildeten Kernen der 8 Mikrogameten; a und d trypanosomenähnliche Schwärmstadien, b ein Makrogametocyt im Begriff, ein rotes Blut- körperchen aufzunehmen, c und e Ruhestadien nach Aufnahme des Blutkörperchens. Nach SCHAUDINN 1904. deformierte Wirtszelle hielt. Später aber wird diese Periplasthülle wieder abgeworfen, während der Parasit selbst unter Neubildung seines Geißelapparates wieder beweglich und trypanosomenförmig wird. Derselbe macht also bei jedesmaligem Uebergang vom Ruhe- zum Schwärmstadium eine förmliche Häutung durch. In ähnlicher Weise wird die Periplasthülle abgeworfen bei der Reifung der Gametocyten (vgl. Fig. 153, in der der reıfe Makrogamet aus der Periplasthülle ausgetreten ist). Fig. 153. Befruchtung des Makro- gameten von Leucocytozoon ziemanni durch einen der ihn umschwärmenden Mikro- gameten. Rechts der zugrunde gehende Peri- plast des Makrogametocyten mit dem Rest des auf- genommenen Blutkörperchens. Nach SCHAUDINN. Die hier wiedergegebenen Angaben ScHaupDinns sind zwar vielfach angefochten worden, aber nicht widerlegt. Alle Versuche, sie zu wider- legen, wenden entweder eine ganz andere, keine direkten Vergleiche zulassende Methodik an (Novys künstliche Züchtung ‘der Trypanosomen außerhalb der Blutbahn, bei der wegen des Fehlens normaler Erythro- blasten die charakteristischen Ruheformen gar nicht erwartet werden 158 Protozoa. Max Lüus, können) oder sie stützen sich auf die Untersuchung ganz anderer Arten von „Leucocytozoen“ und sind deshalb nicht beweiskräftig für die von SCHAUDINN untersuchte Art (hierher z. B. Samson). Unter dem Namen Leucocytozoon sind nämlich leider nachträglich zahlreiche Blutparasiten der verschiedensten Art zusammengefaßt worden, die mit Leucocytozoon ziemanni zum großen Teil nicht die geringste nähere Verwandtschaft haben, so z. B. eine ganze Reihe typischer Hämogregarinen, die sich Fig. 154. A Ophryoscolex caudatus EBERL., Dorsalansicht. B Ophryoscolex purkynjei STEIN, Ventralansicht. Dex rechte, Sin linke Körperseite. 1 adorale Mem- branellenzone, 2 Cytopharynx resp. Peristomeinsenkung, 3, 4 die beiden Enden des hinteren Wimperkranzes (5), 6 Großkern, ? Kleinkern, 8 pulsierende Vakuole, 9—11 erster bis dritter Stachelkranz, 12 Endstachel. Vergr. 500:1. Nach EBERLEIN 1895. von den Hämogregarinen der Kaltblüter im wesentlichen nur dadurch unterscheiden, daß sie in weißen Blutkörperchen von Säugetieren oder Vögeln schmarotzen. Eine ausreichende Nachuntersuchung des Leuco- cytozoon ziemanni selbst ist nicht durchgeführt worden!). 1) Zusatz bei der Korrektur: Neuerdings betrachtet REICHENOW (1912) auch Leucoeytozoon ziemanni als eine intrazellulär schmarotzende Hämogregarine. Er stützt D.I. 1. Ektoplasma, Periplast, Pellicula. 159 Bei den Infusorien, speziell den Ciliaten, erreicht die Diffe- renzierung des Ektoplasmas noch wesentlich höhere Grade, indem in ihm vielfach nicht weniger wie drei verschiedene Schichten unterscheidbar sind, deren äußerste, membranartig erscheinend und deshalb als Pellicula bezeichnet, im wesentlichen dem nur bei den Euglenoideen eine ähnliche Ausbildung erreichenden Periplast der Flagellaten ent- spricht. Von dem Grade ihrer Derbheit hängt die bei verschiedenen Arten verschieden große Fähigkeit zu metabolischen Veränderungen der Körperform ab. Besonders derb ist die Pellicula bei den Ophryoscoleciden, die im Magen der Wiederkäuer und im Coecum der Einhufer leben und dort wohl eines besonders kräftigen Öberflächenschutzes bedürfen; bei ihnen ist die Pellicula auch noch durch einen Gehalt an Kiesel- säure besonders verfestigt und ihre Starrheit ermöglicht das Auftreten sehr bizarrer Körper- formen (Fig. 154), ähnlich wie bei dem zu den Euglenoideen gehörenden Tropidoscyphus die Derbheit des Periplastes die Bil- dung kräftiger Längsrippen er- möglicht (Fig. 227). Wohl nie ist die Pellicula auf der ganzen Oberfläche der Ciliaten von durchweg gleich- mäßiger Dicke und sehr vielfach wird durch charakteristisch an- geordnete lokale Verdickungen der Pellicula in Form feiner Leisten oder Höcker eine für die ver- schiedenen Arten charakteristische komplizierte feine Strukturierung der Oberfläche bedingt (vgl. Fig. 110 u. 241 c). In einzelnen Fällen finden sich auch lokale Pelliculaverstär- kungen größeren Umfanges, die eine Art Panzeruug des Körpers bilden: Bei Vorticella monilata - (Fig. 155) erhebt sich die Pellicula Fig. 155. Vorticella monilata mit zu zahlreichen, verschieden großen warzigen Verdiekungen (W) der Pellicula. und verschieden dichtstehenden Vergr. 800:1. Nach SCHRÖDER 1906 aus halbkugeligen Warzen. Einen voll- DawEuEe kommenen Panzer dagegen besitzt Coleps mit 14 Längsreihen von je vier länglichen plattenförmigen Ver- diekungen der Pellicula, die voneinander getrennt werden durch furchen- artige Einsenkungen mit dünnerem, eine beschränkte Beweglichkeit der einzelnen Platten gegeneinander bedingendem Pellicularüberzuge (Fig. 295 C und 327). sich hierbei unter anderem darauf, daß das von SCHAUDINN und mir als Blepharoplast angesprochene Chromatinkorn nur in Trockenpräparaten neben dem Kern, bei guter feuchter Fixierung dagegen stets in diesem liege. Andererseits hat PROWAZER (1912) noch kürzlich wieder SCHAUDINNs Auffassung zu stützen gesucht. Protozoa. 160 Max Lünur, Im übrigen sei hinsichtlich der Differenzierungen des Ektoplasmas der Ciliaten auf die Besprechung von Paramaecium auf S. 91—93 ver- wiesen. Die ebenfalls dem Ektoplasma angehörenden Myoneme sind in dem Abschnitt über die Bewegungsorganellen zu besprechen. Bei den Gregarinen finden sich ähnlich weitgehende Differen- zierungen des Ektoplasmas. Auch hier ist die oberflächlichste Schicht des Ektoplasmas zu einer verhältnismäßig derben membranartigen Pellicula (auch Epicyt oder, weniger gut, Cuticula genannt) differenziert, die gegen das unter ihr gelegene Sarkocyt scharf abgesetzt ist. Das Sarkocyt, das der Alveolar- und Corticalschicht der Infusorien entspricht, ist verhältnismäßig frei von körnigen Ein- schlüssen und erscheint daher im Gegensatz zu dem von ihm um- schlossenen, oft ganz undurchsichtigen Endoplasma klar und durch- sichtig; es ist aber auch von erheblich festerer Konsistenz wie das Endoplasma. Dies wird namentlich bei den Tricystideen deutlich. Deren Körper ist nämlich durch eine von- Sarkocyt gebildete, das Endoplasma quer durchsetzende Scheidewand in zwei Abschnitte, Proto- und Deutomerit, gegliedert (Fig. 52 u. 156, A, D). Wird einer Fig. 156. Gregarina mu- B — ee nieri SCHNEID. A In Bewegung begriffene Gregarine, welche in fein zerriebener Tusche eine Gallertspur hinterläßt. Vergr. 100:1. B Hinteres Körperende der Gregarine. / vorspringende r rt eY }3 ‘ Rippenstreifen der Pellieula, : ; ! hr 4 Bus) 3 2 zwischen diesen gelegene vr it f N Längsfurchen, in denen Gallert- id ext } > Et fäden mit anhaftenden Tusche- KREIS körnehen nach hinten strömen, 3 die am Körperende frei aus- getretenen Gallertfäden, die sich zu der stielartigen Gallertspur von Fig. A zusammenlegen. Vergr. 3000:1. C Teil eines Querschnittess und D eines Längsschnittes. 7 Pellieula (von in Längsreihen stehenden Poren durchsetzt), 2 Gallertschicht, durch die Poren der Pellicula mit der Umwelt in offener Verbindung, Z Sarcoeyt, 5 Endo- plasma, 6 vom Sarcoeyt gelieferte Scheidewand zwischen Proto- und Deutomerit, 7 Myoneme (auf dem Längsschnitt quer ge- troffen). Vergr. 2000:1. Nach SCHEWIAKOFF 1894. ahahonng gohoon dieser beiden Abschnitte verletzt, so fließt das relativ dünnflüssige Endoplasma nur aus dem verletzten aus, während das Endoplasma des unverletzten Abschnittes durch die zwischen beiden ausgespannte Sarkocytscheidewand zurückgehalten wird. Die Dicke von Epicyt und Sarkocyt ist, auch von den später zu besprechenden Haftorga- nellen abgesehen, nicht überall die gleiche. In der Regel ist das Epicyt am Vorderende der Gregarine am mächtigsten ausgebildet Verlag von ustav Fischer in Jena. Seit Januar 1913 erscheint: Bearbeitet von Dr. €. Börner (St. Julien bei Handbuch der Entomologie. Metz), Prof. Dr. P.Deegener (Berlin), Prof. Dr. K. Eckstein (Eberswalde), Dr. J. Gross (Neapel), Dr. A. Handlirsch (Wien), Prof. Dr. O0. Heineck (Alzey), Dr. K. Holdhaus (Wien), Dr. OÖ. Prochnow (Berlin-Gr. Lichterfelde), Dr. L. Reh (Hamburg), Ew. Rübsaamen (Berlin), Prof. Dr. Chr. Schröder (Berlin-Schöneberg). Herausgegeben von Prof. Dr. Chr. Schröder, Berlin-Schöneberg. Es liegen vor: Lieferung 1 bis 3, enthaltend: Band I, Bogen 1 bis 30. Das „Handbuch der Entomologie“ darf als ein Fundament für das Studium der Insekten angesprochen werden. Seit Kolbes „Einführung in die Kenntnis der Insekten“ gibt es kein deutschsprachiges Handbuch der Entomologie. Auch gibt es in der außerdeutschen Literatur kein Werk, das so reichhaltig wie dieses das Gebiet behandelt und die neuesten Ergebnisse der in letzter Zeit erheblich fort- geschrittenen Forschung erörtert. . Dies wird erreicht durch die Heranziehung einer Anzahl der hervorragendsten Fachleute, die ihr Wissen und ihre Arbeitskraft in den Dienst dieses Werkes gestellt haben. Das „Handbuch der Entomologie“ will eine erschöpfende, quellenartige Ueber- sicht über das gesamte Wissensgebiet der Entomologie geben, der vorliegenden Disposition nach einstweilen in Beschränkung der Bearbeitung einer Geschichte der Entomologie, der Sammel- und Musealtechnik u. ä., der Psychologie wie der des- zendenztheoretischen Fragen. Band I bringt die Bearbeitung der Anatomie, Histologie und Morphologie der Larven und Imagines, der Oo- und Spermatogenese wie Embryogenie, der all- gemeine Morphologie, der Erscheinungen der Parthenogenesis, Dimorphose ..., Metamorphose. Autoren sind die Herren Dr. C. Börner (St. Julien-Metz), Prof. Dr. P. Deegener (Berlin), Dr. J. Gross (Neapel), Dr. ©. Prochnow (Gr. Lichterfelde-Berlin). Band II enthält die Bionomie (einschl. der ökonomischen Entomologie), Blüten- biologie, Psychologie, Zoogeographie, Deszendenztheorie (einschl. der experimentellen Entomologie). Autoren sınd die Herren Prof. Dr. K. Eckstein (Eberswalde), Prof. Dr. O. Heineck (Alzey), Dr. K. Holdhaus (Wien), Dr. L. Reh (Hamburg), Ew. H. Rübsaamen (Berlin), der Herausgeber. Bd. III gehört der Bearbeitung der Paläontologie und Phylogenie wie der systematischen Uebersicht. Autor ist Herr A. Handlirsch (Wien). Das Handbuch erscheint in etwa 14 Lieferungen im Umfang von je 10 Druck- bogen und wird in 3 Bänden vollständig werden. Preis jeder Lieferung 5 Mark. Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbel- tiere In Verbindung mit Prof. Dr. Amann-München, Prof. Ballowitz- ° Münster i.W., Prof. Dr. Disselhorst- Halle a. $., Prof. Dr.v.Eggeling- Jena, Dr. V. Franz-Frankfurt a. M.,. Prof. Dr. Hoyer-Krakau, Prof. Dr. R. Krause-Berlin, Prof. Dr. Boll Berlin, Prof. Dr. Reinke-Rostock, Dr. P. Röthig-Charlottenburg, Prof. Dr. Schaffer-Graz, Dr. Studni@ka-Brünn, Prof. Dr. Szymonowicz- Lemberg, Prof. Dr. Tandler-Wien, Prof. Dr. Ziehen- Wiesbaden, Prof. Dr. Zimmermann-Bern. Herausgegeben von Prof. Dr. med. Albert Oppel in Halle a. S. Bis Mai 1913 ist erschienen: Erster Teil: Der Magen. Von Prof. Dr. A.Oppel. Mit 275 Abbildungen im Text und 5 lithogr. Tafeln. 1896. Preis: 14 Mark. Zweiter Teil: Schlund und Darm. Von Prof. Dr. A. Oppel. Mit 443 Ab- bildungen im Text und 4 lithogr. Tafeln. 1897. Preis: 20 Mark. Dritter Teil: Mundhöhle, Bauchspeicheldrüse und Leber. Von Prof. Dr. A.Oppel. Mit 679 Abbildungen im Text und 10 lithogr. Tafeln. 1900. Preis: 36 Mark. Vierter Teil: Ausführapparat und Anhangdrüsen der männlichen Ge- sehleehtsorgane. Von Dr. Rudolf Disselhorst, Prof. der Universität Halle a. S. Mit 435 Abbildungen im Text und 7 lithogr. Tafeln. 1904. Preis: 20 Mark. Fünfter Teil: Die Parietalorgane. Von Dr. F.K. Studnicka, Brünn. Mit 134 Abbildungen im Text und 1 lithogr. Tafel. 1905. Preis: 8 Mark. Sechster Teil: Atmungsapparat. Von Prof. Dr. A. Oppel. Mit 364 Ab- bildungen im Text und 4 lithogr. Tafeln, 1905. Preis: 24 Mark. Siebenter Teil: Sehorgan. Von Dr. phil. V. Franz, Frankfurt a. M. Mit 431 Abbildungen im Text. 1913. Preis; 18 Mark. = T — F ERBUCH Be ae Ce) nt D | | Se vor: ind I: mAbbau Biackt. Mit 631 Abbild. im Text. (IX und 1163 Seiten. Lex.- — Format.) 1912, Preis 20 Mark, in Halbfranz geb. 23 Mark. pin PR u: Biat zehtenb Mit 1101 Abbild. im Text. (VIII und 1212 Seiten. RER u eg > Preis: 20 Mark, in Halbfranz geb. 23 Mark. ‚Ei- " luo Mit, 921 Abbild. im Text. N III und 1236 Seiten. = Lex ‚Form.) ‚191 Preis: 20 Mark, in Halbfranz geb. 23 Mark. en Mit 1048 Abbildungen im Text. a ie 1151 Seiten. I Lex.-Form) 12. m Preis: 20 Mark, in Halbfranz geb. 23 Mark. —Pyı idingrup e“. Mit 744 Abbildungen im Text. (VII und en. Lex.-Form.) 1912, KRET N eis: 20 Mark, in Halbfranz geb. 23 Mark. SEE, u Be 1913 . erscheinen noch drei Bände und bereits in der Fe ae ae De Jahres 1914 wird das ganze Werk fertig vorliegen. TER Die a ee ist erschienen bis Lieferung 40. IS | V Du | etwa 80 Lieferungen zum Preise von je 2 Mark 50 Pf. 1sse ie a Hogan werden. Der Gesamtpreis ist mit etwa L, Pi Mark angesetzt. Die e Nancn er en bürgen für die ti Durchführung des kann von jeder Buchhandlung zur Ansicht vo ME Be Seiten Text) wird a geliefert. ar oc ensehrift: { t ein moname Ber ee hinsichtlie . IR > ur a ha er T. en N Bromberg. Es Be 38 De RR Far Ad Dr. CARL oe; st. Krull s. Vevey; Dr. MARIE DAIBER, W Prof. VALENTIN HAECKER, Halle a.S., Prof. K. "Prof. ARNOLD LANG, Zürich; Prof. M. LÜHE, München; Dr. S. Ber OR 24 c und Dr. VON among: LANG’S ee : ANATOMIE DER Wnaeu ih | Br un M ee a a Prof. Dr.’ x. Be . Dr. H. Th. Simon-Göttingen (Physik), Prof. Dr. M. Verworn- v ERDE TIOR KSRIURNE a * a | In, 281 8 Seiten. uch 108. Preis: 20 Mark, geb. 23 Mark, Ferner liegen vollständig ı von nd V'Abheie Blachn ‚Mit 631 Abbild. im Text. (IX ana 1163 RE Lex.- Preis: 20 Mark SIE in Hal zen . Mit 1a Abbild. im Text. (VII na Preis: 20 Mark, in I Halbfranz. geb. 23 Mark. RR 6 1048 Abbild. im Test. (VILT und = ee ' Mit 1101 Abbild. im Text. an und 1212 Seiten. :s 1913 orschei ya Bunde and bereit i a ck 14 wi Ki rn gen: Em n der ausgabe ist BR ge Kiefer het Fu ru ist mit etwa | a ( 2 wird OL aeg nschri Fan BISSERL erur n Bro von Be, es tr i =” Format) 1912. Preis 20 Mark, in Halbfranz geb. 23 Mark. n.)1912. Preis: Mark Halbfranzgeb.23 Mark. . x «Mit 744 Abbild. im Text. VII und Me >. Preis: 20 Mark,in Halbfranzech.28 Mark. achtet ar Di ha BR Kr 1 der D RHEIN des Planes wird das Werk auch seinem RT sich um nicht ‚weniger als um eine enzyklopädisce ftlichen Erkenntnisschatzes in einer Form, daß alle haben, Nutzen daraus” a R Va Er Fr | REN zur N. Re, Rn D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. a) Cysten. 161 und am Hinterende am dünnsten, während das Sarkocyt sich gerade umgekehrt verhält. Zwischen beiden findet sich eine Gallert- schicht von wechselnder, im Vergleich zu Epi- und Sarkocyt aber stets sehr geringer Mächtigkeit. Die sie bildende Substanz wird von dem Sarkocyt abgeschieden und durch das Epicyt hindurch nach außen entleert. um in dem umgebenden Medium gallertig aufzu- quellen. Das Epicyt zeigt bei fast allen Gregarinen eine äußerst feine Längsstreifung; speziell bei Gregarina munieri hat SCHEWIA- KOFF (1894) nachgewiesen, daß diese Längsstreifung durch Spalten bedingt wird, die das ganze Epicyt durchsetzen und die Gallertsub- stanz nach außen abfließen lassen (Fig. 156, D, C). Bei der gleitenden Vorwärtsbewegung der Gregarinen sammelt sich die abgeschiedene Gallerte hinter der Gregarine zu einem aus zahlreichen einzelnen Fäden zusammentretenden stielartigen Gebilde (Fig. 156, A, B), auf dessen noch zweifelhafte Rolle bei jener Bewegung in dem Abschnitt über die Bewegungsorganellen zurückzukommen sein wird. Bei einigen Gregarinen (z. B. Didymophyes gigantea, Py- xinia) anastomosieren die Längsstreifen des Epicyts miteinander, so daß eine netzförmige Zeichnung entsteht, deren Maschen in der Längs- richtung der Gregarine stark gestreckt sind. Bei stark metabolen Formen (z. B. Monocystis agilis) ist, ähn- lich den Verhältnissen bei den Flagellaten, die Dicke des Epicyts be- sonders gering. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. (Cysten, Hüllen, Gehäuse und Schalen.) Außerordentlich häufig und in den verschiedensten Klassen und Ordnungen finden wir bei Protozoen Schutzvorrichtungen, die mit den vorstehend besprochenen Differenzierungen des Ektoplasmas darin übereinstimmen, daß das Protozoon oberflächlich von einer be- sonders strukturierten schützenden und formbestimmenden Schicht umgeben ist, die indessen im Gegensatz zu den verschiedenen Aus- bildungsformen des Ektoplasmas nicht von besonders differenziertem Plasma gebildet werden, sondern durch Abscheidung lebloser Sub- stanz auf der Oberfläche des Plasmakörpers zutande kommen und von dem Weichkörper unter bestimmten Umständen wieder verlassen werden können. Wir können sie daher als alloplasmatische Oberflächenorganellen bezeichnen. Sie sind außerordentlich verschiedenartig: sie können vorübergehend gebildet und wieder verlassen werden (hierher vor allem alle Cysten) oder sie können zeitlebens ausdauern, um nur bei der Fortpflanzung den Weichkörper oder die von diesem gebildeten Sprößlinge hervortreten zu lassen; sie können gallertig oder pseudochitinös sein oder aus Cellulose, Kalk oder Kieselsäure bestehen: sie sind auch morphologisch außer- ordentlich mannigfaltig ausgebildet und können hochkomplizierte Formen annehmen. Im Interesse einer übersichtlichen Besprechung unterscheiden wir die temporären Öystenbildungen von den permanenten Hüllen, Gehäusen und Schalen. a) Cysten. Encystierung, d. h. Bildung einer als Cyste bezeichneten Schutzhülle, innerhalb deren der Organismus vorübergehende Zeiten Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 11 162 Protozoa. Max Lüne, der Ungunst überdauert oder bestimmte Entwickelungsphasen durch- läuft, ist namentlich bei den Protozoen des süßen Wassers und bei parasitischen Protozoen sehr weit verbreitet. Bei marinen Arten tritt diese Schutzvorrichtung infolge der gleichmäßi- geren Existenzbedingungen im Meere sehr zurück; sie fehlt daher völlig in den großen Abteilungen der Foraminiferen und Radiolarien !). Die Tierchen nehmen bei der Encystierung im allgemeinen kugelige oder ellipsoidische Gestalt an; äußere Fortsätze des Körpers (Pseudopodien, Cilien, Geißeln, Kragen u. a.) verschwinden bzw. werden eingezogen. Ebenso werden die Einrichtungen zur Ein- und Aus- fuhr der Nahrung (Cytostom, Cytopharynx, Cytopyge usw.), soweit sie vorhanden waren, rückgebildet; nur die pulsierende Vakuole setzt ihre Fähigkeit nicht selten fort, wenn auch meist nur eine Zeitlang, um schließlich doch auch noch zu verschwinden. Der Plasmakörper scheidet meist alle in ihm etwa enthaltenen Fremdkörper (Nahrungs- reste u. dgl.) aus und gibt auch sehr häufig (z. B. bei Amöben, Difflugia, Infusorien) unter starker Kontraktion und entsprechender Verdichtung des Plasmas verhältnismäßig viel Flüssigkeit ab. Hier- auf umgibt er sich ringsum mit einer mehr oder weniger wider- standsfähigen, undurchlässigen Schutzhülle, der Cyste. Deren Form ist entsprechend der vorausgegangenen Abrundung des Plasmakörpers meist eine kugelige und die Entstehung der Kugelform kann auch neben oder an Stelle der Abrundung des Körpers. durch eine an- dauernde Rotation des sich encystierenden Tierchens bedingt werden (z. B. bei Infusorien, Gregarinen). Schon ellipsoidische Cystenformen sind im allgemeinen weniger häufig wie die Kugelform, doch kommen mehr vereinzelt auch sogar birnförmige, tönnchenförmige usw. Cysten- bildungen vor (z. B. Schleimeysten von Herpetomonas, tönnchen- förmige „Sporen“ mancher Gregarinen). Bei den beschalten Süßwasserrhizopoden (z. B. Arcella, Dif- flugia) bildet sich die Cyste meist nach vorgängiger kugeliger Kon- chr Fig. 157. Cysten von Rhizopoden. 4 Difflugia urceolata CArTER. Nach ZÜLZER (1904). B Sphenoderia lenta SCHLUMB. Nach AWERINZEW (1907). chr Chro- midialsubstanz, k Kern, rp Kieselplättehen der Cystenhülle, s! aus Kieselplättehen be- stehende Schale, » innere Hülle der Cyste. traktion des Weichkörpers im Innern der Schale, von der sie nur einen Bruchteil ausfüllt. Bei Difflugia liegt sie im Grunde der Schale 1) Bei der Acantharienfamilie Astrocapsidae entspricht jedoch vielleicht die Strontiumsulfatverstärkung der Zentralkapselmembran (vgl. S. 196) einer Vermehrungs- eyste (Vorbereitung zur Vermehrung durch Schwärmer nach PoPoFrskY 1908). D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. a) Cysten. 163 (Fig. 157 A), bei Arcella liegt sie dagegen der Schalenmündung von innen an und verschließt diese, so daß dadurch die bei der Vorbereitung zur Encystierung ausgestoßenen Nahrungsreste (Diatomeenschalen u. dgl.) in dem Raum zwischen der alten Schale und der Cyste eingeschlossen sind. Bei anderen Arten (z. B. bei Nebela) erfolgt vor der die En- cystierung einleitenden Kontraktion des Plasmakörpers ein Verschluß der Schale durch ein zu diesem Zwecke abgeschiedenes Sekret. In einzelnen Fällen tritt aber auch das Protoplasma vor der Encystierung aus der Schale hervor und umgibt sich erst außerhalb derselben mit der Cystenhülle, so freilich, daß die Cyste immer noch mit der Schale ver- bunden bleibt (z. B. bei Sphenoderia, Fig. 157 B). Die Dicke der Cystenhülle ist sehr verschieden. Sie kann bei gewissen Vermehrungscysten „so dünnwandig sein, daß man Mühe hat sie zu erkennen“ (von RHUMBLER mitunter bei Colpoda beobachtet) ; sie kann aber auch bei Gregarina so mächtig entwickelt sein, daß die Wanddicke die Hälfte und mehr von dem Durchmesser des umschlossenen Innenraumes erreicht, und zwischen diesen beiden Extremen kommen alle Uebergänge vor. Sehr häufig bleibt das allmähliche Dickenwachstum an einer konzentrischen Schichtung kenntlich (Fig. 158, D; 161, 2). Aehnlich verschieden ist auch die Substanz der Cystenhülle. Im Beginn ihrer Bildung ist sie wohl stets gallertiger Natur. Sie ge- winnt aber dann meist durch Erhärtung infolge Wasserabgabe größere Festigkeit. Sehr häufig wird im Inneren der zuerst gebildeten galler- tigen Hülle noch eine zweite, festere Hülle gebildet, die chitinähnliche Konsistenz besitzt, aber allem Anschein uach eiweißartiger Natur ist, ähnlich den Pseudochitinschalen der Rhizopoden (vgl. S. 181). Diese innere Schicht der Cystenhülle ist meist dünner wie die äußere (Fig. 161). — Eine weitere Steigerung der Widerstandsfähigkeit kann die Cystenwand durch Einlagerungen verschiedener Art erfahren: bei Difflugia z. B. ist sie an ihrer Außenfläche mit den vor der Encystierung ausgestoßenen Nahrungsresten des Tieres (Diatomeenschalen, Algenteilen u. dgl.) förm- lich inkrustiert: bei kieselschaligen Rhizopoden (z. B. Euglypha, Sphenoderia, Fig. 157, B) enthält sie Kieseleinlagerungen und auch bei Heliozoen können in die Öystenhülle zahlreiche von dem Tiere ge- bildete Kieselnadeln eingelagert sein (z. B. bei Actinosphaerium, das nur bei dieser Gelegenheit Kieselnadeln bildet). Andererseits kommen bei Flagellaten auch Cystenhüllen aus Cellulose vor. In der Regel sind die Cystenhüllen allseitig geschlossen, mitunter besitzen sie jedoch auch eine Oeffnung. Bei den ovalen Teilungs- cysten von Colpoda (Fig. 159) kommt eine solche am Hinterende da- durch zustande, daß das Infusor bei der Bildung dieser Cyste immer nur um seine Längsachse rotiert, so daß die am Hinterende gelegene pulsierende Vakuole sich immer an der gleichen Stelle entleert und da- durch an dieser Stelle den Verschluß der Cyste verhindert. Die physiologisch - biologischen Bedingungen, unter denen die Eneystierung erfolgt, können sehr verschiedene sein. Wir können hauptsächlich unterscheiden: A. Veränderungen der Umgebung. 1) Langsame Verdunstung des Wassers führt bei Süß- wasserprotozoen, kurz bevor sie eintrocknen würden, zur Bildung von Cysten (Dauercysten) von besonderer Derbheit und Undurch- lässigkeit. In ihnen bleiben die Tierchen lange Zeit, oft jahrelang 11* 164 Protozoa. Max Lüne, (z. B. Gastrostyla), lebensfähig und können als Bestandteile des Staubes vom Winde verweht oder sonst passiv von Ort zu Ort ge- schleppt werden!). Geraten sie dann wieder ins Wasser, so verlassen die Tierchen unter Neubildung ihrer Organellen die schützende Hülle und treten wieder ins aktive Leben ein. Diese Cysten sind also nicht nur für die Erhaltung der Art während ungünstiger Perioden der Trocknis, sondern auch für ihre Ausbreitung von größter Bedeutung. Auf ihnen beruht die rasche Belebung von Heuaufgüssen u. dgl. ebensowohl wie die ubiquitäre Verbreitung so vieler Süßwasser- protozoen. Den Dauercysten der Süßwasserprotozoen vergleichbar ist auch die Encystierung mancher im Darm ihrer Wirte schmarotzender Protozoen bei Eindickung des sie umschließenden Darminhaltes (z. B. Entamoeba coli). 2) Bei zunehmender Verderbnis des Wassers aus Ursachen verschiedenster Art kann ebenfalls Schutz durch Encystierung ein- treten. 3) Manche Arten encystieren sich zu Beginn des Winters (Winter- schlafcysten von Lang). Daß es sich hierbei um Temperatur- einwirkung handeln kann, geht daraus hervor, daß GREELY (1902) Monasflagellaten durch Abkühlung zur Encystierung brachte. Auch gewisse parasitische Protozoen encystieren sich unter dem Ein- fluß der Abkühlung in dem entleerten Kote (Beispiel: Balantidium coli aus dem Mastdarm des Schweines). Difflugia encystiert sich regelmäßig zu Beginn des Winters; diese Encystierung erfolgt aber auch ausnahmslos, nur wenig verspätet, in Kulturen, die bei Zimmertemperatur gehalten werden, während sie umgekehrt im Sommer auch bei Abkühlung niemals zu beobachten war. Sie kann hier also trotz des zeitlichen Zusammenfallens keine Folge der winterlichen Temperaturerniedrigung sein, sondern muß in der Ent- wickelungsweise der Art begründet sein (ZüLzer 1904). B. Bestimmte Entwickelungsstadien sind häufig mit Encystierung verbunden, und zwar findet sich solche bei 4) Befruchtungsvorgängen (vgl. diesen Abschnitt) und 5) Vermehrungsvorgängen (Vermehrung im encystierten Zustande). Diese letztere ist meist multipel (vgl. z. B. Fig. 95 u. 159, D) und hierbei kann eine zweimalige Encystierung erfolgen, derart daß eine einheitliche Muttercyste eine mehr oder weniger große Zahl von Tochtereysten umschließt (z. B. Actinosphaerium, Coceidien, Gre- sarinen; Fig. 160, 161). C. Im Zusammenhange mit der Ernährung stehen 6) die nach reichlicher Nahrungsaufnahme während der Ver- dauung gebildeten Verdauungscysten (z. B. von Vampyrella) und 7) die im entgegengesetzten Falle, bei andauerndem Nahrungs- mangel gebildeten Hungercysten (z. B. von Oxytricha). 1) Nach Untersuchungen von PUSCHKAREW (1913) findet eine Verbreitung der Süßwasserprotozoen mit dem vom Winde verwehten Staube zwar statt, aber doch nur in so geringem Grade, daß der Kosmopolitismus der Protozoen durch sie nicht erklärt werden könne. Andererseits werden an den Füßen von Vögeln und anderen Tieren sehr oft Protozoeneysten verschleppt. D.1I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. a) Cysten. 165 Mehrere dieser Bedingungen können sich miteinander kombinieren; so kann vor allem die Bildung der Dauercysten parasitischer Protozoen gleichzeitig mit bestimmten Entwickelungsvorgängen verbunden sein. Fig. 158. Bildung der Dauercyste von Colpoda cucullus EHREG. Nach DOFLEIN (1909). A Freies Infusor bei der Defäkation. B, C Stadien der Bildung der äußeren Cystenhülle. D Auf der Oberfläche des stark verdichteten Plasmakörpers ist auch die dünnere innere Cystenhülle abgeschieden. cv pulsierende Vakuole (nach Be- endigung der, Encystierung verschwunden), n Makronucleus mit dem ihm dicht anliegenden Kleinkern, Na Nahrungspartikel. Vergr. ca. 400 :1. (Beispiel: Entamoeba coli, Coceidien, Gregarinen.) Andererseits können bei einer Art verschiedene Arten von Cysten nebeneinander vorkommen (z. B. Colpoda, Fig. 158 und 159). N, SEX Te Fig. 159. Teilungscysten von Colpoda cucullus Enree. A Beginn der Bildung der anfangs gallertigen Cystenwand. B Ausgebildete Cyste. Das eingeschlossene Infusor hat sich nach Verlust seiner Wimpern zweigeteilt. € Ausschlüpfen der Spröß- linge aus einer zweiteiligen, D desgleichen aus einer vierteiligen Cyste. 1 Cystenhülle, 2 pulsierende Vakuole, 3 Nahrungsballen, 4 Oeffnung in der Cystenwand. Vergr. ca. 450:1. Nach RHUMBLER (18883). Von Interesse ist auch die Art des Ausschlüpfens aus der Cystenhülle. Besaß die Hülle eine dauernde Oeffnung, so wird diese auch für das Ausschlüpfen benutzt (Fig. 159); in der Regel aber muß die Hülle gesprengt oder durch Neubildung von Oeffnungen durchsetzt werden und für beide Zwecke können besondere Ein- richtungen ausgebildet werden. Als Beispiel für das Ausschlüpfen durch eine persistierende Oeffnung können die Teilungscysten von Colpoda dienen, deren Oeffnung von dem zuerst ausschlüpfenden jungen Tier nur etwas erweitert zu werden braucht (Fig. 159). Sprengung der Cystenwand erfolgt sehr häufig einfach dadurch, daß der stark verdichtete eingeschlossene Plasmakörper wieder Wasser 166 Protozoa. Max Lüun, aufnimmt und sich infolgedessen ausdehnt. Lehrreiche Beispiele für besondere Einrichtungen zum Zwecke der Sprengung oder verschieden- artigen Durchbrechung der Cystenwand liefern die Gregarinen und Coceidien. Bei den Gregarinen werden innerhalb einer Muttercyste zahl- reiche Tochtercysten gebildet (näheres siehe im Abschnitt über Be- fruchtungsvorgänge) und diese Tochtercysten werden alsdann unter Oeff- uung der Muttercyste zerstreut, um ihrer Aufnahme seitens eines Wirtes zu harren, in dem sie selbst sich erst öffnen. Die Oeffnung der Mutter- cyste wird erreicht 1) durch einfaches Bersten der Cyste (bei Actinocephalus, Pyxinia u.a.); 2) durch Sprengung der Cyste infolge starker Quellung eines (häufig als „Pseudocyste“ bezeichneten) plasmatischen Restkörpers, der bei den zur Bildung der Tochtercysten führenden Teilungen unverbraucht übrig blieb (vgl. die Abschnitte über multiple Teilung und über die Be- fruchtungsvorgänge bei Gregarinen), und in der Muttercyste oberflächlich (bei Dactylophoriden, Fig. 160) oder zentral (bei Stylorhynchiden) liegt; oder endlich Fig. 160. Cyste von Echinomera hispida (A1. Schn.) (Dactylophoride). A noch geschlossen, B geöffnet. C'y Hülle der Muttereyste, Mi „Pseudoeyste‘“ oder Quellkörper (Restkörper des Mikrogametocyten), Sp Tochtereysten. (Bezüglich weiterer Erklärungen vgl. den Abschnitt über Befruchtungsvorgänge.) Nach SCHELLACK (1907) aus Dor- LEIN (1909). E 3) durch Ausstülpung der sogenannten Sporodukte (bei Gre- garina), deren Entwickelung von KuscHAkEwItsch (1907) verfolgt wurde. Wenn innerhalb der Muttercyste die Tochtereysten bereits gebildet sind, sind diese in einem zentralen Hohlraum („Brutraum“) eingeschlossen, dessen unmittelbare Begrenzung von einem in spezifischer Weise um- gewandelten, alveolären und an seiner Innenfläche besonders eng- maschigen Rest des Plasmas der mütterlichon Gregarinen gebildet wird. An manchen Stellen dringt der Brutraum mit schornsteinartigen Aus- läufern bis nahe an die Oberfläche dieser Plasmahülle vor (Fig. 162, A) und über diesem Brutraumausläufer senkt sich die äußere Oberfläche der Hülle zunächst schüsselförmig ein (Fig. 162, B), um dann den D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. a) Cysten. 167 Sporodukt in Form eines doppelwandigen, stark färbbaren, innen blind geschlossenen Röhrchens in die Tiefe wachsen zu lassen (Fig. 162, CO). Der ausgebildete Sporodukt (Fig. 162, D) hat die Form eines etwas ge- bogenen doppelwandigen Trichters, dessen innere und äußere Wand an der Cystenperipherie zu einem einheitlichen Gebilde verschmolzen sind. Sobald die Cyste völlig gereift ist, wird das Röhrchen nach außen um- gestülpt (Fig. 162, E—F') unter Durchbrechung der äußeren Gallerthülle der Cyste (Fig. 161) und durch diesen ausgestülpten Sporodukt hin- Fig. 161. Reife Cyste von Gregarina blattarum SıEeB. I Aeußere Gallert- hülle, 2 innere Cystenhülle, 3 noch eingestülpte, 4 ausgestülpte Sporodukte, 5 aus den Sporodukten in perlschnurförmiger Aneinanderreihung hervortretende Tochtereysten. durch gelangen die Tochtercysten, bei vielen Arten zu einer langen Kette verbunden, aus der Muttercyste heraus ins Freie. Die Ausstül- pung wird vermutlich durch einen im Innern der Muttercyste auf- tretenden Ueberdruck veranlaßt, doch ist hierüber nichts Sicheres be- kannt. — Hinsichtlich weiterer Einzelheiten über den komplizierten Bau der ausgebildeten Sporodukte muß hier der Hinweis auf die An- gaben ScHnitzLers (1905) über Gregarina ovata genügen. Die auf eine dieser Arten entleerten Tochterceysten sind die Dauer- cysten der Gregarinen, die sich erst unter dem Einfluß der Darmsäfte eines geeigneten Wirtes öffnen, um die jungen Keime (Sporozoiten) austreten zu lassen. Dies kann auf dem Wege geschehen, daß die Wan- 168 Protozoa. Max Lünr, dung der Cyste in Form von vier Klappen auseinanderklafft (z. B. bei Pterocephalus). Eine ähnliche Oeffnung von Cystenhüllen durch Auseinanderklaffen einer zweiklappigen Schale ist auch bei Coccidien weit verbreitet, bei denen außerdem ein Ausschlüpfen der Sporozoiten durch eine vorher verschlossen gewesene feine Oeffnung der Cyste („Mikropyle“) vorkommt (vgl. hierzu die Besprechung und Abbildung der Sporogonie eines Coceids in dem Abschnitt über Generationswechsel). A Fig. 162. Sporoduktenbildung bei der Cyste von Gregarina cuneata. 1 Innere Hülle der Muttereyste, 2 Tochtereysten, 3 Sporodukt. A Ein Teil der Muttereyste mit optischem Längsschnitt durch einen schornsteinartigen Ausläufer des von Tochtereysten erfüllten Brutraumes. B Grubige Einsenkung an der Oberfläche der inneren Cystenhülle. € In die Tiefe wachsender Sporodukt. D Fertig ausgebildeter Sporodukt. E In Um- stülpung begriffener Sporodukt. F Umgestülpter Sporodukt im Beginn der Entleerung der Tochtereysten. Nach KUSCHAKEWITSCH (1907). Den Cysten anderer Protozoen funktionell vergleichbar sind auch die sogenannten Schalen, welche die Dauerformen (Cnidosporen) der Cnidosporidien umschließen. Morphologisch ist ihre Entstehung je- doch eine ganz abweichende. Näheres folgt unten in dem Abschnitt über die Fortpflanzung der Cnidosporidien. b) Hüllen, Gehäuse und Schalen, Während bei zahlreichen Protozoen das Ektoplasma, mit oder ohne Differenzierung einer Pellicula, die einzige dauernde obertläch- liche Schutzbildung darstellt, finden wir andererseits in allen Klassen D. I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 169 mit Ausnahme der rein parasitischen Cnidosporidien und Sporozoen, in mehr oder weniger weiter Verbreitung alloplasmatische Schutz- bildungen, die im Gegensatz zu den (ysten dauernd oder doch wenigstens während eines sehr großen Teiles des vegetativen Lebens vorhanden sind, die demnach auch eine, mehrere oder zahlreiche Oefinungen besitzen müssen, durch die hindurch die Bewegungs- organellen nach außen treten, die Nahrung aufgenommen wird usw. Von der euplasmatischen Pellicula unterscheiden sie sich außer durch anderen chemischen Bau und Nichtbeteiligung an den Stoffwechsel- vorgängen des lebenden Protoplasmas vor allem dadurch, daß sie — mit Ausnahme gewisser schwach entwickelter gallertiger Hüllen so- wie namentlich des Öellulosepanzers der Dinoflagellaten — die Tei- lungen des lebenden Zellinhalts nicht mitmachen. Wir unterscheiden unter diesen dauernden alloplasmatischen Oberflächenorganellen Hüllen, Gehäuse und Schalen, ohne daß freilich zwischen diesen drei Kategorien eine scharfe Grenze gezogen werden könnte, ebenso wie auch die alloplasmatischen Hüllen nicht durchweg gegen pelliculare Bildungen abgrenzbar sind. A. Hüllen und Gehäuse finden wir vornehmlich bei Flagellaten und Infusorien. Sie können hier bei verschiedenen Gattungen, zum Teil sogar bei verschiedenen Arten einer und derselben Gattung völlig unabhängig voneinander auftreten. Sie unterscheiden sich von- ‚einander durch mehr oder weniger dichte Anlagerung an den Plasma- körper und durch das Fehlen oder Vorhandensein einer oder mehrerer großer Oeffnungen. 1) Die Hüllen werden vom Zellleib allseitig abgeschieden und überziehen den ganzen Körper, dessen oberflächlicher protoplas- matischer Schicht sie dicht anliegen, ohne größere Unterbrechung. Die Fortsätze des Plasmakörpers (Geißeln, Wimpern, Pseudopodien) treten einzeln durch sie hindurch nach außen vor; außerdem finden sich nur Unterbrechungen der Hülle, wo der Zellleib größere Oeft- nungen darbietet (z. B. am Cytostoma). Nach dem Material, aus dem die Hüllen bestehen, kann man zwei Hauptformen unterscheiden: Gallerthüllen und Cellulosehüllen. a) Gallerthüllen kommen bei Sarcodinen und Ciliaten nur sehr vereinzelt vor; etwas häufiger sind sie bei Flagellaten, nament- lich bei koloniebildenden Formen. Bezüglich der Hüllen der Sarcodinen sei auf die unten folgende Besprechung der Schalen verwiesen, die von solchen Hüllen abzu- leiten sind. Unter den Ciliaten kommt eine mäßig dicke Gallerthülle ge- legentlich oder dauernd bei Arten der Gattung Trachelophyllum vor, wo sie ein wenig feinkörnig und trübe erscheint, sowie bei Nassula elegans (Fig. 60), wo sie ganz hyalin und deshalb sehr schwer wahr- nehmbar ist. Die Wimpern ragen etwa zur Hälfte oder noch etwas mehr aus ihr hervor. Unter den Flagellaten findet sich gelegentliche Ausscheidung weicher Gallerte nicht selten, besonders bei Euglenoideen, Chloro- und Chrysomonaden; bei ungünstigen Verhältnissen (Druck, Einwirkung von Reagentien) treten aus dem Ektoplasma geschlängelte Gallertfäden her- vor, die durch nachträgliche Verquellung eine zusammenhängende Gallert- hülle bilden. Im übrigen beschränke ich mich auf die Anführung einiger 170 Protozoa. Max Lüss, spezieller Beispiele für verschiedene Ausbildung von Gallerthüllen bei Flagellaten: Mastigamoeba verrucosa Kent hüllt sich zuweilen, auf einer Unterlago aufliegend, in einen halbkugeligen Gallertmantel, aus dem nur die Geißel hervorragt. Bei Protospongia (Fig. 163) und Spongomonas sind zahlreiche, durch fortgesetzte Teilung ent- standene Einzelindividuen in eine gemeinsame Gallertmasse eingebettet, aus der ebenfalls nur die Geißeln (und bei Proto- spongia die für die Choano- flagellaten charakteristischen Kragenbildungen) der Einzel- tiere hervorragen. Schöne Beispiele für Bildung von Gallerthüllen bei kolonie- bildenden Flagellaten sind ferner Synerypta und Chrysosphaerella (Fig. 15, F) unter den Chryso- monadinen. Auch für sämt- liche Volvociden sind Gallert- hüllen charakteristisch (Fig. 15, E und 20, A). Fig. 163. Protospongia haeckeli S. K. Die Gallerthülle Vergr. ea. 600:1. Nach S. KEnT 1880/82. kann eine Verfestigung er- fahren durch Einlagerung von Fremdkörperchen oder von Hartgebilden, die der Organismus selbst abgeschieden hat: Kieselnadeln (z. Be Chrysosphaerella, Fig. 15, F,15 und Heliozoen) oder kohlensauren Salzen (z. B. Tricho- sphaerium, vgl. die unten folgende Besprechung der Sarcodinen- schalen). b) Cellulosehüllen finden sich in Form einer gleichmäßigen dünnen Membran, die einen Porus zum Durchtritt der Geißeln be- sitzt. bei den häufig zu den Algen anstatt zu den Protozoen gerech- neten Phytomonadinen (Volvocales) und sind ferner vor allem für die große Mehrzahl der Dinotlagellaten charakteristisch, bei denen sie in der Regel einen aus einzelnen dicht aneinander schließenden und dem Weichkörper dicht anliegenden Platten bestehenden Panzer bilden. Die Gymnodinien sind nackt oder besitzen nur eine lockere gallertige Hülle und bei den Prorocentraceen besteht der Cellu- losepanzer aus zwei seitlichen ungeteilten klappenartigen Hälften. Unter den Peridineen ist dagegen der Üellulosepanzer nur bei Glenodi- nium einheitlich, dünn, hyalin, während er bei allen anderen Gattungen aus bestimmt angeordneten Platten aufgebaut wird, die in verschiedener Weise verziert und auch von Poren durchsetzt sein können, während der ganze Panzer häufig horn-, stachel- oder flügelförmige Fortsätze besitzt. Der Aufbau dieses COellulosepanzers steht in engstem Zusammen- hang mit der Anordnung der Geißeln (vgl. den Abschnitt über motorische Organellen), deren eine den Körper in einer Ringfurche umkreist, die meist als Einsenkung unter das Niveau der benachbarten Flächen er- scheint (Fig. 231), bei manchen Arten aber auch dadurch zustande kommt, daß sich von dem Panzer zwei parallel nebeneinander hin ver- D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 171 laufende scharfe Leisten erheben (Fig. 164, 9). Diese Furche mit ihrer Begrenzung bildet einen „Gürtel“ (Cingulum), der den Panzer in einen vorderen „apikalen“ und einen hinteren „antapikalen“ Teil teilt. Auf "Fig. 164. Podolampas elegans. A Ventral-, B Dorsalansicht. Nach KoFoID (1909). g Gürtelfurche, Z Leisten, die die Gürtelfurche begrenzen. Die übrigen Be- zeichnungen wie in Fig. 165. A B Fig. 165. Podolampas elegans. Schema der Anordnung der Platten des Cellu- losepanzers. A Apikal-, B Antapikalansicht. Nach Koroıp (1909). ap Apikalporus, f antapikale Fortsätze, sp Geißelspalt, aus dem die beiden Geißeln hervortreten, vs ven- traler Spalt, der sich vom Apikalporus nach hinten zieht. 1 4 Apikalplatten, 2 3 Inter- kalarplatten, 3 7 Präcingularplatten, 4 5 Posteingularplatten, 5 2 Antapikalplatten, 6 hintere, ? linke, 8 rechte und 9 vordere Platte der Längsfurche. 172 Protozoa. Max Lüne, dem apikalen Pole findet sich meist ein offener Porus (Fig. 164, ap). Die Platten des Panzers lassen mehr oder weniger deutlich eine ring- förmige Anordnung erkennen und wir können dann mit Koroıp (1909) die unmittelbar vor und hinter dem Gürtel gelegenen als Präcingular- und Posteingular-, die um die beiden Pole herumgelegenen als Apikal- und Antapikal-Platten unterscheiden. Zwischen die Präcingular- und Apikalplatten kann noch eine asymmetrische Reihe von 1—3 Interkalar- platten eingeschaltet sein, während andererseits auch wieder besondere Platten die die Ventralfläche des Flagellaten kennzeichnende Längs- furche auskleiden, die die Längsgeißel aufnimmt (vgl. hierzu Fig. 164 und 165). Die für die Mehrzahl der Dinoflagellaten charakteristischen stachel-, horn- oder flügelförmigen Fortsätze sind Schwebeinrichtungen und daher wird auch zum großen Teil der Grad ihrer Ausbildung bedingt durch die Tragfähigkeit des Wassers, in dem sie leben, was vor allem bei der formenreichen Gattung Ceratium mit ihren drei verschieden langen und verschieden stark gespreizten Hörnern in die Augen fällt. Bei den typischen Kaltwasserformen des Nordatlantik sind dieselben verhältnis- mäßig kurz, bei den Warmwasserformen der tropischen Meere dagegen meist sehr viel länger und in verschiedenen Stromgebieten ist der Unter- Fig. 166. Drei Ceratium-Formen aus dem indischen und dem ostatlan- tischen Ozean. Mit « sind die ostatlantischen, mit 5 die indischen Formen bezeichnet. la und 1b Ceratium reticulatum POUCHET var. contorta GOURRET. 2a und 2b C. palmatum SCHRÖDER. 3a und 35 C. reticulatum POUCHET var. spiralis KoFOID. Vergr. von Z und 3 125:1, von 2 250:1. Nach KARSTEN 1907. schied in der Ausbildung der Schwebfortsätze ein sehr auffallender. So z. B. wurde während der Deutschen Tiefseeexpedition beobachtet, daß beim Uebergang aus dem warmen Guineastrom in den kälteren und salzreicheren Südäquatorialstrom die für den ersteren charakteristischen langhörnigen Ceratien „wie mit einem Schlage“ verschwanden und da- für andere Arten mit ganz kurzen Fortsätzen zur Alleinherrschaft ge- langten. Bemerkenswert ist auch der große Unterschied in der Aus- bildung der Hörner bei den indischen und ostatlantischen Lokalvarie- täten ein und derselben Arten (Fig. 166), den Karsten (1907) nur auf D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 173 die etwas geringere Wasserdichte des indischen Oceans im Vergleich zum ostatlantischen (1,021—1,022 gegenüber 1,023) und die etwas höhere und gleichmäßigere Temperatur des ersteren zurückführen kann. Bei dem einzelnen Oeratium können die Hörner nicht nur durch Wachstum verlängert, sondern auch durch Autotomie verkürzt werden. Diese Autotomie, nach der die Bruchfläche der Hörner glatt und eben, wie mit einem Messer abgeschnitten erscheint, ist verhältnismäßig häufig und wird durch lokale Auflösung der Cellulosewand (Auftreten einer Ringfurche) herbeigeführt. Sie stellt vielleicht ein Mittel dar, um die aktiv bewegliche Zelle durch Verminderung des Reibungswiderstandes in andere Wasserschichten hinüberzuführen (Jörsensen 1911). Koroıp (1908) faßt sie auf als Regulation des Schwebvermögens bei geänderten physikalischen Verhältnissen, besonders bei Temperaturerniedrigung. Sie ist bei Tiefenformen häufiger als bei Öberflächenformen. Die derart verkürzten Hörner können später wieder regeneriert werden. Als Regulation des Schwebvermögens ist wohl auch die von Korom (1908) studierte teilweise Häutung der Peridineen aufzufassen, die anscheinend sehr viel seltener ist als die Autotomie und bei der ein- zelne dicke und stark strukturierte Platten des Panzers abgeworfen und durch zarte und dünne ersetzt werden. Ueber die Erhöhung des Formwiderstandes und damit des Schweb- vermögens der Öeratien durch Kettenbildung vgl. auch den Abschnitt über die Fortpflanzung. 2) Die ehäuse, die wir bei Flagellaten und Infusorien finden, liegen dem eingeschlossenen Zellkörper nicht unmittelbar an, sondern stehen etwas von ihm ab, so daß er sich innerhalb seiner zum Ge- häuse gewordenen Absonderung einer gewissen freien Bewegung er- freuen kann. Sie haben wenigstens eine größere Oeffnung, die sich in der Regel am Vorderende befindet. Der — ungestörte — Körper tritt mit seinem Vorderende in diese Oeffnung oder entsendet seine Fortsätze durch sie nach außen. Beleidigt, vermag er sich meist gegen den Grund des Gehäuses zurückzuziehen, wie er auch anderer- seits unter Umständen das Gehäuse durch dessen vordere Oeffnung verlassen kann. Hinsichtlich der Art der Entstehuug dieser Gehäuse kann man zwei Typen unterscheiden: Bei manchen Formen, bei denen der Zwischenraum zwischen Weich- körper und Gehäuse noch verhältnismäßig gering ist, wird letzteres nach Art der Hüllen allseitig vom Protoplasma abgeschieden und erst nach- träglich tritt zwischen dem abgesonderten Produkt und dem absondern- den Zellleib ein Zwischenraum auf, z. B. bei Chrysococcus, dessen kugeliges Gehäuse der Form des Flagellaten entspricht, dessen ver- hältnismäßig kleine Oeffnung aber nicht nur der Geißel den Durchtritt gestattet, sondern auch die Pforte bildet, durch die nach erfolgter Zwei- teilung einer der beiden Sprößlinge das Gehäuse verläßt. Ist jedoch das Gehäuse sehr viel geräumiger als das in ihm lebende Protozoon (z. B. bei Dinobryon), so wird es „allmählich gebaut, in- dem zuerst der untere Teil wohl allseitig zugleich gebildet wird, dann aber der Zellkörper sich ausstreckt, um auch den äußeren weiteren Teil zu bilden. Dabei nimmt er die Gestalt an, welche das Gehäuse dort erhalten soll, und scheidet so, im ganzen zu bauenden Gehäuse herum- wandernd, nach und nach dasselbe aus. Nach Vollendung des Baues 174 Protozoa. Max Lüns, zieht sich die Zelle wieder in den unteren Teil zurück“ (Senn). Bei dem mit Dinobryon nahe verwandten Hyalobryon erfolgt die Bildung des Gehäuses in einzelnen Absätzen, indem einem anfangs dinobryon- ähnlichen Gehäuse nach und nach mehrere, auch äußerlich abgesetzte, ringförmige Zuwachszonen am Mündungsrande angebaut werden. Nach dem- Material kann man Gallertgehäuse, häutige (pseudochitinöse) Gehäuse, Gehäuse aus Kalkplatten und Kieselgehäuse unterscheiden. Eine Verstärkung kann auch hier wieder dadurch erfolgen, daß Fremdkörper mit der Gallert- oder Pseudochitinsubstanz verkleben. Die jungen Gehäuse sind fast immer durchsichtig und farblos; mit zunehmendem Alter können sie jedoch verschiedene Färbungen annehmen. a) Gallertgehäuse sind selten. Unter den Heterotrichen bildet Stentor roeseli EHRENBERG im festsitzenden Zustande eine galler- tige Wohnröhre (Fig. 299) und unter den Hypotrichen vermag Sticho- tricha eine Gallertröhre abzusondern, die vielmal länger werden kann wie ihr Bewohner und die zuweilen bei der Vermehrung des Röhren- bewohners eine dichotome Verästelung erfahren und zur Entstehung kleiner Kolonien Anlaß geben kann. In ähnlicher Weise verästelte Gallertgehäuse sind charakteristisch für die Heterotriche Maryna socialis GRUBER und die Flagellatengattungen Cladomonas und Rhipidodendron (näheres hierüber siehe in dem Abschnitt über Haftorganellen). Berühmt sind die in Seen und größeren Teichen oder Sümpfen vorkommenden koloniebildenden Ophrydien, peritriche Infusorien, deren knollenförmige Kolonien bis über 10 cm Durchmesser erreichen können. Die überaus zahlreichen Einzelindividuen der Kolonie sitzen an den Endzweigen eines allseitig reich verästelten, dünnen Stieles, der, wenigstens anfänglich, an einer Unterlage (Wasserpflanzen) befestigt ist (Fig. 65). Die ganze Kolonie mit ihrem gemeinsamen stark dichotom verästelten Stiel ist aber in eine gemeinsame Gallertmasse eingebettet, in der nur an der Oberfläche zur Aufnahme der Einzelindividuen becher- förmige Vertiefungen ausgespart bleiben. Häufig bilden sich im Innern der Gallerte Gasbläschen, was die Loslösung der Kolonie herbeiführt, die dann an die Oberfläche des Wassers emporsteigt und flottierend angetroffen wird. Jede Kolonie wird von einem einzigen Individuum gegründet, welches nach hinten einen einfachen Stiel und zu gleicher Zeit allseitig ein Gallertgehäuse absondert. Es pflanzt sich durch Tei- lung fort, die beiden Tochterindividuen bilden wieder je einen Stiel als Verästelung des ursprünglichen und sondern weitere Gallerte ab usw. Benachbarte Kolonien können miteinander verwachsen. Daß zwischen gallertigen und häutigen Gehäusen kein scharfer Ge- gensatz besteht, lehren vor allem einige Tintinnoideen, deren Ge- häuse im Gegensatz zu der überwiegenden Mehrzahl dieser Infusorien- _ gruppe nicht häutig ist, sondern die Form zylindrischer Gallertröhren hat und die lediglich deshalb zu der anscheinend ziemlich künstlichen Gattung Tintinnidium zusammengefaßt werden. b) Häutige Gehäuse bestehen wohl meist aus einer dem Pseudochitin der Sarcodinenschale entsprechenden Substanz (vgl. S. 181), bei Flagellaten aber zum Teil auch aus Cellulose. Sie sind ziemlich fest und meist dünn und durchsichtig; nur selten erreichen D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 175 sie eine etwas größere Dicke, können dann aber auch einen Stachel- besatz tragen (z. B. Trachelomonas hispida). Außer bei den pelagischen Tintinnoideen finden sie sich fast ausschließlich bei fest- sitzenden Formen, und zwar sowohl bei einzellebenden als bei kolonie- bildenden; oft sitzen sie dünnen fadenförmigen Stielen auf (vgl. hier- zu auch unten den Abschnitt über Haftorganellen). Ihre Gestalt ist im einzelnen sehr verschiedenartig, doch wiegen schüssel-, becher-, vasen-, urnen-, fingerhut- und röhrenförmige Gehäuse vor. Nachstehend einige Beispiele solcher Gehäuse. Flagellata. 1) Einzeln lebende Formen: Codonoeca, Bicosoeca, Diplomita, Salpingoeca (Fig. 6), Ascoglena, Trachelomonas, Epipyxis, Derepyxzis (Fig. 333), Chrysopyxis (Fig. 225 B), Pha- cotus (Gehäuse linsenförmig, zwei- klappig). 2) Ko- loniebildende Formen: Poterio- dendron (die Stiele der jüngeren Indi- viduen sind an der Innenwand der Ge- häuse der älteren befestigt), Dino- Fig. 167. Follicu- lina ampulla MÜLL. von der Rückenfläche, schön entfaltet, bis 1 mm lang, marin. 1, 2 die beiden flügel- förmigen Auswüchse des Stirmfeldes, auf die sich die adorale Membranellenzone fort- setzt, 3 Cytostom im Grunde des Peristom- trichters, 7 pseudo- chitiniges, flaschenför- miges Gehäuse, in das sich das ganze Tier zurückziehen kann, X 5 Kern. Nach StEın 1867. bryon (Fig. 15, D; das stielförmig ausgezogene Hinterende des Ge- häuses der jüngeren Individuen der freischwimmenden buschför- migen Kolonien am inneren Mündungsrand der Gehäuse der älteren Individuen befestigt), Bicosoeca socialis (Fig. 5), Polyoeca (Fig. 268). Ciliata. Die elegante marine Heterotrichengattung Folliculina besitzt ein flaschenförmiges Pseudochitingehäuse, welches mit der Unter- lage verkittet ist (Fig. 167) und in dessen Halsteil sich eine klappen- artige Einrichtung zum Verschluß der Gehäusemündung findet. Unter den Peritrichen finden sich ungestielte oder kurzgestielte, an der 176 Protozoa. Max Lüne, Unterlage befestigte Gehäuse bei den Arten der Gattungen Cothurnia und Lagenophrys (einzeln lebende Tiere), bei denen ebenfalls in Form von Deckelbildungen besondere Einrichtungen zum Verschluß der Ge- häuse vorkommen. Vor allem aber sind Gehäuse charakteristisch für die große Familie der planktonisch lebenden Tintinnoideen, die wir als ausgewähltes Beispiel für Gehäusebildung im Anschluß an BrAanpr (1907) etwas näher betrachten wollen: Die Form des ganzen Tintinnengehäuses, in dessen Grunde der Weichkörper des Tieres mit einem stielartigen Fortsatz befestigt ist, Fig. 168. Tintinnengehäuse. 1 Dictyocysta elegans EHRBG. Irmingersee Vergr. 424:1. 2 Ptychocyclis nervosa (CLEVE). Sargasso-See. Vergr. 424:1. 3 Coxliella pseudannulata JÖRGENS. Irmingersee. Vergr. 90:1. 4 Xystonella armata BRANDT. Neuseeland. Vergr. 220:1. 4a Hinterende derselben Art im Längs- schnitt. Vergr. 424:1. 5 Tintinnus acuminatus CLAP. & LACHM. Kieler Föhrde. Vergr. 376:1. 6 Rhabdonella spiralis (FoL.). Azoren. Vergr. 90:1. Nach BRANDT. ist außerordentlich verschieden, bald urnen-, glocken-, vasen- usw. förmig, bald lang trichter- oder gar röhrenförmig (vgl. Fig. 168). Dem entsprechend schwankt seine Länge zwischen 0,03 und 0,75 mm. Das meist geschlossene, seltener mit weiter oder feiner Oeffnung versehene Hinterende ist bald D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 177 bauchig abgerundet, bald fein zugespitzt; Zwischenformen zwischen diesen Extremen sind zahlreich; auch kann ein besonderer Spitzenteil von dem Wohnfach sich absetzen, der bei einigen Arten sogar durch eine dünne Scheidewand abgekammert ist (Fig. 169, 3). Die Mündung des Ge- häuses kann weiter, ebenso weit oder enger als das übrige Gehäuse sein. Meist ist ihr Rand glatt, bei einigen wenigen Arten dagegen gezähnelt. Nicht selten ist der Mündungsteil des Gehäuses äußer- lich oder innerlich von dem Wohnfach abgesetzt und zugleich durch abweichende Struktur gekennzeichnet ; man bezeichnet ihn dann als „Aufsatz“ (Fig. 169, 7). Häufig ist er aber auch nur ohne Strukturabweichung durch besondere Formverhältnisse ausgezeichnet, z. B. durch eine sogenannte „Krempe“, d.h. #---— eine mehr oder weniger starke schall- trichterartige Erweiterung (z. B. bei Tintinnus acuminatus, Fig. 168, 5), die offenbar dazu dient, bei zurückgezogenem Tier durch Vermehrung des Reibungs- widerstandes die senkrechte Einstellung des Gehäuses zu erleichtern und die Geschwindigkeit des passiven Sinkens desselben etwas zu vermindern. Bei zurückgezogenem Tier wird nämlich der Schwerpunkt wohl stets so weit nach hinten verlagert, daß die Stellung des Gehäuses eine senkrechte wird, worauf das Tier passiv tiefer sinkt und sich hierdurch z. B. dem Einfluß der Wellen- bewegung entzieht, wenn diese durch mechanische Reizung das Tier veranlaßt, sich ganz in das Gehäuse zurückzu- ziehen. Jene Schwerpunktsverlagerung kann durch die Gestaltung des Hinter- endes des Gehäuses noch besonders be- günstigt werden, so vor allem bei den Lanzentintinnen(Xystonella), deren langgestrecktes Gehäuse am Hinterende Fig. 169. Codonella ortho- in eine scharfe Spitze ausläuft und dicht eras H., Gehäuse. 1 Aufsatz, 2 Wohn- vor dieser unter erheblicher Verstärkung fach, 3 Spitzenteil, 4 Schließapparat der Wandung zu einem „Lanzenknauf“ (geschlossen). Vergr. 550:1. Nach verdickt ist (Fig. 168, 4). Ist das Tier PrAnor 1906. bei aktivem Vorwärtsschwimmen ganz ausgestreckt, so dient dagegen offenbar der Lanzenknauf dazu, dem aus der Gehäusemündung vortretenden Weichkörper das Gegengewicht zu halten und dadurch die horizontale Fortbewegung auf der Suche nach Nahrung zu erleichtern. Die Struktur des Tintinnengehäuses, das nach Enrz (1909) aus einem dem Pseudochitin der Rhizopodenschale außerordentlich ähnlichen, wenn auch nicht völlig mit ihm identischen Eiweißkörper besteht, ist a un ns ann ua; a a a — } u ER ı T NN) Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 12 178 Protozoa. Max Lüne, schaumig, indem dasselbe aus feinen hexagonalen Waben aufgebaut wird (Bıepermann 1892, Branpr 1907). An der Außen- und Innen- fläche des Gehäuses bilden die Wände dieser Waben je eine zusammen- hängende Grenzlamelle. Das Innere der einzelnen Kämmerchen ist nach BiEDErMAnNs Vermutung mit einer spezifisch leichteren Flüssigkeit ge- füllt, so daß ihre Ausbildung für den Gehäusebewohner einen hydro- statischen Vorteil hätte. Mehrere der primären Kämmerchen können dann aber durch stärkere Ausbildung der Scheidewände zu größeren sekundären Kammern oder‘ Feldern zusammengefaßt werden und auf diesem Wege kann es durch stärkere Differenzierung verschiedener Ge- häuseteile zur Ausbildung von Fenstern kommen, die bei flüchtiger Betrachtung den Eindruck von gitterartigen Durchbrechungen des Ge- häuses machen, in der Tat aber aus einer meist nur einfachen Lage sehr zartwandiger Primärkammern bestehen und daher recht durch- sichtig erscheinen, während sie von mehr oder weniger dicken, meist stark lichtbrechenden Balken rahmenartig umgeben sind (vor allem bei Dietyocystis [Fig. 168, 7] und Codonella). Dieser alveoläre, mit Ver- stärkungswänden versehene Bau vereinigt die Vorzüge von geringer Schwere, Widerstandsfähigkeit und Elastizität bei geringem Material- verbrauch. Die Widerstandsfähigkeit hängt nicht nur von der Natur des verwandten Materiales, sondern wesentlich auch von Zahl, Größe und Wanddicke der einen bestimmten Raum erfüllenden Alveolen ab. Tintinnengehäuse mit großen und zartwandigen Kammern (z. B. die Lanzentintinnen) sind sehr leicht zu deformieren, während die fein- gekammerten Gehäuse von Dictyocystis, Codonella, Undella eine große Widerstandsfähigkeit aufweisen. Gewisse Tintinnen verstärken ihr Gehäuse durch Auflagerung von Fremdkörpern, und zwar scheint dies besonders bei den in höheren südlichen Breiten heimischen Arten weit verbreitet zu sein. So z. B. ist bei Dictyocystis coccolitholega LoHnmAnn (1912) das ganze Wohnfach des Gehäuses dicht mit Coccolithen bedeckt, während die vier antarktischen Arten der Gattung Leprotintinnus Diatomeenschalen auf ihre Gehäuse kleben. Bei Coxliella minor ist das Gehäuse sogar von lebenden Diatomeen bedeckt (LAAckmAnn 1910). Wie diese Fremd- körper gesammelt und in ihre Lage gebracht werden, ist unbekannt. Die Oberfläche des Tintinnengehäuses ist in sehr vielen Fällen glatt; häufig aber zeigt sie auch eine charakteristische Skulptur durch Leistenbildungen oder Hochfaltungen. Bei Ptychocyclis (Fig. 168, 2) z. B. ist das ganze Gehäuse oder auch nur dessen hinterer Teil mit netzartigen Hochfalten der Außenlamelle versehen. Im letzteren Falle ist dann stets die Wand des vorderen Teiles, der überhaupt keine oder nur ganz schwache Falten besitzt, erheblich verdickt und aus mehr- schichtig angeordneten Alveolen aufgebaut; zwischen den Hochfaltungen des hinteren Gehäuseteiles besteht die Wand dagegen nur aus einer einzigen Alveolenschicht. Die starken netzartigen Verdickungen finden sich also im Interesse der Festigkeit des Gehäuses gerade dort, wo die Gehäusewand im übrigen am dünnsten ist. Häufiger sind oberflächliche Leistenbildungen in Form von Wulst- ringen, die in Ein- oder Mehrzahl das Gehäuse, namentlich in seinem vorderen Teile, umgürten und auch durch eine zusammenhängende enge Wulstspirale (Fig. 168, 3) ersetzt sein können. Ihre mechanische Be- deutung beruht wohl ähnlich wie bei den Krempenbildungen auf der Vermehrung des Reibungswiderstandes beim passiven Tiefersinken. D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 179 Nicht minder weit verbreitet sind bei mehr oder weniger lang- gestreckten Gehäusen Spiralleisten, die sich in der Längsrichtung des Gehäuses mit nur schwach spiraliger Krümmung erheben. Sie können sich über die ganze Länge des Gehäuses hinziehen (bei den Streifen- tintinnen, Rhabdonella, Fig. 168, 6), sind aber sehr viel häufiger nur auf das Hinterende beschränkt (z. B. bei Xystonella, Fig. 168, 4 und Tintinnus acuminatus, Fig. 168, 5). Sie sind offenbar von lokomo- torischer Bedeutung, denn sie werden etwa wie eine Schiffsschraube wirken müssen, sobald das Tier um seine Längsachse rotiert, und daher dessen - gradlinige Fortbewegung in hohem Grade unterstützen. Ist das Gehäuse erst durch die von den Peristomwimpern herbeigeführte Dre- hung des Tieres um die eigene Längsachse in Bewegung versetzt, so wird es in ähnlicher Weise wie ein abgeschossener Torpedo noch ziem- lich lange durch die hinten befindliche Schraube weiter fortbewegt wer- den und für das Tier ergibt sich hieraus eine erhebliche Kraftersparnis. Die Entwickelung des Tintinnengehäuses scheint nach Beobach- tungen von ScHwEYErR (1911) mit der Bildung des Mündungsteiles zu beginnen, indem im Anschluß an die Teilung des Weichkörpers der vordere, zunächst nackte Sprößling unmittelbar hinter dem Peristom eine schleimig-dickflüssige Masse abscheidet, welche bei Berührung mit dem Meerwasser rasch zu einem Ringe erhärtet (Fig. 334). SCHWEYER ver- mutet dann weiter, daß bei der schnellen und stets rotierenden Schwimm- bewegung der Tintinnen jene abgeschiedene Substanz am Infusor herab- fließe und dasselbe umwickle und hiermit könnte die ontogenetische Entstehung so mancher Gehäuseformen erklärt werden. Das Gehäuse einzelner Arten soll aber nach Entz (1909) auch noch nachträglich in die Länge wachsen können infolge der Abscheidung weiterer Gehäuse- substanz durch den Vorderkörper des Tieres. Schließlich ist noch des Schließapparates zu gedenken, der häufig in den Tintinnengehäusen vorhanden ist. Derselbe besteht aus einer feinen Membran, welche ringförmig an der Innenwand des Ge- häuses befestigt ist und sich kraterähnlich, unter Umständen sogar zu einem völlig glatten Zylinder ausweitet, wenn das Tier sich ausstreckt, sich dagegen in gewöhnlich 9—12 Falten über dem Tier zusammenlegt (Fig. 169, 4), wenn dieses sich zurückzieht. Sie besteht anscheinend aus abwechselnd festeren und weniger festen, in der Längsrichtung parallel verlaufenden Teilen, die ihr eine gewisse Steifheit trotz ihrer Biegsamkeit verleihen. In einzelnen Fällen macht der Schließapparat den Eindruck, als ob er nicht aus einer zusammenhängenden Membran, sondern aus 10—12 einzelnen dreieckigen Blättchen bestehe; es scheint aber bei der außerordentlichen Durchsichtigkeit und schweren Färbbar- keit der Membran die Vermutung gerechtfertigt, daß hierbei die zarteren weniger festen Zwischenteile der Membran übersehen worden sind. Suctoria. Hier sind membranöse, gestielte oder ungestielte, stets befestigte Gehäuse sehr verbreitet. Die früher als Chitin betrachtete Substanz der Gehäuse ist wohl auch wieder ein dem Pseudochitin ähn- licher Eiweißkörper, wenngleich der Nachweis hierfür noch fehlt. Die Wandung der becherförmigen Gehäuse soll nach Sanp (1901) hohl sein oder, mit anderen Worten, die Gehäuse haben eine doppelte Wand, eine äußere und eine innere. Beide sind durch einen gallerterfüllten Hohl- raum getrennt, der sich auch in den Stiel, falls ein solcher vorhanden, fortsetzt; am Rande des Bechers gehen sie ineinander über. Offenbar handelt es sich bei dieser sogenannten doppelten Wand der Gehäuse 12* [4 180 Protozoa. Max Lüne, nur um eine oberflächliche Verdichtung der Gehäusesubstanz, um Grenz- lamellen, wie sie z. B. auch bei den Tintinnen die Außen- und Innen- fläche des Gehäuses bilden. Ungestielte Gehäuse finden sich z. B. bei Solenophrya, Urnula, Metacineta; gestielte bei Arten der Gattungen Tocophrya und Acineta. c) Aus Kalkplatten aufgebaute Gehäuse sind charak- teristisch für die pelagischen Coccolithophoriden. Mehr oder weniger zahlreiche, meist ovale Kalk- platten (Goccolithen) liegen hier einer zarten Membran auf, die sie zu einem zusammenhängenden Gehäuse verbindet (Fig. 170). „» Die Form der Coccolithen zeigt eine sehr große Verschiedenheit. Auch » können an ein und demselben Gehäuse Coccolithen verschiedener Größe und Gestalt vorkommen. Da ihr Bau aber für jede Art charakteristisch ist, bilden sie das wichtigste systematische Merk- mal der Flagellatengruppe. Fig. 170. Syracosphaera pulchra Bei manchen Formen bedecken Loum. Durchmesser 9—26 mm. Chr die Coccolithen die Gehäusemembran die beiden nierenförmigen Chromato- on er ziemlich lückenlos, bei anderen lassen N Kern. Nach LoHmans 1902 aus Sie Zwischenräume frei. Bei Deutsch- DOFLEIN. landia anthos Lomm. sind sie auf einen einfachen ringförmigen Gürtel am Aequator des hier linsenförmigen Gehäuses beschränkt (alle anderen Coccolithophoriden haben kugelige Gehäuse) und bilden einen das Schwebvermögen wesentlich erhöhenden Schwimmring. Auch bei anderen Arten aber finden wir die Coccolithen häufig als Schwebe- apparate ausgebildet, die den Reibungswiderstand im Wasser erhöhen. Bei Formen mit undurchbohrten Coccolithen geschieht dies meist durch Emporwölbung des Randes derselben, wodurch der ganze Coccolith becherförmig wird, z. B. bei Pontosphaera syracusana, wo alle Coceolithen derart umgeformt sind, und beiScyphasphaera apsteini, die in einem äquatorialen Gürtel sehr große becherförmige, im übrigen dagegen einfach scheibenförmige Coccolithen trägt. Bei Arten, deren Coceolithen in der Mitte durchbohrt sind, entsteht ein Schwebeapparat dagegen durch röhrenförmige Verlängerung der Porenmündung mit oder ohne trompetenartige Erweiterung des freien Endes dieser lang -stab- artig vorstehenden engen Röhre (z. B. bei Discosphaera und Rhab- dosphaera). Michaelsarsia endlich (mit undurchbohrten Üocco- lithen) besitzt im Umkreise der Gehäusemündung einen Kranz von bor- stenartigen Mundstrahlen, deren jeder von mehreren einreihig aneinander gereihten Coccolithen aufgebaut sein kann; bei M. splendens z. B. wird er gebildet von zwei basalen ovalen, einem bandförmig gestreckten und endlich einem endständigen borstenförmigen Coccolithen (Lonmann 1912). Cl Chr d) Kieselgehäuse endlich finden sich bei den pelagischen Silicoflagellaten. Sie bestehen aus hohlen oder (seltener) massiven Kieselstäben, die einfach ringförmig oder zu einem ver- hältnismäßig weitmaschigen hutförmigen, abgestumpft pyramiden- D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 181 förmigen oder plankonvexen Gitter miteinander verbunden sind (Fig. 171). B. Schalen. Als Grundlage für die Entstehung der bei Sarco- dinen weitverbreiteten Schalen kann eine aus gallertiger Eiweißsub- stanz bestehende Hülle angesehen werden, die den Weichkörper zeitlebens schützend umschließt, aber die Pseudopodien durch Oeffnungen hindurchtreten läßt, sei es, daß diese Oeffnungen ad hoc durchbrechen, sei es, daß sie in Ein- oder Mehrzahl dauernd vorgebildet sind. Beständigkeit und Durchlässigkeit für die Pseudo- podien sind die charakteristischen Unter- scheidungsmerkmale dieser Hüllen und der sich an sie anschließenden festeren Schalen gegenüber den vorübergehenden Üysten- bildungen. Material und Struktur der Schale. Bei einzelnen Sarcodinen ist eine derartige Hülle noch so weich und nachgiebig, Fig. 171. Distephanus daß sie Formveränderungen des Körpers speculum (Eukgc.). Gegen mitmachen kann (z. B. Cochliopodium, {ie abaestunpir PR E : . yramide gesehen. Vergr. Pamphagus, Trichosphaerium, 800:1. Nach BORGERT aus Fig.25). Von wirklichen Schalen sprechen Dortkın. wir erst dann, wenn infolge größerer Festigkeit der Hülle deren Form bei den Bewegungen des Tieres nicht verändert wird. Die Verfestigung wird hierbei auf dreierlei verschiedene Weise erzielt, 1) durch direkte Verfestigung der Eiweiß- substanz der Hülle, die chitinartige Konsistenz gewinnt, ohne Be- teiligung andersartiger Substanzen (Pseudochitinschalen), 2) durch Auf- oder Einlagerung von festerem Fremdkörpermaterial (agglomerierte Schalen) oder 3) durch Beimengung von Ab- scheidungsprodukten des Körpers selbst (autogene Kalk- und Kieselschalen). 1. Pseudochitinschalen (Beispiel: Arcella) bestehen aus einer früher als Chitin bezeichneten organischen, stickstoffhaltigen Sub- stanz mit großen Mengen abspaltbaren Schwefels, die in künstlichem Magensaft unverdaulich und in Alkalien bei Erhitzung löslich ist, alle charakteristischen Reaktionen der Eiweißverbindungen gibt, in ihren Eigenschaften am meisten an Keratin erinnert und von Awerınzew (1907) Pseudochitin genannt wurde. Die Festigkeit der Pseudochitinschale ist bei verschiedenen Arten sehr verschieden (verhältnismäßig sehr gering z. B. bei Lieberkühnia, Chlamydophrys) und nimmt mit dem Alter des Individuums zu (vielleicht infolge einer Polymerisation der Schalenteilchen). Außer bei Thecamöben finden sich Pseudochitinschalen auch bei einzelnen Heliozoen (die früher für kieselig gehaltene Gitter- schale von Clathrulina besteht aus Pseudochitin). Pseudochitin bildet aber auch die organische Grundlage aller agglo- merierten, Kalk- und Kieselschalen. 2. Agglomerierte Schalen (Fremdkörperschalen, xenogene Schalen). Bei gewissen Foraminiferen (Myxotheca, Allogromia) finden sich gelegentlich auf der Außenfläche der Pseudochitinschale hinfällige 182 Protozoa. Max Lünk, Steinchen oder sonstige Fremdkörper als Festigungsmittel auf- geklebt, die sich zu mehr oder weniger zusammenhängenden Inkrusta- tionen zusammenschließen können. Bei zahlreichen Thecamöben (z. B. Difflugia) und Foraminiferen (Rhabdamminiden, Ammodisciden, Nodo- sinelliden, Textulariden) dienen Fremdkörper verschiedener Art regel- mäßig zur Verfestigung der Schale. Die Form der Fremdkörper er- scheint hierbei meist regellos und zufällig, je nach dem sich darbieten- den Material; ihre chemische Natur ist dagegen für die verschiedenen Arten fast stets eine bestimmte: sehr häufig werden Quarzkörner benutzt (z. B. Difflugia [Fig. 24, D und 157, A], Psammosphaera, Saccammina), nicht selten Kalkstückchen (z. B. Trochammina), Nadeln von Kiesel- schwämmen (z. B. Haliphysema, Fig. 263), oder Kalkschwämmen, seltener anderes Material, wie Diatomeenschalen (z. B. Lequereusia, bei. Fora- miniferen auffallend selten), Schlamm (z. B. Astrorhiza limicola), Körnchen vulkanischen Sandes (Psammonyx vulcanicus) u. a. Diese Fremdkörper werden stets zunächst aktiv mit Hilfe der Pseudopodien in das Innere des Plasmas aufgenommen und erst nachträglich auf der Oberfläche abgelagert. Die die Fremdkörper verbindende Kittmasse besteht aus Pseudo- chitin, das meist Eisenoxydsalz enthält und infolgedessen braun gefärbt erscheint. Sie kann auch mehr oder weniger reichliche Mengen von Caleciumcarbonat enthalten (besonders stark ist diese Verkalkung der Kittmasse bei solchen Foraminiferen, die auch Kalkkrümel als Fremd- körper aufnehmen — Vorstufe reiner Kalk- schalen) oder von dem Organismus selbst abgeschiedene Kieselplättchen („Pseudo- quarze“ von PenArn, „Pseudolithen“ von RuumßBLer) bergen (Uebergang zu Kiesel- schalen.. Das Mengenverhältnis von Fremdkörpern und Kittmasse ist sehr verschieden. Bei Gordiammina z. B. (Fig. 172) enthält eine dicke Pseudo- chitinschicht nur eine geringe Zahl von Fremdkörpern; häufig hält der Kitt da- ‚Fig. 172. Gordiammina cha- gegen die Fremdkörper zu einem mauer- Zora BE nub KErınnBrn gnBT werkähnlichen Gefüge zusammen, nicht selten reicht er aber auch nicht mehr aus, die Fremdkörper in ihrem ganzen Umfange aneinanderzukitten, sondern ist nur noch zwischen deren Berührungskanten und Ecken abgelagert. Die äußere Oberfläche der Schale ist demzufolge häufig unregelmäßig rauh, kann aber selbst bei sehr reichlichen Fremdkörpermengen, wenn diese noch völlig von der Kittmasse eingeschlossen werden, ganz glatt erscheinen (z.B. Webbinella; Saccammina sphaerica, manche Arten von Reophax u. a. bauen anfangs rauhsandig, auf späteren Wachstumsstadien dagegen glatt- wandig). An der Innenfläche der Schale findet sich sehr häufig eine zusammenhängende Schicht der Kittmasse als Wandtapete oder „Schalenhäutchen“ (Fig. 173), seltener ist innerhalb einer Fremd- körperschale noch eine durch einen deutlichen Zwischenraum getrennte innere Gallerthülle vorhanden (Saccammina, Echinogromia). Besonders komplizierte Fremdkörperschalen (wenn diese Benennung hier überhaupt noch statthaft ist) finden sich bei den neuerdings in die Nähe der Foraminiferen gestellten Xenophyophora. Sie bilden hier ein schwammiges, zusammenhängendes Gerüst, das die zahlreichen D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 183 schlanken Aeste des strauchartig. verzweigten Weichkörpers allseitig umschließt und zu einer einheitlichen kompakten Masse verbindet (F. E SCHULZE). 3. Autogene Hartschalen. Außer durch die Agglomeration von Fremdkörpern kann die Verfestigung der Schale auch erfolgen durch Ablagerung einer vom Organismus selbst gebildeten Hartsubstanz in der organischen (pseudochitinigen) Grundsubstanz der Schale. Von einzelnen Sarcodinen werden in eine gallertige Pseudochitinhülle einzelne selbst- gebildete Hartteile eingelagert: senkrecht zur Oberfläche stehende Stäb- chen von Magnesiumkarbonat bei Trichosphaerium, Kieselelemente von sehr verschiedenartiger Form (Nadeln, Stacheln, Plättchen, Kügelchen u.a.) bei Heliozoen (z. B. Acanthocystis (Fig. 342), Wagnerella, Rhaphi- diophrys). Zu wirklichen Schalen kommt es auf diesem Wege entweder dadurch, daß vom Organismus abgeschiedene Kieselplättchen verschie- dener Form sich pflastersteinartig dicht aneinander lagern (Kiesel- schalen mancher Thecamöben, z. B.Euglypha, Fig. 336, Spheno- deria, Fig. 157, B, Quadrula, .Fig. 24, A) oder daß die Pseudochitin- hülle durch Imprägnation mit kohlen- saurem Kalk zu einer einheitlichen Kalk- schale erhärtet (bei den meisten Foramini- feren). Der Kalk tritt hierbei in Form des Caleites oder Kalkspats auf (Lister 1903) und enthält 0,3—12,52 Proz. Magnesium- karbonat beigemengt (BürscaLı 1908, Raumster 1911). Fig. 173. Fig. 174. Fig. 173. Textularia agglutinans, entkalkt. Die Anordnung der nur noch von der inneren Wandtapete umschlossenen Kammern tritt sehr deutlich hervor. Zwischen den Kammern sieht man noch spärliche, körnige Fremdkörper als bei der Entkalkung erhalten gebliebene Reste der Schalenwandung. Vergr. 90:1. Nach RHUMBLER 1911. Fig. 174. Rotalia beccarii. Durch Entkalkung der Schale isolierte innere Wand- tapete, die bei den zuerst angelegten, also ältesten Kammern am dicksten und daher am dunkelsten ist. Vergr. 48:1. Nach RHUMBLER 1911. Die Kalkschalen der Foraminiferen, die in warmem Wasser sehr viel mächtigere Ausbildung erfahren als im kalten (stark kalkbedürftige Arten sind stenotherm auf ersteres beschränkt), lassen in günstigen Fällen vier verschiedene Schichten erkennen, und zwar von innen nach außen: 184 Protozoa. Max Lüns, a) Das innere Schalenhäutchen (Pseudochitintapete), dem Weichkörper direkt aufliegend und der Pseudochitintapete agglo- merierter Schalen entsprechend, scheint stets ganz unverkalkt zu bleiben (Fig. 174). Bei perforaten Formen im allgemeinen stärker entwickelt, aber auch hier ein Dickenmaß von 1,3 w nicht "überschreitend ; kleidet auch, sich nach außen bald zu unkontrollierbarer Feinheit verjüngend, die Porenkanäle der perforaten Arten aus (vgl. nachstehend unter Oeff- nungen der Schale). b) Die primäre Kammerwand ist namentlich bei Milioliden und Orbitoliten mächtig entwickelt und stellt hier den Hauptbestandteil der ganzen Schale dar. Ihre Entstehung sei deshalb an dem Beispiel von Peneroplis besprochen (nach der wichtigen Arbeit von WINTER 1907). Das zur Bildung einer neuen Kammer hervorgetretene Plasma (über die Kammerung vgl. S. 188) bildet auf seiner Oberfläche eine der Kammerform entsprechende Blase, deren Kontur nach ein paar Stunden etwas verdickt erscheint und eine kaum merkliche gelbe Färbung zeigt. Diese Haut gibt das unter d besprochene äußere Schalenhäutchen ab; nach ihrer Bildung zieht sich das Plasma zurück und läßt unter ihr eine wäfßrige Flüssigkeit von der Dicke der späteren Schalenwand stehen, an deren Innenfläche dann wieder ähnlich wie zuvor das äußere auch noch das innere Schalenhäutchen abgeschieden wird. „Die an- gebaute Kammer erscheint zunächst farblos, nach 2--3 Tagen ist sie indessen vollständig verkalkt und hart.“ Dauernd bleibt aber die Kalk- wand durchweg bis in die kleinste Mikrostruktur hinein vollständig mit einer (nach Entkalkung gallertig-homogen erscheinenden) organischen Substanz imprägniert. c) Die sekundäre (exogene) Schalensubstanz wird von dem aus der Schale ausgetretenen Plasma auf der Außenfläche der pri- mären Wandschicht als weitere, in der Regel weniger verkalkte Schalen- schicht abgelagert. Bei imperforaten Formen meist fehlend, kann sie bei perforaten Formen, deren Poren das allseitige Hervortreten von Plasma ermöglichen, erheblich dicker sein als die primäre Wand- schicht (Fig. 179 A, rechts unten) und dann unter Umständen auch eine konzentrische Schichtung erkennen lassen. Beim Wachstum gekammerter Foraminiferen kann diese sekundäre Schalensubstanz an den ins Innere der Schale gerückten Teilen älterer Kammern (z. B. an den Septen der Globigerinen-Schale und an dem Globigerinen-Einschluß von Or- bulina, vgl. S. 193) wieder abgetragen werden, um als Material für den Aufbau neuer Kammern (bzw. bei Orbulina für die äußere kugelige Hülle) mit verwertet zu werden }). d) Das äußere Schalenhäutchen entspricht in gewissem Sinne wieder der Pseudochitintapete, da es vorwiegend aus Pseudochitin be- steht und relativ kalkarm ist. Es ist noch dünner und unscheinbarer als die innere Pseudochitintapete und bildet die äußere Oberfläche der Schale. Oeffn ungen der Schale. Nur bei ganz jungen Exemplaren von Trichosphaerium und bei wenigen Foraminiferen (Unter- { 1) Daß im Interesse der Materialersparnis auch die primäre Schalensubstanz der Septen nachträglich wieder wenigstens teilweise resorbiert wird, ist sehr viel seltener (z. B. Textularia folium, Globigerina ternata; vgl. RHUMBLER 1911). Ueber Septen- zerstörung zwecks Schaffung eines einheitlichen Brutraumes vgl. den Abschnitt über die Fortpflanzung. D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 185 familie Myxothecinae RHUMBLER), die noch keine feste Schale bilden, besitzt die nachgiebige, nur durch die bereits auf S. 183 er- wähnten Stäbchen von kohlensaurem Magnesium bzw. durch ge- legentlich aufgeklebte hinfällige Fremdkörper etwas verfestigte Gallert- hülle keine besonderen Mündungen, sondern kann an beliebigen oder ‚ auch an bestimmteren Stellen von den Pseudopodien durchbrochen werden. Bei allen anderen Foraminiferen und Thecamöben sind da- gegen besondere Auslaßöffnungen für die Pseudopodien, die soge- nannten Mündungen, konstant geworden. Meist finden sie sich in der Ein-, seltener in der Zweizahl (z. B. bei Ditrema, Amphitrema) oder in noch größerer Anzahl (z. B. bei Peneroplis, Orbitolites und Fusulina). Bei vielen Foraminiferen, die deswegen den Imper- forata als Perforata gegenübergestellt werden, finden sich neben dieser allen Foraminiferen zukommenden Schalenmündung noch zahlreiche die Schalenwandung mehr oder weniger siebartig durch- setzende „Wandporen“. Bei Heliozoen, soweit diese überhaupt eine Schale besitzen, fehlt eine Hauptmündung und sind nur zahl- reiche gleichartige Wandporen vorhanden. 1. Die Schalenmündung stellt für alle Thecamöben und im- perforaten Foraminiferen die einzige Oeffnung in der Schalenwand dar, durch welche der die Schale bewohnende Weichkörper in die Umgebung mit seinen Pseudopodien hinausgreifen, dort Nahrung aufnehmen, ver- brauchte Stoffe abgeben und Ortsbewegungen ausführen kann (Fig. 26). Bei perforaten Foraminiferen ermöglicht sie die allerdings nicht immer benutzte Gelegenheit zur Einfuhr größerer Nahrungskörper, die durch die engeren Poren nicht hindurchtreten können. Bei allen Foramini- feren bestimmt sie außerdem den Ausflußpunkt für die weiterbauende Sarcode und wird somit zu einem mechanischen Hauptfaktor bei Her- vorbildung der Zuwachsstücke und somit auch der ganzen Form der Schale (vgl. unten das Wachstum der Schale) und entsprechend spielt sie bei den Thecamöben und den meisten Foraminiferen auch eine wich- tige Rolle bei der Fortpflanzung (vgl. den Abschnitt über diese). Im allgemeinen ist „das Bestreben erkennbar, die Mündung nicht zu weit, sondern möglichst eng zu gestalten, offenbar um keine zu große Einfallspforte für parasitäres Gesindel zu bieten“. Nicht selten ist daher die Schale gegen die Mündung halsartig verjüngt (z. B. Amphitrema unter den Thecamöben, Proteonina, Nodosaria, Lagena unter den Fora- miniferen, Fig.30); andererseits kann man nach Ruunmgter bei Foraminiferen „als Regel — allerdings als eine solche mit Ausnahmen — beobachten, daß der Mündungsdurchmesser um so mehr hinter dem Kammerdurch- messer zurückbleibt, je stärker sich die Kammern zur Kugel aufblasen.“ Pelagische Formen haben fast durchweg auffallend weite Mündungen, was vielleicht mit ihrer Ernährung zusammenhängt (Globigerinen und Hastigerinen fressen Copepoden). Die Form der Mündung ist im einfachsten und ursprünglichsten Falle kreisförmig, indessen finden sich bei den Foraminiferen eine Reihe verschiedenartiger Abweichungen, von denen nur die Sternform bei den Textuliniden und Nodosariden (Fig. 175) und die Hufeisenform bei den Milioliden als Beispiele angeführt seien. Die letztere wird dadurch hervorgerufen, daß in den Mündungsteil der Schale eine mehr oder weniger entwickelte Kalklamelle, die sogenannte Zunge, vor- springt, welche sich an ihrem freien Ende verdicken oder mehr oder 186 Protozoa. Max Lüns, weniger tief spalten kann, so daß ihr Querschnitt Y-förmig oder T-förmig wird (Fig. 31—33). Bei einzelnen Foraminiferen (z. B. Orbitolites, Peneroplis, Poly- stomella und Fusulina) finden wir statt einer einzigen Mündung zahl- reiche in einer Reihe liegende Mündungsporen (Fig. 34 B, 180), die den Wandporen der perforaten Foraminiferen nicht vergleichbar, sondern offenbar auf die Abplattung der Orbitolites-, Peneroplis- und Polysto- mella-Schale bzw. auf die starke Streckung der Fusulina in der Achse ihrer spiralen Aufrollung zurückzuführen sind, indem diese Form „zu- nächst zu schlitzförmiger Ausgestaltung, dann zum Zerfallen der Mündung in Mündungsporen geführt hat“ (RuumßLer 1911). Auch einzelne Thecamöben besitzen mehrere bis zahlreiche Oeff- nungen zum Durchtritt der Pseudopodien. Dies ist z. B. auch der Fall bei Trichosphaerium, dessen Hülle bei älteren Exemplaren eine wech- selnde Zahl persistierender Oeffnungen besitzt, die noch deswegen von besonderem Interesse sind, weil ihr Rand wulstig verdickt ist (vgl. Fig. 25) und dieser Ringwulst durch seine Elastizität bei zurückgezoge- nem Pseudopod die Oeffnung in der Hülle selbsttätig verschließt. 2. Wandporen finden sich sowohl bei agglomerierenden wie kalkschaligen Foraminiferen vor und stellen zweifellos einen auf poly- phyletischem Wege in verschiedenen Foraminiferengruppen erworbenen Charakter dar. Hierbei ist die ursprünglich einzige Schalenöffnung neben den später erworbenen Poren als größere Hauptöffnung erhalten geblieben. Bei gewissen Arten finden sich sogar an ein und demselben Tier Fig. 175. Fig. 176. Fig. 177. Fig. 175. Nodosaria soluta. Polansicht mit sternförmiger Mündung. Vergr. 23:1. Nach RHUMBLER 1911. Fig. 176. Peneroplis pertusus, junges Exemplar. Man beachte die feinen kanalförmigen Poren der Embryonalkammer sowie den um die Embryonalkammer herum- gelegten porenlosen Kammerhals, an den sich dann erst die drei ebenfalls porenlosen nächsten Kammern anschließen. Vergr. 338:1. Nach RHUMBLER 1911. Fig. 177. Bolivina hirsuta RHUMBLER. Die drei ersten Kammern ohne, die folgenden mit spärlichen Poren. Vergr. 