%^t:Wm i m iP%«^ u ^of BIBLIOTHEK GEOGRAPHISCHER HÄNDBÜCHER BEGKÜINDET VON FRIEDEICH RATZEL. NEUE FOLGE. HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. ALBRECHT PKNCK. Unter Mitwirkung von Professor Dr. Kd. lirUckner in Wien; Professor Hans Craninier in Salzburg; Professor Dr. Oskar Drude, Direktor des Botanischen Gurtens in Di-esden; Dr. F. A. Forel, Professor an der Univer- sität, Lausanne in Morges ; Dr, Karl v. Fritsch, weil. Professor an der Universität in Halle; Pro- fessor Dr. Alfred Grund in Berlin; Professor Dr. Sigmuud tiUnther in München; Professor Dr. Ernst Hainmer in Stuttgart; Dr. Julius Hann, Professor an der Wiener Universität; Professor Dr. Kurt Uassert in Köln; Professor Dr. Albert Heim in Zürich; Professor Dr. Rudolf Kötzschke in Leipzig; Professor Dr. Konrad Kretschmer in Berlin: Professor Dr. Otto KrUmmel in Kiel; Professor Dr. G. Pfeffer, Kustos für Zoologie am Naturhistorischen Museum in Hamburg; Professor Dr. Kurt Sapper in Tübingen; Professor Dr. Adolf Schmidt in Potsdam; Professor Dr. KarlWeule, Direktor des Museums für Völkerkunde in Leipzig. STUTTGART. VERLAG VON J. ENGELHORN. 1907. vrs. HANDBUCH ^ ^^ i>d, I DER OZEANOGMrHIE VON Dr. OTTO KRUMMEL, ordentlichem Professor der Geographie an der Universität in Kiel. BAND I. Die räiimliclien, cJieiiüschen und physikalischen Verhältnisse des Meeres. Mit 69 Abbildungen im Text. Zweite völlig neu Dearbeitete Auflage des im Jahre 1884 erschienenen Band I des Handbuchs der Ozeanographie von weil. Prof. Dr. Georg v. Boguslaweki. -^•♦>- STUTTGART. VERLAG VON J. ENGELHORN nJ 1907 i Druck von Omnitypic-Gca., Nachf, L. Zechnall, Stuttgart. Vorwort, Als um Weihnachten 1902 der verewigte Begründer dieser Biblio- thek mich aufforderte, eine zweite Auflage des Handbuchs der Ozeano- graphie, und zwar zunächst des ersten Bandes, in Angriff zu nehmen, war mir alsbald klar, daß es sich um eine sehr umfangreiche Arbeit handeln werde. Aber daß mir unter der Feder doch ein ganz neues Buch entstehen sollte, sah ich damals nicht gleich voraus. Die Fortschritte der Meereskunde waren in den zw^ei Jahrzehnten, seitdem G. v. B o g u s 1 a w^ s k i den ersten Band geschrieben, gerade auf den Gebieten der Tiefseelotungen, der Chemie und der Physik des Meerwassers, und auch der allgemeinen Morphologie der Erdoberfläche ganz erstaunlich groß gewesen, und der von B o g u s 1 a w s k i dargebotene Rahmen genügte nirgends recht mehr, diesen neuen Errungen- schaften den angemessenen Platz zu gewähren. So mußte die äußere An- ordnung d-es Stoffes erheblich umgestaltet, aber auch die Tendenz der Dar- stellung vielfach auf eine ganz neue Basis gehoben werden. Insbesondere waren die weittragenden Lehren der physikaHschen Chemie systematisch für die Ozeanographie fruchtbar zu machen, der Verschärfung der Beob- achtungsmethoden auf allen Gebieten Rechnung zu tragen und die Fülle des von zahlreichen Lotungs- und Forschungsexpeditionen herbeigetragenen Stoffes von Tatsachen zu ordnen und wissenschaftlich zu durchdringen. Dabei handelte es' sich um eine sehr zerstreute Literatur, von der mir trotz alles dankenswerten Entgegenkommens vieler Fachgenossen und Behörden, namentlich auch des Auslandes, doch wohl noch mancher bedeutsame Beitrag entgangen sein dürfte. Die kleinen, am Orte selbst vorhandenen Bibliotheken versagten leider allzuoft, und das ist, fürchte ich, insbesondere den einge- y[ Vorwort. schalteten historische^i Rückblicken häufiger abträglich geworden, als mir lieb ist. Da es jedoch nicht meine Aufgabe war, eine möghchst vollständige Geschichte der ozeanographi?chen Disziplinen zu schreiben und zu diesem Zwecke umfangreiche Quellenstudien an fremdem Orte zu unternehmen, bitte ich Leser, deren Erwartungen auf diesen Punkt gerichtet sind und die über Sir John Murrays klassische Darstellung im Schlußbande des Challengerwerkes hinaus unterrichtet zu sein wuschen, mit einer Dar- stellung vorKeb zu nehmen, die meistens nur die LeitHnien skizziert, nach denen sich die Probleme entwickelt haben. Vielleicht entschließt sich ein- mal eine jüngere Kraft, diese interessante Aufgabe anzugreifen. Um so größere Sorgfalt glaube ich den gegenwärtig in der Mitte der Forschung stehenden oder nach meiner Ansicht neu dahin zu stellenden Problemen zu- gewandt zu haben. Hierbei habe ich mich bemüht, keinen Augenblick zu /ergessen, daß ich als Geograph für Geographen zu schreiben hatte. Deshalb mußten sich die mathematischen, physikalischen und chemischen Dar- legungen durchaus in den Grenzen des Elementaren und für das ozeano- graphische Verständnis Notwendigen halten. Die Fachgenossen werden bemerken, daß ich micli nicht darauf beschränken mochte, lediglich zu registrierten und zu referieren, sondern daß auch viel eigene Arbeit und öfter auch jahrelanges Nachdenken hier zum Niederschlag gelangt ist. Ich hoffe, daß die so zusammengebrachten zahlreichen neuen Daten, Mittel- werte und Tabellen den geographischen und ozeanographi sehen Fachgenossen künftighin manche Erleichterung bei ihren Arbeiten gewähren werden. Die Ozeanographen wissen nur zu gut, daß nicht alle Zweige unserer Wissenschaft gleich weit vorgeschritten sind. Das pflegt eben der be- sondere Nutzen einer alles aus den Quellen heraus zusammenfassenden Darstellung, wie der vorliegenden, zu sein, daß die Aufmerksamkeit auf solche Stellen gelenkt wird, wo noch allzu große Lücken bestehen. Je nach- dem der erreichte Stand befriedigend oder unzureichend war, mußte sich auch die Art der Darstellung von Fall zu Fall ändern, und so wird der nur aufs Äußerliche bedachte Kritiker ein bestimmtes, konsequent durch- geführtes Schema der Stoffanordnung vermissen. Gewöhnlich sind gerade diejenigen Abschnitte ins Breitere ausgeführt, wo unser Wissen noch un- Vorwort. yjj ZAireichend ist. Die Darstellung wohl erworbener Lehren und Tatsachen wird man. so hoffe ich, übersichthcli genug formuliert finden. Um den Um- fang des Buches nicht allzusehr anwachsen zu lassen, habe ich mich der größten Knappheit im Ausdruck befleißigt; oft wäre eine größere Ausführ- lichkeit sicherlich für den Autor bequemer gewesen. Und doch ist das Buch weit über den beabsichtigten Umfang hinaus angeschwolleji. Die iVrbeit fiel in eine Zeit, wo durch eine große internationale Or- ganisation Stoff, Methoden und Ziele der Meeresforschung andauernd in so lebhaften Fluß geraten sind, wie noch nie zuvor. Das war dem vor- liegenden Buche vielfach von größtem Nutzen, und ich danke meinen aus- ländischen Freunden und Mitarbeitern an dieser Organisation herzlich auch an dieser Stelle für manche Mitteilung, die für den nachstehenden Text stets eine wertvolle Bereicherung darbot. Anderseits habe ich mich bemüht, bereits einige allgemeine Ergebnisse aus den so zahlreich beigebrachten Beobachtungen für die nordeuropäischen Meere abzuleiten, wenn ich mir auch, nicht selten habe Zurückhaltung auferlegen müssen, wo sich die Dinge zur Zeit, als ich darüber schreiben sollte, noch gar zu verwickelt anließen. Die einst von Boguslawski dem ersten Bande hinzugefügte histo- rische Ubersichtstabelle der Forschungsexpeditionen habe ich nach reif- licher Überlegung fallen lassen: sie erschien mir um so mehr entbehrlich, als die betreffenden Unternehmungen im Texte selbst gebührende Beachtung gefunden haben und dort zugleich die bibliographischen Hilfsmittel für Leser genannt sind, die sich näher über die Ergebnisse zu unterrichten wünschen. Auch die Reduktionstabellen habe ich etwas verändert. Für die, leider noch immer so häufig auszuführende Verwandlung der englischen Faden in Meter ist eine Tafel abgedruckt, die ich selbst in handschriftlicher Aus- führung seit Jahten mit dem Vorteil großer Zeitersparnis in Gebrauch habe. Die Verwandlung der Meter in Faden ist in der alten Gestalt geblieben. Eine neue dritte Tabelle, zur Umwandlung der Seemeüen in Kilometer, wird vielen Lesern nicht nur des vorliegenden Buches, sondern der nautischen Literatur überhaupt willkommen sein. VIII Vorwort. Dem Herrn Verleger danke ich auch noch an dieser Stelle für das freund- iche Entgegenkommen, das er meinen oft weitgehenden Wünschen für die ■ußere Ausstattung des Werkes hat zu teil werden lassen. Ebenso bin ich ler Redaktion der Annalen der Hydrographie in Hamburg, der Firma 'arl Zeiß in Jena, der Verlagsbuchhandlung von Julius Springer in Ber- n und Herrn Professor E. v. Drygalski in München zu Danke verbunden ir die Bereitwilligkeit, mit der sie in ihrem Besitz befindliche Klischees- ir Verfügimg stellten. Kiel, im Januar 1907. Otto KrümmeL Inhalt. Seite Vorwort V Inhaltsangabe IX Vorbemerkung XVI Einleitung 1 Stellung der Ozeanographie unter den geographischen Disziplinen 1. — Sie empfängt ihre Tatsachen durch Beobachtung 3. — Nautische Behörden als Sammelstellen der Beobachtungen 4. Erstes Kapitel. Die Meeresräume. I. Die Größe des Ozeans 7 Verhältnis von Wasser- und Landflächen 7. — Entwicklung, des Erdbildes bei den Alten 8, seit den Geographen der Renaissance- zeit 10. — Etymologie des Wortes Okeanos 12. II. Die wagrechte Gliederung des Ozeans 12 Verteilung der Wasserflächen nach Breitengürteln 13. — Die Land- und Wasserhalbkugel 14. — Hauptghederung in drei Weltmeer- teile 15. — Abweisung eines besonderen Südozeans 16. — Ab- grenzung durch die Polarkreise ist aufzugeben 18. — Die drei Grenzmeridiane von 20^ 147° 0. und 67° W. L. 19. — Die Namen der Ozeane 19. III. Die Einteilung der Meeresräume 21 Grundsätze der geographischen Einteilungen 22. — Teilung in selb- ständige Ozeane und unselbständige Nebenmeere 23. 1. Klassifikation nach der Lage 24 Mitt€hneere und Randmeere 24. — Einteilung der Nebenmeere nach Precht 27. — Nach Hettner 28. 2. Klassifikation nach der Größe 29 3. Klassifikation nach der Gestalt 30 Ältere Versuche von Varen und Kohl 30, von Precht 31. -— Streckung, Gliederung, Zugangsbreite, Insulosität 32. ~ Relative Landferne 33. X • Inhalt. Seite 4. Klassifikation nach der stofflichen Erfüllung ... 34 Über- oder unternormaler Salzgehalt der Nebenmeere 34, — Tem- peraturmerkmale 36. 5. Klassifikation nach den Bewegungsformen 3ß Karl Ritters Standpunkt 36. — Gezeiten als Merkmal 37. — Strömungen als Merkmal 38. 6. Klassifikation nach der Entstehung 39 Das genetische Prinzip in der Meereskunde 39. — Ingressions- und Einbruchsmeere 41. — Längsgestellte und quergestellte Neben- meere 42, 7. Die Meerbusen 43 Großformen und Kleinformen 43. — Klassifikation nach der Lage, der Größe und der Gestalt 44. — Nach der Entstehung 45. 8. Die Meeresstraßen 46 Meeresstraßen und Meerengen 47. — Klassifikation 47. 9. Das natürliche System der Meeresräume 49 Schematische Übersicht der Hauptgliederungen 49 , der Neben- gliederungen 51. IV. Die Meeresoberfläche 52 Rotationsellipsoid und Geoid 52. — Kontinentalwelle 53. — Niveau- störungen meteorologischer Herkunft 55, insbesondere in der Ostsee und Nordsee von periodischem Charakter 56, un periodische 59. — Windwirkung 61. — Ergebnisse der Feinnivellements 64. — Mittel- wasser und Kartenniveau der Seekarten 66. V. Die Tiefenlotungen, (reschichtliclies und Technisehes .... 68 Gebrauch des Handlots 68. — Erste Tieflotung durch Phipps 70. — James Gl. Ross 70. — Maurys Anregungen seit 1851 und erste Kabellotungen 71. — Die großen Expeditionen seit 1869 73. — Theorie der Tieflotung 74. — Hanfleine und Kiavierdraht 75, — Lotmaschinen nach Sigsbee 76, nach Leblanc 77, nach Lucas 78. — Neuere Expeditionen 79, — Indirekte Methoden 80. — Genauig- keit der modernen Lotungen 82. — Verfahren der Kabeldampfer 84. ■ YI; Die allgemeine Morpliologie des Meeresbodens 85 1. Die Verteilung der Tiefenstufen und die bathographi- scheKurvedesWeltmeers 85 Areale der Tiefenstufen 86. — Die hypsographische Kurve der Erdoberfläche 87. — Verteilung der Tiefenstufen nach Zehngrad- zonen 88. 2, Die allgemeinen Merkmale des ozeanischen Boden- reliefs 88 Konkave und konvexe Strecken 89, — Der kritische Böschungs- winkel 89. — Große vSchlichtheit des . Tief seebodens 91. — Der mittlere Böschungswinkel 92. — Die LTnebenheit (nach Penck) 93. — Der Rhythmus des Bodenreiiefs 94. — Mittlere Muldenbreite und -tiefe 95, — Steile Böschungen an Inseln und Seebergen 97. — Verzeichnis unterseeischer Vulkankuppen 98, — Böschungen am Kontinentalsockel 99. Inhalt. XI Seite 3. DieTypenderBodenformen 100 Großformen und Klcirformen 101. — Benennung derselben 102. — Die Schelfe 103, ihre Verbreitung und Einteilung 105, ihr Relief 106. — Die Schelffurchen 111. — Die Mulden und Schwellen 114. — Die Gräben llö. 4. Die Anordnung der Bodenformen im einzelnen ... 117 Der Atlantische Ozean 117. — Der Indische Ozean 120. — Der Pazifische Ozean 122. — Das Arktische Mittelmeer 128. — Das Amerikanische Mittelmeer 130. — Das Australasiatische Mittel- meer 130. — Das Romanische Mittelmeer 132. — Die kleinen Mittelmeere 135. — Die Randmeere 136. TU. Die mittlere Tiefe und das Gesamtvolum der Meeresräume . . 137 Berechnungsverfahren 137. — ■ Die Mitteltiefen der Zehngradzonen 143, der einzelnen Meeresräume 144. — Bedeutung der ^NTitteltiefe von 3680 m 147. — Wasserblock und Landblock 148. — Das mittlere Krustenniveau 148. — Romieux und seine Gesetze 149. — GleJchge\\achtshypothesen 150. — Dauerhaftigkeit der Ozeane 151. Zweites Kapitel. Die ozeanischen Bodenablagerungen. Gewinnung der Bodenproben 152. — Einteilung von Murray und Renard 155. — Einteilung in iitorale, hemipelagische undeupelagische Ablagerungen 156. — Einteilung gemäß der Korngröße nach Thoulet 157. — Mineralogische Einteilungen 159. I. Die litoralen Ablagerungen 160 a) Die Strandablagerungen ■ . . 161 Blocklager 161. — Sandlager 162. — Schlicklager 163. — Chemische Abscheidungen 164. b)DieSchelfablagerungen -. . 165 Sande, Schlicke, Moder 165. — Niederschlag aller Trübe 166. — Vulkanisches und glaziales Material 167. — Korallensand und Maerl 168. — Phosphatkonkretionen 169. II, Die hemipelagischen Ablagerungen 170 Entstehung 170. — 1. Der dunkle oder blaue Schlick an den Kontinentalsockeln 171, im Arktischen Mittelmeer 172, im Austral- asiatischen Mittelmeer 173. — Vulkansande 174. — Der rote Schlick 174. — 2. Der Grünsand und grüne Schlick 174. — 3. Der Kalk- schlick in den tropischen Ozeanen 175, im Amerikanischen Mittel- meer 176, im Romanischen Mittelmeer 177, im Roten Me'er 179. — Fremde Beimengungen, glaziale Geschiebe 180. III, Die eupelagischen Sedimente 180 Einteilung in epilophische und abyssische 181. — 1. Der Glo- bigerinenschlamm 182. — Zoo- und Phytoplankton desselben 183. — Glaukonite und Phosphate 186. — Art der Ablagerung 187. — Glaziale Geschiebe darin 188. — 2. Der Pteropoden- schlamm 189. — 3. Der Diatomeenschlamm 189. — 4. Der Rote Tiefseeton 192. —Eigenschaften 193. — Kalkarmut 195. -- XII Inhalt. Entstehung aus vulkanischen Auswürflingen 197. — Glaziale Geschiebe darin 198. — Kosmische Meteorkügelchen 199. — Manganknollen 200. — Geographische Verbreitung 202 (Karte S. 193). — Der Radiolarienschlamm als örtliche Abart des Roten Tons 203. Areale der Bodenablagerungen 205. — Schichtungen der Sedimente und ihre Deutung 207. — Äquivalente Ablagerungen in älteren geologischen Formationen 208. — Stellung der Kreide 209. — Fehlen der echt abyssischen Sedimente 211. — Die Permanenz der Ozeane 212. Seite Drittes Kapitel. Das Meerwasser. I. Die allgremeinen Eigenschaften des Meerwassers 215 1. Die Salze des Meerwassers und ihre Herkunft .... 215 Verzeichnis der nachgewiesenen Elemente 216. — Die vornehmsten Saizkomponenten 218. Gleichmäßigkeit der Mischung 220. — Ver- hältnis des Chlors zum Gesamtsalzgehalt 221. ~ Neue Definition des Salzgehalts nach Sörensen und Knudsen 222. — Selektive Ausscheidung der Salze beim Eindampfen 223. — Herkunft der Salze nicht terrigen 224, sondern magmatisch 226. — Gesamt- volum und -gewicht der Seesalze 227. 2. Die Dichtigkeit des Seewassers n . . . . 228 Methoden, das spezifische Gewicht zu bestimmen 229. — Dichte- änderung nach Temperatur und Salzgehalt 232. — Dichtigkeits- maximum für einen gegebenen Salzgehalt 235. — Berechnung des Salzgehalts aus dem spezifischen Gewicht 237, aus dem Chlor- gehalt 237. 3. Wirkungen des Salzgehalts auf Gefrierpunkt, Siede- punkt, osmotischen Druck, Dampfdruck und Ver- dunstung des Seewassers 238 Beziehungen zwischen osmotischem Druck und Konzentration 238. — Diffusion 239. — Gefrierpunkt 240. — Siedepunktserhöhung und Dampfdruckerniedrigung 242. — Dissoziationsgrad der Salze 242. — Verdunstung des Seewassers 244, ihre Beziehungen zu Luft- temperatur, -feuchtigkeit , Windstärke, Barometerstand, Salz- gehalt 246. 4. Die optischen Eigenschaften des Seewassers .... 250 Brechung des Lichtstrahls im Seewasser 251. — Refraktometer 252. — Durchsichtigkeit gemessen mit weißen Scheiben 254, mit elektrischen Lampen 258, mit photographischen Platten 259, durch andere chemische Reaktionen 260. — Beobachtungen der Taucher 262. — Absorptionsformeln 263. — Ursachen der ver- schiedenen Durchsichtigkeit 265. — Die Farbe bestimmt durch Foreis Skala 267. — Ursachen der Farbenunterschiede 270. — Selektive Absorption 271. — Verhalten der Organismen 273. — Diffraktions- und Lösungstheorie 275. — Mißfärbungen 277. 5. Übrige physikalische Eigenschaften des Meerwassers 279 1. Die Wärmekapazität 279, die kalorische Leitfähigkeit 280. — 2. Die Oberflächenspannung 280. — 3. Die innere Reibung 281. — Inhalt. XIII Seite Die Oberflächenzähigkeit 283. — 4. Die Zusammendrückbarkeit 284. — Untersuchungen von Mohn, Tait, Bjerknes 28G. — Ände- rung der Dichtigkeit mit dem Druck 287. — Die akustischen Eigenschaften 288. — 5. Die elektrische Leitfähigkeit 289. — (5. Die Radioaktivität 291. 0. Die Gase des Meerwassers 292 Absorptionskoeffizienten der atmosphärischen Gase 293. — Der Sauerstoffgehalt der gelösten Luft 295. — Der Stickstoffgehalt 296. — Störungen durch den Stoffwechsel der Organismen 297. — Diffusionsgeschwindigkeit der Luft 299. — Ventilation der Tiefen- mulden in Nebenmeeren 300. — Schwefelwasserstoff 300. — Geo- graphische Unterschiede des Sauerstoffgehalts im Seewasser 302. — Die Alkalmität 303. — Untersuchungen von Krogh über die ört- lichen Verschiedenheiten der Alkalinität 305. — Die Alkalinität als Maß der Landwasser^virkung 308. — Die Herkunft der Kohlen- säure im Ozean 312. — Ihr Verhalten zum Salzgehalt 316. — Ihre Menge in den nordeuropäischen Meeren 317. 7. Das Meerwasser als Pflanzennährlösung 317 Üppigkeit des Pflanzenlebens in den kälteren Meeren 317. ~ Armut des Phytoplanktons in den warmen Meeren 318. — Untersuchungen von Brandt über die geographischen Unterschiede der Pflanzennähr- stoffe: Ammoniak, Nitrite und Nitrate 319, der Phosphorsäure 322, der Kieselsäure 323. II. Die räumliche Verteilung des Salzsrehalts 324 Gewinnung geeigneter Wasserproben 324. — Tiefseeschöpfapparatc 325. _ Verteilung des Salzgehalts an der Oberfläche des Atlan- tischen Ozeans 328, der atlantischen Nebenmeere 329, des Indi- schen Ozeans 331, des Pazifischen Ozeans 333. — Mittlerer Salz- gehalt der Meeresoberfläche nach Meeresräumen 333, nach Zehn- gradzonen 334. — Terminologie der Salzgehaltsschichtung 334. — Kritik der Beobachtungen der Challengerexpedition 336, des Fürsten von Monaco 338. — Salzgehalt in den Tiefen des Nord- atlantischen Ozeans 339, im Südatlantischen Ozean 340, im Indi- schen 342, im Pazifischen 343, im Arktischen Mittelmeer 345, ün Britischen Randmeer 348, in der Nordsee 349, m der Ostsee 350, im Mittelländischen Meer 354, im Amerikanischen Mittelmeer 357, im St. Lorenz- Golf 357, im Roten Meer 357, im Andamanischen Meer 358, im Australasiatischen Mittelmeer 359, m den ostasiati- schen Randmeeren 359. — Die Ursachen der Salzgehaltsunterschiede 361 _ Ausfällung von Salz 361, Verdünnung durch Landwasser 362, durch Regenfall 364. — Konzentration durch Verdunstung 367. — Erklärung der Salzgehalt^maxima in den Ozeanen 368. III. Die räumliche Verteilung der Temperaturen 1. Geschichte und Technik der Beobachtungen .... Erste Temperaturbeobachtungen an der Oberfläche und in der Tiefe der Ozeane seit der Mitte des 18. Jahrhunderts 370, im 19. Jahr- hundert 371. — Vermehrung der Oberflächenbeobachtungen seit Maury 373. — Moderne Tiefseethermometer 374. 2. Die Wärmequellen ^7 Die innere Erdwärme 378. — Die Sonnenstrahlung 380. — Wir- kung der Wellenbewegung 381, des Regenfalls 382. 369 369 XIV Inhalt. Seite 3. Die tägliche Periode der Oberf iächentemperatur . . 382 Zeiten der täglichen Extreme 382. — Amplitude der täglichen Schwankung 383, Einfluß des Wetters 385. 4. Beziehungen zwischen der Luft- und Wassertemperatur 386 Höhere Temperatur der Meeresoberfläche 386. — Unterschiede der Jahreszeiten 387. — Abweichungen der kalten Meeresstrome 387. 5. Das Eindringen der Wärme in die Tiefe 388 Untersuchungen von Aime 388, von Hensen 389, von Luksch 390. — Wärmeleitung und Wärmestrahlung 391. — Vertikale Konvek- tion 393. — Die. Sprungschicht 395. — Vertikale Bewegungen des Planktons 397. 6. Die mittlere Temperatur der Meeresoberfläche . . , 397 Die Jahresisothermen 308. — Lage der Isothermen von 25^ und eingeschlossene Areale 399. — Mittlere Temperaturen der Zehngrad- zonen 400. — Unterschiede gleicher Nord- und Südbreiten 402. — Thermische Isanomalen der Meeresoberfläche 404. 7. Die jährliche Periode der Temperaturen 406 Zeit der extremen Temperaturen 407. — Phasenverzug 408. — Störungen durch aufsteigendes Wasser 409. — Amplituden der jährlichen Temperaturschwankung 412. — Begriff der individuellen Temperaturschwankung 414. — Absolute Extreme 416. — Ein- dringen der jährlichen Periode in die Tiefe 417. 8. Die senkrechte Verteilung der Temperaturen .... 419 Typen der Temperaturschichtung 419. a) Die Temperatur Schichtung der offenen Ozeane . 421 Verteilung der Temperatur in loO m Tiefe 422, in 200 m: 423, in 400 m: 424, in 600 m: 426, in 800 m: 427, in 1000 m: 428, in 1500, 2000 und 3000 m: 430, in 4000 m und mehr Tiefe 431. — Be- deutung der Bodentemperaturen 432. — Anordnung der Tempe- raturen in hohen Südbreiten 434, in hohen Nordbreiten der offenen Ozeane 439. b) Die Temperaturschichtung in den Nebenmeeren . 440 Das Arktische Mittelmeer 440 (das europäische Nordmeer 441, die Fjorde desselben 444, die Barentssee 446, das Weiße Meer 448, das Nordpolbecken 450, Baffinbai und W^estgrönlandfjorde 453). — Das Australasiatische Mittelmeer -456. — Das Amerikanische Mittel - meer 457. — Das Romanische Mittelmeer 459 (das Adriatische Meer 463, das Ägäische Meer 465. das Schwarze Meer 467). — Die Ostsee 468 (im Februar 469, im Mai 470, im August 470, im November 471). — Die Hudsonbai 473. — Das Rote Meer 473. — Das Beringmeer 476. — Das Ochotskische Meer 476. — Das Japanische Meer 477. — Das Ostchinesische Meer 479. — Das Andamanische Meer 479. — Die Nordsee 480 (im Februar 480, im Mai 483, im August 484, im November 486) ; der Christianiafjord 487, der Gullmarfjord 489. — Das Britische Randmeer 489. — Das Laurentische Randmeer 491. — Das Kalifornische Randmeer 492. — Das Tasmanische Randmeer 493. 9. Die mittlere Temperatur der Meeresräume 493 Berechnungs verfahren 493. — Mittel der Zehngradzonen 495. — Der Wärmeurasatz zwischen Meer und Atmosphäre 497. Inhalt. XV Seite IV. Das Eis iui Meer 49& Das Meereis 499. — Struktur 501, Saizeitischiüsse 502, selektive Ausscheidung der Salze beim Gefrieren 503. — Größte Schollen- dicke 506. — Physikalische Eigenschaften des Meereises 507. — Innere Temperatur der Schollen 509. — Umformung des ]Meereises zu Packeis 511. — Eispressungen 512. — Zerstörung des Schollen- eises 513, — Geographische Verbreitung des Meereises in Nord- breiten 515, in Südbreiten 518. —Die Eisberge: Entstehung und Größe 519. — Vorkommen bei Neufundland 521. — Die ant- arktischen Eisberge 523. — Ureis und Blaueis 525. — Niedrigste Brcit .;.. » m .! 1^ lEH f Ib r i-n 'ibH ff' i uH 15' SW- ^- 1 3> ; dk 1 a>' ; : ilf nm\ P. ; : i w mit o ; ; ; mi tllil » ; : i CO i '-hl ^ i : : ^liiiiil 1 i CD ; : ; :HI 'IM 'UUl 1 's 2 1 1 5 11 l! i; ! i i f ^ i t'i ?f - 1 ? ir B m 1 =■ e in 11 Einleitung. 5 ihrer Flagge alle Veränderungen im Fahrwasser, in der Betonnung und Be- leuchtung der heimischen und fremden Küsten, oder auch im Bereiche wichtiger Seewege und Fahrstraßen neu bekannt gewordene Lotungen und Strom- beobachtungen schleunigst melden. In den Vereinigten Staaten und in Frank- reich teilen diese Marinebehörden auch die Schiffsjournale an die Kapitäne der Handelsflotte aus und nehmen ausgefüllte zur Verwahrung entgegen. In Deutschland liegt diese letzte Aufgabe der Deutschen Seewarte in Hamburg ob, die dem Reichsmarineamt angegliedert, urspiünglich von einem Gelehrten, Prof. Dr. G. Neumayer, organisiert und geleitet wurde, zur Zeit aber einem Admiral unterstellt ist; sie empfängt auch die von den Kriegsschiffen geführten meteorologischen Tagebücher. Die Zahl der Schiff.^- Journale im Archiv der Seewarte beträgt zur Zeit (1. April 1904) 20 470 Nummern mit 10 650 000 Beob- achtungssätzen, wobei die Summe der alle vier Stunden, nach Schluß einer Wache, geschehenden Beobachtungen als ein Satz gilt. Das Formular ei}ies solchen Tagebuchs ist hierneben verkleinert abgedruckt (Fig. 1). Besonders verdient gemacht um die wissenschaftliche Meereskunde hat sich die See warte durch die Bearbeitung der großen Segelhandbücher für die drei Ozeane, denen je ein Atlas mit sehr bedeutsamen Karten der Tiefen, Temperaturen, spezifischen Gewichte, Strömungen, Eisverbreitung, Windverhältnisse u. s. w. beigegeben ist. Auszüge aus den Schiffsjournalen, nach Gradfeldern geordnet, enthalten die sogenannten Quadrathefte: Resultate meteorologischer Beob- achtungen von deutschen und holländischen Schiffen für Eingradfelder des Nordatlantischen Ozeans, 19 Hefte für die Zone von 20^ bis 50° N. Br. Auch die Zeitschriften der Seewarte: die Anralen der Hydrographie und mari- timen Meteorologie (monatlich ein Heft), Aus dem Archiv der Seewarte (jährlich ein Band) bieten allen ozeanographischen Arbeiten die wertvollste Beihilfe. In Großbritannien hatte von 1867 bis 1905 das Meteorological Council der Royal Society, seitdem das daraus gebildete Meteorological Office in London diese Aufgabe. Die Zahl der britischen Schiffsjournale war im Sommer 190i rund 6800 mit 7 000 000 Beobachtungssätzen. Segelhandbücher nach Art der deutschen gibt diese Behörde selbst nicht heraus, dergleichen ist in England privater Tätigkeit überlassen; dafür aber hat sie eine stattliche Reihe dei wichtigsten Publikationen rein ozeanographischen Inhalts aufzuweisen, deren wir in diesem Buche noch öfter als grundlegender und unentbehrlicher Hilfs- mittel werden zu gedenken haben : sie betreffen sowohl kartographische odei tabellarische Darstellungen des Luftdrucks und der Windrichtungen, wie der Oberflächentemperaturen, des spezifischen Gewichts, der Meeresströmungen teils für die großen Ozeane im ganzen, teils für enger begrenzte Meeresgebiete mit reger Schiffahrt (Kap Hörn, Südafrika, Bengalischer und Arabischer Golf, Rotes Meer); geradezu bahnbrechend waren die 1873—76 erschiei^.enen Veröffentlichungen über die Zehngradfelder des Atlantischen Ozeans zwischen 20*^ N. und 10° S. B. von der afrikanischen Küste bis 40° W. L. — Das Nieder- ländis.che Meteorologische Zentralinstitut in De Bilt bei Utrecht hat neboi einst wichtigen, nunmehr aber veralteten Karten der Wassertemperaturen und Winde für den Atlantischen und Indischen Ozean im letzten Jahrzehnt einengroß an- gelegten physikalisch-nautischen Atlas für den Indischen Ozean herausgegeben ; sein Archiv verfügt an Schiffsjournalen (1904) über 4700 Nummern mit 3 300 000 Beobachtungssätzen. — Das Hydrographische Amt der Vereinigten Staaten in Washington ist tonangebend geworden einst durch die von Maury vor 50 Jahren herausgegebenen, ozeanographisch sehr reichhaltigen Sailiiig Direc- tions und neuerdings durch die originellen, den Schiffsführern nützlicher Pilot Charts für den Nordatlantischen und Nordpazifischen Ozean, die jedej Monat erscheinen und die alsdann für normal zu betrachtenden Windrichtungen Regenfälle, Nebel- und Treibeisgebiete, Meeresströmungen und die Lage dei g Einleitung. für die Schiffahrt störenden treibenden Wracks nach den neuesten Meldungen angeben. Ähnliche Karten sind inzwischen vom Meteorologischen Amt in London und von der Deutschen Seewarte für den Nordatlantischen Ozean und das Mittelmeer veröfientlicht, von der See warte auch für Nord- und Ostsee vierteljährlich. Das Archiv in Washington enthält 3800 Schiffsjournale mit 3 200 000 Beobachtungssätzen für die Zeit bis 1888; seitdem hat die Behörde sich darauf beschränkt, nur einmal täglich Beobachtungen zur Mittagstunde (nach Green wichzeit) ausführen zu lassen, wovon 2 380000 Sätze vorliegen. Die im Archiv des Service Hydrographique im Marineministerium zu Paris an- gesammelten Schiffsjournale werden auf 3344 Nummern mit 831 000 Beob- achtungssätzen angegeben, soweit sie von Handelsfahrzeugen durch Vermitt- lung des Meteorologischen Zentralbureaus eingegangen sind; dazu kommen noch 10 688 dienstliche Schiffsjournale der Kriegsflotte, aus denen Auszüge angefertigt sind^). Die meteorologischen Zentralbureaus in Kopenhagen und Christiania sind besonders reich an Schiffstagebüchern aus den nördlichen Teilen des Atlantischen Ozeans und aus dem Nordmeer. — Eine vollständige Aufzählung der in regem Wetteifer von den verschiedenen nautischen und meteorologischen Zentralstellen herausgegebenen für die Ozeanographie wich- tigen Werke wird man hier nicht erwarten; die meisten v^rerden im Verlaufe der Darstellung am geeigneten Orte noch gebührend zu erwähnen sein. ') Die hier gegebenen statistischen Angaben verdanke ich gütigen Mitteilungen der genannten Behörden vom Herbst I90i. Erstes Kapitel. Die Meeresränme. I. Die Große des Ozeans. Als eine zusammenhängende einheitliche Wasserdecke dehnt sich das Weltmeer über fast drei Viertel der Erdoberfläche aus und umschließt die Festlandflächen ringsum : es stehen so dem einheitlichen Ozean oder „Welt- wasser" (Supan) vier große Weltinseln gegenüber, die Alte Welt, Amerika, Australien und die Antarktis. Von der Gesamtoberfläche der Erde von 509 950 000 qkm (nach Bessel) werden gewöhnlich noch gemäß Hermann Wagners frülfieren Darlegungen rund 365 500 000 qkm auf den Ozean, also 144 450 000 qkm auf das Land gerechnet, was einem Flächenverhältnis des Landes zum Meere wie 28,3 zu 71,7 Prozenten entspricht. Wagner i) hat damals (1895) angenommen, daß von den noch unbekannten Gebieten um den Nordpol (5 Millionen qkm) 1 Million, um den Südpol (von IG Mil- lionen) 9 Millionen qkm auf das Land entfallen, welche Schätzungen selbst- verständlich Irrtümer von mehreren Millionen qkm nicht ausschließen. Aber auch die Umrisse vieler Küstenlinien außerhalb der eigentlichen Polargebiete sind keineswegs genau genug bekannt, um auch für sie- einen Fehler von 100 000 qkm ganz undenkbar scheinen zu lassen. Die jüngsten Entdeckungen im Nordpolargebiet haben nun die Gesamtsumme der Landflächen nicht verändert 2). Den neu von Sverdrup gefundenen InseJ- flächen stehen Abstriche in der Größe anderer Inselgruppen gegenüber. Ich halte die Annahme Wagners von künftig noch zu entdeckenden Nord- polarländern in der Größe von einer Million qkm für übertrieben. Dagegen ist als eines der wesentlichsten Ergebnisse der im letzten Jahrzehnt aus- geführten antarktischen Expeditionen die Enthüllung ungeahnt großer Landflächen anzuerkennen. Hier sind neue Landpunkte teils gesichtet (Kaiser Wilhelms IL-, König Eduards VII.-, Coatsland), teils durch An- löten des Festlandsockels als nahebei gelegen erschlossen (Belgica); und der kontinentale Zusammenhang dieser Landpunkte darf aus den meteoro- logischen Wirkungen weiter abgeleitet werden. Den heutigen Vorstel- lungen entspräche also noch nicht einmal ein Bild, wie es Sir John Murray 1894 von einem großen antarktischen Kontinente entwarft), mit einem Festland von 9 Millionen qkm; wir haben allen Grund, mit 4 Millionen qkm ^) Beiträge zur Geophysik Bd. 2, Stuttgart 1895, S. 710 f. Vergl. weiter unten den Abschnitt über die mittleren Tiefen und das Gesamt volum des Wehmeeres. 2)Wagnerin Pet. Mitt. 1904, 56. 3) Geogr. Journal III, 1894, S. 1. g Die Größe des Ozeans. inehr Land zu rechnen. Hiernach würden wir als die zur Zeit wahrschein- lichsten Areale für das Land 148,8 Millionen und für das Meer 361,1 Millionen qkm rechnen können, was einem Flächenverhältnis wie 1 : 2,43 oder 29,2 : 70,8 entspräche. Kurz gesagt ist der Ozean inind 2^/2 mal größer, als die von ihm ein- geschlossenen Landflächen: das, ,, Antlitz" der Erde ist also überwiegend ozeanisch. Die Vorstellung von einer das bewohnbare Land begrenzenden großen und zusammenhängenden Wassermasse ist uralt und begegnet uns in den Schöpfungsyagen der meisten Kultur- und vieler Naturvölker. Naeli dem babylonischen Sehöpfungsmythus spaltet Marduk, als der Vorkämpfer der Götter, das Weltenungeheuer Tiamat und bildet aus den Teilen den Himmel und die Erde. Diese ruht in Form eines gewölbten Berges auf dem Weltmeer {apsü, dem Reiche des Gottes Ea), aus dem die Sonne morgens im Osten auftaucht, um abends im Westen darin unterzugehen. Daß hiebei dem Weltmeer, das den äußeren Ran.d des Erdberges bespült, die Gestalt eines Ringes gegeben werden kanii, liegt sehr nahe, sobald man sich der augen- fälligen Kreisform des Horizonts erinnert; in der Tat erwähnt P. Jensen die Bezeichnung ganasi, d. i. Umschließung, als Beinamen des Gottes Ea. Einen kartographischen Ausdruck empfängt, wie es scheint, diese Vorstellung erst in spätbabylonischer Zeit, wie eine von P. Haupt veröffentlichte Ton- tafelkarte des Britischen Museums erweist; darin findet sich das Ringmeer von zwei ersichtlich mit dem Zirkel geschlagenen konzentrischen Kreisen um- schrieben ^). Nach dem biblischen Schöpfungsmythus befiehlt Gott, daß sich das Wasser unterhalb des Himmels an eine m Orte sammle, damit man das Trockene sehe; darauf nannte Gott das Trockene Erde und die Sammlung des Wassers Meer. Auch in der Vorstellung der Hebräer ruht der runde Himmelshorizont auf dem Meer, das die Erdscheibe umspült ^). Im Mytlienkreise der älteren Hellenen ist 0 k e a n o s ^), der Vater der Götter und Menschen, das Band zwischen Himmel und Erde, verkörpert im Ringmeer, das den Erdkreis umfängt. Bei Homer und Hesiod ist der Okeanos ein Süßwasserstrom, der sich bei den Säulen des Herkules mit dem salzigen inneren Meere berührt; Eos und Helios tauchen im Osten aus ihm auf und im Westen wieder in ihn ein; unterirdisch durchsetzt er auch das Land, und ihm entströmen alle Quellen, Bäche, Flüsse"^). Die ionischen Geographen haben sich bemüht, dieses mythische Gebilde als einen geographischen Begriff zu fassen und den Okeanos als äußeres Meer dem inneren oder Mittelmeer gegen- überzustellen ; sie haben ihn auch kartographisch dargestellt und sein Bild mit den Beobachtungen und Erkundigungen der Seefahrer und Kaufleute in Einklang zu setzen versucht. Herodot übt strenge Kritik an diesen Vorstel- ^) P. Jensen, Kosmologie der Babylonier, Straßburg 1890, S. 250. — Hugo Winckler, Himmels- und Weltenbild der Babylonier, Leipzig 1903, 25 f. — Paul Haupt in „Über Land und Meer" 1894/95, Nr. 15 (die Tafel ist jedenfalls nicht jünger, als die biblische Beschreibung des Paradieses). — A. Jeremias, D. Alte Testam. im Lichte d. Alt. Orients, Leipzig 1906, S. 16. -') Genesis 1, 9 — 10. Die Luthersche Übersetzung ist ungenau, vergl. die Septuaginta: y.al elirev 0 (-)t6c, Xova/9"r,Tü> xö doujp 10 üTroxaxto xoö oupavoo et«; covcc.Y">'f'l^ alav etc. Als fernere Belege verdanke ich einer freundlichen Mitteilung meines Kollegen Georg Hoff mann: Jesaias 40, 22; Sprüche Sal. 8, 27; Hiob 26, 10. ^) Über die Etymologie des Wortes Okeanos vergl. den besonderen Exkurs am Ende dieser historischen Einleitimg S. 12. *) Weizsäcke r. in Rösche rs Lexikon der Griech. und Rom. Mythologie Bd. 3, 1, S. 809 ff. Auffassung der Alten von der Größe des Ozeans. 9 lungen. Daß das vom Okeanos umschlossene bewohnte Land, die Oikumene eine zirkelrunde Scheibe sei, fordert seinen Spott heraus; er vermißt jeden Be- weis für die „Umflossenheit" Europas im Westen und Norden, und nur Dichter, keine Augenzeugen wüßten von einem Ozean, der die bewohnte Erde auch im Osten begrenze. Wohl aber kennt er am Südrande der ihm bekannten Welt das Erythräische Meer, das Meer des „roten Landes" d. i. Arabiens, nach der Bezeichnung der alten Ägypter. Er weiß sogar von einer Umschiffung Afrikas im Süden zu berichten, so daß Libya eine Halbinsel sei, was auch die Karthager behaupteten. Auch nachdem die pythagoreische Philosophenschule an Stelle der Erd- scheibe die Erdkugel eingeführt hatte, blieb nach wie vor die Frage nach der Gestalt und Größe des Weltmeers im Vordergrunde des wissenschaftlichen Streites ^). Zwei Lehrmeinungen standen sich hier gegenüber. Eine, vertreten durch Plato, Eratosthenes, Krates von Mallop, Posidonius und Strabo, läßt zwei Ringmeere sich rechtwinklig auf der Erdoberfläche durchkreuzen: ein äquatoriales Gürtelmeer, und ein meridionales von Pol zu Pol. „Es ist", sagt Berger, „jenes unverwüstliche Erdbild, das eigentlich heute noch besteht in den rechtwinklig zueinander gestellten Streifenornamenten des Reichsapfels." Von der so gevierteilten Erdoberfläche (der terra quadrifida des Makrobius) bildet die Oikumene eines der beiden nordhemisphärischen Viertel, das von dem allseitig zusammenhängenden Ozean umschlossen wird, den Eratosthenes den Atlantischen nennt. Spätere Geographen lassen von ihm aus vier Busen in die Landmasse eindringen, das Mittelmeer, den Arabischen, den Persischen und (fälschlich) den Kaspischen Golf. Dem Weltmeer ist überall Ebbe und Flut eigen; an den Polen ist der meridionale Gürtelozean gefroren. Anfänglich noch nicht zu einem klaren System ausgebildet, sondern nur in lückenhaften Andeutungen (wenigstens für uns) erkennbar, ist die zweite Auffassung, die auf Aristoteles zurückzuführen scheint, bei Polybios, Hipparch und Seneca durchschimmert und dann am Ende der klassischen Zeit zu dem ganz abweichenden Weltbilde geführt hat, wie es uns Ptolemäus überliefert hat; wir wissen jetzt, daß es viel älter ist als Aristoteles, denn es ist das alt- babylonische ^). Aristoteles will zwar als richtig anerkennen, daß unsere Oiku- mene von einem einheitlichen Meer umflossen, also das Atlantische mit dem Erythräischen eines sei, aber er hält die Erde für so klein, daß man mit gün- stigem Winde leicht von den Säulen des Herkules westwärts nach Indien (r= Ostasien) segeln könne. In der späteren Literatur dringen Zweifel an der Halbinselnatur Afiikas in den Vordergrund ; und schließlich hat Ptolemäus durch eine Reihe von mißverständlichen Kombinationen Afiika da, wo es sich in höheren südlichen Breiten zur Halbinsel verschmälert, sowohl nach Westen wie auch nach Osten zu ungeheuren Kontinentalflächen erweitert. Hierbei hat er an die altbabylonische Vorstellung von der Identität der dunkelhäutigen Be- wohner (Äthiopier) Afrikas und Südostasiens und einer entsprechenden fest- ländischen Verbindung ihrer Sitze angeknüpft und so den Indischen Ozean zu einem noch ijicht 20*^ S. Br. überschreitenden Binnenmeer gemacht; als ein solches läßt er ebenso den Atlantischen Ozean den Zwischenraum zwischen dem Westen Europa-Afrikas und dem unbekannten Osten Asiens erfüllen. Wollten wir nun fragen, welche Vorstellungen die alten Geographen von der Größe der Meere hatten, so bleiben uns die Quellen eine Antwort schuldig, wie es denn überhaupt den Alten fern lag, geographische Flächengrößen zahlen- mäßig zu erfassen; sie begnügten sich mit dem Ausmessen gewisser Entfer- ^) Für dieses wie das Folgende lehne ich mich durchaus an Hugo Bergers Gesch. der wiss. Erdk. der Griechen an. ^) Zimmern und Win ekler, Die Keilinschriften und das Alte Testament, Berlin 1902, S. 115 u. 137. ]Q Die Größe des Ozeans. nungen entlang den Parallelen oder Meridianen für die Landräume. Nach Krates von Mallos, der um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Pergamum einen Globus mit der schon erwähnten Kreuzung der großen tellurischen Meeresgürtel aufstellte, sollte das Wasser den größeren Teil der Erdoberfläche einnehmen. Bei der Gegenpartei scheinen teleologische Vorstellungen zu der Überzeugung geführt zu haben, daß im allgemeinen das Land überwiegen müsse. Aus dem Bereiche der semitischen Literatur kennen wir die (später von Kolumbus so sehr geschätzte) Aussage der Apokalypse des Esra, wonach Gott am dritten Schöpfungstage die Wassermassen auf ein Siebentel der Erde beschränkt, sschs Siebentel also zu Land gemacht habe ^). Es ist bekannt, daß auf den Karten des Ptolemäus die ostwestliche Aus- dehnung des Landes stark übertrieben verzeichnet war. Da er aber nicht angibt, wie die Ostküste des asiatischen Festlands verlaufe, so haben wir nicht die Möglichkeit, das Areal seines Atlantischen Ozeans und damit das Verhältnis des Wassers und Landes auf seinem Erdbilde noch nachträglich unserseits auszumessen. Für den Indischen Ozean zeigen die modernen Rekonstruktionen, daß dieser um mehr als die Hälfte zu klein erschien, obwohl der Persische G-olf 6mal, das Rote Meer 3mal zu groß ausfallen. Daß auch die Fläche des Mittelmeeres fast auf das Doppelte der wahren vergrößert wurde, hinderte nicht, im allgemeinen zu der Vorstellung zu gelangen, daß auf seinen Karten, die nur die eine Seite der Erde deutlicher veranschaulichten, für die Süd- hemisphäre aber eine phantastische Ausdehnung riesiger Kontinente erkennen lassen, das Land eine größere Fläche einnehmen müsse, als das Wasser. Einen Fortschritt gegen dieses ptolemäische Erdbild finden wir erst bei arabischen Geographen, denen Afrika nicht eine bloße Halbinsel des hypotheti- schen Südlandes war, sondern die eine Verbindung des Indischen und Atlanti- schen Ozeans durch „eine zweite Straße von Gibraltar" in höheren südlichen Breiten annahmen. Auch wurde gegen das den Indischen Ozean so sehr ein- schränkende Südland erheblicher Widerspruch laut, der auf den Erkundungen der arabischen Seefahrer beruhte. In der westeuropäischen Welt war die mittelalterliche Literatur unter der Einwirkung des Klerus mit den kindischen Radkarten in Vorstellungen zurückgefallen, die denen der alten ionischen Geographen kaum überlegen waren. Erst infolge der Kreuzzüge und des Vordringens christlicher Missionare im 13. und 14. Jahrhundert nach Indien begann sich das Erdbild des Ptolemäus in arabischer Auffassung neu zu beleben. Das Zeitalter der großen Entdeckungen, das mit der Umschiffung Afrikas im Süden durch Diaz (1486) einsetzt und zunächst in der Durchquerung des Atlantischen Ozeans nach Westen durch Kolumbus, sodann in Magellans Erdumsegelung (1520 — 22) seine Höhepunkte erreicht , enthüllte in wenigen Jahrzehnten eine neue, westliche Erdhälfte mit gewaltigen Wasserflächen. Statt der beiden Binnenmeere, dem indischen und atlantischen, der ptole- mäischen Weltkarte, hatte man nun ein zusammenhängendes riesiges Welt- meer, und darin als drei große Inseln das alte Festland im Osten, die Neue Welt im Westen und das hypothetische Südland, um den Südpol. Daß dieses Weltmeer eine Einheit bildet, also in seinem ununterbrochenen Zusammen- hange allgemein den menschlichen Schiffsverkehr rings um die Erde ermög- liche, wurde alsbald als eine bedeutsame, den Menschen vom Schöpfer gewährte Gunst anerkannt. Über das Raumverhältnis zwischen Wasser und Land gingen aber die Meinungen im 16. und 17. Jahrhundert noch sehr auseinander. Ein Teil der Kosmpgraphen hielt an der antiken Vorstellung fest, daß das dem ^) Nach RoBenmüller wird hierb3i die Einteilung der Erdoberfläche in sieben Klimate bei den alten Hebräern erkennbar. Humboldt, Kritische Unter- auchung. I, 172. Das Arealverhältnis des Landes zum Meere 1 1 Menschen vom Schöpfer zum Wohnraum absichtsvoll überwiesene Land an Größe das Meer überwiegen müsse; Gerhard Merkator, der zu dieser Partei gehörte, hat auf seiner Weltkarte zum Ptolemäus von 1538 in zwei herzförmigen Pla^iisphären aber bezeichnenderweise, wie die Nachzählung nach Gradfeldern ergibt, dennoch unbewußt etwas mehr als die halbe Erdoberfläche dem Wasser überwiesen (56 Prozent Meer auf der ganzen Erde, 47 Prozent auf der nördlichen, 66 Prozent auf der südlichen Halbkugel, trotz eines riesigen Australlands). Auf seiner späteren großen Weltkarte in Seekartenprojektion von 1569 aber ist das Wasser fast auf das gleiche Areal wie das Land gebracht (49 Prozent der ganzen Erdoberfläche, 45 Prozent der Nord-, 52 Prozent der Südhalbkugel). In dem lebhaft genug geführten Streit hat offenbar niemand an eine wirkliche Ausmessung gedacht. Das Überwiegen der Landflächen hat sogar noch Delisle vertreten. Eine zweite Partei (Ant. Berga 1579) hatte allerdings nach dem Augenschein den richtigen Eindruck von der überragenden Größe des Welt- meers und hätte in einer Weltkarte des Gastaldi vom Jahre 1562 den exakten Beweis dafür finden können, w^o das Wasser 62 Prozent der ganzen Erdober- fläche (von der Nordhemisphäre 43, der Südhemisphäre 80 Prozent) einnimmt, da Gastaldi nur ein verhältnismäßig kleines Südland in amerikanischen Längen anerkennt. Es gab aber noch eine dritte Partei, die eine Flächengleichheit von Wasser und Land annahm, was in der Tat den damals verbreitetsten Karten und Globsn z. B. denen des Hauses Merkator, wohl am besten entsprach. In der Folge vertraten Blancanus (1620) und Bernhard Varen (1650) diese Ansicht. Gerhard Merkator selbst hat im Text zu seinem berühmten Atlas noch ein anderes Gleichgewicht, nämlich das der Landmassen auf der nördlichen und der südlichen Erdhälfte als unentbehrlich angenommen und darauf die große Ausdehnung des noch unbekannten Südlands, jener ptolemäischen Erbschaft, gegründet. Diese spekulative Ansicht hat sich dann noch fast zwei volle Jahrhunderte erhalten und ist, nachdem sie durch Abel Tasmans Erd- umsegelung einen starken Stoß erhalten, erst nach Cooks großen Reisen zögernd verschwunden. Noch der schwedische Geograph Torbern Bergman (1780), hing dieser Gleichgewichtstheorie Merkators an, und erst Kant beseitigte in seiner physikalischen Geographie die falsche mechanische Auffassung, die ihr zu Grunde liegt, nämÜch als ob der Erdball einem Schiff zu vergleichen sei, dessen eine S3ite man nicht stärker belasten dürfe, als die andere. Merk- würdig spät begegnet man Versuchen, die Areale des Landes wirklich aus- zumessen und denen des Meeres gegenüberzustellen. Nach Emil Wisotzkis ') Nachforschungen scheint der Jesuit Riccioli (1661) die erste primitive Aus- messung versucht zu haben : er fand Land zu Wasser angenähert im Verhältnis wie 40 zu 25, also nur 38 Prozent der Erdoberfläche Wasser. Da der Begriff der Flächentreue, den der große Merkator bereits in die Kartographie eingeführt hatte, alsbald wieder verloren gegangen war, mußten Schätzungen oder Mes- sungen auf den üblichen Weltkarten in Apianischem Netz notwendig unbrauch- bare Ergebnisse liefern, und nicht immer seheint man die Globusstreifen zu solchem Zwecke gebraucht zu haben. Am frühesten dürften verhältnis- mäßig genaue Areale von englischen Gelehrten ausgemessen sein; im Jahre 1742 hat ein Dr. Long, indem er die zu wenig oder gar nicht bekannten Räume jenseits der beiden Polarkreise ausschaltete, durch gesondertes Auswägen der dem Lande und dem Meere zukommenden Stücke für diesen großen Rest der Erdoberfläche ein Verhältnis des Landes zum Wasser wie 1 zu 2,81 oder wie 26 zu 74 Prozent erhalten. Noch genauer und zwar durch Aus wägen von Gradabteilungen eines Globus von 3 Fuß Durchmesser ist dann fast hundert ^) Die Verteilung von Wassar und Land an der Erdoberfläche. Diss. Königs- berg 1879. 12 Die wagrechte Gliederung des Ozeans. Jahre später Professor Rigaud ^) in Oxford (1837) vorgegangen; indem er für die unbekannten Teile im Nordpolargebiet ^/a, für das Südpolargebiet alles dem Meere zuwies, erhielt er das Verhältnis des Landes zum Wasser wie 26,6 zu 73,4 Prozent, was lange Jahrzehnte hindurch für die wissenschaftliche Erdkunde maßgebend geblieben ist. Einen Wert, der diesem sehr nahe kommt, hatte schon 1783 der braunschweigische Geograph E. A. W. Zimmermann gefunden; nachdem er die beklagenswerte Ungewißheit der vorhandenen Zahlen für die einzelnen Staaten und Erdteile festgestellt, kam er bei einer wahrscheinlichen Größe der Landflächen von 120370000 qkm und einer Ge- samtgröße der Erdoberfläche von 454 660 000 qkm zu einem Verhältnis des Landes zum Meere wie 26,5 zu 73,5 Prozent 2). Die Etymologie des Wortes Ozean^)ist zur Zeit noch nicht völlig klar. Von den klassischen Philologen wird der Name 'iiv.tav6q verschieden abgeleitet. Einige knüpfen an die Vorstellung von einem Strom an und denken an uiY.'JQ und vaco, andere setzen 'ßvceavo? = "il-^o-^riq, der Uralte, noch andere wollen im Hinblick auf die Nebenformen "ß^evo? und 'ß^^jv einen nichtgriechi- schen Ursprung annehmen; auch A. v. Humboldt hat auf eine Stelle des Phavorinus großen Wert gelegt, wonach die barbarische Herkunft des Wortes schon den Alten bewußt gewesen sei (Krit. Unters. I, 49 und 168). Hierbei wird dann auf das Hebräisch-Phönizische zurückgegangen, wo die Wurzel og = im Kreise gehen bedeuten soll (vgl. die Literatur in Roschers Lexikon der Gr. u. Rom. Mythol. Bd. 3, Abt. 1, S. 816). Mein sachverständiger Kollege Georg Hoffmann verwirft jedoch eine solche Ableitung aus sprachlichen Gründen und hält eine Erklärung des Wortes Okeanos in Verbindung mit Ogenos aus einer semitischen Sprache auch fürderhin für aussichtslos. P. Jensen (Kosmol. der Babylon. S. 251) knüpft an den bereits erwähnten Beinamen des Gottes Ea, Gana-si = „Umschließung", sarkastisch den Vorschlag für Etymo- logaster, (ü^Yiv oder «ü-^svoc; von sumerisch a = Wasser, und gan = umschließen, abzuleiten. Die vergleichende indogermanische Sprachforschung dürfte viel- leicht eher zum Erfolge führen. Nach Bietet {Les origines indo-eurof. tomeV, p. 137), B e n f e y (Gott. Gel. Anz. 1860, S. 223) und K u h n (Zsitschr. für vergl. Sprachforschung Bd. 9, 1860, S. 240; vgl. Bd. 27, 1884, S. 477) entspräche wxsavo? genau dem altindischen ä-gdyUna-s = „der umlagernde", ist also Part, praes. med. von üi-xeixai; Benfey und Kuhn finden nach den Veden darin den Begriff des die Wolkenwasser umfangenden und am Regnen hindernden Dämonen V r i t r a oder A h i , den sie dem nordischen A e g i r parallel setzen. Bietet kennt auch aus keltischen Sprachen stammverwandte Bezeichnungen des Weltmeers (irisch aigean, aigen; kymrisch eigiawn). II. Die wagrechte Gliederung des Ozeans. Die Verteilung der ozeanischen Wasserfläche um den Erdball ist sehr unregelmäßig und von jeder Symmetrie weit entfernt. Wäre das Weltmeer zu beiden Seiten des Äquators gleich verteilt, so müßte jede Halbkugel rund 181 Millionen qkm Wasser tragen. Auf der ') Transactions of the Cambridge Phil. Sog. VI, 2, 291. R. hat auch die Landseen mit Ausnahme der afrikanischen dem Meere zugezählt. ^) Über die neuere Entwicklung dieses Problems vergl. Penck, Morphol. der Erdoberfl. I, 99. ^) Das Folgende war lange niedergeschrieben, als Hugo Bergers ausgezeich- neter Beitrag über „Mythische Kosmographie der Griechen" in Roschers Lexikon der Griechischen und Römischen Mythologie, Leipzig 1904, erschien. Verteilung von Wasser und Land nach Fünfgradzonen. 13 Nordhemisphäre finden wir aber 154,9, auf der südlichen 206,2 Millionen C[km; also statt der normalen 70,8 Prozent nimmt das Meer nördlich vom Äquator nur 60,7, südlich davon aber 80,9 Prozent ein. Es sind folglich vom Ozean rund 43 Prozent nordhemisphärisch, 57 Prozent südhemisphärisch. Gehen wir auf die einzelnen Breitenzonen ein, so messen wir in Gürteln von je 50 Breite folgende Areale. Verteil ung von Wasser und Land in Fünfgradzonen. Zone Wasser j Land Wasser Land 1000 qkm 1000 qkm Prozent Prozent 90— 85«N. 1 ! 978? 9 100? 9 85—80 „ 2 583? 346? 88? 12? 80—75 „ 4 335 519 i 89.3 10.7 75—70 „ 4 170 2 570 ; 61.9 38.1 70-65 „ 2 040 6 532 1 23.8 ! 76.2 65—60 „ 1 3 291 7 042 I 31.9 i 68.1 60—55 „ j 5 522 6 490 ! 46.0 j 41.1 1 43.4 54.0 55—50 5 590 8 005 58.9 50—45 " i 0 546 8 524 56.6 45—40 „ 8 496 7 931 i 51.7 ' 56.7 48.3 40—35 10 005 7 651 43.3 35—30 l 10 775 7 974 57.5 42.5 30—25 „ 1 11717 7 982 • 59.5 40.5 25—20 13 424 7 075 65.4 i 34.6 20—15 l 14 951 6 194 70.7 29.3 15—10 „ 16 528 5 105 ■ 76.3 23.7 10—5 16 656 5 304 75.8 24.2 5—0 [ 1 17 421 4 703 78.7 21.3 0— 5'>S. li 16 782 5 342 75.8 24.2 5-10 „ 16 881 5 079 76.9 23.1 10—15 „ 17 250 4 383 79.7 20.3 15—20 , 16107 5 038 76.2 23.8 20—25 , 15 454 5 045 75.4 24.5 25—30 ,. 15 413 4 286 78.2 21.8 30—35 , 15 752 2 997 84.0 15.0 35-40, i 16 481 1175 93.3 6.7 . 40—45 „ 1 15 780 047 96.1 3.9 45—50 ' 14 728 342 97.7 2.3 50—55 ' 13 399 196 j 98.2 1.8 55_60 l 12 005 7 ! 99.9 0.1 60—65 10 291 42 99.6 0.4 65—70 ' 0 831? 1741? 79.7? 20.3? 70—75 " 3 101 ? 36 39? 46.0? 54.0? 75_80 ., — ? 4 854? ? 100? 80—85 , — ? 2 929? 9 100? 85—90 „ i — ? 979? V 100? 90— 0°N. 154 882 100 093 60.7 39.3 0— 90'^S. 206 246 48 729 80.9 19.1 Summe . . . 361 128 1 148 822 70.8 29.2 14 Die wagrechte Gliederung des Ozeans. Das mittlere Verhältnis wird also nur einmal, zwischen 15 ^ und 20 ^ N. B., erreicht; sonst sind beträchtliche Abweichungen die Regel. Stark unter ihrem Mittel bleiben die Meeresflächen in den Breiten zwischen 20^ und 75^ N.; ja in 45^ bis 70^ N. B. nimmt das Meer noch nicht die Hälfte der Zonenfläche ein und besitzt entlang dem Nordpolarkreise noch nicht 1/4 des Umfangs. Dagegen deckt es in den tropischen Breiten über 2/4 der Zonenflächen, und südlich von 35^ S. B., wo das afrikanische und australische Festland ein Ende haben, beherrscht es mehr als ^/lo, zwischen 56 ^ und 60^ S. B. aber die ganze Zonenfläche allein: in diesen Breiten kann man um die Erde segeln, ohne auch nur eine kleine Insel zu sichten. Südlich von 60^ S. B. macht sich die Nähe des antarktischen Festlands wieder geltend und polwärts von 80^ S. B. ist vielleicht über- haupt kein Meer. Während der Nordpol der Erde höchst wahrscheinlich im Meere liegt, befindet sich der Südpol also auf dem Lande. Betrachtet man die in unseren Atlanten dargestellten Planisphären der Ost- und Westhalbkugel, meist getrennt durch den Meridian von 20^ W. und 160 0 0. Grw., so zeigt sich, daß die östliche Halbkugel oder die der Alten Welt 62,1 Prozent, die westliche oder die der Neuen Welt aber 81,2 Prozent Meer enthält. Die nach Wagner zusammengestellten Arealzahlen ergeben nämlich für die genannte östliche Halbkugel 158 400 000, für die westliche 207 100 000 qkm Meeresflächen. Nach General v. Tillo^) würde das Verhältnis für die östHche Halbkugel 63,], für die westliche 83,0 Prozent werden, wobei jedoch nur der Erdraum zwischen 80 ^ N. und 70 <^ S. B. gemeint ist. Es geht hieraus hervor, daß der Westen und der Süden der Erde die größten Wasserflächen trägt, der Osten und Norden aber die Landmassen. Man kann auf einem Erdglobus einen größten Kreis so legen, daß er eine Erdhälfte mit der größtmöglichen Ausdehnung des Landes umschließt und der entgegengesetzten das Maximum an Wasserflächen zuweist. Die sogenannte Landhalbkugel hat nach den neueren Ermittlungen-) ihren Pol an der französischen Küste unweit der Loiremündung bei Groisic in 471/4^ N. B., 2^/2^ W. L., und der Grenzkreis schneidet den Meridian von Greenwich in 42^ S. B., weist Afrika und Madagaskar der Landhalb- kugel zu, geht dann zwischen den Nikobaren und Sumatra in nordöstlicher Richtung auf das asiatische Festland zu, überschreitet zunächst den Isthmus von Kräh etwa in 10 ^ N. B., verläuft quer durch Siam und Annam, halbiert die Insel Hainan von SW nach NO, streicht von Hongkong bis Futscheu über die Südostküste Chinas hinweg und schneidet die Japanischen Inseln so, daß Nagasaki noch gerade der Landhalbkugel, Tokio schon der Wasserhalbkugel zufällt; er trifft dann 180« L. in 42» N. B., weist ganz Nordamerika der Landhalbkugel zu, trifft die Albemarie-Insel der Galä- pagosgruppe und erreicht das südamerikanische Festland bei Arica, um es zwischen Pto. Alegre und Pelotas zu verlassen. Auf der so umschlossenen Landhalbkugel sind 120 500 000 qkm Land und 134 480 000 qkm Wasser, d. h. es überwiegt auch auf ihr noch das Wasser mit 52,7 Prozent. Dagegen herrscht auf der sogenannten Wasserhalbkugel, deren Pol südösthch von ^) Pet. Mitt. 1895, S. 97 (Areale nach Meridianstreifen). 2) H. Beythien, eine n€ue Berechnung des Pols der Landhalbkugel. Diss. Kiel 1898. Die Methode habe ich in Peterm. Mitt. 1898, S. 106 angegeben. Die Land- und Wasserhalbkugeln. 15 Neuseeland in 47^/4^ S. B. und 177^/2 ^ 0. L. liegt, die Meeresfläche so über- wältigend, daß ihr volle 230 GOO 000 qkm, also 90,5 Prozent zukommen, gegenüber der kleinen Landfläche von nur 24 400 000 qkm , die also un- gefähr dem Erdteil Nordamerika einschließlich Grönland gleichkommt. — Der Begrifl der Land- und Wasserhalbkugel, der um die Mitte des 18. Jahrhunderts bei den französischen Geographen mehrfach erwähnt wird, scheint zuerst von Philippe Buache (1746) in die Wissenschaft ein- geführt zu sein. Karl Ritter hat seine Bedeutung besonders hoch ein- geschätzt, er nennt diesen „Gegensatz einer vorherrschend tellurischen und maritimen Seite des Erdballs" einmal „den größten und wichtigsten, den wir nächst dem klimatischen des Nordens und Südens auf der Erde kennen". Für die unregelmäßige Erstreckung des Weltmeers auf der Erdober- fläche ist die Anordnung des festen Landes entscheidend, denn wie alles Flüssige, ist auch der Ozean mit seiner Gestalt von der seines Gefäßes abhängig. Hier ist nur zunächst bedeutsam, daß sich vier große Weltinseln oder Kontinente aus dem Meeresspiegel herausheben und sowohl durch ihre geschlossenen Flächen, Vv^ie durch die ihnen zuzurechnenden Inselzüge dem Ozean eine deutliche Gliederung erteilen. Die Betrachtung des Globus zeigt uns, wie sich aus der allgemeinen Meeresbedeckung der größte Teil abgliedert: der zwischen Amerika im Osten, Asien und Australien im Westen, der Beringstraße im Norden und den vereisten Küsten der Ant- arktis im Süden in fast kreisförmiger Gestalt hingelagerte Pazifische Ozean unserer Karten. Der Globus oder auch eine Karte der Landhalb- kugel ergibt weiter, daß sich der Atlantische Ozean in S-förmiger Krüm- mung zwischen der Westküste der Alten Welt und der Ostküste Amerikas dahin erstreckt, im Norden über den Pol hinweg reichend bis zur Bering- straße, im Süden wieder begrenzt durch die Küsten des antarktischen Landes. Zwischen Ostafrika, Südasien und" Australien liegt dann wesent- lich südhemisphärisch der Indische Ozean. Alle drei Ozeane hängen in den höheren südlichen Breiten zusammen : der Atlantische mit dem Pazifischen in der noch nicht 1000 km breiten Drake- oder Kaphornstraße, im Osten mit dem Indischen zwischen dem Nadelkap Afrikas und dem Enderbyland in einer Breite von 3500 km; der Atlantische mißt dabei selbst in seiner Längenachse vom Weddellmeer über den Nordpol bis zur Be- ringstraße mehr als 20 000 km. Auch der Zusammenhang zwischen dem Indischen und Pazifischen Ozean südlich von Australien beträgt von der Südspitze Tasmaniens bis zum Wilkesland 2500 km gegenüber einer gesamten meridionalen Erstreckung des Indischen Ozeans von 10 000 km und des Pazifischen von 15 000 km. Wesentlich um die relativ geringe Ausdehnung dieser Verbindungstore im Verhältnis zur gesamten Landumrahmung zu verdeutlichen, ist die beigegebene Kartenskizze in Steinhausers Sternprojektion mit dem Südpol im Zentrum entworfen worden {Fig. 2). Das irdische Weltmeer ist also zwar eines und in ungetrenntem Zu- sammenhang, läßt aber eine Gliederung in drei Weltmeerteile erkennen, die wir in diesem Buche den Atlantischen, Indischen und Pazifischen Ozean nennen und in den höheren Südbreiten gegeneinander durch den Meridian des Nadelkaps (20 ^ 0. L.), des Südkaps von Tasmanien 16 Die wagrechte Gliederung des Ozeans, (147^ 0. L.) und die kürzeste Verbindungslinie zwischen dem Kap Hörn und der Nordspitze von Louis Philippsland (63« 5' S. B., 57^ 0' W. L.) abgrenzen. Methodologisch wird häufig übersehen, daß es sich bei der Ausscheidung der drei Ozeane nicht um eine Operation handelt, wie bei der Aufstellung der vier Kontinente der Alten Welt, Amerikas, Australiens und der Antarktis, sondern wie bei der Zerlegung dieser Kontinente in einzelne Erd teile, also wie bei der Scheidung von Nord- und Südamerika, oder von Afrika, Asien und Europa. Diese fünf Erdteile sind Objekte von ähnlicher Ordnung, wie die drei Fig. 2. Südpolaransicht der Erde nach Steinhausers Sternprojektion. Ozeane. Am ähnlichsten ist wohl das Problem einer Abtrennung Europas vom Kontinent der Alten Welt, wo die geschichtliche Entwicklung zu dem bekannten rein konventionellen Verfahren geführt hat. So kann es zwischen den drei großen Weltmeerteilen auf der südlichen Hemisphäre jenseits der genannten Erdteilspitzen bis zum Antarktisland hin auch nur konventionelle Grenzen geben. Dem richtigen Erfassen der natürlichen Gliederung der irdischen Meeres- decke stellen sich leider allerhand äußere Schwierigkeiten entgegen. Zunächst die Gepflogenheit vieler Kartographen, das antarktische Land nur in Gestalt schmaler Inselreihen einzuzeichnen und das unerforschte Hinterland als Meeres- fläche zu kolorieren. Die Globen werden immer so montiert, daß der Nordpol oben, der Südpol unten, also dem Beschauer entzogen ist; man muß den Globus von seiner Achse abschrauben, um den richtigen Eindruck zu gewinnen, und das scheint manchem wohl lästig. Drittens werden die Südpolarkarten hoch- Abgrenzung eines sogenannten Südozeans. 17 stens bis 30*^ S. B. hinab entworfen und erwecken dann, namentlich wenn, wie bemerkt, auch (Jas antarktische Land unterdrückt wird, den täuschenden Eindruck eines breiten Ring- oder Scheibenmeeres um den Südpol herum. Wenn endlich Weltkarten in Merkators Projektion einmal bis 80° oder 85° S. B. gezeichnet werden, so ist durch die bekannte Arealverzerrung in den hohen Breiten der Eindruck erst recht unabweisbar, als ob man es dort mit einem gewaltigen „Südozean "zu tun habe. Ist doch auf Netzen dieser Art der schein- bare Abstand Afrikas vom Enderbyland (in Wahrheit 3500 km) ebenso groß wie vom Nadelkap zum K. Guardafui (in Wahrheit 6500 km) oder wi(; von St. Helena nach Gibraltar (6000 km). Die Kaphornstraße erscheint so breit, als ob ihr '/4 des Abstands zwischen Liberia und K. Roque (2850 km) zukämen (statt nicht ganz 1000 km), und ähnliche Täuschungen mehr. Diesen Eindrücken sind nun leider sonst sehr aufmerksame und unbefangene Beobachter des Erdbildes verfallen. Friedrich R a t z e P) findet die Abgrenzung durch die genannten Grenz- meridiane „gewaltsam", dagegen die Einschaltung eines besonderen Südmeers außerhalb der anderen drei Ozeane „der Natur weit mehr entsprechend". Aber nicht eine Grenzlinie durch die Südspitzen der drei Erdteile der südlichen Halbkugel sollte dieses Südmeer nach N abschließen, sondern der 40.° S. B., der den landärmsten Erdgürtel äquatorwärts begrenzt und damit auch die Nord- grenze der Zone des ozeanischen Klimas (die 10° -Isotherme des wärmsten Monats) und der reinsten Ausbildung ozeanischer Bewegungen bildet. Nament- lich auf „die große Westwindtrift, die in diesen Breiten die ganze Erde um'vvir- belt, die überhaupt allein steht", legt er besonderes Gewicht, wie denn auch der 40.° S. B. ein einziges antarktisches Lebensgebiet umschließt. In dieser Weise wird für Ratzel der Südozean „eine Ft)rderung der Wissenschaft". Auch Alexander S u p a n ^) ist einem durch die loxodromischen Linien zwischen den drei Vorgebirgen nordwärts begrenzten ,.Antarktischen Ozean" geneigt, dem einzigen Meere, das ohne kontinentale Schranken und wahrschein- lich nur von kleineren Inseln unterbrochen, die ganze Erde umgibt, er ist der zirkumterrane Ozean im Gegensatze zu den interkontinentalen. G. V. Boguslawski^) empfahl als Grenze eines Südozeans 55° S. B., also den Parallel von Kap Hörn, und war, obschon nicht ohne Zögern und Be- denken, geneigt, die aus dieser Zone entspringende' große Kaltwasserbewegung, die die Tiefen der drei Ozeane beherrsche und auch die Temperaturverteilung und Strömungen in niederen Breiten stark beeinflusse, als ein Merkmal hin- zustellen, das dem Südozean eine selbständige Stellung neben dem Atlantisehen, Indischen und Pazifischen gewährleiste. Sir John Herschel^) w^oUte einen solchen Südozean durch die größten Kreise abgrenzen, die die Südspitzen der südlichen Erdteile verbinden, was aber, wie der Versuch zeigt, den Pazifischen Ozean bis 76°, den Atlantischen bis 57°, den Indischen bis 62° S. hinauf führen müßte. Andere haben an die Abgrenzung durch Loxodromen gedacht, d. h. gradlinige Verbindungen der genannten Südspitzen a\if Karten in Merkators Projektion 5). Ich glaube, daß ein Blick auf eine Karte der Südhemisphäre, die dem antarktischen Festland sein kürzlich neu bestätigtes Recht gewährt, allen diesen Auffassungen den Boden entziehen muß, sobald es sich um die Einteilung des ') Die Erde und das Leben, I, S. 266. ^) Physische Erdkunde, 3. Aufl., Leipzig 1903, S. 28. ^) Ozeanographie, erste Aufl. 1885, Bd. 1, S. 16. ^) Physical Geography of the Globe, 5. ed. Edinburgh 1875, p. 43. ^) Vergl. Näheres über diese Auffassungen nach Malte Brun (1803) und Keu^chlc .(1869) in meinem Versuch einer vergl. Morpholegie der Meeresräume, Leipzig 1879, S. 12 f. Krüramel, Ozeanographie. I. 2 18 Die wagreclite Gliederung des Ozeans. irdischen Weltmeers nach seiner äußeren Gestaltung handelt. Was die Eigen- schaften des Meerwassers und die davon abhängigen klimatischen, biologischen oder verkehrsgeographischen Wirkungen anlangt, so führen derartige ver- schiedene Anforderungen auch jedesmal zu einer abweichenden Einteilung der Meeresdocke, und ,.gewaltsam", ja ganz vergeblich wäre es in Wahrheit, eine Einteilung fbiden zu wollen, die allen diesen Ansprüchen genügte. Denn, um juir eijies herauszugreifen, einem kühlen „Südozean" stünde not- wendig ein gewaltiger Tropenozean gegenüber, der von der Ostküste Afrikas nach Osten hin bis zur Westküste Amerikas reicht und eine P|'2mal größere Fläclie beherrscht, und andere, immer zonenartige Gebilde^ ließen sich dem anfügen. Die erwähnten drei Südspitzeii, von denen die Grenzmeridiane ausgehen, haben folgende genauere Lage: Kap Hörn: DÖ' 59' i 5. B. 67^ 16'W. L. Nadelkap : 34:' 50' 20° Ol' 0. L. Südkap Tasm.: ; 4'3« 39' „ 146° 53' 0. L. Gewöhnlich werden aber als Grenzmeridiane 67 '^ W. und 20^ und 147*^ 0. L. gerechnet. Zur Abgrenzung der drei Ozeane sind sie zuerst wohl von F 1 e u- r i e u und nach ihm mehrfach auch in untergeordneten Handbüchern benutzt und so auch von einer Kommission der Kgl. Geographischen -Gesellschaft in London vorgeschlagen w^orden, die unter Sir Roderick Murchisons Vorsitz am 24. Januar 1845 getagt hat. Ihr war der Auftrag geworden, die damals sehr verwirrte Abgrenzung der Ozeane zu beseitigen und passende Namen vorzuschlagen. Ihr Beschluß ist aber erst 48 Jahre später seinem Wortlaute nach bekannt geworden ^); er ging dahin, neben einem Atlantischen, Indischen und Pazifischen Ozean noch einen Arktischen und Antarktischen Ozean, beide innerhalb der betreffenden Polarkreise, aufzustellen ^). Als Grenzen des At- lantischen Ozeans gibt das Protokoll: im N. den nördlichen, im S den südlichen Polarkreis, im W. die Küste Amerikas bis K. Hörn und dann verlängert dessen Meiidiaii bis zum Südpolarkreis, im 0. die Küste Europas und Afrikas bis zum Nadelkap und von da entlang dem Meridian dieses Kaps bis zum Polarkreis. Der Indische Ozean soll sich erstrecke}i von Indien und Persien im N. bis zum Südpolarkreis im S., seine Westgrenze bilden die Küsten Arabiens und Afrikas bis zum Nadelkap und dessen Meridian bis zum Südpolarkreis, die Ostgrenze liegt an der AVestküste von Birma, Malaka, Sumatra, Java, Timor, Australien bis zum HÜdlichsteji Punkte von Van Diemens Land (Tasmania) und dann im Meridian dieses Punktes bis zum Südpolarkreis. Der Pazifische Ozean soll sich erstrecken vom Nordpolarkreise im N. bis zum Südpolarkreise im S., seine Webtgrenze gibt die Ostküste von Asien, die Ostküste von Sumatra, die Nord- küste von Java, Flores und Timor, sowie die Küste Australiens von der Mel- villeinsel rundherum bis zum südlichsten Punkte von Van Diemens Land und sodann dessen Meridian bis zum Polarkreise, während die Ostgrenze gegeben ist in der Westküste von Amerika und den Meridian des Kap Hörn bis zum Südpolarkreis. Die Kommission beschloß ferner, den Atlantischen und Indi- schen Ozean weiter in drei Teile zu teilen, einen nördlichen, südlichen und inteltropischen, während der Indische imr einen intertropischen und südlichen enthält. — Hier sind also die Polarkreise als Grenzlinien erster Ordnung, die Wendekreise als solche zweiter Ordnung eingeführt. Von diesen Vorschlägen^ . ■ ') (Jeogr. Journal I, 1893, S. 535 f. -) Diese Grenzen hat bereits Albr. v. Roon, Grundzüge der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 2. Aufl., Berlin 1837, Bd. 1, S. 36, nur nennt er statt des tas- manischen Meridians den des Kap Leeuwin. Abgrenzung und Namen der drei Ozeane. 19 die August Petermann ^) zuerst in die Kartographie eingeführt hat, haben sich die auf die Unterteilung nach den Wendekreisen gerichteten niclit weiter Bahn gebrochen, sie sind mit Recht der Vergessenheit verfallen. Dagegen sind die beiden Polarkreise und die drei Grenzmeridiane allgemein angenommen worden, so daß die Einteilung des Weltmeers in fünf Ozeane als geradezu offiziell galt. Wie das australische Inselmeer von der Kommission mit Recht zum Pazifischen Gebiet gerechnet wurde, so hätte sie besser auch den ganzen Arktischen Ozean zum Atlantischen zählen sollen, der jenen an Fläche fast siebenmal übertrifft; und an Stelle des offenbar nur durch einen Kompromiß zwischen Unkenntnis und Schüchternheit zur Grenze erhobenen Südpolarkreises hätten schon damals die Küsten des von Ross neu erweckten antarktischen Festlands aufgestellt und auf einen besonderen Antarktischen Ozean verzichtet werden sollen. Dieses geschieht nun in diesem Werke, wobei wir freilich eine jederzeit mit größter Schärfe niederzulegende Grenze wie den Polarkreis mit einer zum großen Teil noch hypothetischen vertauschen. Aber niemand ist es eingefallen, wegen der noch unvollkommenen Kenntnis der arktischen Teile Amerikas und besonders Grönlands den Polarkreis als Nordgrenze des Festlands von Amerika einzuführen; man begnügt sich noch heute schlecht und recht mit angenäherten Arealzahlen für den Erdteil Nordamerika, indem man erwartet, daß sie mit der Zeit immer mehr verschärft werden mögen. In gleicher Hoff- nung sind wir für die antarktischen Südgrenzen des Weltmeers und seiner drei Hauptteile verfahren. Was die drei Grenzmeridiane betrifft, so habe ich den des Kap Hörn ersetzt durch die kürzeste Linie, die sich über die Kap-Hornstraße ziehen läßt, während die beiden anderen bestehen geblieben sind. Dem gegenüber hat man wohl angeregt, von der Betrachtung der bloßen Meeresoberfläche ab- zusehen und aus der Tiefengestaltung der südhemisphärischen Meeresbecken natürliche submarine Grenzscheiden dort aufzusuchen, wo die drei Ozeane frei zusammenfließen. Es ist ja nicht absolut unmöglich, daß künftig einmal enger gestellte Lotungen uns unterseeische Bodenschwellen enthüllen, die sich zu diesem Zwecke eignen; aber das Wenige, was wir zur Zeit von den Tiefen jener Regionen wissen, ist nur geeignet, die Hoffnungen in dieser Rich- tung 1;ief herabzustimmen. Hierauf ist übrigens später noch zurückzukommen. Die Namen der Ozeane, wie sie die Londoner Kommission im Jahre 1845 eingeführt hat, waren nicht immer in unbestrittener Geltung'^). Als Mare AÜanticum ist noch auf der 1507 erschienenen Weltkarte des Waldseemüller nur das enge und ursprüngliche Gebiet zwischen den Kanarischen Inseln und der Straße von Gibraltar benannt, und noch 1540 hat Sebastian Münster in seiner Ausgabe des Ptolemäus den jetzigen Atlantischen Ozean ganz im Sinne der Alten einfach als Oceanus occidentalis dem 0. orientalis (dem Indischen) gegenübergestellt; ähnlich Gastaldi 1562, während Waldsee- müller 1507 einen Oceanus Indiens meridioncdis neben einem Oc. orientalis indicus (gleich dem Pazifischen) nennt. Münster hat auch auf der Weltkarte seiner Kosmographie (1555) zwar zum ersten Male ein magellanisches Mare Pacijicum und ein M. Indicum im heutigen Sinne gebraucht, aber für den ^) The Atlas of Physical Geography, London 1850, Taf. 4/5. Petermann macht dazu die kritische Bemerkung, daß ihni der 60. Parallel besser geeignet erscheine, als die Polarkreise, nicht nur wegen der ungefähren Übereinstimmung mit der Pack- eisgrenze, sondern auch, weil die beiden Polarmeere sonst neben den drei Ozeanen allzu klein dastünden. 2) Zum folgenden vergl. meinen Versuch einer vergl. Morphologie der Meeres- räume, Kap. 1 und Nordenskiölds Atlanten. 20 I^iß wagrechte Gliederung des Ozeans. Nordatlantischen Ozean ist er doch beim Oceanus occidentalis geblieben, und nur den Teil südwestlich vom heutigen Liberia hat er als Sinus AÜanticus bL'zeichnet, während er den südatlantischen Mare Aethiopicum nennt. Erst G^'rhard Merkator hat auf seiner Weltkarte in usum navigantimn vom Jahr 1569 den ptolemäischen 0. occidentalis ersetzt durch 0. AÜanticus^ womit er also nur den nordäquatorialen Teil meinte; der südatlantische heißt auch bei ihm 0. Aethiopicus. Bezeichnend für die Gleichgültigkeit jener Zeit gegenüber solchen Fragen aber bleibt doch, daß diese Nomenklatur nicht einmal bei seijien eigenen Söhnen und Enkebi Anklang gefunden hat. Denn Michael Merkator im berühmten ersten Atlas (1595) nennt nur den Meeresteil nordöst- lich von einer Linie, die Neufundland mit den Kapverden verbindet, 0. At- lanticus, den Rest aber Mar dd Nort. Nachdem nämlich Baiboa am 25. Sept. 1513, die Landenge von Panama übersteigend, das lang ersehnte Meer süd- wärts zu seinen Füßen erblickt hatte, erscheint als Gegenstück zu dieser Südsee auf den Karten alsbald ein Mar del Norte, teils für den Bereich des nordatlanti- schen, teils für den des ganzen atlantischen Gebiets. Es ist bekannt, daß diese Antithese noch heute in den Ortsnamen zweier Hafenstädte von Nicaragua fortlebt: San Juan del Norte (Greytown) an der karibischen und San Juan del Sur {das 20' nördlicher liegt) an der pazifischen Küste. Erst Bernhard Varen (1650) faßt den Begriff des Atlantischen Ozeans in dem modernen Sinne, als das Meer zwischen den Westküsten der Alten und Ostküsten der Neuen Welt, und zerlegt ihn durch den Äquator in einen nord- und einen südatlantischen Teil. Aber es sind ihm darin nur wenige Geographen gefolgt, denn Guilleaume Delisle hat noch 1714 einem Mer du Nord den Vorzug gegeben, und Philippe Buache (1752) kehrte sogar zu einem ptolemäischen Ocean zurück, mit aus- drücklicher Beschränkung dieses Namens auf unseren Atlantischen Ozean. Auch D'Alembert konnte noch in der Encyclopedie frangaise sagen, daß der Name Atlantisch veraltet und nur La Mer du Nord angemessen sei, wie auch Kant einmal vom „Meere del hört bei den Kapverdischen Inseln" spricht. Erst Ciaret Fleurieu (1797) faßte den Atlantischen Ozean wieder so wie Varen, und ihm hat sich anscheinend die .Londoner Kommission angeschlossen, wie denn auch Fleurieu zuerst die Polarkreise als Grenzen für ein arktisches und antarktisches Eismeer vorgeschlagen hat. Neben dem Mar del Sur des Baiboa findet sich das Mar Pacifico des Magellaji, das er 1521 in hunderttägiger ungestörter Fahrt durchmessen, auf den Karten des 16. Jahrhunderts, und zwar beide zusammen in friedlichem Nebeneinander. Bei Münster, Ortelius und G. Merkator erscheint ein Mar Pacifico sei es unmittelbar westlich von der Magellanstraße, oder südlich vom Wendekreise des Steinbocks bis zu den Küsten des mythischen Austral- landes hin, während der Rest Mar del Sur heißt. Für Varen sind zwar beide Namen an sich gleichbedeutend, er zieht seinerseits aber Mare Pacificum vor und begrenzt es durch Amerika im Osten und die Küsten Asiens bis nach den indischen Inseln hin im Westen; auch hierin hat er wie beim atlantischen Namen den endlichen Erfolg auf seiner Seite gehabt. G. Delisles Karten haben wieder nur ein Mer du Sud, seltener ein Mer du Sud ou Pacifique, einige Male auch La Grande Mer du Sud für das ganze pazifische Gebiet im heutigen Sinne. Buache aber gebraucht dafür zuerst den Namen La Grande Mer, da ihm beide ältere Bezeich- nungen unpassend erscheinen; und nur als eine seiner Unterabteilungen, ab- gegrenzt durch hypothetische Seegebirge, läßt er zwischen den Wendekreisen ein Mer du Sud bestehen. Fleurie-«^ wieder, der keinerlei antarktisches Land anerkannte und auch Australien nur als inselartige Abgliederung Asiens be- trachtete, wollte die ganze große Wassermasse von der Westküste Amerikas quer über den Südpol hinüber bis an die Ostküste Afrikas als ein einziges Meer betrachten, dem er den Namen Grand-Ocean vorbehielt (man vgl. hiezu unsere Karte Fig. 2, S. 16 und dmke sich die Antarktis gelöscht). Aber das Namen der Ozeane. 21 hinderte Malte-Brun nicht, einige Jahre später (1803) statt des Pazifischen Ozeans den antiken Ocean orienial wieder aufleben zu lassen. Die Londoner Kommission hat sich für das magellanische Mar Pacifico entschieden und ist mit langsam steigendem Erfolge damit durchgedrungen. Die deutsche Literatur hat nach Humboldts Beispiel lange Zeit recht zähe an Baiboas Südsee fest- gehalten, und die deutschen Seeleute der älteren Generation, die einst auf der Fahrt nach den Sandwichinseln oder mit dem Walfang in der Beringsee be- schäftigt waren, nennen sich noch heute Südseefahrer. Die deutsche See warte gebraucht für ihr Segelhandbuch und den dazu gehörenden Atlas den Namen Stiller Ozean, während die deutschen Schulbücher und Schulatlanten meist „der Große oder Stille Ozean" schreiben. Es hat nicht den Anschein, als ob in der seemännischen Welt der pazifische Name, und zwar in dieser romanischen Form, durch irgend einen anderen verdrängt werden würde; für uns hat er den bequemen Vorzug vor Stiller Ozean, Adjektivbildungen, wie nordpazifisch u. s. f. zuzulassen . Der Name des Indischen Ozeans (so Ptolemäus) hat von allen am wenigsten geschwankt; aber erwähnt sei, daß Varen ihn nur als einen Teil seines Oceanus Australis, nordwärts vom hypothetischen großen Südland, anerkannte, während Fleurieu ihn in seinen Grand-Ocean aufgehen ließ. — Die etwa seit zwanzig Jahren, wesentlich unter Führung schriftstellernder Marineoffiziere und seefahrender Zeitungsreporter, in die deutsche Tages- literatur eingedrungenen Schreibweisen der oder die Atlantik, Pazifik, Indik ^'md wiegen ihrer undeutschen Endungen zu verwerfen, und man kann nur aufs schmerzlichste bedauern, daß zahlreiche hervorragende Vertreter der deutschen Wissenschaft (Eichthofen, Boguslaw^ski, Günther, Penck, Walther u. a.) dieser sprachUchen Unsitte so willig nachgegeben haben. Ratzeis feines Sprachgefühl hat sich um so energischer dagegen aufgelehnt. Aus dem praktischen Bedürfnis der Seefahrer heraus sind für einzelne wenig oder gar nicht abgegliederte Teile der Ozeane noch besondere Namen in Zusammensetzung mit -Meer oder -See aufgekommen, deren hier noch kurz gedacht sein mag, soweit wir sie im folgenden öfter gebraucheji werden. Unsere deutschen Seeleute verstehen unter der Spanischen See das westwärts von der Iberischen Halbinsel bis zu den Azoren und südwärts bis zu den Ka- narischen Inseln liegende Meeresgebiet. Die Sargassosee nennt man das in dem Räume von den Azoren nach den Bahamainseln zwischen 35^ und 20° N. B. sich erstreckende Gebiet, worin die treibenden Tange häufig angetroffen werden. Im Indischen Ozean heißt das A r a b i s c h e M e e r der busen artig zwischen Arabien und Vorderindien nordwärts eindringende Teil, der bei den Alten auch wohl Meer des Hippalus genannt wurde, wobei zweifelhaft bleibt, ob wir (nach Plinius 6,100) den Hippalus für eine örtliche Bezeichnung des Südwestmonsuns oder für den Namen eines angeblichen griechischen Seemanns und Entdeckers des Monsuns nehmen wollen. — Nach Personen- namen benannt sind übrigens: das Barentsmeer westlich von Nowaja Semlja; dieBeaufortsee nördlich, von Alaska nach dem britischen Polar- fahrer Sir F. Beaufort; die Irmingersee zwischen Island und Grönland (Farvel) nach dem dänischen Ozeanographen Admiral Irminger; und in den hohen Südbreiten das W e d d e 1 1 m e e r östlich von Grahamland und das Rossmeer östlich von Süd-Viktorialand nach den bekannten Entdeckern. m. Die Einteilung der Meeresräume. Aufgabe der allgemeinen Geographie ist es, die an der Erdoberfläche erkennbaren Objekte in verschiedene Kategorieen , Formenklassen oder Erscheinungstypen einzuordnen. Die geographischen Klassifikationen 22 I^ie Einteilung der ]Meeresräume. haben gegenüber denen der beschreibenden Naturwissenschaften mit dem großen Nachteil zu kämpfen, daß ihre Objekte in der Natur an Zahl be- grenzt und die einzelnen in ihrer Gestaltung stark individualisiert sind. Die geographischen Objekte sind noch nicht einmal den mono typen Orga- nismen vergleichbar, denn beispielsweise ist das Schnabeltier in Australien in vielen Tausenden von Individuen vorhanden. Auf der Erdoberfläche aber sind Gebilde, wie die Insel Madagaskar oder die Alpen oder das Mittel- ländische Meer nur einmal in einem Individuum vorhanden. Es können also auch, was an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden soll, die Prinzipien der systematischen Zoologie oder Botanik, die zu einem natür- lichen System der Tier- und Pflanzenformen führen, keine Anwendung finden und die Geographie muß hier ihre eigenen Wege gehen. Die geschicht- liche Entwicklung der Formenlehre der Erdoberfläche hat denn auch gezeigt, daß ein natürliches System im Sinne der beschreibenden Natur- wissenschaften für sie nicht erreichbar ist, daß man vielmehr, je nach dem Prinzip der Einteilung, verschiedene Systeme nebeneinander haben und dulden kann, deren jedes sich in gewisser Hinsicht berechtigt erweist und die anderen nicht ausschließt. Die Merkmale, nach denen sich die geo- graphische Klassifikation bei ihren Einteilungen richtet, sind in erster Reihe: die Lage, die Größe, die Gestalt, das Material und, wo es sich um Flüssiges handelt, auch die Bewegungen, endlich die Entstehung der betreftenden Gestalten oder Prozesse; in zweiter Reihe die akzidentellen Merkmale klimatologischer, biogeographischer und anthropogeographischer Art. Wenn sich dabei in einigen Fällen zeigt, daß gewisse große Kate- gorieen, auch wenn man die Objekte nach zwar wesentUchen, aber jedes- mal anderen Merkmalen ordnet, in den verschiedenen Systemen immer wiederkehren, so kommt man einem, wenn auch fragmentarischen, natür- lichen System ziemlich nahe. Auch die Meeresdecke der Erde fordert zu solcher Klassifikation auf, aber es handelt sich bei ihr vornehmlich darum, gewisse Ähnlichkeiten aufzusuchen unter den natürlichen Gliederungen der Wassermassen, die sich bald durch den unregelmäßigen Verlauf der Küsteniinien, bald durch Einlagerung von Inselreihen ergeben. Diese Glieder gehören nun der gleichen Formenordnung an, wie die Halbinseln der Erdteile oder, nach Wilhelm Prechts^) präziser Terminologie, den Vorländern, die die End- länder und Halbinseln umfassen. Die den Inseln analogen wassererfüllten Gebilde fallen nicht in den Bereich der Meereskunde, denn nur was an Wasserflächen mit dem Ozean in gleichem Niveau zusammenfließt, gehört zum Weltmeer, die abgeschlossenen Wasserexklaven, seien sie über dem Meeresspiegel gelegen und dann meist zu ihm abströmend, oder darunter ge- legen und dann stets abflußlos, gehören als Landseen dem Festlande an; sie werden von der Wissenschaft der Seenkunde oder Limnologie behandelt 2). Wie einst Karl Ritter in der großen Gestaltung der Festlandmassen den Gegensatz zwischen Rumpf und Gliedern zuerst in seiner rechten Be- deutung erfaßte, so ist ihm auch der Gegensatz nicht entgangen zwischen den freien, offenen ozeanischen Riesenflächen der südlichen Wasser weit ^) Untersuchungen über horizontale Gliederung. Weimar 1889. 2) F. A. Forel, Handbuch der Seenkunde. Stuttgart 1901. Ozeane und Xebenmeere. 23 und den eingeengten Wasserbehältern im Bereiche der Landhalbkugel, die man Meerengen, Straßen, Buchten, Golfe, Mittelländische Meere nenne, wie das Nordeismeer und den nördlichen iVtlantischen Ozean, die er bei aller ihrer Größe als eingeschlossene Mittelmeere, als kontinental betrachtete, als Gebilde, die man nicht den Ozeanen ganz gleichstelle!) dürfe, die man vielmehr als zweierlei Klassen auseinander halten müsse und zwar wegen der aus ihrer räumlichen Stellung hervorgehenden Diffe- renzierung ihrer Eigenschaften, namentlich in Hinsicht auf das, was den Gewässern ihr Leben gibt, auf die Bewegung, worunter er vornehmlich das verschiedene Verhalten gegenüber den Gezeiten verstand ^). Wir nennen, einen Ausdruck von Reuschle^) aufnehmend, diese von den Ozeanmassen sich abgliedernden, in die Festlandßächen mehr oder weniger tief eindringenden Meeresteile N e b e n m e e r e , und fassen sie als unselbständige Gebilde auf gegenüber den allein in ihrer Ozea- nität selbständigen großen Ozeanen. Das Verzeichnis dieser Nebenmeere ist nicht groß. Im Atlantischen Gebiet haben wir zunächst das Mittelländische Meer, das Ärmelmcer und die Irisch- Schottische See, die Nordsee und Ostsee; sodann aber ist auch das nördliche Eismeer von den Färöer an über den Pol bis ziu ßering- straße hin eine deutliche Abgliederung des Atlantischen Ozeans. Ferner kommen hinzu die Hudsonbai, der St. Lorenzgolf und das Karil.isch- Mexikanische Meer. Im Indischen Gebiet finden sich: das Rote Meer, der Persische Golf und das Andamanische Meer östlich von der Inselreihe der Andamanon und Nikobaren. Im pazifischen Gebiet haben wir das reich gegliederte Inselmeer zwischen Asien und Australien, die chinesische Ostsee landwärts von den Liukiuinseln , das Japanische Meer, den Ochotskischen Busen und das Beringmeer, ferner den Kalifornischen Golf und die zwischen Tasmanien und dem südlichen Australien gelegene Baßstraße. Ob sich nicht auch im antarktischen Gebiet künftig einmal Abglinde- rungen von Nebenmeeren entschleiern werden, muß einstweilen dahin- gestellt bleiben; fast könnte man versucht sein, eine solche z\\äschen Viktorialand und König Eduard VII. Land zu vermuten. In den aufgezählten Fällen sind es immer Meeresverengerungen zwischen großen Festlandflächen, Halbinseln oder Inseln, einzelnen wie' geketteten, die die natürliche Abgliederung der Nebenmeere von den offenen Ozeanen unserem Auge als möglich erscheinen lassen. Außer diesen Nebenmeeren hat man seit alters unterschieden die offenen Golfe, Buchten und Baien, die an Ozeanen wie an Nebenmeeren in großer Zahl und in der verschiedensten Größe. zu finden sind: meis^ ist ihre Abgliederung ungenügend, und damit eine Abgrenzung gegen dei Nachbar- oder Rumpfozean schwierig, teils sind sie auch so klein und S' wenig ozeanisch (wie die Küstenseen, Haffe und Hafenbecken), daß si«. ') Abhandl. der Kgl. Akad. der Wiss., Berlin 1826. Ausgew. Stücke aus den Klassikern der Geographie, 1. Reihe S. 93. *) Handbuch der Geographie, Stuttgart 1858. Zeitschr. der Ges. f. Erdk. zu Berlin 1869, 202. Die Begriffe der Selbständigkeit und Unselbständigkeit habe ioh zuerst in meiner Morphologie der Meeresräume (1879) zur Klassifikation verwendet. 24 JDie Einteilung der Meeresräume. mehr der kleinen Gliederung der Küste angehören, als dem Meere. Diese kleineren Gebilde sind also als eine ubiquitäre Randerscheinung der Ozeane wie der Nebenmeere hinzustellen. Wir werden ihnen eine besondere kurze Darstellung am Schlüsse dieses Kapitels zu teil werden lassen und dabei auch der ebenso verbreiteten Meeresstraßen gedenken. Zunächst haben wir die genannten großen Glieder des Weltmeeres in Systeme einzureihen, indem wir sie nach den klassifikatorischen Merkmalen der Geographie betrachten. Immer wird dabei der große Gegensatz gegen die offenen Ozeane in den Vordergrund zu treten haben. 1. Klassifikation nach der Lage. Der Begriff der Lage kann hier sowohl absolut, entweder im Sinne der geographischen Breite und Länge, oder nach den Himmelsrichtungen genommen werden, wie auch relativ : im Verhältnis zu den, dem Weltmeer die Gestalt gebenden Landmassen. Es ist zwar nicht überflüssig, festzustellen, daß die Nebenmeere weitaus vorwiegend der nördlichen Hemisphäre und nur das australasia- tische halb, das tasmanische (die Baßstraße) ganz südlichen Breiten an- gehören Beide fallen auch ganz in die sogenannte Wasserhalbkugel, alle anderen in die Landhalbkugel. Es kommt darin zum Ausdruck, daß die landreichere Seite der Erde auch die reichere Gliederung ermöglicht. < — Ebenso wird man wohl bemerken, daß, von den offenen Ozeanen aus gesehen, sich die Nebenmeere vorzugsweise nach Norden und nächstdera nach Osten oder Westen erstrecken, nach dem Süden aber keines außer dem kleinen tasmanischen und vielleicht auch der Hudsonbai, obwohl doch auch deren Eingangsstraße und nördliche Teile nach Nordwesten hin verlaufen: Es ist dies «in merkwürdiger Gegensatz gegenüber den Halb- inseln, die eine vorherrschende Tendenz haben, sich nach Süden hin zu erstrecken. — Fruchtbarer als dies alles aber ist die Betrachtung der Nebenmeere nach der relativen Lage, wie wir ja von diesem Standpunkte aus bereits zu einer Gliederung des Weltmeeres in die drei Ozeane, den Pazifischen, Atlantischen und Indischen gelangt sind, die zwischen den großen, vom Nordpolarkreise aus südwärts breit ausstrahlenden Land- achsen gelegen sind. Die Lage der Nebenmeere zu den Landflächen zeigt nun einen zwie- fachen Unterschied: ein Teil dringt tief in die Festländer hinein und wird von diesen mehr oder weniger breit umschlossen, wobei häufig nur Meer- engen noch den Zusammenfluß der Nebenmeere mit dem Hauptozean auf- recht erhalten; ein anderer Teil ist den Landmassen nur angelagert und durch Halbinseln oder Inseln unvollständig vom Hauptozean geschieden. Die erste Gruppe nennen wir Mittelmeere, die zweite Rand- m e er e. Zu den Mittelmeeren gehören: 1. als Hauptparadigma das Mittel- ländisohe Meer, das seit dem Altertum diesen Namen trägt, zwischen den Erdteilen Europa, Afrika und Asien als Romanisches Mittelmeer; 2. das Rote Meer: 3. das Persische Meer; 4. die Ostsee; 5. die Hudsonbai. Aber auch das karibisch- mexikanische Becken ist ein Mittelmeer zwischen den Erdteilen Nord- und Südamerika, und als sechstes, als das Amerikanische Mittelmeere und Randmeere. 25 Mittelmeer einzureihen. Ebenso ist das Inselmeer zwischen Südostasien und Nordaustralien aufzufassen als (7) ein Australasiatisches Mittelmeer, und endlich muß auch das nördliche Eismeer als ein (8) Arktisches Mittel- meer gelten, gelegen zwischen den sich gegenüberstehenden Nordküsten von Asien, Europa und Nordamerika, wie ein Blick auf eine Karte der Nordhemisphäre oder der Landhalbkugel am besten erweisen wird. Auch diese Reihe der Mittelmeere liegt zu den großen Festlandmassen nicht gleichartig. Vier von ihnen, das arktische, australasiatische, ameri- kanische und romanische, schieben sich tief trennend ein zwischen die großen Kontinente, und wir nennen sie danach die i n t e r kontinen- talen Mitteimeere. Dagegen sind das Baltische, Hudsonsche und Persische Mittelmeer in die Flächen je eines Erdteils hinein gelagert und auch das Rote Meer steht ihnen darin näher als den vorher genannten interkontinen- talen; es trennt zwar auch zwei Erdteile, aber, näher besehen, ist es doch nur eingesenkt in die sonst einheitliche große Wüstentafel der Alten Welt, die in gleichartigem Bau die Sahara und Arabien umfaßt. Wir nennen diese vier kleinen Mittelmeere die i n t r a kontinentalen. Der Ausdruck mediterraneum mare ist spätlateinisch und kommt zuerst bei Solinus im 3. Jahrhundert n. Chr. vor, dürfte aber (nach Kiepert) wohl früher schoÄ volkstümlich gewesen sein, da er in allen romanischen Sprachen beibehalten ist; mediterraneus bedeutet in der klassischen Latinität ganz ver- schieden davon das eigentliche Binnenland im Gegensatz zur Küste, und das Mittelmeer heißt ^.das Binnenmeer" [intestinum mare Sallust, internum mare Mela, Plinius; vj eou> ^dXaoaa Polybius). Als geographischer KlassenbegrifE scheint mediterraneum. mare schon in der Renaissancezeit gelegentlich aufzu- tauchen (nach Penck zuerst bei Joh. Georg Christannus in einer Straßburger Dissertation de mari 1534). — Den Untertypus der interkontinentalen Mittel- meere erkannte zuerst E. Wisotzki in seiner auch sonst für die Geschichte dieses Begriffes wichtigen Programmschrift: Die Klassifikation der. Meeres- räume. Stettin 1883. — Den Typus der Randmeere habe ich zuerst 1879 aufgest&llt. Zu den Randmeeren gehören (1) die Nordsee oder das „Deutsche Randmeer", (2) der Kanal und die irisch-schottischen Gewässer als das „Britische Randmeer", (3) der St. Lorenzgolf als das „Laurentische*', (4) das andamanische Randmeer; alsdann folgt die typische Reihe der ostasiati- schen Randmeere: (5) das Ostchinesische, (6) das Japanische, (7) dasOchots- kische, (8) das Beringsche; endlich (9) das Kalifornische und zuletzt (10) die Baßstraße als das Tasmanische. Diese Reihe der Randmeere nach den Eigenschaften ihrer Lage weiter zu klassifizieren erweist sich als schwierig. Nach der absoluten Lage könnte man sie wohl in asiatische, europäische, amerikanische und australische ordnen oder auch ihre Zugehörigkeiit zu einem der großen Ozeane zum Aus- druck bringen und atlantische, indische und pazifische unterscheiden, wobei dann die Zugehörigkeit des tasmanischen umstritten bliebe. Wir werden uns später um andere Merkmale zur weiteren Klassifikation der Randmeere bemühen. Dieses von mir im Jahre 1879 und 1885 so zusammengestellte Verzeichnis der Nebenmeere ist wohl im ganzen gebilligt worden. Über einige Einwendungen sei kurz folgendes gesagt. A. Penck erkennt das Andamanische Randmeer 26 I^i® Einteilung der Meeresräume. nicht als solches an und will es dem Australasiatischen Mittelmeer einverleiben ; dieses würde damit nach Westen hin aus seinem B3reiche echt pazifischer Gewässer in typisch indische übergreifen, außerdem gibt die enge Straße von Malaka eine so starke Abgliederung, daß es mir widerstrebt, sie zu vernach- lässigen. — S ü p a n reiht die Nordsee nur aus konventionellen Gründen unter die Nebenmeere, denn in Wirklichkeit sei sie nur ein Meerbusen mit durchbohrter Rückwand. P e h c k geht radikale^ vor und entzieht nicht nur der Nordsee, sondern auch der Ostsee ihre besondere Stellung, um sie beide dem Arktischen Mittelmeer einzuverleiben. — Penck fügt den Eandmeeren seinerseits noch ein neues hinzu, das er das „australische" nennt und „östlich Australien bis 46°S." liegen läßt. Aus dem Areal von 8 Ö84 000 qkm ist zu entnehmen, daß die Abgrenzung durch Neuseeland, Norfolk-L, Loyalitäts-In., Neuhebriden, Salomonen, Neupommern und Neuguinea gegeben sein wird. Herm. Wagner stimmt Penck zu und nennt es das Neuseeländische Randm.eer. Ich kann diesem Meeresteil den Rang eines Randmeeres nicht zusprechen, da die genannten Inseln keine zusammenhängende Reihe bilden und allzu breite Wasseröffnungen zwischen sich lassen. Wenn wir uns später mit den Tiefenverhältnissen dieser Gegend beschäftigen, wird sich noch im einzelnen zeigen lassen, daß diese Abgrenzung naturwidrig ist. Man müßte dann schon das ganze südostpazifische Inselmeer bis zu den Samoa- und Tongainseln mit hinzunehmen (was über IP/2 Millionen qkm einschlösse), hätte aber immer die Schwierigkeit allzu breiter Wasserverbindungen mit dem Ozean noch vor sich. — Ebensowenig ist zu billigen, daß Penck das in große Laridmassen eingelagerte Rote und Persische Meer, und Herm. Wagner die Ostsee und die Hudsonbai den Randmeeren zuordnet. Ältere Auffassungen sind bei Wisotzki (a. a. 0.) in großer Fülle aufgeführt. Die oben gegebene Liste enthält die Mittel- und Randmeere erster Ordnung. Es lassen sich aber auch in den Nebenmeeren selbst noch solche zweiter, ja dritter Ordnung unterscheiden. Im Romanischen Mittelmeer können wir in der Adria und im Pontus noch Mittelmeere zweiter Ordnung, im Asowschen Busen sogar ein kleines dritter Ordnung erkennen. Das Ägäische Meer wird ein Randmeer zweiter Ordnung, ebenso das Tyrrhenische. Im Australasiatischen Mittelmeer wäre eine ganze Reihe sekundärer Randmeere zu finden: die Philippinen-, Sulu-, Celebes-, Molukken-, Banda-, A 'iru- und Sawiisee, wobei dann den größeren Inseln wie Borneo, Celebes, Neuguinea, Timor die Rolle von Festländern zweiter Ordnung zufiele. Vielleicht könnte man auch im Golf von Tonkin und in dem von Slam noch Randmeere zweiter Ordnung sehen, aber bei dem zweiten fehlt der Abschluß durch Inseln. Im Amerikanischen Mittelmeer ist der Golf von Mexiko als ein Mittelmeer zweiter Ordnung, das Kaymanbecken, das Karibische Meer und die Bahamasee als Randmeere zweiter Ordnung aufzufassen. Im Arktischen Mittelmeer darf das Weiße Meer als ein sekundäres Mittel- meer, die Barentssee, das Karische Meer und die Baffinsbai als Randmeere zweiter Ordnung angesprochen werden. Im Roten und Persischen Meer fehlen sekundäre Gebilde. In der Ostsee sind der Finnische und Bottnische Golf, sowie der Rigaische Busen Randmeere zweiter Ordnung. Die größeren Randmeere selbst zeigen nur vereinzelt solche sekundäre Gliederungen. Im Ostchinesischen ist der Busen von Petschili und Liautung als ein kleines Mittelmeer zweiter Ordnung zu finden und das Britische Rand- meer fast ganz in drei sekundäre Randmeere aufzulösen : Ärmelkanal, Irischer Kanal, den Minch. Anderseits könnte man auch sagen, daß die großen Mittelmeere nichts sind als gegeneinander gedrängte Randmeere, deren Inselkränze damit eine Zwischenraeere, Vormeere, Durchgangsmeere. 