210:1. Nach RHUMBLER 1911. perforate und imperforate Teile der Schale nebeneinander: so ist z. B. bei Peneroplis nur die Embryonalkammer dicht und fein perforiert, während alle übrigen Kammern porenlose Wände besitzen (Fig. 176); umgekehrt finden sich bei fast allen perforaten Polythalamien in der Wandung der Erstlingskammern auf der gleichen Fläche sehr viel weniger Poren (die außerdem häufig auch noch wesentlich kleiner sind, D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 187 z. B. bei Pulvulina) wie in der Wandung der später gebildeten Kammern und oft (z. B. bei Bolivina, Fig. 177, Globigerina) fehlen die Poren in der Embryonalkammer und den nächstfolgenden Erstlingskammern sogar ganz und gar. Die Weite der Poren dürfte in der Regel ca. 2—3 1 betragen, doch kommen bei einzelnen Formen (z. B. Orbulina, Fig. 184) auch Poren von zwei verschiedenen Größen nebeneinander vor und in diesem Fall kann die Weite der größeren Poren bis zu 15 y. betragen. Ihrer Form nach sind die Poren a) „durchstichartig“, wenn sie, wie dies die Regel darstellt, als gradlinige und in ihrem ganzen Verlauf gleich weite Kanäle die Schalen- wandung derart durchsetzen, daß ihre Mündungsenden auf den beider- seitigen Oberflächen der Wandung senkrecht stehen; b) „trichterförmig“, mit erweiterter äußerer Mündung (z. B. bei vielen Globigerinen); ce) „birnförmig“, mit einer nach dem äußeren Mündungsende meist ziemlich abrupt eintretenden Verengerung (z. B. bei Globigerina pachy- derma); d) selten durchsetzen die Poren die Schalenwandung nicht grad- linig, sondern mehr oder weniger gebogen, mitunter direkt hin- und hergeschlängelt (z. B. in der Embryonalkammer von Peneroplis). Den Poren der perforaten Foraminiferen in gewissem Sinne ver- gleichbar erscheinen auch die zahlreichen Oeffnungen in den Gitter- schalen einiger Heliozoen (z. B. Clathrulina). Wachstum der Schale. Während bei den durch Zweiteilung sich vermehrenden Thecamöben ein nachträgliches Wachstum der bei der Teilung neugebildeten Schale nicht stattfindet (vgl. den Ab- schnitt über die Fortpflanzung), machen die Schalen der Foramini- feren ein lange währendes Wachstum durch, das in vier wesentlich verschiedenen Formen auftreten kann. 1. Expansionswachstum durch Dehnung ist nur bei weich- häutigen Pseudochitinschalen möglich (z. B. Myxotheca). 3. Interkalares Wachstum findet sich bei einigen agglo- merierenden Foraminiferen von mehr oder weniger rundlicher Gestalt (z. B. Sacecammina sphaerica). Die Vergrößerung erfolgt durch öfter wiederholtes Lossprengen von vorher bereits fest verkitteten Fremdkörpern bei gleichzeitigem Zwischenschieben von neuen sofort durch die pseudochitinige Mörtelmasse eingekitteten Fremdkörpern. 3. Polares (appositionelles) Wachstum ist bei Foraminiferen mit röhrenförmigen Schalen verbreitet. Durch Anlagerung neuer Schalenmassen an der Mündung wird die von der Schale gebildete Röhre gleichmäßig verlängert. Nicht selten wird mit zunehmender Länge der Schale auch der Durchmesser der neugebildeten Schalenteile etwas größer (z. B. Psam- monyx vulcanicus). Sind wie bei Rhabdammina abyssorum drei oder mehr Mün- dungen statt einer vorhanden, so entstehen durch polares Wachstum stern- förmige Schalen mit drei bzw. entsprechend mehr gleichartigen Armen. Häufig ist mit polarem Wachstum eine spiralige Einrollung der Schale verbunden, die dann meist so eng ist, daß jeder neue Umgang sich dem vorhergehenden direkt anlegt (Erhöhung der Bruchfestigkeit 188 Protozoa. Max Lüne, gegenüber der gerade gestreckten, stabförmigen Schale). Beispiel: Am- modiscus (Fig. 27), Cornuspira, Gordiammina (Fig. 172). 4. Periodisches (cellares) Wachstum führt zur Bildung gekammerter Schalen, wie sie für alle höheren Foraminiferen charak- teristisch sind (Polythalamia im Gegensatz zu den ungekammerten Monothalamia). Schon bei einzelnen primitiven Formen (z. B. Rhabdammina discreta) führt eine gewisse unregelmäßige Periodizität des polaren Wachstums zur Bildung noch wenig unterschiedener Wachs- tumssegmente und in ähnlicher Weise entstehen beiPatellina die eben- falls noch ziemlich unregelmäßigen taschenförmigen Ausbuchtungen des Lumens der spiralgewundenen röhrenförmigen Schale (Fig. 178). Bei den Polythalamia führt regelmäßige Periodizität des Wachstums zur Bildung regel- mäßiger, durch Zwischenwände („Septen“) abgesetzter Kammern. In frühester Jugend besteht die Schale der Polythalamia nur aus der einkammerigen, meist kugeligen „Em- bryonalkammer“. Wenn der Zellleib wächst, tritt ein Teil des Plasmas durch die Mündung der Embryonalkammer hervor, breitet sich auf der Außenfläche dieser Kammer etwas aus und bildet durch Abscheidung neuer Fig. 178. Patellina Schalensubstanz an seiner freien Oberfläche corrugata. Vergr. 257:1. eine zweite, an die erste angefügte Kammer. Dar En ne En Die Innenräume beider Kammern bleiben durch die Mündung der ersten Kammer mit- einander in offener Kommunikation und sind erfüllt von einem ein- heitlichen, durch das die beiden Kammern trennende Septum (die der Mündung der Embryonalkammer benachbarten Teile von deren Wandung) nur eingeschnürten Plasmakörper. Wiederholung dieses Vorganges nach einer zeitweisen Wachstumspause führt zur Anlage- rung einer dritten usw. Kammer und somit zur Entstehung viel- kammeriger Schalen. Gekammerte Schalen finden sich ebenso wie unperiodisches polares Wachstum sowohl unter sandschaligen wie kalkschaligen, sowohl unter imperforaten wie perforaten Foraminiferen. (Eine noch recht primitive gekammerte Fremdkörperschale ist in Fig. 28 abgebildet.) Die Wand- poren spielen bei der Kammerbildung keine Rolle, da sie für das hierzu erforderliche Ausströmen des Plasmas zu eng sind (eine Ausnahme hiervon siehe auf S. 191 unter Acervaltypus). Das Hervortreten des Plasmas zur Kammerbildung ist mit einer unter Wasseraufnahme erfolgenden Aufblähung verbunden und jede neu- gebildete Kammer ist in der Regel etwas größer als die vorhergehende. Diese Größenzunahme ist bei zunehmender Kammerzahl eine auffallend regelmäßige und folgt einer geometrischen Progression (näheres bei RHumBLeR 1911, demzufolge „die ganze Schalengestalt, qualitativ und quantitativ auf Grund von verhältnismäßig wenigen gegebenen Daten rechnerisch und konstruktiv eindeutig bestimmt werden kann“.) Form und Lage der neugebildeten Kammern sind außer von der Lage der Mündung der vorausgehenden Kammer abhängig von der Öberflächenspannung der ausgetretenen Plasmamasse und diese ist unter sonst gleichen Bedingungen bei jedem neuen Hervorquellen immer wieder D.I.2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 189 dieselbe wie bei dem vorhergegangenen. Infolgedessen sind stets die homologen Winkel sämtlicher Kammern einer Schale einander gleich. Bezüglich aller Einzelheiten über die Oberflächen- spannung und ihre entwickelungsmechanische Bedeutung muß jedoch auf Ruumgrers Bearbeitung der Planktonforaminiferen verwiesen werden. Hier können nur kurz die Haupttypen angeführt werden, denen die sehr mannigfaltige Anordnung der Kammern bei verschiedenen Foramini- feren folgt: 1. Nodosaltypus. Die Mündungsachse, d. h. diejenige Linie, die man sich von der ersten bis zur letzten Kammer durch die auf- einanderfolgenden Mündungen hindurchgelegt denkt, ist eine gerade oder nur sehr wenig gebogene Linie (bei Nodosinelliden und Nodo- sarinen [Fig. 28—30]). — Bei den Lageninen, die ebenfalls nach diesem Typus neue Kammern bilden, lösen sich diese sofort nach ihrer Entstehung als selbständige monothalame Schalen ab (ausnahmsweises Entstehen einkammeriger Formen aus mehrkammerigen, während sonst das Umgekehrte die Regel ist, vgl. Fig. 30). 2. Spiraltypus. Die Mündungsachse ist spiral eingerollt. Weit- aus der verbreitetste Typus, da bei ihm die Bruchfestigkeit der Schale eine besonders große ist. Je nachdem ob die spiralige Einrollung in einer Ebene erfolgt oder die Mündungsachse nach Art einer Wendel- treppe oder Schraube emporsteigt, unterscheidet man einen Plano- spiral- und einen Turbospiraltypus; je nachdem ferner ob die äußeren Umgänge der Spirale die Kammern der inneren Umgänge auf den Flächen sichtbar bleiben lassen oder sie durch Uebergreifen bis ganz oder nahe zum Zentrum ver- decken, unterscheidet man evo- lute Schalen (Fig. 37) und involute Schalen (Fig. 38). Meist liegt die Schalenmündung bei dem Spiraltypus in einer Hohlkehle, die einerseits von dem voraufgehenden Umgang der Schale, andererseits von der bei weitergehender Kammerbildung zum Septum werdenden „Mündungs- wand“ begrenzt wird (Nautiloid- typus v. STAFF und WEDERINDS, bei Trochamminiden und Rota- Fig. 179. Cristellaria spec. A Junges liarien, vgl. Fig.35u.174); seltener Exemplar. B Sehr viel älteres Exemplar bei verläuft die Mündungsachse dieht wesentlich schwächerer Vergrößerung. m Zur : : . Septenöffnung gewordene Mündung der Em- =. peripheren Schalenteil bei bryonalkammer, sSeptum zwischen Embryonal- gleichzeitiger sehr starker Größen- und zweiter Kammer. Nach RHUMBLER 1911. progression der Kammern (Cri- stellaria-Robulina-Typus v. Starr und WeEDpEkInps; bei den spiral eingerollten Nodosariden, Fig. 179). Durch sehr starke Ver- längerung der Achse der Spirale bei involuter Aufrollung entstehen die charakteristischen spindelförmigen Schalen der Fusulinen (Fig. 36) und Alveolinen. Wenn die zur Bildung einer neuen Kammer vorquellende Sarcode schon sehr frühzeitig auf ihrer Oberfläche gelatiniert und in nicht mehr flüssigem Zustande bei ihrer Anschmiegung an ältere Schalenteile auf 190 Protozoa. Max Lünue, Hindernisse oder für sie nicht ausfüllbare Riefen oder Furchensysteme stößt, kommt es zu Lücken zwischen der ursprünglichen Wand der älteren Schalenteile und der an der Oberfläche der vorquellenden Sar- code neugebildeten Schalensubstanz. Bei involuter Aufrollung können diese Lücken sich zu einem komplizierten Kanalsystem zusammen- schließen, das innerhalb der Kammersepten und zwischen diesen Septen in der Nabelgegend der Schale verläuft und seine höchste Ausbildung bei Polystomella und Nummulites findet. Fig. 180 zeigt seine typischen Teile. Im übrigen muß bezüglich der Kanalsysteme in der Foramini- ferenschale auf RHumsLer (1911) und die Spezialliteratur verwiesen werden. 3. Der zyklische Schalentypus (für die Orbitolitidae charakteristisch) ist durch kreisförmige Ausgestaltung seiner späteren Kammern und die Unterabteilung derselben in zahlreiche kleine Sekun- därkämmerchen gekennzeichnet. Er ist die Folge des Ersatzes einer einzigen Schalenmündung durch zahlreiche Mündungsporen (vgl. S. 186). Während bei anderen Foraminiferen mit mehreren Mündungsporen (z. B. Peneroplis, Polystomella) die aus den einzelnen Oeffnungen ausgetretenen Plasmamassen vor der Abscheidung von Schalensubstanz Fig. 180. Fig. 181. Fig. 180. Schematischer Durchschnitt durch Polystomella crispa zur Erläuterung des Kanalsystems. Punktiert der vom Plasma erfüllte Innenraum der Kammern, weiß die Schalensubstanz, schwarz die Oeffnungen, die die Septen quer durch- setzen, den alten Mündungsporen der nächst vorhergehenden Kammer entsprechend, sowie das innerhalb der Septen verlaufende Kanalsystem. Zu dessen Darstellung sind die gewölbten Septen als eben und alsdann der Schnitt als in der Fläche dieser Septen geführt gedacht. Die Poren der Kammerwandung sind nicht dargestellt. e Embryonal- kammer, m in jedem Septum parallel der äußeren Schalenoberfläche verlaufender Meridionalkanal, von dem aus kleine Kanäle zwischen rückläufigen Fortsätzen der folgenden Kammer zur Oberfläche ziehen, p Oeffnungen in den Septen, durch die die einzelnen Kammern miteinander kommunizieren, sp Spiralkanal (jederseits einer), der parallel dm Rande der spiral aufgerollten Kammern verläuft und von dem außer den Meridional- kanälen auch noch direkt nach außen mündende Kanäle ausgehen. Nach LISTER 1903. Fig. 181. Orbitolites duplex, junges Exemplar. e Embryonalkammer, Rh Hals der- selben, % zweite Kammer mit zwei Mündungsporen, vor deren jeder eine neue Kammer ge- bildet ist. Von diesen jüngsten Kammern besitzt die eine wiederum zwei Mündungsporen; beim weiteren Wachstum werden aber zunächst wieder nur zwei neue Kammern gleichzeitig gebildet werden, da die beiden mit m, bezeichneten Mündungsporen so dicht der gleichen Hohlkehle anliegen, daß das aus ihnen vorquellende Plasma zusammenfließen muß und nur eine Kammer bilden kann. Vergr. 210:1. Nach RHUMBLER 1911 (vgl. auch Fig. 187). D.I. 2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 191 miteinander verschmelzen, um dann zusammen eine einheitliche Kammer zu bilden, tritt bei den Orbitolitiden eine solche Verschmelzung der einzelnen hervorgequollenen Plasmamengen nur noch in sehr geringem Grade ein. Infolgedessen wird eine allmählich immer mehr zunehmende Zahl von kleinen Kammern gleichzeitig gebildet (Fig. 181), die schließlich zum Ersatz der ursprünglichen Spiralanordnung der Erstlingskammern durch die kreisförmige Anordnung zahlreicher gleichzeitig gebildeter Kämmerchen führt (Fig. 34 u. 187). 4. Der Acervaltypus, bei dem die Kammern mit Ausnahme der dem Spiraltypus folgenden Erstlingskammern ohne bestimmte Ord- nung aneinandergereiht sind, so daß eine konstante Achse an der irre- gulären Schale überhaupt nicht zu unterscheiden ist, kommt dadurch zustande, daß das Plasma aus mehreren gleichgroßen Oeffnungen nach verschiedenen Seiten gleich gut ausfließen kann, sei es daß durch eine übermäßige Vergrößerung der Wandporen die Beibehaltung einer be- sonderen Schalenmündung in den späteren Kammern überflüssig wird und die Wandporen selbst zum Austritt des kammerbauenden Plasmas benutzt werden (bei den Tinoporiden), sei es, daß bei den späteren Kammern neben der ursprünglichen Kammermündung neue akzessorische Mündungen auftreten, welche die gleiche Größe wie die ursprüngliche Kammermündung annehmen (bei Globigerinen). 5. Der Textularidentypus (für die Textulariden charakteristisch) besitzt eine äußerlich 2- oder 3-reihig erscheinende „zopfförmige“ An- ordnung der Kammern (Fig. 173 und 177) und kommt dadurch zustande, daß jede Mündungswand mit der Wand der vorhergehenden Kammer eine Hohlkehle bildet, in der sich die nächste Kammer anlegt und daß alle Mündungen der Medianachse der Schale zugewandt sind, derart daß die Mündungsachse eine Zickzacklinie bildet. Verschiedenheiten in der Anordnung der Kammern am Primordial- und am Weachstumsende, wie sie der cyklische und Acervaltypus infolge von Vermehrung der Mündungen zeigen, sind auch ohne eine solche Vermehrung nicht selten und in diesem Falle spricht man von bi- formen Schalen. So gibt es z. B. bischofstabförmige Arten (Oph- thalmidien, Haplophragmium u. a.), die am Anfang spiral auf- gerollt sind, später aber geradegestreckt, nodosaroid weiter wachsen. Diese Biformität ist nun nach RuumgLer (1897, 1911) mit einer „phylo- genetisch abfallenden Schalenontogenie“ verbunden, d. h. es gilt aus- nahmslos die Regel, daß das Primordialende mit Bezug auf die Art der Aufwindung und die Kammeranordnung eine phylogenetisch höhere (festere) Ausbildung aufweise als das Wachstumsende, also umgekehrt, wie es sonst bei wachsenden und sich entwickelnden Tieren zu sein pflegt. Die phylogenetisch höhere Entwickelungsstufe ist in solchen Fällen auch nachweisbar paläontologisch später erreicht. Als Beispiel hierfür sei auf die mikrosphärische Generation (über diese vgl. im übrigen unten den Abschnitt über Generationswechsel) von Biloculina ver- wiesen, die ihren Bau sogar zweimal ändert, also „triform“ ist. Wenn sie „am Primordialende ihre Erstlingskammer mit fünf Kammern, dann im weiteren Verlauf der Schalenbildung mit drei Kammern. und schließ- lich am Weachstumsende der Schale die voraufgegangenen Kammern bloß noch mit zwei Endkammern umhüllt, so kopiert sie in dieser Kon- struktionsfolge nacheinander die Baupläne von Quinqueloculina, dann von Triloculina, um dann erst durch zweikammerige Einhül- lung den eigentlichen Biloculina-Charakter zur Ausbildung zu bringen 192 Protozoa. Max Lüne, (Fig. 182)“. Die Reihenfolge des paläontologischen Auftretens ist nun die umgekehrte (Biloculina in der Trias, Triloculina im Jura und Quinqueloculina erst in der Kreide) und bedeutet einen stetigen Fortschritt durch Festigkeitssteigerung, ähnlich wie in dem anderen oben angeführten Beispiel von Biformität die spirale Aufrollung eine wesentliche Festigkeitssteige- rung bedingt gegenüber der einseitig geradegestreckten Kammeranordnung. Die Festigkeitsauslese spielt überhaupt eine außerordentlich große Rolle bei der phylogenetischen Weiterentwickelung der Foramini- ferenschale und mußte sich zuerst am Primordialende äußern, weil an diesem aus inneren Gründen noch nicht dieselbe Wanddicke erreicht werden konnte wie an den späteren Fig. 182. Biloculina spec. Quer-- Kammern. Sie zeigt sich außer in schnitt durch die Schale eines mikrosphäri- der Kammeranordnung auch darin, schen Individuums. Nach SCHLUMBERGER. daß aus Formen mit glatter schlichter Wand sich andere entwickelt haben, deren Kammerwände außen durch mannigfaltige Schalendekorationen (besonders häufig Leisten, die meist im Vergleich zur Mündungsachse längs [Fig. 176, 179], seltener quer oder spiralig verlaufen) lokale Ver- dickungen erfahren haben. Auch diese Festigkeitsdekorationen treten zuerst am Primordialende auf und sind häufig ganz auf dieses beschränkt. Durch starke Verlängerung ursprünglicher Festigungsdekorationen sind dann auch die Schwebedekorationen pelagischer Foramini- feren (Globigerina, Hastigerina, Orbulina) entstanden, die Fig. 183. Hastigerina digitata var. digitifera. Vergr. 10:1. Nach RHUMBLER 1911. in Form mehr oder weniger langer borstenförmiger Stacheln entwickelt sind (Fig. 183) und in Maximalfällen die 5-fache Länge des Durch- messers der zugehörigen Kammer erreichen können. Diese Stacheln sind besonders reich an organischer Substanz, die ihre relativ große D.I.2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 193 Biegungselastizität bedingt, und stehen stets senkrecht auf der zuge- hörigen Kammerwand. Bei der Bildung neuer Kammern fallen bei Globigerina diejenigen Stacheln der Resorption anheim, die aus- strahlen von Schalenteilen, die von der neuen Kammer überdeckt wer- den, und die deshalb von dem die neue Kammer bildenden Plasma ganz oder teilweise umflossen werden. Bei Hastigerina digitata bleiben sie dagegen zum Teil erhalten und dienen zur Stützung der die Schwebfähigkeit noch weiter erhöhenden, weit ausgreifenden „Finger- kammern“ (Fig. 183). Im Anschluß hieran verdient auch die eigenartige Entwickelung von Orbulina Erwähnung. Diese hat sich offenbar aus Globi- gerina-ähnlichen Stammformen entwickelt und ist heute noch die größte Zeit ihres Lebens hindurch völlig nach Art der Globigerinen ge- baut (dünnschalige, früher zu Globigerina bulloides p’ÖrBIGNY gerechnete Formen). Wenn sie jedoch eine gewisse Größe erreicht und 12—15 Kammern gebildet hat, umgibt sie diese mit einer einheitlichen kugeligen Endkammer (Fig. 184). Die inneren globigerinenähnlichen Kammern sind, wenigstens anfänglich, an der Innenfläche der End- kammer durch frühere Schwebstacheln befestigt, können aber früher oder später aufgelöst werden; bei gewissen Arten erhalten sie sich sehr lange oder gar dauernd. Es kann auch vorkommen, daß ein Teil der Wandung einer älteren Kammer direkt in die Wandung der kugeligen Endkammer als ein Stück derselben aufgenommen wird. Die kugelige Riesenkammer von Orbulina ist nur als ein extremer Fall der auch sonst bei Foramini- feren als Anpassung an das pelagische Leben auftretenden plötzlichen Vergrößerung und Auf- blähung der Endkammern aufzufassen. Fig. 184. Orbulina. Schematische Originalfigur von LANG. Aus der kugeligen Endkammer mit ihren zwei Arten von Poren ist ein schalenförmiges Stück heraus- geschnitten worden, so daß man im Innern die älteren, globigerinenartigangeordneten Kammern sieht, deren Stacheln sich an der Innenfläche der Endkammer befestigen. Die äußeren Schwebestacheln der Endkammer sind nicht dar- gestellt. Von besonderem Interesse für die morphogenetische Gestaltung der Foraminiferenschale sind auch deren Mißbildungen. Auch kleine Bruchstücke von Foraminiferen vermögen, sofern sie nur noch Kernmaterial besitzen, die Schale wieder zu regenerieren, indem die an der Verletzungsstelle vorquellende Sarcode auf ihrer Ober- fläche neue Schalensubstanz erzeugt. Maßgebend für die Form der Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 13 194 Protozoa. Max Lüne, Regenerate ist kein dem Individuum inhärenter Bauplan, sondern die Gestalt der Bruchfläche, die Austrittsstelle der auf dieser Bruchfläche vorfließenden und das Regenerat erzeugenden Sarcode, sowie deren Ober- flächenspannung, die bei minimaler Fläche zur Bildung konstanter Rand- winkel führt (vgl. S. 2 u. 189) und hierbei ganz ungewohnte Kammer- formen veranlassen kann (Einzelheiten siehe bei RuumsLer 1903). Auf solche Regenerationen sind auch wohl zum Teil die Spal- tungsmonstra zurückzuführen, bei denen infolge von Störungen während des Wachstums der Schale durch Spaltung der Kammerreihe eines ur- sprünglich einheitlichen gewöhnlichen Exemplares eine Doppelbildung Fig. 185. Penerop- lis pertusus (FORSK.). Spaltungsmonstrum, das in die beiden, in ver- schiedenem Sinne spiralig aufgerollten Spaltteile «@ und 5 auseinanderläuft. DL Decklappen, der die a Embryonalkammer zuge- deckt hat. Vergr. 63:1. (Durchmesser 1,35 mm.) Nach RHUMBLER 1911. entsteht. Bei Formen mit Mündungsporen, wie Polystomella und Pener- oplis, können aber solche Spaltungsmonstra auch dadurch entstehen, daß die aus den Mündungsporen vorquellende Sarcode verhindert wurde (etwa durch zu frühzeitiges Erstarren der Schalensubstanz), in normaler Weise zur Bildung einer einzigen Kammer zu verschmelzen (Fig. 185). Andere Doppelbildungen (echte Doppelschalen) entstehen dagegen durch nachträgliche Verwachsung mehrerer ursprünglich ge- trennter Individuen. Eine solche kommt auch bei nackten Sar- codinen vor, ist bei diesen aber meist nur von vorübergehender Dauer, z. B. bei den Heliozoen, deren mehrere unter Umständen zu einer „Freß- gesellschaft“ verschmelzen (vgl. unter Ernährungsorganellen). Bei Tricho- sphaerium können bis zu 10 In- dividuen miteinander verschmelzen, wobei die die Einzeltiere trennende Gallerthülle allmählich verschwindet Fig. 186. Trichosphaerium sieboldi ScHn. Mehrere miteinander verschmolzene Einzeltiere, zwischen denen an drei Stellen (bei /) die sie trennende Hülle noch erhalten ist. Nach SCHAUDINN 1899. (Fig. 186), dagegen nicht nur die Kerne selbständig bleiben, sondern auch das Plasma der einzelnen Individuen räumlich gesondert bleibt und D.I.2. Alloplasmatische Oberflächenorganellen. b) Hüllen usw. 195 nicht etwa durch Strömungen durcheinander gerührt wird. (Da in einem Individuum stets alle Kerne im gleichen Stadium sind, so kann man durch Auffindung verschiedener Stadien die Grenze zwischen zwei Indi- viduen auch innerhalb des einheitlich erscheinenden Plasmas recht scharf ziehen, besonders leicht, wenn eines der verschmolzenen Einzeltiere in Teilung begriffene, sein Nachbar dagegen ruhende Kerne zeigt.) Das weitere Schicksal und damit auch die physiologische Bedeutung dieser meist als „Plastogamie“ bezeichneten Verschmelzungsprodukte von Tricho- sphaerium ist noch unbekannt. Wenn mehrere beschalte Foraminiferen miteinander verschmelzen, so muß ihre Verbindung infolge der Verwachsung der festen Schalen eine dauernde werden. Besonders häufig ist dies bei Orbitolites, der daher auch das Material geliefert hat für eine eingehende Analyse der Doppel- und Mehrfachschalenbildung durch RuumgLer (1902). Ver- schmelzen bereits die Embryonalkammern oder sehr jugendliche Exem- plare, so baut das Verschmelzungsprodukt die späteren „postjugalen“ Kammern nach einem gemeinsamen Bauplan weiter (univalente Doppel- schalen, Fig. 187). Derartige Verschmelzungen können spontan ent- Fig. 187. Orbitolites duplex, eine univalente,. makrosphärische Doppelschale in ihrer Kammerfolge dargestellt. Die Kämmerchen der gleichen Ordnung sind mit gleichen Zahlen bezeichnet, die zugleich die Reihenfolge ihrer Bildung angeben. Die arabischen Zahlen beziehen sich auf den Verschmelzling Z, die römischen auf den Verschmelz- ling E,. Die Kämmerchen 3 und III verlegen für die späteren die zwischen den beiden Embryonal- kammern E und Z, befindliche Stauenge. Die Pfeile der Schluß- kammern zeigen, daß die Sarcode aus ihnen normal ausfließen kann, ohne daß es zu besonderen Stau- wirkungen kommen kann. Zx und E,x, die beiden (durch die Mün- dungen der Embryonalkammern gelegten) Erstlingsachsen, die mit der Linie ZE, einen Winkel von 230 bzw. 70° bilden. Schematisch. Aus RHUMBLER 1902. stehen, da ganz jugendliche Individuen, namentlich wenn sie demselben Muttertier entstammen, ihre Pseudopodien sehr leicht zusammenfließen lassen. Sie kommen daher nicht nur bei festsitzenden Formen, wie Or- bitolites, sondern auch bei sehr verschiedenen freilebenden vor (z. B. Globigerina, Fusulina u. a.). Bei älteren Exemplaren fehlt dagegen die Neigung der Pseudopodien zu einem derartigen Zusammenfließen voll- ständig (vgl. Jensen 1895). Deren Verschmelzung kann daher nur zwangsweise erfolgen bei festsitzenden Foraminiferen, die sich in der Jugend so dicht beieinander festgesetzt haben, daß im Laufe des Wachs- tums Teile ihrer vorquellenden Sarcode gegeneinander gepreßt werden. Die so entstehenden Doppel- (bzw. Mehrfach-)Schalen sind bivalent (bzw. plurivalent), indem auch nach der Verschmelzung jeder Verschmelz- ling seine späteren Kammern nach eigenem Bauplan weiterbaut, so dab die Doppel- (bzw. Mehrfach-)Schale aus mehreren Einzelschalen zusammen- gesetzt erscheint, die nur an bestimmten Stellen verwachsen sind (bisher 13® 196 Protozoa. Max Lünr, außer bei Orbitolites nur noch bei der ebenfalls festsitzenden Discorbina beobachtet). Die Kerne der einzelnen Verschmelzlinge bleiben in diesen Doppel- und Mehrfachschalen der Foraminiferen jedenfalls ebenso unabhängig voneinander und selbständig, wie bei der vorstehend zum Vergleich be- sprochenen Verschmelzung von Trichosphaerium. Es erschien bis vor kurzem fast aussichtslos, den Versuch zu machen, die physiologische und biologische Bedeutung der verschiedenartigen, so mannigfaltigen Schalenformen, der Art der Anordnung und Verbindung der Kammern, der Beschaffenheit ihrer Wandungen im allgemeinen und der Skulptur derselben im besonderen, zu ergründen. Um so wichtiger ist deshalb der von RuumsLer (1897, 1911) erbrachte Nachweis, „daß alle während der Stammesgeschichte [an der Schale der Foraminiferen] auftauchenden Neubildungen durchaus zweckmälige sind, einerlei ob sie am Primordial- oder am Wachstumsende oder ob sie an einer anderen Stelle der Schale auftreten.“ Vorstehend konnten hierfür nur einige Beispiele angeführt werden; für das Nähere muß auf die Originalarbeiten verwiesen werden. 3. Die Kapselmembran der Radiolarien, eine elastische Membran, die einen zentralen, den Kern oder die Kerne enthaltenden Teil des Plasmakörpers, die sogenannte Zentral- kapsel, umschließt und von dem oberflächlicheren „extrakapsulären“ Plasma trennt, möge hier im Anschluß an die Sarcodinenschalen be- sprochen werden. Sie unterscheidet sich von letzteren wesentlich durch ihre Lage im Innern des Plasmakörpers, sowie dadurch, daß sie bei der Vermehrung der Radiolarien durch Zweiteilung ähnlich einer Pellicula mitgeteilt und bei der multiplen Vermehrung vor der Ausbildung der Schwärmer aufgelöst wird; sie bietet aber anderer- seits doch auch manche Vergleichspunkte. Wie bei den schalen- tragenden Sarcodinen das Plasma durch Oeffnungen der Schale her- vortreten und zeitweise sogar die ganze äußere Oberfläche der Schale mit einem dünnen Plasmamantel umhüllen kann, so steht auch bei den Radiolarien das Plasma der Zentralkapsel mit dem extrakapsulären Plasma durch Oeffnungen der Kapselmembran hindurch in Verbin- dung. Die die Kapselmembran bildende Substanz wird als Pseudo- chitin aufgefaßt, ähnlich der organischen Substanz der Sarcodinen- schalen. Die 'Zentralkapsel enthält die lebenswichtigsten Teile des ganzen Radiolarienkörpers: Thalassicollen, die ihres extrakapsulären Plasmas beraubt sind, vermögen dieses in wenigen Tagen zu regene- rieren und sich damit wieder zum vollständigen Tiere auszubilden, während das von der Zentralkapsel abgelöste Extracapsularium zer- fällt (SCHNEIDER 1869). Dieser Versuch zeigt auch, daß der Kapselmembran eine schützende Funktion zukommt. Immerhin muß diese bei den meisten Radiolarien gegenüber der Schutzwirkung des die Zentralkapsel umgebenden Kiesel- skelettes zurücktreten. Bei den Astrocapsiden wird die Zentral- kapselmembran zeitweise sekundär durch kleine, später verschmelzende Plättchen aus Strontiumsulfat überdeckt und „versteinert“ (Pororsky 1908). D.I.3. Die Kapselmembran der Radiolarien. 197 Die die Kapselmembran durchsetzenden Oeffnungen sind in den verschiedenen Ordnungen verschieden angeordnet und gestaltet. Bei Spumellarien und Acantharien sind in der Kapselmembran zahl- reiche feine Poren vorhanden, die untereinander gleich sind und in gewissem Sinne den Schalenporen der perforaten Foraminiferen ver- glichen werden können. Bei den Spumellarien sind diese Poren gleichmäßig auf die ganze Fläche der Membran verteilt, bei den Acan- tharien finden sie sich dagegen meist in gruppenweiser Anordnung. So allgemeingültig, wie im Anschluß an HAEckeEL gewöhnlich angenommen wird, scheint dieser Unterschied freilich nicht zu sein, da Pororsky (1904) bei der Acantharie Phyllostaurus quadrifolius eine völlig gleich- mälige Verteilung der Poren über die ganze Membran fand. Bei den Nassellarien und Tripylarien fehlen dagegen solche feinen Poren. Statt ihrer findet sich, wiederum in gewissem Sinne an die Thecamöben und die imperforaten Foraminiferen erinnernd, eine große Hauptöffnung, die freilich in beiden Ordnungen verschieden gebaut ist und zu der bei den Tripylarien noch zwei kleinere Nebenöffnungen hinzutreten. Bezüglich der Einzelheiten des Baues dieser als Astropyle und Parapylen unterschiedenen Durchbrechungen der Kapselmembran bei den Tripylarien kann auf S. 75—76 verwiesen werden. Hier sei nur noch ergänzend hinzugefügt, daß bei einzelnen Formen eine Ver- mehrung der Zahl der Astropylen stattgefunden hat, auf 2 bei Chal- lengeria naresi, auf eine größere, am oralen Pole der Zentralkapsel zusammengedrängte Zahl bei Planktonetta und Nationaletta. Bei Planktonetta geht damit auch eine Vermehrung der Parapylen einher. Bei den Nassellarien liegt die Hauptöffnung (ÖOsculum) der monaxonen Zentralkapsel ebenso wie die Astropyle der Tripylarien am oralen Pole und ist „durch einen kreisrunden Siebdeckel geschlossen. Dieser Siebdeckel er- scheint, von der Fläche betrachtet, als ein scharf umschriebenes Porenfeld und bildet die ‚horizontale Basis eines eigentümlichen Kegels, der vertikal in das Innere der Kapsel vorspringt und als Fadenkegel (Podoconus) bezeichnet wird“ (Fig. 188). Ueber den feineren und feinsten Bau, wie über die Bedeutung dieses ganzen Apparates herrschen noch verschiedene An- sichten. Zahl und Form der Zentralkapseln. Während bei der überwiegenden Mehrzahl der Radiolarien nur eine Zentralkapsel vorhanden Fig. 188. Zentral- kapsel einer Nassellarie - 2 ni (Tripterocalpis ogmoptera ist, finden sich statt dessen bei einigen, deshalb Hexr.). K Kern, O Oel- als „polyeystin“ bezeichneten Formen mehrere. tropfen, P Podoconus. Vergr. Zum Teil handelt es sich hierbei offenbar nur 00:1. Nach HAECKEL. um Entwickelungsstadien, bei denen die Teilung des ganzen Tieres der Teilung der Zentralkapsel nicht gleich gefolgt ist (z. B. bei Thalassicolla, Thalassophysa). In anderen Fällen aber scheint der Besitz mehrerer (und zwar meist zweier) einander gleichwertiger Zentralkapseln eine charakteristische Eigentümlichkeit der betreffenden Arten oder Familien zu sein (z. B. Astracanthiden [vgl. S. 206], Cast- anelliden, Tuscaroriden, vgl. auch Fig. 99). Die Grundform der Zentralkapsel ist die Kugel; Abweichungen hier- von sind aber durchaus nicht selten, auch ganz abgesehen von dem die 198 Protozoa. Max Lünur, kugelige Gesamtform nicht immer merklich störenden monaxonen bzw. bilateralen Bau bei Nassellarien und Tripylarien. Stärkere Abweichungen von der Kugelform sind stets durch die Form des Skelettes oder des ganzen Körpers bedingt. So kann die Zentralkapsel linsenförmig, ellip- tisch oder gar langgestreckt zylindrisch werden (letzteres außer bei be- stimmten Entwicklungsstadien von Thallassophysa, die einer multiplen, zu vorübergehenden polycystinen Zuständen führenden Teilung voraus- gehen, bei einzelnen in einem Aequatorialdurchmesser sehr stark in die Länge gestreckten Acantharien). Bei anderen Acantharien entsendet die Zentralkapsel lappige Fortsätze, die den Hauptachsen des Skelettes folgen (Beispiel: Lithoptera mit vier regelmäßigen, in Kreuzform gestellten Lappen). Bei Sphaerellarien treten nicht selten allseitig radiär aus- strahlende Lappen bruchsackartig durch die Poren der innersten Gitter- schale hindurch, um bei manchen Arten bei weiterem Wachstum noch wieder zu verschmelzen, so daß wieder eine kugelige, die Gitterschale umschließende Zentralkapsel entsteht. Die monaxone Zentralkapsel der Nassellarien kann in ähnlicher Weise 2—4 (meist 3) Lappen durch Oeffnungen des Skelettes (Fig. 202 c) oralwärts entsenden und bei Cyto- celadus entspricht dem einzigen Riesenspiculum auch eine Zentralkapsel mit langen radiären, dichotom verzweigten Aesten. Die Kapselmembran ist bald außerordentlich dünn (unter 0,0001 mm), bald erreicht sie eine größere Dicke (bei einzelnen Arten über 0,006 mm). Bei manchen Tripylarien läßt sie zwei Schichten, eine dickere äußere und eine dünnere innere erkennen, die sich bei der Konservierung leicht von- einander ablösen (Fig. 97), doch ist dies entgegen früheren Annahmen nicht für die ganze Ordnung charakteristisch. 4. Skelettbildungen. Im Gegensatz zu den auf der Oberfläche des Zellkörpers ab- geschiedenen Hüllen, Gehäusen und Schalen werden die im Inneren der oberflächlichen Plasmaschichten abgeschiedenen Hartgebilde der Radiolarien als Skelettbildungen bezeichnet. Fast stets bestehen die- selben aus amorpher Kieselsäure; nur die Ordnung der Acan- tharia macht eine auffällige Ausnahme, indem bei ihr das Skelett aus Strontiumsulfat besteht. Daß das Acantharienskelett sich chemisch von dem Skelett der an- deren Radiolarien wesentlich unterscheidet, ist schon lange bekannt und zeigt sich am auffälligsten in seiner leichten und vollständigen Löslich- keit in reinem Wasser, verdünnten Säuren und gewissen Salzlösungen. HaEcKEL hatte seine Substanz als organisch und chitinähnlich betrachtet und Acanthin genannt, eine Auffassung, die sich noch in den meisten Lehrbüchern findet. ScHEwIAKkorr (1902) kam bei einer quantitativ- chemischen Analyse zu dem Resultat, daß die Skelettsubstanz der Acan- tharien wahrscheinlich aus einem Hydrat von Calcium-Aluminiumsilikat mit Spuren von Eisen und Magnesium bestehe. Erst Bürschtı (1908) erbrachte den Nachweis, daß es sich um fast reines Strontiumsulfat handelt; die bei den Analysen gefundenen Spuren von Kieselsäure ist er geneigt, auf Verunreinigungen zurückzuführen. Ebenfalls aus Stron- tiumsulfat bestehen nach Bürschuı (1906) wahrscheinlich auch Kristalle, die sich bei einzelnen Spumellarien im Inneren der Zentralkapsel be- finden (verhältnismäßig groß bei Collosphaera huxleyi, klein und nur bei der Schwärmerbildung auftretend bei Sphaerozoen). D. 1.4. Skelettbildungen. 199 Die meisten Skelettbildungen enthalten, wenn überhaupt, nur Spuren organischer Substanz. Nur bei einzelnen Tripylarien wird der Gehalt an organischer Substanz etwas größer, namentlich bei den Tuscaroriden, deren Skelett mürber ist wie bei den meisten anderen Tripylarienformen. Unter den Radiolarien fehlen Skelettbildungen nur wenigen Angehörigen der Ordnungen Spumellaria (z. B. Thalassicolla, Fig. 46, Thalassophysa zum Teil), Nassellaria und Tripylaria (bei diesen beiden Ordnungen ist es aber keineswegs ausgeschlossen, daß die skelettlosen Formen nicht selbständige Arten, sondern nur Jugend- formen sind). Bei manchen Formen (z. B. Thalassophysa spi- nulosa, Thalassoplancta [Fig. 96], Sphaerozoum, den Aulacanthiden unter den Tripylarien) wird das Skelett von zahl- reichen isolierten einfachen oder verzweigten Kieselelementen ge- bildet. Die einzelnen Stacheln können aber auch miteinander ver- hältnismäßig fest verbunden sein (bei den meisten Acantharia) und bei der Mehrzahl aller Radiolarien bildet das Skelett ein einheitliches Gerüst von oft großer Zierlichkeit, welches besonders häufig in der Form von Gitterschalen ausgebildet ist und offenbar aufgefaßt werden muß als entstanden durch Verschmelzung zahlreicher Einzelgebilde. Die Mannigfaltigkeit und zum großen Teil auch die Kompliziertheit der Radiolarienskelette ist so außerordentlich, daß es unmöglich ist, hier eine auch nur einigermaßen vollständige Uebersicht über dieselben zu geben. Nur einzelne Beispiele und einige Gesichtspunkte mehr all- gemeiner Art können hier herausgegriffen werden, um die Grundzüge der Formgestaltung etwas zu beleuchten. Im übrigen sei außer auf die nähere Beschreibung eines der kompliziertesten Radiolarienskelette auf S. 77—84 vor allem auf die monographischen Bearbeitungen der Radio- larien der Challenger- und der deutschen Tiefseeexpedition durch HAEcKEL und HAECKER verwiesen. A. In den verschiedenen Ordnungen der Radiolarien ist das Skelett trotz vielfacher unverkennbarer Konvergenzerscheinungen doch verschieden gestaltet. 1. Verhältnismäßig die einheitlichsten Verhältnisse bieten die Acan- tharia, deren Skelett stets aus Radialstacheln besteht, die im Gegen- satz zu allen anderen Radiolarien bis zum Zentrum der Zentralkapsel reichen. Nur bei wenigen Formen (Actinelida) ist Zahl und Anordnung dieser Stacheln unbestimmt (Actinelius und Podactinelius mit 30—200 vom Zentrum ausgehenden Radiärstacheln). Bei allen anderen Acantharien ist dagegen Zahl und Anordnung bestimmten Gesetzen unterworfen, und zwar findet sich meist die sogenannte MürLLersche Stachelanordnung: 20 Stacheln sind derart gestellt, daß ihre Aus- trittsstellen an der Oberfläche des Radiolars zu je 4 in 5 parallelen Kreisen angeordnet sind, die bei einem Vergleich mit der Erdkugel dem Aequator, den beiden Wendekreisen und den beiden Polarkreisen entsprechen; in den einander benachbarten Kreisen stehen die Stacheln alternierend. Als Modifikationen dieser Anordnung sind auch die drei anderen von Pororsky (1904) aufgestellten Stellungsgesetze zu betrachten: 1) Bei der Hascxzeutschen Stachelanordnung finden sich 32 Stacheln, von denen 20 nach dem Mürrerschen Gesetz gestellt sind, während die übrigen sich zu je 4 auf den Aequator und die beiden Wendekreise verteilen (Actinastrum). 2) Bei der Branprschen Stachel- anordnung sind wie bei der Mürrerschen 20 Stacheln vorhanden, 200 Protozoa. Max Lüne, von denen aber zwei in den (sonst stets stachelfreien) Polen zu stehen scheinen, während die übrigen dann zu je sechs in gleichen Winkel- abständen (60°) auf den Aequator und den nördlichen und südlichen 45. Breitengrad verteilt sind. Die Anordnung entspricht der MÜLLEr- schen, wenn die scheinbaren Polstacheln als Lateralstacheln (d. h. ver- kürzte Aequatorialstacheln) aufgefaßt werden, nur sind dann auch in den Polarkreisen die Stacheln ungleich stark entwickelt (Rosetta, Fig. 45). 3) Die Dreigürtelstellung, mit 18 Stacheln, entspricht der vorigen; nur fehlen die beiden Lateralstacheln (Trizona, Fig. 43). Für die Verfestigung des Acantharienskelettes ist die zentrale Verbindung der Stacheln von Wichtigkeit. Bei den Acanthochias- miden entstehen durch paarweise Verwachsung von Radiärstacheln 10 bzw. 16 Diametralstacheln, die bei einigen Arten lose aneinander vor- beigehen; ihre zentralen Teile können aber auch Ausbuchtungen oder schraubige Windungen besitzen, die fest aufeinander gepreßt sind und um die herum sekundär noch wieder weitere Skelettsubstanz abgeschie- den werden kann, so daß ein kompaktes zentrales Verschmelzungsstück entsteht (Fig. 189). Sonst sind die Radiärstacheln im Zentrum ent- [0 b Fig. 189. Acanthochiasma cruciata HAECKEL. «a Polansicht eines normalen Skeletts, b Seitenansicht eines etwas abnormen Skeletts, bei dem die zentralen Aus- buchtungen der beiden äquatorialen Hauptstacheln nicht ganz aufeinander treffen. Nach PoPorsky 1905. weder durch einfache Ineinanderkeilung und sekundäre Verkittung von teils 5-, teils 6-seitigen Basalpyramiden verbunden (Fig. 190 und 192) oder ihre Verbindung wird durch ein „Blätterkreuz“ vermittelt, dessen 4 dreieckige Blätter (Fig. 191) sich mit ihren dem zentralen Stachelende zugeneigten „Stirnflächen“ aneinanderlegen. Das Blätter- kreuz läßt sich von der einfachen 5- bzw. 6-seitigen Pyramide in der Weise ableiten, daß 4 von den 5 bzw. 6 dreieckigen Pyramidenflächen ihre Verbindung miteinander bzw. mit den Nachbarflächen aufgegeben haben und durch je einen blattförmigen Flügel von dem Schaft oder „Achsenstab“ des Stachels emporgehoben worden sind; die ursprüng- liche, an der Stachelbasis auch stets noch als solche erkennbare Pyra- midenfläche ist damit zur Stirnfläche des Blätterkreuzes geworden (Fig. 191 und 193). Die Art der Verbindung der verschiedenen Blätter- D.I. 4. Skelettbildungen. 201 kreuze miteinander geht aus der schematischen Fig. 193 hervor. Eine weitere Komplikation ergibt sich bei Amphilonchidium und Cruciforma Fig. 190. Fig. 191. Fig. 190. Amphilonchidium heteracanthum HAECcKEL. Zentrale Verbindung eines Tropen- und zweier Polstacheln. Ansicht vom Aequator. P, Polstachel der kürzeren, P, Polstachel der längeren Aequatorialachse, 7 Tropenstachel. Nach MIELCK 1907. Fig. 191. Zygacanthidium rhombicum HAECcKEL. « Breitseite, b Schmalseite des Basalteiles eines Hauptstachels. Vergr. 500:1. Nach MIELCK 1907. dadurch, daß hier nur ein Teil der Stacheln 4 Blätterkreuze besitzt (bei Cruciforma die vier Aequatorialstacheln; bei Amphilonchidium [Fig. 194 und 207] nur zwei Aequatorialstacheln, die wesentlich kräftiger und Fig. 192. Fig. 193. Fig. 192. Schema für die Zusammensetzung des zentralen, aus den 20 Basalpyra- miden der Stacheln gebildeten Skelettstückes einer Acanthometride. Polansicht. Ae sechs- seitige Aequatorialstachelpyramiden, P, sechsseitige und P, fünfseitige Polstachelpyramiden, T fünfseitige Tropenstachelpyramiden. Nach MIELCK 1907. Fig. 193. Schema für die Zusammensetzung des zentralen, aus vierflügeligen Blätter- kreuzen gebildeten Blätterbaues einer Acanthometride. Schwarz ausgefüllt der Achsen- stab der einzelnen Stacheln, einfach konturiert die vier Blätter der einzelnen Stacheln, punktiert die Grenzen der den einzelnen Basalpyramiden entsprechenden Bezirke. Nach MIELCK 1907. 202 Protozoa. Max Lünk, länger sind als die beiden anderen); ein anderer Teil der Stacheln (bei Cruciforma sämtliche Polstacheln; bei Amphilonchidium nur die Hälfte derselben, aber auch die beiden kürzeren Aequatorialstacheln) besitzt überhaupt keine Blätter, sondern endet in einfache kleine Basalpyra- miden und die übrigen Stacheln haben jeder nur zwei Blätter, die mit den Blättern der benachbarten Stacheln zusammenstoßen (Fig. 194). Fig. 194. Fig. 195. Fig. 194. Schema des Blätterbaues von Amphilonchidium. Polansicht. Dar- stellung wie in Fig. 193. Nach MIELCK 1907. Fig. 195. Schema eines einzelnen Stachels eines Acanthophracten. Nach Po- POFSKY 1907. Auch abgesehen von dieser verschiedenen Ausbildung des Basal- teiles der Stacheln kann sich das Skelett noch in sehr verschiedener Weise komplizieren. Häufig sind, wie bereits angedeutet, die einzelnen Stacheln verschieden gestaltet, vor allem bestimmte Stacheln länger und dicker wie die übrigen (Fig. 190). Der Querschnitt der Stacheln ent- spricht ursprünglich dem der Basalpyramide, wird aber häufig durch Abrundung der Kanten des Fünf- bzw. Sechsecks rund oder durch Kom- pression von zwei entgegengesetzten Seiten her abgeflacht. In letzterem Falle schwinden meistens die schmalen fünften und sechsten Flächen und der Stachel wird zweischneidig mit rhombischem oder (bei Ab- rundung der Kanten auf den beiden Breitseiten) lanzettlichem Quer- schnitt. Bei anderen Formen sind 4 Flächen des vieleckigen Quer- schnitts ähnlich wie bei dem basalen Blätterkreuz emporgehoben, so daß der ganze Stachel vierflügelig wird. Ferner können die Stacheln (bei den Acanthophracta) um die Zentralkapsel herum „Apophysen“ in Gestalt tangential gestellter Dornen entsenden (vgl. Fig. 45), die sich dann verästeln und deren Aeste miteinander anastomosieren und sich mit denen der benachbarten Radialstacheln zur Bildung einer die Zen- tralkapsel umschließenden Gitterschale verbinden (Fig. 195 und 44). Von der Oberfläche dieser Gitterschale können sich noch kleine radiäre „Nebenstacheln“ erheben oder auch becherförmige Gitter-„Mäntel“, die alle oder einzelne Stacheln umgeben, und bei einigen Formen sind ähn- lich vielen Spumellarien statt einer einzigen zwei konzentrische Gitter- schalen entwickelt. D.I.4. Skelettbildungen 203 2. Bei den Spumellarien ist das Skelett sehr verschiedenartig ausgebildet. In Ergänzung des hierüber bereits auf S. 30f. Ge- sagten mögen hier nur noch einige vergleichende Angaben über die Gitterschalen der Sphaerellarien folgen. Häufiger als in den anderen Radiolarienordnungen sind hier mehrere konzentrisch ineinauder geschachtelte und durch radiale Strebepfeiler verbundene Gitterschalen vorhanden, von denen die innerste oder die beiden innersten innerhalb der Zentralkapsel liegen können und dann von Harcker als Mark- schalen den extrakapsulären Rindenschalen gegenübergestellt werden. Die Lagebeziehungen von Skelett und Zentralkapsel sind aber veränderlich und Mast (1910) unterscheidet deshalb von anderen Ge- sichtspunkten ausgehend, Primär-, Sekundär- und Tertiärschalen. Die Primärschale ist die einzige Schale oder diejenige, die auf Grund einer vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Gattungen und Arten der Gitterschale der einschaligen Formen homologisiert wer- den muß. Sie ist meist durch besondere Derbheit ausgezeichnet (Fig. 196 bis 193, Ps), bildet den Hauptstützpunkt für die Radialstacheln und Fig. 196. Caryomma hetero- cyclum Mast. Ein Teil des kugeligen Skelettes. MS 3 Markschalen, PS ®Primärschale. Nach Mast 1910. Fig. 197. Hexacromyum ele- gans HAECKEL. Ein Teil des kugeligen Skelettes. Vergr. 400:1. PS Primärschale, $S Sekundärschale. Nach HAECKEL 1887. Fig. 195. Heterosphaera cro- myommoides Mast. Teil des kuge- ligen Skelettes. M$ 2 Markschalen, PS Primärschale, 8S Sekundärschale. Nach Mast 1910. 204 Protozoa. Max Lüur, entspricht meist einer Rindenschale früherer Autoren, ohne doch deshalb immer die äußerste Schale zu sein. Innerhalb der Primärschale gelegene, stets sehr viel zartere Schalen können die alte Bezeichnung Mark- schalen behalten ohne Rücksicht auf ihre Lage zur Zentralkapsel (Fig. 196 und 198, Ms). Von der Primär- (oder auch von einer Mark-) Schale können sich zwischen den Hauptstacheln kleinere „Nebenstacheln“ (kurze Radial- stacheln mit streng kreisrundem Querschnitt) erheben, durch deren Ver- ästelung und Anastomosierung die Sekundärschale entsteht (Fig. 197 und 198, Ss). Tertiärschalen, die im Gegensatz zu den Sekundärschalen in der Mehrzahl vorhanden sein können, entstehen dagegen durch Ver- ästelung und Anastomosierung der Hauptstacheln (Fig. 199). Bei reich- Fig. 199. Arachnospongus varians MAst. Teile des kugeligen Skelettes zweier Individuen. PS Primärschale, 78 Tertiärschalen. Nach Mast 1910. licherer Verzweigung derselben und unregelmäßiger Anordnung der Seitenzweige kommt an Stelle einer mehr oder weniger regelmäßigen Tertiärschale ein spongiöses Netzwerk zustande (z. B. unter den kugeligen Astrosphäriden bei den Spongosphaerinen). 3. Die sehr verschiedenartigen Skelette der Nassellarien leitet JÖRGENSEN (1905) ab von einer Grundform, bei der sich über einem die Zentralkapsel tragenden Dreifuß noch ein Apikalstachel erhebt (Fig. 200). Diese Stacheln können sich verästeln und einzelne ihrer Aeste sich zur Bildung von Ringen miteinander vereinigen (Fig. 201). Besondere Verbreitung besitzt ein die Zentralkapsel umgreifender „Sa- gittalring“, dessen Lage und Entstehung aus Fig. 48 hervorgeht und zu dem sich sehr häufig in einer zu ihm senkrechten Richtung ein zweiter Ring hinzugesellt; an der Basis des Skeletts sind beide durch einen dritten horizontalen Ring verbunden, während der primäre Drei- fuß völlig zurücktreten kann (Stephoiden, Fig. 49). Von derartigen Ringformen sind durch weitergehende Fortsatzbildung die mannigfaltigen monaxonen Gitterschalen der Öyrtellarien ableitbar (Fig. 202, vgl. auch Fig: 50). 4. Bei den Tripylaria ist der Formenreichtum so unerschöpflich und dabei der Aufbau der verschiedenen Skelettformen so wenig ein- D.I. 4. Skelettbildungen. 205 heitlich (vgl. die systematische Uebersicht auf S. 32£.), daß hier auf eine auch nur summarische Betrachtung verzichtet werden muß. Einige wichtigere Ausbildungsformen des Skelettes werden jedoch in den fol- genden Absätzen noch berührt werden. Ein verhältnismäßig sehr kom- pliziertes Tripylarienskelett ist bereits auf S. 77—84 geschildert worden. Fig. 200. Fig. 201. Fig. 200. Schema des Dreifußes einer plektoiden Nassellarie. Nach JÖRGENSEN 1905 aus POPOFSKY 1908. Betreffs der Lage der Zentralkapsel vgl. Fig. 48. Fig. 201. Skelett von Plectacantha. Schematisch. Nach JÖRGENSEN 1905 aus POPOFSKY 1908. Fig. 203. Fig. 202. Schema des Cyrtellarienskelettes. a Der primäß® Sagittalring um die Zentralkapsel (vgl. hierzu Fig. 48), d der auf ihm senkrechte zweite Meridionalring. In der rechten Hälfte des Schemas ist das Skelett so gezeichnet, wie es sich bei den Stephoiden darstellt, wo es nur aus den Ringen besteht (vgl. Fig. 49). Aus der Be- stachelung der Ringe geht dann bei den Cyrtellarien die Gitterwand des sog. Capitulums hervor, wie sie auf der linken Hälfte der Figur dargestellt ist, e Die für die Cyrtellarien charakteristischen drei Basallöcher, die von Basalstacheln flankiert werden. Von den letzteren aus kommt es bei den mehrgliedrigen Formen zu einer Verlängerung des Gitter- skelettes nach unten, wobei dann auch die Zentralkapsel drei lappige Fortsätze durch die Basallöcher hindurch entsendet. Nach BÜrscHLı 1910 aus DOFLEIN. Fig, 203. Aulographis arcuata HAECKER. Aus HAECKER 1908. 206 Protozoa. Max Lünus, B. Die mechanisch-funktionelle Formgestaltung des Radiolarienskelettes ist auf 2 Haupttypen zurückzuführen, die sich frei- lich in verschiedener Weise miteinander kombinieren können und die wir mit HarckeL als Astroid- und Sphäroidtypus bezeichnen. Der Astroidtypus findet sich am reinsten ausgeprägt bei den Acanthomethriden, Thalassothamniden, Plectoiden, Aula- canthiden und Astracanthiden, bei denen das Skelett ganz oder doch fast ausschließlich aus radiären stachelartigen Elementen besteht, über deren periphere Enden das die Grenze des Weichkörpers bildende Oberflächenhäutchen baldachinartig ausgespannt ist. Bei den Thalasso- thamniden sind (ähnlich wie bei den sehr viel kleineren Plectoiden, Fig. 48, 200 und 201) die radiären Strahlen die Ausläufer eines einzigen Riesenspiculums, dessen Mitte mit der Mitte des Weichkörpers zusammen- fällt; bei den Acanthometriden und ähnlich bei der Tripyleenfamilie der Astracanthiden sind die einzelnen Radialstacheln in einem zen- tralen Knotenpunkte innig miteinander verbunden (vgl. S. 200f.); bei den Aulacanthiden enden sie frei, sich mehr oder weniger überkreuzend, innerhalb des verhältnismäßig kompakten Phäodiums, das ihnen als Widerlager dient (Fig. 205). Häufig wird die Druck- und Biegungs- festigkeit der Radialstacheln durch spindelförmige Auftreibung der Schaft- mitte erhöht. Der Konflikt, in den die eines Widerlagers bedürfenden zentralen Teile der Radialstacheln mit der Zentralkapsel geraten, die aus statischen und ernährungsphysiologischen Gründen ebenfalls bestrebt ist, ihren Platz in der Mitte des Weichkörpers einzunehmen, wird bei den Acantharien dadurch ausgeglichen, daß die Zentralkapsel von den Radialstacheln durchsetzt wird. Bei den anderen genannten Familien wird dagegen die Zentralkapsel aus der Mitte des Weichkörpers ver- drängt; das Gleichgewicht wird dann aufrecht erhalten durch Verdoppe- lung der Zentralkapsel und dadurch bedingten bilateral-symmetrischen Bau (bei Astracanthiden und einem Teil der Aulacanthiden) oder durch Uebergang zur monaxon-ungleichpoligen Gestalt, indem die Zentralkapsel und das die Stachelbasen bergende Phaeodium einander überlagern (bei den übrigen Aulacanthiden, vgl. Fig. 203), oder endlich dadurch, daß bei den Thalassothamniden die Zentralkapsel lange, dichotomisch verzweigte Fortsätze entsendet, die gleich den Aesten des Riesenspiculums allseitig radiär ausstrahlen. Vorwiegend astroid ist auch das Skelett der Coelodendriden, bezüg- lich dessen auf die ausführliche Besprechung von Coelospathis ancorata auf S. 77—84 verwiesen sei. Die Sphäroidskelette, die nur selten in Form isolierter, die Zentralkapsel mantelartig umgebender Skelettelemente (beiSphaerozoen und einzelnen Collodarien), meist in Form verschiedenartig gestalteter Gitterschalen (bei der Mehrzahl aller Radiolarien) ausgebildet sind, bieten der Zentralkapsel einen wesentlich größeren Schutz und im allgemeinen auch dem ganzen Weichkörper einen besseren Zusammenhalt. Ueber- gänge zum Sphäroidtypus finden sich daher auch in solchen Radiolarien- gruppen, die im allgemeinen Astroidskelette besitzen: Die Aulacan- thiden besitzen außer ihren großen Radialstacheln noch einen peripheren Mantel kleiner Tangentialnadeln und bei manchen von ihnen haben die Radialstacheln selbst tangential abgehende Seitenzweige oder endständige zurückgekrümmte Terminaläste, die den Weichkörper völlig käfigartig umklammern können (z. B. Aulographis arcuata, Fig. 203); unter den im Prinzip durchweg dem Astroidtypus folgenden Acantharien D.I. 4. Skelettbildungen. 207 kommen nicht nur ebenfalls derartige tangentiale Seitenzweige vor, sondern ist es sogar bei den Acanthophracta zur Ausbildung einer geschlossenen Gitterschale gekommen (Fig. 44), und in ähnlicher Weise hat sich anscheinend auch unter den Öollodarien anschließend an das rein astroid gestaltete Riesenspiculum der Thalassothamniden die Gitter- schale der Orosphaeriden entwickelt (vgl. Rıecke 1910). Entsprechend seiner weiten Verbreitung zeigt der Sphäroidtypus die mannigfaltigsten Modifikationen. Die kugelige Grundform macht ellip- soidischen, scheibenförmigen, linsenförmigen, eiförmigen, zweiklappigen usw. Ausbildungen der Gitterschale Platz, und besonderes Interesse ver- dient die namentlich bei den Nassellarien weit verbreitete, aber auch für mehrere Tripylarien-Familien (z. B. Tuscaroriden) charak- teristische monaxon-ungleichpolige Ausbildung der helm-, becher-, urnen- oder flaschenförmigen Schale mit einer großen Hauptöffnung (Pylom) am unteren Pole. Gesteigert wird die Mannigfaltigkeit weiter durch verschiedenartige Skulptur, Ornamentik und Bewaffnung der Gitterschalen. Von allge- meinerem Interesse sind nament- lich die weitverbreiteten Radiär- stacheln, welche sich von der Oberfläche der Gitterschale erheben und ebenso wie bei den Astroid- skeletten nicht nur als Druck- fänger und Stützen für das auf ihnen ausgespannte Oberflächen- häutchen, sondern auch ähnlich den Fortsätzen der Peridineen (vgl. S. 172) und pelagischen Foraminiferen (vgl. S. 192) als Schwebapparate dienen. Bei den Tripylarien wird der Grad der Anpassung an die Schwebe- funktion außer von der Zahl und Länge der Radiärstacheln vor allem von deren Verzweigungen und Terminalbildungen bestimmt, die 4 verschiedene Typen er- kennen lassen: 1) den Doldentypus mit in einer Ebene endenden kande- Fig. 204. Radialstachel von Auloscena laber- oder fontänenartigen Ter- atlantica HAECKER. Nach HAECKER 1908. minalkronen (Fig. 204), die, meist sehr zahlreich, keine nennenswerten Einbuchtungen der Weichkörper- oberfläche zwischen sich gestatten und also die Schwebefähigkeit noch kaum erhöhen; 2) den Trugdoldentypus mit durch wiederholte dichotome Gabelung entstehenden Terminalkronen (Fig. 209), deren Funktion als Schwebeapparat abhängig ist von dem Krümmungsgrade der Fläche, welche die freien Enden bilden; 3) den Aehrentypus, bei dem die zahlreichen Radialstacheln nicht ausgebreitete Terminalkronen, sondern zahlreiche, bald unregel- mäßig verteilte, bald in regelmäßigen Quirlen angeordnete Aestchen 208 Protozoa. Max Lüns, tragen und hierdurch ein die Schwebfähigkeit erhöhendes kompliziertes Oberflächenrelief des ganzen Tieres bedingen (Fig. 205 und 206); 4) den Griffeltypus, bei dem wenige Radialstacheln ganz besonders mächtig entwickelt sind in Form der „Griffel“ der Coelo- dendriden (vgl. S. 81) oder der als - „Füße“ bezeichneten Stacheln im Umkreise des Pyloms bei den Tuscaroriden (vgl. S. 84). Bei den Acantharien be- ruht die Schwebefunktion des Skelettes vor allem auf der charak- teristischen Stellung der weit vor- springenden Stacheln (vgl. S. 199). Der „Aequator“ der verschiedenen Stachelanordnungen schwebt stets horizontal und bei verschiedener Stachellänge finden sich in ihm dielängeren bzw. längsten Stacheln; ebenso sind zweischneidigeStacheln im Aequator stets horizontal aus- gebreitet, während vierkantige Fig. 205. Radialstachel von Aulo- oder vierflügelige Stacheln ihre sphaera elegantissima HAECKEL. Da- > R . . neben das Stachelende (mit Weichkörperumriß) er bzw. einspringenden stärker vergrößert. Nach HAECKER 1908. Winkel stets nach unten, oben und den Seiten wenden. Durch alle diese Einrichtungen erfährt die Tragfläche des Körpers die größt- möglichste Ausdehnung. Entsprechend der verschiedenen Dichtigkeit des Wassers finden sich bei den vorwiegend die Öberflächenschichten bewohnenden Acantharien vollkommenere Schwebevorrich- tungen in den wärmeren Breiten, während bei den Tripylarien ein entsprechender Unterschied im allgemeinen deutlicher hervor- tritt beim Vergleich der For- men’des wärmeren Oberflächen- wassers mit den ausgesprochenen Tiefenbewohnern. C. Die Entwickelung des Skelettes erfolgt bei den Acantharien entsprechend der anderen chemischen Zu- sammensetzungin anderer Weise wie bei den übrigen Radio- larien: die Stacheln wachsen während der Abscheidung der Skelettsubstanz von der Mitte nach der Peripherie vor und las- sen ihr gleichzeitig erfolgendes Fig. 206. Zwei „Zelte“ (mit zugehörigem Weichkörperumriß) von Sagoscena elegans : : BorG. Nach HAECKER 1908. Dickenwachstum häufig an einer D.I.4. Skelettbildungen. 209 deutlichen Schichtung erkennen (Fig. 207). Dementsprechend entwickelt sich auch bei den Acanthophracten die Gitterschale erst nachträglich (vgl. Fig. 45) und sekundär können die Stacheln auch im Zentrum mit- einander verwachsen. Auch bei Spumellarien scheint eine Fortbildung des Kiesel- skelettes stattzufinden, indem wenigstens bei Formen mit mehrfachen Fig. 207. Fig. 209. Fig. 20”. Amphilonchidium haeckeli Por. Polansicht. Vergr. 512:1. Nach POPOFSKY 1904. Fig. 208. Erste Entwickelungsstadien der Kieselnadeln von Tripylarien. « Primitiv- nadel in der Gallertvakuole. b Beginn der Sprossenbildung an der Vakuolenhaut. Schematisch. Nach HAECKER 1908. Fig. 209. Verzweigung eines Radialstachels von Auloceros arborescens nach erfolgter primärer Verkieselung. Nach HAECKER 1908. Gitterschalen diese nicht gleichzeitig, sondern eine nach der anderen ge- bildet werden können. Die Kieselskelette der Tripylarien sind dagegen in ihrer Form schon fertig vorgebildet, wenn ihre Verkieselung beginnt. Ein nach- Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 14 210 Protozoa. Max Lüne, trägliches Wachstum des Skelettes findet hier nicht statt. Die erste Anlage des Tripylarienskelettes zeigt sich nach HAEcker (1908) in Form von sehr dünnen, bestimmt angeordneten Kieselnadeln, den „Primitiv- nadeln“, um die herum sich alsbald ein in die Länge gezogener Tropfen dünnflüssiger Gallerte bildet, die „Gallertvakuole“ (Fig. 208, a). Diese grenzt sich gegen die Umgebung ab durch eine besonders differen- zierte Schicht lebenden Protoplasmas, die „Vakuolenhaut“, welche selbständig zu wachsen und an ihren Enden Sprossen zu bilden vermag (Fig. 208, b). Erst wenn diese häutigen Stachelanlagen die Form des fertigen Skelettes erreicht haben, erfolgt die Verkieselung der Vakuolen- haut („primäre Verkieselung“, Fig. 209). Hiermit kann bereits der definitive Zustand erreicht sein; das Skelett besteht dann aus hohlen Einzelelementen oder Balken, die an den Knotenpunkten der Gitterschale miteinander oft gelenkig verbunden sind (Fig. 204), aber auch infolge vorausgegangener Verschmelzung aneinander stoßender Gallertvakuolen fest miteinander verwachsen sein können. Der Hohlraum der Terminal- äste wird jedoch meist bis auf einen feinen Achsenkanal von einer an- fangs körnigen Masse ausgefüllt, die durch „sekundäre Verkieselung“ homogenisiert wird. Häufig greift diese sekundäre Verkieselung auch auf den Schaft der Stacheln bzw. auf das ganze Skelett über und führt dann zur Entstehung solider Skelettbildungen, in deren Innerem jedoch vielfach noch die feinen Primitivnadeln kenntlich bleiben, trotz- dem der sie ursprünglich umgebende Hohlraum geschwunden ist. Diese Primitivnadeln können aber anscheinend auch nachträglicher Resorption verfallen (hierauf beruht vielleicht ihr anscheinendes Fehlen bei Aulo- ceros, vgl. Fig. 209). Bei Aulokleptes dienen statt ihrer aufge- nommene Fremdkörper (Stacheln anderer Radiolarien, langgestreckte Diatomeenschalen u. dgl.) als formgebendes Element für die Stachel- anlagen. 5. Elastische Fibrillen. Elastische (skleroplasmatische) Fibrillen spielen bei vielen Proto- zoen eine wichtige Rolle als formbestimmende Stützorganellen. Wir finden sie bei verschiedenen Formen in sehr verschiedener Weise ent- wickelt, Können aber nach ihrer Lage im Interesse einer allgemeinen Uebersicht etwa 4 Hauptarten solcher Fibrillen unterscheiden: Die Mantelfibrillen im Periplast mancher Flagellaten, wie auch die Achsenstäbe, die den Körper mancher Flagellaten (speziell Poly- mastiginen, Hypermastiginen und Binucleaten) der Länge nach durch- ziehen, dienen der Erhaltung der konstanten Eigenform der betreffen- den Protozoen. Die Basalfibrillen der Wimpern, die bei den Ciliaten wohl allgemein verbreitet sein dürften, dienen dagegen zu- nächst diesen Wimpern als stützendes Widerlager bei ihrer Bewegung, können aber auch zu Bündeln zusammentreten, die ähnlich den Achsenstäben der Flagellaten den ganzen Körper der Länge nach durchziehen. Die Achsenfibrillen einzelner Bewegungsorganellen (Axopodien und Undulipodien) endlich sind vor allem für die Erhal- tung der Eigenform dieser Bewegungsorganellen, seltener (bei den Heliozoen und einzelnen Flagellaten) auch für die Erhaltung der konstanten Eigenform des ganzen Tieres von Wichtigkeit. 1. Die Mantelfibrillen der Flagellaten wollen wir an der Hand zweier verhältnismäßig gut untersuchter Beispiele betrachten, die ganz verschiedene Verhältnisse zeigen. Gemeinsam ist ihnen nur die D. 1.5. Elastische Fibrillen. 211 oberflächliche Lage im Periplast und der annähernd längsgerichtete Verlauf. Der Periplast von Euglena ehrenbergi ist sehr feinschraubig längsgestreift (Fig. 210, b) und diese Streifung wird durch zahlreiche und dichtgedrängte elastische Fibrillen bedingt, die ganz oberflächlich liegen und auf dem Querschnitt artttrttn halbkreisförmig nach außen vorspringen (Fig. 210, «). Am hinteren Körperpole laufen die Fibrillen in einem Punkte zusammen; vorn senken sie sich gleich. dem ganzen Periplast in den Trichter hinein, ÄNN) um ebenso wie dieser am Uebergang des Trichters \N in das Reservoir zu endigen (vgl. Fig. 236). Fig. 210. Mantelfibrillen von Euglena ehren- bergi. «a Querschnitt durch den Periplast, der ein ein- schichtiges Wabenwerk darstellt und auf dessen Oberfläche (in der Figur oben) die Fibrillen etwas vorspringen. b Hinterende des Flagellaten bei schwächerer Vergrößerung mit schematischer Gesamtdarstellung des Fibrillenverlaufs. Nach HAMBURGER 1911. Durch Behandlung mit Pankreatin oder Pepsin, die den übrigen Periplast lösen, können sie isoliert werden (vgl. auch S. 155). Ihre leicht spiralige Anordnung bedingt jedenfalls die schraubige Drehung der sich kontrahierenden Euglenen. Im Periplast der Trypanosomen und verwandter Formen (Haemoproteus und Leucocytozoon in ihren trypanosomenförmigen beweglichen Stadien) finden sich ebenfalls Fibrillen (Fig. 212), die hier meist als „Myo- Fig. 211. Fig. 212. Fig. 213. Fig. 211. Elastischer Fibrillenapparat von Trypanosoma. Schematisch. Punktiert die vier Mantelfibrillen der einen Fläche. Ausgezogen die drei im Endoplasma gelegenen Fibrillen. Nach PROWAZER 1905. Fig. 212. Trypanosomae percae BRUMPT aus dem Blute des Barsches. Exemplar mit sehr deutlichen Mantelfibrillen. Vergr. 1600:1. Nach MINCHIN aus DOFLEIN. Fig. 213. Trypanosoma rotatorium (MAYER) aus dem Blute des Frosches. Die Mantelfibrillen als helle Linien hervortretend. Nach DOFLEIN. 2 1 212 Protozoa Max Lüns, neme“ bezeichnet werden, aber sicher nicht kontraktil sind, sondern vielmehr elastische, formbestimmende Elemente darstellen und als Ant- agonisten der undulierenden Membran wirken. Ihre Zugehörigkeit zum Periplast zeigt sich deutlich bei zerquetschten Exemplaren, deren Endo- plasma ausgeflossen ist. Ihre Zahl ist stets konstant; meist sind 8 vor- handen, auf jeder Seite des abgeflachten Körpers 4 (Fig. 211), nur Leuco- cytozoon besitzt die doppelte Anzahl, die beim Weibchen (Fig. 152, a) in gleichen Abständen, beim Männchen (Fig. 152, d) dagegen paarweise einander genähert verlaufen. ScHaupınx führt sie auf die Spindelfasern einer zur Ausbildung der Geißel führenden heteropolen Teilung des Blepharoplasten zurück (Fig. 150, I, ce auf S. 151). 2. Achsenstäbe, d. h. axiale, den Körper der Länge nach durch- ziehende elastische Elemente, finden sich ebenfalls bei den Trypano- somen und anderen Binucleaten (als axialer Doppelfaden oder Axo- plast), sowie ferner (als Achsenstäbe im engeren Sinne oder Axo- styl) bei Polymastiginen und Hypermastiginen (Trichomonaden und Trichonymphiden). Ob es sich in beiden Fällen um homologe oder nicht homologe Bildungen handelt, ist noch strittig. Wir wollen deshalb für jeden von ihnen die Entwickelung an einem verhältnismäßig gut untersuchten Beispiel kurz betrachten, ohne aber dabei auf die eben angedeutete Streitfrage näher einzugehen, da uns dies sonst allzu sehr in cytologische Einzelheiten der Kernteilung hineinführen würde. Fig. 214. Leptomonas drosophilae CHATT. & L£s. Bildung des „Axoplast‘ bei der Teilung. Z Centrodesmose bei der Teilung des Blepharoblast, 2—4 Verlängerung und Krümmung der Centrodesmose bei fortschreitender Teilung des Plasmakörpers, 5 aus- gebildeter „Axoplast‘“‘ nach Vollendung der Teilung. Nach CHATTON & LEGER 1911. Bei Trypanosoma sind nach ProwAzek zwei Fibrillen im Endo- plasma vorhanden, die von einem Körnchen in der Nähe des geißelfreien Endes ausgehen und von denen eine zu dem durch eine dritte Fibrille mit dem Kern verbundenen Blepharoplast, die andere dagegen durch D.1I.5. Elastische Fibrillen. 213 die ganze Länge des Körpers bis zum geißeltragenden Pol läuft (Fig. 211). Sie entsprechen offenbar dem „Doppelfaden“, der nach ProwAzer (1904) bei Herpetomonas den ganzen Körper vom Blepharoplast bis zu einem auch hier in der Nähe des geißelfreien Endes vorhandenen Körnchen durchzieht (Fig. 10) und der in anderen Bildern den Eindruck eines axialen Kanales machen kann (Lücer 1902). Die Entwickelung dieses „Axoplast“ ist neuerdings von Önarron und Luger (1911) untersucht worden bei der nahe verwandten Leptomonas drosophilae (Fig. 214). Er geht hiernach aus der Centrodesmose des Blepharo- plasten hervor, die bei der von vorn aus allmählich fortschreitenden Längsspaltung des Flagellatenkörpers zuerst U-förmig, dann V-förmig sich nach hinten ausdehnt und schließlich erst am Hinterende des Flagellaten durchgetrennt wird. Der alte Axoplast des Muttertieres wird schon am Beginn der Teilung eingeschmolzen. Der Achsenstab oder „Axostyl“ der Polymastiginen und Hyper- mastiginen wird entweder von einer einzelnen, verhältnismäßig derben Fibrille gebildet (z. B. Trichomonas, Fig. 228, Lophomonas, Fig. 215) oder von einem ganzen Bündel feiner Fibrillen (z. B. Devescovina, Fig. 234, Callonympha, Fig. 235). Auch er wird stets bei ber Teilung der Flagellaten ein- geschmolzen und geht aus der Centrodesmose einer (hier extranukleären) Spindel wieder neu hervor. Fig. 215. Lophomonas blattarum STEIN. Bildung des Achsenstabes (Axostyl) bei der Teilung. 2 Anlage der extranukleären Teilungsspindel bei gleichzeitigem Austritt des Kernes aus dem Kelch (vgl. die Ruheform in Fig. 14). 2 Einstellung des Kernes am Hinterende des Flagellaten quer zu dessen Längsrichtung; an den Polen der Spindel die Centriolen und die Anlagen der neuen Basalkörperehen. 3 Kernteilungsstadium ; Auftreten der Geißeln der beiden Tochterindividuen. 7 Ausgang der Kernteilung; die neuen Geißeln sind weiterentwickelt, die zwischen ihnen ausgespannte Centrodesmose der extranukleären Spindel wird bei der Teilung des Plasmakörpers später zu den beiden neuen Achsenstäben. Vergr. ca. 2000:1. Nach JAnIckı 1912. Allgemeingültig scheint zu sein, daß, entsprechend der Längsteilung des Flagellatenkörpers, die die neuen Achsenstäbe liefernde Teilungsspindel senkrecht zu dem Verlauf des alten Achsenstabes gerichtet ist. Im übrigen braucht der Fig. 215 nichts hinzugefügt zu werden, da hier auf die Art der Kernteilung nicht näher eingegangen werden kann. 3. Im Körper der Ciliaten finden sich elastische Fibrillen im Zusammenhang mit den Wimpern, deren Verankerung im Plasma sie dienen. Sie sind dementsprechend am kräftigsten und daher auch am Protozoa.. Max Lüns, 214 besten bekannt bei den kräftigsten Wimperorganen, den Membranellen und Cirren (vgl. deren Besprechung in dem Abschnitt über Bewegungs- organellen). Sie können aber darüber hinaus auch eine an die Achsen- stäbe der Flagellaten erinnernde stützende Funktion für den ganzen Körper gewinnen. Dies scheint z. B. der Fall zu sein bei Balan- tidien, besonders dem großen Bal. giganteum, bei dem ein dichtes Bündel zahlreicher Fibrillen, von dem Peristom ausgehend, den ganzen Körper der Länge nach bis in die Nähe seines Hinterendes durchzieht (Bezzenx- \ BES BERGER 1904). Es ist aber vor e v7) Nm allem deutlich bei der eigen- alla NUT artigen Lienophora, deren FRRNUNANNLIDIEN NN N ' Fibrillensystem besonders kompli- RAN ZZ ziert erscheint und an der Hand RD 0 4 von Fig. 216 und 217 kurz be- \ I u ® 7. .7,\ sprochen sei. : RU + 8) ® z Der Körper der parasitisch NS 4 Wie RT ' lebenden Licnophoraarten trägt an N wre 3 seinem Hinterende eine große Haft- NIE a IS: scheibe, die mit dem abgeflachten I ® MP SG Vorderkörper durch einen ver- NE US fi S jüngten Hals verbunden ist; der NE u A SI Vorderkörper wird auf seiner >> BEHBSÜN >77 Bauchfläche von einer mächtig ent- nn wickelten adoralen Membranellen- W zone fast vollständig umzogen und X daher als Mundscheibe bezeichnet b ms (vgl. Fig. 216 und 217, A). Bei L. macfarlandi wird die adorale Zone von ca. 125 Membranellen gebildet, deren jede von einer dreieckigen annähernd senkrecht zur Körperoberfläche gestellten Basallamelle aus entspringt. Von der nach innen gewandten Zu- spitzung dieser Basallamellen geht je eine feine kurze Fibrille aus, a: und alle diese einzelnen Fibrillen N sind ähnlich wie bei Stentor a (vgl. Fig. 243) durch eine kräf- tigere, längs der ganzen Mem- branellenzone verlaufende Basal- Fig. 216. Licnophora macfarlandi fibrille miteinander verbunden. Am STEVENS. Ventralansicht nach dem Leben. Anfang der adoralen Zone aber geht aus diesem Fibrillensystem eine dicke längsgestreifte „Hals- fibrille“ hervor (vgl. Fig. 217, A und D), die durch den Hals zum Zentrum der Haftscheibe verläuft, um sich dann auf dieser mit radiär gerichteten Verästelungen auszubreiten. Eine zweite dünnere Halsfibrille verläuft in S-förmiger Krümmung von der Gegend des Mundes aus ebenfalls durch den Hals zur Haftscheibe (Fig. 217, A und ©). Durch Mazeration mit 1—-3-prozentigem doppelt- chromsaurem Kali, Pepsin und anderen Mitteln läßt sich dieser ganze, ein förmliches Innenskelett bildende Fibrillenapparat unter Auflösung a Haftscheibe, von vier „undulierenden Mem- branen‘“ kreisförmig umschlossen, 5b Hals, e Mundscheibe. Nach STEVENS 1904. D.1.5. Elastische Fibrillen. 215 von Plasma und Pellicula binnen weniger Sekunden unverändert isolieren (Stevens 1901). Sehr viel einfachere Verhältnisse bietet Collinia branchi- arum, bei dem die Basalfibrilien der Wimpern einen an die Helio- zoen erinnernden Einfluß auf die Erhaltung der Körperform ausüben dürften. Sie laufen nämlich, den Achsenfibrillen von Actinophrys ver- gleichbar, von den Basalkörperchen der einzelnen Wimpern in radiärer Richtung bis zu dem Makronucleus des Infusors (CoLuın 1909). Fig. 217. Lienophora macfarlandi Stevens. Elastischer Fibrillenapparat. A Rekonstruktion des ganzen Fibrillenapparates nach Mazerationspräparaten (vgl. die Abbildung des ganzen Tieres in Fig. 216). B Ein Teil der adoralen Membranellen- zone mit dem Ursprung der dicken Halsfibrille. Schematisiert. € Die Endigung der beiden Halsfibrillen auf der Haftscheibe. Nach Mazeration mit Kali bichromieum. Nach STEVENS 1901. 4. Die Achsenfibrillen (Achsenfäden) der einzelnen Bewegungsorganellen (Axopodien und Undulipodien) werden noch bei Besprechung der letzteren zu behandeln sein. Hier sei deshalb nur angeführt, daß sie bei den Axopodien der Heliozoen besonders deutlich hervortreten als stark lichtbrechende, von dem umgebenden körnigen Plasma scharf abgegrenzte Bildungen (vgl. Fig. 218). Bei den Helio- zoen wirken sie auch nicht nur auf die einzelnen Axopodien form- bestimmend, sondern bedingen auch die charakteristische Gestalt des ganzen Protozoons, die dieser Gruppe den Namen der „Sonnentierchen“ 216 Protozoa. Max Lüns, eingetragen hat (vgl. Fig. 41, 42, 323). Auch wo eine Geißel als Randsaum einer undulierenden Membran ausgebildet ist, wirkt ihr Achsenfaden formbestimmend auf den ganzen Körper der Flagellaten (z. B. Try- panosoma). 6. Triehoeysten und Nematoecysten sind alloplasmatische Schutzorganellen, die nur bei einzelnen Proto- zoenformen auftreten. 1. Als Trichocysten be- zeichnet man kleine, stark licht- brechende, im Corticalplasma ‘vieler holotricher Infusorien in großer Zahl vorkommende und dort zu einer besonderen „Tricho- cystenschicht“ angeordnete läng- liche bis stabförmige Körperchen, die auf Reize hin plötzlich zu langen Fäden explodieren, wobei sie entweder wie beiParamaecium aus dem Körper herausgeschleu- dert werden oder (z. B. bei Di- leptus) noch mit einem Ende in ihm stecken bleiben. Man be- trachtet sie wohl mit Recht als Schutzwaffen (vgl. S. 93 und Fig. 113). Nach Miırroruanow (1905) und Bropsky (1908) entstehen die Trichocysten im Endoplasma in der Nähe des Großkerns. MıTro- PHANOW betrachtet sie als Bil- dungen von Sekretcharakter und h Bropsky leitet ihre Substanz Fig. 218. Randstück von Aotino- „noziell von dem Chromatin des sphaerium eichhorni EHRBG. mit deut- lichen Achsenfäden in den Axopodien. Im Kernes ab. Da nun nach neueren Plasma vier Kerne und eine Nahrungsvakuole. Arbeiten von Mororr und WiırL Nach BÜTSCHLI aus DOFLEIN. auch die Bildung der Nessel- kapseln der ÜCnidarier als ein Sekretionsvorgang aufzufassen ist, bei dem aus dem Kern auswandernde Chromidien eine Hauptrolle spielen, so kommt ScHErRFFEL (1912) zu dem Schluß, daß die Trichocysten den morphologisch grundverschiedenen Nessel- kapseln der Oölenteraten analog und „eigentlich wesensgleich“ seien. Außer bei holotrichen Infusorien sind Trichocysten oder ihnen ähnelnde Bildungen nur vereinzelt gefunden, so bei der Heterotrichen- gattung Strombidium und dem Sauginfusor Ophryodendron abietinum. Unter den Flagellaten finden sie sich nach alten Beobachtungen bei der Chloromonadine Gonyostomum semen, sowie nach neueren Feststellungen von SCHERFFEL bei der primitiven, mit den Volvocaceen verwandten eingeißligen Monomastix opisthostigma am Hinterende, bei der Chryso- monade Pleuromastix bacillifera auf der „Ventralfläche“ und bei Crypto- monaden im Bereiche der Schlundeinsenkung. Auch bei diesen Flagel- laten werden sie wie bei den Infusorien auf Reize (speziell chemische) D. I. 6. Trichocysten und Nematocysten. 217 noch bei Lebzeiten der Zelle ausgestoßen. Sie dienen aber wohl kaum wie bei jenen als Verteidigungswaffen gegen feindliche Angriffe, könnten aber vielleicht, da sie wahrscheinlich aus einer Schleimsubstanz bestehen, „zur Bildung jener wenig konsistenten Gallerte beitragen, in der die Schwärmer unter Umständen nisten“ (SCHERFFEL). Den Trichocysten morphologisch vergleichbar sind offenbar auch die Trichiten, nadelförmige Plasmaeinschlüsse gewisser räuberischer holotricher Infusorien, die aber weniger eine schützende, als vielmehr eine offensive Bedeutung haben, der Lähmung von Beutetieren dienen und deshalb unten im Zusammenhang mit den Ernährungsorganellen be- sprochen werden müssen. Schließlich sind hier auch noch die in ihrer Bedeutung noch ziem- lich rätselhaften stäbchen-, nadel- und fadenförmigen Plasmaeinschlüsse gewisser Dinoflagellaten zu erwähnen. Bei Podolampas z. B. fand ScHürrt stets an derselben Körperstelle ein Bündel dicht aneinander ge- lagerter sehr feiner Fäden. Bei Reizen lösen sich einzelne Fäden vom Bündel los und werden durch Poren der Körperhülle an deren hinterem Ende nach außen hervorgeschnellt. Bei Peridinium catenatum konsta- tierte LevAnper das Vorkommen ausschnellbarer Fäden an der ganzen Körperoberfläche. 2. Durch den angeführten Vergleich der Trichocysten mit den Nessel- kapseln der Önidarier gewinnt die Tatsache noch erhöhtes Interesse, daß auch bei Protozoen Nematocysten oder Nesselkapseln vorkommen, die denen der Cnidarier sehr ähnlich sind. Sie finden sich bei der Vorticellide Campanella umbellaria, in den Dinoflagel- latengattungen Polykrikos und Pouchetia sowie bei allen Cnido- sporidien. Bei Campanella sind die Nesselkapseln (Fig. 219) stets paar- weise vorhanden, liegen aber nicht senkrecht, sondern parallel zur Ober- fläche. Von dem einen, etwas stumpferen Pole der ei- oder bohnen- förmigen Kapsel entspringt ein Faden, der wie bei den Cölenteraten zunächst eine kleine Strecke in der Achse nach hinten läuft und sich dann in engen Schrauben- windungen aufrollt. Auf Druck tritt er in der 8- bis 10-fachen Länge der Kapsel hervor, seine spontane Ent- ladung wurde jedoch noch nie beobachtet. Fig. 219. Ein Paar Nematocysten von Campanella umbel- laria (L.) (rechts mit eingestülptem, links mit ausgestülptem Nessel- faden; die Pole beider Nesselkapseln entgegengesetzt gerichtet.). Nach BÜTSCHLI. Noch höher entwickelt sind die Nesselkapseln von Polykrikos, die nur in geringer Zahl in dem Ektoplasma verteilt sind und bei denen ähnlich den größeren Kapseln der Onidarier der eingestülpte Teil zu- nächst zu einer Art Vorhöhle entwickelt ist, in welche der basale Teil des in dichten Schraubenwindungen aufgerollten Fadens hineinragt. Wird die Kapsel durch Druck zur Explosion gebracht, so bildet die Vorhöhle scheinbar den vordersten Teil der Kapsel, von dem sich dann erst der ausgeschnellte Faden erhebt. Aehnlich gebaute Nesselkapseln fand Docıer (1906) auch bei Pouchetia armata; sie liegen hier in der Zahl von 10 oder mehr zwischen Kern und Körperwand, und die aus 218 Protozoa. Max Lünz, II. Bewegungsorganellen. ihnen hervorgeschleuderten Fäden sind 2—3mal so lang wie der ganze Körper des Dinoflagellaten. Allgemein verbreitet sind endlich Nesselkapseln in Form der soge- nannten Polkapseln in den ihretwegen als Cnidosporen bezeichneten Fortpflanzungskörpern der Cnidosporidien (Fig. 55), bei denen sie aber sicher keine schützende Funktion ausüben, sondern offenbar als Haft- organellen dienen, um den jungen Parasiten die Ansiedlung in ihrem Wirte zu erleichtern. Anhang: Das Regenerationsvermögen der Protozoen. Als eine schützende Fähigkeit ist bei Protozoen (wie bei den Metazoen) auch das weitverbreitete Vermögen der Regeneration zu bezeichnen. In dieser oder jener Weise verlorene Teile des Zell- leibes werden regeneriert, vorausgesetzt, daß das zurückbleibende Bruchstück einen Kern oder doch wenigstens einen Teil des Kernes enthält und daß die Massen von Plasma und Kern in einem bestimmten, der Norm entsprechenden Verhältnis zueinander stehen (HERTWIGS Kernplasmarelation). Bruchstücke mit wenig Kernsubstanz und viel Plasma gehen ohne Regeneration zugrunde. Bruchstücke mit ver- hältnismäßig viel Kernsubstanz bei geringer Plasmamenge können unter Umständen durch Abstoßung und Resorption eines Teiles des Kernes die normale Kernplasmarelation wieder herstellen; geschieht dies jedoch nicht, so gehen auch sie ohne Regeneration zugrunde (Pororr 1909, 1912). Nach Lirvıe (1896) entsprechen bei Stentor die kleinsten Teile, die noch regenerationsfähig sind, 1/,,;, des Volumens des intakten Tieres (bei einem Durchmesser von 80 „u im kontrahierten Zustande). Morgan be- obachtete aber ‘bei Stentor auch noch Regeneration von Bruchstücken, die nur noch !/,, des ganzen Tieres umfaßten. Bei verschiedenen Arten ist das Regenerationsvermögen offenbar sehr verschieden groß (vgl. auch S. 117). II. Bewegungsorganellen. Die motorischen Organellen der Protozoen haben verschiedene Aufgaben. Sie dienen 1) zur Ortsbewegung, 2) zur Veränderung der Gestalt des Zellleibes oder einzelner Teile desselben, 3) zur vorüber- gehenden Festheftung an einer Unterlage (vgl. näheres hierüber in dem folgenden Abschnitt über Haftorganellen) und 4) zum Ergreifen oder zum Herbeistrudeln der Nahrung (vgl. näheres unten in dem Abschnitt über Ernährungsorganellen). Gewisse motorische Organellen können mehreren dieser Zwecke gleichzeitig dienen. Man kann 2 Hauptkategorien von motorischen Organellen unter- scheiden: 1) frei nach außen vorragende und 2) innere. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. Diese Organellen bilden klassifikatorische Merkmale ersten Ranges. Sie zerfallen in natürlicher Weise in 2 Kategorien, von denen die eine langsam formveränderliche, die andere rasch schwingende, im übrigen aber formbeständige Plasmafortsätze umfaßt. Die ersteren (Pseudopodien) sind für die Klasse der Sarcodinen, die letzteren (Undulipodien) für die Mastigophoren und Infusorien charakteristisch. D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 219 I. Die langsam formveränderlichen Bewegungsorga- nellen oder Pseudopodien sind keine dauernden Bildungen (viel- leicht mit Ausnahme einzelner Axopodien), sondern können in ver- hältnismäßig raschem Wechsel vorgestreckt und eingezogen werden. Sie entstehen durch Vorfließen des Protoplasmas an beliebigen Stellen der freien Oberfläche und können je nach ihrer Form unterschieden werden in Lobopodien, Filopodien, Axopodien und retikuläre Pseudo- podien. 1. Die Lobopodien oder amöboiden Fortsätze sind stumpfe, lappige bis fingerförmige Plasmafortsätze, an deren Bildung sich neben dem Ektoplasma häufig auch das Endoplasma beteiligt. Sie finden sich unter den Rhizopoden bei den Amöben und vielen be- schalten Amöbinen (z. B. Difflugia, Arcella), fließen langsam vor und treten ebenso langsam wieder zurück. Sie dienen der (amöboiden) Fortbewegung und der (amöboiden) Nahrungsaufnahme. (Näheres siehe in der monographischen Besprechung von Amoeba, S. 46 und 50—53 1).) 2. Die Filopodien unterscheiden sich von den Lobopodien nur graduell, indem sie länger und spitz-fadenförmig sind. Sie sind ebenso- wenig wie die Lobopodien zur Verschmel- zung geneigt (nur in sehr seltenen Fällen bilden sich bei Filopodien vorühergehende Anastomosen) und lassen ebensowenig wie diese eine Körnchenströmung erkennen. Sie finden sich bei manchen beschalten Amö- binen (z. B. Euglypha, Cyphoderia, Pseudodifflugia), die deswegen als „Filosa“ in einen systematischen Gegensatz zu den Lobopodien besitzenden „Lobosa“ gestellt werden. Bei einzelnen Arten ent- springen sie von einem gemeinsamen „Pseudo- podienstiel“* (Fig. 220) oder sind an ihrer Basis durch schwimmhautartige Plasmaver- breiterungen verbunden (Fig. 221). 3. Die Axopodien, welche für die ‚ Heliozoen charakteristisch sind, sich aber ink u renzolina Ä . = s eiten- außerdem auch noch neben retikulären „nsicht, mit Pseudopodienstiel. Pseudopodien bei manchen Acantharien Nach Prxarn 1902. finden, sind durch den Besitz eines festen, elastischen Achsenfadens charakterisiert (vgl. auch S. 215). Sie strahlen in ziemlich regelmäßiger Verteilung allseitig vom Plasmakörper aus und sind sehr dünn und fein, wenig zur Anastomosenbildung geneigt und relativ starr. Die dünne, den Achsenfaden umschließende Plasma- schicht erscheint feinkörnig und ihre Körnchen finden sich in dauernder, langsam strömender Bewegung. Die Axopodien sind dauerhafter als die rasch wechselnden anderen Pseudopodienformen, aber auch sie können eingezogen werden; hierbei wird dann auch der Achsenfaden rückgebildet und verschwindet, anscheinend durch Auflösung in dem 1) Auf S. 53 ist ein bedauerliches Versehen untergelaufen. Sollte etwa die Be- wegung der Amöben mit Volumveränderungen verbunden sein, so würde sie hierdurch natürlich noch mehr in Gegensatz zu den auf Kontraktion beruhenden Bewegungen treten, da ja bekanntlich der sich kontrahierende Muskel sein Volum nicht verändert. 220 Protozoa. Max Lünz, ihn umgebenden Protoplasma. Bei der Bildung neuer Axopodien muß sich dann auch der Achsenfaden von neuem differenzieren. Fig. 221. Chlamydophrys stercorea (CIENK.). Süßwasser-Rhizopode mit dünner Pseudochitinschale. N Kern, Ps Pseudopodien. Nach SCHAUDINN aus DOFLEIN. Die Achsenfäden lassen sich von den Pseudopodien aus noch weit in den Plasmakörper hinein verfolgen, häufig bis zu einem besonderen, in der Mitte des Körpers gelegenen „Zentralkorn“ (z. B. Acantho- cystis, Fig. 323, Wagnerella, Fig. 261). Fehlt ein solches, so Fig. 222. Camptonema nutans SCHAUD. (marin, Durchmesser 0,12—0,18 mm). A Schematische Rekonstruktion des Tieres, um die Verteilung der Kerne und den Ansatz der Axopodien an ihnen zu zeigen. B Das Tier, nach dem Leben gezeichnet, hat eine einzellige Alge mit den Pseudopodien ergriffen. Nach SCHAUDINN 1894. D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 221 strahlen die Achsenfäden von dem zentral gelegenen Kern aus (z. B. Actinophrys, Fig. 41) bzw. bei Vielzahl der Kerne entweder von je einem dieser Kerne (Fig. 222 und 223) oder anscheinend von freien Endigungen zwischen den Kernen im Plasma (z. B. Actinosphaerium, Fig. 218). Die Axopodien von Camptonema nutans ScHAup. sind dadurch merkwürdig, daß sie, unabhängig von der gewöhnlichen Körnchenströmung, die ihnen nicht fehlt, drehende Bewegungen auszuführen vermögen und ferner noch die Fähigkeit haben, bei Berührung umzuknicken und hier- durch „Fangbewegungen“ auszuführen (Fig. 222). Aehnliche Bewegungen beobachtete Zürzer (1909) auch bei Wagnerella borealis. EnGeELMmAnN (1881) beobachtete bei einem Heliozoon (Acanthocystis) blitz- schnelle, an Muskelfibrillen erinnernde Kontraktion fadenförmiger, gerader und unverzweigter Pseudopodien und brachte diese Pseudopodien unter der Bezeich- nung Myopodien in einen Gegensatz zu anderen, weniger rasch kontraktilen Pseudopodien. Eine neuere Bestätigung dieser Beobachtung liegt jedoch nicht vor und die nur gradweise verschiedene Geschwindigkeit der Kontraktion ver- schiedener Axopodien läßt einen der- artigen Gegensatz kaum als gerecht- fertigt erscheinen. Fig.223. Schnitt durch Campto- Bei Actinosphaerium arach- nema nutans ScHAUD., zeigt die noideum PunArD (1904) kommen kappenartigen Verbreiterungen, mit - - denen bei dieser Art die Achsenfäden neben typischen Axopodien noch andere ger Pseudopodien die Kerne umfassen. fadenförmige, anastomosierende Pseudo- Nach SCHAUDINN (1894) aus DOFLEIN. podien ohne Achsenfaden vor, und auch bei Pinaciophora und Pompholyxophrys finden sich nicht selten neben den Axopodien typische Filopodien. 4. Die retikulären Pseudopodien oder Rhizopodien, für Foraminiferen und Radiolarien charakteristisch, sind äußerst lange und feine, haarförmige, nach allen Seiten ausstrahlende, Klebrige, meist zur Verschmelzung und Netzbildung geneigte Protoplasmafort- sätze ohne Achsenfaden, die langsam vorgestreckt und ebenso lang- sam zurückgezogen werden können und dauernde Körnchenströmung erkennen lassen (vgl. Fig. 26). Bei den Pseudopodien der Radiolarien ist die Neigung zur Netzbildung im allgemeinen wesentlich geringer als bei denen der Foraminiferen. Bei den Radiolarien sowie bei denjenigen Foraminiferen, die gleich den Radiolarien pelagisch leben, wie Globigerina, Hasti- gerina, oder auf einer Unterlage festgewachsen sind, wie Hali- physema, Polytrema und viele andere, dienen die Pseudopodien nur noch zur Nahrungsaufnahme und nicht mehr zur aktiven Loko- motion. Immerhin können sie, wenn sie sich an der ganzen Körper- oberfläche zurückziehen, durch Verminderung des Reibungswider- standes ein Sinken des im Wasser flottierenden Tieres herbeiführen. Die gleiche Beschränkung der Funktion auf die Nahrungsaufnahme gilt auch für die Axopodien der Heliozoen. 222 Protozoa. Max Lünz, Vorkommen von Pseudopodien außerhalb der Klasse der Sarcodina. Wenn auch, wie bereits oben erwähnt wurde, die Pseudopodien charakteristisch sind für die Sarcodinen, so sind sie doch. keineswegs in ihrem Vorkommen auf diese Klasse beschränkt. Vor allem sind Pseudopodien die einzigen und charakteristischen motorischen Organellen derjenigen Onidosporidien, welche überhaupt im erwachsenen Zustande einer Lokomotion fähig sind, d. h. vor allem derjenigen Myxosporidien, die frei in Hohlorganen (Harn- oder Gallenblase von Fischen und Amphibien) schmarotzen. Die Pseudo- podien, mit Hilfe deren diese Formen sich bewegen und die einen der Gründe liefern, die die hypothetische Ableitung der Onidosporidien von Sarcodinen rechtfertigen, erinnern in Form und Verhalten durchaus an die Lobopodien und Filopodien der Amöbinen. Einzelne Arten bilden breitlappige Pseudopodien, an H deren Bildung sich auch das x Endoplasma mitbeteiligt, andere schlanke fadenförmige, nur aus. Ektoplasma gebildete Pseudo- podien. Retikuläre Verschmel- zung von Pseudopodien ist aber bei Myxosporidien noch nie be- obachtet. Bei einzelnen Myxo- sporidien (Leptotheca agilis und Myxidium giganteum) sollen die Pseudopodien nach Dorteın (1898) eine Stemmwir- kung ausüben können, die die Tiere nach der entgegengesetzten Richtung vorwärts schiebt. Auch bei einzelnen Microsporidien ist amöboide Beweglichkeit fest- gestellt worden, vor allem bei der im Lumen der MarrısnHıschen Gefäße von Periplaneta orientalis Fig. 224. Mastigamoeba aspera. F. E. ScH. Länge 100 u. Süßwasser. 1 Geißel, 2 Kern, 3 Endoplasma, 4 pul- sierende Vakuole, 5 feine, spitze, un- bewegliche Fortsätze, 6 Pseudopodien, 7 Ektoplasma, von winzig kleinen, stäb- chenförmigen Körperchen bedeckt. Nach F. E. SCHULZE 1875. schmarotzenden Pleistophora periplanetae. Allgemein findet sie sich ferner bei den eben ihretwegen als Amöboidkeim bezeichneten Jugendformen der Onidosporidien. Bei Flagellaten ist Pseudopodienbildung keineswegs selten, wenn auch auf Formen mit nur schwach entwickeltem Periplast beschränkt. Ist der Periplast zu derb um Pseudopodienbildung zuzulassen (z. B. bei Euglena), so wird diese zunächst ersetzt durch die sogenannten meta- bolischen Bewegungen, die in unregelmäßigen (meist peristaltischen), aber sehr ausgiebigen Kontraktionen des Körpers bestehen, aber bei D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 223 weiter zunehmender Derbheit des Periplastes auch mehr und mehr ein- geschränkt werden. Fig. 225. Pseudopodienbildung bei Chrysomonadinen. A Synura uvella mit sehr stark ausgebildeten Rhizo- podien. (Dieselbe Art kann außer in typi- scher Flagellatenform auch in der Form gewöhnlicher Amöben mit kurzen Lobo- podien auftreten.) Vergr. 1000:1. Nach PASCHER 1912. B Chrysopyxis steno- stoma. Höhe 18—22 u. In Torfgruben. Das Gehäuse haftet in einer Art Reit- stellung auf einem Algenfaden, der von einem fadenförmigen Fortsatz des Gehäuses ringförmig umfaßt wird. Nach LAUTER- BORN 1911. Direkt charakteristisch neben der in Ein- oder Zweizahl vor- handenen Geißel sind die (meist stampflappigen) Pseudopodien für die anscheinend niederste Ordnung der Flagellaten, die Rhizo- mastiginen (Fig. 2 und 224). Eine nicht minder wichtige Rolle spielen aber fadenförmige (seltener stumpflappige) Pseudopodien auch bei manchen Chrysomona- dinen, die besonderes Interesse verdienen. Nach PascHer (1912) handelt es sich hierbei stets um sekundäre Erwerbungen zugunsten ani- malischer Nahrungsaufnahme. Chrysamoeba radians z. B. schwimmt 224 Protozoa. Max Lüne, bald in Eiform mit ihrer Geißel umher, bald beginnt sie mit Hilfe zahl- reicher sternförmig ausgestreckter spitzer Filopodien zu kriechen (Fig. 15, A) und bei einer anderen Chrysamoeba-Art fand LAurTerzorn (1911) neben spitzen Pseudopodien überhaupt keine Geißel mehr. Synura uvella tritt außer in ähnlicher Sternform (Fig. 225, A) und typischer Flagellatenform auch noch in Form kriechender Amöben auf. Chrys- astridium catenatum LAUTERBORN, durch Plasmabrücken meist zu vieren kettenartig vereint, erscheint mit allseitig ausstrahlenden, äußerst dünnen, scharf abgesetzten, körnchenführenden Pseudopodien ganz helio- zoenartig. Auch die gehäusebildende Chrysopyxis besitzt im vege- tativen Zustande keine Geißeln, sondern nur starre, sehr dünne und äußerst fein zugespitzte, hyaline Pseudopodien mit langsamer Körnchen- strömung, die sich an der Mündung des Gehäuses von einem gegen den Körper des Flagellaten scharf abgesetzten Pseudopodienstiel abzweigen (Fig. 225, B) und lebhaft an die Filopodien gewisser beschalter Rhizo- poden (z. B. Euglypha) erinnern. Bei der Teilung von Chrysopyxis be- sitzt dagegen der eine Sprößling, der das Gehäuse verläßt und eine neue Hülle abscheidet, eine deutliche Geißel; ob diese sich etwa später zu einem Pseudopodium umwandelt oder ob die Pseudopodien nach Schwund der Geißel auftretende Neubildungen sind, bedarf noch weiterer Auf- klärung. Bei der merkwürdigen, gleichfalls gehäusebildenden und fest- sitzenden Palatinella cyrtophora LaAurskrgorn (1906) ist das Vorderende von einem Kranze langer starrer Pseudopodien reusenartig umstellt, zwischen denen zwar stets noch eine Geißel vorhanden ist, die aber bei ihrer Kleinheit einen ganz rudimentären Eindruck macht; die Pseudopodien sind hier reine Ernährungsorganellen, indem sie zum Ein- fangen vorüberschwimmender Flagellaten dienen und auch nur bei dieser Gelegenheit merkliche, wenngleich langsame Bewegungen ausführen. Auch bei anderen Chrysomonaden ist, ohne daß es zu so auffälligen Pseudo- podienbildungen kommt, infolge der Zartheit des Periplastes fakultative amöboide Beweglichkeit ziemlich verbreitet (sehr deutlich z. B. bei OÖchromonas und, wenngleich in etwas geringerem Grade, bei Chro- mulina, bei letzterer besonders am Hinterende). Auch bei den Protomonadinen ist infolge der Zartheit des Periplastes amöboide Kriechbewegung mit Hilfe kurzer Lobopodien noch recht verbreitet und findet sich nicht nur bei Formen, die zeitlebens nackt sind (z. B. Cercomonas, Oecomonas, in geringerem Grade auch Trichomonas), sondern auch bei solehen, die Gallerthüllen bil- den, aber aus diesen zeitweise austreten, wie Spongomonas und Rhipidodendron, bei denen Harrmann und Cnacas (1909) sogar gelegentlich an Stelle der häufiger neben den Geißeln vorkommenden kurzen und stumpfen Pseudopodien die Bildung langer fadenförmiger Filopodien vom „Radiosatypus“ (vgl. S. 47 und Fig. 71) beobachteten, letztere allerdings nur bei Individuen, die ihre Geißeln verloren hatten. Auch die Gehäuse bildenden Bicöciden (Bicosoeca, Poterio- dendron) zeigen an ihrem Vorderende amöboide Beweglichkeit, die bisweilen zur Bildung eines kragenartigen Saumes führen kann und im Gegensatz zu den vorerwähnten Fällen gleich den oben erwähnten Pseudopodien der Chrysomonadinen nicht lokomotorische, sondern offenbar nur nutritive Bedeutung hat. Für die Oraspedomonaden hat be- sonders Franck (1897) Angaben über die bei den verschiedensten Formen beobachtete Bildung langer Lobopodien gemacht, die zum Teil in den Dienst der Nahrungsaufnahme zu treten, zum Teil aber auch eine Begleiterscheinung des Absterbens zu sein scheinen. D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 225 Unter den Binucleaten findet sich Pseudopodienbildung vor allem bei den geißellosen, in roten Blutkörperchen schmarotzenden, früher zu den Sporozoen gerechneten Plasmodiden (Plasmodium, Proteosoma), für die die amöboide Bewegung so charakteristisch ist, daß sie von Grassı den Namen Haemamoeba erhielten. Am leb- haftesten ist diese Bewegung bei dem eben deshalb so genannten Plas- modium vivax, dem Tertianparasiten des Menschen (Fig. 137, 5). Die physiologische Bedeutung dieser Bewegungserscheinungen ist aber, da die Parasiten das befallene Blutkörperchen ja nicht verlassen, wohl auch mehr nutritiv als lokomotorisch. Als Beispiel für amöboide Beweglichkeit bei Chloromonadinen sei Chloramoeba genannt: Bei den Cryptomonadinen und den Euglenoiden fehlt dagegen amöboide Beweglichkeit infolge des derberen Periplastes und ebensowenig ist sie von Öystoflagellaten bekannt. Dagegen kommt sie wieder bei einigen Dinoflagellaten vor: bei Gymnodinium steht sie im Dienste der animalischen Nah- rungsaufnahme und bei Podolampas beobachtete Schürr (1895), wenn der Flagellat einige Zeit unter dem Deckglase gehalten war, das Her- vortreten einer amöboid beweglichen Plasmamasse aus der Geißelspalte, das nach einer Vermutung von ScHhürt, obwohl alle Dinoflagellaten unter dem Deckglase rasch erkranken und absterben, doch vielleicht auch im normalen Leben zur vorübergehenden Anheftung an ein Substrat eine Rolle spielen könnte, nach einer weiteren Vermutung von Lan viel- leicht auch zur Nahrungsaufnahme dient. Unter den Infusorien kommt Pseudopodienbildung ebenfalls vor, aber nur sehr vereinzelt, und zwar dienen dann die Pseudopodien als Haft- organellen, z. B. bei Stentor; auch die sogenannten „Tentakel“ von Actinobolus gehören hierher, eigenartige Ernährungsorganellen, die auf Grund ursprünglicher Haftfunktion zum Einfangen der Nahrung dienen. Näheres folgt in den Abschnitten über Haft- und Ernährungs- organellen. II. Die schwingend beweglichen Bewegungsorga- nellen oder Undulipodien sind im Gegensatz zu den Pseudopodien formbeständig, d. h. sie verändern bei ihren Bewegungen weder ihre Länge noch ihre Dicke. Man unterscheidet seit alters her Geißeln (Flagellen), die verhältnismäßig lang, häufig weit länger als der Körper, dafür aber sehr wenig zahlreich sind, und Wimpern (Cilien), die nur kurz, stets weit kürzer als der Körper, dafür aber um so zahlreicher sind. Geißeln sind für die Mastigophoren, Cilien für die Infusorien charakteristisch. Beide Formen von Bewegungsorganellen sind aber im Prinzip analog gebaut — durch den anscheinenden Besitz eines elastischen, von einem kontraktilen Plasmamantel um- hüllten Achsenfadens schließen sie sich auch an die Axopodien der Heliozoen an — und eine scharfe Unterscheidung zwischen ihnen ist nicht immer möglich, wie namentlich die neuerdings von Grassı (1911) als Hypermastiginen bezeichneten Trichonymphiden zeigen, deren Undulipodien meist ihrer beträchtlichen Länge wegen, sowie auch wegen der offenbaren (nur von HARTMANN 1910 angezweifelten) Zu- gehörigkeit der Trichonymphiden zu den Flagellaten als Geißeln be- zeichnet werden ungeachtet ihrer an Cilien erinnernden großen Zahl. 1. Die Geißeln oder Flagellen der Mastigophoren sind sehr feine, in ihrem ganzen Verlaufe nahezu gleichdicke, fadenförmige Plasma- Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 15 226 Protozoa. Max Lüu, fortsätze des Körpers von verhältnismäßig erheblicher Länge, die fast stets an dem bei der Bewegung vorangehenden Körperende ent- springen. Meist sind ihrer nur 1 oder 2 vorhanden, sehr viel sel- tener 3, 4, 5, 6 oder 8; nur die Hypermastiginen (Trichonymphiden) besitzen, wie bereits erwähnt, zahlreiche Geißeln. Formen der Geißeln. Ist nur eine Geißel vorhanden, so ist diese meist als Schwimmgeißel vorausgerichtet, zieht also den Körper nach. Sind mehrere Geißeln vorhanden, so können diese gleichgestaltet sein (bei Trichonymphiden und auch sehr häufig bei zweigeißeligen Flagellaten); daß trotzdem schon eine physiologische Differenzierung eingetreten sein Kann, beweist die Tatsache, daß bei Chilomonas paramaecium nur eine der beiden gleich- langen Geißeln positiv thigmotaktisch ist (vgl. den Abschnitt über Haftorganellen. Sehr häufig treten aber auch morpho- logische Unterschiede auf, denen zweifellos eine physiologische Verschiedenheit entspricht. Man spricht dann vonHeteromastigie, und daß diese heteromastiginen Flagellaten, die sich auf fast alle Ordnungen verteilen, sich aus isomastiginen Formen heraus differen- ziert haben, dafür spricht außer dem eben erwähnten Verhalten von Chilomonas auch das Vorkommen von Formen, bei denen die morphologische Verschiedenheit der Geißeln noch gering ist und keinerlei Rückwirkung auf die noch völlig erhaltene Symmetrie der ganzen Zelle ausgeübt hat, während stärkere Heteromastigie meist mit asymmetrischem Zellbau verbunden ist (vel. z. B. Eig. 315). Bei Verschiedenheit der Geißeln bezeichnet man als 1. Hauptgeißeln: lange, in der Bewegungsrichtung meist nach vorn oder auch während der Vorwärtsbewegung seitlich gerichtete Geißeln; neben an- deren Geißelformen meistin der Ein-, sehr viel seltener (z. B. bei Trichomastix und Trichomonas) in der Mehrzahl vorhan- den. 2. Nebengeißeln: kleinere, in der Ein- oder Mehrzahl neben einer Hauptgeißel ste- hende Geißeln (Fig. 226, A). 3.Schleppgeißeln: Fie. 226. Flagellaten mi . : meist verhältnismäßig A Monas Da ee lange Geißeln, die C Bodo gracilis Stein. H Hauptgeißel, N Nebengeißel, am Vorderende (meist S Schleppgeißel. Nach STEIN aus DOFLEIN. ein wenig hinter der Hauptgeißel) entsprin- gen und nach hinten gerichtet beim Schwimmen nachgeschleppt werden (Fig. 226, Bund ©). Meist sind sieleicht wellig gekrümmt. Häufig bewe- gungslos oder doch nur ganz schwache Bewegungen ausführend, können sie plötzlich einmal in Wirksamkeit treten und durch schla- A b © D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 227 gende Bewegungen die Schwimmrichtung ändern. Ihre Funktion entspricht offenbar im wesentlichen einem Steuerruder; sie können aber auch sich an einem Fremdkörper anheften und dadurch den Körper vorübergehend vor Anker legen. Eine lange Schleppgeißel findet sich bei Cercobodo, den Bodo- naceen (Fig. 226, C), Prowazekia (Fig. 9), Anisonema, Ento- siphon, Dinema, Nephroselmis (deren morphologische Längs- achse quer zu der Richtung des Schwimmens oder Kriechens steht), sowie Trichomastix und Devescovina (hier neben drei Hauptgeißeln, Fig. 234). Zwei Schleppgeißeln haben Dallingeria und Trimastix neben einer Hauptgeißel, sowie Hexamitus (Fig. 8) und Urophagus neben 6 Hauptgeißeln. Bei Trimastix sind die Schlepp- geißeln auch unter sich ungleich, indem nur eine ganz frei ist, die andere dagegen bis zu ihrer Mitte in einer Längsfurche des Körpers liegt. In der Regel ist die Schleppgeißfel merklich länger als die Haupt- geißfel, nur bei Tri- mastix sind alle Geißeln nahezu gleich lang. Eine sehr kurze nach hinten sewandte dGeißel neben viel längerer Hauptgeißel Fig. 227. Tropidoscyphus cyclostomus SEnn, findet sich dagegen bei linke Seitenansicht. Vergr. 2000:1. Nach SENN. einigen Euglenoideen (Sphenomonas, Heteronema, Tropidoscyphus[Fig. 227], Noto- solenus [Fig. 315]), die sich mit schief aufwärts gerichteter Körperachse gleitend oder kriechend vorwärts- bewegen; diese kurze Geißel unter- scheidet sich jedoch von den typi- schen, wenig bewegten Schlepp- . geißeln auch durch ihre kräftigen Pendelbewegungen. Bei Ancyromonas entspricht die einzige Geißel, die in geschlän- geltem Verlaufe nach rückwärts ge- richtet ist, mehr einer Schleppgeißel, wie der Schwimmgeißel der anderen eingeibligen Flagellaten. 4. Undulierende Mem- branen: eigenartige Bewegungs- organellen, die sich ausschließlich bei parasitischen Flagellaten finden und stets nur in der Einzahl vor- Fig. 228. Trichomonas intesti- kommen, und zwar nicht nur neben male Dee lang. een 1.0 Tim asalkörper der in zweı Schlagphasen ASS) oder Siner on Bo dargestellten Hauptgeißeln, if Basalfibrille 2 ; =) der undulierenden Membran, m Cytostom, geißel (bei Tr ypanop lasma , « undulierende Membran. Nach RODEN- Fig. 11 und 229), sondern auch als warpr 1911. einzige Bewegungsorganelle (bei Trypanosoma, Fig. 229, A). Sie entstehen dadurch, daß eine Geißel am Körper des Flagellaten in dessen Längsrichtung entlang 15* 228 Protozoa. Max Lüns, zieht und hierbei mit ihm, meist durch Vermittelung einer zarten Periplastlamelle, verwachsen ist. Die Geißel erscheint alsdann als verdiekter Randsaum der undulierenden Membran und kann sich auch über diese Membran in ein freies Geißelende fortsetzen. Ein solches freies Geißelende kann aber auch fehlen (Fig. 152, a) und ebenso kann die Periplastlamelle fehlen, die die Geißel über das Niveau der angrenzenden Körperfläche erhebt (Fig. 229, 0). 4A C 229. Undulierende Membranen. A Trypanosoma rajae LAv. und Mesn. aus dem Blute von Raja microcellata. Nach M. ROBERTSON aus DOFLEINn. B Trypano- plasma (??) gryllotalpae HamE. aus dem Darm von Gryllotalpa vulgaris. 2 Haupt- geißel, 2 undulierende Membran mit freiem Geißelende. € Trypanoplasma (Cryptobia) limnorum KüHn aus dem Receptaculum seminis von Limnaea stagnalis. Nach Künn. Bei Trichomonas spielen anscheinend die drei Hauptgeißeln die Hauptrolle bei der Schwimmbewegung (Fig. 228); die undulierende Membran dürfte hier in erster Linie eine regulierende Funktion haben. Die anderen eine undulierende Membran besitzenden Flagellaten sind verhältnismäßig langgestreckt und bewegen sich mit lebhaften Schlänge- D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 229 lungen des ganzen Körpers vorwärts; bei ihnen hat offenbar die undu- lierende Membran die Funktion eines den lokomotorischen Effekt der Körperschlängelungen steigernden Flossensaumes (vgl. Fig. 229, A). Für einen Trichomonas-ähnlichen Darmflagellaten des Menschen, den ProwaAzek (1911) auf Samoa gefunden hat und den er Fanapepea intestinalis nennt, wird als besonders charakteristisch angegeben „das geräumige, sackartige Vestibulum, das seitlich durch eine Leiste gestützt wird und in dem von einem dritten Basalkorn aus eine kurze intravestibulare undulierende Membran verläuft“ (2 andere Basalkörner bilden den Ausgangspunkt für 2 Hauptgeißeln). ProwAzER schließt aus diesem Befund, „daß die undulierende Membran der Tricho- monaden anders abzuleiten ist als die undulierende Membran der Trypano- somen“ und im Gegensatz zu dieser „ursprünglich als ein Strudel- und Lippenorganell direkt im Dienste der Nahrungsaufnahme stand und erst mit einer sekundären Verbreiterung des Vestibulums und einer späteren Ummodifizierung des Mundspaltes auch in den Dienst der Lokomotion trat“. In einer schematischen Abbildung ist das „Vestibulum“ von Fanapepea ähnlich der „Schlundeinsenkung“ der Cryptomonadinen (vgl. Fig. 16 auf S. 16) dargestellt. Seine Funktion als Ernährungsorganell ist anscheinend nur aus den Formverhältnissen erschlossen, und im ganzen scheint mir die hier wiedergegebene Darstellung PrRowAzErs noch der Bestätigung bedürftig. Als undulierende Membran ist mehrfach auch die Crista der Muschel-Spirochäten (Gattung Cristispira) aufgefaßt worden; gab dies doch sogar die Veranlassung, daß die Spirochäten gelegentlich den Flagellaten angegliedert wurden. Indessen ist diese Orista nach Gross (1910) durchaus eine Bildung sui generis, ein seitlich dem zylindrischen Körper ansitzender, fast von einem bis zum anderen Körperende reichender Kamm, der bei guter Fixierung keinerlei Struktur erkennen läßt und eine integrierende Fortsetzung der ziemlich starken, aber färberisch nicht differenzierbaren Zellmembran der Cristispiren darstellt. Eigenartige Differenzierungen zweier Geißeln, die besondere Be- sprechung verdienen, finden sich bei den Dinoflagellaten und bei Noctiluca. 1. Die beiden Geißeln der Dinoflagellaten entspringen in einer fast stets an der Seite („Bauchseite“) des Körpers, nur ausnahmsweise (bei den Prorocentraceen) am Vorderende gelegenen spaltförmigen Ver- tiefung, dem „Geißelspalt“. Bei den Prorocentraceen geht bei der Be- wegung die eine Geißel voran, die Bewegung der anderen ist noch nicht ganz sicher (Schwingungen um die Basis der 1. Geißel sind beobachtet). Bei allen anderen Dinoflagellaten liegen die Geißeln in Furchen der Körperoberfläche, deren eine von dem Geißelspalt (meist in der Längsrich- tung des Körpers) nach hinten zieht, während die andere den Körper in einer häufig fast ringförmig geschlossenen, seltener in einer mehr gestreckten Spirale umgürtet. Bei einzelnen ungepanzerten Arten, deren spiralige „Gürtelfurche“ mehr als einen Umgang macht, beschreibt (offenbar infolge spiraliger Drehung der ganzen Längsachse) auch die „Längsfurche“ eine Spiraltour (Fig. 230). Die in der Gürtelfurche geborgene Gürtel- oder „Flimmergeißel“ führt schraubenförmige Wellenbewegungen aus, die in erster Linie eine Rotation des Organismus um die Längsachse bewirken, nebenbei aber auch noch die Vorwärtsbewegung fördern. Die Längsgeißel ragt beim freien Schwimmen aus der Längsfurche weit nach 230 Protozoa. Max Lüus, hinten vor und liefert bei ihren schwingenden Bewegungen die Haupt- kraft für die Vorwärtsbewegung, nebenbei noch als Steuer wirkend; in der Ruhe wird sie mehr oder weniger zurückgezogen, bei vielen Arten in engen Spiralwindungen völlig in der Längsfurche geborgen (Fig. 231), bei Oxyrrhis in charakteristischem Bogen um einen eigenartigen, neben der Längsfurche gelegenen zapfenförmigen Vorsprung des Körpers herumgelegt (Fig. 232). Mehrfach wurde übrigens bei einzelnen Dinoflagellaten-Arten (Gat- tungen Ceratium, Gymnodinium und Spirodinium) gelegentliche Ver- doppelung der Längsgeißel beobachtet, und Onno (1911) hat bei einer Fig. 230. Fig. 231. Fig. 230. Pouchetia fusus SchÜrr. Ventralansicht. 77 Längsfurche, /@ freies Ende der Längsgeißel, 97 Querfurche. Das der Dorsalfläche genäherte Stigma nicht dargestellt. Nach Schütt 1895, 1896. Fig. 231. Ceratium tripos NıTzscH. A Mittelkörper (ohne die 3 Hörner) von der Ventralfläche, mit teilweise dargestelltem Zellinhalt. 5 blinddarmähnlicher Anhang der Pusule, A‘ Basis des Vorderhorns, A‘ desgleichen des rechten und A““ des linken Hinterhorns, IFl linke Flügelleiste der Längsfurche, von deren Rande entspringend und zusammen mit der rechten Flügelleiste (r #2) eine Schutzröhre für die Geißel bildend, 1G Längsgeißel, N Kern, O Oeltropfen, P Sackpusule, q # Querfurche, 9 @ Quergeißel, r Fl rechte Flügelleiste der Längsfurche. B Lage der völlig zurückgezogenen Längsgeißel in der Längsfurche. Vergr. 640:1. Nach ScHÜüTT 1895. Art, Gymnodinium biciliatum, diese Verdoppelung der Längsgeißel sogar konstant gefunden, so daß diese Art statt der gewöhnlichen zwei drei Geißeln besitzt. 2. Bei Noctiluca ist der kugelförmige Körper auf der Ventral- fläche längs der Medianebene in Ausdehnung von 1/,—1/, des Kugel- umfanges mehr oder weniger tief eingesenkt. Den Boden dieser als Peristom bezeichneten Einsenkung nimmt die spaltförmige Mundöffnung ein und vorn, etwa in der Mitte zwischen Peristomrand und Vorder- D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 231 ende der Mundspalte, erhebt sich die sogenannte Bandgeißel (Ten- takel). Sie ist kontraktil, bald gestreckt, bald mehr oder minder eingerollt; nach dem (immerhin noch ziemlich stumpfen) Ende verjüngt sie sich kegelförmig; auf der der Mundspalte zugewandten Seite ist sie rinnenförmig vertieft. Sie ist den Geißeln anderer Flagellaten nicht vergleichbar, sondern ist eine Ausbuchtung des Zellkörpers und besitzt wie dieser eine den plasmatischen Inhalt umschließende Membran. Die Membran der Bandgeißel läßt eine sehr feine Querringelung erkennen A - B © Pe .ny N ER | a Ki Mregs’.#7 Fig. 232. Fig. 233. Fig. 232. Oxyrrhis marina Dvs. A Ventralansicht eines zur Ruhe kommenden Exemplares mit ausgestreckter Schleppgeißel und langsame Wellenbewegungen voll- führender Ringgeißel.e. B Ventralansicht eines ruhenden Exemplares mit angezogener Schleppgeißel. € Dorsalansicht desselben Exemplares. Vergr. 1000:1. Nach SENN 1911. Fig. 233. Noctiluca miliaris Sur. von der Oralfläche (die beiden Seitenteile des kugeligen Körpers abgeschnitten dargestellt). 2 Bandgeißel, 2 Flagellum, 3 Zahn, 4 Mundspalte, 5 Kern, 6 Zentralplasma, 7 von diesem ausgehende, sich verästelnde Plasma- stränge. Nach BürscaLı 1885. und auf der konkaven Seite hat sich die sonst unregelmäßige Netz- struktur des Plasmas zu einer regelmäßigen, mit quergestreckten vier- eckigen Maschen umgewandelt, was zu dem irrigen Vergleiche mit einer quergestreiften Muskelfaser verführt hat. Die Bewegungen der Band- geißel sind sehr träge und anscheinend ohne erheblichen Einfluß auf die Körperbewegungen; es wird deshalb vermutet, daß sie bei der Nahrungs- zufuhr mitwirke. Hinter der Bandgeißel und nahe dem Vorderende des Mundspaltes liegt im Peristom eine kleine feine hintere Geißel, welche lebhafte wellenförmige Bewegungen ausführt und offenbar einer gewöhnlichen Flagellatengeißel entspricht, wenngleich sie zu schwach ist, um wesent- 232 Protozoa. Max Lünk, liche lokomotorische Wirkungen entfalten zu können, und daher meist auch als Organell für die Nahrungszufuhr betrachtet wird (Fig. 233, 2). Bei den anderen Cystoflagellaten (Leptodiscus und COraspe- dotella, Fig. 289) fehlt die Bandgeißel. Die einzige kleine, der hin- teren Geißel von Noctiluca entsprechende Geißel ist dadurch ausgezeichnet, daß sie innerhalb einer engen röhrigen Einsenkung („Geißelscheide“) entspringt. Die Schwimmbewegungen dieser Flagellaten erfolgen offen- bar durch Kontraktionen des ganzen Körpers ähnlich denen der Me- dusen (vgl. hierzu Fig. 289). Von besonderer vergleichend-anatomischer Wichtigkeit ist die verschiedenartige Insertion der Geißeln. Im Anschluß an HARTMANN und CHacas (1910) können wir fünf verschiedene Typen unterscheiden: h 1. Im einfachsten Falle (nur bei Rhizomastiginen) ent- springt die Geißel direkt von dem bläschenförmigen Kern des Flagellaten (Fig. 2), dessen Membran durch den von der Geißel bei ihren Bewegungen ausgeübten Zug kegelförmig nach der Körper- oberfläche zu ausgezogen werden kann (Fig. 224); gelegentlich kann sogar das Karyosom des Kernes an dieser Verzerrung beteiligt sein. 2. Bei den Protomonadinen, Chrysomonadinen und Phytomonadinen (Volvocales) entspringen die Geißeln von einem „Basalkorn“, das seinerseits durch eine Fibrille, den Rhizoplast, mit dem Kern verbunden ist (Fig. 3). Mehrfach ist es gelungen, den Rhizoplast auch noch ins Innere des Kernes bis an das Karyosom heran zu verfolgen, und für einige Arten ist der Nachweis erbracht, daß das Basalkorn durch heteropole Teilung aus dem Karyosom bzw. dem in diesem enthaltenen Centriol entsteht. Der Rhizoplast stellt dann die erhalten bleibende Centrodesmose dieser Teilung dar, kann aber nach völliger Ausbildung der Geißel anscheinend bei manchen Arten teilweise oder ganz eingeschmolzen werden. Bei Polymastiginen und Hypermastiginen (Trichomonaden und Trichonymphiden) scheinen die Geißeln ähnlich zu entspringen wie bei den Protomonadinen (denen die Trichomonaden von HARTMANN des- halb sogar direkt zugezählt werden). Eine Komplikation tritt bei ihnen jedoch dadurch auf, daß in der Nähe von Basalkorn und Kern noch ein eigenartiger Parabasalkörper vorhanden ist, der von dichtem homo- genem Plasma gebildet wird und sich bei Osmiumfixierung sowie in Eisenhämatoxylin und Hämalaun — aber nicht in DerAarızıLps Hämato- xylin — deutlich färbt. Häufig (z. B. bei Trichomonas, Deve- scovina, Fig. 234) erscheint derselbe schlauch- oder wurstförmig und ist mit dem Basalkorn der Hauptgeißeln durch einen besonderen „Para- basalfaden“ verbunden. Bei Lophom onas (Fig. 14 und 215) hat er die Form zahlreicher, dicht aneinander gedrängter, stäbchenförmiger Gebilde, welche einem membranösen, den Kern umschließenden Kelch von außen dicht aufsitzen. Bei den vielkernigen Gattungen Stephano- nympha und Calonympha ist er ebenfalls in Vielzahl vorhanden. Bei beiden liegen die Kerne in zwei- bis dreifachem Kranze in den oberflächlichen Schichten des Vorderendes; in der Nähe jeden Kernes liegen ein Basalkorn, von dem je 4 gleiche Geißeln entspringen, und ein Parabasalkörper, der mit dem Kern und dem Basalkorn eine von Janıckı (1911) als „Karyomastigont“ bezeichnete morphologische Einheit zu bilden scheint. Bei Calonympha (Fig. 235) ist im Gegensatz zu D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 233 Stephanonympha die Zahl der Geißelgruppen sehr viel größer als die der Kerne, indem vor den „Karyomastigonten“ noch eine Reihe von ebenfalls zu Kränzen angeordneten „Akaryomastigonten“ liegen, bestehend aus je einem Basalkorn, von dem die vier Geißeln entspringen, und einem Parabasalkörper, der hier in eine besonders differenzierte spindel- förmige Plasmamasse eingelagert ist und unter Umständen einen Kern vortäuschen kann. Stets hat der Parabasalkörper auch Beziehungen zu dem allen diesen Formen zukommenden Achsenstab (vgl. außer Fig. 234 und 235 auch Fig. 215 auf S. 213). Bei der Teilung des Flagellaten kann Fig. 234. Fig. 235. Fig. 234. Vorderende von Devescovina striata FOÄ var. hawaiensis. Ast Achsenstab, Bk Basalkörper der Geißeln, X Kern, Pbf Parabasalfaden, der den Parabasal- körper mit dem Basalkörper verbindet, Pbk Parabasalkörper, in enger Schraubenlinie um den Achsenstab herumgewunden, Sl Schleppgeißel, Spf Suspensorialfaden, der das Basal- korn mit dem Kern verbindet. Nach JAnIcKI 1911. Fig. 235. Optischer Längsschnitt durch das Vorderende von Calonympha grassii FoA. Af Die einzelnen, zum Achsenstabe zusammentretenden Fibrillen, 3% Basalkorn der Geißeln in einem Akaryomastigonten, Bk’ desgleichen in einem Karyomastigonten, K Kern, Pbk Parabasalkörper in einem Akaryomastigonten, von besonders differenzierter, spindelförmiger Plasmamasse umgeben, Pbk‘ Parabasalkörper in einem Karyomastigonten. Nach JANIcKI 1911. er sich sehr verschieden verhalten: er kann selbst sich teilen (z. B. bei Devescovina) und so den Eindruck einer autonomen Örganelle machen (vgl. S. 153) oder er kann dem einen Tochtertier zufallen und für das andere neu gebildet werden (z. B. bei Stephanonympha) oder endlich er kann zugrunde gehen und für beide Tochtertiere neu gebildet wer- den (z. B. bei Lophomonas). Seine Bedeutung ist noch durchaus hypo- 234 Protozoa. Max Lünz, thetisch. Janıckı (1911), dem wir die hier referierten Angaben ver- danken, vermutet in ihm „ein Depositum von im Stoffwechsel der para- sitischen Flagellaten ausgearbeiteten, spannkraftreichen Substanzen, welche stetig einerseits für die Arbeit der Geißeln verbraucht, andererseits aus dem Plasma neu angelagert werden“. 3. Bei den Binucleaten (Herpetomonas, Trypanosoma u. a.) entspringen die Geißeln ebenfalls von einem einfachen oder doppelten Basalkorn, das durch einen Rhizoplast mit einem Kern in Verbindung steht. Dieser Kern ist aber nicht wie beim zweiten Typus der einzige Kern des Flagellaten, sondern ein besonderer, vom Hauptkern unabhängiger Geißelkern (Kinetonucleus, Ble- pharoplast) (Fig. 10 u. 214; vgl. auch oben in der Besprechung des Kernapparates der Protozoen S. 150£.). 4. Bei den Euglenoideen und Cryptomonadinen (Chilo- monas) fehlt dagegen eine dauernde Verbindung der Geißeln bzw. ihres Basalkornes mit dem Kern, und während bei den bisher be- sprochenen Typen der Geißelinsertion die Neubildung von Geißeln bei der Teilung der Flagellaten stets von dem sich teilenden Kerne aus erfolgt, kann sich bei den Euglenoideen das Basalkorn direkt hantelförmig teilen, um dann aus sich die neuen Geißeln hervorsprossen zu lassen. Ueber die Entwickelung dieses Geißelapparates hat BEerLiner (1909) einige Angaben für Copromonas major gemacht. Bei dieser Art zieht von dem oberflächlichen Basalkorn aus ein Rhizoplast zu einem zweiten inneren Basalkorn, das ursprünglich vom Kern aus abgeschnürt wurde, aber sekundär seine Verbindung mit diesem eingebüßt hat. Genauer sind wir über die Ursprungsverhältnisse der Geißeln von Eutreptia durch Steuer (1904) und von Euglena durch WAGEr (1899) : und Hamgurger (1911) unterrichtet. Bei TEN Euglena hat die einzige Geißel zwei N; Wurzeln, die in einem deutlich um- ä schriebenen, stark färbbaren und jedenfalls die Basalkörner bergenden Plasmabezirk befestigt sind (Fig. 236). Eine der beiden Wurzeln trägt eine halbmond- bis bohnen- Fig. 236. Vorderende von Euglena ehren- bergi im Längsschnitt. a Durchschnitt durch den Augenfleck, p Plasmaverdiehtung, in der die beiden Geißelwurzeln befestigt sind, s Sphinkter an der Mündung des Trichters, v Verdiekung der einen Geißelwurzel, x Uebergangsstelle des Trichters in das Reservoir. Die frei vorragende Geißel ist an der Triehtermündung abgeschnitten gedacht. Nach HAMBURGER 1911. förmige seitliche Verdickung, die sich färberisch anders verhält als die Geißel selbst und in enger Beziehung zu dem Augenfleck steht (vgl. auch den Abschnitt über Empfindungsorganellen). Bei dem häufig er- folgenden Abwerfen der Geißel scheinen die beiden Wurzeln in dem’ Körper zurückzubleiben. Eutreptia hat dagegen 2 Geißeln, deren ähnlich entspringende Wurzeln nicht gespalten sind und beide in Höhe des Augenfleckes eine seitliche Verdickung tragen. Die Fortsetzung der D.II.1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 235 Geißelwurzeln ins Innere des Plasmakörpers bis zu einem inneren Basal- korn konnte Haase (1910) bei Euglena sanguinea verfolgen. 5. Bei Mastigella ist die (hier anscheinend verkürzbare!) Geißel nicht nur von dem Kerne völlig unabhängig, sondern auch ohne Verbindung mit einem besonderen Basalkorn. Ihre Wurzel läßt sich als ein äußerst zarter Faden, der viel dünner ist als die Geißel selbst, bis an die Grenze von Ekto- und Endoplasma verfolgen, um hier unvermittelt zu enden. Sie liegt im Innern einer feinen Röhre, die sich von der Oberfläche des Körpers in die Tiefe senkt (Fig. 237). Je nach der Kontraktion dieses Wurzel- apparates kann die Geißel zu einem langen schlaffen Faden von Körperlänge und darüber ausgestoßen oder zur Form einer kurzen starren Borste, die ‚dann auch selbst wesentlich dicker erscheint, eingezogen werden. B f» } & Fig. 237. Fig. 238. Fig. 237. Geißelinsertion von Mastigella vitrea GOLDSCHM. ec Ektoplasma, en Endoplasma, gw Geißelwurzel, r Röhre, die die Geißelwurzel umschließt und in die die Geißel zurückgezogen werden kann. Vergr. 1270:1. Nach GOLDSCHMIDT 1907. Fig. 238. Geißelstruktur. A Isolierte Geißel von Euglena. /f elastische Achsenfibrille, p Plasma. Nach BürscHzı 1910. B Geißel von Trachelomonas. Rechts unten Querschnitt derselben zur Demonstration der exzentrischen Lage der dunkel gezeichneten Achsenfibrille. Nach PLENGE. Die feinere Struktur der Geißel muß in Einklang stehen mit der dauernden Erhaltung der feinen Fadenform, die ohne Festig- keit nicht denkbar ist, und der lebhaften Beweglichkeit, die doch wieder starke Kontraktilität voraussetzt. Dementsprechend scheint nach neueren Untersuchungen jede Geißel zu bestehen aus einem festen elastischen Achsenfaden, der sie exzentrisch durchzieht, und einem diesen umhüllenden Plasmamantel; Krümmung der Geißel wird bedingt durch Kontraktion des Plasmamantels, während bei Nachlaß dieser Kontraktion die Elastizität des Achsenfadens die Streckung 236 Protozoa. Max Liünr, der Geißel herbeiführt. Die größte Dicke des Plasmamantels läuft in gestreckter Spirale um den Achsenfaden herum und demzufolge führt die Kontraktion nicht zu einfacher pendelnder Krümmung der Geißel in einer Ebene, sondern zu schlängelnden Bewegungen in einer Raumkurve (Fig. 238). Die Geißel von Herpetomonas besitzt statt eines einzigen Achsen- fadens deren zwei, die sie der ganzen Länge nach parallel durchziehen, so daß sie als durch Verwachsung zweier Geißeln entstanden aufgefaßt werden kann (Fig. 10). Bei manchen Flagellaten ragt der elastische Achsenfaden am freien Ende der Geißel als „Endfaden“ nackt über den Plasmamantel hinaus (Fig. 238, A). Die Bewegungen der Geißeln weisen mancherlei Verschieden- heiten auf und sogar ein und dieselbe Geißel kann sich zu ver- schiedenen Zeiten in recht verschiedener Weise bewegen und dadurch auch verschiedene Bewegungen des ganzen Flagellaten bedingen (z. B. bald Vorwärts-, bald Rückwärtsschwimmen). Nicht selten bewegt sich nur das freie Ende der Geißel stärker, während ein größerer basaler Teil fast stillsteht („Peitschengeißel“). Bei aller Verschieden- heit im einzelnen sind aber doch wichtige gemeinsame Grundzüge erkennbar. Nach den Untersuchungen UÜLEHLAS (1911) umschwingt oder durch- schwingt die normaltätige Geißel durch ganz verschiedenartige Krüm- mungen einen gegebenen Raum („Lichtraum“ UrenrLas), der nur selten eine Rotationsfigur vorstellt, in der Regel vielmehr eine wesentlich kom- pliziertere Gestalt hat (häufig schmal-elliptischen Querschnitt bei gleich- zeitiger bestimmter Krümmung seiner Achse) und diese Gestalt bei voller Geißeltätigkeit verändern kann (z. B. Aenderung der Form des elliptischen Querschnitts oder Aenderung der Krümmung der Achse, wodurch Aende- rungen der Bewegungsrichtung des Flagellaten in gesetzmäßiger Weise be- dingt werden). Die Schwimmbewegung der Flagellaten erfolgt stets in einer gestreckten Spiralbahn ähnlich wie bei Paramaecium (vgl. S. 98). Dabei arbeitet die Geißel nach dem Prinzip eines Ruders, d. h. wenn auch Raumwellen in ihr verlaufen, so bringt sie doch nicht, wie BürschHLı annahm, den Körper durch ein Vorwärtsschrauben vorwärts, sondern durch Summierung der Wirkung von seitlichen Schlägen (Kontraktionen) (besonders deutlich bei Euglena). Die Verschiedenheiten der Geißeltätig- keit bei Süßwasserflagellaten faßt ULertA in folgenden Typen zusammen: 1. Monadentypus: Geißel lang, gleichmäßig dick, stielrund, nach allen Seiten hin sehr biegsam, einer ösenförmigen Einkrümmung sehr leicht fähig, bewegt sich in vielen Raumwellen, die zu Flächenwellen abgeplattet werden können; Lichtraum im ganzen biegsam, nach vorn gerichtet. 2. Chrysomonadentypus: Geißel wie bei Monas, nur kürzer und steifer, bewegt sich in wenigen Raum- und Flächenwellen; Licht- raum weniger biegsam als bei Monas, nach vorn (Ohrysomonaden) oder auch seitlich (Schwimmgeißel von Bodo) gerichtet. 3. Euglenentypus (auch bei Cryptomonaden): Geißel lang, mit elliptischem Querschnitt, im Sinne des kleineren Durchmessers bieg- samer, tordiert, bewegt sich in schleifenförmigen Raumwellen; Lichtraum seitlich gerichtet. D.II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 237 4. Bodotypus: Ziemlich starre Schleppgeißel, bewegt sich lang- sam in 1—2 flachen Raumwellen, kann sich anheften oder gleiten, ist einer schleifenförmigen Biegung unfähig. 5. Chlorophyceentypus: Geißel einer ösenförmigen Einkrüm- mung unfähig, umschwingt einen seitlich gerichteten Lichtraum, in- dem sie sich als Ganzes kontrahiert. — a. Schwärmertypus (z. B. bei Chlamydomonas): Geißel stielrund, kurz, starr, bewegt sich nie in Wellen, sondern nur um ihren viel biegsameren Basalteil. — b. Pan- dorinatypus: Geißel länger und biegsamer, manchmal schwach band- förmig, an der Basis nicht biegungsfähiger als an anderen Stellen, nimmt vorübergehend nach der Seite des Schlages hin eine schraubige Gestalt an; manchmal bemerkt man an ihr ein Zucken und Zittern. Die Geißeln aller Einzelindividuen einer Kolonie arbeiten harmonisch zusammen. Bei Gyromonas ambulans sollen die 4 Geißeln nach SELIGo (1877) ähnlich wie bei den hypotrichen Infusorien die Cirren (vgl. S. 242) zum Gehen benutzt werden können, indem sie immer abwechselnd paar- weise gerade ausgestreckt starr, steif werden und so den Körper vor- wärts schieben und heben. Die Geschwindigkeit der Geißelbewegung ist, von wenigen Aus- nahmen (z. B. Schleppgeißeln) abgesehen, eine sehr große, so daß sichere Zeitangaben kaum feststellbar sind. ProwAzek (1900), der für ver- schiedene, sich nur langsam bewegende Geißeln 14—94 Schläge pro Minute angibt, vermutet doch gleichzeitig, daß die Zuckungsdauer vieler Geißeln das Zeitintervall von 0,044 Sekunden, bei dem das menschliche Auge Lichtreize gerade noch unterscheiden kann, noch nicht erreicht. Bemerkenswert ist auch, daß isolierte Geißeln noch kurze Zeit weiter- schlagen können. Außerhalb der Klasse der Mastigophoren finden sich Geißeln in weiter Verbreitung bei bestimmten Fortpflanzungs- stadien (den sogenannten Schwärmern, Flagellosporen Lanes) von Sar- codinen (vgl. z. B. Fig. 108 auf S. 89) und Sporozoen, namentlich bei Gameten (z. B. der Foraminiferen und Coccidien). Näheres siehe in dem Abschnitt über Fortpflanzung, Befruchtung und Generationswechsel. Geißeln neben Pseudopodien finden sich außer bei den Rhizo- mastiginen und anderen amöboid beweglichen Flagellaten auch noch bei einzelnen Formen von zweifelhafter systematischer Stellung: Dimorpha mutans (Fig. 239) mit 2 Geißeln neben heliozoenähnlich allseitig radiär ausstrahlenden Axopodien, und Ciliophrys, die ebenfalls allseitig dünne, feine, spitze Pseudopodien besitzt, diese aber einzieht, wenn sie unter Bildung von 1—2 Geißeln in den schwimmenden Flagellatenzustand übergeht. Geißeln neben Wimpern finden sich bei einzelnen Ciliaten: Monomastix ciliatus hat eine lange Geißel am Vorderende (Fig. 240) und die merkwürdige Maupasia paradoxa, die ScHEWIAKOFF 1893 beschrieb und die sich von typischen Infusorien anscheinend auch durch den einfachen Kern unterscheidet, hat mehrere Geißeln am hinteren Körperteile, darunter eine Hauptgeißel direkt am Hinterende. 2. Die Wimpern oder Cilien der Infusorien unterscheiden sich von Geißeln, wie bereits auf S. 225 erwähnt, durch wesentlich größere Anzahl sowie durch meist erheblich geringere Länge. Daß auch sie allem Anschein nach aus einem elastischen Achsenfaden und einem 238 Protozoa. Max Lünr, diesen umgebenden Plasmamantel bestehen, wurde bereits in der monographischen Besprechung von Paramaecium (S. 97) angeführt. Stets entspringt jede einzelne Wimper von einem besonderen, im Ektoplasma gelegenen Basalkorn (vgl. Fig. 110 sowie S. 97). ’ N . ERS = ee 2 v* Dr 0 r Kay age ie oo ET A r Fig. 239. Fig. 240. Fig. 239. Dimorpha mutans GRUBER. Süßwasser. Aus SCHOUTEDEN 1907. Fig. 240. Monomastix ciliatus Roux. Länge 75 u, Breite 14 p. Süßwasser. I Geißel am Vorderende, wo sich auch das Cytostom befindet, 2 Makronucleus, 3 Mikro- nucleus, 4 pulsierende Vakuole, 5 Cytopyge, 6 Trichiten hinter dem Cytostom (den Cyto- pharynx umstellend?). Nach JEAN Roux 1899. a BRETT dot ET 5 or Ka PORROBEREHERERGE N i; vr. . Fig. 241. Opalina ranarum Stein. a Flächenschnitt durch das Ektoplasma im Niveau der Basalkörperchen, b Schnitt längs einer Wimperreihe, e Schnitt senkrecht zu den Wimperchen. B Basalkörperchen der Wimpern, C Wimpern, Co Cortiealplasma, En Endoplasma, F Furchen der Oberfläche, I scheibenförmige Körperchen im Endo- plasma, X Kerne, P Pellieula. Nach MAIER 1903. D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 239 Bei den einfachst organisierten und zum Teil wohl auch ursprüng- lichsten Infusorienformen besitzt der Körper an seiner ganzen Öber- fläche ein gleichmäßiges dichtes Wimperkleid. Dabei sind die Wimpern derart in parallelen Längsreihen angeordnet (vgl. außer Fig. 241 und 243, c auch Fig. 59—62), daß sie in meridionaler Richtung oder in gestreckten Schraubenlinien vom vorderen (oralen) zum hinteren (ab- oralen) Ende des im einfachsten Falle spindelförmigen Körpers ziehen. Indem die Wimpern in gleichem Rhythmus in der Richtung ihrer Längsreihen nach hinten schlagen, wird der Körper unter Rotation um seine Längsachse nach vorne getrieben (vgl. auch S. 98). Zunächst macht die Bewegung der Wimpern, die im ganzen unter dem Mikroskop ein Bild ähnlich einem vom Winde bewegten Getreide- feld bietet, ganz den Eindruck, als ob jede einzelne Wimper in einer Ebene hin- und herschlüge. Tatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall, vielmehr umkreist dieselbe offenbar einen Kegel von flach-elliptischem Querschnitt. Ueber das rhythmische Zusammenwirken der Wimpern vgl. die Besprechung von Paramaecium auf S. 98. Der ursprüngliche Zustand eines vollständigen und gleichmäßigen Wimperkleides erfährt bei verschiedenen Infusorien die verschiedensten Abänderungen und Komplikationen, die hauptsächlich mit 2 Erschei- nungen zusammenhängen: einmal treten die Wimpern in den Dienst der Nahrungsaufnahme, dessen Anforderungen wichtige Weiterbildungen herbeiführen, und zweitens kann das Wimperkleid auch Rückbildungen erfahren, die zu einem teilweisen, mehr oder weniger weitgehenden, bei einer Gruppe festsitzender Infusorien sogar zum völligen Schwunde führen. A. Verschiedene Differenzierungen der Wimpern. In die Kategorie der Öilien gehören außer den einfachen Wimpern auch: 1. die Tastborsten, die morphologisch typischen Wimpern gleichen, auch gleich diesen von besonderen Basalkörperchen ent- springen (Fig. 244, Tb), aber die motorische Funktion eingebüßt haben und offenbar Tastorgane darstellen (weiteres siehe unten in dem Ab- schnitt über Empfindungsorganellen); 2. motorische Organellen, die im Interesse größerer Arbeits- leistung durch Verschmelzung einer größeren Anzahl ein- zelner Wimpern entstehen, dementsprechend sich auch an ihren freien Enden leicht zerfasern und in vier verschiedenen Formen auf- treten: a) Als Membranellen bezeichnet man Wimperplättchen, welche in der Umgebung des Mundes in einer mehr oder weniger deutlich spiralig gekrümmten Reihe, der sogenannten adoralen Zone, stehen und mehr der Nahrungszufuhr als der Lokomotion dienen (vgl. des- halb auch Näheres über ihre Anordnung in dem Abschnitt über die Ernährungsorganellen. Die einzelne Membranelle ist ein zartes Plättchen von drei- oder viereckiger Gestalt, das stets 2 parallele Reihen von feinen, den Achsenfibrillen einzelner Wimpern oder Geißeln entsprechenden Fibrillen enthält und dementsprechend auch von einem „Basalsaum“ entspringt, der von 2 parallelen Reihen einzelner Basal- körperchen gebildet wird (Fig. 242 und 243). Mehrfach sind in neuerer Zeit bei den Wimpern der Infusorien Fibrillen nachgewiesen worden, die von dem Basalkörperchen aus in die 240 Protozoa. Max Lünz, Tiefe ziehen und jedenfalls als Widerlager für die sich bewegenden Wimpern dienen (wenngleich ihre Bedeutung hiermit wohl noch kaum erschöpft ist). Ueber ihre innere Endigung ist noch wenig Sicheres be- kannt. Nur bei Collinia branchiarum wurde von Corum (1909) ihr Verlauf bis zur Oberfläche des Großkernes verfolgt (vgl. 8. 215). Bei den Membranellen finden sich entsprechend ihrer verhältnismäßig kräftigen mechanischen Wirkung auch verhältnismäßig kräftige Wider- lager im Plasma in Form einer Verdickung des Ektoplasmas, die im einfachsten Falle (z. B. bei Nyctotherus) als zusammenhängender „Basalwulst“ im ganzen Bereich der adoralen Zone in das Endoplasma hinein vorspringt. Meist aber findet sich unter jeder einzelnen Mem- branelle eine homogene ektoplasmatische „Basallamelle“ (Fig. 242 und 243, Bl). BeiBursaria setzen sich diese Basallamellen noch in gleichfalls SE a or 7 Be x Dn nz Bu RE A, a En a. TE EN we. Fig. 242. Fig. 243. Fig. 242. Bursaria truncatella MÜLL. Schnitte durch die adorale Zone, & längs einer Membranelle, b senkrecht zu den Membranellen. Bl Basallamelle und Bs Basal- saum der Membranelle, Co Corticalplasma, Zn Endoplasma, Ml Membranelle, @s Quer- streifen. Nach MAIER 1903. Fig. 243. Stentor niger EHrBG. Schnitte durch die adorale Zone, a längs einer Membranelle, b senkrecht zu den Membranellen, e Flächenschnitt in Höhe der Basal- säume. B Basalkörperchen einzelner Körperwimpern, Bf Basalfibrille, Bl Basallamelle, Bs Basalsaum, Co Corticalplasma, Zf Endfädehen, En Endoplasma, M Myunem, MI Membranelle, Rec Basalkörperchen der Randeilien, St Stirnfeld, Z Zoochlorellen. Nach MAIER 1903. quer zur Peristomrichtung verlaufende „Querstreifen“ fort (Fig. 242, Os; Fig. 297 u. 298, 2), die ihrerseits wieder mit dem von SchuBerc (1886) entdeckten „Peristombande“ in Verbindung stehen, das als bandförmiges Gebilde, am Peristomwinkel seine größte Breite erreichend und nach vorn sich beiderseits zuspitzend, um den Peristomwinkel herumzieht (Fig. 297 u. 298, 4). Bei Stentor und Spirostomum findet sich eine anders- artige Verankerung der Membranellen, indem hier jede Basallamelle sich nach unten in eine Fibrille, das „Endfädchen“, verlängert und alle D.II.1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 241 Endfädchen untereinander durch eine in der Richtung der adoralen Zone verlaufende „Basalfibrille“ verbunden sind (Fig. 243, a und 5b). Eine weitergehende Komplikation dieses Apparates bei Lienophora wurde bereits auf S. 214 besprochen. b) Die undulierenden Membranen der Infusorien (nicht mit den ebenso genannten Organellen der Flagellaten zu verwechseln!) sind ebenfalls flächenhaft ausgebildete, durch Verschmelzung von Cilienreihen entstandene Wimperapparate von meist rechteckiger Form, die in Beziehung zur Nahrungsaufnahme stehen. Sie sind als bewegliche Hautsäume mit einer ihrer Längsseiten dem Ektoplasma aufgepflanzt, während die andere Längsseite als freier Rand nach außen ragt, und finden sich in geringer Zahl und je nach den Arten wechselnder Anordnung im Inneren des Cytopharynx (Fig. 111 auf S. 93) oder auch in der Nachbarschaft des Cytostoms. Im Gegensatz zu den Membranellen ist die Zahl der die undulierenden Membranen aufbauenden Wimperreihen verschieden. Stylonychiaz.B. besitzt 3 undulierende Membranen, deren jede nur durch Verklebung je einer einfachen Öilienreihe entstanden ist; Carchesium und Vorti- cella bergen im Vestibulum 2 undulierende Membranen, die von je 3 Cilienreihen gebildet werden (vgl. auch den Abschnitt über die Er- nährungsorganellen); Glaucoma besitzt 2 undulierende Membranen, in ‚deren eine „etwa 5“, in deren andere „mindestens 10“ Cilienreihen ein- gegangen sind (MAıkr 1903). Meist findet sich unter dem von den Basal- körperchen gebildeten Basalsaum der undulierenden Membranen eine Basallamelle wie bei den Membranellen. c) Als Membranulae bezeichnet MAIER (1903) membranellen- artige Wimpergebilde, welche bei Peritrichen (Carchesium, Fig. 64, Vorticella, Epistylis, Fig. 254, B u.a.) und bei einzelnen Holotrichen (z. B. Didinium, Fig. 113 und 293) in ringförmiger Anordnung den Körper umgürten. Sie stehen innerhalb des Wimperkranzes etwas schief zur Längsachse des Körpers und bestehen jede aus wenigen (bei Carchesium, Vorticella und Epistylis nur 3) in einer einzigen Reihe stehenden und miteinander verwachsenen Einzelcilien. Die Membranulae der Vorticelliden, die nur einen einzigen hinteren Wimperkranz bilden, können völlig rückgebildet werden und sind bei den auf ihren Stielen festsitzenden Exemplaren gewöhnlich überhaupt nicht nachweisbar. Vor der Ablösung der Tiere von ihren Stielen bilden sie sich dann wieder aus, um als Lokomotionsorganellen der frei herum- schwimmenden Exemplare zu dienen. Die in der Regel festsitzenden Vorti- celliden sind nämlich nicht in allen Form- und Lebenszuständen fest- geheftet, sondern können auch in frei bewegliche Zustände übergehen und es geht sogar immer dem festsitzenden Zustande ursprünglich ein freier voraus (vgl. Fig. 63 und 64 auf S. 41f.). Bei Didinium geht von dem Basalsaum jeder Membranula eine in das Körperinnere bis in die Nähe des Kernes hineinziehende Basal- fibrille aus (Tuox 1905). Bei Vorticellen stehen die Membranulae häufig mit den Längsmyonemen in Verbindung. d) Cirren (Griffel) sind kräftige, stab- oder kegelförmige Bewegungs- organellen von rundem, polygonalem oder elliptischem Querschnitt, die sich von gewöhnlichen Wimpern durch die erhebliche Dicke ihrer Basis unterscheiden, während sie gegen das freie Ende meist in eine Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 16 242 Protozoa. Max Lünr, feine Spitze auslaufen. Sie entsprechen einem Büschel verschmolzener Cilien und besitzen dementsprechend einen Basalsaum, der von einer großen Zahl zu einer Art Platte vereinigter Basalkörperchen gebildet wird (Fig. 244, Bs). Ihre Bewegungsweise ist eine nicht unwesent- lich andere als die der anderen Wimperapparate: sie befinden sich nicht in dauernder schlagender Bewegung, sondern werden mehr nach Art von Extremitäten bewegt: bald ruht der Körper, bald setzt er sich vermittelst seiner stets nur auf der Bauchfläche befindlichen Cirren nach dieser oder jener Richtung in Bewegung (Fig. 245 und 246). Fig. 244. Stylonychia histrio MÜLL. Schiefer Quer- schnitt durch den Körperrand in der Stirngegend. B Basal- körperchen der Tastborsten, Bs Basalsaum der Cirren, En Endoplasma, I Inhaltskörper in demselben, Ma Makronucleus, P Pellieula, Se Cirren, Tb Tast- borsten. Nach MAIER 1903. Im einzelnen ist die Bewegung der Cirren sehr kompliziert und mannigfaltig. Die einzelnen Cirren können völlig unabhängig von- einander schlagen, so daß nicht selten mitten in einer stillstehenden Reihe eine einzelne sich in Bewegung befindet oder benachbarte Cirren gleichzeitig entgegengesetzte Bewegungsphasen haben und sich daher zu kreuzen scheinen. Sie funktionieren teils als Schreit- und Lauf-, teils TED ET BQ HN) + 3 3 Fig. 245. Stylonychia mytilus MÜLL., rechte Seitenansicht, Schematder Wimper- stellung. 7 Membranellen der adoralen Zone, 2 vordere Laufeirren (Stirneirren), 3 hintere Laufeirren (Baucheirren), 4 Seitenrandeirren, 5 Sprung- und Aftereirren, 6 Schwanzeirren (vgl. auch die Bauchansicht in Fig. 302). Nach PÜTTER 1900, etwas modifiziert. 1 2 3 + 5 e1 a a b a b a .. Eig. 246. Schema des Schlages der Laufeirren von Stylonychia mytilus MÜLL. 1 Ruhestellung der Cirre, 2 Beginn der Streckung, 3 stärkste Streckung mit hakenförmiger Rückwärtskrümmung der Spitze. Erst nach Erreichung dieser Stellung wird die bisher an der Unterlage haftende Spitze der Cirre losgerissen und sehr rasch von a nach b vorwärts geschleudert, wie dies in Phase Z geschehen ist. In 5 ist die Ruhestellung wieder erreicht, von der aus der nächste Schlag erfolgen kann. Nach PÜTTER 1900. D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 243 als Sprung- und teils (aber immer nur ganz vorübergehend) als Schwimm- organellen (vgl. auch Fig. 122); die Laufbewegung ist ganz wie beim Gange des Menschen mit vertikalen Verschiebungen des Körpers ver- bunden (Fig. 246). Auch bei den Cirren ziehen von dem Basalsaume aus „Basal- fasern“ in das Plasma hinein. Von EnsELMmAnN wurden diese mit den Nervenfibrillen höherer Tiere vergiichen, und auch Prowazex (1902) schrieb ihnen „noch ungesonderte kontraktorische und reizleitende Funktion“ zu; doch stellen sie offenbar nur Stützgebilde dar, die zur besseren Befestigung der Cirren im Körper dienen. In Einklang damit, daß die Cirren im allgemeinen sich nach zwei Richtungen bewegen können, verlaufen die bei Euplotes harpa näher studierten Züge der Basalfasern von der Basis jeder Cirre aus stets mindestens nach 2 Seiten unter fast rechtem Winkel (Fig. 247). B. Ueber die verschieden- artige Anordnung der Wimpern, die für die Systematik der Infusorien von größter Bedeutung ist, kann hier in Zusammenfassung und Ergänzung der im Vorstehenden bereits zerstreut ent- haltenen Angaben nur eine ganz kurze Uebersicht gegeben werden, wobei hin- sichtlich des in den Dienst der Nah- rungsaufnahme getretenen Teiles des Wimperapparates auf den Abschnitt über die Ernährungsorganellen verwiesen werden muß. Fig. 247. Euplotes harpa StEeIn. Kom- binationsbild der zu den Cirren gehörenden Fi- brillen. 2—15 = Ansatzpunkte der Cirren, und zwar 1—10 Laufeirren, 1/—15 Sprung- und After- eirren. Nach PROWAZEK 1903 aus DOFLEIN. In den Ordnungen der Holotricha und Heterotricha ist im allgemeinen noch die ganze Körperoberfläche dicht und (abgesehen von der adoralen Zone) gleichmäßig bewimpert. Doch schon bei ihnen gibt es Formen, deren Wimperkleid stark reduziert ist: unter den Holo- trichen kann es auf die Bauchfläche (z. B. bei Chilodon) oder auf 1—2 schmale ringförmige Gürtel beschränkt sein (z. B. bei Didinium, Fig. 113) und unter den Heterotrichen findet sich eine zum Teil sehr weitgehende, im einzelnen freilich verschiedenartige Reduktion vor allem bei den in Gehäusen geborgenen Tintinnoideen (Fig. 300) und den parasitischen Ophryoscoleciden (Fig. 155), die beide von manchen Forschern als Oligotricha zu einer besonderen Ordnung zusammen- gefaßt werden. Die Tintinnoideen, über deren Körperbewimperung die Mei- nungen der Autoren sehr auseinandergehen, sind freilich nach den neueren Untersuchungen von Geza Enrtz jun. (1909) und Scuwever (1910) nur durch Zartheit und Hinfälligkeit, nicht aber durch geringe Zahl ihrer Wimpern ausgezeichnet, da diese letzteren nicht nur in 4, wie Dapar . 16* 244 Protozoa. Max Lüne, (1887) und Branpr (1907) annahmen, sondern in zahlreichen (bei Oyttaro- cyclis ehrenbergi z. B. nach Entz in ca. 150) Längsreihen den ganzen Körper bedecken. Bei Tintinnopsis ist nach ScHwEyER außer diesen feinen und kurzen Wimpern noch eine Längsreihe bedeutend kräftigerer Wimpern dorsalwärts am rechten Körperende ausgebildet, und ferner konnte derselbe bei allen untersuchten Tintinnoideen „außer den in regel- mäßigen Längsreihen angeordneten Wimpern, auch noch ziemlich feine, verhältnismäßig lange, steife Borsten oder Cirren beobachten, welche vor- nehmlich unterhalb des Peristoms resp. im vorderen Körperdrittel ihren Sitz hatten, und zwar hier in unbestimmter Zahl und unregelmäßig zer- streut waren“. Diese steifen Borsten werden „als Stützen beim Empor- steigen aus der Tiefe NA NNN l if, der Hülse, in welche NN IM 0777777° 7 sich das Infusor bei 7) der geringsten Klei- nigkeit scheu zurück- zieht, gebraucht“, sind also „Kletter- eirren“, dienen aber vielleicht auch als Tastborsten. Fig. 248. Cyelo- posthium bipalma- tum (FıoR.). «a Stelle der Afteröffnung, cd Caudalia, cv kontraktile Vakuolen, Z eine vor- springende, vorn verhält- nismäßig breite Längs- leiste des Körpers, M Peristomrand, m an die Candalia herantretende Myoneme (Retraktoren), Ma Großkern, Mi Klein- kern, O Mundöffnung, P Peristom, Pr Proto- plasmaverdichtung in der Umgebung des Neben- kernes, Z adorale Mem- branellenzone. Nach BuNDLE 1895 aus Dor- LEIN. Bei den Ophryoscoleciden ist dagegen eine starke zahlen- mäßige Reduktion des Wimperkleides erfolgt: bei Ophryoscolex selbst beschränkt sich die Körperbewimperung auf einen nicht ge- schlossenen, den Körper hufeisenförmig umgreifenden Zug kräftiger Wimperorgane (Fig. 155), die äußerlich den Membranellen der adoralen. Zone gleichen, eytologisch aber noch nicht untersucht sind; bei Cyelo- posthium findet sich statt dessen ein Paar als Ruder fungierender „Basalia“, deren jedes 6 breite lange, allseitig bewegliche, als „Cau- dalia“ bezeichnete Wimperorgane trägt, die, ihrer Mächtigkeit nach zu urteilen, ebenfalls nicht einzelnen Cilien entsprechen können, aber auch noch genauerer Untersuchung harren (Fig. 248); bei Entodinium end: lich ist die Körperbewimperung völlig geschwunden und nur die adorale Membranellenzone ausgebildet. . D. II. 1. Frei nach außen vorragende Bewegungsorganellen. 245 Bei den Peritrichen, fast durchweg festsitzenden Formen, ist im Anschluß an diese festsitzende Lebensweise die allgemeine Körper- bewimperung ebenfalls geschwunden (Fig. 63). Bei einigen parasitischen Arten, die zum Teil lebhaft auf ihrer Unterlage dahinzugleiten vermögen, erhält sich jedoch noch dauernd ein hinterer Wimperkranz (z. B. Trichodina, Fig. 249, und Lienophora, bei letzterer in Form von 4 konzentrischen undulierenden Membranen, Fig. 216), dem ein um so größeres vergleichend-anatomisches Interesse gebührt, als auch bei den festsitzenden Vorticelliden ein ähnlicher hinterer Wimperkranz wieder auftritt, sobald sie in frei bewegliche Zustände übergehen (vgl. Fig. 64). Fig. 249. Fig. 250. Fig. 249. Trichodina pediculus EHuree. Höhe ca. 70 a. Ansicht von der Vestibularseite. 7 Membranöser Saum, der die scheibenförmige, zu einem saugnapfartigen Haftapparat umgestaltete Basalfläche umzieht, 2 Makronucleus, 3 in das Vestibulum herab- steigender Teil der adoralen Zone, 5 adorale Zone, 5 pulsierende Vakuole, 6 Stützring des Haftapparates, 7 hinterer Wimperkranz. Nach BÜrscHLı 1887/89, von LANG etwas ver- einfacht und schematisiert. Fig. 250. Bewimperter Embryo von Tocophrya quadripartita Cr. & L. A rechte Seitenansicht, B Bauchansicht. a.Z. sogenannte adorale Wimperzone, c Cilien- gürtel, s Saugnapf, mit dem später die Festheftung erfolgt. (Aeltere festsitzende Larven siehe in Fig. 271 und 307.) Nach FILIPJEV (1911). Bei den Hypotrichen finden sich auf der Rückenfläche nur be- wegungslose Tastborsten und sind die Bewegungsorganellen völlig auf die Bauchfläche beschränkt. Auch dort finden sie sich, abgesehen von den im Dienste der Nahrungsaufnahme stehenden Membranellen und undulierenden Membranen nur in Form von Cirren, die durch große cilienfreie Strecken voneinander getrennt und in ihrer reihen- oder gruppenweisen Anordnung von großer systematischer Bedeutung sind. Je nach ihrer Stellung unterscheidet man Rand-, Stirn-, Bauch-, Schwanz- cirren usw., während man die stets nur in geringer Zahl vorhandenen kräftigeren Cirren auf Grund ihrer Funktion auch unterscheidet als Sprungeirren (ganz besonders kräftige Cirren nahe dem Hinterende) und Laufeirren (vor den Sprungeirren gelegen und nicht ganz so mächtig ent- wickelt wie diese). Vgl. hierzu Fig. 245 u. 302. Bei den Suctorien oder Sauginfusorien endlich ist im er- wachsenen Zustande im Zusammenhange mit der festsitzenden Lebens- weise jegliche Bewimperungvollständig geschwunden. Nur eine einzige Form, die eigentümliche marine Gattung Hypocoma (mit nur einem Saugtentakel) trägt im erwachsenen Zustande noch ein dauerndes Wimperkleid auf der Bauchfläche, und einige andere Formen können vorübergehend die Saugtentakel einziehen und sich noch wieder mit Wimpern bekleiden, um eine Zeitlang umherzuschwimmen. Ganz all- 246 Protozoa. Max Liühs, gemein aber ist bei den Suctorien die Erscheinung, daß bei der Fort- pflanzung durch Knospung (siehe unten diese) die Knospen ein Cilien- kleid erhalten, mit Hilfe dessen sie ausschwärmen; gewöhnlich ist dasselbe in Form eines einfachen oder mehrfachen Wimpergürtels ausgebildet (Fig. 250). Außerhalb der Klasse der Infusorien finden sich Cilien nur ganz vereinzelt bei der von Pzxarn 1897 entdeckten interessanten Myriophrysparadoxa, die ganz typische Heliozoenorganisation zeigt, aber zwischen den Axopodien an der ganzen Oberfläche ein Kleid langer geschmeidiger Cilien trägt, die beinahe an Flagellen er- innern und auch dann fort- fahren zu schlagen, wenn das Tier ruht (Fig. 251). Während des Schwimmens nimmt es gestreckt eiförmige Gestalt an und zieht seine vorderen Axopodien fast ganz, die hinteren bis auf die Hälfte zurück. f Fig. 251. Ein Stück der Körperoberfläche von Myrio- phrys paradoxa PENARD (aus dem Süßwasser; Durchmesser des Körpers ca. 0,04 mm). 1 Axo- podien, 2 Cilien, 3 Kiesel (?)-Plätt- chen. Nach PENARD 1897. 2. Nicht frei hervorragende Bewegungsorganellen (Myoneme und Myophrisken). Bei vielen Ciliaten und Gregarinen haben sich im Ektoplasma kontraktile Fibrillen differenziert, die den Muskelfibrillen der Meta- zoen vergleichbar sind und als Myoneme bezeichnet werden. Sie vermögen sich im Gegensatz zu dem nicht polar differenzierten, in allen Richtungen kontraktilen Protoplasma nur noch in einer Rich- tung und zwar in derjenigen ihrer Längenausdehnung zu kontrahieren, in dieser aber besonders energisch, so daß die sie besitzenden Arten unter den Ciliaten durch besonders starke Kontraktilität ihres Kör- pers ausgezeichnet sind. Bei den Ciliaten verlaufen sie vorwiegend in meridionaler, bei den Gregarinen dagegen meist annähernd in zirkulärer Richtung. 1. Bei den Ciliaten verlaufen die Myoneme im allgemeinen in derselben Richtung wie die Wimperstreifen in einer Schicht nebenein- einander (Fig. 243 c und 252). Nach Bürscauı stellen sie ursprünglich Differenzierungen der Alveolarschicht dar, doch sind sie oft in das unter dieser gelegene Üorticalplasma verlagert. Bei manchen Arten (z. B. Stentor, Prorodon) liegt jedes Myonem im Innern eines sub- alveolaren Kanälchens (Fig. 253). Im einfachsten, bei manchen Holotrichen (z.B. Prorodon, Holo- phrya) verwirklichten Falle ziehen die Myoneme ausschließlich in meri- dionaler Richtung vom vorderen zum hinteren Körperpole (vgl. Fig. 59). Je mehr die Körperform durch die Ausdehnung und Form des Peristoms D. II. 2. Nicht frei hervorragende Bewegungsorganellen. 247 beeinflußt wird, um so mehr geschieht das Gleiche beim Verlauf der Myoneme. Als Beispiel sei auf Stentor verwiesen, bei dem sich unter- scheiden lassen: 1. Längsmyoneme, die von der adoralen Membranellen- zone des Körpers bis zum Hinterende des Körpers ziehen, um hier, ein wenig nach innen abbiegend und so zusammen einen kleinen Kegel bildend, frei zu enden, und 2. Stirnfeldmyoneme, die auf der Peristomfläche liegen und hier ebenfalls den Wimperreihen folgen (Fig. 62 und 243 ec). Lm--.. Fig. 252. Fig. 253. Fig. 252. Kleine Stücke zweier Körperstreifen von Stentor coeruleus EHRBG. 1 Die cilienlosen sogenannten Rippenstreifen mit blauen Körnchen in der Alveolarschicht. 2 Die farblosen Zwischenstreifen, unter jedem derselben (3) eine kon- traktile Fibrille (Myonem). 7 Am Rande des Zwischenstreifens stehende Cilienreihe. Am oberen Rande sieht man die beiden Streifen im Querschnitt (vgl. auch Fig. 253). Nach BÜTSCHLI und SCHEWIAKOFF in LEUCKARTsS Wandtafeln. Fig. 253. Querschnitt durch die Oberfläche von Stentor coeruleus EHREG. C Cilie, M%k Myonemkanal, Zm Myonem, R Rippenstreifen, Z Zwischenstreifen (vgl. auch Fig. 252). Nach SCHRÖDER 1907. Von einzelnen Arten sind außer den oberflächlichen Körpermyonemen noch besondere Myoneme bekannt geworden, die zu den Ernährungs- organellen in Beziehung stehen. So z. B. besitzt Spirostomum zwei ganz besonders dicke Myoneme, die jederseits längs der adoralen Mem- branellenzone verlaufen, bei Nyctotherus liegen anscheinend be- sondere Myoneme der Wandung des Cytopharynx in dessen Längsrich- tung an, bei Prorodon ist der Reusenapparat (vgl. Näheres in dem Ab- schnitt über Ernährungsorganellen) mit Myonemen ausgestattet (Fig. 295, A). Die größte Komplikation erreichen die Myoneme jedoch bei den Vorti- celliden : Epistylis plicatilis (Fig. 254), die wir auf Grund der ScHrö- perschen Untersuchungen (1906) als erstes, noch verhältnismäßig ein- faches Beispiel wählen, besitzt: a) Längsmyoneme, 25—35 an Zahl, die vom oberen Ende des Stieles ausgehend, im Hinterkörper des Infusorienköpfchens noch durch das Endoplasma verlaufen, sich aber trichterförmig ausbreiten und vor der Stelle des (bei festsitzenden Tieren meist nicht ausgebildeten) hin- teren Wimperringes sich der Alveolarschicht des Ektoplasmas dicht an- legen. Etwas hinter der adoralen Zone biegen sie abermals ins Innere ab, um nach mehrfacher Verästelung sich zum größten Teil an dem Basalsaum der adoralen Zone zu inserieren (Fig. 254, A, /f),. zum Teil 248 Protozoa. Max Lüne, aber auch das Vestibulum zu umgreifen und hier vielleicht eine Art Sphinkter zu bilden. Die vorderen Myonemverästelungen können mit- einander anastomosieren, und auch an ihren Hinterenden weisen die Myoneme meist noch Verästelungen und Anastomosen auf. b) Ein einzelnes bandförmiges Ringmyonem am Rande des Peri- stoms, das bei der Kontraktion der Längsmyoneme noch gleich der ad- oralen Zone ins Innere der „Peristomhöhle“ zurückgezogen wird (vgl. Fig. 254, A, rf). c) Ein gleichfalls nur in Einzahl vorhandenes Vestibular- myonem, das (ähnlich den bereits erwähnten Oytostommyonemen von Nyetotherus) in der den FB, ' asp EIE al. undulierenden Mem- EL en NERER branen gegenüberlie- 197202220 SEA rf sr RS Er ” genden Wand des Vesti- WI II D =. Merz SL ANNE bulums in dessen Längs- ES REEEENSEN ich läuft (Fi BE N ERDE TINN richtung verläuft (Fig. HART Y v7 HN --- cv 254, C, vf). IE7L ne N I H- RER BEN ER N Bei Vortieella Pe Al) ER j monilata istdasMyo- Nu ph nemsystem noch nicht zE sehr viel komplizierter. Die Längsmyonemesind ‘ ‘ me IH er \> R De RS Saum one Enssmian FERT; ie l se If direkte Fortsetzungen N eo r 4 des Stielmuskels (vgl. | = Be unten); Ringmyoneme Fig. 254. Epistylis pli- catilis (EHRBG). A Längs- sehnitt durch ein Einzeltier der Kolonie (das Endoplasma ist nur in einer schmalen oberflächlichen Zone dar- gestellt. B Längsschnitt durch das Hinterende eines solchen mit ausgebildetem Wimperkranze.. € Quer- schnitt durch das Vestibu- lum. asp adorale Wimper- spirale, dl Basallamelle des in das Vestibulum ein- getretenen inneren Endes derselben, cv kontraktile Vakuole, f Fibrille an dem Eingang des Vestibulums, if Längsfibrillen, n Makro- nucleus, rf Ringfibrille, stk Stielkragen, ® Vestibulum, vf Fibrille im Vestibulum. Nach SCHRÖDER 1906. ATS n 7 Sorım 32, Y) sind in Mehrzahl vorhanden, aber immer noch auf den Peristomsaum be- schränkt und ohne Verbindung mit den Längsmyonemen; entsprechend dem Vestibularmyonem findet sich auch noch ein Spiralmyonem, das die adorale Wimperspirale in ganzer Ausdehnung begleitet. Bei Campanella umbellaria (Fig. 255), die wir als letztes und höchst entwickeltes Beispiel betrachten wollen, verlaufen die Längs- myoneme ‘auch in dem basalen Körperabschnitt oberflächlicher und vorn D. II. 2. Nicht frei hervorragende Bewegungsorganellen. 249 gehen sie nicht nur untereinander, sondern auch mit den Ringmyonemen des Peristomsaumes Anastomosen ein, um an dem vordersten Ring- myonem zu enden, ohne die adorale Zone zu erreichen. Die Ring- myoneme sind in der Zahl von 5—6 vorhanden und können durch ein- zelne Verzweigungen miteinander anastomosieren; unter ihnen ist das vorderste, am äußersten Rande des Peristoms gelegene bedeutend stärker als die übrigen und bandförmig. Ein kräftiges Spiral- und Vestibular- myonem entspricht dem von Vorticella. Außerdem aber sind ferner noch vorhanden: d). Retraktoren der Peristomscheibe, welche, an beiden Enden pinselartig zerfasert, von der adoralen Zone schief nach hinten und außen zur Körperoberfläche ziehen. An ihrem hinteren Ende stehen sie wahrscheinlich mit den Längsmyonemen in Verbindung, von denen sie sich wohl auch erst auf Grund besonderer Differenzierung abgezweigt haben (vgl. vorstehend Epistylis unter a). Fig. 255. Fig. 256. Fig. 255. Campanella umbellaria (L.). Schematische Darstellung des Verlaufs der Körpermyoneme. F Längsfasern, Ma hufeisenförmiger Makronucleus, P Rückzieh- fasern des Peristoms. Nach SCHRÖDER 1906 aus DOFLEIN. Fig. 256. Bau des Vorticellenstieles. A Quer- und Längsschnitt durch den Stiel von WVorticella monilata TArEm. Nach SCHRÖDER 1906. m Stielmuskel, pl Plasmastrang, sch pseudo-chitinöse Stielscheibe. B Querschnitt durch den Stiel von Zoothamnium alternans nach KOLTZOFF 1912. f Fibrillen, e äußere und innere Hülle, m Stielmuskel, pl Plasma. e) Ringmyoneme des basalen Körperabschnittes (ohne Homologon bei Epistylis und Vorticella), dicht nebeneinander verlaufend und nach vorn gerade bis zu der Stelle des hinteren Wimperringes reichend, die an Individuen ohne entwickelten Wimperkranz durch ein dunkles, ringförmig die äußere Körperhülle unterbrechendes und der Ba- sallamelle entsprechendes Band kenntlich ist. Bei Epistylis und Campanella besteht der Stiel, mit dem die Tiere festsitzen, lediglich aus einer Pseudochitinabscheidung, ohne Beteiligung lebenden Plasmas (vgl. den Abschnitt über Haftorganellen), ist daher auch nicht kontraktil. Bei Vorticella dagegen und ebenso bei Carche- Protozoa. 250 Max Lüne, sium und Zoothamnium vereinigen sich die Längsmyoneme am Hinter- ende des Körpers zu einem einheitlichen kräftigen Stielmuskel (Fig. 63, My und 256, m), der, umgeben von etwas Protoplasma, in die Pseudochitinröhre des Stieles (Stielscheide) eintritt und in ihr exzentrisch (Fig. 256) in einer langgestreckten Spirale entlang läuft (Fig. 63). Ent- sprechend seiner Entstehung aus den Längsmyonemen läßt er noch deut- lich den Aufbau aus einzelnen Fibrillen erkennen (Fig. 256, B, f). Sein spiraliger Verlauf bedingt es, daß bei seiner Kontraktion der Stiel sich schraubenförmig verkürzt; Nachlaß der Kontraktion führt durch die Elasti- zität der Stielscheide von selbst wieder zur Streckung des Stieles. Bei der einzeln lebenden Vorticella reicht der Stielmuskel durch den ganzen Stiel bis zu dessen Basis; bei den koloniebildenden Gattungen Carchesium und Zoothamnium verhält er sich verschieden. Bei Öarche- sium hängen die Stielmuskeln der Einzelindividuen nicht miteinander zusammen; bei der Teilung eines Individuums behält das eine der bei- den Tochtertiere den alten Stiel bei und verlängert ihn nur, das andere dagegen bildet einen neuen Stiel und neuen Stielmuskel, der sich dem alten Stiel in spitzem Winkel ansetzt, so daß sich alle Tiere der Kolonie einzeln kontrahieren können. BeiZoothamnium dagegen teilt sich bei der Teilung der Individuen auch der Stielmuskel mit, so daß er zu- sammenhängend ohne Unterbrechung durch sämtliche Verzweigungen des Stieles hindurchzieht, die sich daher auch stets alle gleichzeitig kontrahieren. 2. Bei den Gregarinen bilden die Myoneme, die nur ausnahms- weise (z. B. bei Ophryocystis) zu fehlen scheinen, fast stets eine Ring- 1 faserschichtt (Myocyt) a zwischen der als Sarcocyt REES ER, bezeichneten Ektoplasma- a a SRSRSsE: R schicht und dem Endo- ELTA RO Ener en plasma. Die einzelnen EIER ETELHCH, \ Fibrillen, die häufig eine OO I DE . 4 Querstreifung erkennen Eapecahlen: ae nn = lassen (ScHpwLAKorr Zr ne nee - — — 1894) liegen in dieser rege, ne Schicht _dichtgedrängt 2, anne Vrugnen drnsan nei re : ge u unoheouehsunergen on erteee - 4 nebeneinander und sind ee nicht selten durch Ana- REEL SER ee mern anne stomosen miteinander ver- WR 4R LOL oT Ko Yereraner green, a var bunden (Fig. 257). Bei ‘den Polycystideen be- Fig. 257. Gregarina munieri SCHNEID. Stück wirkt die ektoplasmati- der Oberfläche. 2 Myoneme, anastomosierend, 2 Sarcoeyt, sche Scheidewand zwi- 3 Gallertschieht, 4 Cutieula.. Nach SCHEWIAKOFF 1894. Vergr. 1500:1. schen Proto- und Deuto- merit eine schmale ring- förmige Unterbrechung der Fibrillenschicht und entsprechend fehlen die Myoneme vollständig in dem rein ektoplasmatischen Epimerit. Kon- traktion der Myoneme führt zu peristaltischen Bewegungen, neben denen auch seitliche Krümmungen und Streckungen. des Gregarinenkörpers vor- kommen (über die gleitende Bewegung siehe S. 252). In der Längsrichtung des schlanken Körpers verlaufen die dann nur sehr wenig zahlreichen Myoneme bei den Selenidien (Darm- parasiten mariner Anneliden), die hierdurch in einen bemerkenswerten Gegensatz zu den übrigen Gregarinen treten und deren schlängelnde Bewegungen an die von Nematoden erinnern. D. II. 2. Nicht frei hervorragende Bewegungsorganellen. 251 Den Myonemen der Öiliaten und Gregarinen bis zu einem ge- wissen Grade vergleichbare kontraktile Fäden finden sich auch bei der Radiolarienordnung der Acantharien in Gestalt der sogenannten Myophrisken. Die radiären Stacheln der Acantharien bleiben bei ihrem Austritt aus dem Weichkörper des Radiolars noch von einer Fortsetzung des Calymma wie von einer Scheide umgeben und an deren Oberfläche finden sich die Myophrisken zu 8-30 im Kranze um den Stachel angeordnet, derart daß sie zusammen einen Kegel bilden (Fig. 258 und 259). Von den Myonemen der Ciliaten und Fig. 258. Myophrisken von Acanthometriden. A Ein Teil des Körpers von Amphilonche elongata J. MüLrL. mit kontrahierten Myophrisken und ausgedehntem Calymma. Vergr. 600:1. B Derselbe mit ausgestreckten Myophrisken und eingezogenem Calymma. € Ein einzelner Myophrisk von Acanthonia fragilis HAECK. Vergr. 1733:1. D Ein Stachel von Acanthomethron sieulum HAECK. mit den ihn kranzförmig umgebenden (kontrahierten) Myophrisken. Vergr. 600:1. c Calymma, km Kapselmembran, m Myo- phrisken, n Kerne, p Pseudopodien, s Stachel (in A und B sind die quer liegenden Stacheln die beiden langen Aequatorialstacheln und der nach oben gehende ein kurzer Aequatorialstachel), Z Zoochlorellen. Nach SCHEWIAKOFF 1902. Gregarinen unterscheiden sie sich außer durch ihre charakteristische Anordnung auch durch verhältnismäßig geringe Länge bei ziemlich beträchtlicher Dicke. An ihren beiden Enden stehen sie mit „Zug- fasern“ des Protoplasmas in Verbindung, durch deren Vermittelung sie einerseits an dem Stachel befestigt sind und andererseits auf die Oberfläche des Calymma wirken. Auf Reizung ziehen sie sich ziem- lich rasch und plötzlich zusammen und bewirken dadurch eine Aus- dehnung des Calymma, in das offenbar von außen Wasser eintritt. 252 Protozoa. Max Lüns, Veränderung des Kontraktionszustandes der Myophrisken bewirkt also durch Veränderung des Volumens des Calymma und damit des ganzen Tierkörpers auch eine Veränderung des spezifischen Ge- wichtes des letzteren. Die Myophrisken wären hiernach hydrostatische Organe. Während man bisher die Myophrisken gleich den Myonemen an- derer Protozoen für Differenzierungen der oberflächlichen Plasmaschichten hielt, sollen sie nach Mororr und Srıasxy (1909) umgewandelte Kerne darstellen, die sich stark in die Länge gestreckt haben und dann längs der Stacheln aus der Zentralkapsel austreten und zur Oberfläche des Calym- mas emporwandern, um sich dort in das elastische Zugfasersystem ein- zufügen (Fig. 259). Fig. 259. Acanthometron pelluecidum, ein Quadrant des Körpers. c Calymma, km Membran der Zentralkapsel, m Myophrisken, p Pseudopodien, s Stachel, x aus der Zentralkapsel zur Oberfläche des Calymmas wanderndes Entwiekelungsstadium eines Myophrisken, z Zentralkapsel mit zahlreichen Kernen. Nach MOROFF und STIASNY 1909. Anhang: Die gleitende Vorwärtsbewegung der Sporozoen. Bei den Gregarinen und den frei beweglichen Entwickelungs- stadien (Merozoiten und Sporozoiten) der Coceidien, nach SCHAUDINN (1902) auch bei den Merozoiten und Sporozoiten der Malariaparasiten kommt neben den peristaltischen Bewegungen und den Krümmungen und Streckungen, die auf Kontraktion des Körpers und seiner Myo- neme beruhen, noch eine gleitende Vorwärtsbewegung vor, die im allgemeinen nicht von wahrnehmbaren Veränderungen der Körperform begleitet ist. Ohne sichtbare Tätigkeit irgendwelcher motorischer D. II. 2. Anhang: Die gleitende Vorwärtsbewegung der Sporozoen. 253 Organellen gleiten die Tiere, gleichsam mühelos, langsam und stetig, immer mit dem Vorderende voran, dahin. Eine völlig befriedigende Erklärung hat diese eigenartige Bewe- gungsart noch nicht gefunden. Am meisten Anklang fand der Er- klärungsversuch von SCHEWIAKOFF (1894), der sich darauf stützt, daß die gleitende Gregarine eine stielartige Gallertspur hinterläßt, die sich leicht beobachten läßt, wenn man der Flüssigkeit, in der sich die Gre- garinen befinden, sehr fein verriebene Tusche, Sepia oder Karmin zufügt (vgl. Fig. 156 auf S. 160). ScHEwIARorr nahm nun an, daß der mit der Unterlage verklebende und bei fortschreitender Ausscheidung immer länger werdende Gallertstiel die Gregarine vorwärts schiebt, und ScHAUDINN (1900), der die Bildung eines ähnlichen Gallertstieles auch bei Coceidien nachwies, schloß sich dieser Annahme an. Demgegenüber betont jedoch Lünz (1904), daß die Bildung des Stieles durch einseitige Ansammlung der Gallerte am Hinterende, trotz- dem die Abscheidung allseitig auf der ganzen Oberfläche des Körpers erfolgt (mit einziger Ausnahme des äußersten Vorderendes) leichter verständlich ist, wenn jene Stielbildung eine Folge und nicht die Ursache der Vorwärtsbewegung ist. Nach Awerınzkw (1910) wird der Gallertstiel von der Gregarine häufig losgerissen und nachgeschleppt, um dann wieder anzukleben. 