27 Binnenlage empfangen; namentlich bsim Australasiatischen Mittelmeer läge eine solche Auffassung nahe. Die Ostsee wieder ist wegen der Inseln in ihrem Beltseegebiet und wegen ihrer Lage landeinwärts, also hinter der Nordsee, einem Randmeer, fast als ein sekundäres Mittelmeer der Nordsee, oder doch als eine Übergangsform vom Rand- zum Mittelmeer aufzufassen. Wegen dieser eigentümlichen Lage könnte man sie auch, nach der Analogie von Hinterland, ein Hintermeer nennen und ihr als Genossen das Schwarze und Asowsche Meer und den Golf von Petschili an die Ssite stellen. Solcher in der geographischen Systematik nebeneinander möglichen Auffassungen ließen sich "noch andere anschließen, wie sich im folgenden zeigen wird. Eine klare und straffe Entscheidung in diesen Fragen geographischen Taktgefühls oder Ge- schmacks zu suchen, wäre müßig, und hierbei entspringende Meinungsver- schiedenheiten sollen nicht tragisch genommen werden. Der von Ackermann ^) mit dem Hinweise auf das Skagerrak und Kattegat und das Marmormeer aufgestellte Typus der Zwischen meere erscheint von sekundärer Bedeutung und mehr ein Derivat der Meeresstraßen als der Nebenmeere. Der Ausdruck kehrt aber noch in einer anderen originellen Klassifikation der Meeresräume auf Grund der Lage wieder, die wir W. Precht verdanken. Analog seiner Einteilung der vom Rumpf der Kontinente sich abgliedernden „Vorländer" unterscheidet er als Abgliederungen vom Rumpf der Ozeane I. Neben meere und II. „Kleinere Meeresteile", wobei also neben dem Merkmal der Lage auch das der Größe eingeführt w^ird. Die Neben- meere zerfallen in drei Hauptklassen: a) die Zwischenmeere, b) die Vormeere oder Meerbusen, und c) die Kranzmeere. Zu seinen Zwischenmeeren rechnet Precht alle großen Mittelmeere im Hinblick auf den Suez- und Panama- kanal, ebenso auch das Rote Meer und das Britische Randmeer; Zwischenmeere zweiter Ordnung sind Skagerrak, Kattegat und Marmormeer. Die von Supan aufgestellten Durchgangs meere (Beringmeer und Australasiatisches Mittelmeer) umfassen nur einige dieser Zwischenmeere. Die Vormeere zerfallen zunächst in geschlossene und offene, wobei also das Merkmal der Gestalt neben dem der Lage eingeführt ist. Geschlossene Vor- meere können L durch zusammenhängende Festlandküsten begrenzt sein und sich in verschiedenen Abstufungen bis zu „Fastbinnenseen" (z. B. Pontus) abschließen oder sich 2. als R a n d m e e r e durch Halbinseln, Inseln oder Inselreihen gegen den Ozean absetzen, Precht hält es auch für möglich, hier- nach das Amerikanische Mittelmeer ein Randmeer, das Romanische ein Fast- binnenmeer zu nennen. Die offenen Vor meere umfassen die zahl- reichen breit geöffneten Busen und Golfe der ozeanischen Küsten (die Bis- kayabai, den Bengalischen Golf, den großen Australischen Golf u. a.) und kommen als sekundäre Gebilde auch sonst vor. Die als dritte Klasse genannten Kranz- meere sind rings von Inseln umschlossene Meeresteile, die nicht am Rande eines Festlands liegen und zu denen die Sulusee, aber anscheinend auch die Philippinen-, Celebes-, Banda- und Sawusee gerechnet werden sollen. — Den Nebenmeeren zur Seite stehen dann die „Kleineren Meeresteile"; sie zerfallen in die M e e r e n g e n und die k 1 e i n e n G o 1 f e , die wieder in offene oder geschlossene zu teilen wären, worauf später zurückzukommen ist. Precht hat noch eine zweite Einteilung der „Vormeere" angedeutet, die der aus der Lage der Halbinseln zum Festlandsrumpf analog gebildet ist, nämlich inl.Außenbusen zwischen zwei Halbinseln, wie der Bengalische Golf; 2. Randbusen, gebildet durch eine Halbinsel am Festlandsrumpf, wie der Kalifornische Golf; 3. B i n n e n b u s e n , die sich in den festländischen Rumpf hinein erstrecken und höchstens solche Halbinseln abschneiden, die an Fläche größer sind, als der Busen selbst, wozu dann das Amerikanische, 1) Beiträge zur phys. Geogr. d. Ostsee, Hamburg 1883, S. 5. 28 Die Einteilung der Meeresräiime. Romanische, Persische, Kote Meer gehörten. Wenn wir nun, wie Precht selbst schon bemerkt, eine Inselreihe einer Randhalbinsel gleichwertig erachten, was durch die Ubergangsformen zwischen ihnen ermöglicht ist, so werden die geschlossenen Randbusen zu den Randmeeren unseres Schemas, und die Binnenbusen ergeben mit den Zwischenmeeren unsere Mittelmeere. Eine von unserer abweichende Einteilung der Meeresräume hat endlich auch Alfred Hettner^) gegeben. Er unterscheidet neben den Ozeanen sechs Typen, und man wird von vornherein beachten müssen, daß nicht immer dif verschiedene Größenordnung, in der die Typen auftreten, unterschieden wird, so daß sich zum Zwecke der Klassifikation öfter einzelne Teile aus natürlichen höheren Einheiten, nämlich größeren Nebenmeeren, herausgeschnitten und besonders klassifiziert finden. Hettner unterscheidet zunächst zwei Haupt- klassen, die Mittelmeere und die gewöhnlichen Nebenmeere. I. Die Mittelmeere sind identisch mit den großen interkontinentalen Mittelmeeren unseres Systems; sie stehen durch ihre Größe und Lage zwischen verschiedenen Festländern allen anderen Nebenmeeren gegenüber und sind eigentlich überhaupt keine einfachen Meere, sondern Meeresgruppen. Das Nördliche Eismeer hier einzureihen, möchte Hettner vorläufig noch unterlassen, da wir zu wenig davon wissen. II. Die gewöhnlichen Nebenmeere, oder Nebenmeere schlechthin^ zerfallen in fünf Haupttypen. 1. Die Binnenmeere, mit dem benachbarten Meere nur durch einen oder wenige schmale Auslässe verbunden. Beispiele sind: das westliche und das östliche Becken des Mittelländischen Meeres, die Adria, das Marmormeer, Schwarze Meer, Asowsche . Meer, Rote, Persische, Weiße Meer, die Ostsee; allenfalls auch der Kalifornische Busen, die Hudsonbai, der St. Lorenzgolf und der Golf von Mexiko. 2. die R a n d m.e ere mit Inselabschluß, wozu die Reihe der ostasiatischen Nebenmeere gehört, das Beringsche, Ochotskische, Ja^ panische, Ostchinesische, sodann aber auch das Südchinesische und Andamanische^ Meer, das Ostaustralische (wohl nach Pencks Umfang), das Ägäische und Kari- bische Meer. 3. Die offenen Randmeere oder Meerbusen: der Benga- lische, Arabische Golf, die Syrten, der Golf von Genua und Lion, der Bis- kayagolf, die Nordsee, der Busen von Karpentaria, ja auch der Golf von Guinea, die Große Australische Bai und der Golf von Arica gehören hierzu. Über ihre Abgrenzung gegen die benachbarten Ozeane spricht sich Hettner nicht aus. Alle drei bisher genannten Typen können auf der Rückseite noch elften zweiten Auslaß nach einem kleineren oder größeren Meere haben und dadurch zu Durchgangsmeeren werden. Hettner erhält dann folgende drei Untertypen. la. Durchgängsbinnenmeere: das westliche und östliche Becken des Mittelländischen Meeres, das Marmor- und das Schwarze Meer. 2a Durchgangsrandmeere mit Inselabschluß: das Ägäische und Beringmeer; ehemals war auch das Karibische Meer ein solches, bevor sich die Ländenge von Panama bildete. 3 a. Offene Durchgangsmeere: das Arabische Meer, die Nord- see, der britische Kanal. Die beiden letzten Haupttypen> tragen schon an sich den Durchgangs- charakter : 4. die inselumschlossenen Meere: die Sunda-, Java-, Banda-, Celebes-, Sulu-, Arafurasee. ») Ausland 1891, Nr. 24, S. 471. Binnenmeere. 29 5. die Z w i s c h e n m e e r e oder größeren Meeresstraßeii, wie der Kanal von Mosambik, die Davisstraße und vielleiclit auch die Irische See. Ich habe Hettners Einteilung in aller Vollständigkeit wiedergegeben: man sieht sofort, daß wir im Typus 1, den Binnenmeeren, im wesentlichen unsere intrakontinentalen Mittelmeere, und im Typus 2 unsere Randmeere außer der Nordsee wiederfinden, während die Typen 3, 4 und 5 als Busen und Meeresstraßen von uns nicht zu den Nebenmeeren gerechnet, sondern als ubi- quitäre und epiphytische Nebenerscheinungen der Ozeane sowohl wie ihrer Nebenmeere zu besonderer Behandlung zurückgestellt worden sind. Der Ausdruck Binnenmeer, den ähnlich Supan und gelegentlich auch Schott gebrauchen, möchte ich darum vermieden sehen, weil er in der geographischen Terminologie auch für das Kaspische Meer und den Komplex der großen Kanadischen Seen erscheint und darum eine andere Bedeutung angenommen hat, als ursprünglich, wo er als mare internum das Mittelländische Meer bezeichnete.- Als Klassenname für Mittelmeere findet er sich schon bei Varen. 2. Klassifikation nach der Größe. Hier ist nur der allgemeine Gegensatz zwischen den gewaltigen Flächen der Ozeane und den kleinen der Nebenmeere deutlich und für die Ein- teilung fruchtbar: die Nebenmeere sind unselbständig durch ihre Klein- heit. Fraglich könnte allein sein, ob das von der Londoner Kommission den großen Ozeanen zur Seite gestellte Nördliche Eismeer nicht für ein Nebenmeer zu groß sei; in der Tat hat sich kürzlich noch G. Schott i) dieser Entscheidung der Londoner Kommission angeschlossen. Das Arktische Mittelmeer hat zwar mit seinen rund 14 Millionen qkm eine Größe, die der des Amerikanischen und Australasiatischen Mittelmeeres zusammen genommen gleichkommt. Aber die drei Ozeane, die natürlich alsdann ohne ihre Nebenmeere gemessen werden müssen, gehören denn doch einer anderen, höheren Größenordnung an: der Indische hat 73, der Atlantische 82, der Pazifische 166 Millionen qkm, d. h. die Fläche des Nördlichen Eismeers enthält nur rund ^/ö des Indischen oder Atlantischen, i/ii des Pazifischen Ozeans. Alle Nebenmeerc zusammen genommen sind mit nicht ganz 39 Millionen qkm etwa nur halb so groß wie der Indische oder Atlantische, noch nicht ein Viertel so groß wie der Pazifische Ozean. Ordnet man die Nebenmeere selbst nach ihrer Größe, so stehen die vier großen Mittelmeere, das Arktische mit 14, das Australasiatische mit 8, das Amerikanische mit 4^/2, das Romanische mit fast 3 Millionen qkm voran; dann folgt das Hudsonsche Mittelmeer mit 1 Million. Als größte Randmeere stehen das Beringsche mit 2^/3, Ochotskische mit 1^/2, Ost- chinesische mit 1 1/4 und Japanische mit 1 Million qkm voran. Die Nordsee mit über 1/2 Million qkm ist noch größer, als jedes der drei kleinen Mittel- meere. Gehen wir von der Fläche zum Volum und zur Masse über, so wird der allgemeine Gegensatz der Nebenmeere gegen die Ozeane noch beträcht- lich verstärkt, denn alle Nebenmeere zusammen füllen noch nicht 1/27 des Raums der großen Ozeane ; das Indische Becken allein ist 6mal, das Atlan- tische 7mal, das Pazifische 15mal größer als der Inhalt aller Neben - ^) Physische Meereskunde (Göschensche Sammlung 112),* Leipzig 1903, S. 23 und 36. 30 Die Einteilung der Meeresräume. meere. Diese sind also unselbständig auch durch ihr Volum. Insbesondere gilt das noch vom arktischen Mittelmeer, dessen Volum 1/20 des Atlantischen, 1/42 des Pazifischen ausmacht: hiernach kann man nicht mehr sagen, daß das nördliche Eismeer zu groß wäre für ein Nebenmeer und darum den Ozeanen zur Seite zu stellen sei. — Eine speziellere Einteilung in ver- schiedene Größenklassen auch nach dem Volum wäre leicht möglich^), erscheint aber kaum von erheblichem wissenschaftlichem Wert. 3. Klassifikation nach der Gestalt. Die Lehre von den Umrissen der Erdoberflächenformen zeigt eine lange geschichtliche Entwicklung. Es gab eine Zeit, wo man Betrachtungen dieser Art sogar als „reine Geographie" auszeichnen wollte. Heute aber geht die Meinung dahin, daß man die wagrechten Umrisse, die auf unseren silhouettenhaften Kartenbildern so bevorzugt zum Ausdruck gelangen, in ihrer Bedeutung auch nicht überschätzen soll, da es sich doch immer nur um ein einzelnes Merkmal handelt. Aus der Fülle der Versuche, auch die Meeresräume nach ihrer äußeren Form einzuteilen, mag folgende Übersicht hier eine Stelle finden. Die erste und für ihre Zeit schon sehr treffende Einteilung finden wir bei Beruhard Varenius^). Er unterscheidet neben den Hauptozeanen noch zwei andere Arten (species) von Meeresteileu, nämlich die Meerbusen {sinus) und die Meerengen (jreta). Die Meerbusen teilt er ein in längliche (oblongi) und breite oder offene {lati vel hiantes). Die von ihm aufgezählten Beispiele sind den damaligen Karten entlehnt, decken sich also keineswegs in ihrer Gestalt mit den heutigen gleichen Namens. Wenn man etwa Merkators Atlas in den späteren Ausgaben von Hondius benutzt, wird einem verständlich, daß Varen unter die länglichen Busen nicht nur das Mittelmeer, die Ostsee, das Arabische (Rote) Meer, den Persischen Golf imd den Kalifornischen, sondern auch das Ostchinesische Meer einreihen konnte. Zu den breiten Busen gehören die Golfe von Mexiko {inter Americam septentrionalem et ^neridionalem, was also das amerikanische Mittelmeer bedeutet), Bengalen, Siam, das Weiße Meer, die Hudsonbai und zwei heute nicht mehr genau zu identifizierende Busen des Meeres Lantchidol in der Gegend von Neuguinea. Der Gegensatz von länglich wäre wohl besser rundlich zu nennen, wie denn Varen auch die Halb- inseln so teilt {oblongae, rotundae). Bemerkenswert ist noch, daß Varen aus- drücklich neben Meerbusen erster Ordnung (primarii), auch solche zweiter Ordnung [secundarii) unterscheidet, die sowohl bei Ozeanen wie bei den Busen erster Ordnung vorkommen; wir werden uns später damit zu beschäftigen haben. — Mit der Varens verwandt ist eine Einteilung von J. G. Kohl^), der aber den Unterschied der Größenordnungen nicht so klar erfaßt hat; auch muß von vornherein festgestellt werden, daß seine Einteilung zunächst anthro- geographischen Zwecken dienen soll. Kohl unterscheidet kreisförmige Busen (Golfe von Volo, Arta), dreieckig-spitze (Busen von Asow, Odessa, Bristol), quadratische (Meerbusen von Riga), parallelogrammatische (Rotes Meer, Finnischer Golf). — Kohl hat dann noch eine andere Formenreihe der Meerbusen ^) Wisotzki a. a. 0. gibt eine solche für die Randmeere, wobei er zwei Kategorieen, flache und tiefe, unterscheidet und zu den tieferen das Japanische, Ochotskische, Beringsche und Laurentische rechnet. ^) Geographia generalis, Amstelodami 1650, p. 120 f. ^) Der Verkehr und die Ansiedelungen der Menschen, Dresden und Leipzig 1841, S. 357 ff. Gliederungstypen. 31 nach dem Grade ihrer Isolierung, wobei er zu fünf Stufen gelangt. Vollständig isoliert ist der Landsee oder das Binnenmeer, rings von Land umschlossen,, wie das Kaspische Meer. Tritt eine öffiiung zum Ozean auf, so erhält man als ersten Typus starker Isolierung „die sich öffnenden Binnenmeere" (Mittel- ländisches, Schwarzes, Rotes, Baltisches, Persisches Meer, die Sunda- und Celebessee, die Adria, das Tyrrhenische Meer, die Golfe von Korinth, Volo, Arta, die preußischen Haße). Eine zweite Stufe mit schon größerer öfFimng zeigen ..die sich schließenden Meerbusen" oder ,.Meerbusen mit verengerter Basis" (der Finnische, Bottnische, Rigaische, Tarcntinische, Saronische Golf . u. a. m.). Eine dritte Stufe ist die Halbierung einer kreisförmigen Wasser- fläche, so daß der Kreisdurchmesser die Berührung mit dem Ozean gibt: es sind Kohls ..eigentliche Meerbusen" oder „Halbseen" (Golfe von Bengalen, Honduras, Siam, Tonkin, aber auch die Nordsee, die Nilbucht des Mittelmeers und Golf von Nauplia, der Biskaya- und Carpentariagolf). Zu den Vertretern der beiden letzten Klassen gehören keine eigentlichen Nebenmeere: es sind „die Küsteneinsprünge oder ausgeweiteten Busen", und endlich „die Küsten- einbiegungen". Bei der Darstellung der Meerbusen wird noch darauf zurück- zukommen sein. Der einfache Gegensatz von runder und gestreckter Gestalt tritt wieder schärfer hervor in den Untersuchungen der horizontalen Gliederungen von Wilh. Precht. Er definiert den Begriff der „Streckung" als das Verhältnis des Grenzumfanges (ii) zum Umfang des Kreises (oder der Kalotte) gleichen Areals (i?), also S = ujv, was theoretisch zu einer Skala führt, die ihre extremen Werte im Kreise (mit der Streckung 1) und in der geraden Linie (mit der Streckung oo) aufweist. Wir geben in der Tabelle auf S. 32 neben diesen W^erten für die einzelnen Ozeane und Nebenmeere auch Mittelwerte für die drei Klassen. Außer- dem enthält die Tabelle noch die Werte für die sogenannte Grenzengliederung,, wobei zum Ausdruck gelangt, um wieviel Hundertteile die wirkliche Grenz- länge {u) größer ist, als der Umfang v des Kreises (oder der Kalotte) gleichen Areals, also G = 100 . Die Grenzumfänge sind so ausgemessen, daß die kleiae Gliederung der festländischen Küstenlinien verschwindet, werden alsa mit einem starken „persönlichen Fehler" bei jedem Messenden behaftet sein. Wie man aus der Tabelle sieht, geben die Werte für die Streckung und für die Grenzengliederung bei den einzelnen Meeresräumen eine gleiche Reihenfolge. — Von den Grenzlängen (u) verläuft ein Teil an den festländischen Küsten,, bei den Nebenmeeren auch an den die Grenzen gegen den Ozean bildenden Inseln entlang, ein anderer Teil aber führt über die Wasserflächen der die Ozeane und Nebenmeere verbindenden Zugänge iv. Um diese verschiedenen Qualitäten zum Ausdruck zu bringen, stellen wir den Begriff der Zugangs breite auf, die uns angibt, wieviel Hundertteile der ganzen Grenzlänge auf die ozeani- schen Grenzen entfallen (s. Tabelle S. 32). Ein anderer Gesichtspunkt könnte noch dem mehr oder weniger gewundenen Verlaufe der Küstenlinien insofern entnommen werden, als nach dem Augen- scheine ein Gegensatz zwischen einfachen und zusammengesetzten Neben- meeren aufgestellt wird, je nachdem die Gliederung zur Ausbildung sekundärer Nebenmeere führt oder nicht. Einfache Nebenmeere wären dann das Rote,. Persische, Japanische, Ochotskische, Beringsche, Kalifornische, Tasmanische, die Nordsee und die Hudsonbai; zlisammengesetzte aber die vier großen Mittelmeere, die Ostsee, das Ostchinesische und Britische Randmeer. Ver- wandt mit dieser wenig ergiebigen Auffassung ist eine von J. G. Kohl angedeu- tete, wo er die Tiefenverhältnisse heranzieht und danach eintahge oder ein- muldige, zweitalige, drei-, viermuldige Meere unterscheidet. Ein anderes Merkmal aus der Gestalt ist in der Durchbrechung der Wasser- flächen durch Inseln zu erblicken: indem wir feststellen, wieviel Hundertteile 32 Die Einteilung der Meeresräume. Tabelle der Gliederungswert* Strek- Gliede- Zu- Insulo- Größte relative Meeresteile: kung rung gangs- breite sität Landferne ; V u Z= 100 — 11 J=l()Oy r Q = L Atlantischer Ozean . . . 1.82 45.0 17.0 0.06 5290 : 2050 = 2.6 Indischer „ ... 1.62 38.1 20.5 1.00 5019: 1700 = 3.0 Pazifischer „ ... 1.47 31.8 17.4 0.29 7089 : 2265 = 3.4 Ozeane: 1.64 38.3 18.3 0.40 — — 3.0 Arktisches Mittelmeer . . 2.57 62.8 16.5 11.0 2126: 1100 = 1.9 Australasiatisches Mittel- meer 1 2.08 51.8 12.0 15,7 1620: 350 = 4.6 Amerikanisches Mittelmeer 1.72 41.7 7.5 5.0 1209: 445 = 2.7 Romanisches Mittelmeer . 4.35 77.0 0.06 3.6 959: 350 = 2.7 Baltisches Mittelmeer . . 2.48 59.6 1.0 7.2 371: 125=3.0 Hudsonsches Mittelmeer . 2.09 52.1 3.3 5.5 S84: 325 = 1.8 Rotes Mittelmeer . . . ! 2.28 56.1 0.5 0.8 378: 135=2.8 Persisches Mittelmeer . . i 1.55 1 35.5 1.9 1.8 275: 135 = 2.0 Mittelmeere: 2.39 54.6 5.3 6.3 — — 2.7 Beringsches Randmeer . . 1.46 31.2 32.9 0.7 860: 560 = 1.5 Ochotskisches 1.83 45.4 8.8 0.3 693: 405 = 1.7 Japanisches „ 1.70 41.1 4.6 0.4 577: 330 = 1.8 Ostchinesisches „ 1.82 44.9 20.2 0.9^ 625: 280 = 2.2 Andamanisches „ 1.45 30.9 20.8 0.7- 499: 275 = 1.8 Deutsches 1.65 39.4 14.3 0.1 408 : 305 = 1.4 Britisches 1 3.01 66.7 13.9 1.6 255: 133 = 1.9 Laurentisches „ 2.12 54.8 6.2 4.3 295: iio = 2.7 Kalifornisches „ 1.77 43.5 8.4 5.3 231 : 105 =2.2 Tasmanisches 1 1-2« 21.6 28.8 1.0 154: 90 = 1.7 Randmee re: 1 1.81 42.0 15.9 1.5 — - 1.9 der Wasserfläche eines Ozeans oder Nebenmeeres die Inselflächen einnehmen, erhalten wir die sogenannte Insuiosität. Schon Karl Ritter war diese Betrachtungsweise nicht fremd , und sein berühmter Schüler Albr. v. Roon *) hat sie zahlenmäßig auszubilden versucht. Methodologisch stoßen wir hier auf die Schwierigkeit, daß die Grenzen der Nebenmeere zu einem großen Teile über Inseln hinweglaufen, deren Flächen alsdann weder bei den Ozeanen noch bei den Nebenmeeren verrechnet werden dürfen. In der praktischen Aus- führung wijd es häufig nicht leicht, brauchbare Arealangaben für die Inseln entlegener Nebenmeere zu erhalten. Deshalb sind die in der obigen Tabelle ^uoammengestellten Werte der Insuiosität nur als genähert richtig zu erachten. In allen Fällen ist ein gewisser Gegensatz zwischen den drei Kategorieen der Ozeane, Mittel- und Randmeere aus der Tabelle ersichtlich. Die Streckung und Gliederung ist bei den Mittelmeeren am größten, dann folgen die Rand- ') Grundz. der Erd-, Völker- und Staatenkunde, Berlin 1837, Bd. 1, S. 266. Gliederungswerte. 33 meere, zuletzt die Ozeane. Die Zugangsbreite ist sehr gering bei den Mittel- meeren, erheblich größer bei den Randmeeren. Die Insulosität ist groß bei den Mittelmeeren, sehr klein bei den Ozeanen. Im ganzen sind diese Gliede- rungsstufen für eine weitere Klassifikation der Nebenmeere aber recht unergiebig. Endlich haben wir noch einen Ausdruck der verschiedenen wagrechten Ausgestaltung in dem sogenannten mittleren Grenzabstand der Meeresräume. Ebenso wie das C. Rohrbach ^) zuerst für die Erdteile durchgeführt hat, können wir uns auch die Meeresfläche zusammengesetzt denken aus lauter materiellen Punkten; bestimmen wir alsdann die Entfernung jedes dieser Punkte vom nächsten Grenzpunkt, so ist das Mittel dieser kürzesten Entfernungen für den Kreis oder solche Figuren, denen sich ein Kreis einschreiben läßt, = ^fjsu, beim Kreise also ^/a des Radius, wie übrigens Precht bereits vor Rohrbach gezeigt hat. Dieser erhielt den mittleren Grenzabstand, indem er von den am meisten ins Innere der Figur einspringenden Punkten Kreisbögen mit gleichen Radien entwarf, und die von den Kurven gleichen Abstandes (Isocho- ren) umschlossenen Flächen planimetrisch ausmaß. Hieraus ließ sich nach der Methode der chori- oder hypsographischen Kurve ein mittlerer Grenz- abstand graphisch finden. Für die drei großen Ozeane hat Jean de Windt^) die Methode dahin modifiziert, daß er nicht nur von den Festlandsküsten, sondern auch von den ozeanischen Inseln ;ius Kurven gleicher Landferne konstruierte. Leider hat er nur die großen Ozeane so bearbeitet und nicht auch die Nebenmeere. Für die Ozeane erhielt er folgende Werte: ji Pazifischer | Atlantischer Indischer Ozean i Ozean Ozean 1. Mittlere Landferne / km 765 i 606 2. Mittlerer Grenzabstand der Kalotte gleichen Areals k km 2688 3. Verhältnis k : l 3.5 1815 621 1702 3.0 2.8 Jean de Windt hat sodann auch, einen von Zöppritz (1882) empfohlenen Gedanken aufgreifend, den landfernsten Punkt eines jeden Ozeans bestimmt und seine Entfernung (r) vom nächsten Land- oder Inselpunkte in Vergleich gesetzt mit dem Radius {p) der Kalotte gleichen Areals. Dann ergibt der Quotient p:r den Index der relativ größten Landferne {L). Ich habe diese Werte ^) auch für die Nebenmeere bestimmt und im einzelnen in der Tabelle S. 32 wiedergegeben. Wie man sieht, steht unter den Ozeanen der insel- bestreute Pazifische voran, der inselarme Atlantische zuletzt. In der Reihe der Mittelmeere tritt das Australasiatische an die Spitze, dann folgen erst die schlank gegliederten Meere, wie Ostsee und Rotes Meer, an vierter Stelle das Romanische Mittelmeer. Die Randmeere sind rundlicher geformt und haben daher meist nur kleine Indices der Landferne, aber es finden sich auch Mittel- meere mit ebenso kleinen Werten. So viel von der horizontalen Gliederung. Was die vertikale betrifft, so werden wir, um späteren sehr ausführlichen Darlegungen über die Boden - formen nicht vorzugreifen, uns hier auf folgendes W^enige beschränken. ^) Petermanns Mitt. 1890, S. 76 und 89 ff. 2) Mem. cour. de lAcad. Belg. 1899, vol. 57. ') Die Formeln finden sich bei Penck, Morphologie der Erdoberfl. I, 68 f. Krümm el, Ozeanographie. I. 3 34 Die Einteilung der Meeresräume. Die Ozeane sind allgemein ausgezeichnet durch ihre großzügigen, erdteilähnliche Flächen beherrschenden, Gliederungen des Meeresbodens in Schwellen und Becken; die Nebenmeere aber werden, als Übergangs- gebilde zu der feineren Gliederung des Landes, von Formen einer niederen Größenordnung beherrscht. Dabei haben die großen Mittelmeere typisch den vielfältig wiederholten Gegensatz zwischen weiten Schelfflächen und -brücken zu tiefen Einsturzbecken und Kesselbrüchen voraus vor den kleineren Mittelmeeren, die nur einfache Schelfe mit untergeordneten Kinnen oder ohne solche kennen, während sich in den Randmeeren in der Regel ein oder zwei flache Schelfe an der Landseite gegenüberstellen einer tieferen Mulde binnenwärts von der abschließenden Inselreihe. 4. Klassifikation nach der stofflichen Erfüllung. Die Ozeane und die Nebenmeere bilden eine einheitlich zusammen- hängende Wassermasse, und es ist die gemeinsame stoffliche Erfüllung durch das Seewasser, die diesem vielgliedrigen Gebilde die Einheit wahrt. Nun aber stellen sich die von Halbinseln und Inseln umrahmten und durch- setzten Nebenmeere selbst wieder jedes durch die einbeschlossene und in sich zusammenhängende Erfüllung mit Seewasser als eine Einheit für sich dar , und so muß uns das Wasser mit seinen von Individuum zu Individuum wechselnden Eigenschaften ein weiteres wesentliches Merk- mal zur Klassifikation der Meeresräume liefern. Wie später ausführlich darzulegen sein wird, ist die große Masse des die offenen Ozeane erfüllenden Seewassers mit einem Salzgehalt von rund 35 Promille ausgestattet und bewegen sich, von schmalen Küsten- zonen abgesehen, die Extreme zwischen 34 und 37^/2 Promille. Hier tut sich nun alsbald der Gegensatz zwischen Ozeanen und Nebenmeeren auf, insofern die letzteren entweder über- oder unter normalen Salzgehalt besitzen, ausgenommen: L das amerikanische Mittelmeer, das durch sein Stromsystem enger an den Atlantischen Ozean angeschlossen ist, als die anderen Nebenmeere, und 2. das tasmanische Randmeer, das ähnlich von der großen Westwindtrift der hohen südlichen Breiten von ozeanischem Wasser durchströmt wird. Übernormalen Salzgehalt haben die subtropi- schen Mittelmeere : das Romanische, Rote, Persische : sie liegen in Gebieten mit verhältnismäßig trockenem Klima, d. h. starker Verdunstung bei hoher Temperatur und geringen Niederschlägen, so daß ihr Meeresspiegel sogar unter dem des Ozeans liegen kann. Nicht nach seinem absoluten Salzgehalt von 35 — 35^/2 Promille, wohl aber durch seine Steigerung im Vergleich zum benachbarten Pazifischen Gebiet (34 — 35 Promille) könnte man auch das kalifornische Randmeer hier vielleicht anreihen; doch ist die Differenzierung an sich zu gering." Unternormalen Salzgehalt hat unter den Mittelmeeren zunächst das zu beiden Seiten des Äquators in tropischer Regenfülle gelegene Australasiatische, und eine noch stärkere Verdünnung des Seewassers erleiden durch die mit den hohen Breiten rasche Abnahme der Verdunstung das Baltische, das Arktische und v/ohl auch das Hudson- sehe ; das vom Hauptkörper des Mittelländischen Meeres fast abgetrennte Schwarze Meer zeigt ebenfalls die aussüßenden Einwirkungen der Fluß- wasser -und beweist damit, wie die am tiefsten ins Land eindringenden Einteilung nach dem Salzgehalt. 35 Meeresteile am meisten auch in dieser Hinsicht von ozeanischen Eigen- schaften einbüßen können ; liegt doch die Oberfläche der Ostsee beträcht- lich über dem Meeresspiegel der Nordsee. Von den Randmeeren sind alle, mit Ausnahme des tasmanischen und kalifornischen, unter normal meist 30 — 34 Promille) ; auch sie zeigen also die Einwirkungen des Landwassers. So sind die Nebenmeere im ganzen genommen den Ozeanen gegenüber unselbständig auch in ihrer stofflichen Erfüllung. Maßgebend für den Grad dieser Unselbständigkeit ist die Breite und Tiefe der Zugangswege: wo diese weit geöffnet sind, wie bei den Randmeeren, ist die Abweichung von der Ozeanität gering, aber die nur enge geöffneten Mittelmeere stehen an den extremen Enden der Skala, wie auf der einen Seite das Rote Meer mit 41 und das Mittelländische mit fast 40 Promille, auf der anderen die Ostsee mit 1 — 15 Promille. Wollte man sich die Zugänge dieser Neben- meere ganz geschlossen denken, so wäre das Schicksal des Romanischen, Roten und Persischen Mittelmeeres und des kalifornischen Randmeers die fast völlige Austrocknung bis auf wenige, die tiefsten Mulden einnehmende Steppenseen von stärkstem Salzgehalt, während im Gegenteil die Ostsee und die Hudsonbai, wie auch die tropischen Nebenmeere sich in Süßwasser- becken umwandelten, die den großen kanadischen Binnenseen vergleich- bar wären. Für den Geologen sind dies nicht bloße theoretische Speku- lationen: er weiß, daß die beiden Europa begrenzenden Mittelmeere solche Phasen in ihrer Entwicklung tatsächlich aufzuweisen haben. Er erinnert sich der starken Eintrocknung des Romanischen Mittelmeers zur Zeit der Schlierbildung des Mittelmiozäns, und der sogar erst nach der Eiszeit vollzogenen Veränderungen im Charakter der Ostsee, wie das Gebiet der Dänischen Inseln sich um etwa 50 — 80 m gegen den heutigen Meeres- spiegel gehoben und damit einen gewaltigen baltischen Süßwassersee (den Ancylussee) aufgestaut hat, alsdann aber wieder stark unter den jetzigen Meeresspiegel sinkend ein breiter gegen die Nordsee geöffnetes salzreicheres Randmeer (Litorinasee) begrenzt hat, bis dann eine neuer- liche Hebung des Landes den gegenwärtigen Zustand herbeiführte, Es ist nicht zu bezweifeln, daß auch noch andere Nebenmeere ähnliche Um- wandlungen erlitten haben. Wollte man eine Skala der Nebenmeere nach dem Grade dei Salinität aufstellen, so würde man folgende Übersicht erhalten: Salzgehalt überozeanisch: 1. das Rote Mm. (37—41 Prom.), 2. das Persische (37—38 Prom.), 3. das Romanische (37—39 Prom.). II. Salzgehalt -normal: 1. das Amerikanische Mm. (35—36 Prom.), 2. das Tasmanische Rdm. (35 V2 Prom.), 3. das Kalifornische Rdm. (35— 35V2 Prom). III Salzgehalt unterozeanisch: a) Wenig unter normal: 1. das Arktische Mm. (20—35 Prom.), 2. das Australasiatische Mm. (33—34 Prom.), 3. das Beringsche Rdm. (28—33 Prom.), 4. das Ochotskische (30—32 Prom.), 5. das Japanische (30—34 Prom.), 6. dan Ostchinesische (?r— 35 Prom.), 36 I^i^ Einteilung der Meeresräume, (noch III. Salzgehalt unterozeanisch:) a) Wenig unter normal: b) Stark unter normal: 7. das Andamanische 9. das Britische Rdm. 1. das Baltische Mm. (30—32 Prom.). (32—35 Prom.), (3—15 Prom.), 8. das Deutsche Rdm. 10. das Laurentische 2. das Hudsonsche. (31—35 Prom.), (30—32 Prom.). Auch eine Einteilung der Meeresräume nach den Wassertem- peraturen ist denkbar : sie würde zunächst ebenfalls den großen Gegensatz zwischen Ozeanen und Xebenmeeren hervortreten lassen, sobald wir die gesamte Wassermasse und nicht bloß die Oberfläche mit ihren nach den Klimazonen abgestuften Temperaturen in Betracht ziehen. In den offenen Ozeanen nim.mt die Temperatur von der Oberfläche nach der Tiefe hin ab und erlangt am Boden ein Minimum mit nicht weit von -j- 1^* abstehenden Werten. Es gilt diese sogenannte anotherme Schich- tung als normal ozeanisch. Für die Mittelmeere aber wird es charakteristisch, daß sie abgeschlossene Tiefenbecken mit sogenannter homothermer Wasserfüllung besitzen: solche sind in den vier großen Mittelmeeren mit Schwellentiefen von 200—1600 m besonders reich entwickelt; auch in den kleineren, wie im Roten und Baltischen, kommen sie vor, vermutlich fehlen sie auch dem Hudsonschen nicht. Unter den Randmeeren sind ebenfalls einige mit homothermen Tiefenschichten bekannt (das An- damanische, Japanische, Ochotskische), bei anderen darf man solche ver- muten (so z. B. im Ostchinesischen Randmeer), während beim Rest die Schwellentiefen meist zu groß sind. Bemerkenswert ist sodann an zweiter Stelle, daß die Nebenmeere der hohen Breiten im Winter eine inverse Lagerung der Temperaturen (kato- oder dichotherme Schichtung) erhalten, was bei den offenen Ozeanen nur am Rande der arktischen und antarktischen Vereisungen auftritt. Dies führt hinüber zu einem dritten thermischen Merkmal, der jahreszeitlichen Schw^ankung der Oberflächentemperaturen. Diese ist in den Nebenme.eren im allgemeinen beträchtlich größer, als- in den Ozeanen, wobei allerdings einerseits die auch im Sommer kalten Flächen des Arktischen Mitte^meers, anderseits einzelne kleine Stellen am Rande der subtropischen Ozeane, wie später noch darzulegen sein wird, eine Ausnahme gewähren. Immerhin bleibt auch hier ein gewisser Kon- trast zwischen den offenen Ozeanen und den Nebenmeeren unverkennbar. Zu einer weiteren Klassifikation scheint mir aber dieses Merkmal nicht besonders geeignet. 5. Klassifikation nach den Bewegung'sformen. Wie bereits bem*:irkt, hat schon Karl Ritter den auffälligsten Gegen- satz der großen und offenen Ozeane gegenüber den nebengeordneten Meeresräumen in dem erblickt, „was den Wassern ihr Leben gibt, in der Bewegung". Dieser Gedanke selbst findet sich freilich bereits in der antiken Literatur angedeutet; schon Aristoteles (Met. IL 1, ()) teilt die irdischen Gewässer ein in fließende und stehende, wobei das Meer zu den ersteren gehört. So haben dann nicht nur die mittelalterlichen Scholastiker, sondern auch noch die Kosmographen der Renaissancezeit gern unterschieden. Bei Paullus Merula (1C05) findet sich der.selbe Gegensatz zwischen den bewegten und den ruhenden Gewässern der Erde und die ersteren bewegen Einteilung nach den Bewegungsformen. 37 sich entwedei hin und her {reciproce), wie die von den Gestirnen, insbeson- dere vom Monde fortgezogenen Meere, oder nach einer bestimmten Rich- tung mit ihrer ganzen Masse, wie die Flüsse tun, während die ruhenden Gewässer höchstens vom Winde erregt werden. Von dem Meere gibt Merula geradezu die Definition, es sei die allgemeine Ansammlung der hin und her strömenden Gewässer, also der gezeitenbewegten. Bei Karl Ritter werden neben den Gezeiten aber auch die eigentlichen Strömungen bedeutsam für die Unterscheidung von zwei großen Kategorieen von Meeres- gewässern. Er sagt an der bereits früher angezogenen Stolle: .Jndes die einen, nach außen freiliegenden den allgemeinsten Gesetzen derselben in ihrer Regel- mäßigkeit folgen, nehmen die anderen, wegen der mannigfach sie unterbrechen- den Hemmungen, entweder gar nicht an der allgemeinen Flutenbewegung teil, wie die Binnenmeere Europas und andere, oder zeigen verschiedene, von den allgemeinen erst abgeleitete Erscheinungen, wie die Nordsee, oder, wenn auch die unmittelbaren Flutenbewegungen noch auf sie einwirken, wie auf den breiten Kanal des Atlantischen Ozeans, dennoch eine, dem allgemeinen Ro- tationsstrom im freien Ozean von Ost gen West geradezu entgegengesetzte, rücklaufende Bewegung von Amerika gegen Europa hin, woraus sich allein schon deutlich genug ergibt, wie durch die Stellung der Gewässer gegen die Ländergruppen auch ihre Natur bedingt werden mußte; denn der Art und Weise der Bewegung folgte die Umwandlung vieler anderen Verhältnisse der Gewässer nach." — Wenn hier dem Nordatlantischen Ozean so stark betont eine Sonderstellung zugeschrieben wird, weil er sich in höheren Breiten durch östliche Ströme beherrscht erweise, so können wir über solche Begründung heute, wo die entsprechenden östlichen Meeresströme im Gebiete der West- winde beider Hemisphären nachgewiesen sind, wohl zur Tagesordnung über- gehen. Wir werden aber, wenn wir die Bewegungsformen der Meere als ein klassenbildendes Merkmal untersuchen, an Karl Ritters grundsätzlichen Standpunkt anzuknüpfen haben. Für die Gezeiten ist offenbar der freie Ozean das gegebene Feld der Betätigung. Die Nebenmeere sind meist zu klein, um eigene, dem bloßen Auge auffallende Flutwellen selbst zu bilden, sie sind vielmehr dem Ozean gegenüber der empfangende Teil. Die Mittelmeere besitzen öfter nur gerade an ihren Eingängen noch deutliche, binnenwärts aber rasch erlöschende Ge- zeiten, wie das Romanische, Baltische, Rote, Persische und Hudsonsche Meer, oder, wenn sie sich breiter dem Ozean eröffnen, formen sie die von daher eindringenden Flutwellen durch Ablenkung an Inseln und Halbinseln so um, daß ihr ursprünglicher Charakter durch diese Interferenzen fast unkenntlich wird, wie in den Eintagstiden des Australasiatischen und Amerikanischen Mittelmeers. Die Randmeere aber nehmen die großen Flutwellen der Ozeane meist ohne tiefgreifende Abwandlungen ihrer ur- sprünglichen Gestalt auf. Das mit dem breiten Tor bei den Färöer gegen den Atlantischen Ozean geöffnete Arktische Mittelmeer steht in diesem Punkte den Randmeeren nahe, obwohl es wahrscheinlich auch noch in seinem zentralen Becken eine eigene Flutwelle bilden mag , die aber der atlantischen gegenüber immer nur klein bleiben wird, da die fluterzeugenden Kräfte mit der geographischen Breite abnehmen. Noch stärker ausgeprägt, als die Zugehörigkeit des nördlichen Eismeers zum atlantischen Flut- 38 Die Einteilung der Meeresräume. gebiet, ist gemäß den Untersuchungen van der Stoks die des Australasia- tischen zum Pazifischen. Kurz, die Ozeane sind das Feld der großen selbständigen, die Nebenmeere der kleinen unselbständigen Flutwellen. Eine Klassifikation nach diesem Merkmale ergäbe demnach wieder die zwei Hauptgruppen der offenen (keane und der Nebenmeere ; die letzteren zeigten dann eine von den örtlichen Umständen abhängige Verstärkung ihrer Unselbständigkeit, die in Intensitätsstufen weiter zu zerlegen hier unterbleiben mag, da in diesem Falle die geographische Zuteilung der verschiedenen Neben meere zu den drei Ozeanen näher liegt. Selbständig allein sind auch die Systeme der Meeresströmungen in den drei Ozeanen. Denken wir uns die Ozeane in den höheren Südbreiten etwa entlang den drei Grenzmeridianen durch Scheidewände abgesperrt, so würde das System der Oberflächenströmungen nicht wesentlich von dem vorhandenen abweichen. Nur die Wirkung der Westwinde in den hohen südlichen Breiten bliebe dann nicht mehr einheitlich, wie jetzt: es würde jeder Ozean südlich von 40° bis nach G0° S. B. eine eigene West- windtrift und weiter polwärts eine entgegengesetzte Ostwindtrift entwickeln, d. h. je einen Stromkreis, wie der nordatlantische zwischen Island und Neufundland, mit Verbindungsströmen an den Grenzmeridianen. Um ihr spezifisches Stromsystem zu entfalten, brauchen die drei Ozeane die ihnen angehängten Nebenmeere nicht: selbst das, was man den Golf- strom nennt, würde sich bei einem festen Abschluß des amerikanischen Mittelmeers entlang den kleinen Antillen und Bahamainseln noch ein- finden, wenn auch in weniger komplizierter und dem Kuro Schio ähnlicher Gestalt. Anders die Nebenmeere. Sie sind zumeist in ihren Strömungen durch- aus abhängig vom benachbarten Ozean, von dem sie Abzweigungen seiner Strömungen aufnehmen. Ganz von solchen beherrscht wird das Ameri- kanische Mittelmeer. Auf größeren Teilen ihres Gebietes davon beein- flußt werden: das Arktische, Australasiatische, Rote Meer und die ganze Reihe der Randmeere. In anderen Fällen tritt eine Isolierung gegenüber dem Ozean in der Weise auf, daß die Stromimpulse entweder direkt den meteorischen Gewässern des umschließenden Landes entspringen, wie das von der Ostsee und dem größeren Teile des nördlichen Eismeers und wahrscheinlich auch von der Hudsonbai, mit ihren Dichteströmungen, gilt; wird doch die Ostsee so kontinental, daß sie ihr Landwasser durch das Ausgangstor mit einem Gefälle wie ein Süßwasserstrom in das tiefer- liegende Nachbarmeer abfließen läßt. Oder wir sehen indirekte Einwir-. kungen des Landes, indem der Gegensatz von Wasser und Land die Aus- bildung zyklonaler Luftbewegungen begünstigt, die dann entsprechende Wassertriften hervorrufen. Diese örtlichen, vom Festlande ausgehenden Störungen kombinieren sich mit den aus den Ozeanen in die Nebenmeere eintretenden Strömungen. Immer bleiben auch in diesem Punkte die Nebenmeere den Ozeanen gegenüber minderwertig und unselbständig. Nach den Strömungen allein ließe sich etwa folgende Klassifikation der Meeresräume aufstellen. I. Ozeane mit selbständigem Stromsystem: der Atlantische, Indische, Pazifische. II. N e b e n m e e r e mit unselbständigem Stromsystem. Einteilung nach den Strömungen. 39 A. Unselbständig, weil von ozeanischen S t r o m z w e i g e n beherrscht : a. in vollem Umfange durchströmte Nebenmeere : 1. das Amerikanische Mittelmeer. — 2. das Tasmanische Rand- meer. b. teilweise durchströmt, aber mit ozeanischem Charak- ter der Strömungen: 1. das Australasiatische, 2. das Rote Mittelmeer, 3. das Ost- chinesische, 4. Britische Randmeer; 5. fast stromlos: das Kalifornische und 6. das Persische Meer. 0. teils dem Ozean entstammende, teils durch Nähe des Landes erzeugte z y k 1 o n a 1 e Strönmngen : 1. das Romanische Mittclmeer, 2. das Japanische, 3. das Ochots- kische, 4. das Beringsche, 5. das Deutsche Randmeer, (6. das Nordmeerbecken des Arktischen Mittelmeers). B. Unselbständig, weil durch abströmendes Land- wasser beherrscht : L das Arktische Mittelmeer, ohne europäisches Nordnieer; 2. die Ostsee, 3. die Hudsonbai, 4. das Laurentische Randmeer. 6. Klassifikation nach der Entstehung. Unter den Klassifikationen von Objekten der trockenen Erdober- fläche pflegen die genetischen, auf die Entstehung der Formen begründe- ten, als die vornehmsten zu gelten. Denn wer die innere Organisation und Bildungsweise der verschiedenen Gestalten untersucht, trifft, wie Alfred Hettner sagt, das eigentliche Wesen der Dinge. Eine genetische Einteilung der Meeresräume sollte also auch unser höchstes Ziel sein. Aber eine kurze Überlegung zeigt, daß dem nicht so ist. Die Meeresräume haben ihr eigentliches Wesen im Wasser, und insofern enthält unsere Ein- teilung der Meeresräume nach den Eigenschaften des Seewassers bereits ein echt genetisches Merkmal. Aber des Wassers ununterbrochener flüssiger Zusammenhang verbürgt zunächst die Einheit des Weltmeers und sodann die Zugehörigkeit der Nebenmeere zu den Ozeanen, nur ihre äußere Ge- stalt empfangen die Meere aus der Form des Gefäßes, das diese ozeanische Flüssigkeit umfängt. Das Gefäß gehört der Erdkruste an, liegt also außer- halb des innersten Wesens der Meere. Eine genetische Einteilung der Meeresräume w^ird nur auf die verschiedene Entstehung der Meeresbecken als Hohlräume gegründet sein, wobei sie im übrigen von deren Wasser- füllung absieht. Ein Einteilungsprinzip aber, das damit beginnt, die Meere selbst als verdunstet oder sonst nicht vorhanden zu behandeln, kann nicht beanspruchen, von den Ozeanographen besonders hoch eingeschätzt zu werden. Aber fruchtbar und lehrreich muß es immer sein, der Entstehung derjenigen Teile der Erdrinde nachzuforschen, welche den Meeresboden und die Küsten bilden, und die indirekt durch ihre verschiedenartige Aus- gestaltung die Differenzierung abgesonderter Wasser gegenüber denen der großen Ozeane hervorrufen. Beherrschen sie doch auch in der Be- rührungslinie der Meeresoberfläche mit den darüber hinausragenden Krustenteilen zugleich die horizontale Gliederung, die dem Ozeanographen die vornehmsten Merkmale für seine Klassifikationen liefert. Hinweise auf eine genetische Einteilung hat schon Eduard Sueß aus- gesprochen, und später hat Alfred Hettner sie zur Aufstellung verschiedener 40 Die Einteilung der Meeresräume. Typen von Meeresbecken weiter entwickelt; freilich auch schon mit dem Vorbehalt, daß derartige Klassifikationen hinter den auf Lage und Ge- stalt gegründeten zurückstehen müssen. Zu einer umfassenden Formen- reihe vorzuschreiten, ist allerdings die Zeit noch nicht gekommen; unsere Kenntnis von den geologischen Prozessen, die zur Bildung der Küsten- linien der Festländer und der Inseln geführt haben, ist leider noch lücken- liaft, und die Deutungen schwanken. Es wird allgemeine Übereinstimmung darüber herrschen, daß die großen Unebenheiten der Erdrinde zurückzuführen sind auf einen Schrump- fungsprozeß, der durch den stetig fortschreitenden Wärmeverlust und die damit verbundene Volumverkleinerung des Erdballs hervorgerufen wird. Die Erdrindenteile haben demgemäß die Tendenz, ihren Abstand vom Erdzentrum zu verkleinern, und wenn wir tatsächliche Verschiebungen in dieser Richtung als Senkungen bezeichnen, so leuchtet ohne weiteres ein, daß die Ozeane mit ihren gewaltigen Tiefen als das Ergebnis stärkster Senkung gelten dürfen. Bei der Verkürzung des Erdradius entstehen aber auch tangentiale Spannungen in der Erdrinde, die an der einen Stelle zu einer Zusammenschiebung, an einer anderen zu einer Zerrung von Rindenteilen führen. Gezerrte und durch Brüche oder Spalten aus dem Zusammenhang gelockerte Teile werden der allgemeinen zentripetalen Tendenz leicht nachgeben, es erfolgen Einstürze und Zusammenbrüche. Anderseits nehmen zusammengeschobene Rindenteile vorzugsweise die Form von Falten an, die sich in ihren Sätteln vom Erdmittelpunkt ent- fernen, in ihren Mulden ihm nähern, die aber auch als Ganzes noch ge- hoben oder gesenkt werden und, nachträglich noch durch Spalten zerlegt, niederbrechen können. Man wird also drei Grundformen der Lagen- änderungen von Erdrindenteilen unterscheiden: erstlich die auf großen Flächen wirkenden Senkungen oder Hebungen, zweitens die Niederbrüche an Spalten, drittens die Faltungen. Nach Sueß sind nun in der Tat die Meeresbecken ringsum begrenzt von tiefgreifenden Bruchlinien gegen die Kontinente, so daß diese als gewaltige „Horste" dastehen. Insbesondere weisen die zentripetalen Tendenzen in den Becken der großen Ozeane sowohl nach der Fläche wie nach der Tiefe hin die höchste Steigerung auf, während die Becken der Nebenmeere hierin zurückbleiben. Bedeutsam aber ist außerdem, daß> wenn wir bis auf die ältesten Perioden der Erdgeschichte zurückgehen, überall da, wo jetzt Land ist, einst Meer, wo jetzt Meer ist, einst Land ge- wesen sein kann; doch hat sich ergeben, daß seit den mesozoischen Zeiten die Lage der großen Ozeane in ihren heutigen Hauptzügen erkennbar wird und daß sie im Verlaufe der jüngsten Erdepochen im wesentlichen ungeändert festgehalten worden ist. Dagegen hat sich im Bereiche der jetzigen Nebenmeere bis in die jüngsten Zeiten hinein ein höchst ergiebiger Austausch von Wasser und Land vollzogen, und die meisten Nebenmeere, wie sie jetzt vor uns liegen, sind geologisch gesprochen junge Meere, viele darunter trotz sehr beträchtlicher Tiefe sogar postglazial. Wir haben somit zwei große genetische Kategorieen: erstlich die zwischen die großen Kontinentalschollen eingesenkten, alten und im wesentlichen permanenten Ozeane, die man als riesenhafte Kesselbrüche auffassen kann, die da, wo sie einander berühren, die Landmassen sich Ingressions- und Einbruchsmeere. 41 keilförmig zuspitzen lassen; und zweitens die in die Kontinentalsockel mehr oder weniger tief eingesenkten jüngeren und unbeständigeren Neben- meere. Unter den Nebenmeeren werden wiederum i.wei Arten zu unterscheiden sein, je nachdem es sich um eine allgemeine Senkung der Kontinentalsockel handelt, oder um partielle Niederbrüche in ihnen, wodurch dem Meer- wasser Zutritt gewährt wird. Wir nennen die einen Ingressions- , die anderen Einbruchsmeere. Die Ingressionsmeere, auch Überspülungs- oder Pfannenmeere ge- nannt, bedecken flache, meist pfannenartige Landräume, deren Ober- fläche, schon vorher durch Erosion oder Aufschüttung und durch ältere Dislokationen ausgestaltet, durch eine Senkung als Ganzes fertig dem Meere zur Überspülung dargeboten wurde. Die Form ist also alt, die Senkung kann sehr jung sein. Es sind zumeist seichte Meere, die hierher gehören: wie unsere Ostsee, die Hudsonbai, das Laurentische und Tas- manische Eandmeer, höchst wahrscheinlich auch die Nordsee, da die eigentliche Nordseebank erst nach der Eiszeit überspült wurde und die norwegische Rinne schon lange vorher fertig vorgebildet war. Daß endlich der Britische Kanal hierher gehört, kann zugegeben werden; ob auch die Irische See und der schottische Minch, ist im Hinblick auf das kompli- ziertere Bodenrelief zweifelhaft. Dasselbe gilt vom Weißen Meer, das Hettner in diese Kategorie stellt; jedenfalls wäre es dann aber als Ingres- sionsmeer zweiter Ordnung zu betrachten. Auch das Ostchinesische Rand- meer nennt F. v. Richthofen ein großes Ingressionsmeer, obwohl dessen seewärts gelegene Zugänge durch jüngere Brüche um- und ausgestaltet sind, Ingressionsmeere zweiter Ordnung sind noch der Golf von Siam. die Java- und Arafurasee. Die Einbruchsmeere umfassen alle übrigen Nebenmeere. Man kann von ihnen dreierlei Arten unterscheiden, je nachdem es sich um dem Meere partiell überliefertes Schollenbruchland, oder um Faltenbruchland oder um eine Kombination aus beiden handelt. I. Die Schollenbruchmeere, die wieder auftreten als Grabenmeere oder Kesselbruchmeere, geben eine erste Gruppe. Haupttypus für die ersteren ist das Rote Meer; ein Grabenmeer zweiter Ordnung ist vielleicht das Skagerrak. — Kesselbruchmeere sind höchst wahrscheinlich das europäische Nordmeer und möglicherweise auch das Zentralbecken des nördlichen Eismeers; sekundär den großen ozeani- schen Einbruchskesseln als seitliche Ausläufer angegliedert die Golfe von Biskaya und von Aden, die Davisstraße, und in den Nebenmeeren selbst die Syrten und der Golf von Mexiko. IL Die Faltenbruchmeere sind zwischen niedergebrochenen älteren Faltensystemen eingebettete junge Meere. Hierher gehören das Australasiatische Mittelmeer mit seinen Kranzmeeren, das pontische und ägäische Becken des Mittelländischen Meers, und als solche erster Ordnung nach F. v. Richthofens neuesten Darstellungen das Japanische, Ochots- kische und Beringmeer, deren Inselreihen nicht als Falten, sondern als Zerrungsbögen aufzufassen sind und die nur durch epigenetische Vulkan- reihen eine äußere Ähnlichkeit mit jungen Faltungsbogen empfangen haben. 42 I^ie Einteilung der Meeresräume. III. Die kombinierten Bruchmeere mit Einbrüchen zwischen Falten auf der einen und Schollen auf der anderen Seite sind mit oder gleich nach dem geologisch jungen Faltungsprozeß entstanden und dadurch von den Ingressionsmeeren verschieden, auch wenn sie nicht tief sind. Indem wir mit Sueß ihre relative Stellung zu den Faltenzügen maßgebend sein lassen, erhalten wir zwei Untergruppen: 1. Die Vormeere, die an der meist konvexen Vorderseite der Faltenbögen gesunkenes Vorland bedecken, wie der Persische Golf nach Sueß und der Kalifornische Golf nach Hettner ; als eines zweiter Ordnung wäre noch das Orientalische Becken des Mittelländischen Meeres zu nennen. 2. Die Rückmeere, wo die Erdrinde im Rücken der Falten- züge (meist an deren konkaver Seite) niedergebrochen ist, die Falten selbst aber ganz in Inseln aufgelöst sind. Hettner wollte hierzu die ostasiatischen Randmeere rechnen; allem Anscheine nach aber gehört hierher das An- damanische, und, als Gebilde zweiter Ordnung, das Balearische Becken des Romanischen und das Karibische Becken des x4merikanischen Mittel- meers. Wie schon durch einzelne Beispiele erkennbar, konnte die Reihe dieser Typen noch durch. Teile der Ozeanbecken selbst vervollständigt werden. Als Grabenbrüche haben wir später noch den Atakama-, Ker- madec-, Tonga-, Marianen-, Japan-, Sunda-, Mentawie-, Portoricograben u. a. m. zu erwähnen; als Kesselbrüche ließen sich zahlreiche von Inseln und submarinen Bodenschwellen begrenzte Ozeanräume, vielleicht auch das zentralatlantische Romanchetief deuten; Faltenbruchmeere sind in die inselreichen Flächen des westlichen Pazifischen Ozeans eingesenkt, wenn sich auch stellenweise die niedergebrochenen Falten nur aus Atoll- reihen rekonstruieren lassen; Vormeere sind der bengalische und der nordwestaustralische Busen; Rückmeere vielleicht die Korallensee und das Maskarenenmeer. Das was einst Sueß von den großen Kontinenten aussprach und erwies, daß sie zusammengeschweißt sind aus verschieden- artigen Gebilden, gilt also nicht minder für die Ozeane und die großen interkontinentalen Mittelmeere. Wir haben uns dabei aber immer gegen- wärtig zu halten, daß es die Wasserfüllung ist, die die höheren Einheiten unter den Meeresräumen begründet. Außer der eben gegebenen ist noch eine zweite genetische Einteilung möglich, die trotz ihrer einseitigeren Richtung bereits in der Formenlehre der trockenen Erdoberfläche bedeutsam geworden ist : es ist die Lage der Meeresräume zu den großen Dislokationslinien der Erdkruste. Wie man Quer- und Längsküsten oder Quer- und Längsinseln unterscheidet, so auch quer- und längsgestellte Nebenmeere. Freilich sind hierbei die großen interkontinentalen Mittelmeere von vornherein auszunehmen : ihre Bildung ist so verwickelt, ihre Zusammensetzung aus verschiedenartig entstan- denen Teilen so reichhaltig, daß sie sich, als Meereseinheiten im ganzen, diesem einfachen Schema unmöglich einfügen, wohl aber mit ihren Teilen sekundäre Beispiele liefern, während die intrakontinentalen Mittelmeere und die Randmeere Typen erster Ordnung darbieten. Wir erhalten dann folgendes Schema. I. Längsgestellte Neben meere. Solche erster Ordnung sind das Baltische und Persische Mittelmeer; von den Randmeeren das Die Meerbusen. 48 Andamanische, Ostchinesische, Japanische, Ochotskische, Beringsche, Kalifornische. Gebilde zweiter Ordnung u. a. : die Adria, das Tyrrhenische, Balearische, Pontische Becken des Romanischen Mittelmeers, das Kay- man- und Karibische Becken des Amerikanischen, Sulu- und Celebessee des Australasiatischen Mittelmeers. II, Quergestellte Nebenmeere. Von den Mittelmeeren treten hierzu das Eote und die Hudsonbai (?), von den Randmeeren die Nordsee, das Britische, Laurentische, Tasmanische (?); von zweiter Ordnung sind das Ägäische und Asowsche Meer, die Bandasee, der Golf von Mexiko, das Weiße Meer u. a. Hierbei ist die Verteilung sowohl der kleinen Mittelmeere wie der Randmeere auf beide Kategorieen bemerkenswert. Man ist hiernach be- rechtigt, von je zwei Längsmittelmeeren und Quermittelmeeren oder von sechs Längsrandmeeien und vier Querrandmeeren zu sprechen. Da das hierbei maßgebende Merkmal nicht allein aus der Geotektonik, sondern auch aus der (relativen) geographischen Lage hergenommen ist, wird es sich in der Tat für eine natürliche Unterteilung der genannten Kategorieen von Nebenmeeren empfehlen. 7. Die Meerbusen. Als eine untergeordnete Gliederungsform aller Meeresränder sind die Meerbusen, Golfe, Buchten oder Baien noch kurz zu betrachten; es sind seewärts offene Meeresteile, landwärts durch in hohlem Winkel zusammen- treffende Küstenlinien begrenzt. Von ubiquitärer Verbreitung, in unüber- sehbar großer Zahl auf den Karten durch Namen bezeichnet, sind sie von den Nebenmeeren unterschieden durch ihre breitere Verbindung mit dem Ozean oder dem ihnen übergeordneten Nebenmeer; oder, wo der Zugang enger wird, durch ihre verhältnismäßige Kleinheit, wobei sie den Rand- und Mittelmeeren als geometrisch ähnliche Figuren zur Seite treten können. So ist der Golf von Korinth ein Zwergmittelmeer, dem sich ein Zwerg- randmeer zwischen Patras und Kephallenia vorlagert. Die Busenbildungen gehen dann schließlich über in die Kleinformen der Küsten, wo sie als Fjorde, Rias, Limane, Haffe, Bodden u. s. w. Forschungsobjekte der Festlandskunde werden. Bei dieser Fülle von Abstufungen in Größe und Gestalt wird es eine besonders schwierige Aufgabe, die Busen vom ozeano^ graphischen Standpunkte aus zweckmäßig in Typen zu ordnen; auf die genannten Kleinformen wird dabei von vornherein zu verzichten sein. Leider kommt uns der Sprachgebrauch in keiner Weise hilfreich entgegen, denn für ein und dasselbe Objekt, z. B. den Biskayischen Busen, sind in, voller Synonymität auch die Bezeichnungen Bai, Golf und Bucht neben- einander üblich. Eine Unterscheidung, wie sie A. Penck^) angenommen hat, wonach Baien die Gestalt eines Kreisabschnitts besitzen. Buchten schlauchartig gedehnt sind, und Golfe über breitere und größere Flächen zusammenhängen, was, wie er meint, dem durchschnittlichen Sprach- gebrauch entsprechen soll, ist denn auch nirgends in der Literatur oder in den Atlanten durchgedrungen. Man kann nur bedauern, daß die Zeit für solche Festlegungen längst verpaßt ist. — ^) Morphologie der Erdoberfl. I, 650. 44 I^ie Einteilung der Meeresräume. Betrachten wir die Meerbusen nach ihrer Lage, so könnte man sie zunächst in ozeanische und nebenmeerische scheiden, wobei allemal, da immer wieder Busen untergeordneter Art gebildet werden, solche zweiter, dritter, vierter u* s. w. Ordnung zu verzeichnen wären. Ein primärer ozeanischer Busen ist der Golf von Maine; er trägt als sekundäre Busen die Cape-Cod-Bai und Fundybai; die letztere i) hat tertiäre Busen in der Passamaquoddy-, Chignecto- und Minenbai; quartäre in der Cobequid-, Cumberland- und Shebodybai u. s. f. ; die in dem Beispiel genannten Ab- gliederungen späterer Ordnung gehören schon zu den Kleinformen der Küsten. Förderlich für die Meereskunde ist eine solche Unterscheidung von Lagenklassen kaum. Aber auch die der Größenklassen nicht, da sie nur willkürlich ausfallen kann. Was hilft es viel, wenn wir als Meerbusen erster Größe (Großbusen) solche bezeichnen, deren Sehnenlänge an der Grenze gegen die offene Meeresfläche mehr als fünf Breitengrade mißt (Golfe von Bengalen, Sansibar, Mozambique, Biskaya, Guinea, Alaska, Arica und die Große Australische Bucht); als mittlere Busen solche mit einer Sehnenlänge von 1^ — 5° (Golfe von Panama, Maine, Laplata, Mar- taban, Siam, Genua, Lion, Valencia u. s. w.) und als kleine Busen, die weniger als 60 Seemeilen Sehnenbreite haben (Danziger Bucht, Delaware-, Chesapeakebai u. v. a.)! Nach der Gestalt könnte man zunächst Meerbusen mit Öffnungen an der Rückseite solchen, die landwärts vollkommen geschlossen sind, als morphologische Haupttypen gegenüberstellen. Die landwärts durch- brochenen oder Trichterbusen sind seltener (Davisstraße-Baffinbai, Arabischer Golf, Korallensee, die Golfe von Gibraltar, Aden, Maskat und Manaar sind primäre), die rückwärts geschlossenen oder dichten Busen bilden die Regel. J. G. Kohls Unterscheidung von kreisförmigen, ovalen, spitzen, dreieckigen, quadratischen u. s. w. Busen führt uns auch nicht weiter. Wissenschaftlich höher steht sein Versuch, den Grad der Ab- gliederung geometrisch zu erfassen, wie bereits an früherer Stelle (S. 30) kurz berichtet wurde. Kohl, der auch unsere Nebenmeere unter die Meer- busen rechnet, ja sogar halbe oder ganze Ozeane seinem Schema einfügt 2), unterscheidet, wenn wir von diesen absehen, noch drei Typen nach dem (abnehmenden) Grade ihrer Abgliederung : 1. die eigentlichen Meerbusen oder die Halbseen (in der Einheit: der Halbsee), deren Muster eine halbierte Kreisscheibe ist, wo also die Pfeilhöhe der Sehne gleich dem Halbmesser wird, wie (nach Kohl) beim Bengalischen und Arabischen Golf. Darauf folgen mit verminderter Isolierung: 2. die Küsteneinsprünge oder aus- geweiteten Busen (Biskaya- und Carpentariagolf) und zuletzt mit kleinster Pfeilhöhe: 3. die Küsteneinbiegungen (Golf von Arica). Besser könnte man nach einem Verfahren, wie es W. Brecht für die Klassifikation der Halbinseln anwendet, ein Maß für den Grad der Abgliederung erhalten, indem man die Öffnung des Busens gegen die freie See als Sehne eines den Busen umschreibenden Kreises betrachtet. Dann gibt der zu der ge- nannten Sehne gehörende Segmentwinkel ein charakteristisches Maß ; er ') Pet. Mitt. 1889, Taf. 10. -) Ansiedlung und Verkehr S. 362 wird so der große amerikanische Busen ohne Namen westwärts von der Linie Kap Roque-Bellislestraße erwähnt. Die Meerbusen. 45 wird bei schwach abgegliederten Busen weniger als 180 '^ messen, bei tiefer eindringenden über 200° und 300°, bei Busen von mittelmeerischer Figur fast 360°. Wenn man die Sehnenlänge (Zugangsbreite) des Busens lü nennt, das Bogenstück des umschreibenden Kreises h, und v die Quadrat- wi'jzel aus der Fläche des binnenwärts von iv gelegenen Busengebiets, so erhält man nach Precht als Ausdruck für die Isolierung J={b — t):v. Ist der Radius des Umkreises r, der zum Bogen b gehörige Segmentwinkel ß, so findet man diesen leicht aus der Beziehung: w = 2r sin^/2ß. Precht hat eine Tabelle entworfen, aus der man die zusammCxigehörigen Werte von ß und J entnehmen kann, am besten durch graphische Interpolation. Man erhält dann auch für die Meerbusen eine Formenskäla, die von den wenig isolierten zu den fast geschlossenen mittelmeerischen hinüberführt, wie folgende hier als Stichproben berechnete Beispiele zeigen mögen. 1. Flachgolfe, /S» > 150° :/> 0,20: Große Australbucht: /^'^ 108°: J-=0.11 Golf von Sansibar: 112°: 0.12 „ Arica: 114°: 0.12 „ Alaska: 130°: 0.15 „ Valencia: 146°" 0.18 „ Mozambique: ' 147°: 0.18 2. Viertelgolfe, /5* = 180°, J-==0.26: Golfe von Lion, von Salerno. 3. Halbgolfe, ^4» = 200— 300°, .7 = 0.4 — 0.6: Golf von Biskaya : /9 = 223° : J"= 0.42 „ Lakonien: 249°: 0.48 „ Bengalen: 251°: 0.48 ., Panama: 269°: 0.55 „ Messenien: 275°: 0.57 ., Carpentaria: 276°: 0.57 4. S a c k g o-l j e, /9 = rund 300° : 7=^ 2^3 . Golf von Slam : ^S' = 300° : / = 0.69 Saronischer Golf: 302°:' 0.69 5. Mittelmeerische Golfe, /^^ > 330° :V> 0.80: Golf von Mexiko : /i = 337° : / = 0.88 . Finnischer Golf: 339°: 0.88 Golf von Korinth: 359°: 0.999 Diese Methode ist, abgesehen von anderen offenkundigen Schwächen, insofern bedenklich, als man sie praktisch nur auf Meerbusen anwenden kann, die an der Öffnung gegen die freie Meeresfläche keine Inseln haben und deren Figur ohne Gewaltsamkeiten einen Umkreis zuläßt, was keineswegs überall der Fall ist. Busen mit eingestülptem Zugang, wie u. a. der Golf von Volo, gestatten überhaupt keinen Umkreis. Besseren Erfolg scheint eine genetische Einteilung der Meerbusen jzu versprechen; wie bei den Nebenmeeren führt sie zunächst zu den zwei Haupttypen der jungen Niederbruchsbusen und der Ingressions- oder Uberspülungsbusen. Die letzteren sind meist kleinere, selten große, stets seichte Meeresteile und dem sogenannten Schelf oder der Kontinentalstufe 46 ^ie Einteilung der Meeresräume. zuzurechnen. Solche Schelfbusen sind von erster Ordnung, also an Ozeanküsten: die Golfe von Maine, Laplata, Bahia blanca, San Jorge, San Matias; die Coriscobai, Große Australische Bucht; zweiter Ordnung an Nebenmeeren: die Kleine Syrte, die Golfe von Venedig, Odessa, Iskan- derun, und (von besonderer Größe) die Golfe von Siam und Tonkin; ferner die Koreabucht, Schantarbai u. v. a. Wie schon aus diesen Beispielen hervorgeht, können sie die mannigfaltigsten Umrisse annehmen, die weiter zu klassifizieren wohl angängig wäre, aber nicht in unserer Absicht liegt. — Unter den durch Niederbrüche von Sockelteilen der Landmassen ent- standenen Einbruchsbusen unterscheidet man leicht die graben- artigen, unter denen der Golf von Aden voransteht ; Grabenbusen zweiter Ordnung sind die Baffinbai, die Golfe von Akaba, von Korinth und der Saronische Golf, vielleicht auch der Golf von Tomini auf Celebes. Penck hat sodann als „offene Golfe" solche bezeichnet, die wahrhaft ozeanische (abyssische) Tiefen besitzen und von den Tiefenbecken der Ozeane nicht durch Bodenschwellen getrennt sind. Diese Ausläufer der Tiefsee gegen die Kontinentalränder sind meist wohl als Halbkesselbrüche zu deuten; ich nenne sie, wenn ozeanisch, parabyssische Busen, wenn an Nebenmeerbecken, faraulonische (von aoXwv, Kesseltal). Beispiele der parabyssischen Busen sind die Golfe von Arabien, Bengalen und Arica; der paraulonischen die Golfe von Genua, Tarent, Salerno, Bone (Celebes), die Wedabai (Halmahera) u. a. — Außerdem aber gibt es noch Meerbusen, deren seewärts gelegener Boden zwar zur Tiefsee übergeht, denen aber landwärts eine breite Schelfbank angefügt ist; diese, halb durch Tngression, halb durch Niederbruch erzeugten Busen nenne ich Stufenbusen. An den Ozeanrändern sind sie geräumig entwickelt, wie die Biskayabai, die Golfe von Gibraltar, Alaska, Mozambique, Sansibar und Panama beweisen. Nebenmeerische Stufenbusen sind unter anderen der Ligurer- golf, die Große Syrte, der Golf von Campeche. Endlich finden sich noch, als eine Abart der Stufenbusen in Nebenmeeren, kleinere in den Rand des Landsockels eingesenkte Busen, deren Boden von der Schelfplatte aus zu einer seewärts immer breiter werdenden Kerbe gegen die Tiefsee hin abfällt. Beispiele für diese Kerbenbusen sind die Hondurasbai, der Messenische und Argolische Golf, auch wohl der Golf von Saros. Die hier gegebene Aufstellung von Meerbusentypen kann nur als ein erster Versuch gelten, der bei weiterem Fortschreiten der Spezialforschung mannigfache Abänderungen erfahren wird. Vielleicht wird es später auch möglich sein, das Verhalten der Meerbusen zu den Leitlinieil der großen kontinentalen Dislokationen klarer zu bestimmen. Da sich nämlich die meisten und namentlich die großen Meerbusen so breit gegen die offene See öffnen, wird der Anschein erweckt, als wären sie weitaus überwiegend zu den längsgestellten zu rechnen. Vielleicht ist dieses Merkmal geeignet, später einmal die Ingressionsbusen weiter einzuteilen, wie das bei den Randmeeren vorher geschehen ist. 8. Die Meeresstraßen. Die Meeresstraßen sind die Verbindungen zweier Meeresteile zwischen ungefähr parallelen Küsten hindurch; sind sie schmal im Verhältnis zur Die Meeresstraßen. 47 Länge, so nennt man sie Meerengen. Seinem Ursprung nach scheint der Ausdruck Meeresstraße auf ihre Verwendung für die Zwecke der Schiff- fahrt hinzudeuten. Ihre morphologische Untersuchung durch A. Penck^) ist sehr lehrreich und ihre Einteilung in den wesentlichen Punkten gewiß zutreffend. Seine sehr berechtigte Klage, daß es noch sehr an Spezial- beschreibungen dieser doch so verbreiteten Gebilde fehle, mag hier wieder- holt werden. Richtig unterscheidet Penck zunächst zwischen Küstenstraßen, die nur eine Kleinform der Küsten oder Inselgruppen bilden und als Fjord-, Ria-, Lagunen-, Vallonenstraßen u. s. w. in der Lehre von den Küsten beschrieben werden, von den eigentlichen Meeresstraßen, die einzelne Meeresteile miteinander oder mit dem Ozean verbüiden. So hat schon Varenius^) gesagt: Freta sunt triplicia: vel enim conjungunt Oceanum cum Oceano, vel Oceanum cum sinu, vel sinwn cum sinu. Wir würden heute die ozeanischen Meeresstraßen wieder in zwei Rangstufen zerlegen, nämlich eine erste, wo wirklich ein ganzer Ozean mit dem benachbarten verbunden wird, wie das die Drake- oder Kap-Hornstraße als einziges Beispiel zeigt, wofern man nicht das Tasmanische Randmeer als Baßstraße hierneben stellt, und sodann eine zweite, die die Straßen innerhalb der Ozeanflächen selbst umfaßt, wie die Mozambiquestraße oder auch die Palk-, Cook- und Lemairestraße. Diese vier wären also intraozeanische Straßen, die Kap- Hornstraße aber allein eine interozeanische. Ganz analog könnte man auch bei den Nebenmeeren verfahren und intramarine Straßen in ihrem Inneren, z. B. in den Mittelmeeren, gegenüberstellen den intermarinen, die zwei Nebenmeere verbinden. Ein eigentlich morphologischer Unterschied be- steht zwischen beiden nicht; doch hat ihre Unterscheidung anthropo- geographische Bedeutung. Nach ihrer Größe und Gestalt sind die Meeresstraßen unendlich wechselvoll abgestuft. Neben schmalen und flachen, wie die Straße von Malaka oder die Tatarische, sogar flußartig gewundenen, wie Bosporus, Dardanellen, der Kleine Belt, gibt es breite und dabei seichte, wie die Straßen von Formosa, Korea, das Kattegat oder die Beringstraße, oder sehr tiefe, wie die Davis-, Hudson-, Mozambique-, Molukken-, Cabot-, Yucatan-, Eloridastraße, auch enge und dabei tiefe, wie die von Gibraltar oder Messina, oder ganz kurze, wie zwischen den Inselkränzen der Mittel- meere. Was ihre Bodengestalt betrifft, so ist bemerkenswert, daß die Straßen zwischen tiefen Meeresteilen in der Regel seichter zu sein, oder doch eine submarine Bodenschwelle zu überqueren pflegen, dagegen Straßen der Flachsee oft tiefer sind als die verbundenen Meeresteile, und regelmäßig ist das letztere der Fall, wenn sie von starken Strö- mungen durchsetzt werden, die in den Engen auskolkend auf den Boden wirken. Gemäß ihrer Lage zu den großen Dislokationslinien unterscheidet Penck drei Arten : 1. die Längsstraßen zwischen parallel streichenden Erhebungen; sie sind verhältnismäßig selten (Straße von Malaka, Formosa- und Tatarische Straße). 2. Die Querstraßen, die senkrecht zum ') Morphologie der Erdoberfl. II, 596—600. 2) Geographia generalis 1650, p. 126. 48 I^ie Einteilung der Meeresräume. Gebirgsstreichen der getrennten Festlandstücke oder Inseln liegen, wozu wohl die meisten Meeresstraßen gehören; namentlich die Inselbögen der Mittel- und Randmeere liefern uns typische Beispiele, denen dann noch die Querbrüche in den Faltenzügen, wie die von Gibraltar, Tunis und Messina zur Seite treten. 3. Indifferente Meeresstraßen, die unabhängig^ von den Dislokationslinien des durchbrochenen Landes verlaufen, wie z. B. das Ärmelmeer, oder an der Grenze zweier verschiedener Struktur- gebiete liegen, wie die Floridastraße und die Straßen von Otranto, Korea und auch wohl Makassar. Nach ihrer Entstehung ordnet Penck die Meeresstraßen ebenfalls in drei Haupttypen. 1. Die Senkungsstraßen, entstanden durch Nieder- brechen des Landes zwischen zwei Meeresflächen; 2. die Umwallungs- straßen, die sich durch Hebung zweier Stücke des Meeresbodens zu beiden Seiten eines in der Tiefe bleibenden Streifens bilden, und 3. die Unter- tauchungsstraßen, wo das Festland durch eine allgemeine Krustenbewegung dem Meere einen Durchpaß durch eine Talung gewährt. Da der zweite Typus nur als Kleinform an den vulkanischen und korallinen Küsten zu finden ist, sehen wir hier davon ab und behalten dann, in unserer Aus- drucksweise bleibend, die zwei Haupttypen der Einbruchs- und Ingressionsstraßen. Im Hinblick aber auf einzelne Fälle, wo die erodierenden Kräfte des Meeres selbst eine Straße durch Landengen hindurch geschaffen haben, werden wir noch eine dritte genetische Klasse aufstellen: die Erosionsstraßen. Zu ihnen gehört vor allem die Straße von Dover, die durch Andrang der Sturmfluten von den breiten Trichterbusen des Ärmelmeers und der Hoofden her entstanden ist und durch die starken Gezeitenströme weiter vertieft wird. Wie A. Penck und Charles Darwin ausgeführt haben, sind die erodierenden Kräfte des Meeres überhaupt in den. Meeresstraßen sehr verstärkt und darum imstande, eine einmal vorhandene Straße offen zu halten, ja weiter auszugestalten. Große Beispiele, wie die Straße von Dover, stehen allein, aber Kleinformen dieser Art sind nicht weit davon in der Straße zwischen dem Felsen und der Düne von Helgoland, sowie in der Straße zwischen der Insel Wight und dem britischen Festland (Solent und Spithead) zu finden. Die Belte "und der öresund sind zwar als Ingressionsstraßen anzusprechen; sie ver- danken aber ihre moderne Gestalt den während der Litorinaphase der Ostsee, also schon vor den Augen der Germanen, hier stark wirksamen Gezeitenströme, worüber bei späterer Gelegenheit ein mehreres zu sagen sein wird. Die Vorbildung einer zukünftigen Erosionsstraße kann man im innersten Zipfel der Fundybai beobachten, wo der Hub der dortigen Riesen- gezeiten 15 m übersteigt und jede mit Südweststurm kombinierte Spring- flut ein Stück der schmalen Landenge von Amherst abträgt. — Auch die Meeresströmungen, die auf Dichteunterschieden des Seewassers der ver- bundenen Meeresteile beruhen, haben erosive Leistungen in historischen Zeiten vollbracht. Für den Bosporus ergibt sich, wenn wir die von den Alten angegebenen Breiten der engsten Stellen jnit dem heutigen Zustande vergleichen, namentlich wenn Herodots Maße der Brücke des Darius richtig sind, daß diese Meerenge in 2400 Jahren stellenweise um ein Drittel an Breite gewachsen ist; jedenfalls sind in der Kaiserzeit vorhandene Das natürliche System der Meeresräume. 49 Klippen an den Ufern und im Fahrwasser heute verschwunden^). Ob dagegen die Dardanellen auch an Breite merklich gewonnen haben, ist bei den noch größeren Divergenzen in der vorliegenden Überlieferung zweifelhaft '*). Man könnte also wenigstens den Bosporus den Erosions- straßen näher stellen, als dem Ingressionstypus. Unter den Einbrüchstraßen wird man zweckmäßigerweise solche unterscheiden, die den Hauptdislokationen parallel verlaufen, und andere, die auf Querbrüchen liegen, also Längsbruch- und Querbruch- straßen. Beispiele der ersten Art liefern die meisten steilufrigen, zu- gleich breiten und tiefen Straßen,, wie sie im Barry- und Grönlandgebiet so zahlreich auftreten, daß man mit Herrn. Wagner von einem wahren Straßenmeer sprechen kanri, auch die Hudson- und Davisstraße gehören dazu; kleinere Abmessungen zeigen Bab el Mandeb und die Straße von Ormuz. Von den Querbruchstraßen sind bereits genannt die von Gibraltar, Tunis, Messina, und auf die zahlreich, fast als herrschende Erscheinung in den Zerrungsbögen der ostasiatischen Randmeere auftretenden Beispiele braucht ebensowenig mehr im einzelnen eingegangen zu werden, wie auf die ähnlichen Gebilde der Sundareihe und der australischen Inseln vom Bismarckarchipe^ bis zur Cookstraße hin oder die der großen Antillen. 9. Das natürliche System, der Meeresräume. Wir haben im vorhergehenden der Reihe nach die klassifikatorischen Merkmale der selbständigen und unselbständigen Meeresräume und ihrer ubiquitären Randerscheinungen untersucht in der Absicht, danach, so- weit es möglich, ein natürliches System der irdischen Meeresräume in wenig- stens fragmentarischen Grundlinien zu entwerfen. Die folgende Zusammen- stellung beansprucht nur, als eine erste Annäherung an ein künftiges System der Meerestypen zu gelten. A. Die Hauptgliederungen. I. Ozeane. Selbständig durch ihre Größe, durch ihren ursprüng- lichen Salzgehalt, eigenes und kräftiges System von Gezeitenwellen und Meeresströmungen ; entstanden als großräumigste und tiefste Einsenkungen der Erdkruste, permanent ungefähr seit dem Mesozoikum. 1. Der Pazifische Ozean. 2. Der Atlantische Ozean. 3. Der Indische Ozean. II. Nebenmeere. Unselbständig durch ihre geringe Größe, ihr aus zweiter Hand empfangenes und vom Lande her beeinflußtes See- wasser, mit meist vom Ozean entlehnten schwächeren Gezeitenwellen und Meeresströmungen; entstanden durch wenig ausgebreitete und nicht tief in den Festlandsockel eingreifende Senkungen der Erdkruste, ephemer und meist sehr jung, vielfach postglazial. ^) Philippson, Geogr. Zeitschr. 4, S. 22; Andrussow, Sitzb. Natf. Ges. Dorpat XII, 1900, S. 388 f. und Bo'iatzis, Leitlinien des Bosporus. (Diss.) Königsberg 1887. Auch schon Strabo I, p. 49 Gas. Auch für die Straße von Messina hat Th. Fischer kürzlich Erweiterung durch Erosion angenommen. 2) Limpricht, Die Straße der Dardanellen. (Diss.) Breslau 1892. Die Stellen der alten Literatur s. bei Müller, Geographi Graeci minores I, 65. Krümmel, Ozeanographie. I. 4 50 Die Einteilung der Meeresräume. A. Mittelmeere. Weit in die Festländer sich eindrängende Ein- bnichsnieere, durch eine oder wenige meist enge Straßen mit den Ozeanen zusammenhängend; stark gegliedert und inselreich; in den Tiefenbecken homothermische Bodenschichten; Salzgehalt am stärksten vom ozeanisch- normalen nach beiden Seiten abweichend; Gezeitenwellen sehr schwach; Meeresströme teils den Ozeanen entlehnt, teils durch abfließendes Land- wasser unozeanisch, wenig beständig. a) Interkontinentale Mittelmeere. Zwischen die großen Kontinente eingeschaltete Einbruchsmeere, mit großer Gliederung und zahlreichen Nebenmeeren niedrigerer Ordnung. 1 . Das A r k t i s c h e M i 1 1 e 1 m e e r. In den Gliederungen herrscht der Typus der Kesselbnichmeere. 2. Das Australasiatische Mittelmeer. In den Gliede- rungen kommen auch Faltenbruchmeere vor. .'1 Das AmerikanischeMittelmeer. In den Gliederungen herrschen Vor- und Rückmeere. 4. Das Romanische Mittelmeer. In den Gliederungen sind Faltenbruch-, Vor- und Rückmeere vertreten. b) Intrakontinentale Mittelmeere. Kleinere, in die Flächen eines Erdteils eingesenkte Ingressions- und Einbruchsmeere mit einem einzigen Zugang zum Ozean, mit maximaler Steigerung aller kontinentalen Ein- wirkungen auf Wasserstand und Salzgehalt. a) Seichte Ingressionsmeere höherer Breiten, deren Oberfläche über der ozeanischen liegt und deren Salzgehalt durch Kontinental- wasser stark verdünnt ist ; Oberflächenstrom in den Ozean hinaus gerichtet. 1 . Das Baltische Mittel meer oder die Ostsee. 2. Das Hudsonsche Mittel meer oder Hudsonbai, ß) Einbruchsmeere niederer Breiten mit höchster Konzentration des Salzgehaltes; Oberflächenstrom aus dem Ozean einlaufend. .3. Das Rote Mittelmeer. Ein Grabenmeer. 4. Das Persische Mittelmeer. Ein Vormeer. B. Randmeere. Den Landmassen nur angelagert, vom Ozean nur unvollständig durch Inseln oder Halbinseln abgegliedert. In sich wenig gegliedert und inselarm. Gezeiten durchaus dem Ozean entlehnt, Strö- mungen teils ebenso, teils kombiniert mit örtlichen zyklonalen Triften, Salzgehalt meist ein wenig unter dem des angrenzenden Ozeans. a)Längsrandmeere. In ihren Umrissen und Tiefen parallel zu den Hauptdislokationslinien der benachbarten Landmassen, Ein- bruchs- oder Ingressionsmeere. 1. Das Beringsche Randmeer. Halb Faltenbruch-, halb Ingressionsmeer. 2. Das Ochotskische Randmeer. Faltenbruchmeer. 3. Das J a ]) a n i s c h e R a n d m e e r. Faltenbruchmeer. 4. Das Ostchinesische Rand meer. Ingressionsmeer mit schmaler Faltenbruchzone. Das natürliche Sj'.stcm clor ^lecicsiäumc. 51 5. Das A n d a manische Rand m e e r. Riickmeer. 6. Das Kalifornische Randnieer. Vorineer. b) Qiierrandmeere. Kleine, zu den Dislokationslinien der benachbarten Landmassen quer gestellte, meist seichte IncressionsnK^ere. 1. Das Deutsche R a n d m e e r. Mit seitlicher Grabenbruch- senke. 2. Das Britische R a n d m e e r. 3. Das 1. a u r e n t i s c h e Ran d m e e r. 4. Das T a s m a n i s c h e R a n d m e e r. B. Die Nebengliederuiigeii. III. Meerbusen. Seewärts offene Meeresteile, landwärts durch in hohlem Winkel zusammentrefTeiide Küsten begrenzt ; untergeordnete Randgliederungen aller Meeresräume, auch Golfe, Buchten, 1^ a i e n genannt. a) E i n b r u c h s b u s e n. Entstanden durch Niederbrechen ein- zelner Randteile der Kontinentalsockel. a) Parabyssische Busen. Ausläufer der ozeanischen Tiefseebecken (Golfe von Arabien, 15engalen, Arica u. a.). ß) Faraufoiiischr Busoi. Ausläufer nebenmeerisclier Kesselbrüche (Golfe von Genua, Tarent u. a.). Y) Grabcnhusen. In Grabenbrüchen (ozeardsch : Golf von Aden u. a.; nebenmeerisch : Golf von Akaba u. a.). b) S t u f e n b u s e n. Durch Einbrüche un(i Ingression entstanden. (Ozeanisch: Golf von Alaska u. a. ; nebenmeerisch: Ligurer Golf u. a.) (b^) Untertypus: I\\'rbe7ihisen, mit e'mQin won der Schelfplatte aus seew'ärts zu stetig breiterer und tieferer Kerbe in die Tiefsee abfallendem Boden (Hondurasbai u. a.). c) I n g r e s s i o n s b u s e n. Durch Krustensenkung ermöglichte Cberspülung fertig vorgebildeter Vertiefungen des Kontinentalrandes, fast durchweg auf Schelfflächen, daher auch SchcJfbusim genannt. (Ozeanisch: Golf von Maine u. a.; nebenmeerisch: Golf von Odessa, von Martaban, Korea u. a.) lY. IVIeeresstraßen. M(dir oder weniger schmale Verbindung zweier Meeresteile zwischen ungefähr ])arallelen Küsten hindurch. a) E i n b r u c h s t r a ß e n. Durch Niederbrechen einzelner Stücke von Landengen entstanden, meist tief. a) J.ängshr lieh Straßen. Parallel zu den Hauptdislokationslinien des benachbarten Landes (Bai) el Mardeb u. a.). ß) Qaerhruchsiraßen. In gioßeni Winkel gegen die Hauptdislokati(Mis- linien des benachbarttMi Landi's gestellt (Straße von (Gibraltar, Gookstralie u. a.). b) E r o s i o n s s t r a ß e n. Fiiitstanden durch marine l^h'osion in meist w^enig tief ausgewaschoiien Eurchen (Straße von Dover). c) 1 n g r e s s i () II s s t r a Li e n. Durch eine Senkung der Erd- kruste voni Meer überspülte Furchen in linndengen. 52 ^^^ Meeresoberfläche. (Die meisten Straßen der flachen Meeresteile, wie unter anderen Beringstraße, Formosa-, Torresstraße ; tiefer in den arktischen Fjord- gebieten, wie Matotschkin Scharr u. a.) lY. Die Meeresoberfläche, Nur wenn die Erdoberfläche gänzlich von Wasser bedeckt wäre und ihre alle Temperaturunterschiede fehlten, würde sie ein vollkommenes Rotationsellipsoid bilden, wobei alle Meridiane als durchaus einander gleiche Ellipsen und alle Parallelkreise als vollkommene und konzentrische Kreise auftreten müßten. Irgendwo aulgehängte Lote würden stets senk- recht zur Meeresoberfläche stehen und zugleich überall müt der Richtung des Krümmungsradius zusammenfallen. Für die Figur einer so gleichmäßig von Wasser umschlossenen Erde wäre also im wesentlichen das örtliche Verhältnis der Fliehkraft zur Intensität dei Schwere maßgebend. Wenn aber Festland die Meeresdecke durchbricht, in der Weise, wie wir es in Wirk- lichkeit vor uns haben, tritt eine gegenseitige Anziehung der verschiedenen Massen des Festen und Flüssigen auf, die in tangentialer Richtung auf die aufgehängt gedachten Lote wirkt. Dabei kann die Meeresoberfläche kein vollkommenes Rotationsellipsoid bleiben, und die angegebenen Eigen- schaften der Meridiane, Parallelen und Lotrichtungen gehen verloren. Denn da ein gleiches Volum von l^and rund 2.(5mal schwerer ist als von Meer, müssen die Lotrichtungen auf das Land hin abweichen, und so wird die Meeresoberfläche, immer senkrecht zum Lot bleibend, eine. neue unregel- mäßige Niveaufläche bilden. Diese wird das Geoid genannt; sie muß in- mitten der Ozeane eingesenkt sein, sich aber gegen das Land, hin erheben und zwar um so höher, je größer und dichter etwa die Landmassen an ihrer Seite sind. Die Erhebung dieser Geoidfläche gegen die Küste hin nennt man auch wohl Kontinentalwelle. Im ganzen wird also der Verlauf des Meeresniveaus nicht nur entlang den Festlandküsten sehr unregelmäßig werden, sondern auch in der offenen See müßte jeder Senkung des Meeresbodens auch eine Senkung der Meeres- oberfläche darüber entsprechen. Es gibt nun Hilfsmittel, um diese Un- ebenheiten zu messen, oder man kann sie auch angenähert berechnen. Zum letzteren Zwecke gab man den Kontinentalmassen eine möglichst vereinfachte Gestalt, sei es die von Kugelzweiecken zwischen zwei Meri- dianen von Pol zu Pol reichend, oder die von abgestumpften flachen Kegeln an der Stelle der vorhandenen Erdteile; aber da heute den Ergebnissen nur noch eine rechnungsmäßige Bedeutung zuerkannt wird, lohnt es nicht, hier näher darauf einzugehen. Zur Messung bedient man sich des Sekunden- pendels, das, auf demselben Parallel um die Erde getragen, an den Küsten weiter vom Erdmittelpunkt entfernt sein, also langsamer schwingen muß, als inmitten der Ozeane, wo es durch die geforderte allgemeine Senkung des Meeresspiegels dem Erdmittelpunkt näher ist. Nennt man die Ab- weichung der Schwingungszahl des Sekunden pendeis von der normalen, aus der Erdfigur für die betreffende geographische Breite berechneten, für einen Tag An, so glaubte man früher die vertikale Erhebung oder Ein- senkung der Niveaufläche über oder unter das normale Ellipsoid sehr nahe gleich dem 119fachen Betrage von An in Metern setzen zu können. Wenn Die Konlinentalwelle. 53 also die Zahl der Schwingungen auf den Bonininseln südlich von Japan täglich um 11.83^ zu groß, in Maranham an der Nordküste Brasiliens um 5.12^ zu klein war, so erhielt man im ersten Falle eine Depression von — 1407 m, im zweiten eine Erhebung von -|- 609 m im Vergleich zum Normalniveau, und man mutmaßte, auf ähnliche- Berechnungen gestützt, insgesamt Höhen der Kontinentalwelle von 2 km^). Es ist das Verdienst von F. G. Helmert, gezeigt zu haben, daß diese Berechnungen auf un- richtigen Formelansätzen beruhen, aber auch sonst von nicht einwand- freien Voraussetzungen ausgehen. Indem er die Methoden fortschreitend verbesserte, ist er nach Prüfung aller in Betracht kommenden Beobach- tungen der örtlichen Schwere zu dem Ergebnis gelangt, daß alle Uneben- heiten des Geoids insgesamt den Betrag von 200 m nicht übersteigen dürften 2). Indem man mit den modernen Sterneckschen Halbsekunden- pendeln die Intensität der Schwerkraft leichter und ebenso genau wie früher bestimmen lernte, konnte man im Bereiche der umfassenden euro- päischen, indischen und amerikanischen Erdmessung nachweisen, daß die Massen innerhalb der Kontinente nicht von der einheitlichen Dichtig- keit (2.6, oder nach anderen 2.8) sind, wie man vorher gemeint, sondern daß sie im Bereiche der Erdkruste ganz ungleichmäßig angeordnet sind. Namentlich unter den Hochgebirgen sind überall Massendefekte vorhan- den, so daß das Lot nicht so weit abgelenkt wird, wie aus dem sichtbaren Volum zu erwarten wäre, während auf der anderen Seite der Boden der Ozeane durch einen darunter wirksamen Massenzuwachs die seitliche Anziehung der Festländer vollends kompensiert. Indem Helmert an- nimmt, daß der allgemeine Massendefekt unter den Kontinenten bis 40 km unter dem Meeresspiegel hinab reiche, hält er einen Unterschied von 0.2 in der mittleren Dichtigkeit der festländischen und ozeanischen Erdkruste für hinreichend, um alle vorhandenen geringen Unregelmäßigkeiten zu erklären. Diese Ansichten über die Gestalt der Meeresoberfläche sind auch durch Beobachtungen selbst bestätigt worden. Es ist in den letzten Jahren mehrfach gelungen, die Intensität der Schwere auch auf dem Meere zu messen. Leutnant Scott Hansen hat als Begleiter Nansens auf der be- rühmten Polarfahrt 1894 und 1895 auf und neben dem fcvstgefrorenen Fram über Meerestiefen von 3000 m ein Sternecksches Pendel schwingen lassen und nur unwesentliche Abweichungen der Schwingungszahlen von den vorher für ein normales Ellipsoid berechneten gefunden. 0. E. Schiötz, der diese Messungen bearbeitet hat, erklärte es für unwahrschein- lich, daß diese gute Übereinstimmung nur eine Besonderheit des Nordpolar- beckens sei, und nahm an, sie werde auch für die großen Ozeane gelten. Dies ist in der Tat inzwischen durch eine Untersuchungsfahrt von Dr. 0. Hecker 3) von Hamburg nach dem Laplata im Sommer 1901 bestätigt ') Listing, Nachr. Kgl. Ges. d. Wiss., Göttingen 1877, S. 800. ^) Math. u. Phys. Theorien der höheren Geodäsie II, 365. Verh. d. 7. internat. Geogr. -Kongresses, Berlin 1899, II, 14. Sitz.-Ber. Akad. d. Wiss., Berlin 1901, 1, 328. — Vergl. auch Messerschmitt, Ann. d. Hydr. 1900, S. 600. ^) Veröf!. d. Kgl. Preuß. Geodät. Instituts, N. F. Nr. 11, Berlin 1903. In- zwischen hat Heck er auch Reisen durch den Pazifischen und Indischen Ozean zu gleichem Zwecke und mit gleichem Ergebnis vollendet. 54 i)ie Meereso bertläche. worden, indem er die Stände von QuecksilberbarometeFn mit sehr fein ge- arbeiteten Siedethermometern verglich und auf dem tiefen Wasser des Atlantischen Ozeans zwischen Lissabon und Bahia die Intensität der Schwerkraft nahezu normal fand. Jedenfalls darf man nunmehr darauf vertrauen, daß gioße Abweichungen auch auf dieser Strecke nicht existieren. Man könnte das Problem aber auch auf einen allgemein geophysischen Standpunkt stellen. Ist nämlich die Annalime richtig, daß die Ozeane im ganzen als permanent (nach dem Mesozoikum) zu betrachten sind, und die Kon- tinente ebenso im wesiMit liehen ihren alten Platz behauptet haben und auf ihm weiter gewachsen sind, iiut(>m sie die infolge der Volumverkleinerung des Erd- balls zusammengeschobenen Erdrindoiteile in sich aufgenommen haben, dann muß man auch schließen, daß die Erdkruste unter dem Meeresboden verhältnismäßig dümi ist, oder, was dasselbe, daß sie den schwereren Kern des Erdinncrn nur oberiläclilich bedeckt. Aus solcher iluffassiing heraus muß sich im Bereiche der landfei-nen Tiefsee ganz natürlich eine Verstärkung der (Htlichen Schwere zeigen, ohne daß sich darum der Meeresspiegel erheblich unter das Normalniveau xu senken brauchte. So wird vollkommen verständ- lich, daß die echten Insclstationen, d. h. die Stationen auf kleinen Inseln in tiefem Wasser, erheblich zu große Werte für die (Ertliche Intensität der Schwere ergeben, indem zu der allg(Mnein verstärkten Anziehung des Ozeanbodens noch die des Inselsockels kommt, der meistens aus schweren vulkanischen Gesteinen aufgebaut ist. Es ist hierbei nicht wahrscheinlich, daß die verschiedene Dichtig- keit der Bodenarten, die die Meeresflur bedecken, von merklichem Einfluß wii'd. Wie später noch zu zeigen ist, scheidet sich der durch die beigemengten AlanganknoUen (mit einem spez. Gew. von fast 5.0) recht schwere Tiefseeton verhältnismäßig langsam ab, während der leichtere Globigerinenschlamm in um so mächtigeren Lagern auftritt. Zwei Säulen der gesamten Erdrinde von gl(Mcher Basis am Meeresspiegel und gleicher Tiefe von 20 km darunter, dürften, wenn die eine im Bereiche des Tiefseetons, die andere in dem des Globigerinen- schlamms vom Meeresspiegel abwärts durch Meer, Sediment und Erdkruste herausgeschnitten wird, doch iiahezu das gleiche Gewicht besitzen. Will man aber eine Permanenz der Ozeane nicht anerkennen, wie das Eduard Sueß ') im Hinblick auf die Schicksale des Nordatlantischen und Indi- schen Ozeans seit der Jurazeit näher ausgeführt hat, so wird man zu der An- nahme gezwungen, daß die tief unter den Ozeanen liegenden Rindenteile durch tangentiale Zusammenpressung ihre größere relative Dichte empfangen haben, während die kontinentalen Rindenteile, sowohl durch Zerrungen, wie auch, weil sie in die Höhe geschoben wurden, lockerer im Gefüge geworden sind; die Abstände zweier Erdrj'.dien werden nach außen hin immer größer, also vertikale Bewegungen nach der Tiefe hin treffen auf engeren Raum, solche nach der Höhe hin auf einen etwas erweiterten. Die Auffaltungen sind aber das Wirk- samere. Wenn aus der Differenz der anziehenden Massen alles in allem an der Meeresoberfläche noch Unebenheiten von ^ 100 m übrig bleiben, so sind die sonst noch störend auftretenden Krüfte von ungleich geringerer Größen- ordnung: sie halten sich meist innerhalb von wenigen Metern. Wir wollen sie im folgenden der Reihe nach betrachten. Im allgemeinen ist gleich hervorzuheben, daß es sich dabei sowohl um ständig vorhandene, wie um ]»ei'iodische und unperiodische Ein- wirk'uncen handelt. ') Das Ausland 1898, 8. 769 tt". Niveaustörungen klimatischer Herkunft. 