'CrawLey (1902) fand bei speziell darauf gerichteten Untersuchungen häufig eine Vorwärtsbewegung in Zickzacklinien, die Beschreibung bogenförmiger Bahnen, ohne daß die von SCHEWIAKOFF für die Ent- stehung solcher vorausgesetzte seitliche Knickung des Gregarinenkörpers vorhanden war, und andere mit der obigen Theorie nicht recht in Ein- klang zu bringende Bewegungsformen. Unter Umständen ließ sich auch beobachten, daß eine Gregarine, die sich etwas vorwärts bewegt und dann Halt gemacht hatte, plötzlich in ihre frühere Lage zurückkehrte, wobei die hinter ihr an ihrem Gallertstiel haftenden Körnchen an der Rückwärtsbewegung teilnahmen, und zwar die ihr am nächsten be- findlichen am stärksten. Hier war offenbar der Gallertstiel gedehnt worden und infolge eigener Elastizität wieder zu seiner früheren Form zurückgekehrt, d. h. die Vorwärtsbewegung hatte einen von der abge- sonderten Gallertmasse ausgeübten Widerstand überwinden müssen, statt durch sie bewirkt zu sein. Da diese Erscheinung nur beobachtet wurde, wenn die Gregarine sich von nahe befindlichem Darmepithel des Wirtes fortbewegte, so legt sie die Vermutung nahe, daß die Gallerte, als Haftorganelle wirkend, von Bedeutung dafür ist, daß die frei im Darm lebenden Gregarinen (und entsprechend auch die Merozoiten und Sporozoiten der Coceidien) nicht mit dem Kote hinausgeschwemmt, son- dern im Darme festgehalten werden (vgl. hierzu auch unten den Ab- schnitt über Haftorganellen). Nach Crawrey lassen gleitende Gregarinen bei starken Vergrößerungen (zum Teil erst bei Oelimmersion) stets ge- ringfügige seitliche Bewegungen des Vorderendes und Kontraktionen der Myoneme erkennen und er faßt daher die sogenannte gleitende Be- wegung als eine Stemmbewegung auf, indem die Gregarine einen Teil ihrer Oberfläche an einer Unterlage thigmotaktisch fixiert und auf diesen einen rückwärts gerichteten Druck ausübt, der infolge der Un- möglichkeit des fixierten Teiles, diesem Drucke auszuweichen, die ganze Gregarine in der entgegengesetzten Richtung, d. h. nach vorwärts, fort- bewest. 254 Protozoa. Max Lüns, III. Haftorganellen. Die Fähigkeit, sich vorübergehend oder dauernd festzuheften, ist bei Protozoen außerordentlich weit verbreitet. Die hierbei in Tätigkeit tretenden Organellen sind ursprünglich meist Bewegungsorganellen ; eine der besonderen Aufgabe angepaßte Differenzierung führt dann einerseits zu Stielbildungen, andererseits zu Saugnapfbil- dungen. Die Stielbildungen können eine weitergehende Komplikation erfahren durch die sehr häufige Beteiligung alloplasmatischer Hüll- oder Skelettbildungen. An sie lassen sich auch die durch einseitige Differenzierung entstandenen, in die Gewebe des Wirtes eindringenden Epimerite der Gregarinen anschließen. 1. Thigmotaxis und Stielbildung bei Rhizopogden: Die einfachste Form der Festheftung bieten uns die Pseudopodien der Rhizopoden, die einerseits bei leiser Berührung sich positiv- thigmotaktisch verhalten, d. h. sich dem berührenden Körper zu- wenden, andererseits bei mechanischer Reizung klebrig werden und dadurch an der Unterlage festhaften. Eine in ein Glasschälchen mit Seewasser gelegte Foraminifere be- ginnt nach einiger Zeit Pseudopodien auszusenden, die zunächst in Form kurzer Fäden frei im Wasser flottieren. „Bald aber, indem sie länger und schwerer werden, senken sie sich mit den Enden auf die Unterlage, haften mittels eines feinen Sekretes hier fest, und nun beginnt das Proto- plasma lebhaft auf der Unterlage entlang zu strömen, ohne sich je wieder frei ins Wasser zu erheben“ (Verworn). Bei Peneroplis ist die Klebrig- keit der Pseudopodien nach Winter (1907) so groß, daß mittels Glas- röhren durch Saugen im Wasser emporgehobene, aber wieder entschlüpfte und herabsinkende Exemplare nur leicht mit der Glasröhre berührt zu werden brauchen, um so fest haften zu bleiben, daß man sie aus dem Aquarium herausnehmen kann. Die hier in Erscheinung tretende Thigmotaxis ermöglicht es den Foraminiferen, an den senkrechten Glas- wänden der Aquarien emporzukriechen, und ihre Kraft kann sogar die Kohäsion des Protoplasmas überwiegen. Die rasche und vollständige Einziehung der langen feinen Prototoplasmanetze von Lieberkühnia wagneri Orar. u. L. nach starker mechanischer Erschütterung erfolgt nämlich nach VERworn häufig mit einem solchen Ruck, daß die am Objektträger klebenden Enden abreißen. Auch bei einzelnen beschalten Amöbinen (z. B. Phry- ganella paradoxa, Cryptodifflugia fulva) ist die vorübergehende Festheftung mit Hilfe einzelner Pseudo- podien eine ganz außerordentlich feste, so daß die Tiere auch durch starke Wasserströmung nicht fortgerissen werden. Fig. 260. Amoeba gorgonia PEN, mit einem Pseudopod am Untergrunde angeheftet. Nach PENARD 1902. Bei Amoeba gorgonia, die ebenfalls eine sehr ausgesprochene Neigung hat, sich mit einem ihrer fingerförmigen Pseudopodien auf einer Unterlage anzuheften, wird hierdurch in auffälliger Weise auch die Form des ganzen Tieres beeinflußt, die direkt an Hydra erinnert (vgl. Fig. 260). D. III. Haftorganellen. 255 Von einem derartigen einfachen thigmotaktischen Verhalten aus- gehend, hat sich bei einzelnen Sarcodinen eine dauernde Fest- heftung entwickelt, die bei Heliozoen und Radiolarien zu langen Stielbildungen geführt hat, während bei den festsitzenden Foraminiferen Stielbildungen weniger ausgeprägt sind oder ganz fehlen. Fig. 261. Wagnerella borealis MERESCHK. A Gesamtbild eines konservierten Exemplares mit zurückgezogenen Pseudopodien. B Kopf mit Zentralkorn und Axopodien, wesentlich stärker vergrößert. Nach ZÜLZER 1909. 1. Heliozoa. Die nackte Nuclearia caulescens sitzt zeit- weise auf einem sehr langen, dünnen, aus Umwandlung eines Pseudo- podiums hervorgehenden Stiele fest, während sie zu anderen Zeiten nach Art anderer Heliozoen frei schwebt. Zooteirea religata hat einen langen kontraktilen Stiel, vermittelst dessen sie sich in eine kurze 256 Protozoa. Max Lünu, gallertige, die Basis des Stieles umgebende Röhre zurückziehen kann. Bei Actinolophus pedunculatus und Haeckelina borealis sind die langen schlanken Stiele dagegen starr. Besser als sie bekannt sind auf Grund neuerer Untersuchungen von PEnArD (1904) und ZÜLZER (1909) die Stielbildungen von Clathrulina und Wagnerella. Junge, noch nackte Exemplare von Clathrulina elegans heften sich mit Hilfe einzelner, lang stielartig ausgezogener Pseudopodien an einer Unterlage an und hieraus entwickelt sich dann offenbar der fertige Stiel des ausgebildeten Tieres durch Abscheidung einer allmählich er- härtenden Hülle, aus der dann später das Protoplasma sich zurückzieht. Der ausgebildete Stiel bildet ein langes, schlankes Rohr von Pseudo- chitin (vgl. S. 181), das an seiner Basis kurze wurzelähnliche Ausläufer A B © D Fig. 262. Wagnerella borealis MERESCHK. Fortpflanzungsstadien. A Ein Stück des Basalteiles; der Kern wandert aus der Basalplatte in den Stil. B Ein Stück des Stieles eines späteren Stadiums mit dem in der Richtung zum Kopfe weiter wandernden Kern. € Kopf eines noch späteren Stadiums mit dem zentral gelegenen, das Zentralkorn überdeckenden Kern. D Bei schwächerer Vergrößerung dargestelltes Gesamtbild mit in 6 Teile geteiltem Kopfe. Nach ZÜLZER 1909. entsendet und kein Plasma mehr enthält; dieses findet sich lediglich in der von dem Stiele getragenen Gitterschale. Ganz entsprechende Stiele finden sich außer bei den anderen Clathrulina-Arten auch bei Hedriocystis, nur läuft die Stielbasis bei Hedr. reticulata anstatt in wurzelähnliche Ausläufer in eine kleine rundliche Platte aus. Bei Wagnerella borealis liegen wesentlich kompliziertere Ver- hältnisse vor. Nicht nur enthält der bis 2,5 mm lang werdende, aber auch im Vergleich zum Köpfchen ziemlich dicke Stiel während des vegetativen Lebens dauernd Protoplasma, sondern es findet sich sogar der Kern in dem stark verbreiterten, am Rande unregelmäßig eingekerbten Basalteil des Stieles, während das Köpfchen nur das Zentralkorn enthält, von dem die Fibrillen der Axopodien ausstrahlen (Fig. 261). Eine sehr lebhafte Plasmaströmung im Stiel hängt offenbar mit der weiten Ent- D. III. Haftorganellen. 257 fernung des Kernes von dem die Nahrung aufnehmenden Köpfchen zu- sammen. Nur wenn das Tier sich zur Teilung anschickt, wandert der Kern, der sich zu diesem Zwecke stark wurstförmig in die Länge strecken muß, von der Stielbasis zum Köpfchen und schließlich entleert sich alles Plasma aus dem Stiel (Fig. 262). Bei multipler Vermehrung erfolgen aber auch noch die Teilungen des Kernes zum großen Teil innerhalb der Stielbasis. Der Stiel samt seiner Basis ist von einer dünnen (etwa 1 dicken), aber starren, festen, gelblich gefärbten Hülle aus Pseudochitin umschlossen, in die halbmondförmige Kieselnadeln in dichter zirkulärer Anordnung eingelagert sind. In diese Hülle des \) Stieles wird bei Reizung EN \ \ das ganze Köpfchen zu- \ N rückgezogen. 2. Unter denRadio- laria, die sonst durch- weg planktonisch leben, ist nur eine festsitzende Form, Podactinelius sessilis SCHRÖDER (1908), aus der Antarctis bekannt. Der kugelige Körper mißt einschließlich der langen Radiärstacheln etwa 1 mm im Durchmesser, und über die Stachelspitzen ragt ein schlanker Stiel noch 1—1!/, mm weit vor. Dieser Stiel ist durch ein Bündel seine ganze Länge parallel durchziehender Stacheln gestützt, die nur durch wenig Weichkörper- masse zusammengehalten werden, und mit einer . verbreiterten Basalplatte auf Fremdkörpern (Bryo- zoen, Seeigelstacheln usw.) befestigt. Fig. 263. Haliphysema tumanowiczii. Ag- 3. Bei den festsitzen- glomerierende, festsitzende Foraminifere, deren Schale den Foraminifera größtenteils aus Schwammnadeln aufgebaut ist. Nach kommt es nicht zu derartig IANKESTER aus DOFLEIN. ausgesprochenen Stielbil- dungen. Meist liegen sie der Unterlage verhältnismäßig flach auf, doch können sich namentlich agglutinierende Formen auch verhältnis- mäßig hoch von der Unterlage erheben, auf der sie dann auch wieder mit basaler Verbreiterung aufsitzen (Fig. 263). Unter den kalkschaligen Formen kann infolge des Festwachsens der anfänglich spiral be- ginnenden Schale die Anordnung der späteren Kammern mehr oder weniger unregelmäßig werden, so daß z. B. bei Polytrema eine nahezu baumförmige Gesamtform entstehen kann, die anfangs dazu verführte, diese Form zu den Korallen (Millepora) zu stellen. Die Anheftung dieser Foraminiferen ist so fest, daß sie nur gewaltsam und meist Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 1 258 Protozoa. Max Lünr, nicht an der wirklichen Grenzfläche von ihrer Unterlage abgelöst werden können. 2. Thigmotaxis und Stielbildung bei Flagellaten. Soweit die Flagellaten amöboide Bewegungen zeigen, finden wir bei ihnen ähnliche thigmotaktische Erscheinungen wie bei den Amöbinen. Besondere Erwähnung verdienen nur die Klebkörner einiger größeren Rhizomastiginen. Bei Mastigella vitrea Goupscumipr (1907) sind es kleine Körner von kurz stabförmiger Gestalt, die beim wandernden Tier nie vermißt werden und sich hier ausschließlich am Hinterende finden, wo sie auch etwa vorhandene Pseudopodien bedecken. Sie liegen ober- fächlich auf der Pellieula, der sie mit ihrer Längsseite in unregelmäliger Anordnung angeschmiegt sind. Bei ruhenden Tieren findet man bis- weilen ähnliche Körner im Endoplasma, mitunter in kranzförmiger An- ordnung um den Kern, so daß es den Anschein gewinnt, als wenn sie dort gebildet werden und später an die Oberfläche wandern. Bei der Kriechbewegung benutzt das Tier sein Hinterende als Stützpunkt zum Weiterschieben, und dies wird ihm offenbar durch den vermehrten Reibungswiderstand seitens der Klebkörner, die GoLpschmipr funktionell direkt den Nägeln an den Schuhen des Bergsteigers vergleicht, wie auch durch deren Klebrigkeit erleichtert. Vermöge dieser Klebrigkeit spielen die Körner, die unter Umständen zu feinen Fäden ausgezogen werden können, auch bei der Nahrungsaufnahme eine nicht unwichtige Rolle. Aehnlichen Klebkörnern verdankt Mastigamoeba aspera (Fig. 224) ihren Artnamen und auch die haar- oder borstenartigen Bildungen bei Mastigina setosa und anderen Rhizomastiginen (vgl. Fig. 2) werden von GoLpscHmipt als „ausgewachsene Klebkörner“ auf- gefaßt. Prnarp (1909) erklärt jedoch demgegenüber die „Klebkörner“ von Mastigamoeba für Bakterien. Bei den mit festerem Periplast versehenen und daher der amöboiden Bewegung unfähigen Flagellatenarten erfolgt die thigmo- taktische Festheftung entweder mit dem geißelfreien Hinterende oder mit einer Geißel, nur nach Rückbildung der Geißeln auch direkt mit dem (sonst die Geißeln tragenden) Vorderende. Die Anheftung mit dem Zellkörper selbst ist fester wie die nur mit Hilfe einer Geißel erfolgende: Euglena viridis, die sich mit ihrem Hinterende festheftet (anscheinend ähnlich den Amöbinen durch Abscheidung einer Schleimschicht), löst sich auch bei Temperatursteige- rung bis zu todbringender Höhe (5l—54° C) nicht von der Unterlage ab; Chilomonas paramaecium dagegen, die sich mit einer Geißel anheftet, löst sich bei 36° © los, um lebhaft umherzuschwimmen (Tod tritt bei 41°C ein). Polytoma u.a. heften sich ähnlich den Euglenen mit dem Zellkörper selbst mit sehr bedeutender Kraft fest. Euglena kann unter Verlust ihrer Geißel mit Hilfe ihres Festheftungsvermögens unter Wechsel zwischen Streckung und starker Kontraktion Kriech- bewegungen ausführen, die mitunter fast spannerartig erscheinen. Eingeißlige freilebende Flagellaten scheinen sich nur mit ihrem Körper festzuheften, nicht mit der Geißel, die im Gegenteil negativ thigmotaktisch reagiert, d. h. bei Berührung sich selbst und damit auch das sie tragende Vorderende des Tieres von dem Fremdkörper fort- wendet. Die einzige sichere Ausnahme ist Ancyromonas, bei der D. III. Haftorganellen. 259 aber die zur Festheftung benutzte einzige Geißel in geschlängeltem Ver- laufe nach rückwärts gewandt ist und so mehr einer Schleppgeißel als den Schwimmgeißeln anderer Flagellaten gleicht. Die Schleppgeißel dient aber den eine solche besitzenden Formen allgemein zur zeitweisen An- heftung (z. Be Bodo, Anisonema), wie auch bei den Gehäuse bildenden Gattungen Bicosoeca (Fig. 5) und Poteriodendron der Weichkörper mit Hilfe eines morphologisch durchaus einer typischen Schleppgeißel entsprechenden Fortsatzes in seinem Gehäuse befestigt ist. Aber auch bei mehrgeißeligen Formen ohne Schleppgeißel kommt Fest- heftung mit Geißeln vor, doch verankert sich z. B. Chilomonas paramaecium stets nur mit einer seiner beiden morphologisch gleich gestalteten Geißeln. Möglich, daß eine derartige physiologische Diffe- renzierung der phylogenetische Ausgangspunkt für die Entwickelung von Schleppgeißeln war. Ob bei Chlorangium, das sich unter Rückbildung der Geißeln und unter Gehäuse- und Stielbildung mit seinem mehrere Geißeln tragenden Vorderende festsetzt, bei der anfänglichen Festheftung ebenfalls nur eine Geißel in Funktion tritt, ist nicht bekannt. —n a m Fig. 264. Crithidia subulata (Lec.), aus dem Darm von Tabanus glaucopis MEIG. a, b freibewegliche Flagellatenform, c dieselbe in Ruhe, d festsitzende Formen mit rückgebildetem Geißelapparat (sogenannte gregarinenähnliche Ruheform), e dieselben in großer Zahl an einer Darmepithelzelle fixiert. Vergr. 1800:1. Nach LEGER aus LÜHE 1906. Größere Bedeutung gewinnt die Festheftung mit dem Geißel- ende bei parasitischen Arten, und hier finden wir sie auch gerade bei eingeihligen Formen. Bei Trypanosomen ist gelegentliche Anheftung mit dem Geißelende an roten Blutkörperchen beobachtet. Die trypanosomen-ähnlichen, im Darm von Insekten schmarotzenden Cri- thidia- und Herpetomonas-Arten heften sich an dem Darmepithel ihrer Wirte mit ihrem Geißelende an, indem sie den Geißelapparat rück- bilden und, zu einem mehr oder weniger stilettförmigen Gebilde um- gestaltet, in den Körper zurückziehen (Fig. 264). Solche „gregarinen- ähnlichen“ Ruheformen (Luger) hat PRowAzeEr auch bei Trypanosoma lewisi im Darme der als Zwischenwirt dienenden Rattenlaus gefunden. Eine ähnliche, wenn auch bereits etwas weitergehende vorübergehende Festheftung liegt nach ScHauvınn (1904) auch bei dem im Blute des 17* 260 Protozoa. Max Lünk, Steinkauzes schmarotzenden, früher zu den Hämosporidien gerechneten Haemoproteus noctuae vor (regelmäßiger Wechsei zwischen geißel- losen Wachstumsstadien, die an den roten Blutkörperchen schmarotzen, und frei beweglichen trypanosomen-ähnlichen Stadien, die zur Aufsuchung anderer Blutkörperchen dienen). Eine derartige, mehr oder weniger lange dauernde vorübergehende Festheftung hat dann offenbar auch als Aus- gangspunkt gedient zu der vollendeten Anpassung an den Zellparasitis- mus mit dauernder Rückbildung des Geißelapparates, die wir bei den zellschmarotzenden Blutparasiten (Plasmodium, Proteosoma, Ba- besia) finden. Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhange ist auch die eigenartige Leishmania, ein Parasit des Menschen, der sich außerhalb des menschlichen Körpers in mit Natriumzitrat versetztem Blute künstlich züchten läßt und hierbei eine Geißel entwickelt, während sonst nur geißellose Formen bekannt sind (vgl. Fig. 265). 1 2 8 4 en & « fs % E ne u N \ N ER Be 2.4 Fig. 265. Leishmania donovani (LaAv. u. Mesn.), Kala-Azar-Parasit des Menschen. 1 Vier Parasiten im Innern einer Wirtszelle (vermutlich Endothelzelle), durch Punktion der Milz gewonnen. 2 Drei einzelne Parasiten aus einem Milzausstrich. 3—7 Weiter- entwickelung dieser Parasiten bei künstlicher Züchtung im Blut, das mit Natriumzitrat versetzt wurde, außerhalb des menschlichen Körpers. Vergr. ca. 1500:1. Nach LEISHMAN und STATHAM (1905). Der Festheftung an einer Unterlage ist in gewissem Sinne auch die Agglomeration vergleichbar (gewissermaßen Festheftung mehrerer Individuen aneinander), die besonders bei Trypanosomen unter ge- wissen Umständen auftritt, nach Lüne (1906)’ bei ungünstigen Lebens- bedingungen. Dabei verkitten mehr oder weniger zahlreiche Individuen miteinander zu sternförmigen Knäueln. Meist sind die beweglich bleibenden Einzeltiere dem Zentrum des Knäuels mit dem geißelfreien Ende zu- gewandt, an dem hierbei eine klebrige, körnige Substanz ausgeschieden ist, anscheinend unter wesentlicher Mitwirkung des Blepharoplasten. Asglomeration mit dem Geißelende kommt anscheinend nur bei solchen Formen vor, bei denen der Blepharoplast, abweichend von dem Verhalten - bei den gewöhnlichen Trypanosomen, zwischen Kern und Geißelende liegt (PRowAzER 1905). Ein sehr eigenartiges Haftorganell, das im Anschluß hieran noch besondere Erwähnung verdient, findet sich bei der pelagischen Flagellaten- gattung Rhynchomonas Lonmann, bei der 3 Stadien sich unter- scheiden lassen: 1) ein frei beweglicher Jugendzustand (Fig. 266, A) mit einer etwa körperlangen, nach hinten gerichteten Geißel, neben der D. III. Haftorganellen. 261 ein sehr beweglicher kurzer Fortsatz vom Vorderende entspringt; 2) ein ebenfalls noch frei bewegliches älteres Stadium (Fig. 266, B), bei dem der vordere Fortsatz zu einem scharf vom Rumpf abgesetzten faden- förmigen Rüssel ausgewachsen ist, während gleichzeitig jetzt die Geißel den herangewachsenen Rumpf an Länge erheblich überragt; endlich 3) ein geißelloses festsitzendes Stadium, das infolge Verkürzung des birnförmig gewordenen Rumpfes an Größe hinter dem vorigen etwas zurückbleibt (Fig. 266, 0) und das sich mit seinem unverändert ge- bliebenen Rüssel im Gehäuse von Appendicularien verankert. Indem sich der Periplast von dem Rumpfe abhebt und nur am vorderen Pole mit dem übrigen Körper in Zusammenhang bleibt, nimmt der Flagellat schließlich die Form einer kugeligen Blase an. Die Form scheint im atlantischen Ozean und im Mittelmeer weit verbreitet zu sein. A B © Fig. 266. Fig. 266. Rhynchomonas marina LoHm. A Jugendform von 10 u Länge. B Alte, noch begeißelte Form von 39 u. Länge. © Festsitzendes geißelloses Stadium. Nach LOHMANN 1903. Fig. 267. Cladomonas fructiculosa St. Erwachsene Kolonie. Endzweige der Gehäuseröhren zum Teil von den Flagellaten verlassen. Vergr. 225:1. Nach Stein 1878. Bei gehäusebildenden Flagellaten findet eine Festhef- tung nicht selten in der Weise statt, daß das Gehäuse (ähnlich der Schale der festsitzenden Foraminiferen) am Hinterende mit einer Unter- lage verklebt. Bei fortdauernder Abscheidung von Gehäusesubstanz kann es dann zu verhältnismäßig langen Stielbildungen kommen. Epipyxis und Salpingoeca z. B. sitzen mit dem kurz stielförmig aus- gezogenen Hinterende ihres Gehäuses fest (Fig. 6). Zu röhrenförmigen verzweigten Stielbildungen kommt es bei einigen Flagellaten, die bei dauernder Verlängerung ihres festsitzenden Gehäuses (vgl. S. 173£.) vor bzw. bei ihrer Vermehrung durch Teilung nicht aus demselben ausschwärmen. So entstehen z. B. die dichotomisch verästelten Gallertröhren von Cladomonas (Fig. 267), die in dem frei vorragenden Ende jedes Astes ein Einzeltierchen beherbergen. Auch der überaus zierliche Röhrenbau von Rhipidodendron besteht aus ähnlichen dichotomisch verästelten Gallertröhren, die aber nicht isoliert bleiben, 262 Protozoa. Max Lün, sondern, dicht nebeneinander in einschichtiger Lage angeordnet, mit-. einander zu einem Fächer verkleben, der bei weiterem Wachstum in einzelne Fächerlappen ausstrahlen kann. Die Röhren sind am freien Rande des Fächers offen und beherbergen dort je ein Einzeltier. Die Kolonie wird von einem einzigen Tier gegründet, das eine einfache, von einer Unterlage aufstrebende Gallertröhre ausscheidet. Das Tier pflanzt sich durch Teilung fort, und dabei setzen die Tochterindividuen jedes für sich die Röhrenbildung in der Weise fort, daß die Anfangsröhre in zwei aneinander liegende, miteinander verwachsende Tochterröhren sich teilt; derart geht die Verästelung mit der Vermehrung der Tiere streng dichotomisch weiter. In anderen Fällen setzt sich das mehr oder weniger glockenförmige Gehäuse in einen schlanken soliden Stiel fort, der es trägt, z. B. bei Poly- oeca, bei der eine Koloniebildung dadurch zustande kommt, daß die jüngeren Gehäuse sich mit ihren ziemlich langen Stielen auf den Mündungsrändern, gelegentlich auch auf dem Stiele der älteren anheften (Fig. 268). Als besonders eigenartig sei hier auch noch die ringförmige Anheftung des Gehäuses von Ohrysopyxis erwähnt (Fig. 225, b). Bei anderen (nackten) Flagellaten kommt eine ähnliche alloplasmatische (pseudochitinöse?) Stiel- bildung dadurch zustande, daß die Stielsubstanz lediglich an dem Hinterende, mit dem die Fest- heftung erfolgte, abgeschieden wird, während im übrigen der Körper nackt bleibt. Als gut bekanntes Beispiel kann Anthophysa dienen. Hier sind die Einzelzellen zu köpfchenartigen Kolonien vereinigt, die auf verzweigten Stielen sitzen (Fig. 4). Die mit den Hinterenden vereinigten Zellen scheiden einen gemeinsamen, zuerst farblosen, später infolge von Eisenoxyd-Inkrustation braun werdenden, mehr oder weniger biegsamen Stiel aus. Bei Dendromonas bildet dagegen jedes ein- zelne der durch Teilung des gestielten Stamm- individuums entstehenden Tochterindividuen einen neuen Stiel, und das geht so weiter bis zur Bildung Fig.268.Polyoeca einer reichen regelmäßig dichotomisch verästelten dichotoma S. K. Kolonie Vergr. ca. 1000 ::1. i : : ER Nach SavıLıE Kent Wenn die vom gestielten Stammindividuum durch 1880—82. sukzessive Teilung entstehenden Abkömmlinge ihrer- seits keine oder nur ganz kurze Stiele absondern, so entstehen Kolonien, bei denen ein Haufen oder ein Büschel von Individuen dem Ende eines gemeinsamen Stieles aufsitzt (z. B. Codonosiga mit kurz- gestielten Einzelindividuen). Wenn aber bei der ersten oder noch bei der zweiten, dritten, vierten usw. Teilung die Abkömmlinge des Stammindividuums zunächst noch Stiele bilden und erst bei späteren Teilungen die Stielbildung unterbleibt, so kommen trotz anderer Entstehung Kolonien zustande, D. III. Haftorganellen. 263 in denen ähnlich wie bei Anthophysa an den Zweigenden eines ver- ästelten Stieles Gruppen oder Haufen von Einzelindividuen sitzen (z. B. Cephalothamnium, Codonocladium, Fig. 7). Für die Art der Abscheidung dieses Stieles ist es charakteristisch, daß allem Anschein nach unverdaute Nahrungsreste sich an seinem Auf- bau beteiligen. Jedenfalls hat schon EnurengBere festgestellt, daß bei Fütterung von Anthophysa-Kolonien mit Indigo die Farbstoffkörnchen sehr bald an dem Hinterende der Einzeltiere wieder ausgeschieden und in die dort gleichzeitig sezernierte Stielmasse eingelagert werden. 3. Thigmotaxis und Stiel- bildung bei Infusorien. Daß thigmotaktischer Stillstand bei Infu- sorien eine sehr wichtige Rolle spielt, wurde bereits bei Besprechung von Paramaecium erörtert (vgl. S. 105). Auch bei ihnen kann es nun auf thigmotaktischer Grundlage zur Aus- bildung besonderer Haftorganellen kommen. die ihre vollkommenste Aus- bildung einerseits in den Stielen der Vorticelliden und Suctorien, anderer- seits in dem erst weiter unten zu be- sprechenden Saugnapf der Urceolarien und Licnophoren finden. Auch bei den Infusorien ist mit der thigmotaktischen Fixierung ähnlich wie bei Rhizopoden und Flagellaten die Abscheidung einer klebrigen Substanz von gallertiger Konsistenz verbunden, deren Masse meist sehr gering, unter Umständen aber auch recht beträchtlich sein kann. So hat Jennings (1910) bei dem für gewöhnlich frei umherschwim- menden Spirostomum eine Änheftung mit einem langen Gallertstiel beobachtet (Fig. 269). Haftorganellen in Pseudopodienform finden sich bei Stentor, der bald umherschwimmt, bald sich anheftet. Zur Festheftung dient das verjüngte Hinterende, der sogenannte Fuß, an dem Fig. 269. Spirostomum, mit das Ektoplasma stark verdünnt ist. Wenn einem Schleimfaden am Boden fest- sich das Tier auf einer festen Unter- haftend, das Vorderende en lage, z. B. ar einer Glaswand, anheftet, ne 15 nee heam so schmiegt sich der Fuß als rundliches Nach JEnnInGs 1910. Scheibchen an. Wenn es sich aber in losem Detritus oder in einem Zoogloenfilz festsetzt, so verankert es sich, indem der Fuß allseitig typische verästelte oder unverästelte Pseudo- podien entsendet. Ueber die „Tentakel“ von Actinobolus, faden- förmige Pseudopodien, deren ursprüngliche Haftfunktion gegenüber ihrer Bedeutung für die Ernährung zurücktritt, vgl. den Abschnitt über Organellen für die Nahrungsaufnahme. 264 Protozoa. Max Lünk, Ein sehr eigenartiges Haftorganell hat ferner Faurk-Freumer (1909) bei einem Hypotrichen, Ancistropodium maupasi, geschildert (Fig. 270). Wenn das Tier schwimmt, bildet der „Fuß“ an dem Hinter- ende der Bauchfläche eine Art von Längsleiste von ca. 15 u Länge und 5 u Breite, die 6 kräftige Schwanzeirren sowie in Verlängerung ‚der Fig. 270. Anceistropodium maupasi FAURE-FREM. Links Ventralansicht, rechts Seitenansicht des festgehefteten, in der Mitte Ventralansicht des freischwimmenden Tieres. Aus FAURE-FREMIET 1909. rechtsseitigen Cirrenreihe noch 8 sehr lange feine Randcirren trägt. Setzt sich das Tier fest, so verlängert sich dagegen der Fuß zu einem langen schlanken stielartigen Gebilde, das an seinem Ende zu einer ovalen Platte verbreitert ist. Auf. dieser Platte stehen dann die Schwanz- cirren, die die thigmotaktische Fixierung des Tieres vermitteln, während D. III. Haftorganellen. 265 die anscheinend als Tastborsten funktionierenden Randcirren auf dem fadenförmigen Teile des Stieles verteilt sind. Bei Reizung des Tieres kontrahiert sich der einen integrierenden Teil des Protoplasmakörpers darstellende Stiel mit sehr großer Geschwindigkeit. Ganz anderer Art sind die Stiele der Vorticelliden, die keine unmittelbare Fortsetzung des Körpers, sondern, ähnlich jenem Gallertstiel von Spirostomum (Fig. 269), ein Sekretionsprodukt darstellen. Sie sind elastisch, zeigen einen feinwabigen Bau und bestehen, ähnlich den Pseudochitinschalen der Rhizopoden, aus einem schwerlöslichen Albuminoid (ScHRÖDER 1906). Bei Epistylis plicatilis ist der Stiel solid (vgl. Fig. 254), bei anderen Arten (z. B. Campanella umbellaria) ist er dagegen hohl, röhrenförmig und bei Vorticella, Carchesium und Zoothamnium findet sich im Innern der Pseudochitinröhre ein kräftiges Myonem (vgl. den Abschnitt über Bewegungsorganellen auf S. 250). Die Vorticelliden können sich von ihren Stielen ablösen (vgl. Fig. 64), frei umherschwimmen und sich dann wieder mit ihrem Hinter- ende thigmotaktisch festheften, um alsbald einen neuen Stiel zu bilden. Die Abscheidung der Stielsubstanz erfolgt anfangs verhältnismäßig rasch, um später langsam abzunehmen. So beobachtete ENnGELMANN bei Fig. 271. Tocophrya qua- dripartita CL.-L. A Junge ‚Larve, im Begriff sich festzu- setzen, mit eingestülptem Saug- napf (vgl. die freischwimmende Larve in Fig. 250). B Etwas ältere, bereits festsitzende Larve, die einen Stiel abge- schieden hat und die ersten Tentakel zu entwickeln be- ginnt, während die Wimpern noch erhalten sind; etwas stärker vergrößert. (Noch ältere Larven siehe in Fig. 307). Nach FiıLiPrJEv 1911. Zoothamnium arbuscula in den ersten Stunden der Stielbildung ein Wachstum von ca. 0,13 mm, in den nächsten 15 Stunden dagegen im Durchschnitt nur noch ein solches von 0,05 mm pro Stunde. — Während Vorticella stets einzeln lebt, entstehen bei Epistylis, Campa- nella, Carchesium und Zoothamnium bei der Fortpflanzung durch wiederholte Zweiteilungen mehr oder weniger große Kolonien auf dichotom verästelten Stielen. Diesen Stielen der Vorticelliden entsprechen auch die bald nur sehr kurzen, bald längeren Stiele der durchweg festsitzenden Suctorien, für die wir Tocophrya quadripartita als Beispiel betrachten wollen (nach Fırırsew 1911). Die Stelle, an der der Stiel abgeschieden wird, ist ein kleiner runder, in der Mitte nach Art einer Sauggrube leicht eingesenkter Bezirk der Oberfläche, dem innen dichteres, schwach radiär gestreiftes Protoplasma anliegt und der beim frei schwimmenden Embryo am Vorderende liegst (Fig. 250). Vor der Festsetzung stülpt sich das ganze Vorderende des Embryos zu einem engen und tiefen Kanal ein, an dessen Grunde dann jene ursprüngliche sauggrubenartige Vertiefung liegt und in dem die Abscheidung des Stieles erfolgt (Fig. 271). Am inneren Ende des Stieles sieht man eine helle Plasmaanhäufung, welche sich in lebhafter Bewegung befindet; von ihr aus heften sich 266 Protozoa. Max Lünk, fortwährend neue Körnchen an das Ende des Stieles an, der auf diese Weise ein Längenwachstum erfährt. Ist dieses abgeschlossen, so erfolgt eine Umstülpung des Körpers des Tieres, durch die sich dieser auf dem Stiele erhebt, während gleichzeitig die Wimpern des Embryos zugrunde gehen; zum Teil sollen sie zerfallen, zum Teil eingezogen werden. Durch diese Umstülpung werden auch die Tentakel des Tieres (vgl. den Ab- schnitt über Ernährungsorganellen), die anfänglich an den beiden Seiten des Körpers in je einer Gruppe vor und hinter dem Wimpergürtel sich bildeten, nach vorne gebracht, wo sie sich beim erwachsenen Tier auf 4 gleichmäßigen Vorwölbungen des umgekehrt pyramidenförmigen Körpers erheben (Fig. 307 und 67). An seinem unteren Ende läuft der Stiel in eine große Basalplatte aus, die nach einer von Coruın (1912) bezweifelten Vermutung FıLıpsevs von der ganzen Umgebung der die Stielbildung vermittelnden kanalartigen Vertiefung abgeschieden wird und die der Unterlage (bei unserer Art sind dies die Stiele von Epistylis plicatilis) flach aufliegt (Fig. 271, B). 4. Sauggruben und Hafthaken der Infusorien. An- statt zur Stielbildung kann es aber auf der Grundlage einfacher thigmotaktischer Festheftung auch zur Entwickelung von Sauggruben kommen. Vor allem ist dies bei Parasiten der Fall, die sich auf diese Weise an der Schleimhaut ihres Wirtes ansaugen, in- y h a Fig. 272. Fig. 273. Fig. 272. Anoplophrya paranaidis PIERANT. Schnitt durch die Darmwandung von Paranais elongata mit dem Vorderende des an ihr angehefteten Parasiten. Nach PIERANTONI 1909. Fig. 273. Schnitt durch die Wasserlunge von Holothuria californica mit am Epithel festsitzenden Infusorien. « Licnophora macfarlandi STEvEns. b Boveria subcylin- drica STEVENS. Am Rande der konkaven Haftscheibe der Lienophora sieht man jeder- seits die Schnitte durch die 4 „undulierenden Membranen“ mit ihren Basalkörpern (vgl. das Totalbild in Fig. 216) und nach außen von diesen (namentlich deutlich links) den Schnitt durch die als Velum bezeichnete Falte der Pellieula. Nach STEVENS 1901, etwas verändert. dessen kommen kleine und trotzdem kräftige Sauggruben auch bei einzelnen räuberischen Infusorien vor, so namentlich bei dem räube- risch auf Epistylis-Kolonien hausenden Trachelius ovum. D. III. Haftorganellen. 267 Vereinzelt finden sich Sauggruben auch schon bei Flagellaten: bei Lamblia ist die Bauchfläche im Gegensatz zu der gewölbten Rückenfläche nicht nur abgeflacht, sondern in ungefähr der vorderen Hälfte sogar konkav eingesenkt und dient hier zur Anheftung an die Darmschleimhaut des Wirtes. Häufiger ist dagegen eine derartige Sauggrubenbildung bei den Wimperinfusorien, bei denen sie auch eine größere Komplikation erreicht. Als Anfangsstadium einer Sauggrubenbildung können wir Verhält- nisse -betrachten, wie sie Pırrantronı (1909) bei Anoplophrya paranaidis gefunden hat. Hier tritt an dem isolierten Infusor eine Sauggrube noch nicht hervor. Die mit Abscheidung von etwas Gallert- substanz verbundene thigmotaktische Anheftung des Infusors an der Darm- schleimhaut des Wirtes (eines Oligochäten) wird aber dadurch verstärkt, daß das angeheftete Vorderende etwas konkav eingezogen wird und somit eine Saugwirkung ausübt (Fig. 272) Auch die (etwas an die Ver- hältnisse bei Lamblia erinnernde) grubige Einsenkung im vorderen Teil der Bauchfläche von Hoplitophrya falcifera (Fig. 274, s) hat jeden- falls Haftfunktion. Die höchste, an Saugnäpfe erinnernde Differenzierung solcher Haftorganellen findet sich unter den darmbewohnenden astomen Infusorien bei Steinella, Discophrya, Haptophrya und Lada. Speziell für Haptophrya gibt Ckpipe auch das Vorhandensein be- ‚sonderer Myoneme an, die von der Wandung der Sauggrube zur gegen- überliegenden Rückenfläche ziehen, entsprechend den Radiärmuskeln bei Sauggruben und Saugnäpfen von Metazoen (Fig. 313). Außer bei Astomen finden sich Sauggruben als Haftorganellen auch bei parasitischen Peritrichen, und zwar bei Licnophora (Fig.216 u. 273) und den Urceolariden (Trichodina, Fig. 249, Cyclochaeta u. a.). Sie nehmen hier ‘in Form einer regelmäßig kreisförmigen Scheibe das Hinterende der Tiere ein und sind von Wimpern umgürtet, die zu flächenhaften, an Membranellen oder undulierende Membranen erinnernden Gebilden verschmolzen sind. Bei den Urceolariden ist nach War- LENGREN (1897) diese Verschmelzung in annähernd radiärer Richtung erfolgt, so daß ein einfacher Kranz verhältnismäßig schmaler Wimper- gebilde entstanden ist, die den Membranulae der Vorticelliden (vgl. S. 241) entsprechen. Bei Lienophora dagegen ist nach Stevens (1901) die Verschmelzung in der dem Umkreis der Saugscheibe entsprechenden Richtung erfolgt, so daß diese von 4 kreisförmig geschlossenen und kon- zentrischen „undulierenden Membranen“ umgeben ist (vgl. Fig. 216 und 273). Wie bei parasitischen Plattwürmern, so kann auch bei diesen para- sitischen Infusorien die fixierende Wirkung der Sauggruben durch das Hinzutreten von Hafthaken verstärkt werden. Dem Besitz eines Hakens verdankt z. B. die Gattung Hoplitophrya (Fig. 274) ihren Namen und bei Steinella sind sogar 2 Haken in der Sauggrube vor- handen. Auch ohne daß Sauggruben vorhanden sind, können Haken als alleinige Haftorganellen bei Astomen ausgebildet sein, z. B. bei Mau- pasella (Fig. 276), Intoshellina (Fig. 277) und Arten von Hopli- tophrya (Fig. 275. Bei den Urceolariden findet sich in der Saugscheibe ein sogenannter Haftring, der aus meist 22—24 einzelnen Gliedern besteht. Die einzelnen Glieder sind tütenförmig gestaltet und derart ineinander geschachtelt, daß sie sich zu einem geschlossenen Ringe aneinander fügen. Jede Tüte aber verlängert sich an ihrem Rande in 268 Protozoa. Max Lüue, zwei mehr oder weniger blattförmige Fortsätze, die dem Rande bzw. dem Zentrum der Saugscheibe zugewandt sind und sich als Haken über die Oberfläche der Saugscheibe erheben (Fig. 278). Fig. 276. Fig. 275. Fig. 274. Hoplitophrya falcifera Stein. A Ventralansicht, B Seitenansicht. cv kontraktile Vakuole, A Hafthaken (in Fig. A beachte den vorderen und hinteren Wurzelfortsatz desselben), ma Großkern, r von einer Verdiekung der Pellicula ge- bildete Randleiste am Vorderende der Sauggrube, s Sauggrube. Vergr. 315:1. Nach CEPEDE 1910. Fig. 275. Hoplitophrya hamata Crr. A Gesamtbild. cv kontraktile Va- kuole, % Hafthaken (der größeren Deutlichkeit wegen schwarz gezeichnet), ma Groß- kern, mi Kleinkern. Vergr. 390:1. B Isolierter Hafthaken. Vergr. 800:1. Nach CEPEDE 1910. Fig. 276. Maupasella nova C£r. A Gesamtbild. Buchstaben wie in Fig. 275. Vergr. 350:1. B Der Hafthaken am Vorderende des Tieres in Flächenansicht und € in Seitenansicht, sehr viel stärker vergrößert. Nach CEPEDE 1910. Allem Anschein nach bestehen diese verschiedenartigen Hafthaken aus einem schwerlöslichen Albuminoid. Meist werden sie als Differen- zierungen der Pellicula betrachtet; nur WALLENGREN nimmt an, daß an ihrer Bildung außer der Pellicula auch noch das Corticalplasma be- teiligt sei. 5. Haftorganellen der Gregarinen. Während bei den intracellulär schmarotzenden Coceidien Haftorganellen vollständig D. III. Haftorganellen. 269 fehlen !), sind solche bei Gregarinen sehr weit verbreitet, und zwar können wir zwei wesentlich verschiedene Arten solcher Organellen unterscheiden, eine euplasmatische und eine alloplasmatische. Einmal nämlich handelt es sich um Fortsätze des Vorderendes des Plasma- Fig. 277. Fig. 278. Fig. 277. Intoshellina maupasi C£r. Der dreispitzige Hafthaken am Vorder- ende des Tieres, halbschematisch (vgl. auch das Gesamtbild in Fig. 296). w Der den Haken im Plasmakösper fixierende Wurzelfortsatz. Nach CEPEDE 1910. Fig. 278. Cyclochaeta domerguei WALLENGR. Nach WALLENGREN 1897, 4A Zwei Glieder des Haftringes in Flächenansicht, B Radialschnitt durch den Körperrand mit quergeschnittenem Haftring. Vgl. hierzu auch Fig. 249. körpers selbst, die die Gregarine in dem Darmepithel ihres Wirtes verankern (Epimerite und Filamente) oder (sehr viel seltener) oberflächlich an demselben befestigen. Außerdem findet sich bei frei im Darmlumen schmarotzenden For- men Abscheidung einer klebrigen Gallertsubstanz in Stielform, die, ähn- lich wie bei dem vorstehend be- sprochenen Spirostomum, eine thigmo- taktische Festheftung des Hinterendes an dem Darmepithel vermittelt. Ueber diese Gallertabscheidung der Gregarine ist bereits auf S.161 (Fig. 156) und S. 253 das Nötige gesagt. Hier sind also nur noch die euplasmatischen Haftorganellen der Gregarinen zu be- sprechen. Bei Ophryocystis besitzt der kegelförmige Körper an der dem Vorder- ende entsprechenden Basis des Kegels zahlreiche divergierende wurzelähnliche Ausläufer, die früher für Pseudopodien id -Opheyboystis omnl- gehalten wurden (daher der alte Ord- leryi L£c., am Darmepithel von Seau- nungsname Amöbosporidien), aber rus tristis (OL.) fixiert. Vergr. 2000: 1. starr und unbeweglich sind. Sie vermit- Nach LEGER 1907. teln die Fixierung der Parasiten an dem Epithel der von ihnen bewohnten Marrıcnıschen Gefäße verschiedener In- sekten, ohne hierbei in das Plasma der Drüsenzellen einzudringen (Fig. 279). 1) Neuerdings sind freilich auch einzelne extracellulär auf dem Epithel schmarotzende Coceidien bekannt geworden, und bei einer dieser Arten, dem in den Magendrüsen der Maus lebenden Cryptosporidium muris, hat TyYzzer (1910) denn auch in einer mir im Original nicht zugängigen Arbeit ein „attachment organ“ beschrieben. 270 Protozoa. Max Lüne, Als Beispiele für Haftorganellen bei 'Monocystideen sei das Tastpseudopod von Lankesteria ascidiae genannt, mit Hilfe dessen sich diese oberflächlich an dem Darmepithel ihres Wirtes anheftet (vgl. Fig. 320 im Abschnitt über Sinnesorganellen), sowie der fadenförmige Fortsatz am Vorderende von Stylocystis, der zur Verankerung des Parasiten im Darm des Wirtes (einer Dipterenlarve) dient. Allgemein verbreitet sind derartige, als Epimerit bezeichnete Haftfortsätze bei den Polyceystideen, für die als verhältnismäßig einfaches und gut bekanntes Beispiel Pyxinia möbuszi dienen kann (Fig. 280). Der im Darm des Wirtes ausgeschlüpfte Sporozoit dringt mit seinem zugespitzten Vorderende, selten mit mehr als einem Viertel seiner Gesamtlänge, in eine Darmepithelzelle ein. Der. aus dieser Zelle herausragende Körper der jungen Gregarine wächst rascher wie das intracellulär fixierte Vorderende, bedingt infolgedessen zunächst eine Fig. 280. Pyxinia möbuszi L£e. u. Dup. Entwickelung von dem eben erst ins Darmepithel eingedrungenen Sporozoiten bis zum ausgebildeten Sporonten. Vergr. 1000:1. Nach LEGER und Duzosqa 1902 aus LÜHE 1904. birnförmige Gestalt der ganzen Gregarine und läßt schließlich Proto- und Deutomerit aus sich hervorgehen. Das in die Epithelzelle eingedrungene Vorderende wächst bei Pyxinia vor allem in die Länge und entwickelt sich zu einem langen, nach seinem der Basalfläche des Epithels zu- gewandten Ende sich allmählich etwas verjüngenden rüsselartigen Fort- satz, dem Epimerit, dessen Länge schließlich größer wird wie die Höhe des Epithels. Es muß sich daher entweder im Innern der Epithelzelle- mehr oder weniger stark schlängeln (Fig. 280, rechts) oder bei gestrecktem Verlauf dicht oberhalb der Basalfläche des Epithels umbiegen, um dann parallel derselben weiter zu laufen und hierbei auch noch in benachbarte Zellen einzudringen. Dieses Entwickelungsstadium der Gregarine wird als Cephalont bezeichnet; unter Verlust des Epimerits wandelt es sich später zum frei im Darmlumen lebenden und sich dort nur durch die bereits besprochene Gallertabscheidung fixierenden Sporonten um. D. III. Haftorganellen. 271 Das Epimerit, das bei typischer Ausbildung stets aus dem in eine Darmepithelzelle eingedrungenen Vorderende des Sporozoiten hervorgeht, weist in seiner Ausgestaltung bei verschiedenen Gregarinen eine sehr große Mannigfaltigkeit auf (Fig. 281). Jedenfalls aber ist es, vorwiegend vom Epieyt gebildet, stets verhältnismäßig derb; Endoplasma beteiligt N 3 4 5 6 H | Fig. 281. Epimeritformen verschiedener polyeystider Gregarinen. I Gregarina longa, 2 Syeia inopinata, 2 Pileocephalus heeri, 7 Stylorhynchus longicollis, 5 Beloides firmus, 6 Cometoides crinitus, ? Geniorhynchus monnieri, 8& Echinomera hispida. Nach LEGER 1892 aus DOFLEIN. Fig. 282. Pterocephalus nobilis. Entwickelung von den eben erst ins Darm- epithel eingedrungenen Sporozoiten bis zum jungen Sporonten mit Sonderung von Proto- und Deutomerit und ins Epithel eingesenkten Filamenten. Vergr. 1400:1. Nach LEGER und DupBosg 1902 aus LÜHE 1904. 272 Protozoa. Max Lüns, sich an seinem Aufbau entweder überhaupt nicht oder doch nur in sehr geringem Grade. Verhältnismäßig häufig ist es knopf- oder keulenförmig;; häufig ist es andererseits mit die Fixierung des Parasiten sichernden Widerhaken versehen, meist in Form eines einfachen Kranzes von Haken 4 ) = Ni IR » ZINN MEET AU 2 Fig. 283. Dactylophoriden. A Pterocephalus giardi L#G. s dem Epimerit anderer Gregarinen entsprechendes Rostrum, v chromatinhaltige Vakuole. B Ein anderes Exemplar desselben, zwischen dessen Filamenten noch die Epithelzellen des Scolopender- darms haften. © Flächenschnitt durch das Darmepithel eines Scolopenders mit den Quer- schnitten durch die nahe ihrer Basis getroffenen Filamente des Pterocephalus. D Sagittal- schnitt durch einen am Scolopenderdarm fixierten Pterocephalus nobilis. Man sieht die beiden quergetroffenen Längswülste der Sohle des Parasiten, von denen die Filamente ausgehen. E Echinomera horrida L£G. Nach verschiedenen Autoren aus LÜHE 1904. D. III. Haftorganellen. 273 (z. B. bei Corycella, Fig. 52), seltener in Form zahlreicher, rückwärts gerichteter Stacheln (Fig. 281, 7). Es kann aber auch (bei den Dactylo- phoriden) rückgebildet und durch sekundäre Haftorganellen in Form von zahlreichen finger- bis fadenförmigen, aus dem Protomerit hervor- wachsenden Fortsätzen funktionell ersetzt werden. Als Beispiel für diese sekundären Haftorganellen der Dactylophoriden mag Pterocephalus dienen. Auch hier dringt das Vorderende des Sporozoiten in eine Darmepithelzelle ein, die wachsende Gregarine neigt sich aber alsbald gegen das Epithel (Fig. 282, a), um sich diesem flächen- haft aufzulegen (Fig. 282, b),. Von der dem Epithel aufliegenden „Sohle“, die beim weiteren Wachstum der Gregarine sehr erheblich an Ausdehnung zunimmt, sprossen zahlreiche fadenförmige Fortsätze (Filamente) aus, die wurzelähnlich in das Epithel des Wirtes eindringen (Fig. 282 und 283). Die Sohlenfläche der Gregarine selbst erhebt sich entsprechend dem Ursprung dieser Filamente zu zwei Längswülsten (Fig. 283, d), die sich an ihrem, dem ursprünglichen Vorderende der Gregarine abgewandten Ende in je einen stumpf auslaufenden Fortsatz verlängern, der auch seinerseits noch wieder etwas in das Epithel eindringt (Fig. 282, d). Gleichzeitig mit der Entwickelung der Filamente beginnt sich das Epimerit, d. h. das in eine Epithelzelle eingedrungene ursprüngliche Vorderende der Gregarine, rückzubilden (vgl. Fig. 282, d und e) und zu einem kurzen Kegel umzugestalten, der nur sehr wenig in das Epithel ‚eingedrungen erscheint. 6. Bei den Cnidosporidien finden sich Haftorganellen in allgemeiner Verbreitung bei den die Infektion vermittelnden Fort- pflanzungskörpern (Cnidosporen) in Form der sogenannten Polkapseln, die bereits auf S. 218 erwähnt wurden und auf die in dem Kapitel über die Fortpflanzung noch zurück- zukommen ist. Auch die eigen- artigen Fortsätze an den Unido- sporen mancher Actinomyxidien (vgl. Fig. 57) haben jedenfalls die Funktion, das Haften der Cnido- sporen im Wirtsdarm und damit die Infektion zu erleichtern. Fig. 284. Myxidium lieberkühni. A Schnitt durch die Harnblase des Hechtes mit zahlreichen anhaftenden Exemplaren. Vergr. 120:1. Original. B Schnitt durch die Vorderenden von 5 am Harnblasenepithel des Hechtes haftenden Exemplaren bei stärkerer Vergrößerung. Nach SCHRÖDER 1912. Die vegetativen Stadien besitzen nur bei einem Teil der Körper- hohlräume bewohnenden Myxosporidien Haftorganellen, und zwar dienen hier Pseudopodien als solche. Als Beispiel kann Myxidium Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 18 274 Protozoa. Max Lünr, IV. Ernährungsorganellen. lieberkühni dienen, das an seinem Vorderende einen dichten Be- satz sehr feiner kurzer, nahezu haarförmiger Pseudopodien trägt und sich mit diesen am Epithel anheftet (Fig. 284). IV. Ernährungsorganellen. Wenn wir von denjenigen Flagellaten, die sich in pflanzlicher Weise ernähren, absehen, können wir innerhalb der Protozoen nach der Art der Ernährung zwei Hauptgruppen unterscheiden. Auf der einen Seite stehen fast alle Sporozoen und Unidosporidien, viele Flagellaten (außer den parasitischen auch manche sapro- phytische), sowie von den Infusorien die OÖpalinen und Astomata; auf der anderen alle Rhizopoden, die weitaus überwiegende Mehr- zahl der Infusorien, zahlreiche Flagellaten und eine einzige Sporozoenart (Stomatophora coronata). Die erste dieser beiden Gruppen, die vorwiegend von endo- parasitischen Protozoen gebildet wird (aber durchaus nicht alle endo- parasitischen Protozoen enthält), umfaßt Formen, die, in einem nähr- stoffreichen Medium lebend, sich ausschließlich durch Osmose ernähren. Die flüssigen organischen Nährstoffe diffundieren an der ganzen Ober- fläche dieser Protozoen, zum Teil vielleicht auch vorzugsweise an einzelnen Stellen derselben, in das Innere des Körpers hinein und infolgedessen fehlen besondere Organellen zur Aufnahme und Ver- dauung der Nahrung fast vollständig; nur die Pseudopodienbildung bei einzelnen Arten (Plasmodium, Myxidium) scheint noch eine nutritive Bedeutung zu haben (Vergrößerung und Veränderung der resorbierenden Oberfläche), ebenso wie die mehr oder weniger langen Fortsätze, mit denen viele Gregarinen in dem Darmepithel ihrer Wirte verankert sind (Fig. 230—283), nach L£EGER und Duposg (1902) auch noch eine nicht unwichtige nutritive Bedeutung haben, indem sie die Aufnahme von Nährstoffen aus der den Darm des Wirtes umspülenden Lymphe vermitteln. Alle Rhizopoden und Suctorien, die große Mehrzahl der ciliaten Infusorien und viele Flagellaten sind dagegen auf geformte or- ganische, stickstoffhaltige Nahrung angewiesen, die dem Körper zugeführt und in ihm verdaut, d. h. durch die Einwirkung von Ver- dauungssekreten gelöst werden muß (animalische, holozoische oder heterotrophe Ernährung). Bei allen diesen Protozoen bilden die unverdauten und unverdaulichen Nahrungsreste Exkremente oder Fäkalien, die wieder aus dem Körper entfernt werden müssen. Im Dienst dieser verschiedenen Aufgaben stehen besondere Ernährungs- organellen, und zwar 1) Örganellen für die Nahrungsaufnahme, 2) Organellen für die Verdauung und 3) Organellen für die De- fäkation. Diese Organellen können einen sehr hohen Grad von Kom- plikation erreichen, und viele Infusorien besitzen einen nutritiven Organellenapparat, der im Kleinen und FEinzelligen an den Organ- apparat im Großen erinnert, der bei den Vielzelligen das Ernährungs- system zusammensetzt. Besondere Organellen strudeln die Nahrung‘ herbei, besondere Organellen leiten sie zu einem Zellenmund, durch welchen sie in einen Zellenschlund eintritt. Von da in das Plasma eintretend, wird die Nahrung in bestimmten Richtungen im Endo- plasma fortgeleitet (Cyclose), und auf jeder Wegstrecke verhält D.IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 275 sich das umgebende Protoplasma zu der sich fortbewegenden Nahrung physiologisch in ähnlicher Weise verschieden, wie die Wandung des Metazoendarmes in seinen verschiedenen Abschnitten, so daß man von einer verdauenden, einer resorbierenden und einer ausleitenden Weg- strecke sprechen kann. Letztere führt zum lokalisierten Zellafter. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. In den Dienst der Nahrungszufuhr werden vor allem die frei nach außen vorragenden beweglichen Fortsätze des Körpers gestellt, also die Pseudopodien und Undulipodien. Sie können daneben noch sämtlich oder wenigstens zum Teil ihre bereits früher besprochene lokomotorische Funktion beibehalten, oder es kann auch bei gewissen höher organisierten Formen zwischen den zahlreichen beweglichen Fortsätzen des Körpers zu einer Arbeitsteilung in dem Sinne kommen, daß ein Teil derselben vorwiegend oder ausschließlich als motorische ÖOrganellen der Lokomotion, ein anderer Teil ebenso vorwiegend oder ausschließlich als nutritive Organellen der Nahrungszufuhr dient. Diese Beschränkung auf nutritive Funktion finden wir auch bei den Tentakeln der Suctorien. Zwischen den mit Pseudopodien und den mit Undulipodien ver- sehenen Protozoen besteht aber hinsichtlich der Ernährung ein Unter- schied nicht nur in Bezug auf den Bau der in den Dienst der Nahrungszufuhr gestellten Fortsätze des Körpers. Bei den durch Pseudopodien gekennzeichneten Rhizopoden, denen sich auch in dieser Beziehung ebenso wie in ihrer Bewegungsart die Flagellatenordnung der Rhizomastiginen anschließt, kann die Nahrung an ganz be- liebigen Stellen der Körperoberfläche aufgenommen werden; bei den mit Undulipodien versehenen Flagellaten und Ciliaten, denen sich in dieser Beziehung in gewissem Sinne auch die Suctorien an- schließen lassen, erfolgt dagegen die Nahrungsaufnahme nur an ganz bestimmten Körperstellen. Bei der Verschiedenartigkeit der Ernährungsorganellen in den ver- schiedenen Klassen und Ordnungen der Protozoen erscheint es zweck- mäßig, der näheren Besprechung eine systematische Anordnung zugrunde zu legen. 1. Sarcodina. Bei den Amöben wird die Nahrung (Bakterien, Diatomeen, kleine Algen, Detrituspartikelchen, bei parasitischen Arten oft Blutkörperchen des Wirtes, bei Pelomyxa palustris auch größere Organismen, wie z. B. Copepoden usw.), die auf dem Wege angetroffen wird, mit Hilfe amöboider Bewegungen auf die eine oder andere Weise (Näheres siehe S. 53—57) in das Endoplasma hineinbefördert. In ganz entsprechender Weise wird auch bei den beschalten Amöbinen die Nahrung von den vorgestreckten Pseudopodien umflossen, um dann unter Kontraktion dieser Pseudopodien in das von der Schale umschlossene Plasma geschafft zu werden. Bei den Foraminiferen, Radiolarien und Heliozoen dienen die nach allen Seiten ausstrahlenden zahlreichen Pseudopodien (vgl. hierzu auch deren Besprechung auf S. 219—221) vermöge ihrer Klebrigkeit (vgl. S. 254) als Fangapparate, an denen jedes mit ihnen in Berührung kommende Nahrungspartikelchen kleben bleibt. Zur Nahrung scheinen vielfach nur lebende bewegliche Organismen zu 18” 276 Protozoa. Max Lüne, dienen. Kleine Beutetiere, die an die Pseudopodien etwa einer Polystomella stoßen, bleiben sofort bewegungslos, wie gelähmt, an diesen haften; bei größeren führt der Reiz der Fluchtversuche zu einer Verstärkung der klebenden und lähmenden Wirksamkeit der Pseudopodien. Durch lebhaftere Körnchenströmung bildet sich an der Berührungsstelle eine stärkere Ansammlung von Plasma, die den Nahrungskörper einschließt. Benachbarte Pseudopodien senden Ana- stomosen zu der Stelle, mit lebhafter zu ihr hinziehender Körnchen- strömung, so daß die Plasmaansammlung sich noch weiter vergrößert. Diese kann dann samt dem umschlossenen Nahrungskörper durch Verkürzung der Pseudopodien an oder gar in den Plasmaleib zurück- gezogen werden (Fig. 26), oft genug aber unterbleibt dies auch, und die ganze Verdauung findet außerhalb des eigentlichen Plasmakörpers nur durch Vermittelung der Körnchenströmung in den Pseudo- podien statt. Eine sehr anschauliche Schilderung der Nahrungsaufnahme einer Foraminifere hat Wınter (1907) für Peneroplis pertusus gegeben, der „alles mit den Pseudopodien umspannt, zum Teil auch aufnimmt, was ihm an kleinen Algen, Diatomeen, Sporen, den verschiedensten Fremdkörpern, auch kleinen Krustern begegnet. Sind die Gegenstände sehr klein, so werden sie halb oder kaum verdaut in die Mündungs- poren aufgenommen. Sind die Fremdkörper größer, so werden sie eine Zeitlang vor der Mündung hergeschleift, wo sie sich allmählich verlieren. Peneroplis nimmt im Vergleich zu Vertebralina niemals größere Gegen- stände in die Schale auf, woran er schon durch die Mündungsporen be- hindert ist. Sehr oft verharrt Peneroplis bei der Nahrungsaufnahme in Ruhe und entsendet fächerartig nach verschiedenen Richtungen seine Pseudopodienbüschel. Mit Vorliebe verzehrt er kleine Kruster. Ein Nauplius kommt des Weges und berührt ungeschickterweise oft ganz entfernt von der Mündung des Peneroplis einige Pseudopodienfäden, sofort zuckt er heftig zusammen, bleibt aber an der berührten Stelle kleben. Je mehr er arbeitet, um sich loszureißen, wobei die Pseudo- podien sehr gedehnt werden, sich aber immer wieder zusammenziehen, desto mehr verwickeln sich seine Extremitäten mit den Nachbarpseudo- podien, und er ist immer mehr gefesselt Nur noch Zuckungen verraten seine Anstrengungen; indes nach einigen Momenten erlahmen auch diese, die Beinchen werden einwärts gekrümmt, und er ist tot. Der ganze Prozeß dauert */,—1!/, Minuten für das Krebschen, das sich nicht los- reißen kann, aber oft größer ist als die Foraminifere selbst. Größere Kruster reißen sich nach der Berührung mit einem Sprunge wieder los. Wir konstatieren daraus eine gewisse Klebrigkeit, sowie eine starke Zähigkeit und Elastizität, außerdem eine bedeutende Giftigkeit für kleine Crustaceen; alles kommt der Nahrungsaufnahme entschieden zugute. Ist ein kleiner Kruster zur Beute geworden, so nähert sich diese und die Schale durch Kontraktion der sie verbindenden Plasmamasse, und in wenigen Minuten liegt die Beute der Mundporenplatte vorgelagert. Eine heftige Körnchenströmung ist im Gange. Das Innere des Beutetieres wird vollständig mit Pseudopodiensträngen durchzogen, die sich platten- artig an die nahrungspendenden Teile anheften. Die Nahrungsaufnahme ist also eine extrathalame. In noch nicht 2 Stunden ist nur noch der glashelle Chitinkörper übrig, bis in die äußersten Spitzen der Antennen, Borsten und Extremitäten ist der ganze Weichkörper der Beute auf- gelöst und fortgeführt. — Infusorien und Flagellaten schadet die Klebrig- D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 277 keit und Giftigkeit der Pseudopodien weniger; sie nähern sich bis beinahe zur Berührung, hasten zurück und ziehen weiter. Wahrscheinlich sind sie für die chemische Influenz sehr empfindlich. Berühren sie die Pseudo- podien, so bleiben sie haften und werden aufgenommen.“ Wertvolle Beobachtungen über die Nahrungsaufnahme der Fora- miniferen (vor allem ÖOrbitolites) hat auch Jensen (1901) gemacht. Es zeigte sich hierbei einmal die Abhängigkeit der Nahrungsaufnahme vom Kern, indem kernlose Bruchstücke, die die Fähigkeit zur Pseudo- podienbildung noch längere Zeit behalten, gleichwohl schon wenige Minuten nach ihrer Abtrennung von dem kernhaltigen Plasmakörper die Fähigkeit zum Festhalten von Nahrungskörpern verlieren. Bei Darbietung lebloser Stoffe zeigte sich ferner, daß deren Aufnahme oder Nichtaufnahme abhängt von ihrer chemischen Wirksamkeit. Feiner Quarzsand, Glas- splitter u. dgl. werden nie aufgenommen; Weizenstärke wurde dagegen von einigen Foraminiferenarten (unter anderem von Örbitolites) auf- genommen, während sie die Pseudopodien anderer (vor allem Amphistegina lessoni) gänzlich unbeeinflußt ließ, Kernlose Plasmamassen wurden von Orbitolites nur dann als Nahrung aufgenommen, wenn sie bereits körnig zerfallen waren (24—48 Stunden nach ihrer Abtrennung). Vor dieser Degeneration verschmelzen sie mit dem sie berührenden Plasmakörper des Orbitolites, wenn sie von demselben Individuum abgetrennt waren; andernfalls aber führte ihre Berührung zu einer heftigen, jede Aufnahme unmöglich machenden Kontraktion der Pseudopodien. (Vgl. über Nahrungs- auswahl bei Protozoen auch unten den Abschnitt über Verdauungs- organellen.) Bei Heliozoen-ist mehrfach die Vereinigung mehrerer Individuen zu einer Freßgesellschaft beobachtet worden, um mit vereinten Kräften eine Beute zu bewältigen, die für ein einzelnes Individuum zu groß wäre. Zwei, drei, vier oder mehr Individuen verschmelzen mit den sich begegnenden Pseudopodien und umschließen zusammen einen größeren Nahrungsbissen. In den verschmolzenen Pseudopodien werden die Achsen- fäden resorbiert, und durch Verkürzung dieser Pseudopodien werden die einzelnen Individuen einander näher gerückt, bis sie zunächst mit ihrem Rindenplasma, dann auch mit ihrem Markplasma verschmelzen. Die Kerne bleiben von diesem Vorgang unberührt, und nach vollendeter Mahlzeit löst sich die Gesellschaft wieder auf. Jomsson (1895) beobachtete in einem Falle, daß Actinosphärien, die durch mehrfach wiederholte Teilungen so klein geworden waren, daß sie einzeln nicht imstande waren, die allein als Nahrung zur Verfügung stehenden Wasserflöhe (Cladoceren) der Gattung Bosmina zu bewältigen, sich nur dadurch vor dem Hunger- tode bewahrten, daß sie sich zu solchen Freßgesellschaften vereinigten, um gemeinsam eine Bosmina einzukreisen. Häufiger sind solche Ver- gesellschaftungen bei Actinophrys sol beobachtet; bei größerer Zahl der Einzeltiere kann die Gesellschaft einem Haufen zusammengeballter Kletten gleichen, innerhalb dessen große Nahrungskörper bemerkbar sind, die anscheinend von den vereinigten Tieren aufgenommen werden. Eine Sonderstellung unter den Sarcodinen scheint die von LAUTER- BORN (1895) entdeckte und auch von Prnarn (1905) wiedergefundene interessante Paulinella chromatophora einzunehmen, die ihrer ganzen Organisation nach mit Euglypha und Trinema nahe verwandt erscheint, sich aber ihrer Pseudopodien anscheinend nicht zur Nahrungs- aufnahme bedient. Jedenfalls wurde die Aufnahme fester Nahrungs- körper bisher nicht beobachtet, während 2 große wurstförmige blaugrüne 278 Protozoa. Max Lüne, Chromatophoren darauf hinweisen, daß die Ernährung vermutlich in holophytischer Weise erfolgt. 2. Ueber die Ernährung der von Sarcodinen abzuleitenden CGnidosporidien ist wenig bekannt. In der Regel erfolgt sie durch Osmose an der ganzen Körperoberfläche. In einzelnen Fällen dienen aber wahrscheinlich einzelne Stellen der Oberfläche der Nahrungs- aufnahme in erhöhtem Maße. Speziell darf dies für Myxidium lieberkühni vermutet werden, das in der Harnblase des Hechtes lebt. In seinem Plasma enthaltene Hämatoidin -Kristalle beweisen, daß seine Nahrung mindestens zum Teil dem Blute des Wirtes ent- stammt, und bei diesem Nahrungserwerb spielt jedenfalls das am Epithel fixierte Vorderende des meist recht langgestreckten Parasiten (vgl. S. 273) eine nicht unwichtige, wenn auch im einzelnen noch nicht aufgeklärte Rolle, da nur durch dessen Angriffe auf das Epithel das Blut dem Parasiten zugängig gemacht werden kann. 3. Bei den Mastigophoren erfolgt die Nahrungsaufnahme in der verschiedenartigsten Weise. Zahlreiche Arten ernähren sich wie die Pflanzen auf holophytischem Wege; diese besitzen dann in der Regel von Ernährungsorganellen nur die die Assimilation vermittelnden Uhromatophoren, mit deren Hilfe sie die im umgebenden Medium enthaltene Kohlensäure zersetzen, um den so gewonnenen Kohlenstoff zum Aufbau organischer Stoffe zu verwenden. Zahlreiche andere Arten ernähren sich als Parasiten oder Saprophyten durch osmotische Aufnahme gelöster organischer Substanzen; diesen fehlen Ernährungs- organellen durchaus, wenn wir von der nur durch Vergrößerung der resorbierenden Oberfläche wirksamen Pseudopodien- und Vakuolen- bildung bei Plasmodium absehen (vgl. S. 129f., 225 und 303). Aber auch bei den sich animalisch (holozoisch) durch Aufnahme fester geformter (organischer) Nahrung ernährenden Formen sind die Ernährungsorganellen außerordentlich verschieden gestaltet. Die Trennung zwischen saprophytischen, holophytischen und holo- zoischen Flagellaten läßt sich nicht scharf ziehen, da manche niedere Formen (z. B. Chrysomonadinen) sich gleichzeitig oder abwechselnd saprophytisch, holophytisch oder animalisch ernähren können. Hier ver- sagt also das letzte Kriterium zur Unterscheidung pflanzlicher und tierischer Organismen. Die Aufnahme körperlicher Nahrung erfolgt bei diesen Arten durch Pseudopodien oder durch die gleich zu besprechende Empfangsvakuole. Auch Euglenoideen verhalten sich in ihrer Er- nährung äußerst verschieden. Euglena gracilis z. B. gedeiht zwar nach Zunsrtein (1900) bei mixotropher (halbsaprophytischer) Lebensweise am besten, vermag sich aber auch rein autotroph (holophytisch) oder rein heterotroph (animalisch) zu ernähren. Die Rhizomastiginen nehmen die Nahrung ganz wie die Amöben durch Umfließen oder Ueberkriechen in sich auf, und zwar an jeder beliebigen Stelle ihrer Oberfläche (über Pseudopodien als Nahrungsorganellen bei Chrysomonadinen vgl. S. 223f.). Von speziellem Interesse ist die Nahrungsaufnahme bei der sehr gefräßigen Mastigella vitrea, die sich hauptsächlich von Algenfäden nährt und diese häufig in einer ganz dünnen Schicht umfließt. Hierbei spielen die Klebkörner (vgl. S. 258) eine wichtige Rolle, indem sie sich um den Algenfaden anordnen und ihn förmlich einhüllen oder bei be- D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 279 sonderer Länge des aufgenommenen Fadens dabei mitwirken, ihn zu zerbrechen. Das Ektoplasma bildet in diesem Falle auf einer Seite kleine höckerartige Vorsprünge mit je einem Klebkorn auf der Spitze. „Indem das Plasma, sichtlich mit Hilfe der Klebkörner sich anheftend, auf dieser Seite vorwärts wandert, während die Körner der Gegenseite wohl das Punctum fixum herstellen, wird der Faden allmählich geknickt“ und bildet schließlich „ein winkeliges Gerüst, zwischen dem der Körper jetzt membranartig ausgespannt ist“. Bei den anderen, sich holozoisch ernährenden Flagellaten erfolgt dagegen die Nahrungsaufnahme nur an einer bestimmten Stelle, die nur bei den Distomatina eine Verdoppelung erfährt. Sie liest meist am Vorderende neben dem Geißelursprung, bei den Distomatina symmetrisch an den Seiten des Körpers oder auch am Hinterende (Fig. 8). Bei zahlreichen Protomonadinen (Monadinen, Öicomonadinen, Amphimonadinen) und einigen Chrysomonadinen ist die Stelle der Nahrungsaufnahme noch sehr wenig differenziert: Ein Cytostom ist noch kaum ausgebildet, die Nahrungsaufnahme erfolgt durch eine sogenannte Empfangsvakuole. „An der Geißelbasis ist statt des mehr oder weniger festen Periplasten eine meist ovale Stelle zu er- kennen, an der das Plasma sozusagen frei zutage tritt. Wenn nun infolge der Geißelbewegung ein Nahrungskörper auf diese Stelle ge- schleudert wird, stülpt sich augenblicklich eine Vakuole aus, in welche derselbe einsinkt, Sie rückt jedoch nicht direkt ins Innere, sondern wandert seitlich wie ein Bruchsack dem Hinterende zu und ver- schwindet erst dort-im Inneren des Plasmas“ (SEnn 1900). Sogar Nahrungskörper, die größer sind als der verschluckende Flagellat, können auf entsprechende Weise aufgenommen und von einer feinen Plasmaschicht umhüllt werden. Bei Monadinen und Oicomonadinen erhebt sich oft neben der Geißel- basis ein lippen- oder rüsselförmiger Fortsatz, der sich bei der Nahrungs- aufnahme über die Mundstelle beugt und beim Aufnehmen des Nahrungs- körpers nachhilft. Bei Bicosoeca und Poteriodendron ist diese Lippenbildung weiter differenziert zu einem schwach amöboid beweglichen Wulst, welcher die Geißelbasis halbkreisförmig oder in etwas schiefer Richtung völlig kreisförmig umgibt. Der Kragen der Craspedomonaden, der als kontraktiler, glas- hell durchsichtiger, becher- oder hohlkegelförmiger Aufsatz den basalen Teil der Geißel manschettenartig umgibt), ist vielleicht als eine Weiter- bildung dieses amöboiden „Peristoms“ der Bicöciden aufzufassen. Hier gleiten die Nahrungskörper an der Außenwand des Kragens nach hinten (Fig. 285) und werden an der Basis des Kragens von einer Empfangsvakuole aufgenommen (Fig. 285 a, Ev), in der sie wie bei den Monadinen zunächst unmittelbar unter dem Periplast nach hinten be- fördert werden (Fig. 285, db und c), um erst am Hinterende des Tieres in das Endoplasma aufgenommen zu werden. Die Entstehung der Empfangsvakuole ist übrigens noch nicht ge- nügend klargestell. BıepEermann (1910) ist nicht überzeugt davon, daß 1) Einzelne Gattungen der Craspedomonaden (Diplosiga und Diplosigopsis) sollen nach FRANCE einen doppelten Kragen besitzen. Vermutlich liegt hier aber ein Irrtum vor, und ist der anscheinende äußere Kragen nichts anderes wie der vordere Rand des Gehäuses dieser Formen. 280 Protozoa. Max Lüue, es sich bei ihr wirklich um eine Vakuole handelt, er erhielt von dem, was er selbst sah, vielmehr den Eindruck hyaliner Pseudopodien, die den Nahrungskörper umgreifen. \ \ \ \ EN I \ \ \ n / | \ | | | \ ER Fi | = en Be | 7 ee 7] | | N 2--Nk | j ! I" vs ie .-Sh ET ae 7 BK. a a U |; e:* Re ns +--Nk ar . 3 "=\__Cv i i A (a Nv er oe De OR ) FR N \ ar {=} ‘ Nr L — Rn 2 Fig. 285. Ernährungsorganellen von Craspedomonaden. a—c Drei Stadien der Nahrungsaufnahme bei Codosiga botrytis (EHRsG.). Vergr. 1200:1. d Sal- pingoeca amphoridium J. CL. im Augenblick der Defäkation. Vergr. 1500:1. Bk Basalkörperchen der Geißel, Col Kragen, Cv kontraktile Vakuole, Zv Empfangsvakuole, F Fuß des Gehäuses, Fl Geißel, Gh Gehäuse von Salpingoeca, Kv Kotvakuole, N Kern, N%k Nahrungskörper, Nv Nahrungsvakuole, Sh Schleimhülle von Codonosiga, V nicht- kontraktile Flüssigkeitsvakuolen. Nach BURCK 1909. Bei manchen Bodonaceen liegt die Mundstelle an dem rüssel- artig zugespitzten Vorderende vor dem Geißelursprung und kann sich an der Oberfläche anderer Protozoen fixieren, um diese Beutetiere aus- zusaugen (Fig. 286). Bodo caudatus vermag auf diese Weise sogar Ciliaten zu bewältigen, sowie Chlamydomonas, in deren Schale er ein feines Loch direkt bohrt oder durch Auflösung erzeugt. Eine weitergehende Differenzierung besteht darin, daß sich am Vorderende des Körpers eine grubige, spaltförmige oder sackförmige Einsenkung findet, an deren Rande oder Wand die Geißeln ent- springen und in deren Grund der Periplast fehlt (ob bei allen Arten ?). D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 281 Bei den Distomatina ist diese Einsenkung, wenn überhaupt vorhanden, paarig und an den Seiten oder am Hinterende des Körpers gelegen (Fig. 8). Daß diese Einsenkung tatsächlich gleich dem Oytopharynx der In- fusorien zur Aufnahme der Nahrung dient, ist nur für wenige Arten erwiesen. Bei den meisten Euglenoideen, bei denen die fragliche Ein- senkung als „Trichter“ bezeichnet wird, ist es sicher nicht der Fall. Auch bei den Cryptomonadinen (Fig. 16) ist es nie beobachtet und wenig wahrscheinlich. Dagegen scheint die Funktion solcher Einsenkungen als Mundstelle sichergestellt bei einigen Protomonadinen, so für einen großen, die Geißelbasis aufnehmenden, nach oben und seitlich offenen Ausschnitt am Vorderende von Phyllomitus, ferner für eine stärker oder schwächer ausgebildete Mulde oder Furche in der Nähe der Geißelbasis von Tetra- mitus und für die paarigen Mundspalten der Distomatina, die bei Trigono- monas schwach muldenförmig und schraubig gekrümmt, bei Trepomonas Fig. 286. Fig. 287. Fig. 286. Bodo edax KLEBS (in A eine Monade verschluckend). 1 eingefangene Monade, 2 Hauptgeißel, 3 kontraktile Vakuole, 7 Kern, 5 Schleppgeißel. Vergr. ca. 1500:1. Nach KLEBS 1892/93. Fig. 287. Entosiphon sulcatum Prow. Nach PROWAZER (1903) aus DOFLEIN. infolge flügelartiger Verbreiterung und Einkrümmung der Körperränder taschenförmig und bei Hexamitus (Fig. 8) mehr spaltförmig sind, während sie bei Urophagus ganz ans Hinterende gerückt sind, das in 2 schnabel- ähnliche bewegliche Klappen ausläuft, mit denen die Nahrung erfaßt und der Mundstelle zugeführt wird. Bei den parasitischen Distomatina (Octo- mitus und Lamblia) fehlen derartige Ernährungsorganellen. Ueber Fa- napepea vgl. S. 229. Bei den sich tierisch ernährenden Euglenoideen (Angehörigen der Familie Peranemidae) scheint ein eigenartiges Staborgan der Nahrungsaufnahme zu dienen. Es ist dies ein gerades, scharf um- grenztes stab- oder röhrenförmiges Gebilde, das seine Form auch bei den stärksten metabolischen Körperkontraktionen nicht verändert und bei Entosiphon als neben dem Trichter gelegene, vorn und hinten offene Röhre fast den ganzen Körper durchzieht (Fig. 287). „Soll Nahrung aufgenommen werden, so streckt der Organismus die Röhre vor, z. B. an Bakterienhaufen u. a., und nun strömen kleine Körnchen 282 Protozoa. Max Lüne, in die Röhre hinein. Sie dient somit wohl als Saugapparat* (SENN 1900). Bei anderen Peranemiden (Peranema, Urceolus) scheint das Staborgan mit dem Trichter in Verbindung zu stehen und hier ähnlich dem Kolben einer Pumpe die Nahrung in den Trichter selbst einzusaugen (Fig. 288). Die Dinoflagellaten ernähren sich in ihrer großen Mehrzahl teils holophytisch, teils saprophytisch. Bei mehreren Arten ist aber auch bereits holozoische Ernährung durch Aufnahme fester Nahrungs- körper nachgewiesen. Nach DocıEL (1906) ist sogar „die animale Ernährungsweise bei den Peridineen höchstwahrscheinlich viel weiter verbreitet, als bisher angenommen wurde“. Jedenfalls ist sie wenigstens unter den nackten Gymnodiniaceen nicht selten. Auch bei dem mit einer deutlichen Hülle ver- sehenen Glenodinium edax fand SCHILLING Fig. 288. Urceolus cyclostomus (STEIN). (Pera- nemide, vgl. Fig. 18, C). Mundapparat und Vakuolen- system. b bogenförmiger Stab, der anscheinend bei der Bewegung des Staborgans als Hebel wirkt, v kontraktile Vakuole, #1 Basalteil der (nicht vollständig dargestellten) Geißel, st Staborgan, tr Trichter. Vergr. 2000:1. Nach SENN (1900). (1891) häufig verschluckte Chlamydomonaden, und klumpige Ein- schlüsse, die ScHÜürr (1895) bei einer Reihe von gepanzerten Dino- flagellaten abgebildet hat, werden von DoGIEL ebenfalls als Nahrungs- ballen gedeutet. Die Aufnahme der Nahrung sowohl wie auch die Defäkation geht anscheinend auch bei den nackten Formen durch die Geißelspalte vor sich, aus der sich.das Protoplasma (nach einer Be- obachtung DoGIELs bei Gymnodinium coeruleum) verhältnismäßig sehr weit vorstülpen kann (vgl. auch S. 225). Bei Gymnodinium spirale var. obtusum fand DocIEL stets nur einen einzigen Nahrungsballen, während deren z. B. bei Polykrikos zahlreiche gefunden wurden. Dieser Nahrungsballen war „von einer dünnen gelb- lichen, hier und da runzeligen Hülle umgeben, die vom Tier selbst ab- geschieden wird. Bisweilen kann man im Ballen mehrere konzentrische Schichten unterscheiden, jede mit eigener Hülle. Die Hülle gab keine Reaktion auf Cellulose.“ Der Inhalt des Nahrungsballens bestand aus Diatomeenpanzern (bzw. einmal einem Haufen noch nicht ganz verdauter Diatomeen), Bruchstücken von Radiolarienskeletten und einachsigen Nadeln unbekannter Herkunft, Die Cystoflagellaten ernähren sich animalisch und haben gut ausgebildete Ernährungsorganellen, wenn diese auch bei den einzelnen Gattungen verschieden entwickelt sind. Bei Noctiluca zieht auf der Bauchseite eine Furche („Peristom“) von vorn nach hinten, die den Körper pfirsichförmig erscheinen läßt und vorn hinter der Bandgeißel besonders tief ist. In ihrem Grunde liegt die Mundspalte als einfache Unterbrechung des Periplast, die den Nahrungspartikelchen den Eintritt in das Plasma gestattet. Diese werden anscheinend dadurch in die Peristomfurche und die Mundspalte hinein- D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 283 getrieben, daß die Bandgeißel sich von Zeit zu Zeit gegen die Furche hinunterschlägt (Fig. 233). Ueber die Ernährungsorganellen von Leptodiscus ist man noch nicht genügend unterrichtet, anscheinend gleichen sie jedoch im wesent- lichen denen der dritten Cystoflagellatengattung, der medusenförmigen, sich vornehmlich von kleinen Algen nährenden Craspedotella (Fig. 289). Bei dieser senkt sich von der Unterfläche, deren starke Konkavität wohl der Peristomfurche von Noctiluca zu vergleichen ist, ein wohlausgebildeter Cytopharynx in die Tiefe in Form einer langen und verhältnismäßig weiten Röhre, die in ihrem inneren Teile einige in das Lumen vorspringende Längsleisten besitzt (Koroım 1905). Fig. 289. Craspedotella pileolus KoroID. Durch- messer 0,15—0,18 mm. Marin. .a Cytopyge, 9 Mündung der Geißelscheide, m Cytostom, n Kern, ph Cytopharynx, sw kontraktile Seitenwand der ausgehöhlten Unterfläche, » Nahrungsvakuole, vel Ve- ‘lum (offenbar funktionell dem Velum der craspedoten Me- -dusen entsprechend). Nach KoroIp 1905. vel 4. Den durchweg parasitischen Sporozoen fehlen besondere Organellen zur Nahrungsaufnahme in der Regel. Diese erfolgt viel- mehr durch Osmose auf der gesamten Körperfläche. Nur bei wenigen Arten scheint ähnlich wie bei einzelnen Cnidosporidien (vgl. S. 278) die osmotische Nahrungsaufnahme, wenn auch wohl nur vorzugsweise, auf bestimmte Körperstellen lokalisiert zu sein und nur für eine einzige Art, Stomatophora coronata, wird die Aufnahme körperlicher Nahrung und der Besitz besonderer Organellen, die dieser Aufnahme dienen, angegeben. Unter den Coccidien, denen sonst besondere Ernährungsorganellen völlig fehlen, kann hier nur eine Art angeführt werden, bei der eine gewisse Lokalisation der osmotischen Nahrungsmittelaufnahme statt- gefunden zu haben scheint. Während die Mehrzahl der Coccidien rund- liche oder ovale Form haben, wird die in den Spermatogonien von Polymnia nebulosa schmarotzende Caryotropha mesnili beim Wachs- tum sehr bald nierenförmig und legt sich mit ihrer Konkavität eng an den Kern der Wirtszelle an (Fig. 290, A). „Gleichzeitig bildet sich zwischen dem Kerne des Parasiten und derjenigen Stelle seiner Ober- Häche, wo sich der Wirtskern anschmiegt, ein sehr dichter protoplasma- tischer Strang; man bekommt den Eindruck, als wenn es zwischen den beiden Kernen eine Strömung im Protoplasma gäbe.“ Beim weiteren Wachstum des Coceids wird der hypertrophierende Kern der Wirtszelle noch weiter umwachsen und liegt schließlich in dem Eingang zu einer tiefen spaltförmigen Einsenkung des Coccidienkörpers, die auf quer zur Längsrichtung des Spaltes geführten Schnitten den Eindruck eines engen, 284 Protozoa. Max Lüne, vom Wirtskern zum Parasitenkern führenden Kanales macht (Fig. 290, B) und offenbar eine wichtige Rolle bei der unter direkter Ausnutzung der Arbeit des Wirtskernes erfolgenden Nahrungsaufnahme des Parasiten spielt (SiepLecrı 1907). Bei den Gregarinen ist eine vorzugsweise Lokalisation der osmo- tischen Nahrungsaufnahme auf bestimmte Körperstellen vielleicht etwas weiter verbreitet. Läser und Duzosqa (1902) vertreten nämlich die Auf- fassung, daß das Epimerit der Polycystideen, die Filamente des Proto- merits von Pterocephalus und das Tastpseudopod von Lankesteria die Gregarinen nicht nur am Darmepithel ihrer Wirte fixieren (vgl. S. 270 ff.), sondern auch Nahrungsstoffe aus demselben saugen, ja daß diejenigen Gregarinen, deren Haftorganellen das ganze Epithel bis zu seiner Basis durchsetzen, wie z. B. Pyxi- nia möbuszi und Pterocepha- lus, Nährstoffe direkt dem den Darm umspülenden Blut ihrer Wirte entnehmen. Fig. 290. Fig. 291. Fig. 290. Caryotropha mesnili SIEDL. A noch jugendliches, B erwachsenes Coceid. 1 Plasma der Wirtszelle. 2 Kern der Wirtszelle, von dem aus in Fig. B ein Kanal bis zum Kerne des Parasiten reicht. Vergr. 500:1. Nach SIEWLECKI 1907. Fig. 291. Stomatophora coronata Hesse. Nahezu in der Mitte des scheiben- artig abgeflachten Vorderendes das kleine Cytostom. Nach DRZEWIECKI (1907). Ganz abweichend ist nach DrzswıEckı (1907) die Ernährung bei Stomatophora coronata, einer in einem afrikanischen Oligochäten schmarotzenden Monocystidee. Während die Jugendformen der Gregarine intracellulär in einem Spermatophor des Wirtes schmarotzen und sich osmotisch ernähren, sollen ältere Stadien direkt die nicht zur Ent- wickelung gelangten Spermatozoen fressen, die noch auf den Resten des aufgezehrten Spermatophors sitzen. Am Vorderende der Gregarine hat sich eine scheibenförmige Abplattung entwickelt und in deren Mitte ist ein (bei den Jugendformen noch fehlendes) kleines Cytostom auf- getreten (Fig. 291), durch das die Spermatozoen aufgenommen werden. Die erwachsene, aus dem Spermatophorenreste ausgeschlüpfte Gregarine soll sich dann wieder fast ausschließlich osmotisch ernähren; bei ihr konnte das CÖytostom nur noch sehr selten wahrgenommen werden, während die Abplattung des Vorderendes, welche Drzewıeckı dem D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 285 Peristom der Ciliaten vergleicht, zu einer zeitweisen Anheftung an die Wände der Samenblasen benutzt wird. 5. Die Wimperinfusorien (Ciliata) besitzen mit Ausnahme einiger parasitischer, sich nur durch Osmose ernährender Formen (den Opalinen und den Astomata) stets eine lokalisierte Mund- stelle zur Aufnahme körperlicher Nahrung, ein Cytostoma. Nur durch dieses Cytostom, das im einfachsten Falle nur eine Lücke im Ektoplasma darstellt, gelangt die Nahrung in das Endoplasma hinein. Ursprünglich liegt dasselbe an dem einen Pole (dem Vorderende) des spindelförmigen, ellipsoiden oder ovoiden Körpers. Doch rückt es bei den meisten Formen vom Vorderende etwas fort; man be- zeichnet dann die Fläche, auf der es liegt, als die Bauchfläche. Dem Cytostom gesellen sich in der Regel weitere Ernährungsorganellen bei, die zum Herbeischaffen der Nahrung und zu ihrer Hinein- beförderung in das Endoplasma dienen. Diese Organellen sind im allgemeinen von dreierlei Art: 1) Das Cytostom führt in eine röhren- oder trichterförmige Ein- senkung des Ektoplasmas, die als Zellenschlund oder Cyto- pharynx bezeichnet wird. 2) Die Umgebung des Cytostoms oder des Cytopharynx vertieft sich in größerer Ausdehnung und bildet das Peristomfeld. 3) In den Dienst der Herbeistrudelung der Nahrung und ihrer ‘Weiterbeförderung in das Körperinnere tritt ein Teil oder auch die Gesamtheit der ursprünglich motorischen Organellen, d.h. der Cilien, und zwar die auf dem. Peristomfelde und im Cytopharynx stehenden. Diese nutritiven Cilien sind dann vielfach a) kräftiger und länger wie die benachbarten motorischen Cilien oder im Interesse noch weiter gesteigerter Wirksamkeit zu Mem- branellen oder undulierenden Membranen verschmolzen (vgl. 8. 239 ff.) und ferner b) auf dem Peristomfelde zu einer gekrümmten oder spiralig gewundenen Reihe angeordnet, der adoralen Zone, die in den Grund des Peristomfeldes, zum Cytostom und Cytopharynx, führt. Die Bewegung der motorischen Organellen dieser Zone (es sind meist, aber nicht immer Membranellen) befördert die Nahrung zum Schlunde. Am stärksten ausgebildet ist die adorale Zone im allgemeinen bei den vorübergehend oder dauernd festsitzenden Formen. Im folgenden seien die im Dienste der Nahrungsaufnahme stehenden Organellen für einige typische Vertreter der Hauptabteilungen der Ciliaten geschildert. 1. Holotricha. Die einfachsten Verhältnisse scheinen bei gewissen Holophrya- und Enchelys-Arten vorzukommen, die noch keinen Schlund besitzen sollen, bei denen vielmehr nur ein Oytostom vorhanden ist in Form einer einfachen kleinen Unterbrechung des Ektoplasmas, in deren Bereich das Endoplasma nackt zutage tritt. Bei Holophrya simplex Schew. liegt dasselbe am vorderen Pole des kurz-ellipsoidischen gleichmäßig bewimperten Körpers im Niveau der Umgebung, bei En- chelys nebulosa Mürr. ist durch die Ausbildung einer das Uytostom umgebenden sphincterartigen Lippe ein kleiner Fortschritt erzielt, bei Chaenea ist das Oytostom spaltförmig in die Länge gezogen. Bei den meisten Ciliaten schließt sich jedoch an das Üytostom ein Cytopharynx an in Form einer röhren- oder trichterförmigen Ein- 286 Protozoa.. Max Lüne, stülpung des Ektoplasmas, wenngleich dessen Lumen im Ruhezustand durch einen vorquellenden Endoplasmapfropf vollständig ausgefüllt sein kann (z. B. bei Trachelius ovum). Mit dem Cytopharynx kann dann ein Trichiten- oder ein Reusen- apparat verbunden sein. Trichiten sind nadelförmige Einschlüsse des Endoplasmas, die sich in dem den Cytopharynx füllenden Protoplasmapfropf zu einem parallelen Bündel gruppieren (Fig. 292 und 293) und, ohne Größe und Form zu ändern, ausgeschleudert werden können. Sie dienen dazu, Beutetiere (Euglenen, andere Infusorien usw.) zu lähmen, die dann von dem sehr erweiterungsfähigen Cytostom verschluckt werden. Wenn z. B. Trachelophyllum apiculatum ‚‚ein anderes Infusorium, wie z. B. Euplotes charon, angreift, so sieht man, wie dieses noch einige krampf- haft zitternde Bewegungen mit den Cirren ausführt und dann ganz be- wegungslos allmählich hinabgewürgt wird“ (Brocnmann 1895). Die dergestalt verschluckten Beutetiere können dank der großen Erweiterungs- fähigkeit von Cytostom und Üytopharynx größer sein als der verschluckende Räuber (vgl. z. B. Fig. 113). Fig. 292. Fig. 293. Fig. 292. Enchelyodon faretus Cr. u. L. Länge bis 300 p. Süßwasser. 1 Trichitenbündel im Cytopharynx, 2 noch nicht in den Pharynx vorgeschobene Trichiten an ihrer Bildungsstätte im Endoplasma, $ Makronucleus, 7 pulsierende Vakuole. Nach BLOCHMANN 1895. Fig. 293. Didinium nasutum MürL. Längsschnitt durch das Vorderende. l Cytopharynx, 2 Reusenstäbe in dessen Wandung, 3 an dem Cytopharynx außen entlang: laufende Fibrillen, 7 Trichitenbündel im Cytopharynx, 5 Basalkörperchen des vorderen Wimperkranzes, 6 zu diesen Basalkörperchen hinziehende Fibrillen. Nach THox 1905. Als Reusenapparat wird ein Kranz von Stäbchen bezeichnet, die der ektoplasmatischen Cytopharynxwand dicht anliegen, sie längs- gestreift erscheinen lassen (Fig. 59) und ihr offenbar als Stütze dienen. Sie verlaufen meist der Achse des Cytopharynx nicht ganz parallel, sondern in schwach schraubenförmiger Anordnung (Fig. 294). Ihre Zahl ist großen Schwankungen unterworfen (z. B. bei Coleps hirtus D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 287 ' [Fig. 295, B] ca. 13, bei Prorodon teres [Fig. 59] 45—55). Bei Prorodon teres sind besondere Myoneme des Reusenapparates nach- gewiesen worden, indem sich nahe dem Vorderende jedes einzelnen Stäbchens ein kräftiges, unter dem Ektoplasma der Körperoberfläche nach hinten ziehendes Myonem inseriert (Fig. 295 A, Mr), dessen Kontraktion den Reusenapparat vorne spreizt und damit die Mundöffnung erweitert, während außerdem noch ein kurzes feines Fäserchen nach vorn zieht (Fig. 2935 A, Mr‘), dessen Kontraktion vielleicht das häufig beobachtete Vorstoßen des Reusenapparates bewirkt. Bei Didinium finden sich Reusenapparat und Trichiten nebeneinander (Fig. 293). Fig. 294. Fig. 295. Fig. 294. BReusenapparat von Chlamydodon mnemosyne STEIN in Seiten- ansicht. Nach ERLANGER 1890. Fig. 295. Reusenapparat verschiedener Ciliaten. A Prorodon teres EHrEc. Längsschnitt durch das Vorderende. Al Alveolarschicht des Ektoplasmas, B Basalkörper- chen der Cilien, C Cilien, Zn Endoplasma, Mr und Mr’ Myoneme des Reusenapparates, Mu Cytostom, N Makronucleus, R Reusenstäbcehen, $S Cytopharynx, Sw dessen Wandung. B Coleps hirtus Mürr. Totalansicht des Reusenapparates mit dem Umriß des ganzen Körpers. C© Querschnitt durch das Vorderende desselben Infusors. Buchstaben wie bei A. Außerdem P Querschnitt durch die Panzerplatten. Nach MAIER 1903. Einen wichtigen Fortschritt machen Nassula und Verwandte (Fig. 60). Außer der allgemeinen Körperbewimperung tritt hier zum ersten Male eine adorale Zone stärkerer Wimpern auf (aber noch einzelne Wimpern, keine Membranellen!), die, vorn auf der Rücken- fläche beginnend, nach links zieht, dann auf die Bauchfläche umbiegt und schief nach innen und hinten zu dem auf die Bauchfläche des dorso- ventral schwach abgeplatteten Körpers verlagerten Munde verläuft. Alle bisher besprochenen Formen und ihre Verwandten, die so- genannten Gymnostomen, leben räuberisch, öffnen den Mund 288 Protozoa. Max Lünr, nur bei der Nahrungsaufnahme und verschlucken ansehnliche Bissen. Eine zweite Gruppe von Holotrichen, die sogenannten Hymenostomen, die sich von ganz feiner Nahrung ernähren (es sind fast ausschließlich Bakterienfresser), hat dagegen Cytostom und Cytopharynx dauernd offen: in der Umgegend des Mundes vertieft sich die Bauchseite meist einseitig zu einem Peristom, in dem Schlunde (oder auch außen am Mund bzw. Peristomrande) findet sich eine undulierende Membran und eine ununterbrochen unterhaltene Wasserströmung führt fast be- ständig neue feine Nahrung zum Munde und durch den Schlund in den Körper hinein. Die Hymenostomen werden daher auch samt anderen sich ähnlich ernährenden Infusorien (z. B. Stentor, Fig. 299, und Vorticellen) als „Strudler“ den „Packern‘ oder „Schlingern“, zu denen die Gymnostomen gehören, gegenübergestellt. Wir haben diese Verhältnisse bei dem bekanntesten Vertreter der Hymenostomen, Paramaecium, auf S. 100, schon ausführlich geschildert und wollen hier nur noch darauf hinweisen, daß die undulierenden Membranen häufig in Zweizahl vorhanden sind (z. B. Colpidium, Glaucoma, vergl. auch S. 241) und sehr stattliche Dimensionen erreichen können. Letzteres ist ganz besonders bei Pleuronema (Fig. 61) der Fall, bei dem fast die ganze Ventralseite durch ein ansehnliches Peristom ausgehöhlt ist, das am Vorderende des Körpers beginnt und sich nach hinten unter starker Ausbuchtung der linken Seite zu einer großen und ziemlich tiefen Höhle erweitert. Die sehr kleine Mundöffnung liegt im hintersten Peristomende, etwas näher zu dessen linkem Rande; ein besonderer Schlund scheint zu fehlen. „Am linken Peristomrande ist eine lange und hohe undulierende Membran befestigt. Sie beginnt niedrig am Vorderende des Körpers, erhöht sich in der Mittelregion, biegt um den hinteren Peristomrand herum und steigt wieder am rechten empor. Je- doch erstreckt sie sich an diesem nicht weit nach vorn. Auf diese Weise bekommt der hintere Teil der Membran die Beschaffenheit einer weiten tiefen Tasche oder eines Sackes, welcher die hintere Peristom- erweiterung überwölbt. Die Membran kann in das Peristom vollkommen eingezogen werden und legt sich dann faltig zusammen. Am vorderen Teile des rechten Peristomrandes, d. h. bis zu der Stelle, wo die undu- lierende Membran aufhört, sind sehr lange und feine Cilien befestigt: dieselben sind schief nach hinten und nach dem Peristom einwärts ge- kehrt. Während der Nahrungsaufnahme (Bakterien) wird die undulierende Membran vollkommen ausgespannt und die am rechten Peristomrande befestigten Cilien wirbeln stark, so daß ein heftiger Wasserstrom zum Munde geht.“ (ScHEWIAKOFF 1889.) Sehr merkwürdige, funktionell etwas an die Pseudopodien der Radiolarien und Heliozoen erinnernde Fangorganellen, die hier noch an- zuführen sind, sind die sogenannten „Tentakel“ von Actinobolus radians Ste, einem interessanten, zu den niederen Holotrichen ge- hörenden Ciliaten. Diese Tentakel, die sich ringsum auf der ganzen Oberfläche des kugeligen Körpers in den Cilienlängsfurchen in*regel-- mäßigen Abständen erheben und deren Länge das doppelte des Körper- durchmessers erreichen kann, haben mit den Fangtentakeln der Suctorien nichts gemein, erinnern vielmehr an Pseudopodien. Wenn das Tier schwimmt, werden sie zurückgezogen; wenn es frei schwebend zur Ruhe kommt, werden sie langsam wieder vorgestreckt. An einem völlig vor- gestreckten Tentakel kann man 3 Abschnitte unterscheiden: a) einen proximalen, dicken, kegelförmigen Teil, b) einen langen, nur halb so D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 289 dicken Hauptteil (beide sind vollkommen durchsichtig) und c) einen kürzeren, stark lichtbrechenden und dünneren Endabschnitt, der etwas verbreitert mit einem Knöpfchen endet. Dieser Endabschnitt ist mit Trichocysten geladen, die bei dem Hervortreten der Tentakel emporge- hoben werden. Bei dem ruhig schwebenden Infusor ist das Cytostom abwärts gerichtet, während die Tentakel strahlenförmig nach allen Richtungen ausgestreckt sind, einen kleinen Wald plasmatischer Fort- sätze bildend, in den kleinere Ciliaten wie Urocentrum, Gastrostyla u.a. oder Flagelleten aller Art hineingeraten können, ohne Schaden zu leiden oder den Actinobolus zu beunruhigen. Wenn jedoch eine Halteria grandinella mit ihren raschen sprungweisen Bewegungen herannaht, ist der Actinobolus nicht so friedlich, die Trichocysten werden entladen und die Halteria macht vergebliche Anstrengungen zu entkommen und wird bald ruhig, mit ausgestreckten Wimpern völlig gelähmt. Der Tentakel wird dann mit der an ihm haftenden Beute langsam kontrahiert, bis das Opfer dicht an die Körperoberfläche herangezogen ist, längs deren es durch die Wirkung der Wimpern des Räubers allmählich bis zum Munde: befördert wird, um dann auf einen Ruck verschlungen zu werden. Carkıss (1901) beobachtete, wie ein Actinobolus innerhalb von 20 Minuten nicht weniger als 10 Halterien in dieser Weise einfing und verschlang. Ein in anderer Weise isoliertes Verhalten zeigen die Ernährungs- organellen bei der parasitischen Pyenothrix monocystoides, die ‚wir wegen einer weiteren auffälligen Besonderheit bei Besprechung der Exkretionsorganellen noch einmal antreffen werden. Sie unterscheidet sich nach Sc#usorz (1908) von allen anderen bekannten Wimperinfu- sorien durch den Besitz zahlreicher Mundöffnungen. Längs des ganzen, bis 3 mm langen Körpers des Infusors (vgl. Fig. 319) ziehen zwei furchenartige Einsenkungen des Ektoplasmas, die gleich der freien Oberfläche ein gleichmäßiges dichtes Wimperkleid tragen. Im Inneren dieser Wimperfurchen findet sich jedoch eine Reihe von zahlreichen, ziemlich dicht aufeinander folgenden taschenartigen Ausbuchtungen, derart, daß ein diese Ausbuchtungen treffender Längsschnitt durch die Wimperfurche eine wellenförmige Begrenzung zeigt. Die Taschen reichen bis in das Endoplasma hinein und scheinen an ihrem inneren Ende mit diesem in offener Kommunikation zu stehen. Sie werden deshalb von ScHugorz dem Üytopharynx resp. Cytostom, die Wimperfurchen dagegen dem Peristomfeld anderer Ciliaten verglichen. Zwischen je zwei auf- einander folgenden Taschen verlaufen zahlreiche sich kreuzende Myoneme, die größtenteils an der Wand der Wimperfurche inserieren, zum kleineren Teil sich aber auch ins umgebende Plasma verfolgen lassen; sie dienen offenbar dem Verschluß der Rinne und „sind etwa Sphincteren ver- gleichbar“. Völlige Rückbildung der Ernährungsorganellen infolge von Symbiose mit Algen fand Lonmanx (1912) bei dem in der Flachsee bei Kiel auf- getretenen Mesodinium rubrum, einem mit Didinium verwandten Holotrichen, dessen Bewimperung sich auf einen doppelten Gürtel eirren- ähnlicher Wimpern beschränkt und „das in der Jugend farblos ist und wie andere Arten.einen weiten Mund besitzt, der auf einem Mundkegel sich öffnet. Wachsen die Ciliaten aber heran, so treten zuerst in der Nähe des Kernes am hinteren Pol der Zelle kleine rote Plättchen auf, die rasch an Zahl zunehmen und sich der Innenfläche der Zellmembran anlegen; sie stellen die Chromatophoren kleiner Algen dar (Erythromonas haltericola), von denen bis zu 100 in einem Tiere leben können. Während Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 19 290 Protozoa. Max Lüns, dieser Ansiedelung der Algen schließt sich nun der Mund vollständig, der Mundkegel rundet sich ab und erreicht allmählich die Größe des ganzen übrigen Körpers, so daß die ganze Gestalt des Mesodiniums vollständig geändert wird, während die Cilien und Schweb- und Springborsten unverändert erhalten bleiben und in früherer Weise funktionieren.“ Endlich ist hier noch der eigenartigen Intoshellina zu ge- denken, die im Darm von Tubifex schmarotzt und zu den sich lediglich durch Osmose ernährenden Astomen gehört. Während nun den anderen Astomen Ernährungsorganellen vollständig fehlen, zieht bei Intoshellina von dem bereits auf S. 267 besprochenen Hafthaken aus ein Plasmastrang ins Innere des Körpers hinein, der sehr viel grobkörniger ist als das ihn umgebende Endoplasma. Seine Form ist außerordentlich wechselnd, sein inneres Ende bald unregelmäßig zugespitzt, bald dendritisch verästelt (Fig. 296). Cnr&upe betrachtet ihn als Zeugen eines bei den Vorfahren des Parasiten vorhanden gewesenen Öytopharynx. Ich möchte aber vermuten, daß vielleicht auch noch jetzt die osmotische Nahrungsaufnahme bei Intoshellina vorwiegend (wenn nicht gar ausschließlich) am Vorderende stattfindet und daß dann der körnige Plasmastrang in ähnlicher Weise dem zufließenden Nahrungsstrom entspricht, wie in den jugendlichen Eizellen mancher Insekten (z. B. Dytiscus), in denen grobkörniges Plasma von dem Nährfach aus gegen den Eikern vordringt. Durch diese Annahme würden auch die große Variabilität der Form des Plasmastranges und die häufige Zerschlitzung seines inneren Endes ihre einfachste Erklärung finden. Mög- lich, daß auch die bisher nur als Haftorganellen ge- deuteten Hakenbildungen der Astomen nebenbei noch eine nutritive Bedeutung haben, indem sie durch Ver- Fig. 296. Intoshellina maupasi C£r. Der dreispitzige Hafthaken am WVorderende ist ähnlich wie in Fig. 275 schwarz gezeichnet (vgl. auch Fig. 277). n Kern (ein Mikronucleus ist nicht vorhanden), p körniger Plasmastrang. Vergr. 315:1. Nach CEPEDE 1910. letzung des Epithels des Wirtes dessen Körpersäfte den Parasiten zu- gängig machen. 2. Bei den Heterotrichen ist der im Dienst der Nahrungszufuhr stehende Organellenapparat sehr gut ausgebildet. Stets findet sich am Rande des Peristomfeldes eine adorale Zone von Membranellen (vgl. S. 239). Die Ausgestaltung im einzelnen wollen wir an Hand einiger Beispiele betrachten. Als Beispiel für relativ einfache Verhältnisse möge Balantidium dienen, bei dem ein spaltförmiges Peristom von einem verbreiterten Vorderende aus nach hinten zu spitz zuläuft und an seinem rechten Rande mit einer Membranellenzone besetzt ist. Es kann schnappende Bewegungen ausführen, in deren Interesse es offenbar auch steht, wenn sich bei manchen Arten der linke Rand, seltener beide Ränder des Peristoms in dünne Falten verlängern (besonders stark bei Bal. helenae BEZZENBERGER 1904). D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 291 Bei Nyctotherus findet sich dem gegenüber insofern ein Fort- schritt, als die sehr kräftige Membranellenzone sich von dem nur schwach ausgeprägten, langgestreckten Peristom aus in den (bei den meisten Arten recht langen) Cytopharynx hinein bis an dessen inneres Ende fortsetzt (Fig. 312). Bursaria hat ein riesig entwickeltes Peristom in Form einer tiefen Tasche (Fig. 297 und 298), die am querabgestutzten Vorderende Fig. 297. Fig. 298. Fig. 297. Bursaria truncatella MÜLL. (Länge bis 1,5 mm. Süßwasser.) Tier “von der Ventralseite. Die Wimpern der Körperoberfläche sind nicht dargestellt, Kern und Inhaltskörper gleichfalls weggelassen, ebenso die Streifungen der inneren Teile. 1 Ausbuchtung der Peristomhöhle am Vorderende, 2 Peristomstreifen, auf denen die Membranellen stehen, 2b Peristom, 3 Ektoplasma, 4 Peristomband, 5 Mundspalte, 6 hinterer Fortsatz des Peristombandes, 6b Septum, 7 Peristomwinkel, 8 Ektoplasma, 9 rechter Peristomrand, 10 Peristomplatte, 1/ Ektoplasma, 12 Querband. Nach SCHUBERG 1887. Fig. 298. Drei Querschnitte durch Bursaria truncatella MürL. A Durch den vorderen Körperteil in der Höhe der Ziffer 11 in Fig. 297. B Weiter hinten, etwa am Ende des ersten Körperdrittels. € Durch den hinteren Körperteil, etwas hinter der Ziffer 8 in Fig. 297. dex rechte, sin linke Körperseite. Die Bezeichnungen haben die gleiche Bedeutung wie in Fig. 297. Außerdem: 12a Peristomhöhle, 13 Septalraum, 14 Nahrungsvakuolen, 15 Kern, 16 Membranelle der adoralen Zone, schematisch ein- gezeichnet, auf einem Peristomstreifen sich erhebend. Nach SCHUBERG 1887. 19% 292 Protozoa. Max Lüus, des eiförmigen, dorsoventral etwas abgeplatteten, bis 0,9 mm langen und 0,45 mm breiten Körpers mit weiter Oeffnung beginnt und sich von hier tief in den Körper hinein und weit nach hinten erstreckt. Die vorn breite Mündung zieht auf der Bauchseite, allmählich schmäler werdend, nach hinten, um sich vor dem Beginn des letzten Körperdrittels zu schließen; das Peristom aber setzt sich von hier aus als geschlossener trichterförmiger Sack noch weiter in den Körper hinein fort, indem es zugleich nach links umbiegt. Das Cytostom ist ein langer Spalt, der auf der rechten Seite der Peristomwand von vorn nach hinten zieht, bis in die hinterste Spitze des Peristomsackes; das diesen Mundspalt um- gebende Endoplasma ist in eigenartiger Weise differenziert (schaumige Struktur deutlicher, Färbbarkeit geringer als im angrenzenden Endoplasma) und ähnelt etwas dem Ektoplasma (,Stomatoplasma“ MAıers). Die adorale Zone besteht aus sehr breiten Membranellen (vgl. Fig. 242) und durchzieht auch noch den ganzen Peristomsack an seiner linken Wand. Außerdem findet sich eine Reihe von stets paarweise dicht beisammen stehenden Cilien auf dem rechten Peristomrande, der sich ebenfalls in den völlig geschlossenen hinteren Teil des Peristoms hinein fortsetzt, um hier als bewimpertes Septum in die sonst cilienfreie Peristomhöhle vorzuspringen (vgl. BRAUER 1886, SchuUBErG 1887, MArer 1902). — Beiläufig sei erwähnt, daß die Nahrung von Bursaria nach ProwAzek (1899) besteht aus kleinen Paramäcien, Vorti- REN EN se cellen, Stentor, Flagellaten, Me Euglenen, Chilomonas para- maecium, Phacus, Synura uvella, Protococcaceen, Na- vicula, Diatoma u. a. EHREN- BERG hatte auch Rotatorien (Rotifer und Philodina) an- gegeben. Die Flagellaten bewegen sich noch ziem- lich lange in den Nahrungs- vakuolen (vgl. S. 303). Fig. 299. Stentor roeseli auf einer fadenförmigen Unterlage festsitzend und das Fußende von dem unregelmäßigen Gallert- gehäuse umschlossen, mit Dar- stellung der Strömungen in dem umgebenden Wasser, die durch die Bewegungen der Membra- nellen und Wimpern hervorge- rufen werden. Nach JENNINGS 1910. 3 Stentor (Fig. 299) ist ein klassisches Beispiel für schöne Ausbildung der adoralen Zone. Sein Körper ist keulen- bis kegelförmig und wird ansehnlich groß (Stentor polymorphus ist im ausgestreckten Zustande über 1 mm lang). Man stelle sich nun vor, die frei vorragende Basis des Kegels sei wie von einer normal (d.h. rechts) gewundenen Haliotis- schale (solche finden sich ja in jeder Oonchyliensammlung) eingedrückt, und zwar mit ihrer (dorsalen) Außenseite, so bekommt man eine ziemlich exakte Vorstellung von der Gestaltung dieser Gegend. Die helicoid aus- D.IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 293 gehöhlte Basis (etwas mehr als ein Umgang) wird als Stirnfeld be- zeichnet und ist wie die übrige Körperfläche mit Cilien besetzt, deren parallele Reihen (vgl. neben Fig. 299 auch Fig. 62 und 243) ungefähr wie die Längsrippen der Haliotisschale verlaufen. Der helieoid in die Tiefe tauchende Apex, der die Fortsetzung des helicoiden Stirnfeldes ist, stellt das eigentliche Peristom dar, in dessen tiefstem apikalen Grunde erst das Cytostom liegt. Die von langen aber schmalen Membranellen (vgl. Fig. 243) gebil- dete adorale Zone folgt ' ei dem ganzen Rande des helicoiden Stirnfeldes und setzt sich auch in. das enge Peristom fort. Die Membranellen führen nach PROwAzER (1900) bei 18° C je ca. 70 Schläge pro Mi- nute aus. Für weitere Einzelheiten vgl. Scau- BERG (1890), H. P. Jomnson (1893) und Maier (1902). Fig. 300. Cittaro- cyclis ehrenbergii (CL. u. L.). Aus mehreren Schnit- ten kombinierter sagittaler Längsschnitt durch das Tier und das Gehäuse. « Zell- after, c durch Zerfaserung der Membranellen von diesen abgetrennte Cilien, chr Chro- matinschollen im Endoplas- ma, g Gehäuse, hinten in eine dornartige Spitze aus- laufend, % Makronucleus, m innerer, noch zusammen- hängender Teil der adoralen Membranellen, n Nahrungs- balln, p kragenförmiger Peristomsaum, ph Cytopha- rynx, pl zwischen den Mem- branellen stehende „Deck- plättehen“, st Stiel, mit dem das Tier im Gehäuse fest- sitzt, stk Stirnkuppe, v pul- sierende Vakuole. Nach EnTz 1909. Folliculina (Fig. 167) ist ein Stentor ähnliches Infusor, bei dem der die adorale Membranellenzone tragende Rand des Stirnfeldes seitlich in zwei lange flügelartige Fortsätze ausgewachsen ist. Besonders kompliziert sind die Ernährungsorganellen bei den Tintinnoideen, planktonischen, gehäusetragenden Infusorien, deren hastiges Vorwärtsschwimmen nur durch die adorale Membranellenzone bewirkt wird, die also hier neben ihrer nutritiven auch noch eine sehr ausgeprägte Jokomotorische Funktion hat (vgl. Fig. 300). Das Peristom- 294 Protozoa. Max Lüne, oder Stirnfeld nimmt die ganze quer abgestutzte Vorderfläche des kegelförmigen Körpers ein. Sein Rand, der Peristomsaum (Fig. 300p), ist zu einem ringwallartigen Kragen erhoben, der durch etwas andere Struktur (bedeutend feinere Granulierung) sich deutlich von dem übrigen Körper abhebt, obwohl seine äußere Wand von der Außenwand des Körpers entweder gar nicht, oder bloß durch eine äußerst schwache Ring- furche abgegrenzt ist. Der freie Rand des Peristomsaumes ist stets zierlich gelappt, wobei diese Läppchen sich häufig zu schwach gebogenen und recht spitzen Zähnen ausziehen können. Die von dem Peristomsaume umkreiste Peristomscheibe oder Stirnkuppe (Fig. 300, stk) ist in der Ruhe kuppenförmig vorgewölbt, kann aber „wie ein Pumpen- stempel“ auf- und niederbewegt werden, indem sie sich abflacht oder gar mehr oder weniger vertieft. Die zwischen ihr und dem Peristom- saume gelegene Spiralfurche vertieft sich allmählich nach ihrem rechts- seitig gelegenen inneren Ende zu der präoralen Höhle, in deren Grunde die Mundöffnung liegt. Die mächtigen adoralen Mem- branellen (meist 16—18, bei gewissen Arten jedoch auch mehr, nach Schwever bis 36) sind dem Peristomsaum zwischen je zweien seiner Randläppchen in schräger Richtung eingepflanzt und schließen sich, dem Peristomsaum selbst entsprechend, zu einem vollständigen Kreise an- einander; die für die Infusorien im allgemeinen charakteristische spiralige Anordnung der adoralen Zone äußert sich fast nur noch im Bereich der präoralen Höhle, in die die hier allmählich länger werdenden Mem- branellen hinabsteigen (Fig. 301). Die Form der einzelnen leicht zer- Fig. 301. Schematische Scheitelansicht des Peristoms von Tintinnopsis. Die radiären Doppellinien sind die Insertionsstellen der Mem- branellen. Die dunklen Ovale zwischen denselben veranschaulichen die Lage der kolbenförmigen Ge- bilde. Die präorale Höhle ist dunkler schattiert; in ihrem Grunde, am Ende der längsten Membranelle, liegt das Cytostom. Das mittlere weiße Feld ent- spricht der Stirn. Aus SCHWEYER (1910). fasernden !) Membranelle ist dreieckig, indem die in ihre Bildung einge- gangenen Einzelwimpern am äußeren Rande sehr lang sind und nach der Achse des Körpers zu allmählich immer kürzer werden. Zwischen je zwei Membranellen erhebt sich von der Innenwand des Peristomsaumes bei Tintinnus je ein tentakelartiger Fortsatz, dem bei Codonella und Tintinnopsis je ein birn- oder kolbenförmiges Gebilde entspricht; vielleicht handelt es sich hierbei, einer Vermutung von HaArckkL (1873) entsprechend, um Tastorganellen. Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten vgl. Faur&-Frenmıer (1908), Extz jun. (1909) und Schwever (1910). Während bei den Tintinnoideen das ganze Tier sich in sein Gehäuse zurückziehen und hierdurch seinen empfindlichen Membranellenapparat schützen kann, vermögen die Ophryoscoleciden, bezüglich deren im 1) Durch eine derartige Zerfaserung der einzelnen Membranellen, wie sie z. B. auch in Fig. 300 dargestellt ist, kann bei den Tintinnoideen der Anschein eines mehrfachen Wimperkranzes vorgetäuscht werden, so daß auch noch in neueren Arbeiten von ‚„adoralen“, „mesoralen“ und „paroralen* Wimpern gesprochen wird. D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 295 ” a. wir f.8; “ % Fig. 302. Stylonychia mytilus MürL. von der Bauchseite. Länge bis 375 y. Von LANG kombinierte Figur, nach STEIN 1859, M. KOWALEWSKY 1882, BÜTSCHLI und SCHEWIAKOFF (in LEUCKARTs zoolog. Wandtafeln.. 2 Am Vorderende sich vor das Peristom vorwölbende Oberlippe, 2 zuführender Kanal der pulsierenden Vakuole, 3 adorale Membranellenzone, 4 Peristom, 5 zuführender Kanal der pulsierenden Vakuole, 6 rechter vorspringender Peristomrand, 7 pulsierende Vakuole, 8 hintere Hälfte des Großkerns, 9 hinterer Kleinkern, 70 Cytopyge (Zellafter), auf dem Rücken gelegen, eben im Begriff, eine Bacillariacee zu entleeren, 1/ Aftereirren (Springborsten), 72 Schwanzborsten, 13 Bauch- eirren (hintere Laufeirren), 7/ Tastborsten (von der Rückenfläche entspringend und den Seitenrand überragend), 175 Cytostom (Zellmund), 76 präorale Cilienreihe, 17 rechtsseitiger Grund des Peristoms, 18 vordere Hälfte des Großkerns, 19 präorale undulierende Membran, 20 Stirneirren (vordere Laufeirren). Dem rechten und linken Körperrande entlang je eine Reihe von Randeirren. Im Innern des Körpers aufgenommene Nahrung. Der Organellen- komplex des Peristoms nur teilweise dargestellt (endorale Cilien und endorale undulierende Membran fortgelassen, vgl. Fig. 303). Ant. vorn, Dex. rechts, Post. hinten, Sin. links. 296 Protozoa. Max Lünz, übrigen auf Eserreın (1895) und Bunpıe (1895) verwiesen sei, ihr Peristom stark zu retrahieren und hierdurch ihre Membranellen im Inneren eines kraterähnlichen Ringwalles so weit zu bergen, daß nur gerade noch deren Spitzen hervorsehen. Sie erinnern hierdurch bis zu einem gewissen Grade an die Vorticellen (vgl. S. 297). 3. Bei den Hypotrichen ist der im Dienste der Nahrungszufuhr stehende Organellenapparat im allgemeinen sehr kompliziert. Wir be- schränken uns darauf, ihn für eine Form, Stylonychia mytilus Mürr., zu beschreiben, im wesentlichen nach den Angaben von M. Ko- WALEWSKI (1882), die durch einige neuere Arbeiten nur in Einzelheiten Ergänzungen erfahren haben (vgl. Fig. 302 u. 303). /f Fig. 303. Stylo- | \ nychia mytilus MÜLL. A 7 A Ansicht des Peristoms IB= GE und seines ÖOrganellen- Ss TEA, komplexes von der = N GT Bauchfläichke (nur im Bi << / Umriß gezeichnet. B 2 | = $ — Idealer Querschnitt durch = —— das Tier in der Peristom- 8 an > N ..d G gegend. Drrechte, S linke E a2 TF; Seite des Peristoms bzw. =2 . L—>e =: s Körpers. 1 Der lamellen N, = Sg — artig vorspringende Be | rechte Peristomrand, 2 SE präorale Cilienreihe, 3 Sr präorale undulierende ae 4 N az un- ı I a 1JERZT ulierende Membran, 5 SGeRE endorale undulierende Membran, 6 endorale Cilienreihe, 7 einzelne Membranellen der ad- oralen Zone, 8 innerster rechtsseitiger Grund des Peristoms, 9 Tastborsten des Rückens (die Bauch- eirren sind in Fig. B nicht dargestellt), Z20Cyto- stom, nach links in den Cytopharynx führend. Nach M. KOWALEWSKY 1882, von LANG un- wesentlich verändert. Der sehr erweiterungsfähige Mund des so gut wie omnivoren (Bakterien, Diatomeen, Flagellaten, Infusorien u. a. verzehrenden) Tieres (Fig. 302, 15) liegt nahezu in der Mitte der Bauchfläche des dorsoventral abgeflachten Körpers. Vor ihm ist die Bauchfläche vertieft zu einem Peristom (Fig. 302, 4) von der Form eines spitzwinkeligen Dreiecks, dessen Spitze beim Munde liegt und dessen Basis nach vorn und links gewandt ist. Es hat einen lateralen oder linken und einen medianen oder rechten Rand. Der auffälligste Apparat auf dem Peristom ist die adorale Zone, eine Reihe kräftiger dreieckiger Membranellen (Fig. 302, 3 und Fig. 303, 7). Sie beginnt rechts am vorderen Körper- rande, zieht diesem entlang nach links und folgt dann im Bogen dem linken Peristomrand bis zum Munde. Der gegenüberliegende rechte Peristomrand (Fig. 302, 6 und Fig. 303, 7) wölbt sich mit einer D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 297 scharfen Kante oder Schneide gegen das Peristom vor. Auf der Dorsal- fläche dieser Schneide entspringt, ihrem freien Rand parallel, eine stark entwickelte präorale undulierende Membran (Fig. 302, 19 und Fig. 303, 3), die nach MaArer (1902) von einer einzigen Cilienreihe ge- bildet wird und deren hinteres Ende sich in den Schlund hinein fort- setzt. Dieser präoralen Membran parallel und ventral von ihr steht eine Reihe dünner langer präoraler Cilien (Fig. 302, 16 und Fig. 303, 2), die ebenso wie die präorale Membran nach links in das Peristom vorspringen. Mehr dorsal liegt eine zweite, schmälere, die so- genannte innere undulierende Membran (Fig. 303, 4), und links von dieser, aber immer noch in der rechten Hälfte des Peristoms, verläuft eine dritte, die endorale undulierende Membran (Fig. 303, 5); ungefähr in der Mitte des Peristomfeldes zieht schließlich eine Reihe von kurzen endoralen Cilien (Fig. 303, 6) von vorn nach hinten, die sich ebenso wie die undulierenden Membranen in den Oytopharynx hinein fortsetzt. Bezüglich der Ernährungsorganellen anderer Hypotrichen sei nur noch auf die Mächtigkeit der Membranellen bei dem sich festheftenden An- cistropodium maupasi hingewiesen. Sie werden hier (bei einer Länge des ganzen Tieres von 110 u) bis 25 u lang bei einer basalen Breite von 10 gu (vgl. Fig. 270). 4. Bei den Peritrichen weisen die Ernährungsorganellen bemerkens- werte Verschiedenheiten auf. Während gewisse Formen, vor allem Lienophora, durch den Besitz einer von Membranellen gebildeten adoralen Zone noch weitgehende Uebereinstimmung mit den bisher be- sprochenen Infusorien zeigen (vgl. S. 214 und Fig. 216), finden sich. einerseits bei Vorticelliden, andererseits bei Spirochoniden zwei verschieden- artige einseitige Differenzierungen. Bei den Vorticelliden ist die adorale Spirale nicht wie bei den bisher betrachteten Infusorien „linksgewunden“, d.h. sie führt nicht bei direkter Aufsicht von außen in einem dem Uhrzeiger entsprechenden Verlaufe (vgl. z. B. Fig. 301 und 302) zum Cytostom, sondern sie zieht in umgekehrter Richtung („rechtsgewunden“) zu diesem hin (Fig. 63 und 304, B). Ferner wird sie nicht wie bei allen anderen genauer unter- suchten Infusorien von einer einfachen Reihe von Membranellen gebildet, sondern von 2 undulierenden Membranen (MaArsr 1903, ScHRöDRR 1907), welche dicht nebeneinander in parallelem Verlaufe das nahezu kreis- runde scheibenförmige Peristom umziehen. Stets beschreibt die Spirale etwas mehr als einen ganzen Umgang (vgl. Fig. 63), bei Campanella umbellaria beschreibt sie sogar deren nicht weniger wie 41/, (Fig. 304, B). Jede der beiden undulierenden Membranen wird von drei miteinander verschmolzenen Cilienreihen gebildet und ist an ihrem freien Ende zerfasert, so daß hierdurch der Aufbau der Spirale aus 2 Reihen einzelner Cilien oder Membranellen vorgetäuscht werden kann. Rings um das Peristom mit seiner adoralen Spirale erhebt sich der Körper zu einem Ringwulst, dem Peristomsaum, der von der Peristomscheibe durch eine grabenartige Ringfurche getrennt ist. Wenn sich das früher (S. 248) besprochene Ringmyonem des Peristomsaumes gleichzeitig mit den als Retractor der Peristomscheibe dienenden Längsmyonemen der Vorticellide kontrahiert, so wird der Peristomsaum wie ein Tabaksbeutel über der zurücktretenden Scheibe zusammengezogen und verdeckt dann die adorale Spirale vollständig (vgl. Fig. 254, wo diese Kontraktion noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat). Der Ringgraben zwischen Peristom- 298 Protozoa. Max Lüuk, scheibe und Peristomsaum vertieft sich dem Verlaufe der adoralen Spirale entsprechend bis zu deren Ende, um dort in das Vestibulum Fig. 304. Campanella umbellaria (L.). Süßwasser. A Individuum einer Kolonie mit voll entfaltetem Peristom (Länge bis 140 u, Höhe der Kolonien bis 4 mm), von der Vestibularseite. B Ansicht auf die Peristomscheibe, schematischh um den Verlauf der Windungen abcede der adoralen Wimperspirale zu zeigen. C Ein isoliertes Paar von Nesselkapseln; die eine im nicht explodierten Zustande mit dem schraubig aufgerollten Faden im Innern, die andere mit ausgeschnelltem Faden. Stärker vergrößert. Nach BÜTSCHLI 1889. 1 Die zur Retraktion des Peristoms dienenden Myoneme, 2 Makro- nucleus, 3 pulsierende Vakuole, 7 Mikronucleus, 5 Nahrungsvakuolen, 6 ringförmige Linie, an welcher bei der Ablösung vom Stiel der hintere Wimperkranz entsteht (vgl. Fig. 63 und 64), 7 Stelle, wo die Ablösung erfolgt, 8 der hier sehr lange und deutliche Cytopharynx, 9 Paare von Nesselkapseln, 70 Cytostom, 17 Vestibulum, 72 in dieses hinab- steigende undulierende Membran. überzugehen, eine tiefe Einsenkung in den Körper hinein, in die sich auch die beiden Membranellen der adoralen Spirale fortsetzen (vgl. Fig. 63). Fig. 305. Spirochona nebalina S. K. Von den Kiemenanhängen von Nebalia. Länge 0,04 mm. A Medianschnitt, von der rechten Seite be- trachtet. B Dorsalan-. sicht. / Ventrale hyaline Stacheln, 2 Wimperkranz an der Innenseite des Peristomtrichters, 3 Va- kuolen, 7 Grund des Peristomtrichters, 5 Ma- kronucleus, 6 Mikro- nucleus, 7 Gallertab- scheidung, 8 Cytopha- rynx, 9 dorsale Stacheln. Nach ROMPEL 1894. Erst im Grunde dieses Vestibulums liegt das Cytostom, das in einen kurzen, etwa birnförmigen Cytopharynx führt. Etwas weiter vorn münden D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme, 299 in das Vestibulum auch Cytopyge und kontraktile Vakuole (vgl. unten Defäkations- und Exkretionsorganellen). Bei Spirochona, die als Raumparasit auf den Extremitäten, namentlich den Kiemenanhängen, von Krustern festsitzt, ist der Peristomsaum zu einem großen trichterartigen Organ vorgewachsen, dem sogenannten Peristomtrichter, der infolge verschiedenartiger Faltung sehr mannig- Fig. 306. Polansicht eines Suctors, von dem Stielende aus gesehen, .der Zell- körper selbst im optischen Querschnitt. Nach dem Leben. Das Tier ist damit beschäftigt, ein Wimperinfusor auszusaugen. Die Saugtentakel in 6 Gruppen und innerhalb jeder Gruppe fächerartig angeordnet; die Ebene der Fächer steht annähernd senkrecht zur Ebene der Zeichnung. Vergr. ca. 330 (Durchmesser des Zellkörpers 40 u, Länge der Tentakel bis ca. 150 p). Aus HEIDENHAIN (1911). faltige Gestalt annehmen kann. Häufig ist die Membran dieses Trichters durch kräftige, bewegungslose Borsten versteift, von denen bei Spirochona nebalina in der Regel 2 vorhanden sind (Fig. 305, 1). Die Innentläche des Trichters ist mit dichtstehenden feinen Cilien besetzt; bei der von uns als Beispiel gewählten Spirochona nebalina wird dieses bewimperte Feld nach vorn begrenzt von einem dicht unter dem Rande des Trichters 300 Protozoa. Max Lüne, stehenden einfachen Kranze längerer und stärkerer Cilien (Fig. 305, 2). Sonst sind am Körper keine Cilien vorhanden. Das Cytostom liegt im Grunde des Trichters. Die schwache Entwickelung des Wimperapparates trotz der festsitzenden Lebensweise steht offenbar damit in Zusammen- hang, daß an dem Wohnsitz der Tiere durch die Kiemenanhänge des Wirtes ein dauernder Wasserstrudel unterhalten wird. 5. Die Ernährungsorganellen der Sauginfusorien (Suetoria) sind deren sogenannte Saugröhrchen, auch einfach Tentakel genannt. Es sind dies fadenförmige, langsam bewegliche Fortsätze des Köpers, deren Länge im allgemeinen dem Körperdurchmesser wenigstens nahe kommt. Bei einigen Arten ist nur ein einziges Saugröhrchen vorhanden; meist aber sind sie zahlreich und dann bald unregelmäßig und allseitig zerstreut, bald auf den vorderen Körperteil beschränkt. Häufig stehen Fig. 307. Tocophrya quadripartita Cr. u. L. Entwickelung der in 4 Gruppen angeordneten Saugröhrehen bei der festgehefteten Larve unter teilweiser Umstülpung des Körpers. (Vgl. auch die jüngeren Larven in Fig. 271 und das ausgebildete Tier in Fig. 67.) Nach FiILIPsEvV 1911. sie gruppenweise beisammen auf je einem mehr oder weniger deut- lich vortretenden lappenförmigen Vorsprung des Körpers (vgl. Fig. 67 und 306). | „Morphologisch könnte man daran denken, den einfachen Saugten- takel aus der besonderen Umbildung eines ursprünglichen Cytostoms her- zuleiten, und eine sukzessive Vermehrung solcher Cytostombildungen an- nehmen.“ (Bürscauı 1910). Nach der Form der Saugröhren hat man unterschieden Saugten- takel (zylindrischh am Ende meist geknöpft) und Greiftentakel (ungeknöpft, gegen das freie Ende sich verjüngend, von sehr verschiedener Länge, oft bedeutend länger als die Saugtentakel, die mit ihnen zu- sammen vorkommen können, z.B. bei Ephelota, Fig. 343), Doch ist. diese Unterscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung. Jede Saugröhre besteht aus: 1) einer oberflächlichen Pellicula, der Fortsetzung der Pellicula des Körpers, 2) einer Schicht kontraktilen Protoplasmas und 3) dem Zentralkanal. Bei Tocophrya quadripar- tita Cr. & L., deren Saugtentakel wir auf Grund der neueren Unter- suchungen von Fırırsev (1911) als Beispiel betrachten wollen, ist die von D. IV. A. Organellen für die Nahrungsaufnahme. 301 der Pellicula gebildete Röhe am Ende etwas erweitert, wobei sie einen verdickten Rand bildet und das Ende des Tentakels offen läßt (Fig. 308, r). Dieser ringförmige Rand ist passiv elastisch: das den größten Teil des Tentakelquerschnittes einnehmende kontraktile Plasma kann sich aus ihm in Form einer Plasmakugel verwölben und dehnt ihn hierbei aus (Fig. 308, A). Zieht sich das Plasma wieder zurück, so zieht sich der Ring zusammen und schließt den Eingang in den Ten- takel (Fig. 308, B). Der keine eigene Wandung be- sitzende und die ganze Länge des Tentakels durch- setzende Zentralkanal ist mit einer wäßrigen Flüssig- keit erfüllt. Fig. 308. Tocophrya quadripartita Cr. u. L. Ende eines Saugtentakels, in A mit vorgestrecktem, in B mit zurück- gezogenem Plasma. % zentraler Längskanal, p Pellieula, pl Plasma, pl‘ am Tentakelende nackt vorgetretener Plasmapfropf, r elastische ringförmige Verdickung der Pellicula am Tentakelende. Nach FILIPJEvV 1911. Das an der Spitze vortretende Plasma ist höchst wahrscheinlich klebrig, da vorüberschwimmende Öilien u. dgl. bei Berührung sofort an ihm haften bleiben. Ob die Tentakel auch lähmende Stoffe enthalten, Fig. 309. Dendrocometes paradoxus STEIN. I ein gefangenes Infusor, 2 pul- sierende Vakuole, 3 Kern. Nach A. WRZESNIOwWSKI (1877), von LAnG unwesentlich modifiziert. Vergr. 600 :1. weiß man nicht. Die Tentakel können langsam verkürzt und verlängert werden, die Richtung, in der sie vom Körper abstehen, verändern und sich krümmen. Bleibt ein Beuteobjekt an einem von ihnen kleben, so 302 Bor Max Lün, neigen sich die benachbarten Tentakel heran, um es mit festzuhalten (Fig. 306), und dann sieht man wie das Plasma der Beute durch die hohlen Saugröhrchen hindurch in den Körper des Suctors hinüberströmt. Spezielle Erwähnung verdienen noch die eigenartig ausgebildeten Saugröhrchen von Dendrocometes, einem auf den Kiemenblättchen von Gammarus lebenden Suctor (Fig. 309). Dessen Körper verlängert sich in meist 4 ansehnliche Fortsätze, Arme genannt, deren jeder sich 2- bis 3mal in je 3 Aeste teilt. An den Endzweigen stehen dann je 3 bis 4 kegelförmige Greiftentakel. Die Arme sind nicht völlig starr, sondern können ähnliche Bewegungen ausführen wie die Saugröhrchen. Sie werden von feinen Kanälchen durchzogen, von denen je eines zu jedem Tentakel geht und sich in dessen Kanal fortsetzt (Fig. 310). Man könnte die Arme fast als ein System miteinander ver- schmolzener, sehr langer Saugröhrchen auf- fassen, die sich in ihrem zentrifugalen Ver- laufe allmählich wieder voneinander frei machen, so daß am Ende ein jedes wieder isoliert ist. Näheres vornehmlich bei Plate (1886). Fig. 310. Dendrocometes paradoxus STEIN. Drei Endzinken (Greiftentakel) eines Armes, sehr stark vergrößert. ZI aus der pellikularen Hülle nackt hervor- getretene Plasmaspitzen, bei 2 Plasma in die Pellieula zurückgezogen. Nach PLATE 1886. Nicht zu vergleichen mit diesen Armen von Dendrocometes sind die baumförmigen Verzweigungen des prächtigen großen Dendrosoma (Fig. 145), bei dem der Körper selbst verzweigt ist, sich wie ein kleiner Wald verästelter Stämmchen von einem der Unterlage aufliegenden Wurzelgeflecht erhebt und am Ende eines jeden Zweiges ein Büschel geknöpfter Saugtentakel trägt. B. Verdauungsorganellen. Die typische Verdauungsorganelle der Protozoen ist die Nah- rungsvakuole, ein Flüssigkeitsbläschen, das den aufgenommenen Nahrungskörper oder auch, wenn die einzelnen Nahrungskörper sehr klein sind (z. B. Bakterien), eine größere Zahl solcher umschließt. Sie findet sich bei den meisten, geformte Nahrung zu sich nehmenden Protozoen und wird fast stets gleich bei der Nahrungsaufnahme ge- bildet, indem zugleich mit dem Nahrungskörper auch etwas Wasser aufgenommen wird (vgl. die monographischen Besprechungen von Amoeba und Paramaecium auf S. 53ff. und 99f., sowie die „Empfangsvakuole“ der Flagellaten auf S. 279). Es gibt aber auch Protozoen, bei denen eine Nahrungsvakuole fehlt und das Protoplasma direkt die aufgenommenen Nahrungskörper um- schließt. Dies ist z. B. unter den Amöben bei Amoeba blattae der Fall. Auch den Foraminiferen fehlt die Nahrungsvakuole fast stets (vgl. z. B. Fig. 26); wo sie bei ihnen auftritt, ist sie erst nachträglich durch Abscheidung von Wasser aus dem Plasma in der Umgebung D. IV. B. Verdauungsorganellen. 305 des Nahrungskörpers gebildet, nachdem der zunächst direkt von den Pseudopodien umflossene Nahrungskörper in den Körper hineingezogen worden ist. Ebenso fehlt die Nahrungsvakuole den Radiolarien; speziell bei den Tripylarien scheinen statt ihrer, wie bereits in der monographischen Besprechung von Coelospathis ausgeführt wurde, die sogenannten Phäodellen eine ähnliche Rolle bei der Verdauung zu spielen (vgl. S. 76f£.). Bei Protozoen mit osmotischer Ernährung kann eine echte Nahrungs- vakuole natürlich nicht vorkommen. Wenn ScHAupInn trotzdem bei Plasmodium von einer solchen gesprochen hat, so handelt es sich hier um eine einfache Flüssigkeitsansammlung, deren ernährungsphysiologische Bedeutung im wesentlichen auf der durch sie bedingten erheblichen Ver- größerung des Volumens und damit auch der resorbierenden Körper- oberfläche des Parasiten beruhen dürfte (vgl. S. 129). Erst innerhalb der Vakuole erfolgt die Abtötung der Opfer, falls lebende Organismen als Nahrung eingestrudelt wurden: bei Stentor u. a. kann man leicht beobachten, daß verschlungene Tiere sich noch längere Zeit im Inneren der Vakuole bewegen. Hinsichtlich der im Innern der Vakuolen sich unter Fermenteinwirkung ab- spielenden Verdauungsvorgänge kann hier auf die Besprechung auf S. 57f. und 101f. verwiesen werden. Es sei nur allgemein betont, daß die Fähigkeit, Eiweißstoffe zu verdauen, bei den Protozoen allgemein verbreitet ist und daß diese durchweg die Hauptrolle bei der Ernährung spielen. Kohlehydrate (Stärke und Cellulose) scheinen sehr viel schwerer verdaulich zu sein und dürften nur bei einzelnen Arten eine größere Bedeutung als Nähr- stoffe haben. Die Fähigkeit zur Verdauung von Fett endlich scheint im allgemeinen völlig zu fehlen, ist jedenfalls noch in keinem Falle er- wiesen, wenn wir von den Fällen absehen, in denen Fetttropfen als Stoffwechselprodukte auftreten, um anscheinend als Reservematerial aufgespeichert zu werden (namentlich bei den Chrysomonadinen und in der Zentralkapsel der Radiolarien, vgl. Fig. 188). In anderen Fällen finden wir, wie im Anschluß hieran erwähnt sei, Eiweißstoffe, Paramylon, Glykogen oder Stärke (vgl. Fig. 17) als Reservematerial auf- gespeichert. Die Tintinnodeen bilden nach Merkrz (1909) auch Fermente, die die Kieselsäure der Silicoflagellatengehäuse und die Cellulose der Peridi- neenpanzer aufzulösen vermag. „Da nur kernhaltige Protozoen auf die Dauer die Nahrungsteile assimilieren können, ist man zu der Annahme berechtigt, daß der Kern mit der Produktion der Fermentträger irgendwie im Zusammenhang steht. Dafür spricht auch der Umstand, daß er bei hungernden Tieren oft eine starke Vergrößerung erfährt, weil ihm von seiten des Proto- plasmas in diesem Sinne keine Substanz mehr entführt wird.“ (ProwAzek 1910; vgl. auch oben S. 66 und 117). Während der Verdauungsvorgänge bleiben die Nahrungskörper bzw. die sie einschließenden Vakuolen nicht an einer Stelle im Plasma liegen, vielmehr werden sie von langsamen Plasmaströmungen herumgeführt. Der bei dieser Cyclose verfolgte Weg ist bei den amöboiden Arten meist ein unregelmäßiger, bei formbeständigen Protozoen dagegen häufig ein ganz bestimmter. Außer bei Paramaecium, für das er bereits 304 Protozoa. Max Lünn, auf S.100f. besprochen und abgebildet wurde, ist er vor allem noch bei Carchesium polypinum (Fig. 311) dank der eingehenden Unter- suchungen von Miss GreEnwoop (1894) gut bekannt. Hier wandert die Nahrungsvakuole nach ihrer Ablösung vom Grunde des Cytopharynx nach hinten (kleine Kreise in der Figur), bis sie, in der Konkavität des huf- eisenförmigen Großkerns angelangt, vorläufig zur Ruhe kommt (Kreuzchen in der Figur). Jetzt fängt die Vakuolenflüssigkeit an sauer zu reagieren, worauf die Bewegung der beweglichen Nahrungskörper aufhört und sämtliche in der Vakuole enthaltenen Nahrungs-Partikelchen und Körn- chen sich zu einer festeren Kugel zusammenballen (vgl. hierzu auch S. 101). Der so gebildete Re Nahrungsballen wan- m IM LASSE dert dann in ziemlich L L, Z VAR: bestimmter Richtung | BE &L =. (Punkte in der Figur), 3 aber während verschie- den langer Zeit, durch das Plasma. Bisweilen wird er sofort der Ein- wirkung der verdauenden Fermente unterworfen (die Verdauung kann überall im Endoplasma stattfinden, wagerechte Striche in der Figur); bisweilen aber wird er zunächst noch unter Rückbildung der ihn enthaltenden Vakuolen- NANINERENTE HALT x NIS, IR N RN N 2 Nu BA [\\ ' « Fig. 311. Cyclose bei Carchesium polypinum (L.).. Schema des Weges, welchen die aufgenommene Nahrung nimmt bis zur Ver- dauung und zur Entleerung der Exkremente. Das Nähere im Text. Nach GREENWOOD [ , (4894) aus VERWORNs Allgem. Physiologie. flüssigkeit aufgespeichert. In diesem Falle wird dann bei seiner späteren Verdauung wieder eine neue Nahrungsvakuole gebildet. Die unverdauten Nahrungsreste (kreuzweise Schraffierung in der Figur) gelangen an eine bestimmte Stelle des Vestibulums, wo sie durch den Zellafter in letzteres entleert werden, um nach außen zu gelangen (vgl. auch nachstehend die Defäkationsorganellen). Eine Auswahl der Nahrung findet bei Carchesium nicht statt. Alle Körperchen irgendwelcher Art werden eingestrudelt, voraus- gesetzt, daß sie klein genug sind. Alle Körperchen, verdauliche und unverdauliche, werden zu Nahrungsballen zusammengeschweißt. Doch ist der Aufenthalt der unverdaulichen Ballen meist ein abgekürzter und neue Vakuolenflüssigkeit wird um sie nicht gebildet. Das gleiche gilt nicht nur für die meisten anderen Infusorien, die ihre Nahrung durch D. IV. C. Defäkationsorganellen. 305 Einstrudeln gewinnen !); auch von anderen Protozoen können gewisse, dem Plasma gegenüber indifferente anorganische und organische Substanzen (z. B. Quarzstückchen, Ruß, Karmin) aufgenommen und unter Umständen in so großen Mengen aufgespeichert werden, daß die Aufnahme wirk- licher Nahrungsstoffe nicht mehr möglich ist und die Tiere verhungern (von Prowazsk für Amöben angegeben). Nach Mrrarnıkow (1912) ist jedoch bei Paramäcien Größe und Zahl der Nahrungsvakuolen innerhalb gewisser Grenzen abhängig von der Art der aufgenommenen Substanzen und hört bei dauernder Zufuhr unverdaulicher Stoffe (z. B. Karmin) die Bildung der Nahrungsvakuolen schließlich auf, um erst nach einer eventuellen Teilung wieder von neuem zu beginnen. Andererseits trifft nach Gruser (1912) Amoeba proteus schon bei der Aufnahme eine Auslese unter den sie umgebenden Formelementen und nimmt nur brauchbare Stoffe als Nahrung an. Die Aufnahme und Aufspeicherung von Karminkörnern ist nach ihm ein Ausnahmefall, der mit der Ernährung nichts zu tun hat. Diese Aufnahme erfolgt nämlich nicht nach Art derjenigen von Nahrungskörpern, sondern beruht nur darauf, daß die Karminkörnchen auf der Oberfläche der Amöbe sehr leicht kleben bleiben. Infolgedessen geraten sie nämlich bei der Fort- bewegung der Amöbe mit dem bisherigen Ektoplasma, an dem sie haften, an dem Hinterende des Tieres in dessen Inneres hinein (vgl. die Besprechung der Bewegung der Amöbe auf S. 50), und durch diese ‘starke Adhäsion des Karmins an das Plasma erklärt sich auch, warum die Körnchen sich so lange in dem Amöbenkörper halten und nicht alsbald wieder wie unverdauliche Nahrungsreste ausgeworfen werden. Steinchen, lebloser Detritus usw. werden von Amoeba proteus nie auf- genommen. RHUMBLER betont offenbar mit Recht, daß „die Amöbe in irgendeiner Weise gegen die unfreiwillige Einfuhr ihr nicht nutzbringender oder schädlicher, mit ihr auf demselben Boden vorkommender Fremd- körper gefeit sein muß, sonst hätte sie der Kampf ums Dasein schon längst aus dem Bilde des Bodenlebens unserer Gewässer wegwischen müssen“. „Die Amöbenoberfläche besitzt ganz unbestreitbar für die meisten mit ihr in Berührung kommenden Fremdkörper nicht von vorn- herein Importfähigkeit, die unter jedweden Umständen in Wirksamkeit tritt, sondern es muß erst eine ganze Reihe chemischer und physikalischer Bedingungen erfüllt sein, damit die Amöbenoberfläche für den betreffenden Fremdkörper importfähig wird.“ C. Defäkationsorganellen. Bei den Sarcodinen kann die Entleerung der unverdauten Nahrungsreste ganz ebenso wie die Aufnahme der Nahrung an jeder beliebigen Stelle der nackten Oberfläche erfolgen. Für die Amöben ist die Art dieser Entleerung bereits auf 5. 53—60 besprochen worden. Hier seien im Anschluß daran nur noch Angaben über die Defäkation und die sogenannten Sterkome der Foraminiferen gemacht. Bei Peneroplis pertusus erfolgt die Defäkation nach Wınrer (1907) periodisch und nimmt dann mehrere Stunden in Anspruch. Nach- dem eine Zeit der Ruhe vorausgegangen, fangen die Pseudopodien an 1) Stentor kann durch Umkehr der Schlagrichtung der Peristomwimpern be- stimmte Körper beiseite schleudern statt sie einzustrudeln und Vorticellen können Körper, die bereits ins Vestibulum eingedrungen waren, noch wieder herausschleudern. Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 20 306 Protozoa. Max Lüne, zu spielen, die Körnchenströmung auf ihnen wird langsam heftiger und es beginnt ein Hinaustragen oder vielmehr ein Ablaufen der einzelnen Brocken auf den weit ausgestreckten Pseudopodien. Die Stücke gleiten auf ihnen entlang, quer und längs gestellt, manchmal rotierend und von einer flüssigen Grundsubstanz umgeben. Auch die kleinsten Stücke liegen nicht in einer Vakuole. Beim Fließen auf der Unterlage wird das einzelne Detritusstückchen sozusagen verloren, anfangs entfernter, später näher, größere früher, kleinere später, so daß bald die von den Pseudopodien bestrichene Fläche mit einer Lage von Faeces verschieden dicht besät ist, die dann wolkenartig mehr und mehr in die Höhe wächst. Die Pseudopodien endigen, wenigstens anfangs, auf diesen Kotmassen mit verbreiterten Endplatten, die miteinander kommunizieren. In dem un- definierbaren Detritus kleiner und kleinster Bestandteile heben sich hervor Reste zerknitterter Cellulosehüllen vielzelliger und einzelliger Algen, Diatomeenschalen, chitinöse Hüllen kleiner Teile von Krustern, von den verschiedensten Organismen herrührende Kalk- und Kieselsäure-Fragmente u. a., ein Beweis, daß Peneroplis in der Nahrungsaufnahme nicht wähle- risch ist; zahlreiche, durch ihr stärkeres Lichtbrechungsvermögen auf- fallende, blaßgrüne oder gelbbraune, polyedrische Gebilde lassen sich als Exkretkörner identifizieren. Immer mehr dieser Fäkalien werden auf den dicken Pseudopodialsträngen auf die schon hinausbeförderten aufgelagert und kleben dabei vielfach an das schon vorhandene Material fest, was wohl auf die erhärtende wäfßrige Grundsubstanz zurückzuführen ist. Große Zwischenräume werden dabei zum Teil ausgefüllt und eine ver- schieden dichte Fäkalwolke umschließt bald durch ihre Höhe die Mündung der Thalamophore. Bei Beginn der Defäkation ist die Geschwindigkeit des Transportes sowie die Lebhaftigkeit der Erscheinung eine bedeutend größere als gegen Ende des Vorgangs. Wenn die Foraminifere in einem hohen Wall von Fäkalmassen sitzt, die verschieden dicht zusammengeballt sind, wird die Pseudopodial-Plasmamasse, die die einzelnen Ballen durch- zieht, vollends zurückgezogen. Hierbei werden etwa mitausgetretene Vakuolen, ein Teil des feineren Detritus, vor allem aber mit hinaus- beförderte Kommensalen (Zooxanthellen, Fig. 17), soweit sie nicht etwa modifiziert sind, mit zurückgenommen. Die Dauer der Ausscheidung kann 2—5 Stunden und mehr, je nach dem Alter des Tieres, in Anspruch nehmen. Als Folge der angestrengten Plasmatätigkeit tritt dann eine Ruhepause ein, die ebenfalls, je nach dem Alter des Tieres, verschieden lange dauert: junge Peneroplen kriechen oft schon nach einer halben Stunde weiter, mittelgroße nach 3—5 Stunden, ältere nach einigen Tagen, alte Individuen bleiben bis zu einer Woche an derselben Stelle. Das Ausstoßen der Fäkalmassen geht häufig dem Bau einer neuen Kammer oder einer Vermehrung des Tieres, auch dem Absterben alter makro- sphärischer Individuen mit großer Kammerzahl voraus. Bei den schlickbewohnenden Foraminiferen wie auch bei dem diesen nahestehenden Trichosphaerium werden die unverdauten Nahrungsreste zu charakteristischen, meist sehr regelmäßig gestalteten, kugeligen bis ellipsoiden Ballen von gewöhnlich ca. 5—50 w Durch- messer zusammengebacken, die als Sterkome bezeichnet werden. Sie können zu gewissen Zeiten in kolossalen Mengen im Weichkörper auf- gespeichert werden, während sie zu anderen Zeiten (namentlich zu Be- ginn der Fortpflanzung) in großer Zahl als „Fäkalballen“ nach außen entleert werden. Bei pelagischen Foraminiferen fehlen sie vollständig und auch bei benthonischen Formen fehlen sie bzw. verlieren sie sich D. IV. C. Defäkationsorganellen. 307 im Laufe einiger Zeit bei solchen Individuen, die nicht auf Schlickboden leben. Sie werden daher offenbar in der Hauptsache aus mit der Nahrung aufgenommenem Schlick gebildet. Nach ScHauvınn (1899) könnte ihre Aufspeicherung ein. Mittel zur Verfestigung des weichen Plasmas dar- stellen; außerdem aber macht derselbe auch darauf aufmerksam, daß durch die Anhäufung großer und fester Partikel in der Mitte des Plasmas die Oberfläche des Foraminiferenkörpers vergrößert und damit der durch diese erfolgende Gasaustausch und die Ernährung durch ÖOsmose er- leichtert wird, sowie ferner, daß es für schlammbewohnende Tiere vorteil- haft ist, wenn der Körper durch Aufnahme von Fremdkörpern schwerer wird; sie werden dann bei Strömungen nicht so leicht mit fortgerissen und sinken, wenn das doch geschieht, schneller wieder in ihr Nahrungs- gebiet zurück. Bei Peneroplis erfolgt die Bildung von Sterkomen im Gegensatz zu anderen Formen niemals innerhalb der Schale, aber nach der vorstehend geschilderten Defäkation entstehen den Sterkomen anderer Foraminiferen äußerlich ähnelnde Fäkalballen, wenn die Fora- minifere noch längere Zeit auf derselben Stelle verbleibt und hierbei die Pseudopodien zwecks Nahrungsaufnahme in Tätigkeit sind. Durch deren beständiges Vorwärts- und Rückwärtsfließen werden die einzelnen Fäkalhaufen mehr und mehr in sich zusammengepreßt und zu regel- mäßigen Ballen von rotations-ellipsoidaler Gestalt mit einem Längen- durchmesser von ca. 20—350 wu umgestaltet, deren mechanische Bildung - Winter (1907) den Gewöllen der Raubvögel vergleicht. Bei den Xenophyo- phoren (Fig. 39) finden sich den Sterkomen der Fo- SE raminiferen vergleichbare, meist dunkelbraun gefärbte und als Kotballen gedeutete Klumpen in großer Zahl in besonderen, durch verhält- nismäßig größeren Durchmes- ser ausgezeichneten röhren- förmigen Aesten (Sterko- maren) des stark ver- zweigten Weichkörpers (F.E. SCHULZE, vgl. Fig.40 aufS.27). Fig. 312. Nyctotherus mag- nus BEZZ. aus dem Enddarm von Rana hexadactyla. Linke Flächen- ansicht. Am Hinterende die hier sehr lange und senkrecht zur Fläche des Tieres stark abgeplattete After- röhre; vor dieser die kontraktile ! Vakuole. Von Nahrungsresten sieht S man im Plasma 5 Distomeneier und Ir ‚r ein geschrumpftes rotes Blutkörper- chen. Aus BEZZENBERGER 1904. Bei Flagellaten und Ciliaten erfolgt die Entleerung der unverdauten Nahrungsreste an bestimmten Stellen des Körpers, die freilich bei verschiedenen Formen sehr verschiedene Lage haben können. Meist findet sich die Afterstelle (Cytopyge) am Hinterende 20* 308 Protozoa. Max Lüse, oder doch in dessen Nähe (z. B. Colpoda, Fig. 158; Paramaecium, Fig. 109; Stylonychia, Fig. 302; vgl. ferner auch Fig. 59, 60, 61). Sie kann aber auch ganz ans Vorderende rücken, und zwar ist dies vor allem bei manchen festsitzenden Formen der Fall: Bei den Craspedomonaden liegt sie innerhalb des die Geißelbasis umgebenden Kragens (Fig. 285, d), bei Stentor und ähnlich auch bei Folliculina liegt sie links dicht hinter dem Peristomsaum und etwas vor der kon- traktilen Vakuole (Fig. 62), bei den Vorticelliden ist sie in das Vesti- bulum hineingerückt, wo sie ebenfalls nicht weit vor der Ausmündung der kontraktilen Vakuole gelegen ist (Fig. 311). In der Regel ist diese Afterstelle nur im Momente der Defäkation sichtbar als rundliche oder spaltartige Durchbrechung der Pellicula, die sich nach Entleerung der Exkremente wieder vollständig schließt. Bei einigen Infusorien ist sie aber durch eine röhrenförmige Ein- senkung der Körperoberfläche deutlicher gekennzeichnet (z. B. bei Nyctotherus, Fig. 312, und den Ophryoscoleciden). Diese Afterröhre ist, wenn ihre Umgebung, wie bei Nyctotherus, bewimpert ist, gleich- falls von Wimpern ausgekleidet und dokumentiert hierdurch ihre Zu- gehörigkeit zur Körperoberfläche, derart, daß die eigentliche, der- jenigen anderer Infusorien entsprechende ÖOytopyge an ihrem Grunde liegt. Bei Nyctotherus ergießt sich in sie auch der Inhalt der kon- traktilen Vakuole. V. Exkretorische und respiratorische Organellen. Exkretion und Respiration erfolgt bei den Protozoen im all- gemeinen auf der ganzen Körperoberfläche. Dabei wird vor allem die Respiration unterstützt und erleichtert durch das Spiel der ver- schiedenen motorischen und nutritiven Organellen, die immer neue Wasserteile zur Berührung mit dem Körper bringen (Pseudopodien, Undulipodien; Aufnahme von Wasser durch den Cytopharynx). Bei zahlreichen Protozoen sind jedoch besondere Organellen vor- handen, die speziell im Dienste der Exkretion und (durch Ausscheidung von Kohlensäure) auch der Atmung stehen: die pulsierenden oder kontraktilen Vakuolen. Es sind dies tropfenförmige Flüssig- keitsansammlungen, die sich meist (bei Mastigophoren und Infusorien immer) an bestimmten, wenn auch bei verschiedenen Arten sehr ver- schiedenen Stellen bilden, sich allmählich vergrößern und nach Er- reichung eines Größenmaximums durch Kontraktion des umgebenden, häufig etwas verdichteten Plasmas sich plötzlich nach außen entleeren. Nach dieser Entleerung bildet sich an der Stelle der verschwundenen eine neue Vakuole und so geht das Spiel in regelmäßigem Wechsel weiter. Das Vorkommen der pulsierenden Vakuole ist bei den Süß- wasserprotozoen ein fast allgemeines. Dagegen fehlt dieselbe den meisten marinen Protozoen, namentlich allen Foraminiferen, Radiolarien und Cystoflagellaten, sowie den marinen Euflagellaten (bei den Peridineen ist sie durch die sogenannte Pusule ersetzt, vel. S. 314—316). Bei der allmählichen Gewöhnung der Amoeba verrucosa an das Leben im Meerwasser (vgl. S. 451.) konstatierte Zueızer (1910) charak- teristische Veränderungen und schließliches Verschwinden der kontrak- tilen Vakuole, deren normales Spiel also offenbar wesentlich durch die D. V. Exkretorische und respiratorische Organellen. 309 osmotischen Verhältnisse im Süßwasser bedingt ist. Bei einem Salz- gehalt von ®/,0—?/, Proz. begannen die Pulsationen der kontraktilen Vahuole langsamer zu werden. Dauerndes Verschwinden derselben wurde zuerst bei einem Salzgehalt von ca. 11/, Proz. beobachtet, der durch lang- same Verdunstung einer die Amöben enthaltenden Mischung von 9 Teilen Süßwasser und 1 Teil Meerwasser im Laufe von 20 Tagen erreicht wurde. Wurde dann der Salzgehalt durch vorsichtigen tropfenweisen Zusatz von Süßwasser wieder allmählich herabgesetzt, so trat bereits nach 24 Stunden die pulsierende Vakuole wieder auf, „also erheblich schneller, als sie verschwunden war“ (der Konzentrationsgrad wird nicht angegeben). Zu- nächst war dieselbe freilich noch sehr klein und pulsierte nur langsam, aber regelmälig. Bei fortschreitender Aussüßung des Wassers ver- größerte sie sich dann aber, und zwar auch dies wieder „schneller als sie verschwunden war“. Bei dem marinen foraminiferenähnlichen Trichosphaerium: sieboldi beobachtete Scuaupınn (1899) an Stelle rasch pulsierender Vakuolen mehr oder weniger zahlreiche wasserklare Flüssigkeitsvakuolen, die ihre Gestalt und Größe langsam ändern, so langsam freilich, daß er die Vergrößerung oder Verkleinerung nur nach längeren Zwischenzeiten mit Hilfe des Zeichenprismas feststellen konnte. ScHaupınn hält es für möglich, daß diese Vakuolen derselben Aufgabe (Bewirkung des Wasser- wechsels im Plasma) dienen, wie sonst die rhythmisch pulsierenden Vakuolen. ‘Inwieweit etwa bei anderen marinen Protozoen ähnliche Verhältnisse vorliegen, ist nicht bekannt (vgl. aber S. 312). Ebenso fehlt die kontraktile Vakuole sehr vielen parasitischen Protozoen (den meisten endoparasitischen Flagellaten, allen Entamöben, Cnidosporidien und Sporozoen); unter den Infusorien ist sie dagegen auch bei den parasitischen Formen meist vorhanden, so daß ihr Fehlen bei Lienophora, den Opalinen und den Astomen Schultzellina, Cepe- della, Herpetophrya und Orchitophrya als Ausnahme erscheint. Ueber ein abweichendes Exkretionsorgan bei einigen Opalinen und dem parasitischen Pyenothrix siehe S. 316. Bei koloniebildenden Mastigophoren und Infusorien hat selbst- verständlich jedes Individuum seine eigene pulsierende Vakuole. Die Zahl der kontraktilen Vakuolen ist sehr verschieden. Als Regel kann die Einzahl gelten, doch gibt es hiervon viele Ausnahmen. Da nicht nur nahe Gattungen, sondern sogar verschiedene Arten einer Gattung (z. B. Balantidium mit teils 1, teils 2 und teils 4 Vakuolen) sich durch verschiedene Zahl von pulsierenden Vakuolen unter- scheiden, kommt diesem Merkmal keine größere Bedeutung zu. Wo mehrere pulsierende Vakuolen vorkommen, schwankt die Zahl oft sogar individuell. Einige Beispiele: Mehrere bis viele pulsierende Vakuolen finden sich unter anderem unter den Rhizopoden bei Difflugia, unter den Heliozoen bei Actinosphaerium, Raphidiophrys, Clathrulina. Unter den Mastigophoren scheint bei den Volvocales undÜhloro- monadinen die Zweizahl der Vakuolen vorzuherrschen, doch hat Volvox nur eine und Chlorogonium 12—16 Vakuolen; mehrere Vakuolen finden sich im allgemeinen auch bei den Chrysomonadinen und zwar sind auch hier meist 2 kontraktile Vakuolen vorhanden, ge- legentlich aber auch eine größere Zahl (z. B. 4—6 bei Microglena). 310 Protozoa. Max Lün, Unter den Wimperinfusorien kommen mehrere pulsierende Vakuolen bei Peritrichen und Hypotrichen anscheinend nirgends vor, bei Heterotrichen gelegentlich (z.B. Balantidium, Bursaria, Oycloposthium, das letztere mit 6 kontraktilen Vakuolen) und bei Holotrichen nicht selten (z. B. Paramaecium mit 2, einzelne Arten von Holophrya und Nassula mit mehreren, wenn auch wenigen, endlich Trachelius, Dileptus und Anoplophrya mit zahlreichen [bis zu 30] Vakuolen). Zahlreiche Vakuolen können scheinbar ordnungslos (z. B. Anoplophrya aegitnensis) oder in einer einzigen regelmäßigen, seitlich gelegenen Längsreihe (z. B Anoplophrya naidos u. a., Mesnilella, Rhizocaryum) oder endlich in zwei seitlichen Längsreihen angeordnet sein (z. B. Anoplophrya striata u. a., Hoplitophrya, Fig. 275). i Gar nicht selten ist das Vorkommen mehrerer bis vieler pulsierender Vakuolen bei den Suctorien, so z. B. innerhalb der Gattungen Toco- phrya und Dendrosoma. In manchen Fällen nimmt die Zahl der pulsierenden Vakuolen mit dem Wachstum zu. Bei Collinia (Anoplophrya autt.) branchiarum z. B. besitzen die kleinsten Exemplare nur eine hintere Vakuole, mit fortschreitendem Wachstum dagegen vermehrt sich deren Zahl bis auf 6, 7 oder noch mehr, die in einer Längsreihe längs eines Seitenrandes des Tieres angeordnet sind. Bei den von Chrxpe (1910) zur Familie der Discophryiden zu- sammengefaßten parasitischen (Astomen) Holotrichen findet sich statt pulsierender Vakuolen ein die ganze Länge des Tieres durchlaufender pulsierender Längskanal (Fig. 313). Derselbe besitzt eine größere Zahl in gleichen Zwischenräumen aufeinander folgender Ausmündungs- stellen und erweist sich hier- . durch als homolog den ganzen, in einer Reihe hintereinander gelegenen kontraktilen Va- kuolen anderer Astomen. Er bildet sich auch bei jeder Diastole neu durch Zusammen- fließen von zahlreichen einzelnen kleinen Vakuolen. Bh, Fig. 313. Haptophrya gigan- tea (MauPAs). A Gesamtbild, Ventral- ansicht, nach dem Leben. Vergr. 68:1. B Vorderende in Seitenansicht mit den von der Sauggrube ausstrahlenden, von CEPEDE als Myoneme bezeichneten Faserzügen. Vergr. 176:1. CO Ein Teil der Körperoberfläche in der Gegend einer Ausmündung des pul- sierenden Längskanales mit den in Längsreihen stehenden Wimperur- sprüngen. Vergr. 720:1. 2 pulsieren- der Längskanal, n Makronucleus, p Ausmündungsstellen des pulsierenden Längskanales, s Sauggrube.. Nach & CHPEDE 1910. Ueber die Lage der pulsierenden Vakuole im Körper läßt sich im allgemeinen nichts sagen, da sie zu sehr wechselt. Doch scheint sie, von den formveränderlichen Amöben natürlich abgesehen, bei D. V. Exkretorische und respiratorische Organellen. at einer und derselben Tierart fast überall bestimmt und konstant zu sein. Ueber Bau- und Formveränderung der pulsierenden Vakuole vgl. vor allem die Darstellung bei Amoeba und Para- maecium (S. 49 und 94-96). Pulsierende Vakuolen vom Typus derjenigen von Paramaecium, d. h. mit einem Hofe von regelmäßig radiär angeordneten, birnförmigen Bildungsvakuolen sind bei Flagellaten, Ciliaten und Suetorien weit verbreitet. In vielen anderen Fällen ist aber die Anordnung der Bildungsvakuolen nicht so sehr regelmäßig und ihre Form nicht so charakteristisch: einfache Tröpfchen im Umkreise des großen Tropfens (d. h. der pulsierenden Vakuole), die nach dessen Austritt oder Entleerung zur Bildung einer neuen kontraktilen Vakuole zusammenfließen. Anstatt der Bildungsvakuolen kommen bei manchen Ciliaten auch zuführende Kanäle in konstanter Lage vor. Unter den Heterotrichen besitzt Spirostomum einen einzigen solchen zuführenden Kanal, der den ganzen langgestreckten Körper von vorn bis hinten durchzieht bis zu der terminal gelegenen pulsierenden Vakuole. Indem sich dieser Kanal von vorn nach hinten verschließt, um sich nachher neu zu bilden, wird die in ihm enthaltene Flüssigkeit nach hinten getrieben, wo sie sich staut, bis sie, nach Entleerung der alten, zu einer neuen pulsierenden Vakuole wird. Anstatt des einen hat Climacostomum zwei solcher zuführender Kanäle. Auch Stentor (Fig. 62) hat zwei zuführende Kanäle: die pulsierende Vakuole liegt hier weit vorn links; von den zwei der Vakuole zustrebenden Kanälen kommt der eine von hinten, der andere vom Rande des Stirnfeldes, an dem er der adoralen Zone entlang läuft. Bei Urocentrum (holotrich) finden sich 4 zuführende Kanäle, die der terminal gelegenen kontraktilen Vakuole zustreben. Bei Frontonia leucas ziehen von allen Seiten etwa 10 lange geschlängelte zuführende Kanäle nach der rechts in der Mitte der Körperlänge gelegenen pul- sierenden Vakuole, Bei Ophryoglena nimmt die Zahl derselben noch mehr zu, wobei sie sich aber verkürzen, so daß der ganze Apparat schließlich wieder an die Verhältnisse bei Paramaecium erinnert. Die Pulsationsfrequenz der kontraktilen Vakuolen ist äußerst verschieden. Das Zeitintervall zwischen zwei aufeinander folgenden Entleerungen beträgt bei Chilodon cucullulus nach RossBAcH (1872) je nach der Temperatur 4—9 Sekunden, bei Spirostomum teres nach STEIN (1867) bei Zimmertemperatur ca. 30—40 Minuten und zwischen diesen Extremen kommen alle Uebergänge vor. Daß Temperaturerhöhung bis zu einer gewissen optimalen Grenze be- schleunigend wirkt, wurde schon auf S. 96 bei der Besprechung von Paramaecium betont. Bei Euglena beobachtete Kress als Intervall zwischen zwei Ent- leerungen bei 18—20° © 30 Sekunden, bei 32°C (dem Optimum) 22 Se- kunden, darüber hinaus wieder Abnahme und bei 42°C wieder 30 Se- kunden, bei 48—50°C Stillstand. Bei Vorticellen fand OsSTERMANN (1903) bei 5°C alle 58—60, bei 14°C alle 22—24 und bei 25°C alle 8 Sekunden eine Entleerung. Für einige andere Infusorien stellt Kanırz (1907) folgende Zahlen zusammen, zum Beweise, daß für ein etwa 20-gradiges Temperaturintervall eine Temperatursteigerung von 10° die Pulsfrequenz nahezu verdoppele: 312 Protozoa. Max Lünu, 3°C 5.01 ROH ICH OLE TE Euplotes charon — 615Sek. — — 488Sek. — Stylonychia pustulata _ 18 3, — — 14, — Chilodon eucullulus -- u — 7 Sek. -- — Glaucoma colpidium 110 Sek. — 50Sek. 30 „ — 19 Sek. 20°C 2400 25°C 272.0 30°C Euplotes charon 28 Sek. 23,5 Sek. — E= 23 Sek. Stylonychia pustulata 6 „ u E— 4 Sek. 4 „ Chilodon cucullulus 4 „ — 4 Sek. u — Glaucoma colpidium — _ — 6,5 Sek. 5,5 Sek. Soweit marine Protozoen überhaupt kontraktile Vakuolen be- sitzen (Infusorien), ist deren Pulsation anscheinend stets eine sehr lang- same, wesentlich langsamer als bei den meisten Süßwasserprotozoen. Während bei diesen das Intervall zwischen zwei Entleerungen nur selten 1 Minute überschreitet und meist erheblich unter dieser Grenze bleibt (vgl. die vorstehenden Zahlen), ermittelte beispielsweise MaurAas das Ent- leerungsintervall bei den marinen Infusorien Lagynus crassicollis zu 2 Minuten, Acineria incurvata zu 6—12 Minuten und Crypto- chilum echini (Parasit eines Seeigels!) zu 20 Minuten (sämtlich bei Zimmertemperatur). Daß hierbei die Konzentration des Mediums verzögernd wirkt, geht aus Versuchen hervor, die Degen (1905) mit dem Süßwasserinfusor Glaucoma colpidium angestellt hat. Als Beispiel sei angeführt, daß bei Zusatz von NaCl zum Wasser sich bei Zimmer- temperatur im Mittel der Einzelbeobachtungen nachstehende Entleerungs- intervalle ergaben: Bei einer Konzentration von 0,0025 Mol. im Liter 21,5 Sekunden ” ” ” ” 0,0050 2 ” ” 30,9 ”„ ” ” ” ” 0,0075 ” ” rR} 41,4 ” 0,0100 1160. 6, ” ” ” ” ” ” ” Vgl. hierzu auch die Versuche mit Amöben auf S. 3081. Bei der ungewöhnlich langsam pulsierenden Vakuole von Spiro- stomum teres erfolgt nach Ste (1867) die Entleerung erst eine Viertelstunde oder noch später, nachdem die Vakuole im Verlaufe von ebenfalls 15—-20 Minuten ihre größte Ausdehnung erreicht hat. Die Entleerung der Vakuole erfolgt in der Regel durch ein- fachen Durchbruch nach außen (vgl. bei Amoeba und Paramaecium, Ss. 49 und 94f.). Bei Infusorien wird jedoch meist im Gegensatz zu Amöben und Flagellaten das Vorkommen eines ständigen Exkre- tionsporus angenommen. In einzelnen Fällen erfolgt die Entleerung nicht direkt nach außen. Bei Nyctotherus entleert sich die Vakuole in die Afterröhre und besonders eigentümliche Mündungsverhältnisse, die eine besondere Besprechung erheischen, finden sich bei den Vor- ticelliden und einigen Flagellaten (Thaumatomastix und Euglenoideen). Während Desen (1905) bei Glaucoma colpidium und Kuaımsky bei Paramaecium die herrschende Annahme von dem Vorhandensein eines ständigen Exkretionsporus nicht bestätigen konnten, ist ein solcher bei anderen Infusorien auch von neueren Untersuchern gefunden worden D. V. Exkretorische und respiratorische Organellen. 313 (HAmBURGER 1903 bei Trachelius ovum, Scnröper 1906 bei OCampanella umbellaria, vgl. Fig. 314, Corum 1912 bei Suctorien, vgl. Fig. 345). Hierbei bleibt zunächst freilich noch unerklärt, wie die Dehnung der Vakuole während der Diastole möglich ist und zustande kommt, ohne daß die sich ansammelnde Flüssigkeit sofort durch den Exkretionsporus nach außen abfließt (vgl. hierzu auch nachstehend den Mechanismus des Vakuolenspieles). BürschLı nahm seinerzeit bei den Infusorien eine plasmatische „Verschlußlamelle“ des Exkretionsporus an, die bei der Entleerung der Vakuole einreißt, derart, daß der ‚Porus“ keine dauernd persistierende Oeffnung, sondern nur eine grubige Einsenkung der Ober- fläche darstellt, im wesentlichen also ähnlich wie dies jetzt Knaımsky für Paramaecium genauer geschildert hat. Bei den Vorticelliden entleert sich die Vakuole in das Vesti- bulum (vgl. S. 298), aber meist auch noch nicht direkt, sondern zunächst. in ein sogenanntes Reservoir (Fig.63, R), einen blasenartigen Anhang des Vestibulums, der als sack- bis beutelförmige Ausstülpung der ur- sprünglichen Einmündungsstelle der Vakuole aufgefaßt werden kann. Dieses einer Harnblase vergleichbare Reservoir ist im Gegensatz zu der Vakuole von einer eigenen festeren Wandung ausgekleidet, im übrigen aber bei verschiedenen Arten verschieden ent- wickelt; einigen scheint es zu fehlen und bei Campanella ist es durch zwei festwan- dige Entleerungskanäle der Vakuole ersetzt (Fig. 314). Fig. 314. Fig. 315. Fig. 314. Campanella umbellaria (L.). Querschnitt durch die Vestibulargegend mit der kontraktilen Vakuole. Cv kontraktile Vakuole, KK Entleerungskanäle derselben, V Querschnitt des Vestibulum. Nach SCHRÖDER 1906 aus DOFLEIN. Fig. 315. Notosolenus apocamptus STORES. Aus dem Süßwasser. Ventral- ansicht. n Kern, v kontraktile Vakuole. Vergr. 2000:1. Nach SEnN 1911. Bei Thaumatomastix findet sich am Vorderende ein kleines Reservoir in Form einer gedrungen-birnförmigen Einsenkung und jeder- seits neben diesem liegt eine kontraktile Vakuole; beide Vakuolen ent- leeren sich abwechselnd in das Reservoir. Bei den Euglenoideen erfolgt die Entleerung der meist in der Einzahl vorhandenen Vakuole in ein ähnliches Reservoir, das jedoch im Vergleich zu Thaumatomastix stärker entwickelt und vor' allem mehr in die Tiefe gerückt ist, so daß seine Ausmündung am Vorderende des Körpers häufig durch einen langen feinen Ausfuhrkanal vermittelt wird (vgl. Fig. 315 und 288, sowie auch Fig. 18). Den Mechanismus des Vakuolenspieles hat DEGEN (1905) aufzuklären gesucht, indem er die kontraktile Vakuole als einen Teil eines rein osmotischen Systems betrachtet. 314 Protozoa. Max Lüns, Da jedenfalls das Protoplasma der Süßwasserprotozoen eine höhere osmotische Konzentration besitzt, als das umgebende Wasser, so muß es einem ständigen Einströmen von Wasser unterliegen. Nimmt man nun mit Degen an, daß der Inhalt der kontraktilen Vakuole infolge der An- wesenheit von Exkretstoffen wieder eine höhere osmotische Konzentration besitzt als das Protoplasma, so muß auch ständig Wasser aus dem Proto- plasma in die Vakuole strömen, bis diese so stark gefüllt ist, daß die sie vom Außenmedium trennende dünne Plasmaschicht (die Verschluß- lamelle BürscHuıs) reißt. In demselben Augenblick, in dem hierdurch der Vakuolentropfen in direkten Kontakt mit dem umgebenden Medium kommt, muß er nach BürscHLı wegen seiner großen Oberflächenspannung von dem umgebenden Medium aufgesogen werden. Nach dieser Auf- fassung wird die osmotische Wirksamkeit der Exkretstoffe, die bei endo- .parasitischen und marinen, in mehr oder minder isotonischen Medien lebenden Protozoen an nicht nachweislich differenzierten Stellen der Körperoberfläche abgeschieden werden, bei den freilebenden Süßwasser- protozoen dazu „ausgenützt, um den Organismus vor der Zerstörung durch das Wasser zu bewahren‘ (Burıan 1910). Daß das Spiel der kontraktilen Vakuole nichts mit Kontraktions- erscheinungen zu tun hat, geht auch aus der Tatsache hervor, daß elek- trische Reizung dieses Spiel nicht beeinflußt. Die Funktion der kontraktilen Vakuole steht zweifellos in Beziehung zum Stoffwechsel der Protozoen. Ueber die Natur der durch sie entleerten Stoffe liegen bisher aber kaum Beobachtungen vor. Sicher ist die Vakuole das Hauptausscheidungsorganell für den Wasserwechsel, derart, daß Pürter (1911) die durch sie entleerten und aus Größe und Pulsationsfrequenz zu berechnenden Wassermengen direkt gleichsetzt den von dem Protozoon aufgenommenen Wassermengen (bei Paramaecium bis zu 16,4 ccm, bei Stylonychia bis zu 30,9 ccm pro Quadratmeter Oberfläche und Stunde). Ein leichter verständliches Maß für den Wasserwechsel hat MAurAs benutzt, indem er berechnete, binnen welcher Zeit ein dem Körpervolumen des Infusors gleiches‘ Wasser- quantum durch die Vakuole entleert wird. Es sind dies bei Uronema nigricans bei 28°C. 2 Min. „ TLembus pusillus „ ‚26.00.7725 Min 224 Sek: ‚„, Euplotes patella „ 25° C. 14 Min. 16 Sek. „ Stylonychia pustulata ,„ 24° C. 20 Min. 28 Sek. Ki 5 mytilus „ 18°C. 45Min. „ Paramaecium aurelia , 27°C. 46 Min. Unter den in dem entleerten Wasser enthaltenen Stoffen findet sich wahrscheinlich, wie bereits oben erwähnt, Kohlensäure. Deren An- wesenheit würde auch bereits zur Erklärung der vorstehend angenommenen osmotischen Wirkung genügen. Sie würde es auch erklären, daß die kontraktile Vakuole von Amöben bei Zusatz von etwas Alaunhämato- xylin zum umgebenden Wasser sich braun färbt (Branpr). Vermutlich aber ist trotzdem die Kohlensäure nicht das einzige durch die Vakuole entleerte Exkret. Mit den kontraktilen Vakuolen werden in der Regel auch die Pusulen der Dinoflagellaten verglichen, ganz bestimmt ge- formte und an ganz bestimmten Orten lokalisierte Organellen, deren D. V. Exkretorische und respiratorische Organellen. 315 Form, Größe und Lagerung bei verschiedenen Gattungen und Arten verschieden, für jede aber charakteristisch ist und die in zwei ver- schiedenen Formen nebeneinander vorkommen. Die Sammelpusule (Fig. 316, 6) erinnert in der Tat etwas an die pulsierende Vakuole der Euglenoideen; sie mündet mit besonderem Ausführungsgang in der Nähe der Geißelbasis und ist von einem Hofe zahlreicher kleiner Tochtervakuolen (Bildungsvakuolen) umgeben, die mit ihr durch kurze Stielchen (wohl Ausführungskanälchen) zusammenhängen. Die Sackpusule (Fig. 316, 1-3; Fig. 231, P) ist wesentlich größer, nimmt einen großen Teil des Innern des Organismus ein und scheint in ihrer Form in der Regel Beziehungen zur Form des ganzen Flagellaten aufzuweisen. Auch sie mündet mit Hilfe eines oft nur engen Ausführungsganges in die Geißelspalte aus. Bi nn --- Fig. 316. Fig. 317. Fig. 316. Peridinium michaelis EHREBG., marin, linke Seitenansicht. 1—3 Sackpusule, und zwar / linker Sack, 2 rechter Sack, 3 Verbindungsstück derselben, 4 Kern, 5 Tochtervakuolen der Sammelpusule, 6 Sammelpusule, 7 Ausführungsgang derselben, 8 Ausführungsgang der Sackpusule. Vergr. 300:1. Nach ScHürr 1892. Fig. 317. Kleines einkerniges (Frühjahrs-)JExemplar von Opalina intestinalis STEIN mit dem sogenannten Exkretionsorgan, das sich um den dunkel gezeichneten Kern herumwindet. Aus METCALF 1907. Schürr hat ein gelegentliches Größer- und Kleinerwerden dieser Pusulen beobachtet; ein regelmäßiges periodisches Wachsen und Ab- nehmen, ein typisches Pulsieren hat er aber nicht wahrnehmen können. Außerdem unterscheiden sich die Pusulen von den kontraktilen Vakuolen auch noch durch den Besitz einer derben, deutlich sichtbaren Wandung, während für die pulsierenden Vakuolen das Fehlen der Differenzierung einer Wandung besonders charakteristisch ist (vgl. S. 94 u. 313). Hiernach . ist es wahrscheinlich, daß auch ihre Funktion eine andere ist wie die der echten pulsierenden Vakuolen. Schürr nimmt an, daß sie eine mehr oder minder wichtige, sei es aktive, sei es passive Rolle im Stoffwechsel spielen, indem sie als Behälter von in Wasser gelösten Stoffwechsel- 316 Protozoa. Max Lüu, produkten dienen, daß sie aber außerdem auch noch die Funktion haben, als hydrostatische Organe das Schwebvermögen der Dinoflagellaten zu erhalten und zu regulieren. Gehören diese doch zu den typischen Planktonorganismen und vollführen sie doch auch gleich anderen Plankton- organismen mehr oder weniger regelmäßige vertikale Wanderungen. Ferner sind hier auch noch eigenartige kanalförmige Or- ganellen anzuführen, die METcCALF (1907 und 1909) bzw. SCHUBOTZ (1908) bei gewissen Opalinen und bei dem merkwürdigen para- sitischen Holotrichen Pyenothrix monocystoides gefunden und als Exkretionsorganellen gedeutet haben. 1. Bei Opalina handelt es sich um einen sehr unregelmäßig ge- stalteten, mitunter von einer Reihe aneinanderstoßender Vakuolen ge- bildeten Kanal ohne eigene Wandung, der vom Hinterende aus mehr oder weniger weit nach vorn, mitunter bis nahezu ans Vorderende zieht (Fig. 317), ungefähr in der Achse des Körpers und jedenfalls stets völlig innerhalb des Endoplasmas. Er wurde nur bei einem Teil der in unseren mitteleuropäischen Amphibien schmarotzenden Opalinen gefunden und auch nur bei solchen, die rundlichen oder ovalen Quer- schnitt haben, nie z. B. bei der plattenförmig abgeflachten O. ranarum. Außer bei zweikernigen Arten wie O. intestinalis und O. caudata zeigte er sich namentlich bei kleinen ein- bis zweikernigen Stadien ' von O. dimidiata, die im Frühjahr im Darm der Kaulquappen auftreten. Bei zweikernigen Formen windet er sich meist zwischen den Kernen hindurch, bei einkernigen umschlinst er häufig den Kern (Fig. 317). Seine Deutung ist noch durchaus problematisch. MercArr sah gelegentlich aus ihm am Hinterende des Tieres Körnchen oder Protoplasma-Tröpfehen austreten, die dort oft an den Cilien haften blieben und das betreffende Tier auch oft mit einem anderen oder mit irgendeinem Fremdkörper ziemlich fest verklebten. Kontraktionen, die diese „Exkretion“ bewirkten, wurden aber kaum beobachtet und müssen daher, wenn überhaupt, so selten und unregelmäßig erfolgen, daß man von einem Rhythmus nicht mehr sprechen kann. Ein Vergleich mit dem pulsierenden Längskanal der Discophryiden (vgl. S. 310) ist außerdem auch schon deshalb unzulässig, weil dieser wie die pulsierenden Vakuolen aller anderen Infusorien oberflächlich liegt und dem Corticalplasma zuzurechnen ist. Vielleicht handelt es sich nur um eine vakuoläre Degenerationserscheinung unter dem Einflusse der veränderten osmotischen Verhältnisse in dem unnatürlichen (vermutlich etwas hypotonischen) Medium, in dem die Parasiten untersucht wurden (physiologische Kochsalzlösung oder Lockezs Flüssigkeit!), in denen die Opalinen bei Zusatz von etwas Rectuminhalt des Wirtes bis zu 9 Tagen am Leben blieben). Für diese Deutung scheinen mir auch die von MercAur häufig neben und an Stelle des fraglichen Kanales beobachteten perinukleären Vakuolen zu sprechen. 2. Ein spezifisches, im Dienste des Stoffwechsels stehendes Organellen- system liegt dagegen offenbar bei Pycnothrix monocystoides vor, einem sehr merkwürdigen, bereits auf S. 289 erwähnten Infusor, das im Dünndarm des südafrikanischen Klippdachses lebt und, wohl im Zu- sammenhang mit seiner beträchtlichen Größe — es wird über 3 mm lang — eine sonst unter den Holotrichen nicht erreichte Organisations- 1) Caleiumchlorid 0,07, Kaliumchlorid 0,01, Natriumchlorid 0,06, Natriumbikarbonat 0,01—0,03, Aqua destillata 100. D. V. Exkretorische und respiratorische Organellen. 317 höhe aufweist. Bei ihm wird der völlige Mangel kontraktiler Vakuolen anscheinend aufgehoben durch ein eigentümliches, meist sehr deutlich hervortretendes Kanalsystem, das nur selten und nur bei in Teilung begriffenen Tieren vermißt wurde, sich in seiner ganzen Ausdehnung auf das Endoplasma beschränkt und von ScHuzorz (1908) für ein Ex- kretionsorganell gehalten wird. Von einer etwa an der Grenze des zweiten und letzten Körperdrittels gelegenen präformierten Oeffnung er- streckt es sich, anfangs einheitlich, dann sich verzweigend, nach vorn (Fig. 318). Das Lumen der Kanäle nimmt hierbei nicht stetig ab, sondern wird in unregelmäßiger Weise bald enger, bald schwillt es zu ansehnlicher Weite an. Nach hinten vom Porus biegt nur selten ein kurzer Kanal vom Hauptstamm ab. Der Inhalt dieses Kanalsystems ist meist spärlich und erscheint „körnelig und schwach plasmatisch gefärbt“ ; häufig sind „gelbe Exkremente“ in ihm er- kennbar, die Schugorz für exkretorische Produkte hält. Auf Schnitten überzeugt man sich, daß die Kanäle eine eigene doppelt konturierte Wand besitzen. Der Hauptkanal ist bewimpert (Fig. 319) und entspricht offenbar der Afterröhre anderer Ciliaten (vgl. S. 308). Eis 318. Fig. 319. Fig. 318. Pyenothrix monocystoides SCHUBOTZ aus dem Dünndarm von Hyrax capensis PALL., ca. 2,2—3,2 mm lang. ec Ektoplasma (ca. 50 u dick und in regelmäßiger Verteilung zahlreiche, ca. 8 p. große rundliche Bläschen enthaltend), en Endo- plasma, %k Kanalsystem, ma Großkern, mi Kleinkern, n zwei parasitische Nematoden im Endoplasma, » Mündung des Kanalsystems, w Wimperfurche. Vergr. ca. 31:1. Nach SCHUBOTZ 1908. Fig. 319. Pycnothrix monocystoides SCHUBOoTZ. Längsschnitt durch die den Mündungsabsehnitt des Kanalsystems darstellende Afterröhre. Vergr. ca. 240:1. Nach SCHUBOTZ 1908. Schließlich sind hier auch noch die „Exkretkörner“ anzu- führen, kristallinische Einschlüsse, die sich nicht selten im Plasma der Protozoen finden und allem Anschein nach gespeicherte End- 518 Protozoa. Max Lünr, produkte des Stoffwechsels darstellen, im übrigen aber noch weiterer Aufklärung bedürfen. Raumster (1883) glaubte bei Stylonychia den Nachweis erbracht zu haben, daß sie aus Harnsäure bestehen. Auch GrirritH (1889) will durch zahlreiche Versuche Harnsäure als Exkretionsprodukt von Amöben, Vorticellen und Paramäcien erkannt haben. ScHkwIAKorr (1894) ver- mochte dagegen diese bestimmt lautenden Angaben nicht zu bestätigen und meint, daß die Exkretkörner von Paramaecium zum größten Teil aus phosphorsaurem Kalk bestehen (vgl. im übrigen S. 103). Im Anschluß an diese Exkretkörner kann auch noch angeführt werden, daß im Plasma von Infusorien, die in schwefelwasserstoffhaltigen Gewässern leben, Ablagerungen von Schwefel in Form dunkler Körnchen auftreten. VI. Empfindungsorganellen, die ganz oder vorzugsweise einer bestimmten Sinnesfunktion dienen, sind bei den Protozoen sehr wenig verbreitet, immerhin kommen bei manchen Formen besondere Tastorganellen oder Augenflecken vor. 1. Tastorganellen. Im allgemeinen dürften die frei hervor- ragenden Bewegungsorganellen sowie die Organellen für die Nahrungs- aufnahme der Sitz einer erhöhten, wenn auch meist noch nicht spezifischen Reizbarkeit sein. Daß speziell die Pseudopodien und Undulipodien neben ihrer motorischen Funktion unter anderem auch dem Tastsinn dienen, ist durch manche Beobachtungen sichergestellt, und wo sich besondere Tastorganellen nachweisen lassen, sind diese nichts anderes als spezialisierte Bewegungsorganellen. a) Geißeln als spezifische Tastorganellen finden sich bei den Rhizomastiginen. Speziell bei Mastigella und Mastigina spielt nach Gorpscaumipr (1907) die Geißel für die Bewegung des Tieres „überhaupt keine Rolle“, während ihr ständiges Hin- und Hertasten bei der amö- boiden Vorwärtsbewegung auf eine Funktion als Tastorganelle hinweist. b) Auf Wimpern zurückzuführende Tastorganellen in Form un- beweglicher Tastborsten sind bei Wimper-Infusorien nicht allzuselten. Sie finden sich hier zerstreut zwischen den übrigen Cilien oder angehäuft an besonderen Stellen, besonders häufig in der Umgebung des Vorder- endes oder am Hinterende; bei den Hypotrichen sind alle auf der Rückenfläche stehenden Cilien als Tastborsten entwickelt (Fig. 244). Wo Tastborsten zwischen anderen Cilien stehen, ragen sie meist über diese hervor. Berührung der Tastborsten hat eine plötzliche heftige . Bewegung des ganzen Infusors zur Folge. Daß es sich bei ihnen um modifizierte Cilien handelt, geht außer aus ihrem Bau (vgl. S. 239) auch aus ihrer Entwickelung hervor. Bei den Hypotrichen treten die Tastborsten nämlich zunächst als „kleine cilienähnliche, sich lebhaft bewegende Wimpergebilde“ hervor, und „erst während ihrer späteren Entwickelung, wenn sie ihre definitive Länge beinahe erreicht haben und auseinander rücken, werden sie steif und starr“ (WALLEnGReEN 1901). Bei Stentor coeruleus scheinen die Tastborsten nach Jounson (1893) gewisser- maßen noch ein Uebergangsstadium von echten Cilien zu echten Tast- borsten darzustellen, da sie häufig noch cilienartig bewegt werden, um dann plötzlich wieder als starre Tastborsten zu erscheinen. D. VI. Empfindungsorganellen. 