55 Zunächst wird die Sonnenstrahlimg überall die wärmeren Meere in einem höheren Niveau halten, als die kälteren. Eine bei späterer Gelegen- heit i) wiederzugebende Berechnung von Zöppiitz läßt zwischen dem Polar- und Tropengebiet einen Niveauiinterscliied von 6 m annehmen. Meere mit erheblichen Temperaturschwankungen vom Winter zum Sommer werden periodisch ihr Niveau heben und senken. Aber es handelt sich da- bei nur um unbedeutende Wirkungen. So schwankt bei unserer Ostsee in dem Gebiete zwischen Rügen und den Finnischen Schären die Tem- peratur der 50 m mächtigen sogenannten homohalinen Deckschicht vom Winter mit rund P, zum August mit 12^, und damit ihre Oberfläche um 3.2 cm. Niveaustörungen klimatischer Herkunft werden ferner zu stände gebracht durch die verschiedenen Höhen der atmosphärischen Nieder- schläge, die alsdann nicht nur auf der Meeresoberfläche selbst, was schon sehr wichtig ist, sondern auch im Einzugsgebiet der in das Meer ein- mündenden Flüsse allgemein und namentlich auch periodisch wirksam werden. In letzterer Beziehung geben die binnenländischen Teile der Nebenmeere gute Beispiele. Im Finnischen Golf bei Kronstadt^) hebt sich das Meeresniveau von einem Minimum im März zu einem Maximum im September mit einer Amplitude von 21.8 cm, was der (hier verspätet wirkenden) Periode des Niederschlags im Newagebiet sehr gut entspricht. Für das Schwarze Meer hat Ed. Brückner^) gezeigt, wie sich in dem An- schwellen der Wasserstände in der Bucht von Odessa und im Asowschen Meere vom Februar bis zum Mai und Juni um 20 cm das Frühlingshoch- wasser der südrussischen Flüsse genau widerspiegelt. Hieraus ist zu folgern, daß allgemein an den Küsten gut benetzter Landgebiete das Meeres- niveau höher stehen wird, als inmitten des Ozeans, wo nur der örtliche Regenfall allein und kein vom Lande zuströmendes Flußwasser wirksam wird. Indem dieses Landwasser das spezifische Gewicht des Meerwassers an den Küsten mehr oder weniger erniedrigt^ wird demnach auch eine Karte der Dichtigkeiten oder des Salzgehalts schon ein angenähertes Bild von den hieraus abzuleitenden Unebenheiten des Meeresspiegels er- geben. Wenn man nach H. Mohns Methode^) genauer rechnet, findet man in der Tat Unebenheiten in dieser sogenannten Dichtigkeits- fläche von bemerkenswerter Höhe. Mohn selbst hat gezeigt, daß infolge des aus der Ostsee abfließenden und aus den norwegischen Gebirgen stetig ergänzten, dünnen Wassers das Meeresniveau an der norwegischen Küste des Skagerraks um 60 cm, bei Aalesund um 50, bei Bodo um 30 und am Nordkap noch um 6 cm höher steht, als in der Mitte des Nordmeers zwischen Jan Mayen und den Lofoten. W^. Engelhardt^) erwies, daß der Spiegel des Finnischen Golfs bei Kronstadt und der des Bottnischen Golfs bei Haparanda um 14 cm höher steht als die Beltsee und 37 cm höher als das Skagerrak, und G. Wegemann •^), daß die durch Eisschmelze verdünnten ') Handb. d. Ozeanogr. Bd. U\ 287. ^) Nach Fuß bei E. Piccard, Boitr. zur phj^s. Oeogr. des Finn. (^olfs, Kiel 1903, S. 111. «) Meteor. Zcitschr. 1886, S. 207 und der Naturforscher 1886, S. 101. *) Vergl. Handb. d. Ozeanogr. Bd. II', S. 366. '") Aus dem Archiv der Seewarte Bd. XXII, Xr. 6. 56 Die Meeresoberfläche. Küstengewässer von Westgrönland um 50 cm über dem Meeresspiegel in der Mitte der Davisstraße liegen dürften. Nicht aus Rechnungen, sondern aus neueren Nivellements hat sich ergeben, daß der Wasserspiegel der Ostsee bei Gjedser (Nordseite der Mecklenburger Bucht) um 6.6 cm und bei Kopenhagen um 6.9 cm höher ist als im Kattegat bei Frederikshavn ^). Anderseits ist anzunehmen, daß wegen der den atmosphärischen Nieder- schlag merklich übersteigenden Verdunstung der Spiegel des Mittelländi- schen Meeres niedriger ist, als der des Atlantischen Ozeans, weshalb auch Fig. 3. JäJirlicha Pepiode des Wasserstandes . an. der dcutsc/iezi Ostseeküste-, an der schwedischen, Ostseekilste. an. der niederländiscfjen Nordseekitste . SoTienm/zjSsiaö = Vs d^ ruLtürbuhen Größe . iFYTrvirviirKxsiiiri inrivTvr zur Ausgleichung des Niveauunterschiedes atlantisches^ Wasser durch die Enge von Gibraltar einströmt, und ähnlich steht es um das Niveau des Roten Meeres. Hierüber ist bei den Meeresströmungen später noch aus- führlicher zu sprechen. Die Niveauschwankungen der Ostsee sind in den letzten Jahren lebhaft erörtert worden und bieten in der Tat ozeanographische Probleme von höch- stem Interesse dar. Es sind sowohl die von einem Monat zum anderen in ziem- licher Regelmäßigkeit wechselnden Wasserstände, wie auch die unregelmäßig von Jahr zu Jahr verschieden hohen Mittelwasser ins Auge zu fassen. ') Fr. Paulsen in Met. Zeitschr. 1906, Hannband S. 104. Periodische Niveauschwankungen in der Ostsee. 5"7 Die Pegelablesungen an acht Stationen entlang den schwedischen Küsten von Varberg im Kattegat an bis nach Draghällan, am Bottnischen Golf südlich von Sundsvall, für 14 Jahre (1887 bis 1900) sind von P. G. Rosen, und die An- gaben der sechs deutschen Stationen Travemünde, Marien leuchte, Wismar, Warnemünde, Arkona, Swinemünde von 1882 bis 1897 sind von A. Westphal diskutiert worden^). Ich habe aus den Beobachtungen der 6 deutschen Sta- tionen Mittelstände für die einzelnen Monate berechnet und mit den von Rosen angegebenen Monatsmitteln zusammen in Fig. 3 graphisch dargestellt. Man wird den im ganzen parallelen Verlauf der Niveauschwankung an den schwedischen und den deutschen Küsten daraus entnehmen können. Besonders deutlich stehen sich gegenüber ein Minimum im April — Mai und ein sommer- liches Maximum, das sich an der schwedischen Seite zwei Monate später ent- wickelt, als an der deutschen. Betrachtet man jedoch das Verhalten des Pegels bei Arkona allein , so erscheint für die freie Ostsee eine Kurve , die der schwedischen schon viel ähnlicher ist (vgl. Tabelle auf S. 58). Die Ursachen dieser jährlichen Hauptschwankung sind kaum zweifelhaft: sie beruhen im Frühling auf dem Minimum atmosphärischer Niederschläge bei gleichzeitig häufigeren Ostwinden mit höherem Luftdruck und auf der noch andauernden Eisbedeckung auf den Seen und Flüssen in der Umgebung des Bottnischen Golfs, während im Sommer das Regenmaximum des mittleren und nördlichen Europa mit den nunmehr abfließenden Schmelzwässern des hohen Nordens und den häufigeren Westwinden zusammen wirkt ^). Am auffälligsten aber verlaufen die Wasserstandskurven im Winter. Statt sich in gleichmäßigem Abfall vom Spätsommermaximum zum Frühlingsminimum zu bewegen, tritt sowohl im Dezember wie im Februar in der ganzen Ostsee je ein sekundäres Maximum auf. Die Dezemberschwellung hat an der schwedischen Küste eine Amplitude von 6 — 7 cm, an der deutschen von 3^2 bis 4 cm; die Februarschwelle ist um ein Viertel kleiner. Die Ursachen dieser beiden Niveaustörungen sind ver- wickelter Art, aber im wesentlichen meteorologischen Ursprungs, wie nament- Hch aus Dr. Robert Siegers sorgfältiger Untersuchung hervorgeht. Wollte man sie auf die Weststürme des Winters in der Nordsee zurückführen, die das Wasser im Skagerrak aufstauen müssen, so bliebe doch unerklärt, weshalb diese Anstauung im ebenso stürmischen Januar aussetzt. 0. Pettersson weist darauf hin, daß auch an der ganzen norwegischen Küste bis Vardö hinauf und an der niederländi'schen Küste ähnliche Schwellungen auftreten und er scheint sie bis in das Golfstromgebiet des Atlantischen Ozeans zurück verfolgen zu wollen. Was zunächst die niederländischen Küsteli anbelangt, so haben wir kürzlich durch van der Stok ^) eine Diskussion der Pegelbeobachtungen in Urk, Harlingen und Katwyk für die Jahre 1884 — 1901 erhalten, aus der ich die mittleren monatlichen Wasserstände für die niederländische Küste berechnet und in die Tabelle (auch in Fig. 3) aufgenommen habe. Hier ist die Sommerflut noch etwas später als an der schwedischen Ostseeküste. Die De- zemberschwellung deckt sich genau mit der gleichzeitig an der schwedischen und deutschen Seite der Ostsee beobachteten. Dagegen bildet die Nordseeküste hier ihre zweite winterliche Schwelle erst im März, nicht im Februar. Nach neueren ') Rosen in Svenska hydrogr. biol. Kommissionens Skrifter I, Stockholm. 1902; Westphal in VeröflF. d. Geod. Instituts, N. F. Bd. 2, Berlin 1900. ^) Nach den 25jährigen Beobachtungen auf den Stationen der Seewarte in , Kiel, Wustrow, Swinemünde, Neufahrwasser, Memel sind die Westwinde im Sommer genau doppelt so häufig, wie die Ostwinde; im Frühjahr stehen E:W = 5:6; im Jahresmittel wie 3:4. — Vergl. Ergebnisse der met. Beob. im System der See- warte für das Lustrum 1896—1900, Hamburg 1904 und Ann. d. Hydr. 1904, S. 532 f. ') l^tudes des ph^iiomenes de maree sur les Cötes N^erlandaises I (Kon. Met. Inst. Publ. Nr. 90), Utrecht 1904. 58 Die Meeresoberfläche. dätiischen Beobachtungen ist das auch in Esbjerg noch deutlich. Nun hat Dr. Sieger^) gezeigt, daß die tiefer gelegenen schwedischen und finnischen Landseen, ja auch der Ladoga- und Plönersee, ebenfalls unverkennbare An- zeichen der beiden sekundären Winterschwellen aufweisen; nach Homen'^) waren es gerade diese besonders hoch geratenen Winterfluten, die im Jahre 1898 und noch mehr 1899 die abnorm hohen Wasserstände der finnischen und nordrussischen Seen und die sich daran anschließenden verheerenden Über- schwemmungen herbeigeführt haben. Wie es scheint, vereinigen sich gerade am Anfang und dann wieder am Ende des Winters Regenfälle und Tauwetter mit einer recht unergiebigen Verdunstung, um das Niveau der Landseen zu heben, was dann auf die Ostsee zurückwirkt; sie muß aber auch selbst aus gleichen Ursachen ihren Spiegel ein wenig erhöhen. Das Januar min imum weist auf die überwiegend feste Form der Niederschläge während der kältesten Zeit hin. An den niederländischen Küsten aber ist die verspätete Schwelle im März doch wohl in unmittelbaren Zusammenhang zu bringen mit dem im Februar und März höchsten Wasserstande des Rheins, den schon 1838 Heinrich Berghaus in seinem Physikalischen Atlas (Hydrographie Nr. 15) so anschaulich dargestellt hat. Diese Schwelle beruht ab^r unzweifelhaft auf der allgemeinen Schneeschmelze im mittel- und niederrheinischen Bergland. Wie sehr die meteorologischen Verhältnisse hierfür maßgebend sind, geht auch aus der jährlichen Niveauschwankung im Schwarzen Meer hervor, wo nach Brückner ein sekundäres Maximum im Dezember auch nicht fehlt, neben dem Haupt- maximum im Frühling (Mai — Juni). Die Minima liegen am Ende sowohl des trockenen Sommers im Oktober, wie der Vereisung der Flüsse im Februar, die Herbstregen geben das sekundäre Maximum wie in Finnland. An den Golfstrom wird hier niemand denken. — Deutlicher wird man in allen diesen Fragen sehen, sobald man über die Höhe der Niederschläge und die Intensität der Verdunstung während der verschiedenen Jahreszeiten auch in den heimischen Meeren exakte Beobachtungen angestellt hat. Zur Zeit wissen wir darüber so gut wie nichts Monatliche Wasserstände über oder unter Mittelwasser (cm) Januar Februar März April — 13.4 Mai — 13.7 Juni Schwedische Küste — 3.4 — l.I — 9.0 — 8.2 Deutsche Küste — 4.5 -2.0 4.5 — 5.8 ~ 4.3 + 1.7 Arkona allein . . — 3.1 — i.i --5-9 8.8 — 7.9 — 1.3 Niederländ. Küste . — 1.3 — 6.9 -5.7 — 10.2 - 6.3 — 4.2 Juli August Septemb. Oktober November Dezember Schwedische Küste -j-2.9 Deutsche Küste . ; -f 6.3 Arkona allein . . +5.0 Niederländ. Küste . , -4-2.1 4-4.9 I +7.6 + 6.7 + 5.6 + 6.9 ' +6.4 5.1 +6.4 + 7.1 + 2.6 + 5.4 + 10.5 + 3.0 — 1.4 + 1.0 + 1.0 + 7.0 — 0.0 + 3.2 + 7.9 ') Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berhn Bd. 28, 1893, S. 401—410. 2) Fennia Bd. 19, 1903, Nr. 1 (Amtl. Bericht). Unperiodische Niveauschwankungen. 59 Neben dieser jährlichen Periode im Wasserstande der Ostsee zeigen sich noch unperiodische Schwankungen im Mittelwasser der einzelnen Jahre, und zwar vollziehen sich auch diese im gleichen Sinne an den schwedischen und deutschen Pegeln. Die folgende Tabelle und Fig. 4 enthält nach P. G. Rosen den Stand des Mittelwassers im Durchschnitt der 8 Stationen der schwedischen Ostseeküste und nach A. Westphal von 6 Stationen an der deutschen Ostsee- Fig. 4. Mütelwassep der Ostsee ßir die JoAre 1887 -1900. 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 IHe schra/fierteTi Höhen gebe/t cUm Ji'ßiteljvassep an der deidac?Len, Äusiß (6 Stationen )^ die andern an der sc}Ln)edischen Eiiste (8 Statione/v.) M/ißstiih = y4t dep natürlichen. HöTien^. küste, in cm unter Normalnull der betreffenden Landesaufnahme. Nach- träglich konnte ich durch das liebenswürdige Entgegenkommen des Herrn Geh. Baurats Franzius die bisher noch nicht veröffentlichten Werte der Mittel- wasser von Kiel der Tabelle einfügei>. Mittlerer jährlicher Wasserstand der Ostsee (cm). i 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 Entlang der schwe- dischen Küste — 0.7 — 5.4 — 0.4 0.1 — 6.1 — 3.4 4- 2.1 Entlang der deut- schen Küste . . — 9.2 - 11.6 - 9.2 — 7.2 — 11.3 — 9.3 — 5.2 In Kiel .... -... — 21.2 - 19.9 -18.5 -21,6 — 19.0 — 17.9 60 Die Meeresoberfläche. Entlang der schwe- dischen Küste Entlang der deut- schen Küste . . In Kiel . . . . 1894 1.2 9.4 20.7 1895 - 2.7 - 6.6 - 16.9 1896 1897 4.2 i — 6.5 9.0 19.5 11.0 22.0 1898 + 3.7 16.3 1899 1900 -f 10.5 I — 2.9 - 12.2 I — 19.5 Daß der Ostseespiegel so hoch im Jahre 1899 anschwoll, hatte eine deut- liche meteorologische Ursache in den schon erwähnten Überschwemmungen der finnischen Seengebiete, die sich noch stark in Kiel erkennbar machten. Von 1893 bis 1897 sehen wir den Wasserstand an der schwedischen Küste stetig niedriger werden, so daß er zuletzt um 8.6 cm tiefer liegt als 1893. Die Mittelwasser an den deutschen Küstenstationen bewegen sich ganz parallel mit Ausnahme des Jahres 1894, so daß kaum ein Zweifel besteht, daß wir es mit stoßweise stärkeren oder schwächeren Füllungen des ganzen Ostseebeckens zu tun haben. Zum Teil folgen anscheinend diese Schwellen der Brücknerschen Periode der Klimaschwankungen (so 1893 — 97), haben sie also ihre Ursachen im Einzugsgebiete des Ostseebefckens ') selbst oder sozusagen ini Rücken; zum Teil aber geschehen auch ganz unregelmäßige Pulsationen, die wieder bis an die norwegischen Küsten hinaus zu verfolgen sind, und deren Ursachen sozusagen vor der Ostsee liegen. Aber welcher Art diese Ursachen sind, bleibt zur Zeit noch in Dunkel gehüllt. — Es ist hier der Ort, noch kurz der großen periodischen Schwankungen des irdischen Meeresniveaus zu gedenken, die H. W. Pearson^) aufgefunden haben will. Nach seiner Auffassung hat jede Hemisphäre abwechselnd hohe und niedrige Wasserstände entlang ihren Küsten, und zwar soll die Amplitude in den britischen Gewässern 4 bis 5 m und die Periode rund 600 Jahre be- tragen. Die Jahre der Hoch- und Tiefstände verlegt er wie folgt: Hoch: 250 a. C. Tief: — p.c. - 350 p. C. — 875 — 1475 600 — 1160 — — (2100) 1800 — Er will die Überflutungen der Nordseeküsten am Ende des Mittelalters auf diese große periodische Umsetzung der Meere zurückführen und ihre Wieder- holung für das Jahr 2100 in Aussicht steilen; was abzuwarten bleibt. Außer durch wechselnde Intensität der Verdunstung und der Nieder- schläge wirkt die irdische Atmosphäre auch darch den wechselnden Druck auf das Niveau des unter ihr liegenden Meeres ein und zwar in der Weise, daß jede örtliche -Schwankung des Barometerstandes mit dem ISfachen Betrage, aber mit entgegengesetztem Vorzeichen, von den Pegeln registriert wird. Wenn das spezifische Gewicht des Seewassers im Küstengebiet durchschnittlich 1.028 gesetzt wird, so ist der Faktor, mit dem die Barometerschwankungen widergespiegelt werden, gleich 13.6 : 1 .028, also genauer = 13.22. Als der berühmte Polarfahrer Sir Janles C. Koss^) bei seiner Überwinte- rung in Port Leopold (74^ N. B., 91 .stland hinüber) für innerhalb der Beobachtungsfehler liegend erachtet 2). An den indischen Küsten wollte einst Pratt ein kolossales Gefälle des Meeresspiegels von Karachi nach Kap Comorin hin von nicht weniger als 200 Meter annehmen. Die modernen Nivellements haben erwiesen, daß, mit Karachi verglichen, Bombay etwa 5 cm tiefer, aber Beypore 26 cm und Tuticorin 28 cm höher liegen, während ebenso am Golf von Bengalen Madras 47, Vizagapatam 55 und False Point an der Mündung des Mahanadi 52 cm über dem Niveau von Karachi liegen, wobei die Messungen um + 5 cm unsicher sind. Alle diese Nivellements bezeugen nur, daß die großen Unebenheiten der eigentlich ozeanischen Meeresoberfläche an den Küsten eben nicht nachweisbar sind: man wird sie nur auf hoher See, vielleicht schon durch verschärfte Messung der Intensität der Schwere an Bord, wahrnehmen können. Deshalb sind Expe- ditionen, wie sie Dr. 0. Hecker unternommen hat, auch für die anderen Ozeane dringend erwünscht; zumal, wenn dabei das Augenmerk besonders auf die inselfreien Räume des Nordpazifischen Ozeans gerichtet wird, denn die von Dr. Hecker überquerten Strecken des äquatorialen Atlan- tischen Ozeans stehen ^m Verdacht, noch in neuster Zeit erhebliche Dis- lokationen ihres Meeresbodens erlitten zu haben. — Unter den alten Geographen war es besonders Eratostheiies, der erhebliche und dauernde Ungleichheiten im Niveaustande einzelner Meeresteile für mög- lich hielt, wogegen sich schon Archimedes gewandt hat (Strabo 1, p. 55 Cäs.). Diese Auffassung war von entscheidendem Einfluß, als es sich um Kanalpro- jekte zwischen dem Golf von Ägina und dem von Korinth handelte: der Kanal- bau unterblieb, da die Architekten behaupteten, der korinthische Spiegel sei höher als der saronische (Strabo II, p. 54 Gas.). Derselbe Einwand brachte zweimal das Projekt eines antiken Suozkanals zu Falle, da man gefunden haben wollte, das Rote Meer stehe um 3 Ellen höher als das Mittelmeer'). Natürlich haben die dem Bau des Suezkanals vorangegangenen Messungen und die nach der Vollendung gemachten Erfahrungen keinerlei ständigen Niveauunterschied ergeben'*). Derselbe Wahn hat auch das Projekt eines Panamakanals lange Zeit gefährdet, und noch Alexander v. Humboldt hatte, indem er seine Luftdruck- beobachtungen zu Cumanä, Cartageiia und Veracruz mit denen in Acapulco und Callao verglich, den ihn selbst nicht"^ befriedigenden Schluß gezogen, daß der Spiegel des Golfs von Mexiko 3 m über dem pazifischen liege. Er veran- laßte den General Bolivar in den Jahren 1828 und 1829 ein Nivellement über die Landenge zwischen Panama und Chagres ausführen zu lassen, wobei nun- *) So unbestimmt lautet der letzte amtliche Bericht in Verh. der 12. allg. Konf. der internat. Erdmessung 1898 in Stuttgart, S. 438. Hilgard gab auf der Versammlung der British Association in Montreal 1883 noch die Niveaudifferenz von 40 inches = rund 1 m an. ^) Petermanns Mitt. 1905, S. 189. ^) Unter Sesostris und Darius Hystaspis; Aristot. Meteor. I, 14, 27; Strabo 17, p. 804 Gas. vergl. 1, p. 38 Gas. — Plin. HN. 6, 33, 165. ^) General Walker, Proc. R. Geogr. Soc. 1886, p. 397. Kiümmel, Ozeanographie. 1. 5 66 Die Meeresoberfläche. mehr der Pazifische Ozean das höhere Niveau zeigte (um 107 cm über dem Atlantischen); erst Commander Lull bei seinen Vermessungen für den inter- ozeanischen Kanal durch Nicaragua (1878) beseitigte alle diese Vorstellungen und zeigte, daß für alle praktischen Zwecke der Niveauunterschied zwischen dem Atlantischen und Pazifischen Ozean zu vernachlässigen ist. — Dagegen hatte schon Aristoteles (de Coelo 2, 4, 10) aus der allgemein sphärischen Bildung der Meeresoberfläche das gleiche Niveau aller Meere abgeleitet. Eine letzte Quelle für Niveaustörungen der Meeresoberfläcbe tritt immer periodisch auf und hinterläßt keine dauernden Deformationen^): das sind die Gezeiten, die ihre Flutwellen durch die Meere dahin wandern lassen. Auf dieses große tellurisch-kosmische Phänomen wird an anderer Stelle näher eingegangen werden wenn wir es hier überhaupt erwähnen, so geschieht es aus zweifachem Anlaß. Die zum Studium der Ebbe und Flut erdachten Wasserstandzeiger dienen auch dazu, die Lage des Mittel- Fig. 6. län^sschmil diirc/i de/t Bristol^ol/) (Nash Point) M Seerneilen Wassers festzustellen und so die vorher behandelten periodischen und unperiodischen Niveaustörungen an den Küsten aufzuzeichnen. Außerdem aber beeinflussen die Gezeiten den Wert der im Küstengebiet ausgeführten Lotungen und damit die Präzision unserer Vorstellung von den Tiefen- verhältnissen der von ihnen bewegten flacheren Meeresteile in einem, wie mir scheint, bei den Geographen bisher zu wenig gewürdigten Maße. Die auf den Küstenkarten eingetragenen Tiefenzahlen werden nämlich nicht vom Mittelwasser ab gerechnet, sondern von einem sogenannten Karten- n i V e 0 u , das zumeist mit dem Niedrigwasser der Springzeit zusammen- fällt, wie auf den britischen und deutschen Seekarten, bei den französischen Vermessungen aber mit dem Niveau des tiefsten je beobachteten Niedrig- wassers, und bei den amerikanischen mit dem mittleren Niedrigwasser. Nur die Seekarten der Ostsee beziehen ihre Tiefen auf das Mittelwasser. Dieses Kartenniveau ist also nirgends identisch mit Normalnull der karto- graphischen Landesaufnahme, sondern liegt allgemein tiefer (auch in der ') Wenn Dr. J. H. Sc hm ick in einer Reihe von Schriften das Gegenteil behauptet hat. so beruhte seine Auffassung auf einer mangelhaften Kenntnis des Gezeitenphänomens. Vergl. K. Zöppritz in den Gott. Gel. Anzeigen vom 10. Juli 1878. Das Kartenniveau. 67 Ostsee, vgl. die Tabelle S. CA). Da der Hub der Gezeiten entlang einer Küste von Ort zu Ort verschieden groß ist, wird das Kartenniveau selbst eine wellige Fläche, die sich allgemein gegen den Strand hin senkt, am meisten in den trichterförmigen Buchten mit hohem Flut Wechsel. Erst auf hoher See dürfte Mittelwasser und Kartenniveau so wenig voneinander verschieden sein, daß für alle praktischen Zwecke das eine mit dem anderen zusammenfällt. Um Tiefenzahlen für das Mittelwasser zu erhalten, wird man für britische und deutsche Küstenkarten jede Tiefenlotung erhöhen müssen um den halben Hub der Springflut, bei den französischen kommt Fig. 7. Oimrschnill durch die SU'aße von Dover. DuTi^eness noch ein von Ort zu Ort wechselnder Betrag, der bis 1,3 m erreichen kann, obendrein dazu, bei den amerikanischen genügt der halbe durchschnitt- liche Hub der Gezeit. Will man besonders genaue Volumberechnungen für flachere gezeitenbewegte Meere ^ausführen, so darf man also diese Korrektion nicht vergessen. P. R. Ravenstein^) hat zuerst die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese vielleicht verwunderlich scheinende und nur aus der seemännischen Praxis verständliche Tatsache gelenkt; er hat auch für einen Teil des Britischen Kanals zwei Tiefenkarten zum Vergleich ent- worfen, von denen die eine die Isobathen nach den Angaben der Seekarte zeigt, während auf der zweiten die Tiefenkoten sämtlich auf Normalnull der britischen Landesaufnahme ergänzt und erst danach neue Isobathen entworfen wurden: gegen die erste Karte gehalten rücken dann die Linien ') Proc. R. Geogr. Soc. 1886, p. 21, 68 Die Ticfenlotungen. gleicher Tiefe merklich auf das Land vor. Deutlicher dürften Profil- zeichnungen sein, wie sie in Fig. 6 u. 7 für die Fahrrinne des Bristolgolfs im Längsschnitt und für die Straße von Dover im Querschnitt gezeichnet sind, wo man unter der Ebene des Mittelwassers die Kurve des Karten- niveaus wahrnimmt und auch die verschiedene Lage des britischen und französischen Kartenniveaus erkennt: bei Gris Nez sind an den Lotungen zur Korrektion auf Mittelwasser hinzuzufügen 5m, in der Mitte der Meerenge westlich von der Varnebank nur 1 m, an der britischen Küste wieder 3 m. Y. Die Tiefenlotuiigeii. Geschichtliches und Technisches. Zum notwendigen Handwerkszeug des Seeschiffers aller Zeiten hat stets die Lotleine gehört, die, nicht ganz fingerdick, durch eingeflochtene Marken abgeteilt ist und an ihrem Ende ein länglich geformtes Blei- oder Eisenge wicht trägt. Nach wie vor ist sie unentbehrlich zum Anlöten des Landes bei Nacht oder bei unsichtigem Wetter und um den Weg in schwie- rigem Fahrwasser zu finden. Die Lotleinen der Alten und bis vor kurzem auch aller modernen Schiffer waren allgemein in Klafter oder Faden ge- teilt, und wir können noch heute den englischen Fischermann seine Leine prüfen sehen, indem er die Fadenmarken mit Zeigefinger und Daumen beider Hände mit ausgebreiteten Armen faßt; ihre in Meter geteilte Lot- leine prüfen die italienischen Fischer so, daß sie den Raum von der linken Schulter bis zu den Fingerspitzen der rechten Hand bei ausgestrecktem Arm einem Meter gleich setzen, also auch diese moderne Längeneinheit wie ein menschliches Naturmaß behandeln. Gelegentlich erfahren wir von alten Schriftstellern Näheres von ein- zelnen bemerkenswerten Lotungen in Küstengewässern. So von Herodot (2.5), daß die Wassertiefe eine Tagereise nordwärts vom Nildelta 11 Faden betrage, oder von Polybios (4,40), daß das Asowsche Meer zwischen 5 und 7 Faden tief sei, oder von Athenäus (IH, p. 93 D), daß die Perlfischer im Persischen Golf bis zu 20 Fadv .i zu tauchen pflegten, oder endlich von Strabo (IG, p. 770 Cas.), daß das Rote Meer am Südausgange im Fahr- wasser bis zu 2 Faden Tiefe abflache. Allbekannt wt, wie das Schiff des Apostel Paulus auf Malta strandet, nachdem erst 20, dann 15 Faden rasch nacheinander gelotet sind (Apostelgeschichte 27 f.). Aus ebenfalls nur gelegentlichen Bemerkungen der Alten aber wären wir fast berechtigt, zu schließen, dab es schon zu Versuchen gekommen sei, auch die großen Tiefen des Mittel meers fern vom Lande zu erloten. Wenn uns des Stoikers Poseidonios Ozeanographie erhalten wäre, würden wir vielleicht Näheres darüber wissen. So hat uns Strabo (1, 3, p. 53 Cas.) daraus nur die dürftige Angabe überliefert, daß „von den gemessenen Meeren" am tiefsten das Sardonische sei „mit wohl 1000 Faden" — wo gewiß die stark abgerundete Zahl kritische Bedenken wach halten muß. Aristoteles (Met. 2, 1,11) wollte die mittelländischen Meeresbecken nach ihrer Tiefe ordnen, die Mäotis ist das seichteste, dann folgt der Pontus, noch tiefer ist das Ägäische, dann das Sikelische, am tiefsten das Sardonische und Tyrrhenische Meer. Klcomedes (Theor. cycl. p. 56 Balf.) aber sagt verallgemeinernd, daß, senkrecht gemessen, kein Berg höher und kein Meer tiefer sei als 15 Stadien Ältere Lotungen. ß9 (rund 2800 in), und somit die Unebenheiten der Erdoberfläche 30 Stadien (rund 5500 m) nicht überschritten. Nach Plutarch (Aem. Paul. 15) haben die (alexandrinischen) Geometer diese Größen auf je 10 Stadien (1850 m) bemessen. Tm übrigen sehen wir weiter die Alten an der ästhetischen Auf- fassung festhalten, daß die maximalen Höhen der Berge und Tiefen der Meere einander gleich seien, daß anderseits aber auch die l'nebenheiten der Erdrinde im Vergleich zum Durchmesser der Erde als ganz unerheblich zu betrachten seien. Unter den mittelalterlichen Segelkarten, von denen uns Norden- skiöld in seinem Periplus eine große Zahl reproduziert, zeigen die dem 14. Jahrhundert entstammenden noch nirgends ziffermäßige Tiefenangaben; für die der Schiffahrt gefährlichen Klippen bringen sie aber, als anscheinend uralt vererbte Symbole, kleine Kreuze und für die Sandbänke punktierte Flächen. Dagegen enthalten die gleichzeitigen, handschriftlich von den Seeleuten vervielfältigten Küstenbeschreibungen (roidiers, Seebücher) sehr eingehende Tiefenangaben für die Fahrwasser an den Küsten, wie wir aus dem von Koppmann und Breusing herausgegebenen Seebuch der Hansen für die heimischen Meere entnehmen können: die ursprüngliche Abfassung dieses auf flandrische Quellen hinweisenden Werkes reicht auf die zweite Hälfte des 14 Jahrhunderts zurück. Als Maß für die Tiefen dient darin neben dem alten Faden auch Elle und Fuß. Erst in nieder- ländischen Seekarten des 15. Jahrhunderts scheinen auch Lotungen und Seezeichen eingetragen zu sein. Eine Lotungsreihe auf der Guayanabank zwischen Trinidad und Maranhao zeigt die berühmte Karte des Juan de la Cosa aus dem Jahre 1504 (in Nordenskiölds Periplus Tafel XLIII); sie wird von Pinzon und Amerigo Vespucci herrühren. Reichlicher begegnen wir Lotungen bei Lucas Waghenaer (Spieghel der Zeevaert 1584, Threzoor d. Z. 1592), wo sie den Küstenkarten schon ein ganz modernes Aussehen geben. Lotungen im offenen Ozean werden als praktisch bedeutungslos erachtet worden und darum wohl kaum vorgekommen sein. Überliefert ist uns allein von Magellan, daß er im Jahre 1521 zwischen den im ein- samen Pazifischen Ozean von ihm gesichteten Inseln St. Paul und Tiburones gelotet, aber keinen Grund gefunden habe, was ihn zu der naiven Folge- rung brachte, daß hier die tiefste Stelle des Ozeans läge. Wenn wir die vom Jesuitenpater Georges Fournier in seiner Hydrographie (1647) ausführlich beschriebene Ausrüstung der gleichzeitigen Seeschiffe zu gründe legen, so konnte Magellan durch Verknüpfen mehrerer Lotleinen es bis etwa 400 Faden versucht haben. Varenius^ im Bestreben nach präziser Fassung, spricht die Meinung aus, das Weltmeer könne wohl an eine deutsche Meile (7400 m) tief sein, meistens aber möge es wohl bei kleineren Bruchteilen einer solchen bleiben. Von eigentlichen Tiefseelotungen im Ozean weiß er nichts, bemerkt aber, daß die längsten Lotleinen seiner Zeit an 200 Ruten (700 m) Länge besäßen. Mit Energie weist er populäre Unbedachtsamkeiten ab, wonach es „unergründliche" Stellen im Ozean geben solle, während dieser doch überall einen Boden haben müsse. Die weiteren Fortschritte des 17. und 18. Jahrhunderts- bewegen sich zunächst im Bereiche einer besseren Aufhellung der Flachsee. Angesichts der Fülle von Tiefenzahlen auf der Küstenkarte des provenzalischen Meerbusens wird der Graf Marsigli 70 Die Tiefenlotungen. (1725) angeregt, zu besserer Veranschaulichung des Bodenreliefs vertikale Profilschnitte zu entwerfen. Wir sehen ihn aber noch ganz im Banne der antiken Vorstellung, daß die größten Tiefen den höchsten Höhen glichen, denn auf einem dieser Profile gestaltet er die tiefste Absenkung gegen das Mittelmeerbecken in Umriß und Betrag genau symmetrisch zum Gipfel des Canigou (2730 m), während der sanfte Abfall der Flachsee als sub- marine Fortsetzung der provenzalischen Ebene naturgemäßer zum Aus- druck gelangt. Ebenfalls ursprünglich für eine anschaulichere Auffassung der Flachseegebiete entwarf der französische Geograph Philippe Buache die Linien gleicher Meerestiefe (jetzt Isobathen genannt) für das Ärmel- meer (1737, gedruckt 1753). Beide seitdem eifrig in der Geographie an- gewandte Hilfsmittel, Profile sowohl wie Niveaulinien, sind also nicht zuerst für die trockene Erdoberfläche, sondern für die Darstellung des Meeresbodens erdacht worden. Ähnliche Wirkungen eines gewissen Be- dürfnisses nach Symmetrie in den äußeren Formen der Erdoberfläche ge- langen noch zum Ausdruck in der unter den Geographen des 18. Jahr- hunderts (Buffon, Kant) verbreiteten Vorstellung, als ob, wie einst W^ill. Dampier gesagt, den steilen Küsten ein tiefes Meer, den flachen ein seichtes angelagert wäre : in vielen Fällen ist dies in der Tat zutreffend, aber Rein- hold Forster 1) konnte nicht umhin geltend zu machen, daß die flachen pazifischen Koralleninseln dieser Regel durchaus nicht folgen. Wenn Peter Fournier (1647) versichern konnte, er habe keinen zeit- genössischen Seemann gefunden, der auf mehr als 200 Faden Tiefe den Grund angelotet hätte, so sehen wir dies erst vier Menschenalter nach ihm gelingen, nachdem man schon versucht hatte, wenigstens Wasserschöpfer und Thermometer in größere Tiefen zu versenken, wobei Kapitän EUis 1749 in der Nähe der Kanarischen Inseln bis 1630 m hinab vorgedrungen war. Erst der von seiner Spitzbergenfahrt zurückkehrende Kapitän Phipps (der spätere Lord Mulgrave) erreichte am 4. September 1773 in etwa 65^ N, B., 2*^ 21' 0. L. mit mehreren aneinander gebundenen Lot- leinen den Grund mit 1250 m, und es gelang ihm auch, eine Grundprobe von schönem blauem Ton heraufzuholen 2). Dies ist der erste Fall erfolg- reicher Tiefseelotung, der in der Literatur überliefert ist. Einige Erfolge hatte auch der Polarfahrer Will. Scoresby an der ostgrönländischen Küste zu verzeichnen, doch versenkte er in 76^/2^ N. B., 4^/4° W.L. das Lot vergeblich bis 2200 m. Eine kleine Zahl von Tieflotungen hat dann Sir John Ross auf seiner Fahrt in die Baffinsbai 1818 ausgeführt, wobei er ein- mal (in 72« 23' N. B., 73« 6,5' W. L.) 1920 m lotete und nicht nur eiskalten Grundschlamm mit seiner Tiefseezange heraufholte, sondern auch Zeug- nisse für Tierleben am Meeresboden. Doch waren dies noch immer nicht Lotungen auf hoher See fernab vom Festlande. Sir James Clark Ross, dem Neffen, gebührt der Ruhm der ersten gelungenen Tiefseelotungen. Auf der Ausreise in die antarktischen Breiten fand er am 3. Januar 1840 in 27 0 26' S. B., 17 0 29' W. L. 4435 m und darauf am 3. März in 33 « 21' S. B., 9°0' 0. L. (450 Seemeilen westlich vom Kapland) 4895 m Tiefe: zwei ') Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. Berlin 1783, S. 46. 2) Reise nach dem Nordpol. Bern 1777, S. 67 und 91. In Peschels Ge- schichte der Erdkunde (2. A.) 1877, S. 734 wird fälschlich gesagt, Phipps habe keinen Grund mit 683 Faden gefunden. Erste Tiefseelotungen im 19. Jahrhundert. 71 Messungen, die noch heutigen Tages als einwandfrei betrachtet und auf den Tiefenkarten verzeichnet werden. Ross ließ bei völliger Windstille von einem Schiffsboote aus seine besonders für Tieflotung hergestellte Leine von einer großen Rolle ablaufen und die Ablauf geschwindigkeit für jedes Stück von 100 Faden Länge mit der Sekundenuhr kontrollieren, wobei die Grundberührung durch eine starke Verlangsamung des Ablaufs deut- lich erkannt wurde : ein Kunstgriff, auf den übrigens schon Kapitän Phipps fast unfreiwillig verfallen war. Trotz dieser Vorsichtsmaßregel konnte später Ross auf seiner Heimreise nicht verhüten, daß er zweimal im Süd- atlantischen Ozean über 4000 Faden Leine ablaufen ließ, ohne den Grund zu finden an Stellen, wo moderne Lotungen etwa 2^3 jener Tiefe nachge- wiesen haben. Wenn nun auch, angesichts dieser offenbar noch unzureichenden Technik der Tiefseelotungen sich Alexander von Humboldt im ersten Bande des Kosmos (1845, S. 320) dahin aussprach, daß die Tiefe des Ozeans und des Luftmeers uns beide unbekannt seien, so drängte doch das un- widerstehliche Bemühen nach fortschreitender Naturerkenntnis dazu, auch „die schweigenden Tiefen des Ozeans zum Reden zu zwingen". Man hatte das Bewußtsein, viel größere technische Schwierigkeiten auf anderen Gebieten der Erdforschung erfolgreich überwunden zu haben. Hier griff Maury ein und wurde nicht müde, immer neue Versuche anzuregen. Er berichtet uns in seiner lebhaiten Weise selbst, wie man das Verfahren zu- nächst zu vereinfachen memte, indem man statt der kostspieligen meilen- langen Lotleinen billigen Bindfaden benutzte, der sorgfältig für je 100 Faden gemarkt und auf eine lose gehende Trommel in Längen von 10000 Faden aufgewunden war. Mit einer Kanonenkugel von 16 kg als Gewicht lotete man dann unter aufmerksamem Beobachten der Ablauf Zeiten für je 100 Faden, und schnitt, wenn so die Grundberührung erkannt war, den Bindfaden ab. Die ersten Ergebnisse waren aber nur zum Teil befriedigend und einzelne Lotungen ersichtlich verfehlt, wie u. a. die des Leutnants J. J. Parker auf der V. S. Fregatte Congress am 4. April 1852, wo in 35° 35' S. B., 45° 10' W. L. mit mehr als 16000 m der Grund scheinbar nicht er- reicht wurde, oder die des englischen Kapitäns Denham auf der Fregatte Herald am 30. Oktober 1852, der etwas östlicher aber auch auf der Höhe der Laplatamündung (36° 49' S. B., 37° 6' W. L.) mit 14 100 m den Boden berührt zu haben meinte ; in beiden Fällen handelte es sich in Wirklichkeit um Tiefen von etwa 5000 m. Immerhin gelangen so viele andere Lotungen, wesentlich durch den Eifer amerikanischer Seeoffiziere (insbesondere des Leutnants Berryman, V. S. Brigg Dolphin), daß Maury im Jahre 1855 die erste Tiefenkarte des Atlantischen Ozeans zwischen 52° N. und 10° S. B. erscheinen ließ^). Einen noch kräftigeren und dauernden Anstoß emp. fingen diese Bemühungen durch die damals ernstlich betriebenen Pläne, durch den Atlantischen Ozean ein unterseeisches Telegraphenkabel zu legen. Hierfür war es durchaus nötig, nicht bloß von den Tiefen, sondern auch von der Beschaffenheit des Meeresgrundes selbst genauere Kennt- nis zu besitzen; neben der Größe der vorhandenen Böschungen war auch die Natur der Bodenablagerungen von Bedeutung. Bodenproben aber 1) Physical Geography of the Sea, Washington 1855, Tafel 6. 72 I^ie Tiefenlotungen. konnte man mit einem dünnen Bindfaden nicht heben. Dies führte den amerikanischen Schiffsfähnrich J. M. Brooke dazu, das Lotgewicht aus zwei Teilen herzustellen, aus einem an die Leine gebundenen Eisenstab und einer über diesen gestreiften Kanonenkugel, die, an zwei beweglichen Armen aufgehängt, bei Berührung des Bodens abgeworfen wurde i). Indem man den Lotstab am unteren En zu den Färöer hin, sodann im Herbst und Winter 1869—1870 auf Porcupine in der irischen und spanischen See und auf Shearwater im Mittelmeer, wo- bei es nicht nur gelang, an 157 Sta- tionen die Tiefen einwandfrei zu loten und Grundproben heraufzu- holen, sondern auch Temperatur und Salzgehalt in verschiedenen Tiefenschichten zu messen und durch Arbeiten mit Oberflächen- und Grundnetzen die Organismen der Hochsee zu sammeln. Diesen vorbereitenden Fahrten folgte dann die größte aller je unter- nommenen rein ozeanographischen Expeditionen an Bord der Fre- gatte Challenger, die unter der Leitung von Sir Wyville Thomson mit einem ausgesuchten Stabe von Gelehrten von Weihnachten 1872 bis Ende Mai 1876 die drei großen Ozeane durchfuhr und für Fig. 8. Erklärung. Der Abwurfhebel C ist um (las Scharnier D drehbar und trägt mit dem Haken rdie an einer Schnür E befestigte Lotkugel A. Die Lotstange B erweitert sich am unteren Ende zu einer zylindrischen Kammer, die bei V ein Ventil hat und unten ein Bündel Fedei'posen für die Grundprobe trägt. Die Lotleine wird an dem Ring H befestigt. Die Senkrechte XZ zeigt, daß die Lotstange nicht genau senkrecht auf den Meeresboden trifft. unsere Kenntnisse vom Meer zuerst eine allseitige und geographisch ausgedehnte Grundlage schuf. Mit wohl berechtigtem Stolze hat der Nachfolger Sir Wyville Thomsons in der Re- daktion der großartigen Reiseberichte der Challengerexpedition, Sir John Murray, sagen können, daß seit den Tagen des Kolumbus und Magellan die Aufhellung der Oberfläche unseres Planeten keinen solchen Fortschritt gemacht habe, wie durch die Weltumseglung des Challenger und die sich daran schließenden anderen ozeanographischen Expeditionen im letzten 74 Die Tiefenlotungen. Fig. 9. Das Hydra- oder Baillielot. Erklärung. Die Lotspin- del a ist eine starke, bis 1.2 m lange gußeiserne Röhre. Vier ringförmige Lotgewichte sind darüber gestreift und mit Drahtschlingen auf den Schultern d aufgehängt. Diese gehören einem schwe- ren Zapfen an, der sich im oberen Teil h der Spindel senkrecht vorschieben läßt. Erreicht das Lot den Grund, so bewegt sich der Schulter- zapfen seinem Gewichte fol- gend abwärts, wobei die Drahtschlingen abgestreift werden. Das untere Stück f der Lotröhre trägt ein Schmetterlingsventil und läßt sich zum Entnehmen der Grundprobe abschrauben. Viertel des 19. Jahrhunderts. Bedeutsame Er- gänzungen der Challengerfahrt lieferten gleich- zeitig eine amerikanische und eine deutsche. Um eine passende Linie für ein Telegraphenkabel von Kalifornien nach Japan und später auch nach Australien auszusuchen, durchkreuzte der V. S. Dampfer Tuscarora unter Kapitän George E. Bel- knap vom Herbst 1873 an den Pazifischen Ozean und brachte sehr zahlreiche und schon sehr dicht gestellte Lotungen heim, worunter sich die für lange Zeit tiefste mit 8513 m unweit der Kurileninsel Iturup befand. Die deutsche Korvette Gazelle führte unter dem Befehl des Kapitän z. S. Frei- herrn V. Schleinitz besonders im südlichen Atlan- tischen, im Indischen und Pazifischen Ozean Tief- seelotungen und -arbeiten anderer Art aus. Auf Challenger und Gazelle wurde eine Abänderung des Hydralots gebraucht, die wesentlich die Auf- hängung der Abfallgewichte betraf (s. Fig. 9), während auf Tuscarora nicht mehr mit Hanf- leinen, sondern mit Klaviersaitendraht gelotet und damit eine Technik eingeführt wurde, die sich seit- dem zur Alleinherrschaft entwickelt hat. Um dies zu verstehen, sind einige allgemeine Bemerkungen über Tieflotungen erforderlich. Bekanntlich zeigt ein freifallender Körper im Wasser die Eigenschaft, daß er unter dem Einfluß des Wasserwiderstandes mit rasch gleich- förmig werdender Bewegung fällt, nicht mit be- schleunigter Geschwindigkeit, wie in der Luft. Zieht der fallende Körper, wie das Lot, eine Leine hinter sich her, so wird der Wasserwiderstand ent- sprechend der wachsenden Länge der Leine immer größer, während das fallende Gewicht nur wenig wächst. Das Lot fällt also immer langsamer. So berichtet uns schon Maury von den Lotungen Berrymans, daß die an Bindfaden befestigten Kanonenkugeln die Strecke von 100 Faden nahe der Oberfläche in 2«^ 20^, bei 2000 Faden Tiefe aber erst in 4™ 47 ^ zurücklegten. Diese Ver- langsamung setzt sich um in Spannung der Leine, die den Reibungswiderstand zu überwinden hat, und ein einfacher Bindfaden reißt schließlich, wenn diese Spannung seine Festigkeit übersteigt, was anscheinend bei Tiefen von mehr als 5000 m öfter eingetreten ist. Deshalb können auch Leinen, nachdem das Lotgewicht abgeworfen ist, nur mit einer gewissen maximalen Geschwindigkeit wieder eingewunden werden, wenn sie nicht brechen Theorie und Technik der Tieflotung. 75 Akkumulator sollen. Will man also mit Leinen rasch loten, so kann man diese ziemlich dick nehmen, da ihre Tragfähigkeit im allgemeinen mit dem Quadrat des Durclimessers wächst, und mit Vorteil sehr schwere Lotgewichte verwenden, die dann auch die Grundberührung deutlich anzeigen. Auf Porcupine durchfiel das Hydralot mit 150 kg Gewichten denn auch 100 Faden anfäng- lich in 45 ^ in 2000 Faden Tiefe in 1^ 55^, also beträchtlich schneller als Maurys Kanonenkugeln von 15 kg an ihrem dünnen Bindfaden. Nun sind aber zentnerschwere Gewichte an Bord immer unhandlich, bei starken Schlingerbewegungen des Schiffes sogar gefährlich, ferner die Hanfleinen teuer und in größeren ungespleißten Längen überhaupt schwer erhältlich, auch volumi- nös. Will man also leichtere Gewichte ver- wenden und doch schnell loten, so muß man statt des Hanfs tragfähigere andere Stoffe wählen. So hat man an seidene Schnuren gedacht, und der französische Kapitän Berard lotete (um etwa 1835) mit einer solchen von nur 1 mm Dicke nördlich von Alger 2600 m^). Wilkes, auf seiner großen Forschungsfahrt in antarktischen und pazi- fischen Gewässern (1840 — 43) versuchte Kupferdraht, Schiffsleutnant Walsh (1849) Eisendraht 2) , jedoch mit schlechten Er- folgen. Bewährt hat sich allein der billige und leicht in beliebigen Mengen käufliche Klaviersaitendraht ^). Die Technik, mit Draht zu loten, hat kein geringerer als Sir William Thomson (Lord Kelvin) durch lang- jährige Versuche auf seiner Privat j acht be- gründet. Er führte Trommeln von großem Durchmesser zum Aufwinden des Drahts ein, lehrte den Ablauf mit einer Bremse so regeln, daß der Draht glatt abrollte, aber stets straff und steif blieb, zeigte, daß das Lotgewicht nicht unmittelbar am Draht befestigt werden darf, sondern an einem 10 bis 50 m langen Hanftau, einem so- genannten Vorläufer, damit sich beim Be- rühren des Bodens, wo kein Gewicht den Draht steif hält, nicht Schlingen (Kinke) bilden, in denen der Draht sofort bricht. Für seine später zu Lotapparat der Gazelle zur Zeit des Herablasscns von Bord. ') Humboldt, Zentralasien 1844, I, S. 132. 2) Maury, Phys. Geogr. of the Sea, Wash. 1855, p. 203. ») Je 1000 m Hanfleine im Gewicht von 45 kg kosten 220 bis 250 Mark, Pianofortedraht von 0.9 mm Dicke im Gewicht von 20 kg dagegen in Kränzen nur 20 Mark, auf Blech trommeln fein aufgespult 80 Mark. (Preise im Jahre 1902.) 76 Die Tiefenlotungen. erwähnende Patentlotmaschine für geringe Tiefen verwendete er Klavier- saiten vom besten Tiegelgußstahl von 0.9 mm Stärke und einer Bruch- festigkeit von 120 kg. Die Bemühungen des Kapitäns Belknap an Bord Sigsbees Lotmaschine. Erklärung. Auf der hölzernen Giundplatte A ruht in dem stählernen Bock « die große aus Stahl hergestellte Trommel ^, auf welcher der Lotdraht aufgespult ist; dieser läuft zunächst (was auf der Figur fehlt) von rechts unten her nach oben zum ersten Leitrade Z>, das zwischen den beiden Säulen des Galgens F federnd aufgehängt ist, sodann weiter ab- wärts durch die hölzerne Führung J zu dem außenbords hängenden zweiten Leitrade K, das sich, wie I, um eine senkrechte Achse dreht und beim Einwinden des Drahts bei langsamer Fahrt des Schiffes den Draht reibungslos durch die Führung / leitet. Die Umdrehungen der großen Trommel B registriert der Tourenzähler Z. Die Geschwindigkeit des Ablaufs wird sowohl dunb dio Fußbremse r geregelt, die den Klotz a von unten gegen den Trommelrand druckt, wie auch duich 00 bis 'MOO m. Im Japanischen Meer ist die Schelf bildung beschränkter und dafür die eingeschaltete Mulde um so größer; die Maximaltiefe geht nur wenig über :HHX) m (.'H'^O m in Iv^^' 'M\[' N. B., lo-^^ "vV 0. L.). Das (Vtchinesische Kandmeer hat im C^egensatz dazu einen ganz be- sondei-s geräumigiMi Schelf (S. ll;>) und binnenwärts von den Liukiuinseln in einer schmalen Mulde Tiefen von über 20(X) m; die größte Tiefe entlang der hier hindurchgeführten Kabellinie von Shanghai nach Yap fand der niederländische Ihuupfer Kdi zu 'JiUl m. l>as Andamanischc Randmeer ist wieder ganz typisch ausgestattet: im Norden und im Südosten die tlachen Schelfe von Hirma und Malakka, hinter den Andamanen und Nikobaren eine bis 3968 m tiefe Mulde von übrigens recht in\ebener Bodenbildung. Pas Kalifi>rnische Kandmeer wird von seinem inneren Ende nach dem Ausgange hin fast stetig tiefer, bis zu '2\V0 m hii\ab. und entvspricht damit dem normalen Tvpus mx^h weniger als das Laurentische M, das, neben seichten Schelfen an den Seiten, in der Mitte ein System Kinnen entwickelt, die an verzweigte Fjordstraßen erinnern, n\it einer Maximal- tiefe von 572 m südwestlich von Anticixsti, während der atlantische Ausgang nur l>5(^ !n besitzt. TU. Die mittlere Tiefe und das Oesamtvolum der Heeresräuiue. Die vorgeschrittene Kenntnis der Meerestiefen ermöglicht uns, das Gesamtvolum des ozeanischen Wassers auf der Krdobertläche wenigstens angenähert zu bestimmen. Es gt>hört das zu den vornehmsten Aufgaben der Geographie, die einst von Kari Kitter geradezu als die Verhältnislehre der irdisch erfüllten Käutnc ilctiiüert wurde. Auf ilicv^^em Wege allein können wir uns einen BcgritT bilden von der Massen Verteilung nicht nur im Be- reiche der Erdobertläche, sondern auf dem Erdkörper id>erhaupt. Das (xesamtvolum der irdischen Meeresdecke setzt sich zusammen aus dem Volum der einzelnen Meeresräume: um jedes Teilvolum in mög- lichst einfacher Form auszudrücken, müs.sen wir dessen ()bertläche und mittlere Tiefe kei\nen. Die Bestimmung der .Vreale hat keine wesentlichen Schwierigkeiten, sobald die rmrisse klar gegelHMi sind. Kür ilie Berech- nung der nüttleren Tiefe stehen vier Methoden zur Wahl, die freilich nicht alle gleichwertig in ihren Ergebnissen sein können^). 1. D i e P r o f i 1 m e t h o d e. Schon AI. v. Humboldt bediente sich Eur Berechnung der mittleren Höhe der Festländer eines sehr einfachen Ver- fahrens, indem er Profile durch die TiAiidtlächen legte und die mittlere Höhe ») KÄfto iu Ami. d. Hydr. 1896. Taf. 3. *) Für litis Fi>lgt>iult> vergl. Br. Karl Karstons, Eine nouo Bt^rtKilmunij der mittleren Tiofoii der C>^otu\o, nehnt oiuor vergU'iohondeu Kritik der versahieaenen Berechnungsmotliodon. Kiol IS04. 138 I^i® mittlere Tiefe der Meeresräume. der Profilkurve über ihrer geradlinigen Basis bestimmte. Wenn man zahlreiche solcher Profilkurven in gleichen und engen parallelen Abständen entwirft und sich alle aneinander gesetzt denkt, um dann ihre mittlere Höhe über der Grandli lie zu berechnen, wird man in der Tat einen angenäherten und brauch- baren Mittelwert erhalten. Noch genauer kann das Ergebnis werden, wenn man sich der sogenannten Sitopsonschen Regel bedient. Bezeichnet von drei, in gleichen Abständen a und parallel nebeneinander liegenden Profilschnitten /| die Fläche des ersten , f^ die des zweiten und f^ die des dritten, so ist das Mittel für den ganzen Streifen zwischen /^ und /g ausgedrückt durch Es ist klar, daß, wenn die Profilschnitte nicht sehr nahe aneinander gelegt werden, auch größere Unregelmäßigkeiten im Verlaufe der Küsten, Inseln, Bänke und Rücken im Bereiche der Zwischenzonen leicht unberücksichtigt bleiben, was dem Ergebnis schaden wird. — Der einzige Versuch dieser Art für die Meeresräume rührt von Franz Heiderich ^) her, wobei er die Profile in jeden fünften Parrallelkreis legte und doch schon eine sehr umfang- reiche Rechenarbeit zu bewältigen hatte. Er erhielt keine besonderen Werte für die einzelnen Meeresräume, sondern nur für die Fünfgradzonen und daraus für den ganzen Ozean 3438 m. 2. Die planimetrischen Methoden. Da die Isobathen unserer Tiefenkarten geschlossene Kurven sind, kann man sich das Voinm eines Meeresraumes aufgebaut denken aus mehreren Stockwerken, deren Areal um so kleiner wird, in je größere Tiefen das Becken hinabreicht. Die Tiefen- karte gibt die Projektion der Stockwerkgrenzen auf die Meeresoberfläche. Sind die Isobathen vom gleichen vertikalen Betrage = Ä, so kann man sich das Volum eines Meeresbeckens zerlegt denken in lauter Kegelstümpfe von der- selben Höhe h und mit Grenzflächen, die durch das Areal der oberen und unteren Isobathenfiäche bestimmt sind. Oder auch aus Prismen, die von Ringen umrahmt werden mit dreieckigem Querschnitt und einer Grundfläche gleich der Differenz der beiden Isobathenflächen. Das Volum der Haupt- prismsn ist dann gegeben durch das Produkt aus dem Areal der oberen kleineren Isobathenfiäche mit dem Isobathenabstand h. Das Volum des Ringes mit dem dreieckigen Querschnitt denkt man sich wieder umgewandelt in das eines Prismas, dessen Grundfläche in der Differenz der beiden Isobathenflächen gegeben ist, aber dessen Höhe verschieden aufgefaßt werden kann. Lapparent hat sie (1883) einfach gleich der Hälfte der Tiefenstufe h gesetzt^), während Sir John Murray (1888) schon besser von Fall zu Fall verschiedene zwischen ^{ih und %h liegende Höhen einführte. Dieses Vorgehen verwarf Supan als willkürlich und kehrte zu Lapparents Beispiel zurück^), während der russische General v. Tillo noch über Murray hinausging und durchweg '^Uh ansetzte. Die Messungen Lapparents erfolgten auf den zu diesem Zwecke zu kleinen Karten in Stielers Handatlas, während Murray eine große in flächen- treuer Projektion entworfene Karte von Bartholomew benutzte, sich aber starke Messungsfehler zu Schulden kommen ließ. Tillo benutzte dieselbe Karte in einer stark verkleinerten Ausgabe, während Supan die von Murray ge- gebenen Zahlen übernahm und sie nur in der angegebenen Weise für die ^) Die mittleren Erhebungsverhältnisse der Erdoberfläche, in Pencks Geo- graphischen Abhandlungen V, 1, Wien 1891. An den Ergebnissen hat H. Wagner eine sehr strenge Kritik geübt: Beiträge zur Geophysik II, 1895, S. 669 f. 2) So schon 1875 G. Leipoldt, Mittl. Höhe Europas, bei der Berechnung der Mittelalpen nach Zieglers hypsometrischer Karte. ^) Petermanns Mitt. 1889, S. 48 u. 67 (wo auch die übrige Literatur). Berechnungsmethoden. I39 Rechnung änderte. Die Schlußergebnisse dieser ziemlicl gleichzeitigen Ver- suche waren: Lapparent .... 4260 m Murray 3797 m Supan 3650 m Tillo 3800 m. Hierzu ist zu bemerken, daß Supan (wie auch der gleich zu erwähnende Penck) das antarktische Gebiet südwärts vom Siidpolarkreis ganz ausschied, so daß seine Mittelzahl nicht mit den anderen kommensurabel ist. Bei diesen Berech- nungen wurde der Fehler begangen, die BöschungcJi des Meeresbodens von einer Tiefenstufe zur nächsten als ganz regelmäßig gestaltet anzunehmen und die Grenzflächeji der Prismen als ähnliche Figuren zu behandeln. Beides wird bei kleineren Meeresbecken von etwa kegelstumpfähnlicher Bodengestalt wohl wenig ins Gewicht fallen, zumal w^enn die Isobathenabstände h recht klein genommen werden (z. B. 100 m). Für die großen Ozeane aber werden diese Fehler bedeutsam, zumal wenn man mit Murray Isobathenabstände von 500 Faden nimmt: denn hierbei verschwinden aus der Rechnung solche Un- ebenheiten, die von diesen Isobathen nicht getroffen werden, und man muß dann die weitere willkürliche Annahme machen, daß sich die hieraus ent- springenden positiven und negativen Fehler schließlich aufwiegen. Nur wenig günstiger wird der grundsätzliche Standpunkt sein, den man gegenüber der bequemsten und infolgedessen meist angewandten Form dieser planimetrischen Methode einnehmen wird, der sogcjiannten h y p s o g r a p h i- schen Kurve, die Penck besonders gefördert hat, nachdem sie schon 1883 von Lapparent gebraucht war. Diese hypsographische Kurve entsteht in der Weise, daß man um die Prismen der verschiedenen Tiefenstufen nicht Ringe von dreieckigem Querschnitt herumlegt, sondern die Prismen umformt, so daß sie auf rechteckiger Basis an drei Seiten genau vertikal aufeinander passen, und nur an der vierten eine Böschung von Treppen- form übrigbleibt. Die Ergänzung der Prismentreppe erfolgt graphisch, indem man einen Vertikalschnitt hindurchlegt und die vorspringenden Kanten durch eine freihändig gezogene Kurve verbindet. Indem Penck ebenfalls die Murray- schen Zahlen benutzte und sie nur in metrisches Maß überführte, erhielt er als mittlere Tiefen^): Atlantischer Ozean 3290 m Die offenen Ozeane 3950 m Indischer Ozean 3590 m Die Nebenmeere 1100 m Pazifischer Ozean 3870 m Das Weltmeer 3650 m. Das Schlußergebnis ist also zufällig identisch mit dem Supans, wie dieses schließt es die antarktische Kalotte ganz aus. Unsere bei einer früheren Gelegenheit (S. 86) gegebenen Areale für die verschiedenen Tiefenstufen gestatteten uns ebenfalls eine neue hypsographische Kurve für das ganze Weltmeer zu kon- struieren (Fig. 15, S.' 87) , und daraus können wir eine mittlere Tiefe von 3620 m berechnen. Die Kurve war dabei in einem großen Maßstabe gezeichnet, wo 1 mm an der Ordinatenachse je 50 m Tiefe und an der Abszissenachse 1 Mill. qkm bedeutete. — Die Ergebnisse der hypsographischen Kurve werden um so genauer, je einfacher gestaltet das behandelte Meeresbecken ist und je enger die Tiefenstufen für die Arealmessung genommen werden. Für das einfach gestaltete Schwarze Meer hat eine von meinen Zuhörern im geographischen Praktikum des Sommers 1905 ausgeführte Messung der Areale von 200 m ^) Morphologie der Erdoberfläche I, 1894, S. 143. Vergl. auch Petermanns Mitt. 1888, 213; 1889, 17; 1890, 154. 140 I^ie mittlere Tiefe der Meeresräume. Tiefenabstand eine hypsographische Kurve ergeben, die fast zu derselben mittleren Tiefe, 1103 m, führte, wie eine gleichzeitig ausgeführte Berechnung nach Halbgradfeldern, 1098 m. Zu einem ähnlichen Urteil ist Dr. Karstens für den Golf voq Mexiko gelangt. — Daß die Arealvermessung am besten auf Karten in flächentreuem Netzentwurf geschieht, braucht kaum betont zu werden; geboten ist die Benutzung solcher Karten, wenn man ein Polarplani- meter benutzt und umständliche Korrektionsrechnungen vermeiden will. Auf Seekarten kann die Arealbestimmung meist genau genug durch Auszählen passend gewählter Gradnetzeinheiten, unter Schätzung der Grenzbruchteile, erfolgen. In allen Fällen sind vorher Isobathen auf den Karten zu konstruieren, was niemals ohne subjektive Willkür geschieht. Trotz alledem kann diese hypsographische Kurve namentlich zu einer ersten Orientierung sehr gute Dienste leisten, wenn man sich mit angenäherten Ergebnissen bescheiden will. 3. Die Stichprobenmethode. Denkt man sich über eine Karte mit dicht eingetragenen Tiefenzahlen oder eng gestellten Isobathen ein gleich- maschiges Netz gelegt, so kann man nach dem Gesetz der großen Zahl erwarten, aus allen zufällig unter jedem Netzknoten stehenden (oder zu schätzenden) Tiefenzahlen einen zutrefienden Mittelwert zu erhalten^). Voraussetzung ist auch hierbei, daß flächen treue Karten zu Grunde gelegt werden, wenn man nicht Spezialkarten in großem Maßstabe für kleine Räume benutzt, wo die Verzerrungen der Projektion verschwinden. Für die Berechnung der mittleren Meerestiefen auf Seekarten ist die Methode bisher noch nicht angewandt worden, obwohl dies nach einer kleinen Modifikation möglich ist. Da die Merkator- projektion mit ihren polwärts wachsenden Ab Weitungen den jedesmal höheren Breiten, gegenüber den niederen, ein fühlbares Übergewicht gibt, muß man statt des gleichmaschigen Quadratnetzes nur ein solches in Merkatorprojektion selbst (ein halbgradiges , viertelgradiges , zehnminutiges oder sonst) kon- struieren. Die eigentliche Rechnung ist dann nach Breitenzonen durch- zuführen, wobei man 2 bis 5 Maschenstreifen zusammenfaßt. Ich habe in dieser Weise die Nordsee mit halbgradiger Maschenweite neu berechnet. 4. Die Feldermethode. Schon Oskar PescheP) hat im Jahre 1867 Maurys Tiefenkarte des Nordatlantischen Ozeans dazu verwendet, eine mittlere Tiefe für das Gebiet zwischen 60 '^ N. und 5^ S. B. aus der Tiefe der einzelnen Netzvierecke von 5° Länge und 5° Breite zu berechnen, teils nach den wirklichen Messungen, teils nach den Schätzungen der Karte, wobei er nie größere Seetiefen als 4000 Faden (7300 m) zuließ und bei seinen Schätzungen immer auf die nächste niedere Grenzzahl zurückgriff. Er erhielt so als mindeste Tiefe des bezeichneten Raums 2075 Faden oder fast genau 3800 m. Nicht einen solchen unteren Grenzwert, sondern den wahrscheinlichsten für die mittlere Tiefe zu finden, war meine Absicht, als ich diese Methode im Jahre 1878 anwandte^) und teils wie Peschel mit Fünf- gradfeldern , teils auch mit kleineren Feldern vorging, je nach der Fülle der Lotungen auf den verfügbaren Seekarten. Ich bemühte mich, in jedem der Netzfelder die ungleiche räumliche Verteilung der einzelnen Lotungen zu beachten, und hatte demgemäß für die Rechnung häufig noch die betreffenden Felder in Bruchteile zu zerlegen, wobei dann jeder Bruchteil mit dem seiner Fläche entsprechenden Gewicht in die Berech- nung einging. Dies hatte mit besonderer Sorgfalt an den Küsten oder sonstigen ') Soweit ich sehe, hat Dr. W. Meinardus diese Methode zuerst für die Berechnung mittlerer Regenhöhen angewandt. G. Hellmann, Regenkarte der Provinz Ostpreußen, Berlin 1900, S. 10. Met. Ztschr. 1900, S. 241. ») Neue Probleme, 2. Aufl. 1876, S. 78. ') Näheres über das Rechnungsverfahren vergl. Zeitschr. f. wiss. Geographie 1880. S. 40. Berechnungsmethoden . 141 Grenzlinien zu geschehen. Die Methode paßt sich also allen örtlichen Unregel- mäßigkeiten leicht an und bietet außerdem den Vorteil, daß man Nachträge und Verbesserungen, die durch neu hinzutretende Lotungen erforderlich werden, alsbald anbringen kann, indem nur die vom Lotungskurse betroffenen Felder korrigiert werden. Am besten für die Rechnung ist es, die Breitengürtel von je 5*^ oder 2° oder 1*^, je nachdem die Genauigkeit des Resultats bemessen wird, zusammenzufassen und für diese die mittlere Tiefe aus den Einzelfeldern zu berechnen, wobei jedes nicht ganz vom Meere erfüllte Feld ein proportional dem Landanteil verkleinertes Gewicht erhält. Mit dem Areal des Gürtels multipliziert ergibt die mittlere Tiefe dann sein Volum, und aus der Summe der Gürtelvolumina, dividiert durch die Gesamtfläche, die mittlere Tiefe des Meeresraums. In dieser Weise vorgehend, erhielt ich^) damals (1878) als mittlere Tiefe des Weltmeers 3438 m, und im Jahre 1885 nach einer tiefgreifen- den Korrektur der für die einzelnen Meeresräume verwendeten Areale und der für die Polarregionen angesetzten Tiefen 3320 m. — Nach derselben Methode rechnend und die inzwischen mächtig angewachsenen Lotungen heranziehend, hat im Jahre 1894 mein Schüler Dr. K. Karstens^) die mittlere Tiefe des Welt- meers zu 3496 m bestimmt. Die bereits erwähnte Leichtigkeit, mit der sich neue Lotungen zur Ver- besserung der Zonen werte einfügen lassen, bewog mich, die vor 10 Jahren von Dr. Karstens erhaltenen Werte dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens anzupassen; es kam aber schließlich zu einer halben Neuberechnung. Nicht nur daß in den großen Ozeanen, namentlich für die höheren Breiten südlich von 35° S. B., neue Zonenmittel zu bestimmen waren, erwies sich eine Neu- berechnung von Grund auf als erforderlich beim Arktischen, Roten, Persischen, Baltischen Mittelmeer, bei der Nordsee und der Beringsee unter den Neben- meeren. Ein besonderes antarktisches Meer, das in den früheren Berechnungen Anlaß ernster Sorgen war, wurde nun nicht mehr anerkannt (vgl. S. 19), sondern jeder der großen Ozeane bis zu den Küsten des antarktischen Fest- lands nach ihrem wahrscheinlichsten Verlaufe hin ausgedehnt. Alle Areale wurden kritisch nachgeprüft (für die großen Ozeane nach Eingradfeldern), denn auch kleine Veränderungen in den Arealen der Zonen erwiesen sich von merklicher Bedeutung für das Endvolum. Natürlich bleibt zur Zeit noch immer die beträchtliche Unsicherheit in den Arealen der höchsten Breiten um beide Pole bestehen. Um ihrö Wirkung deutlicher zu machen, gebe ich in nachstehender Tabelle einen Vergleich zwischen den von H. Wagner 1895 in seiner mehrfach erwähnten großen kritischen Arbeit aufgeführten Arealen der Zehngradzonen mit den bei meiner Tiefenberechnung von mir selbst verwendeten und vorher geprüften Arealen, sämtlich in Tausen- den qkm. Nördl. Breite 900—800 800—700 700-600 600—50" 500-40^ 400—300 300—200 200—100 lOO-OT Wagner Kj-ümmel .... 2 908 3 562 8 252 8 505 5 414 5 315 11024 11061 15011 15 034 20 823 20 860 25 076 25 131 31530 31477 34 036 34 079 Differenz .... 654 253 99 37 23 37 55 53 43 ^) Morphologie der Meeresräume, Leipzig 1879, S. 99. — Der Ozean, Leipzig 1885, S. 73. ^) Eine neue Berechnung der mittleren Tiefen der Ozeane etc. Kiel 1894, 31 S. u. 27 Tabellen. Dieser zu den schönsten Hoffnungen berechtigende junge Geograph ist leider wenige Jahre darauf schon verstorben. 142 Die mittlere Tiefe der Meeresräume. Südl. Breite 00-100 100—200 200—300 300—400 400-50^ 500—600 600—700 700-900 Wagner Krümmel 33 654 33 662 33 342 33 357 30 887 30 867 32 237 32 232 30 500 30 509 25 401 25 403 17 905 17 056 7 503 3169 Differenz 8 15 20 5 9 2 849 4 334 Hieraus ergibt sich für das große Gebiet zwischen 60^ N. und 60^ S. B. eine annehmbare Übereinstimmung der Areale; in den südlichen Breiten mit ihren einfach gestalteten Landgrenzen ist dabei die Auszählung nach Ein- gradfeldern so genau ausgefallen, wie man es irgend nur erwarten kann. Anders ist es nun in den Polarzouen. Nehmen wir die Summen inner- und außerhalb von 60° B., so erhalten wir (wieder in Tausenden qkm): Breiten 600— 00 N. 00—600 S. ji 900^6eö^N. 600— 900 s. Wagner . . . Krümmel. . . 137 500 137 642 186 021 186 030 1! i| 16 574 17 382 25 408 20 225 Differenz ... 142 9 1 808 5 183 Ich lasse es dahingestellt, ob die nur wenig abweichenden Wagnerschen Zonenflächen für das Erdgebiet zwischen 60 '^ N. und 60° S. für besser zu halten sind, als die meinigen; ich habe die letzteren und die ihnen zu Grunde liegenden Fünfgradzonenwerte in diesem Werke schon früher bei verschiedenen Gelegen- heiten verwendet. Jedenfalls nmßte ich den von mir angenommenen Arealen für die Polargebiete jenseits 60° Br. den Vorzug geben. Ich habe versuchs- weise die letzteren zusammen mit den anderen Arealen nach Wagner kombiniert und gelangte so zu der nachstehenden Tabelle der Areale, Tiefen und Volumina für die Zehngradzonen des W^eltmeers (S. 143). Zum Vergleiche sind auch die Zonentiefen nach Tillo und Karstens (soweit diese von H. W^agner zu- sammengestellt worden) beigefügt. Um den Effekt der bei uns und Wagner so verschiedenen Auffassungen der Ausdehnung der Wasserflächen in den beiden Polarzonen zu verdeutlichen, nehmen wir die mittleren Tiefen der Zehngradzonen, wie oben, rechnen aber die Flächen nach Wagner. Dann ergeben sich folgende Volumen Verhältnisse (in Tausend cbkm). Kalotte I 90*^—60" N. 60°— 90" S a) mit Wagners Areal b) „ Krümmeis „ 17 263^ 18 833 70 049 61 427 Differenz a— b — 1 570 +8 622 Der Effekt, auf das ganze Weltmeer erstreckt, würde sich so formulieren lassen Areal in 1000 qkm Volum in 1000 cbkm 1 336 664 a) auf (Jrund von Wagner . . . . i 365 501 b) „ „ „ Krümmel . . . j 361 128 ! 1 329 612 mittlere Tiefe in m 3 057 3 682 Differenz a — b 4 373 7 052 Berechnungsmethoden. 143 Mi ttlere Meerestiefen nach Zeh ngradzonen. 1 Zone 1 Fläche Volum Mittlere Tiefe (Meter) 1 (in 1000 qkm) (in 1000 cbkm) Krümmel Tillo Karstens N.90«— 80° 3 562 7 921 2 221 740 80°— 70<> 8 505 6 854 806 630 700—60'^ 5 315 4 058 767 890 60«— 50^^ 11024 24 220 2 197 2 130 50°— 40° 15 011 57 717 3 845 3650 3730 40°— 30° 20 823 83 813 4 025 4 150 3 925 300—20° 25 076 101 783 4 059 4 150 3911 20"— 10° 31 530 130 030 4124 4 IOC 3 970 10°— 0° 34 036 129 337 3 800 4 020 3358 S. 0°— 10° i 33 654 129 703 3 854 4 100 4005 10°— 20° :^3 342 130 667 3 919 4 200 3836 20°— 30° 30 887 121 849 3 945 4 420 3 935 30° 40° 32 237 125 918 3 906 4 120 3860 40°— 50° 30 500 118 706 3 892 4 210 50"— 60° 25 401 95 609 3 764 3690 60°— 70° 17 056 57 189 3 352 2850 70°— 90° : 3 169 4 238 1337 I 580 N. 90°— 0° 154 882 545 733 3 523 3630 _. S. o°— 90° 1 206 246 783 879 3 807 3930 — Weltmeer i 361128 1 329 612 3 682 3 800 3496 Nach meiner Auffassung hat H. Wagner die Ausdehnung der Wasser- flächen im Nordpolargebiet unterschätzt und in noch größerem Maße im Süd- polargebiet überschätzt; immerhin ist die Schlußzahl davon nicht allzusehr beeinflußt. Die hier aus den Zehiigradzonen erhaltene Mitteltiefe von 3682 m wird, wenn wir auf die einzelnen Meeresräume nach ihren natürlichen Abgrenzungen zurückgehen und dann Summen und Mittel berechnen, nur ganz unwesentlich (um 1 m) geändert, wie umstehender zusammenfassender Tabelle zu entnehmen - ist. Li ihr sind natürlich unsere eigenen Originalzahlen für die Arealberech- nung beibehalte]), so daß Gesamtfläche und Gesamtvolum gegen die aus den Zehngradzonen erhaltenen etwas verändert sind. Der aus unseren Berechnungen erhaltene neue Mittelwert von rund 3660 m ist beträchtlich höher, als die früher aus der Feldermethode er- haltenen (um 185 m gegenüber Karstens), was in der Hauptsache den. dem letzten Jahrzehnt zu dankenden zahlreichen Lotungen, namentlich im Nordpolarbecken und in den liöheren Südbreiten, zuzuschreiben ist. Der neue Wert ist um 60 ni höher, als der aus der bathographischen Kurve erhaltene, der sich jedoch nicht an Zuverlässigkeit mit dem aus der Felder- methode erzielten messen darf. Unser Wert bleibt hinter dem von Murray und Tillo angegebenen von 3800 m noch um 120 m, hinter dem von Lappa- rent um 580 m zurück, w^äbrend Penck und Supan für das von ihnen be- rechnete Gebiet außerhalb des Südpolarkreises die unserer am nächsten kommende Zahl von 3(350 m gefunden hatten^). 0 Vergl. diizu Wagners Bemerkung a. a. 0. S. 749. 144 Die mittlere Tiefe der Meeresräume. Mittlere Tiefen der Meeresräume. Name Tiefe (m) Areal (qkm) Volum (cbkm) Atlantischer Ozean Indischer Ozean Pazifischer Ozean 1 j 3 858 i 3 929 4 097 81 657 800 73 441 960 165 715 490 314 821 680 288 527 610 678 837,190 I. Ozeane 3997 320815 250 1282186480 Arktisches Mittelmeer .... Australasiatisches Mittelmeer . . Amerikanisches Mittelmeer . . Romanisches Mittelmeer . . . 1170 i 1089 1 2 090 1 1 431 14 352 340 8 125 060 4 584 570 2 967 570 16 794 140 8 848 110 9 579 490 4 249 020 Große Mittelmeere 1314 30 029 540 39 470 760 Baltisches Mittelmeer .... Hudsonsches Mittelmeer . . . Rotes Mitteimeer Persisches Mittelmeer .... 55 128 488 25 1 406 720 1 222 610 458 480 232 850 22 360 156 690 223 810 5 910 Kleine Mittelmeere 176 2 320 660 408 770 11. Mittelmeere 1232 32 350200 39879530 Beringsches Randmeer .... Ochotskisches Randmeer . . . Japanisches Randmeer .... Ostchinesisches Randmeer . . . Andamanisches Randmeer . . . Kalifornisches Randmeer . . . Deutsches Randmeer .... Britisches Randmeer .... Laurentisches Randmeer . . . Tasmanisches Randmeer . . . 1444 1270 1530 177 779 987 94 62 128 72 2 274 800 1 507 610 1 043 820 1 242 480 790 550 166 790 571 910 213 380 219 300 83 170 3 286 230 1 895 100 1 597 040 219 820 615 910 164 590 53 730 13 320 28100 6 020 III. Randmeere 1 971 8113810 7879860 Nebenmeere ! 1180 40464010 47759390 Weltmeer 3681 361279160 1329945870 K. Karstens hat der von ihm gefundenen Zahl 3496 m im Hinblick auf gewisse willkürliche Schätzungen im Bereich damals noch ganz un- durchloteter Räume, namentlich in den großen Ozeanen, einen wahr- scheinlichen Fehler von + 136 m beigelegt; H. Wagner wollte diesen auf 4: 150 m erhöhen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die in den hohen Süd- breiten von Valdivia, Gauß, Scotia und im Nordpolarbecken vom Fram entdeckten überraschend großen Tiefen auch diese höhere Fehlergrenze noch als zu niedrig gegriffen hinstellen. Ich glaube nicht, daß ähnliche Überraschungen für die Zukunft bevorstehen, und daß daher künftige Zonale Verteilung der Tiefen. I4.5 Berechnungen nach der Feldermethode die Tiefenzahl :j()80 ni kaum um 2b 100 m verändern werden. Für die einzelnen Meeresräume ist zu bemerken, daß der in früheren Berechnungen tiefste Ozean, der Pazifische, seinen Rang festgehalten hat, dagegen mußten der Atlantische und der Indische ihren Platz ver- tauschen, denn der Indische hat jetzt eine größere Mitteltiefe, obwohl er in seinen maximalen Tiefen hinter den anderen beiden sehr zurücksteht. Aber seiner kleineren Fläche wegen bleibt er wieder hinter dem Atlantischen in seinem Volum zurück. Alle drei Ozeane zusammen nehmen vom Gesamt- volum des Weltmeers 96 Prozent auf. von der Gesamtfläche nur 89 Prozent ; die Mittelmeere vom Gesamtvolum nur knapp 3 Prozent, von der Gesamt- fläche fast 9 Prozent. Namentlich die Übersicht über die Volumina wird zeigen, daß die kleinen Mittelmeere in der Tat eine natürliche Gruppe für sich bilden. Das kleinste der kleinen Mittelmeere hat noch ein kleineres Volum als das kleinste Randmeer, das Tasmanische. Auch die in der Tabelle S. 143 gegebenen Volumina und Mitteltiefen für Zehngradzonen fordern noch zu einiger Erläuterung auf, zu welchem Zwecke sie auch noch graphisch dargestellt sind (Fig. 22). Bemerkt sei zunächst der Vollständigkeit wegen, daß neben General Tillo auch Fr. Heiderich Mitteltiefen nach Zehngradzonen geliefert hat; doch sind Heiderichs Werte im einzelnen unrichtig und jedenfalls veraltet, weshalb sie hier übergangen werden. General Tillo hatte seinerseits die Bemerkung gemacht, daß die größten Meerestiefen, me auch die größten Landhöhen, den Zonen um 30^ und 40^ Breite nördlich wie südhch vom Äquator zu- kämen. Schon Heiderich fand hierfür keine Bestätigung, und unsere Berechnung zeigt das auch nicht. Dafür kommt in der Hauptsache eine merkwürdige Gleichmäßigkeit der Mitteltiefen zwischen 50^ N. und 60^ S. B. zum Vorschein, dabei nur ein kleiner Zuwachs für die Zonen zwischen 10 '^ und 40^ N. B. mit dem Maximum zwischen 10^ und 20^ N. B., dem auf der südlichen Hemisphäre nur ein noch schwächeres sekun- däres Maximum in 20^ bis 30° S. B. gegenübersteht. Das Vorwiegen der Landmassen zwischen 50*^ und 80° N. B. beschränkt anscheinend nicht nur die Flächen der Meeresräume, sondern drückt auch ihre mittlere Tiefe hinunter, so daß man auch aus dieser unserer graphischen Darstellung unmittelbar entnehmen darf, ein wie tief eingeprägtes Merkmal der Erd- kruste dieser von Karl Ritter so dringlich betonte Gegensatz zwischen der kontinentreichen Nordosthalbkugel und der ozeanischen Südwesthalb- kugel ist. Die Verteilung der Volumina dient nun dazu, diesen Kontrast zu ver- stärken: zwischen 30*^ N. und 60° S.. B. ist die Hauptmasse des irdischen Weltmeers eingeordnet; hier finden wir 76.6 Prozent des Areals, 81.4 Pro- zent des Volums. Das Weltmeer hat eben seinen Schwerpunkt auf der südlichen Halbkugel. Der Anblick dieser Figur weiß auch zugleich die Vorstellung wach zu erhalten, daß ungeheure Zeiträume erforderlich gewesen sein müssen, die Massen in dieser Weise anzuhäufen, und daß ähnliche Zeiträume aufzuwenden wären, um eine wesentliche L'mlagerung zu erzielen. Dagegen sind die nordhemisphärischen Wassermassen pol- wärts von 50° N. B. unbedeutend und ein großes Beharrungsvermögen wird ihnen wohl niemand zusprechen. Mit diesen Betrachtungen steht nicht Krümmel, Ozeanographie. T. 10 146 Die mittlere Tiefe der Meere sräiime. im Widerspruch, was wir bei einer früheren Gelegenheit (S. 88) fanden, wo wir die Verteilung der Tiefenstufen von 4000, 5000 und 6000 m nach den Zehngradzonen prüften. Die relative Anhäufung der mehr als 5000 und Fig. 22. A '"] so- $ 31) ^ V o I u ni i n a rr^ I I I I M ! -j.r[ SO" 10° bO" MI'' iO" 30" 20" 10" 0" W" 20" 30" i(f ■ 90 3000 Volumina und mittlere Tiefen des Weltmeers nach Zehngradzonen. 6000 m Tiefe messenden Flächen auf nördlichen Breiten zeigte uns die zonale Intensität der dislozierenden Kräfte; die Verteilung der mittleren Tiefen und der Volumina der Meereszonen aber den heutigen Stand dieses großen Kampfes zwischen Meer und Land um ihren Anteil an der Herr- Vergleich mit der mittleren Höhe des Landes. 147 Schaft über die Erdoberfläche. Das erste hat mehr einen dynamischen Sinn, das zweite mehr einen statischen. — Um die Bedeutung einer Zahl, wie wir sie für die mittlere Tiefe des Weltmeers erhalten haben, vollkommen zu würdigen, sind eine Reihe von Vergleichen i) üblich und wohl geeignet, die die analogen Dimensionen für das Land und schließlich für die Erdkruste im ganzen heranziehen. Mit dem Ausdruck des Bedauerns ist festzustellen, daß wir eine ge- nauere Angabe über die mittlere Höhe des Landes zur Zeit noch nicht zu geben vermögen, da die hypsometrische Berechnung gerade für den größten Erdteil noch immer aussteht und das früher fast übersehene antarktische Festland in ungeahnter Größe wieder auftaucht und Beachtung verlangt. So bleibt nichts übrig, als sich der letzten kritischen Revision, die wir H. Wagner verdanken, anzuschließen, und für Asien, einschließlich Kaukasien und Inselindien, 950 m^), für Nojxiamerika mit Grönland 700 m, für Südamerika und Afrika (mit Madagaskar) je 650 m, sowie für Europa (mit den Polarinseln) und Australien nebst Polynesien je 300 m anzu- nehmen, daraus ein Mittel = 709 m zu berechnen und dieses wegen der daran haftenden Unsicherheit auf 100 m abzurunden. Hieraus berechnete Wagner für seine Landflächen von 144.5 Millionen qkm ein Gesamt- volum über dem Meeresniveau von 94.3 Millionen cbkm. Da wir im Hin- blick auf die Antarktis das Landareal auf 148.8 Millionen qkm erhöht haben, muß nun auch das Landvolum wachsen auf 104.2 Millionen cbkm. Hiermit erhalten wir folgende erste Vergleiche. Es verhält sich Land und Wasser mit den Arealen: wie 148.8 : 361.1 = 1 : 2.43, mit den Volumen: wie 104.2 : 1330.0 = 1 : 12.8. Wir könnten also das Landvolum, soweit es über dem Meeresspiegel liegt, fast 13mal in den Meeresräumen unterbringen. Im Atlantischen Ozean allein ist Platz dafür 3mal, im Indischen 2^/4mal, im Pazifischen 6^/2 mal. Die Meere sind also als negative Unebenheiten der Erdkruste den positiven (des Landes) gegenüber in gewaltiger Überlegenheit. Es verhält sich nicht nur die Landfläche zur Meeresfläche wie 1 : 2^/5, sondern die mittlere Höhe des Landes zur mittleren Tiefe des Meeres obendrein noch wie 1 : 5 1/4 . Mit Alexander von Humboldts häufig wiederholtem Ausdruck zu reden, erheben sich die Landflächen wie gewaltige Hochebenen über dk Sohle der Ozeane. Wollten wir uns das Meer verdunstet denken, so würden wir unter den Festlandflächen noch einen Sockel von einer Höhe erblicken, die der mittleren Meerestiefe gleich ist. Dieser Sockel samt dem Landvolum über dem Meeresspiegel hat dann als L a n d b 1 o c k eine Höhe von 3680 -j- 700 = 4380 m und ein Volum von 651.8 Millionen cbkm. Dieser L a n d- ') Meine Morphol. der Meeresräume 1879, S. 102 f., Penck, Morphol. der Erdoberfl. I, 164 f. Wagner a. a. 0. S. 750. ^) Nach einer soeben beendeten neuen Berechnung der mittleren Höhe Asiens durch meinen Schüler Dr. O. Lorenzen wird die Wagn ersehe Zahl nur wenig geändert, nämhch auf 940 m. 148 J^ie mittlere Tiefe der Meeresräume. b I 0 c Ic wird dann von dem ihm zur Seite stehenden Wasserblock (beide Ausdrücke rühren von H. Wagner her) zweimal (1330.0 : 651.8 = 2.04) an Raum übertroffen. Wollten wir nun auch den ganzen Landblock gleichmäßig auf den Meeresboden ausbreiten, so daß eine zusammenhängende Wasserdecke von überall gleicher Tiefe die Erdoberfläche beherrschte, so würden wir den Meeresboden erhöhen um 651.8 : 509.9 = 1.278 km, und die Ober- fläche der Erdkruste würde dann zum jetzigen Meeresniveau eine Lage von — 3681 + 1278 ^ — 2403 m oder abgerundet von — 2400 m (unter dem Meeresspiegel) erhalten. Diese so ausgeebnete Oberfläche der Erdkruste nennt man das mittlere Kruste nniveau. Suchen wir es auf der hypsographischen Kurve für die ganze Erdoberfläche auf (Fig. 15, S. 87), so zeigt sich, daß von der jetzigen Erdkruste 222 Millionen qkm über und 288 MilHoncn qkm unter diesem Niveau liegen. Auf dieses mittlere Krustenniveau stützt sich eine vielfach verwendete Terminologie, die anfänglich von Dr. Hugh Robert Mill auf Grund von Anregungen Sir John Murrays entwickelt ist. Mill nannte die unterhalb dieses Krustenniveaus gelegenen ozeanischen Räume das abyssische Gebiet (the ahysmal area); oberhalb davon bis zum Meeresspiegel liegt ein Über- gangsgebiet {transitional area) und über dem Meeresspiegel das kontinentale Gebiet (continental area). Penck und H. Wagner haben diese Vorstellungen dahin geändert, daß sie die Schelfgrenze von 200 m statt des Meeresspiegels einführten. Penck gelangte so ebenfalls zu einer Dreiteilung, indem er alles, was über der Schelfgrenze (von — 200 m) bis zu den höchsten Ge- birgsspitzen (+ 8840 m) Hegt, als die Kontinental tafel bezeichnet; diesen gegenüber stehen unterhalb des mittleren Krustenniveaus (bei Penck — 2.500 m) die abyssischen Regionen, während sich statt Mills Übergangs- gebiet die steilufrigen, aktischen Regionen zwischen der Schelfgrenze und dem mittleren Krustenniveau einfügen. — W^agner unterscheidet fünf verschiedene Erhebungsstufen der Erdkruste. Zuerst stellt er den neuen Begriff des Kontinentalhlocks auf, der alle sich über das mittlere Krusten- niveau erhebenden Flächen umfaßt, dem also die vorher erwähnte Grund- fläche von 222 Millionen qkm zukommt, und den man nicht mit dem Land- block verwechseln darf von nur 148.8 MiUionen qkm Basis. Diesem Kon- tinentalblock gibt er nun drei Erhebungsstufen. 1. Den Kontinentalabhang, gleich Pencks aktischen Regionen, zwischen dem mittleren Krustenniveau und der Schelfgrenze (also zwischen 200 und 2400 m Tiefe); 2. die Kon- tinentaltafel zwischen — 200 unter und + 1000 m über dem Meeresspiegel; 3. das Kulminationsgehiet von 1000 bis 8840 m Höhe. Die abyssischen Regionen Pencks zerlegt Wagner a) in die Tiefseetafel zwischen dem mitt- leren Krustenniveau und 5000 m, und b) das De/pressionsgehiet tiefer als 5000 m; nach unserer hypsographischen Kurve würde sich das letztere besser bei 5.500 m abgrenzen lassen. — Wichtiger, als diese mehr der all- gemeinen Morphologie der Erdoberfläche als der Ozeanographie zugehörigen Betrachtungen, ist eine Tatsache, auf welche Penck mit Recht großen Nachdruck legt, daß die seinem mittleren Krustenniveau zukommende und von unserem nur unwesentlich entfernte Isobathe von 2500 m fast alle Inseln mit Ausnahme der rein ozeanischen oder Hochseeinseln um- fängt und an die Festlandsockel anschließt. Dies bedeutet, daß der Kon- Verhcältniswerte von Romicux. 149 tinentalblock tatsächlich der natürUche Ausdruck und eigentliche Träger des festen Elements auf der Erdoberfläche ist. Kehren wir zu unserem mittleren Krustenniveau zurück und breiten wir über dasselbe den Wasserblock zu überall gleichmäßiger Tiefe aus, so erhalten wir eine Wasserdecke von 1330 lö 10 = 2.008 km oder rund 2600 m Tiefe. Penck gellt nun noch weiter. Er denkt sich diese gleichmäßige Wasser- hüUe vom spezifischen Gewicht = 1 in Gestein verwandelt vom spezifischen Gewicht = 2.5, so daß sie dann zu einer Schicht von 2608:2.5 = 1043 m Dicke zusammenschrumpfte oder kondensiert würde; es läge dann die ganz fest gedachte neue Erdoberfläche, die er das K o n d e ji s a t i o n s ji i v e a u nennt, vom jetzigen Meeresspiegel 2403 — 1043 = 1360 m entfernt. Eine wesentliche Bedeutung kommt diesem Kondensationsniveau sonst nicht zu. Komieux^) hat im Jahre 1890 mehrere angebliche Gesetze formu- liert, mit deren Kritik sich schon Heiderich und Wagner befaßt haben. Nach dem ersten Gesetz sollen sich die Oberflächen von Land und Wasser verhalten, wie die Quadratwurzeln aus den mittleren Höhen und Tiefen. Der Quotient [/TÖÖ : K368Ö ergibt aber 1 : 2.29, statt 1 : 2.43 und diese Annäherung ist kaum genügend. Romieux hatte, wie Wagner richtig hervor- hebt, Supans Maße für die mittlere Höhe des Landes = 680 m und für die mittlere Meerestiefe = 3650 m, sowie dessen Flächenverhältnis von Land zu Wasser wie 30,1 : 69,9 Prozenten im Auge. Danach stellte er die Proportion auf 30.1 : 69.9= [/^68Ö : |Xx und erhielt x = 3667, was dem Supanschen Werte 3650 überraschend nahe kam. Die Arealverhältnisse, von denen er ausging, sind aber sicherlich unrichtig; mit den von uns an- genommenen rechnend würden wir x = 4120 m erhalten, also 440 m zu viel. — Nach einem zweiten Gesetz sollen sich die Land- und Wasserflächen verhalten wie die Grundfläche des Kontinentalblocks zur Gesamtoberfläche der Erde, also nach unseren Maßen wie 222 : 510 oder wie 1 : 2.30, was ebenfalls nur eine schwache Annäherung bedeutet. Ein drittes Gesetz will die Flächen von Land und Wasser sich umgekehrt verhalten lassen wie ihre Dichten. Die Dichte des Wasserblocks darf aber nicht wohl ein- fach = 1 gesetzt werden, denn rucht nur ist der Salzgehalt des Seewassers zu beachten, sondern auch die Zusammendrückung mit der Tiefe, wie bei späterer Gelegenheit noch näher auszuführen sein wird. Dadurch steigt die Dichte des Wasserblocks um rund 4 Prozent, also auf 1.04. Die Dichte der Landmassen kennen wir nicht; die Schätzungen schwanken zwischen 2.8 und 2.5. Legen wir unser Flächenverhältnis des Landes zum Wasser wie 1 : 2.43 zu Grunde, so würde sich nach diesem Romieuxschen Gesetze die Dichte des Landblocks zu 2.43x1.04 = 2.53 berechnen, also dem Minimal wert entsprechend. Aber es kommt hier wohl nicht so sehr auf die bloßen Flächen, wie auf die Volumina und Gewichte an. Schreiten wir also von den Volum- zu den Massenverhältnissen weiter, so treffen wir auf eine seit dem Altertum in mannigfachen Abwandlungen wiederkehrende Vorstellung 2), daß Gleichgewicht herrschen müsse zwischen Wasser und Land. Ursprünglich ging man wohl (vergl. oben S. 11) von ') Comptes Rendus Acad. Paris 1890, tomo 111, p. 901. -) Vergl. Penck, Moiphol. I, 170, Anm. 4. 150 ^ie mittlere Tiefe der Meeresräume. einem rein ästhetischen» Bedürfnisse nach Ebenmäßigkeit in der Figur der Erde aus; denn Massengleichgewicht ist Ebenmaß, hat ein Klassiker der Ästhetik, Semper, einmal gesagt. Nachdem von einer Gleichheit der Flächen nicht mehr gesprochen werden durfte, übertrug sich dieses Bedürf- nis auf die Massen. Indem ich (1879) mit einem spezifischen Gewicht für den Wasserblock von 1.029 und für den Landblock von 2.5 rechnete und ein festes Volum von 529 einem flüssigen von 1285 Millionen cbkm gegen- überstellte, erhielt ich als Gewicht des Landblocks 1.3214 . 10^^ t und des Wasserblocks von 1.3224.10^^^ (wo t die metrischen Tonnen be- deutet). Das sah einem Massengleichgewicht ähnlich. Jede neuere Berechnung nach 1879 ergab aber erheblich größere Werte für den Landblock und damit eine steigende Entfernung von dem gedachten Gleichgewichte. Benutzen wir unsere schon mehrfach gebrauchten Volumwerte 651.8 und 1330.0 Millionen cbkm und setzen wir die mittlere Dichte des Meerwassers = 1.04, die des Landblocks = 2.5 (wohl zu niedrig), so erhalten wir die neuen Massen: Landblock = 1.6295 . 10^^ t und Wasserblock = 1.3832 . 10^^ t, also ein starkes Mindergewicht auf der Wasserseite. Um Gleichgewicht zu erzielen, müßte bei unveränderten Raumgrößen entweder die Dichte des Landblocks heruntergesetzt werden auf 2.12 oder die des Wasserblocks erhöht werden auf 1.23, was beides unzulässig ist. Aus den eben angeführten Zahlen läßt sich nebenbei noch entnehmen, daß sich der Wasserblock zum ganzen Erdkörper verhält dem Räume nach wie 1 : 814, dem Gewichte (der Masse) nach aber wie 1 : 4300, wobei als mittlere Dichte der ganzen Erde 5.5 gesetzt ist. — Mit diesen Gewichts- und Volumverhältnissen befassen sich auch zwei weitere Gesetze von Romieux. Zunächst sollen sich verhalten Land: und Wasserflächen, wie das Volum des Kontinentalblocks (nicht Land- blocks) zum ganzen Wasserblock. Nach der hypsographischen Kurve hat der Kontinentalblock ein Volum von 553 Milhonen cbkm, sein Ver- hältnis zum Wasserblock ist also 553 : 1330 = 1 : 2.4 was den von uns angenommenen Areal Verhältnissen in der Tat entspräche. Ein letztes Gesetz von Romieux stellt ein Gleichgewicht auf zwischen Kontinental- block und Wasserblock, was aber nur dann stimmt, wenn die Dichtig- keit des Kontinentalblocks gerade d = 2.6 wird, denn aus der Proportion d : 1.04 = 1330 : 553 = 2.40 folgt d = 2.496. In dieser letzten Formu- lierung mag also das alte ästhetische Bedürfnis nach Massengleichgewicht auf der Erdoberfläche eine fürs erste ungestörte Zuflucht finden. Es bleibt aber noch der mechanische Zusammenhang zwischen den Massen gerade des Kontinentalblocks und des Wasserblocks aufzuhellen, der einstweilen in volles Dunkel gehüllt ist. Ein Massengleichgewicht zwischen Land- und Wasserblock besteht offenbar nicht. Trotzdem darf die Vorstellung eines angenäherten Gleichgewichtszustands im Bereiche der scheinbar so unregelmäßig ge- stalteten Oberflächenschicht der Erdkugel sehr wohl als erlaubt gelten : sie muß nur nicht das Hauptgewicht legen auf die Nebeneinanderstellung der beiden Blöcke, sondern zunächst die Betrachtung richten auf die Massen- verteilung in der Vertikalen, entlang den Radien der Erdkugel. Denken wir uns die ganze Erdoberfläche bis etwa 20 km unter dem Meeresniveau zusammengesetzt aus lauter mosaikartig aneinandergefügten, radial ge- Verhältnis zwischen Land- und Wasserblook. 151 stellten Säulen, so würden sich, gemäß früheren Erörterungen (S. 54), durch die übernormale Dichte der Erdkruste unter dem Meeresboden und die unternormale Dichte (das Massendefizit) unter den Landmassen, ins besondere unter den Hochgebirgen, doch entlang demselben Parallel alle Mosaiksäulen nahezu im Gleichgewicht zeigen. Daß ein volles Gleichgewicht nicht vorhanden ist^), muß sowohl aus dem Vergleich zwischen den be- rechneten und den tatsächlichen Vorgängen bei Präzession und Nutation, wie auch aus den Polschwankungen geschlossen werden. übrigens entfernt man sich beim Erfassen eines Gegensatzes zwischen Land- und Wasserblock gewiß nicht sehr von den natürlichen Tatsachen: das Meer ist einheitlich und zusammenhängend, das Land in der Haupt- Sache in wenigen geschlossenen Massen vereinigt, die wir als die vier großen Weltinseln der Alten Welt, Amerikas, Australiens und der Antarktis kennen. Wie schon Oskar Peschel sagt, ist das gewiß nichts Unwesent- liches und noch weniger etwas Gleichgültiges, gegenüber dem doppelt sr» großen Raum, mit dem der Wasserblock das Land umfängt. Vielfach sehen wir das Meer an den Küsten des Landes mit ersichtlichem Erfolge kämpfend vorrücken, und die Berührungsfläche wird, wie jede Grenze, um so ungünstiger für das Land, je kleiner dieses ist. Darum erscheinen Inseln stets gefährdet, ausgedehnte Festlandmassen aber tragen die größere Gewißheit der Dauerhaftigkeit in sich. Doch entscheiden hier mehr die großen Küstenbewegungen, als die in der Regel doch nur Kleinformen ausgestaltenden Prozesse der marinen Abtragung oder der vom Lande ausgehenden Aufschüttungen. Denkbar wäre ja auch eine andere Ver- teilung der gegebenen Land- und Wassermassen auf der Erdoberfläche, wobei sich beispielsweise das Land in lauter kleinen Inseln durch alle Meere hin verstreut fände, wenn nur dabei die Bedingung innegehalten wird, daß die durchschnittlichen Höhen 700 m, die Tiefen 3680 m betragen und die Areale im Verhältnis von 1 : 2.4 (alles nach unseren vorher er- haltenen Maßen) bestehen bleiben. Aber daß- dem nicht so ist, daß sich das Land nicht zersplittert, sondern in großen Weltinseln oder Kontinenten zusammengefaßt findet, gestattet den Schluß, daß unter den Landflächen die aufrichtenden Kräfte der Erdkruste eine größere Stärke und längere Wirksamkeit entfaltet haben, während sie umgekehrt unter den Meeres- becken im Minimum geblieben sind. Dies führt weiter zu der Vorstellung, daß die Landkomplexe tief und fest in der Erdkruste verankerte Gebäude sind oder, was auf dasselbe hinauskommt, daß, zeitlich betrachtet, weder die großen Weltinseln noch die großen Ozeane junge Leistungen der dis- lozierenden Kräfte sein können. Wir werden den Faden dieser Erörte- rungen wieder aufnehmen, nachdem wir uns davon überzeugt haben, welche Neubildungen am Boden der heutigen Ozeane vor sich gehen: was im folgenden geschieht. M Vergl. schon Laplace bei Humboldt, Kleinere Schriften 1853, S. 44£ undnamentHch Helmer ts mathem. und ph3^sikal. Theorien der höheren Geodäsie. Zweites Kapitel. Die ozeanischen Bodenablagernngen, Die Lithosphäre trägt den Ozean in ihren äußeren Höhlungen, und entlang den Küsten umspült das Meer die herausragenden Land- und [nselflächen. An dieser Berührungslinie der, von Wellen und Strömungen aller Art bewegten Meeresoberfläche mit dem Festen vollzieht sich der mehrfach erwähnte Kampf um die Grenze zwischen Meer und Land, äußern sich auf der einen Seite die landzerstörenden Kräfte des Meeres und seine Fähigkeit, die Zerstörungsprodukte zu transportieren und in eigener Art um- und abzulagern, auf der anderen die aufbauenden Kräfte des Landes, die bestrebt sind, die Denudationsprodukte des Festlands dem Meere zuzuführen und die Küstenlinie vorzuschieben. Dieser Kampf ist am heftigsten unmittelbar im Berührungssaume zwischen Wasser und Land; seine Leistungen und Fähigkeiten schwächen sich weiter in die See hinaus stetig ab und erlahmen zu einem verschwindenden Minimum im Bereiche der landfernen Tiefsee. Nur unter besonderen Umständen können Zerstörungsprodukte und andere transportable Erzeugnisse des Landes in der Tiefsee zur Ablagerung kommen, vielmehr werden sich in ihr vorzugsweise vom Ozean selbst erzeugte Sedimente bilden und am Boden absetzen. Anfänge zu richtiger Auffassung dieser Prozesse finden sich schon bei den griechischen Geographen. Strabo beschäftigt sich wiederholt mit den Alluvionen der Flüsse, die von ihren Mündungen her das Meer auffüllen und verdrängen, und der Römer Seneca hat dieses Thema ebenfalls behandelt. Beide spreclien von einer Fähigkeit des Meeres, sich selbst zu reinigen durch Auswerfen aller Sinkstoffe am Strande. Lange vor ihnen aber wußte schon Herodot (2, 5) von einem Erguß («poxoai?) des Nilschlamms in das Meer, der sich im Abstände einer Tagesfahrt vom Lande in 11 Faden Tiefe mit dem Lote heraufholen lasse. Wir entnehmen hieraus, daß den Alten das Hilfs- mittel der modernen Küstenfahrer und Fischer schon geläufig war, sich über den Schiffsort außer durch die Wassertiefe auch durch die Beschaffenheit der vom Handlot heraufgebrachten Grundprobe zu orientieren, bei unsichtigem Wetter und gleichmäßigen Meerestiefen oft das einzige Hilfsmittel. Diese alte Überlieferung finden wir auch in unseren heimischen Meeren bei den hansi- schen Seeleuten des 14. Jahrhunderts in getreuer Pflege; ihr bereits früher erwähntes Seebuch gibt nach A. Breusing „genaue Auskunft, ob der Grund aus Schlamm oder Schlick oder Sand besteht, ob dieser großkörnig, grobkörnig oder kleinkörnig, ob er weiß, greis, grau, schwarz oder rot ist, ob Steine darunter gemengt sind und welche Farbe diese haben, ob sie klein wie Wicken oder so Die ozeanischen Bodenablagerungen. 153 groß wie Bohnen sind, ob Sandkörner und Steine scharfkantig sind oder ab- gerundet, so daß sie sich milde {sachte) anfühlen, ob sich zwischen dem Sande und den Steinen Muschelschalen finden und welcher Art diese sind oder ob der Sand mit fettiger Erde, mit Mergelbrei (mergkehnose) gemengt ist. Wo eigen- tümliche, nicht zu verw^echselnde Kennzeichen auftreten, wird nicht versäumt darauf aufmerksam zu machen, so z. B. weiß man mit-Bestimmtheit, daß man Ouessant recht Ost vor sich hat, wenn der Grund aus lauter kleinen, länglichen Nadeln besteht, die dem Kaff oder den Grannen der Kornähren gleichen"^). — Jedoch fehlen auf den Segelkarten und späteren Seekarten noch lange alle Signaturen für die Beschaffenheit des Meeresbodens, die erst auf den Seekarten des 19. Jahrhunderts üblich sind. Diese Sache bedarf übrigens noch besonderer Nachfor- schung; ich habe mich w^enigstens vergeblich im Thresoor der Zeevaert von Lucas Waghenaer (1588), wde im Ost- seeatlas des Peter Gedda (1695), oder in Homannischen Kopien Pariser und Londoner Seekarten (von 1746 und 1756) nach solchen Bezeichnungen umgesehen. Für die größeren Tiefen ist ein Handlot mit seiner Höhlung an der Basis, die mit Talg ausgestrichen wird, nicht genügend, um die daran haftende Grundprobe beim langen Wege durch das Wasser vor dem Abfallen zu schützen; trotzdem gelang es, wie wir erwähnten (S. 70), Phipps im europäischen Nordmeer aus 1250 m Tiefe blauen Schlick heraufzuholen. Die Späteren erfanden zum Teil sehr sonderbare Hilfsmittel, um Grundproben aus großen Tiefen unversehrt zu erhalten: Sir John Ross hatte 1819 eine große Grundzange konstruiert, deren Backen geräumig genug ausgehöhlt waren, um eine Probe von mehreren Pfund Gewicht aus dem Meeresgrunde sozusagen heraus- zubeißen. Diese Schnapplote sind inzwischen an Bord des Bulldog (1860), der Kabeldampfer (Fig. 23) und vom Fürsten von Monaco weiter ausgebildet worden. Die Challenger- und Gazelleexpedition bediente sich des zylin- drischen Hydralots (Fig. 9, S. 74), schafften aber auch mit ihren Dredschen und Grundnetzen oft zentnerschwrere Massen von Tiefseeboden an die Oberfläche und sicherten sich dadurch die Kenntnis von gröberen, den Meeresboden bedeckenden Steinen, Konkretionen, Manganknollen, Fos- silien. J. Y. Buchanan benutzte auf dem Kabeldampfer Dacia mit Vorteil eine durch Gummiventil oben verschlossene Röhre, die deutsche Tiefsee- expedition an Bord der Valdivia einen vom Schiffsarzte Dr. Bachmann angegebenen Schlammstecher, der ein kleines Kugelventil am oberen Ende trägt. Auf der deutschen Südpolarexpedition wurden besonders lange Bach- manngche Lotröhren benutzt und eine innere, der Länge nach zweigeteilte Hülse eingelegt, die nach dem Aufholen auseinandergenommen wurde und etwaige Schichtungen der Grundprobe sehen ließ. Im einzelnen hat sich der Scharfsinn der Techniker auf diesem Gebiete sehr ergiebig erwiesen; doch sind nur wenige Muster wirklich in praktischem Gebrauche bewährt. Sandige Proben aus mäßigen Tiefen werden am besten nach J. Thoulets Vorgang mit einem kleinen Dredschesack aus festem, aber nicht zu dichtem Stoffe Kleines Schnapplot der Kabeldanipfei'. ^) Seebuch X, 32: alse gy alle chne laugelachtige seit der Litorinazeit abgelagerten Schichten. In der Tiefe nimmt öfter der Kalkgehalt beträchtlich zu, und wie aus eingeschlossenen Tierresten hervor- geht, sind deutlich glaziale Mergel mit 8.5 bis 14.8 Prozent Kalk um Bornholm und öland unter den modernen kalkarmen Schichten vorhanden. In dieser Gegend sind zweimal auch Ablagerungen der Litorinazeit mit 0.3 und 0.4 Pro- zent Kalk nachgewiesen, während ein sehr kalkreiches, sandiges Sediment (14.4 Prozent) der Ancyluszeit nahe der Südspitze von Gotland gefunden wurde. — Einen Teil der auf den neuen deutschen Terminfahrten durch Nord- und Ostsee gesammelten Bodenproben hat Dr. E. Küppers^) kürzlich unter- sucht; doch müssen noch weitere Arbeiten dieser Art folgen, ehe allgemeine Schlüsse möglich sind. Die ersten Bestimmungen der Hygroskopizität ergaben für die Sande der Ostsee und Nordsee 0.1 bis 1.0, für den Mud der Ostsee- mulden 8.3 bis 15.2. Nicht weniger bedeutsam sind in den warmen Meeresgebieten die K o r a 1 1 e n s a n d e , die die Oberfläche weit ausgedehnter Bänke in den westindischen Gewässern, namentlich im Bereiche der Bahamainseln, sowie im australasiatischen und südwestpazifischen Gebiet überdecken. Die Korallenriffe aber sind nicht die einzige Quelle für derartige Kalk- sedimente ; die Tier- und Pflanzenwelt des immer reich besiedelten Flachsee- bodens ist imstande, solche selbst und so massenhaft zu produzieren, daß auf großen Flächen nicht mehr von terrigenen Ablagerungen die Rede sein kann, sondern von benthogenen. Bedeutsam werden dafür die nament- lich in den Tropen und Subtropen sehr verbreiteten Kalkalgen. Auch an der Nordküste der Bretagne östlich von der He de Bas bis zum Kap La Hague hin und auch bei Belle He sind solche überwiegend von Nulli- poren gebildeten Kalklager unter dem Namen Maerl bekannt; sie ent- halten bis zu 95 Prozent kohlensauren Kalk und bis zu 15 Prozent kohlen- saure Magnesia, und dienen als Dünger. Seltener sind Bryozoenkalke, wie sie die Challengerexpedition von Tristan da Cunha, den Marion- und Prinz Eduardinseln beschreibt, und die Serpuhnenkalke um Ber- mudas, die Azoren, auf der Agulhasbank, bei Neuguinea und sonst. Von den Ablagerungen teils planktonischer teils benthonischer Foraminiferen wird in anderem Zusammenhange später zu sprechen sein. An diesen auf den Schelfflächen abgelagerten terri- oder benthogenen ') Det videnskabelige Udbyttc af Kanonbaaden „Hauchs" Togter, I, Kopen- hagen 1889. Nachtrag von Rördam ibid. II, 1889. 