319 c) Als Tastpseudopod bezeichnet SıepLeckı (1901) ein eigen- artiges Organell der frei im Darm ihres Wirtes lebenden Lankesteria ascidiae, welches durch eine am vorderen Körperende befindliche kleine, scharf begrenzte Oeffnung in der Cuticula in Form eines kleinen Pseudopods durch Kontraktion des vorderen Körperabschnittes passiv hervorgepreßt wird. Es besteht aus hyalinem, keine feinere Struktur aufweisendem Protoplasma und wird vielfach, namentlich bei der Vor- wärtsbewegung der Gregarine, weit hervorgestülpt, um auf einen Be- rührungsreiz hin langsam wieder zurückgezogen zu werden. Zur Auf- nahme fester Nahrung wird es nie benutzt. Wohl aber dient es der Gregarine noch zur Anheftung am Darmepithel (Fig. 320). Tastorganellen sind nach ScHAuDInNn (1899) offenbar auch die fingerförmigen Pseudopodien von Trichosphaerium (Fig. 25,5), die bei einer Dicke von 8 u bis 90 w lang werden. Dieselben führen fortwährend drehende und tastende Bewegungen aus, spielen aber im Gegensatz zu den Pseudo- podien anderer Sarcodinen weder bei der Ortsbewegung noch bei der Nahrungsaufnahme eine Rolle. Die erstere erfolgt durch äußerst fr Fig. 320. Lankesteria ascidiae (LANk.). A Erwachsene freie Darmgrega- rine; das Tastpseudopod am Vorderende nur wenig hervortretend.. B Ein anderes Exemplar, das sich mit seinem Tastpseudo- pod oberflächlich an dem Darmepithel des Wirtes (Ciona intestinalis) angeheftet hat; die Epithelzelle, an der die Anheftung 1 erfolgte, ist atrophiert. Nach SIEDLECKI ar 1901 aus DOFLEIN. A B langsames breites Vorwärtsfließen des Plasmas, das sich nur durch langsame Gestaltsveränderungen des Körpers dokumentiert und während dessen sämtliche Pseudopodien sich ungestört weiter drehen. Die Nahrungsaufnahme aber erfolgt ebenfalls ohne irgendwelche Beeinflussung der tastenden Pseudopodien derart, daß ein Fremdkörper, auf den das Tier bei seinen Wanderungen stößt, zwischen den Stäbchen an der klebrigen Gallerthülle kleben bleibt und das Trichosphaerium sich lang- sam über ihn hinüberwälzt und ihn so schließlich durch die Gallerthülle hindurch in sein Plasma hineinpreßt. 2. Augenflecken (Stigmata) finden sich bei manchen Eu- glenoideen (Fig. 18 A, 3 auf S. 16), Chrysomonadinen (Fig. 15, 7 auf S. 15), Volvocales (Fig. 19 auf S. 17) und Dinoflagellaten. Sie liegen stets in der Nähe des Vorderendes und fallen leicht auf durch die Anhäufung roten, schwarzroten oder schwarzen Pigmentes, dem sich nur in vereinzelten Fällen (vgl. Fig. 322) noch eine „Linse“ als lichtbrechendes Organell beigesellt. Den feineren Bau des Augenfleckes haben Wacer (1899) und Hau- BURGER (1911) bei Euglena untersucht. Er wird hier von roten 320 Protozoa. Max Lünr, Pigmentkörnchen gebildet, die in einfacher Schicht in einer gewölbten, dorsal und seitlich vom Trichter gelegenen Fläche angeordnet sind (Fig. 321). Das von Franck (1893) für Euglena sowohl wie auch für zahlreiche andere Flagellaten behauptete Vorkommen von stark licht- brechenden „Kristall- und Linsenkörpern“, die bei Euglenoideen aus Paramylum, bei den Phytoflagellaten (Volvocales) aus Amylum bestehen sollten, konnten neuere Untersucher nicht bestätigen. Dagegen scheint bei Euglena und verwandten Arten (wie z. B. Eutreptia) ein physio- ‘ logischer Zusammenhang zwischen der Pigmentanhäufung und der ihr benachbarten, bereits auf S. 234 erwähnten Verdickung der Geißelwurzel zu bestehen. WAGER nimmt an, daß durch Vermittlung des Pigmentes die Lichtstrahlen in irgendeiner Weise eine Reizwirkung auf jene Geißel- verdickung ausüben, die zu einer Veränderung der Geißelbewegung und damit auch zu den als Reaktion auf Belichtung auftretenden Aenderungen der Bewegungsrichtung!) des Flagellaten führt. Eine solche Funktion des Stigmas ist um so leichter vorstellbar, als der Pig- mentschirm es bedingt, daß Licht- strahlen die Geißelverdickung, in ‚ der die reizbare Stelle vermutet wird, nur von einer Seite treffen können. Nicht unwahr- scheinlich ist, daß die Pigment- ansammlung der Stigmata außer der Licht- auch der Wärme- empfindung dient. Fig. 321. Fig. 322. Fig. 321. WVorderende von Euglena ehrenbergi Kress. S Augenfleck, T Trichter. Nach HAMBURGER 1911, etwas verändert. Vgl. auch Fig. 236. Fig. 322. A Pouchetia cornuta ScHürrt. Ventralansichtt nach dem Leben. 1 Plasmahaut, die die Linse des Stigma überzieht, 2 Linse, 3 Pigmentkörper des Stigma, 4 Längsgeißel. Vergr. 430:1. B Stigma von Pouchetia juno SCHÜTT, von einem unter dem Deckglas erkrankenden Tier. 2 Linse, 3 Pigmentkörper. Nach ScHüTrT 1895. Das Stigma der Chrysomonadinen liegt im Gegensatz zu dem der Euglenoideen dem Ohromatophor an (vgl. z. B. Fig. 15, D). Bei den Volvocales ist die diesbezügliche Lage wechselnd, z. B. am Vorderende ‘dem Ohromatophor anliegend bei Chlamydomonas (Fig. 19), zentral in allseitig maximaler Entfernung von dem ringförmigen Chromatophor bei denı nahe verwandten Mesostigma, 1) Euglena ist schwachem Licht gegenüber positiv, starkem Licht gegenüber dagegen negativ heliotropisch. ö Professor ‚an der Universi >. Teil I: Die E Sehlusse, des A (VI, 295 12 Mit 2 all und 13 un ira Bon ge Ha en eokten Ya Siegf BERN Zu Leipzig a, a 4 tet. | AHERF* 1 Rs KR \ begrinek von Dr. Bun ER, heraus- gegeben von Dr. ae Berlin und r Dr. 8. von Prom 7 Das. Archiv. ii N ist eine rein wissenschaftliche Zeitschrift, mer mehr ausdehnenden Gebietes der Einzelligen in htigt und daher den Zoologen und Botaniker, den n Änatomen und Physiologen, den Pathologen und > angeht. rotistenkunde bringt in erster Linie Original- lle Gruppen der Protophyten und Protozoen, von den orien, soweit sie die Biologie dieser Organismen fördern. über das Gebiet zu erleichtern und die Wechselbeziehungen re lenen Zweigen der Protistenforschung zu pflegen, werden in i an nden Teil a ro na RE und Literatur- ee! von er Hofe Feder gegeben. n‘ he | San and. Prötistenktinde erscheint in zwanglosen Heften; je 3 Hefte A se Preifeines Be kat \: Bd. 14—15: Preis eines Bandes: un, Ba, 16: 32 Mk.; Bd. 17: 29 Mk. = Ba. 21: 20 Mike Ba’ 22: 3 De ae A 2: B. N N DM Silk, Ba. 28:34Mk.;Bd.29:31Mk. a für Band 1—29: 778 Mark, 1 _ Festband zum 2 jährigen Professoren-Jubiläum des Herrn Dr. ir Hertwig. Mit 19 Tafeln und 56 Textfi . Bd nn.) x s: 207 Ye A, Von Eugen Neresheimer. ee, und der a ig: über vegetative, degenerative und n HE Von Sara A 0 F E Mit 3 Tafeln rt schichte B 1-29 und a Are sein 1 (102-1910) zusammen- s: 5 Mark. a Paul Brnkdin, n Privatdozent an der Universität nten den der Hemipteren. Mit 12 Tafeln druck aus ra für Protistenkunde er von Dr. M. Hartmann eh 9 Preis; 18 ba Yon Dr. ph i Ba tr Von 5 = Bd. %. ' { preis is: © ian Til: Dr Hort 1) Sehe Preis: Ama mit Rs ee < ee Orhan age) ea Asilidae. j RL TN FRATICHNRDEIUN 1 WEWIRADSHIREIAG HANDBUCH. _ MORPHOLOGIE DER WIRBELLOSEN TIERE BEARBEITET VON “ Dr. CARL BÖRNER, Naumburg a.S.; Prof. E. BUGNION, Blonay s. Vevey; Dr. MARIE DAIBER, Zürich; Prof. W. GIESBRECHT 7, Neapel; Prof. E. A. GÖLDI #, Bern ; Prof. VALENTIN HAECKER, Hallea.S.; Prof. KARL HESCHELER, Zürich; Prof. ARNOLD LANG +, Zürich; Prof. M. LÜHE #, „ Königsberg; Prof. o. MAAS 7, München; Dr. S. TSCHULOK, Zürich und Prof. J. WILHELMI, Berlin-Dahlem HERAUSGEGEBEN VON ” ARNOLD LANG + ZÜRICH FORTGEFÜHRT. VON KARL HESCHELER . ZÜRICH ZWEITE BEZW. DRITTE AUFLAGE VON ARNOLD LANG’S LEHRBUCH DER VERGLEICHENDEN ANATOMIE DER WIRBELLOSEN TIERE. ERSTER BAND. PROTOZOA Dritte Lieferung Mit 68 Abbildungen im Text (Inhalt umstehend) | JENA EEE VERLAG VON GUSTAV FISCHER i 1921 E / REDE DIR ESSEN DEE, | EUTS SO IR Ba de NUR MA EN RR ER eh IADt au TRUE > Handbuch der Mrptoie der wirbellosen Tiere. Fe Ale Herausgegeben von Sa. Fortgeführt von a Arnold Lang 7 Karl Hescheler Zürich Zürich - Lieferung 10. Erster Band: Protozoa. Dritte Lieferung. Inhalt: Protozoa (Urtiere). Von Prof. Max Lühe, Königsberg i. Pr. (S. 321—416; Abbild. 323—391.) Das Handbuch der Morphologie soll in 6 Bänden erscheinen. Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen. Einteilung des Werkes. Band I: Protozoa. Bearbeitet von Prof, Max Lühe } in Königsberg. (erschienen bis Seite 416 [Bd. I, Lfg. 1—3]). Band IH: Metazoen. Bearbeitet von Dr, S. Tschulok in Zürich, Prof. Val. Haecker in Halle a. S., Prof. Arnold Lang 7 in Zürich. (erschienen bis Seite 160 [Bd. II, Lfg. 1). Band III: Mesozoen und Zoophyten. Bearbeitet von Prof. 0. Maas 7 in München. — Platoden (inkl. Nemertinen). Bearbeitet von Dr. J. Wilhelmi in Berlin-Dahlem. — Würmer. Bearbeitet von Prof. K. Hescheler in Zürich. (erschienen bis Seite 146 [Bd. 1II, Lfg. 1]). Band IV: Arthropoden. Bearbeitet von Prof. W. Giesbrecht } in Neapel, Prof. E. Bugnion in Blonay s. Vevey, Dr. Marie Daiber in Zürich, Dr. Carl Börner in Naumburg a. S. (erschienen bis Seite 694 [Bd. IV, Lfg. 1--5]). Band V: Mollusca. Bearbeitet von Prof. K. Hescheler in Zürich. Band VI: Echinodermen und Enteropneusten. Bearbeitet von Professor Arnold Lang 7 und Prof. K. Hescheler in Zürich. Preis für Lieferung 1—8: je Mk 5.— (+ 200°), Teuerungszuschlag), für Lieferung 9: Mk 15.—. Für die weiteren Lieferungen wird der Preis je nach Um- fang einzeln berechnet. D. VI. Empfindungsorganellen. Reizleitung. 321 Unter den Dinoflagellaten finden sich ähnliche Organellen bei den Süßwasserformen Glenodinium undGymnodinium und bei der mit letzterem verwandten chlorophyllfreien marinen Gattung Pouchetia. Der von Scaürr (1895) genauer untersuchte Augenfleck von Pou- chetia ist demjenigen der Euglenoideen, Chrysomonadinen und Volvocales gegenüber wesentlich vervollkommnet durch das Hinzutreten eines licht- brechenden Apparates (Fig. 322). Er besteht aus einer meist kugeligen Ansammlung von rotschwarzem oder braunschwarzem Pigment und einem diesem Pigmentkörper angelagerten, durchsichtigen, fast oder ganz farblosen, ebenfalls kugeligen, sehr stark lichtbrechenden und deut- lich geschichteten Einschluß des Ektoplasmas, der als Linse bezeichnet wird. Bei Pouchetia cornuta, die wir als Beispiel wählen, ist der Augenfleck nach vorn gerichtet; seine Linse ist von einer dünnen Lage von Protoplasma überzogen und gegen den Pigmentkörper etwas abgeflacht. Ueber die chemische Natur der Linsensubstanz ist man nicht unter- richtet. Bei Pouchetia rosea konnte Scaürr feststellen, daß der Pig- mentkörper, der einen mit schwarzer Flüssigkeit erfüllten Hohlraum dar- stellte, nach einigem Verweilen unter dem Deckglas (das stets sehr schädigend auf die marinen Dinoflagellaten wirkt) seine Form so ver- änderte, dab sich an einzelnen Stellen des Umfangs Ausstülpungen bildeten, bis schließlich der Hauptkörper des Pigmentfleckes eine Menge amöboid sich ausbreitender und sich verzweigender Ausstülpungen besaß. Bei Volvox sind die Augenflecke der Einzelzellen innerhalb der Kolonie nicht durchweg gleich groß. Trotz der Kugelform ist bei der Bewegung stets dieselbe Seite der Kolonie nach vorn gewandt und auf ‚dieser sind die Augenflecke interessanterweise größer wie an der gegen- über liegenden. Im Anschluß an diese Empfindungsorganellen sei noch kurz die Frage der Reizleitung berührt. Daß Reize im Protozoenkörper in bestimmter Weise fortgeleitet werden können, ist sicher. Versuche hierüber sind speziell bei Wimperinfusorien angestellt. Hier schlagen die in einer Reihe stehenden Wimpern in gesetzmäßigem Metachronismus (vgl. S. 98). Die Koordination dieser Bewegung wird bedingt durch die Fortleitung eines Reizes in der Richtung der Wimperreihe. Daß diese Reiz- leitung in den oberflächlichen Plasmaschichten erfolgen muß, geht daraus hervor, daß sie durch eine Durchtrennung dieser oberfläch- lichen Schichten, die den übrigen Körper intakt läßt, bereits unter- brochen wird. Nach einer solchen Durchtrennung schlagen nämlich die hinter der oberflächlichen Wunde gelegenen Wimpern in einem von dem der vorderen Wimpern unabhängigen Rhythmus. Im übrigen ist jedoch über Reizleitung bei Protozoen wenig Sicheres bekannt. NERESHEIMER (1903) glaubte bei Stentor be- sondere, reizleitende Fibrillen, die er Neurophane nannte, zwischen den Myonemen nachweisen zu können; indessen konnte SCHROEDER (1907) diese Angaben nicht bestätigen. Zusatz bei der Korrektur: In einer während des Druckes erschienenen Arbeit beschreibt Smarr (1914) bei dem im Magen von Wiederkäuern lebenden Ophryoscoleciden Diplodinium ecaudatum Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 21 322 Protozoa. Max Lünr, einen sehr eigentümlichen neuromotorischen Apparat. Eine kleine, speziell differenzierte und sich bei Färbung nach Marrorv intensiv rot färbende Plasmamasse, die als zentrales „Motorium“ gedeutet wird, soll nahe dem Vorderende zwischen den adoralen Membranellen und den für Diplodinium charakteristischen „dorsalen Membranellen“ liegen und verschiedene Fasern entsenden. Eine dieser Fasern soll zu der Basis der adoralen Membranellen ziehen, eine andere zu derjenigen der dor- salen Membranellen, eine dritte zu einem den Oytopharynx umkreisenden feinen Ring, während wieder andere in das oberflächliche Ektoplasma des zwischen adoralen und dorsalen Membranellen gelegenen „Operculum“ hineinziehen. Auch in der Wandung des Cytopharynx wurden längs verlaufende Fasern gefunden, von denen es aber zweifelhaft gelassen wird, ob sie aus dem „periösophagealen Ringe“ oder direkt aus dem „Motorium“ entspringen. Alle diese Fasern zeigten dieselbe Farbreaktion wie das „Motorium“. E. Fortpflanzung und Befruchtung. Bei den Metazoen stehen Fortpflanzung und Befruchtung in engem Zusammenhang miteinander. An die Befruchtung schließt sich eine lebhafte Zellvermehrung an, und hierdurch wird dieselbe der Ausgangspunkt für die Entstehung eines neuen Individuums. Indessen ist dies offenbar nur die Folge davon, daß eine Befruchtung nur auf dem einzelligen Stadium möglich ist. Bei den dauernd ein- zelligen Protozoen besteht jedenfalls ein derartiger Zusammenhang zwischen jenen beiden Erscheinungen nicht; beide sind vielmehr zu- nächst durchaus unabhängig voneinander, wenn sie sich auch bei verschiedenen Formen in sehr verschiedener Weise gegenseitig beeinflussen können. Nicht selten wirkt die Befruchtung in direktem Gegensatz zu dem Verhalten der Metazoen hemmend auf die Fort- pflanzung ein (Verlangsamung der Teilungen bei Infusorien, Bildung ruhender Dauercysten bei Actinosphaerium und Phytomonadinen [Vol- vocales] im Anschluß an die Befruchtung). Andererseits kann eine besondere Form der Fortpflanzung der Befruchtung vorausgehen oder nachfolgen (progame bzw. metagame Vermehrung) und hierdurch ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Generationswechsel bedingt werden. | Die in den beiden letzten Jahrzehnten — nicht am wenigsten durch die epochemachenden Arbeiten von SCHAUDINN — ganz be- sonders geförderte Erforschung der Fortpflanzungs- und Befruchtungs- vorgänge bei den Protozoen ist von der weittragendsten Bedeutung, nicht nur für diese spezielle Tiergruppe, sondern für das ganze Tier- reich, ja für die gesamte Organismenwelt. I. Fortpflanzung. Die Formen der Fortpflanzung der Protozoen sind außerordent- lich mannigfaltig, und auch bei ein und derselben Protozoenart können verschiedene Fortpflanzungsformen in mehr oder weniger regelmäßigem Wechsel nebeneinander vorkommen. Im Interesse einer übersichtlichen Darstellung können wir als Hauptformen unterscheiden: 1) Zweiteilung, 2) Knospung, E. Fortpflanzung u. Befruchtung. I. Fortpflanzung. 1. Zweiteilung. 323 3) multiple Teilung oder Vielteilung, 4) Plasmotomie oder Zerfallteilung. Die drei letzteren lassen sich, wie unten zu zeigen ist, sämtlich von der einfachen Zweiteilung ableiten. Stets geht die Teilung des Kernes der Teilung des Zelleibes zeitlich voraus; die letztere kann sich dann unmittelbar anschließen oder auch erst nach längerer Zeit erfolgen. Hinsichtlich der Art der Kernteilung kann hier auf S. 145—152 verwiesen werden. Die Vermehrung kann im nackten und dann meist auch frei be- weglichen sowohl wie auch im encystierten Zustande (vel. S. 161 ff.) erfolgen. Im letzteren Falle erfolgt meist multiple Teilung, seltener Zweiteilung. Besonders bemerkenswert ist, daß die Vermehrung mancher Proto- zoen sich ausschließlich während der Nachtzeit vollzieht (z. B. Haematococcus, Ceratium, Trichosphaerium, Arcella, Euglypha). 1. Zweiteilung (Hemitomie). Die Zweiteilung, bei der die Teilung des Plasmakörpers derjenigen des Kernes unmittelbar folgt und die beiden entstehenden Tochter- individuen entweder gleich groß und gleich organisiert oder doch einander sehr ähnlich sind, ist die häufigste und wohl auch ursprüng- lichste Fortpflanzungsweise der Protozoen. Rasch aufeinander folgende Teilungen können zu einer erheblichen Größenabnahme der Tiere führen. Als Beispiel si Haemoproteus noctuae genannt, bei dem nach ScHaupınn (1904) mehrtägige Wachs- tumsperioden und Perioden lebhafter Vermehrung durch rasch folgende Zweiteilungen regelmäßig miteinander abwechseln sollen (vgl. auch unten unter Vielteilung). Die einfachste Form einer solchen Zweiteilung haben wir bereits bei Besprechung der Amöbe auf S. 67, Fig. 90 kennen ge- . lernt. Je komplizierter nun aber die Organisation des Protozoons wird, um so mehr muß sich auch der Verlauf seiner Teilung kom- plizieren, wie dies die nachstehenden Beispiele lehren. A. Die Teilungsriehtung kann bei Protozoen ohne konstante Eigenform (Amöbe) naturgemäß keine bestimmte sein. Formen mit konstanter Eigenform zeigen dagegen meist eine polare Differenzierung des Plasmas, die es ermöglicht, eine Hauptachse des Körpers zu unterscheiden. Meist (aber nicht immer) fällt diese Hauptachse mit der Längsachse des Körpers und bei beweglichen Formen mit der Richtung, in der die Bewegung erfolgt, zusammen. Die Teilung er- folgt stets in bestimmter Richtung zu dieser Hauptachse, und zwar ist sie entweder eine Längsteilung oder eine Querteilung. Bei der Längsteilung fällt die Hauptachse in die Teilungs- ebene. Sie ist charakteristisch für die Flagellaten (Fig. 214, S. 212), findet sich dementsprechend auch bei geißeltragenden Stadien der Rhizopoden, soweit diese fortpflanzungsfähig sind (z. B. Par- amoeba, vgl. S. 73), und kommt außerdem auch bei einzelnen weichschaligen Thecamöben (z. B. Cochliopodium, Pseudodifflugia), den Peritrichen und den sogenannten „Sporen“ der Sarco- sporidien vor. Fast stets beginnt die Teilung des Zellkörpers dann an dem vorderen Körperpole und schreitet von dort aus allmählich 21* ” 324 Protozoa. Max Lünk, weiter vor, so daß die beiden Tochterindividuen, bevor sie sich völlig voneinander lösen, zuletzt nur noch mit ihren Hinterenden zusammen- hängen (Fig. 214, vgl. auch Fig. 324). Die Endstadien dieses Teilungsvorganges können unter Umständen äußerlich den irrtümlichen Eindruck erwecken, als ob eine Querteilung erfolge, wenn nämlich die beiden nur noch an ihren Hinterenden zu- sammenhängenden Tochterindividuen so stark auseinanderweichen, daß sie sich von der Vereinigungsstelle nach direkt entgegengesetzten Seiten wenden (z. B. bei Trypanosomen nicht selten zu beobachten) — oder wenn die Teilung innerhalb einer ovalen schützenden Hülle erfolgt (vgl. S. 164 und $. 334) und sich der Flagellat während der Teilung in dieser Hülle um 90° dreht (z. B. bei Chlamydomonas, Fig. 19, 4—6 auf S. 17). Bei den Dinoflagellaten wird die Teilungsebene in der Regel durch die Panzerung aus der Längsrichtung abgelenkt und liegt dann mehr oder weniger schräg (vgl. Fig. 329 und 330), so daß sogar nicht selten den Dinoflagellaten im Gegensatz zu den Euflagellaten eine Querteilung zugeschrieben wird. Offenbar handelt es sich aber nur um eine durch die Formverhältnisse des ganzen Organismus und die Ausbildung des Cellulosepanzers bedingte Modifikation der Längsteilung (vgl. Fig. 331). Bei der Querteilung liegt die Teilungsebene senkrecht (oder doch wenigstens annähernd senkrecht) zu der Hauptachse des Körpers, die demnach von ihr halbiert wird. Infolgedessen muß von den beiden Tochterindividuen das eine ein Hinter- und das andere ein Vorder- ende neu bilden, wodurch ein komplizierterer Ablauf der ganzen mit der Fortpflanzung in Zusammenhang stehenden Erscheinungen be- dingt wird. Eingeleitet wird die Querteilung in der Regel durch eine den Körper umgürtende Ringfurche (Fig. 131, S. 118, Fig. 325—327 u.a.). Charakteristisch ist sie vor allem für die Ciliaten (mit Aus- nahme der meisten Peritrichen). Auch bei den Spirochäten erfolgt die Vermehrung durch Quer- teilung, so daß diese hierdurch in einen scharfen Gegensatz zu den Flagellaten treten, mit denen sie eine Zeitlang von einzelnen Protozoen- forschern in Beziehung gebracht wurden, bei denen aber Querteilung als normale Fortpflanzungsform kaum vorkommt (für eine Oraspedomonade, Codonosiga, haben Kent und Franch [1897] eine ungleichhälftige Quer- teilung angegeben, die aber wohl kaum als normal angesehen werden kann). Als Querteilung muß auch die auf S. 334 ff. besprochene „Knospungs- teilung“ der Thecamöben betrachtet werden. B. Das Verhalten der Organellen bei der Teilung ist für deren Verlauf von ganz besonderer Wichtigkeit. Drei verschiedene Möglich- keiten liegen vor: 1) Die Organellen teilen sich zugleich mit dem Plasmakörper. Verhältnismäßig selten. Als Beispiel möge die Teilung der Hülle bei Trichosphaerium (Fig. 387, 1A und VIA) und bei Acanthocystis (Fig. 323) dienen; ähnlich verhalten sich auch die weichhäutigen Schalen einzelner Thecamöben (z. B. Cochliopodium und Pseudo- difflugia) und die Zentralkapsel der Radiolarien (Fig. 104, S. 86). 2) Die alten Organellen erhalten sich und werden dem einen Tochterindividuum zugeteilt, während das andere Individuum die ent- sprechenden Organellen neu bilden muß. Der weitaus häufigste und % E. I. 1. Zweiteilung (Hemitomie). 325 deshalb nachstehend an einigen ausgewählten Beispielen noch näher zu besprechende Fall. 3) Die alten Organellen verschwinden, und es werden in jedem Tochterindividuum neue gebildet. So ziehen z. B. die Heliozoen vor der Teilung stets ihre Pseudopodien vollständig ein (Fig. 323). Bei Amöben ist das gleiche aber durchaus nicht immer der Fall (vgl. Fig. 90, S. 67). Fig. 323. Acanthocystis aculeata HERrRTw. u. Less. A Ruhendes Heliozoon. B—F Fünf aufeinander folgende Teilungsstadien. C’ Zentralkorn des ruhenden Tieres, Ce Teilang des Zentralkorns, C, und C, Zentralkorn der beiden Sprößlinge, N ruhender Kern bzw. Knäuelstadium des Kernes, Nsp Aequatorialplatte und deren Teilung, N, und N, Bildung der beiden Tochterkerne, Ps Pseudopodien, S% tangentiale Kieselnadeln, St radiäre Kieselstacheln. Nach SCHAUDINN 1896 aus DOFLEIN. Ein verhältnismäßig einfaches Beispiel für Resorption der alten Organellen bieten auch die Craspedomonaden nach den Unter- suchungen von Fıscn (1885) über Codosiga botrytis Enrec., eine koloniebildende Art mit einem Büschel kurzgestielter Einzeltiere auf einem gemeinsamen Stiele (Fig. 324). Nach der Teilung des Kernes werden Geißel und Kragen vollständig eingezogen. Sobald sich dann am Vorderende die erste Andeutung der Teilungsfurche des Plasmakörpers zeigt, treten auch die Anlagen der beiden neuen, zunächst noch ganz niedrigen Kragen zu beiden Seiten jener Furche auf, denen erst später die Anlagen der neuen Geibeln folgen. Die Art besitzt zwei im gleichen 326 Protozoa Max Lüns, Querschnitt gelegene kontraktile Vakuolen, zwischen denen sich eine große nicht-kontraktile Vakuole findet. Wenn nun die Teilungsfurche vom Vorderende aus tiefer einschneidet, schwindet diese nicht-kontraktile Vakuole vollständig, während die beiden pulsierenden Vakuolen auf die beiden Tochterindividuen verteilt werden (Fig. 324, D). In jedem von diesen muß dann die nicht-kontraktile und eine pulsierende Vakuole neu gebildet werden. — In ähnlicher Weise geht bei Noctiluca der Teilung ein Schwund der Organellen voraus: die Peristomfurche verstreicht und die Bandgeißel wird eingezogen; nur das Cytostom soll offen bleiben und Fig. 324. Codosiga botrytis EHRBG. Sieben aufeinander folgende Teilungsstadien. 1 Kerne (in A bereits geteilt), 2 nicht-kontraktile Hauptvakuole, 3 pulsierende Vakuolen, 4 Empfangsvakuole.. Nach FıscH 1885. von der median durchschneidenden Teilungsfurche gleich dem Plasma- körper halbiert werden; indessen bedarf diese alte Angabe der Be- stätigung, r Bei größerer Zahl der zur Resorption gelangenden Organellen werden die Teilungsbilder erheblich komplizierter. Ein sehr instruktives Beispiel hierfür liefern die hypotrichen Infusorien, deren ganzes Wimper- kleid bei der Teilung resorbiert wird, um von den beiden Sprößlingen in kleineren Maßverhältnissen neu gebildet zu werden entsprechend ihrer eigenen durch die Teilung wesentlich geringer gewordenen Größe. Im Interesse dauernder Funktionsfähigkeit des Wimperkleides geht hierbei die Neubildung der Resorption voraus (Fig. 325, vgl. auch Fig. 337). Die Resorption selbst geht in der Weise vor sich, daß im Umkreise der Basis der Cirren die Pellicula erweicht und hierauf die Cirren all- mählich durch die so entstandene Oeffnung zurückgezogen werden; während also ihr unterer Teil im Plasma schwindet und resorbiert wird, sind sie mit dem freien Ende noch immer in Bewegung. E.I. 1. Zweiteilung (Hemitomie). 327 Neubildung von (wenigstens einzelnen) Organellen findet bei jeder Teilung statt und ist neben dem Verhalten der Körperhülle, die ja sehr häufig auch eine wenigstens teilweise Neubildung erfährt, wesentlich mitbestimmend für den Verlauf des ganzen Teilungs- vorganges. Wir müssen dieselbe deshalb jetzt im einzelnen an der Hand ausgewählter Beispiele besprechen. 1) Pulsierende Vakuole. Schon die Teilung der Amöbe geht nicht ohne Neubildung von statten, indem die pulsierende Vakuole des Muttertieres dem einen Sprößling zufällt und der andere daher eine solche neu bilden muß. Ebenso verhält sich die pul- sierende Vakuole auch bei allen an- deren Protozoen, bei denen sie in der Einzahl vorkommt. Findet sie sich dagegen in Mehrzahl, so erhält jeder Sprößling eine Hälfte dieser Vakuolen, um die andere neu zu bilden, wie wir dies schon an dem Bei- spiel von Paramaecium (S. 119) und Codosiga (Fig. 324) kennen - gelernt haben. R ul sg: S & | Fig. 325. Aelteres Teilungsstadium von Euplotes harpa. Die einzelnen Cirren sind durch Bruchziffern bezeichnet, deren Zähler die Querreihe (von hinten aus ge- rechnet) und deren (römischer) Nenner die Längsreihe angibt (vgl. auch Fig. 307 u. 308). Bei den noch nicht resorbierten Cirren des Muttertieres ist diesem Bruche ein « hinzu- gefügt; Ziffern ohne diesen Zusatz bezeichnen die neugebildeten Cirren der beiden Spröß- linge. Entsprechend sind Z.R.c neugebildete, l.Re.a und r.Re.a alte, zur Resorption ge- langende (linke bzw. rechte) Randeirren. n.Z Peristomanlage des hinteren Sprößlings (das dem vorderen Sprößling zufallende alte Peristom des Muttertieres ist nur im Umriß gezeichnet). Aus WALLENGREN 1901. m) ® Von Flagellaten, bei denen sich die Vakuole nicht direkt nach außen, sondern in ein Reservoir ergießt, ist in neuerer Zeit die (ob mit Recht, erscheint noch zweifelhaft) zu den Euglenoideen gestellte Copro- monas subtilis von Doserzn (1908) eingehend untersucht worden (Fig. 375). Hier liegt am Vorderende des Körpers ein großes Reservoir und seitlich neben diesem die in Einzahl vorhandene kontraktile Vakuole. Bei der Teilung des Flagellaten tritt zunächst auf der gegenüberliegenden Seite des Reservoirs eine neue kontraktile Vakuole auf; bei der Teilung des Plasmakörpers des Flagellaten wird dann das Reservoir median durch- geschnürt, so daß auf jeden Sprößling eine Hälfte desselben entfällt. — Copromonas major soll dagegen nach Berrıner (1909) zwei pul- sierende Vakuolen besitzen, die abwechselnd in Tätigkeit treten und bei 328 Protozoa. Max Lünk, der Teilung der allgemeinen Regel entsprechend auf die beiden Spröß- linge verteilt werden, deren jeder dann eine zweite neu bildet. Für Ciliaten, deren pulsierende Vakuole lange zuführende Kanäle besitzt, kann der oft untersuchte Stentor als Beispiel dienen, bei dem das hintere der beiden durch Querteilung entstehenden Tochter- individuen die Vakuole neu bilden muß. Bei St. roeseli geht dieselbe nach Jounson 1893 aus einer lokalen Anschwellung der alten kontraktilen Vakuole hervor. Wie der neue vordere zuführende Kanal entsteht, der der adoralen Zone entlang verläuft, wird am besten durch die Diagramme (Fig. 326) erläutert. Dieser Ringkanal soll aber nach JoHnson wenige Stunden nach erfolgter Teilung verschwinden und also nur ganz jugend- Fig. 326. Schematische Darstellung der Teilung von Stentor roeseli EHREG. 1 adorale Zone des Muttertieres, 2 pulsierende Vakuole desselben, 3 longitudinaler zu- führender Kanal der Vakuole des Muttertieres, 7 adorale Zone des hinteren Tochtertieres, 5 pulsierende Vakuole desselben, 6 deren longitudinaler zuführender Kanal, 7 Strecke des longitudinalen zuführenden Kanales des Muttertieres, die zum zirkulären zuführenden Kanal des hinteren Tochtertieres (in C) wird. Nach JOHNSON 1893. lichen Individuen zukommen. Er wäre hiernach nichts als jenes Stück des alten hinteren zuführenden Längskanales, welches in dem hinteren Tochtertier vor der neuen kontraktilen Vakuole liest. 2) Pellicula, Hüllen und Schalen. Wo das Ektoplasma (sei es eine vorübergehende Verdichtung wechselnder, an die Ober- fläche getretener Plasmamassen, wie bei den Amöben, oder sei es eine dauernde, in ihrer oberflächlichsten Schicht zu einer verhältnis- mäßig festen Pellicula verdichtete Differenzierung) an der ganzen Körperoberfläche ganz oder doch nahezu gleichmäßig ausgebildet ist, ist sein Verhalten bei der Teilung ein sehr einfaches. Auch während dieser bleibt seine gleichmäßige Ausbildung erhalten und ist die Teilung des Plasmakörpers beendet, so ist auch jedem der beiden Tochter- E.I. 1. Zweiteilung (Hemitomie). 329 individuen sofort die normale Oberflächenstruktur mitgegeben worden. Anders dagegen, wenn die Pellicula lokale Verschiedenheiten aufweist, wie dies z. B. bei Coleps der Fall ist. Hier muß die nor- male Oberflächenstruktur erst wieder durch Neubildung hergestellt werden. Coleps ist, wie bereits auf S. 159 erwähnt, „gepanzert“, indem die Pellicula zu einer Anzahl von „Panzerplatten“ differenziert ist, die durch schmale weichhäutige Stellen voneinander getrennt sind (vgl. auch Fig. 295, C, S. 287). Diese Platten sind in regelmäßigen Längsreihen zu je 4 angeordnet bzw. in 4 hintereinander gelegenen ringförmigen Fig. 327. Coleps hirtus. A Ruhendes Infusor. B Teilungsstadium. € Hinterer Sprößling einer erst kürzlich beendeten Teilung, in dessen vorderer Hälfte der pelliculare Panzer in Neubildung begriffen ist. A Cytopyge, Oz die das Cytostom umstehenden Oralzähne der vordersten Panzerplatten, P,—P, die 4 Reihen der Panzerplatten, St Stacheln an den hintersten Panzerplatten. Nach DOFLEIN 1911. Gürteln, und die Platten des vordersten und des hintersten Gürtels be- sitzen besondere stachelförmige Fortsätze in Form der Oralzähne und Endstacheln (Fig. 327, A). Bei der Teilung des Infusors schneidet die Trennungsfurche in der Mitte des nahezu tonnenförmigen Körpers zwischen 2. und 3. Plattengürtel durch, und erst nach der Trennung der beiden Tochterindividuen voneinander werden von dem vorderen die ihm fehlen- den beiden hinteren Plattengürtel und von dem hinteren entsprechend die beiden vorderen Flattengürtel neu gebildet (vgl. Fig. 327). Auch der Cellulosepanzer der Dinoflagellaten ver- hält sich bei der Teilung ganz analog diesem pellicularen Panzer von Coleps. 330 Protozoa. Max Lünz, Besonders sorgfältig untersucht ist der Teilungsvorgang bei dem im Süßwasser lebenden Ceratium hirudinella Mürr. durch LAUTERBORN (1895), dessen Arbeit speziell hinsichtlich der bereits auf S. 148 Fig. 323. Ceratium hirundinella MÜLL. aus dem Süßwasser. Länge bis 220 u. A Beginn der Teilung. Ventralansicht. Die feinere Panzerskulptur (vgl. Fig. 330 u. 331) ist im Interesse deutlicher Darstellung des Weichkörpers nicht gezeichnet. B Dorsal- ansicht zur Darstellung der Panzerplatten und des (durch doppelte Kontur wieder- gegebenen) dorsalen Teiles der Teilungsfurche. 7 Apikales Horn, abgebrochen dargestellt, 2 erste apikale Platte, 3 Chromatophoren, 4 erste Präeingularplatte, 5 Quer- oder Ring- furche, 6 erste Posteingularplatte, 7 linkes hinteres Horn, $ Antapikalplatte, 9 antapikales Horn, 10 Längsfurche des Panzers, 12 Mundplatte, /2 rechtes hinteres Horn, 13 dritte Posteingularplatte, 174 Kern im Beginn der Teilung, 15 Fettkugeln, 16 dritte Präeingular- platte, 17 Fettkugeln, 18 dritte Apikalplatte, 19 zweite Apikalplatte, 20 zweite Prä- eingularplatte, 21 zweite Posteingularplatte. Nach LAUTERBORN 1895. (Fig. 148, III) berücksichtigten Kernteilung eine neuere Ergänzung durch Jortos (1910) erfahren hat. Die Teilungsachse des Kernes verläuft in einem Winkel von ungefähr 45° zur Ringfurche des Panzers von links E. I. 1. Zweiteilung (Hemitomie). 33l Fig. 329. Fig. 330. Fig. 329. Ceratium hirundinella. Fortgeschrittenes Teilungsstadium. Ventral- ansicht. Die beiden Panzerhälften auseinandergerückt, Kernteilung vollendet. Nach LAUTERBORN 1895. Fig. 330. Ceratium hirundinella nach beendeter Teilung. A Eben aus der Teilung hervorgegangenes vorderes Tochterindividuum, welches die ihm fehlende hintere, B hinteres Tochterindividuum, welches die ihm fehlende vordere Hälfte durch Neubildung zu ergänzen im Begriff ist. Ventralansicht. Die in Fig. 323—329 fortgelassene Skulptur des Panzers ist dargestellt, doch sollten in der Figur die Leisten am Rande im Profil frei vorragen und nicht durch einen Saum verbunden sein. Nach LAUTERBORN 1895. 332 Protozoa. Max Lüns, vorn nach rechts hinten (Fig. 328, A). Nach dem Kerne teilt sich der Plasmaleib durch eine zuerst links hinten auftretende Einschnürung, die in schiefer Richtung nach rechts vorn fortschreitet. Nach erfolgter voll- ständiger Durchschnürung beginnen die Plasmaleiber der beiden Tochter- individuen auszuwachsen, wodurch der Üellulosepanzer des Mutter- individuums auseinandergesprengt wird (Fig. 328—331l) und zwar „entlang einer ganz bestimmten, durch die Anordnung der Platten be- dingten winkeligen, schiefen Linie, welche der Teilungsebene des Plasmas annähernd parallel verläuft. An den beiderseitigen Rändern des Spaltes EIS III TEN Fig. 331. Ceratium cornutum STEIN. Süßwasser. Vier aufeinander folgende Stadien der Zweiteilung, die hier noch eine deutliche Längsteilung ist. a, c und d in Ventralansicht, 5b in Dorsalansicht. Aus SCHILLING 1913. wölbt sich das Plasma der beiden Tochter-Ceratien vor und beginnt sogleich mit der Regeneration der ihm fehlenden Teile. Sehr früh erscheint die Querfurche, ebenso die Aniage der Hörner, welche zuerst als höckerartige Erhebungen des Plasmas sichtbar werden, dann kegel- förmige Gestalt annehmen und rasch an Größe zunehmen“ (Fig. 330 und 331). Dadurch wird der Spalt zwischen den beiden Panzerhälften immer klaffender, bis sich schließlich die beiden Tochterindividuen voll- ständig voneinander trennen. Jedes von ihnen behält die Hälfte des mütterlichen Panzers (die Apical- bzw. Antapicalplatten und je einen E. I. 1. Zweiteilung (Hemitomie). 333 Teil der Präcingular- und Postcingularplatten, vgl. hierzu auch 8. 170 bis 172) und ergänzt sie durch Neubildung. Wahrscheinlich behält das hintere Tochterindividuum die Längs- und das vordere die Ringgeißel, während jedes von ihnen dann die andere Geißel neu bilden mul. Die geringere Dicke des Panzers an den neugebildeten im Vergleich zu den alten Teilen läßt die Teilungslinie und die Art der Neubildung noch ziemlich lange erkennen, und mit ihrer Hilfe hat Karsten (1907) feststellen können, daß an dem Aufbau der langen Hörner, die für viele marine Ceratien charakteristisch sind (vgl. S. 172), mehrere Gene- rationen arbeiten: Nach beendeter Teilung wird das von dem Mutter- individuum überkommene Horn des alten Panzers, dessen frühere Grenze zunächst an einem stufenartigen Absatz des Panzers deutlich kenntlich bleibt, von dem Sprößling verlängert gleichzeitig mit der völligen Neu- bildung der ihm fehlenden Panzerhälfte. Im Anschluß hieran sei gleich noch bemerkt, daß außer dieser Teilung im frei beweglichen Zustand bei Dinoflagellaten auch Teilung im Ruhe- zustand beobachtet wurde. Dabei zieht sich bei Peridinium (ScHÜrTT 1887, 1895) der Plasmaleib von der. Panzermembran zurück, rundet sich ab und sondertinnerhalb des Panzers eine neue Cystenmembran ab (Fig. ‘ 332). Die Oyste verbleibt dann ent- weder im Innern des mütterlichen Panzers oder sie tritt unter Spren- gung desselben heraus. Ihr Inhalt teilt sich in 2 Zellen, von denen jede eine Querfurche und Geißel bekommt, um hierauf die Cysten- hülle zu sprengen und davonzu- schwimmen. Ihr weiteres Schicksal Fig. 332. (POUCHET) SCHÜTT in Apikalansicht mit Peridinium ovatum ist nicht bekannt. — Bei gewissen Formen kann sich die Zweiteilung innerhalb des mütterlichen Panzers zwei- oder dreimal wiederholen, so 2 sogenannten Sporen. / Panzer des Mutter- tieres, 2 innerhalb des Panzers gebildete Cystenhülle, 3 innere Sporenhülle für jede Spore, 7 Spore, 5 Pusule. Nach ScHürr 1895. Vergr. 400 :1. daß 4 bezw. 8 Tochterzellen („Fla- gellosporen“) gebildet werden. Auch kommt es vor, daß sich der ganze Plasmakörper innerhalb des alten Panzers und der neu abgeschiedenen Cystenhülle in eine einzige große, zum Ausschwärmen bestimmte Flagellospore umwandelt. In allen diesen Fällen muß dann natürlich der ganze Panzer neu gebildet werden. Gallerthüllen werden sehr häufig bei der Teilung mitgeteilt, derart, daß jeder Sprößling seine fertige Gallerthülle ebensogut mitbe- kommt wie sein Ektoplasma (z. B. Trichosphaerium). Ganz ebenso verhalten sich die durch Einlagerung von Kieselementen verstärkten Hüllen der Heliozoen (z. B. Acanthocystis, Fig. 323), und auch einzelne Rhizopodenschalen von besonders weicher Konsistenz können in dieser Weise geteilt werden (z. B. bei Cochliopodium, Pseudodifflugia und Lieberkühnia, bei denen die Teilung dann in der Längsrichtung der Schale erfolgt). Bei festeren Hüllen, Gehäusen und Schalen ist dies dagegen nicht mehr möglich, und dann sind 4 verschiedene Fälle denkbar: 334 Protozoa. Max Lünk, 1) Die Hülle wird geteilt und jeder Sprößling erhält die Hälfte, um die andere neu zu bilden (bei den bereits besprochenen Dino- flagellaten). 2) Das Mutterindividuum verläßt die Hülle vor der Teilung, und jeder Sprößling muß seine Hülle völlig neu bilden. 3) Von den beiden Sprößlingen bleibt der eine in der mütter- lichen Hülle, während der andere eine solche neu bilden muß (Bei- spiele: Gehäuse von Dinobryon und anderen Chrysomonadinen, Fig. 333, und von Tintinnen, Fig. 334; Schalen der meisten Thecamöben). 4) Die Teilung erfolgt innerhalb der mütterlichen Hülle, die Sprößlinge aber schwärmen aus und bilden jeder eine neue Hülle (Bei- spiele: Chlamydomonadinen, Fig. 19 und 354, sowie auch die bereits besprochene Teilung der Dinoflagellaten im Ruhezustand). Bemerkenswerte Besonder- { heiten weist die dem dritten £R Typus folgende Teilung der f fi Thecamöben auf, die des- L 2 halb an Hand einiger Beispiele Z\D noch näher zu betrachten ist. ie Fig. 334. Fig. 333. Derepyxis dispar STOXEs. Normales Einzelindividuum und 3 aufeinander folgende Teilungsstadien (Geißeln vor der Teilung rückgebildet). Nach PAscHER 1910. Fig. 334. Teilungsstadien von Tintinnen. A Cyttarocyclis ehrenbergi (CL. u. L.).. B Tintinnidium inquilinum (MÜLL). R ringförmige Abscheidungen von Gehäusesubstanz als Beginn der Neubildung eines Gehäuses von seiten des vorderen Tochtertieres. Nach SCHWEYER 1910. Bei Chlamydophrysstercorea (CıEnk.), die eine dünne Pseudo- chitinschale besitzt (vgl. S. 181 und Fig. 221 auf S. 220), beginnt die Teilung nach ScHAaupısx (1911) „damit, daß die Pseudopodien eingezogen werden und das Plasma unter starker Flüssigkeitsaufnahme aus der Mündung der Schale herausquillt und sogleich die für das Muttertier charakteristische Gestalt in umgekehrter Lage einnimmt (Fig. 335). An der Oberfläche der hervorgeknospeten Plasmamasse bilden sich regel- mäßige pseudopodienartige Protuberanzen, die mit der Bildung der neuen Schale in Zusammenhang stehen (Fig. 335, 2—4). Die Neuanlage ist zunächst ganz mit Nahrungsplasma ausgefüllt [das beim ruhenden Tier den der Mündung angrenzenden Teil der Schale einnimmt, im Gegensatz zu dem den Schalengrund erfüllenden „Chromidialplasma“]. Dann wandert einer der inzwischen gebildeten Tochterkerne mit der Hälfte des sich gleichzeitig teilenden Chromidialplasma in die Neuanlage, wobei auch ein Teil der Exkretkörner mithinüberwandert. Die Protuberanzen ver- E.I. 1. Zweiteilung (Hemitomie). 335 schwinden nun, die neue Schale wird ganz glatt und gewinnt dadurch das für die Art charakteristische Aussehen (Fig. 335, 5—6). Kern und Chromidialplasma rücken dann ganz in den hinteren Teil des neuen Tieres, die Exkretkörner stellen sich an die Grenze von Nahrungs- und Chromi- dialplasma (Fig. 335, 6). Dann treten an den Schalenöffnungen neue Pseudopodien hervor, und die neuen Tiere rücken auseinander (Fig. 335, 7). Die sie verbindende Ektoplasmamasse reißt schließlich durch, und der Vermehrungsprozeß ist damit beendet.“ 5 6 Ü Fig. 3355. Chlamydophrys stercorea (CIENK.). Knospungsteilung, nach dem Leben. Nähere Erklärung siehe im Text. Nach SCcHAUDINN 1911. Diese Art der Teilung zeigt eine Annäherung an die Fortpflanzung durch Knospung und ist deshalb von ScHhaupmn als Knospungs- teilung bezeichnet. Nicht selten sind auch die beiden Sprößlinge nicht von gleicher Größe, und zwar ist dann die neugebildete Schale ein wenig größer als die Mutterschale. Speziell bei Centro- pyxis aculeata ist dies nach Scuaupınn (1903) stets der Fall, so daß mit den aufeinander folgenden Teilungen ein regelmäßiges peri- odisches Schalenwachstum verbunden ist, das bis zur Erreichung einer Maximalgröße fortgesetzt wird (ca. 0,25 mm, während die kleinsten Schalen nur ca. 0,04 mm messen). Da die Plasmamenge in der neu- 336 Protozoa. Max Lüns, gebildeten Schale aber nur die Hälfte der des Muttertieres ist, so kann sie recht lange wachsen, bis ihr die Schale zu eng wird und eine neue Teilung notwendig wird; auch bei reicher Nahrungszufuhr folgt diese daher erst nach 4—18 Tagen. Haben die Tochtertiere im Laufe der Generationen die Maximalgröße erreicht, so macht die Zweiteilung einer multiplen zur Entstehung der Gameten führenden Teilung Platz (vgl. auch die Abschnitte über Befruchtung und Generationswechsel). Anderer- seits scheinen die bei der Teilung in der Mutterschale verbleibenden Individuen überhaupt nicht die Fähigkeit zu haben, sich noch ein zweites Mal fortzupflanzen. — Auch bei Arcella vulgaris ist die neugebildete Schale häufig etwas größer als die Schale des Muttertieres, indessen ist dies hier nicht immer der Fall (vgl. ELrArızwsky 1907). Bei agglutinierenden Thecamöben (wie z. B. Centropyxis oder Difflugia) ist das Material der bei der Teilung neugebildeten Schale natürlich abhängig von der Natur der Fremdkörper (Sand- körnchen, Diatomeenschalen u. dgl.), die die Tiere in ihrer Umgebung finden, zunächst in ihr Plasma aufnehmen und dann wieder auf ihrer Oberfläche als Bausteine der Schale miteinander verkitten (vgl. hierzu S. 181—182). Wenn man z. B. Difflugien so hält, daß ihnen nur’ winzige Splitterchen fein pulverisierten Glases zur Verfügung stehen, so werden die neuen Schalenteile bzw. bei der Teilung die ganzen neuen Schalen aus diesen Glassplittern aufgebaut. Bei der Teilung einer Difflugia, deren Schale aus Sandkörnchen besteht, die aber als weiteres Baumaterial Glassplitterchen in ihrem Plasma aufgespeichert hat, wölbt sich nach vorheriger Kernteilung ähnlich wie bei Chlamydo- phrys eine Plasmamasse aus der Schalenmündung vor, die wächst und allmählich Gestalt und Größe des Muttertieres annimmt, wobei ihr auch der eine Tochterkern zugeteilt wird. Hierauf lagert sie auf ihre Oberfläche das bereits vor Beginn der Teilung im Plasma aufgespeicherte Baumaterial ab, das durch ein rasch erhärtendes Sekret zu einer festen Schale zusammengekittet wird. Dann teilt sich das gesamte Protoplasma an der Grenze zwischen Mutter- und Tochterschale, und man hat nun in dem gedachten Falle als Folge dieser einfachen ungleichhälftigen Teilung zwei Schalen, von denen die alte aus Sandkörnchen, die neue aus Glas- splittern besteht. Aus jeder Schalenmündung treten alsbald die Pseudo- podien wieder hervor (RHUMBLER 1898). Exemplare von Oentropyxis, die sich zur Teilung anschicken, sind nach ScHAaupınn (1903) „leicht daran zu erkennen, daß sie das Baumaterial für die Tochterschale im vorderen Teil ihres Körpers dicht gedrängt aufgespeichert haben. Dieses Baumaterial, das aus allerlei Fremdkörpern, kleinen Kieselstückchen, Diatomeenpanzern etc. besteht, verleiht bei seiner dichten Lagerung diesen Stadien ein so charakte- ristisches Aussehen, daß man sie schon bei schwacher Vergrößerung als Fortpflanzungskandidaten erkennen und isolieren kann.“ Als Beispiel für eine Thecamöbe mit Kieselschale sei schließlich noch Euglypha betrachtet, deren zierliche Schale aus sich dachziegel- förmig deckenden Kieselplättchen zusammengesetzt ist. Ehe sich das Tier zur Teilung anschickt, sondert sein Plasma im hinteren (bauchigen) Teile des Körpers in der Umgebung des Kernes eine größere Anzahl solcher Plättchen ab (Fig. 336, 7 auf S. 338). Dann zieht es die Pseudo- podien ein. Ist dies geschehen, so beginnt Protoplasma aus der Schalen- öffnung hervorzuquellen, bis der herausgetretene Teil so groß ist wie der in der Schale befindliche. Gleichzeitig wandern die vorgebildeten Schalen- E. I. 1. Zweiteilung (Hemitomie). 337 plättchen in das herausquellende Plasma hinein, werden hier an die Ober- fläche befördert und als neue Schale dachziegelförmig abgelagert (Fig. 336, 2—3). Hierauf erst teilt sich der Kern in einer an eine Mitose erinnernden Weise (Fig. 336, 3—5), wobei der eine Tochterkern in der alten Schale verharrt und der andere in die neue hinüberwandert (Fig. 336, 5). Die beiden Tochterindividuen hängen noch kurze Zeit, Schalenöffnung gegen Schalenöffnung, mit ihrem Protoplasma aneinander, dann erfolgt, nachdem inzwischen auch die Neubildung der kontraktilen Vakuole erfolgt ist, an der Schalenmündung Pseudopodienbildung (Fig. 336, 6), und die beiden Individuen lösen sich voneinander los. 3) Unter den Radiolarien findet sich Vermehrung durch Zwei- teilung bei Collodarien und Tripylarien. Hierbei verhält sich die Membran der Zentralkapsel wie eine Zellmembran, d. h. sie teilt sich mit. Das Skelett verhält sich verschieden, je nachdem ob es einheitlich ist oder nicht. Besteht es aus zahlreichen einzelnen tangentialen oder radiären Spieula (z. B. Thalassophysa und Aul- acantha) oder aus zwei schalenförmigen Klappen (Conchariden), so er- hält jeder der beiden Sprößlinge die Hälfte des mütterlichen Skelettes, um dieselbe dann durch Neubildung des Fehlenden zu ergänzen. Namentlich die Teilung der Conchariden ist also in dieser Beziehung derjenigen der Dinoflagellaten vergleichbar. Ist dagegen das Skelett einheitlich und daher unteilbar (z. B. Challengeriden), so verbleibt es ‘dem einen der beiden Sprößlinge, während der andere ein völlig neues bilden muß, vergleichbar der Neubildung der Gehäuse der Tintinnen und mancher Flagellaten. Dadurch erklärt sich auch das Vorkommen von noch völlig skelettlosen Jugendformen (wie z. B. Phaeocolla val- diviae, vgl. S. 76f.). Im übrigen sei hinsichtlich der Zweiteilung der Radiolarien auf S. 85—87 verwiesen. 4) Die elastischen Außenfibrillen (Achsenstab bzw. Axo- styl) der Flagellaten verhalten sich insofern anders als die bisher be- sprochenen Schutz- und Stützorganellen, als sie bei der Teilung völlig neu gebildet werden, während die entsprechende Organelle des Mutter- organismus der Resorption anheimfällt.e Im übrigen ist der Be- sprechung auf S. 212f. hier nichts mehr hinzuzufügen. 5) Die Geißel der Flagellaten fällt, wenn sie in Einzahl vorhanden ist und bei der Teilung des Tieres nicht etwa rückgebildet wird, stets ungeteilt dem einen Tochterorganismus zu, während der andere seine Geißel neu bilden muß. Diese neue Geißel bildet sich aber stets in unmittelbarer Nachbarschaft der alten und wächst allmählich neben dieser empor [vgl. Fig. 264c, 8. 2591), Fig. 214, S. 212]; sie kann ihr hierbei so dicht anliegen, daß man bei flüchtiger Untersuchung den irrtümlichen Eindruck gewinnen kann, als wenn die mütterliche Geißel von ihrer Basis aus längsgespalten würde (z. B. bei Trypanosomen). Aeltere Angaben über Längsspaltung der Geißeln von Flagellaten sind offenbar durchweg auf einen derartigen Irrtum zurückzuführen. Sind mehrere Geißeln vorhanden, so werden diese in der Regel auf die beiden Tochterindividuen verteilt, deren jedes dann den voll- ständigen Geißelapparat dadurch wiederherstellt, daß es neben den 1) Infolge eines Schreibfehlers ist dort in der Figurenerklärung leider „in Ruhe“ anstatt „in Zweiteilung‘ gedruckt. Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 22 338 Protozoa. Max Lüns, Fig. 336. Euglypha alveolata Dus. Länge bis 100 u. 1 Ein zur Teilung sich anschickendes Tier. AZ alveoläre Zone, HZ hyaline Zone und KZ körnige Zone des Protoplasmas, N Kern, Na Nahrungskörper, Ps Pseudopodien, Sp Schalenplättchen für die bei der Teilung neu zu bildende Schale, Y kontraktile Vakuole. 2 Beginn der Teilung, etwa 5 Minuten später. Das Plasma der alveolären Zone ist zum Teil aus der Schalenmündung hervorgetreten und wird von herausgewanderten Schalenplättchen dach- E. I. 1. Zweiteilung (Hemitomie). 339 ziegelig überdeckt; das Plasma der hyalinen Zone hat an Volumen zugenommen; der Kern ist noch wenig verändert. 3 Späteres Stadium, etwa 30 Minuten nach dem vorigen. Die Wanderung der Schalenplättchen an die Oberfläche des hervorgetretenen Plasmas ist beendet, der Kern mit amöboidem Umriß, das Chromatin in ihm zu radiär gelagerten schleifenförmigen Fäden’ angeordnet, in seiner Umgebung strahlige Anordnung des Plasmas. 4 25 Minuten später. Die neue Schale fertig ausgebaut, die achromatische Kernspindel ausgebildet, die chromatischen Schleifen in der Aequatorialplatte verkürzt und verdickt, das Plasma der alveolären Zone völlig in das Tochtertier hinübergewandert. 5 35 Minuten später. Durchschnürung des biskuitförmig gewordenen und etwas oralwärts gewanderten Kernes, in dem die Chromatinschleifen zu zwei polständigen Tochterplätten auseinander gewandert sind. 6 30 Minuten später, 2 Stunden nach Beginn der Teilung. Trennung der beiden Tiere unter Neubildung von Pseudopodien. Die charakteristische zonale Schich- tung des Plasmas in beiden Tieren wiederhergestellt und die bald nach dem Stadium 4 verschwundene kontraktile Vakuole wieder aufgetreten!) Nach SCHEWIAKOFF 1888. überkommenen alten Geißeln die erforderlichen neuen bildet. Bei Pyra- mimonas z. B., die 4 gleiche Geißeln am Vorderende besitzt, erhält jedes Tochterindividuum bei der Längsteilung 2 von diesen und bildet hierauf 2 neu. Gleiches gilt aber auch bei Verschiedenheit der Geißeln. Bei Trichomastix z. B, die 3 Haupt- und eine Schlepp- geißel besitzt und deren Teilung von Dogeru (1909) sehr gründlich unter- sucht ist, erhält bei der Teilung ebenfalls jedes Tochterindividuum zwei alte Geißeln, um alsbald zwei neue zu bilden; die normale Verschieden- heit der Geißeln wird dann erst nach beendeter Teilung wiederherge- stellt. (Vgl. auch die Besprechung von Ceratium auf S. 333.) Dieser Verteilung mehrerer Geißeln auf die beiden Tochterindividuen entspricht auch das Verhalten des Geißelapparates von Herpetomonas bei der Teilung. Hier ist zwar nur eine Geißel vorhanden, aber diese besitzt zwei Achsenfibrillen. Bei der Teilung des Tieres spaltet sich diese Doppelgeißel derart, daß jedem Tochterindividuum eine ihrer Achsenfibrillen zufällt (vgl. Fig. 10, S. 12). Von dem’ Blepharoblasten aus wird dann die zweite Achsenfibrille in ganz entsprechender Weise neu gebildet, wie bei anderen Flagellaten eine neue selbständige Geißel. In anderen Fällen erfolgt aber auch eine völlige Rück- bildung der Geißeln des mütterlichen Flagellaten und dement- sprechend Neubildung sämtlicher Geißeln bei beiden Spröß- lingen. Dies ist stets der Fall, wenn die Teilung im encystierten Zu- stande erfolgt, da die Encystierung wohl stets mit einer Rückbildung der Geißeln verbunden ist. Es gilt in gleicher Weise auch für diejenigen Flagellaten, die sich wie Chlamydomonas, Polytoma u. a. innerhalb der ungeteilt bleibenden mütterlichen Cellulosemembran teilen, wobei diese Membran, mit der wenigstens anfangs die mütterlichen Geißeln im Zusammenhang bleiben, sich dann weiterhin wie eine Oystenhülle verhält (vgl. Fig. 19, 8247). Schließt sich der ersten Teilung noch innerhalb der Hülle gleich eine zweite oder gar noch eine dritte an, so erfolgt die Neubildung der Geißeln für die Sprößlinge erst nach Beendigung auch dieser Teilungen vor dem Ausschlüpfen der Sprößlinge aus der Hülle (vgl. Fig. 19, 3). Rückbildung der Geißeln kann aber auch vorkommen bei einer Teilung im freien Zustande. Als Beispiel hierfür kann neben der bereits auf S. 326 erwähnten Noctiluca die von Dozeur (1908) unter- suchte Copromonas subtilis dienen. Der Beginn der Teilung des 22* 340 Protozoa. Max Lüus, stark herangewachsenen Flagellaten macht sich zuerst an der nur in Einzahl vorhandenen Geißel bemerklich, indem diese an Beweglichkeit einbüßt, dann allmählich immer kürzer wird und schließlich völlig ver- schwindet. Auch nach ihrer Resorption bleibt jedoch ihr Basalkorn er- halten. Dieses teilt sich in zwei Tochterkörnchen, und von jedem von diesen sproßt dann eine neue Geißel für jedes der beiden Tochterindividuen hervor (vgl. unten Fig. 375). Als Beispiel für ein cytologisch anderes Verhalten sei auch noch auf Lophomonas hingewiesen, bei deren Teilung die Neubildung sämtlicher Geißeln für beide Tochterindividuen der Rückbildung der Geißeln des Muttertieres vorausgeht (vgl. Fig. 215, S. 213). Schließlich sei auch noch ausdrücklich betont, daß Flagellaten, die ihren Geißelapparat unabhängig von Teilungsvorgängen zeitweise rück- bilden können, wie z.B. Crithidia (vgl. S. 259) sich sowohl im geißel- tragenden wie auch im geißellosen Zustande teilen können. 6) Cytostom und Cytopharynx. Bevor wir im Anschluß an die Geißeln der Flagellaten auf die Wimperapparate der Infusorien eingehen, sei wegen der Beziehungen des Peristoms zur Mundöffnung zunächst noch auf das Verhalten von Cytostom und Cytopharynx bei der Teilung eingegangen. Dessen Untersuchung stößt auf besondere Schwierigkeiten, und es liegen deshalb nur wenig Angaben vor. Es scheint aber, daß ebenso wie bei den Geißeln entweder die mütter- lichen Organellen dem einen Sprößling zugewiesen und von dem anderen durch neue ersetzt werden, oder daß Üytostom und Cyto- pharynx des Mutterindividuums eingeschmolzen und von beiden Spröß- lingen durch Neubildungen ersetzt werden. Letzteres ist anscheinend (wenigstens bei den Infusorien) seltener als die direkte Ueberweisung der mütterlichen Organellen an den einen der beiden Sprößlinge. a) Besonders spärlich sind Angaben über das Verhalten des Cyto- stoms bei der Teilung von Flagellaten. Für Trichomastix lacertae gibt Prowazek (1904) an: „Das Cytostom beteiligt sich nicht an der Teilung, wenigstens fand ich dasselbe selbst auf älteren Teilungs- stadien stets bei dem einen Individuum — es muß also für das andere Individuum neu angelegt werden.“ Dose (1909) bestätigt dies für Trichomastix batrachorum und scheint dasselbe auch für Trichomonas batrachorum anzunehmen. Bei Copromonas subtilis gewann Dopeur (1908) dagegen trotz der außerordentlichen Schwierigkeit der Beobachtung die Ueberzeugung, daß das Cytostom des sich teilenden Flagellaten rückgebildet wird und daß die Oytostome beider Sprößlinge Neubildungen sind. Daß bei der Teilung von Noctiluca nach einer alten, der Be- stätigung bedürftigen Angabe das Oytostom angeblich halbiert werden soll, wurde bereits auf S. 326 erwähnt. b) Infusorien. Bei Paramaecium sollen nach alten Angaben von Herrwıs (1889) Oytostom und Cytopharynx sich teilen, derart, daß sie für das hintere Tochtertier als direkte Teilprodukte der entsprechen- den Organellen des Muttertieres gebildet werden (vgl. S. 117£.). Eine neuere Bestätigung dieser Angabe liegt aber nicht vor, während bei anderen, in neuerer Zeit daraufhin untersuchten Infusorien stets be- obachtet wurde, daß das Cytostom des hinteren Sprößlings sich unab- hängig von dem alten, dem vorderen Tochtertier zufallenden Cytostom ausbildet. Von Holotrichen sei als Beispiel hierfür Colpidium ange- E. I. 1. Zweiteilung (Hemitomie). 341 führt. ProwAzek (1910) beobachtete bei diesem die erste Anlage des neuen Cytostoms für das hintere Tochtertier in Form einer sich mit Eisenhämatoxylin dunkler färbenden Verdickung des Ektoplasmas. Ent- sprechend muß dann natürlich auch der Cytopharynx des hinteren Spröß- lings als eine von dem alten Cytopharynx unabhängige Neubildung ent- stehen. Bei dem ebenfalls zu den Holotrichen gehörigen Chilodon hexastichus erfolgt nach Kırrnır (1909) die Neubildung von Oyto- stom und Cytopharynx für das hintere Tochtertier erst nach seiner Los- lösung von dem vorderen. „Nach der Lostrennung ergänzen die beiden Tochterorganismen den fehlenden Teil der Pellicula und beginnen ein selbständiges Leben zu führen. Während aber das aus dem vorderen Teile entstehende Tochterindividuum aus dem Teilungsprozeß gleich als vollkommen in seiner Organisation hervorgeht, da es den Cytopharynx und Reuseapparat von dem Mutterorganismus vererbt, muß das aus dem hinteren Teile hervorgegangene Individuum diese Organellen von neuem ausbilden. Darum verbleibt es noch einige Zeit an der Teilungsstelle bewegungslos bis zur Neubildung der fehlenden Teile, während das vordere Tochterindividuum gleich nach Beendigung des Teilungsprozesses sich von der Stelle entfernt.“ Ueber das Verhalten des Oytostoms bei solchen Holotrichen, bei denen es direkt am vorderen Körperpol liest, liegen zwar direkte An- gaben nicht vor. Indessen ist es von vornherein klar, daß auch hier das alte Cytostom dem vorderen Sprößling zufallen und der hintere ein . solches neu bilden muß (vgl. Fig. 327 auf S. 329). Beispiele für die gleiche Erscheinung aus anderen Ordnungen der Wimperinfusorien finden sich in der folgenden Besprechung der Wimper- apparate. Rückbildung des alten Cytostoms und Cytopharynx mit folgender Neubildung dieser Organellen für beide Sprößlinge findet sich unter den Infusorien bei allen Hypotrichen, sowie ferner bei den Urceolariden (z. B. Trichodina) und dann vermutlich wohl auch bei den Vorti- celliden. Näheres hierüber folgt ebenfalls nachstehend bei Besprechung der Wimperapparate. 7) Von den Wimperapparaten der Infusorien bedarf ‚ das allgemeine Wimperkleid der Holotrichen und Heterotrichen, das einfach auf die beiden Tochtertiere verteilt wird, keiner besonderen Besprechung. Differenzierung verschiedenartiger und bestimmt lokali- sierter Wimperorganellen bedingt aber einen entsprechend kompli- zierteren Ablauf der Teilung. Außer dem Peristom sind nach dieser Richtung besonders die stark spezialisierten Wimpern der Hypotrichen genauer untersucht worden. a) Heterotricha. Bei Stentor tritt als erstes Zeichen einer be- vorstehenden Teilung ein Wimperband an der linken Körperseite auf, die Anlage der adoralen Zone des späteren hinteren Tochtertieres (vgl. hierzu die schematische Fig. 326). Es verläuft in der Längsrichtung von vorn bis gegen die Körpermitte, etwas schief, die Wimperstreifen durchschneidend. Bald zeigt sein hinteres Ende eine etwas stärkere Krümmung, in der dann die Cytopharynzeinstülpung auftritt. Vor dem Wimperband schnürt sich der Körper ein, derart, daß ein neues Stirnfeld zustande kommt, das von dem immer mehr in eine quere Stellung rücken- den Wimperbande in der für Stentor charakteristischen Schraubenlinie 342 Protozoa. Max Lünk, umzogen wird. Infolge immer tieferen Einschneidens der Einschnürung bleibt schließlich das vordere, die adorale Zone des Muttertieres behaltende Tochterindividuum mit dem hinteren nur noch durch ein dünnes Ver- bindungsstück in Zusammenhang, das stets am aboraien Ansgangspunkt der neuen adoralen Zone liegt. Schließlich reißt auch dieses letzte Band, und die beiden Individuen sind völlig getrennt. In ganz entsprechender Weise erfolgt auch die Teilung der Tin- tinnen, über die neuere Angaben von Faur&-Fr&mmer (1908) und Schwerer (1910) vorliegen. Lange vor irgendeinem Anzeichen einer Teilung des Plasmakörpers tritt auf der Ventralfläche ungefähr in der Mitte der Länge oder noch etwas hinter dieser die Anlage des neuen Peristoms auf. An einer flachgrubigen Einsenkung der Oberfläche bildet sich ein etwas schräg gerichtetes und leicht S-förmig gekrümmtes wulstiges Wimperband, das sich später zur Kreisform zusammenschließt. Dem im alten Gehäuse verbleibenden Tochtertier fällt dieses neugebildete Peristom zu, während das vordere Tochtertier, das das alte Peristom erbt, sich knospenähnlich abschnürt, um alsbald ein neues Gehäuse zu bilden (Fig. 334). b) Die Teilung der Hypotrichen, die WaArteneren (1900, 1901) näher untersucht hat, ist in auffälliger Weise dadurch charakterisiert, daß bei ihr eine Neubildung auch solcher Organe und Körperteile stattfindet, die nur ihrer Lage wegen nicht neu angelegt zu werden brauchten, und daß daher mit dem Teilungsprozeß eine mehr oder weniger weitgehende Erneuerung der Körper beider Sprößlinge verbunden ist unter gleichzeitiger Resorption alter Organe und Körperteile. Vor allem findet eine völlige Erneuerung des Wimperkleides statt, die wir an dem Beispiel von Stylonychia mytilus betrachten wollen (vgl. auch S. 326). Neben der Neuanlage des Peristoms für den hinteren Sprößling ist bei den Hypotrichen das Auftreten von Anlagen neuer ventraler Cirren für beide Sprößlinge das erste Anzeichen einer sich vorbereitenden Teilung. Diese Anlagen entstehen in zwei dicht zusammengelagerten Gruppen, je einer für jeden Sprößling, an zwei bestimmten, wenngleich je nach den Arten etwas verschiedenen Stellen der Bauchfläche, meist ungefähr in der Mitte des Stirnfeldes und dicht hinter dem oralen Ende des mütterlichen Peristoms. Fig. 337 a zeigt ihre Lage bei Stylonychia mytilus. In jeder Gruppe sind die Cirrenanlagen in regelmäßigen, meist ein wenig schräg gerichteten Längsreihen, die wir mit WALLENGREN von ' links nach rechts fortschreitend mit römischen Ziffern numerieren, und in der Regel auch in ziemlich regelmäßigen Querreihen angeordnet. Bei Stylonychia sind 6 Längsreihen vorhanden, von denen jedoch die am weitesten links gelegene nur eine einzige Cirrenanlage enthält; dann folgen drei (II—IV) mit je drei Cirrenanlagen, während die beiden letzten Längs- reihen (V— VI) aus je vier Cirrenanlagen bestehen (vgl. Fig. 337, a u. b). Bei Hypotrichen mit verhältnismäßig derber Pellicula (wie z. B. Euplotes) treten die Cirrenanlagen durch eine deutliche spaltförmige Durchbrechung dieser Pellicula, die sich erst später wieder schließt, hervor (in Fig. 325 bei ZRe noch sichtbar). Beim weiteren Fortschreiten des Teilungsprozesses wachsen die neu- gebildeten Cirren immer mehr heran und rücken immer weiter auseinander, um allmählich die für das ausgebildete Infusor charakteristische Form und Lage anzunehmen (vgl. Fig. 337 und 338). Die alten Cirren des Muttertieres werden, wie bereits auf S. 326 erwähnt, größtenteils erst dann resorbiert, wenn die neugebildeten Cirren der beiden Sprößlirge E.1I.1. Zweiteilung (Hemitomie). 343 funktionsfähig geworden sind; nur einzelne, die in unmittelbarer Nach- barschaft der Neuanlagen standen, schwinden schon sehr frühzeitig: 4/V fehlt schon in Fig. 337, @ (vgl. mit dieser Figur Fig. 338), und die auf diesem Stadium noch vorhandene alte Cirre 3/IV ist in Fig. 337, b a b c 7 RI ): £ Fig. 339. Teilung von Licnophora macfarlandi Stev. Kerne punktiert, adorale Zone quer gestrichelt gezeichnet. Nach STEVENS 1901. scheiben nur durch eine doppelte Wimperreihe voneinander getrennt, die durch eine entsprechende Einbiegung mit anschließender Teilung des innersten Wimperkranzes der Haftscheibe entstanden ist. In gleicher Weise werden auch die anderen Wimperkränze (bzw. „undulierenden Membranen“) der beiden neuen Haftscheiben sowie das sie umgürtende Velum vervollständigt (vgl. hierzu S. 267), und dies führt zur völligen Trennung der beiden Tochterindividuen, da inzwischen eine in der Längs- richtung des Muttertieres einschneidende Trennungsfurche sich immer mehr vertieft hat, derart, daß ’schließlich die beiden Tochtertiere nur noch am Velum miteinander zusammenhängen. Während der Teilung der Haft- scheibe ist der von dieser ausgehende Fibrillenapparat (vgl. S. 214) rück- gebildet worden (in Fig. 339, 4—7 nur schematisch angedeutet), um als- 1) STEvEns (1904) denkt daran, daß die Herausbildung einer linksgewundenen ad- oralen Zone aus einem einheitlichen Felde gleichmäßig kurzer Wimpern und deren spätere Umwandlung in eine rechtsgewundene Zone vielleicht phylogenetische Bedeutung habe. Auch die zahlreichen Kerne von Lienophora führt STEVENS phylogenetisch auf einen bandförmigen Kern nach Art derjenigen von Trichodina und Vorticella zurück. 346 Protozoa. Max Lüns, dann von den aboralen Enden der beiden adoralen Zonen aus wieder neugebildet zu werden (vgl. Fig. 339, 5—10). Nach der Trennung der beiden Tochtertiere voneinander zerfallen die Kernmassen in jedem dann wieder in eine Kette zahlreicher kleinerer Kerne, die eine kurze Zeit lang durch eine gemeinsame Membran miteinander verbunden bleiben (Fig. 339, 10), um sich dann aber bald zu der für die Art charakteristischen Vielzahl von Kernen voneinander zu lösen. Auch Cytostom und Cyto- pharynx desjenigen Tochtertieres, das beide neu zu bilden hat, erhalten ihre volle Ausbildung erst nach der Trennung beider Tochtertiere voneinander. Unter den Peritrichen mit linksgewundener adoraler Zone ist der Teilungsverlauf am besten bekannt bei der zu den Urceolariden gehörigen Trichodina dank den Untersuchungen von WALLENGREN (1897). Die adorale Zone bleibt während der ganzen Dauer der Teilung 3 y? 4 5 Fig. 340. Trichodina pediculus EHrgG. Schematische Darstellung der Teilung, Peristomansicht. Diek ausgezogene Linien — adorale Zone (in / und 2 sind die Neubildungen der adoralen Zone für die beiden Tochtertiere als sich abzweigende dünnere Linien gezeichnet. Unterbrochene Linien (in 2 und 3) —= in Rückbildung be- griffene Teile der adoralen Zone des Muttertieres).. Gewellte Linie — Peristomsaum. Kreuze (v! und v? in Teilfig. 5) Stellen, an denen die neugebildeten Vestibular- einsenkungen der beiden Tochtertiere auftreten (volle Ausbildung der Vestibula erfolgt erst nach Trennung der beiden Tochtertiere). Nach WALLENGREN 1897. in voller Entfaltung und Tätigkeit und macht im Gegensatz zu den bisher besprochenen Ciliaten selbst einen charakteristischen, mit Neubildungen verbundenen Teilungsprozeß durch. — Beim Beginn der Teilung werden der Cytopharynx und das Vestibulum mit ihren undulierenden Membranen rückgebildet, und nur eine schwache Einbuchtung bleibt an der Stelle der Vestibularmündung zurück. Während dann das ganze Peristomfeld etwas in die Quere ausgezogen wird, treten, von der alten adoralen Zone sich nach innen zu abzweigend, die Neuanlagen für die adoralen Zonen der Tochtertiere als zusammenhängende undulierende Membranen auf (in Fig. 340, 1 zum Unterschiede von der alten Zone als dünnere Linien ge- zeichnet). Von diesen Neuanlagen bleibt die anfangs kürzere linke mit dem oralen, die andere mit dem aboralen Teil der alten Zone in Zu- sammenhang, und beide ergänzen sich hierdurch zu vollständigen neuen E.1.1. Zweiteilung (Hemitomie). 347 Zonen (Fig. 340). Hierbei erfahren die beiden Enden der alten Zone charakteristische, aus den Abbildungen ersichtliche Verschiebungen, während ein kurzer mittlerer Teil der alten Zone, der anfangs die beiden Tochterzonen noch miteinander verband, resorbiert wird (in Fig. 340, 2 und 3 durch Punktierung angedeutet). Wenn sich die neuen Vestibula für die beiden Sprößlinge bilden (an den in Fig. 340, 5 durch kleine Kreuze, v! und v?, gekennzeichneten Stellen), haben sich deren Peristomfelder so weit verlagert, daß sie gegeneinander um 180° gedreht sind (in Fig. 340, 5 ist diese Drehung, namentlich bei dem in der Ab- bildung linken Peristom, noch nicht beendigt). Die volle Ausbildung von Vestibulum und Cytopharynx erfolgt erst nach der Trennung beider Sprößlinge. Saugnapf und Haftring von Trichodina werden direkt durch- geschnürt, und hierbei schließt sich auch in jedem Tochtertier die be- treffende Hälfte des alten Haftringes zunächst noch wieder zu geschlossener Ringform zusammen, um aber dann bald resorbiert und durch eine völlige Neubildung ersetzt zu werden, die konzentrisch nach außen vom alten Haftring auftritt. Fig. 341. Carchesium poly- pinum EHrbc. Teilungszustand in seitlicher Ansicht. / völlig zusammen- gezogener Peristomrand, 2 die Peri- stomhöhlen der beiden Tochtertiere, deren (jedenfalls vorhandener) Zu- sammenhang miteinander bzw. mit der scheitelständigen Oeffnung nicht sichtbar ist, 3 die beiden Vestibula, 4 die beiden pulsierenden Vakuolen, 5 der Großkern, der sich vorher stark zusammengezogen hatte und sich jetzt unter Querstreckung zur Teilung anschickt, 6 der in Teilung befindliche Kleinkern, 7 Myoneme, die sich zum Stielmuskel vereinigen, 8 Stiel, 9 Linie, an der der hintere Wimperkranz auftritt (vgl. Fig. 63 und 64 auf S. 41f.), 10 Nahrungs- vakuolen, 11 Stelle, wo der Boden der ursprünglich einheitlichen Peri- stomhöhle (die alte Wimperscheibe) sich emporwölbt, um durch Verwachsung mit dem alten Peristomsaum sich an der Bildung des Peristomsaumes der beiden Sprößlinge zu beteiligen und hierdurch die Trennung der beiden Tochterperistomhöhlen herbeizuführen (Einzelheiten dieses Vorganges nicht kenntlich). Nach BÜTSCHLI, in LEUCKARTS Wand- tafeln. Bei den Vorticelliden ist die Teilung zwar oft beobachtet, aber doch immer noch erst recht lückenhaft bekannt. Wenn sich eine solche zur Teilung anschickt, zieht sie ihre Peristomscheibe (Wimperscheibe) zurück und schließt den Peristomsaum über ihr (Fig. 341). Dadurch wird die Untersuchung des Verhaltens des Peristoms bei der Teilung wesentlich erschwert. Anscheinend ist dieses aber im wesentlichen das gleiche wie bei den nahe verwandten Urceolariden. Im übrigen sei über die Teilung der Vorticelliden noch folgendes angegeben: Der hufeisen- förmige Großkern verkürzt sich zunächst sehr stark und streckt sich erst hierauf wieder zum Zwecke der Teilung in der Querrichtung des Tieres (Fig. 341), während gleichzeitig auch der Kleinkern sich zur (mitotischen) Teilung anschickt. Nach vollendeter Kernteilung muß bei der Körper- teilung die Peristomhöhle sich in eine rechte und linke teilen, was nur 348 Protozoa. Max Lüne, durch Verwachsung ihrer Decke (d.h. des zusammengezogenen Peristom- saumes) mit seinem Boden (d. h. der alten Wimperscheibe) geschehen kann. Nach erfolgter Körperteilung soll dann jede der beiden neuen Peristomhöhlen nach außen durchbrechen, die neue Wimperscheibe des Tochtertieres tritt aus der Oeffnung hervor und entfaltet sich, und die adorale Zone tritt in Tätigkeit. Nur wenn ein Sprößling sich loslöst, um fortzuschwimmen und sich anderswo anzusiedeln (bei den einzeln lebenden Vorticellen), öffnet sich seine Peristomhöhle vorderhand noch nicht. An solchen sich loslösenden Sprößlingen tritt der hintere Wimper- kranz auf (vgl. S. 245); wenn sie sich dann festheften, verlieren sie diesen hinteren Wimperkranz wieder, bilden den Stiel und entfalten nunmehr die Wimperscheibe aus der sich weit öffnenden Peristomhöhle. Ueber das Verhalten des Cytopharynx, der kontraktilen Vakuole und des Reservoirs bei der Teilung ist man nicht unterrichtet. — Ueber Bürscaris Versuch, die Längsteilung der Vorticelliden mit Hilfe einer anderen Orientierung des Vorticellidenkörpers auf die Querteilung anderer Ciliaten zurückzuführen, vgl. dessen Originalabhandlung (BürscaLı 1886). Im Anschluß an diese Besprechung des Verhaltens der Wimper- organe bei der Teilung sei noch auf eine sehr interessante Erschei- nung aufmerksam gemacht, die zuerst von BALBIANI (1891) bei Stentor beobachtet und dann von JOHNson (1894) bei der gleichen Form erneut untersucht worden ist, nämlich die von Zeit zu Zeit vor- kommende vollständige Atrophie des gesamten Apparates der Er- nährungsorganellen und seine vollständige Neubildung. Die Er- scheinung steht jedenfalls mit der starken funktionellen Abnutzung in Zusammenhang. Der Vorgang der Neubildung des Stirnfeldes, der adoralen Membranellenzone und des Cytopharynx verläuft dabei genau in derselben Weise wie die Neubildung dieser Teile bei der Fort- pflanzung. Anfänglich seitlich am Körper (vgl. S. 328, Fig. 326, A), nehmen sie in dem Maße ihre definitive terminale Lage ein, als der alte Ernährungsapparat atrophiert. Auch am Kern treten dabei genau .die gleichen Veränderungen auf wie bei der Teilung: Zusammenfließen der Perlen, Verkürzung und Kondensation des ganzen Kernes, dann wieder Verlängerung und Wiederausbildung der Perlschnurform. Nur eine Teilung des Kernes findet nicht statt, und die Zahl der Perlen wird bei der Wiederherstellung der Perlschnurform nicht, wie es bei der Fortpflanzung geschieht, auf das Doppelte vermehrt, sondern es wird einfach wieder die frühere Zahl hergestellt. Es liegt nahe, diesen Vorgang mit dem auf S. 355 zu besprechenden Uebergang eines Suctors in den Schwärmzustand zu vergleichen. Man könnte ihn dann gleich diesem als eine „abortive Fortpflanzung“ auf- fassen. 8) Schließlich sei auch noch des Stigmas (Augenflecks) der Flagellaten gedacht. Angaben über dessen Verhalten bei der Teilung sind freilich sehr spärlich. Bei Haematococcus wird das alte: Stigma aufgelöst, worauf in beiden Sprößlingen eine Neubildung er- folgt (WOLLENWEBER 1908, REICHENOwW 1909). Dagegen soll bei Euglena nach ZumsTEIn (vgl. Senn 1900) und bei Eutreptia nach STEUER (1903) eine Teilung des Stigmas erfolgen, was aber in Rücksicht darauf, daß eine solche noch kürzlich auch für Haemato- coccus angegeben wurde (WOLLENWEBER 1907), doch wohl noch der Bestätigung bedarf. E.I.2. Knospung (Gemmatio). 349 2. Knospung (Gemmatio). Die Fortpflanzung durch Knospung ist dadurch charakterisiert, daß der sie einleitende Teilungsvorgang nicht wie bei der Zweiteilung zur Bildung von zwei dem Muttertier sowie auch einander gleichen oder doch wenigstens ähnlichen Tochterindividuen führt, sondern daß vielmehr nur das eine Teilprodukt dem Muttertier gleicht, ihm gegen- über auch kaum merklich an Größe abgenommen hat, das andere da- gegen wesentlich anders gebaut und in allen typischen Fällen zunächst auch wesentlich kleiner ist. Es macht den Eindruck, daß das Mutter- tier, ohne selbst wesentliche Einbuße zu erleiden, einen mehr oder weniger kleinen Teil seines Körpers abschnürt, der alsdann unter mehr oder weniger weitgehender Metamorphose zu einem neuen Individuum heranwächst. Dieser von dem Muttertier sich abschnürende Teil wird als Knospe bezeichnet. Die Knospung wird als äußere bezeichnet, wenn die Knospe sich an der freien Oberfläche des Muttertieres, als innere dagegen, wenn sie sich im Inneren eines durch Einstülpung entstandenen „Brutraumes“ bildet. In beiden Fällen kann man wieder eine ein- fache Knospung mit Bildung einzelner und eine multiple Knospung mit gleichzeitiger Bildung mehrerer Knospen unterscheiden. Eine Sonderstellung nimmt endlich die sogenannte „endogene Knospung“ der Cnidosporidien ein. a) Knospung bei Suetorien. Bei den Suctorien ist die Knospung im Gegensatz zu ihrem meist nur vereinzelten Vorkommen in anderen Protozoenklassen die typische, fast ausschließlich herrschende Fort- pflanzungsweise. Bei ihnen finden sich auch nicht nur fast alle ver- schiedenen Hauptformen der Knospung, sondern auch sehr interessante Zwischenformen zwischen typischer Zweiteilung und typischer Knospung, die es uns ermöglichen, die Knospung als eine kompliziertere Fortpflanzungsweise von der einfachen, direkt zu zwei dem Muttertier ähnlichen Tochtertieren führenden Zweiteilung abzuleiten. Wir wollen deshalb diese Gruppe bei unserer Betrachtung voranstellen. Daß die Knospen der Suctorien in der Regel bewimpert sind, während die ausgebildeten Tiere der Wimperung entbehren, wurde bereits auf S. 245 betont (vgl. auch die Angaben über die Meta- morphose $. 266). Nur eine einzige Art, Acineta swarczewskyi COLLIN, soll nach SWARCZEWSKY (1908) unbewimperte amöboide Larven besitzen, die wie die bewimperten Larven anderer Acineta- Arten durch einfache innere Knospung erzeugt werden. Typische Zweiteilung kommt unter den Suctorien nur bei der auch im übrigen ganz isoliert stehenden Gattung Hypocoma vor (vgl. hierzu auch $. 245), die CorLzın (1912) als eine auf dem Larvenstadium stehenbleibende Form auffaßt. Die Teilung erfolgt hier wie bei den Wimperinfusorien quer zur Längsachse des Körpers. Zwischenformen zwischen typischer Zweiteilung und typischer Knospung siehe nachstehend unter einfacher äußerer Knospung. 1. Einfache äußere Knospung ist charakteristisch für die Suctorienfamilie der Podophryiden. Speziell in der Gattung Podo- phrya ist aber die Knospe nahezu ebenso groß wie das Muttertier, so daß die Anfangsstadien der Knospung völlig den Eindruck einer ge- 350 Protozoa. Max Lüne, wöhnlichen Zweiteilung machen (vgl. Fig. 342, 7) und erst beim weiteren Fortschreiten des Prozesses die Knospe auf Grund der Rückbildung der Tentakel und Ausbildung der Wimpern vom wimperlosen, tentakel- tragenden Muttertier unterschieden werden kann (Fig. 342, 2u.5). Die eigenartige Zwischenstellung dieser Fortpflanzungsform wird am besten dadurch illustriert, daß Lang in der 2. Aufl. dieses Werkes sie als Zweiteilung rubriziert, Corın (1912) dagegen als Knospung (wenn auch mit dem Zusatz „pseudofissiparite“). Die Teilung erfolgt auch hier wieder wie bei Ciliaten und Hypocoma quer zur morphologischen Längs- achse, was freilich in Fig. 342, 1 nicht hervortritt, da das dort ab- gebildete Exemplar keinen Stiel besitzt (das Vorhandensein eines solchen ist bei Podophrya nicht konstant). Sie beginnt mit einer gleichmäßigen Fig. 342. Fortpflanzung von Podophrya, nach dem Leben. 1—/ Podophrya fixa (MüLL.). 2 Frühes Fortpflanzungsstadium, scheinbar äquale Teilung. 2 Späteres Stadium, kurz vor der Ablösung des einen Sprößlings als Larve, an der sich bei gleich- zeitigem Schwunde der Tentakel ein Wimperkleid ausgebildet hat. 3 Die ausgebildete frei schwärmende Larve, die nur noch am hinteren Pole wenige kleine Tentakel besitzt. 4 Querschnitt durch die Larve (ohne Darstellung des Wimperkleides), um die starke Ab- flachung ihres Körpers im Gegensatz zu dem kugeligen Muttertier zu zeigen. 5—6 Pod- ophrya sandi CoLLın. 5 Die (in Polansicht dargestellte) Larve hat sich eben von dem gestielten Muttertier losgelött. 6 Seitenansicht der frei schwärmenden Larve. Nach CoLLIn 1912. Vergr. 300:1. Längsstreckung des Körpers und darauf folgendem Auftreten einer Schnür- furche ungefähr in dessen Mitte. Im übrigen braucht der Fig. 342 wohl kaum etwas hinzugefügt zu werden. Bei Sphaerophrya bietet die Fortpflanzung fast den gleichen Anblick wie bei Podophrya, indessen ist hier doch schon nicht selten die Knospe merklich kleiner wie das Muttertier. Indem dieser Größen- unterschied sich dann noch weiter verstärkt und konstant wird, entsteht die typische Knospung, wie sie sich bei Paracineta findet (vgl. Fig. 342 A). Charakteristisch für sie ist das bruchsackartige Vorwachsen der Knospe am Beginn des Fortpflanzungsprozesses (Fig. 342 A, 7), und wichtig für die Ableitung dieser Knospung von einer Querteilung ist die scheitelständige Lage der Knospe, deren Längsachse freilich auffälliger- weise senkrecht zur Längsachse des Muttertieres gerichtet ist (Fig. 342A, 2). Die Zahl der Wimperreihen, welche die Larve von Paracineta (und ähnlich auch die von Podophrya) in querer Richtung umgürten, ist so E. I. 2. Knospung (Gemmatio). 351 groß, daß fast die ganze Oberfläche der Larven bewimpert ist (Fig. 342 und 342 A) und deshalb diese Larven früher als „holotrich* den typi- schen „peritrichen“ Suctorien- larven (vgl. Fig. 250 auf S. 245) 1 2 gegenübergestellt wurden. Be- merkenswert ist auch bei Para- cineta patula das auffällig früh- zeitige Auftreten der Tentakel, noch bevor die Knospe sich vom Muttertier abgelöst hat (Fig. 342 A, 2). 2. Multiple äußere Knospung ist charakte- ristisch für die den Podo- phryiden nahestehende Familie der Ephelotiden und bei Ephelota gemmipara (Fig. 343) wiederholt genau untersucht (R. Herrwıc 1876 und Coruın 1912). Hier wird nur ausnahmsweise und bei der S 4 Fortpflanzung sehr kleinerExem- Fig. 342 A. Knospung von Paracineta plare nur eıne use Knospe patula (CL. u.L.), nach dem Leben. / Bruch- gebildet. Gewöhnlich werden sackartige Vorwölbung der Knospe. 2 Späteres 4 oder 6, seltener 8—12, bei Stadium. 3 Die abgelöste frei schwärmende Larve. kleinen Mxemplaren golegent- 4,Ein Junge Tor des sich eben Isgeeit hat lich wohl auch nur 2 Knospen gleichzeitig gebildet. Sie ent- stehen am Vorderende des Muttertieres in einem einfachen Kranze nach innen von den Tentakeln, die (entgegen der von Fig. 343, b geweckten Fig. 343. Ephelota gemmipara. «a Ruheform mit ausgestreckten Saugröhrchen und 2 pulsierenden Vakuolen. b Knospungsstadium mit in die Knospen eintretenden Fortsätzen des verästelten Kernes. ce Eine einzelne Knospe nach ihrer Loslösung und nach Ausbildung der ersten Saugröhrehen. Nach R. HERTWIG aus CLAvs, Zoologie. Vorstellung) während der Knospung in der Regel nicht eingezogen werden. Die freie Spitze der einzelnen Knospe bildet den vorderen Pol der sich entwickelnden Larve, die der Hauptachse des Muttertieres zu- 352 Protozoa. Max Lünk, gewandte abgeflachte, zum Teil sogar konkav eingedellte Fläche wird zur Ventralfläche, die gewölbte Außenfläche zur Dorsalfläche der Larve. Die Wimpern der Larve entstehen in mehreren konzentrischen, anfangs nach hinten offenen U-förmigen, später sich zu Ellipsen zusammen- schließenden Reihen an der Grenze von Dorsal- und Ventralfläche und in den äußeren Teilen der letzteren. Diese sogenannte „hypotriche“ Bewimpe- rung darf aber nicht, wie früher vielfach geschehen, zu der für die Suctorien typischen „peritrichen“ Bewimperung (vgl. Fig. 250 auf S. 245) in Gegensatz gestellt werden, entspricht dieser vielmehr vollkommen, da die Larve von Podophrya sich nicht mit einem ihrer scheinbaren Pole, festsetzt, sondern mit einem von jenen Wimperreihen umgürteten Punkte” ihrer sogenannten Ventralfläche ; die morphologische Längsachse der Larve von Podophrya verläuft demnach nicht von Pol zu Pol, sondern ist gegen die Ventralfläche gekrümmt und wird wie bei typischer „peritricher“ Bewimperung von den Wimperreihen umgürtet. Fig. 344. Vergleich der einfachen äußeren mit der einfachen inneren Knospung bei den Suctoria. A äußere, € innere Knospung, B schematische Zwischenform. 