2) Kgl. Svenska Vetensk. Akad. Handl. Bd. 27, Nr. 2, Stockholm 1894. ^) Wissensch. Meeresimters. der Kieler Kommission, Band ]0, 1906, S. 1. Korallensand. Maerl. Phosphatkonkretionen. 169 Sedimenten gehen noch stetige Umformungen vor sich sowohl mechanischer, wie chemischer Art. Wie die Wellenbewegung zerreibend tätig ist, war schon bei den Strandablagerungen hervorgehoben; sie erlischt erst am Schelfrande in größeren Tiefen. Zerkleinernd und zerstörend auf die Reste von Organismen, auch mit harten Kalkschalen versehener, wirken zahl- reiche am Meeresgrunde lebende Raubtiere ein: Fische, die mit gewaltigem Gebiß die Muscheln zerkauen, oder wie der Schellfisch sie ganz verschlucken und die Schalentrümmer wieder ausspeien, oder Krebse, die alle Kalk- panzer mit kräftigen Scheren zerbrechen, Seeigel, die den Austern nach stellen, und endlich die zahlreichen Schlammbewohner, die alles so Zer- kleinerte noch durch ihren Darmtraktus passieren lassen, um die letzten organischen Substanzen zur Nahrung herauszuziehen. Daß auch das Seewasser selbst lösend wirkt, werden wir bei Darstellung der eigent- lichen Tief Seeablagerungen noch näher feststellen. Von der alles um- bildenden, hier zersetzenden, dort aufbauenden Tätigkeit der Bakterien in den Meerestiefen haben wir gegenwärtig noch unvollkommene Begriffe. Es dürfte aber eine Zeit kommen, wo man ihre Bedeutung um so höher einschätzen und auch — übertreiben wird. Joh. Walther will ihnen sogar schon die Dolomitisierung der Korallenkalke, d. h. die Einführung von Magnesia in die kohlensauren Kalke, zuschreiben ; wir konnten schon eben beim Maerl darauf hinweisen, wie reich an Magnesia die Nulliporen sind. Daß aber Bakterien an der Abscheidung von eisen- und schwefelhaltigen Niederschlägen beteiHgt sind, ist als sie' ir erwiesen zu betrachten. Ob jedoch die weit verbreiteten manganhait.^.n Überzüge, die sich an den freiliegenden Teilen von Steinen, Muschel- oder Kalkalgenscherben bilden und leicht abwischen lassen .1^ • ■- Bakterien abgeschieden sind, mag dahingestellt bleiben; schon V • ....i^ky hat nachgewiesen, daß die Eisenbakterien des Süßwassers gerade so, wie sie Ferrokarbonat zu Ferrihydroxyd oxydieren, auch die entsprechenden Manganverbindungen umsetzen. Nach den Untersuchungen von Sir John Murray und Rob. Irvine^) hätte man es mit rein chemischen Umlagerungen zu tun aus Manganverbindungen, die teils mit dem Flußwasser gelöst, teils mit terri- genem oder vulkanischem Detritus in die See gelangt sind. Von den Man- ganeisenkörnchen der tieferen Meeresteile wird später mehr zu sagen sein, ebenso von den durch besondere chemische Prozesse im Bereiche auch der Seichtwasserablagerungen erzeugten Glaukoniten und öl- oder petroleum- haltigen Schichten. Dagegen ist hier die Stelle, um von den Phosphatkonkre- tionen zu sprechen. Die Challengerexpedition erhielt sie in großer Zahl und oft beträchtlichen Dimensionen (bis zu 6 cm Durchmesser), meist von wunderlich unregelmäßiger Gestalt, außen von glasigem An- sehen, gewöhnlich mit dünnem Anflug von schmutzig braunen Eisen- und Manganoxyden. Der Gehalt an phosphorsaurem Kalk (Ca^ 2 PO^) erreicht 50 Prozent. Die Challenger- und Gazelleexpedition fanden sie besonders reichlich auf der Agulhasbank, Alex. Agassiz (auf dem V. S. D. Blake) entlang den atlantischen Küsten von Nordamerika bis in die Floridastraße hinein, und Murray ist deshalb der Meinung, daß sie ^) Trans. R. Soc. Edinb. vol. 37, 1893, p. 721 f. X70 ^•^ hemipela^ischen Ablagerungen. auf solchen Schelfflächen zur Ausbildung gelangten, wo starke Schwan- kungen in den Wassertemperaturen häufig sind und dadurch ein Massen- sterben unter den Organismen des Planktons wie auch unter den Fischen hervorgerufen werde. Ein besonders starkes Fischsterben dieser Art hat die atlantischen Küstengewässer der Vereinigten Staaten im FrühHng 1882 betroffen. Durch Zersetzung der organischen Substanz scheiden sich dann Phosphate aus und zwar schichtweise um irgend einen Kern, der sowohl organischen, wie mineralischen Ursprungs sein kann. Ist diese Erklärung^) richtig, so sind solche Phosphatablagerungen auch an der ozeanischen Küste der Japanischen Inseln zu erwarten, wo ebenfalls starke Schwankungen in der Lage der kalten und warmen Meeresströmungen bekannt sind. IL Die hemipelagischen Ablagerungen. Wie sich die feinsten Sedimente im Bereiche der Festlandschelfe in den muldenartigen Vertiefungen, den Furchen und den zur Tiefsee hinab- führenden Rinnen ablagern, so werden sie weiterhin an den Kontinental- böschungen von mehr als 200 m Tiefe vorherrschend und können, wenn der Schelf schmal ist, auch in die Tiefsee bisweilen in mehr als 4000 m Tiefe hinausreichen. Anderseits aber erfüllen sie mit ihren verschiedenen Abarten alle Eintiefungen der Nebenmeere, sowohl die geräumigen und tiefen Kesselbrüche der großen Mittelmeere, wie die auf der ozeanischen Seite der Randmeere vielfach angeordneten Becken und Rinnen. Hier wie sonst zeigt sich ihre Eigenschaft, hinüberzuleiten zu den echten Tiefsee- ablagerungen der offenen Ozeane : es mischen sich in ihnen die noch reich- lichen terrigenen Sedimente mit den wesentlich planktogenen der Hoch- see. Nach meinen planimetrischen Ausmessungen beherrschen sie 55 bis 56 MiUionen qkm oder 15.4 Prozent der gesamten Meeresfläche, indem auf die Nebenmeere 16^/2, auf die Ozeanränder 39 Millionen qkm kommen. Alle diese Areale können nur in sehr abgerundeten Zahlen ausgedrückt werden, da schärfere Grenzlinien, besonders gegen die Tiefsee hin, ohne große Willkür nicht zu ziehen sind. Soweit es sich um wesentlich terrigenen Schlick handelt, unterscheiden Murray und Renard drei Hauptarten nach der Farbe: blauen, roten und grünen Schlick. Von diesen stehen sich der blaue und rote Schlick nahe, auch der dunkelgraue Vulkanschlick gehört zu ihnen. Der grüne Schlick, oft von etwas gröberem Korn und dann Grünsand zu nennen, gibt eine zweite Art. Als dritte fügen wir den KalkschUck und Kalksand hinzu, denen auch der Korallensand beizuzählen ist. Außerdem haben wir uns auch hier der nur örtUch noch bedeutsam werdenden akzessorischen Beimengung 41 glazialen und halmyrogenen Ursprungs zu erinnern. Immer sind terrigene Materialien noch charakteristisch; auch vertriebene Reste der Landvegetation in Gestalt von Zweigen, Blättern, Früchten oder Schilf fehlen gleichfalls nicht und haben moderne Tiefseeforscher, wie Moseley im Karibischen Becken und Alex. Agassiz vor den pazifischen Küsten Amerikas, gelegentlich sehr überrascht, doch sind diese submarinen ') Murray im Geogr. Journal. London 1898, Bd. 12, p. 129; Murray 11. Renard a. a. 0. p. 397 f. Der dunkle oder blaue Schlick. 171 Vorboten der Landnähe längst nicht so häufig und verbreitet, wie in den litoralen Ablagerungen. Was die im folgenden, wie schon seit vielen Jahren, von mir konsequent durchgeführte terminologische Unterscheidung von Schlick und Schlamm betrifft, so habe ich sie dem Sprachgebrauch an unseren deutschen Seeküstea angepaßt: als Schlick sind die dem Festland nahen bündigen Ablagerungen feinsten Korns, als Schlamm mehr lockere, also auch von schwach bewegtem Wasser leicht aufrührbare Sedimente verstanden. Ich übersetze also das englische mud (niederdeutsch Modde) mit Schlick, ooze mit Schlamm. Joh. Walther ist gerade umgekehrt verfahren, Futterer in seinem trefflichen Auszuge aus Murray und Renards Werk übersetzt ooze mit Erde, 7nud mit Schlamm; ihm ist u. a. Penck gefolgt. — Bei AI. Agassiz finden sich gelegentlich noch die Bezeichnungen silt und slah, wobei silt ganz feinen terrigenen Schlick, slah aber biogenen Schlamm bedeutet. 1. Der dunkle oder blaue Schlick ist nach Murray und Renard in der frischen Grundprobe meist blau oder schief erfarben oder graugrün, die oberste Schicht dabei von rötlicher oder bräunlicher Färbung. Die blaue färbende Substanz führt auf zersetzte Organismen zurück, und zwar beruht sie auf einer fein verteilten Beimengung von Schwefeleisen. In der Tat weisen viele dieser Schlickproben, frisch der Lotröhre oder Dredsche entnommen, auch einen mehr oder weniger ausgeprägten Geruch nach Schwefelwasserstoff auf. Die rötliche Nuance der obersten Schicht wird auf reichliche Anw^esenheit von Eisenoxyden oder Eisenhydraten zurück- geführt, die sich aber tiefer im Boden, wo die organische Substanz inten- siver zersetzt ist und sich auch reichlicher ansammelt, unter Reduk- tion der höheren Oxyde in Eisensulfide umwandeln. In getrocknetem Zu- stande verändert dieser dunkle Schlick seine Farbe in ein deutlicheres Grau oder Braun, indem sich die Eisensulfide an der Luft oxydieren. Im einzelnen ist dieser Schlick von sehr wechselnder Beschaffenheit, nament- lich auch, was den Gehalt an Kalkkarbonat anbelangt. Es kann dieser von geringen Spuren bis zu ^/s des Ganzen wachsen, sodaß zuletzt geradezu von Mergelschlick gesprochen wird. In vielen Becken der großen Mittel- meere geht bei weiterer Steigerung des Kalkgehalts das Sediment schritt- weise in Kalkschlick über, ohne daß eine örtlich scharfe Grenze bestünde. Die Kalkbeimengungen des 'dunkeln Schlicks rühren teils von Foramini- feren, sowohl planktonischen wie benthonischen her, teils von Echiniden, Lamellibranchiaten, Ostracoden, teils auch von Kokkolithophoren. Gümbel fand in Proben aus der norwegischen Rinne, die das Kanonenboot Drache aus mehr als 300 m Tiefe gesammelt hatte, so reichlich Foraminiferen der Art Uvigerina pygmaea, daß er geneigt war, für diese Ablagerung den Namen Uvigerinenschlamm zu gebrauchen, während an einer anderen Stelle die wohlbekannte pelagische Globigerina hulloides vorherrschte: doch stieg der Gehalt an Kalkkarbonat auch nur auf 13 bis 14 Prozent, und die terrigene Abkunft des Sediments war durch zahlreiche Quarzkörnchen, Glimmerschüppchen, Hornblendenädelchen, wie sie den im benachbarten nor"wegischen Gebirge anstehenden Gesteinen entsprachen, doch deutlich ausgeprägt, und die Hälfte der Masse bestand aus ganz feinem Ton. Nach Murray und Renard nahmen bei öS hierher zu rechnenden Proben der Challengerexpedition diese feinsten Abschlämmteilchen mit der Meeres- 272 I^ie hemipelagischen Ablagerungen. tiefe deutlich zu: sie betrugen bei 12 Proben aus weniger als 500 Faden (915 m) 53 Prozent, bei 9 Proben aus mehr als 2500 Faden (4570 m) fast 70 Prozent. Im Mittelwert hatten alle Proben einen Gehalt an Kalk- karbonat von 12^/2 Prozent, woran die pelagischen Foraminiferen mit 7 V2 , die benthonischen mit beinahe 2, andere Organismen mit etwas über 3 Prozent beteiUgt waren ; der in Salzsäure unlösliche Rest {= 87 ^ '2 Pro- zent) bestand aus wenig kieseligen Organismen (3.3 Prozent), Mineralien (22^/2 Prozent), in der Hauptsache (61.8 Prozent) aber aus feinstem Tor- schlamm. Unter den ozeanischen Randfluren besitzen diesen dunkeln Schlick in größeren Flächen im Pazifischen Ozean die Gebiete zwischen den Galä- pagosinseln und Acapulco oft über 200 Seemeilen von der Küste seewärts, im Indischen ist der Bengalische und Arabische Golf, und nicht nur die Mosambikstraße , sondern auch nach den Befunden der deutschen Süd- polarexpedition eine breite Strecke südUch von Madagaskar bis zur süd- afrikanischen Küste hin dieser Bodenformation zuzuzählen. Nächstdem dürften wohl die höheren Südbreiten ein typisches Feld des dunkeln Schlicks sein. Die modernen antarktischen Expeditionen erwähnen ihn zumeist schon bei 59° S. B., wobei allerdings auch noch weiter südwärts kleine vereinzelte Vorkommnisse von kalkreichem pelagischem Sediment fest- gestellt sind. Die Proben der schottischen Südpolarexpedition sind nach J. H. Harvey Pirie tonige Sedimente von typischer Farbe und Zusammen- setzung, indem die ausgeschlämmten Mineralteilchen von mehr als 0.05 mm Größe zwischen 10 und 20 Prozent, die allerfeinsten Abschlämmteilchen von weniger als 0.02 mm den großen Rest bilden. Auch für dieses feinste Schleifmehl glazialer Abtragung ist der Transport vom Festland her durch Treibeis und Strömungen unbez weifelbar. Gröbere Geschiebe mit Kritzen und Schliffen, bestehend aus echt kontinentalen Gesteinen, fehlten darin nicht: sie bestanden aus alt- und jungvulkanischen Massengesteinen, kristallinischen Schiefern aller Art, Kalksteinen, Grauwacken, Quarziten und anderen Sandsteinen, die oft in zentnerschweren Blöcken aus den Dredschsäcken hervorgeholt wurden. An einigen Stellen nordwärts von Coats Land fanden die Schotten blauen Schlick, der von auffälHger Feinheit und Homogenität war, so daß sie in ihm einen Übergang zu dem der großen Meerestiefe entsprechenden roten Tiefseeton erblicken wollten: in diesem Gebiete waren auch die Eisberge auffallend seltener, so daß das Wasser die feinste Trübe zumeist allein abzuscheiden hatte. — Das Areal dieses Schlickringes der hohen Südbreiten ist allein auf 13 bis 14 Millionen qkm anzugeben, während jeder der drei offenen Ozeane noch je 8 bis 8V2 Millionen qkm davon besitzt. Von den Mittelmeeren gehört hierher zunächst das arktische Zentral- becken, wo sich nach Nansen ein brauner Tonschlick, mit sehr geringem Kalkgehalt (1 bis 3 Prozent, nur einmal 5) und ohne Schalreste von See- tieren, als ein fossilleeres, weitaus überwiegend aus Mineralteilen bestehendes Sediment absetzt. AuffälUg ist dabei, wie Nansen hervorhebt, daß am sibirischen Schelf hange bis zu 1400 m Tiefe hin der braune Ton von einer 10 bis 11 cm mächtigen Decke grauen Tons überlagert wird, worin sich auch vereinzelte bodenbewohnende Foraminiferen fanden. Nansen erklärt diese graue Abart als Wirkung einer neuzeitlichen Hebung der kontinen- Der blaue Schlick. 173 talen Küste, die dabei näher an die Tiefsee heranrücke und auch ihre Denudationsprodukte entsprechend vorschiebe. Der braune Schlick ist im ganzen ziemlich feinkörnig, und das Fehlen gröberer Mineralpartikel wird dadurch verständlich, daß die fast geschlossen einhertreibende Eis- schollendecke dort nur sehr wenig abschmilzt; das in ihr enthaltene Land- material gelangt erst im Bereiche Ostgrönlands reichlicher zum Absatz In dieser Mulde des europäischen Nordmeers i) findet sich vorherrschend ein an der Oberfläche braunes, in der Tiefe graues kalkreicheres Sediment, das in der mittleren Austiefufig 25 bis 40 Prozent kohlensauren Kalk be- sitzt, mit einem Maximum nordöstlich von Island mit durchschnittlich 47, höchstens 61 Prozent (nach Böggild), und einem Minimum nordöstlich von Jan Mayen mit weniger als 10 Prozent, überall mit großen örtlichen Schwankungen. Der Kalk besteht wesentlich aus Schalen einer am Boden lebenden Foraminifere Biloculina (ihre mit bloßem Auge erkennbaren Gehäuse gleichen winzigen Tannenzapfen), weshalb die Norweger dieses Sediment geradezu als Bilokulinenschlick bezeichnet haben, obwohl doch meistens weit über die Hälfte dieses Mergels auf kieselige Mineralteilchen entfällt. Der unterlagernde graue Ton ist sehr kalkarm (1 bis 2 Prozent) und weniger oxydiert als die dünne braune Decke; er muß also in einer nicht fernen Vergangenheit unter viel reichlicherer Zufuhr von kontinen- talem Detritus abgelagert sein. Nach Nansen 2) hat das in oder vor der Eiszeit stattgefunden, als die umgebenden Schelfe Festland oder Inseln waren, namentlich auch der landfeste Island-Färöerrücken das atlantische Wasser fern hielt, so daß mehr Treibeis gebildet worden und das Plankton verarmt sei. Typisch blauer Schlick erfüllt nach Max Weber ^) die Tiefenbecken des Australasiatischen Mittelmeers. Insbesondere gilt dies von der Banda- see, deren Nachbarinseln reichlich kontinentalen Detritus liefern, der von kräftigen Strömungen verbreitet wird. Wenn Kalk auch stellenweise einmal reichlicher auftritt (bis 31 Prozent), entsprechend den im Plankton so zahlreichen Globigerinen, so ist der mineralische Schlick doch fast überall im Vorrang. Auch hier fehlt dem blauen Schlick nirgends eine 2 1/2 bis 4, seltener bis 10 und 15 cm dicke kaffeebraune Oberschicht von breiig flüssiger Konsistenz ; nach der Tiefe wird das Sediment immer zäher, die Farbe erst grau, dann blaugrau, blaugrün und zuletzt dunkelblau. In der braunen Oberschicht sind die Tierschalen noch gut erhalten, in den tieferen schwin- den sie mehr und mehr. Beim Dredschen erhielt Weber Kalkkonkretionen bisweilen in der Größe eines Kinderkopfes, die an der Luft rasch weiß wurden. Wie auf allen solchen Schlickböden, ist auch in der Bandasee die Bodenfauna nur arm. Aus den nördlichersn Tiefenbecken, die die Challengerexpedition zweimal durchfuhr, lauten die Berichte nicht wesentlich anders: einzelne Schlickproben hatten überhaupt keinen oder einen ganz geringen Kalkgehalt, und nur eine Probe in der Sulusee aus 4070 m besaß 14.6 Prozent, eine andere aus der Chinasee, unweit von den Philippinen aus 1920 m, sogar 22 Proz., sonst überwogen durchaus die terri- ^) Schmelck, Norske Nordhavs Expedition: Chemi, Kristiania 1882, p. 49 f.; Böggild, Ingolf. Expedition I, 2, p. 21. 2) Bathjrmetdcal leatures of the North Polar Seas. Kristiania 1904, p. 219. 3) Siboga Expeditie, I, Leyden 1902, p, 130 f. 174 I^ie hemipelagischen Ablagerungen. genen Mineral teilchen. Es ist dies Verhalten um so bemerkenswerter, als das amerikanische und romanische Mittelmeer sowie das Rote Meer ganz abweichend davon kalkreiche Mergel oder reichlich Kalkschlick bilden. Nur eine lokale Abart des dunkeln oder blauen Schlicks sind die Vulkansande, — Tone und Tuffe, die sich in der Nähe vulkanischer Ausbruchspunkte finden und zumeist von dunkler grauer, brauner, ja schwärzlicher Farbe, im übrigen mehr erdig, als zähe sind. In größerem Abstände von den Eruptionsstellen gehen diese Sedimente in normal blauen Ton oder in KalkschHck über, an den ozeanischen Rändern auch in eupe- lagisches Sediment. Der vulkanische Schlick umrahmt nicht nur die meisten der hohen pazifischen Inseln, sondern bedeckt auch die langge- streckten Rücken, von denen die Kermadec- und Tongainseln aufsteigen; er beherrscht von submarinen Ausbruchstellen her weite Flächen zwischen den Fidschiinseln und Neukaledonien in Tiefen von 2000 bis 3000 m. Murray und Renard erwähnen sogar solchen Vulkanschlick viermal aus Tiefen von mehr als 4500 bis 5100 m. Im Durchschnitt hatten 38 von ihnen untersuchte Proben einen Kalkgehalt von 20.5 Prozent, die tieferen Lagen aber immer weniger. Unter den Mineral teilen, die selten mehr als 0.2 mm Größe aufwiesen, fanden sie Sanidin, Plagioklas, Augit, Horn- blende, OKvin, Magnetit u. a. Der rote Schlick ist ebenfalls nur als eine örtliche Variante des blauen aufzufassen : er findet sich an tropischen und subtropischen Küsten, die aus binnenländischen Laterit- und Lößgebieten eine reichliche Zufuhr toniger Stoffe erhalten, die durch Eisenoxyde rötlich oder gelblich gefärbt sind. Dies gilt insbesondere vom südamerikanischen Schelf, der von den Guayanas bis Südbrasilien überwiegend roten Schlick an seinem Abfall zum Ozean hin trägt. Aber auch Teile der afrikanischen Sockelböschungen und der ostchinesischen Meere gehören hierher. Dieser rote Schlick ist der vorher mehrfach erwähnten braunen Oberschicht des blauen unmittelbar gleich zu setzen. Er bleibt aber rot, da im Verhältnis zu den zugeführten ockerigen Mineralien die organische Substanz nicht genügt, alles Eisen- superoxyd in einfaches Oxyd umzuwandeln und Eisensulfide aufzuhäufen. Trotzdem der Gehalt an Kalkkarbonat bei den 10 vom Challenger ge- sammelten Proben zwischen 6 und 61 Prozent schwankte und im Mittel 32.3 Prozent betrug, auch ziemlich viel Kalkreste von Organismen erkenn- bar erhalten w^aren, zeigten diese niemals glaukonitische Neubildungen. Auffallend selten waren Reste kieselbildender Organismen (Diatomeen und Radiolarien). Dagegen fehlte es nicht an deutlich erhaltenen Mine- ralien vom benachbarten Festlande, die 10 bis 25 Prozent der ganzen Masse bildeten, während die feinsten Abschlämmteilchen ^/s bis ^/s aus- machten. 2. Grünsand und grüner Schlick sind so recht ein Merkmal des steilen Kontinentalabhangs vor Küsten mit weniger großen Flüssen, ^also sogenannten Längsküsten. Sie enthalten auffallende Mengen von grünem Glaukonit in Steinkernen von kalkabscheidenden Organismen (Globi- gerinengehäusen, Echiniden- und Spongienstacheln), abgerundeten Glau- konitkörnern und einer ebenfalls grünen amorphen Masse anscheinend organischer Abkunft, da sie, im Platintiegel erhitzt, schwarz wird und eine von Eisenoxyd gefärbte Asche hinterläßt. Der chemische Vorgang Grünsand und grüner Schlick. 175 der Glaukonitbildung ist übrigens noch keineswegs aufgeklärt^). Seiner chemischen Zusammensetzung nach ist dieser Glaukonit ein Kalieisen- oxydsilikat, dessen Hauptbestandteile sind : Kieselsäure mit Spuren von Titansäure 46.9, Tonerde 4.1, Eisenoxyd 27.1, Eisenoxydul 3.6, Kali 6.2, Natron 1.3, kohlensaurer Kalk 0.2, kohlensaure Magnesia 0.7 Prozent; der Rest ist Wasser. Diese Glaukonitsande bilden sich an mehreren Stellen vor der Ostküste der Vereinigten Staaten südlich vom Kap Hatteras^) und nordöstlich von Kuba; die Tuscarora fand sie entlang den kaliforni- schen Steilgestaden zwischen 200 und 700 m als schwarzgrünen Schlick voll dunkler Glaukonitkörner (von 0.6 mm Durchmesser). So reiner Glau- konitsand ist aber selten, denn gewöhnlich mischen sich nicht nur Mineral- teile von der nahen Küste, sondern auch Kalkgehäuse von Organismen dazu, und die feinsten tonigen Abschlämmteilchen nehmen beträchtliche Bruchteile des Ganzen ein, wodurch dann ein schlickiges Gebilde zu stände kommt. Doch hat ein blauer Schlick immer erheblich mehr tonige Sub- stanzen. Als grünen Schlick samxmelte die Challengerexpedition vor der Agulhasbank, der Ostküste Australiens, Japans und Südamerikas, meist in den Subtropen, und an der Küste von Portugal 22 Proben, als Grün- sand 7. Kalkkarbonat war darin in sehr wechselnden Mengen, von ge- ringen Spuren bis zu 56 Prozent, im Mittel mit 26 Prozent vertreten; mit zunehmender Tiefe schien der Anteil zu wachsen. Die charakteristi- schen feinsten grünen Abschlämmteilchen betrugen durchschnittlich 34 Prozent der Masse, nie unter 9, einmal 84 Prozent, deutlich mit der Meerestiefe zunehmend. Kieselhaltige organische . Reste sind ziemlich häufig, noch reichlicher finden sich Mineralteile ( ^4 bis ^/a der Masse )^ darunter nicht nur Quarz, Feldspat, Hornblende, Magnetit, Augit, sondern sogar Turmalin, Zirkon und Granat; endhch im Dredschmaterial in be- merkenswerter Häufigkeit kleinere und größere Konkretionen von Phos- phatkalk. Insgesamt schätzen Murray und Renard das Areal dieses Sedi- ments auf etwas über 3 Millionen qkm. 3. Der Kalk schlick ist ein Sediment tropischer und subtropischer Mittelmeerbecken, aber auch der tieferen Gehänge und ozeanischen Nach- barfluren um Koralleninseln, insbesondere im Pazifischen Ozean. Bereits die Challengerexpedition beschreibt diese Ablagerung aus den ozeanischen Gebieten und Koralleninseln in Tiefen zwischen 200 und 600 m als Korallen- sand, in größeren Tiefen bis zu 3000 m als feinen weißlichen oder gelblichen,, auch grünlichen Schlick. Hier bildet der kohlensaure Kalk die Haupt- masse, im Mittel 85 Prozent, in den größeren Tiefen etwas weniger, in den geringeren aber bis 90 Prozent. Es ergab sich, daß an diesem Kalk- sediment planktonische Foraminiferen mit 10 bis 56 Prozent, bodenbe- siedelnde mit 2 bis 40 Prozent beteiligt sind, so daß man in vielen Fällen schon von Foraminiferenschlamm sprechen könnte, zumal die kiesel- haltigen Reste von Organismen und von Mineralien sehr geringfügig bleiben; sie überschreiten je nicht 2 Prozent. Nach Murray und Renard sollen nicht weniger als 10 Millionen qkm auf diese Korallensande und -schlicke entfallen, davon 5V2 Millionen in dem Pazifischen, 3 im >) Gümbel, Sitzungsberichte der K. Bayr. Akad. d. Wiss. für 1886, Ed. 16, S. 417 ff. 2) Petermanns Mitt. 1870, Taf. 20. 170 Die hemipelagischen Ablagerungen. Atlantischen, P/2 im Indischen Ozean; doch sind diese Areale sicher zu hoch. Etwas anderer Art sind die Kalksedimente im Amerikanischen und Romanischen Mittelmeer; die des ersteren wollten Murray und Renard vorzugsweise dem pelagischen Globigerinenschlamm, die des Mittel- ländischen Meeres ihrem blauen Schlick zuzählen, was beides gemäß den Ergebnissen der neueren Forschungsexpeditionen zu berichtigen ist. Die Ablagerungen des Amerikanischen Mittelmeers sind namentlich durch die Arbeiten von Alex. Agassiz aufgeklärt, und Sir John Murray hat selbst einen großen Teil der Bodenproben beschrieben. Hiernach ist die Bodenflur des Karibischen, Kayman- und Golfbeckens von einem sehr hell gefärbten weißen oder kreidig grauen Kalkschlick bedeckt, der mit 70 bis 80, vereinzelt 90 Prozent aus Kalkkarbonat besteht, herrührend von Schalenfragmenten zahlreicher pelagischer Formen, worunter die Pteropoden noch häufiger sind, als die Foraminiferen. Nach Agassiz^) sind es von ersteren namentlich die Gattungen Clio, Hyalea, Triptera, Atlanta, Styliola, die die Hälfte aller erkennbaren gröberen Kalkteile liefern. Aber die reichliche Beimengung von größeren Mineralpartikeln und die sehr viel hellere Farbe, wie der Totalanblick des Sediments geben ihm solche besonderen Merkmale, daß schon Murray selbst es weder dem pelagischen Globigerinen-, noch dem Pteropodenschlamm gleichsetzen^ mochte. Kieselige Reste von Organismen liefern niemals über 5 Prozent des Ganzen; sie rühren von Radiolarien, Schwammnadeln und wenigen Diatomeen her. Unter den Mineralteilchen überwiegen die vulkanischen; fern von den Küsten hatten sie selten eine Größe von mehr als 0,1 mm, ^ während unter Land auch ^'"* '' aus großen Tiefen noch Kiese, ja ganze Steine mit der Dredsche herauf kamen. Der charakte- ristische Pteropodenkalk des karibisch - mexikani- schen Beckens beherrscht auch den Boden des Flo- ridastroms in den Engen bis auf die Höhe von Ju- piter Inlet; erst nördlich davon stellt sich eupe- lagischer Globigerinen- schlamm ein. An der linken . Seite überströmt der Floridastrom das merkwürdige, zuerst von L. F. V. Pourtales beschriebene 2) und nach ihm benannte, submarine Felsplateau aus festem Kalkstein (Fig. 25), der sich stetig aus den ihn be- siedelnden Tiefseekorallen, Serpulinen, Muscheln, Echinodermen, Schwäm- Kalksteiu vom Pourtalesplateau (nach Alex. Agassiz). >) Three Criüses of the Blake, I, p. 283. 2) Petermanns Mitt. 1870, S. 396. Das Mittelländische Meer. 177 men neu bildet und ein Areal von 4000 qkm in 2(X) bis 550 m Tiefe in wenig geneigter Fläche beherrscht. Nach Sharples sind an diesem Kalkstein beteiligt: kohlensaurer Kalk mit 36.5, Kalkphosphat mit 35.5, Eisen- oxyd mit 14.8, Magnesiakarbonat mit 10.6, Kieselsäure mit nur 0.5 und organische Substanz mit 1.5 Prozent. Ähnliche Böden, aber in der größeren Tiefe von 500 bis 800 m, fanden sich auch entlang der Nordküste von Kuba. Bei Nuevitas brachte die Dredsche aus 18(X) m ganze Blöcke von solchem rezenten weißen Kalkstein hervor, der hier wesentlich aus boden- bewohnenden Globigerinen und Pulvinulinen bestand. Wo der Meere^- strom durch die Straßen zwischen den Großen oder Kleinen Antillen hin- durchstreicht, läßt er kein feines Sediment liegen, sondern fegt alles lee- wärts in die inneren Becken hinein, wo sich dann der Kalkschlick in mäch- tiger Tiefe aufbaut. — Im Golf von Mexiko wird der Kalk, insbesondere an der Nordseite vor der Mündung des Mississippi, verdrängt durch einen charakteristischen dunkeln Schlick, der den Ablagerungen des Mississippi- deltas selbst ähnhch ist, also wesentlich aus feinsten Mineralpartikeln besteht. Mit diesen Bodenablagerungen sind die des Mittelländischen Meeres kaum in einer Hinsicht vergleichbar. Aus den von J. Y. Bucha- nan^) untersuchten Grundproben des Kabeldampfers Dacia aus dem Balearenbecken zwischen der algerischen Küste und dem Ligurischen Golf ergibt sich, daß hier ein wesentlich terrigener dunkler Schlick vor- herrscht. An der afrikanischen Seite, in Tiefen von 1800 bis 2800 m, ist der Gehalt an Kieselsäure 33 bis 40 Prozent, an kohlensaurem Kalk aber nur 18 bis 24 Prozent. Nahe bei den Balearen, in 1000 m Tiefe, nimmt der Kalkgehalt zu auf 37 bis 47 Prozent, auch vor dem Ligurergolf, in 900 bis 1200 m, geht er nicht unter 30 Prozent herab; es ist also ein Mergel- schlick. J. Thoulet^) beschreibt Proben aus dem Golf von Genua, die ihn durchaus an Kreidegesteine vom Kanal erinnerten. Das Tyrrhenische Becken wird von einem grauen Schlick mit nicht näher bekanntem Kalk- gehalt erfüllt, der im Golf von Neapel sehr nahe ans Land heranreicht; nach Walther und Schirlitz enthält dieser Mergelschlick im Hafen von Neapel 16 Prozent Kalk und 8 Prozent Bittererde, was von ihnen sogar auf chemischen Niederschlag aus dem Seewasser zurückgeführt wurde. — Für das östliche Mittelmeer haben die sehr gründlichen Untersuchungen der österreichischen Meeresforscher an Bord der Pola (1890 — ^1893) unsere Kenntnisse begründet^). Hiernach ist das ganze Gebiet zmschen Sizilien und Syrien, bis ins Ägäische Meer hinein, aber mit Ausschluß des ägyptisch- palästinensischen Winkels, von Kalkschlick eingenommen. Sein Gehalt an kohlensaurem Kalk ist von einer gewissen Beständigkeit: er beträgt durchschnittlich 60 Prozent, selten über 80 oder unter 40. Pteropoden sind auch hier, wie im amerikanischen Mittelmeer charakteristisch, ob- ') Proc. R. Soc. Edinburgh 1890—91, p. 131 f. 2) Comptes Rendus, Paris 1902, vol. 134, p. 496. ^) Die Berichte sind in den Denkschr. der Kais. Akad. d. Wiss, Bd. 59, 60, 61 und 74 enthalten. Soweit sie von Natter er herrüliren, sind dazu die wichtigen Bemerkungen von Th. Fuchs in Mitt. Geogr. Ges. Wien Bd. 43, 1900, S. 110 — 119 zu vergleichen. Natterer war ein ausgezeichneter Chemiker," aber geologisch und ozeanographisch nicht genügend vorgebildet. Krümmel, Ozeanogravliie. I. 12 178 Die hemipelagischen Ablagerungen, schon sie nicht überall so gut erhalten sind, wie nördlich von Barka. Außer- dem fehlt es nicht an Foraminiferen, noch Spongiennadeln, wie schon früh {lS4:ö) der Engländer Williamson feststellte, noch auch an kieseligen Radiolariengerüsten und Glaukonitkernen. Bemerkenswert ist die Gering- fügigkeit von Manganabscheidungen. Überall aber sind dem Kalk bald feine, bald gröbere Mineralpartikel beigemengt, unter denen abgerundete Quarzkörnchen, vulkanische Auswürflinge, im Griechischen Archipel auch Marmorbrocken leicht erkennbar sind ; deshalb sind auch diese Kalke unbedingt den hemipelagischen Sedimenten einzureihen. Feste Kalk- konkretionen vereinigen sich oft zu Platten und Krusten, die 20 bis 50 Pro- zent mehr Kalk enthalten, als der umgebende Schlick, und an die Bildungen auf dem Pourtalesplateau erinnern. Vor dem Nildelta und von dorther dem Meeresstrom nach 0 und NO folgend. Hegt ein fiuviatiler feiner Schlick mit nur 5 bis 15 Prozent Kalk, anscheinend eine dem MississippischHck des Mexikanischen Golfs überaus ähnliche Bildung. Im nördlichen Teile des Ägäischen Meeres fand Natterer unter einer Decke von hellerem lehm- artigen Schlamm einen grauen Schlick, der nicht durch Schwefeleisen, sondern durch organische Substanzen dunkler gefärbt ist. Erst in tieferen, von der Dredsche nicht erreichten Schichten hält hier Natterer auch Bildung von Schwefeleisen für möglich. Eine besondere Stellung nimmt das Schwarze Meer ein^), da seine Gewässer unterhalb von 230 m nicht genügend ventiliert, daher an Sauerstoff arm und mit Schwefelwasserstoff erfüllt sind. Der Steilabfall zum Tiefenbecken ist von einem steifen, zähen, hellgrauen, in der obersten Schicht schwarzen Schlick eingenommen. Die schwarze Färbung rührt von Eisensulfid (FeS) her, das sich meist in Körnchen und Ausfüllungen der Diatomeenkapseln, an anderen Stellen auch in Gestalt feiner Pyrit- nädelchen bis zu 1 cm Länge findet. Außerdem ist reichlich Quarzsand nachweisbar. Das Tiefenbecken selbst wird von blauem Schlick erfüllt, der sich bald heller, bald dunkler blau gefärbt erweist, je nach der Reich- lichkeit von helleren Kügelchen oder Klümpchen, die sich bei näherer Untersuchung als Zusammenballungen eines weißen Pulvers von kohlen- saurem Kalk erweisen; Murray betrachtet sie als chemischen Nieder- schlag, also wohl nach Art der Oolithe (S. 164). Im ganzen ist das pon- tische Sediment ärmer an Kalk, als das des östlichen Mittelmeers, im tiefsten Teil von mehr als 2100 m sind es sogar nur 13 bis 18 Prozent; doch sind auch einmal 65 Prozent beobachtet. Manganabscheidungen sind überall unbedeutend und in den größeren Tiefen überhaupt nicht nach- weisbar. Dagegen nimmt das, ebenfalls als chemisch ausgefällt zu be- trachtende, Eisensulfid fast die Hälfte des ganzen Bodenabsatzes ein, sodaß man das pon tische Sediment geradezu als Schwefeleisenschlick bezeichnen könnte. An der starken Lösung von Schwefelwasserstoff im Wasser des Schwarzen Meeres sind nachweisHch Sulfobakterien be- teiligt; diese sind auch die einzigen Organismen, die in den tieferen Wasser- schichten bis zum Boden hinab lebend gefunden werden. Nur in den Fl ach Wasserbildungen, namentlich im Nordwesten, sind Muscheln und Kalkalgen abgelagert. Sir John Murray in Scott. Geogr. Mag. Bd. 16, 1900, p. 695 f. Gröbere Beimengungen. 179 Auch das Rote M e e r^) ist im wesentlichen an seinem Boden von KalkschHck bedeckt, der als hellgelber bis grauer, auch dunkelbrauner Schlick von geringerer oder größerer Zähigkeit auftritt. Besonders groß ist der Anteil an kohlensaurem Kalk im südlichen Abschnitt, wo er sich bis 92 Prozent erhebt und auch kohlensaure Magnesia enthält, während Phosphorsäure nur in Spuren vorkommt. Für die tiefe Rinne südlich von der Breite Suakins findet Natterer ein Verhältnis bis zu 12 Molekülen kohlensaure Magnesia auf 100 kohlensauren Kalk; die auch hier ver- tretenen Steinkrusten zeigen noch Anreicherungen über dieses Verhältnis hinaus, sodaß sich darin eine Dolomitisierung vollzieht. Neben dem Eisen- reichtum dieser Konkretionen, der bis zu 21 Prozent Eisenoxyd gehen kann, ist auch das Auftreten geringer Mengen von Edelmetallen bemerkens- wert: Natterer fand, in Promille ausgedrückt, Gold 0.001 bis 0.005, Kupfer 0.027 bis 0.040 und Nickel 0.040 bis 0.047. — Wenn auch diese hemipelagischen Sedimente allgemein durch ihr feines Korn ausgezeichnet sind, so fehlt es doch, abgesehen von den oft umfangreichen vulkanischen Auswürflingen aller Art, gelegentlich nicht an gröberen Beimengungen, die auf allerhand gewaltsame Weise hinein- gelangt sind. Die steileren Teile der Schelf ränder können durch andauernde Unter Waschungen, wie sie austretendes Grundwasser bewirkt, instabil werden und submarine Bergschlipfe auslösen, oder es können auch bei Erdstößen große Teile des Schelfsockels bergsturzähnlich in die Tiefe ab- rutschen. Die von J. Thoulet^) ausgeführten Experimente an künstlichen Böschungen zeigen, wie außerordentlich leicht solche von Wasser durch- tränkten steilen Schuttkegel ins Gleiten gelangen. Den Kabeltechnikern ^) sind diese gewaltsamen Prozesse sehr wohl bekannt, die an den ostafrikani- schen und südamerikanischen Küsten während der Regenzeit zu periodisch wiederholten Kabelbrüchen führten, bis man die Kabel anders legte. Es gelangt schon hierbei gröberes Gestein in verhältnismäßig große. Tiefen. Unterseeische Bergstürze vom kontinentalen Rande des Atakama- und Japangrabens haben auch die verheerenden Stoßwellen ausgelöst, die dann über den ganzen Pazifischen Ozean hinweglaufen können; freiUch können sie auch, wenn auch seltener, durch submarine A^ulkanexplosionen entstehen. — In anderen Fällen, wo beim Dredschen gröberes Material von den Kontinentalböschungen heraufgebracht wurde, ist kaum zu be- zweifeln, daß anstehendes Gestein abgerissen und mit dem Bodensediment vermengt gehoben wurde. Alex. Agassiz'*) erwähnt von Dredschzügen am Abfalle des Neuenglandschelfs, daß einmal große Kalkkonkretionen aufgeholt wurden, teilweise von mehr als 30 kg Gewicht, die dann Prof. Verrill als pliozänes Gestein erkannte, das nach seiner Meinung nicht nur am Aufbau des genannten Schelfs, sondern auch an dem der Neufundland- bank beteüigt ist. Ähnlich dürfte es sich mit den groben Geschieben ver- halten, die von französischen Gelehrten an Bord des Caudan 1895 am Steilabfall des Biskay aschelfs aus 180 bis 650 m mehrfach mit Grundnetzen gewonnen wurden und die aus Gneis, Granulit, Chlorit- und Glimmer- ') Denkschr. Wiener Akad. 1898, Bd. 65, S. 354, 450; 1901, Bd. 69, S. 304. 2) Ann. de chimie et phys. 6. Ser., vol. 12, 1887, p. 48. 2) Geogr. Journal 10, London 1897, p. 129 u. 259; 14, 1899, p. 394. '•) Three Cruises of the Blake, I, 273. 180 I^ie eupelagischen Sedimente. schiefer, Ophit, Diabas, Quarziteii karbonischer, kretazischer und alt- tertiärer Schichten bestanden. Bleicher i) wollte sie als Glazialgeschiebe deuten, die während der Eiszeit auf Treibeis von den spanischen Gebirgen herüber fjjelangt seien. Ähnliche grobe Geschiebe fanden auch die Mit- glieder der Travailleurexpedition am Südrande des Biskayagolfs. Aber es fehlt auch nicht an echt glazialen Geschieben. Mit ihnen ist die Bodenflur des ganzen europäischen Nordmeers bestreut, wie es denn im Norden und Westen desselben nicht an Treibeis fehlt, um es beständig neu zu verbreiten. Die norwegische Nordmeerexpedition erhielt nicht nur in den Lotröhren sehr häufig und oft 10 bis 12 g schwere Kiese, sondern in der Dredsche große Blöcke, die sowohl aus kristallinischen Massen- oder Schiefergesteinen, wie aus Kreide und anderen Kalksteinen, Marmor (einmal wog ein Block 80 kg), ja sogar aus Steinkohlen von der Bären- insel bestanden und durch Kritzen und Schliffe als Glazialgeschiebe ge- kennzeichnet waren. Am Südrande des Neuenglandschelfs (in 38 ° 34' N. in 2270 m) dredschte die f'hallengerexpedition eine Menge gröberen Schotters, meist von k'ristallinischen Schiefern und Kalken, von 6 und 7 cm Durchmesser. Etwas nördlicher fand der V. S. Dampfer Blake in üleicher Tiefe ähnliche Gesteine, darunter auch gekritzte. Nicht weit davon in 41'^ 14' N. holte die Challengerexpedition mit der Dredsche au^j 2450 m inmitten ähnlicher Schotter einen Block von Syenit herauf, der 5 Zentner wog. Nach Alex. Agassiz finden sich solche Schotter noch weit nach Südwesten hin am Schelfrande verstreut, wo sie den ameri- kanischen Zoologen darum sehr wohl bekannt sind, weil diese Steine zahlreichen Weichtieren der Tiefsee feste Haftpunkte gewähren, die sie im umji^ebenden weichen Schlick gar nicht oder nur auf den selteneren Konkretionoi finden können. Wie bedeutsam diese groben Geschiebe für den l)lauen Schlick der hohen Südbreiten sind, ist schon hervor^jehoben. IIL Die eupelai^ischeii Sedimente. Je mehr wir uns von den kontinentalen Schelfrändern entfernen und in die eigentliche Tiefsee gelangen, desto spärlicher werden die terrigenen Bestandteile im Meeressediment. Doch ist nicht zu bezweifeln, daß der feinste Ton in einer Art von kolloidalem Zustande mit den Meeresströ- mungen überallhin auch in die landfernsten Teile des Ozeans gelangen kann, und zwar desto weiter, je niedriger die Temperatur, je höher das spezifische Gewicht des Wassers ist. Wir werden also auch in den tiefsten Wasserschichten, die wegen des steigenden Druckes auch inmier dichter werden, diesen kolloidalen Ton erwarten müssen. Nach Versuchen von Murray und Irvine bleibt die feinste Tontrübe in einem Liter ozeanischen Seewassers nach fünf Tagen in Tropentemperatur {'liV bis 27") mit dem geringen Quantum von 0.3 Milligramm in Suspension, bei 8'^ bis 10" aber mit 1.8 Milligramm. Die beiden Forscher konnten in sorgfältig ge- sammelten Seewasserproben aus dem Atlantischen, Indischen und Mittel- ländischen Gebiet ganz geringe Mengen solchen kolloidalen Tons nach- weisen. Rechnen wir mit nur 0.15 MilHorramm im Liter durchschnittlichen ') Ann. de IT'niversito de Lyon 1890, j). 701 f. Teirigenes uinl biogcncs Material. 181 Gehalt 1), so wird in einer Wassersäule von 1 qni Querschnitt und .")()( K) m Höhe ein Gesamtgewicht solcher feinster Tontrübe, wenn sie gleichmäßig verteilt gedacht wird, von 750 g suspendiert sein. Wenn wir dieses Quan- tum auf einmal ausfällen könnten, würde es die Grundfläche mit der minimalen Schicht von 0.3 mm Dicke bedecken. Natürlich wird aber nur ein winziger Bruchteil davon innerhalb vieler Jahre wirklich zum Absatz kommen. Doch steht für alle Prozesse in der Tiefsee eine ungeheurf^ Zeit zur Verfügung, und man muß hier mit der allmählichen Aufsummierung auch der kleinsten Niederschläge rechnen. Außer diesen feinsten terri- genen Tonteilchen kommen noch zwei andere Ton Produzenten in Be- tracht: Vulkanstaub aus der Atmosphäre und, viel wesentlicher als die beiden anderen, Auswürflinge aus submarinen oder litoralen Vulkan- eruptionen. Von den letzteren entfalten insbesondere die Bimssteine eine hervorragende Schwimmfähigkeit. Nach Thoulets Experimenten 2) sind Bimssteinbrocken von Nußgröße und 3 bis 4 g Trockengewicht nach 17 Monaten noch schwimmfähig und würden erst nach 22 Monaten völlig vom Wasser imprägniert sein und untersinken. Wenn wir mit einer täg- lichen Stromleistung der Meeresströme von nur 10 Seemeilen rechnen, so haben diese Bimssteine einen Triftradius von 6600 Seemeilen oder 12000 km; praktisch können sie also überallhin gelangen. Sobald diese Auswürflinge aber am Meeresboden zur Ruhe kommen, unterliegen sie einer allmählichen Zersetzung, und ihre tonig-kieseligen Reste gesellen sich zu den spärlich angelangten terrigenen Überbleibseln. Auf dieser mineralischen Grundlage häufen sich nun in stellenweise lebhaftem Tempo die Kalk- und Kieselgerüste von planktonischen und benthonischen Organismen auf; diese biogenen Ablagerungen verdecken dann als Gl obigerinen-, Pteropoden-, Diatomeen- oder Radiolarienschlamm das mineralische Tiefseesediment. Wo diese aber aus verschiedenen Grün- den fehlen oder auch ihrerseits zersetzt werden, wird die mineralische Grundlage als der sogenannte Rote Tief seeton allein sichtbar. Hierbei tritt als ein merkwürdiges geographisches Merkmal hervor, daß auf den mäßig tief gelegenen Schwellen und Rücken inmitten der Ozeane die kalk- haltigen Ablagerungen überwiegen, dagegen in den abyssischen Räumen, gleichviel ob sie in der Mitte oder am Rande der Ozeanbecken liegen, der Rote Tiefseeton mit einem Minimum von Kalkgehalt und einer gelegent- lichen Zumengung von kieselhaltigen Radiolarienresten auftritt. So ge- langen wir nach der geographischen Lage, wie nach der Natur der Sedi- mente, zur Unterscheidung von zwei Gruppen der eupelagischen Ab- lagerungen, der epilophischen und der abyssischen. Die epilophischen Sedimente sind hauptsächlich ein Erzeugnis der Kalk- und Kieselgehäuse oder -gerüste verschiedener Plank- tongruppen und zwar sowohl tierischer, wie pflanzlicher Abkunft. Unter den kalkigen Ablagerungen tritt der Globigerinenschlamm an die erste Stelle; eine wenig verbreitete Abart davon ist der Pteropodenschlamm. Kieseliges Sediment liefern in überwiegenden Mengen die Diatomeen, also Plankton pflanzen. ') Murray u. Renard a. a. O. p. 340 Anm. In einer engl. Kubikraeile sind 625 tons nach einem Monat suspendiert. ■') Comptes Rendiis, tome 134, Paris 1902, p. 728. 182 Die eupelagischen Sedimente. 1. Der Globigerinenschlamm (Fig. 26) ist bereits in den ersten Tiefenproben, die bei Kabellotungen im Nordatlantischen Ozean vom Meeresboden heraufkamen, als bedeutsames ozeanisches Boden- sediment erkannt worden; wie bereits erwähnt, haben es der berühmte Mikroskopiker Ehrenberg und zugleich mit ihm der Amerikaner Bailey 1853 beschrieben. Da man darin Vertreter der Gattung Glohigerina und der Familie der Globigeriniden eine große Rolle spielen sah, hat sich sehr rasch die Bezeichnung als Globigerinenschlamm eingebürgert. Nach Murray und Renard ist diese Foraminiferenfamilie so häufig in den heutigen Meeresablagerungen aller Zonen, daß sich, wenn man ihr Vorkommen allein als Merkmal aufstellen wollte, weitaus der größte Teil aller rezenten Sedimente als Globigerinenschlamm bezeichnen ließe; jedoch wollen sie als solchen nur dann ein Sediment anerkennen, das mindestens einen Kalk- Fig. 26. Globigfrinensthlainin (nach ^Miirray und Renurd) -"1,. gehalt von 30 Prozent enthält, worin aber die pelagischen und nicht die bodenbewohnenden Globigerinen vorherrschen. An dieser Definition wird man gut tun festzuhalten, denn sie hebt den Unterschied gegen den hemipelagischen Kalkschlick hervor. Die hauptsächlich in Betracht kommenden, unter den noch nicht zwei Dutzend umfassenden, Arten sind folgende vier: Globigerina huUoides (Fig. 27) für die nordhemi- sphärischen und auch meisten tro])ischen Meere, Globigerina dutertret für die höheren Südbroiten, sodann OrhuUna universa (Fig. 28) und Hasti- gerina pelagica; sie wie die anderen^) bevölkern die obersten Wasser- schichten bis rund 200 m Tiefe, und ihre Schalen sinken nach dem Ab- sterben zum Boden hinab, wo sich ihre Trümmer ansammeln. Neben den Globigerinen sind noch zahlreiche andere Planktontiere am Aufbau des SedimeLts beteiligt, vornehmlich pelagische Mollusken, wie die Ptero- ') Häufige Arten sind nächstdem: Glohigerina sarcidifera, aequilateralis, con- glohafn, dubia, rubra, infiota, digitata, cretacea. Auch die Gattung Pulviindina mit den Arten tnenardii, inmida, canariensis, micJieliniana, crassa ist wichtig. End- lich noch: Fullenin ohlitjuHocuIata ; Sphaeroidina dehiscens; Candeina nitida; Cym- balopora (Tretomphalus) buUoides. Insgesamt 21 Arten. Der Globigerinenschlamm. 183 poden und Heteropoden, deren dünnschalige Kalkgehäuse besonders groß werden, sodaß die Bruchstücke im Sediment einige qmm Fläche einnehmen können; nächstdem noch pelagische Ostracoden [Crithe producta, Cythere Fig. 27. (Tlobigerina bulloides (nach Sir Wyv. Thomson) 75|j Fig. 28. Orbulina uni versa (nach Sir Wyv. Thomson) '^li. dictyon). Die Planktonfauna setzt zu ihrer Ernährung eine reiche Plankton- flora voraus, unter der sich ebenfalls wichtige Kalkproduzenten befinden in Gestalt der Kokkolithophoriden. Es sind das sehr kleine Algen, zur Gruppe der Chrysomonadinen gehörig, die ihre Zelle mit einem Belag von ovalen Kalkschildchen (von 0.001 bis 0.003 mm Durchmesser) um- 184 JDie eiipelagischen Sedimente. kleiden, die nach dem. Tod der Zelle oder mit den Verdauungsresten der Plankton tiere in die Tiefe sinken. Nachdem schon 1836 Ehrenberg und 1870 Gümbel gezeigt, daß gewisse Kreidekalke fast ausschließlich, aus diesen Schildchen, den Kokkolithen und Rhabdolithen, bestehen, fand Voeltzkow 1901 einige neue Riff kalke von Inseln des westlichen In- dischen Ozeans, die er ebenfalls geradezu als Kokko- Fig. 29. lithenkalke bezeichnet, sodaß es nicht mehr zu ver- wundern ist, wenn H. Lohmann i) kürzlich auch ge- wissen Stellen im nordatlantischen Globigerinenschlamm denselben Namen beilegte: auf einer Lotstation des Kabeldampfers Podbielski in 43^ 32' N., 19<^ 49' W., 4004 m, fand er 68 Prozent des Sediments aus solchen Kokkolithen bestehend. — Zu diesen Kalkresten des pelagischen Planktons treten solche der benthonischen (Dach^ALAgass^izV^^li. Fauna; bodenbewohnende Foraminiferen (nicht über 3 Prozent der Masse) und, mit oft gröberen Kalk- trümmern, die Nadeln von Echinodermen , Schalen von Mollusken, Röhren von Anneliden, Gerüste von Tiefseekorallen und Polyzoen. Zusammen liefern diese aber selten mehr als 25 Prozent des Sediments* nach Murray und Renard im Durchschnitt nur 9 Prozent. Im wesent- lichen ist der Globigerinenschlamm also ein Niederschlag des in den ober- sten Meeresschichten in Gestalt von kalkbildendem Plankton suspendierten kohlensauren Kalkes, und nach einer Berechnung von Sir John Murrav kann man für jeden Kubikmeter Wasser in den Oberschichten der tropischen Ozeane davon mindestens 34 mg, oder pro qkm bis 200 m Tiefe min- destens 6860 kg schwebenden kohlensauren Kalks annehmen 2). Von den kiesehge Gerüste und Schalen bildenden Planktonformen sind die Radiolarien und Diatomeen im Sediment überall sofort nach- zuweisen, wenn man größere Quantitäten davon mit verdünnter Salz- säure behandelt; ebenso findet man die Spongiennadeln reichlich. Aber zusammen erreichen auch diese kieseligen Bestandteile nur selten 10 Pro- zent des Gesamtgewichts. Noch sparsamer sind die mineralischen Beimengungen, die in den 118 Proben der Challengerexpedition durchschnittlich nur 3.3, oft kaum 1 Prozent ausmachten. Man sieht, wie gering die terrigene Komponente in diesem wesentlich biogenen Tiefseesediment wird. Charakteristisch ist die Verbreitung des Globigerinenschlammes nach den Meerestiefen. Die Challengerexpedition hat 118 Proben ge- sammelt und zwar weitaus die meisten aus Tiefen zwischen 2500 und 4500 m, und als mittlere Tiefe ihres Vorkommens berechnen sich 3660 m. Im einzelnen entfielen auf die Stufen von weniger als 1000 Faden (1830 m) nur 5, zwischen 1000 und 1500 „ (1830—2750 m): 13, 1500 „ 2000 „ (2750—3660 m): 35, 2000 „ 2500 „ (3660—4570 m): 49, von mehr als 2500 , (4570 m): 16. ») Sitzgsber. Kgl. Preuß. Akad. Bd. 26, Berlin 1903, S. 580. ^) Murray u. Renard a. a. 0. p. 252: at least sixteen tons in one squar^ lue in extent hy 100 fathoms in deep. Der Globigerinenschlamm. Ig5 Eine ähnliche Tiefenanurdnung ergibt sich auch aus dem Vergleich anderer älterer und neuerer Proben. Dabei ist weiter bemerkenswert, daß der Kalkgehalt der Sedimente nach den größeren Tiefen hin rasch abnimmt. Während 50 Proben der Challengerexpedition aus Tiefen zwischen 500 und 2000 Faden 60 bis 70 Prozent kohlensauren Kalk, und 49 Proben zwischen 2000 und 2500 Faden (52 Prozent hatten, besaßen IG Proben aus mehr als 2500 Faden nur 50 Prozent im Durchschnitt. Gleichzeitig nahmen die feinsten Abschlämmteilchen mit der Tiefe zu : in weniger als 2500 Faden war ihr Anteil 20 bis 30 Prozent, in größeren Tiefen 48 Prozent. Als mittlere Zusammensetzung aller 118 Proben geben Murray und Renard an: kohlen- sauren Kalk 64.5, davon erkennbare Reste pelagischer Foraminiferen allein 53.1, benthonischer 2.1, anderer Organismen 9.2 Prozent; vom Rest entfällt auf die feinste Schlammtrübe 30.6, Mineralteilchen 3.3 und auf die Reste kieseliger Organismen 1.6 Prozent. Von 21 Proben sind genauere Analysen mitgeteilt, denen noch folgendes entnommen sei^). Der Glühverlust war sehr schwankend zwischen 1.0 und 9.6 Prozent, und da er im allgemeinen parallel mit der Mineralbei- mengung stieg und fiel, nehmen Murray und Renard an, daß er mehr von der vorhandenen Ton- und Kieselerde und Eisenoxyden abhing, als von organischen Subötanzeri . Auch das Eisenoxyd (Fe.^03) war von sehr schwankendem Be- trage zwischen 0.6 und 20.9 Prozent, der Phosphorgehalt gering zwischen 0.2 und 2.3 Proz. Phosphorsaurer Kalk (Ca32P04) schwankte von Spuren (in 7 Fällen) bis 2.8 Prozent (in 2 Fällen). Magnesiakarbonat fehlte nie, wenn es auch nur einmal 2 Prozent überschritt und je 10 Proben 1 Prozent und 1 bis 2 Prozent enthielten ; irgendwelche Beziehungen zum Kalkgehalt waren dabei nicht erkennbar. Gümbel hat dazu die Meinung geäußert, daß sich ein Umtausch zwischen dem Magnesiakarbonat des Seewassers und des Kalk- karbonats im feinen Schlamm vollziehen möge. — Manganoxyd fehlte meistens, trat 4mal in Spuren und nur 3mal in meßbarer Menge auf, erhob sich aber nur einmal bis 4.8 Prozent. Die organische Substanz ist nicht bedeutend. Wird Globi- gerinenschlamm in Salzsäure aufgelöst, so bleiben flockige Teilchen als Rest zurück, die, im Platintiegel erhitzt, eine schwarze Asche zurück- lassen. So gering diese organischen Stoffe sind, scheinen sie doch reichlich genug, um den am Boden der Tiefsee lebenden Schlammfressern noch Nahrung zu liefern. Sir John Murray macht mit Recht darauf aufmerksam, daß noch heute in dem festen Globigerinengestein von Malta die Kanäle zu sehen sind, die sich Echinodermen und Anneliden im Globigerinen- schlamm eingefressen haben. H. Lohmann war verwundert, mit dem Globigerinenschlamm vermischt, reichlich Fäkalien zu finden. H. Gümbel hat dann aus den Proben der Gazeileexpedition erwiesen, daß es sich bei der Schlammnahrung nicht nur um albuminose Reste handelt, sondern auch um F e 1 1 e , die in Gestalt von blendend weißen Knöllchen auftreten und durch siedenden Alkohol herauszuziehen waren; er schätzte ihren Anteil auf ^looo des Sediments^). Die meisten Planktontiere bilden Fette, um damit ihr spezifisches Gewicht dem des Wassers, in dem sie schweben wollen, anzupassen, und mit den Leichen sinkt dann auch ein Teil des ') Vcrgl. auch die Tabellen am Schluß dieses Kapitels. *) Forschungsreise S. M. S. Gazelle, Bd. 2, S. 73, 75. 18ß I^ie eupelagischen Sedimente. Petts zum Boden hinunter, während ein anderer Teil vom Seewasser auf- genommen und verseift wird. Die Fetthaltigkeit des Globigerinenschlamms ist nach Gümbel geeignet, die in vielen Kalksteinen der Erdrinde ent- haltenen bituminösen Beimengungen und gewisse Petroleumlager ver- ständlich zu machen. Als mineralische Neubildungen treten weit verbreitet, wenn auch nicht reichlich, auch im Globigerinenschlamm die bei den Grünsanden erwähnten Glaukonite auf, die sich hier als Steinkerne der Foramini- feren oder Pteropoden ausscheiden. In den Proben der Challengerexpedi- tion fanden sich alle möglichen, stufenweise fortschreitenden Übergänge von einem dünnen bräunlichen Belag der Innenseite der Kalkgehäuse bis zu grünUchen Rinden, partiellen und ganzen Füllungen, ja zuletzt nach Sprengung der Schalen ein Auswachsen zu größeren eiförmigen Glau- konitmassen. Phosphatkonkretionen sind im eigentlichen Globigerinen- schlamm selten und bieten dann Unterschiede dar gegenüber denen des Grünsands oder Kalkschlicks. Der beinahe honigartige Phosphatkalk durchdringt und erfüllt die Kalkgehäuse in ähnlicher Art wie der Glau- konit, und es bilden sich dabei durch eine Art von Zementierung Scherben aus, die durch reichlichen Gehalt an Eisenhydroxyd braun gefärbt sind. Häufiger sind die kalkigen Konkretionen, meist durch Wurmröhren ver- festigt, und bisweilen so hart, daß sie, in die Höhlung der Lotröhre ein- getrieben, nur mit Hammer und Meißel zu entfernen waren, wie es Peake^) einmal im Südpazifischen Ozean erging (14° 73' S., 175° 55' W.). Manganabscheidungen werden im Globigerinenkalk nicht gerade häufig bemerkt. Murray und Renard erwähnen unter 58 überhaupt von ihnen näher beschriebenen Vorkommen in Challengerproben nur 14mal solche im Globigerinenschlamm und 5mal im verwandten Pteropoden- schlamm, im letzteren also verhältnismäßig häufiger. In 9 von den 19 Fällen handelte es sich auch nur um dünnen Anflug oder Belag auf Mineralteilen oder organischen Resten. Mangankörnchen sind in 10 Fällen, richtige Manganknollen, wie wir sie im Roten Tiefseeton zu beschreiben haben werden, nur ein paarmal erwähnt; einmal von Nußgröße im Südpazifi- schen Ozean (37° 29' S., 83° 7' W., 3246 m). Noch seltener erscheinen im Globigerinenschlamm die Phillipsite ; der Challenger erwähnt sie ebenfalls aus dem Pazifischen Ozean (26° 9' S., 145° 17' W., 3795 m) und zwar unter so eigenartigen Umständen, daß ihre Lagerstätte dem Roten Ton zuzurechnen ist, der sich unter einer dünnen Decke von Globigerinen- schlamm befand. — • Für die Ablagerungsart des Globigerinenschlamms sind Experimente sehr belehrend, die schon während der Challengerfahrt von Sir John Murray ausgeführt und später von J. Thoulet und K. Brandt weiter verfolgt worden sind. Indem Murray frisch gefangenes Plankton in Zylindergläsern zum Sinken gelangen ließ, fand er sehr beträchtliche Unterschiede je nach der äußeren Gestalt und dem Eiweißgehalt der Organismen. Bedeutsam ist die Neigung der meisten Planktonformen, ihre Oberfläche durch Ausbil- dung borstenartiger Ansätze (s. Fig. 27 u. 28, S. 183) oder durch Ver- ') Geogr. Journal 19, 1902, p. 700. Der Globigerinenschlamm. 187 schmälerung oder Verflachung ihres Körpers zu vergrößern und damit den reibenden Widerstand des Wassers, d. h. ihre Schwebfähigkeit zu steigern. Daß sie dabei in willkürlicher Weise ihr spezifisches Gewicht durch Ausscheiden von Fettkügelchen und Vergrößern oder Verkleinern der Vakuolen im Plasma regulieren können i), tut hier nichts mehr zur Sache, wo es sich um absterbende Organismen handelt. Murray meint, daß tote Foraminiferen im allgemeinen 3 bis 6 Tage brauchen, um in eine Tiefe von 4500 m hinabzusinken; in tieferen Wasserschichten müsse sich aber dies verlangsamen, da die Kalkschalen weniger zusammendrückbar seien, als das Seewasser. Jedoch nehme die Auflösung des Kalks in den Gehäusen in der Tiefe rasch zu, wesentlich infolge des zunehmenden Drucks, worauf übrigens noch zurückzukommen sein wird. J. Thoulet^) hat mit leeren Globigerinengehäusen und Bruchstücken von solchen in fünf durch Ausschläm.men abgestuften Größen experimentiert; seine Ergebnisse habe ich in der folgenden Tabelle zusammengefaßt. Größenklasse 1 2 3 4 5 Mittlerer Durchmesser der Schalen in mm . . . . j 0.75 0.50 0.32 0.26 0.12 Sinkgeschwindigkeit cm per : Sek 3.78 Zeit für 4500 m Fallhöhe in Tagen 1.09 2.74 1.90 2.05 2.54 1.26 4.13 0.70 7.47 Für die berechneten Sinkzeiten ist die Annahme zu Grunde gelegt, daß die Fragmente mit gleichmäßiger Geschwindigkeit sinken; es ist das zwar beim freien Falle in einem, reibenden Medium zulässig, kann aber für den Ozean bei der Zunahme der Dichtigkeit mit der Tiefe nicht mehr richtig sein, und zwar sind die in der letzten Zeile verzeichneten Zeiten Minimal werte. Diese Tabelle gestattet aber noch eine andere bedeutsame Anwendung. In genügender Annäherung kann man die Sinkgeschwindig- keiten für eine gegebene Fragmentgröße gleichsetzen der Stärke des- jenigen Stroms, der die Teilchen mit sich davon zu tragen vermag. Es werden also alle Meeresströmungen von den stärksten an hinab bis zu so schv^^achen von 3.78 cm per Sekunde oder 1^/4 Seemeilen in 24 Stunden noch leere Globigerinenschalen von 0.75 mm Durchmesser mit sich tragen. Strömungen, die ruhendes Sediment aufheben sollen, müssen etwas stärker sein. Hiernach entnehmen wir der Tabelle, daß die kleinen Schalen- trümmer von 0.1? mm Durchschnittsgröße schori von sehr schwachen Tiefenströmen (über 7 mm per Sekunde) aufgerührt werden, können, und daß überall, wo solche Trümmer am Boden liegen, der Strom nicht dauernd stärker sein kann, als 7 mm per Sekunde oder 600 m in einem Tage^). ^)KarlBrandtim Zool Jahrb. System. Bd. 9, 1896, S. 27—74. 2) Ann. des Mines 1891, .p. 33 f. ^) In einer neuen Arbeit hat Thoulet eine ähnliche . Untersuchung auch für die feinsten Tonteilchen ausgeführt und für sie als Sinkgeschwindigkeit 40 mm in der Stunde gefunden. Comptes Rendus Ac. Paris 1905, t. 141, p. 669. 138 i^i^ eupelagischen Sedimente. Die von den Gezeiten herrührenden Bewegungen der Wasserteilchen sind ungefähr von der gleichen Größenordnung; Borgen berechnete sie in einer halben Flutperiode für 5000 m Tiefe zu 400 m wagrechter Verschiebung. Hiernach wird es verständlich, wenn der Floridastrom auf dem sogenannten Blakeplateau, einer 800 bis 1200 m tiefen Stufe am nordamerikanischen Schelfrande nördlich von den Bahamainseln bis auf die Höhe von Savannah, alles feine Sediment wegfegt^). Ebenso erklärt es sich hieraus, daß auf den Gipfeldomen der unterseeischen Kuppenberge (S. 99) der Globi- gerinenschlamm fehlt und nur festeres Sediment aus Kalkalgen oder Kalkgerüsten größerer Tiere darauf liegt. Unter den fremden Beimengungen gröberen Korns im Globigerinen- schlamm sind, abgesehen von vulkanischen Auswürflingen, auch hier wieder die glazialen Geschiebe zu nennen. Im Nordatlantischen Ozean sind sie westwärts von den Azoren schon von der Challengerexpedi- tion (bis 35^ N. B.) gefunden und seitdem wiederholt von den Kabel- dampfern bestätigt worden: hier, wie im Falle der Miniakuppen (S. 117), könnte die Verbreitung des modernen Treibeises von der Großen Neufund- landbank her fast noch zur Erklärung genügen. Das ist aber nicht mehr der Fall für die von der französischen Expedition an Bord des Talisman (1883) 1100 km von der europäischen Küste nordöstlich von den Azoren heraufgeholten größeren Geschiebe, die durch ihre nicht vulkanische Her- kunft (in einem fanden sich Abdrücke von Trilobiten) und namentlich durch ihre Schliffe und Kritzen unzweifelhaft eine glaziale Vergangenheit verrieten 2). Hier wird man wohl an das Treibeis der Eiszeit denken dürfen. — Im Südatlantischen Ozean zwischen Tristan da Cunha und Kapstadt in 35*^ bis 36^ S. B. fand die Challengerexpedition im Globigerinen- schlamm gröbere Brocken kristallinischer Gesteine, denen Murray und Renard ebenfalls eine glaziale Abkunft zuschreiben. Reichlicher und deutlicher begegneten solche Zeugnisse im südlichen Indischen Ozean innerhalb der sonst bekannten Treibeisgrenze; wie denn auch in Schiffs- journalen der Deutschen See warte zweimal mit Schutt befrachtete Eis- berge in 43^ und 44 '^S. gemeldet werden^). E. Philippi*) sagt von Grund- proben der deutschen Südpolarexpedition aus dem südlichen Indischen Ozean, daß in ihnen der Globigerinenschlamm nach der Tiefe zu ärmer an kohlensaurem Kalk werde, was er, ganz wie Nansen das ähnliche Vor- kommen des arktischen Schlicks (vergl. S. 173), mit der reichlicheren Zufuhr glazialen feineren Sediments in der Eiszeit erklärt. Der Globigerinenschlamm hat eine weite Verbreitung in den irdischen Meeren: sein Gesamtareal ergibt sich zu rund 105 Millionen qkm oder 29.2 Prozent der ganzen Meeresfläche. Sein Hauptgebiet ist aber der Atlan- tische Ozean, wo er mit etwas über 44 Millionen qkm entfaltet ist und alle an- deren Sedimente in den Schatten stellt. Im Indischen Ozean beherrscht er ') Agassiz, Three Cruises of the Blake I, p. 259. '^) Nature vol. 29, 1883, p. 198. In der Liste Comptes Rendus 1886, t. 102, p. 793, fehlen leider alle Ortsangaben. Nach der Routenkarte von J. Hansen könnte die genaue Position aber wohl in 42^20' N., 21° 10' W. gewesen sein, wo der Talisman in 4000 m längere Zeit gearbeitet hat. 3) G. Hartmann in Mitt. Ver. f. Erdk. Leipzig 1891, S. 76. ^) Verh. Geogr. Tag in Danzig 1905, S. 31. Der Pteropodenschlamm. 189 31 Millionen, dagegen tritt er auffallend zurück im Pazifischen Ozean, von dessen Riesenfläche nur 30 Millionen ihm gehören. Auf der Karte (Fig. 32, S. 192) hat man den Eindruck, als wenn der Globigerinenschlamm von seinem atlantischen Hauptsitze aus eine Invasion in den Indischen und Südpazifischen Ozean hinein ausführe. 2. Der Pteropodenschlamm (Fig. 30) ist nur eine, gewissen tropischen und subtropischen Rücken eigene Abart des Globigerinen- schlamms, worin die größeren mit bloßem Auge gut erkennbaren Bruch- stücke der Pteropodenschalen, namentlich auch ihre kugelförmigen Spitzen, einen sehr beträchtlichen Anteil beanspruchen. Es handelt sich hier sowohl um Pteropoden der Gattungen Lünacina, Clio und Cavolinia, als auch um Heteropoden der Gattungen Carinaria und Atlanta. Diese können Fig. 30. Pteropodenschlamm (nach Murray und Renard) ^^\i. dann allein ^ji bis ^2 der ganzen Masse biUen. Bezeichnend ist, daß sich diese meist etwas delikaten Schalen La größeren Tiefen als 2600 bis 2700 ni nicht mehr halten; dann ist der Globigerinenschlamm wieder typisch und allein da. Dieser Pteropodenschlamm umrahmt viele tropische Insel- bänke und -brücken in Tiefen von 1000 bis 2700 m. Insbesondere findet er sich auch um die Azoren, die Außenseite der Antillen, westlich von den Kanarischen Inseln und in verhältnismäßig großer Ausdehnung auf dem südatlantischen Mittelrücken zwischen Ascension und Tristan da Cunha. Im Indischen Ozean kennt man ihn vor der afrikanischen Küste vom Äquator an bis nach Sokotora hin, auch westlich von Kap Comorin, bei den Nikobaren und Mentawieinseln. Im Pazifischen Ozean um die Fidschi- inseln, östlich vom großen australischen RifE, um die Kermadec- und Hawaiischen Inseln, namentlich aber auch im Paumotugebiet. Überall handelt es sich nur um geringe Areale, die zusammen kaum 1 1/2 Millionen qkm erreichen. 3. Der Diatomeenschlamm (Fig. 31) ist ein kieselsäure- reiches Sediment und im Gegensatze zum Globigerinenschlamm über- wiegend eine Bildung der höheren Breiten beider Hemisphären; er hat seinen Ursprung wesentlich im Phytoplankton. Der Name ist von Sir 190 Die eupelagischen Sedimente. John Murray zuerst während der Challengerexpedition gebraucht worden, um gewisse vorwiegend aus den kieselhaltigen Frustulen von Diatomeen aufgebaute, im südlichen Indischen Ozean zwischen Kerguelen und der Eiskante auftretende Sedimente zu kennzeichnen. Der Diatomeenschlamm ist in feuchtem Zustande ein gelblichgrauer oder strohfarbener, sehr feinkörniger und in der Oberschicht sehr lockerer, in der Tiefe zäherer Schlamm; er wird, getrocknet, weiß und mehlartig, verhält sich auch beim Berühren mit den Fingern wie Mehl. Nur in größerer Landnähe kann er eine bläuliche Nuance annehmen, durch die ihm beigemengten Mineral teilchen. Sein Kalkgehalt ist in der Regel sehr gering, meist stark unter 30 Prozent ; er wird durch Foraminif eren und andere Plankton- Fig. 31. Diatomeenschlainm (nach C Chun) 3oo|j. Erklärung. 1—5 Coscihodiscus sp. — 6 Asteromphalus. — 7 Fragilaria antarctica. — 8, 9 Synedra. — lO Rhizosolenia. — It Chaetoceras. — J2 Navicula? — 13, 14 Dictyochen und Radiolarien. formen beigesteuert. Die Hauptmasse aber liefern die Diatomeen, deren überaus reichliches Vorkommen in den kühleren und salzärmeren Meeres- strichen unweit des Treibeises des hohen Südens schon von Sir John Hooker beobachtet wurde, wie es übrigens auch den Nordpolfahrern aus den kalten Strömungen bei Grönland geläufig ist. Die im besser bekannten südhemisphärischen Diatomeenschlamm vorzugsweise vertretenen Arten gehören den Gattungen Navicula, Cos- cinodiscus, Thallassiothrix , Fragillaria, Synedra, Asteromphalus, Rhizo- solenia, Actinocyclus u. a. an, deren Frustulen sich leicht aus dem Sediment abschlämmen lassen. Der feinste zurückbleibende Rest ist aus Splittern zerstörter Frustulen und anderer Gehäuse gebildet, enthält aber auch terrigene Miner alteüchen, die im Süden reichlich genug vom schmelzenden Eise zugeführt werden. Daß es hierbei auch nicht an gröberen erratischen Geschieben fehlen kann, ist selbstverständlich. — ■ Bei Behandlung mit verdünnter Salzsäure löst sich ein beträchtlicher Teil des Sediments: in Der Diatomeenschlamm. 191 einem von Murray und Renard mitgeteilten Falle waren es ^/lo, die auf- gelöste Kieselsäure machte dabei 68 Prozent aus, unlöslich davon blieben 4.7 Prozent, der Glühverlust war 5.3 Prozent, Eisenoxyd und Tonerde waren nur in ganz geringen Mengen vorhanden, der kohlensaure Kalk erhob sich auf 19.3, der phosphorsaure betrug nur 0.4, die Bittererde 1.1 Prozent. Aus dem chemischen Verhalten des Diatomeenschlammes schließen Murray und Renard, daß er wesentlich aus Kieselsäurehydrat bestehe. Ein geschlossener Gürtel dieses Sediments umgibt den Erdball in den höheren Südbreiten (s. Fig. 32) mit einem Areal von fast 22 Millionen qkm ; am schmälsten ist er südlich von Amerika, am breitesten anscheinend im Indischen Ozean. Schon seit 1851 kennt man sein Auftreten im nörd- lichsten Teil des Pazifischen Ozeans bei den Aleuten, wo Lt. Brooke die Proben sammelte und Professor J. W. Bailey sie bestimmte. Sehr auf- fällig sind die Diatomeensedimente in den tropischen Breiten, wie sie 1904 Alex. Agassiz im Perustrom zwischen Callao und den Galäpagos auffand, wo sich stellenweise in Tiefen zwischen 2700 und 5200 m „eine richtige Infusorienerde ' bildet, oder wie in den Grundproben des Nero zwischen den Marianen und Philippinen, wo in Tiefen von 4500 bis 6000 ni die Diatomee Coscinodiscus rex, eine der größten bekannten Formen von 0.8 mm Durchmesser, örtlich ganz eng umschriebene fleckweise auftretende,, gänzlich aus Frustulen bestehende Anhäufungen zusammensetzt^). Ins- gesamt nimmt der Diatomeenschlamm ein Areal von rund 23 Millionen qkm oder 6.4 Prozent der irdischen Meeresböden ein. Auffallend ist, daß das Sediment in der unmittelbaren Nähe der Eiskante gänzlich fehlt, wo man es doch nach dem besonderen Reichtum des dortigen Planktons an Diatomeen vorzugsweise erwarten sollte. Die Tatsache ist über- einstimmend von der Belgica, Gauß und Scotia gemeldet. Zur Erklärung sind zwei Wege versucht worden. Zunächst kann man daran denken, daß die Dia- tomeen nur durch die vor der Eiskante selbst besonders ergiebige Ablagerung von kontinentalem Schutt verdeckt seien. Wäre das richtig, so müßte der diatomeen- freie antarktische Schlick vorzugsweise aus gröberem Material bestehen. Im Gegenteil aber fand wenigstens die schottische Expedition den genannten Schlick als ein auffallend feinkörniges Sediment. Einen zweiten, anscheinend gangbareren Weg zur Erklärung hat der Geologe der deutschen Südpolar- expedition gewiesen. Nach Dr. E. Philippi sind es Unterströmungen, die die absinkenden Diatomeenreste mit sich nordwärts fortreißen und so erst in einiger Entfernung vom Eise zum Absatz gelangen lassen. In der Tat läßt sowohl die Anordnung der Temperaturen, wie der unmittelbare Augenschein im Verhalten der Planktonnetze solche Strömungen als vorhanden und wirksam annehmen: es smd die von 0. Pettersson küizlich näher untersuchten Eis- schmelzströme. Auffällig bleibt immerhin die verhältnismäßig sehr scharfe Abgrenzung zwischen dem diatomeenfreien blauen Schlick und dem Dia- tomeenschlamm zwischen 57^ und 6P S. B., wie sie die schottische Expedition fand; es war: in 6P 21' S., 13° 2' W.: blauer Schlick ohne Diatomeen, „ 56« 57' S., 10° 3' W.: 55 Prozent Diatomeen im Sediment, ., 51° 7' S., 90 31' W.: 70 ^) James M. Flint, Bull. U. S. National Museum Nr. 55, Washingtoa 1906, p. 12. 192 Die abyssischen Sedimente. Die abyssischen Sedimente (vergl. Karte Fig. 33) werden wesentlich durch den Koten Tiefseeton gebildet, der in typischen Proben fast ganz ohne Planktonreste bleibt, wo aber doch solche vertreten sind, die kalkigen Teilchen ausschließt und nur die kieseligen duldet. Darum ist es ganz berech- tigt, den sogenannten Eadiolarienschlamiii nur als eine örtliche Variante des Roten Tons aufzufassen. 4. Der Rote Tiefseeton, der die größten Tiefen und die weitesten Flächen der Ozeane erfüllt , birgt auch noch die tiefsten Ge- heimnisse irdischer Sedimentbildung, denn seine Entsteh- ung kann noch keines- wegs in allen Punkten als aufgeklärt gelten. Als die Challengerex- pedition zuerst auf dem Wege von Tene- rife nach St. Thomas alle Tiefen von mehr 'als 4800 m mit einem eigenartigen Ton be- deckt sah, vertrat ihr Leiter Sir Wyville Thomson die Auffas- sung, daß dieser Ton in Wahrheit eben- falls organischen Ur- sprungs sei, nämlich der letzte unlösliche Überrest der kalkhal- tigen Ablagerungen, die anderwärts den Globigerinenschlamm liefern, sozusagen die Asche des Planktons, nachdem der Kalk auf irgenS =r 0.030 -f 1.8050 C^; ihr liegen die aus der nach- stehenden Tabelle ersichtlichen Beobachtung&paare zu Grunde. Probe S beobachtet i Cl beobachtet S berechnet 1 2.6876 1.4736 2.6894 2 14.6376 8.0888 14.6297 3 14.6308 8.0888 14.6297 4 18.8179 10.4103 18.8200 5 23.2045 12.8422 23.2096 6 28.9563 16.0231 28.9511 7 35.0668 19.4170 35.0771 8 35.3820 19.5911 35.3913 9 ! 40.1808 22.2371 40.1673 Wenn Martin Knudsen der Formel eine Gestalt gegeben hat, wo y = a -\- bx gesetzt ist , wo für cc = 0, y =^ a wird , also für einen Chlorgehalt = 0 doch ein Salzgehalt = 0.03 Promille herauskommt, so hat das, wie er mir mitteilt, die Bedeutung, daß in den hier in Betracht kommenden natürlichen Wassern, wo Cl == 0 werden kann, wie in Flußmündungen, zwar stets ein minimaler Salzgehalt gelöst vorkommt, der aber kein Chlorid ist, also bei der Titration nicht reagiert (so u. a. kohlensaurer Kalk). Eine Interpolationsformel von der Form y := bx wäre imr dann angemessen, wenn man das destillierte Wasser als einen speziellen Fall des Seewassers betrachten dürfte; eben das aber ist nicht zulässig. Das abnorme Verhalten des Chlorkoeffizienten in den schwach salzigen Teilen der Ostsee bestätigt eine solche Auffassung. Als ich vor längerer Zeit ') die Beziehungen zwischen dem Chlor- und dem Salzgehalt (dieseji natürlich nach der alten Definition) prüfte, erhielt ich aus einer Kombination von 146 Wertepaaren, die sich in 9 Gruppen ordneten, einen Chlorkoeffizienten, der mit abnehmendem Chlorgehalt größer wurde, wobei er in einem Falle bei ') Geophysik. Beob. der Planktonexped. 1892, S. 70. Verhältnis des Chlors zum Salzgehalt. 2'i3 bottnischem Wasser {S = 0.7 Promille) auf 2.150 anstieg, bei «9=4.2 auf 1.837 herunterging und bei ozeanischem Salzgehalt (.9 = 35.0) 1.811 wurde, so daß sich sein Verhalten durch eine nach der Methode der kleinsten Quadrate ermittelte Formel ausdrücken ließ. Ist der Koeffizient = v., so wird v. = 1.83 — 0.0011 C/. H. N. Dickson ') erhielt bald darauf eine identische Gleichung, wobei nur der zweite Faktor auf 0.0012 vergiößert wurde. — Über die Form, in der die Salze im Seewasser auftreten, sind wir noch mangelhaft unterrichtet. Das Seewasser ist ein Gemisch verdünnter Lösungen. Wollen wdr es künstlich nachmachen, wie das zur Füllung von Aquarien im Buinenlande öfter geschieht, so könnten wir gleiche Volumina mischen von Lösungen des Chlornatriums vori fast ^2 normal, Chlormagnesium ^'25 normal, Magnesiumsulfat '/70 normal, Calciumsulfat "m, Calciumkarbonat ^l^oo nor- mal, wenn wir Dittmars Daten (S. 219) zu Grunde legen und molekulare Normal- lösungen darunter verstehen. Mischt man aber so verdmmte Lösungen, so zeigen sie Jiach den Lehren der modernen physikalischen Chemie eine ihnen mit den Gasen gemeinsame Eigenschaft: sie durchdringen einander mit der Zeit ganz gleichmäßig, und jede Lösung erfüllt schließlich den Raum so, als ob die anderen Genossen nicht vorhanden wären, genau wie Gase, die sich der Schwere entgegen ausbreiten und mit anderen Gasen mischen. Hieraus würde sich die so auffallend gleichmäßige Zusammensetzung des Seewassers im Weltmeer auf einfache Weise erklären. Bei so verdünjiten Lösungen treten aber ferner auch die Erscheinungen der sogenannten elektrolytischen Dissoziation auf, d. h. die vorher genannteji Salze zerfallen größtenteils in ihre Ionen, von denen auf der einen Seite die elektrisch negativ geladenen Anionen Chlor, Brom, Sulfat (SO4) und Karbonat (CO..j), auf der anderen die elektrisch positiven Kationen Natrium, Calcium, Kalium, Magnesium stehen (um von den selteneren Komponenten hier ab- zusehen), deren elektrische Ladungen aber einander aufheben, so daß sich das Seewasser nach außen hin elektrisch neutral verhält. Der Dissoziationszustand ist aber kein vollständiger, es werden sich also noch viele Ionen zu Molekülen vereinigt finden, nur so, daß zu jedem Kation ein gleichwertiges Anion gefügt ist, wonach je 4 schwefelsaure Salze, 4 Chlormetalle und 4 Brommetalle, also schon 12 Salze auftreten können, deren relative Mengen allerdings nicht ge- nauer zu bestimmen möglich ist. Wird aber die Konzentration der gesamten Salzlösung vermehrt, wie es durch die Verdunstung in den Seesalinen oder Salzgärten geschieht, so schwindet die Dissoziation mehr und mehr, so daß sich dann die einzelnen der Salzkomponenten in der Weise zusammen finden, wie sie später bei weit fortgeschrittener Verdunstung als fester Niederschlag zum Vorschein kommen. Nach den älteren Untersuchungen von I. Usiglio-), der diese Prozesse bei einer Temperatur von 40^ systematisch an Mittelmeer- wasser beobachtete, erschien, sobald das W^asser auf die Hälfte (53.3 Prozent) des ursprünglichen Volums eingeengt und der Salzgehalt von 37.7 auf etwa 68 Promille gestiegen war, als erster Niederschlag das Ferrioxyd (Fe20:,) und ein Teil des Kalkkarbonats. Bei Einengung auf \':. des Ausgangsvolums war der letzte Rest des Kalkkarbonats ausgefällt und gleichzeitig erschieii Gips. Chlornatrium trat im Niederschlag nicht eher auf, als bis die Einengung bis auf Vio durchgeführt war; zugleich damit begann auch Magnesiumsulfat und Chlor- magnesium in kleinen Mengen auszufallen. Natriuinbromid erschien nach Einengung auf ^,'2.-.. Die früh begonnene Gipsausscheidung war bei Einengung ) 12th ann. Report Fish. Board of Scotland. Edinburgh 1893, p. 341, ) Ann. chim. phys. Paris 1849, t. 27, p. 92 und 185. 224 I^ie Salze des Meerwassers. auf '/3 3 erst beendet, nachdem auch schon die große Hauptmasse des Chlor- natriums auskristallisiert war. Bei Schwankungen der Temperatur erwiesen sich übrigens diese Prozesse als sehr verwickelt, wie denn schon den Salinen- technikern seit alters bekannt war, daß sich die Mutterlaugen bei Nacht anders verhalten, als bei Tage. Die Bildungsverhältnisse ozeanischer Salz- ablagerungen bei einer Temperatur von 25 ^^ haben dann kürzlich I. H. Van't Hoff zu einer umfassenden Analyse veranlaßt, die nicht nur die Bedeutung der Umwandlungstemperaturen ins Licht setzte, sondern auch die quantitativen Verhältnisse, in denen die einzelnen Lösungsgenossen in den jeweiligen Ab- scheidungsphasen zueinander stehen, als sehr bedeutsam für die Abscheidungs- folge aufklärten. Doch haben seine geistvollen Ausführungen für die Ozeano- graphie weniger Bedeutung, als für die Chemie, da es in den heutigen Meeren örtlichkeiten nicht gibt, an denen sich so mächtige Salzlager abscheiden, wie sie in Staßfurt (über 300 m) oder ähnlichen Plätzen bekannt geworden sind (vergl. S. 164). Was die Frage nach der Herkunft der Salze betrifft, so haben sich schon seit deni Altertum zwei Meinungen gegenübergestanden, von denen die eine alles Salz vom Lande herleiten wollte, während die andere dem Meere einen ursprünglichen Salzgehalt zuerkennt, der sich, nach der Meinung der ionischen Naturphilosophen, stetig vermehre, indem die Sonne und die Ge- stirne aus dem Ozean ihre „Nahrung" in Dampf form zugeführt erhielten; wogegen Aristoteles einwandte, daß die Erde für solche Leistung an die Himmels- körper viel zu klein sei. Unter den Neueren hat Lavoisier das Meer als das Spülwasser der großen Werkstätte der Natur bezeichnet, und sogar bei ganz modern und großzügig denkenden Chemikern finden sich Wendungen, wie die, daß die atmosphärischen Niederschläge die Gesteine auslaugen und mit Hilfe der Flüsse den großen wäßrigen Auszug der ganzen Erdoberfläche schaffen, den wir das Meer nennen. Da hat schon vor mehr als 100 Jahren Friedrich Wilhelm Otto') ganz richtig eingewendet: „Alle jene Hypothesen setzen zum voraus, daß das Meerwasser ursprünglich süß gewesen sei. Wo bleiben aber als- dann die zahllosen Tier- und Pflanzengattungen, denen das Meer zum Aufent- halt angewiesen ist und welche das süße Wasser nicht vertragen können? Und würde nicht das Meer durch diese Wege einen immer stärkeren Salzgehalt bekommen müssen, so daß es am Ende ganz davon gesättigt werden müßte, weil nur das süße Wasser in Dünsten davongeht? . . . Sain Salzgehalt ist also ursprünglich, sowie auch die ganze Mischung der übrigen Bestandteile, welche dem Meerwasser seinen Geschmack geben." Um die Frage in einiger Schärfe zu lösen, würde es einer genauen Kenntnis der Quantitäten sowohl des in die See gelangenden Flußwassers, wie auch der darin mitgeführten Salze bedürfen; diese besitzen wir aber zur Zeit noch nicht. Nur in ungefähren Umrissen vermögen wir wenigstens in qualitativer Hinsicht das Problem zu kennzeichnen und gelangen dann zu einer, der behaupteten kontinentalen Abkunft der Seesalze durchaus ungünstigen Entscheidung. Nach Justus Roth^) sind zwar die von den Flüssen in Lösung mitgeführten Salz- mengen nur sehr gering, durchschnittlich nur '/coon der Wassermenge oder 0.167 Promille, d. i. 210mal weniger, als im gleichen Gewicht Seewasser, wenn sie sich auch, im Laufe der Zeit aufgehäuft, stark summieroi müssen. Aber die ganze Zusammensetzung der gelösten Bestandteile ist in den Flüssen eine wesentlich andere, als in den Meeren. Nach einer viel wiederholten und in erster Annäherung jedenfalls zutreffenden Berechnung von Justus Roth, die sich auf genaue Analysen des Rheins bei Bonn, der Weichsel bei Culm, der Rhone bei Lyon, der Loire bei Orleans, der Themse bei Lambeth, des Nils ') Abriß der Naturgeschichte des Meeres. Berlin 1792, Bd. 1, S. 78. 2) AUg. u. Chem. Geologie, I, 1879, S. 462 u. 494. Herkunft der Seesalze. 22! bei Kairo und des St. Lorenzstroms gründet, entfallen für 100 Teile der ge- lösten festen Substanzen folgende Anteile. Karbonate im Mittel . . „ Maximum „ Minimum 60.1 81.Ö 45.9 Sulfate 9.9 18.9 2.Ö Chloride 11.8 3.5 Sonstiges*) 24.8 45.5 0.0 Wenn man die letzte Gruppe wegläßt u)id nur die an die drei Säuren gebundenen Salze ins Auge faßt, so wird die prozentuale Verteilung eine etwas andere und ist mit den entsprechenden Komponenten des Siesalzes (nach Forchhammer S. 218) zusammen aus folgender kleinen Tabelle ersichtlich, die ebenfalls Roth berechnet hat. Karbonate: Sulfate: Chlori Flußwasser . . . 80 13 7 Meerwasser . . . . 0.2 10 89 Die das Seesalz hauptsächlich bilden.den Salze, insbesondere die Chloride, können nicht auf das Landwasser zurückgeführt werden ; dieses enthält absolut und relativ genommen zu geringe Mengen davon. Die Probe hierauf macht aber, w^ie F. v. Richthofen ^) sich einmal trefiend ausdrückt, die Natur selbst durch ein im großen vollzogenes Experiment, indem sie im Bereiche der abflußlosen Gebiete, in den zentralen Teilen der Kontinente, alles meteorische. Wasser nach Auslaugung der von ihm passierten Gesteine in stagnierende Seenbecken ansammelt und die gelösten Salze durch Verdunstung konzentriert. Auch hierfür hat Justus Roth die erforderlichen Daten gesammelt. Wenn im Ozean auf 100 Teile Chlor 11.4 bis 11.9 Teile Schwefelsäure (SO3) entfallen (S. 219), finden sich im Wasser des Kaspischen Saes davon 47.5, und Kalk ist darin 2^,2 mal soviel, Magnesia doppelt soviel vorhanden, wie im Seesalz ^). In vielen benachbarten Steppenseen überwiegt das Chlormagnesium das Chlornatrium um das Doppelte, in anderen sinkt es auf ein Minimum, wie im Arsargar. Im Toten Meer kommen in Prozenten aller Salze auf Chlomatrium 25 bis 29, Chlormagnesium 51 bis 65, Gips 0.3 bis 0.4 Prozent. Im Salz des Kuku nor fand C. Schmidt an Chlornatrium 64.4, Natriumsulfat 16.1, Magnesiumsulfat 8.7, Calciumkarbonat 4.4 und Magnesium- karbonat 4.0 Prozent. In den Natronseen Kleinasiens, Nevadas oder der Libyschen Wüste ist doppelt bis dreimal so viel Natriumkarbonat als Natrium- chlorid gelöst, in den Boraxseen des Great Basin und in Hochtibet fuiden sich große Mengen von Borax und borsaurem Natroii, die ebenfalls nur aus Ver- dunstung zugeführter Quellwasser herrühren. Diese abflußlosen Seen, die wahren Sammler des Abraums der Festlandsoberfläche, haben eine ganz anders geartete und höchst wechselvolle Zusammensetzung gegenüber der so gleichmäßig gemengten des Meeres. Umgekehrt aber sind viele Wege denkbar, auf denen wir die in den Festlandgesteinen enthaltenen Salze auf das Meer *) Kieselsäure, Tonerde, Eisenoxyd, organische Substanz u. a. m. 2) Das Meer und die Kunde vom Meer. Berhn 1904, S. 13. ^) Nach Lebedinzeffs neuesten Analysen finden sich im kaspischen Wasser (in Prozenten des ganzen Salzgehalts) : NaCl = 62.15, MgSO, = 23.58, MgCl.. = 4.47, OaSO, = 6.92. Krümm el , Ozeanographie. I 15 226 Die Salze des Meerwassers. zurückführen können ; was wir für die Kalkgesteine, die den ehemals im Meere gelöst gewesenen und von Organismen daraus abgeschiedenen kohlensauren Kalk enthalten, bereits früher erwiesen haben (S. 159). Auf die Frage, wie denn nun positiv der Ursprung der Meeressalze zu er- klären sei, haben wir nur eine Antwort, die sich auf eine Reihe von Hypo- thesen und daraus abgeleiteten Schlüssen gründet. Daß einst Friedrich Mohr in seiner Geschichte der Erde eine solche Frage schlechthin als unzulässig behandelte, kann uns nicht davon abhalten, ihr näher zu treten. Der Weg zu ihrem Verständnis führt uns allerdings zurück in sehr frühe und durchaus hypothetische Zustände^) unseres Planeten, wo dieser ein glühender Gasball war. In ihm waren alle vorhandenen Gase völlig durcheinander gemischt vorhanden. Bei weiterer Abkühlung aber mußte der Sauerstoff den Wasser- stoff und die Kohlenwasserstoffe zu Wasser und Kohlensäure verbrennen, alsdann auch die unedlen Metalldampfe der Alkalien und alkalischen Erden in diesen Weltenbrand hineinziehen und schließlich auch das Aluminium und Silicium verbrennen. Wie es in einer Bessemerbirne geschieht, bildete sich dann eine erste Art von Erdoberfläche heraus mit oxydischen Schlacken, die den noch nicht oxydierten Metallkern vom atmosphärischen Sauerstoff trennten. In der geschmolzenen Silikatschlacke konnten sich die Gase der noch vorhandenen Atmosphäre lösen und zwar in reichlichen Mengen, ent- sprechend dem enorm hohen Druck, von dem wir uns eine Vorstellung machen können, wenn wir uns die jetzige Hydrosphäre verdampft, die Kalksteingebirge zersetzt, alle Kohlenflöze, Graphit- und Petroleumlager verbrannt denken wollten. Zahlreiche Einschlüsse vo)> Wasser und Kohlensäure in quarzhaltigen Gesteinen, wie des Granits oder Obsidians, wie auch die Wasserdämpfe, Chloride, Kohlensäure und Schwefel liefernden Exhalationen der vulkanischen Laven zeigen uns noch die Zusammensetzung jener ehemaligen Glutatmo- sphäre. Eduard Sueß hat in seinem berühmt gewordenen Vortrage^) über die Thermen von Karlsbad darauf hingewiesen, daß gerade die heißesten Fuma- rolen trockene Kohlensäure enthalten; und die Tatsache, daß bei den Vulkan- eruptionen Chlorwasserstoff, Chlornatrium, Fluor, Bor, Phosphor, Arsen, Zinn, Wismut, Lithium, Thallium, Rubidium, Cäsium u. a. m. zum Nieder- schlag kommen, zeigt die außerordentliche Reichhaltigkeit dieser noch im Erdinneren vorhandenen, im Magma seit Urzeiten her gelösten Stoffe. Sobald diese in jenen entlegenen Perioden der Erdgeschichte in den ersten Ansamm- lungen der wäßrigen Niederschläge der Atmosphäre in Gestalt von Chloriden, Sulfaten und Karbonaten der Alkali- und Schwermetalle in Lösung gingen, war die Geburt des Ozeans vollzogen. Einst gezeugt in Feuer und Flammen wird er noch heute weiter genährt durch die magmatischen Glutausbrüche des Erdinnern, die ihm auf dem Wege durch die Atmosphäre stetig neue Zu- fuhren von Wasser und Salzen zukommen lassen. Das Meer unterhält nicht die vulkanischen Eruptionen mit in die Tiefen einfiltrierendem Wasser, sondern umgekehrt, die im Erdinnern seit der Bildung eines Schlackenballs gelöst vor- handenen Gase brechen sich in den Vulkanen nach außen hin Bahn und ver- mehren den Gehalt der Atmosphäre an Wasserdampf, Kohlensäure, Chlor- und Schwefelgasen, die dann alle zusammen durch Niederschlag dem Meere zugeführt werden. Nach jeder Vesuveruption bedeckt sich der Krater mit weißglänzendem Schnee von Kochsalz, und südamerikanische Vulkane hauchen in die Atmosphäre ungeheuere Mengen von Chlorwasserstoff aus, der durch Zersetzung der Metallchloride in Gegenwart von hoch erhitzten Wasserdämpfen ^) Sehr gut dargestellt bei Erwin B au r, Chemische Kosmographie, München und Berhn 1903. =) Verh. d. Naturf. u. Ärzte in Karlsbad 1902, Bd I, S 140; Naturw Rund- schau 1902, S. 597. Vergl. auch H. Haas, Der Vulkan. Berhn 1903, S. 127 ff. Menge und Gewicht der Salze. 227 entsteht; so der Purace täglich 30 000 kg. Hierdurch wächst also das Volum des Meeres mit jedem Vulkanausbruch; dieses Wachstum ist die Fortsetzung desselben Vorgangs, der als Geburt des Ozeans bezeichnet werden konnte. So sind die Salze des Meerwassers alle miteinander ihm von Anfang an mit- gegeben und nicht terrigenen, sondern magmatischen Ursprungs. Einen gewissen kleinen Bruchteil seines ursprünglichen Eigentums hat der Ozean an das Festland ausgeliehen und erhält es nach einem durch die atmosphäri- schen Gewässer vermittelten Kreislauf im wesentlichen unverkürzt wieder zurück. Die absolute Menge der im Meer gelösten Salze vermögen wir zur Zeit nur sehr angenähert anzugeben, da wir, wie später zu zeige. x, die Verteilung des Salzgehalts in den großen Tiefenräumen der Ozeane nur unvollkommen kennen. Nehmen wir als durchschnittliche Dichte des See Wassers entsprechend ihrer Steigerung durch Kompression 1.0367 oder rund 1.04 an, so würde das ein Gesamtgewicht des Weltmeers von 138 X 10^6 Tonnen ergeben (S. 150). Beträgt der durchschnittliche Sialzgehalt 3.5 Gewichtsprozente, so berechnet sich die totale Salzmenge auf 4.84 X 10^^ Tonnen. Das Volum der Salzschicht, die übrigbliebe, wenn wir uns den Ozean vollständig eingedampft dächten, ist abhängig vom spezifischen Gewacht der festen Salzkomponenten. Dieses ist für Kochsalz = 2.17, für Chlormagnesium — 2.18, Calciumsulfat = 2.97, Calciumkarbonat = 2.72, Magnesiumsulfat = 2.65, Chlorkalium = 1.99 anzunehmen, und daraus als Mittel, die Salze proportional ihren relativen Mengen eingesetzt, 2.22. Hienach berechnet sich als Volum des Salzes im Ozean 2.18 X 10^^ cbm oder 21.8 Mill. cbkm, was, auf einem eben gedachten Meeresboden von 361 Mill. qkm Fläche ausgebreitet, eine Salzschicht von 60 m Höhe ergäbe. Berechnungen mit geringeren Höhen (F. V. Richthofen: 40 m) haben die Zusammench'ückung der Tiefenschichten außer acht gelassen. Von jenen 60 m würden 47.5 m allein auf das Koch- salz entfallen, 5.8 m auf Chlormagnesium, 3.9 m auf Magnesiumsulfat und 2.2 m auf Calciumsulfat. Um für das vorhandene Salzvolum eine gewisse Anschauung zu gewähren, sei hinzugefügt, daß Afrika samt Mada- gaskar über dem Meeresspiegel ein Volum von 19.4 Mill. und ganz Amerika von 28.4 Mill. cbkm einnimmt; das Salzvolum ist also um 2.4 Mill. cbkm größer als Afrika. Aus dem Salzblock von 21.8 Mill. cbkm könnten wir dreimal das europäische Land aufbauen, während er noch nicht ganz für die Hälfte Asiens ausreichte, das nach der neuen Berechnung von 0. Lo- rentzen 41 .6 Mill. cbkm Volum hat. Wollten wir alles Salz dem Ozean ent- ziehen und in den Becken der Nebenmeere deponieren, so würden das australasiatische, amerikanische und romanische mit 22.7 Mill. cbkm zusammen Raum dafür bieten und sich so gänzlich in Salzlager umwandeln lassen. Die von den Flüssen in die See geführten Salzmengen sind ein verschwindend kleiner Bruchteil der im Meer vorhandenen. An Kar- bonaten fanden wir unter den gelösten Stoffen im Flußwasser 60 Prozent, also, da die Gesamtmenge der letzteren, d.h. ihr jährlich ins Meer geführtes Gewicht auf etwa 4100 Mill. Tonnen geschätzt wird^), in absolutem Ge- ^) Penck, Morpholog. der Erdoberfl.I, 310. Nach einer soeben erschienenen neuen Berechnung von Dr. Fritzsche ( Niederschlag , Abfluß und Verdunstung, Halle 1906, S. 38) ist das Volum des abfließenden Flußwassers = 30 600 cbkm. 228 ^i^ Dichtigkeit des Seewassers. wicht 24(50 Mill. Tonnen. Vom Meersalze nehmen die Karbonate zwar nur 0.2 Prozent ein, absolut aber sind es 99.4 X 10^- Tonnen oder 39 OOOmal mehr, als die Flüsse jährlich hineinschwemmen. Von Sulfaten sind im Meer 9 MiUionen, von Chloriden aber 17 Millionen mal mehr (in Gewichts- einheiten) vorhanden, als alle Flüsse der Welt jährlich liefern. Hieraus geht abermals hervor, daß das Seewasser nicht aus Verdunstungsrück- ständen der Flüsse gebildet sein kann. Ganz müßige Rechenübungen aber sind es, wenn man aus dem jetzt im Meer gelösten Natrium das ,. Alter der Erde" auf 100 oder auch 400 Millionen Jahre schätzen will, indem man es durch summierte Zufuhr aus den Flüssen des Landes an- gehäuft sein läßt'). 2. Die Dichtigkeit des Seewassers. Durch das Hinzutreten gelöster Stoffe wird, Avie jede andere Lösung, auch das Seewasser spezifisch schwerer, als das reine Lösungsmittel. Aus einer neueren Arbeit von M. Chevallier-) ist auch in einer gewissen An- näherung zu entnehmen, wie im SeewassQX die einzelnen Lösungsgenossen das spezifische Gewicht des Ganzen erhöhen. 