1 Wimpern der Knospe, der Einfachheit halber als ein einziger Kranz dargestellt, dessen Verlaufsrichtung aber nicht schräg, sondern nahezu senkrecht sein müßte, 2 Knospe, 3 Saugtentakel des Muttertieres, 4 Kern in Teilung, 5 gestieltes becherförmiges Gehäuse. Schema von Lane. In seltenen Ausnahmefällen können bei Ephelota die Tentakel der Tochtertiere bereits vor Ablösung der Knospen vom Muttertier gebildet werden. Näheres hierüber siehe bei Cozuın (1912), auf dessen die ältere Schilderung von Herrwıc (1876) ergänzende Angaben auch hinsichtlich des Verhaltens des Kernes während der Knospung verwiesen werden muß. Hier muß der Hinweis genügen, daß der Kern des Muttertieres nach einer vorausgegangenen (nach ihrem ersten Auftreten zunächst jedoch noch einmal wieder rückgebildeten) Verästelung durch „multipolare Amitose“ die Kerne der Knospen abschnürt. 3) Die innere Knospung ist die weitaus verbreitetste Form der Fortpflanzung bei den Suctorien und für nicht weniger als 5 der von Corzın (1912) unterschiedenen 8 Familien charakteristischh In der Regel tritt sie als einfache innere Knospung auf und erscheint als solche trotz ihrer weiten Verbreitung doch so gleichförmig, daß die wesentlichen Züge dieser von Bürscaui (1876) für Tocophrya quadripartita zuerst geschilderten Fortpflanzungsform überall in gleicher Weise wieder- E. 1.2. Knospung (Gemmatio). 353 kehren. Man kann sie von der einfachen äußeren Knospung ableiten, wenn man annimmt, daß die Stelle, an der sich die Knospe bildet, in den Grund einer von außen in das Körperinnere vordringenden Ein- stülpung, den sogenannten Brutraum, zu liegen kommt (vgl. Fig. 344). In Fig. 345 ist die einfache innere Knospung von Tocophrya eyclopum als Beispiel dargestellt, und dieser Abbildung braucht ‘ kaum noch etwas hinzugefügt zu werden. Nur auf die Beziehungen des Brutraumes zur kontraktilen Vakuole, die bei der Entwickelung des Brutraumes in die Tiefe gedrängt wird und dann in einen zipfelförmigen Ausläufer des Brutraumes hinein mündet, sei noch ausdrücklich hinge- 4 5 7 Fig. 345. Knospung von Tocophrya cyclopum (Cr. u. L.). 7 Junges Exemplar, bei dem an der Mündungsstelle der pulsierenden Vakuole die erste Anlage einer künftigen Bruthöhle als kleine Delle sichtbar ist. 2—5 Vorderenden größerer Exemplare mit 4 auf- einander folgenden Stadien der Bildung und Abschnürung einer Knospe (Tentakel des Muttertieres nicht dargestellt). 6 Ausschlüpfen der Knospe aus der Bruthöhle. 7 Vorder- ende des Muttertieres nach dem Ausschlüpfen der Knospe mit in Rückbildung begriffener Bruthöhle und wieder zur Oberfläche emporsteigender pulsierenden Vakuole (während der Knospung erscheint diese stark in die Tiefe verlagert, vgl. Stadium 2—5). Vergr. von 1 900 :1, von 2—7 600:1. Nach CoLLin 1912. wiesen, zumal das gleiche Verhalten auch von einigen anderen Arten aus verschiedenen Gattungen (Acineta, Pseudogemma, Endosphaera, Choanophrya) bekannt ist und vermutlich bei allen Suctorien mit einer einzigen, apikal gelegenen kontraktilen Vakuole und apikaler Lage des Brutraumes wiederkehrt. Die schräge Lage der sich entwickelnden Knospe im Innern des PBrutraumes des abgebildeten Exemplares (Fig. 345, 2—4) ist wohl sicher nur durch nebensächliche räumliche Verhältnisse bedingt; jedenfalls ist sie nicht nur bei den Suctorien im allgemeinen, sondern nach Coruın (1912) selbst auch bei der hier be- handelten Art verhältnismäßig selten, und trotz ihr entspricht die Lage der jungen Knospe im Verhältnis zur Teilungsebene (Längsachse der Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 23 354 Protozoa. Max Lüne, Knospe senkrecht zur Teilungsachse) völlig dem Verhalten bei der ein- fachen äußeren Knospung von Paracineta (vgl. Fig. 342 A). Die bei dieser betonte Stellung der Längsachse der Knospe senkrecht zur Teilungsachse nicht nur, sondern auch senkrecht zur Längsachse des Muttertieres bildet auch für die innere Knospung der Suctorien die Regel. ; Eine auffällige Ausnahme von dieser Regel scheint freilich Den- drocometes zu bilden, der auch dadurch von Interesse ist, daß die Knospe sich nicht innerhalb des Brutraumes, in dem sie zuerst ent- standen ist, von dem Mutterboden loslöst. Vielmehr wölbt sich nach BürscnLı die noch festsitzende Knospe aus dem Brutraum hervor, worauf dieser völlig verstreicht, so daß die Knospe gewissermaßen sich aus einer inneren in eine äußere verwandelt. Die Wimperringe bilden sich an der Knospe derart, daß sie dieselbe in querer Richtung (d. h. parallel der Teilungsebene) völlig umgürten und daß somit im direkten Gegensatz zu den anderen Suctorien die Längsachse der Knospe mit der Teilungsachse und der Längsachse des Muttertieres zusammenzufallen scheint. Bei einzelnen Suctorien führt die durch innere Knospung eingeleitete Fortpflanzung zur Entstehung nicht nur einer, sondern mehrerer Larven. Hierbei können jedoch verschiedene Wege eingeschlagen werden. a) Bildung einer einzigen Knospe, die sich nach- träglich teilt und so zur Entstehung mehrerer bis zahlreicher Embryonen in einem einheitlichen Brutraum führt, findet sich bei Trichophrya epistylidis und Ophryodendron. Bei der ersteren Art entwickelt sich die Knospe in dem Brutraum bis zum Larvenstadium; diese „Primärlarve“ vermehrt sich aber vor ihrem Aus- schlüpfen durch zwei- oder dreimal wiederholte Zweiteilung. Bei Ophryodendron dagegen unterbleibt die direkte Weiterentwickelung der Knospe zur beweglichen Larve, vielmehr teilt sich ein nach Art der inneren Knospung anderer Suctorien gebildeter zentral gelegener kernhaltiger Plasmakörper (die „primitive Embryonalmasse“) alsbald durch wiederholte Zweiteilung in 6—8 kleinere ovale Körper (die „sekundären Embryonen“); erst diese entwickeln die für die Suctorien- larven charakteristischen Wimperringe und schwimmen aktiv in dem Brutraum umher, teilen sich aber auch ihrerseits noch ein- bis zweimal und lassen so die 15—20, auch 30 oder noch mehr „definitiven Em- bryonen“ aus sich hervorgehen, die später ausschlüpfen (Marrım 1909). Als eine noch frühzeitigere Zweiteilung einer inneren Knospe (noch vor deren Loslösung vom Mutterboden) deutet Coruın (1912) eine alte Beobachtung von Stein (1867) bei Endosphaera. b) Bildung mehrerer Knospen in gesonderten Brut- räumen, deren jede sich in der gewöhnlichen Weise zu einer einzelnen Larve entwickelt, findet sich dagegen bei Dendrosoma, Lernaeophrya und Trichophyra salparum. Bei Dendrosoma (Fig. 145, S. 144) und der dieser sehr nahestehenden Lernaeophyra bilden sich die einzelnen Bruträume mit je einer einzigen Knospe an ganz verschiedenen Stellen des umfangreichen Muttertieres unabhängig voneinander und ohne zeitlichen Zusammenhang; wir können deshalb hier jede einzelne Knospenbildung als eine gesonderte einfache Knospung be- trachten. Bei Trichophrya salparum dagegen entstehen zwar auch 15—20 Knospen in je einem einzelnen Brutraum, aber die Bildung E. I. 2. Knospung (Gemmatio). 355 dieser Knospen erfolgt hier gleichzeitig und in direktem räumlichen Zusammenhang (Fig. 346), ähnlich wie Ephelota gemmipara gleichzeitig mehrere Knospen bildet; nach Analogie mit Ephelota müssen wir des- halb hier von einer multiplen inneren Knospung sprechen. Schließlich ist hier auch noch anzuführen, daß gelegentlich bei den Suctorien sich das ganze Tier in einen durchaus seiner Larve entsprechenden Schwärmer rückverwandeln kann, eine Erscheinung, die nicht etwa dem Uebergang der Vorticellen aus dem festsitzenden in den beweglichen Zustand verglichen werden darf, wie dies Bürschuı (1889) auf Grund der damaligen noch unvollkommneren Kenntnisse tun wollte, die vielmehr nur durch Vergleich mit der Knospung verständlich wird und von Corrın (1912) als eine „abortive Fort- pflanzung“ bezeichnet wird. Je nachdem, ob die betreffende Art sich durch äußere oder durch innere Knospung fortpflanzt, verläuft der Vor- gang in verschiedener Weise. a Fig. 346. Trichophrya salparum ENTZ, multiple innere Knospung. «a Seiten- ansicht eines in Knospung befindlichen Exemplares.. b Scheitelansicht eines anderen Exemplares mit den fertig ausgebildeten Knospen, die zum Teil auch den Mikronucleus erkennen lassen, in ihren einzelnen Bruträumen. Vergr. 335:1. Nach CoLLin 1912. 1) Bei Formen mit äußerer Knospung, wie Sphaerophrya, Podophrya, Metacineta, geht der ganze Körper, falls er ungestielt ist, restlos in den Körper des Schwärmers über; andernfalls bleibt lediglich der Stiel übrig, indem sich das Tier von diesem ablöst. Aber selbst in diesem einfachen Falle entspricht diese Ablösung nicht der Ablösung der Vorticelle von ihrem Stiel, weil ganz wie bei der Knospung (vgl. Fig. 342 A) die Achse des gebildeten Schwärmers (und dementsprechend auch die Achse des aus ihm wieder hervorgehenden späteren festsitzen- den Tieres) senkrecht zur Achse des in den Schwärmer übergehenden festsitzenden Tieres steht. Der Schwärmer ist also eine typische Larve, wie sie bei der Knospenbildung entsteht, nur daß bei seiner Bildung kein Mutterkörper übrig bleibt. 2) Bei Formen mit innerer Knospung, wie Dendrocometes, Stylocometes, Tocophrya, ist die Analogie mit der Knospung noch deut- licher, indem hier die Umwandlung in den Schwärmer ganz wie die Knospung in einem durch Einstülpung entstehenden Brutraum erfolgt (Fig. 347). Die Achse des sich entwickelnden Schwärmers steht auch wieder senkrecht zur Achse des festsitzenden „Muttertieres“ (vgl. 23* 356 Protozoa. Max Lünk, Fig. 347, a). Nur die Kernteilung unterbleibt, der weitaus größte Teil des Suctorienkörpers geht in den Körper des Schwärmers über, und nach dessen Ausschlüpfen bleibt von dem „Muttertier“ nur der Stiel, die Pellicula und die innere Wandung des Brutraumes übrig, so daß BürscaLı (1877) diesen Vorgang vom physiologischen Gesichtspunkt aus einer Häutung vergleichen konnte. Biologisch ist er insofern von Wichtigkeit, als er stets dann stattfindet, wenn die Wirte der betreffenden Suctorien sich häuten (Dendrocometes paradoxus lebt auf den Kiemenblättchen von Gammarus pulex, Stylocometes digitatus auf denen von Asellus aquaticus und Tocophrya cyclopum auf Cyclops, Diaptomus und Gammarus); der Uebergang in den Schwärmerzustand ermöglicht demnach diesen Suctorien die Wiederansiedelung auf der neugebildeten Outicula ihres Trägers. Fig. 347. Tocophrya cyclopum (Cr. u. L.).. Umwandlung des ganzen Suctors in einen Schwärmer. «a An- fangsstadium der Schwärmerbildung. b Endstadium; der fertig ausgebildete Schwärmer in seinem Brutraum. c Stiel und zusammengeschrumpfte Wandung des Brutraumes, nach Aus- schlüpfen des Schwärmers dem Unter- gange verfallend. Vergr. 435:1. Nach CoLLIN 1912. Aus dem Handwörter- b buch der Naturwissenschaften. b) Außerhalb der Klasse der Suetorien findet sich Knospung bei Protozoen nur ganz vereinzelt: unter den mit den Suctorien am nächsten verwandten CGiliaten nur bei einzelnen Peri- trichen (Spirochona und verwandten Formen), unter den Sarcodinen als normale Fortpflanzungsweise wohl nur bei einzelnen Heliozoen (Acanthocystis, Wagnerella), denn die sogenannte Leydenia gemmipara kann als eine normale Protozoenform wohl sicher nicht betrachtet werden. Unter den Flagellaten ist sie bei einzelnen Chrysomonadinen beobachtet (Fig. 352); die sogenannte Knospung von Noctiluca ist dagegen in Wirklichkeit eine multiple Teilung, vgl. S. 568. In verhältnismäßig weiter Verbreitung findet sich dann aber wieder eine eigentümliche Art von Knospung (endo- gene Knospung) bei Cnidosporidien. Bei Sporozoen fehlen dagegen Knospungsvorgänge gänzlich. 1) Ciliata. Bei der von WALLENGREN (1895) näher untersuchten Spirochona scheutenii, die auf Gammarus locusta lebt (Fig. 348), zeigt sich die erste Anlage einer Knospe in Form einer kleinen Vor- wölbung an der Basis des Halses. Im Bereich dieser Vorwölbung senkt sich dann die Pellicula mehr und mehr ein zur Bildung einer von Wimpern ausgekleideten, durch einen feinen wimperlosen Kanal nach außen mündenden Höhlung, der Anlage des Peristoms des Tochtertieres (Fig. 348, 1—2). Während diese sackförmige Anlage des neuen Peristoms sich mehr und mehr in die Tiefe senkt, wird die ganze Knospe mehr und mehr von dem Muttertier abgeschnürt (Fig. 348, 3). Inzwischen haben sich auch Groß- und Kleinkern geteilt, wobei der eine Tochterkern von beiden in die Knospe zu liegen kommt, der andere im Muttertier verbleibt. Schließlich hängt die Knospe mit dem Muttertier nur noch durch eine dünne Plasmabrücke zusammen, mit deren Hilfe sie auf der E. I. 2. Knospung (Gemmatio). 357 schüsselartig vertieften Oberfläche eines niedrigen sockelartigen Fort- satzes des Muttertieres aufsitzt (Fig. 348, 4). Eine geraume Weile bleibt die Knospe noch so sitzen, endlich aber löst sie sich vollständig ab, um sich an einem Gammarus festzusetzen und zu verwandeln. Vor ihrer Loslösung dreht sich die Knospe, die während des größten Teiles ihrer Entwiekelung die Seite mit der Peristomanlage dem Muttertier zu- gewandt hatte, noch in charakteristischer Weise um 90° um ihre eigene Längsachse (vel. Fig. 348, 4). Der Vorgang der Knospung kann sich mehrere Male an demselben Muttertier wiederholen und verläuft zuweilen so lebhaft, daß eine zweite Knospe schon entsteht, bevor noch die ältere abgelöst ist (Fig. 348, 4). 1 3 4 5 = " ML 7 Fig. 348. Spirochona scheutenii St. Knospung. In / sind 2 verschieden alte Knospen gleichzeitig vorhanden, die ältere von beiden, die sich in charakteristischer Weise um 90° gedreht hat und dem Beschauer ihre Ventralfläche zukehrt statt, wie in jüngeren Stadien, die Seitenfläche, steht kurz vor der Ahlösung. 5 Frei schwärmende Knospe. Im übrigen vgl. den Text. Nach WALLENGREN 1895. Die abgelöste Knospe (Fig. 348, 5), welche träge herumschwimmt, hat keinerlei Aehnlichkeit mit dem Muttertier. Sie ist annähernd eiförmig, nach hinten etwas verjüngt und im ganzen etwas abgeflacht mit gewölbter Dorsalfläche. Die Ventralfläche ist in dem vorderen Körperteil nahezu in ganzer Breite konkav vertieft, während nach hinten zu diese Ver- tiefung sich in eine noch stärker eingesenkte Rinne fortsetzt. Die ganze vertiefte Fläche ist mit Cilien bedeckt, den einzigen überhaupt am Körper vorhandenen, die während des nur kurzdauernden Schwärm- stadiums als Bewegungsorganellen dienen und als solche auch bereits bei der Ablösung der Knospe vom Muttertier eine Rolle spielen. Schließlich heftet sich die Knospe an einer Borste eines Gammarus- beines fest und zwar mit einer dem Hinterende genäherten Stelle der Ventralfläche, die, ungefähr an der Grenze von konkaver Fläche und stärker vertiefter Rinne gelegen, durch eine charakteristische Strahlen- 358 Protozoa. Max Lüne figur gekennzeichnet ist und an der ein schleimiges, bald erhärtendes und die Festheftung vermittelndes Sekret abgeschieden wird. Nach der Festheftung werden alsbald die Cilien in dem hinter dem Haftapparat gelegenen Teil der ventralen Rinne resorbiert, während diese selbst die Borste des Gammarusbeines umfaßt. Die vor dem Haft- apparat gelegene Konkavität wird in ihrem hinteren Teile ausgeglichen, während gleichzeitig auch hier die Wimpern resorbiert werden. Nur der vordere Teil der vertieften Ventralfläche behält seine Wimper- bekleidung und läßt das Peristom des ausgebildeten Tieres aus sich hervorgehen. Inzwischen ist unmittelbar nach der Festheftung auch bereits die halsartige Einschnürung aufgetreten, die das Vorderende vom übrigen Körper absetzt. Die Knospung findet das ganze Jahr hindurch statt, ist aber im Sommer lebhafter als im Winter (besonders häufig im Mai und Juni) und scheint ganz besonders lebhaft zu sein zur Zeit der Häutung der Gammari, bei der die festgehefteten Tiere auf der abgeworfenen Outicula sitzen bleiben. Hierbei wird auch häufig bereits eine neue Knospe ge- bildet, bevor noch die vorhergehende sich abgelöst hat (Fig. 348, 4); nicht selten wurde sogar noch eine dritte Knospe beobachtet. Derart rasch aufeinander folgende Knospung führt zu einer merklichen Größenabnahme und oft genug schließlich zu einer völligen Erschöpfung des Mutter- tieres (mit Rückbildung des Peri- stoms beginnende völlige Rudi- mentation). Bei einer anderen zu den Spirochoninen gehörigen, als Ken- trochonopsis multipara be- zeichneten Form beobachtete Dor- veIin (1897) die Bildung besonders zahlreicher Knospen (vgl. Fig. 349). Fig. 349. Kentrochonopsis multi- para DorrL. mit 7 Knospen (I—VIT), die wahrscheinlich nieht ganz gleichzeitig, sondern in der Reihenfolge der Nume- rierung (I als älteste) gebildet wurden. 1 Makronuclei der Knospen, 2 Mikro- nuclei in den Knospen und im Mutter- tier (das rubende Tier hat 6 Mikronuclei, „deren Vermehrung bei der Knospung zu einem wahren Gewimmel dieser Ge- bilde führt“), 3 Anhäufungen färbbarer Substanz von unbekannter Bedeutung, 4 Makronucleus des Muttertieres, 5 Peri- stomanlagen der Knospen. Nach Dor- LEIN 1897. 2. Sarcodina. a) Leydenia gemmipara ist ein amöben- ähnliches, in der Bauchhöhlenflüssigkeit eines asciteskranken Menschen gefundenes Protozoon, das sich dort durch Teilung wie durch Knospung vermehrte. Beide Vermehrungsweisen sind aber durch kontinuierliche Uebergänge miteinander verbunden, und die Größe der Knospen wechselt innerhalb weiter Grenzen. Auch können die Knospen alsbald nach ihrer Losschnürung vom Mutterkörper selbst wieder zur Teilung schreiten. Bei E. I. 2. Knospung (Gemmatio). 359 der Teilung teilt sich der Kern amitotisch in zwei gleich große Tochter- kerne, und beiden werden dann auch gleich große Portionen Protoplasma zugeteilt. Bei der Knospung erfolgt die Kernteilung in gleicher Weise, aber der eine Tochterkern wird kleiner als der andere und erhält auch eine entsprechend kleinere Plasmamenge zugeteilt. Die Größe der Knospe ist immer proportional der Größe ihres Kernes. Die ganze Art der Knospung macht entschieden den Eindruck einer degenerierten Teilung. — Der eigenartige Parasit ist nicht wieder gefunden worden, und die Ascitesflüssigkeit ist sicher nicht sein normaler Wohnsitz. Es ist daher wahrscheinlich, daß die sogenannte Leydenia keine selbständige Protozoen- art ist, sondern daß es sich nur um die Degenerationsform eines anderen Sarcodinen handelt, der vielleicht durch die infolge des lange bestehenden Ascites veränderte Darmwandung hindurch in die Bauchhöhle hinein- gelangt ist. ScHaupını (1903) selbst hat die Leydenia später als eine sich atypisch vermehrende Degenerationsform von Chlamydophrys stercorea betrachtet. b) Heliozoen. Ueber Knospungsvorgänge bei Heliozoen sind wiı durch Untersuchungen, die ScHAuDInn (1896) an mehreren Arten der Gattung Acanthocystis angestellt hat, recht gut unterrichtet. Die Knospung kommt hier neben der Fortpflanzung durch Zweiteilung vor und kann mit ihr abwechseln. Während bei der Teilung das Zentralkorn sich ganz wie das Üen- 'trosom einer Metazoenzelle verhält (vgl. S. 152), der Kern sich unter dem Bilde einer Mitose teilt (vgl. außer Fig. 350, B auch Fig. 150, II d—e, S. 151, Fig. 323, S. 325) und die Pseudopodien, deren Achsenfäden ja von dem Zentralkorn ausstrahlen, vermutlich im Zusammenhang mit, dessen Mitwirkung bei der Teilung eingezogen werden, bleibt das Zentralkorn an den Knospungsvorgängen gänzlich unbeteiligt. Dem- entsprechend teilt sich der Kern bei der Knospung direkt (Fig. 350, A), und die (in dieser Figur allerdings nicht dargestellten) Pseudopodien werden nicht eingezogen. Die Knospung beginnt damit, daß das Karyosom des Kernes sich in die Länge streckt, hantelförmig wird und sich hierauf durchschnürt, worauf die Durchschnürung des ganzen Kernes folgt. (Die Einzelheiten dieser Kernteilung bedürfen auf Grund der neueren Fortschritte in der Erkenntnis der Struktur der Protozoenkerne erneuter Untersuchung; es scheint aber nicht unwahrscheinlich, daß es sich um die Promitose eines echten Karyosomkernes handelt; vgl. S. 145f.) Die Kerne können sich in gleicher Weise noch wiederholt teilen, so daß die betreffenden Acan- thocystis-Individuen mehrkernig werden, während stets nur ein einziges Zentralkorn zu beobachten ist. Während nun ein Kern im Zelleib des Muttertieres zurückbleibt, „rückt der andere (bzw. die anderen) an die Oberfläche, wobei er etwas feinkörniges Endoplasma mitnimmt; er wird dort von grobkörnigem Ekto- plasma!) umhüllt, wölbt mit seinem Plasma allmählich die aus tangen- tialen und radiären Nadeln bestehende Kieselschale- buckelartig hervor (Fig. 350, A, links unten) und schnürt sich schließlich als kugelige Knospe ganz von dem Muttertier ab, indem tangentiale Nadeln zwischen seiner Oberfläche und der des Muttertieres abgelagert werden (Fig. 350, A, oben). Der ganze Prozeß vom Beginn der Kerndurchschnürung bis zur 1) Ueber diese Differenzierung von Endo- und Ektoplasma, besser Mark- und Rinden- plasma der Heliozoen vgl. S. 154. 360 Protozoa. Max Lünr, Ablösung der Knospe dauert 2—4 Stunden. Dasselbe Tier kann sehr zahlreiche Knospen produzieren (bis zu 24 gezählt), die häufig noch einige Zeit mit dem Muttertier vereint bleiben und so große Kolonien bilden.“ Bei der die Knospung einleitenden Kernteilung sind die beiden ent- stehenden Tochterkerne nicht immer gleich groß. Vielmehr kann der- Fig. 350. Acanthocystis aculeata HERTw. u. LESS. Knospung. A 2 Knospen abgeschnürt, eine dritte in Abschnürung begriffen; der Kern (7) in direkter Teilung zum Zweck der Bildung einer neuen (vierten) Knospe, das Zentralkorn (2) beteiligt sich nicht an der Knospenbildung. B Ein in Zweiteilung begriffenes Exemplar mit 6 Knospen. € Eine einzelne abgelöste Knospe. D Knospe zu einem Schwärmer (Flagellospore) um- gebildet. E Amöboid gewordene Knospe (Amöbospore). F Auftreten des Zentralkornes im Kern einer Knospe. @ Austritt desselben aus dem Kern. Nach SCHAUDINN 1896. jenige, der zum Knospenkern wird, sehr viel kleiner sein als der im Muttertier verbleibende, so daß man auch von einer Kernknospung sprechen kann. Nach der Knospung ist das Muttertier alsbald wieder zur Fort- pflanzung durch Zweiteilung befähigt (vgl. Fig. 350, B). E. I. 2. Knospung (Gemmatio). 361 Die ausgebildeten Knospen entbehren sowohl des Zentralkorns wie der Pseudopodien. Ihr weiteres Schicksal ist verschieden; ScHAUuDInN hat folgende 5 Fälle beobachtet: 1) Im einfachsten Falle löst sich die Knospe mit ihrer Kiesel- hülle ganz vom Muttertier los und fällt zu Boden, wo sie einige Tage in Ruhe verharrt. 2) In anderen Fällen kann ihr Kern sich wiederholt direkt teilen, worauf sie in eine entsprechende Anzahl von Tochterknospen zerfällt. 3) Die Knospe kann aber auch ihre Hülle verlassen, 2 Geißeln bilden (Fig. 350, D) und sich träge eine Strecke weiter bewegen; doch setzt sie sich gewöhnlich bald fest und wird amöboid, indem sie einige kurze stumpfe Pseudopodien entwickelt (Fig. 350, E). Die Ausbildung langer Pseudopodien mit Achsenfäden wurde dagegen nie beobachtet. Nach 1—2 Tagen rundet sich dann die Amöbe kugelig ab und beginnt im Innern in der Umgebung des Kernes kleine Kieselnadeln abzuscheiden, die dann an die Oberfläche rücken und sich dort tangential anordnen. Die radiären Nadeln werden erst viel später, aber ebenfalls in der Nähe des Kernes gebildet (vgl. hierzu die Schalenbildung bei Euglypha auf S. 336 f.). 4) Nicht immer entwickelt die Knospe beim Verlassen der Hülle die Geißeln, sondern sie kann auch gleich als kleine Amöbe auswandern. 5) Wenn der Kern der Knospe sich vorher wiederholt geteilt hatte, so wandern nicht selten mehrere kleine Amöben aus der Hülle hervor. Zwischen diesen verschiedenen Entwicklungsweisen können auch verschiedene Uebergänge vorkommen. „So kann z. B. schon aus der noch nicht abgeschnürten Knospe der Weichkörper als Amöbe oder Schwärmer ausschlüpfen oder eine Amöbe kann erst später sich zum Schwärmer um- bilden, doch sind dies alles nur Modifikationen desselben Vorganges, näm- lich der Knospung, die ihren Charakter durch die direkte Kernteilung erhält. Das Resultat all dieser Abarten der Knospung ist auch stets dasselbe, nämlich ein kleiner kugeliger Organismus mit zentral gelegenem, bläschenförmigem Kern und mit einer Kieselhülle, die sich aus stäbchen- förmigen, tangential gelagerten Nadeln zusammensetzt (Fig. 350, 0). Die Knospe nimmt nach der Ablösung vom Muttertier einige Tage keine Nahrung auf, weil sie überhaupt keine Pseudopodien entwickelt.“ Nach 3—4 Tagen sind aber die meisten stark lichtbrechenden Körner im Rindenplasma der Knospe, die sie vom Muttertier mitbekommen hatte, verschwunden; dieselben stellen also offenbar Reservenahrung dar und sind ein weiterer Beweis dafür (wenn es eines solchen noch bedürfte), daß das Rindenplasma der Heliozoen nicht dem Ektoplasma, sondern einem Teile des Endoplasmas anderer Protozoen entspricht (vgl. außer S. 154 namentlich auch S. 102). Am 4. Ruhetage tritt in der Knospe ein neues Zentralkorn auf, das zuerst im Kerne entsteht und aus diesem im Verlauf mehrerer Stunden ziemlich plötzlich heraustritt (Fig. 350, F, @; vgl. auch S. 152). Am 5. nur selten schon am 4. Tage ist dann das Zentralkorn mit der von ihm ausgehenden Strahlung in typischer Weise ausgebildet und werden hierauf die Pseudopodien ausgesandt. Bei einigen anderen, ein Zentralkorn besitzenden Heliozoen (Hetero- phrys, Raphidiophrys, Sphaerastrum) erfolgt die Knospung nach ScHAUDINN in im wesentlichen gleicher Weise wie bei Acanthocystis.. Bei der von ZuELzEer (1909) untersuchten Wagnerella finden sich dagegen be- 362 Protozoa. Max Lüss, merkenswerte Abweichungen. Den Beginn der Knospung bildet hier eine in dem Basalteil des Tieres (vgl. Fig. 261 auf S. 255) stattfindende un- gleichhälftige Kernteilung, bei der aus dem Mutterkern ein in diesem bereits vorgebildeter, ein Karyosom enthaltender Sekundärkern austritt (vgl. S. 149). Dieser Sekundärkern wandert dann durch den Stiel in das Köpfchen des Tieres (vgl. hierzu S. 256f.), wo er zunächst eine ziemlich zentrale Lage in der Nähe des Zentralkorns einnimmt. Dort grenzt sich dann um ihn herum eine dem Plasma des Köpfchens ent- stammende Plasmaportion ab, derart, daß die so entstehende Knospe im Innern eines allseitig geschlossenen Hohlraumes liegt (endogene Knospung). Bald wandert dann die Knospe durch das Plasma des Köpfchens hindurch an dessen Oberfläche, veranlaßt dort zunächst eine halbkugelige Ausbuchtung der Nadelhülle und tritt schließlich als nackte amöboid beweglicheZelle durch diese hindurch nach außen. Kurze Zeit darauf beginnt die Bil- dung der charakteristi- schen Kieselnadeln im Plasma und nach aber- mals einiger Zeit setzt sich die Knospe, deren Kern inzwischen eine exzentrische Lage ange- nommen hat, fest, streckt sich in die Länge und wächst zu einem dem Muttertier gleichen Or- ganismus heran. Ausbil- dung von Geißeln wurde an den Knospen von Wagnerella nie beob- achtet, wohl aber können diese Knospen sich ähn- | \ lich den amöboiden For- \ \ men von Acanthocystis teilen; diese Teilung kann bereits stattfinden, wenn die fertig ausge- Fig. 351. Wagnerella borealis. Köpfehen mit bildete Knospe noch im 2 endogenen Knospen. Nach ZÜLZER 1909 aus HArT- mütterlichen Brutraum EN eingeschlossen ist, aber i ebenso auch bei der be- reits ausgeschlüpften jungen, noch skelettlosen Knospe. Andererseits können aber auch von dem mütterlichen Kerne aus mehrere Knospenkerne nahezu gleichzeitig gebildet werden (bis 7 wurden beobachtet) und infolgedessen auch mehrere Knospen in einem einheitlichen Brutraum gebildet werden (Fig. 351). Wenn nun z. B. 4 oder 5 Knospen gleichzeitig im Köpfchen vorhanden sind, die sich amöboid nach verschiedenen Seiten hinbewegen, geschieht es nicht selten, daß sich mit den Knospen das ganze Köpfchen ablöst und noch einige Zeit mit ausgestreckten und auch noch lebhafte Körnchenströmung aufweisenden Axopodien im Wasser herumflottiert. Solche abgelösten Köpfchen gehen nach dem Ausschlüpfen der Knospen E.1I.2. Knospung (Gemmatio). 363 infolge ihres Kernmangels natürlich stets zugrunde, werden aber von dem Muttertier regeneriert. c) EndogeneKnospung beiAmöbozoen. Auch bei Arcella vulgaris will Sawrezewskı (1908) eine endogene Knospung beobachtet haben, indem sich innerhalb des Plasmakörpers der Arcella amöboide Plasmateile abgrenzten, um später als kleine kernhaltige Amöben aus- zuschlüpfen. Die Kerne der Arcella bleiben hierbei in Ruhe; die Kerne der angeblichen Knospen sollen aus der Chromidialmasse sich abtrennen. Die Beobachtung ist der Bestätigung bedürftig, da es sich sehr wohl wie bei der von demselben Autor geschilderten multiplen Vermehrung der Arcella um Nuclearia-ähnliche Parasiten gehandelt haben kann !). Nicht minder zweifelhaft sind ähnliche Angaben von Scaamipr (1913) über endogene Knospung („Merozoiten“-Bildung des Verfassers) bei Amoeba aquatilis: „Nach etwa 4—5 Tagen des vegetativen Lebens der Amöbe sieht man kleine sich ähnlich wie der Kern färbende Körnchen auftreten, die von einer hellen Zone umgeben sind. Die größten davon etwas größer als der Kern, von dem sie sich nur durch ihre geringere Färbbarkeit unterscheiden. Stets bleibt der Kern als stark hervortretendes Gebilde erhalten bis kurz vor dem Ausschlüpfen der jungen Amöbchen, wo er dann vollständig degeneriert und zerfällt.“ „Einmal gelang es mir, das Ausschlüpfen dieser jungen Amöbchen oder Merozoiten zu verfolgen. Es krochen dabei zwei Tochtertiere aus dem Muttertiere aus, dieses aber bewegte sich mit den übrigen, offenbar noch nicht reifen Tochtertierchen im Inneren ruhig weiter.“ Sollten nicht vielleicht auch hier die vermeintlichen Tochtertiere in Wirklichkeit Parasiten der Amöbe gewesen sein? d) Cnidosporidien. In weiter Verbreitung finden wir dagegen eine endogene Knospung, bei der innerhalb eines vielkernigen Mutterorganismus um einen einzelnen oder um einige wenige benachbarte Kerne herum sich eine Plasmamasse abgrenzt und so zur Anlage eines ringsum von mütterlichem Plasma umschlossenen Sprößlings wird, bei den Cnidosporidien. Bei allen polysporen Myxosporidien und ebenso bei den polysporogenen Mikrosporidien (Gattung Glugea) entstehen auf diese Weise die sogenannten Pansporoblasten und auch die Bildung der einzelnen Sporoblasten der Myxosporidien ist als ein ganz entsprechender Vorgang aufzufassen, da diese nicht nur bei den disporen Myxosporidien von dem mütterlichen Plasma umschlossen bleiben, sondern auch bei den polysporen Myxosporidien, bei denen je 2 Sporoblasten, von einem Pan- sporoblasten gebildet werden, hierbei von diesem Pansporoblasten (der dem ganzen Körper der disporen Myxosporidien vergleichbar ist) eine kernhaltige, die beiden Sporoblasten völlig umschließende Hülle übrig bleibt. Näheres über diese sehr eigenartigen Entwickelungsvorgänge 1) Nachdem obiges bereits geschrieben war, ist eine Arbeit von KLITZKE (1913) erschienen, in der dieser über Parasiten von Nebela collaris berichtet, die beim Aus- schlüpfen aus dem Rhizopoden so lebhaft an die für Arcella angegebenen amöbenförmigen Jugendformen erinnern, daß KLITZKE anfangs glaubte, eine der für Arcella angegebenen ähnliche Vermehrung von Nebela vor sich zu haben. Nachdem nun aber die fraglichen Formen sich als Parasiten der Nebela erwiesen haben, darf man hierin vielleicht um- gekehrt eine Bestätigung des Verdachtes erblicken, daß auch die von ELPATIEWSKY (1907) und SAWRCZEWSKI (1908) für Arcella angegebenen multiplen Vermehrungsweisen auf einer Verwechslung mit Parasiten beruhen. 364 Protozoa. Max Lün, wird weiter unten folgen, da in sie auch die Frage nach etwaigen Be- fruchtungsvorgängen hineinspielt und es deshalb zweckmäßig erscheint, die noch keineswegs genügend erklärte Fortpflanzung der Cnidosporidien für sich im Zusammenhang zu be- sprechen. e) Flagellaten. Die wenigen, auf S. 356 bereits erwähnten Fälle von Knospung bei Flagellaten sind erst sehr wenig bekannt. Hier kann deshalb der Hinweis auf Fig. 352 genügen. Fig. 352. Palatinella cyrtophora mit Knospe. Versr. 600:1. Nach LAUTERBORN (1906) aus PASCHER (1913). 3. Vielteilung (multiple Teilung, Conitomie). Als Vielteilung oder multiple Teilung bezeichnen wir die Fort- pflanzung der Protozoen, wenn die Teilung des Plasmakörpers erst erfolgt, nachdem der Kern des Mutterindividuums in mehr als zwei (meist in viele) Tochterkerne zerfallen ist, und wenn sie ferner derart erfolgt, daß sie zur gleichzeitigen Bildung einer derKern- zahl entsprechenden Vielzahl von einkernigen und gleichartigen Sprößlingen führt. Die bei der Vielteilung gebildeten Sprößlinge werden mitunter als Sporen bezeichnet (z. B. von Lang 1901), indessen ist diese Benennung ohne einen erläuternden Zusatz mißverständlich und daher unzweckmälig, weil sonst vielfach dieselbe Bezeichnung für beschalte Fortpflanzungs- körper (ohne Rücksicht auf deren Entstehung) gebraucht wird. Form und Organisation der Sprößlinge kann sehr verschieden sein. Sehr häufig besitzen dieselben 1 oder 2 Geißeln, nicht nur bei Flagellaten, sondern auch bei Sarcodinen und Sporozoen (vgl. z. B. die auf S. 72 besprochene Vielteilung von Paramoeba, sowie auch Fig. 359, 4—5 und in dem Kapitel über Befruchtung die Abschnitte Merogamie und Oogamie); man spricht dann von Flagellosporen oder Geißelschwärmern. In anderen Fällen finden wir amöboid bewegliche Sprößlinge (z. B. bei den Amöben, vgl. S. 69—71), bei der in dem Kapitel über Befruchtung unter Merogamie besprochenen Gamogonie von Centropyxis und bei der agamo- genen Vielteilung von Trichosphaerium und den Foraminiferen, vgl. Fig. 359, 13—14 und 387, IIT), die entsprechend als Pseudopodio- sporen oder Amöbosporen bezeichnet worden sind. In gleicher Weise hat man auch bewimperte Jugendformen Ciliosporen genannt, indessen ist kein Fall bekannt, wo Ciliosporen durch echte Vielteilung entstehen; dieselben entstehen vielmehr entweder durch Knospung (bei den Suctorien, vgl. S. 349ff.) oder durch rasch aufeinander folgende Zweiteilungen (bei Ichthyophthirius) bzw. Zerfallteilungen (bei vielkernigen Opalinen, Fig. 372). Die der Vielteilung des Protozoenkörpers vorausgehende Kern- teilung kann ebenfalls multipel erfolgen (z. B. bei den Radiolarien, vgl. S. 87, und anderen Sarcodinen). Sehr viel häufiger aber erfolgt sie durch mehrfach wiederholte Zweiteilung des bzw. der Kerne (z. B. in den Cysten von Entamöba, vgl. S. 71, bei der Schizogonie E.1.3. Vielteilung (multiple Teilung, Conitomie). 365 und Sporogonie der Malariaparasiten, vgl. S. 131 bzw. 139, ebenso bei der Schizogonie und Sporogonie der Coccidien und bei der Gamo- gonie und Sporogonie der Gregarinen). Diese Vermehrung der Kerne durch wiederholte Zweiteilungen weist darauf hin, daß wir auch die Vielteilung ebenso wie die Knospung von der einfachen Zweiteilung ableiten müssen. Erleichtert wird diese Ableitung dann auch dadurch, daß bei manchen Protozoenarten (namentlich bei Flagellaten) eine Vermehrung durch rasch wiederholte Zweiteilungen vorkommt, bei der die jeweilen durch Zweiteilung entstehenden Tochtertiere nicht Zeit -haben, vor der nächsten Teilung zur Größe des Muttertieres heranzuwachsen, und bei der infolgedessen schließlich zahlreiche ver- hältnismäßig kleine Abkömmlinge eines Stammindividuums entstehen. Nach Schaupınns (1904) Angaben, die allerdings vielfach angezweifelt worden sind und eine sichere Bestätigung bisher nicht erfahren haben, würde eine starke Größenabnahme infolge rasch aufeinander folgender Zweiteilungen z. B. bei Haemoproteus noctuae stattfinden. Die vegetativen („indifferenten“) Formen dieses Parasiten sollen nämlich ein sechstägiges Wachstum auf den roten Blutkörperchen des Steinkauzes durchmachen, während dessen sie nur ganz vorübergehend unter Aus- bildung einer Geißel und Annahme der Trypanosomenform beweglich werden, um das bisher bewohnte Blutkörperchen zu verlassen und ein neues aufzusuchen. Haben sie nach 6 Tagen ihre volle Größe erreicht, so werden sie wiederum trypanosomenförmig und vermehren sich in diesem freibeweglichen Zustande durch schnell aufeinander folgende Längsteilungen, „bis die Teilprodukte die untere Grenze ihrer Größe erreicht haben“, In Rücksicht auf die vielfache Anzweife- lung dieser Angaben sei als weiteres Bei- spiel noch die zweikernige Opalina in- testinalis angeführt, deren Zweiteilungen im Frühjahr eine starke Beschleunigung er- fahren und hierbei zu starker Größenabnahme der Infusorien führen (vgl. auch unten den Abschnitt über Merogamie bei Infusorien). Fig. 353. Phacotus lenticularis EHREc. (Chlamydomonadine mit 2-klappiger Cellulosehülle). 1 Seitenansicht. 2 Flächenansicht. 3 4 durch zwei- malige Zweiteilung entstandene Sprößlinge zwischen den auseinandergewichenen Klappen der mütterlichen Hülle, von gemeinsamer Gallerte umschlossen. 4 Quel- lung der Gallerte und Schalenbildung der Sprößlinge, die demnächst ausschlüpfen werden. Nach STEIN aus OLTMANNS. Derartig rasch aufeinanderfolgende Zweiteilungen können auch im Innern einer Hülle stattfinden und dann ist die Analogie mit einer multiplen Teilung besonders groß. Als Beispiel können die Chlamydo- monadinen dienen, bei denen der ersten (und unter Umständen einzigen) innerhalb der mütterlichen Cellulosehülle erfolgten Teilung sich alsbald noch eine zweite und dritte anschließen kann, so daß wir dann in jener Hülle statt zweier 4 oder 8 Sprößlinge finden (vgl. Fig. 19 auf S. 17 und Fig. 353, sowie auch die Besprechung der Paedogamie von Polytoma in dem Kapitel über die Befruchtung). Noch zahlreicher werden die 366 Protozoa. Max Lüns, aufeinander folgenden Zweiteilungen und daher auch die entsprechend kleineren Sprößlinge bei Chlorogonium (Fig. 354), sowie bei dem sich im encystierten Zustande fortpflanzenden holotrichen Infusor Ichthyophthirius (Fig. 355). Es brauchten in diesen Fällen nur die Teilungen des.Plasma- körpers mit den Kernteilungen nicht Schritt zu halten, und aus den wiederholten Zweiteilungen wäre eine Vielteilung geworden; vermutlich ist die phylogenetische Entwickelung in der Tat derart gewesen. Beziehungen der Vielteilung zur Zweiteilung zeigen sich auch darin, daß bei manchen Formen, die sich für gewöhnlich durch Zweiteilung vermehren, gelegentlich auch Vielteilung vorkommt. So z. B. vermehrt sich Haemocystidium simondi, ein Parasit der roten Blutkörperchen eines indischen Gecko, der gleich den menschlichen Malariaparasiten Fig. 354. Chlorogonium euchlorum EHRBG. A Vegetativer Flagellat, B—C Entstehung großer Gameten (Sp) durch wiederholte Zweiteilung innerhalb einer Gallert- hülle (Gh), D—H Entstehung kleiner Gameten (8p,) durch wiederholte Zweiteilungen innerhalb der Cellulosehülle des Stammindividuums (D—F zeigen als Anfang dieser Teilungen das 2-, 4- und 8-Zellenstadium). Bei der ersten Zweiteilung hat sich der Protoplasmakörper innerhalb der Cellulosehülle um fast 90° gedreht, so daß in Fig. D und E der Anschein von Querteilungen entsteht. Nach STEIN aus DOFLEIN. hämatogenes Pigment bildet, nach DoserzL (1910) meist durch Zwei- teilung; mitunter aber unterbleibt die Plasmateilung nach einer Kern- teilung, so daß, wenn sie dann später nach der nächsten Kernteilung erfolgt, gleichzeitig 4 Sprößlinge gebildet werden. Auch bei Trypano- soma lewisi ist wie bei allen anderen Trypanosomen die normale Vermehrungsweise eine einfache Zweiteilung; unter gewissen Umständen kann aber bei dieser Art die Plasmateilung hinter der Kernteilung so stark zurückbleiben, daß die entstehenden Sprößlinge während mehrerer aufeinander folgender Teilungen des Kernapparates mit ihren geißelfreien Enden in Zusammenhang bleiben und auf diese Weise rosettenförmige Teilungsformen entstehen, die bei ihrem endlichen Zerfall bis zu 16 Spröß- linge liefern (Fig. 356). E. I. 3. Vielteilung (multiple Teilung, Conitomie). 367 Die Vielteilung kann sowohl im nackten Zustande erfolgen, z. B. bei der Schizogonie der Amöben (S. 69), der Schizogonie und Fig. 355. Ichthyophthirius multifilius FOUQUET. A Erwachsenes Infusor mit nierenförmigem Großkern. B Reife Vermehrungseyste mit zahlreichen, durch wiederholte Zweiteilungen entstandenen Sprößlingen. € Ein einzelner, aus der Cyste ausgeschlüpfter Sprößling mit Großkern, Kleinkern und kontraktiler Vakuole bei stärkerer Vergrößerung. D Schnitt durch eine Vermehrungseyste in vorgerücktem Stadium; in den einzelnen Sprößlingen neben dem Großkern meist auch der Kleinkern sichtbar, zum Teil in Spindel- bildung. Aus DOFLEIN. Fig. 356. Trypanosoma lewisi Kent, Vielteilung (ohne Restkörperbildung). A Einzelner Flagellat nach dem Leben. B Teilungsrosette nach dem Leben. © Eben- solche nach gefärbtem Präparat; von den 8 Sprößlingen sind 6 noch in so engem paar- weisen Zusammenhang, daß die Entstehung der Rosettenform durch wiederholte, unvoll- ständig gebliebene Zweiteilungen noch deutlich kenntlich ist. Nach SENN und v. WASIE- KLEWSNI (1900) aus DOFLEIN. 368 Protozoa. Max Lüns, Gamogonie der Malariaparasiten (S. 131) und Üoccidien (Fig. 417), wie auch im encystierten Zustande, z. B. bei der Gamogonie der Amöben (S. 69—71), bei Paramoeba eilhardi (S. 72£.), bei der Gamogonie und Sporogonie der Gregarinen und der Sporogonie der Coceidien (vgl. die Kapitel über Befruchtung und Generationswechsel, die auch sonst noch eine Reihe verschiedenartiger Beispiele von Viel- teilungen bringen, so daß hier auf ein näheres Eingehen verzichtet werden kann). Bei der Vielteilung kann ferner das Plasma des sich teilenden Muttertieres vollständig aufgebraucht, d. h. restlos auf die Spröß- linge verteilt werden. Häufig aber ist dies nicht der Fall, es bleibt vielmehr ein Teil des mütterlichen Plasmas als sogenannter Rest- körper übrig, der im Gegensatz zu den Sprößlingen kernlos ist und daher bald zugrunde geht und zerfällt. Dieser Restkörper ent- hält vor allem alle etwaigen Stoffwechselprodukte, die das Plasma des -Muttertieres noch enthielt, z. B. bei den Malariaparasiten das hämatogene Pigment, bei Noctiluca die ganze zwischen den spärlichen Plasmasträngen abgelagerte Gallertsubstanz. Er kann sehr verschieden groß sein; verhältnismäßig klein ist er z. B. bei der Schizogonie der Malariaparasiten (vgl. Fig. 137, 7 links auf S. 130), wesentlich größer bei den Gregarinenfamilien der Dactylophoriden (vgl. Fig. 160, S. 166) und Stylorhynchiden (vgl. Fig. 408 u. 409), ganz besonders groß end- lich auch bei Noctiluca. Bei der Vielteilung von Noctiluca (vgl. Fig. 357) treten die zahlreichen kleinen Sprößlinge dem den größten Teil des mütterlichen Körpers enthaltenden Restkörper gegenüber so sehr zurück, daß diese Fortpflanzung meist als eine multiple Knospung bezeichnet wird. Da aber die Hauptmasse des mütterlichen Körpers nicht lebensfähig bleibt, sondern nur einen kernlosen und plasmaarmen, dem Untergang verfallenen, wenn auch ungewöhnlich großen Restkörper darstellt, so liegt in Wirk- lichkeit keine Knospung, sondern eine Vielteilung vor. Ihr geht ein Schwund aller äußeren Organellen voraus, und das Plasma, das auch sonst bereits eine stärkere Ansammlung um den Kern herum bildet (das sogenannte Zentralplasma), aber von dort aus auch noch den ganzen, durch reichliche Gallerteinlagerungen stark vergrößerten Körper des Flagellaten in weitmaschigen netzigen Strängen durchzieht (vgl. Fig. 22, 8. 18, und Fig. 233, S. 231), zieht sich allmählich fast vollständig zu dem Zentralplasma zurück. Zugleich wölbt sich dieses den Kern bergende Zentralplasma, das von Dorteı (1900) der Keimscheibe eines telo- lecithalen, sich discoidal furchenden Eies verglichen wird, nach Art einer Jungen Knospe flach-hügelförmig vor. Dann teilt sich der Kern, und auch das Zentralplasma sondert sich in zwei auseinanderrückende Massen, von denen Plasmastränge allseitig eine Strecke weit ausstrahlen; beide Plasmamassen bleiben hierbei auch durch derartige, feine, anastomosierende Ausläufer in Zusammenhang (Fig. 358, A), und jede von ihnen erscheint wieder hügelförmig über die kugelige Oberfläche des ganzen Organismus vorgewölbt. Dieser Teilungsvorgang wiederholt sich nun in derselben Weise noch mehrfach, so daß schließlich eine große Menge von immer kleiner werdenden Plasmaportionen entsteht, die alle hügelförmig über die Oberfläche des Muttertieres vorgewölbt sind und deren jede einen Kern enthält. Alle diese Plasmahügel, deren Zahl schließlich ca. 300 bis 500 erreicht, bilden zusammen eine Scheibe an der Oberfläche des E. 1.3. Vielteilung (multiple Teilung, Conitomie). 369 Muttertieres (vgl. Fig. 358, C); sie schnüren sich dann stärker ab, derart, daß der Kern in sie eingeschlossen wird und sie nur noch durch ein dünnes Stielchen mit der fast kein Plasma mehr enthaltenden Gallert- masse der Noctiluca zusammenhängen (Fig. 358, D). Nachdem sie auch noch eine Geißel entwickelt haben, lösen sie sich von jener Gallertmasse, die in Größe und Form dem ganzen Muttertier nahezu gleichkommt und einen dem Untergang verfallenden Restkörper bildet, vollständig los und schwimmen als Geißelschwärmer (Flagellosporen) davon. X x Fig. 357. Noctiluca miliaris Sur. Vielteilung mit Hinterlassung eines großen Restkörpers. A Frühes Stadium der Fortpflanzung; von den sichtbaren Kernen ist links einer in Teilung begriffen, während die beiden Kerne rechts aus einer eben abgelaufenen Kernteilung hervorgegangen sind. Vergr. 120:1. B Kernteilung bei wesentlich stärkerer Vergrößerung. C Stadium mit 51 Kernen, die der abgewandten Seite blaß durchscheinend dargestellt. D Reife Sprößlinge (Flagellosporen) kurz vor der Ablösung vom Rest- körper, stärker vergrößert. E 2 Flagellosporen nach ihrem Freiwerden. 7 Sphäre (vgl. S. 152), 2 Protoplasma, 3 Chromosomen, / Geißeln, 5 und 6 Kerne, 7 besonders dif- ferenziertes Plasma in den Flagellosporen. Nach IsHIKAWA 1894 und 1899. Bei der Vielteilung der Radiolarien erfolgt, wenn die Kern- vermehrung bereits weit vorgeschritten ist (vgl. die Besprechung von Aulacantha auf S. 87f.), oder auch erst wenn dieselbe völlig ab- geschlossen ist (nach BrRAnDT bei den Polycyttarien, vgl. Fig. 358), die Auflösung der Zentralkapsel. Bei den Polycyttarien ebenso wie bei Thalassicolla geht dieser Auflösung der Zerfall des extrakapsulären Plasmas voraus, wodurch die von ihm umschlossen gewesenen Zentral- kapseln ihres hydrostatischen Apparates beraubt werden, zumal auch die Oelkugeln in ihrem Inneren (bei den Polycyttarien je eine große im Zentrum jeder Zentralkapsel, bei Thalassicolla zahlreiche ober- Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I, 24 370 Protozoa. Max Lüuz, flächlich gelegene) schon vorher geschwunden waren (Fig. 358 und 389). Die Zentralkapseln sinken daher, frei geworden, einzeln in größere, je nach den Arten verschiedene Meerestiefen herab, in denen dann das Ausschwärmen der je 2 Geißeln besitzenden Sprößlinge (Fig. 108) erfolgt. Dieser Verlauf der Vielteilung der Radiolarien bzw. wenigstens ihres Abschlusses in größeren Meerestiefen bedingt es, daß unsere Kenntnisse von ihr noch immer verhältnismäßig unvollkommen sind. Die Umwand- Fig. 358. Myxosphaera coerulea HAECcKEL (Polyeyttarie des Mittelmeeres). Vier Zentralkapseln in verschiedenen aufeinander folgenden Stadien der ungeschlechtlichen Vielteilung (Isosporenbildung). 1 Kerne, 2 Oelkugel (schwindet vor Abschluß der Vielteilung), 3 Proteinkristalloide, 7 Pigment. (Die aus dieser Vielteilung hervorgehende Flagellospore siehe in Fig. 108, 2.) Nach BRANDT 1885. lung der Flagellosporen zum jungen Radiolar bzw. bei der geschlecht- lichen Fortpflanzung die Kopulation der begeißelten Gameten ist noch bei keinem Radiolar beobachtet worden. Bei der Vielteilung polythalamer Foraminiferen können in- sofern eigentümliche, hier noch zu erwähnende Verhältnisse auftreten, als es bei ihr durch Resorption von Kammerwänden zur Bildung eines größeren einheitlichen Brutraumes kommen kann. Dies ist z. B. bei dem von Winter (1907) näher untersuchten Peneroplis pertusus der Fall. Bei dieser Foraminifere finden sich zweierlei verschiedene Fortpflanzungsweisen, die miteinander abwechseln E.1. 3. Vielteilung (multiple Teilung, Conitomie). 371 Oamont (geschlechtsreif, 21 kammerig) in Defäkation Gamont in Gamogonie, Abstossen der Isogameten 40 Auswanderung von Cryptomonas schaud. £ Ausschwärmende 14 kammeriger Isogameten Gamont Q Auswanderung von Cryptomonas schaud 5 400 Isogameten u % Mi 1 „„ T kammeriger Copulation 1000 ee Oamont der Isogameten 1 No m 2 u. 4 kammeriger Copula (junger ein- 1000 Oamont e kammeriger Agamont) ı Einwanderung von Cryptomonas schaud, 7 kammeriger Agamont Austretende Agameten (junge Gamonten) 14 kammeriger Agamont = ae _ Agamont (nahezu geschlechtsreif, 40 kammerig) Fig. 359. Peneroplis pertusus FoRSKk. Zeugungskreis. (Benennung der ver- schiedenen Stadien nach HARTMANN; vgl. S. 401.) Aus WINTER 1907. 24* 372 Protozoa. Max Lünr, (vgl. Fig. 359). In dem einen Falle entstehen durch Vielteilung außer- ordentlich zahlreiche und sehr kleine Geißelschwärmer (Fig. 359, 3—5), die als spezifische Gameten nur nach vorheriger Kopulation sich weiter- zuentwickeln vermögen (Näheres hierüber folgt im Kapitel über Be- fruchtung), im anderen Falle entstehen ebenfalls durch Vielteilung größere und dementsprechend zahlreichere „Embryonen“, die sich direkt weiter- entwickeln (Fig. 359, 13—14). Bei der Bildung der kleinen Geißel- schwärmer bleibt die den Weichkörper des sich multipel teilenden Mutter- tieres umschließende Schale unbeeinflußt (vgl. die von den Mündungsporen durchsetzten Kammersepten in Fig. 359, 3), für die Bildung der größeren Embryonen wird dagegen durch Schaffung eines Brutraumes Platz ge- macht. Die zur Bildung der Embryonen („Agameten“ in der Nomen- klatur von Harrmann und Winter) führende Vielteilung erfolgt, wenn das betreffende Muttertier („Agamont“ nach HArTMmAnn und WıINTER) 42—49 Kammern gebildet hat, und sie wird äußerlich damit eingeleitet, daß die Foraminifere bei aufrechter Stellung, die Wachstumsebene senk- recht zur Unterlage, in Ruhe verharrt und sich ihres überflüssigen In- haltes entleert. Langandauernde Plasmaströme befördern das Material nach außen. Die Defäkationsstoffe sind so gewaltig, daß die Foraminifere fast bis zur halben Höhe wie von einem Wall umschlossen ist. Gegen Ende des groben Defäkationsvorganges beginnen pseudopodienartige Plasmastränge die Septen von der 26.—32. Kammer ab abzunagen und regelrecht aufzulösen, so daß die Septen von hier ab bis zur Mündungs- wand gewöhnlich sämtlich bis auf wenige Reststücke abgerissen werden, während die Septen der übrigen, früher gebildeten Kammern gewöhnlich nur teilweise abgetragen werden. Das durch die Auflösung von Schalen- häutchen und Kalk der Septen gewonnene Material wird zum Aufbau der dicken Schalen der Embryonen benutzt. Nachdem durch diese Septen- auflösung ein großer einheitlicher Brutraum geschaffen ist (vgl. Fig. 359, 15), zieht sich der größere Teil des Plasmas mehr proximal zusammen, die noch durch Septen getrennten Zentralkammern fast vollständig freilassend. Das gesamte Plasma mit den kleinen Resten von Fäkalien nimmt dann höchstens !/,—1/, des inneren Raumes der Foraminiferenschale ein. Nach- dem die heftigen Plasmaströmungen nachgelassen haben, gewahrt man in einzelnen Plasmaherden kugelige Abgrenzungen, deren Zahl von der Größe dieser Herde abhängt. Es sind dies die sich bildenden Embryonen, die alsbald auch von einer Schale umschlossen werden. Der flexostyle Hals dieser Schale (vgl. S. 24 und Fig. 176, S. 186) wird da angelegt, wo der meiste Platz seitens der Nachbarn gelassen wurde, so daß möglichst wenig Raum in dem Plasmahaufen bei der Teilung verloren geht. Bis die äußerste Haut der Schale erkennbar wird, kann man oft noch lang- same Strömungen beobachten, die das kleinste Detritusmaterial nach außen befördern, so daß, nachdem die Gestalt der Embryonen deutlich geworden ist, in den Lücken zwischen diesen hauptsächlich Detritus- und Plasmareste verbleiben. Bleibt eine größere Plasmainsel übrig, so kann sie nach Auseinanderrücken der inzwischen gebildeten Embryonen benachbartes Material zusammenziehen und sich noch nachträglich mit einer Schale umgeben, um noch als Embryo davonzukommen. Gelegent- lich fließt auch das Plasma aus einer schon nahezu fertigen Schale wieder heraus, vereinigt sich mit benachbarten Plasmateilen und zerfällt unter neuer Schalenabscheidung in neue Embryonen. Deswegen sowie auch wegen möglichster Raumausnutzung bei der Bildung der Embryonal- schalen sind diese in Form und Größe nicht ganz gleich. Die ganze E. 1.3. Vielteilung (multiple Teilung, Conitomie). 373 hier geschilderte Vermehrung geht rasch vor sich, wenn das mütterliche Plasma nur zu einem Klumpen zusammengezogen war, dauert dagegen verhältnismäßig lange, wenn verschiedene Plasmahaufen vorhanden waren. Die Ausbildung der jungen Schale beansprucht ungefähr einen halben Tag. Dann ruht der Embryo noch einige Zeit, wobei die Schale er- härtet, und hierauf beginnt er seine Pseudopodien auszustrecken, die büschelweise aus der Mündung am Ende des Halses hervortreten und sich bis auf das Siebenfache der Länge des Embryos ausdehnen, so daß sie durch mehrere Kammern der mütterlichen Schale hindurchragen und das Innere dieser Schale kreuz und quer wie Spinngewebe durchziehen (vgl. Fig. 359, 15); auch durch die Poren der Embryonalschale (vgl. Fig. 176) treten feine Pseudopodien hervor. Mit diesem Auftreten von Pseudopodien beginnen auch die ÖOrtsbewegungen der Embryonen, die bei deren dichtem Zusammenliegen anfangs ruck- und stoßweise erfolgen. Hierdurch wird die alte Schale an den Kammergrenzen gelockert, oft gesprengt, wie ein Schädel beim Sprengen in den Knochen- nähten gelockert und gesprengt wird. Findet dann ein Pseudopodium eine solche Lücke, so werden bald größere Plasmamassen nachge- schickt, die die Lücke durch Pressen und durch Auflösen der sie begrenzenden Schalenteile er- weitern. Ist die Schale zu fest gefügt, um die Embryonen auf diesem Wege hinauszu- lassen, so nagen diese durch Lösen der Wan- dung mit Hilfe ihrer Pseudopodien ein kreis- rundes Loch, durch das sie sich hindurch- zwängen. Ein Teil der Embryonen geht bei der Auswanderung auch durch die Mündungs- wand der Schale, die, falls sie nicht bereits beim Fig. 360. Blick in das obere Ende der Mund- öffnung eines Peneroplis pertusus, der Embryonen gebildet hat. Die Mündungswand sowie das in der Tiefe sichtbare letzte Septum in weiter Ausdehnung aufgelöst; nur am oberen Ende der Mündungswand sind noch drei einzelne Mündungsporen erhalten. Vergr. 90:1. Aus WINTER 1907. Beginn der ganzen Fortpflanzungsvorgänge genügend abgetragen wurde, jetzt aufgelöst wird (Fig. 360). Obwohl die Embryonen eine außerordent- liche Lebhaftigkeit zeigen, kann ihre Auswanderung aus der mütterlichen Schale unter Umständen 8 Tage dauern; sobald sie ins Freie gelangen, beginnen sie sofort eifrig Nahrung aufzunehmen und schon nach einem Tage auch eine oder zwei neue Kammern zu bauen (Fig. 359, 14). Trotz der unmittelbar vorausgegangenen starken Defäkation enthalten die Em- bryonen zahlreiche kleine Exkretkörner. Ebenso enthalten sie von vorn- herein die charakteristischen Zooxanthellen (kommensale Algen, Crypto- monas schaudinni, vgl. Fig. 17, S. 16), die das Plasma von Peneroplis ganz außerordentlich dicht erfüllen können — ihre Zahl in einer 'er- wachsenen Foraminifere wurde bis zu 100000 geschätzt — und die bei der Vielteilung des mütterlichen Plasmakörpers auf die einzelnen Em- bryonen verteilt werden. 374 Protozoa. Max Lün, Außer von Peneroplis ist die Abtragung eines Teiles der Kammer- wände zwecks Schaffung eines einheitlichen Brutraumes vor allem noch von Orbitolites bekannt, wo sie bereits von Brapr (1892) beobachtet wurde. Nach Rnumsuer (1911) werden bei Orbitolites duplex zur Zeit der Embryonenbildung „in dem peripheren Schalenteil sämtliche radiär und konzentrisch gerichteten Kammerwände resorbiert, so daß bloß die seitlichen Wandflächen (Fig. 361, vgl. auch Fig. 370) wie die Scheiben eines breiten Manschettenknopfes stehen bleiben. Daß Resorptionsvorgänge ähn- licher Art bei der Brutbildung auch sonst noch vorkommen, beweist der in Fig. 362 abgebildete Anschliff der mit Embryonen erfüllten Discorbina seriatopora, bei welcher sämtliche Septen weggeräumt sind.“ Fig. 361. Fig. 362. Fig. 361. Orbitolites duplex. Kantenansicht der Schale eines Exemplares, das in Embryonenbildung begriffen war. Nach RHUMBLER 1911. Fig. 362. Discorbina seriatopora RHUMBL. Embryonen in der zu einer ein- heitlichen Bruthöhle umgewandelten mütterlichen Schale. Nach RHUMBLER 1911. Bei anderen Foraminiferen (z. B. Miliolina, Polystomella) wird die Schaffung eines derartigen Brutraumes und das Aufbrechen der Schale zwecks Entlassung der Embryonen dadurch entbehrlich, daß das Plasma vor der Embryonenbildung aus der Schale herausfließt. Als Beispiel hierfür wollen wir Polystomella crispa auf Grund der Untersuchungen von Lister (1903) betrachten. Das erste Anzeichen für die bevorstehende Embryonenbildung besteht in starker Vermehrung der Pseudopodien (vgl. Fig. 363, A), die bei an der Seitenwand des Glas- aquariums angehefteten Exemplaren als ansehnlicher milchweißer Hof um die bräunliche Schale in die Augen fallen. Dieser Hof ist zunächst von klarem, hyalinem Plasma gebildet, bald aber beginnen auch die gröberen bräunlichen Körncheneinschlüsse des Plasmas aus der Schale auszutreten, und schließlich ist das ganze Plasma aus der Schale entleert und liegt zwischen dieser und der Unterlage, auf der die Foraminifere mit ihren Pseudopodien angeheftet ist (Fig. 363, B). Hier zerfällt es dann in zahlreiche gleichgroße kugelige Massen, deren jede einen Kern enthält, und die durch ein dichtes Netzwerk zarter Pseudopodien miteinander verbunden sind (Fig. 363, O0). Es sind dies die Embryonen, die alsbald auf ihrer Oberfläche eine Kalkschale abscheiden und in dieser nur eine einzige kleine Oeffnung lassen, die Mündung der Schale, durch die die Pseudopodien austreten. Einige Stunden liegen die Embryonen noch dicht beisammen, dann wandern sie gleichzeitig nach allen Seiten aus- einander, um !/, Stunde nach Beginn dieser Wanderung bereits über eine verhältnismäßig große Fläche verstreut zu sein, wenn auch die Pseudopodien der verschiedenen Embryonen noch eine Zeitlang mit- einander in Zusammenhang bleiben (Fig. 364). Die ganze Entwickelung E.1. 3. Vielteilung (multiple Teilung, Conitomie). 375 von dem ersten Erscheinen des milchigen Hofes um die Schale bis zur Verstreuung der Embryonen ist in ca. 12 Stunden beendet, und bei ihr wird das ganze Plasma des Muttertieres verbraucht, dessen Schale völlig leer zurückbleibt. Fig. 363. Polystomella crispa. Vielteilung der ungeschlechtlichen (mikro- sphärischen) Generation. A An die (dem Beschauer zugewandte) Glaswand des Aquariums angeheftete Foraminifere vor Beginn der Vielteilung. B Austritt des Plasmas aus der Schale und Ansammlung desselben zwischen der Schale und der Glaswand des Aquariums. € Das ausgetretene Plasma in zahlreiche Sprößlinge (Embryonen) geteilt. Mer Embryonen, Ps Pseudopodien. Nach Mikrophotographien von LISTER (1903) aus DOFLEIN. Im Anschluß hieran sei schließlich noch darauf hingewiesen, daß bei einzelnen Foraminiferen der Embryonenbildung eine plasmatische Vereinigung mehrerer (meist zweier) Muttertiere vorangehen kann. Diese eigenartigen Entwickelungsvorgänge sind vor allem von ScHauDınn (1895) bei Patellina corrugata und Discorbina globularis näher untersucht worden. Die Verschmelzung der Plasma- 376 Protozoa. Max Lünr, leiber (Plastogamie) zweier Individuen ist keineswegs etwa Vorbe- dingung der sich anschließenden Vermehrung, da diese in analoger Weise auch bei gewöhnlichen Einzeltieren erfolgen kann, während andererseits auch 3 oder 4, ja selbst 5 Patellinen sich zur Brutbildung vereinigen können. Tritt diese Plastogamie oder ÖOytogamie (wie Ruumgrer 1911 sie nennt, zum Unterschiede von anderen Plasmaverschmelzungen, denen keine Vermehrung folgt) schon hierdurch in scharfen Gegensatz zu den einer Vermehrung vorausgehenden Befruchtungsvorgängen, so wird dieser Gegensatz weiter noch dadurch verschärft, daß die Kerne bei der Oyto- gamie völlig unbeteiligt bleiben. Eine Verschmelzung der Kerne findet nicht statt, die Kerne der beiden eytogamisch verbundenen Individuen teilen Fig. 364. Polystomella crispa. Auseinanderkriechen der Embryonen (an Fig. 363, (© anschließendes Stadium). M die leere Schale des mikrosphärischen Mutter- tieres, Mer die von dieser fortkrieehenden Embryonen (der jungen makrosphärischen Individuen). Nach Mikrophotographie von LISTER (1903) aus DOFLEIN. sich vielmehr unabhängig voneinander, aber gleichzeitig multipel in je eine größere Anzahl von Tochterkernen. Ein Einfluß des Kernes auf die Cytogamie zeigt sich freilich insofern, als nur solche Tiere mit- einander verschmelzen können, bei denen eine Kernvermehrung noch nicht eingeleitet ist, d. h. die nur je einen einzigen Kern besitzen und deren Kerne außerdem auch, auf dem gleichen (ruhenden) Stadium be- findlich, noch in der Embryonalkammer liegen. Individuen mit ver- schiedenen Kernverhältnissen kontrahieren ihre Pseudopodien bei Be- rührung; Individuen mit in der Embryonalkammer liegendem ruhenden Kern verschmelzen dagegen stets, wenn sie sich so weit genähert haben, daß ihre Pseudopodien sich berühren. Zunächst erfolgt an der Be- rührungsstelle eine Verschmelzung der beiderseitigen Pseudopodien mit E.1. 3. Vielteilung (multiple Teilung, Conitomie). 377 lebhafter Plasmaströmung nach der Berührungsstelle hin. Nach kurzer Zeit sind dann sämtliche Pseudopodien beider Tiere gegeneinander ge- richtet und verschmelzen zu einer breiten Plasmabrücke, die die beiden Weichkörper miteinander verbindet und durch ihre allmähliche Verkürzung die beiden Schalen einander immer mehr nähert, bis sie sich mit ihren Rändern berühren. Patellina ist eine perforate Foraminifere, deren Kalkschale die Form eines Hohlkegels besitzt (Fig. 365). Die Spitze des Kegels wird von der mehr oder weniger kugeligen bis scheibenförmigen Embryonal- schale eingenommen, die den Ausgangspunkt für die Entwickelung der ganzen Schale bildete und an die sich in einer helikoiden Spirale die die Wand des Hohlkegels einnehmenden Windungen der Schale anschließen. Diese Windungen stellen anfangs eine einfache ungekammerte Röhre dar, lassen aber in den später gebildeten Schalenteilen eine Art unregelmäßiger Kammerung in Form verschieden geformter Ausbuchtungen erkennen (Fig. 178, S. 188). Bei der Embryonenbildung fließt, ähnlich wie bei Fig. 365. Patellina corrugata Wırr. Schale. A von oben (von der Spitze), B von unten (von der Basis), C von der Seite gesehen. Vergr. 90:1—115:1. Nach BRADY 1884. Polystomella, das Plasma aus der Schale aus, sammelt sich in der von den Windungen der Schale umgebenen Höhlung des Kegels an, die der Nabelhöhle eines Schneckengehäuses vergleichbar ist, und zerfällt hier in 5—30 verschieden große Embryonen. Bei der Cytogamie legen sich nun zwei solche Schalen derart neben- einander, daß ihre unteren Ränder an den einander zugekehrten Seiten sich etwas von der Unterlage abheben und hierauf der eine Schalenrand noch etwas stärker, bis zur halben Höhe der anderen Schale emporgehoben wird. Die beiden Nabelhöhlen bilden dann einen gemeinsamen Hohlraum von ellipsoidem Umriß. Dort, wo dieser Hohlraum an seinen Längsseiten zwischen der Unterlage einerseits und den beiden hier angehobenen Schalen andererseits mit der Außenwelt kommuniziert, wird durch Agglo- meration von Fremdkörpern (Detritus, Steinchen, Diatomeenpanzern u. dgl.), die gleichzeitig die beiden Schalen stützen und miteinander verkitten, für einen Abschluß gesorgt (vgl. Fig. 366). Hierauf fließt das Plasma beider Tiere aus d®n Schalen in die nun allseitig abgeschlossene gemein- 378 Protozoa. Max Lüns, same Nabelhöhle aus und zerfällt hier in zahlreiche Teilstücke, die in derselben Weise, als wenn keine Oytogamie vorausgegangen wäre, sich zu beschalten Embryonen umbilden und dann die Nabelhöhle unter Weg- räumung der Detritushaufen verlassen. Bei Discorbina werden die Schalen der eytogamisch verbundenen Tiere häufig durch sekundäre Kalkmasse fest verbunden, während anderer- seits ihre Mündungen durch Resorption der sie umgebenden Schalenmasse sehr erweitert werden und auch an anderen Berührungsstellen die Wände beider Schalen resorbiert werden können, so daß die Weichkörper durch breite Plasmabrücken in Verbindung treten. Im Gegensatz zu Patellina können derart verbundene Discorbinen noch lange umherkriechen und auch Nahrung aufnehmen, ehe sie zur Embryonenbildung schreiten. fl e > Fig. 366. Patellina corrugata WILL. Zwei cytogamisch verbundene Individuen in der Bildung von Embryonen begriffen, von unten gesehen (vgl. Fig. 365). 21 Embryonen, 2 deren Kern, 3 Detritushaufen, der zum seitlichen Abschluß der Bruthöhle dient. Nach SCHAUDINN 1895. 4. Zerfallteilung (Plasmotomie). Als Plasmotomie bezeichnete DoFLEIN eine Vermehrungsweise bei Protozoen, bei der ein mehrkerniges Individuum ohne direkten Zusammenhang mit Kernteilungen in mehr- kernige Teilstücke zerfällt. Durch ihre Unabhängigkeit von den Kernteilungen tritt diese Vermehrung, auf die es sich empfehlen dürfte auch den (meist in weiterem Sinne angewandten) Ausdruck „Zerfallteilung“ zu beschränken, in Gegensatz zu allen bisher be- sprochenen Vermehrungsweisen. Sie ist zurückzuführen auf das Regenerationsvermögen kernhaltiger Bruchstücke von Protozoen und ist von Sarcodinen (Trichosphaerium und gewissen Foraminiferen, vor allem Caleituba und Orbitolites), Myxosporidien und Opalinen bekannt. a) Bei Trichosphaerium teilen sich, wie bereits auf S. 195 er- wähnt, stets alle Kerne des einzelnen mehr- bis vielkernigen Individuums gleichzeitig, aber diese Kernvermehrung steht trotzdem nur mit dem E. I. 4. Zerfallteilung (Plasmotomie). 379 Wachstum der Tiere in direktem Zusammenhang, nicht mit ihrer Ver- mehrung. Diese erfolgt außer durch zweierlei verschiedene Arten von Vielteilung (Zerfall in zahlreiche einkernige Sprößlinge) auch durch Plasmotomie, die außerordentlich mannigfaltige Teilungsbilder liefert. Es kann die Durchschnürung des Körpers, dessen zahlreiche Kerne sich stets im Ruhezustande befinden und dessen vegetative Tätigkeiten, wie Nahrungsaufnahme und Verdauung, keinerlei Unterbrechung erfahren, in zwei gleich große oder zwei ungleich große Stücke erfolgen und hierbei „lassen sich alle Uebergänge bis zur Abschnürung einer winzigen Knospe auf- finden“. Ebenso kann aber der Organismus sich auch in unregelmäßigster Weise in 3, 4 oder mehr (bis zahlreiche) Teile zerschnüren, deren jedes dann ein selbständiges Individuum darstellt. Vor dem Zerfall in viele Teilstücke wird die Gestalt der Tiere ganz unregelmäßig lappig und buckelig (Fig. 367, A). Die einzelnen Fortsätze strecken sich in die Länge und werden durch ringförmige Einschnürungen in eine Reihe von Segmenten zerlegt, die sich dann allmählich voneinander lösen (Fig. 367, B). 4A Fig. 367. Trichosphaerium sieboldi Schn. A—B Zwei aufeinander folgende Stadien der Plasmotomie. B ist erst am 10. Tage nach A gezeichnet, und erst nach weiteren 6 Tagen war das Tier in die 26 schon in B erkennbaren Teilstücke zerfallen. — € 2 Fraßstellen von Trichosphaerium in einem Algenfilzwerk, zur Demonstration der Art der Ausbreitung dieser Organismen in ihrem Nahrungsgebiet. Nach SCHAUDINN 1899. Diese Ablösung erfolgt weder gleichzeitig noch gleichartig; an einzelnen Stellen können sich einzelne Teilstücke ablösen, während an anderen ganze Komplexe abgeschnürt werden, die erst später weiter zerfallen. Der ganze Teilungsprozeß verläuft außerordentlich langsam, wie die Zeit- angaben in der Erklärung von Fig. 367 dartun. In einem anderen Falle mit etwas rascherem Ablauf konnte ScaAuDınn an einem 1,5 mm großen Exemplar den Zerfall in 35 Teilstücke innerhalb einer Woche verfolgen; schon am 4. Tage, nachdem die Gestaltsveränderung begonnen hatte, mar- kierten sich die einzelnen Segmente deutlich. — Durch diese Art der Ver- mehrung finden auch die merkwürdigen kreisförmigen Fraßstellen der Tricho- sphärien in dem Algenfilz an der Glaswand der Aquarien (Fig. 367, C) ihre Erklärung. Wenn ein einzelnes Individuum auf eine unversehrte Stelle des Diatomeenrasens gesetzt wird, so verzehrt es zuerst seine Unterlage, so daß ein kleines Loch im Algenfilz entsteht. Infolge der guten Er- nährung nimmt das Tier Sternform an, um sich zur Zerfallteilung an- zuschicken. Schon hierbei wird die Lücke erweitert. Bei der Trennung 380 Protozoa. Max Lünue, der Teilstücke voneinander finden sie natürlich gute Nahrung nur noch in radiärer Richtung und, indem sie sich wieder teilen, erweitern sie den von Algen gesäuberten Kreis immer mehr. In Aquarien ist übrigens nach ScHAUDINN diese Plasmotomie viel häufiger als im freien Meere und in alten mehrjährigen Kulturen wird sie schließlich zur einzigen Art der Fortpflanzung der Trichosphaerien. „Vielleicht ist die überaus häufige vegetative Teilung ein durch die reiche Ernährung in der Ge- fangenschaft veranlaßter, nicht normaler Vorgang, den man als eine Art von Hypertrophie bezeichnen kann“ (Scuaupınn 1899). b) Foraminiferen. „Durch zufällige äußere Gewaltakte zer- splitterte Tiere regenerieren bekanntlich wieder, wenn die entstandenen Teilstücke Kerne besitzen. Ein Fall ganz ähnlicher Art, den man als eine spontane Zersplitterung bezeichnen könnte, ist in der Schalen- zertrennung gegeben, wie sie bis jetzt nur für einzelne Formen konstatiert worden ist. Die betreffenden Formen wachsen zu relativ beträchtlicher Ausdehnung, sie zerfallen dann in einzelne Stücke, von denen jedes einen Teil der Mutterschale mit sich trägt, und jedes Teilstück lebt für sich unter Ansatz von neuen Schalenteilen weiter“ (Rnumsrer 1911). Bei spiralgewundenen Foraminiferen kommt eine solche Plasmotomie offenbar nicht vor. Sie hat eine weniger feste Fügung der Schale zur Voraussetzung und ist nur von gewissen Nodosariden, deren Kammerreihe verhältnismäßig leicht durchgebrochen werden und sogar einen offenbar für einen derartigen Bruch be- stimmten Locus minoris resistentiae besitzen kann (vgl. Fig. 368), und von radiär gebauten Formen (Caleituba, Orbitolites) bekannt. Fig. 368. Frondicularia compta, zeigt nach einer gewissen An- zahl von Kammern (hier 3) gewöhnlicher Ausbildung solche, die durch ihre geringe Breitenausdehnung auffallen und eine sehr große Zerbrech- lichkeit der Schale bedingen. Dementsprechend findet man von dieser Art verhältnismäßig selten größere Kammerreihen, sondern meist nur kurze, an den Schmalkammern durchgebrochene Kammersätze, deren Hinterende wie bei dem abgebildeten Exemplar noch den Hals der durchgebrochenen Kammer umschließt. Nach RHUMBLER 1911. Bei Calcituba findet sich sogar Plasmotomie in zwei verschiedenen Formen, indem entweder die Schale gleichzeitig mit dem Plasmakörper durchtrennt wird oder der Plasmakörper allein sich teilt und die Teil- stücke dann aus der Schale auswandern. Nach ScHaupınn (1895) ent- stehen nämlich aus nackten Plasmodien (Protoplasmaklümpchen mit Kernen und Pseudopodien) große, vielkammerige, sternförmige Individuen (Fig. 369) auf folgende Weise: „Das Plasmodium setzt sich auf flächen- haft wachsenden Algen fest und umgibt sich mit Schale; von der so entstandenen ersten Kammer wachsen in radiärer Richtung dichotomisch sich verästelnde, gekammerte Kalkröhren aus. Während die peripheren Röhrenenden weiterwachsen, zerfällt die zentrale Partie, wenn die Algen- unterlage verzehrt ist, in Bruchstücke von verschiedener Kammerzahl, die auf den Boden sinken. Es ist auf diese Weise aus dem großen sternförmigen Individuum ein Ring radiär angeordneter kleinerer Indi- viduen entstanden; die letzteren bauen an ihren peripheren Enden immer neue Kammern, während die zentralen älteren Teile abbrechen und zu Boden fallen... Das Schicksal der auf den Boden gefallenen Bruch- E. I. 4. Zerfallteilung (Plasmotomie). 381 stücke ist verschieden. Wenn sie Nahrung erlangen, z. B. auf Algen fielen, bauen sie neue Kammern und wachsen in der gewöhnlichen Weise weiter. Wenn sie keine Nahrung haben, so ver- schließen sie entweder ihre Mündungen mit chitinösen Häutchen und warten in diesem encystierten Zu- stand auf günstigere Lebens- bedingungen, oder sie bil- den Plasmodien durch Tei- lung des Plasmas innerhalb der Schale und Auswande- rung der Teilstücke.“* Die zu „Plasmodien“ werdenden Teilstücke entstehen hierbei in wechselnder Zahl (2— 20) durch plasmotomen Zerfall des vielkernigen Mutter- Fig. 369. Caleituba poly- morpha RoBoz. A Großes sternförmiges, vielkerniges In- dividuum, auf Algenflechtwerk sitzend, schwach vergrößert. B Zwei durch plasmotomen Zer- fall von Sternformen entstandene, ringförmig angeordnete Indivi- duengruppen, auf einem Algen- filzwerk sitzend, nach dem Leben in natürlicher Größe photo- graphiert. € Nacktes vielkerniges Plasmodium, nach dem Leben. D Junge Caleituba im Beginn der Schalenbildung (flexostyle Embryonalkammer, wie sie für die Foraminiferen - Ordnung der Flexostylidia charakteristisch ist, vgl. S. 24 und Fig. 176, S. 186), nach dem Leben. Nach SCHAT- DINN 1895. N HUVLRe Ri D 382 Protozoa. Max Lüns, körperss und besitzen dementsprechend auch eine wechselnde Zahl von Kernen (zum Teil nur einen, zum Teil zahlreiche). Sie wandern unter lebhafter Pseudopodienbildung aus der Schale heraus und setzen sich früher oder später an geeigneter, d. h. nahrungsreicher Stelle fest. Dann beginnt wieder die Abscheidung der Schale und das für Caleituba. charakteristische Wachstum. Vor der Schalenbildung kann das Plas- modium sich aber auch noch einmal oder mehrere Male plasmotomisch teilen oder selbst längere Zeit (über 1/, Jahr) als selbständiger amöben- ähnlicher Organismus leben. ARD SL DS Bi) Fig. 370. Orbitolites duplex. Plasmotomie (Schalenzertrennung). A Eine Schale mit mehreren Resorptionsstreifen. (Rs), längs deren die Schale leicht durch- bricht (bei Br ein durch Resorption von Septen entstandener, randständiger Brut- raum, vgl. S. 374. B Ein Teil einer solehen Schale mit Resorptionsstreif bei stärkerer Vergrößerung. €© Beginnende Regeneration der Schale nach Plasmotomie. Nach RHUMBLER 1911. NN; Bei Orbitolites findet schon sehr früh eine starke Kern- vermehrung statt, so daß schon sehr jugendliche Exemplare außer- ordentlich viele und kleine Kerne besitzen. Selbst geringste Bruch- stücke müssen daher bereits regenerationsfähig sein, und man findet in der Tat häufig regenerierte Exemplare, die in ihrem Zentrum das nicht zu verkennende, oft minimale Bruchstück einer großen Schale, aus dem sie hervorgegangen sind, deutlich erkennen lassen. Offenbar ist bei größeren Exemplaren von Orbitolites, der mit der Breitseite seines dünnen, scheibenförmigen Körpers Algen aufzusitzen pflegt, diese aber seitlich weit überragen kann, die Gefahr des Zerschellens E.I. 4. Zerfallteilung (Plasmotomie). 383 eine verhältnismäßig große. Stärkere Strömung des Meeres, die den Bruch der Schalen fördert, steigert aber zugleich die Möglichkeit einer weiteren Ausstreuung der zu Tieren von gewöhnlicher Größe regene- rierenden Bruchstücke. Die Zerbrechlichkeit der Schale wird deshalb von RHUMBLER (1911) damit in Zusammenhang gebracht, daß „sie ein Mittel zur Verbreitung der Art, in geeigneten Zeiten bei besonders stark bewegtem Wasser bot“. Deshalb hat sich Orbitolites der Festig- keitsauslese, die sonst den Schalenaufbau der Foraminiferen beherrscht, „entzogen“. Die auf der Bruchfähigkeitsauslese mit Regenerations- vermögen der Schalenstücke beruhende Vermehrung von Orbitolites muß aber um so mehr als eine Plasmotomie betrachtet werden, als ähnlich wie bei Frondicularia die passive Zerbrechlichkeit der Schale von der Foraminifere noch aktiv unterstützt werden kann. Bei Orbi- tolites duplex fand nämlich RHUMLER mehrfach, wenngleich nicht häufig, „den Schalenbruch dadurch erleichtert und geradezu provoziert, daß diese Form in geraden Linien, aber offenbar gesetzmäßig ange- ordnete Resorptionsstreifen durch die Schalenscheibe hindurchziehen kann. Die Wände der Kammern, die auf diesem Streifen liegen, werden resorbiert und erscheinen dann auf manchen Stadien nur noch wie ganz dünne Schaumwände eines großblasigen Seifenschaumes, oder es bleiben sogar nur die Kanten der Schaumwände stehen, die ganz gewiß bei dem geringsten Insult von außen her durchbrechen müssen (Fig. 370). Daß eine Regeneration derartig von dem Tier selbst pro- vozierter Bruchstücke zu größeren Schalen statt- findet, lehrt Fig. 370 C, wo sich die Regeneration schon im Gang zeigt, indem die bruchrand- ständigen Kammerwände durch starke Auf- lagerungen von Schalensubstanz wieder aus- gefestigt sind, während noch von dem Bruch nicht benutzte Strecken von Resorptionsstreifen im Scheibeninneren die frühere Anwesenheit einer größeren Zahl derselben bekunden.“ c) Für Myxosporidien liegen Angaben über Plasmotomie von COHN, DOFLEIN und LüHeE vor. Sie findet sich hier nur bei Be- Fig. 371. Myxidium lieberkühni. Plasmotomie (nach ihrem äußeren Ablauf hier meist als Knospung bezeichnet). Die einzelnen knospenartigen Sprößlinge verschieden weit ab- geschnürt, einige bereits völlig frei geworden. Nach L. COHN 1895. wohnern von Hohlorganen (Gallenblase, Harnblase). Für Chloromyxum und Sphaeromyxa wird ein Zerfall in zwei.nahezu gleiche oder ungleiche Teilstücke angegeben. Bei Myxidium lieberkühni beobachtete dagegen L. CoHn (1895) die Abschnürung zahlreicher kleiner, knospen- ähnlicher Teilstücke (Fig. 371). Ob es sich bei dieser unter dem Deckglase verfolgten sogenannten „Knospung“ von Myxidium um einen normalen Fortpflanzungsvorgang handelt, steht allerdings noch nicht unzweifelhaft fest; bemerkenswert ist jedoch, daß diese eigenartige Form von Plasmotomie nur im Winter beobachtet wurde, zu einer Zeit, wo die bei Myxidium lieberkühni auf die wärmere Jahreszeit beschränkte Cnidosporenbildung vermißt wird (vgl. auch AUERBACH 1910). 384 Protozoa. Max Lüne, d) Opalina. Unter den Infusorien findet sich Plasmotomie als normale Vermehrungsweise bei den vielkernigen Opalinaarten (z. B. Opalina ranarum, Fig. 572), die bei ihrer Teilung in zwei vielkernige Sprößlinge zerfallen, ohne daß dieser Teilung entsprechende Kern- teilungen vorausgehen (im Gegensatz zu den zweikernigen Arten, wie z. B. Opalina intestinalis, die sich durch typische Zweiteilung ver- N TE RN SITE DI en TS ELIFIIESSEEITFEE I x RE ae: - / EEE I nees < u es lea zer: S Kerze: 40% Ge Is 5: RE a en nf S 2er a7 Fig. 372. Opalina ranarum. A Gewöhnliche Form mit zahlreichen bläschen- förmigen Kernen, B dieselbe in Plasmotomie, bei der 2 gleich große Sprößlinge ent- stehen, © durch vielfach fortgesetzte Plasmotomie entstandenes, kleines, wenigkerniges Individuum, D ein ebensolches eneystiert, E kürzlich aus einer Cyste ausgeschlüpftes einkerniges Individuum, das nach einer vorherigen Kopulation wieder zu der vielkernigen Form heranwächst. Alle Figuren bei gleicher Vergrößerung nach ZELLER 1877 aus DOFLEIN. mehren, indem sie unter synchroner Teilung beider Kerne wieder zweikernige Tochterindividuen bilden). Bei rascher Aufeinanderfolge der plasmotomen Teilungen der Opalinen findet eine entsprechende allmähliche Größenabnahme der Sprößlinge statt unter gleichzeitiger starker Abnahme der Kernzahl, da die von der Plasmotomie un- abhängigen Kernteilungen mit den Plasmateilungen nicht Schritt halten (Hip. ATznO)) E. I. Fortpflanzung. Anhang: Koloniebildung. 385 Anhang: Koloniebildung. Im Anschluß an die Besprechung der Fortpflanzung der Proto- zoen ist schließlich noch der Bildung von Kolonien zu gedenken. Solche kommen dadurch zustande, daß ein Stammindividuum (einer koloniebildenden Flagellaten-, Sarcodinen- bzw. Infusorienart) sich durch Teilung fortpflanzt. Anstatt daß sich dann aber die beiden Tochtertiere völlig voneinander lösen, bleiben sie durch Pseudopodien oder andere plasmatische Fortsätze oder durch Stiele oder durch eine gemeinsame Gallerthülle oder dergl. miteinander verbunden. Meist wird hierbei der Zusammenhang der durch Teilung erzeugten Sprößlinge dauernd gewahrt. Bei gewissen gehäusebewohnenden Flagel- laten (Polyoeca, Fig. 268, Dinobryon) scheint dagegen der eine der beiden bei einer Teilung entstehenden Sprößlinge das mütterliche Ge- häuse, in dem der andere zurückbleibt, verlassen zu wollen (vgl. S. 334), freilich nur um sich sofort wieder an diesem Gehäuse und zwar meist an seinem Rande festzusetzen. So entsteht zunächst eine von bloß 2 Individuen und bei Wieder- holung desselben Vorganges an diesen beiden Tochterindividuen eine von den 4 Enkelindividuen gebildete Kolonie; in derselben Weise kann dann die Teilung sich vielfach wiederholen, während stets die Abkömmlinge in Zusammenhang bleiben, so daß unter Umständen Kolonien zustande kommen, die aus sehr zahlreichen, mitunter vielen Hunderten von Individuen bestehen. Dabei bleiben aber (mit alleiniger Ausnahme einiger weiter unten noch besonders zu besprechenden Volvoeiden) alle Einzelindividuen der Kolonie unter sich gleich, und ein jedes ist in gleicher Weise zur Ausübung aller Lebensfunktionen befähigt, wie nur irgendein einzeln lebendes Protozoon. Koloniebildung findet sich namentlich in weiter Verbreitung bei Flagellaten (vor allem bei Protomonadinen, Chrysomonadinen und Volvociden). Sehr viel seltener ist sie bei Sarcodinen (hierher vor allem die ganze Radiolariengruppe der Polycyttaria, vgl. Fig. 47) und bei Infusorien (hierher vor allem die meisten Vorticelliden, vgl. S. 265 und 250). Bei pelagischen Formen dient die Koloniebildung häufig der Er- höhung des Formwiderstandes und damit des Schwebvermögens. Als Beispiel sei hier auf die Ketten von Ceratium hingewiesen, die dadurch zustande kommen, daß das Ende des (dann verhältnismäßig kurz bleibenden) apikalen Hornes des hinteren Sprößlings mit der Geißelspalte des vorderen Sprößlings in Verbindung bleibt. Dadurch, daß sich dieses Aneinanderheftenbleiben bei mehreren aufeinander folgenden Teilungen wiederholt, können verhältnismäig lange Ketten entstehen, deren Schwebe- vermögen dank der in der Kette sich häufenden langen Seitenhörner der Einzelindividuen ein besonders günstiges sein muß. Verhältnismälig am häufigsten scheint diese Kettenbildung im Indischen Ozean zu sein und dies steht im Einklang damit, daß gerade dort die Anforderungen an die Schwebeeinrichtungen anscheinend besonders große sind, wie dies die auffällig starke Ausbildung der Hörner der indischen Ceratien dar- tut (vgl. S. 172). Von besonderem Interesse sind die von HAEckER (1908) beschriebenen Kolonien von Tuscaroriden (tripyleen Radiolarien), über die deshalb hier allein noch einige Angaben folgen, während im übrigen auf ge- Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 25 386 Protozoa. Max Lün, legentliche Berücksichtigung der Koloniebildung in früheren Kapiteln verwiesen werden kann. Bei der antarktischen Tuscaretta globosa chuni (Fig. 373) fanden sich je 8 Einzelindividuen durch eine gemeinsame kugelige Gitterschale vereinigt, von der mehr oder weniger ausgedehnte Bruchstücke auch bei anderen Arten bereits gefunden sind. Die gemein- same Gitterschale besteht aus zwei konzentrischen Gitterwerken, deren Maschen von lauter gleichseitigen Dreiecken gebildet werden; beide sind durch zeltförmige Nadelbündel miteinander verbunden, deren Basis in dem inneren, deren Spitze in dem äußeren Gitter liegt. Die Einzel- individuen sind mit ihrem Skelett in fensterförmige Oeffnungen der ge- = S 7 DREI SIE u ZIRROREE ON, ESE : Au U WEN \z STE nn“ SETISIFEDE NEAR TERN N / Y = X n z B: R (RR: AV Nr i ß N | zes it RR KERN I y Y| - FR Skr 15 & | ih \ 1: Bi >. OR AL AN “ = DR BES DK DIR RER IKK RES SORT RR SR YANXD NEE ERI> IR EN TIER NN AR SR DI DEE RER — DER SER IS RDERIREDTERRIINE Di I Enz EN: DRERERI I N en es S REES FE % a\ EIER = Pe 4 DR / x Fig. 373. Tuscaretta globosa chuni HAECKER. Kolonie mit 8 Individuen. Tiefseeradiolar der Antarktis. Vergr. ca. 12:1. Nach HAECKER 1908. meinsamen Gitterschale eingelassen, so daß das Pylom und die von dessen Rande ausgehenden ÖOralstacheln (in Fig. 374 sind deren 2 vorhanden) innerhalb der Gitterschale gelagert sind. Die 4—6 sehr langen Aboral- stacheln, die die Oralfläche in mäßigem Abstande umsäumen, krümmen sich in weitem Bogen nach der Aboralseite zu und sind mit zahlreichen Häkchen besetzt, die an der Krümmungsfläche bosonders stark und zahl- reich sind; diese Häkchen verankern die Einzelindividuen in der ge- meinsamen Gitterschale. Die Entstehung dieser Kolonien ist noch zweifel- haft; HAEcKER nimmt an, „daß entweder in einem zunächst nackten Keime eine Vermehrung der Zentralkapseln auf 8 oder 16 und dann die Bildung des gesamten Skelettes erfolgt, oder daß die Einzeltiere von E. I. Fortpflanzung. Anhang: Koloniebildung. 