1000 g Seewasser vom ge- wöhnlichen ozeanischen Salzgehalt mögen 35 g gelöster Stoffe enthalten; dann ist das spezifische Gewicht bei 0^ == L02812, das des reinen Wassers bei 4'^ als Einheit genommen. Der Abkürzung wegen drücken wir das spezifische Gewicht dieser Art, also S'^'., in Einheiten der dritten Dezimale aus und bezeichnen es mit a„ = 28.12. Bestünde das Seesalz allein aus Chlornatrium, so wäre a„ nur = 2G.67, also um L45 solcher Einheiten kleiner. Ganz aus Magnes'umsulfat bestehend, würde aber 0(^ = 36.94 werden, also 8.82 Einheiten größer als das gemischte Salz in Wirklichkeit ergibt, oder 10.27 Einheiten größer, als in einem Kochsalzmeer von 35 Pro- mille Salzgehalt. Anscheinend sind es die Sulfate, die erhöhend wirken. Nehmen wir die nach Forchhammer berechneten Konzentrationen für die fünf vornehmsten Lösungsgenossen, so erhalten wir unter Benutzung von Ch^vaUiers Bestimmungen die partiellen a^,, wie folgt: NaCl = 26.86 Prom., g,, = 20.40 MgCU = 3.24 „ 0^ = 2.72 MgSÖ, = 2.20 „ Go = 2.33 CaSO^ = 1.35 „ 00 = 1.4G KCl = 0.58 „ G, = 0.39 Diese fünf geben zusammen a^, = 27.30, also noch 0.82 dieser Einheiten zu wenig. Das Defizit beruht größtenteils auf den vernachlässigten übrigen Lösungsgenossen, deren Zahl groß ist, aber auch auf dem Umstände, daß bei komplexen Lösungen die physikalischen Eigenschaften sich nicht einfaöh durch Summierung der Einzelwirkungen berechnen lassen, wie eben geschah, sondern Abweichungen davon die Regel sind. Die Kenntnis des spezifischen Gewichts des Seewassers ist von großer ozeanographischer Bedeutung ; denn ein großer Teil der Meeresströmungen beruht sicharlich auf örtlichen v^erschiedenheiten der Wasserdichte. ') L Joly in Trans. R. Soo. Dublin 1899, vol. 7, p. 23 ; E. Dubois, üitk. Kgl Aka'd, Wetenscli. Amsterdam 1902, p. 388. ^) Bull, du Musce Oceanogr. de Monaco 1905, Nr. 31. Bestimmung des spezifischen Gewichts. 229 Die genaue Bestimmung des spezifischen Gewichts hat im Laboratorium keine erheblichen Schwierigkeiten. Mit Hilfe eines Pyknometer.^ eines Thermo- staten und einer feinen Wage wird ein mäßig geübter Beobachter leicht eine Genauigkeit von 2 bis 3 Einheiten der fünften Dezimale (in fj- Werten +0.02 bis 0.03) erzielen, wenn er nach Anleitung der bewäJirten Handbücher für praktische Physik^) verfährt; eine Reduktion der Wägungen auf Luftleere darf keinesfalls unterbleiben. Für raschere Arbeit, namentlich w^enn nur eine Genauigkeit von +0.10 verlangt wird, kann eine hydrostatische Wage nach Mohr-Westphal gute Dienste leisten. Diese Methode ist aber ebenso wie die pyknometrische an Bord eines im Seegang schwankenden Schiffs ausgeschlossen, und man müßte dann die Wasserproben in gut verschlossenen Flaschen ein- gefüllt aufbewahren oder in Glasröhren eingeschmolzen nach beendigter Fahrt ins Laboratorium schaffen, öfter aber hat man allen Grund, sich sofort an Ort und Stelle über das spezifische Gewicht des Wassers verschiedener Schichten zu unterrichten. Man muß dann andere Methoden versuchen, unter denen die aräometrischen in erster Linie in Betracht kommen, daneben indirekte, wie die Chlortitrierung oder Bestimmung des Brechungsexponenten oder der elektrischen Leitfähigkeit. Das A r ä o m e t e r ist ein ehrwürdiges Instrument'), das wahrscheinlich von Archimedes erfunden, nachweislich im Anfange der christlichen Zeitrech- nung in Apotheken und seit 1600 in den Salinen allgemein gebraucht wurde, wo es den Namen Solwage oder Solspindel oder Senkwage erhielt. Der Name Aräometer (vom griechischen apacoc) bedeutet Dünnemesser, in anderen Sprachen heißt es Hydrometer, Densimeter, Volumeter; Aräometer für be- sondere Zwecke sind Alkoholometer und Milchprüfer. Das Aräom.eter beruht auf dem Prinzip, daß jeder in einer Flüssigkeit schwimmende Körper so weit eintaucht, daß das Gewicht der verdrängten Flüssigkeit dem Gewichte des Körpers genau gleich ist. Li einer dichteren Flüssigkeit, wie in Seewasser, wird ein solcher Körper weniger tief eintauchen, als in einer dünneren, z. B. Regenwasser. Ein im Flußhafen beladenes Seeschiff hat in See gelangt einen um mehrere cm geringeren Tiefgang, was schon Aristoteles wußte und richtig erklärte^). Um die verschiedene Tiefe des Einsinkens deutlicher erkennbar zu machen, gibt man dem Aräometer einen dünnen Hals oder Stengel über einer dickeren zylindrischen Spindel und bringt am Halse eine Marke oder eine Skalenteilung an. Ist das Gewicht des Aräometers = G, das im gegebenen Falle verdrängte Flüssigkeitsvolum = V, die Dichtigkeit der Flüssigkeit = S, so ist G = VS, oder das spezifische Gewicht S = G\ V. Für gute Aräo- meter muß also entweder das Gewicht G konstant sein; dann ändert sich das emgetauchte Volum nach dem spezifischen Gewicht der Flüssigkeit und muß der Stengel eine Skala tragen, also entsprechend lang und dünn gearbeitet sein. Oder es bleibt das eingetauchte Volum V konstant, dann genügt am Stengel eine einfache Marke, und man ändert das Gewicht des Aräometers durch Auflegen kleiner Gewichtstücke auf die Stengelspitze, damit es bis zur Marke eintaucht. Bei beiden Verfahren darf sich die Temperatur nicht ändern, denn das Wasser wird bei Erwärmung dünner, bei Abkühlung dichter, ebenso verändert sich das Volum des Aräometers mit der Temperatur, indem es sich bei Erwärmung ausdehnt, bei Abkühlung verkleinert, wobei dann auch das Volum und Gewicht des verdrängten Wassers anders ward. Bei den früher üblichen Instrumenten aus Metall war diese Volumänderung größer als bei den jetzigen gläsernen Aräometern, die zwar zerbrechlicher sind, aber ihre Gestalt ^) Kohlrausch, Handb. der prakt. Physik, oder Os twald- Luther, Hand- u. Hilfsbuch f. physikal.-chem. Beobachtungen sind besonders empfehlenswert. 2) Vergk meine Ausführungen in Ann. d. Hydr. 1890, 384. 3) Problemata p. 933. 230 I^i® Dichtigkeit des Seewassers. und ihr Volum nicht wie die metallenen durch Verbiegen ändern. Zu jedem spezifischen Gewicht gehört also eine genaue Angabe über die Temperatur, auf die es sich bezieht. Gewöhnlich werden Skalenaräometer benutzt, an denen man das spezifische Gewicht unmittelbar ablesen kann; die Skala wird geeicht, indem man das Aräometer bei einer bestimmten Temperatur (meist 17.5°, sonst aucli 4°) zuerst in destilliertes Wasser taucht und sodann in Seewasser von verschiedenem spezifischem Gewicht, das man vorher pyknometrisch genau festgestellt haben muß. Wollte man für den ganzen Umfang der in den Ozeanen vorhandenen spezifischen Gewichte, die von 1.000 bis 1.031 liegen, ein einziges Instrument benutzen, das noch die vierte Dezimale abzulesen ge- stattet, so müßte dieses einen unpraktisch langen Skalenstengel erhalten: bei 3 mm Dicke und einem Aräometergewicht von 150 g müßte er eine Länge von 30 cm erhalten, was ihn allzu zerbrechlich machte. Man fertigt daher besser mehrere Instrumente mit verschiedenen, aneinander schließenden Skalen an und erhält so im Handel Aräometersätze von 5 oder 10 Instrumenten für das genannte Intervall; der große Satz kann dann um so genauer gearbeitet sein. Von dieser Art sind die von der Kieler Kommission zur wissenschaft- lichen Untersuchung der deutschen Meere eingeführten Aräometer, die seit 1900 aus einem sehr widerstandsfähigen Jenaer Glase hergestellt werden. Eine zweite Art von Aräometern besteht nur aus einem Instrument von bequemen Dimensionen (180 cc) mit einem nur 12 cm langen und 3 mm dicken Stengel, der eine in Millimeter geteilte Skala trägt und dessen Gewicht man beliebig variieren kann, indem man Aufsatzgewichte (in Form von Metall- spiralen) auf die Stengelspitze aufsetzt. Dieser zweite Typus ist von I. Y. Buchanan auf der Challengerexpedition mit gutem Erfolg verwendet worden, bedarf aber einer sehr subtilen und zeitraubenden Vorarbeit^), indem man so- wohl das Vakuumgewicht des Aräometers als auch den Volumwert des Körpers wie der einzelnen Skalenteile, endlich auch die Volumveränderung des Glas- körpers mit der Temperatur vorher genau bestimmen muß. — Später hat Buchanan^) ein anderes erheblich vereinfachtes Verfahren eingeschlagen, das große Vorteile darbietet und nur eins zur Voraussetzung hat, daß man volle Gleichheit der Temperatur des Wassers, Aräometers und Meßzylinders mit der umgebenden Luft erreichen kann. Man beobachtet den Stand des Aräo- neters bei der Temperatur t^ zuerst in Seewasser unter einer bestimmten Belastung = Gs und erhält die Ablesung = h mm. Aisdarm wird das Aräometer in destilliertes Wasser derselben Temperatur t^ gebracht und das Aufsatz- gewicht so reguliert, daß die Eintauchung wieder bis zum Stande = h mm wird; das Gewicht ist dabei = G.t. Man verfährt am besten nach den Regeln der Interpolation, und bestimmt das Gewicht Gd aus über und unter h liegenden Belastungen. Dann ist in beiden Fällen das verdrängende Volum des Aräo- meters genau dasselbe, es bedarf also überhaupt keiner Volumbestimmung des Instruments, auch die Glasausdehnung ist ausgeschaltet, denn man erhält das spezifische Gewicht nunmehr aus der Gleichung Sfo = GsjGd. Indem man mehrere solche Messungen, mindestens aber für drei verschiedene h am Skalenstengel entlang ausführt, erhält man aus dem Mittel aller einen sehr zuverlässigen Wert. Das Aräometer übernimmt dabei die Bolle eines Ver- drängungspyknometers, und es arbeitet sich bequemer als mit dem gebräuch- lichen Füllungspyknometer. Dabei ist das Verfahren auch an Bord ausführbar. Endlich kann man auch Aräometer mit völliger Eintauchung als Unter- wasserschwimmer konstruieren, indem man einen geeigneten Schwimmkörper ') Vergl. die genaue Anleitung in Wiss, Meeresunters. Kiel 1900, Bd. 5, S. 25 f.; auch Thoulet, Oceanographie, Paris 1890, p. 331; Buchanan in Chal- lenger Reports, Phvsics and Chemistry vol. I. 2) Comptes Rendus Acad. Paris 1893, t. 116, p. 1321. Messung mit Aräometern. 231 mit passenden Gewichten so beschwert, daß er innerhalb des Wassers schwebt, ohne zur Oberfläche aufzutauchen oder zum Boden des Gefäßes hinabzusinken. Dieser Typus ist zuerst von G. Pisati empfohlen und von N. Reggiani 1883 auf der Forschungsfahrt des italienischen Dampfers Washington im Mittel- meer angewandt worden. In der neueren Zeit hat sich namentlich Fridtjof Nansen um diese Methode mit Erfolg bemüht'), um gewisse empfindliche Störungen der üblichen Aräometer zu vermeiden, die durch Änderungen der von Fall zu Fall wechselnden und unkontrollierbaren Oberflächenspannmig ent- stehen. Wir werden uns bei späterer Gelegenheit (S. 281) mit der kleinen ring- förmigen Kapillarwelle beschäftigen, die sich unter der Einwirkung der Ober- flächenspannung am Skalenstengel über das ebene Niveau der Wasseroberfläche erhebt und ihr Gewicht y berechnen lernen, mit dem sie sich an den Skalen- stengel anhängt und das x\räometergewicht vermehrt. So besteht also für ein Aräometer nicht die Gleichung S = GjV, sondern z= [G -\- )')IV. Wenn durch Fettteilchen oder andere Verunreinigungen die Glasoberfläche des Stengels nicht völlig benetzbar ist, hat die Größe y nicht den zu erwartenden Wert und taucht das Aräometer nicht so tief ein, wie es normalerweise sollte. Die Aräo- meter mit voller Eintauchung sind von diesem Eingreifen der Oberflächen- spannung vollkommen unabhängig; sie haben keinen Skalenstengel, sondern nur eine kurze Spitze am oberen Ende, die als Träger kleiner Aufsatzgewichte dient. Man muß aber auch hier das Gewicht (im Vakuum) und Volum jedes Instruments genau bestimmen und außerdem einen Gewichtsatz von Platin - iridiumspiralen bereit halten, um das Aräometer so weit zu belasten, daß es gerade unter Wasser schwebt. Hierzu gehört aber vor allem eine sehr sorg- fältige Regulierung der Temperatur, da kleine Schwankungen derselben die Dichtigkeit des Wassers verändern, w^as sofort das Taucharäometer zur Ober- fläche oder an den Boden befördert. Um möglichste Gleichmäßigkeit der Tem- peratur zu erzielen, hat Nansen ein Wasserbad oder noch besser ein sogenanntes Dewarsches Gefäß (mit evakuierten hohlen Wänden) empfohlen. Dauert der Versuch längere Zeit, was bei Ungeübten leicht vorkommt, wenn das Abstim- men der geeigneten Temperatur nicht gleich gelingt, so treten auch Störungen durch Verdunstung ein, wodurch das spezifische Gewicht des Seewassers ver- mehrt wird. Zum Abstimmen der Temperatur bedient man sich zweier langer unten zugeschmolzener Glasröhren, von denen die eine mit heißem Wasser, die andere mit Eisstückchen gefüllt ist und mit denen man das zu unter- suchende Wasser umrührt. Nansen fand, daß sich seine Taucharäometer auch bei recht starkem Seegang an Bord noch mit Vorteil verwenden ließen, in Fällen wo die gewöhnlichen Skalenaräometer versagten^). Seewasser, dessen spezifisches Gewicht bestimmt werden soll, und das sich durch darin suspendierte feste Teilchen getrübt erweist, muß filtriert werden, da die Fremdkörper das spezifische Gewicht des Wassers erhöhen. Für Wägungen mit dem Pyknometer ist das okne weiteres ersichtlich. Aber auch die Aräometer und die Senkkörper einer hydrostatischen Wage reagieren auf solche Trübung in der gleichen Weise, was durch geeignete Experimente von F. A. Forel an sedimentreichem Rhonewasser nachgewiesen und von A. A. Odin durch eine mathematisch-physikalische Entwicklung bestätigt worden ist^). ') Reggiani in Rendiconti R. Ac. dei Lincei, Roma 1890, 6, p. 99; Nansen in Scientific Results of the Norwegian North Polar Expedition vol. 3, Nr. X, Kri- stiania 1900, p. 78; Schetelig in Nyt. Mag. f. Naturvid. Bd. 39, Kristiania 1901, p. 255. '*) Das Gewichtsaräometer von Lohn stein (Zeitschr. f. Instrumentenkunde 1893, S. 164) eignet sich nur für das Laboratorium, ist aber ebenfalls von Störungen der Oberflächenspannung frei. 3) Bull. Soc. Vaudoise 1887, vol. 23, p. 85; Thoulet, Oceanogr. p. 337. 232 Die Dichtigkeit des Seewassers. Dichte des See w assers für die verschiedenen Temp. — 2« 00 10 2° 3« 40 5° 6° 70 8« 90 10" 11« 12 0 140 150 16« 170 18 0 19^ 20« 210 22 0 230 240 25» 26« 270 28" 290 30« 31^ 320 330 17.fto Dest.-W^assef (0.999 6941) (0.999 7903) 0.999 8676 9 9266 9 9680 0.999 9922 1.000 0000 0.999 9918 9 9680 9 9293 9 8759 9 8084 9 7271 9 6324 9 5246 9 4041 9 2713 9 1264 8 9697 8 8014 8 6220 8 4315 8 2303 8 0180 7 7906 7 5645 7 3225 7 0708 6 8097 6 5391 6 2594 5 9708 5 6732 5 3670 5 0522 0.994 7290 0.998 7131 1.003 8672 3 9427 4 0000 4 0399 4 0630 4 0696 4 0604 4 0360 3 9967 3 9430 3 8753 3 7941 3 6096 3 5923 3 4724 3 3402 3 1962 3 0405 2 8735 2 6952 2 5062 2 3064 2 0962 18758 16454 14050 11550 0 8955 0 6267 0 3485 1.000 0614 0.999 7654 9 4605 91470 8 8249 0.998 4943 1.002 6020 1.007 9052 7 9614 8 0000 8 0220 8 0278 8 0178 7 9928 7 9530 7 8989 7 8312 7 7499 7 6557 7 5486 7 4293 7 2978 71545 6 9998 6 8339 6 6570 6 4692 6 2710 6 0624 5 8437 5 6151 5 3766 5 1285 4 8710 4 6042 4 3282 4 0431 3 7490 3 4463 3 1347 2 8146 2 4860 1.002 1490 1.006 3715 = 12 1.011 9419 11 9794 12 0000 12 0046 11 9937 11 9675 11 9270 118723 118039 117223 11 6277 11 5207 114013 112701 11 1273 10 9731 10 8079 10 6319 10 4452 10 2481 100410 9 8237 9 5966 9 3599 91136 8 8580 8 5932 8 3193 8 0364 7 7446 7 4441 71350 6 8172 6 4910 61563 1.005 8134 1.010 1458 Die Dichtigkeit der Flüssigkeiten ändert sich mit der Temperatur. Will man also vergleichbare Werte erhalten, so muß man alle Bestimmungen auf eine gewisse Normaltemperatur zurückführen. Als solche ist für die Ozeanographie in der deutschen, russischen und skandinavischen Literatur 17.5* C. (ehemals- 14*^ R.) üblich; ein Aräometer, in destilliertes Wasser von 17.5° eingetaucht, stellt sich genau auf den Skalenstrich 1.0000 ein und die anderen Skalenwerte passen für Seewasser ebenfalls bei einer Änderung mit der Temperatur. Temperaturen, nach Martin Knudsen'). 233 o, = 16 ^0 - 20 Oo = 24 .0 = 28 Oo = 32 1.015 9774 1.020011« 1.024 0446 1.028 0763 1.032 1067 15 9969 20 0138 24 0301 28 0459 32 0610 16 0000 20 0000 24 0000 28 0000 32 0000 15 9877 19 9715 23 9557 27 9405 31 9259 15 9606 19 9286 23 8976 27 8677 31 8388 15 9188 19 8717 23 8259 27 7817 317390 15 8631 19 8012 23 7412 27 6831 31 6270 15 7939 19 7178 23 6440 27 5724 31 5032 15 7114 19 6216 23 5344 27 4499 31 3680 15 6163 19 5132 23 4131 27 3160 31 2218 15 5087 19 3929 23 2803 27 1710 31 0648 15 3891 19 2610 23 1364 27 0152 30 8975 15 2577 19 1178 22 9816 26 8490 30 7201 15 1150 18 9636 22 8161 26 6725 30 5328 14 9609 18 7985 22 6403 26 4861 30 3360 14 7959 18 6230 22 4544 26 2900 30 1298 14 6204 18 4373 22 2587 26 0844 29 9146 14 4344 18 2416 22 0533 25 8695 29 6904 14 2382 18 0360 21 8384 25 6456 29 4574 14 0319 17 8206 21 6142 25 4126 29 2158 13 8159 17 5959 21 3809 25 1708 28 9659 13 5901 17 3617 21 1385 24 9203 28 7076 13 3548 17 1184 20 8873 24 6615 28 4412 13 1102 16 8661 20 6275 24 3943 28 1668 12 8563 16 6048 20 3590 ■ 24 1189 27.8845 12 5934 16 3347 20 0820 23 8353 27 5943 12 3215 16 0561 19 7967 23 5437 27 2966 12 0408 15 7688 19 5032 23 2440 26 9913 117514 15 4731 19 2015 22 9366 26 6784 11 4532 15 1689 18 8915 22 6212 26 3579 11 1465 14 8564 18 5735 22 2981 26 0300 10 8315 14 5356 18 2476 21 9674 25 6949 10 5079 14 2067 17 9137 21 6290 25 3524 10 1760 13 8697 17 5721 21 2830 25 0027 9 8359 13 5245 17 2224 20 9295 24 6458 1.009 4875 1.013 1714 . 1.016 8651 1.020 5685 1.024 2817 1.013 9251 1.017 7094 1.021 4987 1.025 2928 1.029 0919 Temperatur = 17.5*^; man bezeiclinet diese Norm mit S^4'>- In den chemischen Laboratorien verwendete Aräometer geben jedoch den Skalen- wert 1.0000 für destilliertes Wasser von 4^ während die Teilung des Skalenstengels auf eine Temperatur von 15^ gesicht ist, also für die Norm S^ll Die von englischen Autoritäten benutzten Aräometer haben 4° und ^) Die letzten beiden Dezimalen haben nur rechnerische Bedeutung. 234 ^i® Dichtigkeit des Seewassers. 15.56° (=60° F.), also die Norm S^''f^\ seltener kommt dort S\l^l vor. Um die bei verschiedenen Temperaturen erhaltenen Aräometerwerte auf die gewünschte Normal temperatur zu reduzieren, muß man die thermische Ausdehnung des Seewassers von den verschiedensten Konzentrationen bis zum reinen Wasser hin genau kennen. In dieser Hinsicht haben erst die letzten Jahre eine feste Grundlage geliefert, indem die Konferenz für die internationale Erforschung der nordeuropäischen Meere in Stockholm 1899 eine Kommission einsetzte, die diese, wie andere physikalisch-che- mische Eigenschaften des Seewassers von verschiedenem Salzgehalt nach den genauesten Methoden untersuchen und die Ergebnisse in gebrauchs- fähigen Tafeln veröffentlichen sollte. Diese Arbeiten sind unter Martin Knudsens Leitung und Mithilfe in Kopenhagen ausgeführt worden, wobei ihn der deutsche Physiker Dr. Karl Forch und der bereits erwähnte dänische Chemiker S. P. L. Sörensen in den experimentellen Arbeiten unterstützten. Da kurz vorher durch die Bemühungen der KaiserHchen Physikalisch- Technischen Reichsanstalt in Charlottenburg ^) die thermische Ausdehnung des destillierten Wassers sehr scharf bestimmt worden war, konnte M. Knudsen sein Tabellenwerk 2) auf bester Grundlage errichten. Die bis dahin vorliegenden Arbeiten waren teils durch die Verwendung nicht aus- reichend definierter Temperaturen, die jetzt stets auf das Gasthermometer bezogen werden, teils durch Experimentalfehler (namentlich Verdunstungs- störungen) in ihrer Brauchbarkeit verkürzt, soweit sie sich nicht überhaupt auf künstliche Salzlösungen bezogen^). M. Knudsen hat durchweg natür- liches Seewasser verwendet und nur für den kleinsten untersuchten Salz- gehalt eine Verdünnung mit destilliertem Wasser ausgeführt. Ich gebe in der Tabelle auf S. 232 u. 233 eine Übersicht über die Änderung der Dichtigkeiten für verschiedene gleiche Abstufungen der spezifischen Gewichte (ausgedrückt durch die a^) nach einer mir freundlich zur Ver- fügung gestellten handschriftlichen Mitteilung von Martin Knudsen. Aus Dr. Forchs Bestimmungen hat Knudsen folgende, etwas weit- läufige, aber sehr genaue Formel abgeleitet und daraus das für eine beliebige Temperatur t^ bestehende spezifische Ge^^icht Sit berechnet; auch hier ist abgekürzt a, = 1000 (Sil—1) gesetzt: Gt = 'Lt + K + 0.1324) [1 - ^. + Bt (a, - 0.1324)] Hierin bedeutet 1 1 das spezifische Gewicht des destillierten Wassers nach den Bestimmungen der Reichsanstalt, also ^) Wiss. Abhandlungen der K. Phys. Techn. Reichsanstalt, Bd. 3, 1900, S. 68 u. Z. f. Instrumentenkunde 1897, S. 333. 2) Hydrographische Tabellen, Kopenhagen u. Hamburg 1901; Nachtrag in den Publications de circonstance du Conseil Permanent international pour Texplo- ration de la mer, Nr. 11, Kopenhagen 1904. — Die Grundlagen der Tabellen sind gegeben in Wiss. Meeresunters, der Kieler Kommission, N. F. Bd. 6, Kiel 1902, und vollständiger in kgl. Danske Vidensk. Selsk. Skrifter Bd. 12, 1902, Nr. 1. 3) F. L. Ekman in kgl. Vetensk. Akad. Handl Bd. 9, Stockholm 1870. — Dittmar in Challenger Reports, Physics a. Ohemistry I, 1884. — Thorpe und Rücker in Philos. Trans, vol. 166, London 1877. — Tornöe in Norske Nord- havs Exp. Chemi I, 1880. -- Makaroff, Le Vitiaz et l'Ocean Pacifique, vol. I, St. Petersbourg 1884. — Krümmel in Ann. d. Hydr. 1890, S. 388. — Noch ältere Arbeiten von Hubbard s. in Maur5rs Saüing Directions vol. 11, 1859. — Erman, Lenz und G. Karsten haben nur künstliche Lösungen untersucht. Das Dichtigkeitsmaximum des See wassere. 235 1.=- (f-^ 3.98)2 ^-1-283 feiner 503 570 t + 67.26 At = t (4.7867 — 0.098185 f + 0.0010843 t'O >' lO"-^ Bt= f (18.030 — 0.8164 f + 0.01667 t'') X lO"''. Die Heraus erhaltenen spezifischen Gewichte sind für eine Einheit der fünften Dezimale durchaus zuverlässig, was für alle ozeanographischen Zwecke völlig genügt. Aus der Hauptformel für ^, hat Knudsen^) dann auch die Tempera- tur 0^ berechnet, bei der Seewasser von verschiedener Konzentration seine größte Dichte erlangt. Die in der folgenden Tabelle wieder- gegebenen Werte sind auf das Argument des Salzgehaltes umgerechnet. Will man sich mit einer geringeren Genauigkeit begnügen, so benutzt man die Formel 0 = 3.95 —0,266 a,„ wobei 0 für a^, = 10 um 0.04^ zu niedrig und für o^ = 24 um 0.04 zu hoch wird. Die bei dieser Temperatur 0 ^ erreichte maximale Dichtigkeit läßt sich ebenfalls aus der Hauptformel für Q/ ableiten, wenn man t^=S setzt. Auch hierfür hat Knudsen eine Tabelle gegeben, die aber den Chlorgehalt des Seewassers zu Grunde legt; ich habe sie ebenfalls für den Salzgehalt umgerechnet und die Werte in die Tabelle mit aufgenommen. Ältere Arbeiten über das Dichtig- Tabe] le für das Dichtigkeil 3smaximum des Seewassers. Salzgeh. Temperatur Dichtigkeit Salzgeh. Temperatur Dichtigkeit Prom. L " 00 Prom. j 0° 00 0 3.947 0.00 21 i - 0.529 16.87 1 1 3.743 0.85 22 i — 0.744 17.67 2 3.546 1.69 23 1 — 0.964 18.48 3 3.347 2.51 24 j ^ 1.180 19.29 4 1 3.133 1 3.33 25 ! — 1.398 20.10 5 j 2.926 4.15 26 - 1.613 20.91 6 ; 2.713 4.96 27 - 1.831 21.72 7 1 2.501 5.77 28 - 2.048 22.53 8 1 2.292 6.58 29 - 2.262 23.34 9 1 2.075 7.38 30 - 2.473 24.15 10 1.860 8.18 31 — 2.687 24.97 11 1.645 8.97 32 . — 2.900 25.78 12 1.426 9.76 33 - 3.109 26.59 13 1.210 10.56 34 - 3.318 27.40 14 0.994 11.35 ^ 35 - 3.524 28.22 15 0.772 12.13 36 i - 3.733 29.04 16 t 0.562 12.92 37 — 3.936 29.86 17 0.342 13.69 38 - 4.138 30.68 18 0.124 14.48 39 - 4.340 31.50 19 — 0.090 15.27 40 - 4.541 32.32 20 — 0.310 16.07 41 — 4.738 3a. 14 Erläuterung. 00= 16.07 ist Abkürzung für SJ = 1,01607. ^) Wiss. Meeres unters. Bd. 6, 1902, S. 184; Publications de circonstance etc. Nr. 5, Kopenhagen 1903, p. 13. 236 Die Dichtigkeit des Seewassers. keitsmaxinium des Seewassers bei verschiedenen Salzgehalten von Leon- hard Weber i) und 0. Pettersson'-^), die einst für ihre Zeit sehr brauchbar waren, sind dadurch jetzt überholt. Bei Benutzung der älteren Literatur ist man oft genötigt, von irgend- welchen anderen Normen der S auf eine der modernen, z. B. S\]% überzu- gehen. Man führt das mit Hilfe nachstehender Formeln aus, in denen das Volumen des destillierten Wassers bei der betreffenden Temperatur Vt (wobei FüO als Einheit) oder die zugehörige Dichtigkeit mit Dt (dann D^o als Einheit) gesetzt werden, während die entsprechenden Werte für das Seewasser mit Vt und dt ausgedrückt sind , t^ und t^ aber die betreffenden Temperaturen der einen Norm /Sjj, t' und t" die der anderen sein mögen. Q*, _ et' ^^'' ^'2 _ rf A .^ vti vf dt^ ' Dt^ Hat man, was häufig vorkommt, die Transformation von 8]]% in S4I vor- zunehmen, so wird 0*0 _ Q17.5 ^17.5 ^^ _ 017.5 j. ^ ^1± Vt Fl. 75 dt Die Volumwerte für das destillierte Wasser sind bekannten Tabellenwerken zu entnehmen (V4 = 1, Vi 7.5 = 1.001 289); für das Seewasser kann man sie aus der Tabelle S. 232 ableiten, indem man do durch dt dividiert; für Bruch- teile der Temperaturen und zwischen den verschiedenen (7- Stufen muß man interpolieren. Knudsens Hydrographische Tabellen machen einen großen Teil dieser mühsamen Rechnerei überflüssig, da man für Reduktion der ^'17.5 auf S\li und auf Slo die entsprechenden Korrektionen fertig vorfindet. Die Beziehungen zwischen spezifischem Gewicht und Salzgehalt des Seewassers genauer zu bestimmen war so lange nur unvollkommen möglich, als man den Salzgehalt durch Wägung des Verdampfungsrückstandes finden zu können glaubte. So hat Dr. H. A. Meyer in der Meinung, daß zwischen dem spezifischen Gewicht bei 17.5^, also >S|?| und dem vorhande- nen Salzgehalt einfache Proportionalität bestünde, den Salzgehalt nach der Formel P = (ä55I — 1) 1309 zu berechnen empfohlen; G. Karsten hat dann die Konstante auf 1310 abgerundet und Tabellen dafür berechnet. Tornöe erhöhte für ozeanisches Wasser diese Konstante auf 1319; ich selbst fand sie auf indirektem Wege (aus Chloranalysen) zu 1318 oder 1306 und aus allen vorliegenden Daten als wahrscheinUchsten Mittelwert 1312, endlich erhielt Natterer aus 45 Einzelbestimmungen an Mittelmeer- wasser 1308, mit den Extremen 1288 und 1326. Wollte man andere Normal temperaturen für das spezifische Gewicht zu Grunde legen, so müßte sich dann auch die Konstante ändern. Für die englische Norm S^^^^ ist sie wesentlich in der Anwendung auf ozeanische Salzgehalte = 1353 gesetzt worden. H. N. Dickson^) hat gezeigt, daß es sich bei der Norm S^ll um keine Konstante Tiandle, da ihre Größe bei wachsendem spezifischem Gewicht abnehme: er fand sie für >S'|o = 1.010 zu 1410, bei 1.028 zu 1340. — Nach der von Sörensen und Knudsen eingeführten ') Jahresber. der Kieler Komm. 4. — 6. Jahrg., Berlin 1878, S. 1. '^i Vega Expeditionens vetenskapl. lakttagelser, Bd. 2, Stockholm 1883. 2) Twelfth annual Report Scotch Fishery Board, Edinburgh 1894, p. 341, und die bequeme Reduktionstabelle XII, p. 382. Beziehungen zwischen Dichtigkeit, Salzgehalt und Chlorgehalt. 237 neuen Definition des Begriffes Salzgehalt ist die gesuchte Größe ebenfalls nicht mehr als Konstante zu betrachten: auf S]]l bc-zogen wächst dieser Wert mit steigendem Salzgehalt anfangs rasch, erreicht bei etwa 30 Pro- mille ein Maximum und nimmt dann wieder ein wenig ab, wie aus folgen- der Tabelle zu entnehmen ist. Salzgehalt (Promille) , 2 5 10 15 1308 25 1309 30 1309 35 1309 40 Koeffizient .... i 1274 ! 1295 1302 1305 1308 Will man umgekehrt bei Kenntnis des Salzgehalts das spezifische Gewicht berechnen, so hat Martin Knudsen für die Norm >SJ oder a„ folgende Formel angegeben, wo S den Salzgehalt in Promille bedeutet. G^ = — 0.093 + 0.8149 S — 0.000 482 /S^ + 0.000 0068 S^ Martin Knudsen hat weiterhin auch die Beziehung zwischen dem spezifischen Gewicht und dem Chlorgehalt genauer untersucht und die o„ =(8% — 1) 1000 zu Grunde gelegt; es ergab sich aus 22 Wertepaaren folgende Interpolationsformel, worin Cl die Gramm Chlor in 1000 g See- wasser bedeutet: G^ = — 0.069 + 1.4708 Cl — 0.00157 Cl' + 0.000 0398 Cl\ Diese Formel ist in seinen hydrographischen Tabellen als eine wesentliche Grundlage verwendet worden; sie hat alle älteren Versuche dieser Art mit Recht verdrängt. So die Formeln von H. Hamberg^) und mir selbst 2), in denen i die Gramm Chlor im Liter Wasser bedeutet: S^l z= 1 -f 0.00147 y — 0.000003 •// (Hamberg) ^Jff = 1 4- 0.00139 / — 0.0000019 x' (Krümmel). Noch in einer anderen Form erscheint die Beziehung des spezifischen Ge- wichts zum Chlorgehalt in einer Formel von R. Dittmar, die besonders in der englischen Literatur eine Zeitlang viel gebraucht wurde; sie lautet in der ur- sprünglichen Form : {Sl'o — ^1.'') : Cl= D = a -\- bt + ct\ wo ^ das spezifische Gewicht des destillierten Wassers, Cl den Chlorgehalt in Gramm pro 1000 g Ssewasser und t die Temperatur bedeutet. Für den besonderen Fall i= 0^ wird Z) = a, also konstant, H. N. Dickson hat die Formel noch in eine andere Gestalt gebracht, die in der praktischen Rechnung fast genau dieselben Werte gibt: (iSgo — l):Cl=D. Eine eingehende Prüfung zeigt mir, daß D i 1 1 ra a r s D nur für die ozeanischen Salzgehalte ungefähr als konstant hingehen mag. Dittmar selbst hatte für Cl = 18.023 D = 0.00 146-19 und für Cl = 20.493 Jj =0.00 145-93 erhalten. In Wirklichkeit wächst, wie schon hierin angedeutet, D mit abnehmendem Chlorgehalt in deutlicher Weise, was aus umstehender Ta- belle zu ersehen ist, in der die I) in Einheiten der fünften Dezimale auftreten und die zusammengehörigen Werte des Chlorgehalts und spezifischen Ge- wichts aus Knudsens mehrfach erwähnter Arbeit entnommen sind. Immerhin ist für ozeanisches Wasser Dittmars D ein interessantes Merkmal, dessen örtliche Unterschiede größer sind als die Analysen fehler. Deshalb ver- diente die Sache wohl, noch weiter verfolgt zu werden, etwa so, wie das von ^) Bihang til kgl. Svensk. Akad. Handlingar Bd. 9, -; Geophy=5. Beoh. der Planktonexped. S. 75. Nr. 16, Stockholm 1884. 238 Die Dichtigkeit des Seewassers. ; a 1 D ci ! i ' 1.4736 151.03 12.8422 146.22 2.9274 148.83 16.0201 145.98 4.6076 j 147.92 18.1414 145.87 5.8372 i 147.35 19.4100 145.80 8.0888 146.80 21.4066 145.87 10.1170 146.52 Dr. John Gibsou*) geschehen ist, der D aus 122 Proben der nordbritischen Gewässer bestimmt hat. Als Mittel ergab sich ihm 145.63, mit den Extremen 145.85 und 145.35, für das atlantische Wasser war 145.56 charakteristisch. Auf die Beziehungen zwischen dem spezifischen Gewicht oder dem Salz- gehalt und der Lichtbrechung einerseits und der elektrischen Leitfähigkeit anderseits wird an anderer Stelle eingegangen werden. 3. Wirkungen des Salzgehalts auf Gefrierpunkt, Siedepunkt, osmotischen Druck, Dampfdruck und Verdunstung des Seewassers. Wenn wir die physikalischen Eigenschaften des Seewassers in einem gewissen inneren Zusammenhange betrachten wollen, so müssen wir uns wiederum auf denselben Standpunkt begeben, den wir bereits bei der Erklärung der großen Gleichmäßigkeit in der Zusammensetzung des See- wassers eingenommen haben, indem wir im Seewasser einen Komplex verdünnter Salzlösungen erkannten. Die moderne theoretische Chemie lehrt nach Van t'Hoff, daß für die physikalischen Zustände einer ver- dünnten Lösung ähnliche Gesetze zur Geltung kommen, wie für Gase. Wenn ein fester oder flüssiger Körper in einem gegebenen Räume ver- dampft, also in einen gasförmigen Zustand übergeht, so werden seine Moleküle durch eine Expansivkraft, die man als Tension oder Dampf- druck bezeichnet, in den Raum hineingetrieben. Der Vorgang bei der Lösung eines Salzes in Wasser ist dem ganz analog: auch hier werden die Moleküle des Salzes durch eine gewisse Expansivkraft, die Nernst^) als Lösungstension bezeichnet, in das Lösungsmittel hineingetrieben, und sie gelangen unter einem bestimmten Druck hinein, den man als osmoti- schen Druck bezeichnet. Nernst hat die Analogie geradezu so zum Ausdruck gebracht, daß der osmotische Druck eines gelösten Stoffes ebenso groß ist, wie der manometrisch zu messende Gasdruck, den man beobachten würde, wenn man das Lösungsmittel entfernte und den ge- lösten Stoff das gleiche Volum als Gas erfüllend zurückließe. Die Ver- dampfung einer Flüssigkeit in einem gegebenen Volum kommt zum Still- stande, sobald der Dampfdruck seinen höchsten Wert erreicht hat: man bezeichnet das als Sättigungszustand, und bei weiterer Zuführung von Dampf tritt wieder Niederschlag ein. So gibt auch analog für eine Lösung das Maximum des osmotischen Drucks die Grenze. Wird ein fester Körper in ein Lösungsmittel gebracht, so wandern ^) Proc. R. Soc. Edinb. 1895, vol. 20, p. 318. 2) Theoretische Chemie (4. Aufl.) 1903, S. 157. Der osmotische Druck und der Gefrierpunkt. 239 die sicli lösenden Teilchen stetig von Orten höherer zu solchen niederer Konzentration, also in der Richtung des Konzentrationsgefälles. Für diesen Prozeß der Diffusion ist ebenfalls der osmotische Druck maß- gebend, und es gelten für die Diffusion dieselben Gesetze, die Fourier für die Leitung der Wärme entwickelt hat. Die Diffusion schreitet also außer- ordentlich langsam vorwärts, viel langsamer als die Ausbreitung der Gasteilchen. Denn in der Lösung treten den Molekülen außerordentlich große Reibungswiderstände bei ihrer Ausbreitung entgegen '). Wir können in der Anwendung auf das Seewasser hieraus die wichtige Folgerung ziehen, daß wenn wir fern von den Flußmündungen im Ozean eine so bemerkens- werte Gleichartigkeit in der Zusammensetzung des Seewassers finden, die Lösungstension der einzelnen Salzkomponenten es nur mit einem sehr geringen Konzentrationsgefälle zu tun hat, d. h. daß die örtliche Zufuhr neuer einzelner Salze aus irgendwelchen außerhalb des Ozeans gelegenen Quellen ein Minimum ist. Wenn wir ferner einen gesättigten Dampf haben, so können wir durch eine geeignete Erniedrigung der Temperatur eine Kondensation des ver- dampften Stoffes hervorbringen: es ist dann sowohl Flüssigkeit wie Dampf gleichzeitig vorhanden. Aus einer Lösung vermögen wir ähnlich durch eine geeignete Temperaturerniedrigung den gelösten Stoff partiell zu ent- fernen, indem wir die Lösung zum Gefrieren bringen : es sind dann wiederum gleichzeitig das feste Lösungsmittel (Eis) und die Lösung selbst nebeneinander vorhanden, und dies tritt ein, sobald beide den gleichen Dampfdruck besitzen, hierbei einen gleichbleibenden äußeren Druck, z.B. Atmosphärendruck vorausgesetzt. Lösungen gleichen Gefrierpunkts haben gleichen Dampfdruck und auch gleichen osmotischen Druck. Da feste Stoffe einen sehr niedrigen Dampfdruck haben, muß die Temperatur der Lösung unter den gewöhnlichen Gefrierpunkt des Lösungsmittels (für Wasser 0°) erniedrigt werden, um die Lösung zum Gefrieren zu. bringen. Deshalb muß der Gefrierpunkt des Seewassers um so tiefer unter 0*^ liegen, je mehr Salze es aufgelöst enthält. Dieser Erniedrigung des Gefrierpunkts steht nun eine Erhöhung des Siedepunkts gegenüber, immer gleich bleibenden äußeren Druck vorausgesetzt. Die Moleküle des gelösten Stoffes wirken anziehend auf die flüssigen Moleküle des Dampfraums, wodurch die Menge der ver- dampften Flüssigkeit kleiner wird, denn von dem festen in Lösung ge- gangenen Stoffe selbst treten so gut wie gar keine Moleküle in den Dampf- raum hinüber, da die festen Körper, wie bemerkt, nur einen sehr niedrigen Dampfdruck besitzen, Die Folge ist, daß durch die Anwesenheit dieser Salze der Dampfdruck erniedrigt wird, und da die Flüssigkeiten bei der- jenigen Temperatur sieden, wo ihr Dampfdruck gleich dem äußeren Atmo- sphärendruck ist, wird die Temperatur des Seewassers erhöht werden müssen über den Siedepunkt des reinen Wassers hinaus, damit es ins Sieden kommt. Die physikahsche Chemie hat nun einfache Beziehungen zwischen Dampfdruck, osmotischem Druck, Gefrierpunktserniedrigung und Siede- punktserhöhung kennen gelehrt, so daß man bei der Kenntnis des einen ') Ostwald, Allgem. Chemie (3. Aufl.) Bd. 1, S. 698. 240 Wirkung des Salzgehalts auf den Gefrierpunkt. mit Hilfe bestimmter Proportionalitätsfaktoren die übrigen leicht berechnen kann. Die Beobachtung des osmotischen Drucks stößt auf experimentelle Schwierigkeiten: man mißt ihn, indem man in ein mit Wasser gefülltes Gefäß ein zweites hineintaucht, das mit der Salzlösung bis zu einer be- stimmten Höhe gefüllt ist und dessen Boden aus einer porösen Membran besteht, am besten aus einer sogenannten semipermeabien Membran, die wohl das Wasser in die Lösung hinein diffundieren läßt, der Lösung selbst aber nur einen verschwindend kleinen Durchgang gestattet. Indem das Wasser in das innere Gefäß eindringt, füllt sich dieses über das frühere Niveau, und diese Vergrößerung der inneren Flüssigkeitssäule stellt den osmotischen Druck vor. Solche Membranen sind aber technisch sehr schwierig herzustellen. Auch die Bestimmung des Dampfdrucks und Siedepunkts sind technisch schwierige oder umständliche Aufgaben, am bequemsten ist die des Gefrierpunkts, da die moderne Physik über Hilfsmittel verfügt, um die hier erforderlichen niedrigen Temperaturen innerhalb von 0.001° konstant zu erhalten. Auf Martin Knudsens Ver- anlassung hat Magister H. J. Hansen in Kopenhagen an 11 Seewasserproben, die Knudsen bei seinen Konstantenbestimmungen benutzt hatte, die Gefriertemperaturen z gemessen. Hansen hat dafür die empirische Formel aufgestellt : t = — 0.0086 — 0.0034633 a„ — 0.000 1055 a, 2. Die Formel liefert die Gefriertemperatur für Seewasser, dessen c^ bekannt ist, bis auf ^ 0.003°, während ältere gute Messungen, wie die von 0. Pettersson^), sich noch mit einem Fehler von ^ 0.06° begnügen mußten. Knudsen macht darauf aufmerksam, daß Seewasser von einem Salzgehalt = 24.695 Promille oder a^ = 19.838 bei seinem Gefrierpunkte z = — 1.332° auch seine größte Dichtigkeit hat, so daß dann Oq^Ot^ 19.852 wird. — Die zusammengehörigen Werte des Salzgehalts, der Ge- friertemperatur z und der Dichtigkeit bei dieser Temperatur a^ sind in der Tabelle auf S. 241 mit denen des osmotischen Druckes zusammen- gestellt. Denn aus den Gefriertemperaturen kann man sehr bequem den osmotischen Druck berechnen. Dies hat zuerst Sigurd Stenius-) ausgeführt, indem er' nach den von Svante Arrhenius entwickelten Formeln den Proportionalitätsfaktor zu — 12.08 Atmosphären bestimmte; nach Nernst wäre er für wäßrige Lösungen nicht ganz so groß (12.03). Ich gebe aus seiner Tabelle die für einen Salzgehalt bis zu 40 Promille be- rechneten Drucke (in Atmosphären), die sich auf eine Temperatur von 0° beziehen; für eine andere Temperatur sind sie nach der für Gasdrucke geltenden Beziehung Pt = Pq (l -f 0.00367 t) leicht umzurechnen. An diesen Grundwerten ist noch eine kleine Korrektion angebracht, die sich aus gewissen Änderungen der Schmelzwärme des W^assers mit der Tem- peratur und aus der sogenannten Verdünnungswärme ergibt. Es zeigt sich nun aus der Tabelle, daß für Ostsee wasser von 7.5 Promille Salzgehalt ^) On the properties of water and ice, in Vega Exped. vetenskapl. lakttagelser, Bd. 2, Stockholm 1883, p. 270. ^) öf versigt af Finska Vetenskaps-Societetens Förhandlingar, Bd. 46, Nr. 6, Helsingfors 1904. Osmotischer Druck und Siedepunkt. 241 Ge f r i e r p u n kt und 0 s ni 0 1 i s c her D ruck des Seewassers. Salz- Gefrier- Dichtig- Osmot. Salz- 1 Gefrier- Dichtig- Osmot. geh. punkt keit Druck Po gch. punkt keit Druck Pf Proni. t" 3r (Atmosph.) Prom. 21 — 1.129 Or (Atmosph.) 1 1 1 —0.055 0.72 0.66 16.87 13.65 2 — 0.108 1.52 1.30 22 — 1.184 17.67 14.31 3 — o.iai 2.34 1.94 23 - 1.239 18.49 14.99. 4 1 —0.214 3.15 2.59 24 — 1.294 19.29 15.65 5 i —0.267 ! 3.96 3.23 25 1.349 20.10 16.32 6 — 0.320 4.75 3.87 26 — 1.405 20.91 16.99 7 1 —0.373 5.57 4.51 27 — 1.460 21.71 17.66 8 — 0.427 6.3S 5.15 28 — 1.516 22.52 18.33 9 — 0.480 7.19 5.80 29 - 1.572 23.34 19.01 10 — 0.534 8.00 6.44 30 -1.627 24.14 19.67 11 i —0.587 8.80 7.09 31 - 1.683 24.96 20.35 12 ; —0.640 9.60 7.73 32 ; —1.740 25.76 20.95 13 — 0.694 10.41 8.38 33 — 1.797 26.58 21.63 14 i —0.748 11.22 9.03 34 — 1.853 27.39 22.42 15 ! —0.802 12.02 9.69 35 1 —1.910 28.21 23.12 16 ■ —0.856 12.84 1035 36 ■ —1.967 29.02 23.81 17 — 0.910 13.64 11.00 37 — 2.024 29.83 24.50 18 — 0.965 14.45 11.66 38 — 2.081 30.65 ' 25.20 19 — 1.019 15.25 12.32 39 — 2.138 31.46 1 25.89 20 ; —1.074 16.07 12.98 40 — 2.196 32.27 1 26.59 bei einer sommerlichen Temperatur von 18° der osmotische Druck 4.9 Atmo- sphären, bei Wasser des Roten Meeres von 40 Promille und 30*^. aber 26.7 Atmosphären beträgt. Im allgemeinen entspricht jedem Promille Salz mehr eine Zunahme des osmotischen Drucks um ^js Atmosphären, was einer Quecksilbersäule von 500 mm gleichkommt. Umgekehrt wäre je 1 mm osmotischer Druck 0.002 Promille Salzgehalt äquivalent. Die Messung des osmotischen Druckes würde also die empfindlichste Methode zur Bestimmung des Salzgehalts liefern, wenn es nur der Technik gelänge, semipermeable Membranen in beliebigen Mengen und voller Gleichartigkeit zu liefern^). Die Kenntnis des osmotischen Drucks hat eine große Bedeutung für die Biologie der im Meere lebenden Organismen. Ein in Seewasser verpflanzter Frosch verliert durch die sofort auftretende Osmose durch seine Haut (Exos- niose) beträchtliche Mengen von Wasser und wird in kurzem um \'.^ seines Anfangsgewichts leichter. Umgekehrt beginnt ein echter Seefisch, plötzlich in Süßwasser versetzt, durch lebhafte osmotische Aufnahme von Wasser (Endosmose) stark anzuschwellen, was mit einem raschen Tode an akuter Wassersucht zu enden pflegt"^). Man sieht ohne weiteres, welche Bedeutung diese osmotischen Vorgänge für die Frage der Abkunft der Süßwasserfauna aus dem Meere haben und wie der Anpassungsübergang in kalten, salzarmen ^) Für die praktische Ausführung wäre dabei nur an eine Differentialmethode zu denken oder an Messung der Diffusioasgeschwindigkeit mit der Uhr. ^) Regnard, La Vie dans les Eaux, Paris 1891, p. 437. Krümmel, Ozeanographie. I. 16 242 Wirkung des Salzgehalts auf Siedepunkt und Dampfdruck. Nebenmeeren am leichtesten vollzogen werden konnte. — Wie Karl Brandt^) gezeigt hat, ist die Fähigkeit der Planktonorganismen, aus höheren nach tieferen Wasserschichten ab und wieder auf zu schweben, vom Unterschiede des osmotischen Drucks im umgebenden Seewasser und in den Flüssigkeits- tröpfchen des Protoplasmas (den Vakuolen) wesentlich bestimmt. Ist der osmotische Druck bekannt, so vermögen wir nunmehr auch die nocli fehlenden Konstanten der Siedepunktserböhung und Dampf- druckerniedrigung für Seewasser ziemlicb genau zu berechnen. Nach Nernst'-) erhält man den osmotischen Druck einer wässerigen Lösung vom Siedepunkt ^ = 100°+^° ^^s der Beziehung: P^ = 56.8 t, woraus sich t =: P; 56.8 ergibt. Da die Siedetemperaturen für Seewasser wenig über 100 bis 100.6° betragen, können wir t ohne wesentlichen Fehler = 100 setzen und, da Pt = Po (1 +0.00367 t), erhalten wir den gesuchten Re- duktionsfaktor aus der Gleichung t° =0.02407 P^ und danach die in der folgenden kleinen Tabelle aufgeführten Werte. Der Siedepunkt für Ozean- Salzgehalt (Prom.) 5 i 10 15 20 25 30 35 40 Siedepunktserhöhung t° Dampfdruckerniedrigung (mm) 1 i 0.08° 2.13 0.16« 4.23 1 0.23 ' 6.45 0.3P 8.47 0.39° 10.73 0.47° 12.97 0.56° 15.23 0.64° 17.55 Wasser ist also 100.56*^. Die Tabelle enthält gleichzeitig die mit wachsen- dem Salzgehalt stark steigende Erniedrigung des Dampfdrucks, die sich wieder leicht aus der Siedepunktserhöhung berechnen läßt. Denn nehmen wir den Fall, daß wir eine Seewasserprobe grade zum Sieden ge- bracht haben bei der Temperatur =100-f t° und dem Barometerstand =z B mm, so ist ihr Dampfdruck gleich dem im Augenblick des Siedens herrschenden Luftdruck B. Der Dampfdruck des reinen Wassers ist aber bei einer Temperatur = 100^ -f t^ gleich dem Luftdruck B vermehrt um die Druckerhöhung h, die nötig ist, um reines Wasser bei der Temperatur 100*^ -j-t*^ sieden zu lassen. Da nun aber das Seewasser tatsächlich bei einem Barometerstande von B bereits siedete, ist sein Dampfdruck um eben diese Größe b erniedrigt. Dieser Betrag ist aus bekannten Tabellen der Siedetemperatur des Wassers zu entnehmen^). Ehe wir die ozeanographische Bedeutung dieser Dampfdruckerniedrigung darlegen, sei noch eine weitere Folgerung aus unserer Kenntnis des Gefrier- punkts für das Seewasser gezogen, die eine mehr chemische Frage behandelt, die nach der Dissoziation der Salzkomponenten''). Nach Raoult ist die Gefrier- punktserniedrigung, die ein Stoff in der Lösung hervorbringt, seinem Mole- ^) Spengels Zool. Jahrb., Abt. für Systematik, Bd. 9, S. 58. Brandt hat zuerst auf einem anderen Wege den osmotischen Druck für Ozeanwasser auf über 20 Atm., also der Größenordnung nach richtig, bestimmt. 2) Theoret. Chemie (4. Aufl.) 1903, S. 143. 3) Wiebe, Tafeln über die Spannkraft des Wasserdampfes, Braunschweig 1903, oder Landolt-Börnsteins Phys. Chem. Tabellen. ") Nernst a. a. O. S. 153. Vergl. oben S. 223. Dissoziation der gelösten Salze. 243 kulargewicht umgekehrt proportiojial. Es besteht also die Beziehung: r = wi. EjM, worin 771 die prozentuale Konzentration (g Salz auf 100 g Lösungsmittel), M das Molekulargewicht und E eine Konstante bedeutet, die für Wasser = 18.4 ist. Umgekehrt kann man bei bekanntem Gefrierpunkt r auch das Molekulargewicht berechnen. Nehmen wir einmal an, wir hätten es beim Seewasser nur mit einem einzigen ideellen Salze zu tun, so berechnete sich dessen Molekulargewicht für Ostsee wasser [m^l) zu 34.4, für ozeanisches Wasser (wi =^ 3.5) za 33.7. Vergleichen wir nun damit die bekannten Molekulargewichte der früher einzehi nach Dittmar (S. 219) aufgeführten Komponenten des See- salzes, also Chlornatrium 58.5, Chlormagnesium 95.3, Magnesiumsuifat 120.4, Calciumsulfat 136.1, Kaliumsulfat 174.1, Brommagnesium 184.3 und Calcium- karbonat 100.0, so erscheint im Vergleich dazu das soeben nach Raoults Formel erhaltene Molekulargewicht des ideellen Seesalzes mit 34 bei weitem zu klein. Wollten wir versuchsweise das wahrscheinliche Molekulargewicht des See- salzes aus seinen Komponenten aufbauen, indem wir die einzelnen Molekular- gewichte nach der verhältnismäßigen Menge der Einzelsalze einführen, so würden wir 45.5 + 10.4 + 5.7 + 4.9 + 4.3 + 0.4 + 0.3 —- 72 erwarten müssen, also mehr als das Doppelte des aus der Gefriertemperatur für Ozeanwasser (von m = 3.5 Prozent) berechneten. Dieser Widerspruch löst sich nach be- kannten Untersuchungen von Arrhenius und Planck dadurch, daß die Seesalze sogenannte Elektrolyte sind, die sich, wie bereits einmal bemerkt, in ver- dünnten Lösungen großenteils in ihre Ionen zerlegen. Nehmen wir einmal an, der Dissoziationsprozeß sei vollständig durchgeführt, so können wir auch für diesen Fall das Molekulargewicht dieser Ionen gesellschaft angenähert berechnen, indem wir wiederum die einzelnen Ionen ihrer relativen Häufigkeit gemäß einführen (vergl.S.220 die Beziehungen auf 100 000 Atome Chlor). So erhielten wir als Molekulargewicht der ganzen Genossenschaft 3f | =31.3. Der vorhan- dene Dissoziationsgrad ist aber nicht vollständig, sondern wird sich in erster Annäherung durch das Verhältnis 31.3 : 33.7 ausdrücken lassen, also = 0.9 sein, d. h. von je 10 vorhandenen Molekülen sind 9 in ihre Ionen zerfallen. Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn wir das See wasser als Gemisch mehrerer verdünnter Salzlösungen auffassen, deren jede für sich einen bestimmten Dissoziationsgrad aufweisen muß. Dann ergäben sich als die entsprechenden Grade für Chlornatrium, Chlormagnesium, Kaliumsulfat, Brommagnesium ziemlich genau 0.9, für das Magnesiumsulfat nur 0.5. Wie weit der schließ- liche Zerfall in Ionen bei dieser Genossenschaft der aus proportionaler Summa- tion erhältlichen Größe entspricht, bedürfte freilich noch besonderer Prüfung. Hier handelte es sich nur darum, ein zur ersten Orientierung genügendes Streif- licht zu werfen auf die molekularen Zustände im Wasser des Ozeans, dieser großartigsten verdünnten Lösung der irdischen Welt. Das vorher gefundene Verhalten des Dampfdrucks beim See wasser hat eine weittragende Bedeutung nicht nur für die Ozeanographie, sondern auch für die gesamte Physik der Erdoberfläche. Denn aus jener Erniedri- gung des Dampfdrucks folgt, daß unter gleichen äußeren Bedingungen Seewasser langsamer verdunstet als reines W^asser, und zwar um so langsamer, je höher der Salzgehalt ist. Die örtlichen Unter- schiede im Salzgehalt der freien Meeresoberfläche sind nun zuvörderst abhängig von dem Verhältnis der Verdunstung zum Niedersciilag, und wir werden in einem besonderen Abschnitt näher darauf eingehen. Da aber die Meere die vornehmste, wenn auch nicht die einzige Quelle der atmosphärischen Feuchtigkeit vorstellen, hieven aber die Zufuhr von Energie in die höheren Luftschichten und damit die Intensität der Luft- 244 Wirkung des Salzgehalts auf den Dampfdruck. Strömungen, Bewölkung, Regenfall und Vegetationsreichtum, und hievon wieder Besiedlungsfähigkeit und Bevölkerungsdichte abhängen, so ist ohne weiteres klar, daß diese bedeutungsvolle Verkettung von Vorgängen auf der Erdoberfläche etwas anders und zwar mit gesteigerter Intensität auftreten müßte, falls etwa der Ozean aus reinem Süßwasser bestünde. Die Tatsache, daß die Verdunstung des Seewassers hinter der von Süß- wasser zurückbleibt, ist seit lange bekannt, doch ist die Größe dieses Unter- schieds selbst früher sehr überschätzt worden. Nach Chapman (1855) sollte die Verdunstung des Seewassers nur etwas mehr als die Hälfte (0.54) der des Süßwassers ausmachen. Ragona, der anfänglich (1867) ein ähnliches Verhalten fand, kam bei Wiederholung seiner Versuche später zu dem Ergebnis, daß hier keine einfache Proportionalität vorliege, vielmehr je nach der Temperatur und Feuchtigkeit der Luft das Meerwasser bald schwächere, bald auch stärkere Verdunstung liefere, als Süßwasser, ja daß in manchen Fällen sogar das See- wasser Feuchtigkeit aus der Luft an sich zöge. Eine starke Förderung erhielt das Problem durch Arbeiten von Dieulafait, als dieser Roudaires Projekte einer Überwässerung der tunesischen Depression vom Mittelmeer aus dahin prüfte, ob wirklich, wie Roudaire behauptete, die Verdunstung des Meer- wassers nur etwa ^,'3 (0,62) der des Süßwassers betrage. Durch vergleichende Experimente mit Fluß- und Mittelmeerwasser fand er^) als entsprechenden Prozejitsatz aber 96.5, sobald es sich um kürzere Zeiten handelte, während welcher der Salzgehalt des verdunsteten Meerwassers nicht wesentlich ver- j^tärkt wurde. Li Fällen, wo aus einem Liter Seewasser in freier Luft und im Schatten 200 cc verdampft waren, erhielt er nie weniger als 92 Prozent. Den Anfang einer genaueren Untersuchung verdanken wir Ed. Mazelle^), der 16 Monate hindurch in Triest täglich je eine Wildsche Verdunstungswage mit S;^ewasser und Regenwasser nebeneinander in der meteorologischen Hütte beobachtete, wobei er die Vorsiclit gebrauchte, die Gefäße täglich neu zu füllen ; er benutzte Adriawasser von 37.3 Prom. Salzgehalt. Nächstdem hat Okada^) in Azino am japanischeji Biimenmeer sieben volle Jahre hindurch vergleichende Untersuchungen ausgeführt, die sich aber auf die Verdunstung nicht in der meteorologischen Hütte, sondern im Freien beziehen; das benutzte Seewasser hatte einen Salzgehalt von 26.6 Promille. Bildet man aus deji voii Mazelle in Triest gegebenen Monatsmitteln nach Zusannneiifassung der doppelt vertretenen Monate Mittelwerte und aus diesen ein Gesamtmittel, so zeigt sich als durchschnittliche Verdunstungshöhe im Tage für das reine Wasser 1.69 mm, für das Seewasser 1.37 mm, also 81 Prozent des vorigen. Ferner ergab sich, als Mazelle seine 487 Beobachtungspaare nach der absoluten Größe der Süßwasserverdunstung ordnete, daß das Defizit des Seewassers bei geringen Verdunstungshöhen verhältnismäßig am größten war u]id sich umgekehrt zu den Verdunstungshöhen verhielt, wie folgende Übersicht zeigt: Süßwasser v^erdunstung abfl. . . 0.3 1.3 2.3 3.3 4.3 1 5.3 6.3 mm Meerwasfler Verdunstung abs. . . 0.21 1 1.02 1.91 2.84 3.81 4.78 5.71 mm prozentisch ' 70 78 83 86 89 90 91 Proz. ') Comptes Rendus Acad. Paris 1882, t. 94, p. 1655; 1883, t. 97, p. 500 u. 1787. 2) Sitzb. Kais. Akad. d. Wisscnsch. Wien 1898, Bd. 107, IIa, S. 270, wo auch die ältere Literatur. 3) Met. Zeitschr. 1903, 382. Die Verdunstung des Meerwassers. 245 Mazelle beobachtete keinen Fall, wo an Stelle von Verdunstung die voji Ragona bemerkte Zunahme der Meerwassermenge eintrat; aus seinen Tabellen zeigt sich auch, daß das Klima von Triest hierfür nicht feucht genug ist. Als Interpolationsformel gibt Mazelle folgende Gleichung, worin y die Verdunstung für einen Tag in mm für Meerwasser, xden entsprechenden Wert für Süßwasser bedeutet. ^ — _ 0.018 + 0.7303 X + 0.0561 0.0044 xK Danach würde für x = 0, y = — 0.018 sein, was deji Sinn hätte, daß das Meerwasser einen Zuwachs von 0.018 mm aus der Atmosphäre empfinge. — Okada hat beide Verdmistungsmesser im Freien aufgestellt und bringt die täglich gefallenen Regenmengen in Abzug. Im Durchschnitt aller 7 Jahre zeigte sich in Azino die Verdunstung des Meerwassers nur gleich 95 Prozent der gleichzeitigen des Süßwassers; die einzelnen Jahre schwanke)) in dieser Hinsicht zwischen 92.6 und 96.8 Prozent. Als mittlere tägliche Verdunstungs- höhe fand Okada für das Süßwasser 3.44, das Meerwasser 3.27 mm, wobei das Minimum für beide im Januar (1.97 und 1.93), das Maximum im August (6.00 und 5.69 mm) eintrat. Dies führt zu Jahressummen von 1256 und 1194 mm, also zum 2\2fachen Betrage wie in Triest. Während Mazelle )un- an 2 von 487 Beobachtungstagen eine stärkere Meerwasserverdunstung verzeichnet, bei übrigens ganz geringem absolutem Betrage, tritt nach Okada dieser Fall in Azino viel häufiger ein; dreimal war sogar im Durchschnitt der Januar durch solchen Exzeß des Meerwassers ausgezeichnet. Okada untersuchte noch be- sonders die Beziehungen zur Lufttemperatur und zur Sonnenstrahlung, diese ausgedrückt durch die Sonnenscheindauer in Azino. Indem er die Dif^eieiizen der Verdunstungshöhen des Süß- und Meerwassers mit d in Zehjitel-mm aus- drückt, mit t die Lufttemperatur und mit s die tägliche Soiinenscheindauer, so erhält er die Gleichung d = 0.079 t -f- 0.076 s, was sich den Beobachtungen auffallend gut anpaßt, indem nur in den Beobachtungen für Dezember und Januar Abweichungen des berechneten vom beobachteten W^erte bis zu 0.05 mm auftreten. Im übrigen sind nach bekannten Lehren der Meteorologie^) die Verdun- stungshöhen abhängig von folgenden Einflüssen. Erstlich vom Luftdruck, und zwar ist die Verdunstung stärker bei niedrigem Luftdruck als bei hohem. Leider ist diese Beziehung für Süß- und Seewasserverdunstung noch nicht diskutiert. Aber man darf annehmen, daß über den Ozeanen eine verhältnis- mäßige Verstärkung der Dampfzufuhr in die Atmosphäre im Bereiche der zyklonaleii Barometerminima und eine Abschwächung im Bereiche der Roß- breiten vorliegt, wenn auch nur in mäßigem Umfange. — Zweitens steigt die Dampfbildung von einer Wasseroberfläche bei erhöhter Temperatur, da die hochtemperierte Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, als kältere. Hierfür bieten von Mazelle aufgestellte Tabellen einen deutlichen Anhalt: die Ver- dunstung wächst bei niedrigen Temperaturen am raschesten. Die tägliche Ver- dunstungsgröße ergibt sich für Triest (nach graphischer Interpolation): Lufttemperatur ■i V 5« 10° 15° 20« 25» 30« Süßwasser abs. .... . i 1.07 LH 1.22 1.50 2.01 2.94 4.17 Meerwasser abs . j 0.80 0.84 0.93 1.21 1.64 2.52 3.71 prozentisch . . ■ i ^^ 76 76 8i 82 86 89 ') Rann, Lehrbuch der Meteorologie, Leipzig 1901, S. 207; Ule in Met ZeitÄchr. 1891, S. 91; Trabert ebenda 1896, S. 262. 246 Wirkung des Salzgehalts auf den Dampfdruck. Verdunstungshöllen, die das Süßwasser bei 5^ erreicht, treten beim Meer- wasser erst bei 13.4^ auf; ebenso sind gleiche Höhen bei 10^ und 15.2^, 15^ und 18.8°, 20° und 22.4^, 25° und 26.9° zu verzeichnen — so deutlich nehmen die Unterschiede bei den höheren Temperaturen ab. Nach Okada wären in Azino die Verhältnisse ganz anders. Zwar steigt die Differenz der beiden Verdunstungen, aber bei den niedrigen Temperaturen ist das prozentuale Verhältnis der Seewasserverdunstung gerade kleiner und bei den höheren ist es nahezu konstant, wie aus folgender (ebenfalls graphisch interpolierter) Übersicht hervorgeht. Temperatur 1 j 5° i .- lO*» 15° 20« 25° 27.5° Süßwasser abs 2.02 2.60 3.18 4.00 5.20 6,00 mm Meerwasser abs 1.99 2.52 3.03 3.79 4.92 5.69 mm " prozentisch .... 99 97 95 95 95 95 Proz. Die Frage bedarf also noch weiterer Klärung. Daß hierbei jedoch die Schattentemperatur der meteorologischen Hütte (in Triest) weniger bedeut- sam ist, als die Sonnentemperatur im Freien (in Azino), darf ohne weiteres au.s Okadas Zahlen entnommen werden. Außerdem ist zu beachten, daß allgemein die Meeresoberfläche eine höhere Temperatur hat, als die darüber liegende Luft, daher muß der Verdampfungsgradient verstärkt werden. Im Winter kann er über dem Floridastrom erfahrungsgemäß so stark werden, daß die Meeres- oberfläche unter den kontinental abgekühlten Nordwestwinden dampft, wie ein Gefäß mit heißem Wasser. Auch sonst ist der Temperaturunterschied zwischen Luft und Meer bedeutsam : wo sich durch aufquellendes Tiefenwasser abgekühlte Meeresströme mit warmer Tropenluft berühren, tritt nicht nur in der Luft Nebel ein, sondern allemal auch im Wasser ein niedrigerer Salzgehalt. Solche komplizierten Beziehungen lassen sich in einer meteorologischen Hütte natürlich nicht wiederholen. Drittens ist der Feuchtigkeitsgehalt, namentlich der Sättigungsgrad der Luft über dem Wasser wichtig; bei großer psychrometrischer Differenz wird das Wasser intensiver verdampfen als bei kleiner. Bei gesättigter Luft, also stets bei Nebel, wird das Meerw^asser Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen, da die Salzteilchen anziehend auf den Wasserdampf einwirken. Aus Mazeiles Beobachtungen lassen sich folgende Beziehungen zwischen Verdunstung und relativer Feuchtigkeit ableiten, zu welchem Zwecke drei verschiedene Tem- peraturgruppeji zu Grunde gelegt sind. Die Zahlen bedeuten tägliche Verdun- stungshöhen in Millimetern. Relative Feuchtigkeit 40 7o , 2:25 : 1.87 50 o/o 60 °/o 70 > 80 7o 9070 t=: 80—10° ^ Süßwasser .... \ Meerwasser .... 2.17 1.81 1.78 1.44 1.17 0.89 0.68 0.47 0.35 0.21 t _ 20°^-^ ■:>] f> ^ Süßwasser .... \ Meerwasser .... 3.46 3.03 3.18 2.77 2.70 2.30 1.96 1.64 1.50 1.25 — t — 24 f'— 250 ^ Süßwasser .... ) jMeerwasser .... . 5.10 4.53 3.55 3.05 2.78 2.36 2.15 1.82 = — Die Verdunstung des Meerwassers. 247 Überall nimmt das Defizit des Meerwassers mit der höheren Temperatur zii bei gleicher relativer Sättigung, wie nicht anders zu erwarten. Viertens ward die Luftbewegung wichtig, denn bei raschem Ersatz der Luftteilchen, die mit Feuchtigkeit belad^^n vom Winde fortgeführt werdei:. können immer neue Luftteilchen Wasserdampf aufnelimcu, Vorausgesetz! daß sie nicht schon über weite Wasserflächen horizontal hinweggezogen sind Besonders günstig sind vertikal abwärts gerichtete Komponenten der Luft- bahnen in der freieren Atmosphäre, da die Höhenluft in der Regel trockner zu sein pflegt, auch mit dem Absteigen eine Temperaturerhöhung verbundeji ist. Nach Mazelles B'obachtungen gebe ich hier, wiederum nach drei Tempera- turgruppen geordnet, die Beziehungen zwischen Verdunstungshöhen und Wind- geschwindigkeit. Windstärke m. p. s. 1 4 8 12 16 20 t = 80-10° ( Süßwasser .... \ Meerwasser .... 0.70 0.50 1.27 0.93 1.79 1.41 2.14 1.73 2.36 1.95 2.52 2.10 t - 200 Ol 0 / Süßwasser .... t _ 20 -21 ^ Meerwasser .... ; 1.54 ! 1.29 2.24 1.87 3.61 3.08 — — f-oAO- 9^0 / Süßwasser .... t - Z4 Zö ^ Meerwasser .... i 2.43 i 2.06 1 3.18 2.73 5.01 4.39 — — — Die Meteorologen pflegen die Verdunstung proportional der Quadratwurzel aus der Windgeschwindigkeit zu setzen; die vorliegenden Beobachtungen scheinen mir noch nicht geeignet, um diese theoretische Annahme zu prüfen. Fünftens wird die Verdunstung mit steigendem Salzgehalt schwächer werden, also das Verdunstungsdefizit des Meerwassers gegen Süßwasser steigen. In dieser Beziehung können leider die Beobachtungsreihen von Triest und AlZliio nicht ohne weiteres zum Beweise herangezogen werden, da in Triest die Verdunstung im Schatten der meteorologischen Hütte, in Azino aber im Sonnenschein des Freien gemessen ist. Immerhin liegt in den beiden schon erwähnten Durchschnittswerten ein deutlicher Hihw^eis vor, wenn das Defizit für einen Salzgehalt von 26.6 Promille in Azino nur 5 Prozent, für einen Salz- gehalt von 37.3 Promille in Triest aber 19 Prozent betragen hat. Wollten w^ir diese Beziehungen in eine Formel zusammenfassen, so wwden wir setzen können: V= C .(1 -f- 0.00367 0 {t — t'). V\ B . S worin F die tägliche Verdunstungshöhe in Millimetern, C eine Konstante, t die Temperatur des trockenen, t' die des feuchten Thermometers, w die Windgeschwindigkeit (mm p. S.), B di^ Wirkung des Barometerstands, S die des Salzgehalts bedeutet. Aus den Beobachtungen in Triest sind wohl die Daten gegeben, die Werte für F, t, t', w und S in die Formel einzusetzen und, wenn man die Wirkung des Barometerstands vernachlässigt, also .6=1 setzt, die Konstante C zu berechnen; sie wird für Triest = 0.007, indem t := 14.65^, t — t' = 3.04, w = 3710 mm und V.S = 1.37 mm. Dabei zeigt sich aber, wenn wir C für die einzelnen Monate berechnen, eine beträchtliche Schwankung zwischen den Extremen 0.009 und 0.005. Da nun aber die Jahresverdunstung für Triest nur rund 500 mm im Schatten beträgt (nach Mazelle), w^ährend für die südfranzösische Küste nach Dieulafait in der Sonne mindestens 6 mm täglich und 2190 m im Jahr, also über 4mal mehr zu rechnen sind und in dem 248 Wirkung des Salzgehalts auf den Dampfdruck. japanischen Azino in der Sonne 2^2 mal mehr verdunstet als in Triest im Schat- ten, so bleibt das Verhältnis zwischen Schatten- und Sonnenverdunstung un- bestimmbar und wäre es ein vergebliches Bemühen, jene Formel zur Berech- nung der Verdunstungshöhen für solche Meeresgebiete zu benutzen, in denen Angaben über Temperatur, psychrometrische Differenz und Windgeschwindig- keit vorliegeji. Die mit der vorher gefundenen Konstanten C berechneten Verdunstungshöhen würden nicht einmal unter sich vergleichbar sein. Wie verwickelt diese Beziehungen liegen, geht aus einer neueren Ver- öffentlichung') Okadas über die Verdunstung in Japan hervor. Es gibt dort auch vergleichende Beobachtungen in Tokio über die Verdunstung in der meteorologischen Hütte (H) und im Freien (F) für 30 Monate in den Jahren 1891 bis 1893, aus der folgender Auszug für die Zeit vom Dezember 1892 bis November 1893 mitgeteilt sei. Die Zahlen bedeuten tägliche Verdunstungs- höhe von reinem Wasser in Millimetern: die einzelnen Werte und ihre Diffe- Dez. Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. F 2.09 1.99 2.57 3.02 3.07 3.57 3.74 5.66 4.80 3.29 1.92 2.19 H i 1.45 1.30 1.70 1.99 1.63 1.87 1.75 2.36 2.15 ].76 1.14 1.28 f-h! 0.64 0.69 0.87 1.03 1.44 1.70 1.99 3-30 2.67 1.53 0.78 0.91 renzen F — H sind in jedem Jahr auch für denselben Monat absolut wie relativ andere. Die Differenzen zwischen Sonnen- und Schattenverdunstung wachsen im allgemeinen hiernach proportional der Verdunstungsgröße, sind also im Som- mer bedeutend, im Winter geringer. Wie sich nun das Meerwasser in dieser Beziehung verhält, ist leider noch nicht untersucht; es käme vornehmlich darauf an, auch für dieses die besonderen Einflüsse von Temperatur, Feuchtig- keit, Windstärke und Luftdruck auf die Differenz F — H erkennbar zu machen. Einen ersten Anhalt hierfür liefern die soeben erst veröffentlichten^), wich- tigen Beobachtungen von John Allan Broun in Trivandrum (Südindien, 8^ 29' N, 76^ 56' 0) während der Jahre 1857 bis 1863. Sie zeigen in Übereinstimmung mit den sorgfältigen Verdunstungsmessungen, die H. R. MilP) am Cambden Square in London 1905 an einem größeren Süß Wasserbecken ausgeführt hat, daß die Verdunstung in erster Linie vom Sonnenschein abhängt. Für Cambden Square ist er direkt aufgezeichnet, in Trivandrum kommt seine Wirkung zum Ausdruck sowohl in der Bewölkung, als auch in der Temperatur des Wassers in der Sonne. Dagegen tritt die Windstärke^ in beiden Beobachtungsreihen erheblich zurück und ist wohl bisher stark überschätzt worden. In beistehender Figur 37 sind die Mittelwerte für die einzelnen Monate der ganzen Beob- achtungsreihe graphisch dargestellt. Leider fehlt eine Angabe für den Salzgehalt des verwendeten Seewassers. Im Durchschnitt verhält sich die Verdunstungs- höhe in der Sonne zu der im Schatten wie 2320 zu 948 mm, ist also 2.44 oder rund 2\'2mal stärker in der Sonne. Aus dem gegenwärtig so unbefriedigenden Zustande unserer Kenntnis von der Verdunstung der Meeresoberfläche wird man nur durch neue Be- obachtungsmethoden herauskommen. Ob das von Wilhelm Krebs ^) vorge- schlagene Verfahren, keine Aspirationspsychrometer, sondern einfach das ') Bull, of the Central Met. Observatory of Japan, Bd. 1., Tokio 1904, Nr. 4, p. 5. ''} Met. Zeitschr. 1906, S. 428. 3) British Rainfall 1905, p. 36. *) Met. Zeitßchr. 1895, S. 38; / Die Verdunstung des Seewassers. 249 trockene und feuchte Thermometer frei mit den Kugeln an der Luvseite gegen den Wind gehalten zu beobachten und nur Störungen durch seitlich reflek- tierte Sonnenstrahlen zu vermeiden, einen gangbaren Weg bedeutet, kann nur Fig. 37. MpS. 9- 23' 8- 28" 7- 27' 6- 26" 5- 25" ♦ - f«" 3- 23" 2- 22^ f 1 N, ■ \ j \ \ y ^ \ > \ \ y ^ r \ \ 1/- .„ ■ \ \ / 1/ / s. \ / / \ \ / ; \ \ / / \ / o* \ \ / / \ \ / ' 0 • \/ / \ 1 ' s •\ } 1 : 1 i /' l / , / : '". ■ r' \ / \ \J .° % ^ \ . ' \ •° >■ ^ \ .« / \ ^ / \ \ / \ \ / X'^x •« \s y / / ^ ^.y \ ''•. J /v y \ / \.J \ \ r,r-''°° kan^. Jan. Feb. Mz Apr. Mai Juni Judi Aug. Sept. Okt. Noo. Dez. Verdunstung desSeeToassers in der Sonne [mm. i/n Tag]. Teniperatar •■ - " , - ' '■ "• [CV. MvidgeschwindigkeiL [M.p. S.J. Bewölkung [in Zehnteln d£r Himmels fiädie] . Verdunstung des Seewassers in Trivandrum. durch systematische Versuche an Bord geprüft werden. Dabei liegt freilich die Schwierigkeit vor, daß die Beobachtungen nur, während das Schiff still liegt, ohne weiteres verwendbar sind, beim Schiffe in Fahrt aber eine umstand- 250 ^^^ optischen Eigenschaften des Seewassers. liehe Kechnung nötig wird. Nach Krebs soll die auf solche Weise erhaltene psychrometrische Differenz in Zentrigraden ausgedrückt und mit 2 multi- pliziert die tägliche Verdunstungshöhe in Millimetern für Süßwasserflächen ergeben. Besser geeignet für den Gebrauch an Bord erscheint mir ein aräo- metrisches Verfahren. Wenn man ein zylindrisches Gefäß von nicht zu kleinem, aber bekanntem Inhalt (etwa 5 — 10 Liter) mit Seewasser bis zum Rande füllt und der Sonne wie dem Winde frei ausgesetzt kardanisch aufstellt, so wird nach 24 Stunden der Inhalt eine stärkere Konzentration angenommen haben, die man mit dem Aräometer messen kann. Eine einfache Rechnung ergibt aus dem bei Beginn des Versuchs genau bekannten Inhalt und Gewicht des See- wassers im Gefäße das Gewicht des verdunsteten reinen Wassers, und da auch dessen Volum leicht aus der Mitteltemperatur der Versuchsperiode bestimmt wird und die Oberfläche des Verdunstungsgefäßes genau bekannt ist, kann daraus die Verdunstungshöhe berechnet werden. Es gehören dazu wieder- holte Messungen der Temperatur im Wassergefäß und Regenmessungen. Die Windgeschwindigkeit ist mit dem Anemometer während der Fahrt zu messen und nicht auf Kurs und Fahrt des Schiffs zu korrigieren^). 4. Die optischen Eigenschaften des Seewassere. Das Meerwasser ist, namentlich auf hoher See, sowohl durcli seine große Klarheit, wie durch seine charakteristische Farbe von den süßen Land wassern verschieden. Die Frage, wie weit das TageslichL in die Meerestiefen vordringe, hat ihre besondere biologische Bedeutung für die Anpassung der Organismen an ihren Lebensraum, nicht minder die eigen- artigen Brechungs- und Absorptionsvorgänge, denen die Lichtstrahlen auf ihrem Wege in die Tiefe unterliegen und von denen die verschiedenen Färbungen des Meeres bestimmt werden. Die Untersuchung wird daher der Reihe nach die Lichtbrechung, sodann Durcheichtigkeit und die da- mit eng zusammenhängenden Farbenzustände zu behandeln haben. Ein Lichtstrahl, der aus der Luft in das Wasser eintritt, wird dort aus seiner Richtung abgelenkt. Errichtet man im Einfallspunkte auf der als eben gedachten Wasseroberfläche eine Senkrechte, die man auch ins Wasser hinein verlängert, so wird der Strahl auf dieses Einfallslot zu gebrochen, so daß der Winkel mit diesem Lot im Wasser (ß) kleiner ist, als an der Luft (a); das Verhältnis der Sinus dieser Winkel zueinander bezeichnet man als Brechungsindex, und zwar ist sin a : sin ß in reinem Wasser für gelbes Licht = 1.333. Das Wasser ist ein optisch dichteres Medium, als die Luft, und treten gelöste Salze hinzu, so ward der Brechungsindex allgemein größer; dagegen wird er allgemein kleiner mit höherer Tempera- tur, Nach J. Soret und Ed. Sarasin'^) ist für Mittelmeerwasser, das 4 km seewärts von Nizza geschöpft war, also einen Salzgehalt von etwas über 37 Promille besessen haben wird, der Brechungsindex für die wichtigeren Fraunhoferschen Linien bestimmt und mit denen des destillierten Wassers bei 10° und 20° (nach v. d. Willigen) verghchen worden (s. folgende Tabelle). Da die Differenzen bis in die dritte Dezimale reichen, die Instrumente aber noch die Bestimmung der fünften Dezimale erlauben, ist schon vor längerer ^) Einen sehr primitiven Versuch, aber ohne die Berechnung der Verdunstung (fast 8 mm pro Tag) hat G. Schott auf seiner Segelschififsreise einmal ausgeführt. Petermanns Mitt. Ergh. 109, Gotha 1893, S. 28. ') Comptes Rendus Acad. Paris 1889, t. 108, p. 1248. Der Brechungsindex. 251 Fraunh. j Seewasser Linie i , 10° 20» I! 1 C i' 1.33 906 1.33 816 D I 4 092 4 011 F I 4 518 4 437 \ 3 718 719 h I 5 064 4 973 ! 4 234 I 739 Destilliertes , Wasser ; Differenz 20» i bei 20» 1.33120 I 0.00 696 3 305 706 I i. Zeit der Vorschlag gemacht worden, aus dem Brechungsindex den Salz- gehalt zu bestimmen^). Praktisch für diesen Zweck verwendet sind jedoch nur drei Konstruk- tionen; eine Abänderung des DifEerentialrefraktometers nach Hallwachs durch Hercules Tornöe, und zwei Abänderungen des Abbeschen Refraktometers. Tornöes Instrument^) ist aber, wie es scheint, in weiteren Kreisen unbekannt geblieben, es verlangt homogenes und zwar Natriumlicht und ergibt aus einer Winkelmessung, wenn diese auf 1' genau ist, den Salzgehalt innerhalb 0.08 Promille genau. Der Brechungsindex n zwischen Seewasser vom Salz- gehalt = s Promille und destilliertem Wasser, beides bei 17.5^, wird aus der Formel gefunden: Log njs = 6.14340 — 0.00006 s, und Tornöe hat Tabellen berechnet, nach denen aus dem Ablenkungswinkel der Salzgehalt für ein Intervall zwischen 10 und 38 Promille und für Tem- peraturen zwischen 6^ und 22° ohne Rechnung entnommen werden kann. — Die Abbeschen Instrumente gestatten die Verwendung von Tageslicht und beruhen auf dem Prinzip der Totalreflexion. Läßt man den vorher erwähnten Einfallwinkel a bis 90° anwachsen, so wird der Ablenkungswinkel im Wasser ein Maximum; dieser Grenzwinkel ergibt sich aus sin c^ : sin ß = n, indem sin cc = 1 wird. Für reines Wasser ist dieser Winkel 48° 37', für Mittelmeer- wasser nur 48° 8', wenn wir beidemal homogenes gelbes Licht (für Linie D) annehmen und eine Temperatur von 20°. Bei dem ersten von. Abbe selbst 1889 auf meinen Wunsch ausgeführten und von mir auf der Planktonexpedi- tion benutzten Instrument^) wird die Totalreflexion in einer ganz dünnen Flüssigkeitsschicht zwischen zwei Prismen erzielt, und zwar ist durch Teilung der Prismen im Hauptschnitt eine gleichzeitige Beobachtung von destilliertem und Seewasser ermöglicht, wozu von jedem nur ein Tropfen benötigt wird. Man liest die Verlöschungsgrenzs an einer mikrometrischen Skala in einem Fernrohr von 20facher Vergrößerung ab und erhält folgende zusammengehörige Werte bei der Temperatur von 18°. Die Brechungsexponenten beziehen sich auf das gelbe Licht der D-Linie und sind in Einheiten der fünften Dezimale zu 1 . 33000 zu addieren. Salzgehalt (Prom.): 0 Skalenteil: 14.0 Brechungsindex: 308 5 10 15 20 25 30 35 40 23.2 32.4 41.6 50.8 60.0 69.3 78.5 87.7 405 502 598 694 790 885 981 1077 ^) Hilgard in ü. S. Coast Survey Report for 1877, Appendix X. '') Report on Norwegian Fishery and Marine Investigaticfns vol. I, Kristiania 1900, Nr. 6. ^) Ausführliche Beschreibung in Ann. d. Hydr. 1894, S. 241, die Brechungs- indices selbst sind nachträglich von Dr. Wollny bestimmt worden. 252 Die optischen Eigenschaften des Seewassers. Die Verlöschungsgrenze verschiebt sich bei Änderung der Temperatur stark, deshalb empfiehlt es sich, die Ablesungen des destillierten Wassers auf einen bestimmten Stand (z. B. 14.0) zu reduzieren und die Tabellen für Differenzen der Ablesungen zwischen Seewasser und destilliertem Wasser aufzustellen. Die Beobachtung mit dem Instrument ist bequem; um Störungen durch Ver- dunstung des zwischen den Prismen eingeklemmten Seewassertropfens aus- zuschließen, ist rasches Arbeiten, also einige Übung erforderlich; schwieriger Fig. 38. Eintauchrefraktometer nach Pulfrich. Erklärung. Das fernrohrartige Instrument hat bei Oc das Okular, bei 0 das Objektiv und bei P das Refraktometerprisraa. Über dieses ist der mit einer Glasplatte D versehene Becher M geschoben, in den die zu untersuchende Flüssigkeit eingefüllt ist. Zur Regulierung der Temperatur ist das Instrument in das Bad B eingeführt. Der Lichtstrahl trifft von außen kommend auf den Planspiegel S, geht durch die Glaswand G, das Bad und die zu untersuchende Flüssigkeit, wird vom Prisma F gebrochen, passiert das Amicische Prisma A und durch das Objektiv die Skala Sc, wo die Verlöschungsgrenze als farbiger Saum erscheint. Diesen macht man durch Drehung des Amicischen Prismas mit Hilfe des geriefelten Ringes R farblos. Mit der Mikrometerschraube Z wird die Feinstellung auf o.i Skalenteil ausgeführt. Mit dem Haken H kann man das Instrument auf den Träger T hängen. (Abbildung nach einem freund- lichst zur Verfügung gestellten Originalholzschnit't der Firma Karl Zeiß in Jena.) ist die Säuberung der Prismenfiächen. Die Genauigkeit der Ablesung hängt von der Schärfe der Verlöschungsgrenze ab, die sich bei stärkeren Vergröße- rungen des Fernrohrs mit vergrößert, und im ganzen übersteigt sie 0.1 Pro- mille nicht, wird also von guten Aräometern etwas und vom titrimetrischeii Die Durchsichtigkeit. 253 Verfahren beträchtlich übertroffen. — Bei der zweiten neueren Form des Refraktometers, die C. Pulfrich ausgeführt hat, fällt die technisch schwierige Einstellung des Fernrohrs auf die geteilten Prismen weg, es ist imr ein Prisma vorhanden, das in die zu untersuchende Flüssigkeit getaucht wird. Die Tem- peratur ist hierbei leicht zu regulieren und zu beobachten; Verdunstungs- störungen sind nicht zu befürchten. Dieses Eintauchrefraktometer (Fig. 38) ist zuerst von G. Schott auf der Valdiviaexpedition benutzt worden'); er fand ebenso, wie später E. v. Drygalski auf der Südpolarexpedition, die Genauigkeit der mit Aräometern erreichbaren gleich, diesen selbst ist es durch Unabhängig- keit vom Seegang überlegen. Für den Gang, den ein ins Meer eindringender Lichtstrahl in den größeren Tiefen nimmt, ist wesentlich, daß er sowohl wegen der in der Regel abnehmenden Temperatur, wie wegen der Zunahme der optischen Dichte durch den Druck fortschreitend stärker auf das Einfallslot hin gebrochen werden wird. Nach den Untersuchungen an destilliertem Wasser für gelbes Licht (der D-Linie) vermindert sich der Brechungsindex für jeden Grad bei -f P um 0.1, bei 10"^ um 4.1, bei 20° um 7.9 Einheiten der fünften Dezimale, und wächst er für jede zukommende Atmosphäre Druck bei 0° um 1.7 und bei 20° um 1.5 Einheiten'-). Für Seewasser werden diese Beziehungen im ganzen ebenfalls gelten. — Daß die Durchsichtigkeit der Meere 2) örtlich verschieden ist, wissen die Seeleute seit alters. An tropischen Küsten können sie in Tiefen von 20 und mehr Metern das farbenreiphe Tierleben am Meeresgrunde beob- achten oder auf weißem Sandgrunde ihren Anker liegen sehen, was in den heimischen Meeren nicht möglich ist. Horsburgh hat einmal bei der PhiHppineninsel Mindoro die Korallen in 45 m Tiefe gesehen, und William Scoresby, der selbs't die große Klarheit der Gewässer bei Spitzbergen rühmt, überliefert uns eine sehr alte Beobachtung eines Kapitäns Hood, der 1676 an der Küste von Nowaja Semlja auf weißem Sandgrunde Muscheln in angeblich 80 Faden erkannt habe, wofür wir wohl richtiger 80 Fuß oder 25 m zu setzen haben. Auch Graf Marsigli hat sich früh mit der Durch- sichtigkeit des Meerwassers beschäftigt und bemerkt, daß man vor der' südfranzösischen Küste an einer Angelschnur einen gewissen roten Fisch noch in 18 m Tiefe unterscheiden könne. Wichtiger als diese mehr ge- legentlichen Wahrnehmungen sind Versuche, die äußerste Tief e festzustellen, wo im Wasser versenkte Gegenstände von geeigneter Flächenausdehnung eben noch erkennbar sind. Die ersten Beobachtungen dieser maximalen Sichttiefen hat 1817 0. v. Kotzebue auf seiner ersten Weltreise an Bord des russischen Kreuzers Rurik im nordpazif sehen Tropenmeer ausgeführt, indem er ein Stück roten Tuches mehrfach versenkte und es in 20 bis 29 m Tiefe verschwinden sah; als er einmal einen weißen Teller hinabließ, erreichte dieser die doppelte Sichttiefe von 50 m. Ein weißes Brett von 60 cm Breite versenkte Kapitän Duperree bei seiner Weltumseglung mit der Coquille 1823,24, aber meist auf Ankerplätzen, wo im stets etwas ') Tabelle im Valdiviawerk S. 62 f. 2) Flatow und Zehnder in Landolt - Börnsteins Tabellen S. 660. Die genaue Formel für die Temperaturwirkung ist: nt = 1,33381 — 10 - & (0,124^-f 0.1Ö93 f^ — 0.000005^-»). ^) Vergl. meine ausführliche Darstellung in Ann. d, Hydr. 1889, S. 62. 254 I^i^ optischen Eigenschaften des Seewassers. trüben Küstenwasser die Sichttiefen nur einmal 23 m erreichten, während Kapitän Berard 1845 bei den Elliceinseln einen weißen Teller erst in 40 m Tiefe entschwinden sah. Reichlichere Beobachtungen hat Charles Wilkes bei seiner Weltumseglung 1838 — 42 beigebracht, indem er einen weißgemalten Kessel benutzte und nicht nur die Tiefen feststellte, bei denen dieser während des Versenkens dem Auge entschwand, sondern auch die Tiefen, bei denen er im Aufholen wieder sichtbar wurde; außerdem aber vermerkte er auch die Sonnenhöhen während des Versuchs. Er fand im tropischen Pazifischen Ozean größte Sichttiefen von 31 bis 59 m. Nachdem schon 1832 der Graf Xavier de Maistre im Golf von Neapel weiße Scheiben zur Bestimmung von Sichttiefen versenkt hatte, ver- standen es Pater Secchi und Kapitän Cialdi im Mittelmeer 1865 dieses Verfahren sorgfältiger als alle ihre Vorgänger zu handhaben. Sie benutzten anfänglich kleine Scheiben von weißer Majolika und daneben auch solche von Segeltuch, die gelb, grün oder weiß bemalt waren. Da sich der Durch- messer von 43 cm zu klein erwies für die großen vorhandenen Sichttiefen, und ihr Bild in der Tiefe bei unebener See zu verzerrt erschien, gingen sie zu großen Scheiben aus weiß gemaltem Segeltuch von 2,37 m Durchmesser über. Diese sahen sie nahe an der Küste des damaligen Kirchenstaats in 24 bis 25 m, über größeren Meerestiefen bis zu 42.5 m; ihre Sichttiefen sind, wie bei Wilkes, das Mittel aus den beim Versenken und Wiederauf- holen erhaltenen. Auch die Sonnenhöhen wurden gemessen. Sie fanden, daß die Beobachtungen um so besser gerieten, je näher das Auge der Meeres- oberfläche stand. — Von der Challengerexpedition sind Beobachtungen nicht bekannt geworden, dagegen wurde an Bord der Gazelle eine große Anzahl von Sichttiefen bestimmt, auf die noch näher eingegangen werden wird; zu den Beobachtungen diente ein weiß gemalter an den Enden konisch zugespitzter Blechzylinder von 30 cm Länge, der in wagrechter Stellung versenkt wurde. — Polierte Metallscheiben von Kupfer, Messing und Weißblech neben weiß oder grün gemalten Segeltuchscheiben von je 36 cm Durchmesser benutzten Luksch und Wolf i) auf ihren ersten Fahrten in den adriatischen Gewässern (1880), wobei sie auf der Höhe von Zante einmal die weiße Scheibe in 54 m, das blanke Weißblech in 50.5, die mes- singene Scheibe in 48 m, die kupferne in 39 m und die grüngemalte in 31 m entschwinden sahen. Aus ihren Versuchen war abzuleiten, daß die Sicht- tiefen der gelben Scheibe nur 88, der roten 77 und der grünen nur 67 Pro- zent derjenigen der weißen erreichten. Später hat dann S. Angelini "^) hievon abweichende Verhältnisse gefunden; in der Lagune von Venedig war die Sichttiefe der weißen Scheibe 1 .98 m, die grüne erreichte 93, die rote 91 und eine blaue 76 Prozent davon, und im Golf von Gaeta war die weiße Scheibe nur bis 8.5 m sichtbar, die grüne erreichte 92, die rote 82, die blaue 71 Prozent dieser Tiefe. — Mit weißgemalten großen Scheiben von 2 m Durchmesser hat in den nordeuropäischen Gewässern Kapitän z. S. Aschenborn 2) im Sommer 1887 und 1889 eine gröiiere Zahl von Beobach- tunf^/m ausgeführt, wobei sich ergab, daß in den Häfen die Sichttiefen von 3.5 bis 4 m, in der westlichen Ostsee bis 16 m, in der Irischen See *) Mitt. a. d. Geb. des Seewesens 1881, Heft 9. -) Petermanns Mitt. 1896, Lit.ber. 595. 3) Ann. d. Hydr 1888, S. 67; 1890, S. 136. Die Durchsichtigkeit. 255 bis zu 22 betrugen. Mit einer ebensolchen Scheibe habe ich selbst auf der Planktonexpedition 1889 in der Sargassosee eine größte Sichttiefe von 66.5 m beobachtet, xlußerdem verfolgte ich die Sichttiefen der weißen Frieskegel der Planktonnetze beim Versenken und Aufholen unter gün- stigen Umständen, d. h. wenn die Netze nicht zu weit seitlich wegtrieben. Ich habe auch veranlaßt, daß auf den deutschen Terminfahrten der inter- nationalen Meeresforschung in der Ostsee und Nordsee die Sichttiefen von weißgemalten Eisenscheiben mit dem hier noch genügenden Durch- messer von 45 cm regelmäßig gemessen werden. Besonders reichhaltig ist die Zahl von Beobachtungen, die auf den Österreichischen Expeditionen an Bord der Pola von Jos. Luksch im östlichen Mittelmeer und im Roten Meer, sowie von G. Schott während der deutschen Tiefseeexpedition 189899 im Atlantischen und Indischen Ozean ausgeführt sind; von beiden wurden w^eißgemalte Scheiben von 50 cm Durchmesser benutzt, wie man überhaupt von den Riesenscheiben Secchis, die an Bord nur mit großer Schwierigkeit zu handhaben sind, jetzt abgekommen ist. Luksch stellte • als bemerkenswert fest, daß im schwachen Tageslicht bei Sonnenauf- oder -Untergang schon große Sichttiefen (über 33 m) auftraten und daß bei größer werdenden Sonnenhöhen unter sonst gleichen Bedingungen die Sichttiefen zunahmen, obwohl er eine einfache Proportionahtät zwischen Sonnenhöhen und Sichttiefen nicht wahrnahm und ihm die Änderungen in der Wasserfarbe und Bewölkung von ungleich größerem Einfluß er- schienen. Sehr wichtige Erfahrungen haben die gleichzeitig in Süßwasser- seen mit versenkten Scheiben angestellten Versuche ergeben^). Nehmen wir sie zu den auf dem Meere gewonnenen hinzu, so läßt sich über diese Methode und ihre Ergebnisse folgendes sagen. Die in das Wasser versenkte Scheibe wirft das Sonnenlicht dem Auge des Beobachters zu, und der Lichtstrahl Kat dabei zw^eimal den Weg durchs Wasser durchmessen; seine Weglänge ist, wenn a die Sonnenhöhe über dem wahren Horizont bedeutet, gleich der Sichttiefe multipliziert mit (1 -f cosec a), so daß sie bei geringen Sonnenhöhen immer länger wird. Die anfänglich vertretene Meinung, daß diese Weglänge gleich derjenigen Tiefe sei, bis zu welcher der Sonnenstrahl in das Wasser überhaupt ein- zudringen imstande sei, ist jedoch nicht zutreffend. Abgesehen davon, daß damit die großen Sichttiefen bei Sonnenauf- oder -Untergang im Widerspruch stehen, wurden damit dem menschlichen Auge Eigenschaften eines Photometers beigelegt, die es nicht erfüllen kann. Nach der anschau- lichen Beschreibung von Secchi, die ich in allen Einzelheiten bestätigt gefunden habe, wird das Aussehen der großen weißen Scheibe beim Ver- senken sowohl in der Gestalt wie in der Farbe verändert. Die Scheibe erscheint anfangs grünlich, wird dann mehr blaugrün, die Umrisse ver- zerren und verbiegen sich, schließlich gleicht ihr Bild einem zart blauen unregelmäßigen Wölkchen, dessen Farbe zuletzt der des umgebenden Wassers gleichkommt, worauf sie dem Auge entschwindet. Seit den Untersuchungen von E.H. Weber (1831 ) weiß man, daß wie unsere anderen Sinnesorgane, auch das Auge die Unterschiede zweier Reize nur dann ') Otto Frhr. v. Aufseß, Die Farbe der Seen (Münchner Inaug.-Diss. 1903) und die physikal. Eigenschaften der Seen (Die Wissenschaft, Heft 4), Braunschweig 1905, bringt alles Wesentliche. 256 -Dj^® optischen Eigenschaften des Seewassers. empfindet, wenn das Verhältnis dieser Reizintensitäten ein nahezu kon- stantes Maß überschreitet. Ist Hg die HeUigkeit der Scheibe und H^^ die des umgebenden Wassers, so wird also {H^, — H,(, ) : Hu, = 1:C, wo C eine Konstante bedeutet. Helmholtz vermochte noch Unterschiede der Helligkeit von 1 : 133 sicher, 1 : 150 verwaschen zu erkennen und zwar bei hellem Tageslicht. Seine Beobachtungen ergaben, daß unser Auge für Helligkeitsunterschiede am empfindlichsten ist bei gewissen mittleren Graden der Lichtstärke, zwischen der Helligkeit, bei der man noch ohne Schwierigkeit lesen kann und der einer weißen Scheibe, die voll vom Sonnenlicht getroffen wird. Hieraus erklärt sich, weshalb die Sonnen- höhen für die Sichttiefen der weißen Scheiben so wenig bedeuten: das Auge sieht die Scheibe nicht, sobald der Helligkeitsunterschied zwischen ihr und dem umgebenden Wasser geringer ist, als 1/150 der ganzen Intensität, mag diese selbst verschieden groß sein, wenn sie nur inner- halb der angegebenen Grenzen bleibt. Daß bei den großen Secchischen Scheiben die Sichttiefen größer werden, als bei kleinen Scheiben, hängt mit einer von Aubert') angegebenen Einschränkung jenes psychophysi- schen Gesetzes zusammen, wonach neben dem Helligkeitsunterschied auch die Größe des Netzhaut bildes, die von der Größe des Objekts und des Gesichtswinkels abhängt, von Bedeutung werden kann. Wenn des- halb auch die Sichttiefe nicht dazu dienen darf, etwa den Weg des Sonnenstrahls in die Tiefe bis zu seinem völligen Erlöschen zu berechnen und daraus einen Extinktionskoeffizienten für das Seewasser abzuleiten, , so bleibt sie doch trotz aller Unvollkommenheit ein verhältnismäßig be- quemes Hilfsmittel, um die verschiedene Durchsichtigkeit der Meeres- gebiete in ihren relativen Unterschieden auszudrücken. Hienach ergäbe sich für die irdischen Meere folgendes, noch lücken- hafte und starker Verschärfung fähige Bild. In den heimischen Gewässern ist nach den deutschen Terminfahrten die Kieler und Mecklenburger Bucht im allgemeinen von derselben geringen Durchsichtigkeit wie der südliche Teil der eigentlichen Ostsee zwischen Bornholm und der preußischen Küste: nach ruhigem Wetter sind in allen Jahreszeiten Sichttiefen von 11 — 13 m, nach stürmischem aber nur von 7 — 10 m anzutreffen. Dr. Joh. Petersen^) sah bei seinen langjährigen bio- logischen Untersuchungen der dänischen Gewässer „eine weiße Kugel" in den kleinen Förden nach unruhigem Wetter oft schon in 0.6 bis 1.0 m Tiefe nicht mehr, dagegen in den freieren und tieferen Gewässern des Kattegat und der Belte meistens bis 9, höchstens 11.3 m. In der Nordsee verhält sich die Helgoländer Bucht ähnlich wie die Ostsee, die Sichttiefen schwanken je nach dem Seegang zwischen 5 und 12 m. Über der Jütlandbank wird das Wasser etwas klarer (12 — 19 m), die Kleine und die Große Fischerbank und das tiefere Gebiet nördlich von der Doggerbank haben selten weniger als 12 m, oft über 20 bis 23 m, je nach der Witterung. In der norwegischen Rinne und im Skagerrak sind große örtliche und zeitliche Schwankungen vorhanden und die Sicht- tiefen wechseln unregelmäßig auf denselben Stationen zwischen 7 und 16 m. ^) Aubert, Physiologie der Netzhaut, Breslau 1864, S. 88. ') Det videnskab. Udbytte af K^ncnb. Hauchs Togter, Bd. 5, Kopenhagen 1893, p. 437. Die Durchsichtigkeit. 257 Sehr bemerkenswert sind cfie großen Sichttiefen, die von N. M. Kni- powitsch^) für die arktisch kalten Gewässer der Murmansee angegeben werden: er fand in 70« 30' N. B., 32*' 9' 0. L. am 6. April 1899 45.5 m, und 28. Mai in 70° 15' N. B., 32« 15' 0. L. 41 m in tiefem Wasser. In Landnähe nahmen die Sichttiefen auf die Hälfte ab und bei Annäherung an die Flußmündungen noch mehr, so daß sie im südlichen Teil des Weißen Meers und vor der Petschora weniger als 5, ja nur 1 m betrugen. Nach Knipowitsch soll in der kälteren Jahreszeit eine Zunahme der Durch- sichtigkeit erkennbar werden; doch scheinen mir dafür die Beobachtungen noch nicht zahlreich genug. Im Mittelländischen Meer sind die Sichttiefen erheblich größer: nach J.Luksch^) sind in den landferneren Gebieten und entlang den afrikanischen Küsten im östlichen Teil 40 bis 45 m die Regel, im Ionischen Meer steigen sie auf 51m, zwischen Zypern und dem Nildelta auf 52 m, nach der syrischen Küste hin sogar auf 60 m. In den kleinasiatischen Gewässern halten sie sich zwischen 30 mid 40 m, steigen dagegen im Ägäischen Meer wieder bis auf 50 (bei Kreta und dem Athos), während sie in Landnähe allgemein unter 40 bis 33 m hinabgehen. Für das Tyrrhenische Meer gilt analog die von Secchi und Cialdi vermerkte größte Sichttiefe von 42.5 m. Im Adriati- schen Meer fanden Luksch und Wolf Sichttiefen von 30 bis 40 m, in Küsten- nähe weniger. Das Marmormeer ist nach Natterer ^) sehr viel weniger durchsichtig, als das benachbarte Ägäische: er fand nur Sichttiefen von 20 bis 25 m, nach den Dardanellen und dem Bosporus hin nur 19 m. — Nach Luksch war im Mittelmeer von Juli bis September eine gewisse Zunahme der Sichttiefen unverkennbar; zwar örtlich verschieden, über- stieg sie meistens nicht 2 bis 4 m. Im Atlantischen Ozean waren die 60 cm Durchmesser be- sitzenden weißen Frieskegel der Planktonnetze in den höheren Breiten der Irmingersee nur in 15 bis 20 m Tiefe sichtbar, in den tropischen, wo leider nicht regelmäßig beobachtet werden konnte, öfter zwischen 40 und 50; eine 2 m große Segel tuchscheibe wurde in der Sargassosee zweimal ver- senkt , und Sichttiefen zu 56.5 und 66.5 m erhalten. Mit 50 cm großen weißen Scheiben beobachtete G. Schott auf der Valdivia einmal bei Madeira 42 m, bei den Kapverden 30, im östlichen Teil des Guineastroms aber nur 12 bis 18 m, im Benguelastrom 14 bis 19 m''); dagegen erhoben sich die Sichttiefen in den höheren Südbreiten nördlich von Bouvet I. auf 25 und 30 m, und hielten sich im Treibeisgebiet des Indischen Ozeans (unter 55° S. B.) noch zwischen 20 und 25 m, waren aber südlich von 60° S. B. nur halb so groß. Unweit von Kerguelen und St. Paul wurden gar nur 9 und 10 m, dagegen im tropischen Indischen Ozean wieder sehr beträchtliche Sichttiefen gefunden : auf dem Wege von Neu Amsterdam nach der Kokosinsel zwischen 33° und 13° S. B. durchweg über 20, zweimal ^) Sapiski der Kais. Geogr. Ges. Allgemeine Geographie, Bd. 42, St. Peter- burg 1906, S. 1213 f. 2) Denkschr. Kais. Akad. Wien 1900, Bd. 69, S. 412. 2) Denkschr. Akad. Wien 1895, Bd. 62, Taf. 2. *) Hiermit steht im Einklang eine vereinzelte Beobachtung des britischen Kriegschiffes Herald, wonach am 6. August 1846 in 272*8., 30 V2 '^ W. „ein Teller" bis 13 Faden {24 m) Tiefe sichtbar blieb (Nine ten-degree Squares etc. p. 417). Krümmel, Ozeanographie. I. 17 258 Dio optischen Eigenschaften des Seewassers, 40, je einmal 42 und 50 m. Näher nach den Sundainseln nahmen die Werte wieder ab unter 30, bis 18 m. Zwischen Ceylon und den Nikobaren fand Schott 26, südlich von Ceylon 29 m, von den Chagosinseln nach Sansibar- hin 30 bis 50 m, an der Somaliküste nur 15 — 27 m, südlich von Sokotra aber 46 m. Im R o t e n Meer beobachtete Luksch im zentralen und tieferen Teil unweit von Jembo einmal 51 m, sonst nirgends über 43 m, im Süden unter 20, bei Bab-el-Mandeb nur 12 bis 15 m. Das Rote Meer steht also dem benachbarten Mittelländischen beträchtlich nach und gleicht etwa der Adria. Nach Luksch betrugen die Sichttiefen von mehr als 30 m im Roten Meer nur 28 Prozent aller Fälle, dagegen im Ägäischen 94, im östlichen Mittelmeer 97 Prozent. Auch im Roten Meer fand er gewisse Anzeichen für eine jähT-liche Periode der Sichttiefen, die vom Oktober bis Februar um etwa 2 m wuchsen. Für den Nordpazifischen Ozean müssen wir aus Mangel an neueren auf Wilkes' Messungen zurückgreifen, die als maximale Sicht- tiefe in 15° N. B., 178° 0. L. 59 m ergaben. Auch für den S ü d pazifi- schen hat Wilkes eine Bestimmung bei den Tongainseln mit 31 m. Im übrigen liegen nur die, wie bereits bemerkt, nicht ganz einwandfreien, obschon zahlreichen Beobachtungen der Cazelleexpedition vor, denn für den dabei benutzten Blechzylinder wird der Gesichtswinkel für die größeren Ab- stände schon zu klein, so daß die damit gewonnenen Sichttiefen um so mehr zu niedrig ausfallen, je größer die Durchsichtigkeit ist. Für die kleineren Tiefen werden die Werte besser und den mit Scheiben von 45 und 50 cm Durchmesser erhaltenen vergleichbar. Mit diesem Vorbehalt und um einen Yergleichsmaßstab zu bieten, sei aus den Messungen der Gazelle- expedition hier zunächst nachgetragen, daß die Sichttiefen im Südatlanti- schen Ozean auf der afrikanischen Seite 18 bis 22 m, auf der brasiliani- schen aber 27 bis 38 m, einmal (in 29° 22' S. B., 26° V W. L.) 47.5 m betrugen, was zu Schotts Messungen stimmt, in den hohen Südbreiten des Indischen Ozeans aber 18 bis 26 m, bei Mauritius 37 bis 40 m, nord- westlich von Austrahen 29 bis 33, sodann weiter in der Bandasee 31, im Bismarckarchipel 43 und 44 m, nördlich von Neuseeland 18 bis 27, südlich von den Samoainseln 45, in den höheren pazifischen Südbreiten aber 16 bis 26 m. Auf die verwickelten Ursachen dieser starken örtlichen Verschieden- heiten soll später eingegangen werden. Die große Unvollkommenheit der Scheibenmethode hat den Anlaß gegeben, andere Verfahren zu ersinnen, leider aber genügt der Umfang der damit ausgeführten Versuche durchaus nicht, kaum daß man über die Brauchbarkeit der Methoden selbst zu einem Urteil gelangen kann. Am nächsten liegt es, eine Lichtquelle in dunkler Nacht zu versenken und ihre Intensitätsabnahme photometrisch zu verfolgen, zum wenigsten aber die Tiefe zu beobachten, wo sie für das Auge unsichtbar wird. Aus den Meeren liegen aber nur folgende wenigen Versuche vor, die bei der Erforschung des Schwarzen Meeres durch Spindler und WrangelP) 1890/91 ausgeführt sind. Es wurde eine kleine elektrische Lampe "von 8 Kerzen *) Sapiski po Hidrografii, 1899, Bd. 20, Beilage S. X. Die Kerzenstärke nach einer gütigen briefhchen Mitteilung Spindlers. Die Durchsichtigkeit. 259 bei ganz ruhigem Wetter und völlig dunkler Nacht fünfmal versenkt und sowohl die Tiefe vermerkt, in der die Lampe als Lichtpunkt verschwand, wie diejenige, wo auch der letzte difluse Schein unsichtbar wurde. Die 4 ersten Stationen liegen sämtlich über Meerestiefen von mehr als 2000 m. Es entschwand: Nördliche Breite östliche Länge Grw. Der Lichtpunkt Der Lichtschein 41° 53' 38« 52' 3.7 43 ! 42» 16' 36« 30' 44« 9' 34« 13' 44« 6' 37« 43' 37 77 29 49 40 65 Reede von Batum 1.8 13.0 Leider ist die eigentliche photometrische Untersuchung der mit der Tiefe abnehmenden Intensität des elektrischen Lichts damals unterlassen worden und damit die beste Gelegenheit versäumt, den Absorptionskoefüzienten für das benutzte Licht im Wasser des Schwarzen Meeres zu messen; so ist nur die Tiefe für die (nicht genau zu definierende) geringste, dem Auge nicht mehr empfindliche, Intensität erhalten worden. Trotzdem ist dieser erste Versuch um so dankenswerter, als er bisher der einzige ge- blieben ist. Um wenigstens für die Größenordnung der hierbei in Betracht kommenden Intensitätsabstufung einen ungefähren Anhalt zu gewinnen, sei folgendes eingeschaltet. Der lichtschwächste noch eben wahrnehmbare Stern sendet an Energie sichtbarer Strahlung imserem Auge etwa 4x10"^ Erg zu'). Nun hat nach Angström die Lichtstrahlung einer Meterkerze 20.6 x 10 ~^ Gramm- kalorien, jede Grammkalorie ist = 4.185 x 10^ Erg, also 8 Meterkerzen strahlen 69.0 Erg aus. Hierzu verhält sich der „lichtschwächste" Stern wie 1 : 17.24 x 10^, die einfache Reizschwelle wird einen noch größeren Nenner verlangen. . Nach Bouguers oft zitierter Messung (1762) sollte dieser Nenner sogar 247'^ = 9194 X 10^ seil], was viel zu groß ist. Ein drittes Verfahren ist das photographische: man versenkt stufen- weise lichtempfindliche Platten bis in Tiefen, wo sie sich auch nach längerer Belichtung nicht mehr schwärzen. Auch hierin haben die entsprechenden Arbeiren in den Süßwasserseen die Technik wesentlich gefördert; ein von W. Ule angegebener und vom Freih. v. Aufseß verbesserter Apparat 2) dürfte allen Anforderungen genügen. Die ersten noch unvollkommenen Versuche haben die schweizerischen Zoologen H. Fol und E. Sarasin unweit von Nizza im März 1885 ausgeführt und mit einer Reine an der Lotleine übereinander befestigter Apparate noch in Tiefen bis zu 380 m die Platten angeschwärzt gefunden, in 405 und 420 m aber nicht mehr. Mit einer etwas anderen Anordnung erhielten sie im April 1886 eine ähnliche Lichtgrenze in etwa 400 m. Beide Male trat die Entblößung der Platten erst dann ein, wenn das zur Beschwerung dienende Lot den Boden berührte, so daß die Messungen auf Landnähe beschränkt und, wie man einwandte, ') Nagel, Handbuch der Physiologie, Bd. 3, Braunschweig 1905, S. 246. ') W. Ule, Der Würmsee, Leipzig 1901, S. 176. 0. v. Aufseß a. a. 0. S. 48 und Petermanns Mitt. 1906, S. 184. 260 ^iß optischen Eigenschaften des Seewassers. durch das beim Loten aufgewirbelte Bodensediment beeinträchtigt waren. Ein vom Ingenieur Petersen der Zoologischen Station in Neapel ausgeführter Apparat, der eine Propellerauslösung benutzt, um die Platte freizulegen und nach der Belichtungszeit wieder abzuschließen, ermöglichte ihm auf der Höhe von Capri noch in 500 bis 550 m deutliche Schwärzungen zu erhalten, so daß er die Lichtgrenze in noch größere Tiefen verlegte. Als Fol und Sarasin darauf im Juli 1890 18 Seemeilen von der Riviera ent- fernt einen neuen, einwandfreien Apparat versenkten, erhielten sie die Lichtgrenze zwischen 465 und 480 m. Zahlreicher waren im Vergleich hierzu die Beobachtungen von J. Luksch im östlichen Mittelmeer und im Roten Meer, wobei er nicht nur den Apparat von Petersen, sondern auch einen solchen eigener Erfindung benutzte ; beiden ist eine vertikale Stellung der lichtempfindlichen Platte (bei Ule dagegen eine horizontale) eigen, und Luksch bringt sogar zwei Platten, Rücken an Rücken, gleichzeitig zur Belichtung, wobei nur das seitlich einfallende Licht wirksam wird. Durch Versuche von 100 zu 100 m Abstand fand Luksch als Lichtgrenze für das östKche Mittelmeer rund 600 m, indem bei dieser Tiefe unter 5 Fällen nur einmal ein schwacher Lichteindruck erzielt wurde, wobei die Schleusner- schen Gelatine-Emulsionsplatten 15 Minuten entblößt waren. Für das Rote Meer erhielt er als entsprechende Grenze 500 m. Auch hier erhält man wieder nur eine einzige Intensitätsstufe, näm- lich das für die betreffende Plattenart geltende Minimum von wirksamem Licht. Die verschiedenen Schwärzungsgrade bei höher liegenden Niveaus eignen sich nicht dazu, um die Abnahme der Lichtstärke mit der Tiefe in exakten Maßen zu verfolgen. Um in dieser Hinsicht einen Fortschritt zu erzielen, hat Paul Regnard ^) drei verschiedene Wege versucht und eine originale Erfindungsgabe dabei be- tätigt; leider aber sind seine Experimente sehr vereinzelt geblieben. Das erste Verfahren mißt die Änderungen der Lichtintensität an der damit proportionalen elektrischen Leitfähigkeit einer Selenzelle. Das kristallinische Selen hat die Eigenschaft, den galvanischen Strom im Dunkeln sehr gering, in vollem Sonnenschein aber in etwa lOfacher Stärke zu leiten und zwar re- agiert es vorzugsweise auf die Strahlen des weniger brechbaren (roten) Endes des Spektrums. Das Sslenphotometer Regnards besteht aus einer wasserdich- ten Kapsel, die unter einer Glasplatte eine Selenzelle enthält. Der galvanische Strom wurde bei seinem Experiment durch ein Kabel auf das Fahrzeug und von da wieder zurück nach einem Kellerraum an der Ostspitze der Halbinsel von Monaco geleitet, wobei das Boot über 50 m Wassertiefe lag. An einem durchaus ruhigen und wolkenlosen Tage wurde das Photometer stufenweise versenkt und ergab, wenn wir die bei vollem Sonnenlicht erhaltene Galvano- meterablesung als Einheit = 100 setzen, folgende Abstufungen mit der Tiefe: Tiefen: Ol 2 3 4 5 7 9 11 Meter Intensität: 100 52 40 37 34 32 31 30 29 Schon in der geringen Tiefe von einem Meter ist also die Intensität fast auf die Hälfte, in 4'|2 m auf ^/s gesunken, was also eine außerordentlich rasche Abnahme des (roten) Lichts schon in den obersten Schichten bedeutet, während sie um so langsamer von 7 m abwärts erfolgt, und aus einer graphischen Dar- La Vie dans las Eaux, Paris 1891, p. 205 ff. Die Durchsichtigkeit. 261 Stellung kann man schließen, daß eine Intensität = \/4 erst um KX) m herum erreicht worden wäre. Eine zweite Versuchsreihe gründet sich auf die Wirkung, die das Licht auf ein Gemisch gleicher Mengen von Wasserstoff- und Chlorgas ausübt: im Dunkeln bleiben beide Gase fast indißerejit bestehen, bei mäßigem Tageslicht vereinigen sie sich langsam zu Chlorwasserstoff, im vollen Sonjiejilicht sofort unter Explosion. Regnard füllte 5 Glasröhren mit genau bestimmten Mengen der beiden Gase und brachte diese nachts und überdies mit einem schwarzen Spiritusfirnis gegen Licht geschützt an einer Lotleine in je 2 m Abstand be- festigt in wagrechter Stellung an ; die Leine war unweit von Monaco in 20 m Tiefe durch ein schweres Gewicht am Boden festgelegt und scn der Oberfläche von einer Boje getragen. Da der schwarze Lack ziemlich rasch vom Seewasser aufgelöst wurde, konnte sich die Lichtwirkung entsprechend der örtlichen Intensität an dem zum Versuche gewählten durchaus sonnenlosen Tage inner- halb der Röhren vollziehen. Die der Intensität des diffusen Tageslichts pro- portionalen Mengen von Chlorwasserstoff waren in den fünf Tiefen : Tiefen (m): 2 4 6 8 10 Mengen HCl: 79 25 13 10 9 Die graphische Darstellung zeigt hier einen ganz gleichen Gang für das Vor- dringen des chemisch wirksamen (blauen) Teils des diffusen Tageslichts, wie die vorher für das Sonnenlicht mit dem Selenwiderstand erhaltene Intensitäts- kurve. Ein dritter Versuch sollte Regnard dazu dienen, die Dauer des Tages- lichts in bestimmten Tiefen näher zu bestimmen. Als Fol und Sarasin im April 1886 ihre photographischen Platten während verschiedener Tagesstunden versenkten, hatte sich ergeben, daß nur die Schichten bis 300 m den ganzen Tag hindurch Licht erhielten, in 350 m Tiefe aber nur 8 Stunden, w^as mit später zu erörternden Brechungserscheinungen im Seewasser zusammen- hängt. Regnard wollte versuchen, genauer festzustellen, wann für Seepflanzen und -tiere der Tag in einer bestimmten Meerestiefe beginnt und endet. In einer durchaus licht- ujid wasserdichten Metalltrommel wird von einem' einge- schlossenen Uhrwerk eine mit lichtempfindlichem Platinpapier belegte Walze in 24 Stunden einmal um ihre Achse bewegt. An der oberen Seite der Trommel findet sich unter einer Glasplatte ein feiner Schlitz von 0.1 mm Breite. Der Apparat wurde vom Fürsten von Monaco auf der Reede von Funchal vor Madeira Ende März 1889 nacheinander in Tiefen von 20, 30 und 40 m je einen Tag zugleich mit einem auf dem Deck dem Tageslichte frei ausgesetzten zweiten Apparat versucht und ergab, daß dort in 20 m Tiefe der Tag nur 11 Stunden dauerte, in 30 m erst um 8 \/2 Uhr begann und um 1 ^<2 Uhr Nm. schon aufhörte, da sich der Himmel bewölkte; in 40 m Tiefe aber trotz des besonders sojinigen Wetters nur für eine Viertelstunde nach 2 Uhr Nm. schwach bemerkbar wurde. Das durch die Landnähe getrübte Wasser wird hier die Verhältnisse gegenüber denen im freien Ozean übrigens stark ins Ungünstige verschoben haben. Zur Anreizung der Nachfolge auf diesem Gebiete sei die damalige Registrierung in 30 m anbei veranschaulicht (Fig. 39). Aus allen diesen Versuchen ergibt sich, daß das Meerwasser bei aller Durch- sichtigkeit doch ein ziemlich stark lichtschwächendes Medium ist und die Orga- nismen auch in den oberen Schichten bereits unter ganz anderen Beleuchtungs- zuständen leben müssen, als wir sie im Luftmeer gewohnt si)id. H. Fol hat sich in einem Taucheranzuge mehrfach am Meeresbodeji bei Nizza aufgehalte}i und über die dabei erhaltenen Eindrücke in anschaulicher Weise berichtet')- ') Comptes Rendus Acad. Paris 1890, p. 1079. 262 Die optischen Eigenschaften des Seewassers, Wer sich am Meeresboden befindet, empfängt das Licht immer nur von oben, wie in einem nur von Oberlicht erhellten Saale. Blickt er nach der Oberfläche hinauf, so sieht er dort eine große kreisförmige leuchtende Fläche, die einen Lichtkegel in sein Auge sendet, dessen Seiten sich unter einem Winkel von 96° nach oben zu verbreitern '). Es hängt das damit zusammen, daß die schräg einfallenden Sonnenstrahlen total reflektiert werden, sobald der Einfallwinkel kleiner ist als 48°. Jenseits dieses leuchtenden Kreises ist die Oberfläche dunkel und so gefärbt, wie man sie an Bord von oben her sieht. Die Grenze des be- leuchteten Kreises gegen die dunkle Umgebung ist niemals regelmäßig und die geringste Wellenbewegung genügt, um sie ausgezackt und zerstückelt er- sclieinen zu lassen. Die Sonnenstrahlen selbst erscheinen bereits wenige Meter unter der Oberfläche verblaßt. Befindet man sich längere Zeit in einer Tiefe von mehr als 10 m, so sieht man, wenn die Sonne sich nachmittags senkt, plötzlich Dämmerung auf den hellen Tag folgen. Fol ist es begegnet, daß er Fig. 39. 10 11 Mittcr I 2 3 an Bord. Aufzeichnungen von Paul Regnards Photometrographen auf der Reede von Madeira. sich unter diesem Eindruck, als sei die Nacht herangekommen, nach oben begab und er sich dann zu seinem Erstaunen nicht nur im vollsten Sonnen- schein befand, sondern auch überzeugte, daß der Abend noch fern war. Diese Verminderung des Lichts in dem Augenblicke, wo der Einfallwinkel zu klein wird, um die Sonnenstrahlen ins Wasser eindringen zu lassen, vollzieht sich in sehr schroffer Form. Die Durchsichtigkeit des Wassers in der Nähe der Küste sah Fol sehr stark von Tag zu Tage wechseln, ebenso wie die Farbe. Selbst bei verhältnismäßig hellem Wetter, aber bei bedecktem Himmel, konnte er in 30 m Tiefe so schlecht sehen, daß es schwierig war, kleine Tiere zu sam- meln. Er konnte in horizontaler Richtung einen Felsen nicht mehr als 7 oder 8 m weit erkennen. Schien aber die Sonne hell und war das Wasser besonders klar, so vermochte er einen blanken Gegenstand auf 20 m, bisweilen auf 25 m Abstand zu sehen; aber für gewöhnlich mußte er mit der Hälfte zufrieden sein. Für die Seetiere folgt daraus, daß sie auch in den oberen vom Tageslicht er- hellten Meeresschichten, wie in einem Nebel leben: sie sind leicht zu über- raschen und fernsichtige Augen würden ihnen nichts helfen. Die beweglichsten unter ihnen pflegen dann auch, wenn man sie aufscheucht, eine Strecke von einigen Metern mit größter Geschwindigkeit davon zu schießen, dann aber haltzumachen, als ob sie merkten, daß sie sich bereits aus dem Sehbereich ihres Verfolgers entfernt hätten. Hierauf beruht auch die seit alters bewährte Ausführung der gebräuchlichen Fischereigeräte, mit denen man Fische, die auf weite Entfernung sehen könnten, nicht zu fangen vermöchte. Wie richtig ^) Der von Fol angegebene Winkel von 62^50' ist jedenfalls viel zu klein, er würde zu einem Brechungsexponenten = 1.919 gehören. Die Durchsichtigkeit. 2G3 diese Bemerkung von Fol ist, konnten wir auf der Planktonexpedition wahr- nehmen, wo es trotz wiederholter Versuche auch in mondlosen Nächten nicht gelang, mit den in der Nordsee gebräuchlichen Stellnetzen im doppelt so klaren Wasser des Golfstroms und der Sargassosee auch nur einen Fisch zu fangen, obwohl es an solchen (namentlich auch fliegenden Fischen) durchaus nicht mangelte. Fernerhin begreift man, wie blind die Unterseeboote wären, die ohne Periskop imr mit dem Licht in den Tiefen von 10 bis 20 m auskommen wollten. Betrachten wir nunmehr, um den Ursachen für die örtlich verschiedene Durchsichtigkeit des Seewassers nachzugehen, das Verhalten eines Licht- strahls nach dem Eintritt ins Wasser, so haben wir dabei zweierlei- scharf auseinanderzuhalten. Zunächst wirkt das Wasser, auch das absolut reine und klare, als ein lichtabsorbierendes Mittel; zweitens aber sind tatsächlich im Wasser stets Fremdkörper, sowohl in Gestalt mineralischer Trübung, wie als Plankton, vorhanden, die ihren Schatten ins Wasser hineinsenden, dabei ihrerseits Licht absorbieren und solches zurückwerfen und nach beliebigen Richtungen zerstreuen. F. A. Forel') stellt letztere Wirkungen als „Okkultation" der vorher erwähnten Absorption zur Seite, eine Be- zeichnung, die nur die eine Seite der Sache, nämlich die Verdunklung durch Beschattung ausdrückt, nicht auch die Reflexions Vorgänge, die zur Aus bildung des zerstreuten oder diffusen Lichts führen, das sich nach allen Richtungen ausbreitet und große Räume zu erhellen vermag. Nur für ein ganz trübungsfreies Medium gilt das physikalische Gesetz, wonach die Lichtintensitäten bei einfach (arithmetisch) wachsenden Tiefen in geometrischer Progression, also sehr rasch abnehmen. Bezeichnet /„ die Anfangsintensität, Ih die Intensität in der Tiefe h, so besteht die Be- ziehung IhZ=Io e-^^, wo e die Basis der natürlichen Logarithmen und £ den sogenannten Absorptionskoefiizienten für das betreffende Medium bedeutet, der sich aus Beobachtungen von /^ und /;, ableiten läßt, denn £ =r ^'■j, . Mod. (Log lo — Log /;,). Der Koeffizient s ist also der reziproke W^ert derjenigen Schichtdicke h, bei welcher die Intensität des einfallenden Lichts auf den Bruchteil. ^/e == 0.368 gesunken ist, oder, was dasselbe, er ist der Logarithmus der Lichtintensität bei einer Schichtendicke, die der Einheit gleich ist. Nun haben wir bisher meistens von Licht schlechthin oder vom weißen Tageslicht gesprochen, das bekanntlich aus Lichtarten von verschiedener Wellenlänge gemischt ist. Die Absorption im Wasser trifft nun diese Lichtarten keineswegs gleichmäßig, sondern die der größeren Wellenlängen, also der roten Seite des Spektrums, stärker, die der kleinen Weilenlängen sehr viel schwächer. Wir werden bei Darstellung der Farben- verhältnisse diese selektive Absorption des Wassers noch besonders unter- suchen. Hier muß hervorgehoben werden, daß ein bestimmter Absorptions- koeffizient nur einer bestimmten Wellenlänge, also nur homogenem Licht zukommt. Von einem mittleren Koeffizienten für weißes, in große Wasser- tiefen vordringende'fe Licht sollte also nicht gesprochen werden, da mit fortschreitender Tiefe dieses Licht durch die selektive Absorption verändert (gefärbt) wird und, je tiefer es kommt, um so mehr aus Strahlen der blauen Seite des Spektrums besteht, für die doch ein viel kleinerer Koeffizient gilt. So berechnen sich aus den von Regnard aus dem Selenwdderstand ') Seenkunde, Stuttgart 1901, S. 135. 264 I^J6 optischen Eigenschaften des Seewassers. abgeleiteten Intensitäten (S. 260) die Absorptionskoeffizienten aus der vorher erwähnten Formel der Reihe nach in folgenden mit der Tiefe ab- nehmenden Größen (h in Metermaß gesetzt): Wassertiefe: 1 2 3 5 7 9 lim Koeffizient s: 0.124 0.087 0.063 0.043 0.032.0.026 0.025 Ferner aber ist leicht einzusehen, daß in dem stets mit Trübungen durch- setzten Seewasser die Intensitäten auch nicht nach einer einfachen geometri- schen Progression abnehmen können, denn die Fremdkörper absorbieren ja nicht nur selbst Teile des sie treffenden Lichts, sondern sie reflektieren auch solches, wie sie bereits reflektiertes von den übrigen Fremdkörpern empfangen, in den oberen Schichten auch nicht wenig solches, das von der Oberfläche selbst wieder nach unten zurückgespiegelt wird. Dadurch wird der Vorgang sehr verwickelt und kann eine so einfache Beziehung, wie sie jene Exponentialformel mit einem bestimmten Absorptionskoeffi- zienten will, nicht bestehen. Wollten wir deshalb die von Regnard mit dem Selenwiderstand gemessenen Intensitäten als Funktion der Tiefe ausdrücken, so würde sich eine hyperbolische Formel besser eignen und die Gleichung J;, = J, : (1 + 2.24 h — 0.076 Ä^ -f- 0.00056 h^) sich den Beobachtungen in befriedigender Weise anschließen. Die Formel soll übrigens nicht etwa zur Extrapolation für Tiefen von 100 m und mehr dienen. — Beobachtungen der Absorptionskoeffizienten im Seewasser für homogenes Licht bestimmter Wellenlängen liegen bisher noch nicht vor. Von dem Standpunkte aus, daß sich das Seewasser dem Licht gegen- über wie ein trübes Medium verhält, hat kürzlich J. T h o u 1 e t ^) einen Vor- schlag gemacht, dem man nur unter starken Vorbehalten folgen kann. Indem er feinstes weißes Kaolinpulver in verschiedenen, genau abgewogenen Mengen in 1 1 Wasser löste und dann die jeder Konzentration für die Schichteinheit zu- kommende Absorption des Tageslichts mit dem Fettfleckphotometer bestimmte, fand er, daß sich das Produkt aus Durchsichtigkeit und Trübungsgehalt einer Konstanten näherte, die von der Intensität der Lichtquelle nur wenig abhängig war. Er übertrug alsdann diese Wahrnehmung auf das Verfahren der Sicht- tiefen und fand die sehr einfache Beziehung hs = 4, indem er die Sichttiefen h in Meter und den Gehalt an Trübung s in mg p. Liter ausdrückte. Hat man also eine Sichttiefe von 33 m, wie sie Luksch als (übrigens rein rechnerisches) Mittel aus seinen Beobachtungen im östlichen Mittelmeer nennt, so wird s = 0.12, d. h. die Durchsichtigkeit des östlichen Mittelmeers ist der einer Kaolin emulsion von 0.12 mg im Liter optisch äquivalent. Vielleicht werden viele Ozeanographen die übliche Angabe einer Sichttiefe von 33 m anschaulicher finden. Um nunmehr zu den örtlichen Verschiedenheiten in der Durchsichtig- keit der Meere überzugehen, so vermögen wir deren Ursachen zur Zeit nur imvollkommen zu erkennen. Sind doch schon die verschiedenen Einflüsse, die die stärkere oder geringere iVbsorption in reinem Wasser ^) Resultats des Campagnes seientif. du Prince Albert I de Monaco, fasc. 19, Monaco 1905, p. 115. Wenn an Stelle der von Thoulet unbequem genannten weißen Scheiben eine weißgemalte Hohlkugel aus Kupfer von nur 15 cm Durchmesser vorgeschlagen wird, so ist dagegen doch Widerspruch zu erheben (vergl. S. 258). Die Durchsichtigkeit. 265 bestimmen, noch recht ungenügend bekannt und für Seewasser kaum unter- sucht. Die Einwirkung der Temperatur ist nach E. Wild^) in der Richtung erkennbar, daß die Durchsichtigkeit des reinen Wassers abnimmt mit Erhöhimg der Temperatur. Nun sind die von ihm vergUchenen Tempera- turen (7° und 50°) sehr weit voneinander entfernt, und doch ist die Änderung dabei verhältnismäßig gering. Nach Hüfner und Albrecht ''^) wird, wenn die Extinktion des Lichts im reinen Wasser bei 6.2° = 0.9946 war, sie bei 17.0° =0.9938, und bei 24.4° nur =0.9915; das ist in der Tat keine er- hebliche Wirkung. Zwar fand auch G. Schott in den hohen Südbreiten des Indischen Ozeans bei Temperaturen von nahezu 0° größere Sicht- tiefen (20 — 25 m), als im äquatorialen Gebiet des Atlantischen Ozeans und im Guineastrom (12 — 18 m). Im allgemeinen kann man aber im Gegenteil aus unserer Zusammenstellung der Sichttiefen schließen, daß gerade die warmen Meere im ganzen beträchtlich klarer sind, als die kalten. Auch der Salzgehalt des Seewassers wird die Durchsichtigkeit nicht wesentlich verschlechtern; es zeigen dies unmittelbar darauf gerichtete Versuche von Spring, wie das auch aus der Farblosigkeit der gelösten Salze oder ihrer Ionen zu erwarten war. So ist die schwachsalzige Ostsee mit der stärker salzigen Nordsee und der ozeanisch salzigen Irmingersee von ungefähr gleicher Durchsichtigkeit, der nördliche Teil des Roten Meers nicht klarer, als das weniger salzige Wasser der Sargassosee. Es sind aber indirekte Einflüsse des Salzgehalts und der Temperatur auf die Trübungen im Seewasser schon eher anzuerkennen. Mit der Er- wärmung wird die Dichte des Wassers kleiner, also die Auftriebfähigkeit der schwebenden mineralischen Trübe vermindert, d. h. ihre Abscheidung begünstigt. Dieselbe Wirkung haben, wie wir früher ausführhch darlegen konnten (S. 166), die im Wasser gelösten Salze, wenn die Wirkung auch nicht einfach dem Salzgehalt proportional zunimmt. Sobald wir uns örtlich von den Quellen etwaiger Trübung hinweg von den Küsten in die offene See und über tiefes Wasser begeben, dessen Grund nicht mehr vom Seegang aufgewühlt wird, muß die Klarheit des Wassers im allgemeinen zunehmen. Dies ist auch der Fall : die landfernen und zugleich warmen Meere sind in der Tat besonders durchsichtig. Wo dies einmal nicht der Fall ist, darf man an die zweite Quelle der Trübungen denken, die schwebenden Or- ganismen der Planktonwelt. Schon G. Schott^) hat darauf hingewiesen, daß zwischen Planktonvolum und Sichttiefen auffällige Zusammenhänge bestehen, indem große Planktonmengen die Sichttiefen herabdrücken, geringe sie vergrößern. Für 23 seiner Sichttiefenstationen hat ihm Dr. K. Ap- stein das Planktonvolum mitgeteilt. Ordnen wir diese in zwei G-ruppen, solche mit viel und mit wenig Plankton, und berechnen wir für jede der beiden Gruppen einen Durchschnittswert sowohl für das Planktonvolum, wie für die Sichttiefen, so erhalten wir Planktonvolum Sichttiefe 1 1 planktonarme Stationen : 85 cc 26 m, 12 planktonreiche Stationen: 530 cc 16 m. ') Poggend. Ann. 1868, Bd. 134, S. 582. -) Wiedemanns Ann. 1891, Bd. 43, S. 1. ») Valdiviawerk S. 230. 266 I^ie optischen Eigenschaften des Seewassers. Doch kommen auch in einzelnen Fällen starke Ausnahmen vor, indem z. B. auf der Höhe der portugiesischen Küste die auffällig kleine Sichttiefe von 4 m mit nur 34 cc Planktonvolum verbunden war. Hier muß man sich dem von K. Apstein erhobenen Vorbehalt anschließen, daß nämlich das feinste Mikroplankton die Durchsichtigkeit verhältnismäßig mehr vermindert, als das locker auftretende gröbere Plankton, das die größeren Volumina gibt. Verstärkt wird dieser Vorbehalt durch einen technischen Mangel des Planktonfanges: der bei den Hensenschen Netzen benutzte Seidenstoff (Müllergaze 20) läßt gerade das feinste, meist vegetabilische Plankton (die Kokkolithophoren, Gymnodinien und Chrysomonadinen) hindurchfiltrieren, und nach den neueren Messungen H. Lohmanns i) kann dieser Filterverlust auf 30 bis 90 Prozent, je nach der Größe und Gestalt der betreffenden Arten ansteigen. Dieses feinste Plankton ist aber in den warmen Meeren zeitweilig sehr dicht entwickelt. In dieser Hinsicht sind also für die Zukunft bessere gleichzeitige Beobachtungen zu erwarten. Es hat aber nach allem den Anschein, als wenn die Plankton- führung für die Durchsichtigkeit der Hochsee wie der Nebenmeere von größter Bedeutung wäre. — Die Farbe der M e e r e ist in den letzten Jahren mehrfach G egen- stand lebhafter Erörterung gewesen, die namentlich von den Limnoiogen ausging und leider nicht immer die beträchtlichen Unterschiede zwischen Vorgängen und Zuständen in Süßwasser und Meerwasser richtig würdigte-). Für die naive Naturbetrachtung ist die Farbe der Meeresoberfläche einem steten Wechsel unterworfen, der von den Reflexen des Himmels hervorgerufen wird. Wolkenloser Himmel mit leichtem Wind pflegt überall eine blaue Farbe, starke Bewölkung eine graue, Sonnenauf- und -Untergang eine rötliche oder gelbliche hervorzubringen, und es wäre nicht schwer, unter Hinweisung auf bekannte Gemälde alter und neuer Meister eine vollständige prismatische Farbenskala vom Eigelb durch alle Arten Grün und Blau bis zum fahlsten Lila hin zusammenzubringen. Kaum hat einer der neueren Dichter diese wechselvolle Färbung des Meeres in so ver- schiedenen Auffassungen geschildert, wie Homer. Wohl unzählige Male nennt er es purpurn, wo nämlich die hochgehenden Sturm wogen den von der tief stehenden Sonne geröteten Himmel widerspiegeln, oder auch weinfarben, so wie Südweine gefärbt sind; bei stürmischem Wetter nennt er es schwarz und weißgrau (voller Schaum), auffallend selten aber mit der wahren objektiven Farbe Blau oder Veilchenfarben ^). Um diese zu erhalten, muß man alle Reflexe ausschließen, und wenn das nicht auf der Schattenseite des Schiffs gelingen sollte, ein innen geschwärztes Rohr ins Wasser tauchen. Dann zeigt sich, daß unsere heimischen Meere grüne Färbungen haben, der tropische Ozean dagegen überwiegend eine blaue, so daß also unsere Kartographen in ihrem Rechte sind, wenn sie die Meeres- 1) Wiss. Meeresunters. Kiel 1902, Bd. I, S. 63. ') Für das Folgende vergl. meine Geophysikal. Beob. der Planktonexp. 1892, S. 89—109. 3) So II. 11, 298; 16, 34. Od. 5, 56; 11, 107. Das sehr häufige YjspoetSYj? bezieh,t sich auf die diesige Kimm, s. Neumann-Partsch, Phys. Geogr. Griechenl. S. 117. Die Farbe. 267 flächen mit einem blauen Farbenton bedecken. Freilich sind den See- fahrern seit alters auch abweichende Färbungen wohlbekannt; sie werden als Mißfärbungen oder Verfärbungen bezeichnet, und es handelt sich um milchweiße, blutrote, gelblichgraue , schiefer- oder olivenfarbene Töne, die, wie später zu zeigen, auf örtliche Anhäufungen von Fremdkörpern zurückzuführen sind. Die herrschenden normalen Farben der Meere sind Grün und Blau, oder wenn man will zwischen den Fraunhoferschen Linien E und F oder den Wellenlängen von 530 bis 478 {jl{jl (Milliontel Millimeter). Für eine genauere Bezeichnung der Farben, ob mehr Grün oder Blau vorhanden ist, reichen die Farbenbezeichnungen in unserer Sprache bei weitem nicht aus. Der erste, der ein exaktes Verfahren auf. seinen See- fahrten anstrebte, war Alex. v. Humboldt, indem er ein von Saussure ^) angegebenes sogenanntes Kyanometer nicht nur zur Bestimmung der Himmelsbläue verwandte, sondern auch die Meeresfärbungen darauf bezog; er fand das Meer von erheblich gesättigterem Blau, als den wolken- losen Tropenhimmel. Erst in neuerer Zeit hat man wieder instrumentelle Hilfsmittel für diesen Zweck geschaffen, unter denen die Farbenskala von F. A. Forel für ozeanographische Zwecke bedeutsam geworden ist. Die Forel sehe Skala oder das Xanthometer gibt in ihrer voll- ständigen Ausführung die Übergänge vom reinen Gelb durch Grün zum reinen Blau. Es werden zwei halbprozentige Lösungen hergestellt, eine blaue aus 1 g Kupfersulfat mit 9 g Ammoniak in 190 g Wasser gelöst, und eine gelbe aus 1 g neutralem chromsaurem Kali gelöst in 199 g Wasser. Beide werden gemischt und man erhält die einzelnen Farbstufen so, daß die reine Kupfer- sulfatlösung zur Basis genommen und mit 0 bezeichnet wird, eine Mischung von 2 g der gelben zu 98 g der blauen Lösung erhält die Nummer 2, eine andere mit 5 g der gelben auf 95 g der blauen Lösung wird mit 5 bezeichnet u. s. f., so daß die Stufen nach den Prozenten Gelb darin numeriert werden. Diese Mischungen werden in Röhren von 1 cm Durchmesser eingeschmolzen und wie die Sprossen einer Leiter in eiiiem Rahmen nebeneinander befestigt. Der Stellung im Spektrum nach entspricht die Stufe 2 ziemlich genau der Fraun- hoferschen Linie F, Stufe 20 der Linie E. Die Beobachtung erfolgt unter Ab- schluß aller Sonnen- und Himmelsreflexe; unter der Skala liegt dabei ein Blatt weißes Papier. Die Mischungen sind übrigens wenig haltbar und müssen öfter frisch gemacht werden; ein Ersatz des neutralen Kaliumchromats durch das saure Dichromat ergibt nach meinen Erfahrungen keine wesentliche Besserung. Eine zweite Skala hat Jos. Lorenz von Liburnau^) angegeben, die sich aus natürlichen Mineralien zusammensetzt; er verwendet für das Blau Kristalle von Azurit, Kupfersulfat, Saphir, Beryll; für das opake Blau Ultra- marin, Lasurstein, Türkis, Indigo; für das Blaugrün Kupfersmaragd, für das reinere Grün Heliotrop, Strahlstein, Smaragd, Malachit, Chrysopras; für das gelbliche Grün Serpentin, Epidot, Olivin, Nephrit. Daß hiermit aber die in der Natur vorhandenen Übergänge zweifelfrei zu definieren sein werden, er- scheint mir ausgeschlossen. Eine dritte und vierte Form der Farbenskala, die sich eng an die Forelsche anlehnt und sie durch ihre größere Haltbarkeit übertrefien soll, hat J. Thoulet kürzlich für den Fürsten von Monaco ausgeführt'); sie ist umständlich her- 1) Saussure in Grens Journal d. Physik für 1792, S, 96; Humboldt, Rel historique II, 1816, 161—182. 2) Mitt. Geogr. Ges. in Wien, Bd. 41, 1898, S. 78—92. 3) Resultats des Campagnes scient. du Prince Albert I etc. fasc. 19, Monaco 1905, p. 125. 268 I^iö optischen Eigenschaften des Seewassers, zustellen. Zunächst übertrug er die Forelschen Farbenstufen auf Glas, indem er entsprechend zugeschnittene photographische Platten (Silberchlorür- gelatine) durch geeignete Ausspülung entsilberte und dann mit Mischungen von Diaminblau und Pikringelb so färbte, daß sie, unter einem Kolorimeter von Duboscq geprüft, den Forelschen Stufen entsprachen. Jede Farbenstufe wird dann aus zwei mit der Gelatineseite aufeinander gelegte und an den Rändern mit Papier überklebte Platten gebildet. Um nun auch die verschiedene Intensität der Farben auszudrücken, hat Thouiet außerdem noch eine so- genannte Tonskala hergestellt, die aus ähnlichen mit verschieden starken Lösungen von chinesischer Tusche behandelten Platten besteht. Verschiedene Stücke der Farben- und der Tonskala werden übereinandergelegt und durch ein 11 cm langes passendes Messingrohr betrachtet, indem man gleichzeitig einen unter 45^ geneigten Spiegel ins Meer taucht und die vom Spiegel re- flektierten Farben damit vergleicht. Um auch Zwischenstufen zwischen den Forelschen Xanthometergraden zu erhalten, hat dann Thouiet noch ein viertes Instrument hergestellt. Es werden zwei keilförmige Glasprismen, eins von blauem, das andere von gelbem Glase, übereinander gelegt und mit Schraube und Trieb voreinander her geschoben; die Feinstellung wird mit einem Faden- kreuz erreicht und an einer Teilung abgelesen. Die von ihm benutzten Prismen hatten eine Länge von 68 mm, eine Höhe von 25 und eine größte Glasdicke von 1.8 mm am blauen und 1.4 mm am gelben Prisma. Durch Vergleich mit der Forelschen Skala w^ird die benutzte Teilung geeicht. Es liegen jedoch noch keine Beobachtungen mit diesem Instrumente vor; das Prinzip der keilförmigen, voreinander her verschobenen Prismen ist übrigens schon vor Thouiet von W. Ule') in einer viel einfacheren Aufmachung angewandt worden, wobei Ule Hohlprismen mit Methylenblau und Kaliumcliromat füllte. Schließlich bleibt noch immer der Nachteil bestehen, daß au"ch die Forel- schen Farbenstufen sich in solchen Fällen nicht mit den natürlichen Meeres- farben decken, wo es sich um Abweichungen ins Oliv und Schiefergrau oder um milchige Trübungen handelt. Die von W. Ule^) für den Gebrauch in Land- seen vorgesehene Beimengung einer dritten, braunen Lösung von Kobaltsulfat zu den Kaliumchromat- und Kupfersulfatlösungen Foreis hat sich im ozeano- graphischen Gebrauch nicht bewährt. Man ist immer wieder auf die einfache Forelsche Skala zurückgegangen und kann sich iii solchen Fällen, wie den er- wähnten, damit helfen, daß man wenigstens die Grundfarbe nach Forel angibt (der Maler würde von Untermalung sprechen) und im übrigen die Abweichung in Worten beschreibt. J. Luksch bediente sich, wie er sagt, mit gutem Erfolge statt des weißen Papiers einer Unterlage, deren Farbe von Weiß über Grau nach Schwarz hin abgestuft war und angenähert die Funktionen der Thoulet- schen Tonskala erfüllte. Exakte Farbenbeobachtungen, die die Forelsche Skala zu Grunde legen, sind aus dem offenen Ozean keineswegs häufig. Ich selbst habe während der Planktonexpedition (1889), und später haben Dr. G, Schott auf seiner Segelschiffsreise (1892) durch die atlantischen, indischen und ostasiatischen Gewässer und sodann auf der deutschen Tiefseeexpedition (1898/99), E. v. Drygalski auf seiner Grönlandfahrt und der deutschen Südpolarexpedition, Dr. A. Krämer auf Reisen im südatlantischen und pazifischen Gebiet, J. Luksch im Mittelländischen und Roten Meer Auf- zeichnungen danach gemacht. Nimmt man hierzu die regelmäßigen Beob- achtungen auf der deutschen Gazelleexpedition, die sich ohne große Fehler ^) Der Würmsee, Leipzig 1901, S. 160. *) Petermanns Mitt. 1892, S. 70, vergl. S. 286. u. 1894, S. 214. Die Farbe. 269 auf gewisse Stufen der Forelschen Skala zurückführen lassen, so sinjd mit Ausnahme der größeren Hälfte des Pazifischen Ozeans und den höheren Südbreiten des Atlantischen geeignete Angaben vorhanden, um die Ver- teilung der Meeresfarben in ihren wesentlichen Grundzügen zu erfassen. Danach darf man schließen, daß die größten Flächen des Ozeans eine blaue Farbe (Forel 0 bis 2) besitzen, namentlich innerhalb der Tropen und Subtropen, während die grünen Färbungen in den küstennahen und flacheren Teilen namentlich der Nebenmeere, sowie in den eisführenden Polargewässern vorherrschen. Doch gibt es auch charakteristische Aus- nahmen. Von den heimischen Gewässern ist die Ostsee fast ausnahmslos grün, bald dunkelgrün, bald heller (Forel 14 — 21 ). Die Nordsee ist in ihrem nördhchen und mittleren Teil um einige Prozente der Forelschen Skala stärker blau; im nördlichen Teil hat E. v. Drygalski sogar einmal Stufe 2, also fast reines Blau beobachtet. Die Nordmeergewässer, das Gebiet der Irmingersee haben eine blaugrüne Farbe, selten mehr als 9, meistens 5 — 6 nach Forel. Zwischen dem Ostgrönlandstrom und Neufundland sahen wir ostseegrünes Wasser; doch kommen auch noch in der Baffinbai und Davisstraße fleckweise Flächen mit blauem Wasser vor (2 — 5 nach Drygalski). Nach Steenstrup ist dort die Farbe in der wärmeren Zeit mehr dem Grün, in der kältesten dem Blau geneigt, am blausten ist sie im März^). Über der flachen Neufundlandbank fand ich im August 1889 ebenfalls das kalte Wasser wider Erwarten mehr blau als grün (Forel 3). Auch zwischen 40*^ und 50^ N. B. sind im Atlantischen Ozean diese grün- lich blauen Färbungen die Regel (2 — 5 Forel), im Frühling und Sommer kommen aber auch dunkelgrüne Stellen vor, ebenso wie im sonst blauen Golfstrom (1 Forel). Das kalte aufquellende Wasser ist an der afrikani- schen Küste dunkelgrün und auch die kalten Flecke des Südäquatorial- stroms im August und September sind grün (5 — 7 For.). Das reinste und tiefste Blau hat die Sargassosee, und ihr stehen darin die homologen Gebiete des Südatlantischen, Indischen und Pazifischen Ozeans kaum nach. Das Mittelmeer ist nach G. Schott in der Straße von Gibraltar noch nord- seegrün (9 — 14 F.), wird aber bei Sardinien und im Tyrrhenischen Becken blau; die reinste Bläue, gleich der der Sargassosee, findet sich im Orientali- schen Becken zwischen Kreta und Zypern, während das Ägäische Meer weniger blau ist (2 — 3 F.). — Abgesehen von einem Streifen zwischen den Chagosinseln und den Seychellen, wo Schott grünblaues Wasser bemerkte, herrscht im tropischen Indischen Ozean das Blau (0 — 1 F.); wahrscheinlich nehmen die rein blauen Flächen im Indischen Ozean noch größere Räume ein, als im Atlantischen. Sogar in den hohen Südbreiten um 55^ S. B. zwischen 10° und 31° 0. L. fuhr die Valdivia durch fast rein blaues Wasser. Weiter östlich dagegen fand Schott, wie 24 Jahre vorher die Challenger- expedition, grünere Färbungen bis nach Kerguelen und Neu Amsterdam hin. — Von den indischen Nebenmeeren ist das Rote in seiner tieferen Mitte blaugrün (2-=— 5 F.) und in den flacheren und südlichen Gebieten noch grüner (5 — 9). Die Andamanensee und die seichteren Teile des ^) Drygalski, Grönlandexpedition, Berlin 1897, Bd. 2, Taf. 10; Steenstrup in Ann. d. Hydr. 1884, S. 174. 270 I^i® optischen Eigenschaften des Seewassers. Australasia tischen Mittelmeers sind ziemlich stark grün (über 20, ja 30 Forel nach Schott), während die Tiefenbecken der China- und Bandasee schön blau sind. Im Pazifischen Ozean ist durch die Gazelleexpedition das Vorherrschen der blauen Farbe in den Gewässern des Bismarckarchipels, wie über- haupt in den tropisch warmen Flächen südlich vom Äquator bis in das Gebiet der Westwinde hinein gesichert. Das kalte aufsteigende Küsten- wasser an der Westküste Südamerikas ist grün. Zwischen San Francisco und Honolulu fand Dr. A. Krämer blaues Wasser westwärts von 125°, und das tiefe Blau westwärts von 135° W. L. ab. Wie es sich sonst im nordpazifischen Gebiet verhält, ist noch unbekannt, trotzdem zahlreiche berühmte Expeditionen diese Meeresstriche durchfahren haben. Ehe wir die Ursachen der verschiedenen Färbungen untersuchen, müssen wir noch unsere allgemeinen Bemerkungen über das optische Ver- halten des See Wassers vervollständigen. Kleine Mengen Seewasser sind ebensowenig im auffallenden wie im durchfallenden Lichte gefärbt, wie schon aus der Farbe des reinen Wassers und der vorherrschend in Lösung vorhandenen Salze und freien Ionen zu schließen ist. Nimmt man aber größere Wasserschichten, so ändert sich das. Weißes Licht, das durch eine 5 m lange Säule destilliertes Wasser hindurchgegangen ist, wird blau gefärbt, wie schon Bunsen bei der Unter- suchung isländischer Thermalquellen feststellte und dann auch durch Laboratoriums versuche erwies. Destilliertes Wasser aber, dem einige feine Trübung beigemengt ist, erscheint dann grün. Daß auch das See- wasser im durchfallenden Lichte blau ist, zeigte sich bei den schon einmal erwähnten Tauchversuchen des Zoologen Fol im Mittelmeer bei Nizza (S. 262). Fol bemerkt dazu, daß er die Farbe von Tag zu Tag verschieden gefunden habe, schwankend zwischen einem graulichen Grün und grünlichen Blau, je nachdem die Strömungen Wasser von der Küste her oder aus der hohen See herbeiführten. Alle Gegenstände nahmen einen bläulichen Ton an, der um so stärker hervortrat, in je größere Tiefen er hinabstieg. Schon in 25 m und noch mehr in 30 m erschienen gewisse dunkelrote Tiere, wie Muricaea flacornus schwarz, während die grünen oder grünblauen Algen vergleichsweise viel heller aussahen. Nach plötzlichem Auftauchen an Luft und Sonne erblickten die an das blaue Licht gewöhnten Augen die ganze Landschaft rot gefärbt. — Diese Farbenwirkungen können nur darauf beruhen, daß das Wasser die roten Strahlen des Sonnenlichts stark und rasch absorbiert, die blauen dagegen sehr wenig. Man sieht das auch an der grünlich blauen Färbung der Wellenkämme, wenn man diese im blauen Mittelmeer oder tropischen Ozean bei hohem Seegange beobachtet: hier ist der Weg des Lichts noch nicht lang genug, um viel von den roten und orangenen Strahlen zu verlieren, während das aus den Wellentälern heraufkommende Licht blau ist, wie das schon 1845 Aime richtig erklärt hat. Diese Auffassung wird auch durch die spektroskopische Unter- suchung bestätigt. Das Absorptionsspektrum des reinen Wassers zeigt eine allgemeine Schwächung von der Fraunhoferschen Linie C an ins Rote hinein, zwischen den Wellenlängen 660 und 670 \i\l ein schwaches Absorptionsband und zwischen 610 und 620 \l\l im Orange ein sehr kräftiges; es sind die sogenannten Schönnschen Streifen. Nach den Die Farbe. 271 spektroskopischen Untersuchungen, die H. F. Vogel an den grünen Ge- wässern des Golfs von Neapel ausgeführt hat, zeigen auch sie die Schönn- schen Streifen und ist die Abschwächung des roten Endes des Spektrums noch stärker als beim reinen Wasser; dagegem zeigt das blaue Wasser, sowohl der berühmten blauen Grotte von Capri, wie auch des Meeres vor der Riviera außerdem eine starke Absorption im Grün, wo die Fraun- hoferschen Linien E und b zu einem dicken dunkeln Streifen zusammen- fließen, während das Rot ganz verschwunden und das Gelb sehr erheblich verblaßt ist, so daß die D-Linie kaum erkennbar wird; dagegen sind Grün, Blau und Indigo helP). Aitken verweist mit Recht auf die beim Ver- senken weißer Scheiben auftretenden Färbungen, und auf die Wahrneh- mung, daß ins Meer versinkende Apfelsinenschalen durch Absorption des Orange sehr rasch blaßgelb und gelbgrün, wie unreif erscheinen'^). Wenn Fr. Oltmanns für grünes Ostseewasser, das durch eine 17 m lange / Fi?. 40. V 1 1 1 1 1 I ' J &■ -^ \Violet\ Blp.u Gr^n Gelb 1 On. ff 1 : ^::-":i^^ A q l , b\ ß; I) .^ i) . . A=400 450 500 550 600 650 700 Absovptionsspektra des reinen Wassers (/i und des blauen Seewasaers (//"i. nach Vogel. Röhre gegangen war, nicht nur eine Verlöschung an der roten Seite des Spektrums wahrnahm, sondern auch das Violett und Blau bis zur Wellen- länge 450 [X[A absorbiert sah, während der dem blauen Mittelmeer eigene Absorptionsstreifen bei Eh nur ganz schwach angedeutet war^), so ist das wohl eine Folge starker Versetzung des benutzten Wassers mit feinerer Trübung oder gelösten Stoffen ; ganz ähnUche Abschwächungen des blauen Endes sind auch an Süßwasserseen aufgefunden. Da die Absorptionskoeffizienten des Seewassers für die verschiedenen Wellenlängen noch immer nicht bestimmt sind, müssen wir uns mit den vorliegenden spektrophotometrischen Messungen am reinen Wasser be- gnügen, um eine Vorstellung von den ähnlichen Vorgängen selektiver Absorption im Seewasser zu gewinnen. Die besten Bestimmungen sind die von E. Aschkinass*) und Freih. 0. v. Aufseß''); beide stimmen über die größte Strecke des Spektrums sehr nahe überein, während eine viel benutzte Reihe von Messungen durch Hüfner und Albrecht ^) ersichtlich zu schwache Absorptionen ergibt, im übrigen aber denselben relativen Gang ^^ Poggend. Annalen 1875, Bd. 6, 325; 1895, Bd. 54, 175. Praktische Spektral- analyse, Berlin 1889, S. 320. 2) Proc. R. Soc. Edinb. vol. 11, 1880/82, p. 472 und 637. 3) Pringsheims Jahrb. für \^ss. Botanik, 1892, Bd. 23, S. 420 f. *) Wiedem. Annalen 1895, Bd. 55. 419. ^) Dissertation über die Farbe der Seen. München 1903, S. 26. ^) Wiedem. Annalen 1891, Bd. 43, S. 1. 272 Die optischen Eigenschaften des Seewassers. zeigt. Als die zur Zeit wahrscheinlichsten Werte lassen sich hiernach folgende angeben. Farben Wellenlängen Absorptions- koeff. pro Meter Bemerkungen Indigo .... 450 0.010 Blau . . i 470 0.010 — Blaugrün . 1 490 ; 510 0.010 0.012 bei Linie F Grün . . i 530 0.010 bei Linie E Gelbgrün . 550 0.033 — Gelb . . , 570 0.035 — 590 0.085 bei Linie D ! 600 0.163 — - Gelborange 615 0.235 Absorptionsband Orange ; 630 0.240 — Rotorange 1 650 0.280 bei Linie C Rot . . . 1 660 1 0.300 Aus dem am blauen Ende des Spektrums nur sehr kleinen Absorptions- koeffizienten ist zu entnehmen, daß gerade die photographisch wirksamen Strahlen in die größten Tiefen gelangen, das photographische Verfahren also sehr wohl geeignet ist, uns in dieser Hinsicht zu belehren. Nur sind die Licht- eindrücke auf den Platten doch auch von der Zeit der Belichtung abhängig, und in dieser Hinsicht entsprechen die vorliegenden Versuche wohl noch nicht ganz dem zur Zait technisch Erreichbaren. Ist es doch gelungen, nicht nur so schwach leuchtende Himmelsobjekte, wie Nebelflecke, zu photographieren, sondern sogar auch deren Spektrum auf der Platte zu fixieren. G. Hüfner^) hat darauf hingewiesen, daß nach Zöllners photometrischen Bestimmungen die Intensität des direkten Sonnenlichts 619000mal größer ist, als die des Vollmonds^) und dieser selbst OOOOOmal heller, als der Fixstern Capella, dessen Spektrum von Huggins photographiert worden ist. Hüfner hat dann mit seinen, wie gesagt, etwas zu großen Absorptionskoeffizienten rechnend die Tiefen ermittelt, bis zu denen violette Strahlen vorzudringen hätten, um dieselbe Helligkeit zu zeigen wie im Mondlichte, imd für reines Wasser 483 m gefunden; die Helligkeit des photographisch wirksamen Lichts der Capella wird erst in 896 m erreicht. Er hat dann auch gewisse biologische Schluß- folgerungen gezogen, die hier in ihren Grundzügen wiederholt und nach anderen Richtungen ergänzt sein mögen, obwohl sie ebenfalls auf seine zu großen Koeffizienten gegründet sind, also die Erscheinungen in der Natur wohl noch größeren Tiefen zukommen, als er ableitet. Für unser Auge machen die gelben und gelbgrünen Strahlen den Eindruck der größten Helligkeit. Aus Experi- menten von Paul Bert ist zu schließen, daß wenigstens einige der Meeresbe- wohner, wie die Daphnien, Augen von ähnUcher Lichtempfänglichkeit besitzen wie wir^), daß aber in dieser Beziehung auch die höheren Tiere anders ausge- stattet sein können, erweisen die Augen der Katzen und Fledermäuse, die 1) Archiv für Anatomie u. Physiol. 1891, Physiol. Abt. S. 93. 2) Nach photometrischen Messungen von Leonhard Weber ist in Kiel die für das rote Licht bestimmte Helligkeit des direkten Sonnenlichts im Maximum (Juli) etwa 30000 Meterkerzen, die Wirkung auf photographisches Papier aber der 25 fache Wert davon, also 750000 Meterkerzen. Schriften des Naturw. Vereins für Schleswig-Holstein 1893, Bd. 10, S. 94. ') Regnard a. a. O. S. 271. Die Farbe. 273 vortrefflich an das Dämmerlicht angepaßt sind ; während von gewissen Ameisen- arten bekannt ist, daß sie auf das ultraviolette unseren Sehnerven nicht mehr empfindliche Licht deutlich reagieren. Es sind also Schlußfolgerungen, die von der Lichtempfindlichkeit des menschlichen Auges ausgehen, nur mit allem Vorbehalt aufzunehmen. Die Litensität des gelben Lichts gleicht nun nach Hüfner schon in 177 m Tiefe nur noch der des Vollmonds. Höhere Wasser- pflanzen, deren Stoffwechsel vom Licht abhängig ist, assimilieren im gelben Licht etwa 5mal stärker als im Blau, 8mal stärker als im Lidigo und 14mal stärker als im Violett, wie Pfeffers Zählungen der Gasblasen an der Wasser- pest [Elodea canadensis) ergeben haben. Dürfen wir uns eine solche Pflanze versenkt denken in die Wassertiefen, so würde sie bei 177 m im dort vorhan- denen indigoblauen Licht in der gleichen Zeit 660mal mehr Gasblasen ent- wickeln als im dortigen Reste des gelben Lichts. Aber es verhalten sich über- haupt die verschiedenen Pflanzen in dieser Hinsicht ungleich, wie namentlich für die Meeresalgen von Engelmann ausgeführt ist. Die roten Zellen der Florideen assimilieren in der blauen Seite des Spektrums rund 2 '/2 mal reichlicher als in der gelben, und deshalb nehmen die Rotalgen meist die größeren Tiefen in der submarinen Pflanzendecke ein. G. Berthold berichtet aus dem Golf von Neapel, daß er in 80 bis 100 m Tiefe bei den Algen noch krankhafte Er- scheinungen gefunden habe, die auf eine zustarke Bestrahlung bei diesen schatten- liebenden Formen zurückzuführen sind ; er fand dieselben Algen noch in Tiefen von 120 — 130 m gedeihend, während in den nordeuropäischen Meeren Algen in Tiefen von mehr als 40 m fehlen. Wie sich das Chromophyll des pelagischen Phytoplanktons verhält, das eine gelbliche oder bräunliche Farbe besitzt, ist noch nicht untersucht. Nehmen wdr an, solche Algen assimilierten noch in grünem Licht von der Intensität des Vollmonds, so berechnet sich dafür eine Tiefe von 322 m. Nun ist aber eine Blasenalge Halosphuera viridis im Mittel- ländischen Meere wie im tropischen Atlantischen Ozean häufig in Tiefen von 2000 m lebend gefunden worden; sie muß also dort mit einem Minimum von Licht auskommen. — Von den Tiefseetieren wissen wir, daß nur die im Schlamm lebenden stets ohne Sehwerkzeuge sind, die anderen aber großenteils wohlaus- gebildete Augen besitzen. Die Natur verschwendet nichts; wir müssen also schließen, daß auch diese abyssischen Formen sehen können, und entweder ausschließlich auf das Phosphoreszenzlicht angewiesen sind, das sie selbst und ihre abyssischen Genossen erzeugen, oder auf das unendliche Minimum des violetten Teils des Sonnenlichts, das noch in mehrere tauseiid Meter vor- dringt. — Endlich hat Hüfner auch die Farbenzusammensetzmig dieses in große Wassertiefen gelangenden Lichts analysiert. Nach Helmholtz kommt das Weiß des Sonnenlichts durch vier Paare komplementärer Farben zu stände: 1. Rot und Grünlichblau, 2. Orange und Cyanblau, 3. Gelb und Indigoblau, 4. Grünlichgelb und Violett. Durch die selektive Absorption werden nun die einzelnen Komplementärfarben stufenweise in ihrem. Verhältnis geändert. Schon in 10 m Tiefe ist so viel Rot, Orange und Gelb verloren gegangen, daß wenn die Reste davon mit gleichen Bruchteilen ihrer Komplementärfarbe vereinigt werden, um weißes Licht zu bilden, dieses sich zum farbigen (kom- piementlosen) verhält wie 188 : 266 , und zwar würde so (in reinem Wasser) ein wäßriges Bläu, das dem Cyanblau nahesteht, herauskommen. In 100 m Tiefe ist das Weiß beinahe ganz erloschen, die übriggebliebene lichtschwache Mischfarbe ist hauptsächlich aus gleichen Mengen Cyanblau, Indigo, Violett, etwa 3mal weniger Blaugrün und 6mal weniger reinem Grün zusammengesetzt, sie wiirde unserem Auge als ein wenig intensives, ziemlich gesättigtes Blau erscheinen. In den abyssischen Tiefen aber kann nur noch ein miendlich geschwächtes Indigoblau vorhanden sein, das von Sehnerven wie den unserigen nicht mehr als Lichtreiz empfunden wird. Krümmel, Ozeanographie. I. 18 274 I^^® optischen Eigenschaften des Seewassers. Nacii diesen Darlegungen des wichtigen Einflusses der selektiven Absorption sind mr vollkommen vorbereitet, die bei auffallendem Licht eintretenden Farbener&cheinungen zu verstehen : die Lichtstrahlen müssen aus dem Wasser reflektiert werden, und maßgebend für die jeweilige Farbe des Meeres ist zunächst die Tiefe, in welcher die Reflexion des eingedrunge- nen Lichtes erfolgt. Je größer diese Tiefe ist, desto blauer wird das zurück- geworfene Licht erscheinen. Hierfür liefert das verschiedene Verhalten der Wasserfarben über flachem und tiefem Grunde anschauliche Beweise. Wo sich bei der Insel Capri oder im Bereiche eines Korallenrift's Bänke i)efinden, sind sie durch ihre grünliche Farbe scharf von den dunkelblauen größeren Tiefen getrennt. Wo aber der Meeresboden viel zu tief Hegt, um die Keflexicn des eingedrungenen Lichts zu beherrschen, und wir doch grünliche Färbungen bemerken, müssen wir zunächst an andere licht- reflektierende Teilchen denken, die im Wasser selbst vorhanden sind. Wo solche ganz fehlen, also in sogenanntem optisch leerem Wasser, würden wir bei auffallendem Licht in ein schwarzes Meer blicken, da eben kein Licht reflektiert wird. Solches optisch leere Wasser gibt es aber in der Natur nich^, da überall das Licht zurückwerfende Teilchen vorhanden sind, die die natürlichen Wasserbecken gefärbt erscheinen lassen. Wir müssen annehmen, daß, wo diese Teilchen nur spärlich vorhanden und locker durchs Wasser verstreut sind, das eingedrungene Licht einen weiten Weg durchlaufen muß, ehe es reflektiert wird, und da es bei dem langen Rückwege abermals der selektiven Absorption unterworfen ist, werden so die intensiv blauen Farben zu stände kommen. Sind viele solche Teilchen dem Wasser beigemengt, so wird der Weg der Lichtstrahlen nur kurz sein und das Wasser grün erscheinen lassen. Da nun aber die an solchen das Licht auffangenden Teilchen reichen Gewässer weniger durchsichtig sein müssen, ist zu folgern, daß das Wasser um so blauer erscheint, je klarer es ist. Solche das Licht reflektierenden Teilchen können nun sein: die Wassermoleküle selbst und im Wasser schwebende Fremdkörper, wie feine mineralische Trübe oder Organismen. Was die Wasserteilchen selbst anlangt, so ist, wie Lord Rayleigh^) mehrfach dargelegt hat, die Größe der Moleküle zwar sehr gering, aber doch von ähnlicher Größenordnung, wie die Weltenlängen der stark brech- baren Seite des Spektrums. Die langen roten Lichtwellen bringen also diese Moleküle selbst in Schwingung, dagegen werden die blauen kurzen Wellen von ihnen zurückgeworfen, und zwar verhalten sich die Reflexionen unigekehrt proportional der vierten Potenz der Wellenlängen. Die Wellen- längen bei den Fraunhoferschen Linien A im Rot und G im Blau ver- halten sich wie 76:43 oder L77:l; infolgedessen wird von dem an- fänglichen Blau L77^ oder lOmal so viel zurückgeworfen, als vom Rot. Hieraus wäre zu schließen, daß auch ohne Eingreifen der selektiven Ab- sorption klares Wasser durch auffallendes Licht eine blaue Farbe erhalten köimte. Aber beide Vorgänge werden sich summieren. Kommen nun noch die mineralischen Trübungen und noch mehr die Planktonorganismen dazu, so werden diese alles sie treffende Licht teils absorbieren, teils zurückwerfen. Dann wird also im reflektierten Licht nicht mehr das ') Zuletzt Philos. Magazine 1899, Bd. 47, p. 375. Die Farbe. 275 Blau vorherrschen, sondern auch Gelb und Rot dazu tretijn und die ent- stehende Farbenmischung mehr nach Grün hin liegen. Überdies können die genannten Fremdkörper auch ihrerseits gefärbt sein und so das reflek- tierte Licht ändern. Ehe wir diese sogenannte Diöraktionstheorie der Meeresfarben an den Tatsachen prüfen, müssen wir noch kurz auf die von Wittstein früh begründete, neuerdings aber namentlich von \V. Spring ausgebildete so- genannte Ijösungstheorie eingehen, die augenblicklich für die Farben- erklärung für Süßwasserseen stark bevorzugt wird^). Hiernach sind es sowohl Eisensalze, namentlich kolloidales Ferrihydrat, als auch die Humin- säuren. die in den Land wassern in viel größeren Mengen gelöst auftreten, als nötig wäre, um die ursprüngHche blaue Wasserfarbe in Grün oder gar in Braun umzuwandeln. Unter der Einwirkung des Sonnenlichts erfolgt allerdings eine gewisse Entfärbung, indem Ferrioxyd und Humine mit- einander in Reaktion treten und das wenig färbende Ferrioxydul bilden. Dieses aber kann sich in luftreichem Wasser mit dem freien Sauerstoff wieder zu Ferrioxyd umwandeln und schließlich so die Huminsubstanzen ganz ausfällen. Es ist klar, daß diese Vorgänge wohl für alle Binnengewässer von großer Bedeutung sein und auch ihre Wirkungen auf die stark mit Landwassern durchsetzten Teile der Nebenmeere und die Mündungsgebiete der Flüsse in den Ozean erstrecken mögen. Für die Meere im ganzen aber werden sie um so gleichgültiger, je weiter man sich auf die hohe See hinaus begibt, wo doch auch grüne Färbungen zu bemerken waren. Für den Ozean also ist die Dif?raktionstheorie in erster Linie maßgebend. Es sei noch bemerkt, daß die in Süßwasserseen beobachteten Polarisa- tionen des aus dem Wasser tretenden Lichts für das Meerwasser noch gar nicht untersucht sind: es gehört dazu auch eine ruhige, ganz ebene Oberfläche, wie sie auf dem Ozean nur selten, kaum im Mittelmeer zu finden ist. Immerhin ist es erwünscht, diesem Vorgange Aufmerksamkeit zuzuwenden. Bei den trüben Landseen ist eine starke Polarisation in der Richtung der einfallenden Strahlen vorhanden, bei klaren Seen daneben eine, wenn auch schwache, senk- recht dazu, und es gibt mäßig trübe Seen, wo beide Polarisationen an Stärke ungefähr gleich sind. Die Polarisation in der Richtung der einfallenden Strahlen ist ein Beweis für Reflexion an gröberen Fremdkörpern, die andere für Licht- zerstreumig (Diffraktion) an kleinsten schwebenden Teilchen. Nunmehr zu den Färbungen der Meere übergehend, haben wir zu- nächst die behauptete Verknüpfung zwischen Durchsichtigkeit und Farbe zu prüfen. In dieser Hinsicht sind die Beobachtungen der Gazelleexpedition in hohem Grade lehrreich. Es wurden von dem Beobachter vier Farben- abstufungen unterschieden, die sich ohne wesentlichen Fehler auf die Forelsche Skala in der Weise zurückführen lassen , daß Blau = Ö — 2, entfärbt Blau = 2 — 5, Grünblau = 5—9 und Grün — 9 — 20 Forel gesetzt wird. Indem wir einzelne in der Farbenbeschreibung zweifelhafte Fälle ausschließe!, erhalten wir 87 gleichzeitige Beobachtungen von Sichttiefen und Wasserfarben, die sich dann folgendermaßen ordnen lassen: ^) Forel, Seenkuiide S. löO, und die S. 265, Anm. genannten Schriften von AufseÖ. 276 Die optischen Eigenschaften des Seewassers, Zahl der Fälle mit Sichttiefen Mittel Farbe über 40 m über 30 m über 25 m über 20 m 53 unter 15 m 3 der Sichttiefen Blau .... ^ 7 25 43 26.7 Entfärbt Blau . ..^. 1 4 6 1 23.2 Grünblau . . — 1 2 5 16.2 Grün .... .._. _. 1 3 15.5 Hier ist der Zusammenhang zwischen Durchsichtigkeit und Farbe ganz offenkundig. Die geringsten Sichttiefen im einzelnen wie im Durchschnitt gehören den grünen Färbungen an, die größten den blauen. Die grünen Wasserflecke im atlantischen Äquatorialstrom im August 1874 hatten bei Temperaturen von 21.7^ und 21.9^ nur Sichttiefen von 14 und 14^/2 m; die um 2 — 3^ wärmeren Gewässer nördlich und südlich davon vereinigten mit blauer Farbe Sichttiefen von 22 bis 25^2 m. Auch die vorher (S. 265) gemittelten Beobachtungen Schotts auf der Valdivia ergeben das gleiche : die 11 Stationen mit wenig Plankton und mittlerer Sichttiefe von 26 m ergeben als durchschnittliche Farbenstufe nach Forel 0.9, die anderen 12 mit reichlichem Plankton und Sichttiefe von nur 16 m eine Färbung von 11.1 Forel im Durchschnitt. Auch das ist deutlich genug. Das blauste Wasser im Nordatlantischen Ozean, ist das der Sargasso- see, deren größte Durchsichtigkeit mehrfach erwähnt ist. Es wird durch Zufuhr solchen Wassers ergänzt, das schon lange Wege durchmessen hat, seit es zuletzt in Landnähe war, so daß unterwegs die niederschlagende Wirkung der Elektrolyte im Seewasser die feinste mineralische Trübe ergiebig abscheiden konnte. Außerdem ist die Sargassosee das plankton- ärmste Gebiet im ganzen Nordatlantischen Ozean, wo die Planktonexpe- dition, von Bermudas nach Osten segelnd und auf einer Strecke von 2200 See- meilen in 14 Tagen täglich zweimal fischend, nur die ärmlichen Plankton- volumina von 1 bis 4 cc erhielt, während in der grünen Irmingersee über 200 cc und in den grünen Stellen des südlichen Äquatorialstroms 31 und 88 cc gefangen wurden. Hienach formte mein botanischer Reisegefährte von der Planktonfahrt, Franz Schutt, das treffende Wort: Das reine Blau ist die Wüstenfarbe der Hochsee ^). Das Plankton vermindert nicht nur die Durchsichtigkeit des Wassers und macht es dadurch um so grüner, je reichlicher es auftritt, sondern die einzelnen Organismen können auch durch ihre Eigenfarbe von Bedeutung werden. Die Vertreter des vegetabilischen Planktons der Hochsee, die Diatomeen, Peridineen, Faden- und Blasenalgen haben Chromatophoren von gelblicher bis bräunlicher, auch gelbgrünlicher Farbe. Es geschieht nun zuweilen, daß pelagische Diatomeen sich örtlich so massenhaft ver- ') Krüramel, Reisebeschreibung der Planktonexpedition, Kiel 1892, S. 314. Fr. Schutt, Analytische Planktonstudien, Kiel und Leipzig 1892. — Neuere Zusammenstellungen der Planktonvolumina, die für die vorliegende Frage benutzbar sind, gibt K. Brandt in Wiss. Meeresunters, der Kieler Komm. Bd. 6, Kiel 1902, S. 31-44. Die Farbe. 277 mehren, daß sie die Hochsee wolkenartig trüben und dann einen Anblick hervorrufen, der an die sogenannte Wasserblüte der Binnenseen und salzärmeren Nebenmeere erinnert, wo Fadenalgen ähnliche Wucherungen im Frühsommer zu vollziehen pflegen. Im landfernen Ozean ist solches Auftreten allerdings eine Ausnahme und anscheinend auch auf gewisse Jahreszeiten beschränkt, womit die früher (S. 26*J) erwähnte periodisch größere Häufigkeit von grünem Wasser in sonst blauen Gebieten möglicherweise zusammenhängt. Doch weiß man von der jährlichen Periodizität der Planktonentwicklung im offenen Ozean leider viel zu wenig. In der Regel aber schweben die Planktonorganismen durch ver- schiedene Wasserschichten auffallend gleichmäßig zerstreut einher. Die in den kälteren und eisführenden Meeresteilen reichlich auftretenden Diatomeenwucherungen verändern die Wasserfarbe ins Olivgrün. Diese seit Hudson (1607) bekannte und von W. Scoresby ausführlich beschriebene Tatsache ist insbesondere von Rob. Brown in der Grönlandsee untersucht worden, James C. Ross beschrieb olivgrünes Wasser aus den höheren Südbreiten, wo Hooker die rostfarbenen, am Packeis wohl gedeihenden Diatomeen als Ursache erkannte, und ebenso erblickte es die Challenger- expedition bei ihrem Vorstoße über den Polarkreis bei 80*^ 0. L.^). — Die Massenvermehrung einer braunen Alge, des Trichodesmium erythraeum aus der Familie der Oscillarien, bringt im Roten und Arabischen Meer, eine verwandte Art im warmen Atlantischen Ozean rote Blutstreifen ins Wasser ; auch die Peridineengattung Glenodinium kann durch üppige Wucherung ähnlich wirken 2). Gelbliche Mißfärbungen sind durch gelbbraune Algen hervorgerufen, wie zweimal von deutschen Kriegschiffen in der Arafurasee beobachtet wurde. Auch das Zooplankton steht in dieser Hinsicht nicht zurück. Eine blutige See fanden, wie Bernhard Varenius erwähnt, die Holländer schon bei ihrem ersten Vordringen zur Magellanstraße (am 12. Januar 1599) unweit der Laplatamündung, wobei auch sogleich die natü:^liche Ursache in Gestalt jener kleinen Copepoden, die die Seeleute Seeflöhe nennen, erkannt wurde. Dieselbe Erscheinung ist in jenen Gewässern seitdem vielfach wieder bemerkt worden. Auf der Planktonexpedition sahen wir nördlich von der Xeufundlandbank Myriaden von Ccdanus finniarchicus sich zu solchen roten Wolken im Wasser zusammendrängen. Sind diese Planktonformen etwas lockerer durchs Wasser verteilt, so werden auch sie sonst blaue Farben in grünliche umw^andeln können. Pouchet^) be- richtet von einer Fahrt mit dem Fürsten von Monaco von den Azoren nach der Neufundlandbank, wie mitten im blauen Golfstromwasser grüne Flecke durch reichliche Ansammtungen der halbfaustgroßen Pelagia nocti- luca gebildet wurden ; im Wasser sind diese bekanntlich nachts leuchtender; Medusen grün., außerhalb desselben aber orangegelb. Als Ursache ahn ^) Für dies wie für das Folgende s. die zahlreichen Hinweise in Geophys. Beob. der Planktonexped. S. 109 f. ^) Einen anscheinend hierher gehörigen Fall, wo sich die zuerst schmutzig rote Farbe in ein glänzendes Purpurrot verwandelte, so daß selbst der Schaum der Wellen rosig gefärbt schien, hat Ed. Poeppig aus der Gegend westlich von Valdivia (März 1827; beschrieben. Reise in Chile, Peru u. s. w., Leipzig 1835, Bd. 1, S. 30 f. ^) Compt. Rendus Soc, de Biologie 5 Nov. 1887. 278 ^^^ optischen Eigenschaften des Seewassers. lieber Grünfärbung bemerkte die Gazelleexpedition im Südpazifischen Ozean (3P S. B., 177° 0. L.) kleine, glashelle Salpenketten, die zu My- riaden aus den Tiefen heraufzuquellen schienen. Wo sich Strömungen verschiedener Abkunft begegnen, sind derartige gefärbte Stellen oft band- artig angeordnet; diese „Tierströme" unserer Zoologen heißen im Golf von "Neapel correnti, bei den Kanarischen Inseln zaiin. So ist an der Fähigkeit des pelagischen Planktons, durch ständige Anwesenheit und noch mehr durch örtliche Massenwucherung bestimmend auf die Meeresfarbe einzuwirken, nicht zu zweifeln. In einigen Fällen mag hinzukommen, daß bei der Zerstörung des größeren vegetabilischen Planktons durch seine Verzehrer auch freies Chromophyll ins Wasser ge- langt, wo es dann, wie Pouchet mehrfach entwickelt hat, grünfärbend wirken müßte. Leider ist diese Auffassung bisher noch keiner systemati- schen Prüfung unterworfen worden. Gewiß ist, daß in der grünen Ostsee dem Seewasser geringe Mengen organischer Substanz in Lösung beigemengt sind, die wohl zum Teil einen solchen Ursprung haben mögen. Noch sehr wenig geklärt ist die färbende Wirkung der im Wasser der Hochsee so spärlich vorhandenen unorganischen Trübe, die auch nach ihrer verschiedenen mineralischen Zusammensetzung verschiedene Farbentöne schaffen könnte. Auf den flachen Schelf meeren sind diese vom Festlande oder Meeresboden herrührenden festen Teilchen jedenfalls von wesent- lichem EiMusse. Vom Golf von Kalifornien, der auch den Namen Mar vermejo trägt, heißt es^), daß er seine Farbe im Norden durch den Rio Colorado, namentlich während der Regenzeit, empfange, übrigens aber stellenweise reich sei an denselben Krustazeen (Copepoden), die auch anderwärts dem Meere eine Blutfarbe gäben. Oft beschrieben sind die nach starken Winden milchig grünen Gewässer des Ärmelkanals oder der Korallenlagunen: beide werden nach einer Reihe ruhiger Tage, während welcher der amorphe Kalk aus dem Wasser abgesetzt wird, klarer und dunkelgrün. Ebenso bekannt sind die gelbrötlichen Flächen vor der Mündung der Tropenflüsse, wie des Kongo oder Amazonenstroms, wo sie einen schroffen Kontrast gegen das blaue Wasser der Tiefsee außerhalb der Küstenbänke darbieten. In vielen Fällen wird man sich aber vielleicht über den mineralischen Ursprung solcher Trübe ebenso irren, wie das den deutschen Planktologen erging, als sie den in der Tocantinsmündung das Wasser gelblich trübenden feinsten Sand nachträglich als die Frustulen einer Diatomee (Coscinodiscus) erkannten. Daß das Gelbe Meer von dem massenhaft durch den Hwang-ho eingeschwemmten Löß Farbe und Namen empfangen hat, ist bekannt. Nach W. Springt) sollen größere Teilchen von Kieselsäure und kieselsauren Salzen die kurzen blauen Licht- wellen absorbieren, die gelben und roten aber reflektieren, also das Wasser grün machen. Auch dies bedarf noch gründhcher Nachprüfung. Feinste Tonteilchen würden in ihrer kolloidalen Verteilung selbst für die Hochsee trübend, also das Blau zum Grün verschiebend wirken können, wie über- haupt diese kolloidalen Beimengungen des Seewassers als Übergangs- form zu Lösungen zu denken sind und gleich diesen, wie in Süßwasserseen, ') Imray, North Pacific Pilot, part I, London 1881, p. 123. *) Naturw. Rundschau 1898, S. 226. Die Wärmekapazität. 279 individuell variierende Färbungen veranlassen mögen. Zukünffigen Untersuchungen bleibt auf diesem Gebiete, namentlicii in ata Nebennioer- und Schelf ge wässern, noch manche Frucht zu pflücken übrig. 5. Übrige physikalische Eigenschaften des Meerwassers. Unter den sonst noch für die Ozeanographie bedeutsamen allgemeinen Eigenschaften des Seev^^assers steht das Verhalten gegen die Wärme m Bezug auf Wärmekapazität und -leitung voran, sodann kommen noch Oberflächenspannung, innere Reibung, Zusamniendrückbarkeil, sowie elektrische Leitfähigkeit und Radioaktivität in Betracht, 1 . Die Wärmekapazität und Wärmeleitang. — Man bezeichnet die Wärmemenge, die erforderlich ist, um die Temperatur eines Gramms Wasser um 1^ zu steigern, als eine kleine Kalorie oder Gramm- kalorie. Die moderne Physik verschärft den Begrif! noch weiter dahin, daß die Temperatur mit dem Gasthermometer gemessen werden und die Temperaturerhöhung von U 1/2 "auf 151^2 '^ gemeint sein soll. Die sonst wohl auch gebräuchliche große oder Kilogram.mkalone ist das iOOOfache dieser kleinen oder Grammkalorie. Als Wärmekapazität oder spezifische Wärme irgend einer Substanz bezeichnet man die Zahl Grammkalorien, die erforder- lich sind, die Temperatur eines Gramms dieser Substanz von Wj^i^ auf 15 72 ^ zu erhöhen. Hierbei wird also die spezifische Wärme des reiben Wassers bei 15° als Einheit genommen. Es ist sehr früh erkannt worden, daß die Salzlömngen eine kleinere Wärmekapazität haben, als das reine Wasser, und bald auch bemerkt, daß sie kleiner ist, als die Summe der Wärme kapazitäten des Wassers und des in Lösung gegangenen festen Salzes. Für das Seewasser besitzen wir eine Reihe von experimenteilen Bestim- mungen der Wärmekapazität, die Thoulet und Chevallier^) ausgeführt haben, wobei sie Seewasser aus dem Ärmelkanal durch Verdünnen oder vorsichtiges Eindampfen auf verschiedene Konzentrationen brachten und für diese das spezifische Gewicht S\li bestimmten. Zur Messung der Wärmekapazität diente ein von Berthelot angegebenes Verfahren. Indem ich aus den spezifischen Gewichten den Salzgehalt nach Knudsens Tabellen einführte und graphisch interpoherte, erhielt ich folgende, aber nicht für 15*^, sondern für 17.5° gültige Werte: Salzgehalt: 0 5 10 15 20 25 30 35 iO Prom. Wärmekapazität: LOGO 0.982 0.968 0.958 0.951 0.945 0.939 0.932 0.926 Auch die Wärmekapazität des Seewassers ist kleiner, als sie aus den Anteilen der gelösten Salze zu erwarten ist. Die spezifische Wärme des kristallinischen Chlornatriums 2) ist = 0.213, des Chlormagnesiums ^ 0.l9l, des Magnesiumsulfats = 0.225, des Calciumsulfats = 0.175, des Kahum- sulfats = 0.196, des Calciumkarbonats = 0.203, woraus sich den relativen Mengen entsprechend ein Durchschnitt von 0.209 berechnet urd für eine Konzentration von 35 Promille 0.972 ergäbe, während 0.932 aus Thoulets ') Comptes Rendus Acad. Paris 1889, t. 108, p. 794. 2) Für diese wie ähnliche Angaben des Folgenden sei ein für allemal auf Landolt- Borns teins Tabellen verwiesen. 280 übrige physikalische Eigenschaften des Seewassers. Messungen hervorging, — Die spezifische Wärme des reinen Wassers ist zwischen 15^ und 20° wenig verschieden, ändert sich aber sonst mit der Temperatur, indem sie mit deren Erniedrigung steigt: wenn sie (nach ßWes) bei IT.ö» =0.9993 ist, beträgt sie bei 0*^ = 1.0091, bei 30° aber 0.9973. Doch ist das genaue Maß dieser Änderung noch keineswegs scharf bestimmt; für Seewasser ist es ganz unbekannt. Ebenso fehlt es noch an Messungen des thermischen Leitvermögens für Seewasser, so daß wir einstweilen darauf angewiesen sind, es in erster Annäherung nach der von H. F. Weber aufgestellten Regel zu berechnen, wonach sich die Wärmeleitvermögen zweier Substanzen verhalten, wie die Wärmekapazitäten gleicher Volumina^). Die letzteren erhält man für See- wasser aus dem spezifischen Gewicht. Bezeichnen wir die Wärme- kapazitäten des destillierten und Seewassers mit Ca und 0«, die spezifischen Gewichte mit p^ und p«, und die Wärmeleitvermögen mit K^ und Kg, alles für die Temperatur = 17.5°, so ergibt sich nach H. F. Weber: Ks z= Kd • Cs . psjCd . pd- Hiernach rechnend erhalten wir folgende kleine Tabelle des thermischen Leitvermögens in Einheiten der sechsten Dezi- male {CGS): Salzgehalt: 0 10 20 30 35 40 Prom. Therm. Leitvermögen: 1400 1367 1353 1346 1341 1337 Auch dieses Leitvermögen ändert sich mit der Temperatur nach der Beziehung Kt = A'« (1 -f a.t) , wo für destilliertes Wasser a = — 0.0055 (nach Lees) ist und auch angenähert wohl für Seewasser zutreffen dürfte. Für ozeanisches Wasser ist also das Wärmeleitvermögen 95.8 Prozent des für das reine Wasser geltenden; 35 Promille Salz vermindern es um 4.2 Prozent. Diese Einwirkung der Salze erscheint größer, als sie im Ver- hältnis zu den gelösten Stoffen zu erwarten wäre. Nach G. Jägers Messungen würde das Chlornatrium allein das Leitvermögen proportional nur um 0.69, das Chlormagnesium um 0.19, das Magnesiumsulfat um 0.02, diese drei Hauptkomponenten des Seesalzes also zusammen nur um 0.9 Prozent erniedrigen. Doch scheinen die für solche Rechnungen vorliegenden Daten zur Zeit noch recht unvollkommen. Die räumliche Verteilung der Temperaturen im Ozean wird einer be- sonderen Untersuchung vorbehalten (s. Abschnitt III dieses Kapitels). 2. Die Oberflächenspannung. — Die Kenntnis der Ober- flächenspannung des Seewassers ist für die Ozeanographie aus doppelter Veranlassung notwendig. Zunächst bedarf sie ihrer, um die aräometrischen Methoden bei der Bestimmung des spezifischen Gewichts des Seewassers richtig zu handhaben, da die Einstellung des Aräometers von der Größe der sogenannten Kapillarwelle abhängt, und diese wieder von der Ober- flächenspannung; sodann um die Ausbildung der kleinsten Wellen auf der Meeresfläche zu verstehen. Die Oberflächenspannung ist eine allgemeine Eigenschaft aller Flüssigkeiten: sie verdeutlicht das Bestreben, die Aus- dehnung der Oberflächenschicht auf ein Minimum zu bringen und setzt den Versuchen, diese Schicht vertikal auszudehnen oder sie von außen oder Vergl. darüber Ostwald, Allgem. Chemie I, 604. Die Oberflächenspannung und die innere Reibung. 281 innen zu durchbrechen, einen Widerstand entgegen, wie wenn ein elastisches Häutchen die ganze Oberfläche bildete. Wasser und alle wäßrigen Lösungen wirken benetzend auf Glas. So wird der zylindrische Stengel des Glasaräometers, der aus der Wasseroberfläche hervorragt, von einer ringförmigen Kegel welle umschlossen, deren Gewicht sich an das Aräo- meter anhängt und sich bestrebt, das Aräometer wieder unter die Wasser- oberfläche hinunter zu ziehen. Man hat also diese Kapillarwelle als ein dem Aräometer hinzugefügtes Extragewicht zu betrachten (S. 231). Die Ober- flächenspannung wird deshalb in Gewichtseinheiten ausgedrückt: die so- genannte Kapillarkonstante ist das entlang der Einheit der Benetzungs- linie an einer Wand gehobene Gewicht der Flüssigkeit in mg pro mm oder in absolutem Maße (als Dynen) dieselbe Größe multipliziert mit 9.81. Die Kenntnis der Kapillarkonstante des reinen Wassers befindet sich wegen der großen entgegenstehenden experimentellen Schwierigkeiten keineswegs in einem befriedigenden Zustande, indem G. Quincke sie für 20^ auf 80.98, Brunner 73.51, Volkmann 72.65 und Eötvös 71.93 Dynen angeben. Die Konstante verändert sich mit der Temperatur nach G. Jäger gemäß der Formel a.t = 77.09 — 0.1788 t. In wäßrigen Salzlösungen wächst sie im allgemeinen einfach proportional der Konzentration. Für Seewasser habe ich selbst') nach der von G. Jäger angegebenen Methode der Luftblasen aus Kapillarröhren Beobachtungen ausgeführt, indem ich die Steigerung der Oberflächenspannung gegen die des destillierten Wassers von gleicher Temperatur bestimmte. Den Beobachtungen genügt eine Gleichung a= 77.09 — 0.1788 t -f 0.0221 s, wo t die Temperatur und s den Salzgehalt in Promille bedeutet. Für eine Temperatur von 0^ ist demnach die Oberflächenspannung in Dynen: Salzgehalt in Promille 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Oberflächenspannung = 11 W + 0.09 0.20 0.31 0.42 0.53 0.64 0.75 0.86 0.97 Der Zuwachs ist also scheinbar nur gering, immerhin macht er sich bei den Gewichten der Kapillarwellen an Aräometern fühlbar. Diese Gewichte erhält man, wenn r der Radius des Aräometerstengels ist, aus der Gleichung y = 2r7:a9.81 in Milligramm. Für eine. Stengeldicke von 2r r=i 3 mm sind die Wellengewichte für destilliertes und ozeanisches Wasser = 71.0 und 71.9 mg, für 2r = 4 mm aber 94.7 und 95.8 mg, beide Male für eine Temperatur von 17.5°. Auf alle Fälle sieht man, wie be- trächtlich das absolute Gewicht der kleinen Kapillarwelle ist und daß bei mangelhafter Benetzung des Glasstengels (z. B. durch Fettteilchen) nur ein Bruchteil des Gewichts zur Entfaltung kommen und das Gesamt- gewicht des Aräometers um 20 bis 50 mg kleiner machen kann, als für die Eichung gemeint war. 3. Die innere Reibung des Seewassers, auch Zähigkeit oder Viskosität genannt, beansprucht ebenfalls in der Ozeanographie eine gewisse Bedeutung, da die von Zöppritz aufgestellte Trifttheorie der Meeres- strömungen eine Fortpflanzung der oberflächlichen Windimpulse nach der Tiefe hin mit Hilfe der inneren Reibung fordert, sodann auch die Biologen ') Wies. Meereßunters. der Kieler Komm. 1900, Bd. 6, Heft 2. 282 Übrige ph3rsikalische Eigenschaften des Seewassers. mit ihr die Schwebevorgänge der Planktonorganismen in Zusammen- hang bringen. Beobachtungen an Salzlösungen ließen erwarten, daß die Zähigkeit des Seewassers etwas gegen die des reinen Wassers erhöht wird. Das ist durch eine von E. Ruppin ausgeführte und von mir diskutierte Reihe von Beobachtungen bestätigt worden^). Die Bestimmungen waren auch in diesem Falle relative und erfolgten nach der von W. Ostwald ent- wickelten Methode, wobei die Durchflußzeiten gleicher Volumina destil- lierten und See Wassers mit der Uhr beobachtet werden. Der Koeffizient der inneren Reibung ist gleich derjenigen Kraft, die erforderlich ist, zwei Schichten von der Größe der Flächeneinheit in der Zeiteinheit um ebensoviel aneinander zu verschieben, als ihre Entfernung beträgt. Leider ist auch die Kenntnis dieser Konstante für das reine Wasser und 0*^ in absolutem Maße noch unsicher; die Tabellen zeigen hier Extreme zwischen 0.01887 (Arrhenius) und 0.01751 (Stephan) und ergeben als wahrschemlichsten Relativ zahlen der inneren Reibung des Seewassers. Salzgehalt in Promille: Temp. 0 5 10 15 20 25 30 35 40 z = z = z = z = z = z — z = z = z = 00 100.0 100.9 101.7 102.5 103.2 103.9 104.5 105.2 105.9 P 96.0 96.8 97.6 98.3 99.0 99.7 100.4 101.1 101.8 20 92.6 93.5 94.3 95.1 95.9 96.6 97.3 98.0 98.7 3*> ! 89.7 90.6 91.4 92.2 92.9 93.6 94.3 95.0 95.7 50 84.7 85.5 86.3 87.0 87.7 88.4 89.1 89.8 90.5 10° 1 73.0 73.8 74.5 75.2 75.8 76.5 77.,2 77.8 78.5 150 63.6 64.3 64.9 65.6 66.2 66.9 67.5 68.2 68.8 200 56.2 56.8 57.4 58.0 58.6 59.3 59.9 60.5 61.1 250 49.9 50.4 51.0 51.6 52J 52.7 53.3 53.9 54.5 300 i 44.9 45.4 46.0 46.5 47.0 47.5 48.1 48.6 49.1 Wert 0.0180. In unserer Tabelle sind die "Bestimmungen an Seewasser verschiedener Konzentration als Relativwerte gegeben, indem jene Kon- stante für destiUiertes Wasser bei 0" = 100 gesetzt ist. Wie man sieht, ist der Einfluß der Temperatur sehr beträchtlich, indem tropische Wasser- temperaturen genügen, um die innere Reibung auf den halben Betrag bei 00 herabzusetzen. Für das destillierte Wasser erfolgt die Änderung nach der hyperbolischen Formel Zi = z^ : (1 -f 0.0355 ^-f 0.000 175 t^), für ozeanisches von 35 Promille werden die Temperaturfaktoren etwas kleiner, indem der Nenner lautet (1 -f 0.0338 t + 0.000 167 t^). Da für die durch Kompression stärker verdichteten Tiefenschichten die innere Reibung stark wächst, habe ich noch eine Interpolationsformel aufgestellt, die die Abhängigkeit vom spezifischen Gewicht bei einer Temperatur von 0^, aus- gedrückt durch G^, recht gut wiedergibt: z^ :=: 100.0 -f 0.255 a^, — 0.00574 0/ -{-0.000 114 a^^. — Änderungen der Reibungskonstante durch absorbierte Luft haben sich im Kieler Laboratorium nicht nachweisen lassen. E. Ruppin ') Wiss. Meeresunters. der Kieler Komm. 1905, Bd. 9, S. 29. Die innere Reibung. 283 hat versucht, die aus den verschiedenen gelösten Salzen zu erwartende Erhöhung der inneren Reibung des Wassers zu berechnen, und gezeigt, daß die resultierende Wirkung angenähert so groß ist, als man sie nach dem Mengenverhältnis der Hauptkompönenten erwarten darf. Das Verhalten der inneren Reibung des Seewassers gegenüber ge- steigertem. Druck ist experimentell noch nicht untersucht. Das reine Wasser hat nach Röntgen und Warburg die auffällige Eigenschaft, seine Viskosität bei steigendem Druck zu vermindern und zwar ist diese Druck- wirkung bei Temperaturen unweit des Gefrierpunkts am größten, wird bei wachsender Temperatur geringer und bei 32° ein Minimum, kehrt sich aber bei höheren Temperaturen in das Gegenteil um^). Bei starken Salzlösungen nimmt wieder die Viskosität mit steigendem Druck stetig zu (^^elleicht einfach proportional der wachsenden Dichte) ; verdünnte Kochsalzlösungen verhalten sich dem reinen Wasser um so ähnlicher, je geringer die Kon- zentration. So dürfte auch beim Seewasser eine Abnahme der Viskosität in den großen Meerestiefen wegen der dort herrschenden niedrigen Tem- peratur sehr wahrscheinhch sein. Es wäre aus manchen Gründen erwünscht, auch das Seewasser daraufhin zu untersuchen, bei welcher Temperatur diese eigenartige Druckwirkung ein Minimum wird; vermutlich hegt sie tiefer als 30 ^ Außer der im Innern der Flüssigkeiten bestehenden Viskosität unterscheiden manche Physiker 2) noch eine Oberfiächenzähigkeit, die aber von der Oberflächenspaimung unabhängig ist. Gewöhnlich ist das Oberflächenhäutchen der Flüssigkeiten sehr viel zäher, als das Innere., und infolgedessen ist es schwer zu durchbrechen. Wenn eine Flüssigkeit, wie Seifenwasser, eine sehr kleine Oberflächenspannung, aber große Ober- flächenzähigkeit hat; kann eine aus der Tiefe aufsteigende Luftblase die Oberfläche nicht durchbrechen, und steigen viele solche Blasen auf, so bilden sie einen Schaum. Reines Wasser hat eine viel stärkere Oberflächen- spannung bei verhältnismäßig geringer Oberflächenzähigkeit: die darin aufsteigenden Luftblasen platzen daher an der Oberfläche, und beim Schütteln mit Luft bildet sich kein Schaum. Die im Seewasser gelösten Stoffe aber vermehren mit der Spannung auch die Zähigkeit der Ober- fläche, daher schäumt Seewasser sehr viel leichter und stärker; der reine, ganz weiße Schaum ist für die Wellenkämme des Meeres durchaus charak- teristisch. Ob die gelösten Salze allein diese Schaumbildung begünstigen, oder ob nach Natterer die geringen Mengen von Fetten aus zerstörtem Plankton es sind, die mit den Alkalien des Seewassers verseift werden, bedarf noch einer näheren Feststellung. Die Beobachtung an Süßwasser- seen zeigt, daß deren Oberfläche ebenfalls leichter Schaum bildet und zwar solchen von gelblicher Farbe, was sowohl von unorganischen Beimen- gungen, wie auch von Huminsubstanzen herrühren kann. Auch gibt es sowohl auf Süßwasserseen wie auf dem Meere langbeinige Insekten aus der FanüHe der Hydrometriden {Limnohates, Halohates), die auf dem Oberflächenhäutchen zu laufen imstande sind, was ebenfalls ein Beweis für sehr große Oberflächenzähigkeit ist. Immerhin ist die Tatsache nicht ') R. Cohen und L. Hauser m Wiedem. Annalen 1892, Bd. 45, S. 666; 1901, Bd. 5, S. 597. 2) A. Daniell, Principles of Physics, London 1884, p. 247. 284 übrige physikalische Eigenschaften des Seewassers. zu übersehen, daß man beim Verlassen einer Flußmündung an der see- wärts reichlicher werdenden Schaumbildung den Übergang in das Meer- wasser recht deutlich wahrnimmt. 4. Die Zusammendrückbark ei t. Die Flüssigkeiten wer- den durch äußeren Druck nur in geringem Maße in ihrem Volum be- einflußt, so daß man lange Zeit überhaupt ihre Zusammendrückbarkeit bestritt. Erst Oersted fand 1827 durch eine geeignete Versuchsanordnung, daß die Volumänderung des Wassers durch den Druck einer Atmosphäre in Bruchteilen des Anfangsvolums = 0.000047 sei. Diese Größe bezeichnet man seitdem als Kompressionskoeffizienten %. Will man diesen Koeffi- zienten aber auf die Druckgröße nicht einer Atmosphäre, sondern einer Wassersäule von 1 m Höhe beziehen, so muß man ihn für das reine Wasser durch 10.333, bei ozeanischem Seewasser einfach durch 10 dividieren. Die sehr großen technischen Schwierigkeiten des Experimentierens auf diesem Gebiete haben viele hierher gehörige Fragen unklar gelassen. Die besten Arbeiten für das reine Wasser hat E. H. Amagat^) geliefert; er zeigte, daß dieser Koeffizient nicht konstant, sondern stark abhängig ist sowohl von der Temperatur wie vom Drucke selbst. Bei geringeren Drucken war vt in Einheiten der 7. Dezimale pro Atmosphäre Druckhöhe bei 0^ = 511, bei 50° = 449; zwischen 1 und 25 Atmosphären beträgt für 0° x im Mittel 525 X 10 ~'^; bei 900 — 1000 Atmosphären, einem Druck gleich dem in den größten Meerestiefen, aber nur noch 389 x 10 -^ also rund ^./4 der anfäng- lichen Größe. Schneider und Röntgen haben gezeigt, daß der Koeffizient für Salzlösungen kleiner wird; eine Chlornatriumlösung von 35 Promille würde seine Größe auf 92 Prozent der für das reine Wasser geltenden ver- mindern. Für Seewasser wird gewöhnlich eine ältere Messung von Grassi herangezogen, die % = 450 X 10 ~ ^ ergab ; leider bezieht sie sich auf ein künsthches Seewasser von einem spezifischen Gewicht /SJyl^ 1.0264 oder etwa 34.5 Promille 2). Auch eine neuere sehr sorgfältige Untersuchung von Tait^) ist darin unklar, daß der genaue Salzgehalt des oder der benutzten Seewasserproben nicht feststeht. Einmal gibt er das Verhältnis der Koeffi- zienten für reines und für Seewasser an, wie 100 : 92.5, wobei er Wasser aus dem Firth of Forth benutzte, ein zweites Mal aber für Wasser aus der Nordsee außerhalb der genannten Föhrde, also vermutlich für 34 Promille Salzgehalt 100 : 92.0. J. Y. Buchanan*) hat während der Challenger- expedition im Pazifischen Ozean mit einem Piezometer etwa 20 Versuche angestellt, die im Mittel einen Koeffizienten von 491x10"^ ergaben; vier Versuche in Tiefen zwischen 5000 und 5715 m lassen eine Abnahme auf 480 X 10~'^ erkennen. Aime fand in den Tiefen des Mittelmeers bei 12.6° und für 124 Atmosphären einen erheblich kleineren Wert = 413 x 10"~ '^, der aber für einen Salzgehalt von 38 Promille gilt. Rud. Engelhardt hat in ^) Ann. de chimie et phys. 1893, Bd. 29. Für das Folgende vergl. Ostwald a. a. 0. S. 793 f.; Thoulet, Oceanograijhie statique 1891, p. 395 ff. ist selu- gut. Ferner Rud. Engelhardt, Untersuchungen über die Strömungen der Ost- see, Archiv d. Seewarte 1899, Nr. 5; I-ud. Marini, Rivista Marittima Dec. 1905. 2) Ann. chim. phys. Paris 1848, Bd. 23, p. 467. ') Chall. Reports, Physics a. Chem. II, p. 14. ^) Proc. R. S. London 1876, Nr. 172, p. 162; Trans. R. S. Edinburgh 1880, Bd. 29, p. 697. Die Zusammendrückbarkeit. 285 einer ausführlichen Darstellung der Sachlage darauf hingewiesen, daß der Koeffizient für Seewasser durchweg um 0.2 Prozent kleiner zu sein scheint, als für Kochsalzlösungen gleicher Konzentration, die von Tait genau untersucht waren; er gibt für niedrige Drucke die Gleichung y. = (490 — 1.2 s) 10"'^, wo s den Salzgehalt in Promille bedeutet^). Folgende kleine Tabelle enthält außer den Koeffizienten (in Einheiten der 7. Dezi- male) auch die Höhe der Wassersäule, die dem Druck einer Atmosphäre Salzgehalt (Promille) ■. 0 5 10 15 ! 20 25 1 30 35 40 i Druckkoeffizient x X 10 - 7 490 1 Atm. Wassersäule, 10 m + 0.333 484 .292 478 .252 472 .210 466 .170 461 .130 455 .090 450 .051 442 .012 bei den verschiedenen Salzgehalten entspricht; die W^erte gelten für den Bereich von 0" bis 20^ und 0 bis 10 Atmosphären und können nur auf angenäherte Richtigkeit Anspruch machen. Es ist nach Buchanans Be- obachtungen in hohem Grade wahrscheinhch, daß eine dem reinen Wasser analoge Verminderung des Koeffizienten mit der Stärke des Drucks be- steht, ebenso ein starker Einfluß der Temperatur. Die nachfolgende Tabelle (nach Amagat) bezieht sich auf das reine Wasser und soll die Änderungen verdeutlichen, die auch für das Seewasser zu erwarten sind. Die Werte geben relative Druckgrößen in Prozenten des Koeffizienten für 0^ und 50 Atmosphären (513 X 10-"^). Druckstufen in Atmosph. 0— 100 100— 200 200— 300 30C— 400 400— 500 500— 600 600— 700 700— 800 800— 900 900—1000 Temperaturen O» 97.6 93.7 91.0 88.7 86.2 83.9 81.3 79.0 76.7 74.3 5° 10» 150 200 250 300 93.9 91.8 90.2 89.0 88.3 87.4 90.4 88.0 86.3 84.4 83.5 82.7 88.1 85.8 84.0 82.6 — — 85.7 83.8 81.9 — — — 83.6 81.7 81.0 — — — 81.3 79.7 — — — — 78.8 . — — — — — 77.1 — — — — — — ^ — - — — — Bei Anwendung dieser Druckkoeffizienten auf statische oder dynamische Rechnungen für die irdischen Meere ist nun auch noch den Änderungen Rech- nung zu tragen, die die Beschleunigung der Schwere erleidet, einerseits mit der geographischen Breite, anderseits wenn wir uns von der Oberfläche in die Tiefen der Erde begeben. Bezeichnen wir die Beschleunigung der Schwere ') Eine neue Experimentaluntersuchung von Walfrid Ekman im Zentral- laboratorium der internationalen Meeresforschung ist leider zur Zeit, wo diese Zeilen gedruckt werden, noch nicht abgeschlossen. 286 übrige physikalische Eigenschaften des Seewassers. in der geographischen Breite von 45° und an der Erdoberfläche mit go (9.80632 m nach Helmert), in der Tiefe h m mit gh, die geographische Breite mit (p, den Erdradius mit r (6371 km), die mittlere Dichte des Meeres mit d (1.04) und die der Erde mit D (5.52), sowie mit ß und y Konstanten (nach Hehnert 0.002644 und 0.00007), so erhalten wir: gn =go (1 - ß cos 2 cp -f- Y cos^ 2 cp) A + ~- (2 -^)j Der Ausdruck in der zweiten Klammer ist abgekürzt = 1 + 6Ä zu setzen, wo 6 nr 0.000 000 225 wird. In 45^ B. würde danach in einer Tiefe von h, — 9000 m gh = 9.82620, also um 19.88 mm größer sein als an der Oberfläche. Hierdurch muß die Zusammendrückung ein wenig verstärkt, der Druck der Wasser- schichten auf ihre Unterlage und damit auch die Dichtigkeit des Wassers selbst entsprechend zmiehmen. Die Drucke (in Atm.) berechnet man auf folgende Weise. Der Druck einer Wassersäule von der Dichte Sit ist in 45^ B. an der Erdoberfläche, wenn wir das spezifische Gewicht des Quecksilbers bei 0* = 13.5956 setzen 1 S" "760 • 13 5956 "^ 0.096780 . Slo :== a . Sl" (in Atmosphären). Da eine Atmosphäre = 1.0333 kg/cm', ist ihr Druck gleich dem einer Wassersäule von 10.333/6'40 m, für ozeanisches Wasser, wo S = 1.028, also = 10.05 m oder fund 10 m. Will man absolute Maßeinheiten, so erhält man 980.6 X 1033.3 = 1030 000 cS'-Druckeinheit nennt Bjerknes ein Bar und teilt sie m Dezi-, Zenti- und Millibar. Im Meer- wasser bildet der Dezibar eine passende praktische Druckeinheit, weil der Druck sehr nahe um einen Dezibar für jeden Meter Tiefe zunimmt. J. W. Sandström und B. Heiland-Hansen^) setzen die Drucke infolgedessen direkt proportional den Metern Tiefe. Daß dies nicht ganz richtig ist, zeigt folgende kleine von Marini berechnete Tabelle (für >Sm = 1.0275). Tiefe (m) Drucke in Dezibar (10^ C.G.S. Einh.) nach Sandstr. u, H. Hansen nach Mohn 500 1000 5000 500.000 1 000.000 5 000.000 504.270 1 009.902 5 097.810 Rühlmann 504.309 1 009.887 5 097.350 Vom ozeanographischen Standpunkt ist nun wichtiger, als die Kennt- nis der Drucke, die Zunahme der Dichte des Seewassers mit der Tiefe in- folge seiner Zusammendrückung. Man findet die Dichtigkeit Su in der Tiefe k aus der hyperbolischen Gleichung: Sn=zSo : (1 — x ^/i), wofür man ebenfalls in der Tabelle S. 288 die zugehörigen Werte findet. Um später, sobald ein etwas genauerer Wert für S^ als der angenommene von 1.0281, zur Verfügung stehen wird, die Dichtegrößen auf diesen zurück- führen zu können, ist in der letzten Kolumne die Differenz Sh — S(, auf- geführt. Die Tabelle führt uns die Größe eines häufig begangenen Fehlers vor Augen, wenn man das Gesamtgewicht des Meeres und der gelösten Salz- masse nach der Dichte der Oberfläche oder eines Mittels /S,„ ohne Rücksicht auf die Zusammendrückung berechnet (vgl. S. 149, 227). Wenn das See- wasser ganz ohne Kompressibilität wäre oder diese ihm plötzlich genommen würde, so können wir nunmehr berechnen, um wieviel dadurch sein Volum zunehmen müßte. Setzen wir als mittlere Tiefe des Meeres 3680 m, so wird in der halben Tiefe von 1840 angenähert die mittlere Dichte zu finden sein und nach der Tabelle 1.03669 betragen. Nehmen wir diesen Wert einmal als genau an, so wdrd sich das nicht komprimierte Volum zum tat- sächlich vorhandenen verhalten, wie 1.03669 zu 1.02810; das würde für ein Gesamtvolum des Ozeans von 1330 Millionen cbkm 11 Millionen mehr geben, und wenn wir den Überschuß auf eine Meeresfläche von 361 Millionen qkm verteilten, eine Wasserschicht von 30 m Höhe ausmachen. Dächte man sich also den Ozean plötzlich von seinem eigenen Druck befreit, so würden diese überquellenden 1 1 MilUonen cbkm große Tieflandflächen der Kontinente unter W^asser setzen und die meisten Seestädte überfluten. 11 Millionen cbkm sind nach unserer Übersicht auf S. 144 mehr als alle Randmeere der Erde zusammen erfüllen und als das Australasiatische oder Amerikanische Mittelmeer in sich schheßen. Nr. 4. ^) Report on Norwegian Fishery and Marine Investigations, vol. II, 1902, 288 Übrige physikalische Eigenschaften des Seewassers. Tiefe Druck der Wassersäule Dichtigkeit Korrektion m in Atmosphären in kg p. qcm in der Tiefe 1.02 810+ : 100 9.95 10.28 1,028-56 0,000-46 200 1 19.91 20.57 29-02 0-92 300 29.87 30.86 29-49 1-39 400 39.84 41.16 29-95 1-85 500 49.81 51.45 30-41 231 600 59.78 61.69 30-87 2-77 700 69.77 72.08 31-33 3*23 800 79.75 82.39 31-80 370 900 89.74 92.71 32-27 4-17 1000 99.74 103.06 32-74 4-64 1500 149.81 154.76 35-08 6-98 2 000 199.94 206.60 37-47 9"37 2 500 250.24 258.50 39-85 1175 3 000 300.63 310.65 42-22 14-12 3 500 351.16 362.85 44-61 16-51 4 000 401.90 415.29 4704 18-94 4 500 452.65 467.72 49-49 21-39 5 000 503.48 520.25 5195 23-85 6 000 605.70 625.88 56-94 28-84 7000 708.60 732.20 61-96 33-86 8 000 811.75 838.80 6713 39-03 9 000 915.45 945.95 72-33 44-23 10 000 1 019.25 1 053.20 77-58 49*48 Die Bedeutung dieses Kompressionskoeffizienten für die Technik der Meeresforschung erhellt aus dem Gebrauche der manometrischen oder pneumatischen Tieflote (S. 80). Anderseits aber tritt die Zusammen- drückung in engste Beziehungen zu den akustischen Eigen- schaften des Seewassers, die gerade in der neuesten Zeit besondere praktische Wichtigkeit erlangen, wo man zur Sicherung der Seeschiiffahrt bei unsichtigem Wetter die Unterwassersignale auszubilden bestrebt ist. Schallwellen sind longitudinale Wellen, wo örtliche Zusammen- drückungen und Dehnungen der Wasserteilchen aufeinander folgen. Bei der geringen Kompressibilität des Wassers müssen die Schallwellen kurz werden, aber sehr rasch fortschreiten. Nachdem schon Laplace (1816) die Schallgeschwindigkeit im Wasser aus der Zusammendrückung abzu- leiten gelehrt hatte, ist später G. Wertheim i) sogar umgekehrt im stände gewesen, aus der Fortpflanzung des Schalls den Kompressionskoeffizienten ziemlich zutreffend zu messen. In einer Flüssigkeit von der Dichte = d und dem Kompressionskoeffizienten % ist die Schallgeschwindigkeit V = y^a :v.d, wo a eine Konstante ist, die sich aus dem Produkt der ört- lichen Beschleunigung der Schwere und dem Gewicht einer Quecksilber- säule von 0.76 m Höhe, also 9.81 -f 0,76 -f 13.596 = 101 .32 bestimmt. Wertheim fand an einem künstlichen, von Grassi hergestellten Seewasser (wobei d^^ 1.0264) eine Schallgeschwindigkeit von 1454 m. p. S. Aus der ') Ann. chim. phys. 1848, Bd. 23, p. 473. Akustische Eigenschaften und elektrische Leitfähigkeit, 289 Laplaceschen Formel berechnet sich für ozeanisches Wasser von tropischer Temperatur von 25°, also cZ = 1.0244 und y. = 450X10-'^ eine Schall- geschwindigkeit von 1482.6 m, für Ostseewasser von 8 Promille Salz und 10« Temperatur, also «?= 1.0061 und x = 480X10" ^ von 1448.5 m. p. S. Dagegen wäre für reines Wasser von 10°, also c?