387 “a einem bereits beschalten Muttertier mehr sukzessive ihre Entstehung nehmen. In diesem Falle wäre zu denken, daß innerhalb der Schale des letzteren eine Vermehrung der Zentralkapseln von 2 auf 4 erfolgt, daß dann 2 derselben durch die Schalenöffnung heraustreten und so innerhalb Fig. 374. Tuscaretta tubulosa (HAECKEL), Tiefseeradiolar der warmen Meere. Einzeltier mit einem Teile der Gitterkugel der Kolonie. Zu beachten die durch Häkchen vermittelte Verbindung zwischen den 4 Aboralstacheln des Einzeltieres und dem Fach- werk der Gitterkugel. Vom Weichkörper sind nur die beiden Zentralkapseln dargestellt. Vergr. 13:1. Nach HAECKER 1908. der gemeinschaftlichen Gallerte die Grundlage für ein Tochterindividuum geben, und daß in ähnlicher Weise, unter Teilung der Tochter- und Enkeltiere, die Zahl der Einzelindividuen auf 8 erhöht wird, bis schließ- lich die gemeinsame Gitterschale zur Abscheidung gelangt.“ 25* 388 Protozoa. Max Lünk, II. Befruchtung. Die Befruchtung, die wohl in der einen oder anderen Form bei allen Protozoen vorkommt, entspricht insofern durchaus der Befruch- tung der Metazoen, als auch bei ihr das Wesentliche der ganzen Vor- gänge in einer Verschmelzung zweier verschiedener Kerne zu einem neuen einheitlichen Kerne (Synkaryon, Frischkern) besteht oder doch zu bestehen scheint. Im übrigen freilich tritt uns die Befruch- tung bei den Protozoen in einer außerordentlich großen Mannigfaltig- keit entgegen. In der Regel findet die Kernverschmelzung (Karyo- gamie) zwischen zwei getrennten Individuen statt, die auch mit ihren Plasmakörpern (ähnlich wie Ei und Spermatozoon der Metazoen) zu einem neuen einheitlichen Individuum, der Zygote oder Copula, miteinander verschmelzen. In Ausnahmefällen, die HARTMANN (1909) als Automixis (Selbstbefruchtung) der typischen (amphimikti- schen) Befruchtung gegenüberstellt, fehlt jedoch die Beteiligung zweier verschiedener Individuen an den Befruchtungsvorgängen, spielt sich vielmehr die Karyogamie innerhalb eines einheitlichen Individuums ab. Andererseits kann aber bei Amphimixis aueh die Verschmelzung der Plasmakörper der beiden Individuen unterbleiben, indem diese sich nur zeitweise aneinanderlagern und hierbei Kernsubstanzen unter- einander austauschen (Konjugation der Infusorien im Gegensatz zu der mit völliger und dauernder Verschmelzung der Plasmakörper verbundenen Kopulation der anderen Protozoen). Weiter gesteigert wird die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen dadurch, daß die Konjugation bei den Vorticelliden und Suctorien so stark modifiziert ist, daß sie sekundär wieder eine äußerliche Aehn- lichkeit mit der Kopulation erhält, und daß ferner vor allem die Kopulation bei verschiedenen Protozoen uns hinsichtlich Entstehung und Differenzierung der beiden verschmelzenden Individuen in sehr verschiedener Form entgegentritt. Im folgenden wollen wir an der Hand ausgewählter Beispiele eine Uebersicht über die verschiedenartigen Befruchtungsvorgänge der Protozoen zu gewinnen suchen und hierbei im Anschluß an LüHe (1902) und HARTMANN (1909) nachstehende Einteilung derselben zu- grunde legen. A. Kopulation: dauernde und vollkommene Verschmelzung zweier Individuen unter Verschmelzung auch der Kerne. 1. Hologamie (Makrogamie): die beiden Kopulanten von erwachsenen vegetativen Individuen nicht unterscheidbar. a) Isohologamie: beide Kopulanten einander anscheinend völlig gleich. b) Anisohologamie: die Kopulanten zeigen durch etwas ver- schiedene Größe eine geringe geschlechtliche Differenzierung. 2. Pädogamie: die beiden Kopulanten gleichen jugendlichen vegetativen Individuen und können auch, anstatt zu kopulieren, heran- wachsen und sich durch Teilung vermehren. 3. Merogamie (Mikrogamie): die Kopulanten sind spezifische Geschlechtsindividuen (Gameten), und zwar werden beide Gameten von je einem Mutterindividuum (Gametocyten) durch eine spezifische multiple Vermehrung (Gamogonie) erzeugt. Stammen die mit- einander kopulierenden Gameten von demselben Mutterindividuum ab, so sprechen wir auch von Endogamie. E. II. Befruchtung. A. Kopulation. 1. Hologamie (Makrogamie). 389 a) Isomerogamie: beide Gameten nicht voneinander unter- scheidbar. ' b) Anisomerogamie: die Gameten geschlechtlich differenziert. 4. Oogamie: die Kopulanten sehr stark geschlechtlich diffe- renziert; nur einer von ihnen (der männliche Mikrogamet) wird durch Gamogonie von einem Gametocyten erzeugt, der andere (der weibliche Makrogamet) entsteht aus dem Gametocyten ohne Ver- mehrungsvorgänge durch direkte, mit einer nachweisbaren Chromatin- reduktion verbundene Umwandlung. B. Konjugation (der Infusorien): zeitweilige und unvoll- kommene Verschmelzung zweier Individuen, in denen gleichzeitig sich Kernteilungen abspielen, zwecks Austausches der allein kopu- lierenden Kerne. 1. Allelogamie: beide Konjuganten befruchten sich gegen- seitig. a) Isoallelogamie: beide Konjuganten einander gleich er- scheinend. b) Anisoallelogamie: die Konjuganten verschieden groß. 2. Heterogamie: die Konjuganten mehr oder weniger stark geschlechtlich differenziert; nur einer von ihnen wird von dem anderen (meist kleineren) befruchtet, während dieser kleinere zugrunde geht . oder resorbiert wird. a) Isoheterogamie: beide Konjuganten gleich groß. b) Anisoheterogamie: der eine Konjugant wesentlich kleiner als der andere. C. Autogamie (Selbstbefruchtung): es findet lediglich eine Karyogamie innerhalb eines einheitlichen Zellkörpers statt. (Diese Autogamie wird von HARTMANN mit der bereits oben als Abart der Merogamie erwähnten Endogamie unter der gemeinsamen Bezeichnung Automixis zusammengefaßt.) - A. Kopulation. 1. Hologamie (Makrogamie). Eine Befruchtung, bei der die völlig miteinander verschmelzenden beiden Individuen weder von den gewöhnlichen erwachsenen vege- tativen Individuen noch voneinander unterscheidbar sind, d. h. also eine Isohologamie oder Isomakrogamie, ist mehr oder weniger gut bekannt von Copromonas subtilis, Noctiluca miliaris, Amoeba diploidea und Actinophrys sol. Zunächst liegt nun der Gedanke nahe, daß diese Form der Befruchtung, bei der jegliche Ausbildung be- sonderer zur Kopulation bestimmter Individuen sowie jegliche Aus- bildung geschlechtlicher Verschiedenheiten fehlt, der ganze Vorgang also sich in verhältnismäßig einfachster Form abspielt, die ursprüng- lichste Form der Befruchtung überhaupt sei. Demgegenüber weisen aber Amoeba diploidea und Actinophrys sol, wenn auch beide in sehr verschiedener Weise, offenbar durchaus keine primitiven Verhältnisse mehr auf, während bei der morphologisch hoch spezialisierten Nocti- luca die Befruchtungsvorgänge in ihren Einzelheiten noch zu wenig bekannt sind, um eine einigermaßen sichere Beurteilung zu ge- statten. 390 Protozoa. Max Lüns, Bei der mehrfach, zuletzt von Dorrein (1900) untersuchten Nocti- luca verläuft die Kopulation derart, daß 2 Individuen an ihrer Peristom- gegend (vgl. S. 282), seltener an einem anderen Teil ihrer Oberfläche miteinander verwachsen und schließlich so vollständig miteinander ver- schmelzen, daß sie eine einzige Kugel vom doppelten Volumen der Einzel- individuen bilden. Die Kopulation kann sowohl im beweglichen Zustand erfolgen wie auch im ruhenden, bei dem die Bewegungsorganellen rück- gebildet sind. Bei den beweglichen Zuständen werden Peristom und peristomale Organe, vor allem auch die beiden Geißeln, während des Be- ginnes der Kopulation eingeschmolzen. Der Nahrungspartikel entledigt sich dagegen der Noctiluca-Körper vor der Kopulation nur unvollständig; während dieser selbst wie auch während der sich anschließenden multiplen Vermehrung findet man noch Reste der zuletzt gefressenen Nahrung, wenn diese auch nicht zahlreich sind. Nachdem auch die Kerne der beiden Kopulanten zum Synkaryon verschmolzen sind, ist in dem nun wieder völlig kugeligen Körper der Zygote „die Hauptmasse des Plasmas zu einer Scheibe vereinigt, welche man Keimscheibe nennen könnte, da sie, allmählich sich abfurchend, die Schwärmerknospen liefert“ (vgl. S. 368f.). Die Strukturveränderungen des Kernes während der Kopulation konnten noch nicht genügend verfolgt werden; insbesondere ist nichts über etwaige Reduktionsvorgänge bekannt. Neuerdings hält DorLeın (1911) es sogar für möglich, daß bei Noctiluca gar keine Hologamie stattfindet und daß die Annahme einer solchen auf einer irrtümlichen Deutung der Beobachtungen beruhe. Bei Copromonas subtilis sind die miteinander kopulierenden Individuen nach Doserr (1908) von den gewöhnlichen vegetativen In- dividuen nicht unterscheidbar; „jedes Individuum scheint ein potentieller Gamet zu sein“. Ebensowenig lassen die beiden Kopulanten irgend- welche geschlechtlichen Unterschiede erkennen; wohl ist gelegentlich der eine etwas kleiner als der andere, aber diese Unterschiede bleiben stets innerhalb der durch verschiedenes Wachstum und verschiedene Er- nährung bedingten, nicht unerheblichen Größenvariation der Flagellaten in den Kulturen. Die Kopulation beginnt damit, daß 2 Individuen sich einander bis zur Berührung nähern, übereinander gleiten und dann bald mit ihren Vorderenden aneinander haften bleiben. Zunächst schwimmen sie dann noch mit Hilfe ihrer Geißeln herum; bald aber wird die eine Geißel kürzer (Fig. 375, 5), um schließlich ganz zu verschwinden, während gleichzeitig die Verschmelzung der beiden Flagellaten an den einander zugewandten Flächen langsam fortschreitet (Fig. 375, 6). Nachdem die eine Geißel völlig resorbiert ist, beginnt an den Kernen der beiden Kopulanten ein Reduktionsprozeß, indem diese Kerne sich zunächst einmal gleichhälftig teilen. Je einer der beiden so entstandenen Tochter- kerne wird allmählich aufgelöst (in Fig. 375, 7 sind seine Reste noch nahe dem Hinterende der beiden Kopulanten kenntlich), während von dem anderen noch einmal ein kleineres, ebenfalls der Resorption ver- fallendes Chromatinkorn sich ablöst (Fig. 375, 7). Während dann die dergestalt reduzierten Kerne sich zunächst aneinander lagern und dann völlig miteinander verschmelzen, kann im übrigen die Copula, die wäh- rend des ganzen bisherigen Verlaufs der Kopulation mit Hilfe der ihr verbliebenen einen Geißel lebhaft herumschwamm, zweierlei verschiedene Entwickelungswege einschlagen. Entweder nimmt sie direkt die gewöhn- liche Flagellatenform an (Fig. 375, 9) und schreitet dann auch sehr bald zur Vermehrung durch Zweiteilung — oder aber die Geißel wird E. II. A. 1. Hologamie (Makrogamie). 391 rückgebildet und die Copula rundet sich ab und encystiert sich. Im Falle dieser Encystierung erfolgt die Verschmelzung der beiden Kerne erst nach der Abscheidung der Cystenhülle (11, 12). Die Bildung ganz gleicher Cysten soll aber auch durch Encystierung einzelner, auf vegetativem Wege durch Längsteilung entstandener Flagellaten erfolgen können. In jedem Falle stellt die Cyste das der Austrocknung Widerstand leistende Dauerstadium dar, aus dem unter günstigen Umständen wieder ein Flagellat ausschlüpft (vgl. S. 162). Die Encystierung selbst ist wie so häufig mit einer Verdichtung des Plasmas infolge von Wasserverlust ver- bunden. Die aus der Cyste (ob wirklich, wie DoBELL anzunehmen scheint, Fig. 375. Copromonas subtilis DoBELL (lebt in dem Kote des Frosches). Zeugungskreis. 2 Ausgebildeter Flagellat. 2—/ Zweiteilung. 5—8 Hologamie. 9 Die Copula, in der die Karyogamie noch nicht beendet ist, wird direkt zu einem frei- schwimmenden Flagellaten. 10—11 Karyogamie und Encystierung der Copula. 12 Dauer- eyste, aus der unter günstigen Umständen wieder ein kleiner hyaliner Flagellat aus- schlüpft (13), der heranwächst, sich teilt und so den Zeugungskreis von neuem beginnt, Nach DOBELL 1908. nur in Einzahl, oder erst nach einer vorausgegangenen Teilung, scheint ınir noch zweifelhaft) ausschlüpfenden Flagellaten sind kleiner und rund- licher und ihr Plasma ist klarer, weniger körnig als das der ausgebildeten Formen; auch besitzen sie noch kein Reservoir und keinen Cytopharynx. Sie entwickeln sich dann aber allmählich zur ausgebildeten Form, um sich hierauf wieder durch Teilung zu vermehren. Die Kopulation von Actinophrys sol, einem der bekanntesten Vertreter der Heliozoen mit einem einzigen, zentral gelegenen Kern, ist von ScHAUDINN (1896) so genau verfolgt und geschildert, daß sie auch heute noch in der Regel als der am besten beschriebene Fall von Isoholo- gamie betrachtet wird. 392 Protozoa. Max Lüne, In längere Zeit hindurch gezüchteten Kulturen dieser Art findet man Individuen, die mit noch ausgestreckten Pseudopodien paarweise mit- einander verschmelzen (Fig. 376, A). Nicht selten findet auch eine ent- sprechende Verschmelzung einer größeren Anzahl von Individuen statt; da aber auch in diesem Falle die durch die Verschmelzung eingeleitete Kopulation immer nur zwischen je 2 paarweise vereinigten Individuen erfolgt, wollen wir uns weiterhin auf die Betrachtung des einfachen Falles eines einzigen verschmelzenden Paares beschränken. Die vereinigten Individuen (eventuell also auch eine größere Actino- phrys-Gesellschaft) ziehen allmählich ihre Pseudopodien ein, unter Rück- bildung der Achsenfäden derselben, und sinken infolge des hiermit Fig. 376. Isohologamie von Actinophrys sol Eures. A Plasmogame Ver- schmelzung zweier freischwimmender Individuen. B Encystierung der Kopulanten. € Reduktionsteilung des Kernes. D Reduktionskörper gebildet, die reduzierten Kerne wieder im Zentrum der Kopulanten. E Kernverschmelzung. F Erste Teilungsspindel des Synkaryons als Einleitung zur ersten Teilung der Copula. Die Reduktionskörper haben inzwischen die innere kieselige Cystenhülle durchwandert und sind im Zerfall be- griffen. cv kontraktile Vakuole, C'y Kieselhülle, Ga Gallerthülle, N Kern, NN Synkaryon, Ps Pseudopodien, R Reduktionskörper, RspI erste Reduktionsspindel des Kernes, 7sp Teilungsspindel des Synkaryon, tx Achsenfaden. Nach SCHAUDINN (1896) aus DOFLEIN. verbundenen Verlustes ihrer Schwebfähigkeit zu Boden, indem sie sich gleichzeitig mit einer dicken, wasserhellen Gallerthülle umgeben. Inner- halb dieser gemeinsamen Hülle sondert dann noch jedes Einzeltier eine besondere Membran auf der Oberfläche seines Zelleibes ab (Fig. 376, B). Eine wesentlich abweichende Ansicht über die Entstehung dieses Stadiums hat freilich neuerdings Distaso (1908) geäußert, nach dem es sich bei Actinophrys überhaupt nicht um Hologamie handelt (vgl. unten unter Merogamie). Nach dieser doppelten Encystierung tritt der Kern eines jeden Paar- lings in mitotische Teilung und rückt dabei gegen die Oberfläche, wobei sich die Kernspindel mit ihrer Längsachse senkrecht zur Oberfläche ein- stellt (Fig. 376, ©). Die bei dieser Kernteilung entstehenden Tochter- E. II. A. 1. Hologamie (Makrogamie). 393 kerne sind sehr ungleich. Der distale wird als stark färbbarer, struktur- loser Chromatinklumpen von wenig Plasma umgeben und bildet mit diesem eine kleine kugelige Zelle, die lebhaft an die Richtungskörperchen der Metazoeneier erinnert (Fig. 376, D, E). Der proximale Tochterkern macht (nach Dorzein 1911) zunächst noch eine zweite mitotische Teilung durch, die wiederum zur Abschnürung eines kleinen, einem Richtungs- körperchen vergleichbaren Körpers führt. Der nach diesen zwei Reduk- tionsteilungen zurückbleibende Kern rückt in das Zentrum des betreffen- den Kopulanten und bildet sich zum ruhenden Kern um. Hierauf erst folgt die Karyogamie. Der die beiden Paarlinge trennende Teil der inneren Cystenmembran wird aufgelöst, und die beiden Plasmakörper verschmelzen miteinander (Fig. 376, D). Dann nähern sich die Kerne beider Paarlinge immer mehr, bis sie sich berühren und schließlich völlig miteinander verschmelzen (Fig. 376, E). Es ist dem- nach jetzt eine einzige größere einkernige Cyste entstanden, und mit der Verschmelzung der beiden Kerne zum Synkaryon ist die Kopulation be- endet. Es sei jedoch gleich angeführt, daß die so entstandene Copula sich bald darauf durch einfache Teilung, bei der die Kernteilung wiederum an eine Mitose erinnert (Fig. 376, F'), in 2 Tochterindividuen teilt, deren jedes dann eine ruhende Cyste bildet. Die geschilderten Reduktionsteilungen, die an die Reifeteilungen der Metazoeneier erinnern, sind es, die mich oben veranlaßten, die Kopu- lation von Actinophrys als keineswegs primitiv zu bezeichnen. Die Er- scheinungen, die sich dabei an den Kernen abspielen, gleichen so voll- ständig typischen Kernteilungen, daß wir auch die folgenden, zur Ab- schnürung der Reduktionskörper führenden Plasmateilungen als Zell- teilungen betrachten müssen, ähnlich wie dies ja auch bei der Richtungs- körperchenbildung der Metazoen der Fall ist. Die bei diesen Zell- teilungen der kopulierenden Actinophrys gebildeten, richtungskörperchen- ähnlichen Reduktionskörper sind aber als Zellen derartig rudimentär, daß ihre Entstehung in der phylogenetischen Geschichte der Befruchtung offenbar schon eine lange Vorgeschichte haben muß. Ja, man könnte sogar auf den Gedanken kommen, daß die Befruchtung von Actinophrys erst sekundär einer Hologamie ähnlich geworden ist, indem ursprünglich jeder der beiden Paarlinge, wie wir dies nachstehend bei der Merogonie kennen lernen werden, sich in eine größere Anzahl von Gameten teilte, die aber im Laufe der Phylogenese alle bis auf einen einzigen atro- phierten. Amoeba diploidea bietet durch ihre Kernverhältnisse besonderes Interesse. Sie ist während des ganzen vegetativen Lebens zweikernig. Ihre Vermehrung erfolgt durch wiederholte Zweiteilung, und hierbei teilen sich die beiden Kerne des Muttertieres stets gleichzeitig derart, dab jeder Sprößling von jedem der beiden Kerne seine Teilhälfte mitbekommt (Fig. 377). Die Befruchtungsvorgänge beginnen damit, daß 2 Amöben sich aneinander legen, abkugeln und sich mit einer gemeinsamen Cysten- hülle umgeben (Fig. 378, A). Während der Encystierung verringert sich das Volumen ganz beträchtlich, vermutlich durch Flüssigkeitsabgabe. Ehe nun aber die Protoplasmen der beiden Amöben zur Vereinigung kommen, verschmelzen die beiden Kerne in jedem Individuum zu einem Synkaryon, so daß nun in jeder Amöbe nur noch ein Kern vorhanden ist (Fig. 378, B). Während diese Kernverschmelzung vor sich geht, be- ginnt auch das Ektoplasma zwischen den beiden Amöben zu schwinden, so daß gewöhnlich nach völliger Ausbildung des Synkaryon auch die 394 Protozoa. Max Lüne, Plasmen der beiden Zellen schon vereinigt sind, worauf alsbald an beiden Synkaryen Reduktionsvorgänge sich abspielen, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden kann. Die beiden reduzierten von den ver- schiedenen Individuen stammenden Kerne legen sich eng aneinander, Fig. 377. Vegetative Zweiteilung von Amoeba diploidea H. u. N. A Gewöhn- liches zweikerniges Exemplar. B frühes, C spätes Stadium der Teilung. Vergr. 1250:1. Nach HARTMANN und NÄGLER 1908 aus DOFLEIN. ohne jedoch zu verschmelzen (Fig. 378, ©). Auch in ganz alten Oysten findet man fast ausnahmslos 2 Kerne, und nur zweimal konnten HARrT- MANN und NÄGLer (1908) auch Cysten mit nur einem Kern von etwa doppelter Größe wie sonst und entsprechend großem Karyosom beobachten. Bringt man die Oyste auf frischen Nährboden, dann wird sie auf einer Seite aufgelöst, und es kriecht eine junge zweikernige Amöbe aus, die durch Flüssigkeitsaufnahme sehr rasch aufquillt, wobei auch die Kerne sich noch mehr auflockern, so daß die Tiere nun ganz das Aussehen der vegetativen Amöben gewinnen (Fig. 378, D). — Diese Beobachtungen werden von HArTMAann und NÄGLER (1908) so gedeutet, daß es sich um eine Kopulation handelt, bei der die Karyogamie der Verschmelzung der Plasmakörper der beiden Kopulanten nicht unmittelbar folgt, vielmehr Fig. 378. Isohologamie von Amoeba diploidea H.u. N. A Zwei gemeinsam en- eystierte zweikernige Exemplare. B In beiden Kopulanten, deren gegenseitige Abgrenzung undeutlich zu werden beginnt, sind die beiden Kerne zu je einem einzigen verschmolzen. C Reduktionserscheinungen an den Kernen nach Verschmelzung der beiden Plasma- körper. D Ausschlüpfen der zweikernigen Amöbe aus der Cyste. Nach HARTMANN und NÄGLER 1908. die Kerne der beiden Kopulanten während des ganzen vegetativen Lebens Generationen hindurch unverändert nebeneinander liegen bleiben, um erst unmittelbar vor der nächstfolgenden Kopulation das Synkaryon zu bilden. Einige andere Fälle von Hologamie sind dadurch bemerkenswert, daß zwar die Kopulanten durchaus den vegetativen Formen der be- E. II. A, 1. Hologamie (Makrogamie). 395 treffenden Art gleichen, daß sie sich aber voneinander durch eine ge- ringe Größendifferenz unterscheiden, so daß uns hier bei dem Fehlen sonstiger erkennbarer Unterschiede zwischen den Kopulanten die ein- fachste, eben nur auf die Größe beschränkte Form einer ge- schlechtlichen Differenzierung entgegentritt. Diese Aniso- hologamie oder Anisomakrogamie scheint bisher nur bei Flagellaten beobachtet zu sein. Hierher gehört z. B. Herpetomonas muscae domesticae, bei der nach Prowazer (1904) „die selten erfolgende Kopulation insofern einen ursprünglichen Charakter besitzt, als hier fast gleichartig aus- Fig. 379. Anisohologamie von Herpetomonas muscae domesticae. 1 Reduktionsteilung des Kernes, 2 Be- duktionsteilung des Blepharoplasten, 3 Aneinanderlagerung der beiden Kopu- lanten nach Rückbildung ihrer Geißeln, 4 Copula mit noch unverschmolzenen Kernen. Nach PROWAZER 1904. gebildete Formen miteinander kopulieren. Das eine zur Kopulation schreitende Individuum ist meistens nur etwas größer und besitzt eine größere Avidität zu den Farbstoffen; man kann es nach Analogie mit den anderen Flagellaten als das Weibchen bezeichnen. Vor der Befruchtung unterliegen die Zellen einer weitgehenden Reduktion, die in sichtbarer Weise an folgende Bestandteile geknüpft ist: 1) an den Geißelapparat und vermutlich auch an die Basalkörper; 2) den Blepharoplasten; 3) den Nährkern; 4) den zentralen Achsenfaden und sein abschließendes Diplo- soma.“ Bei der Kopulation verschmelzen nicht nur die Hauptkerne („Nährkerne“ bei PRowAzEk) der beiden geißellos gewordenen Kopulanten zu einem Synkaryon, sondern auch die beiden Blepharoplasten (Fig. 373). Fig. 380. Anisohologamie von Bodo lacertae (Gr... A Beginn der Kopulation. B Späteres Stadium nach Rückbildung der Geißeln. C Eneystierung. D Reduktion der Kerne. E Die reduzierten Kerne haben sich aneinander gelagert, sind aber noch nicht verschmolzen. F, @ Metagame Fortpflanzung im Inneren der Cyste. A, B und @ nach dem Leben, O—F nach gefärbten Präparaten. C'y Cystenhülle, Ma größerer, Mi kleinerer Kopulant, N,, N, die beiden reduzierten Kerne der Kopulanten, R Reduktionskern, Sp in der Cyste entstandene Sprößlinge der Copula. Nach PROWAZER 1904 aus DOFLEIN. 396 Protozoa. Max Lüng, Auch bei Bodo lacertae konnte die Kopulation von PROwAZzER (1904) nur zweimal verfolgt werden. Die Kopulanten „waren nicht gleich groß, jedoch war der Zelleib beider in gleicher Weise etwas halbmond- förmig eingezogen (Fig. 380, A), und sie verschmolzen terminal in der Weise zusammen, daß die ausgeschweiften Flächen einander zugekehrt waren. Bald nach der Verschmelzung der Vorderenden wurden die zwei Geißeln des einen Individuums reduziert, so daß zunächst die Copula nur ein Geißelpaar besaß. Bald begannen sich die beiden Zelleiber zu- sammenzuziehen und abzurunden, wobei schließlich auch das letzte Geißel- paar eine Resorption unter Verquellungserscheinungen erfahren hat“ (Fig. 380, B). Nach Verschmelzung und Abrundung der beiden Plasma- körper folgt eine Eneystierung der Copula (Fig. 380, 0, D), und erst innerhalb der Copula findet die Reduktion der beiden Kerne statt (Fig. 380, D, E), deren völlige Verschmelzung freilich wegen Absterbens der untersuchten Copula nicht mehr beobachtet werden konnte. An- scheinend wird aber im weiteren Verlaufe, wie gleich hier bemerkt sei, die Kopulationscyste zu einer Dauercyste, die mehr- fach beobachtet werden konnte und innerhalb deren eine multiple Vermehrung stattfindet (Fig. 380, F, @). Als drittes Beispiel für Anisohologamie kann Chla- mydomonas brauni an- geführt werden (nach Goro- SCHANKIN 1890), bei dem der Größenunterschied beider Ko- pulanten noch beträchtlicher ist als in den vorigen Fällen (vgl. Fig. 381). Fig. 381. Anisohologamie von Chlamydomonas brauni GoR. 1 Beginnende Vereinigung der Kopulanten, 2 fort- schreitende Verschmelzung derselben unter Bildung einer neuen Cellulosemembran, 3 Verschmelzung beendet, die Copula hat eine dritte, nunmehr kugelige Cellulosehülle abgeschieden. ek Kern des größeren, sk Kern des kleineren Kopulanten. Nach GOROSCHANKIN 1890 aus OLTMANNS. Anschließend an die Hologamie sind auch noch eigenartige Vor- gänge zu besprechen, die bei verschiedenen Thecamöben beobachtet wurden und eine hologame Kopulation vortäuschen können. MINCHIN (1902) will diese als „Chromidiogamie“ bezeichneten Vorgänge - sogar als die primitivste Form der Befruchtung überhaupt betrachten, während sie in Wirklichkeit gar nichts mit einer Befruchtung zu tun haben. Am eingehendsten sind die fraglichen Vorgänge von ZuELzer (1904) bei Difflugia urceolata untersucht worden. Bei dieser ist bei Eintritt ungünstiger Lebensbedingungen eine vorübergehende plasto- game Verbindung von 2, seltener auch 3 oder 4 Exemplaren (vgl. E. II. A. 1. Hologamie (Makrogamie). 3 S. 194f.) nicht selten. Tiere von oft ganz verschiedener Schalengröße legen sich mit den Schalenöffnungen aufeinander, und ihr Plasma ver- schmilzt miteinander. Gewöhnlich werden dann bald darauf zwischen den Mündungen der beiden Schalen lebhaft bewegliche Pseudopodien von auffallender Länge ausgestreckt. Die Zeitdauer der Vereinigung schwankt und beträgt manchmal nur 2 Stunden, in anderen Fällen wieder 2—3 Tage, ausnahmsweise sogar 8—14 Tage, doch scheint dies letztere pathologisch zu sein. Nur das der Schalenmündung benachbarte Plasma ist an dieser vorübergehenden Plastogamie beteiligt; die Kerne und die in Form von kleinen Chromatinbrocken ins Plasma eingelagerte Chromidialsubstanz bleiben völlig unverändert im Fundus der einzelnen Schalen liegen. Die biologische Bedeutung dieser Plastogamie ist noch unklar; viele Tiere bewegten sich nach ihr lebhafter und zeigten sich vollkommen lebensfähig, andere dagegen ließen häufig eigentümliche Ab- sterbeerscheinungen erkennen. Außer dieser gewöhnlichen Plastogamie wurde nun aber auch ein Vorgang beobachtet, der zwar ebenso be- ginnt, dann aber einen ganz anderen Verlauf nimmt und der von der Verfasserin anfangs für eine eigenartige Kopulation gehalten wurde. „Zwei Difflugien legen sich mit ihren Schalenöffnungen aneinander und verschmelzen. Die Schalen beider Individuen sind meist etwa gleich groß und mit Weichkörper nur halb gefüllt. Die Tiere strecken keine Pseudopodien aus. Hierauf beginnt das eine Tier in das andere überzufließen. Manchmal ist dieser Vorgang schon nach einer Stunde beendet. Andere Paare liegen erst länger, oft einen Tag lang, plasto- gamisch verbunden beisammen, und erst dann beginnt das eine In- dividuum in das andere überzufliießen. Wenn die eine Schale fast ganz gefüllt und die andere fast leer geworden ist, werden dort, wo die beiden Schalenöffnungen aneinander liegen, viele lange, lebhaft beweg- liche Pseudopodien hervorgestreckt, und so wird die leere Schale abge- stoßen. Meist sind dann nur hyaline Pseudopodien zu sehen; es kommt aber auch vor, daß noch ein breiter Lappen körnigen, inhaltreichen Plasmas aus der Schale hervorsieht, dem erst außen das stets hyaline Plasma anliegt, welches die Pseudopodien bildet. Nach und nach wird nun auch die Masse des körnigen Entoplasmas eingezogen, und es schauen nur noch die sich lebhaft bewegenden Pseudopodien hervor. Diesen Vor- gang habe ich an lebenden Difflugien sehr oft verfolgt, so daß eine etwaige Verwechslung dieser Kopulation mit einer Teilung ausgeschlossen ist.“ Die Untersuchung der weiterhin sich anschließenden Vorgänge wird dann freilich am lebenden Objekt durch die Schale derart er- schwert, daß sie nur nach Konservierung vorgenommen werden kann, und hierdurch verliert natürlich die richtige Aneinanderreihung der verschiedenen Stadien an Sicherheit. Jedenfalls konnten Kernver- schmelzungen, die doch sonst gerade das wesentlichste Moment der Be- fruchtung darstellen, nie gefunden werden. Wohl aber scheint die Chromidialsubstanz beider Tiere sich zu einem einheitlichen Haufen an- zuordnen. Hiernach erschien zunächst der Gedanke naheliegend, dab die Kernverschmelzung der anderen Protozoen im vorliegenden Fall durch eine „Verschmelzung“ der Chromidialmassen ersetzt werde, zumal die Kerne in der anscheinenden Copula, deren Zahl infolge ursprüng- licher Vielkernigkeit der beiden verschmolzenen Difflugien bis zu 40 be- tragen kann, zu degenerieren und dafür aus der Chromidialsubstanz heraus neue Kerne gebildet zu werden schienen, während andererseits 398 Protozoa. Max Lüue, die ganzen geschilderten (fast nur im Herbst, vom September ab, zu beobachtenden) Vorgänge mit der bereits auf S. 162 und 164 besprochenen 2 3 Fig. 382. Plastogame Verschmelzungen. _—3 Chlamydophrys stercorea (CIENK.). 1 Plasmogamie zweier Tiere mit Kernverschmelzung. 2 Durch Plasmogamie entstandenes fünfkerniges Monstrum. 3 Plasmogamiertes Tier mit 2 Mundöffnungen und mit 3 Karyo- somen im Kern, durch Verschmelzung von mindestens 3 Individuen entstanden. Nach SCHAUDINN 1911. 4 Difflugia lobostoma Leıpy. Ein Doppeltier A und ein normales Tier B in plastogamer Verbindung. 71 Lobopodien, 2 und / die beiden Oeffnungen der monströsen Doppelschale, $ Nahrungskörper, / siehe 2, 5 die Oeffnung der einfachen Schale, 6 Kern, ? perinukleäres Plasma mit Chromidialsubstanz. Nach RHUMBLER 1898. Encystierung zu enden scheinen. SAwrczEwsKı (1908), der einen im wesentlichen durchaus ähnlichen Vorgang auch bei Arcella vulgaris beobachtete (bemerkenswerterweise ebenfalls im Herbst, seltener auch E. II. A. 2. Pädogamie. 399 im Frühjahr), bezeichnete deshalb die anscheinende, so eigenartig ver- laufende Kopulation im Gegensatz zur Karyogamie als „Ohromidiogamie“, und Sawrczewskıs durchaus hypothetischer und unbewiesener Gedanke, daß die Verteilung der Kernsubstanz im Plasma der Protozoenzelle in Form zerstreuter Chromidien ursprünglicher sei als der morphologisch einheitliche Kern, liegt wohl auch Mıncams erwähnter Annahme von dem primitiven Charakter der Chromidiogamie zugrunde. Später gelang es jedoch Zuezzer (1909), bei Difflugia die wirk- liche Kopulation in Form einer Merogamie zu entdecken (vgl. hierzu unten S. 407), und hierdurch wurde natürlich der Deutung der vorstehend geschilderten Vorgänge als Kopulation der Boden entzogen, denn daß bei einer einzelnen Art mehrere ganz verschiedenartige Befruchtungsvorgänge nebeneinander vorkommen, ist ohne jede Analogie und ohne jede Wahrscheinlichkeit)), sobald wir hierbei von den wenigen Fällen absehen, in denen nach Art des gleichzeitigen Vorkommens von geschlechtlicher Fortpflanzung und Parthenogenese bei Metazoen für einzelne Protozoen neben einer amphi- miktischen Befruchtung noch Autogamie angegeben wird (vgl. hierzu die unten folgende Besprechung der letzteren). Im weiteren Verlauf ihrer Untersuchungen ist denn auch ZuELzer (nach persönlicher Mitteilung) zu der Ueberzeugung gelangt, daß die als Chromidiogamie bezeichneten herbstlichen Verschmelzungen vor der Encystierung sicher nur vege- tativ-plastogamische und keinerlei kopulative Be- deutung haben. Dies steht auch durchaus in Einklang mit Er- fahrungen an anderen Thecamöben. So hat z. B. ScHaupınn (1903) bei Centropyxis aculeata und COhlamydophrys stercorea häufig 2 oder mehr Individuen in plastogamer Verbindung gefunden, am häufigsten in älteren Kulturen, in denen zahlreiche Individuen auf engem Raume bei reichlicher Nahrung zusammenleben. Die Teilung solcher plastogamisch verbundener Tiere führt dann zu einer Fülle verschiedenartiger Mon- strositäten und Doppelbildungen. So hat ScHaupinn z. B. die Bildung 8—12-kerniger Riesenindividuen von Chlamydophrys beobachtet, bei denen dann alle Kerne zu einem Riesenkern zusammenflossen (vgl. auch Fig. 382). Alle diese Vorgänge sind aber nach ScHAaupınns Auffassung nur pathologischer Natur. 2. Pädogamie. Als Pädogamie wurde von LüHE (1902) die Kopulation von Polytoma bezeichnet, weil bei dieser die Kopulanten jugend- lichen vegetativen Individuen gleichen und auch, anstatt zu kopu- lieren, heranwachsen und sich durch Teilung vermehren können. Dieser Befruchtungsmodus ist deswegen von einem besonderen Inter- esse, weil er als phylogenetische Uebergangsstufe von der Hologamie zur Merogamie aufgefaßt werden kann. 1) Die neuere Protozoenforschung hat uns ja freilich so manche Ueberraschung ge- bracht, so daß wir auch auf Verwirklichung von Unwahrscheinlichkeiten rechnen müssen. Trotzdem aber scheint mir bis zum Beweise des Gegenteils die Zugehörigkeit zweier ver- schiedener Befruchtungstypen zum Zeugungskreise einer Art mit der einen oben ge- nannten möglichen Ausnahme ausgeschlossen werden zu können. 400 Protozoa, Max Lüse, Die Vermehrung von Polytoma erfolgt ähnlich wie bei Chlamydo- monas (Fig. 19, S. 17) durch mehrfach wiederholte Teilungen inner- halb der Cellulosemembran des Muttertieres. „Auf dem Höhepunkt der Entwickelung entstehen durch fortgesetzte Teilungen innerhalb der Mutterhülle 8 Sprößlinge; später, sobald die Teilungsenergie im Sinken begriffen ist, bilden sich auch nur 4, ja 2 Tochterindividuen aus“ (ProwAzek 1901). An eine solche Fortpflanzung schließt sich dann die Befruchtung an, die aber offenbar erst nach einer Reihe ungeschlecht- licher Generationen bei sinkender Teilungsenergie eintritt. Nach Kras- sıLstscHik (1882), DangEArp (1901) (der jedoch ausdrücklich hervorhebt, daß er einen sicheren Unterschied zwischen den vegetative Sprößlinge liefernden „Sporangien“ und den Kopulanten liefernden „Gametangien“ nicht auffinden konnte) und ProwAzek (1903) entstammen nämlich die zur Kopulation schreitenden Individuen nicht aus einer Acht-, sondern höchstens aus einer Vierteilung; FrAnc# (1894) freilich will auch Kopu- lation solcher Polytomen beobachtet haben, die aus Achtteilungen hervor- gegangen seien, betont aber ebenfalls „eine gewisse Reihe“ voran- gegangener Teilungen. In jedem Falle aber ist das Schicksal der aus einer solchen Teilung hervorgegangenen jungen Formen ein verschiedenes: sie können gleich nach dem Verlassen der Mutterhülle zur Kopulation schreiten, und zwar ist dies, falls überhaupt eine Kopulation stattfindet, nach ProwAzer (1903) die Regel; oder sie können auch noch später kopulieren, nachdem sie etwas herangewachsen sind (KRASSILSTSCHIK, Franck, ProwaAzer); nach Krassınstschik können auch eine junge, kleine Polytoma und eine ältere, bereits etwas herangewachsene mit- einander kopulieren, ohne daß jedoch dieser gelegentlichen und fakulta- tiven Anisogamie irgendeine) besondere geschlechtliche Differenzierung zugrunde läge (in der Regel scheinen die beiden miteinander kopu- lierenden Individuen einander gleich zu sein); endlich aber kann auch die Kopulation unterbleiben, und es können statt dessen die Sprößlinge völlig heranwachsen und wiederum zur Teilung schreiten (KRASSILSTSCHIK 1882, vgl. auch Prowazsex 1901). Das wesentlich Charakteristische bei diesem Kopulationsvorgang scheint hiernach — abgesehen von dem Zeitpunkt seines Eintretens, auf den ich später in anderem Zusammen- hange noch einmal zurückzukommen habe — darin zu liegen, daß die Kopulanten sich nicht merklich von vegetativen Formen unterscheiden (was auch speziell DangGEeArRD ganz besonders betont), aber ausge- sprochen jugendlichen Charakter haben. Eben deshalb hat Lüns für diese Form der Befruchtung seinerzeit den Begriff Pädogamie geprägt, der später von Harrmann (1909) freilich eine völlige Umdeutung er- fahren hat, indem dieser eine Kopulation von Abkömmlingen ein und desselben Mutterindividuums (Endogamie bei Caukıns, MıncHin und LüHr) als Pädogamie bezeichnete. Dabei findet gerade bei Polytoma, für die Lüur den Begriff der Pädogamie schuf und von der auch HARTMANN bei seiner Besprechung der Pädogamie ausgeht, eine Endogamie (d. h. also eine Pädogamie sensu HArrmann nec LÜHE) gar nicht einmal statt. - Wenigstens ist bei keinem der vorstehend zitierten Untersucher der Art, die auch Harrmann als seine Gewährsmänner zitiert, eine diesbezügliche Angabe zu finden, und KrassıLstschiks, von DAnGEARD ausdrücklich be- stätigte Angabe der Kopulation verschieden großer Individuen spricht direkt gegen die Annahme einer Endogamie, zumal bei Polytoma eine inäquale Teilung noch nie beobachtet ist. E. II. A. 3. Merogamie (Mikrogamie). 401 3. Merogamie (Mikrogamie). Sehr viel häufiger als die Hologamie und die nur vereinzelt vor- kommende Pädogamie ist anscheinend bei Protozoen eine Form der Befruchtung, bei der spezifische, nur zum Zwecke der Befruchtung gebildete Individuen, die sogenannten Gameten, die wir auch beim Fehlen von Geschlechtsunterschieden als Geschlechtsindividuen be- trachten können, miteinander kopulieren. Meist entstehen diese Gameten dann auch durch einen besonderen, von der gewöhnlichen vegetativen Vermehrung abweichenden Vermehrungsprozeß, den wir mit HARTMANN (1904) als Gamogonie bezeichnen, während jeg- liche, nicht zur Bildung von Gameten führende Fortpflanzung im Gegensatz hierzu als Agamogonie bezeichnet werden kann. Das die Gameten bildende Mutterindividuum nennen wir nach Analogie der Spermatocyten und Ovocyten Gametocyt. HARTMANN spricht statt dessen von Gamont und stellt diesem das bei seiner Vermehrung keine Gameten liefernde Individuum als Aga- mont gegenüber. Entsprechend bezeichnet er die nicht zur Kopulation bestimmten, direkt heranwachsenden Sprößlinge des letzteren im Gegen- satz zu den Gameten als Agameten. In fast allen bisher genügend bekannten Fällen von Gamogonie handelt es sich um eine multiple Teilung des Gametocyten. Ent- stehen, wie dies in der Regel der Fall ist, beide miteinander kopu- lierende Gameten durch eine solche multiple Teilung, so bezeichnen wir diese Form der Befruchtung als Merogamie oder Mikro- gamie, und wie bei der Hologamie können wir dann weiter, je nachdem ob die Gameten Geschlechtsunterschiede vermissen oder erkennen lassen, eine Isomerogamie und eine Anisomero- gamie (bzw. Iso- und Anisomikrogamie) unterscheiden. Dem- gemäß sprechen wir auch von Isogameten und Aniso- gameten. Von Flagellaten, bei denen Hologamie die typische Befruchtungs- form darzustellen scheint, liegen sichere und ausreichende Beobachtungen einer Merogamie kaum vor; Gorpschmior (1907) hat zwar für Rhizo- mastiginen eine Anisomerogamie geschildert, indessen ist hier eine Verwechslung der anscheinenden Gameten mit Parasiten der betreffen- den Rhizomastiginenarten doch wohl noch nicht völlig ausgeschlossen (vgl. hierzu auch S. 71, 363 und 409); andererseits werden HARTMANNS (1910) Angaben über Anisomerogamie bei Trichonymphiden von GrAsSI (1911) angezweifelt, der annimmt, daß HarrmAnn irrtümlicherweise ver- schiedene Arten als Entwickelungsstadien ein und derselben Art zu- sammengeworfen habe. In weitester Verbreitung findet sich dagegen Merogamie bei den Sarcodinen; sie ist nicht nur von Amöben (vgl. S. 70£.), Thecamöben (Difflugia, Centropyxis, Chlamydophrys, Euglypha, Trichosphaerium) und Heliozoen (Actinosphaerium) bekannt, sondern auch bei Foraminiferen und Radiolarien offenbar ganz allgemein verbreitet. Ebenso allgemein ver- breitet ist sie bei den Gregarinen und endlich findet sie sich auch bei Neosporidien. Arnold Lang, Handb. d. Morphologie. I. 26 402 Protozoa. Max Lünk, Als Regel gilt, daß nur Abkömmlinge verschiedener Gameto- cyten miteinander kopulieren, und bei den Gregarinen wird eine solche amphimiktische Befruchtung dadurch sichergestellt, daß sich bereits die beiden Gametocyten gemeinsam encystieren. Sehr viel seltener ist merogame Kopulation zwischen Abkömmlingen ein und desselben Gametocyten (Inzucht, Endogamie, bei Actinosphaerium und viel- leicht auch bei Actinomyxidien). Im einfachsten Falle erscheinen die beiden miteinander kopu- lierenden Gameten wie auch die sie bildenden Gametocyten, soweit unsere Hilfsmittel eine diesbezügliche Feststellung gestatten. ein- ander völlig gleich, z. B. bei Amoeba minuta (vgl. S. 70), Difflugia, Chlamydophrys, Euglypha, Trichosphaerium, Foraminiferen, Gregarina. Geschlechtsunterschiede können sich dann in den verschiedenen systematischen Gruppen (z. B. bei Amöben und Gre- garinen) unabhängig voneinander ausbilden. Vielfach sind sie ganz oder doch im wesentlichen auf Größenunterschiede der Ga- meten beschränkt, z. B. bei Amoeba blattae (vgl. S. 71), Centropyxis, Radiolarien, Monocystis, Actinomyxidium. In anderen Fällen greifen sie dagegen auch auf die Organisation der Gameten über, indem von diesen der eine (männliche) eine größere Beweglichkeit gewinnt als der andere (weibliche), z. B. bei Stylorhynchiden (Fig. 408 bis 410) und Dactylophoriden (Fig. 411—412). Schließlich kann der Geschlechtsdimorphismus auch noch auf die Gametocyten über- greifen, indem diese sich bei ihrer Fortpflanzung verschieden ver- halten; außer bei den eben genannten Gregarinenfamilien ist dies z. B. auch bereits, wenngleich in geringerem Grade, bei Lankesteria (Fig. 397), Urospora (Fig. 399) und anderen Monocystideen der Fall. In Rücksicht darauf, daß, wie bereits erwähnt, die Ausbildung der Geschlechtsunterschiede in verschiedenen Protozoengruppen unabhängig voneinander erfolgt ist, während andererseits die merogamen Befruchtungs- vorgänge der verschiedenen Klassen der Protozoen bemerkenswerte Unter- schiede aufweisen, empfiehlt es sich, im folgenden nicht Iso- und Aniso- merogamie getrennt zu betrachten, sondern der speziellen Besprechung ausgewählter Beispiele eine systematische Anordnung zugrunde zu legen. 1. Sarcodina.. a) Amoebozoa. Hinsichtlich der Amöben kann hier auf die monographische Darstellung auf S. 69—71 verwiesen werden. Es sei nur noch einmal hervorgehoben, daß die Gameten unbegeißelt und auch selbst amöbenförmig sind, teils Isogameten (A. minuta), teils infolge eines konstanten, wenngleich geringen Größenunterschiedes sexuell dimorph (A. blattae). Amöboide Gameten, die geringe Größenunterschiede aufweisen und deshalb als „Makroamöben“ und „Mikroamöben“ unterschieden werden und deren Kerne als Sekundärkerne aus dem Chromidium hervor- gehen, wollen Awerınzkw (1906) und Errarızwsky (1907) auch bei Arcella gefunden haben. Die Zahl der von einem Muttertier ge- bildeten „Makroamöben“ soll nach Errarızwsky bei A. vulgaris ziem- lich konstant sein und meist 8—9 betragen. Dagegen soll die (von der Zahl der gebildeten Sekundärkerne abhängige) Zahl der „Mikro- amöben“ großen Schwankungen unterliegen: sie kann bis 39 und viel- leicht noch mehr betragen und dann wird das ganze Plasma der Arcella verbraucht, so daß nur deren (Primär-)Kerne übrig bleiben und ausge- stoßen werden, worauf die Mikroamöben die ganze Schale erfüllen. In E. II. A. 3. Merogamie (Mikrogamie). 403 anderen Fällen ist jene Zahl wesentlich geringer, und es bleibt dann von der Arcella auch noch ein mehr oder weniger großer Plasmarest um die (Primär-)Kerne erhalten. Nach dem Ausschlüpfen aus der Arcella- schale nehmen sowohl die „Makro-“ wie die „Mikroamöben“ ein helio- zoenartiges Aussehen an. Sollten es etwa anstatt Gameten der Arcella Nuclearia-ähnliche Parasiten derselben sein? (Der gleiche Verdacht drängt sich übrigens auch bei der von Errarımwsky (1907) und Sawkr- czEwsKkı (1908) geschilderten vegetativen multiplen Vermehrung der Arcella durch „Pseudo- podiosporen“ auf, vgl. S. 363.) Jedenfalls be- dürfen diese Entwicke- lungsvorgänge noch ge- nauerer Nachprüfung. Die Form kleiner (hier freilich schalen- bildender) Amöben haben die (Gameten (und zwar Anisogame- ten) auch bei Centro- pyxis aculeata, deren von SCHAUDINN - (1903) geschilderte Be- _ fruchtung interessant genug ist, um hier näher betrachtet zu werden. Nachdem die Tiere nach vielfach wie- derholten Knospungs- teilungen (vgl.S.334ff.), während deren sie stets eine bilateral - symme- trische, beutelförmige und auf der Kriech- seite abgeflachte Schale mit exzentrischer Mün- dung bilden (Fig. 383). „ihre Maximalgröße er- Fig. 383. Centropyxis aculeata. Agglutinierendes ee. . 1 sh - . vı n eiarbten sie die Fähigkeit, sich Teen. Ohr Chromidialsubstanz, 47 Stacheln der durch Teilung fortzu- Schale, N Kern, O Mündung der Schale, Pl Plasma, pflanzen, es beginnen Ps Pseudopodien, $ Schale, SE zur Bildung der Schale jetzt andere Vorgänge, miteinander verkittete Fremdkörper. Nach DOFLEIN. die zur Bildung einer zweiten, anders gestalteten Generation führen. In diesen Riesen- tieren fängt der Kern an, Degenerationserscheinungen zu zeigen. Es treten große Vakuolen in dem sonst dichten Kernnetz auf, die Nukleolen fließen zu größeren Klumpen zusammen, die Kernmembran bläht sich an einzelnen Stellen auf, das COhromidialnetz hingegen ist viel ausgedehnter geworden. Die Chromidien, die bei jüngeren Tieren nur den hinteren Teil der Schale einnehmen (vgl. Fig. 383, 2), haben sich so vermehrt, daß sie bis in die vordersten über der Mün- dung gelegenen Plasmateile sich ausbreiten; die Pseudopodien sind 26* 404 Protozoa. Max Lüuz, meist eingezogen. In gefärbtem Zustande nimmt das gesamte Plasma, wegen der dicht darin verteilten Chromidien, eine ganz dunkle Kern- färbung an.“ Hierauf fließt das Plasma „unter lebhafter amöboider Bewegung durch die Mündung aus der Schale. Nur ein kleiner Teil des Weichkörpers (etwa 1/,) mit dem degenerierten Kern und dicht zu- sammengebackenen Ohromidialsträngen bleibt in der Schale zurück und geht zugrunde. Zuweilen wird dieser absterbende Teil auch von dem herausströmenden Plasma mitgerissen und erst außerhalb der nun ganz leeren Schale abgestoßen. Das herausgeflossene, in strömender Be- wegung befindliche Plasma kriecht wie eine Amöbe mit stumpfen Pseudo- podien langsam umher, es ist dicht mit Chromidialsträngen, Körnern und Brocken erfüllt, die ganz gleichmäßig verteilt erscheinen. Diese Plasmamasse zerfällt nun allmählich in mehr oder weniger zahlreiche kugelige Teilstücke, 20—50 habe ich gezählt. Diese kriechen als kleine Amöben auseinander und bilden sich zu beschalten Individuen einer zweiten Generation von Centropyxis aus, die ganz anders aussieht als die erste. Jede kleine Amöbe besitzt anfangs keinen differenzierten Kern, sondern nur einige Chromidien. Aus den letzteren wird dann durch Konzentration ein bläschenförmiger Kern gebildet, der ganz anderen Bau besitzt als der Kern der anderen Generation. Er hat nämlich, wie die Arcellakerne, ein großes, zentrales, aus Plastin und COhromatin gebildetes Karyosom, das von einer hellen alveolären Zone umgeben ist. In den Knotenpunkten des optisch als Netzwerk er- scheinenden Alveolensystems liegen feine färbbare Körnchen; dieselben scheinen an der Kernmembran dichter gedrängt. Die Entstehung dieser Kerne aus den Chromidialsträngen entspricht ganz den Vorgängen, die R. Herrwıg (1899) für die Bildung der Sekundärkerne bei Arcella be- schrieben und abgebildet hat, nur mit dem Unterschied, daß bei Cen- tropyxis die gesamten Chromidien bei diesem Prozeß verbraucht werden, wenigstens ist von ihnen nach der vollständigen Ausbildung des Kernes keine Spur mehr nachzuweisen. „Während dieser Kernrekonstruktion kriecht die Amöbe umher und nimmt allerlei Fremdkörper in das Plasma auf, aus denen sie dann in einer längeren Ruhepause, während deren sie sich halbkugelig abrundet, auf ihrer Oberfläche eine Schale baut, die in ihrem Bau (Kittsubstanz- struktur) ganz mit der Schale der ersten Generation übereinstimmt. Nur die Gestalt der Schale ist eine andere. Die Kriechseite wird von einer weiten, mit nur wenig eingebogenem Rand versehenen Mündung, die die Basis der Halbkugel bildet, gebildet. Die große Mündung liegt also zentral; die Schale ist radiärsymmetrisch, nicht bilateral gebaut, wie bei der ersten Generation. „Während bei manchen Bruten sich die Ausbildung der kleinen beschalten Organismen in der beschriebenen Weise abspielt, findet man andere, bei denen die durch Zerfall des Plasmas entstandenen Amöben noch eine kompliziertere Entwickelung durchmachen, bevor sie sich eine Schale bauen. Sie vermehren sich nämlich auf die Zahl von je 4 In- dividuen und sind dann entsprechend kleiner als die Sorte, welche sich direkt mit einer Schale umgibt. Nachdem sich bei dieser zweiten Sorte von Amöben der Kern aus den Chromidien gebildet hat, teilt er sich zweimal hintereinander mit Hilfe des Karyosoms durch eine primitive Mitose. Das vierkernige Plasmaklümpchen zerfällt in 4 einkernige Zellen. Erst diese kriechen auseinander und bauen sich eine ähnliche Schale wie die großen Individuen, die ich vorher geschildert habe. E. II. A..3. Merogamie (Mikrogamie). 405 „Während die großen Formen sich zu Makrogameten entwickeln, stellen die kleinen Mikrogameten dar, welche die ersteren aufsuchen, um mit ihnen zu kopulieren. Die Makrogameten verwenden die aufge- nommene Nahrung zur Anlage von feinkörnigen Reservestoffen, ihr Plasma wird dichter; sıe unterscheiden sich, abgesehen von der Größe, auch dadurch von den Mikrogameten, deren Weichkörper ganz hell und homogen bleibt. Wenn man nun eine Kultur von Makrogameten mit einer solchen von Mikrogameten in einem Tropfen der feuchten Kammer zusammenbringt, so finden in einigen Stunden fast alle Mikrogameten einen Makrogameten. Je einer legt sich mit seiner Mündung an die Mündung eines Makrogameten, die Plasmaleiber verschmelzen, die beiden Kerne auch; der gewöhnlich in den aufeinander gepreßten Mündungen steckende und in beide Schalen hineinragende einheitliche Plasmakörper rundet sich kugelig oder oval ab und scheidet, indem er sich bedeutend verkleinert, zuerst eine gallertige, dann eine feste dicke Cystenhülle ab. In diesem Zustande verharrt die Copula kürzere oder längere Zeit (mehrere Tage oder Wochen bis Monate). Dann kriecht nach Platzen der Hülle der Inhalt als kleine Amöbe heraus. Der Kern besitzt noch den ähnlichen Bau, wie nach der Kopulation, nur ist das Karyosom bedeutend kleiner geworden, während sich die achromatische Zone um dasselbe erweitert und mit mehr nukleolenartigen Körnchen erfüllt hat. Anfangs sind noch Reservestoffe im Plasma vorhanden, diese werden aber . unter Vergrößerung der Amöbe bald resorbiert. Während das Karyosom immer kleiner wird, dehnt sich der Kern mehr aus, in den Knoten- punkten des achromatischen Netzwerkes werden die gefärbten Körner größer; so verwandelt sich der Kern unter Auflösung des Karyosoms in den gewöhnlichen, dicht mit Nukleolen durchsetzten Kern des vege- tativen Stadiums. Während dieser Vorgänge treten in der Nähe des Kerns auch die färbbaren Körnchen und Stränge auf. Es war mir ‚nicht möglich, sicher zu entscheiden, ob sie vom Kern abstammen oder nur diffus im Plasma verteilt waren und nun durch Konzentration deutlicher werden. Nach einiger Zeit des Umherkriechens bildet die Amöbe aus aufgenommenen Fremdkörpern eine typische Centropyxis- schale, das Chromidialnetz wird immer deutlicher, der Kern nimmt seine charakteristische Lage ein, und das junge Tier unterscheidet sich abgesehen von seiner winzigen Größe in nichts von den gewöhnlichen vegetativen Stadien dieses Rhizopoden.“ In gewissen alten, sich selbst überlassenen Centropyxiskulturen trifft man oft nur ganz große Stadien und ganz kleine lebend an. „Während die ersteren Tiere sind, die am Ende ihres vegetativen Zustandes stehen, befinden sich die kleinen am Anfang. Jene werden bald die Geschlechtsgeneration bilden, diese sind aus einer solchen vor kurzem hervorgegangen“. Als einfachstes Beispiel für Thecamöben mit begeißelten Gameten sei Chlamydophrys stercorea auf Grund der Unter- suchungen von SchHaupınn (1903) betrachtet. „Die Entstehung der Ge- schlechtsformen weicht in mehrfacher Hinsicht von den bei Centropyxis geschilderten Vorgängen ab, dort floß das mit Chromidien durchsetzte Plasma heraus und ließ die zugrunde gehenden Teile zurück. Hier ist es umgekehrt; alle Fremdkörper und auch der degenerierte Zellkern werden ausgestoßen und im Hintergrund der Schale bleibt nur die Chromidialmasse mit wenig Plasma zurück und ballt sich zu einer Kugel zusammen. In dem ungeteilten Plasma differenzieren sich aus dem dichten Chromidium die Geschlechtskerne in geringer Zahl (meist wurden 406 Protozoa.. Max Lün, 8 beobachtet), erst dann zerfällt die Plasmakugel innerhalb der Schale in so viel Teilstücke als Kerne vorhanden sind (Fig. 384, I, 2). Diese anfänglich kugeligen Zellen nehmen kurz-ovale Gestalt an und ent- wickeln an einem Pol 2 Geißeln, mit deren Hilfe sie aus der Schale ausschwärmen (Fig. 384, 3). Diese Schwärmer, die in meinen Kulturen meist von vielen Tieren gleichzeitig gebildet wurden, stellen die Gameten Fig. 384. Chlamydophrys stercorea (CIENK.). Gamogonie und Kopulation. 1 Ende der Kernvermehrung bei der Gamogonie, 2 Zerfall in Gameten, 3 Ausschwärmen der Gameten, —7 vier aufeinander folgende Stadien der Kopulation, $ eneystierte Copula vor der Kernverschmelzung, 9 beginnende Kernverschmelzung in der Copula, 10 Copula nach beendigter Karyogamie mit dieker Cystenhülle (Hypnozygote), 1/—13 drei aufeinander folgende Stadien der Keimung der Hypnozygote, 17 die aus der Hypnozygote ausgeschlüpfte junge Chlamydophrys (vgl. auch Fig. 221 auf S. 220). Nach ScHAuDInN 1911. dar; je 2 aus verschiedenen Schalen stammende kopulieren (Fig. 384, 4—7) und bilden eine Cyste, die eine dicke Hülle besitzt (Fig. 384, 8—10). Nach kurzer Zeit wird die Hülle braun und höckerig, so daß diese kleinen Gebilde ein sehr charakteristisches Aussehen haben.“ Sehr charakte- ristisch ist auch das weitere Schicksal dieser Oysten, die sehr lange unverändert bleiben können und nur dann auskeimen (Fig. 384, 11—14), wenn sie den Darm des Menschen oder eines anderen Wirbeltieres passiert E. II. A. 3. Merogamie (Mikrogamie). 407 haben- Dies Auskeimen erfolgt dann oft erst in dem entleerten Kote (der Kot verschiedener Wirbeltiere ist der normale Wohnort der Chlamydo- phrys); es kann aber auch bereits im Darm erfolgen, doch bildet sich dann in der Regel die Schale erst nach der Entleerung aus dem Darm. Nur in alkalischem Dickdarminhalt ist eine vorübergehende Ansiedlung des Rhizopoden möglich, die dann auch zu atypischer Vermehrung führen kann (vgl. die Besprechung von Leydenia auf S. 358f.). In ähnlicher Weise erfolgt die Gamogonie nach Pororr (1912) auch bei Euglypha, die zunächst innerhalb ihrer Schale eine ebenfalls aus Kieselplättchen aufgebaute, ovoide, völlig geschlossene „innere Schale“ bildet. Innerhalb dieser erfolgt nach weiterer Kontraktion und kugeliger Abrundung des Weichkörpers eine En- cystierung durch Abscheidung einer anfangs dünnen und durchsichtigen, allmählich dicker und gelblich werden- den Membran, die vermutlich aus Pseudochitin besteht (vgl. Fig. 385). PECE DZSON: Im Innern dieser Cyste werden dann BET T s durch multiple Vermehrung sehr zahl- AR reiche, anscheinend nur eingeißlige 820090 0ER Gameten gebildet. (Auch bei den Iso- Rz gameten der ebenso wie Chlamydo- LI phrys und Euglypha zu den filosen b% Thecamöben gehörigen Gromia ovi- Ei formis Dus. [= Hyalopus dujardini ScHAup.] hat ScHaupınn [1894] nur eine Geißel beobachtet.) Die aus- geschwärmten Gameten kopulieren mit- einander als Isogameten, die Copula macht anscheinend zunächst ein nacktes Amöbenstadium durch, um aber offen- bar sehr bald die typische Euglyphen- ee IR schale zu bilden; jedenfalls wurden ve) in entsprechenden Kulturen kleine AN typisch ausgebildete Euglyphen von AN nur 40—50 u Länge und 20—30 u 5 Durchmesser gefunden. Fig. 385. Euglypha alveolata. Auch bei der lobosen Thecamöbe 70—82 u. lang, 40—50 y breit; innere Difflugia erfolgt nach Zueuzer Schale 60-66 jr lang, ee p breit. (1909) die Gamogonie innerhalb von u ai Cysten, die ähnlich wie bei Euglypha im Innern der Mutterschale gebildet werden (vgl. S. 162 u. 164). Auch ‚hier handelt es sich nach persönlicher Mitteilung der Verfasserin, deren ausführliche Veröffentlichung noch bevorsteht, um begeißelte (und zwar wie bei Chlamydophrys um zweigeißlige) Isogameten. Eine Komplikation gegenüber dem einfacheren Gamogonieverlaufe bei Euglypha zeigt sich aber darin, daß innerhalb der vom ganzen Weichkörper der Difflugia gebildeten Cyste (Fig. 157, A, S. 162) zunächst noch zahlreiche kleine, ebenfalls kugelige Tochtercysten gebildet werden (vgl. ZueLzer 1904) und daß dann erst innerhalb dieser Tochtercysten die Gameten gebildet werden. Da der Encystierung der Difflugien eine plasmatische Ver- schmelzung zweier Individuen vorausgehen kann, konnte noch an die Möglichkeit gedacht werden, daß es sich vielleicht hierbei um eine ähn- 408 . Protozoa. Max Lünr, liche Sicherung der Amphimixis handele, wie sie bei Gregarinen ‘durch die gemeinsame Encystierung zweier Gametocyten gegeben wird, der ja in einzelnen Fällen (Diplocystis, Diplodina) auch eine Plasmaverschmelzung ohne Beeinflussung der Kerne vorausgeht. ZurLzers Beobachtung, daß Fig. 386. Zeugungskreis von Cryptodifflugia spec. (Thecamöbe des süßen Wassers). 1 Beschaltes Tier, 2 Knospungsteilung (vgl. S. 334 ff.), 3 bei dieser entstandenes beschaltes * Tochtertier (die Teilung kann sich mehrfach wiederholen), 4 ein nackt gewordenes Tochtertier (Gametocyt) wandert in eine Amoeba proteus ein, 5—10 im Innern der Amöbe erfolgende multiple Vermehrung (Gametenbildung): 5—6 Chromidienbildung, 7 Teilungsspindeln der neugebildeten Kerne, $ vielkerniges Stadium, 9 Plasmotomie des Gametoeyten (vgl. S. 378), 10 Zerfall des Gametocyten in die Gameten, 1/1 aus der Wirts- amöbe ausgetretene Gameten, 72—13 isogame Kopulation, 1/ flagellatenförmige Copula, 15 metagame Zweiteilung der Flagellatenform, 16 hierbei entstandenes Tochtertier, 17 dieses ist amöbenförmig geworden und wird nun wieder eine Schale abscheiden (vgl. 27). 4A Amoeba proteus, in der die Gametocyten schmarotzen, AK Kern dieser Wirtsamöbe, h Chromidialnetz in der Umgebung des Kernes der Cryptodifflugia, M Muttertier (bei der Knospungsteilung), N Kern der Cryptodifflugia, $ Schale derselben, 7 Tochtertier (bei der Knospungsteilung). Nach PRANDTL aus DOFLEIN 1911. E. II. A. 3. Merogamie (Mikrogamie). 409 aus verschiedenen Cysten stammende Isogameten miteinander kopu- lieren, schließt aber einen solchen Vergleich aus (vgl. im übrigen über die fragliche plasmatische Verschmelzung der Difflugien S. 396 ff.). Sehr eigenartig ist nach PranptL (1907) die geschlechtliche Ent- wickelung eines von ihm selbst anfangs zu Allogromia, von DorLEın (1911) dagegen zu Cryptodifflugia gestellten Sarcodinen. Die un- geschlechtlichen Generationen dieser Art leben frei und bilden eine starre und sehr kräftige, aber völlig strukturlose und durchsichtige Schale (Fig. 386, 7). Zur Zeit einer „geschlechtlichen Epidemie“ verlassen da- gegen die Tiere ihre Schale und suchen ein anderes Protozoon auf, inner- halb dessen die Gametenbildung erfolgt (Fig. 386, 4—10). Besonders häufig wird Amoeba proteus von dieser parasitischen Cryptodifflugien- generation heimgesucht. Ausnahmsweise scheint aber die Gameten- bildung auch im freilebenden Zustande erfolgen zu können. Die von einem einzelnen Muttertier gebildeten Gameten sind, recht zahlreich und sehr klein. Nach ihrem Freiwerden (Fig. 386, 11) blieben sie „etwa eine Viertelstunde ruhig liegen, dann setzten leise zitternde Bewegungen ein, die schnell stärker wurden. Schon wenige Minuten später konnte ich in dem Geflimmer öfters je 2 Gameten miteinander verkleben und verschmelzen sehen“ (PranptL). Nach diesen Bewegungen müssen die Gameten offenbar begeißelt sein, obwohl hierüber — jedenfalls infolge der Kleinheit des Objektes — nichts direkt angegeben wird. Sehr auf- fällig ist dann aber die (bisher ohne Analogie bei anderen Sarcodinen dastehende) Angabe, daß die sich streckende Copula die Form eines heteromastigoden Flagellaten annimmt, mit einer zarten Haupt- und einer starken Schleppgeißel (Fig. 386, 14). Diese Flagellatenform soll sich sogar noch durch Zweiteilung vermehren (Fig. 386, 15), bevor sie unter Verlust der Geißeln amöbenförmig wird (17), um dann zu- nächst noch etwas heranzuwachsen und hierauf die Pseudodifflugien- schale zu bilden. b) Trichosphaerium. Eingehend sind von ScHAupınn (1899) die Befruchtungsvorgänge von Trichosphaerium sieboldi Scan. studiert worden. Die (von ScHAuDInn seinerzeit als Sporogonie bezeichnete) Gamogonie dieser Art (Fig. 387 u. 388) findet im Gegensatz zu einer anderen keine Gameten liefernden (ungeschlechtlichen) und von ScHAuDInN Schizogonie genannten multiplen Fortpflanzung nicht nur nachts, sondern in beliebiger Tages- oder Nachtzeit statt. Die ersten Anzeichen ihres Bevorstehens äußern sich in der Einziehung der Pseudopodien und in einer Reinigung des Plasmas von allen Fremdkörpern. Gleichzeitig wird der Weichkörper allmählich immer gröber vakuolisiert, und es treten in ihm kleine, stark lichtbrechende Körnchen in großer Menge auf. Die Kerne vermehren sich (immer mitotisch und simultan) überaus lebhaft, werden dabei immer kleiner und erfüllen schließlich den Weichkörper in ungemein großer Zahl; hierbei gruppieren sie sich in einschichtiger Lage um die einzelnen Vakuolen herum, „ein außerordentlich merk- würdiges Bild für ein Protozoon, es erinnert lebhaft an manche Metazoen- gewebe“ (Fig. 388, 7). Der ganze Weichkörper zerfällt hierauf in zahl- reiche größere blastulaähnliche Hohlkugeln, die je eine Vakuole um- schließen und in ihrer Wandung die genannte einschichtige Kernlage enthalten (Fig. 388, 2). Durch ihren weiteren Zerfall entstehen dann die zweigeißligen Gameten, deren lange Geißeln innerhalb der Hohlkugeln gebildet werden und durch ihre lebhaften Bewegungen die einzelnen Gameten auseinandertreiben. Max Lüns, Protozoa. 410 Fig. 387. (Erklärung siehe folgende Seite oben.) in An re E. II. A. 3. Merogamie (Mikrogamie). 411 Fig. 387. Trichosphaerium sieboldi ScHhn. Schematische Darstellung des Zeugungskreises. I Ausgebildete vegetative Form, IA und IB Plasmotomie derselben, und zwar IA in Form einer Zweiteilung, /B multiple Zerfallteilung, /7 Vielteilung, III Auswanderung der Sprößlinge aus der Hülle, ZV junger Gametocyt, V Kernver- mehrung im Gametocyten, V/ ausgewachsener Gametocyt, VIA und V/B Plasmotomie desselben, und zwar V/A in Form einer Zweiteilung, VZB multiple Zerfallteilung, VII starke Kernvermehrung zur Gamogonie, VIII Ausschwärmen der Gameten, [X— XII Kopulation, X/IT Bildung der Stäbchenhülle und erste Kernteilung der Copula, XIV durch Wachstum der Copula entstandene junge vegetative Form. Nach SCHAUDINN 1899, Die ausgebildeten Gameten (Fig. 388, 3) sind kugelig oder oval und ziemlich groß (bis 8 u Durchmesser). Ihr ziemlich stark licht- brechendes Plasma enthält außer dem Kern eine Anzahl glänzender Körnchen und stets eine größere, nicht pulsierende Vakuole. Die beiden gleich langen Geißeln befinden sich an dem bei der Bewegung nach hinten gerichteten Ende, das häufig in eine kleine Spitze ausgezogen ist. Mit ihrer Hilfe führen die Gameten lebhafte drehende und kugelnde, ziemlich ungeschickte Bewegungen aus und schwärmen sie schließlich nach Durchbruch der Gallerthülle aus. Fig. 388. Trichosphaerium sieboldi Schn. Gamogonie. / Schnitt durch einen Gametocyten, kurz vor dem Zerfall in Gameten. 2 Schnitt durch einen Gametocyten, der im Begriff ist, in die Gameten zu zerfallen. 3 Ein einzelner Gamet, wesentlich stärker vergrößert. / Ein Kopulationsstadium (die Geißeln der beiden verschmolzenen Gameten schon fast ganz rückgebildet). Nach SCHAUDINN 1899. Alle Gameten, die nieht zur Kopulation gelangen, gehen bald zu- grunde, und dies ist die Mehrzahl, da niemals die von demselben Mutter- individuum gebildeten Gameten miteinander kopulieren und man zwei gleichzeitig sich vermehrende Gametocyten nur selten dicht nebeneinander findet. Bei der Kopulation (Fig. 388, 4) verschmelzen die Gameten zuerst mit ihren Vorderenden, d. h. also im Gegensatz zu Chlamydophrys mit ihren geißellosen Enden, die bei der Annäherung der Gameten aneinander 412 Protozoa. Max Lüne, häufig in Spitzen ausgezogen sind. Häufig scheinen die Gameten „vor dem Verschmelzen gewissermaßen miteinander zu spielen; sie nähern sich, stoßen aneinander, stoßen sich wieder ab, drehen sich mehrmals umeinander, um dann erst zusammenzukleben. In anderen Fällen konnte ich allerdings auch beobachten, daß zwei Sporen von entgegengesetzten Seiten mit beschleunigter Geschwindigkeit direkt aufeinander zu kugelten und sofort verklebt waren. Nachdem die vereinigten Sporen kurze Zeit ungeschickt umhergerollt sind, werden die schlängelnden Bewegungen ihrer Geißeln langsamer, bis dieselben plötzlich abgebrochen werden; fast gleichzeitig lösen sich alle 4 Geißeln von der Copula, führen noch einige Bewegungen aus und zerfallen dann in eine Körnchenreihe In der Copula sind Kerne auch im Leben recht gut zu erkennen. Die- selben nähern sich beim weiteren Fortschreiten der Verschmelzung, legen sich schließlich aneinander und verschmelzen vollständig.“ Irgendwelche Kernveränderungen, welche eine Andeutung für Reduktionsvorgänge bieten könnten, hat Schaupın trotz sorgfältiger Untersuchung niemals entdecken können. Die Copula wächst alsbald unter Kernvermehrung heran. Die Kopulation erfolgt sehr langsam; der ganze Prozeß vom Beginn der Ver- schmelzung der beiden Gameten bis zur vollendeten Karyogamie dauert ungefähr 6 Stunden. Nach weiteren 12 Stunden beginnt bereits die Aus- bildung der charakteristischen Hülle von Trichosphaerium, die anfangs durchsichtig gallertig ist, aber schnell trüber wird infolge der Ab- scheidung von Magnesiumkarbonat (vgl. S. 183). c) Foraminifera. An diese Besprechung von Trichosphaerium können wir die der Foraminiferen anschließen, mit denen Tricho- sphaerium überhaupt in seiner Fortpflanzung und seinem Generations- wechsel sehr große Aehnlichkeit hat. Allerdings sind Gamogonie und Gameten bisher nur bei wenigen Foraminiferen direkt beobachtet, vor allem bei Polystomella und Peneroplis. Bei ersterer besitzen die Gameten wie bei Trichosphaerium 2 Geißeln, bei letzterer dagegen nur eine. Bei den durch eine verhältnismäßig große Embryonalkammer aus- gezeichneten („makrosphärischen“) Gametocyten von Polystomella crispa ist nach Scnuaupınn (1903) am Ende des Wachstums das ganze Plasma dicht mit Chromidien erfüllt, d.h. mit unregelmäßigen Körnchen und Strängen chromatischer Kernsubstanz, während der „Prinzipalkern“ (der anscheinende Stoffwechselkern, dem Großkern der Infusorien ver- gleichbar) ganz degeneriert und zerfällt. Aus den Chromidien bilden sich schließlich unzählige kleine bläschenförmige Kerne, die das ganze Plasma der Foraminifere dicht erfüllen. Jeder dieser Kerne umgiebt sich mit einer kleinen Zone dichten Plasmas und teilt sich dann sehr schnell zweimal auf mitotische Weise, so daß also die aus dem Chromidium gebildeten Sekundärkerne auf je 4 vermehrt werden. Die so entstandenen Kerne sind die Gametenkerne; jenen Kernteilungen folgt alsbald eine der Kernzahl entsprechende multiple Teilung des Plasmas. Die zwei- geißligen Gameten zeigen eine ähnliche wackelnde Bewegung wie bei Gromia und Trichosphaerium. Die Kopulation erfolgt auch hier wieder nur zwischen Gameten, die von verschiedenen Mutterindividuen abstammen, und entspricht auch im übrigen derjenigen von Trichosphaerium (Abwurf der Geißeln; langsamer, 5—6 Stunden in Anspruch nehmender Verlauf). Ihr folgt bald eine direkte Teilung des Kernes der Copula und der Be- ginn des Wachstums der jungen, allmählich vielkernig werdenden „mikro- sphärischen“ Foraminifere unter Ausbildung der Schale, deren Embryonal- kammer entsprechend der Kleinheit der Gameten natürlich nur sehr klein ist. E. II. A. 3. Merogamie (Mikrogamie). 413 Der makrosphärische Gametocyt von Peneroplis pertusus (vgl. Fig. 359) ist nach Winter (1907) reif zur Gamogonie, wenn er 23 bis 27 Kammern gebildet hat. Seine Kernverhältnisse entsprechen denen von Polystomella; nur sind’ die aus dem Chromidium entstehenden, sich zunächst noch (wahrscheinlich zweimal) mitotisch teilenden Kerne nicht im ganzen Plasma verteilt, sondern vielmehr auf die letzten Kammern (von der 14.—15. ab) beschränkt (dasselbe gilt übrigens auch für Miliola und Vertebralina). Die Gametenbildung erfolgt nur in oder vor der letzten Kammer. Ihr geht eine energische Defäkation voraus, der zu- nächst noch eine gewissermaßen regenerative, längere Ruhepause folgt. Das dann folgende Austreten der Gameten wird durch heftige Plasma- strömung eingeleitet. Das Plasma von Exemplaren, die auf diesem Stadium durch Zerquetschung der Schale genauerer Untersuchung zu- gängig gemacht sind, „schleudert mit großer Gewalt peitschenartig hin und her schlagende Pseudopodien aus, aus denen sich bläschenförmige Kerne, mit Plasma umgeben, abschütteln, wobei sich zugleich die Geißel unter vibrierender Bewegung aus dem den Kern umgebenden Plasma heraushebt.“ Dieser Vorgang der Gametenentsendung dauert ca. 10 Stunden, man findet aber gelegentlich noch 3 Tage nach dem Beginn der Gamo- gonie Gameten an den Mündungsporen des Peneroplis herumwackeln. Die nur etwa 1 « im Durchmesser haltenden Gameten (Isogameten) be- sitzen im Gegensatz zu denen von Polystomella nur eine Geißel, die ca. 2 u lang ist und stumpf, wie abgeschnitten, endigt. (Auch bei Miliola sind nach Winter die Gameten eingeißlig.) Ihre Bewegung ist eine schlagende, wobei die Geißel S-förmige Krümmungen macht, was jedoch so schnell geschieht, daß eine tanzende, wackelnde Vorwärts- bewegung sich ergibt. Vor der Kopulation, die auch hier wieder nur zwischen Gameten verschiedener Abstammung erfolgt, „umgaukeln sich die Schwärmer eine Zeitlang, 15—20 Minuten, ziehen sich an und stoßen sich wieder ab, dabei sind sie in so vibrierender Bewegung, daß man sie kaum sieht, dann plötzlich fahren sie gegeneinander, bleiben haften, noch eine Zeit sind sie in zitternder Bewegung, dann hört dieselbe auf, wobei zugleich die starke Lichtbrechung des Kernes mir an Intensität nachzulassen schien.“ Wie bei Trichosphaerium und Polystomella geht die an den geißellosen Enden beginnende Verschmelzung beider Gameten sehr langsam vor sich. Der bei der Gametenbildung nicht aufgebrauchte Rest des mütterlichen Plasmakörpers stirbt bald ab und zerfällt. d) Radiolaria. Die Befruchtungsvorgänge bei den Radiolarien sind erst sehr unvollkommen bekannt, und die Befruchtung selbst, die offenbar stets eine Merogonie ist, ist noch nie beobachtet. Nur Ver- mehrungsvorgänge sind bekannt, die als Gamogonie aufgefaßt werden müssen und die — die Richtigkeit dieser Auffassung vorausgesetzt — zur Entstehung sexuell dimorpher begeißelter Gameten führen, und auch solche kennt man nur von wenigen Formen: koloniebildenden Polyeyttarien (Branpt 1885, Hartmann und Hammer 1909; vgl. Fig. 108, D und Z auf S. 89), Thalassicolla (Branpr 1890, 1905, Mororr 1910, Hurz 1913), einzelnen Tripylarien (Aulacantha scolymantha, vgl. S. 87 ff., und Aulo- cleptes ramosus nach SCHRÖDER 1913). Bemerkenswert und von anderen Protozoen mit Anisomerogamie ab- weichend ist, daß vielfach beide Gametenformen vom gleichen Mutterindividuum gebildet werden, der Gametocyt demnach als zwittrig aufgefaßt werden muß. Dies ist vor allem bei Collozoen (Fig. 389) und Sphärozoen der Fall, und zwar wurde hierbei speziell für Collozoum 414 Protozoa.. Max Lünr, inerme von Branpr und HARTMANN festgestellt, daß die Mikrogameten erst wesentlich später völlig reif werden als die Makrogameten!), so daß durch diese protogyne Entwickelung offenbar eine endogame Be- fruchtung verhindert oder doch zum mindesten erschwert wird. Bei -Aulacantha werden dagegen Makro- und Mikrogameten, deren Entwicke- lung freilich noch nicht bis zum Ende verfolgt werden konnte, von ver- schiedenen Individuen gebildet (vgl. S. 87 ff.), und das gleiche scheint Fig. 389. Collozoum inerme MürLL. A, B, C, D 4 Quadranten von Zentral- kapseln in verschiedenen Stadien der Anisogametenbildung. Schematisch. 7 Kerne, und zwar /a unregelmäßige homogene somatische Kerne der schaumigen Zwischensubstanz (in den späteren Stadien nicht mehr nachweisbar), 7b Kerne kugeliger, speziell differen- zierter Protoplasmaklumpen, aus denen die Gameten hervorgehen, /c größere Kerne der späteren Makrogameten, /d kleinere Kerne der späteren Mikrogameten, 2 Zwischensubstanz von stark schaumigem Protoplasma, in das die gametenbildenden kugeligen Protoplasma- klumpen eingelagert sind, 3 Fettträubehen im Zentrum jedes dieser kugeligen Proto- plasmaklumpen, 4 zentrale Oelkugel der Zentralkapsel, die im Laufe der Gamogonie völlig aufgebraucht wird, 5 körnig zerfallene Fettträubchen. Nach BRANDT 1885. auch bei Collosphaera und Thalassicolla die Regel zu sein, wenngleich von Branpr (1905) 2 Thalassicollen gefunden wurden, die beim Auf- platzen der Zentralkapsel beide Gametenformen in einem Mutterindividuum 1) Nach HARTMANN und HAMMER sind die Kernteilungen in den Makrogameten- anlagen meist schon völlig abgelaufen, während die Kerne der künftigen Mikrogameten- anlagen noch das Aussehen vegetativer Kerne aufweisen. E. II. A. 3. Merogamie (Mikrogamie). 415 vereint aufwiesen (Näheres über diese ganzen Entwickelungsvorgänge, vor allem cytologische Einzelheiten, siehe namentlich bei Huru 1913). Auf Grund einzelner Beobachtungen an Aulocleptes vermutet ScHRÖDER, daß Tripylarien mit 2 Zentralkapseln vor Beginn der zur Gametenbildung führenden Vielteilung sich zunächst plasmotom in zwei einkapselige Tiere teilen. Den Verlauf der Befruchtung speziell bei Thalassicolla stellt sich Huru folgendermaßen vor: Das durch den Zerfall des Extracapsulums bedingte rasche Sinken der in Gamogonie befindlichen Individuen führt diese, wie im Zuchtglase bis auf dessen Boden, so auch im Meere bis auf den Grund. Die dort ankommenden, Makrogameten bildenden Kapseln platzen, und die dergestalt entleerten Makrogameten breiten sich aus, wie sie dies am Boden des Zuchtglases in weißer, breiiger Masse tun, ohne Fig. 390. Actino- sphaerium eichhorni EHRBG. Eneystierung und Gamogonie, frühes Stadium. Die Muttereyste ist im Be- griff, sich in Tochtereysten zu teilen. 7—6 die Plasma- körper der entstehenden Tochtereysten, ? Gallerthülle der Muttereyste, 8 Kern der Tochtereyste /, 9 von zahl- reichen kleinen Kieselnadeln gebildete Kieselhülle, 10 große zentrale Vakuole, durch Zusammenfließen mehrerer kleinerer entstan- den. Die Pfeile geben die Richtung an, in der die (durch Ansammlung von Kieselnadeln vorbereitete) Zerklüftung der Muttereyste in die Tochtereysten er- folgen wird. Die Plasma- einschlüsse und Kerne sind nur bei den Tochtereysten 1 und 6 gezeichnet. Vergr. 392 :1. Nach BRAUER 1894. von ihrer Eigenbewegung einen weiter reichenden Gebrauch zu machen. Die später sinkenden, Mikrogameten bildenden Kapseln entleeren dann „ihren Inhalt über den am Boden liegenden Makrogametenbrei, gleich dem Fischsperma, das sich über den am Boden ruhenden Laich ergießt“. e) Heliozoen. Eine Isomerogamie findet sich bei dem großen vielkernigen Helizoon Actinosphaerium eichhorni, bei dem Herr- wıgG (1898) die Befruchtungsvorgänge eingehend untersucht hat. Von den bisher betrachteten sind sie freilich insofern ganz abweichend, als es sich um strengste Inzucht handelt, um eine innerhalb einer Cyste erfolgende Endogamie ersten Grades, bei der also die Gameten direkt Geschwisterkinder sind. Die Befruchtungserscheinungen von Actinosphaerium werden ein- geleitet durch eine Encystierung. Das Tier setzt sich fest, zieht seine Axopodien ein, löst deren Achsenfäden auf, stößt etwa vorhandene 416 ' Protozoa. Max Lüus, Nahrungsballen aus und umgibt sich, je nach der Gestalt seines eigenen Plasmaleibes, mit einer bald ovoiden, bald kugeligen dicken Gallerthülle. Die Vakuolen bilden sich hierbei fast vollständig zurück, so daß der Unterschied zwischen ‘-Rinden- und Marksubstanz schwindet und der ganze Körper kleiner wird; gleichzeitig wird das Plasma infolge der Entwickelung kleiner, ovaler, an Dotterplättchen erinnernder Körperchen und unregelmäßiger Kieselstückchen undurchsichtig. In den so ge- bildeten „Muttereysten“ tritt dann eine auffallende Reduktion in der Zahl der Kerne ein, die so weit geht, daß von den ursprünglich vor- handenen Kernen (deren Anzahl je nach der Größe des Tieres zwischen Fig. 391. Actinosphaerium eichhorni EHurBG. Eneystierung und Gamogonie, späteres Stadium als in Fig. 390. Die Zerklüftung der Muttereyste in die Tochtereysten ist erfolgt, und jede von diesen hat sich noch wieder in 2 Gameten geteilt. 7 Gallert- hülle der Muttereyste, 2 Kieselhülle der primären Tochtereysten, 3 Kieselhülle der Sekundäreysten (Gameten), 4—12 Gameten, paarweise aus je einer Tochtereyste dureh Teilung hervorgegangen und auch selbst noch wieder von einer eigenen Kieselhülle eng umschlossen. Der zu 12 gehörende Schwestergamet ist nicht siehtbar, weil nicht in die Schnittebene des Präparates fallend. Die Plasmaeinschlüsse sind nur bei 4 Gameten ge- zeichnet. Vergr. 392:1. “Nach BRAUER 1894. ca. 20 im Minimum und ca. 500 im Maximum variiert) nur noch etwa 5 Proz. übrig bleiben. Die Art und Weise, wie diese Reduktion er- folgt, ist noch nicht ganz klargestellt, doch hält Herrwıc es für wahr- scheinlich, daß am Anfang der Encystierung die Kerne paarweise ver-. schmelzen und daß hierauf die meisten von ihnen resorbiert werden. Alsdann zerfälit jedenfalls der Plasmakörper in so viele Teilstücke („Primärcysten“), als Kerne übrig geblieben waren (Fig. 390). Bei kleineren Tieren kann dieser Zerfall in Teilstücke auch unterbleiben, indem das ganze Tier, bei dem alle Kerne bis auf einen einzigen resorbiert wurden, zu einer einzigen einkernigen Primärcyste wird. Große Exemplare können bis zu 20, vielleicht auch noch mehr Primär- N ulnesheinung aus dem Verlag von Gustav Fischer in Jena. Mazedonien. - Erlebnisse und Beobachtungen eines Naturforschers im Gefolge des deutschen Heeres. Von Dr. Franz Doflein 0. ö. Professor der Zoologie an der Universität Breslau. Mit 270 Abbildungen im Text und 4 farbigen und 12 schwarzen Tafeln. VI, 592 S. 8%. Preis: Mk 105.—, geb. Mk 120.— Das Buch enthält Erlebnisse und Forschungen eines Zoologen, welcher während des Weltkrieges im Gefolge des deutschen Heeres in Mazedonien arbeitete. Es bringt Beiträge zur Erforschung des vor dem Kriege wissenschaftlich fast unbekannten Landes. In dem Buch wird eine Schilderung der Landschaft in den ver- schiedenen Gegenden Mazedoniens gegeben. Expeditionen in die Alpen Mazedoniens werden beschrieben; besondere Kapitel bringen Untersuchungen über die Seen, aus den Darstellungen ergeben sich ‚Schlüsse auf die Kräfte, welche die Oberflächengestaltung des Landes bedingen. Es schließen sich Schilderungen der Gewohnheiten der vielen Völker an, welche das Land bewohnen, ihrer Wohnstätten, ihrer Trachten und Sitten. Die malerischen Städte und Dörfer des Landes, der Ackerbau und seine Bedingungen, Handel und Wandel und Gewerbe finden ihre Darstellung. In besonderen Kapiteln wird die eigenartige Tier- und Pflanzen- welt des Landes geschildert. Das Buch gibt also ein Gesamtbild des Landes, seines Aufbaus, seiner Natur, seiner Siedlungen und Bevöl- kerung. Die Kriegsereignisse spielen in dem Buch nur insofern eine Rolle, als von den Leistungen unserer Truppen bei der Überwindung der Schwierigkeiten, welche die Natur: des Landes mit sich brachte, die Rede ist. Hervorragendes Geschenkwerk. | = 5 EN A Te N g a \ 0 Neuerscheinungen aus dem ‘Verlag von @u stav Fischer in Jena. 1 ER Lehrbuch der Paläozoologie. Von O0. Abel, o. ö. Professor der Paläo- biologie an der. Universität Wien. Mit 700 Abbild. im Text. ae 500 8. gr. 8%) A EN En ! ; - »Mk 40.—, geb. Mk 89,— $ Die Paläozoologie bildet die Brücke zwischen zwei Forschungsgebieten, der Zoologie und der Geologie; ein Lehrbuch dieser ‚Wissenschaft muß daher trachten, den. Bedürfnissen der Studierenden beider Gebiete entgegenzukommen. Das kann nur ge schehen, wenn ein solches Lehrbuch weder als ein Bestimmungsbuch, noch als ein Fossilienkatalog gedacht ist, sondern einerseits die stammesgeschichtlicheund ° anderseits die erdgeschichtliche Bedeutung der fossilen Tiere berücksichtigt. Für “den Zoologen sowohl wie für den Geologen: ist es ferner von größter Wichtigkeit, die Beziehungen zwischen Tier- und Umwelt kennen zu lernen, da nur auf diesem Wege »ein Einblick in die treibenden Ursachen der Umformung und Entwicklung der Lebewesen im Laufe der Erdgeschichte gewonnen werden kann. RL Diesen ‚Grundsätzen sucht das neue Lehrbuch des Wiener Paläobiologen gerecht zu werden. Gruppen, die für den Geologen keine besondere Wichtigkeit haben, wie die In- sekten, und die auch in’ stammesgeschichtlicher Hinsicht nicht besonders wichtig sind, wie die Korallen oder die Gastropoden, konnten daher kürzer behandelt werden als die übrigen Gruppen der fossilen Tiere. Da der Anfänger nicht in der Lage zu sein pflegt, das Wich- tige vom Unwichtlgen zu, scheiden, ist bei der Auswahl der eingehender besprochenen Formen überall darauf Bedacht genommen worden, die stammesgeschichtlich und, erd- geschichtlich wichtigen Gattungen und Arten eingehender zu besprechen und andere, un- wichtigere, zu vernachlässigen. x“ Die Darstelluug wird durch vorzügliche und sorgfältig ausgewählte Abbildungen in reichem Maße unterstützt; besonders hervorzuheben ist die große Zahl der vom Verfasser gezeichneten Rekonstruktionen und der Originalaufnahmen. Die Vervollkommnung in der lebenden Natur. Kine Studie über ein Naturgesetz. Von Dr. Victor Franz, Prof. der phylogenetischen Zoologiean der Universität Jena. (VI,138S. gr. 8°.) 1920. £ . Mk 15.— Wenn auch kein Entwicklungsgeschehen im ziellosen Naturverlaufe an sich Vervollkommnung sein kann, weist der Verfasser doch klar auf, was die Anwendung jenes den menschlichen Wertungen entnommenen Ausdruckes in der Stammesgeschichte nahelegt: es ist die häufige Zunahme an Differenzierung und Zentralisation der Gestalt und zugleich an Uebergewicht über, die Mitbewerber im gleichen Lebensraum. Anallen “menschlichen Schöpfungen bedeutet ja gerade diese Entwicklung uns wirklich so viel wie Vervollkommnung, und sie ist die häufigste in der Natur. Wo jedoch Zentrali- sation ausbleibt, werden die Gestalten nicht schöner, sondern unausgeglichen, und die Lebensmöglichkeiten nicht erweitert, sondern eingeengt. Somit ist die von der Gegen- wart zu wenig betonte Zentralisation der Kernpunkt des.,‚Goethe-Haeckel’schen Ver- vollkommnungsgedankens“ und zugleich das, worin wir gut tun, der Natur auf ihrem Entwicklungswege zu folgen. Dies führt auch zur Betonung von Gehirnleistung, Geistes- wert und Verinnerlichung, wodurch der zum Wirken in Haeckels Sinne berufene und auf .psychologischem Gebiet psychomonistisch orientierte Verfasser den vollen Aus- gleich von Naturalismus und Idealismus finden kann. "Ein allseitiges Verstehen möge dieser um Verständigung und Vertiefung bemühten Studie beschert sein, die übrigens mit einem Abriß aus der bewegten Forschungsgeschichte beginnt, bevor sie in die ebendige Darstellung des naturgeschichtlichen Tatsachenmaterials eintritt. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Nephridien niederer Oligochäten. Von Dr. Yvonne Boveri-Boner, Baden. (Aargau). Mit 6 Ab- bildungen im Text und 3 Tafeln. (52 8, gr. 8°.) .1920. Mk 8— Vorliegende Untersuchung zerfällt in zwei Teile, deren erster allgemeiner die beste bekannte Oligochätenliteratur, der zweite Teil dıe speziellen Untersuchungen um- faßt. Entsprechend der gegebenen Literatureinteilung gliedert sich die Betrachtung in die Morphologie, die Physiologie, dıe Entwicklung und die Homologie der Ne- phridien. Der zweite Teil behandelt das Material, die Technik und die Unter- suchungen, an die sich eine kurze Zusammenfassung der wichtigen Resultate anschließt. Handbuch der Entomologie. Hrse. von Prof. Dr. Chr. Schröder, Berlin- Lichterfe'de. Lieferung 5: Bd. III (S. 113—208). Kap. 6—-7. 1920. ‘Mk 12,— Früher erschien Lieferung 1—4, enthaltend: Bd. I (S: 1--525). Kap. 1-—-7. — Bd. III (S. 1—112). Kap. 1—6. | Preis für Lieferung 1—4: je Mk 5.— (+ 200°, Teuerungszuschlag) Frommannsche Buchäruckerei (Hermann Pohib) in Jena | N ‘ NEN ART, Y Kan BD Arm Fey h Ko > u Tang,i. Handwuch der Id } Band $ “ Bvo blue cloth | I