= 0.99973 und x^ioOOXlQ-^ V = 1423.8 m. p. S. Diese Zunahme der Schallgeschwindigkeit teilt daS Meerwasser mit den übrigen Salzlösungen. — Die eben erhaltenen Unter- schiede sind so beträchtlich, daß sie bei einer zweckmäßigen Versuchs- anordnung in der Natur zu messen sein müssen, woraus folgt, daß man auf diesem akustischen Wege auch wieder den Kompressionskoeffizienten für verschiedene Salzgehalte wenigstens bei niedrigen Drucken bestimmen sollte. In unseren Nebenmeeren sind dazu geeignete homogene Deck- schichten im Frühjahr oder Herbst zur Verfügung. Diese leichte Fortpflanzung des Schalls im Meerwasser, die 4^/2 mal rascher als in der Luft erfolgt, hat auch eine gewisse biologische Bedeutung'). Im be- merkenswerten Gegensatze zu der geringen optischen Dichte des Seewassers ist seine akustische Dichte für die Sinneswahrnehmung günstiger, und es wäre zu verwundern, wenn die Natut diese Gunst nicht zum Vorteil der Seetiere ausnützte, deren Augen nicht weit reichen. Die Gehörorgane der Wassertiere können einfacher sein, als die der landbewohnenden, demi die Schallwellen gelangen unmittelbar durch das Wasser an die Gehörnerven, während bei den Landtieren ein komplizierter Apparat nötig ist, um die Luftschwingungen an die Gehörflüssigkeit zu vermitteln. Anneliden, Kruster, Cephalopoden und Fische besitzen Otolithen, Wale mid Schildkröten Trommelfell und Gehör- knöchelchen, wenn auch in kräftiger Ausführung; alle sind schon gegen schwache Geräusche von großer Empfindlichkeit. Die Fischer wissen sehr genau, daß sie bei Ausübung ihres Berufs sich großer Stille befleißigen müssen, V. Hensen hat mit Recht auch darauf hingewiesen, daß die sprichwörtliche Stummheit der Fische denn doch nicht ohne Ausnahmen ist. Man kennt etwa 80 musizierende Arten,, die zischen, schnurren, knurren, knarren, grmizen, trommeln, pfeifen und andere Töne von sich geben; auch Wasserwanzen vermögen zirpende Locktöne zu erzeugen. Niemand wird bestreiten, daß die Tiere diese Töne selbst hören. Größere und einzehi lebende Seetiere werden dem geräuschvoll durch das Wasser drängenden Dampfschiffe schon auf große Entfernung aus- weichen. Hörte doch Colladon bei seinen akustischen Experimenten im Genfer- eee durch das Wasser das Rasseln einer Ankerkette in einem Abstand von 3 bis 4 km noch deutlich. Die scheinbare Armut der Hochsee an großen See- tieren, wie den geheinmis vollen Kraken, erklärt sich vielleicht so sehr einfach als eine Täuschung des Menschen durch diese flüchtigen feinhörigen Tiere. Die herdenweise auftretenden Fische pflegen selbst so viel Geräusch zu machen, wie beispielsweise die fliegenden Fische, daß sie auch auf der Hochsee leicht und häufig vom herannahenden Schifie aufgescheucht werden, oder wie die Heringscharen der kälteren Meere leichter den Netzen des Fischers verfallen können. 5. Die elektrische Leitfähigkeit. — Wie bei früheren Gelegenheiten bemerkt (S. 242), befindet sich das Seewasser als verdünnte ^) Kegnard a. a. 0. S. 492. Hensen in Pflügers Archiv f. Physiol. Bd. 74, Bonn 1899, S. 35; Literaturübersicht bei Tullberg in Svenska Vet. Akad. Handlingar Bd. 28, IV, Nr. 15. Daß es Zoologen gibt, die trotzdem die Fische für taub und die Otolithen nur für Gleichgewichtsorgane halten, ist mir natürlich nicht unbekannt. — Über L^^nterwassersignale vergl. Ann. d. Hydr. 1907, S. 9. Krttmmel, Ozeanographie. I. l^ 290 übrige physikalische Eigenschaften des Seewassers. Salzlösung in einem Zustande starker Dissoziation,, wobei die gelösten Salze großenteils in ihre Ionen getrennt sind. Als Elektrolyte leiten sie den galvanischen Strom, und zwar wandert die positive Elektrizität mit den metallähnlichen Radikalen {Na, K, Mg, Ca) und die negative mit den Halogenen (Cl, Er) und Säureradikalen {SO^, CO.J. Die Fähigkeit, den Strom zu leiten, wird mit dem wachsenden Salzgehalt zunehmen, denn um so zahlreichere Ionen stehen als Stromträger bereit. Gustav Karsten i) hat darauf die Vermutung gegründet, daß es möglich sein werde, aus der elektrischen Leitfähigkeit den Salzgehalt des Seewassers zu bestimmen, doch sind die auf seine Veranlassung von Leonhard Weber begonnenen Versuche nicht über die Anfangsstadien hinausgekommen. Ein von Hercules Tornöe vorgeschlagenes Verfahren ist von ihm selbst als unbe- quem für die Berechnung bezeichnet worden 2). Später hat Martin Knud- sen^) eine Anordnung angegeben, um aus der Leitfähigkeit sowohl Tem- peratur als Salzgehalt des Meerwassers von Bord aus zu bestimmen. Sein Apparat ist bei ruhigem Wetter und stromlosem Wasser für mäßige Tiefen vollkommen brauchbar; bei bewegter See und kräftiger Strömung treiben die unentbehrlichen in das Wasser versenkten Kabel stark ab, da sie einen zu großen Umfang haben, und dadurch wird die Beurteilung der erreichten Meerestiefe ganz unsicher. Knudsen vermochte aber in den dänischen Gewässern die später zu erwähnenden Sprungschichten der Temperatur und des Salzgehalts auf diese Weise sehr gut zu ermitteln ; er hat aber keine absoluten Werte für die Leitfähigkeit gegeben. Ich habe darum durch Dr. E. Ruppin eine Reihe solcher absoluten Bestimmungen an 7 Proben von Seewasser verschiedenen Salzgehalts ausführen lassen. Die Messungen mit der von W. Ostwald ausgebildeten Brücke und einem Telephon wurden bei den Temperaturen von 0*^, 15*^ und 25^ ausgeführt und lassen sich, In reziproken Ohm ausgedrückt, als Funktion des Salzgehalts S in Pro- mille durch folgende von Ruppin aufgestellte Interpolationsformeln wieder- geben : ioo = 0.000 978 S — 0.000 00 596 S^ + 0.000 000 0547 S\ ' Liöo = 0.001 465 S — 0.000 00 978 S' + 0.000 000 0876 S\ X250 = 0.001 823 S— 0.00001276 S^ + 0.0000001177 S\ Daß hierbei die Leitfähigkeit des salzfreien Wassers als Null ange- nommen ist, bedeutet zwar einen prinzipiellen Fehler, macht abej prak- tisch gar nichts aus, denn die Leitfähigkeit des reinen Wassers beträgt weniger als 0.000 002. — Die Genauigkeit, mit der hiernach der Salzgehalt aus der. Leitfähigkeit zu berechnen wäre, gleicht der mit Aräometern an Bord zu erzielenden, wird aber von der Methode der Chlortitrierung wesentlich überboten. Die Abhängigkeit von der Temperatur ist, wie die homologen Koeffizienten der obigen Formeln zeigen, recht bedeutend. ') Wissensch. Meeresunters, der Kieler Komm. 1897, Bd. 1, S. 174. -) Doch hat Nansen es angewendet. Oceanogr. of the North Polar Basin p. 197 f. ^) Beretning fra Kommiss. for Vidensk. UndersÖg. af de Danske Farvande II, 1900, Heft 3. — Ältere Formen sogen, elektrischer Thermometer haben Siemens (Mechanics Magazine 21. Mai 1869), Eschenhagen in Zeitschr. f. Instrum. 1894, S. 398 und Whipple in Geogr. Journal 1896, Bd. 8, S. 76 . vorgeschlagen. Vergl. auch G. Schott, Ann. d. Hydr. 1901, S. 167. Radioaktivität. 291 Elektrische Leitfähigkeit (in reziprokou Ohm). Temp. 3 k 0 ¥/■ 5 So 10 X f 15 ^ 20 T'' 25 S o 30 0.0048 0.0055 0.0063 0.0071 0.0079 0.0088 0.0097 Salzgehalt in Promille 10 0.0092 I 0.0135 0.0107 I 0.0156 0.0J22 j 0.0178 0.0138 i 0.0201 0.0154 0.0171 0.0187 0.0225 0.0249 0.0273 , 20 25 30 X-, 1 1 0.0176 0.0210 0.0254 0.0293 0.0203 0.0248 0.0292 0.0335 0.0231 0.0283 0.0332 0.0382 0.0261 0.0319 0.0375 0.0431 0.0292 0.0357 0.0420 0.0482 0.0323 0.0394 0.0464 0.0532 0.0354 0.0433^ 0.0510 0.0585 40 0.0331 0.0378 0.0430 0.0480 0.0543 0.0601 0.0660 Knudseu hat sie näher untersucht und gefunden, daß, wenn wir die Leit- fähigkeit für 15" (^ir.) zu Grunde legen, sie sich mit der Temperatur nach der Gleichung ändert: log 2^^= log Z,. -f e (r' — 15^). Den Tcni- peraturkoeffizienten s finden Knudsen und Ruppin übereinstimmend nur wenig vom Salzgehalt beeinflußt. Setzen wir s nach Ruppin für 0° = 0.01135, für 25« =0.00928, also für jeden Grad abnehmend um 0.000 0832. so kömien wir die Leitfähigkeit für jede Temperatur berechnen, wie ich das in der obenstehenden Tabelle für Stufen von 5° und 5 Pro mille ausgeführt habe; zwischenliegende Werte sind nnt genügender Genauigkeit durch lineare Interpolation zu entnehmen^). 6. Zum Schlüsse sei auch noch das Verhalten des Seewassers in Bezug auf Radioaktivität kurz berührt. Auf den deutschen Termin- fahrten durch die Ostsee ist zweimal im November 190.3 und Februar 1904: in der Danziger Bucht Bodenwasser aus 100 m Tiefe geschöpft und in geeigneter Form konserviert zwei Tage später dem physikalischen Listitut der Universität Kiel zur Prüfung übergeben worden : es war darin beidemal keinerlei Radioaktivität nachweisbar und Leonhard Weber äußerte sich dahin, daß wenn sie überhaupt vorhanden, jedenfalls viel zu schwach sei, um sich nach zwei Tagen noch nachw^eisen zu lassen. Damit steht in tJber- einstimmung, wenn R. J. Strutt-) auch im eingedampften Seesalz nur selu geringe Mengen von Radium auffinden konnte. Während in einem Gramm Sedimentärgestein bis zu 5.84 X 10-^- g Radium (so in Oolithen) vorkommen, fand er in Seesalz, in übrigens nur angenäherter Bestimmung, nur 0.25 X 10 ~ ^- g, was noch nicht einmal ^/3 des im Leitungswasser von Cambridge vorhandenen Radiums bedeutet. ^) Man kann die Leiifähigkeil des Seewassers verschiedener Konzentrationen auch dazu benutzen, um den Disso/iationsgrad der einzelnen Komponenten da- nach zu berechnen, Avie wir das S. 242 mit Hilfe der rJefrierpunktserniedrigung bereits ausgeführt haben ; die Handbücher der physikalischen Chemie geben die forderliche Anleitung dazu. Vergl. Xernst, Theoret. Chemie S. ~'^^ 2) Proc. R. See. London 1906, Bd. 78 A. p. 151 f. 505. 292 -^i^ Gase des Meerwassers. 6. Die Gase des Meerwassers. Es ist eine allgemeine Eigenschaft der Flüssigkeiten, Gase, die mit ihnen in Berührung kommen, in sich aufzunehmen, oder, wie man sagt, zu absorbieren; man hat dann eine Gaslösung in Flüssigkeit. Die moderne physikalische Chemie unterscheidet zwei Arten solcher Gaslösungen : solche, die sich durch eine Verminderung des äußeren Drucks oder eine Erhöhung der Temperatur von dem Gase wieder befreien lassen, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist und sich der Lösungsvorgang nicht auf eine bloße physikahsche Absorption beschränkt, sondern wo alsbald chemische Bindungen eintreten, die das aufgenommene Gas festhalten. Beide Formen der Lösung finden auf das Meerwasser Anwendung, indem die atmosphäri- schen Gase Sauerstoff und Stickstoff (nebst Argon) nach Art der ersten Gattung physikalisch absorbiert werden, während dagegen die Kohlen- sätire teilweise eine innigere Vereinigung eingeht, die der zweiten Gattung von Gaslösungen entspricht. Für die einfache physikalische Absorption gelten die von Henry (1803) und Dalton (1807) aufgestellten und von Bunsen (1855) als richtig erwiesenen Gesetze. Die von einer gegebenen Flüssigkeits menge ab- sorbierte Gasmenge ist hiernach proportional dem Drucke des Gases, oder, da die Volume der Gase sich umgekehrt wie die Drucke verhalten, die Flüssigkeitsmenge absorbiert bei jedem Druck das gleiche Volum des Gases. Treten mehrere Gase zugleich in Berührung mit der Flüssigkeit, so wird jedes einzelne Gas seinem Partialdruck gemäß absorbiert, so als wenn die anderen Gase nicht vorhanden wären. Der Lösungs Vorgang selbst beruht auf Diffusion, erfordert also Zeit, um die Gasteilchen sich so durch das Innere der Flüssigkeit verteilen zu lassen, bis die Tension des Gases innerhalb der Flüssigkeit gleich der Tension im Gasraum außerhalb ge- worden, also Sättigung eingetreten ist. Bei Erhöhung der Temperatur oder Verminderung des äußeren Drucks tritt Gas aus der Flüssigkeit aus. Deshalb hat man alle Messungen der gelösten Gase auf die Normal- temperatur =0*^ und den normalen Luftdruck von 760 mm zu beziehen. Man drückt die absorbierten Gasmengen gewöhnlich in Volumeinheiten aus (in cc für ein Liter Flüssigkeit), da die gelösten Gasgewichte nur klein sind. Die verschiedenen Gase werden von den Flüssigkeiten in verschie- denen Mengen gelöst, und man bezeichnet als Absorptionskoeffizienten (nach Bunsen) das von der Einheit des Flüssigkeitsvolums bei einer ge- gebenen Temperatur unter Normaldruck absorbierte Gasvolum, dieses auf 0^ und 760 mm reduziert gedacht. Wie verschieden diese Absorptions- koeffizienten für die atmosphärischen Gase in reinem Wasser bei ver- schiedenen Temperaturen sind, mag folgende kleine Tabelle zeigen^). Entsprechend diesen Koeffizienten und den ebenfalls aufgeführten Partialdrucken der beteiligten Gase wird die Zusammensetzung der von reinem Wasser absorbierten- Luft eine andere sein, als in der Atmosphäre selbst, ebenso wird die absolute Menge derselben mit der Temperatur abnehmen. Multipliziert man die zusammengehörigen Absorptionskoeffi- ') Aus Laadolt-Börnsteins Tabellen S. 599 f. nach Messungen von Winkler, Bohr, Bock und Est reicher. Absorptionskoeffizienten und Partialdrucke der Gase, 293 Sauerstoff Stickstoff Argon ■ Kohlensäure 0° 10» 20» 30» 0.04890 0.03802 0.03102 0.02608 0.02348 0.01857 0.01542 0.01340 0.05780 0.04525 0.03790 0.03256 1.713 1.194 0.878 0.665 Partialdruck in Atmosph. { i 0.2099 0.7804 0.0094 0.0003 zienten und Partialdrucke für die Temperaturen von 0^ und 30 '^ und summiert, so erhält man für reines Wasser nachstehende absoluten und prozentualen Werte. Sauer- stoff ^ j .. f bei 0» P- ^'^^^ \ bei 30« Prozentiach / bei o'> \ bei 30» 10.26 5.47 34.6 33.3 Stick- stoff Argon Kohlen- säure 18.32 10.46 61.8 63.6 0.54 0.51 0.31 0.20 1.8 ..7 1 1.9 1.2 1 ►"^umma 29.63 16.44 100. o lOO.O Während in der atmosphärischen Luft das Volum Verhältnis von Sauerstoff zu Stickstof! wie 21 : 78 oder rund 1 : 4 ist, wird in der ab- sorbierten Wasserluft das Verhältnis bei O'^ wie 34.6 : 61.8 oder bei 30^ wie 33.3 : 63.6, oder rund 1:2. Es ist also erheblich mehr Sauerstof! in der absorbierten Luft, ein Unterschied, den schon Jos. Pnesrley (1778) erkannte. Die im Süßwasser lebenden Tiere atmen infolgedessen mit ihren Kiemen eine sauerstoffreichere Luft, als die Landtiere. Es darf hierbei aber nicht vergessen werden, daß ein Landtier mit einem Liter Luft 210 cc, ein kiemenatmendes Wassertier mit einem Liter Wasser nur 10 cc Sauer- stoff durch seine Atmungsorgane passieren läßt. Tatsächlich sind alle durch Kiemen atmenden Wassertiere sehr anspruchslos in Bezug auf den Sauers tofpgenuß, so daß sie mit wenigen cc im Liter noch auskommen^). Salzlösungen verhalten sich gegenüber dem reinen Wasser insofern abweichend, als zunächst im allgemeinen die Absorptionskoeffizienten kleiner werden, wie schon Gay Lussac und AI. v. Humboldt 1805 fanden-), sodann aber die Möglichkeit chemischer Einwirkung auf die gelösten Salze in Betracht kommt. Schon Fernet hat (1858) darauf hingewiesen, daß Kohlensäure in Salzlösungen, die Karbonate enthalten, nicht nur mit den dem Absorptionsgesetz entsprechenden Mengen aufgenommen wird, sondern daß dazu noch ein zweiter Anteil tritt, der vom Druck unabhängig ') Vergl. S. 313, auch Regnard a. a. 0. S. 356 gibt experimentelle Beweise. -) Humboldt, Kleinere Schriften, Stuttgart 1853, S. 361. Ostwald a. O. S. 626. 294 ^^^ Clase des Meerwassers. und dem Salzgehalt proportional ist. Diese wichtige Abweichung der Kohlenscäure soll uns später beschäftigen; zunächst wenden wir uns den Gasen zu, die sich dem Henryschen Gesetz gemäß verhalten, dem Sauer- stoff und dem Stickstoff, einschließlich des diesem zugerechneten Argon. Die wenig erfreuliche Geschichte der Gasanalysen des Seewassers, die H. Tornöe^) geschrieben hat, zeigt zwar frühe Versuche (Fremy 1837, Herren 1847, Lewy 1846) aber wenig Erfolg, insofern die für die einzelnen Gase aus demselben Wasser erhaltenen Mengen beträchtlich voneinander abwichen. Noch die Chemiker der Porcupinefahrt (1869) waren von ihren Ergebnissen wenig befriedigt, und erst Oskar Jacobsen^) gelang es (1872), einwandfreie Analysen auszuführen. Er erkannte zuerst die Bedeutung, die eine richtige Entnahme der Probe aus dem- Seewasser in verschiedenen Tiefen beansprucht und bediente sich zu diesem Zwecke des von Dr. H. A. Meyer konstruierten Wasserschöpfers ; er verzichtete auf eine unmittelbare und vollständige Analyse der im Wasser suspendierten Luft an Bord und beschränkte sich darauf, den gesamten Gasgehalt in Sammelröhren aufzufangen, die vorher durch Wasser- dampf luftleer gemacht worden waren ; endhch zerlegte er die Analyse in zwei verschiedene Aufgaben, indem er zunächst an einer Probe den Gehalt an Sauerstoff und Stickstoff und sodann an einer anderen Probe die Kohlen- säure bestimmte. An diesem Grundsatz der geteilten Analyse hat man seitdem im allgemeinen festgehalten, und erst in der neuesten Zeit ist das Verfahren der Gasanalysen so weit entwickelt worden, daß man an derselben Probe wieder alle drei Gaskomponenten zu bestimmen wagt. Oskar Jacobsens Verfahren ist im wesentlichen von dem Chemiker der Challengerexpedition J. Y. Buchanan während der Fahrt beibehalten worden; wesentliche technische Fortschritte sind dann H. Tornöe, Dittmar, Otto Pettersson und A. Hamberg zu verdanken, bis man zuletzt durch den Wetteifer der an der internationalen Erforschung der nordeuropäischen Meere beteiligten jüngeren Gelehrten, die über alle Methoden der modernen Chemie verfügen, zu einer beträchtlichen Sicherheit in der Analyse vorgedrungen ist*). Das wesentlich auf Pettersson und Knudsen zurückzuführende Verfahren besteht darin, sich eine einwandfreie, sei es an der Oberfläche oder mit einem geeigneten Wasserschöpfer aus der Tiefe auf- geholte, Wasserprobe dadurch zu sichern, daß man eine vorher unter der Luftpumpe völlig evakuierte Sammelröhre mit dem Wasser sofort füllt und die Röhre zuschmilzt; damit sich nicht nachträglich die Gase durch die Lebens- tätigkeit der im Wasser stets vorhandenen Mikroorganismen verändern, wird die Wasserprobe durch in die Sammelröhre gebrachtes Sublimat sterilisiert. Die Analyse läuft im wesentlichen darauf hinaus, einmal, das Gesamtvolum von Sauerstoff und Stickstoff durch Austreiben in eine Torricellische Leere zu bestimmen, sodann den Sauerstoff mit emem geeigneten Absorptionsmittel daraus zu entfernen und damit das Volumverhältnis der beiden Gase zueinander abzuleiten; an der zweiten Probe aber die Kohlensäure durch Entwicklung von Wasserstoff in das Vakuum hinüberzutreiben und dort in Kalilauge zu absorbieren. Wo an Bord entsprechende Vorrichtungen möglich sind, ist es sehr empfehlenswert, den Sauerstoffgehalt an frischen Proben sofort und zwar '] Norske Nordhavs Expedition. Chemi I. p. 2 — 8. 2) Jahresber. der Kieler Komm, zur wiss. Unters, der deutschen Meere 1872 bis 1873, S. 43. Ann. Chem. Pharm. 1873, Bd. 167, S. 22. •^) Vergl. darüber Pettersson in Scott. Geogr. Magazine 1894, p. 284 und für dns Folgende Ernst Rnppin in Wissensch. Meeresunters, der Kieler Komm. Bd. 7, 1903, S. 130 und Bd. 8, 1904, S. 127. Fox in Publications de Circonstance du Conaeil permanent international pour l'Exploration de la Mer Nr. 21, Kopen- hagen 1905. Der Sauerstoff. 295 nach Winklers Methode zu bestimmen, ein Verfahren, das zuerst von Natterer ^) mit bestem Erfolg eingeführt und seitdem vielfach an Bord wiederholt worden ist. Um den Sauerstoffgehalt des Seewassers von verschiedenem Salzgehalt unter normalen Verhältnissen festzustellen, also wo volle Kon stanz der Temperatur und des Drucks gesichert und eine Störung durch den Stoffwechsel von Organismen ausgeschlossen isc, hat J. P. Jacobsen in Knudsens Laboratorium in Kopenhagen (1904) eine längere Reihe von Absorptionsversuchen ausgeführt; er bediente sich dazu nicht wie Dittmar künstlichen, sondern natürlichen Seewassers in 6 verschieden hohen Konzentrationen, deren Chlorgehalt aufs genauste bestimmt w^ar. Den aus der atmosphärischen Luft aufgenommenen Sauerstoff bestimmte er nach Winklers Methode. J. P. Jacobsen fand, daß sich die absorbierte Sauerstoffmenge nach folgender Formel hinreichend genau berechnen läßt, sobald die Temperatur t^ und der Chlorgehalt CI (in Cew. Promille) des betreffenden Seewassers bekannt sind: O2 = 10.062 — 0.2822 t + 0.006144 t' — O.OOOOBl f — Cl [0.1073 — 0.003586 t + 0.000055 t"-]. Man erhält das Volum Sauerstoff in cc p. Liter für 0° und 760 mm Druck. Gleichzeitige umfassendere Experimente von Dr. Charles J. J. Fox im Zentrallaboratorium der internationalen Meeresforschung in Kristiania haben eine hiervon nur wenig abweichende Formel geliefert, die so lautet: O2 = 10.291 — 0.2809 t + 0.006009 f — 0.0000632 t^ — Cl [0.1161 — 0.003922 ^^ + 0.000063 t^]. Aus seinen mir handschriftlich mitgeteilten Interpolationstabellen, die für Chlorgehalte berechnet sind, habe ich die Sauerstoffmengen für das Argu- ment des Salzgehalts ermittelt und in der Tabelle auf S. 296 zusammen- gestellt. Man ersieht daraus auch die bekannte Wirkung der Temperatur, die mit steigender Konzentration den Absorptionskoeffizienten ver- mindert. Für destilliertes Wasser bei 20° beträgt derselbe 0.031, für Ost- seewasser von 10 Promille bei derselben Temperatur 0.029, für Mittel- meerwasser von 40 Promille nur 0.024. Die Absorption des Stickstoffs unter denselben Voraussetzungen zu bestimmen, hatte schon Axel Hamberg-) 1884 versucht und die Wir- kungen der Temperatur und des Salzgehalts gesondert in Formeln gebracht. Seine danach berechneten Tabellen- haben lange Jahre den Ozeanographen als einziges vorhandenes Hilfsmittel dieser Art zur Verfügung gestanden. Daß die daraus erhältlichen Werte ungenau, für die Temperaturen bei und unter 0° sogar mit erheblichen Fehlern behaftet sind, war den mit praktischen Gasanalysen beschäftigten Ozeanographen nicht entgangen. Auch diese Schwierigkeit ist inzwischen von Dr. Fox wohl im wesentlichen überwunden. Seine Absorptionsformel für Stickstoff lautet: ') Denkschr. Akad. Wien Bd. 59, 1892. S. 2; ver'gl. auch J. F. Jacobsen, jSIeddelelser fra Kommissionen for Havundersögelser Nr. 8, Kopenhagen 1905. 2) Bihang til. kgl. Svensk. Ak. Hdl. Bd. 10, Stockholm 1884, Nr. 13. 296 Die Gase des Meerwassers. Absorptionstabelle für die atmosphärischen Gase. Die Zahlen bedeuten cc Gas in einem Liter Seewasser von der gegebenen Temperatur und Konzentration in Promille , das Gasvolum reduziert auf 0® und 760 mm Luftdruck. 1. Sauerstoff. Promille 0 5 10 15 20 25 30 35 40 cc cc cc cc cc cc cc cc CO -2« 10.88 10.53 10.18 9.84 9.50 9.16 8.82 8.47 8.12 0« 10.29 9.97 9.65 9.33 9.01 8.68 8.36 8.03 7.71 5« 9.03 8.75 8.48 8.21 7.94 7.67 7.40 7.13 6.86 10° 8.02 7.79 7.56 7.33 7.10 6.87 6.63 6.40 6.17 15° 7.22 7.03 8.83 6.63 6.43 6.23 6.04 5.84 5.64 20° ; 6.57 6.40 6.22 6.05 5.88 5.70 5.53 5.35 5.18 25« 1 6.04 5.88 5.72 5.56 5.40 5.24 5.08 4.93 4.77 30° 1 5.57 5.42 5.27 5.12 4.96 4.80 4.65 4.50 4.35 2. Stickstoff. — 2° ! 19.45 18.83 18.18 17.61 16.90 16.27 15.63 15.00 14.36 0° 18.56 17.97 17.37 16.77 16.18 15.58 14.99 14.40 13.80 5° 16.60 16.10 15.60 15.10 14.59 14.09 13.59 13.08 12.58 10° 14.97 14.65 14.13 13.70 13.27 12.85 12.43 12.00 11.57 15° 13.63 13.27 1291 12.55 12.20 11.84 11.48 11.12 10.76 20° 12.54 12.24 11.93 11.63 11.32 11.02 10.71 10.40 10.09 25° 1 11.66 11.40 11.13 10.86 10.59 10.32 10.05 9.78 9.51 30° : 10.94 10.70 10.46 10.22 9.98 9.74 9.50 9.26 9.02 Promille 0 5 10 15 20 25 30 35 40 ^r, -^ 18.561 — 0.4282 t + 0.0074527 t^ — 0.00005494 t^ — 67 [0.2149 — 0.007117 t + 0.0000951 P]. Auch hiernach habe ich die Mengen Stickstoilgas in einem Liter See- wasser von verschiedenem Salzgehalt ermittelt und in die obenstehende Tabelle aufgenommen. Schließlich sei «noch bemerkt, daß, wenn man aus den Volumwerten der Tabelle die Gewichte der Gase in mg zu erhalten wünscht, die Zahlen für den Sauerstoff mit 1.4292, für den Stickstoff mit 1.2542 zu multipli- zieren sind. Im allgemeinen entspricht, wie schon Aime 1843 wahrnahm und es dem anfangs erwähnten Henryschen Gesetz entspricht, in den Ozeanen auch in den Tiefen die im Seewasser gelöste Stickstoß- und SauerstofT- menge ungefähr der bei der gegebenen Temperatur zu erwartenden. Es war das eines der wesentlichsten Ergebnisse der Untersuchungen Oskar Jacobsens während der deutschen Pommeraniaexpedition in der Nordsee (1872), daß er auch in dem aus größeren Tiefen heraufgeholten Seewasser den Stickstoffgehalt fand, wie er der örtlichen Wassertemperatur ent- Der Stickstoff. 297 sprach, also bei den niedrigen Temperaturen der Bodenschichten ein größeres absolutes Volum, als in den wärmeren Oberschichten. Er schloß daraus, daß jenes Tiefenwasser einmal bei der vorhandenen Temperatur mit der Atmosphäre in Berührung gekommen sei und dabei die entsprechende Luftmenge absorbiert habe. Für den Sauerstoff bestand ein so regelmäßiges Verhalten nicht; in den tieferen Schichten ist, wie seit Oskar Jacobsen wiederholt nachgewiesen wurde, sogar ein mehr oder weniger großes Defizit vorhanden, das von ihm auf den Lebensprozeß der in der Tiefe atmenden Tierwelt zurückgeführt wurde; in anderen Fällen, so in oberen Schichten der Ostsee nicht selten, tritt im Gegenteil auch eine Übersättigung an Sauerstoff auf, was auf der Tätigkeit des dann reichlich entwickelten vegetabiüschen Planktons beruht, indem dieses unter der Einwirkung des Lichts in seinem Chromophyll die Kohlensäure (CO^) zerlegt, den Kohlen- stoff assimiliert und den Sauerstoff freigibt. Der Stickstoff mit seiner anscheinend großen Indifferenz und geringen Affinität schien nun be- sonders geeignet, über die Herkunft der Tiefenschichten und ihre seit der letzten Berührung mit der Atmosphäre erlittene vertikale und horizontale Orts Verlagerung Aufschluß zu geben. Da die Zahl guter Stickstoffbestimmungen aus dem offenen Ozean aber noch sehr gering ist, konnte übrigens von dieser nützlichen Regel bisher nur wenig Gebrauch gemacht werden. Es fanden sich nun aber auch Fälle, wo die örtliche Temperatur der Wasserschicht der zuverlässig gemessenen Stickstoffmenge nicht entsprach. — Die aus der vorhandenen Stickstoff menge zurück- gerechnete Sättigungstemperatur wurde nunmehr auch als Absorptions- temperatur betrachtet, also als die Temperatur, bei welcher das Wasser zuletzt an der Oberfläche gewesen war, und der L^nterschied zwischen der örtlich gegebenen und der Absorptionstemperatur sollte erweisen, um wieviel das Wasser seitdem abgekühlt oder erwärmt worden sei. Martin Knudsen^) hat sich mit der Prüfung dieser Schlußfolgerung beschäftigt und gezeigt, daß sie in vielen Fällen zu schweren Irrtümern führt. Er konnte zunächst nachweisen, daß keineswegs im Oberflächenwasser die Sättigung an Stickstoff überall erzielt ist, also der Stickstoffgehalt nicht der Absorptionstemperatur entspricht. Diese Abweichungen kennzeichnen insbesondere die Misch wasser, wie sie im Bereiche des Treibeises, noch mehr aber in der Flachsee der dänischen Gewässer auftreten. Die durch stürmischen Seegang durcheinander gemischten mittleren und tiefsten Schichten gleichen sich mit ihren Temperaturen mehr oder weniger aus. Für ein solches Misch wasser hat die Bestimmung der Absorptionstem- peratur nur dann einen Sinn, ^ wenn man von Temperatur, Salzgehalt und Stickstoff gehalt der Komponenten etwas weiß, und das wird sich im günstigsten Falle, wo nur zwei Schichten gemischt sind, für die eine der- selben selten erfüllen lassen. Im allgemeinen wird, wenn zwei Wasser- proben eben mit Stickstoff gesättigt, aber von verschiedener Temperatur gegeben sind, nach Mischung der beiden Wasser eine Übersättigung ent- stehen, also eine hiernach zurückgerechnete Absorptionstemperatur zu niedrig werden. Ferner zeigte Knudsen, daß auch übersättigtes Ober- ^^ Danske Ingolfsexped. Bd. 1, H. 2, Kopenhagen 1898, 141. Pubücations de Circonstance Nr. 4, Kopenhagen 1903. 298 I^^6 Gase des Meerwassers. flächenwasser vorkommen kann, wenn die oberste Schicht soeben von der Atmosphäre oder Sonne erwärmt wird oder kürzHch erwärmt worden ist. Endlich kann durch anhaltend hohen oder niedrigen Barometerstand eine falsche Absorptionstemperatur errechnet werden, denn es dauert bei der Langsamkeit der Diffusion 2 bis 3 Tage, bis sich das Oberflächen wasser mit der Atmosphäre ins Gleichgewicht setzt. E. Ruppin^) hat aus den deutschen Terminfahrten in der Ostsee für den Februar 1904 einen solchen Fall dargelegt; aus dem Stickstoffgehait in 5 m Tiefe auf einer Station südöstlich von Bornfiolm berechnet sich (nach Hamberg) eine Absorptions- temperatur von 4.0^, während die örtlich vorhandene 2.86^ betrug, wobei es sich um ganz homogenes Wasser von der Oberfläche abwärts bis 5 m Tiefe handelte, der Barometerstand aber mehrere Tage lang unter 740 mm gewesen war. Ist hiernach schon die größte Vorsicht geboten in der Deutung solcher Absorptionstemperaturen, so ergibt sich auf Grund der neueren Bakterien- forschung, daß der bisher stets für indifferent gehaltene Stickstoff ebenso Störungen durch den biologischen Stoffwechsel unterliegen kann, wie der Sauerstoff. Auf Veranlassung von Karl Brandt haben E. Baur und Feitel in Kiel, ebenso Gran in Bergen Bakterien aus See wasser isoliert, die aus Nitriten und Nitraten Stickstoff entbinden; es sind auch andere Bak- terien bekannt geworden, die Ammoniak zersetzen; auf beiden Wegen wird eine Übersättigung mit Stickstoff erzielt. Umgekehrt haben Benecke, Keutner u. a. Bakterien, die auf Seepfianzen vegetieren, kennen gelehrt, die freien Stickstoff zu binden vermögen, also im Seewasser ein Stickstoff- defizit hervorrufen. Hierdurch wird das ganze Problem der Luftzusammen- setzung im Seewasser außerordentlich verwickelt und ist die größte Vor- sicht bei allen Schlußfolgerungen aus den aufgefundenen Gasmengen ge- boten. Außerordentlich starke Übersättigung an Stickstoff fand Knudsen zwei- mal im Boden wasser des Nordatlantischen Ozeans am Ostrande des Reykjanes- rückens (Ingolfstationen 67 und 80), nämlich 2L03 und 22.66 cc im Liter; er ist geneigt, sie auf Fäulnisprozesse zurückzuführen. 0. Pettersson^) ver- weist auch auf die Möglichkeit, daß ein fremdes Gas neben dem Stickstoff vorhanden und nach dem Gang der Analyse diesem zugerechnet worden sein könne; er denkt dabei an Sumpfgas. oder vulkanische Gase. Daß Spuren von Kohlenwasserstoff im Grundwasser des östlichen Mittelmeers vorkommen, hat Natterer nachgewiesen; Pettersson selbst fand Sumpfgas in einer Bucht des Mälarsees, aber vom offenen Ozean her ist es noch unbekannt. Die Geschwindigkeit, mit der die atmosphärische Luft in das See- wasser hineindiffundiert, ist noch nicht gemessen worden. In reinem Wasser vollzieht sich die Lösung sehr langsam von der Oberfläche nach der Tiefe hin, wie Färbungsversuche von Regnard ^) und G. Hüfner^) ergeben haben. Indem der erstere für eine unveränderliche Temperatur entlang einer hohen Wassersäule Sorge trug, ließ er eine oben offene, mit Coupier- blau, das gerade mit Natriumsulfit gesättigt., also gelb geworden war, ^^ Wiss. Meeresunters, der Kieler Komm. Bd. 8, 1904, S. 128. 2) Petermanns Mitt. 1900, S. 5. ^) Regnard a. a. O. S 350. ') Wiedem. ^Vnn. 1897, Bd. 60, S. 134. Diffusion der Luft in die Tiefen. 299 gefüllte Röhre durch Einwirkung der Luft von oben her sich anbläuen, was so langsam fortschritt, daß der Sauerstoff ein volles Jahr gebraucht haben würde, um die 4 m hohe Flüssigkeitssäule in dieser Art von der Ober- fläche aus zu färben. In den natürlichen Wassern sind es die zu Boden sinkenden Trübungen aller Art, die als Träger eines feinen Gashäutchens diesen Diffusionsprozeß beschleunigen. HauptsächUch aber werden es ver- tikale Konvektionsströmungen, also durch Abkühlung oder Verdunstung schwerer gewordene und damit in die Tiefe absinkende Wasserteilchen sein, die die atmosphärische Luft mit sich in die Tiefe befördern helfen. Zu den auf diese Weise wenigstens im Winter ventilierten Meeren wird aucji das Mittelländische gehören, dessen Tiefengewässer nach Natterers Untersuchungen auch im östlichen Teil noch ^s bis ^/4 desjenigen Sauer- stoffs gelöst enthalten, der ihrer örtUchen Temperatur (13.7'^) zukäme, nämlich nur 3.8 bis 4.3 cc statt 6.0; das Fehlende dürfte von der Tierwelt verbraucht sein. Die technisch mißlungenen Gasanalysen der Porcupine- expedition (1870) in der Westhälfte des Mittelmeers hatten für die Tiefen- schichten einen viel zu geringen Sauerstoffgehalt ergeben und damit zu der Schlußfolgerung verleitet i), daß in den Tiefen des Mittelmeers alles Tierleben ausgeschlossen sei, was dann durch die Unergiebigkeit einiger Grundnetzzüge scheinbar bestätigt wurde. Schon die italienische Expe- dition an Bord des Washington (1881) und noch mehr die österreichischen Untersuchungen an Bord der Pola erwiesen indes die Unrichtigkeit solcher Behauptungen. Es scheinen jedoch bei diesem Eindringen der atmosphärischen Gase in die Tiefen noch andere Kräfte im Spiele zu sein, deren Wesen noch nicht völlig aufgeklärt ist. Schon G. Hüfner kam zu dem Schlüsse, daß die mit Luft ge- sättigten Wasserteilchen der Schwere zu folgen und von der Oberfläche in die Tiefe abzusinken schienen. Dasselbe hat W. E. Adeney^) durch vergleichende Versuche an destilliertem und Seewasser (vermutlich von 30 Promille) ge- funden und zwar zunächst für den Stickstoff. Beide Wassersäulen von je 190 cm Höhe wurden 28 Tage hindurch in einem Wasserbade stetig 2 bis 4^ unter der Zimmertemperatur gehalten, um Konvektionsströmungen aus- zuschließen; beide waren vorher stickstofffrei gemacht und nur von oben her für staubleere Luft zugänglich. Es ergab sich, daß im Seewasser die Diffusion des Stickstoffs rascher vorgeschritten war, als im destillierten. Die in be- stimmten Tiefen entnommenen Wasserproben enthielten Stickstoff (in cc p. L., 0\ 760 mm): In. der Tiefe (cm) 0—20^ 30—50 80—100 160—180 Destilliertes Wasser . . Seewasser 11.50 9.24 11.10 8.96 843 8.91 5.84 7.89 Die oberste Schicht war bei beiden von völliger Sättigung noch weit entfernt (sie hätte 15.37 und 12.37 cc liefern müssen). Nach 75 Tagen war das Seewasser ^) Carpenter in Proc. R. G. Soc. 1874, p. 324. Thomson, Depths of the Sea 1873, 506. 2) Philos. Mag. 1905, Bd. 6, p. 360. 300 Die Gase des Meerwassers. am Boden der Röhre mit Stickstoff gesättigt, das destillierte aber nur zu '/i o . Weitere Versuche zeigten, daß dieser I>iffusionsprozeß nicht der Schwere ent- gegen zu arbeiten vermag und daß seine Träger aus der Luft in das Wasser übertreten. (3b es sich um ganz feine Staubteilchen oder Kondensationszentren elektrischer Natur handelt, ist noch unklar. Anscheinend wird das Elektro- lyte enthaltende Seewasser besser ventiliert, als reines Wasser. Es fehlt jedoch nicht an mangelhaft ventilierten Meeresteilen. Wo die Oberfiächenschichten, von geringerem Salzgehalt, auch bei winterlicher Abkühlung nicht schwer genug werden, um ihren Platz mit den salz- haltigeren Tiefenschichten zu vertauschen und so auch den unteren Räumen Luft zuzuführen, Avie das im homogenen Wasser des östlichen Mittelmeer- beckens geschehen kann, da wird, falls auch eine seitliche Zufuhr venti- lierten Wassers aus dem Ozean durch Barren oder zu geringe Schwellen- tiefen an den Zugängen unmöglich wird, der Sauerstoffgehalt der Tiefen- schichten bis auf Null sinken. Norwegische Fjorde bieten im kleinen, das Schwarze Meer im großen stark ausgeprägte Beispiele, die Tiefenbecken, der Ostsee abgeschwächte für diesen Prozeß dar. Arsen Lebedintzeff hat in einer vergleichenden Untersuchung über den Gasumtausch abgeschlossener Wasserbecken und seine Bedeutung für die Fischzucht^) für den Pestowosee, das Kaspische Meer, den Mofjord and das Schwarze Meer diese Vorgänge mit großer Klarheit entwickelt. Er zeigt, wie der Sauerstoffgehalt von den dünneren Oberflächenschichten nach der Tiefe hin abnimmt, in den nicht mehr ventilierten Schichten Null wird und dafür Schwefelw^asserstoff auftritt, der im Mofjord, wie das Verhalten gegen Nitro- prussidnatrium ergibt, auf zersetzte Eiweißstoffe, also Verwesungsprozesse, zurückzuführen ist, während im Schwarzen Meer auch anorganische Um- Mofjord Sept. 1903 Schwarzes Meer Sommer 1891 und 92 Tiefe Temp. Salz- gehalt Sauer- stoff Schwe- felw. Tiefe Temp. Salz- gehalt 0-fN Schwe- felw. m Prom. CG cc m Prom. cc cc 0 9.9 1.89 7.9 1 0 24.0 18.1 23.0 10 10.85 16.78 7.4 9 21.5 18.5 — 20 7.30 28.10 5.1 — 18 12.8 18.3 — — 40 6.94 30.93 2.43 — 27 8.9 18.5 — — 50 6.63 31.53 0.86 Spur 91 8.0 20,6 — — 75 6.60 32.15 — 0.12 183 8.8 21.6 14.9 0.39 100 6.72 31.85 0.24 0.34 366 8.9 22.1 14.7 1.88 150 6.69 32.35 — 0.51 1464 9.0 22.5 14.85 4.44 200 6.72 32.39 0.20 0.90 ' f 2120 9.0 22.5 6.00 Setzungen daran beteiligt sind. Ich gebe hier in ihrem wesentlichen Inhalte seine Tabellen für den Mofjord und das Schwarze Meer, für das letztere ist das Volum des Sauerstoffs und Stickstoffs zusammengefaßt; der dem Salzgehalt ') In den Berichten der Kais, russ. Fisohzuchtanstalt von Nikolakoje für 1905 (in russ. Sprache). Schlecht ventilierte Tiefen. 301 von 22.5 Promille bei 9^ entsprechende Stickstoffgehalt ist nach S. 296 auf 13.3 cc zu veranschlagen, sodali also nur 1.5 cc Sauerstoff in den Tiefenwassem anzunehmen wären. Die Entwicklung von Schwefelwasserstoff ist nur in solchen abgeschlossenen, mangelhaft oder gar nicht ventilierten Tiefenbecken möglich und beobachtet. Die Mulden der Ostsee erneuern ihr Tiefenwasser miregelmäßig und schub- weise; die Rügensche und Bornholnier Mulde alljährlich meist einmal, seltener zweimal, die Danziger Mulde fast alljährlich, die Gotland- und die bottnischen Tiefen oft erst nach vielen Jahren, alle erhalten das neue Tiefenwasser aus der Beltsee oder seltener auch aus dem öresund. Die älteren Beobachtmigen schwedischer Expeditionen hat Otto Pettersson^) ausführlich dargelegt. Nach E. Ruppins Gasanalysen während der deutschen Terminfahrten ist diese unperiodische Ventilation für die Jahre 1902 bis 1905 im Bornholmtief und der Danziger Bucht migefähr folgendermaßen verlaufen. Das Bornholmtief hatte am Boden (in fast 100 m) im August und November 1902 dasselbe Wasser, die Temperatur hatte sich von 4.48^ auf 4.58'^ gehoben, der Salzgehalt von 16.89 auf 16.42 Promille vermindert, der Sauerstoffgehalt war von 3.45 auf 3.22 cc hinuntergegangen. Im Winter wurde das Wasser erneuert, im Mai war die Temperatur 3.15^, der {Salzgehalt 17.81 Promille, der Sauerstoffgehalt 4.81 cc. Bei langsam steigender Temperatur nahm der Salzgehalt und Sauerstoffgehalt während des Sommers und Herbstes 1903 langsam ab, so daß im Februar 1904 nur 2.63 cc Sauerstoff gefujnden wurden. Im Sommer 1904 scheint eine schwache Erneuerung erfolgt zu sein, demi im August war die Temperatur zwar dieselbe wie im Februar, der Salzgehalt um 0.07 Promille mid der Sauerstoffgehalt um 0.1 cc höher. Während des ganzen Jahres 1905 nahm bei fast miveränderter Temperatur der Salzgehalt bis 15.35 Promille stetig ab, ebenso der Sauerstoffgehalt bis 1.10 cc im November. Dagegen ist vor Februar 1906 das Wasser erneuert worden, da sich die Tem- peratur auf 5.04^, der Salzgehalt auf 16.29 Promille und der Sauerstoffgehalt auf 5.45 cc angewachsen erwies. In der Danziger Mulde war im Jahre 1902 altes Wasser am Boden in 105 m vorhanden, das im November bei 5.58° und 11.98 Promille nur 1.04 cc Sauer- stoff enthielt. Ein Jahr später (November 1903) war das Bodenwasser ersetzt durch solches von 3.44°, 13.10 Promille und 5.48 cc Sauerstoff (zur Sättigung hätten etwa 8.4 cc gehört). Von da an verminderte sich der^Salz- und Sauer- stoffgehalt bis zum August 1904 (11.38 Promille mit 1.67 cc), im November war wieder ein Schub neues Wasser angelangt, das 5.59°, 12.02 Promille und 5.12 cc zeigte, und dieses blieb wieder bis zum Sommer 1905 liegen, indem die Temperatur im August auf 4.94°, der Salzgehalt auf 11.09 und der Sauerstoff- gehalt auf 2.33 cc abnahm. Im November 1905 aber war wieder neues Wasser erschienen, demi die Temperatur ist 4.88°, der Salzgehalt 11.00 Promille und der Sauerstoff 4.01 cc. Bis zum Februar 1906 erfolgte noch ein neuer Zuzug, demi wenn auch der Sauerstoff auf 3.37 cc und der Salzgehalt auf 10.50 Promille abgenommen hat, so ist die Temperatur auf 5.42° gestiegen. — Während der Stagnierperioden wird der Sauerstoff teils von den Tieren zur Atmung ver- braucht, teils tritt eine Reaktion zwischen ihm und der im W^asser gelösten organischen Substanz ein, die sowohl durch Diffusion aus dem Bodenschlamm, wie durch abgestorbenes Plankton zugeführt wird^). ') Scott. Geogr. Mag. 1894, p. 625—631. Ebenda p. 300, 526—531 auch die interessanten Vorgänge am Boden des GuUmar Fjords in Bohuslän, der in un- regehnäßigen Zwischenräumen ventiliert wird, ^) Vergl. für das Obige die Bulletins des Resultats acquis par les Courses Peri- odiques etc. Kopenhagen 1903—1907; Ruppin in Wiss. Meeresunters. Bd. 8, Kiel 1904, S. 133. 302 Die Gase des Meerwassers. Um auch ein Beispiel außerhalb der Ostsee zu geben, sei folgender Auszug aus den Sauerstofflbestimmungen für die Station 9 der deutschen Termin- fahrten in der norwegischen Rinne südlich von Mandal hier aufgeführt^). Man sieht aus dem Vergleich zwischen dem normalen d. h. dem der Temperatur und dem Salzgehalt entsprechenden Sauerstoffgehalt und dem wirklich von E. Ruppin gefundenen, daß das Tiefenwasser unterhalb von 150 m bis 450 m hin lange nicht an der Oberfläche gewesen sein kann; es zeigt ein Defizit, während die obersten Schichten ein wenig übersättigt sind. Station 9, 57^52'N.B. 7^20' O.L. 452 m Tiefe, 17. Aug. 1905. Sauerstoff cc Tiefe i Temperatur Salzgehalt Differenz m i C« Promille beobachtet berechnet cc 5 1624 29.27 5.80 5.81 — Ö.Ol 10 16.02 30.97 5.87 5.77 + 0.10 20 14.47 32.56 6.01 5.88 + 0.23 50 10.27 34.51 6.30 6.29 -^ O.Ol 100 7.93 35.03 6.52 6.58 — 0.06 150 7.59 35.12 6.60 6.63 — 0.03 200 6.58 35.12 6.12 6.78 — 0.66 250 6.50 35.12 6.10 6.79 — 0:69 300 0.29 35.12 6.09 6.83 - 0.74 400 5.97 35.12 6.16 6.88 — 0.72 450 5.95 35.12 6.12 6.89 — 0.77 Da die Folgerungen, die aus diesem Verhalten der Gase zu ziehen sind, in das Gebiet der Wasserbewegungen gehöret), können sie hier nicht weitei ausgesponnen werden. Was die Verteilung des Sauerstoffs in den Tiefenschichten des offenen Ozeans anlangt, so liegen die modernen mit einigermaßen einwandfreien Methoden gewonnenen Analysen der deutschen Tiefseeexpedition an Bord der Valdivia und der ieiitächen Südpola^expedition an Bord des Gauß der Öffentlichkeit noch nicht vor. Wir sind nur auf die älteren Angaben der Challonger-^xpedition angewiesen, deren Ergebnisse Dittmar w^ie folgt zusammenfaßt. 1. Die Obcrflächensshichten der höheren Südbreiten neigen zu einem Überschuß an Sanerstoff über das Sättigungsvolum hinaus, was bei neueren ähnlichen Fällen (Tornöc, Pettersson, Knudsen, Natterer) auf reichliches Phytoplankton z'i rückgeführt worden ist; 2. in den tieferen Schichten (in mehr als 100 m) ist ein mehr oder weniger starkes Defizit an Sauerstoff vorhanden; die von Buchanan während der Fahrt selbst gewonnene Auffassung, dal?, dies Defizit bei etwa 1500 m (800 Faden) am größten sei, findet nach Dittmar keine Bestätigung, da die Abweichungen ganz unregelmäßig verteilt sind Auffällig ist ein erhebliches Defizit bei den meisten Bodenwassern inmitten des Nordpazifischen Ozeans zwischen 40^ und 350 N. B., 150« und 180" W. L.; Anzeichen für ein ähnliches Ver- halten scheinen im analogen Gebiet des Südpazifischen und Südatlantischen Ozeans angedeutet. Daraus wollte Dittmar auf eine äußerst langsame ^) Altere Beobachtungen für die Tiefenmulde im östlichen Skagerrak gibt Pettersson a. a. O. 453 f., neuere finden sich in den Bulletins der Terminfahrten, Die Kohlensäure. 303 Bewegung dieser tiefen Wasserschichten schließen. Zu derartigen oder ähnlichen Schlußfolgerungen reicht aber das vorliegende Material noch lange nicht aus. Die Bestimmung der im Seewasser absorbierten Kohlensäure (Kohlendioxyd, CO^) ist ein wahres Kreuz für den chemisch arbeitenden Ozeanographien, und die Sachlage wird dadurch nicht verbessert, daß die ozeanographisch arbeitenden Chemiker in der Deutung der vorliegenden Prozesse und Zustände von Anfang an bis heute uneins gewesen und geblieben sind. Ältere Versuche ergaben stark auseinanderfallende Werte für dasselbe Wasser, so daß sie das Mißtrauen des Analytikers erregten; beim einfachen Sieden mit einem Bunsenbrenner fand sich auch nach stundenlanger Arbeit noch immer Kohlensäure im Wasser, und Oskar Jacobsen trieb die letzten Reste derselben erst heraus, nachdem er das Wasser bis zur Trockne eingedampft hatte. Jacobsen fand dann, daß ein gleichzeitig durch die siedende Wasserprobe gesandter Strom von kohlen- säurefreier Luft den Prozeß beschleunigte und alle Kohlensäure mit sich fortriß. Er fand die so in Barytwasser aufgefangene Kohlensäure für ein Liter unverdünntes Nordseewasser zu rund 100 mg (oder = 50.89 cc). Gemäß ihrem Absorptionskoeffizienten würde atmosphärische Kohlensäure vom Wasser nur zu einem sehr kleinen Bruchteil als freies Gas gelöst werden (vgl. S. 293), während sie tatsächlich lOmal stärker als Sauerstoff und 3^2 mal stärker als Stickstoff aufgenommen erscheint. Jacobsen dachte alsbald an den eingangs erwähnten Zustand der Bindung, der dem Seewasser mit Hilfe der ihm beigemengten Salze ermöglichte, „so ungeheure Mengen Kohlensäure aufzunehmen, und zwar in einem Zustande, wo sie der At- mungsluft der Seetiere nicht ohne weiteres zugezählt werden kann, während sie anderseits der Vegetation des Meeres recht wohl zugänglich ist". Als die hier in Betracht kommenden Salze bezeichnet er vorzugsweise das Magnesiumchlorid. J. Y. Buchanan wollte die Sulfate dafür verant- wortlich machen; H. Tornöe aber zeigte, daß das SeewasfSer als Ganzes eine alkalische Reaktion liefert (eine schon 1851 durch v. Bibra festgestellte Tatsache), woraus ohne weiteres folgt, daß unter den Salzen die Basen im Überschuß sind gegenüber den Säuren, und daß dieser Überschuß an Kohlensäure gebunden ist, daneben also nicht noch nennenswerte Mengen freier Kohlensäure vorhanden sein können. Diese Alkalinität des Seewassers hat dann Dittmar^) durch ent- sprechende Ordnung seiner Salzanalyse festgestellt; auf der einen Seite stehen Natron, KaU, Magnesia und Kalk, auf der anderen Chlor und Schwefelsäure [SO^], und der Überschuß der Basen über die Säuren, der im einzelnen verschieden stark war, ließ sich im Mittel aus allen unter- suchten (76) Proben so bemessen, daß er (auf 100 g aller Salze) 0.22 g Kalkkarbonat äquivalent gesetzt werden konnte, womit nicht gesagt ist, daß der Überschuß, also die Alkalinität, auch gerade in dieser Form auftritt. Nach Tornöes Vorgang tut man am besten'^), einen quantitativen Begriff ^) Chall. Report. Phys. a. Chemistry, vol. 1, p. 20. ^) Auch andere Ausdrucksweisen haben sich nicht eingebürgert: John Gibsons Da=^{S° — 1) : e, wo e die mg CO2 im kg Seewasser bedeutet; und A. Palmqvists A= 100. a x, wo a die mg CO2 im Liter und / die g Cl im Liter ausdrücken. 804 Die Gase des Meerwassers. der Alkalinität einzuführen, und bezeichnet als solche diejenige Menge Kohlensäure, die erforderlich ist, die Menge der überschießenden Basen in normales Karbonat zu verwandeln; man drückt sie jetzt in cc p. Liter aus (die früheren Angaben in mg p. L. verwandelt man durch Multiphkation mit 0.5089 in cc). Tornöe gibt als charakteristischen Wert der Alkalinität für das Nordatlantische Wasser der Irmingersee 26.86 cc an bei einem Gesamtgehalt an Kohlensäure von 49.07 cc. Nach den Ab- sorptionsversuchen, die A. Hamberg an Seewasser von 3 verschiedenen Konzentrationen ausgeführt hat und auf die noch zurückzukommen ist, wäre die Alkalinität direkt proportional dem Salzgehalt in der Weise, daß jedem zutretenden Promille Salzgehalt ein Zuwachs der AlkaHnität um 0.7675 cc entspricht. Die geringeren Salzgehalte kommen der Sättigung, d. h. dem Gleichgewicht zwischen Basen und Säuren immer näher. Das gelöste Volum an Kohlensäure aber nimmt rascher zu, als der Salzgehalt, wie folgende Tabelle (nach A. Hamberg umgerechnet von August Kroghi) zeigt, die auch das Verhalten bei verschiedenen Temperaturen erkennen läßt. Salzgehalt = : 1 17.78 Prom. 26.58 Prom. 35.13 Prom. 0« 20<> 1 cc 1 25.98 i 24.97 1 24.23 1 cc 37.40 36.30 35.23 cc 49.23 47.12 44.99 Hiernach sinkt die Kohlensäuremenge (deren Volumen regelmäßig auf 0" und 760 mm reduziert sind) beträchtlich mit zunehmender Temperatur, oder mit anderen Worten, wenn die Menge der Kohlensäure konstant gedacht wird, muß ihre Tension steigen. Dies Verhalten findet A. Hamberg durchaus im Einklänge mit dem soge- nannten Massenwirkimgsgesetz, und dieses gestattet auch einen Einblick in die Art der Bindung, der die Kohlensäure im Seewasser unterliegt. Wenn zwei Substanzen X und Y fähig sind durch ihre Reaktion zwei andere Sub- stanzen X^ und Fj entstehen zu lassen, und bestimmte Mengen von X mit Y gemischt werden, so werden in der Mischung alle vier Substanzen Z, F, X^ und Yj vorhanden sein. Tritt Gleichgewicht ein, so ist die Zahl der Z-Mole- kiile von der Zahl der anderen Moleküle abhängig und diese wieder können nicht vermehrt oder vermindert werden, ohne daß die Zahl der Z- Moleküle entsprechend wächst oder fällt. Im gegebenen Falle haben wir die über- schießenden Basen und die Kohlensäure in fest bestimmten Mengen gegeben und darum werden wir in der Mischung stets vorfinden: 1. freie Basen, 2. Kar- bonate, 3. Bikarbonate, 4. freie Kohlensäure. Hamberg glaubte das unbe- deutende Quantum der freien Basen vernachlässigen zu dürfen, berechnete die Menge der freien Kohlensäure F nach dem Kohlensäuregehalt der benutzten Luft mit dem Absorptionskoeffizienten für Chlornatriumlösung gleicher Kon- ^) In seiner wichtigen im folgenden vielfach benutzten Abhandlung On the Tension of Carbonic Acid in Natural Waters and especially in the Sea; Meddel- elser om Grönland Heft 6/7, Kopenhagen IDO-i» p. 331 — 434. Die Kohlensäure und die Alkalinität. 305 zentration, also nur angenähert richtig) ujid erliielt alsdaim, indem er mit A die Alkalinität und mit K das Totalvokun der Kohlensäure bezeichnet, als Menge der normalen Karbonate N = 2Ä — {K — F) und der Bikarbonate B = A — {F -\- N)y wie in der nachstehenden Tabelle aufgefiUirt ist, die sich auf die beiden extremen vorher genamiten Seewasserproben bezieht. Man Temperatur | Alkalinität A Totale Kohlensäure Normales Karbonat Saures Bikarbonat Freie Kohlensäure K ^' B F e« [ 13.47 26.96 25.98 49.23 138 5.07 24.18 4378 0.42 0.38 20" 1 13.47 26.96 24.23 44.49 2.94 9.64 21.00 34.64 0.23 0.21 sieht, wie bei der Verdünnung des Wassers weniger freie Kohlensäure ab- sorbiert, dabei aber das Gleichgewicht gestört wdrd und deshalb eine Anzahl Moleküle vom normalen (neutralen) zum (sauren) Bikarbonat übertreten. Bei steigender Temperatur (20°) muß die Absorption freier Kohlensäure vermindert werden, während die Alkalinität unverändert bleibt, so daß nunmehr eine Anzahl Moleküle vom Bikarbonat zum normalen Karbonat übergehen, um das Gleichgewicht herzustellen. Man sieht aber auch, daß kein festes Verhält- nis zwischen den gleichzeitig vorhandenen Mengen von freier, neutral- und sauergebundener Kohlensäure bestehen kann. Auf Grund dieser Darlegmig Hambergs wird man wohl Jacobsens und Tornöas abweichende Ansich- ten übergehen mid auch denen von Charles Fox^) kaum eine wesentliche Bedeutung beimessen können, der überhaupt nichts von Karbonaten und Bikarbonaten wissen möchte. Für die Technik der Kohlensäurebestimmmig hat sich danach aber als Ziel ergeben, nicht sämtliche in jeder Form gebimdene Kohlensäure aus dem Söcwasser durch Eindampfen bis zur Trockene ' heraus- zutreiben und zu messen, sondern nur die freie und die lose, d. h. neutral ge- bundene (als Karbonat). Man erreicht das auf verschiedene Weise; das seit Pettersson übliche, von Knudsen und Ruppin mehr oder weniger abgeänderte, noch recht umständliche Verfahren arbeitet mit starker Luftverdünnmig und spült die Kohlensäure mit Hilfe eines während des Siedens durch das Wasser geleiteten Stroms von Wasserstoff aus. Fox hat hiergegen eingewendet, daß durch die Evakuiermig die Siedetemperatur zu stark herabgesetzt und dadurch die Kohlensäure im Was.^er festgehalten würde, sein eigenes Verfahren ist aber auch nicht gerade sehr einfach. Die O^ieanographie ist dadurch in die üble Lage versetzt, tiur die von einem bestimmten Analytiker ausgeführten Kohlensäureme. 1 M [ IT nr IV V Yi w vm I )[ ] C X I XI I I Jährliche Periode des Salzgehalts am Eingange des Finnischen Golfs (nach Sigurd Stenius). Im Bottnischen Golf schwankt der Oberflächensalzgehalt außerhalb der Küstengewässer zwischen 4.8 und 5.4 Promille, mit dem Minimum im August, am Boden (in 175 m auf Station F 24, 62« 50' N., 19° 1' 0.) zwischen ^) Publicat. de Circonstance Nr. 19, Kopenhagen 1905, Taf. 5. Die Daten beruhen oft nur auf graphischer Interpolation und beziehen sich auf die Zeit von Oktober 1898 bis Juni 1904. 352 ^i® räumliche Verteilung des Salzgehalts. 6.1 und 6.35 Promille, mit dem Maximum im Herbst. — In den abge- schlossenen Mulden der südlichen und mittleren Ostsee treten unperiodische Schwankungen des Salzgehalts dadurch ein, daß Tiefenwasser in unregel- mäßigen Zwischenräumen schubweise aus der Beltsee oder vom Sunde her eingeführt wird. Für die Arkon atiefe nördlich von Rügen und für die Bornholmer Mulde reichen die 4mal im Jahr an den Terminmonaten aus- geführten Beobachtungen keineswegs aus, diese Erneueiuiigen der Boden- wasser und Zwischenschichten fortlaufend zu verfolgen; der Salzgehalt ge- währt dafür auch nur ein Merkmal, ein empfindlicheres schon die Tempe- ratur, am deutlichsten sprechen aber die gelösten Gase (S. 301). Es sind die eigenartigen Formen, in denen sich der Unterstrom der Beltsee und Ostsee bewegt, die hierfür entscheidend auftreten. Als normales Bild für Beltsee und Ostsee kann m.an eine keilförmige Anordnung der Wasserschichten aufstellen, indem die Isohalinen von Westen nach Osten immer tiefer ab- fallen : der Oberstrom drängt das leichte Ostseewasser nach W^esten hinaus, der Unterstrom das salzhaltigere Beltsee wasser nach Osten hinein. Bei einer Verstärkung des Stroms an der Oberfläche im Frühsommer tritt durch Reaktion auch eine Verstärkung des Tiefenstroms ein, wodurch die erwähnte Periodizität im wesentlichen hervorgerufen sein dürfte. In den flacheren Teilen der Beltsee, die auf großen Flächen kaum 20 m Tiefe hat, unterliegt bei unruhigem Wetter das Wasser einer energischen Durchmischung durch die Wellenbewegung, so daß dort namentlich nach starken Stürmen im Winter fast völlige Homohalinität erreicht wird. Mehrtägige Weststürme drängen dieses Wasser über die Darßer Schwelle in die Arkonatiefe hinein, wo es sich bald unter das leichtere Ostseewasser lagert. Knudsen hat nachgewiesen, daß auch der Sund gelegentlich neues Wasser für die Arkonatiefe liefert, da bei der Drogdenschwelle auch an der Oberfläche bis zu 17 oder 18 Promille Salz auftreten und starke Nordwest- stürme es in die Ostsee hinüb erdrücken können. Doch sind dafür günstige Gelegenheiten selten; die Darßer Schwelle wird etwa 5mal häufiger und bei ihrer größeren Breite und Tiefe noch vielfach ergiebiger die Zufuhr besorgen. Wenn dieses Tiefenwasser die Bornholmer Mulde erreicht hat, kann es von da mit dem Unterstrom weiter in die Danziger Mulde vorrücken, jedoch nicht, ohne daß es beim Überschreiten der Stolperbank wiederum Vermischungen mit Oberflächenwasser erlitte, sobald stüimisches Wetter das Wasser aufrührt. So fand der deutsche Forschungsdampfer am 10. August 1902 auf der Stolper Schwelle am Boden in 60 m Tiefe einen Salzgehalt von 14.69 Promille; als er 3 Tage später, nachdem heftige Weststürme geweht hatten, an derselben Stelle die Messung wiederholte, war der Salzgehalt nur 10.99 Promille. In den großen Tiefen der Gotland- mulde (240 m) wird das Wasser nur nach sehr viel längeren Zwischenräumen erneuert werden. So fand im Juli 1877 der ältere Ekman dort 12.2 Promille, ich selbst 1894: 11.8, eine finnische Expedition im November 1898: 11.16 und im Juni 1899 wieder 11.93 Promille, eine schwedische Expedition 1902: 11.60, eine deutsche im November 1905 wieder 12.09 Promille. Leider liegen keine regelmäßigen Beobachtungen von dieser wichtigen Tiefe vor, so daß man nicht mit der erwünschten Sicherheit aussprechen kann, daß etwa das Bodenwasser von 1877 bis November 1898 durch Diffusion um 1 Promille verdünnt, sodann im Anfang des Jahres 1899 Der Salzgehalt in den Tiefen der Ostsee. 353 und vor November 1905 erneuert worden sei. Für das 400 m tiefe Lands- orter Tief ist durch schwedische Beobachtungen eine ähnlich langfristige Erneuerung wahrscheinlich. Indem wir die nähere Darstellung dieser Unterströme späterer Gelegenheit überweisen, sei noch auf die wichtige Erscheinung der sogenannten homohalinen Deckschicht hingewiesen, die in dem Gebiete zwischen Bornholm und den finnischen Schalen mit einem Salzgehalt von zumeist 7 bis 7^/2 Promille von der Oberfläche bis etwa 50 m Tiefe auftritt. Die Schwankungen an der Oberfläche wie in den ver- schiedenen Schichten sind verhältnismäßig gering, doch tritt an der Oberfläche wie am Boden die vorher erwähnte jährliche Periode in längeren Reihen hervor, wie nachstehende Mittelwerte aus den deutschen Beobach- tungen auf der Station 12 in der Danziger Bucht sehr gut veranschau- lichen. Für Februar sind dabei drei, für die anderen Monate vier Be- obachtungen aus den Jahren 1902 bis 1906 zur Verfügung gewesen. Salzgehalte in der Danziger Bucht 1902 — 1906. Monat 0 10 20 30 40 50 75 105 m Februar Mai August November ..... 7.ao 713 7.22 7.24 7.31 7.13 7.23 7.21 7.31 7.19 7.21 7.23 7.34 7.29 7.20 7.23 7.32 7.33 7.26 7.26 7.36 7.33 7.33 7.27 7.86 8.94 7.99 9.17 11.17 11.72 11.99 11.74 Mittel 7.22 7.22 7.24 7.26 7-29 7.32 8.49 11.66 Die Schwankungen um den errechneten Mittelwert sind im Vergleich zu den Stationen der Beltsee gering. Der Mai 1906 brachte ein Minimum von 6.78 an der Oberfläche, 6.85 in 10 m, der Februar 1905 ein Maximum mit 7.45 Promille in 0 und 10 m, während in mehr als 20 bis 50 m die einzelnen Monate und Jahre verhältnismäßig nur geringe Unterschiede aufweisen. Erst nahe und ganz am Boden treten die erwähnten unregel- mäßigen Erneuerungen des Wassers auf: Mai 1903 mit 13.10 und Februar 1906 mit 10.50 Promille geben für den Boden die beiden extremen Werte der obigen Reihe. Die Anordnung der stärkeren Salzgehalte in deii Tiefenschichten der mittleren und östlichen Ostsee ist, wie die neuen deutschen Untersuchungen^) gezeigt haben, bedeutsam für die Verbreitungs- und Vermehrungsfähigkeit der wichtigeren Speisefische. Die Spermatozoen des Ostseedorsches, die sich in der westlichen Ostsee bei 15 Promille Salzgehalt lebhaft bewegen, vermögen dies östlich von Bornholm nur noch in den Tiefenschichten von ähnHchem Salz- gehalt; in der Deckschicht von 7 — 8 Promille werden sie unbeweglich. Wo auch in den Tiefen schichten der Salzgehalt unter 10 Promille fällt, beginn -n dann auch die treibenden Fischeier, nicht nur die des Dorsches, allgemein seltener zu werden. Das spezifische Gewicht dieser Eier ist dann schon größer, ^) S. Strodtmann, Laichen und Wandern der Ostseefische, in Wissens cbaftl. Meeresuntersuchungen, Abt. Helgoland, Bd. 7, Heft 2, Kiel 1906. E r ü m m e 1 , Ozeanographie. I. 23 354 Jf^ie räumliche Verteilung des Salzgehalts. als das des umgebenden Wassers und zwingt sie, auf den Meeresboden hinab zu sinken, m de.sson Schlamm jedoch ihre Weiterentwicklung sehr gefährdet ist. Vor den finnischen Schären ist überhaupt nur in einzelnen Jahren der Salz- gehalt auch der tiefsten Schichten groß geimg, um den dorthin wandernden Dorschen eine Fortpflanzung zu ermöglichen. Anderseits begeben sich die in den schwach salzigen Schichten der östlichen und mittleren Ostsee, vorzugs- weise auf den Bänken und an den Küsten, lebenden Flundern im Winter und Frühjahr des Laichgeschäfts wegen in dasRügensche, Bornholmer und Danziger Becken, wo alsdann der auch für ihre Eier und Spermatozoen erforderliche höhere Salzgehalt zur Verfügung steht. Während dieser Zeit wimmeln diese Tiefen von Fischen, währeiid sie im Sommer und Herbst ganz leer sind. Das Mittelländische Meer übertrifft an Konzentration seiner Gewässer alle bisher erwähnten Meeresteile, wie wir ja bereits seir.e Einwirkungen in der Salzgehaltschichtung des Nordatlantischen Ozeans zu erwähnen hatten. Durch drei Fahrten der Pola im Auftrage der Kais. Akademie der Wissenschaften in W'ien nach dem östlichen Teil, durch eine Anzahl von Schöpf reihen, die Makaroff vom Suezkanal nach der Straße von (iibialtar und durch vereinzelte andere moderne Messungen mit guten Apparaten sind wir zur Zeit über die Verteilung des Salzgehalts auch in den Tiefen für das Hauptbecken des Mittelmeers in den Grundzügen unterrichtet. Die für die Oberfläche erwähnte Zunahme des Salzgehalts von Westen nach Osten hin bleibt auch im allgemeinen für die Tiefe be- stehen. In der Straße von Gibraltar selbst fand Makaioff ^) an der Ober- fläche das (einströmende) atlantische W^asser = 36.35 Promille, in 25 m waren erst 36.56, aber in 50 m bereits 37.00, in 100 m: 38:07, in 200 m: 38.30, in 400 m: 38.46 Promille vorhanden. Diese zuletzt genannte Kon- zentration traf er von der algerischen Küste in 6^/4° 0. L. an westwärts überall in derselben Tiefe von 400 m, auch wo, wie näher der spanischen Küste unweit von K. Gata, die Oberfläche 37.83 Promille enthielt. Ungefähr ähnlich sind die Verhältnisse noch an der französischen Küste, wo unweit von Monaco in 43^^56' N. B., 7*^38' 0. L. an der Oberfläche 37.7, bei 300 m 37.9, von 500 m abwärts 38.4 Promille (nach Thoulet^) auftreten. Zwischen Malta und Pantelleria erhielt Makaroff 38.46 Promille, die im Westen in 400 m liegen, schon b( i 200 m; zwischen Griechenland und Barka ist dieselbe Konzentration an der Oberfläche. Ebenso liegt der Salzgehalt Station .... 265 267 268 274 N. Breite . . . 35" 49' 35° 5' 34° 34' 36° 16' 0. Länge . . . 30M8' 30° 4' 29° 36' 28° 53' Oberfläche . . 39.40 .39.31 39.32 39.09 Boden .... .39.14 38.86 39.04 38.77 (Meter) .... (2060) (2288) (2430) (2950) von 39.0 Promille bei Pantelleria in 400 m, und zwischen Alexandrien, Kreta, Naxos an der Oberfläche; also auch hier eine keilförmige Anordnung mit Schichteneinfall nach Westen hin. Im östlich von Kreta und südlich ^) Le Vitiaz etc. p. 148. Die Salzgehalte sind durchweg nach Knudsens Tabellen neu reduziert, ebenso im folgenden. ') Resultats des Camp, scicnt. etc. 29, Monaco 1905, p. 82. Der Salzgehalt in den Tiefen des Mittelländisclion ^feores. 355 von Cypern gelegerien (Jel)iet fand J. Liikscli im SejittMulKT IS^»l' den Salz- gehalt an dei' Oberfläche 0.2 bis 0.4- Promille luilier als am Boden, was er der starken sommerlichen Verdunstung bei gleichzeitig hohei- Tem|)ei'atur zuschreibt (s. Tat eile). Es wäre sehr wichtig, wenn diese Beobachtunuen m der kältesten Jahreszeit wiederholt werden könnten: Makaroff. der in diesem Gebiete (36'^ 29' N., 31° V 0.) im März 1881) arbeitete, fand von i\rr Ober- fläche bis 400 m hinab überall niit 30.07 Promille homohaline Anoid- nung^). Auch vor der syrischen Küste war im September 1892 ebeidalls ano- haline Schichtung: der Oberfläche mit ."39.58 stand das l>oden\vasser (i)i 1718 m) mit 39.10 Promille gegenüber, die Abnahme vodziehl sich in den obersten 100 m. Im iV d r i a t i s c h e n Meer ist durch ältere Beobachtungen von Jul. Wolf und Jos. Luksch nachgewiesen, daß die an der Obei fläche gcltt^inle Verteilung, wonach die höheren Salzgehalte auf der dalmatinischen Seite zu treffen sind, nicht durchweg für die Tiefen bestehen bleibt.. Zwar inner- halb der Küsteninseln selbst ist ein hoher Salzgehalt von 38.5 bis 39.0 die Regel; aber er ist auch wieder an der Westseite bis auf die Hcihe von Ancona in 80 bis 100 m zu finden, während sich außerhalb der dalma- tinischen Inseln vom Quarnero her bis nach Lissa hin eine breite Zunge dünneren Wassers von etwas w^eniger als 38.0 Promille hinzieht. Folgende beiden Stationen der Herthafahrt im Sommer 1880 zeigen die daduich zu Stande kommende mesohaline Schichtung. Die Ursache bendit auf der schon früher im Quarnero von F. v. Lorenz-Liburnau erwiesenen Zu- fuhr von süßem {und kaltem) Quellwasser am Boden dieser von h()hlen- reicher Kalkformation unterlagerten Flachsee 2). Station Oberfl. 20 m Boden in Meter r. 3 bei Scarda . 10 „ Lissa . . . . 37.93 . . 37.93 38.17 38.08 37.70 37.57 67 130 • Wie die kürzlich wieder neubelebten Untersuchungen im nördlichsten Teil der Adria im Busen von Triest ergeben 2), ist die aussüßende Wirkung der Flüsse nur auf die Oberfläche bis 1 m Tiefe beschränkt; sie ist am ergiebigsten im Frühling, wo eine Verdünnung bis auf 18 und 16 Promille in Landnähe auftritt, am schwächsten im Winter, wo dicht an den Fluß- mündungen noch 38 Promille gefunden wurden. Salzwasser geht in a^ien Jahreszeiten am Boden der Flüsse stromaufwärts (in der Natissa bis Aquileja). Im Ägäischen Meer scheint das salzreichste Wasser von etwas über 39.0 Promille in 100 m Tiefe^ nicht wesentlich über die Breiten von Kreta nach Norden vorzudringen: und auch das nur an der Ostseite ') Die Salzgehalte von Luksch und Makarolf sind nicht ohne weiteres in ihrem absoluten Betrage vergleichbar. Eine Gegenüberstelhing der ChlortitriiTunt;eji Natterers rnit den Aräometerablesungen Lukschs ergiljt übrigens Unterschi«-'de bi'^ zu ± 0.4 Promille. Obige Daten sind aus den Originalablesungen d<'r Aräompler nach Knudsens Tabellen neu reduziert. Die z\reite J)ezimale hat nur rerhne- rische Bedeutung. ') Mitt. a. d. Geb. d. 8eew. 1881, Heft 8 u. 9. ') A. Merz im Jahresber. des V^ereins zur Ford. d. naturw. Erf. der Adna II, Wien 1906, S. 32. 356 Die räumliche Verteilung des Salzgehalts. Die Submarinen Isohalinen liegen im Norden und Westen allgemein höher; nordwestlich einer Linie von Kumi auf Euböa nach der Insel Lemnos sind in den Tiefen nirgends mehr als 38.75 Promille zu finden. Das aus den Dardanellen heraustretende- leichtere Wasser (30 bis 33 Promille) macht seine verdünnende Wirkung im ganzen Nordwesten geltend, aber nirgends bis zu Tiefen von 50 m, wie aus folgenden Angaben zweier Sta- tionen von Wolf und Luksch (September 1893) hervorgeht, von denen die eine dicht am Berge Athos, die zweite 26 Seemeilen südlich davon liegt. Stat. N. Breite 0. Länge Oberfl. 10 33.97 36.64 50 38.28 37.47 100 Boden in INIeter 368 394 40» 3' 39'» 37' 24» 26' 24" 24' 33.84 ; 35.43 38.28 38.51 38.04 1038 38.73 408 Im Marmormeer herrscht nach J. B. Spindler ^) das salzarme, vom Oberstrom durch die Dardanellen herausgeführte Wasser, mit einem Salzgehalt von 22 bis 25 Promille bis 11 m (an einigen Stellen auch etwas tiefer) als homohaline Deckschicht; bis 25 m folgt dann eine rasche Zu- nahme des Salzgehaltes um 3.5 Promille, sodann eine ziemlich langsame weitere Steigerung bis 200 oder 300 m hin auf 38.1, und in noch größeren Tiefen bis 1400 m eine homohaline Grundschicht von 38.4 Promille. — Im Schwarzen Meer sind die 1890 und 1891 ausgeführten russischen Untersuchungen, ergänzt durch einzelne neuere, die Grundlage für unsere Kenntnis. Es geht daraus hervor, daß unvermischtes Mittelmeerwässer aus den Unterschichten des Marmormeeres von 38 Promille durch den Bosporus nicht in das Schwarze Meer hineingelangt, sondern nur Wasser von der Deckschicht des Marmormeeres. Wrangell und Spindler ^) fanden im tiefen Hauptteil des Schwarzen Meeres von der Oberfläche bis 40 oder 45 m zunächst eine homohaline Deckschicht von 18.3 Promille;- von da nach der Tiefe hin eine langsaniC Zunahme, so daß in 90 m: 19.7, in 180 m: 21.4, in 350 m: 22.0 und von 900 m abwärts bis 2000 m, wieder homo- halin, 22.4 bis 22.5 Promille herrschten: der letztere Salzgehalt ist charakte- ristisch für die Oberschicht des Marmormeeres in seinem östlichen Teile. — Das A s o w s c h e Meer ist bei seiner Flachheit einer intensiven Durchmischung seiner Gewässer ausgesetzt; Wrangell und Spindler stellten deshalb in vielen Fällen völlige Homohalinität fest und zwar im Sommer 1891 mit 10.5 bis 10.7, seltener 11.0 Promille, wobei im Nordosten die ein- strömenden .Flußwasser an der Oberfläche auch nur 7 bis 10 Promille übrig ließen. In der Straße von Kertsch fand A. Loidis^) die ganze nur 7 bis 8 m tiefe Wassersäule gegliedert in das ausfließende Asowsche Wasser mit 10 Promille bis 5 m Tiefe, darunter das einströmende Wasser des Schwarzen Meeres mit 16 bis 17 Promille, wobei die isohalinen Flächen im Osten überall höher lagen, als im Westen der Straße. ^) Materialien für eine Hydrologie des Marmormeers. St. Petersburg 1896. Die Arbeiten von Natterer, Denkschr. Kais. Akad. Wien 1895, Bd. 62, S. 103 f. sind leider technisch mißlungen durch Versagen der Wasserschöpfer, ') Beilage zu den Sapiski po Hidrografii, Bd. 20, 1899. ') Sapiski po Hidrogr. 23, St. Petersb. 1901, p. 1. Die Salzgehaltscliichtung in den amerikanischen und indischen Nebenmeeren. 357 Von den atlantischen Nebenmeeren auf der amerikanischen Seite ist das Amerikanische Mittelmeer in Bezug auf die senkrechte Verteilung des Salzgehaltes als noch völlig unbekannt zu bezeichnen, da zwar Schöpfproben aus den Tiefen genommen, aber mit unzuverlässigen Aräometern untersucht worden sind (vergl. S. 329). — Durch W. BellDawson ist in den letzten 10 Jahren viel für die Erforschung des S t. Loren z- g o 1 f s getan worden^). Es zeigt sich auch hier eine deutliche Abhängigkeit von den Wasserbewegungen. Der entlang der Neufundlandküste ein- dringende Meeresstrom erfüllt den Nordostteil des Raudmeeres mit dem über den Außenbänken herrschenden Salzgehalt von :52 bis 33 Promille, während südlich von Anticosti das stark verdünnte Wasser des St. Lorenz- ästuars die südliche Bucht nach der Prinz Eduardinsel hin mit 28 bis 2!) Pro- mille beherrscht und südlich von St. Paulinsel um Kap Bretoninsel hinausströmt. Der Salzgehalt nimmt nach der Tiefe hin zu: in der Cabot- straße nördlich von St. Paulinsel von 32.8 Promille an der Oberfläche auf 34.3 in 75 m; südlich von St. Paul aber von 29.8 auf 33.8 in der gleichen Tiefe. Auch in der Straße südlich von Anticosti sind in 50 m: 33.5, in 90 m: 34.3 Promille nachgewiesen, wobei sich die Isohalinen im allgemeinen nach Norden gegen Anticosti hin heben: 33 Promille sind im Nordteil in 20 m, im südlichen erst in 40 m, 31 Promille im Norden in 5, im Süden in 20 m Tiefe gefunden. Von den Nebenmeeren des Indischen Ozeans ist der Persische Golf noch gar nicht, das Rote Meer am besten .untersucht. Im letzteren sind zwei Winterreisen der Pola mit fast 400 Stationen (1895— 9() und 1897 — 98) von grundlegender Bedeutung; sie liefern ein in sich homo- genes Material, während zwei Stationen Makaroffs^) vom März 1889 etwas davon abweichen. Makarof! berichtet einmal von ungefähr homo- haliner Anordnung in 26« 37' N., 34° 35' 0. mit etwa -10.55 Promille, ein zweites Mal in 2P 30' N., 38° 5' 0. aber von einer Zunahme von 39.2 der Oberfläche auf 40.5 Promille in 600 m, während Luksch^) stets eine (katohaline) Zunahme nach dem Boden hin feststellte, wie folgende über- Station Datum N. B. O. L. . Oberfl. 10 m 100 m Boden (Meter) 18 26. Okt. 1895 2V 25' 340 2' 40.43 40.46 40.54 40.55 (547) 33 l.Nov. 1895 23" 2r 37° 37' 40.16 40.04 40.16 ^ 40.50 (791) 85 6. Dez. 1895 22° 4' 38" 0' 39.42 39.46 39.47 40.68 (2160) 314 321 26. Okt. 1897 29. Okt. 1897 IS" 3' 15'' 52' 40M5' 41° 43' 38.66 38.68 39.60 40.54 (1308) 37.77 37.77 39.10 40.41 (1120) ') Reports of the Snrvey of Tides and Currents, Ottawa 1894, 1896, 1897; Referate in Ann. d. Hydr. 1896, S. 229; 1897, S. 118. ^) Le Vitiaz etc. II, 138. Im nördHohen Teil passen die Beobachtungen besser. Einige Chlortitrierungen von Bouquet de la Grye (Juni 1874; Ann. de chimie et phys. vol. 25, 1875, p. 444) stehen Makarofifs Werten nahe. ') Denkschr. Kais. Akad. Wien 1898, Bd. 65, S. 3C0 f.; 1900, Bd. 69, S. 348 f. und Taf. 5. 358 Die räumliche Verteilung des Salzgehalts. sieht nach fünf in der liingenrichtung des Roten Meeres von Norden nach Süden angeordneten Stationen verdeutlichen mag. Man bemerkt zu- näclist die allgemeine Abnahme des Salzgehaltes in der Richtung nach Süden hin und sodann die Erfüllung der großen Grabentiefe unter dem Niveau von etwa 500 m mit dem stärksten Salzgehalt von 40.5 bis 40.7, der im nördlichsten Teil auch an der Oberfläche zu finden ist. Noch im flacheren Golf von Suez ist katohaline Schichtung erkennbar, wenn auch das allgemeine Ansteigen des Salzgehaltes nordwärts über- wiegt. Ich gebe auch hierfür in der nachstehenden Tabelle einige Proben, ebenso für den sehr tiefen und salzreichen Golf von Akaba (Station 220). Die Beobachtungen stammen aus März und April 1896. Station . . . 178 179 183 189 220 N. B 32^ 36' 29^8' 28" 45' 28^9' 28« 39' OL ... 29° 44' 42.16 32« 56' 33" 6' 33" 21' 32<^43' Oberfl. . . . 41.46 40.95 40.91 40.72 10 42.16 41.33 40.95 40.91 ! 40.69 20 42.23 41.79 40.97 — — 100 ..... — — — — 40.70 600 — — 41.00 Boden. . . . 42.20 41.78 41.08 41.00 \ 41.09 (Meter) . . . (45) (50) (50) (72) 1 (1287) Im allgemeinen ist im Hauptbecken des Roten Meers entsprechend den vorherrschenden winterhchen Stromrichtungen damals der Salzgehalt an der arabischen Seite mit Strom nach Norden niedriger als an der afri- kanischen, mit Strom nach Süden, gefunden worden; auch hierfür sei ein Belag eingefügt; beide Stationen liegen 135 Seemeilen auseinander. Nr. Datum N. B. 0. L. Oberfl. 10 m 100 m 73 76 30. 11. 95 1. 12. 95 22» 59' 23° 12' 36*>28' 40.08 38" 19' ';■ 39.52 40.16 39 56 40.34 39.60 Es wäre nicht ohne Bedeutung, aus dem Roten Meer auch Beobach- tungen aus dem Sommerhalbjahr zu erhalten, wo die Strom Verhältnisse andere sind. Vielleicht handelt es sich auch um größere unperiodische Schwankungen, die besonders in der Südhälfte mit dem Monsun und seiner wechselnden Stärke zusammenhangen mögen. Aus den Beobachtungen, die Friedr. Dahl mit denselben Aräometern im März 1896 und Juni 1897 an der Oberfläche ausführte, wird im Sommer von 20*^ S. B. südwärts ein um 0.4 bis 0.5 Promille niedrigerer Salzgehalt nicht unwahrscheinlich. Aus dem Anda manischen Randmeer hat Makarofl ^) zwei Stationen in der Malakastraße ; die Beobachtungen ergeben eine lang- same Zunahme des Salzgehalts von der Oberfläche mit 31.5 bis 31.6 Pro- mille nach dem Boden (in 75 in) hin mit 34.0 Promille. ') A. a. O. Stationen 189 und 190. Die Salzgehaltschichtung in den ostasiatischen Nebenmeeren. 359 Den Übergang zu den pazifischen Nebenmeeren vermittelt das Australasiatische Mittelmeer, dessen östliche Tiettm- fnulden von der Challenger- und (Jazelleexpedition besucht sind. Soweit die technische Unvollkommenheit der Wasserschö])fapparatc hier ein Urteil ermöglicht, scheint es sich bald um Abnahme, bald um eine leichte Zunahme des Salzgehalts mit der Tiefe zu handeln. In der nördlichen Celebessee war von der Oberfläche bis 100 m der Salzgehalt 3.'].ö5, in 200 bis 500 m: 34.75 Promille; in der südlichen dagegen an der Oberfläche 34.5, in 1)0 und 180 m: 34.8, in 3G0 m: 34.7, in 730 m: 34.(), in 14(;0m:35.0. also mehr als an der Oberfläche, aber am Boden wieder 34.7 Promille (nach ( 'hlortitrierungen Dittmars). In der Sulusee ergab sich eine Zunahme von 34.6 der Oberfläche auf 34.7 in 180 m, dann allerdings eine Abnahme auf 33.7 in 550 m. Für die Bandasee scheint sich eine Zunahme nach der Tiefe hin zu ergeben; legen wir die Chlortitrierungen Dittmars zu Grunde, so war der Salzgehalt in 90 m 34.4, in 180 bis 550 m 34.7, in 730 m 34.8; sodann aber in 1 100 m wieder nur 34.6, am Boden in 5100 m sogar nur 34.5 Promille. Wieweit man es hier mit realen Differenzen zu tun hat, bleibt zukünftiger sorg- samerer Forschung noch vorbehalten. Auch Makaroffs Beobachtungen in der Chinasee ^) enthalten auffallende, wenn auch nicht große Unregel- mäßigkeiten: westlich von Luzon (15' 50' N., IP)" 42' 0.) nahm der Salz- gehalt von der Oberfläche mit 33.6 erst zu auf 33.9 in 50 m und 34.5 in 100 und 200 m, darauf wieder ab auf 34.4 in 400 m, 34.3 in 800 m. Für die ostasiatischen Randmeere sind wir ebenfalls auf die daselbst besonders fleißige Tätigkeit' Makaroffs angewiesen. Am wenigsten ist dabei die Kenntnis des Ostchinesischen Meers gefördert worden. Wir erfahren von der Formosastraße, daß der Salzgehalt, in der Regel homohalin angeordnet, von der Festlandküste ostwärts zunimmt : im Westen mit 32 bis 33, im Osten 34.7 bis 34.8 Promille. Aus dem tieferen Teil näher den Japanischen Inseln liegt eine Station vor (57 in 31" 44' N., 128'^ 33' 0. vom 18. Januar 1888); sie ergibt in der oberen Schicht eine \bnahme von 34.5 der Oberfläche auf 34.33 in 50 m, sodann eine Zunahme auf 34.5 in 100 und 200 m, zuletzt eine entschiedene Abnahme auf 34.08 in 300 und auf 34.03 in 400 m. — Im Japanischen Randmeer arbeitete Makaroff an mehr als 40 Stationen. Im Süden wdrkt die Anordnung der Oberfläche mit ihren geringeren Salzgehalten an der festländischen, und mit höheren an der japanischen Seite auch in den Tiefen bis ICO m hin nach. Zwischen 36^ und 37^' N. B. zeigen fünf Stationen 2) an der Oberfläche ein Anwachsen des Salzgehalts von 34.3 auf 34.7, in 25 m von 34.0 auf 34.7, in 50 m von 33.95 auf 34.65, in iOO m von 33.8 auf 34.65. In größeren Tiefen ist die Anordnung nicht so regelmäßig; in 37^ 22' N., 130" 50' 0. fand Makaroff in 100 m 34.2, in 1 5 ) m 34.05, in 200 m 33.93, in 403 m wieder 34. 13 Pro- mille. — Mehr in der Mitte (zwischen 41^ und 43" N. B.) ergibt ein Querschnitt aus 5 Stationen (Juli und Oktober 1888) an der Oberfläche ebenfalls eine Zunahme von West nach Osten: von 33.6 auf 34.3 Promille. In 25 m aber ist alles gleichmäßig mit 34.02 bis 34.08 auf der ganzen 0 Stationen 58 bis 61, Vitiaz II, 46. ■■) 93, 79, 81, 82, 83 au9 dem Mai und Juni 1888. . 360 I^i® räumliche Verteilung des Salzgehalts. Strecke; nach den größeren Tiefen scheint der Salzgehalt weiter abzu- nehmen (abwärts von 100 m rund 34.0), doch ist das Bild kein ganz einfaches, indem im Westen in 200 m an 2 Stationen 34.4 und 34.3 Pro- mille auftreten 1). — Im nördlichen Teil nach dem sogenannten Tatarischen Golf hin scheint ein Unterschied zwischen der Ost- und Westseite zu be- stehen. Die Westseite zeigt eine Zunahme nach der Tiefe hin: in 45 '^ 40' N., 138^ 29' 0. von 33.3 an der Oberfläche auf 34.0 in 25 bis 400 m, sodann Abnahme auf 33.8 in 600 m; dagegen in 44*^ 15' N., 139« 38' 0. eine stetige Abnahme von der Oberfläche mit 34.8 auf 34.3 und 34.2 in 100 bis 400 m. Ganz in der Spitze des Golfs (49^ 51' N., 141 « 10' 0.) fand Makaroff eine entschiedene Zunahme nach der Tiefe hin: die Oberfläche hatte (August 1888) 32.0, in 25 m: 33.4, in 50 m: 33.5 und in 100 m: 33.8 Promille. Das Ochotskische Meer hat Makaroff im südhchen und west- lichen Teil untersucht. In der Mitte des südlichen Gebiets'^) herrschten an der Oberfläche (August 1888, in 50 ^ N. B.) 32.1 Promille, näher nach Sachalin hin etwas abnehmend unter 32, und nach der Tiefe hin erfolgt allgemeine Zunahme, so daß 33 Promille in etwa 70 m erreicht werden, in 300 m 33.3, in 600 m 33.7 und in 800 m 34.2 Promille. ÄhnUche kato- haline Anordnung scheint auch den Nordwesten nach Ochotsk hin zu kennzeichnen^), nur daß die Isohaline von 33 Promille sich nordwärts hebt und bei 56° N. B. in 50 m, bei 57 V-2 *^ N. B. schon in 40 m erreicht wurde; in 100 m waren 33.1 bis 33.2 Promille wie im Süden, die Schantarbucht erwies sich auffallend salzreich (im September 1888, Station 146, 56° 17' N., 138° 50' 0.), indem an der Oberfläche 32.4, in 25 m 33.1 und bei 50 und 75 m 33.32 Promille gemessen wurden, was mit vertikalen Wasserbe- wegungen zusammenhängen dürfte. Aus dem Beringsmeer haben wir neben amerikanischen Beobachtungen, auf die nicht viel Verlaß ist, einige gute von Nordensldölds Vegaexpedition, über die 0. Pettersson^) berichtet hat. Es wurde zunächst ein Querschnitt durch den nördlichen Teil in 65« N. B. von Port Clarence an der amerikanischen Seite nach Konyambai auf der asiatischen genommen. Man fand in einigem Abstand von der Küste den Salzgehalt an der Ober- fläche zwischen 30 und 32 Promille, und in der Tiefe bis 60 m hin wenig davon abweichend, ohne regelmäßige Unterschiede zwischen Ost- und Westseite. Erst bei weiterer Fortsetzung der Fahrt südwestUch von der St. Lorenzinsel fanden sich in der Tiefe von 100 m 32.6 Promille (62« 37' N., 176« 39' W.), und nahe der Stelle, wo der 60. Parallel 180« L. schneidet, traf man schon in 5'J m auf 32.0 Promille. — Unvollkommen, wie unsere Kenntnis von der senkrechten Verteilung des Salzgehaltes auch der Nebenmeere ist, gestattet sie uns zur Zeit eine genauere Berechnung von Mittelwerten noch nicht. Als Versuche einer ersten Annäherung erhalten wir für Oberfläche und Wasservolum der einzelnen Nebenmeere die in nachstehender Tabelle aufgeführten Zahlen: wir gelangen dabei ungefähr zu demselben Durchschnittswert, wie wir ihn ') 137 und 100; sonst 107, 108, 169. ^) Stationen HO, 117, 118. 3) Stationen 141—144. *) Veca Expeditionens Vetenskapliga lakttagelser , Bd. II, Stockholm 1883, S. 377. Ursachen der räumlichen Verschiedenheit des Salzgehalts. 361 Mittlere Salzgehalte in Promille. 1. Mittelmeere. 2. Randmeere. Oberfl. Volum Oberfl. Volum 1. Arktisches 25.5 34.8 1. Beringsmeer 30.3 32.0 2. Australasiatisches 33.9 34.0 2. Ocholskisches 30.9 33.5 3. Amerikanisches 36.0 35.3 3 Japanisches 341 34.0 4 Romanisches 34.9 36.1 4. Ostchinesisches 32.1 34.0 5. Baltisches 7.8 10.0 5. Andamanisches 31.5 33.0 6 Hudsonsches (26?) (30?) 6 Kalifornisches 35.5 35.5 7. Rotes 38.8 39.0 7. Deutsches 34.2 35.0 8. Persisches 36.7 37 0 8. Britisches 34.8 35.0 Große Mittelm. (1—4) 30.2 35.1 9 Laurentisehes 30.5 33.0 Kleine „ (5—8) 26.4 30.0 34.0 351 10. Tasmanisches Randmeore 35.5 35.5 Mittelmeere 31.9 33.0 vorher schätzungsweise für die großen Ozeane aussprachen: etwas über 3-4.7 Promille. Die Unsicherheit dieser Zahl ist aber noch ziemlich groß (wohl -)- 0.2 Promille), so daß für alle überschläglichen Rech- nungen vorläufig der sonst angenommene Wert von 35 Promille (Oo = 28. 1 abgerundet) weiter benutzt werden mag. An dem wahrscheinlichen Fehler des Mittelwerts ist neben dem ungenügenden Wissen über die Salzgehalte in den Tiefen der Ozeane und Nebenmeere doch auch die Unsicherheit unserer Kenntnis vom Volum der Meeresräume beteiligt. Wenn wir nunmehr die Ursachen der räumlichen Verteilung des Salzgehaltes untersuchen wollen, so ist die Frage dahin zu stellen: warum zeigen sich örtliche Abweichungen von dem allgemeinen ozeanischen Mittel, als welches wir 35 Promille annehmen wollen. Änderungen in der Konzentration können doch nur auf zwei Wegen zu Stande kommen: erstlich werden bei unverändertem Quantum des Lösungsmittels, also hier des reinen Wassers, in der Gewichtseinheit Salze hinzugefügt oder hinweggenommen; zweitens wird bei unveränderter Salzmenge in der Gewichtseinheit das Lösungsmittel vermehrt oder verringert. Daß Salze dem Meere, sei es vom Lande, sei es aus der Atmosphäre hinzugeführt werden, ist gewiß; wir brauchen nur an die Flüsse oder an Vulkanausbrüche zu denken. Die Flüsse aber liefern mit den Salzen zugleich auch das Verdünnungsmittel in einem sehr starken Überschuß, wodurch im Gegenteil die Konzentration vermindert werden muß. Die Vulkane wieder werden nur sehr wenig Salze hinzuführen können, da die großen Eruptionen selten sind und die kleinen, ständigen, in ihrem ört- lichen Effekt auf den Salzgehalt des umgebenden Meeres nirgends deutlich hervortreten. Die Zufügung neuer Salze ist also ein minimaler und für die Erklärung der beschriebenen örtlichen Verschiedenheiten gleichgültiger Vorgang. Die Ausfällung von Salzen auf chemischem Wege geschieht wesentlich unter Beihilfe der Organismen. Was diese aufspeichern, betrifft aber nur die in meist geringfügigen Mengen vertretenen Salze, die in einem vorher- gehenden Abschnitt ausführlich behandelt sind (S.319f.). Überdies können wir in keiner Weise eine Erniedrigung des Salzgehaltes dort auffinden, 362 I^ie räumliche Verteilung des Salzgehalts. WO durch den Lebensprozeß der riffbauenden Seetiere ein starker Verbrauch an gewissen Salzen eintreten muß; das Rote Meer, die Korallensee, das große zentralpazifische Karallengebiet sind im Gegenteil entweder stark über dem Durchschnitt konzentriert oder doch ungefähr normal. Auch hier handelt es sich offenbar nur um eine, in der Zeiteinheit betrachtet, minimale Entnahme, die außerdem durch nachträgliches Wiederauflösen älterer Riffe teilweise wieder eingebracht werden dürfte. Eine ebenso minimale und noch dazu vorübergehende Entziehung von Salzen wird durch den stürmischen Seegang hervorgerufen, indem beim Zerspritzen der über- brechenden Wellen Wasserstaub von der stark bewegten Luft fortgerissen wird und nach partieller Verdunstung des Wassers kleine Salzkristalle die unterste Luftschicht erfüllen. Die getrübte Kimm bei stürmischem Wetter macht den Vorgang anschaulich. Dieser feine Salzstaub kann dann auch bei auflandigem Winde landeinwärts entführt und über größere Landflächen verteilt niedergeschlagen werden. Hierfür gibt stürmisches Winterwetter an den deutschen Nordseeküsten häufige Beispiele; Salzstaub gelangt auf diesem Wege sogar über die cimbrische Halbinsel herüber nach Kiel, wo er sich nach Weststürmen an den nach Westen gerichteten Fenstern nieder- schlägt^). Aber immer wird das Salz schließUch durch den Umlauf der meteorischen Gewässer dem Meere wieder zugeführt. — Alle diese, den absoluten Bestand der Salze ändernden Vorgänge haben also nur ganz untergeordnete Bedeutung. Dafür ist die zweite Gruppe von Einwirkungen, die das Lösungsmittel, das reine Wasser, vermehrt oder vermindert, um so bedeutsamer ; in ihnen liegt die Entscheidung für die örtlich über- oder unternormale Konzentration. Wasser wird zugeführt und vermindert den Salzgehalt: durch Flüsse, schmelzendes Eis, Regen oder Nebel. Gegenteilig wirkt die Verdunstung und das Ausfrieren. Die verdünnende Wirkung der Flüsse ist unbestritten. Schon Ari- stoteles erklärte den geringen Salzgehalt des Schwarzen Meeres mit der großen Zahl von Flüssen, die hineinmünden 2). Ebenso gilt das von der Ostsee im ganzen, und in ihr selbst vom Finnischen und Bottnischen Golf im besonderen. Die Nebenmeere regenreicher Zonen, wie das Austral- asiatische Mittelmeer, das Laurentische Randmeer lassen das ebenfalls erkennen: sie sind nicht nur abgegliederte Anhänge des Ozeans, sondern zugleich auch Sammelbecken der atmosphärischen Niederschläge aus den benachbarten Landflächen, den Einzugsgebieten ihrer Flüsse. Deutlich ist die verdünnende Wirkung des abfließenden Landwassers auch entlang den regenreichen Fjordküsten von Norwegen, Britisch-Columbia und Westpatagonien; hier wie um die Britischen Inseln entsteht dadurch auch eine merkliche Hebung der Dichtigkeitsfläche landwärts. ') Nach 16jährigen Beobachtungen von E. Kinch in Cirencester (5P43' N., P 59' W.) fand sich der mittlere Chlorgehalt des Regenwassers = 3.38 mg im Liter, stieg aber bei heftigen Stürmen bis auf 0.1 g oder 0.21 Prom. Salzgehalt; auch in Florenz enthält das Regenwasser nach Passerini zwischen 0.17 und 24.18 mg p. L. Chlor (Chem. Zentralblatt 1887, S. 94; 1894, 1, S. 316). '^) '0 8e llövTo; rzz\ /,'.[j.vojo-rj; (binnenseeähnlich) oiol tö tcoXXo-j«; TrotajJiou; sie afjTÖv f/stv. Problem, p. 932. Deutlicher und ausführlicher Arriani Periplus Ponti Euxini § 10 (Geogr. Graeci Min. ed. Müller I, p. 375). Verdünnende Wirkung der Landwasser. 363 Im einzelnen ist die Wirkung ausfließender Riesenströme oft erstaunlich weit ins Meer hinaus erkennbar. Als Sabine sich auf seiner atlantischen Pendel- expedition am 10. September 1822 in 5*^ 8' N. B., 50^ 28' W. L., also 75 See- meilen querab von der Oyapockbai befand, sah er, während das Schiff vom Äquatorialstrom mit über 4 Knoten stündlicher Geschwindigkeit nach NW geführt wurde, plötzlich eine starke Trübung des vorher blauen Meerwassers, welche er dem hierher vom Meeresstrome geführten Erguß des Amazonenstroms zuschrieb, dessen Nordmündung 250 Seemeilen entfernt war. Daß er damit im Rechte war, erweist der V^ergleich des spezifischen Gewichts, das im blauen Wasser 1,0262 bei 27. 3^ im gebräunten nur 1,0185 bei 27.7« befunden wurde, sowie die Bemerkung, daß das Kielwasser des Schiffs eine blauere Farbe auf- Fig. 49. Salzgehalt an der Meeresoberfläche vor äer Kongomündung. wies, wie auch aus 38 m mit einem Ventilschöpfer aufgeholtes Wasser 1,0262 zeigte'). James Rennell wollte sogar den Laplatastrom als eine die vorüber- ziehende Brasilienströmung quer kreuzende, ostwärts bewegte Wassermasse nach Beobachtungen der Kapitäne Beaufort, Anson und Krusenstern bis 590 Seemeilen vom Lande wiedererkennen, was doch wohl eine entschiedene Übertreibung oder mißverständliche Deutung der angezogenen Beobachtungen enthält^), denn neuere Quellen versagen hierfür. Festgestellt ist durch die Messungen der Gazelle und des Challenger, daß auf der Reede von Montevideo der Salzgehalt an der Oberfläche auf 22 — 17 Promille vermindert ist. Charles Darwin beschreibt sehr anschaulich, wie dies Flußwasser als dünne schmutzig gefärbte ^) S abi ne in Schweiggers Jahrbuch der Chemie und Physik Bd. 21, Halle 1827, S. 399. Die Basis des spezifischen Gewichts ist unklar. — In der Mündung des Amazonenstroms an der Nordküste von Marajo fand übrigens Friedr. Katzer im November 1896 ein spezifisches Gewicht von 1.00246 bei 28® {= 8 Promille). Sitzungsber. Kgl. Böhm. Akad. Wiss. 1897, Nr. 17. ') Rennell, An Investigation of the Currents of the Atlantic Ocean. Lon- don 1832, p. 138, auch 345 und Karte 2. Nach Rennell hat Heinrich Berghaus in der ersten Auflage des Physikal. Handatlas den Strom eingetragen. 364 I^iß räumliche Verteilung des Salzgehalts. Schicht über dem blauen Seewasser liegt, das hinter dem Schiffe im Kielwasser aufgewirbelt zum Vorschein kommt. Ganz dasselbe ist oft von den in den Kongo einsegelnden Schiffen beschrieben worden. Die Gewässer des Kongo machen sich als eine deutliche Erniedrigung des Salzgehalts an der Oberfläche bis 150 Seemeilen nordwestlich von der Mündung geltend, wo der mittlere Salzgehalt nach holländischen Beobachtungen*) erst 32 Promille erreicht; deutsche Kriegschiffe haben sogar in 100 Seemeilen Entfernung von der Mündung nur 22 Promille gefunden (vgl. die beistehende Kartenskizze Fig. 49, die übrigens beweist, daß der Verlauf der submarinen Kongofurche mit der Anordnung des Salzgehalts nichts zu tun hat; s. o. S. 112). Makaroff fand die aussüßende Wir- kung des Yangtse trotz des im April niedrigen Wasserstands 80 Seemeilen südwärts bis zum Tschusanarchipel sehr deutlich, indem der Salzgehalt erst dort 30 Promille wieder überstieg'^). Das schmelzende Eis liefert in den hohen Breiten die entsprechenden Beweise für die Verdünnung. In der Regel bleibt diese auf eine ganz ober- flächliche Schicht beschränkt, wie das für das Zentralbecken des Nördlichen Eismeers vorher (S. 347) schon dargelegt ist. Wo es sich aber um jene mehrere hundert Meter mächtige Inlandeisdecke handelt, die vom ant- arktischen Lande aus in die See hinausragt, wird auch die Verdünnung, die zugleich mit einer Abkühlung des Seewassers Hand in Hand geht, noch tiefere Schichten beeinflussen können. In solcher Weise läßt sich die bei 800 bis 1000 m in den südhemisphärischen Meeren von der deutschen Südpolarexpedition aufgefundene Zwischenschicht von nur 34.3 Promille auf Fernwirkung des antarktischen Eises zurückführen, wie bei Dar- legung der Temperaturverhältnisse noch erläutert werden wird (S. 437). Wie weit und wie lange der unmittelbar die Meeresoberfläche treffende Niederschlag den Salzgehalt erniedrigt, kann in einer exakten Form nicht angegeben werden, da die vorliegenden Beobachtungen von fahrenden Schiffen ausgeführt sind, während hierfür parallele Messungen des Nieder- schlags und des Salzgehalts an einem festen Punkte erforderlich wären und zwar außerhalb des Bereichs starker Meeresströme, die das Nieder- schlagsgebiet verschieben. Wenn ein Beobachter auf einem großen mit 10 Knoten vorwärts eilenden Segelschiff zuerst den Salzgehalt 35.5 Promille findet, alsdann 6 Stunden hindurch Regen empfängt, der sehr heftig wird und in 3 Stunden auf seinem mitgeführten Regenmesser 85 mm ergibt, inmitten dieser 3 Stunden Oberflächenwasser aufschöpft und den Salzgehalt auf 34,8 Pro- mille bestimmt, sodann aber 1 Stunde nach Aufhören des Regens „bereits wieder 35.5" findet und daraus schließt, daß ein heftiger Regen von 3 Stunden Dauer demnach nur ganz vorübergehend die Salinität um 0.7 Promille zu erniedrigen vermochte, indem die Wellenbewegung die Störung des Salzgehalts wieder verwischte, so vergißt dieser Beobachter, daß die beiden Beobachtungsorte nach seinen eigenen Angaben um 4 Stun- den oder 40 Seemeilen voneinander entfernt lagen und ihm niemand verbürgt, daß der spätere Beobachtungsort inzwischen die gleiche Regen- menge empfangen habe, wie der Regenmesser an Bord des mit dem Winde ') Mededeelingen uit de Journalen betr. bijzondere meteorol. Verschijnselen etc. Utrecht 1896, S. 114. 2) Le Vitiaz J, 171, Taf. 24. Verdünnende Wirkung des Regenfalls. 3ß5 (und der Regenwolke?) in ungefähr gleicher Richtung fortbewegten Schiffes. Solche von G. Schott^) herangezogene Fälle beweisen nichts Entscheiden- des für oder wider. — Es fehlt nicht an Angaben in der Literatur, die auf eine unmittelbare Beziehung zwischen Regenfall und Erniedrigung des Salzgehalts an der Oberfläche Bezug nehmen. J. Y. Buchanan beobachtete auf der Fahrt des Challenger 1876 von Montevideo auf Tristan d'Acunha hin, also auf einer Strecke parallel mit den Isohalinen, während 18 auf- einanderfolgenden Tagen im Mittel einen Salzgehalt von 35.45 Promille. Unter diesen 18 Tagen waren neun schön und trocken, neun andere lieferten anhaltend oder in Schauern Regen: der Salzgehalt der 9 trockenen Tage war durchschnittlich 35.67, der 9 Regentage nur 35.03 Promille ^j. Der Challenger lief hierbei 5 bis 7 Knoten. An Bord des sehr viel langsameren Südpolarschiffs Gauß bemerkte man auf der Fahrt von Kiel nach der Linie 3mal nach heftigem Regen einen unmittelbaren Abfall des Salz- gehalts, den stärksten unweit von den Kapverden, wo am 18. September 1901 der Salzgehalt in 4 Stunden von 35.3 auf 34 4 Promille sank^) Aber wir bedürfen gar nicht der Einzelfälle. Eine einfache Erwägung zeigt, daß ein Teil der Meeresoberfläche, der sich nach einer bestimmten Rich- tung, dem Strom gehorchend, fortbewegt, nur dann seinen Salzgehalt vermindern kann, wenn dabei der meteorische Niederschlag stärker ist, als die Verdunstung. Diesen Fall haben wir gerade vor uns, wenn wir die in allen drei Ozeanen deutlich entfaltete äquatoriale Zone minimalen Salz- gehalts erklären sollen. Im Nordatlantischen Ozean liegt sie im Bereiche des Guineastroms und wie dieser in dem der Kalmen des aufsteigenden Luftstroms, also reichlichen Regenfalls. Das Wasser des Guineastroms stammt, wie seine hohen Oberflächentemperaturen zeigen, aus den beiden Äquatorialströmen. Diese haben durchweg einen höheren Salzgehalt, folglich muß eine Ursache wirksam sein, ihn im Bereiche des Guineastroms oberflächlich zu erniedrigen, und das können nur die Kalmenregen sein. Denn nicht zu vergessen ist, daß in der Tiefe der Salzgehalt rasch zunimmt, wie Buchanan gezeigt hat (S. 340). Wenn Schott mehrfach Andeutungen dahin macht, daß diese Zone verringerten Salzgehalts im Bereiche der äquatorialen Kalmen aus der Tiefe aufgestiegenes Wasser vorstelle^), so übersieht er neben der soeben angezogenen Tatsache auch die dem- selben Wasser eigene hohe Temperatur. Hier ist also die Regenwirkung offenbar. Überhaupt kommt sie in der geographischen Lage der Gebiete minimalen Salzgehalts im Bereiche tropischer Breiten zum Ausdruck. Im Indischen Ozean liegt der Äquatorialgegenstrom, entsprechend dem Nordwestmonsun, südlich vom Äquator, und der Salzgehalt wird je weiter nach Osten, also sozusagen stromabwärts, nach Stromlee, immer niedriger: bei den Chagosinseln noch 34.5, ist er vor dem Mentawiearchipel unter 34.0. Im Pazifischen Ozean liegt die analoge Zone wieder nördlich vom Äquator, sogar auf längeren Strecken zwischen 10° und 15° N. B.: hier vermindert sich der Salzgehalt von 180° L., wo er noch 34.4 Promille ist, schrittweise •) Petermanns Mitt., Ergänzungsheft 109, 1893, S. 28. 2) Wyv. Thomson, the Atlantic, II, 362. ') Veröff. Inst. f. Meereskunde I, Taf. III. *) Das hat auch schon Ed. Lentz gemeint, Bull. Acad. St. Petersbourg 1847, V, p. 73 f. 366 I^ie räumliche Verteilung des Salzgehalts. nach Stroralee bis auf 33.7 in 90° W. L., wie aus Schotts Karten unmittel- bar ersichtlich ist (vergl. auch die graphische Darstellung Fig. 44, S. 334). Nicht weniger tritt diese Regenwirkung hervor, wenn wir die Verminderung des Salzgehalts im Golfstromwasser von den Azoren nordostwärts auf die Britischen Inseln, die Färöer und Island hin ins Auge fassen: wir befinden uns hier im regenreichen Südostsektor der großen isländischen Cyklone, dem Supan auf seiner Regenkarte der Ozeane einen jährlichen Nieder- schlag von nicht weniger-als 2000 mm erteilt. Der Salzgehalt bei den Azoren beträgt 36.0, nordwestlich von Irland höchstens 35.5, meist nur 35.25 Promille. In den höheren Südbreiten bei 40° treffen wir auf ganz ähnliche Verhältnisse: tropisches Wasser des Brasilien-, Agulhas-, Ostaustralstroms biegt in den Bereich der regenreichen Westwinde ein und vermindert schrittweise seinen Salzgehalt. Deshalb sehen wir allgemein die Ibohalinen je weiter nach Osten in desto niedrigere Breiten hinaufrücken. Wir müssen erst in noch höhere Breiten gehen, um dann ernstlich auch an eine Kom- plikation mit Wirkungen des schmelzenden Eises zu denken, oder in nie- deren Breiten, wie an den Westküsten Südafrikas oder Südamerikas an solche durch kaltes Auftriebwasser aus der Tiefe. Da diese letztei'en eben ihrer niedrigen Temperatur wegen die atmosphärische Feuchtigkeit als Nebel kondensieren, werden sie schon darum eine Verdünnung des Wassers an der Oberfläche hervorrufen, indem der Dampfdruck bei voller Sättigung in der untersten Luftschicht größer wird als im Meerwasser, so daß Moleküle von reinem Wasser aus der Luft in die Flüssigkeit über- treten. Auf diese Weise mögen die auffallend niedrigen Salzgehalte ent- lang der kapländischen und südwestafrikanischen Küste zu stände kommen, wenn auch Zweifel bestehen bleiben, ob die vorliegenden Beobachtungen ganz richtig sind. Die Nebel sind dann auch zu einem gewissen schwachen Anteil beteiligt an der geringen Konzentration der Küstengewässer süd- lich von Neufundland bis Kap Hatteras; die entscheidende Ursache sind die Landwasser, dazu kommen aber auch die Schmelzwasser im Norden und das Auftriebwasser im Süden. — Wie sehr bei allem die Bewegungen des Wassers bedeutsam sind, erweist die Zunahme des Salzgehalts im östlichen Teil des Arabischen Meers zur Zeit des Südwestmonsuns (S. 331): obwohl dieser der Regenbringer ist, trägt der vom Monsun geschaffene Triftstrom vom westlichen salzreicheren Teil das Oberflächenwasser ostwärts mit sich. Wie die Zunahme des Eegenfalls im Vergleich zur Verdunstung auch in die Tiefe hinein wirkt, hat uns die Challengerexpedition durch ein paar glück- liche Schöpf reihen erläutert. Mit dem Nordostpassat und dem Nordäquatorial- strom von den Kanarischen Inseln nach St. Thomas segelnd überschritt das Schiff das Maximum des Salzgehalts zwischen 20° und 21° N. B. und 40° bis 50° W. L. mit 37.4 bis 37.5 Promille an der Oberfläche. Als man von hier aber in der Wind- und Stromrichtung weiter fuhr, nahm der Salzgehalt langsam ab und ging in 55° W. L. zwischen 19° und 20° N. B. unter 37 Promille herunter, um bei Sombrero auf 36.3 zu sinken. In der Tiefe von 180 bis 275 m aber fand sich noch das stärker konzentrierte Wasser, das vom oberflächlichen Regen- fall unbeeinflußt geblieben war, und erst unterhalb von 300 m trat rasche Ab- nahme ein (Station 21). Nördlich aber von den Kleinen Antillen auf Bermudas hin (Station 29) zeigte sich, aber abgeschwächt, ein ähnliches Verhalten; hierher gelangt mit dem Meeresstrom nicht nur Wasser aus dem zentralen Gebiet des nordatlantischen Salzmaximunis, sondern es nimmt der Regenfall Konzentration durcn Verdunstung, 367 nicht in dem Grade zu, wie nach den Antillen hin. Ich stelle in der folgenden kleinen Tabelle die eijizelnen Daten zusammen. Stat. N. B. W. L. ij 0 90 180 275 365 915 m 21 29 18° 54' 27° 49' 6P28' 36.28 64^59' 37.00 36.64 37.00 37.55 37.17 36.24 36.58 35.34 35.33 Die Konzentration verstärkend, wirkt einerseits die Verdunstung, anderseits das Ausfrieren. Mit dem letztgenannten Vorgange, der nur für die höchsten Breiten und deren Tiefenwasser in Betracht kommt, werden wir uns besser im Zusammenhange mit der Darstellung der Eisverhältnisse des Meeres beschäftigen. Die eigenartigen Verhältnisse der Seewasser- verdunstung waren bei früherer Gelegenheit bereits Gegenstand systemati- scher Untersuchung (S. 244 f.), und wir wiederholen danach, was für die vorliegende Frage notwendig ist, daß die Verdurstung verstärkt wird: durch hohe Temperatur, Lufttrockenheit, starken Wind, geringen Salz- gehalt, niedrigen Luftdruck. Die Verdunstung wird umgekehrt verringert: durch niedrige Temperatur, große Luftfeuchtigkeit, schwache- Luftbewe- gung, hohen Salzgehalt, hohen Luftdruck. Ungefähr ist hier auch die entsprechende Rangordnung in der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Faktoren ausgedrückt. Um zur Geltung zu kommen, müssen sie sämtlich nicht nur mit einem positiven Vorzeichen, sondern mit hoher Litensitätsstufe in die Rechnung eingeheji. Es genügt also nicht, daß hohe Temperatur und trockene Luft allein vorhanden sind, wenn gleichzeitig Windstille über längere Zeit hin herrscht. Ein klassisches Beispiel dafür hat Stenius^) einmal für den Finnischen Golf beigebracht. Dieselbe Station, deren Salzgehaltsschwankungen vorher (S. 351) dargestellt worden sind, hatte im August 1901 den äußerst' getmgen Salzgehalt von 3.76 Promille, dagegen im Sommer 1902: 5.00 bis 5.46 Pro- mille, und doch wac der Sommer 1902 sehr regenreich, dafür der Sommer 1901 zwar sehr heiß, aber dabei windstill, so daß die Verdunstung schwächer blieb, auch wegen mangelnder Wellenbewegung eine Durchmischung mit tieferen Schichten ausblieb. In der Tat haben wir damit den Schlüssel zur Hand, um die geo- graphische Anordnung der relativen Maxima des Salzgehalts klar zu legen. Die graphische Darstellung nach Breitenzonen für die ganze Meeresober- fläche (S. 334, Fig. 44) ordnet diese Höchstbeträge auf der nördlichen Halbkugel zwischen 25^ und 30*^, für die südliche zwischen .20° und 25° B. an: es sind das im allgemeinen die Gebiete, wo die Passate aus dem Luftdruckmaximum der sogenannten Roßbreiten hervorgehen. Hier ist bei hochstehender Sonne eine starke Insolation zu erwarten, die gesteigert wird durch eine große Lufttrockenheit und Wolkenarmut ; beides entspringt der stark absteigenden Komponente in der Luftbewegung, und deshalb ist auch gerade diese Ursprungszone der Passate besonders arm an Nieder- schlägen. Zum dritten aber ist der Passat schon entwickelt zu einem kräf- tigen Winde, während in den Roßbreiten selbst Stillen und Mallungen ') Public, de Circonst. Nr. 15, Kopenhagen 1901, p. 7. 368 ^i® räumliche Verteilung des Salzgehalts. vorherrschen, was die Verdunstung zurückhält. Meere im Bereiche starker kontinentaler Erwärmung und Lufttrockenheit, vereint mit geringen Nieder- schlägen, unterliegen einer besonders intensiven Verdunstung und erheben sich dadurch zu den höchsten Stufen des Salzgehalts, wie das Rote Meer, Mittelmeer und der Persische Golf. In den offenen Ozeanen bedarf die Lage der Gebiete höchsten Salzgehalts noch der besonderen Untersuchung, die sich dann auch auf die erreichte ab- solute Höhe der Konzentration zu erstrecken hat. Im Folgenden gebe ich einen ersten Versuch in dieser Richtung. Im Nordatlantischen Ozean ist das Maximum etwas nach Osten verschoben zu beiden S2iten des Wendekreises angeordnet; näher nach den Antillen und Bermudasinseln nimmt der Salzgehalt ab teils wegen unmittelbar gesteigerter Regenwirkung, teils auch weil durch den Karibenstrom Wasser der zentralen, schwächer salzigen Kalmenregion in die Zirkulation eingeführt wird: denn in der westlichen Hälfte des Kalmengürtels herrscht im Winterhalbjahr der Äquatorialstrom. Diese Zufuhr aus einer Kalmenregenzone fehlt dem Süd- atlantischen Ozean und deshalb wird das Wasser des Südäquatorialstroms, das in den Brasilienstrom übergeht, wobei andauernd die Verdunstung den Nieder- schlag übertrifft, nach Stromlee immer stärker konzentriert und daher die Anlehnung des Salzgehaltsmaximums an die südamerikanische Küste ver- ständlich. Im Indischen Ozean ist alles dem Nordatlantischen ähnlicher, nur weiter nach Süden verschoben, wie auch das System des Südostpassats und der Roßbreiten. Dem Südpazifischen Ozean fehlt, wie dem Südatlantischen, eine Zone der äquatorialen Kalmenregen, und deshalb erhebt sich sein Salzgehalt zu bedeutender Höhe, und namentlich auch zu großer Flächenausdehnung der maximalen Zone von mehr als 36 Promille : diese liegt so recht im Wirkungs- bereich des Südostpassats. Wenn der Salzgehalt weiter nach Westen abnimmt, so ist an die gesteigerte Regenwirkung während des Nordwestmonsuns da- selbst zu denken. Im Nordpazifischen Ozean haben wir die auffallend niedrige Konzentration auch in der Zone des maximalen Salzgehalts, nämlich nur bis 35.9 Promille, als eine sehr merkwürdige Tatsache vor uns. Ich bin geneigt, sie der großen Ausdehnung der sommerlichen Kalmenregen und der damit zusammenhängenden niedrigen Konzentration im Äquatorialgegenstrom zuzuschreiben: dieser erreicht im Winterhalbjahr keinesfalls auch nur ange- nähert eine solche Ausdehnung wie im Sommer, und sein schwach salziges Wasser wird in die Zirkulation des Nordäquatorialstroms aufgenommen, wo dann später im Westen die Monsunregen wieder dazu beitragen, die Konzen- tration auch in der warmen Jahreszeit nicht erheblich anwachsen zu lassen. Ist es doch gerade ein wesentliches Merkmal im Klima der Marshallinseln und der westlichen Karolinen, daß ihnen eine Trockenzeit fehlt, ja in allen Monaten Tage mit mehr als 25 mm Regenfall vorkommen ^) , während die Fidschiinseln, Neuen Hebriden, Neukaledonien eine solche im Tropenklima normale Trockenzeit besitzen. Eine genauere kritische Untersuchung ist sehr von nöten, um diese doch sehr auffälligen Verschiedenheiten nördlich und südlich vom Äquator im Pazifischen Ozean aufzuklären. Sehr beachtenswert wird dabei auch das Arealverhältnis der Regenzonen sein ; zwischen 6^ und 15° N. B. haben wir über 18 Millionen qkm, d. h. ebensoviel wie zwischen 35° und 50° N. B., was gewöhnlich beim Anblick der Merkatorkarten vergessen wird. Alles in allem haben wir es bei Untersuchung der Salzgehaltsverteilung in letzter Instanz immer mit einem meteorologischen Problem zu tun. ^) Meteorol. Zeitschr. 1904, S. 192. Vergl. den Atlas der Seewarte vom Stillen Ozean, Taf. 25. Ältere Messungen der Tiefentemperaturen. 369 Es ist die Meeresoberfläche, die in ihrer innigen Berührung mit der darüber liegenden Atmosphäre die Angriffsflächen Uefert und die atmosphärischen Zustände und Bewegungsformen maßgebend eingreifen läßt. Deshalb ist es mehr als eine äußerliche Ähnlichkeit, wenn beim Anblick der Kurve der Salzgehalte in den fünfgradigen Breitenzonen (Fig. 44 , S. 3;U) die Erinnerung, an die Lage der Schneegrenze wachgerufen wird: auch hier sind die entscheidenden Faktoren Temperatur, Niederschlag und Ver- dunstung in ihrer zonalen Verschiedenheit, die die merkwürdige Senkung der Schneegrenze in der Nähe des Äquators, ihre Hebung an der Grenze der Tropen hervorrufen: eine Ähnlichkeit, die zum Nachdenken anregt und auch wieder den großen Unterschied im Verhalten der höheren süd- hemisphärischen Breiten im Punkte der Schneegrenze und der Salzgehalte erfassen lehrt. Denn während die nordhemisphärischen Meere polwärts von 50° erheblich schwächere Konzentration aufweisen als die südhemi- sphärischen, hegt die Schneegrenze im Süden der Erde tiefer als in gleichen Breiten des Nordens. Alles das erklärt sich leicht bei richtiger Abwägung meteorologischer Zustände und Vorgänge. — in. Die räumliche Verteilung der Temperaturen. 1. Geschichte und Technik der Beobachtungen. Wenn die Unterschiede des Salzgehaltes in den irdischen Meeren erst mit Hilfe verfeinerter Instrumente, wie sie die moderne Zeit geschaffen, erkannt werden konnten, sind die örtlichen Verschiedenheiten der Wasser- temperaturen so sinnfälUg, daß sie den Seefahrern unmöglich entgehen konnten. Es gilt das nicht nur für die Oberfläche, sondern auch für die Tiefen : beim Loten in warmen Meeren bringt das vom gewandten Matrosen rasch aus größerer Tiefe aufgeholte Bleilot eine fühlbar niedrigere Tempera- tur mit an die Oberfläche. WahrscheinUch ist auf diesem Wege bereits Ari- stoteles^) zu der Kenntnis der von ihm besprochenen Tatsache gelangt, daß das Meer an der Oberfläche wärmer sei, als in der Tiefe. Wo sich eine tropisch warme und eine arktisch kalte Strömung eng berühren, wie süd- östlich von den Neufundlandbänken Golf- und Labradorstrom, waren die Seefahrer schon im Anfange des 1,7. Jahrhunderts vom schroffen Wechsel der Wassertemperaturen aufs höchste überrascht, wie uns Marc Lescarbot^) anschaulich geschildert hat. Aber exakte Beobachtungen der Temperaturen waren erst nach Erfindung und Verbesserung der Thermometer möglich. Leider sind die Versuche des ausgezeichneten Grafen Marsigli^) an den Küsten der Provence (1706 und 1707), wahrscheinhch die ersten ihrer Art, für uns unbrauchbar, da seine Thermometerskala nicht mehr genau zu definieren ist; sie gehören aber zu den frühesten Symptomen einer auf- kommenden exakten Beobachtung von Naturerscheinungen im Ozean ül^erhaupt. Der Ruhm, zuerst verständliche Teraperaturablesungen ge- ^) Problem, p. 934. Auch der Salzgehalt soll nach der Tiefe abnehmen, meinte er. % Vergl. Kohl, Geschichte des Golfstroms und seiner Erforschung. Bremen 1868, S. 68. ') Histoire physique de la Mer, Amsterdam 1725. Krümmel, Ozeanographie. I. -■* 370 ^i^ räumliche Verteilung der Temperaturen. liefert zu haben, kommt britischen Forschern zu^). Um die Mitte des 18. Jahrhunderts etwa muß es gewesen sein, wo Dalrymple und Davy das Sinken der Temperaturen im Südäquatorialstrom nahe der Linie auf ihren ostindischen Fahrten beobachtet haben, wie James Renneir-^) berichtet. Im Jahre 1749 schöpfte Kapitän Ellis zwischen den Kanarischen und Kapverdischen Inseln (in 25^ 13' N., 25° 12' W.) mit einem einfachen Ventilschöpfer aus 1190 m und 1645 m Wasserproben, deren Temperaturen übereinstimmend um 17.2*^ niedriger waren, als an der Oberfläche. Mit demselben von Dr. Haies konstruierten Apparat maß Joh. Reinh. Förster'^) auf Cooks erster Weltumseglung 1772 und 1773 sechsmal Temperaturen in den geringeren Tiefen bis 183 m hin, wobei er am Äquator im Atlantischen Ozean an der Oberfläche 23.3*^, in 155 m aber 18.9" maß, während er in den höheren Südbreiten südlich vom Kapland die Temperatur in 183 m Tiefe um 1.5 bis 2° höher fand als an der Oberfläche, die inmitten treibenden Eises 0*^ bis — l.P zeigte. Fast gleichzeitig maß auch Dr. Irving auf der bereits früher erwähnten Nordfahrt des Kapitän Phipps 9mal Tiefentem- peraturen, teils mit einem von Cavendish (1757) angegebenen, aber un- zweckmäßigen Thermometer, teils durch Aufholen von Wasserproben in einem mit schlechten Wärmeleitern umhüllten Schöpfgefäß; auch hier zeigte sich mitten im Eise bei Spitzbergen (80^2 ° N., 16° 0.) eine Zunahme von der Oberfläche (0.3°) nach der Tiefe (2.3° in 338 m), dagegen in der Nordsee bei Whitby und den Shetlandinseln eine deutliche Abnahme, und bei der ersten gelungenen Tieflotung in 1250 m eine Bodentemperatur von 4.4°, die freilich, wie wir jetzt wissen, um 5° zu hoch ausfiel. Ein Ther- mometer, dessen Kugel mit einer 7.5 cm dicken Schicht von Harz und Wachs umgeben war und damit die W^ärme sehr schlecht leitete, versenkte Saussure 1780 im Mittelmeer bei Genua bis 288, und bei Nizza bis 585 m ; indem er es über Nacht an Ort und Stelle ließ und am anderen Morgen rasch aufholte, zeigte es ganz richtig beidemal die Temperatur von 13.0°. Die nächsten Beobachtungen im Ozean versuchte Peron 1800 — 1804 ebenfalls mit Hilfe von Thermometern innerhalb einer dicken Hülle schlechter Wärmeleiter. Mangelhaft von den Seeoflizieren unterstützt, brachte er nur vier Beobachtungen zu stände, von denen die aus seiner größten erreichten Meerestiefe in 5° N., 18° W. mit 9.2° in 390 m nach 110 Minuten Anpassungszeit überraschend gut ausgefallen ist. Ungefähr gleichzeitig tritt das von Six schon 1782 erfundene Indexthermometer in den Dienst der Ozeanographie, indem Dr. Horner es auf Krusensterns Weltumseglung in Gebrauch nahm, um bereits die ersten Temperatur- reihen damit zu messen; so brachte er auf der Heimreise einmal im Juni 1803 in 30° N., 40° W. sechs Bestimmungen von der Oberfläche bis 366 m Tiefe zu stände. Mit einem Schöpf gefäß aus schlechten Wärmeleitern arbeitete dann Scoresby in den arktischen Gewässern (1811 — 1822), wenn auch mit wechselndem Erfolge, bis 1335 m Tiefe hinab. Unter den nun ') Für das Folgende ist hauptsächlich die vortreffliche Zusammenstellung von J. Prestwich, Philos. Trans. R. Soc. London 1875, Bd. 165, p. 590 f. zu Grunde gelegt. 2) Renneil, An Investigation of the Currents of the Atlantic Ocean. London 1832, p. 132. 3) Bemerkungen etc. auf seiner Reise um die Welt. Berlin 1783, S. 51. Ältere Messungen der Tiefentemperaturen. 37J häufiger werdenden Beobachtern mit dem Sixschen Thermometer stehen 0. V. Kotzebue auf seiner ersten Weltumseglung (I^J5 — 18) und Edw. Parry auf seinen arktischen Fahrten (1819, ]st(Mi ') Vergl. die Erörterungen von Pres t wich a. a. (). ]), <>01. -) Selbst AI. V. Humboldt zeigte ein bedenkliclies Srh wanken: Kosmos 1, S. 322; IV, 242; Zentralasien Bd. 2, 217. 372 ^i^ räumliche Verteilung der Temperaturen. unter allen verzeichneten Seewassertemperaturen hat sich ihr Beobachter, Sir Edward Sabine allemal von neuem verbürgt, sobald später Zweifel laut wurden, die sich auf die Zuverlässigkeit des dabei verwendeten Sixschen Thermometers gründeten. Diese Zweifel werden aber immer wieder er- neuert werden, da eine Bestätigung aus den kältesten Meeren der Erde bisher ausgeblieben ist. Den notwendigen Schutz gegen Druckstörungen erhielten die Sixschen Thermometer endlich auch in England, indem auf Veranlassung des Admirals Sir Rob. Fitz Roy die Firma Negretti & Zambra in London 1857 die Thermometerkugel mit einem Glasmantel umschloßt), der größtenteils mit Quecksilber gefüllt und im übrigen luftleer gemacht war, so daß der äußere Druck nunmehr wie auf ein elastisches Polster wirkte und fast unschädlich gemacht wurde. Kapitän Pullen, für seine Lotungsreise durch den Atlantischen und Indischen Ozean mit diesen In- strumenten ausgerüstet, fand dann auch am Boden der Tropenmefere Temp3raturen von 1.7*^ (so im Indischen Ozean in 5^ 31' S., 61 ^ 31' 0. bei 4280 m und im Süd atlantischen in 26« 45' S., 23« 52' W. bei 4940 m). Das Sixsche Thermometer ist in dieser Gestalt das klassische Instrument geworden, mit dem die Challenger- und Gazelleexpedition den Grund zu unserer gegenwärtigen umfassenderen Kenntnis von der Wärme - Verteilung in den irdischen Meeren gelegt haben; es hat aber auch zahl- reichen neueren Expeditionen vorzügliche Dienste geleistet, so noch an Borri der Valdivia, des Gauß und Planet. Während die Tiefentemperaturen immer ein überwiegend wissen- schaftliches Interesse besitzen, erlangten die Temperaturen der Meeres- oberfläche eine große praktische Bedeutung, sobald man im Golfstrom eine Meeresströmung kennen lernte, die mit großer Stärke auch eine auf- fallend hohe Temperatur verband und sich gegen das kalte Nachbarwasser, insbesondere an der Nordseite, scharf abgrenzte. Gewöhnlich wird Ben- jamin FrankUn das Verdienst zugeschrieben, das Wasserthermometer den Schiffsoffizieren in die Hand gegeben zu haben, damit sie bei der Fahrt vom Kanal nach den Neuenglandhäfen den warmen Golfstrom vermeiden und in der umgekehrten Richtung ihn zur Förderung ihrer Fahrt benutzen lernten. Tatsache ist jedenfalls, daß Franklin 1770 zwar die erste Karte des Golfstroms mit Hilfe des Kapitäns Folger zeichnen und drucken ließ, und die thermischen Eigenschaften des Seewegs zwischen Neu- und Alt- england seit 1775 mit dem Thermometer zu verfolgen begann, und alsbald auch den amerikanischen SchifEskapitänen Rat erteilte, aber seine Be- merkungen erst 1786 veröffentlichte-), während der Schiffsarzt Dr. Charles Blagden an Bord britischer Kriegsfahrzeuge seit 1776 die Wärmeverteilung an den nordamerikanischen Küsten mit dem Thermometer untersuchte und schon 1781 der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in London darüber berichtete, unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß „bei der Kreuzung des Golfstroms der Gebrauch des.. Thermometers sehr wesentHchen Nutzen ') Die Idee selbst stammt von Glaisher (Nature, London 1873, Bd. 8, p. 528 und Bd. 9, p. 102). 2) J. G. Kohl, Geschieht« des Golfstroms. Bremen 1868, S. 108; auch S. 113 für das Folgende. Nach F>. Franklin, Memoirs, Philadelphia 1834, vol. II, p. 373 hat er seine Abhandlung am 2. Dez. 1785 der American Philosophical Society vor- getragen. Moderne Wasserthermometer 373 gewähren könne". Obwohl auch der Neffe Franklins, Jonathan Williams, 1790 seine zahlreichen Beobachtungen, namentlich auch im Osten der Großen Neufundlandbank benutzte, um eine Abhandlung „über den Gebrauch des Thermometers in der Navigation" zu veröffentlichen, blieben den großen Kreisen der Seefahrer derartige Beobachtungen doch noch lange fremd. Zu den eifrigsten Freunden des Seethermometers hat Alexander von Humboldt gehört, der auf seinen Seereisen mit großem Erfolg die Temperaturen der Meeresoberfläche regelmäßig bestimmte und dem warmen Golfstrom ein thermometrisches Gegenstück in Gestalt des kalten Perustroms zur Seite stellte; derartige Beobachtungen pflegte er als eins der wichtigsten Geschäfte des reisenden Physikers zu bezeichnen. So blieb für lange Zeit dieses Geschäft in der Tat den wissenschaftlichen Seefahrten vorbehalten, und wohl die meisten der so berühmt gewordenen Weltumsegler und Entdecker auS der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben mehr oder weniger umfangreiche Beiträge hierfür geliefert. Auch der eifrigen Beobachtungen an Bord der von der Kgl. Preußischen See- handlung seit dem Jahre 1823 ausgesandten Schiffe darf bei dieser Ge- legenheit gedacht werden. Daß aber auf diesem Gebiete mit vereinzelt bleibenden Messungen, die von Jahreszeit und wechselndem W^etter be- einflußt sein konnten, kein deutliches Ergebnis über Grenzen und Aus- dehnung der Meeresströmungen zu erzielen war, erkannte zuerst Maury. Durch die Organisation von Massenbeobachtungen, von der in der Ein- leitung gesprochen worden ist, erlangte er schon nach wenigen Jahren ein überraschend reichhaltiges Material, das er in den Karten zu seinen berühmten Segelan Weisungen niederlegte. Die übrigen nautischen In- stitute sind ihm dann mit Veröffentlichungen, die an Umfang und Bedeu- tung stetig wuchsen, gefolgt, und insbesondere sind es britische, deutsche und niederländische Beobachtungen, die uns das beste Material zum Studium nicht nur der räumlichen Verteilung der Oberflächentempera- turen, sondern auch ihrer Änderungen in den einzelnen Monaten dar- bieten. Die moderne internationale Meeresforschnng ist dann noch weiter vorgeschritten, indem sie die Anordnung der Temperaturen für wenige bestimmte Tage, nach dem Prinzip der synoptischen Karte, beispielsweise für die Nordsee, darzustellen unternahm. Werfen wir nunmehr einen Blick auf die modernen instrumentellen Methoden, wie sie sich für die Bestimmung der Meerestemperaturen heraus- gebildet haben, so haben wir zunächst festzustellen, daß die Beobachtung der Temperatur an der Meeresoberfläche zu den einfachsten Aufgaben gehört, die der Seemann an Bord zu leisten hat. Wird ein gewöhnlicher Eimer, den man eine kurze Zeit nachschleppen läßt oder wiederholt mit dem aufgeholten Wasser ausspült, mit Wasser gefüllt, aufgeholt und an einer schattigen Stelle sofort ein empfindliches Thermometer eingesenkt, so kann man die Temperatur einwandfrei bestimmen. Schöpfgefäße, die vor dem Gebrauch längere Zeit den Sonnenstrahlen ausgesetzt gewesen sind, geben leicht zu hohe Werte. Bei Dampfern ist selbstverständlich möglichst vorn, stets aber vor dem Auswurf der Kondensatoren, Wasser zu schöpfen. Die oft gebrauchten Segeltucheimer können nur, wenn die Temperatur sofort bestimmt wird, zuverlässige Werte liefern, da nach längerem Stehen das aus den Poren des Gewebes austretende Wasser rasch verdunstet und namentlich bei lebhaftem Luftzug die Temperatur im Eimer erniedrigt. Gute Wasserthermometer sollen in 0.1° geteilt und mit 374 I^iß räumliche Verteilung der Temperaturen. fiiiiem langzylindrischen Quecksilbergefäß versehen sein, damit sie sich schnell anpassen. Um dieses Gefäß angebrachte äußere Schöpfhülsen oder Pinsel- borsten, die das Ablesen außerhalb der geschöpften Wasserprobe erleichtern, sind von nebensächlichem Wert. Während an Bord die Temperaturen der Luft immer nur unsicher zu messen sind, vermag man die der Meeresoberfläche ungleich zuverlässiger zu erhalten. Schwieriger ist noch immer die genaue Bestimmung der Temperatur in den Tiefen. Von den älteren Instrumenten ist das von Saussure 1780 ange- gebene träge Thermometer noch heutigentags in beschränktem Gebrauch; H. A. Meyer und G. Karsten haben es auf den Küsten- und Leuchtschifistationen der deutschen Meere eingeführt und ihm mit einer Hartgummihülle eine ge- nügende Wärmeisolierung gegeben. Bei den geringen Wassertiefen, um die es sich handelt, ist es bei einer Anpassungszeit von einer ^ji Stunde in den Händen einfacher Seeleute ein nützliches Instrument. — Ganz aufgegeben ist die Ver- wendung von Metall ("hermometern, wie sie viele Jahre hindurch (1860 — 1870) in den amerikanischen Gewässern gebraucht wurden^); ihr Vorzug besteht darin, daß sie von Einwirkungen des Wasserdrucks frei bleiben, doch ist ihre Eichung schwierig und sind Standänderungen durch Stöße oder Verbiegungen schwer zu erkennen. — ■ Die vielfach vorgeschlagenen, den elektrischen Leitungs- widerstand registrierenden Thermometer sind, wie schon einmal bemerkt (S. 290), wege]\ ihrer dicken Kabel für den Tief seegebrauch oder auch bei stark strömenden Gewässern in geringeren Tiefen schon unsicher zu handhaben ; sie würden die Aufzeichnung einer kontinuierlichen Temperaturkurve beim Versenken in die Tiefe ermöglichen. Die am Boden der Meere ruhenden Tele- graphenkabel werden in ihrer Lsitfähigkeit ebenfalls durch Änderungen der Temperatur beeinflußt, und da unsere heimischen flachen Meere periodischen und unperiodischen Schwankungen der Temperatur unterworfen sind, die bis • zum Boden hinabreichen, habe ich vorgeschlagen, durch häufige Widerstands- bestimmungen entlang geeigneten Kabellinien derartige Änderungen zu ver- folgen. Martin Knudsen hat die ersten Versuche mit dänischen Telegraphen- kabeln durch die Nordsee kürzlich veröffentlicht^); es kann natürlich nur die Durchschnittstemperatur des Kabels auf seiner ganzen Strecke bestimmt werden. Die älteste Methode, wie sie von Haies (1749) eingeleitet und von Dr. Irving (1773) zuerst zweckmäßig ausgestaltet wurde, nämlich durch Aufholen einer größeren Wasserprobe aus der gewünschten Tiefe mit Schutz derselben gegen Wärmeänderung unterwegs, ist seitdem niemals von der Tagesordnung verschwunden (s. o. Peron, Scoresbj, und Parrot-Lenz). Bis zu Tiefen von 800 m hat sie Admiral MakarofE auf seiner Weltumseglung auf der Korvette Vitiaz erfolgreich benutzt, doch erhielt er gute Temperaturwerte erst nach einer umständlichen Korrektionsrechnung. Einen schon 1816 von Kapitän Wauchope ausgeführten Gedanken, nämlich die schlechte Wärmeleitung des Wassers zum Schutz der zu untersuchenden Wasserprobe zu benutzen, indem mehrere Zylinder konzentrisch ineinander geschachtelt wurden, die, beim Hinablasssen frei durchspült, sich beim Aufholen durch Ventile abschlössen, hat seit 1893 Otto Pettersson sehr praktisch durchgebildet: die zylindrischen, eine Zirkulation des Wassers nach dem Abschluß hindernden Hüllen sind aus Hartgummi, der äußere Mantel in besonderer Stärke hergestellt. Die Wärme- isolierung ist sicher bis auf etwa 800 m; doch hat sich bei so großen Tiefen eine unerwartete Druckwirkung gezeigt, indem die Druckentlastung des fest ein- ^) Saxtons Thermometer- vergl. J. G.Kohl, Gesch. des Golfstroms, S. 187. ^) Proces Verbaux des Reunions du Conseil Permanent International pour l'Explor. de la Mer vol. VI, 190G, Anhang B, S. (41). Moderne Tiefseethermometer. 375 W- EWo geschlossenen Wassers und seiner Gase beim Aufholen die Temperatur etwas er- niedrigt. Bei den geringeren Tiefen der heimischen Meere spielt d iese Störung keine Rolle und wird der Apparat in seiner neuen, ihm von Nansen gegebenen Gestalt mit um so größerem Vorteil angewandt, Fig. öO. als er gleichzeitig eine für Chlortitrierung und Gasanalyse ausreichende Wasserprobe liefert. Nansen^) meint mit dem Apparat die Temperatur innerhalb 0.02° genau bestimmen zu können. Er hat für seine Bciobachtungen mit einem solchen isolierenden Wasserschöpfer im Nordpolarbecken die der Ausdehnung des eingeschlossenen Wassers ent- sprechenden Korrektionen auf Grund von Lord Kelvins Formel (1853) berechnet: G = {T. e. p) : (/". Cp. Oo), wo S die Temperaturänderung, T die absolute Temperatur (273-}-/*'), e die kubische Ausdehnung des Seewassers für jeden Zentigrad bei der Temperatur f, p den Druck in kg pro qm, Cp die spezifische Wärme des See- wassers und (>o das Gewicht eines cbm des S:3ewassers be- deutet; Cp.()o wurde dabei konstant = 960 angenommen. Für das zwischen — 1.6 und -j- 0.7*^ temparierte arktische Wasser ergaben sich die Korrektionen : bei 100 m = -\- 0.002°, 200 m = 0.007°, 300 m = 0.013°, 400 m = 0.016°, 500 m = 0.020° und 800 m = 0.03°. Bei höheren Wassertempera- turen steigen auch die Korrektionen, so für ^ = 4° in 400 m auf 0.028°. In der Tat hat Drygalski in tropischem Wasser Unterschiede zwischen den Angaben des isolierten Wasser- schöpfers und Kippthermometers in erheblichen Beträgen wahrgenommen und auch die Ausdehnung der äTbsorbierten Gase zur Erklärung herangezogen. Für die großen Tiefen der Ozeane bedarf es aber an- derer Hilfsmittel, und soweit die regelmäßige Wärmeschich- tung der Tropenmeere in Betracht kommt, wird das Sixsche Thermometer stets miit Vorteil angewandt. Es ist ein Maximum- und Minimumthermometer (Fig. 50), das also beim Versenken in den Ozean die höchste und niedrigste auf dem Wege vorhandene Temperatur durch die Stellung ihrer Indexstifte aufzeichnet. Bei der regelmäßigen Ab- nahme der Temperatur in .den offenen Ozeanen der niedrigen und gemäßigten Breiten ist die registrierte Minimaltem- peratur die der tiefsten erreichten Schicht zukommende. Für die technische Herstellung ergibt sich die Schv/ierigkeit, die Indexstiftchen mit ihrer Federspirale in die Kapillare richtig einzupassen-, damit sie wT-der zu fest sitzen, so daß das Quecksilber sie überströmt, noch zu locker, damit sie sich nicht nachträglich durch die Erschütterungen des W W^ Maximum- und Miui- mumthermometer nach Six für Tiefsee- gebrauch von L. Ca- sella in London. Erklärung. Der Raum A ist mit der tliermometrischen Flü.ssigkeit CCreo.sot) gefüllt, die beim Erwärmen sich ausdehnt und das den hufeisenförmig gebogenen Teil der Kapillare einnehmende Quecksilber vor sich herschiebt, so daß der Indexstift a im rechten Schenkel mit dem unteren Ende die Maximaltemperatur anzeigt. Bei Abkühlung drängt der Quecksilber- faden im linken Schenkel den Indexstift a' nach oben, dessen unteres Ende dann die Minimal- temperatur angibt (in der Figur öGop = lOOC). Der rechte Schenkel ist über dem Quecksilijei teilweise mit derselben thermometrischen Flüssigkeit erfüllt, die wie ein Gegengewicht wirkt Die Druckkompension ist um den Raum A herum in Gestalt einer ebenfalls teilweise mit dei thermometrischen Flüssigkeit gefüllten Glashülle erkennbar. ') üceanography of the North Polar Basin, Kristiania 1902, p. 5; vergl. V. Drygalski, Zum Kontinent des eisigen Südens, Berlin 1904, S. 613. 37G Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Moderne Umkippthermometer. Seils oder Drahts beim Einholen oder im See- gange verschieben. Größere Fehler in dieser Einstellung sind sofort erkennbar, kleinere aber nicht. Die Genauigkeit der Ablesung selbst kann durch eine Vergrößerung des ganzen Instruments und durch Aufätzen einer Skala auf der Kapillare erheblich ver- bessert werden, wie. das J. Y. Buchanan gleich nach seiner Rückkehr von der Challenger- expedition ausgeführt hat. Seinem ganzen Ball nach ist das seit 1868 von Casella nach Dr. Millers besonderen Angaben hergestellte Thermometer keiner starken Druckstörung ausgesetzt, und Tait vermochte zu zeigen, daß die ursprünglich angenommene Druckkorrek- tion zu groß bemessen war. Es ist dies zu beachten, da die von Sir Wyville Thomson zuerst veröffentlichten Tiefentemperaturen, namentlich die am Meeresboden, dadurch nicht unerhe'blicli zu klein (0.5° bis 0.8°) aus- gefallen sind. Das Indexthermometer mußte überall da versagen, wo sich eine wärmere Schicht unter eine kältere lagert, wie in den hohen Breiten der Ozeane und der Nebenmeere nicht selten der Fall ist, oder wenn dicht am Meeresboden etwa die Temperatur wieder zunehmen sollte, wie das Aime als Wirkung zugeleiteter innerer Erd wärme erwartete. Dieser ausgezeichnete Physiker ersetzte deshalb die Sixschen Ther- mometer durch Abänderungen der von Wal- ferdin (1836) erdachten Instrumente, die er in der gewünschten Tiefe durch ein an der Lotleine hinabgesandtes Gewicht zum Um- kippen brachte. Die Druckstörung beseitigte er bei seinen kleineren Thermometern, indem er sie in eine weitere Glasröhre einschmolz. Aime hat damit in den Jahren 1841 bis 1843 eine Reihe sehr wichtiger Untersuchungen in den algerischen Gewässern ausgeführt, wor- auf später zurückzukommen ist. Seine In- strumente aber waren sehr umständlich zu bedienen, so daß sie mit Recht keinen An- klang fanden. Die in der modernen Tiefsee- forschung so vielfach verwendeten Kipp- thermometer sind seit 1878 von Negretti und Erklärung, i altes Modell von Negretti-Zambra, 2 nach M. Knudsen, 3 nach Chabaud in Paris, 4 nach C. Richter in Berlin, alle Instrumente in der Stellung beim Versenken ge- zeichnet, rt bedeutet die Abreißstelle, r den Fangraum für das nach dem Umkippen etwa nach- fließende Quecksilber; das Richtersche Instrument (4) zeigt ein Fadenthermometer. Die mit Quecksilber gefüllten Räume sind schwarz. Die Kompensation gegen den Wasserdruck ist durch Quecksilberhüllen um das untere Thermometergefäß bei allen vier Instrumenten in gleicher Weise ausgeführt — Die Abbildungen sind in 2(. der natürl. Längs von Dr. F. Grütz- macher, Zeitschr. f. Instrumentenkunde, Bd. 24, 1904, S. 265, entworfen und mit freundlicher Erlaubnis der Verlagsbuchhandlung, Julius Springer in Berlin, hier wiedergegeben. Die Wärmequellen. 377 Zambra ^) in den Handel gebracht worden und beruhen auf dem Kunstgriff, an dem Übergang der Quecksilberkugel zur Kapillare eine starke Verenge- rung anzubringen, so daß hier der Quecksilberfaden abreißt , wenn das Thermometer um 180° gedreht wird. Um das Nachfließen von Queck- silber bei nachträglicher Erwärmung in höher temperierten Wasserschich- ten unschädlich zu machen, war unweit der Abreißstelle eine Erweiterung angebracht. Da diese Vorrichtung öfter versagte, haben neuere Fabrikanten teils durch Umbiegen des Gefäßes, teils durch andere Grestaltung des Säckchens Abhilfe versucht, aber bei sehr großen Temperaturunterschieden (von über 15°) auch nicht mehr mit sicherem Erfolge (Fig. 51). Gegen Druckstörungen hat man das Thermometer nach Aimes Vorgang in eine starke Glasröhre ein- geschmolzen, diese aber fast luftleer gemacht und das Gefäß mit einem Queck- silbermantel umgeben, um die Anpassung an die äußere Temperatur zu er- leichtern. Eine allgemeinere Verbreitung gewann das Kippthermometer erst, seit Kapitän Magnaghi auf der Weltumseglung des italienischen Kreuzers Vettor Pisani eine bequeme Auslösevorrichtung an Stelle des für große ozeanische Tiefen sehr zeitraubenden Abfallgewichts einführte, indem ein kleiner zweiflüg- liger Propeller das Thermometer beim Hinablassen in der richtigen Stellung festhielt, beim Aufholen aber es zum Umkippen brachte. Die Lauflänge bis zum Augenblicke des Auslösens darf nicht unter 10 m betragen, da starke Schlingerbewegungen des Schiffs im ozeanischen Seegang den Propeller sonst vorzeitig in Drehung versetzen. Die anfänglich gerügte^) Ungleichmäßigkeit im Abreißen des Fadens, was zu unkontrollierbaren Fehlern führte, ist durch fortgesetztes Bemühen der Fabrikanten, namentlich durch C. Richter in Berün, im wesentlichen beseitigt. Immerhin haftet den Umldppthermometem, namentlich bei starker Abtrift in der Tiefe, noch eine gewisse Unsicherheit an, und man ist deshalb zu dem Entschluß gekommen, immer zwei Instrumente nebeneinander zu verwenden (s. Fig. 43, S. 328). Alle Temperaturmessungen leiden natürlich noch unter den allgemeinen Schwierigkeiten, die der richtigen Bestimmung der Tiefe, in der wirklich die Einstellung des Thermometers erfolgt ist, entgegenstehen, wobei namentlich die mehr oder weniger starke Abtrift der Instrumente unter Wasser in Betracht kommt. Um die tatsächlich erreichte Tiefe zu messen, kann nun ein gegen Druck nicht geschütztes Thermometer für mäßige Tiefen gut« Dienste leisten, denn der Betrag, um den es die Temperatur zu hoch angibt, ist dem erfahrenen Druck proportional und dieser steigt mit der Höhe der Wassersäule. Ein Um- kippthermometer, dessen Schutzmantel an einer Stelle geöffnet ist, und das mit einem geschützten zugleich in die Tiefe versenkt wird, hat in Tiefen bis zu 500 m bereits ganz annehmbare Resultate geliefert'). 2. Die Wärmequellen. Die Wärmequellen, die die Erwärmung des Ozeans regeln, sind die- selben, die für die Atmosphäre in Betracht kotnmen, wenn sie hier auch anders wirken. Die zunächst zu nennenden sind kosmischen Ursprungs, wie die Sonnen-, Planeten- und Stemenwärme ; sie treffen den Ozean von der Oberfläche her. Von unten her aber wirkt die innere Erdwärme, die jedoch von untergeordneter Bedeutung ist. Untersuchen wir die letzt- genannte Wärmequelle zuerst. ') Natura Bd. 18, London 1878, p. 348. 2) Wild in Z. f. Instrum. 1888, S. 145. ^) E. Ruppin in Wissensoh. Meeresunters, der Kieler Kommission Bd. 9, Kiel 1906, S. 182. 378 I^ie räumliche Verteilung der Temperaturen. Die Erde, als ein in der Erkaltung begriffener Weltkörper, zeigt überall, wo man in ihre Rinde von außen her eindringt, eine stetig nach unten hin zunehmende Temperatur. Das Gesetz dieser Zunahme ist uns zur Zeit noch nicht einmal für die obersten 2000 m erschlossen. Nach Prest- wich soll die Temperatur im Mittel auf jede 25 m, nach Sollas auf jede 45 m um 1° ansteigen. Setzt man diese geothermische Tiefenstufe auf 35 m, d. h. läßt man für jeden cm die Temperatur um 0.000 286 ^^ wachsen, so ergibt sich durch MultipUkation von 0.000286 mit 0.0058, dem wahr- scheinlichen Wärmeleitungskoefüzienten für die festen Gesteine, als Wärme- menge, die in 1 Sekunde durch 1 qcm austritt, der Betrag von 0.000 001 659 Grammkalorien (S. 279), was sich im Jahr auf 52.5 cal. aufsummiert. Diese wären imstande, innerhalb eines Jahres eine Eisschicht von 7 mm zu schmel- zen (nach Prestwich ergäben sich 73.1 cal. und 10 mm). Dieser an sich ge- ringfügige Wärmestrom wirkt nun auf das Bodenwasser der Ozeane ein und erhöht dessen Temperatur durch Leitung, Strahlung und Konvektion. Die Wärmeleitung ist, wie aus dem. sehr kleinen bezüglichen Koeffizienten (S. 280) zu schließen, ganz unbedeutend; wir werden noch darauf an späterer Stelle zurückkommen. Der Strahlungseffekt ist uns zwar in seinem Betrage unbekannt, da das Emissionsvermögen des Meeresbodens gegen Seewasser noch nicht untersucht ist. Wir wissen aber, daß das Wasser die dunkeln Wärmestrahlen außerordentlich rasch absorbiert, und müssen deshalb annehmen, daß ihre Wirkung schon in den untersten Schichten unweit vom Boden wohl sehr klein wird. Im ganzen wird sie das für die Atmosphäre berechnete Maß nicht erreichen, wo sie nach Trabert^) die mittlere Temperatur der Luft über dem Festlande nur um rund O.P erhöht. Die Konvektion, d. h. die Fortführung der so am Boden erwärmten, al^o spezifisch leichter gewordenen Wasserteilchen nach oben hin, ist sicherlich am wichtigsten, entzieht sich aber leider gleichfalls der unmittelbaren Beobachtung, wie der Rechnung. Dennoch lassen sich einige, wenn auch bestreitbare Anzeichen dafür nennen, daß eine vom Boden der Meere nach oben hin wirkende W^ärmequelle vorhanden sein kann. Bei Reihentemperaturen in abgeschlossenen Trogmulden von Neben - meeren, sowie in tiefen Süßwasserseen sind in einigen Fällen näher dem Boden ein klein wenig höhere Temperaturen erhalten worden. So er- kannte Nansen 2) im arktischen Zentralbecken im August 1894 eine, wie er sagt, „sehr geringe^, aber deutliche und ganz regelmäßige Zunahme der Temperaturen aWärts von 2900 m," wo sich das Minimum von — 0.81^ fand, zum Boden, wo (in 3800 m) — 0.69^ gemessen wurden, also ein Ansteigen um 0.13^ in 900 m. Auch einige Beobachtungen von Mohn aus dem tiefen Nordmeerbecken westwärts von der Bäreninsel hat Nansen schon herangezogen: da waren u. a. einmal in 2624 m: — 1.6^, am Boden in 3173 m aber — 1.5°. Nansen deutet auch an, daß die so erwärmten Tiefenschichten durch ihren reicheren Gehalt an Sedimenten schwerer bleiben können, als das darüber liegende Wasser. In den abge- schlossenen Mulden der Ostsee kann eine Temperaturzunahme nur bei völlig gleichem Salzgehalt der untersten Schichten als beweiskräftig ') Met. Zeitschr. 1897, S. 152. 2) Oceanogr. of the North Polar Basin etc. p. 341—46. Wirkung der Innern Erdwärme. 379 gelten und hierfür hat das Landsorter Tief in der Tat einige Beispiele von ganz geringem Ansteigen der Bodentemperatur geliefert: so im November 1902, wo in 280 m 4.31 ^ in 370 m aber 4.34« (bei identischem Salzgehalt von 10.3 Promille) gemessen sind; ähnlich im August 1903. Im Mittel meer versuchte Aime einige Male diese Bodenwirkung nachzuweisen, von deren Vorhandensein er fest überzeugt war; seine Instrumente ver- sagten jedoch^). In den offenen Ozeanen, wo entweder ältere Index- oder Umkippthermometer benutzt wurden, hat man eine derartig geringe Zunahme der Bodentemperatur nicht gut wahrnehmen können, auch entweder nicht danach gesucht, oder sie wohl mit Recht- auf mangelhafte Druckkorrektion zurückführen wollen, wie das von James Flint für die Bodentemperaturen in den gewaltigen, vom V.S.D. Nero geloteten nord- pazifischen Tiefen geschehen ist. FUnt erhielt als Mittelwerte (in Stufen von 1000 zu 1000 Faden): Von 3660 bis 5490 m (266 Beob.) .. 5490 .. 7320 m (188 .. ) ., 7320 ,. 9140 m (3 ., ) „ mehr als 9140 m (2 ,. ) 1.76^' 1.78"^ 1.94^' 2.19^ Aus J. Y. 'Buchanans zahlreichen Gegenüberstellungen der Temperaturen am Boden und 100 bis 250 Faden darüber, die er auf seiner Fahrt mit dem Kabeldampfer Buccaneer 1886 im Golf von Guinea erhielt, ergeben sich ebenso viele Fälle für wie gegen eine solche Zunahme zum Boden 2). Daß in Süßwasserseen diese einst allgemein angenommene Erscheinung höchst wahrscheinlich auf Fehlern der Instrumente beruhe, hat W. Ule^) als seine Überzeugung ausgesprochen. Jedenfalls ist festzustellen, daß die dem Erdinnern entströmende Wärme die ganze Meeresdecke um einen gewissen, wenn auch minimalen Betrag erwärmen wird, um dann von der Oberfläche des Meeres ebenso in die Atmosphäre hinauszustrahlen, wie vom Festlande. Da dieser Wärmestrom andauernd und überall am Meeresboden austritt, wird er weder zeitlich noch örtlich in seiner Intensität schwanken, es sei denn, daß für die verschiedenen Bodensedimente die geothermische Tiefenstufe ungleich wird^). Einige Beobachtungen über die Zunahme der Temperatur mit der Tiefe in Bodensedimenten der Beltsee hat Joh. Petersen^) ausgeführt, indem 6r ein Thermometer in einem Pfahl etwa 1 m tief in den Boden einrammte. Er fand unter anderem in der Koldingföhrde am 14. November 1891 im Bodenwasser 4.6«, in der obersten Schicht des Schlammes schon 7.5°; am 2. Dezember im Bodenwasser 3.5«, in der obersten ]5chlammschicht 5.0«, in 1 m Tiefe aber 8.0«. Bei Svendborg war am 11. Februar 1893 die Temperatur des Wassers am Boden — 0.1«, 1.25 m tief im Schlamm -|- 7.0«. Es war lange bekannt, daß gewisse •) Exploration de l'Algerie. Phvsique generale Bd. 1, Paris 1845, p. 122. ^) Scott. Geogr. Magazine ISSS,"^ p. 189. ^) Der Würmsee S. 150. Vergl. auch Petermanns Mitt. 1906, S. 41. '*) Es würde hierfür wesentlich der Gehalt an organischer Substanz in Be- tracht kommen. Vergl. J. F. Hoff mann in Beiträgen zur Geophysik, Bd. 5, 1903, S. 669 ff. 5) Det videnskab. üdbytte af Kanonb. Hauchs Togter etc. Bd. 5, Kopen- hagen 1893. p. 441. 380 I^ie räumliche Verteilung der Temperaturen. am Meeresboden lebende Tiere, wie unter anderen der Aal, sich im Winter tief in den Grundschlamm einwühlen, um sich der Kälte zu entziehen. Weitere Versuche in denselben und anderen Meeresteilen wären sehr erwünscht. Über die Zuführung der Sternenwärme sind die Meteordogen in der neueren Zeit zu resignierten Urteilen gelangt^). Langley, Newcomb und Maurer sind überzeugt, daß die vereinigte Strahlung der Sterne und der Planeten nicht dem zehntausendsten Teile einer Örammkalorie gleich- komme, und daß keine Aussicht vorhanden sei, sie jemals zu messen oder auch nur zu berechnen. Auch die Wärmestrahlung des Mondes, sowohl die reflektierte, als die eigene (dunkle), ist äußerst geringfügig und insgesamt auf wenig mehr als den hunderttausendsten Teil der Sonnen- wärme zu schätzen. Da die dunkle Strahlung hierbei überwiegt, diese aber in den obersten Schichten der Atmosphäre schon größtenteils absorbiert wird, darf man auch dem Monde als Wärmequelle für das Meer eine prak- tische Bedeutung nicht zuschreiben. Nach alledem ist die Intensität der Sonnenstrahlung, wie für die gesamte Erdoberfläche, so auch für den Ozean allein maßgebend, und zwar treffen die^ Sonnenstrahlen die Meeresoberfläche erst, nachdem sie durch die Atmosphäre hindurch gegangen und dabei erheblich modifiziert worden sind. Von den direkten Strahlen geht so ein erheblicher Bruchteil (bei senkrechtem Einfall etwa ^Z*) durch selektive und totale Absorption, sowie durch diffuse Reflexion ganz oder zeitweilig verloren; ein großer Teil der zerstreuten Strahlen kommt aber in Gestalt von diffuser Wärme der untersten Schicht der Atmosphäre wieder zu gute, und gelangt so, auch bei bewölktem Himmel, zur Meeresoberfläche. Durch xlen verschieden hohen Sonnenstand am Tage wie im Jahre, ein wenig auch durch die wechselnde Entfernung der Erde von der Sonne, wird eine tägliche und eine jährliche Periode der Erwärmung hervorgerufen. Sobald die Sonne unter dem Horizonte steht, fehlt nicht nur ihre Einstrahlung, sondern tritt im Gegenteil eine Ausstrahlung, also ein Wärmeverlust von der ganzen Erdoberfläche her gegen den kalten Weltenraum hin ein. Diese Aus- strahlung findet auch des Tages statt bei heiterem Himmel, bei bewölktem aber ist sie sehr gering. Des Nachts wieder ist sie stets vorhanden ; durch eine Wolkendecke wird sie merkhch abgeschwächt. Der jeweilige Tein- peraturzustand irgend eines Punktes der Erdoberfläche wird also bestimmt sein durch die Differenz zwischen der Wärmezufuhr durch Einstrahlung (auch Leitung) und dem Wärmeverlust durch Ausstrahlung. Ebenso wie die eben vorgetragenen Sätze gehört es zu den elemen- taren Lehren der Meteorologie, daß der Temperaturzustand der Land- und der Meeresoberfläche verschieden sein muß, weil sich der Wärme- umsatz des Festlandbodens und des Meerwassers nach anderen Bedingungen regelt. Das Festland wird nur in der obersten Schicht erwärmt, und die Wärme dringt nur sehr wenig ein, wirkt aber um so intensiver. Nachts kann wiederum die nur oberflächlich" angesammelte Wärme rasch aus- strahlen, der Boden kühlt sich bei langer Ausstrahlung sehr stark ab. Dagegen können die Wärmestrahlen bei Tage in das Meerwasser tiefer eindringen und mächtige Schichten durchwärmen: hierbei verteilt sich ') Hann, Lehrb. d. Meteorologie, Leipzig 1901, S. 21 f. Wirkung der Sonnenstrahlung und der Wellenbewegung. 381 aber auch die Intensität der Einstrahlung über größere Massen und wird das Endergebnis in einer der Landoberfläche gegenüber geringeren Er- wärmung der durchstrahlten Masse bestehen. Dazu kommt die geringe Wärmekapazität des Wassers überhaupt: um 1 ccm Ozeanwasser von 35 Promille Salzgehalt zu erwärmen, sind 0.93 Wärmeeinheiten erforder- lich (S. 279), für das gleiche Volum des festen Erdbodens nur etwa 0.6, also ^3 weniger. Außerdem findet an der Wasseroberfläche Verdunstung statt, die sich proportional der Wassertemperatur steigert (S. 245). Des Nachts dagegen wirkt die große spezifische Wärme des Wassers einer raschen und ergiebigen Ausstrahlung entgegen, die an der Oberfläche abgekühlten Teilchen sinken, weil schwerer geworden, in die Tiefe und werden durch wärmere, von unten her aufsteigende ersetzt. Dadurch wird der ganze Wärmeumsatz verlangsamt, die Spannung zwischen den Temperaturextremen im Vergleich zur Landoberfläche in der jähr- lichen Periode stark verkleinert, die der täglichen Periode ganz minimal werden. Gestört wird der Wärmeumsatz der oberen Wasserschichten noch durch drei Vorgänge: die Wellenbewegung, den Regenfall und die Be- rührung der Meeresoberfläche mit anders temperierten Luftschichten. Die Wellenbewegung wirkt zunächst ausgleichend zwischen "oberen und tieferen Schichten, und zwar um so ergiebiger, je größer die Wellen und je geringer die Wassertiefen sind. So ist es die Regel, daß die seichteren Teile der südlichen Nordsee nach stürmischem Wetter von der Oberfläche bis zum Grunde in 30 und mehr Meter Tiefe dieselbe Wassertemperatur zeigen ; nur nach ruhigen Tagen ist die oberste Wasserschixjht im Vergleich zur tiefsten wärmer im Sommer oder kälter im Winter. Das gleiche gilt, wenn auch weniger ausgeprägt und durch starke Unterschiede im Salz- gehalt beeinträchtigt, für die seichten Gebiete der Beltsee, w^ofür die älteren Beobachtungen wie auch die neueren Terminfahrten der internationalen Meeresforschung Beispiele genug darbieten. Die deutsche Terminstation 1 in der Nordsee (54"^ 41' N, 6« 12' 0, 40 m) hatte am 13. Februar 1905 nach ruhigem Wetter an der Oberfläche 4.00®, am Boden 4.24*' (mit den Salzgehalten 34.09 und 34.32 Promille), genau 1 Jahr später aber nach starken Weststürmen von oben nach unten gleichmäßig 4.79® und 34.54 Promille. Am 2. August 1904 hatte dieselbe Station nach ruhigem Wetter an der Oberfläche 19.69®, am Boden 12.81® (mit 34.16 und 34.24 Promille), dagegen am 11. August 1905 nach längerem Sturm überall 16.71® (und 34.09 Promille). Die schottische Terminstation 22 in der Nordsee (59® 36' N, 0® 41' W.) aber war am 22. Februar 1905 mit der gesamten Wasser- säule von der Oberfläche bis in l35 m Tiefe hinab völlig homogen bei einer Temperatur von 6.66® bis 6.67® (und 35.23 Promille) — eine Wellenwirkung von ungewöhnlicher Tiefe. Die deutsche Terminstation 3 im Alsenbelt (54® 36' N., 11® Ol' 0., 34 m) zeigte am 10. Februar 1904 die normale Winterschichtung bei ruhigem Wetter mit 1.64® an der Oberfläche und 4.24® am Boden (bei 12.0 und 25.4 Promille Salzgehalt); 1 Jahr darauf am 1. Februar 1905 war nach stürmischen Winden die Temperatur oben und unten fast identisch (1.10® und 1.06®), ebenso der Salzgehalt (17.4 Promille). Auch aus Süßwasserseen kennt man diese Wellenwirkung. E. Brückner fand nach einem heftigen Sturm am 25. August 1896 im Brienzer See die 382 ^ie räumliche Verteilung der Temperaturen. sommerlich scharfe Temperaturschichtung völlig aufgehoben und bis 20 m (tiefer konnte nicht gemessen werden) alles gleichmäßig temperiert'). Nach der mechanischen Wärme theorie sollte sich die heftige Brandung der Meereswellen in stürmisch bewegter See in Wärme umsetzen. Es ist aber bisher kein Anzeichen dafür bekannt geworden, daß diese Wärmeproduktion wirklich in meßbarem Grade stattfände. Da sie die oberste Schicht allein be- einflussen kann, verbirgt sich ihre Wirkung vielleicht unter den sonst schon die Oberfläche erwärmenden Vorgängen. Die Wellenbewegung muß sodann außerdem dadurch ungünstig wirken, daß die Sonnenstrahlen durch die unregelmäßige Oberfläche reich- licher zur Totalreflexion kommen, wie man beim Tauchen oder von einem Boote aus schon an der Schatten Wirkung auf weißem Sandgrunde deutlich wahrnehmen kann. Ebenso behindert die Schaumbildung ein tieferes Eindringen der Sonnenstrahlen. Der Regenfall wirkt namentlich in den tropischen und subtropischen Meeren meistens deutlich abkühlend auf die Meeresoberfläche ein, da die Regentropfen beim Fall aus der Wolkenschicht in die Tiefe die kühleren Luftteilchen mit sich reißen und die normale Erwärmung der herab - beförderten Luft ausbleibt, weil sie durch partielle Verdunstung der Regentropfen aufgezehrt wird. In unseren Breiten ist die Temperatur des Regenwassers um 0.8 bis 1.3°. in Oberitalien im Winter l.P, im Sommer 3.P kälter als die Luft 2). Die Luft selbst wird also durch Regen- fälle ausgekühlt und kann darum auch der Meeresoberfläche größere Wärme- mengen entziehen, abgesehen von der die Insolation hindernden Wolken- decke und der unmittelbar abkühlenden Wirkung der Regentropfen auf die Wasseroberfläche, die aber nach G. Schotts Messungen selten 0.7° übersteigt^). Die Wirkung anders temperierter Luftmassen auf die Meeresober- fläche ist aber an sich gar nicht groß. Die spezifische Wärme, die für See- wasser von dem Werte 1 wenig verschieden ist (S. 279), beträgt (für gleiches Volum) für die Luft nur 0.000 307 ; es müssen also ungeheure Luftmassen ihre Wärme abgeben , um eine oberflächliche W^asserschicht merklich zu erwärmen. Von dem Eingreifen der Verdunstung wird gleich ausführ- licher die Rede sein. 3. Die tägliche Periode der Oberflächentemperatur. Die geringe Amplitude der täglichen Erwärmung der Meeresober- fläche ist schon AI. v. Humboldt^) nicht entgangen: in den tropischen Meeren fand er den Temperaturunterschied um Mittag und Mitternacht zu 0.76^; die extremen Werte betrugen dabei 0.2° und 1.2°. Sehr viel geringer wäre nach Alex. Buchan die Amplitude nach 4jährigen Beob- achtungen (1859 — 1863) des Kapitäns Thomas in den Gewässern um Schottland, nämlich nur 0.17°; das tägliche Minimum, durchschnittlich 0.09° unter dem Mittel, trat um 6 Uhr morgens, das Maximum mit 0.07° ') Dr. Max Groll, Der öschinensee (Dissertation). Bern 1904, S-. 46. 2) Kann, Lehrbuch d. Met. (1901) S. 303. 3) Petermanns Mitt., Ergänzungsheft 109, 1893, S. 12—15. ^) Relation histor. Bd. 3, Paris 1816, p. 523. Die tägliche Periode an der Oberfläche. 383 zwischen 3 und -1 Uhr nachmittags ein, die Mitteltemperatur wurde um 11 Uhr vormittags und kurz vor 2 Uhr nachts durchlaufen. Das wert- vollste Material hat die Challengerexpedition mit ihren alle 2 Stunden ausgeführten Beobachtungen beigebracht; es ist ebenfalls von Alex. BuchanM übersichtlich bearbeitet worden. Leider sind dabei die störenden Einflüsse des Übergangs in verschieden temperierte Meeresströmungen nicht ausgeschaltet worden und darum manche der berechneten ötägigen Mittel arg entstellt. Immerhin sind die Mittelzahlen für größere Gebiete von Wert: die Amplitude aller Beobachtungstage nahe am Äquator im Atlantischen und Pazifischen Ozean ist darnach = 0.40^, die des Nord und Südatlantischen Ozeans jenseits 10^ N. und S. B. =0.44^, der hohen Südbreiten des Indischen Ozeans (60^ S. B.) nur — O.IP; des Nordpazifi- schen Ozeans = 0.56°, des Südpazifischen = 0.50°, diese beiden wieder außerhalb der Äquatorialzone verstanden. Ich habe, um den rein ozeani- schen Gang der täghchen Periode. zu verdeutlichen, drei Gruppen von Pentadenwerten zusammengefaßt, von denen die erst^ nordpazifische 30 Tage (vom 22. Juni bis 21. Juli 1875) auf der Fahrt des Challenger zwischen 32° und 35° N. und 161° 0. bis 155° W. L., die zweite südpazi- fische ebenfalls 30 Tage (vom 14. Oktober bis 12. November 1875) entlang 38° S. zwischen 133° und 87° W. L. umfaßt. Eine dritte Reihe aus dem Nordatlantischen Ozean (30 Tage vom 10. Februar bis 10. März 1873) bezieht sich auf die Fahrt von den Kanarischen Inseln nach St. Thomas (vergl. die graphische Darstellung Fig. 52 S. 384). Täglicher Gang der Oberflächentemperatur im offenen Ozean. 1 i 2« 4a 6^ 8« 10« 12'» 2p 4^ Qp SP lOP 12'« 1 I II III 0.18 0.06 0.23 0.28 0.10 0.27 0.19 0.13 0.23 0.17 0.17 0.02 0.04 0.04 0.27 0.14 0.12 0.30 032 0.26 0.28 0.29 0.26 0.20 0.22 0.14 0.14 0.10 0.02 0.00 0.07 0.06 0.18 0.13 0.06 0.20 Mittel 0.16 0.19 0.19 0.12 0.06 0.19 0.29 0.25 0.17 0.04 0.10 0.13 Die Werte über dem Tagesmittel sind fett gedruckt. Aus der graphischen Darstellung der vier Kurven kann man ent- nehmen, daß die täghche Amplitude für den offenen Ozean (9Ö Tage) nur 0.50° betrug; im Nordpazifischen war sie 0.61°, im Südpazifischen 0.44°, im Nordatlantischen 0.59^. Die höchste Temperatur wurde dabei um 2^/2 Uhr nachmittags erreicht; im Nordatlantischen aber schon um 1 Uhr. Das Temperaturminimum trat im Mittel um 5 Uhr früh ein, im Südpazifischen Gebiet aber erst um 8 Uhr. Das Tagesmittel wurde um 9V2 vormittags und 8^/2 abends durchlaufen, die Temperatur befand sich also 11 Stunden über, 13 unter ihrem Mittelwert. Doch passiert die Kurve diesen am Vormittag auf der Nordatlantischen Strecke schon kurz vor 8, auf den beiden Pazifischen etwas nach 10 V2 Uhr. Von abends 10 bis ') Challenger Reports, Physics a. Chem. Bd. 2, Teil 5, p. 384 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. morgens 6 Uhr ist der Temperaturabf all nur gering. Alle diese Werte können nur angenähert als typisch gelten, und bei der Kleinheit der ganzen Ampli- tude wird es immer Schwierigkeiten haben, die charakteristischen Punkte Fig. 52. U^ ^Ä ^a ^(L ga j^a j^a ^P «^ 6^ S^ 10^ 12^ ^^ 1 — ^— r 12^ 2"" ga jgci f^a 2^ 6^ 8P 10^ 12^ 2^^ Täglicher Gang der Oberflächentemperatur im offenen Ozean. I im Nordpazifischen, II Südpazifischen, in Nordatlantischen Ozean, IV Mittel aus /, //, ///. der Kurve festzulegen. So muß einstweilen auch der von H. N. Dickson für die britischen Küstengewässer als bewährt bezeichneten Regel, das Mittel aus den beiden Beobachtungen um Sonnenaufgang und 4 Uhr nachmittags als Tagesmittel zu nehmen, allgemeine Gültigkeit vorent- halten werden, wie schon ein Blick auf Fig. 52 erweist. — Die in allen Die tägliche Periode der Oberflächen temperatur. 385 Einzelheiten veröffentlichten Beobachtungen der Challenger- und der Gazelleexpedition würden noch eine weitere Untersuchung in der Hin- sicht gestatten, wie das herrschende Wetter den Gang der täglichen Tem- peraturkurve beeinflußt. Auf Grund einer wohl nicht ganz ausreichenden Zahl von Beobachtungstagen auf seiner Segelschiffsreise 1891 — 1892 hat Gerh. Schott i) für das tropisch erwärmte Oberflächenwasser die Be- ziehungen zur Bewölkung und Luftbewegung untersucht. Jede Gruppe enthielt 10" bis 15 Beobachtungstage und ergab folgende Amphtuden: 1. Bei mäßiger bis frischer Brise: a) mit bedecktem Himmel b) mit fast klarem oder wolkenlosem Himmel 2. Bei Windstille oder ganz flauem I.uftzug: c) mit bedecktem Himmel d) mit fast klarem oder wolkenlosem Himmel Mittel i Max. ] Min. 0.39 <> 0.6 <> I 0.0" 0.71« 1.1« i 0.30 0.93 «^ 1.4'^ 1590^ 19« 0.6" 1.2« Bei einer auffallend hohen GesamtampUtude von 0.90^ zeigt sich durchschnittlich bei energischer Luftbewegung ein Rückgang auf 0.55**, bei flauem Wind aber ein Wachsen auf 1.26^, also auf mehr als das Doppelte, sobald man von der Bewölkung absieht. Nimmt man umgekehrt keine Rücksicht auf den Wind, so ist die tägliche Schwankung an stark bewölkter Tagen 0.66°, an klaren L 15°. Die vorher erwähnte Wirkung des Windes, der mit seinen Wellen die oberen, wärmeren, mit den tieferen, kühleren, Schich- ten ergiebig durcheinander mischt und auch die Verdunstung fördert, kommt in diesen Zahlen vortrefflich zum Ausdruck. Schott fand das Minimum der Temperatur meistens früh 4 Uhr, das Maximum nachmittags zwischen 12 und 4 Uhr, und zwar bei frischem Wind oft genau um Mittag, sonst um so mehr verspätet, als die Windstärke geringer war, so daß es sich bei Windstille oft erst um 4 Uhr nachmittags einstellte. Neuere Messungen in den britischen Küstengewässern hat H. N. Dickson^) ausführlich bearbeitet; sie erstreckten sich bei einzelnen Sta- tionen auf 18 Jahre und mehr, und erfolgten täglich zweimal, früh um Sonnenaufgang und nachmittags 4 Uhr, durch alle Monate. Die an der Westseite, gegen den Atlantischen Ozean hin, frei exponierten 18 Stationen hatten darnach im Durchschnitt eine tägliche Amplitude von 0.39°, 3 Stationen der Nordseeküste 0.44°, ebensoviel 4 Stationen am Irischen Kanal. — Bemerkenswert ist ein hierbei zum ersten Male erkannter Unter- schied der Amplitude in den Jahreszeiten : in den Winter- und den Sommer- monaten ist die tägliche Temperaturkurve flach, dagegen im Frühling und Herbst stärker bewegt. Doch sind auch Abweichungen von dieser Regel nicht selten, wobei dann die Juni- oder Juliamplitude den größten Betrag zeigt. Dieses Verhalten bedarf noch näherer Untersuchung, wie auch die Wahrnehmung Dicksons, daß seewärts von den Küsten die Am- plitude allgemein kleiner wird: sie hat im Süden der Britischen Inseln 0.28°, bei den Orkney- und Shetlandinseln nur 0.11° bis 0.17°. Das letztere ') Petermanns Mitt. Ergänzungsheft 109, 1903, S. 11. -) Quart. Journ. R. Met. Soc. Bd. 25, 1899, p. 293 f. Krümmel, Ozeanographie. I. 25 386 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. würde zu den Beobachtungen Mohns auf der norwegischen Nordmeer- expedition passen, der die Amphtude zwischen Island und Norwegen zu 0.11 ^ fand, sie allerdings im warmen Strom westlich von den Lofoten bis auf 0.68^ anwachsen sah und im kalten Gebiet bei Jan Mayen noch 0.61°, in der Barentssee 0.5P, in der Adventbai Spitzbergens 0.37° beobachtete. Im übrigen läßt sich über geographische Unterschiede dieser täglichen Periode zur Zeit nichts Wesentliches hinzufügen. 4. Beziehungen zwischen der Luft- und Wassertemperatur. Vergleich^ nan den täglichen Gang der Lufttemperatur mit dem Temperaturgai,^ der Meeresoberfläche, so zeigt sich nach den überein- stimmenden Untersuchungen von Mohn und Hann eine entschiedene Unabhängigkeit beider voneinander. Indem Hann^) aus dem Material der Challengerexpedition Mittelwerte benutzte, die Buchan aus den 126 Tage umfassenden parallelen Beobachtungen im Nordatlantischen Ozean gebildet, erhielt er nach rechnerischer Ausgleichung der Zahlen folgende Temperaturen und Differenzen: Zeit 1« 3« 5« 7« 9« 11« 1. SP 5J> 7p 9p IIP Wasser Luft 19.8 18.9 19.7 18.9 19.8 19.0 19.8 19.2 20.0 19.6 20.1 20.2 20.1 20.6 20.2 20.6 20.1 20.3 20.0 19.7 19.9 19.3 19.8 19.0 Diff. 0.9 0.8 0.8 0.6 0.4 -0.1 -0.5 -0.4 -0.2 0.3 0.6 0.8 Man sieht, wie während der Nacht das Wasser erheblich wärmer ist, als die Luft (um 1" : 0.9^), bei Tag aber die Luft nur wenig wärmer wird, als die Meeresoberfläche (der Überschuß um 1^ ist nur: 0.5°). Das Maxi- mum der Lufttemperatur tritt eine Stunde früher ein, als im Wasser. Der Vergleich dieser Zahlen mit unseren Kurven (Fig. 52, Kurve III) wird uns freilich vor einer Verallgemeinerung warnen. Eine Tatsache von größter Bedeutung ist aber aus den Parallelwerten der Tabelle sofort ersichtlich : die Meeresoberfläche ist im allgemeinenwärmer, als die darüberliegende Luft. Die zugehörigen Mittelwerte sind für den ganzen Tag 19.95*^ und 19. 6P, ergeben also einen Überschuß von 0.34° zu Gunsten des Wassers. Diese allgemeine Regel hat ebenfalls Humboldt''^) schon auf seiner Fahrt nach Südamerika erkannt; „der gewöhnlichste Zustand des Ozeans," sagt er, „vom Äquator bis 48° N. und S. B. ist der, daß die Meeresoberfläche wärmer ist, als die darauf ruhende Atmosphäre." Gewiß ist der Unter- schied nur gering und übersteigt das für den Nordatlantischen Ozean angegebene Maß nur selten und aus besonderen örtlichen Ursachen. Nach der umfassenden Darstellung, die W. Koppen 2) nach dem vorhandenen ^) Lehrb. d. Met. (1891) S. 61. Buchans Zahlen beziehen sich auf die Zeit vom März bis August 1873 und April-Mai 1876, und eine mittlere geogr. Breite von 30" N. 2) Relation historique Bd. 3, p. 523. ^^ Ann. d. Hydr. 1890, S. 445-454. Beziehungen zwischen der Luft- und Wassertemperatur. 387 gedruckten und handschriftlichen Material der Seewarte von diesem Problem sjegeben hat, ist für den Nordatlantischen Ozean zwischen 20° und ÖO«^ N. B., 10« bis 40« W. L. der Überschuß der Wassertemperatur im Jahresmittel = 0.24°, für die tropischen Breiten zwischen 20« N. und 10« S. unter gleichen Längen —0.22«, und im Indischen Ozean zwischen 15« N. und 15« S. B. = 0.2«, südlich davon zwischen 15« und 35« S. B. = 0.3«. Nach Dickson ist das Meerwasser in der Nähe der ostenglischen Küste im Jahresdurchschnitt nur 0.11« wärmer, dagegen nordwestlich von Schottland um 1.06« (im November 1.94«; dagegen im Juli kälter als die Luft um 0.33«). Nach Mohn ist im Sommer die Meeresoberfläche zwischen Island und Norwegen um 0.76« wärmer als die Luft, im warmen Strom westwärts von den Lofoten aber nur um 0.23« ; im Winter würde die Diffe- renz sicherlich höher befunden worden sein. Denn sonst wächst in den höheren Breiten dieser Überschuß im Bereiche warmer Meeresströmungen, während die Gebiete der kalten Ströme ein abweichendes Verhalten zeigen. So ist nach dem Material der Deutschen Seewarte mitten im Nordatlanti- schen Ozean zwischen 40« und 50« N., 35« und 45« W., also über der Golfstromtrift die Meeresoberfläche im Jahresmittel um 1.4« wärmer; den gleichen Betrag erhält Koppen für den Bereich des Agulhasstroms südlich vom Kapland (35« bis 40« S., 20« bis 35« 0.). Zu extremen Werten kommt es dabei im Winter: im erwähnten Golfstromgebiet auf 3.1« im Februar, im Agulhasstrom auf ebenfalls 3.1« im August. Im Sommer aber ist auch im Golfstromgebiet die Luft höher erwärmt als die Meeres- oberfläche, nämlich im Juni und Juli um 0.2«, während im Agulhasstrom die Luft immer kühler bleibt, wenn auch nur 0.4« im November. Für das Mittelländische Meer hat J. Hann^) nach deutschen von der Seewarte veröffentlichten Beobachtungen das Wasser um 0.3« im Jahresmittel wärmer gefunden, als die Luft. In den Wintermonaten erhebt sich dieser Unterschied auf mehr als 1« (im Dezember 1.7«, Januar 1.5«), dagegen ist im Sommer das Meer etwas kälter als die Luft, am meisten im Juli mit 0.7«, aber auch im Mai schon beträchtlich (0.5«). Im Mittelmeer vor Algier ergaben ältere 5jährige Beobachtungen nach Aime'^) einen Überschuß der Wassertemperatur über die der Luft von 0.2« im Jahresdurchschnitt; doch bestanden starke jahreszeitliche Unterschiede: im Frühling und Sommer war das Wasser um 0.8« kälter, im Herbst um 0.6«, im W^inter um 2.0« wärmer, als die Luft. — Im eigentlichen Floridastrom kann es im Winter, wenn starke Nordwest- winde die eisige Luft des nordamerikanischen Festlands aufs Meer hinaus- führen, zu ganz auffallenden Erscheinungen kommen, wenn das W^asser bis 15«, ja 19« wärmer ist, als die winterliche liuft darüber. Das Golfstromwasser, auch im Januar 20« und höher erwärmt, dampft alsdann, es erheben sich Dampfsäulen, die bis in die Wolken reichen und Wasserhosen gleich erscheinen-''). Unter Umständen bleibt sogar die Lufttemperatur dabei unter 0«, und dann gefrieren die Wasserdämpfe zu Staubschnee, wie er sonst unter dem Namen des Frostrauchs über Waken im Eise in allen nordischen Gegenden, bei kaltem 1) Met. Zeitschr. 1906, S. 316 nach Ann. d. Hydr. 1905, Beilageheft. — Für das Adriatische Meer vergl. A. Gavazzi in Rivista Geogr. Italiana4, 1897, fasc. 5/6 (auch Peteimanns Mitt. 1898, Lit. Ber. 613). 2) Exploration de i'Algerie Physique generale. Bd. 1, Paris 1845, p. 116. ^) Beispiele aus den Schiffstagebüchern der Seewarte bei Koppen a. a. U. S. 446. 3§8 ^i® räumliche Verteilung der Temperaturen. Winter Wetter auch am Strande norwegischer Fjorde öfter beschrieben, und auch an der Kieler Föhi>de einigemal von mir beobachtst ist. Über kalten Meeresströmen bleibt die Luft während vieler Monate des Jahrs wärmer, als das Wasser, was im Sommer aus den Polarmeeren häufig berichtet wird: Mohn fand im kalten Strom bei Jan Mayen die Luft um 1.13'\ in der Barentssee um 0.49^ während der Sommermonate wärmer. Dasselbe ist der Fall östlich von der Neufundlandbank (40° bis 50° N., 45° bis 50° W.) dauernd, von April bis September (beide Monate einge- schlossen), im Mai ist die Luft 1.4°, im Juni und Juli L2° wärmer als die Meeresoberfläche, während im Winter wieder letztere wärmer ist (so im Januar um 1.9°). In den höheren Breiten südlich vom Agiilhasstrom (40° bis 45° S.. 25° bis 60° 0.) ist dauernd das Meer kälter, im Jahres- durchschnitt um 0.4°, im Dezember um 0.9°, nur im Südwinter etwas wärmer (im Mai und JuH). Extreme Fälle liefern hier wieder Küstengebiete mit aus der Tiefe aufquellendem, kaltem Wasser, namentUch an den Westküsten Afrikas und Amerikas, wovon später die Rede sein wird. Auch im ofte nen Tropenozean gibt es Gebiete, wo dauernd die Lufttem- peratur höher ist: so im Atlantischen Ozean zwischen 0° und 4° S. B., 15° bis 25° W. L., wo die Oberflächentemperatur im Jahresdurchschnitt um 0.2° niedriger bleibt, als die der Luft, nur im April ist das Wasser um 0.3° wärmer, im Mai und Juni sind beide gleich, im August aber ist die Luft um 0.4° wärmer, im Dezember sogar um 0.6°, trotz der extremen Sonnenstände. Auch hier ist aufquellendes Wasser beteiligt, ebenso in den ähnlichen Fällen des äquatornahen pazifischen Gebiets westwärts von den Galäpagosinseln. Ein merkwürdiges Verhalten zeigen, wie Koppen zuerst erkannt und Carl Seemann^) näher ausgeführt hat, die Gewässer des Australasiatischen Mittel- meers mit den nächstliegenden Grenzgebieten des tropisch warmen Pazifischen Ozeans: hier ist im August und November die Meeresoberfläche auf 28° bis 29° und höher erwärmt, während die Lufttemperatur namentlich entlang den Küsten erheblich, stellenweise 2° bis 3° darunter bleibt. Seemann hat das auf die im Spätsommer und Herbst herrschenden Meeresströmungen und zugleich auf die auskühlende Wirkung der Monsunregen auf die untersten Luftschichten zurückgeführt. 5. Das Eindringen der Wärme in die Tiefe. Über die Tiefe, bis zu der die tägliche Periode der Wassertemperatur vordringt, liegen nur sehr wenige Untersuchungen vor. Auch hier hat Aime^) als Bahnbrecher gewirkt, leider ohne gleich beharrliche Nach- folger zu finden. Er leitete zwei Reihen von Beobachtungen ein, wobei er von Meter zu Meter Tiefe die Temperaturen verglich ; die erste Reihe zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sollte die Einstrahlung bei Tage, die zweite zwischen Sonnenuntergang und -aufgang die nächtliche Aus- strahlung feststellen. Er beobachtete nur bei ruhigem Wetter, um die störenden Mischungen der Wasserschichten durch den Seegang auszu- ^) Ann. d. Hydr. 1892, 8. 57—63. 2) A. a. O. 117—121. Das Eindringen der Wärme in die Tiefe. 389 schalten. Er erhielt so aber nur 11 brauchbare Serien für die Nacht, 17 für den Tag (zwischen März und August 1844), was natürhch noch nicht aus- reicht, um den Gang der Erwärmung und Abkühlung genauer zu ver- folgen. Aime fand die größte Tiefe, bis zu der sich nächtliche Auskühlung bemerkbar machte, im Mittel zu 19m ; für die tägliche Erwärmung aber nur 17 m im Mittel, jedoch für Juli und August höhere Werte (bis 25 m bei un- bewölktem Himmel). Ich setze zwei Beobachtungsreihen hier ein. 1. Nächtliche Abkühlung (Aprü 1844) 2. Tageserwär mun (Juli 1844) Tiefe m ' Temp abends 3ratur morgens Differenz Tiefe ra Temperatur morgens j abends Di fFerenz 0 15.1« 14.6° 0.50 0 22.2» 236" 1.4" 2 15.1 14.6 0.5 1 21.0 23.0 2.0 4 15.0 14.5 0.5 10 i 19.0 20.0 1.0 6 14.8 14.5 0.3 15 18.5 19.0 0.5 10 14.6 14.4 0.2 20 18.2 18.6 0.4 14 1 14.4 14.3 0.1 25 17.8 180 0.2 18 ' 14.3 14.3 0.0 30 17.6 17 5 -0.1 22 14.3 14.2 0.1 j Aime macht weiter darauf aufmerksam, daß nach ruhigen, klaren Nächten häufig die Oberfläche am Morgen kühler war, als tiefere Schichten : so maß er am 17. Mai 1844 an der Oberfläche und in 1 m Tiefe 17.6^. in 2 m: 17.7°, in 3 m: 17. 9^^, in 4 m wieder 17. 6^ In einzelnen Fällen betrug die Differenz in den obersten 3 m bis 0.4°. Leider ist die See vor Algier wegen des gelegentlich starken Zustroms von kaltem Wasser kein sehr günstiges Feld für solche Beobachtungen. Die Gegend östlich von Syrakus wäre dazu besser geeignet, sie bietet größere Ruhe und gleich erhebliche Meerestiefen in kurzem Abstände vom Lande. Aimes Beobachtungen für die Tagesstunden beruhen auf der Voraus- setzung, daß die Temperaturen den Tag hindurch stetig bis zum Abend in die Tiefen hinab fortschreiten. Das ist aber eine unbewiesene, ja unwahr- scheinliche Annahme, wie aus den Beobachtungen von V. Hensen ^) während der Planktonexpedition hervorgeht. Hensen bediente sich träger Thermo- meter, deren Hartgummihülse so stark bemessen war, daß sie sich in 25 Minuten auf die richtige Temperatur einstellten; diese selbst war auf 0.02° genau abzulesen. Da der Expeditionsdampfer während der Arbeiten im tropischen Ozean viele Stunden hindurch trieb, war es in 15 Fällen möglich, die Thermometer am Heck auszuhängen und den Gang der Wasser- temperatur in 0.5, 4 und 8 m, später in 5.5 und 10.5 m zu verfolgen. Auch diese Beobachtungen geben noch kein durchaus klares Bild, lassen aber doch einige wichtige Tatsachen erkennen. Im ruhigen und sonnigen Wetter der Sargassosee stieg am 16. August 1889 (31° 8' N., 48° 32' W.) die Wassertemperatur von vormittags 9^** bis nachmittags r° in 0.5 m Tiefe um 0.22°, in 4 m um 0.30°, in 8 m um 0.27°. Es kamen auch stärkere Anstiege vor; so am 18. August in 0.5 m innerhalb 100 Minuten (von ') Ergebnisse der Planktonexped. Bd. 1, B (Methodik), Kiel 1895, S. 121— 127. 890 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. 10^ bis 11^5 vormittags) um 0.52 ^ An demselben Tage war darauf von vormittags IP^ bis abends G^^ der Gang ein anderer: nahe der Ober- fläche in 0.5 m fand sich eine Erniedrigung um 0.20°, dagegen in 4 m noch ein Ansteigen um 0.08^ in 8 m um 0.12^ In den Abendstunden schreitet auch die Erniedrigung weiter in die Tiefe vor: am 4. September (50 46' N., 20° 16' 0. im Guineastrom) von 5^8 bis ö^^p, also in fast einer Stunde, war in 0.5 m die Temperatur um 0.13°, in 5.5 m um 0.03°, in 10.5 m um 0.10° niedriger geworden. — Bemerkens- wert ist aber das Verhalten bei bedecktem Himmel und Regenfällen. Am 22. August (in 27° 6' N., 33° 18' W.) war nach Regenschauern, die in anhaltenden Staubregen übergingen, von 8^^ bis 10^^ vormittags nicht nur in der Oberschicht, sondern auch in der Tiefe eine allgemeine Abnahme der Temperatur vorhanden: in 0.5 m um 0.10°, in 5.5 m um 0.14°, in 10.5 m um 0.07°. Oberflächen- und Lufttemperatur waren dabei über- einstimmend = 24.7°. — Als mittleres Maß des Temperaturwechsels aus allen seinen Beobachtungen findet Hensen für 0.5 m stündUch 0.070°, für 10.5 m stündlich 0.029°. In den einzelnen Fällen ergeben sich jedoch große Unterschiede; so ist der stündliche Zuwachs füt den 16. August (s. o.) in 0.5 m = 0.058°, in 4 m =:: 0.079°, in 8 m =:= 0.071°; am 18. August in 0.5 m sogar 0.306°, aber in 4 m = 0.041°, in 8 m =0.012°. Es ist keine Frage, daß hierbei die verschiedene Bewölkung des Himmels in den der Insolation vorangegangenen Morgen- und Nachtstunden von Bedeutung ist. Hensen verweist außerdem auf die senkrechten Bewegungen der Planktonorganismen, die bei Tage sinken, nachts aufsteigen, wenn er dieser Erscheinung auch kein großes Gewicht beilegen möchte. Sehr richtig aber bezeichnet er es als unerläßlich, diese täglichen Temperatur- änderungen in den oberen Meeresschichten auf hoher See systematisch zu untersuchen, wenn es auch dabei nicht zu vermeiden sein wird, das Schiff 24 Stunden und länger frei treiben zu lassen. Es handelt sich eben „um den ürvorgang, von dem die weitere Verteilung der Wärme im Meere abhängig sein muß ". Insbesondere empfiehlt er hierbei auch, die Tem- peraturen an der eigentlichen Meeresoberfläche genauer zu verfolgen, wozu die analogen Forschungen in Süßwasserseen inzwischen geeignete Thermometer^) geschafien haben. Bei der Spärlichkeit unmittelbarer Beobachtungen ist auch jeder indirekte Weg zur Aufhellung des Problems noch nützlich. Einen solchen hat Jos. Luksch versucht, indem er bei den Forschungsfahrten der Pola im östlichen Mittelmeer und Roten Meer die Reihentemperaturen, die auf einander nahegelegenen Stationen zu verschiedenen Tagesstunden genom- men waren, miteinander verglich. Sein in dieser Beziehung reichhaltiges Material 2) verdiente wohl eine sehr viel genauere Durcharbeitung. Luksch kam zu der Überzeugung, daß die täglichen Änderungen unter Umständen bis in 100 m Tiefe hinabreichten, wobei die Temperaturmaxima sich nach der Tiefe hin stetig verspäteten und in 100 m erst sogar des Morgens eintreten könnten; außerdem aber wollte er auch andere Ursachen (in Ge- ^) K. Schuh in Peterinanns Mitt. 1901, S. 57. ') Denkschr. Wiener Akad. Bd. 59, S. 67—72; Bd. 60, S. 114—118; Bd. 65, S. 403—409; Bd. 69, S. 376—378. Das Eindringen der Wärme in die Tiefe. 391 stalt horizontaler und vertikaler Strömungen) für die aufgefundenen Temperaturänderungen nicht ausschließen. Zahlreiche Stationspaare lassen tatsächlich zwischen den frühen Morgen- und ersten Nachmittagsstunden eine kräftige Fortführung der Wärme nach Tiefen bis 70 m, in einigen Fällen noch in 100 m erkennen, wie folgende vier Reihen aus dem Roten Meer erweisen mögen. Tiefe 1 i 46 47 75 76 119 120 128 129 m S 63«a 2'op 62"a 1 8> ira 3^p 6'^a 3'^'p 0 ■ 28.7'' 29.50 i 26.8" 27.90 25.10 25.90 23.00 23.20 1 28.7 29.5 26.9 27.9 25.2 25.9 1 23.1 23.4 2 ; 28.7 29.5 i 27.0 28.0 25.3 26.0 23.1 23.5 10 i 28.8 29.2 ; 27.1 27.8 25.2 25.9 23.0 23.3 20 28.8 29.0 1 27.1 27.6 25.1 25.6 23.0 23.2 40 i 28.6 28.8 1 27.2 27.4 25.1 25.4 23.0 23.2 70 ! 27.2 27.5 26.6 26.7 1 25.0 25.3 23.0 23.2 100 1 25.8 26.0 25.8 25.6 25.0 25.1 23.0 23.2 Abstand Datum 25 Sm. 14. Nov. 1895 45 Sm. 1. Dez. 1895 27 Sm. 8. Jan. 1896 25 Sm. 13. Jan. 1896 Ein zweiter indirekter, aber noch weniger einwandfreier Weg wird sich aus der Analyse der Vorgänge ergeben, die überhaupt hier maßgebend sind und die wir nunmehr betrachten müssen: es kann sich auch hier nur um Leitung, Strahlung und Fortführung (Konvektion) der Wärme handeln. Die Leitung der Wärme in die Tiefen hinein ist im Meere außerordentlich langsam. Wir haben jetzt genauere Rechnungen darüber von G. Wegemann 1), die unter der Annahme ausgeführt sind, daß eine durchweg auf 0° temperierte W^assermasse von 5000 m Tiefe von der Oberfläche aus durch eine stetige Wärmequelle von 30^ erwärmt werde und keine anderen Kräfte den Vorgang stören. Dann ist nach 100 Jahren in 100 m Tiefe noch kein nachweisbarer Bruchteil der Oberflächentem- peratur angelangt, nach 1000 Jahren ist in 300 m noch nicht einmal der hundertste Teil der auf die Oberfläche wirkenden Wärme vorhanden, €s braucht 10 000 Jahre, daß dieser kleine Bruchteil bis 1000 m vordringt, in 1 Million Jahre erreicht er 4900 m. In 100 m ist nach 1000 Jahren die Temperatur 7.3^ in 200 m erst 0.6«. Die Temperatur von 15« ist nach einem halben Jahre bis 1.3 m, nach 1 Jahr bis 1.85 m, nach 10 Jahrer erst bis 5.8 m vorgerückt. Hieraus geht hervor, daß man die Leitung der Wärme von der Oberfläche nach der Tiefe bei der Untersuchung der tä^^ liehen und auch der jährlichen Periode völlig vernachlässigen darf und da sie erst für geologische Zeiträume, wo es sich um Millionen von Jahre handelt, in Betracht kommen könnte. Von der Wärmeleitung, die sich stets von einem Wasserteilchei zum nächsten vollzieht, ist die Wärmestrahlung wohl zu unter- ') Wiss, Mecresuntersuchungen der Kgl. Komm, zur Unters, der deutschen Meere, Kiel 1905, Bd. 8, S. 137— 143 und Ann. d. Hydr. 1905, S. 206 und 281 — Vergl. oben S. 280. 392 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. scheiden als eine Bewegung des alles durchdringenden Äthers, die also weder vor festen Körpern, noch vor dem luftleeren Raum haltmacht. Die moderne Physik behandelt die Wärmestrahlen also als Ätherwellen, die sich nur durch größere Wellenlänge und langsamere Schwingungsdauer von den sichtbaren Lichtstrahlen unterscheiden. Wie es durchsichtige und undurchsichtige Körper gibt, so auch für Wärmestrahlen leicht, schwer oder fast gar nicht durchgängige. Durchsichtige Körper sind auch nicht jedesmal zugleich diatherman, wie schon das Beispiel des Eises zeigt, das fast gar keine Wärmestrahlen hindurchläßt, wohl aber Lichtstrahlen; während Kochsalz ebenso durchsichtig wie diatherman ist. Wie die Licht- strahlen werden die Wärmestrahlen in den verschiedenen Medien ver- schieden stark gebrochen, reflektiert oder absorbiert. Jeder Körper empfängt nicht nur Wärmestrahlen, sondern sendet auch solche selbst gegen seine Umgebung aus. Wenn man den Wärme verlust durch Aus- strahlung äquivalent setzt der lebendigen Kraft der ausgesandten Wellen, und weiter annimmt, daß sich die lebendige Kraft der absorbierten Wellen im Innern des getroffenen Körpers ganz in Wärme verwandelt, so kommt man zum sogenannten Kirchhoffschen Satz, wonach das Verhältnis zwi- schen dem Emissionsvermögen und dem Absorptionsvermögen bei der- selben Temperatur für alle Körper dasselbe ist. Leider ist unsere Kenntnis der numerischen Werte der Strahlungskonstanten allgemein noch sehr rückständig, und so wissen wir auch über die Strahlung der Wärme des reinen Wassers, wie bereits früher schon zu klagen war, nichts, von der des See Wassers ganz zu schweigen. Die Strahlungsfähigkeit des Wassers von seiner Oberfläche gegen die Luft wird von den Meteorologen ungefähr gleich der einer berußten Fläche angenommen i), ist also sehr beträchtlich,, und auch die Strahlung gegen Wasser wird nicht zu vernachlässigen sein : eine an der Meeresoberfläche ausgebreitete hoch temperierte Schicht wird also nicht nur gegen die Atmosphäre ihre Wärme ausstrahlen, sondern auch in die Tiefe gegen die niedriger temperierten Schichten hin. Nicht minder aber wird in dem Falle, wo eine Schicht von hoher Temperatur über und unter sich Schichten von niedrigerer Temperatur besitzt (bei der später zu beschreibenden Mesothermie), ein Ausgleich durch Strahlung nach oben und unten hin eintreten. Über den thermischen Effekt dieser Strahlungen können wir leider nichts, nicht einmal über seine Größen- ordnung, aussagen. Auch die Zufuhr der mit den Lichtstrahlen der Sonne vermittelten Wärme nach den verschiedenen Tiefen hin ist noch nicht in Maß und Zahl auszudrücken. Nach den berühmten Messungen von Langley ist die Wärmestrahlung des Sonnenlichts ungleich über das Spektrum verteilt^ ihr Maximum aber liegt im Gelb (zwischen den Wellenlängen 550 und 600, vergl. S. 271 f.). Wie wir wissen, werden diese gelben Strahlen im Seewasser nur wenig geschwächt, also verhältnismäßig tief eindringen können. Nun ist aber die Wärmestrahlung auch im Ultrarot und darüber hinaus noch immer sehr bedeutend, mehr als im Ultraviolett. Wie ebenfalls schon früher bemerkt, absorbiert nun das Seewasser gerade die Strahlen größerer Wellenlänge sehr stark, was also den obersten Schichten Vorzugs« ') Met. Zeitschr. 1896, S. 153. Das Eindringen der Wärme in die Tiefe. 393 weise zu gute kommen muß. J. Hann ist der Meinung, daß sich nach Art der Rechnungen Hüfners für die Farbenmischung des in die" Wasser- tiefen vordringenden Sonnenlichts (s. S. 273) auch die Wärmemischung angenähert ermitteln lassen werde. Ebenso wird auch ein Unterschied der diffusen (reflektierten) Strahlung hervortreten — alles Probleme, die noch völlig der Lösung harren. Die vertikale Konvektion oder Fortführung der Wärme durch Transport der Wasserteilchen selber in eine anders temperierte Umgebung vermögen wir zur Zeit in ihren kausalen Zusammenhängen im Meere wenigstens qualitativ, wenn auch noch nicht quantitativ, zu zergliedern. Es handelt sich hier um die Vergrößerung des spezifischen Gewichts (S^) durch Verdunstung, namentUch bei Tage, und durch Abkühlung bei Nacht an der Oberfläche, während die tieferen Schichten diese Gleichgewichtstörung zu beseitigen bestrebt sind. Verdunstung i) findet stetig von der Meeresoberfläche aus statt, sobald die relative Feuchtig- keit der Atmosphäre unter 100 Prozent liegt oder wenn nicht Regenfall oder Nebel herrscht. Brauchbare Bestimmungen der relativen Feuchtig- keit der Luft über den offenen Ozeanen haben wir erst in der neueren Zeit, empfangen, wo die Aspirationspsychrometer Eingang fanden, denn die älteren Thermometeraufstellungen litten unter stark störender Strahlung vom Schiffsdeck oder den Segeln. Hier ist nun das Erstaunen allgemein, wie trocken die Luft schon in der Höhe von 3 bis 5 m über der Meeres- oberfläche auf hoher See ist: Sättigungen von 80 bis 85 Prozent sind die Regel im Kalmengürtel und im Gebiet der Westwinde beider Hemisphären, 75 bis 80 in den Passaten. Für 84 auf hoher See im Nordatlantischen Ozean zugebrachte Segeltage des Challenger berechnet Buchan als Mittel 80 Prozent. In den Passaten kommen aber auch viel niedrigere Sättigungs- grade vor: westlich von Ascension fand ich selbst (am 12. September 1889 nachmittags 4 Uhr) nur 63 Prozent, Schott 1892 zwischen den Kanarischen und Kapverdischen Inseln als Mittelwert für 4 Tage nur 66 Prozent, Bid- lingmaier in derselben Gegend einmal weniger als 50. Die tägliche Schwan- kung der Luftfeuchtigkeit ist nur gering und pflegt (nach Buchan) nicht + ^ Prozente zu übersteigen, wobei das Minimum in die ersten Nach- mittagsstunden, das Maximum in die letzten Nachtstunden fällt. Hieraus geht hervor, daß die Meeresoberfläche normalerweise stetiger Verdunstung' ausgesetzt ist. Das hat zwei Folgen : erstlich wird dabei die von der Sonne zugeführte Wärme teilweise gebunden, zweitens wird der Salzgehalt erhöht. Beides vergrößert die Dichtigkeit der obersten Wasserschicht. Für tägUche Verdunstungshöhen in den tropisch warmen indischen Gewässern von mindestens 5 mm ergibt sich ein Verbrauch von rund 300 Kalorien (pro qcm), d. i. ungefähr die Hälfte der bei Tage zugestrahlten Sonnenwärme. DW Rest kann dann aber noch eine Wasserschicht von 3 bis 4-m Dicke um ') Auf Grund allgemeiner Erwägungen über den Kreislauf des Wasserdampfes auf der Erdoberfläche kommt Brückner zu dem Satze, daß auf dem Ozean die jährliche Verdunstung größer ist als die Niederschlagsmenge, und zwar um den Betrag des jelhrlichen Wasserergusses der Flüsse ins Meer. Nach R. Fritzsche fallen 92 Prozent des entstehenden Wasserdampfes als Regen wieder ^uf den Meeres- flächen nieder. Siehe R. Fritzsche, Niederschlag, Abfluß und Verdunstung. Inaug.- Diss. Halle 1906. 394 I^i® räumliche Verteilung der Temperaturen. P erwärmen, so daß trotz der Verdunstung ein Temperaturzuwachs auftritt. Bei Tage wird durchschnittlich 1/4 bis ^'3 mm in der Stunde Wasser verdunstet; nehmen wir für die oberste Schicht 1 mm Dicke, eine Tem- peratur von 26° und einen Salzgehalt von 35.0 Promille an, so würde der Salzgehalt am Ende der Stunde um 13 bis 16 Promille steigen, d. h. von einer anfänglichen Dichte = 1.023 auf nunmehr 1.033 bis 1.037, was dieses Wasser alsbald in die Tiefe sinken lassen müßte. Hierbei aber nimmt es seine Temperatur mit. Natürlich wird der Prozeß nicht in dieser Form vor sich gelten, sondern es wird ständig jedes durch Verdunstung auch nur ein wenig schwerer gewordene Wasserteilchen augenblicklich seinen Platz mit dem darunter liegenden noch unbeeinflußten Teilchen ver- tauschen i): die Dichtigkeit würde an der Oberfläche unter den genannten Annahmen in jeder Sekunde um 0.000 003 wachsen ; für die Geschwindig- keit des Platzwechsels kommt dann noch die innere Reibung in Betracht. Der auf diese Weise hervorgerufene Wärmestrom wird stetig in die Tiefe fortschreiten, solange noch Teilchen vorhanden sind, deren Dichtigkeit kleiner ist. Die aufgestiegenen aber werden der Wärmequelle näher geführt und, wenn sie die Oberfläche erreichen und in den Bereich der Verdunstung eintreten, selbst einen Zuwachs ihrer Dichte erfahren und nunmehr ab- wärts sinken. Bei Nacht wird der Vorgang dadurch verändert, daß, neben der auch dann noch fortdauernden und unwesentHch abgeschwächten Verdunstung, die Sonnenstrahlung wegfällt und dafür eine Abkühlung der Oberfläche durch Ausstrahlung auftritt. Die kälter gewordenen Wasserteilchen werden ebenfalls in die Tiefe sinken und von darunter liegenden wärmeren ersetzt. Der gesamte Wärmeverlust der Oberfläche während der Nacht übersteigt kaum ^/s°, woran also beide Konvektions- quellen beteiligt sind. Die infolge der nächtlichen Verdunstung in die Tiefe sinkenden Oberflächenteilchen werden aber immer nur eine geringere Wärme in die Tiefe transportieren können, als am Tage. Wir werden die Grenze dieser nächtlichen Zirkulation in derjenigen Tiefe annehmen dürfen, wo dieselbe Dichtigkeit wie an der Oberfläche vorhanden ist. Es kann dann am Ende der Nacht eine mesotherme Anordnung Platz greifen (s. S. 389). Bedeutsam greifen nun hierbei äußere Verhältnisse ein, zunächst die Witterungszustände. Regenfälle heben nicht nur die Verdunstung auf. ^) Berechnungen, wie sie Schott im Valdiviawerk (S. 183/4) ausführt, sind darum unzulässig. Er setzt beispielsweise für den Indischen Ozean westlich von den Niasinseln für das Oberflächenwasser einen normalen Salzgehalt von 34.0 Prom. bei 28.3° und läßt diesen durch Verdunstung steigen auf 36.0 Prom., was eine Dichtigkeit von 1,02316 liefert. Nun hat er in der Tiefe einen Salzgehalt von 34.72 Prom., die Temperatur in 100 m = 26.6", in 150 m = 15.3° beobachtet, und berechnet die entsprechenden Dichtigkeiten zu 1,022'73 und 1,025-72. Indem er interpoliert, findet er die Dichtigkeit des Oberflächenwassers (1,02316) mit einer Temperatur von 25.2'' in 110 m wieder und schließt: „in diesem Falle würde also der konvektive Wasseraustausch bis 110 m Tiefe reichen können", was dann genau zu der von ihm dort gefundenen Sprungschicht paßt. Das Oberflächenwasser kann aber nicht so lange an der Oberfläche bleiben, bis der Salzgehalt um volle 2 Pfom. gestiegen ist, und kann, falls dies irgendwie geschehen und dann erst das Absinken eintreten sollte, auch nicht unten in HO m mit einer um 3^ niedrigeren Temperatur ankommen. Die ganze Berechnung beruht auf einer unklaren Auffassung von den in der Natur möglichen Vorgängen. Die Sprungschicht. 395 sondern kühlen die Oberfläche aus und, wenn sie andauern, verdünnen sie auch den Salzgehalt und schaffen eine mesotherme und mesohaUne Schich- tung. Ferner tritt die Wellenbewegung mischend auf, und gerade sie ist imstande, in größere Tiefen hinein Ausgleichung zu schaffen. Alle diese Prozesse aber haben ihren Ausgang von der Oberfläche und schwächen sich nach der Tiefe hin ab. Es ist leicht einzusehen, daß es ein Minimum von Dichtigkeitsunterschied und von Wellenwirkung geben wird, das die innere Reibung zwischen den Wasserteilchen nicht mehr überwindet, und dort wird das untere Niveau liegen, bis zu dem überhaupt die tägliche, wie die den Witterungsänderungen folgende unperiodische Temperatur- schwankung hin wirkt. In den sommerlich durchwärmten Süßwasser- seen kennzeichnet sich dieses Niveau als sogenannte Sprungschicht durch einen starken Abfall der Temperatur auf einem kleinen Tiefen- abstand: in mitteleuropäischen Seen kann derselbe, meistens bei 11 bis 13 m Tiefe, 2° bis 3^ auf 20 cm betragen i). In den Ozeanen verhindert der Seegang wohl ähnlich scharfe Grenzen; aber aus der Ostsee sind doch deutliche Beispiele bekannt geworden. Ich sah am 1. August 1893 im Fehmarnbelt-) die Temperatur von der Oberfläche bis 10 m gleichmäßig = 17.6^, sie nahm d^nn langsam ab bis 13.6^ in 17 m, sodann jedoch auf 10.9'^ in 18 m. In der homohalinen Deckschicht östlich von Bornholm beobachtete F. L. Ekman am 25. Juli 1877 in 55« 23' N., 16« 2' 0. folgende Temperaturschichtung ^ ) . Tiefe 0 10 13 18 20 22.5 25 m Temp. 15.7« 15.3" 14.8" 14.0" 8.0" 6.6" 5.0" Der Salzgehalt war gleichmäßig 7.5 Promille und stieg erst bei 30 m auf 7.6. Die Messung in 20 m wurde dreimal wiederholt und ergab 8.0«, 13.7«, 9.8«, indem die Grenze zwischen den beiden Schichten von 14« und 8« so scharf war, daß der zu den Temperaturmessungen benutzte Wasserschöpfapparat bald mehr von der wärmeren, bald von der kälteren aufnahm. Bei den modernen Terminfahrten der internationalen Meeres- forschung ist in der Danziger Bucht die sommerliche Sprungschicht noch tiefer, im August 1904 sogar erst etwas unter 40 m gefunden worden: an der Oberfläche waren 15.64«, in 5 m 15.49« und noch in 40 m 15.45«, erst in 50 m erfolgte eine Abnahme auf 11.20«; der Salzgehalt war homohahn bis 40 m = 7.20, und in 50 m = 7.25 Promille. Nur in Meeresteilen ohne erhebliche Weilen- und Strombewegung wird man ähnlich scharf ausgeprägte Sprungschichten erwarten. G. Schott hat aus dem kleinen Mentawiebecken südwesthch von Sumatra zwei Bei- spiele aus tropischem Wasser von der Valdiviafahrt beigebracht, die hier eingefügt sein mögen. Stat. Breite 0. L. 0 25 50 Temperatur 75 100 in m 125 150 175 200 185 190 3" 41' S. 1 0" 58' N. 1 101" 0' 99" 43' 27.8" 29.4" 27 0" 26.5" 28.3" 27.7" 26.5" 27.5" 26.4" 27.4" 19.2" 19.7" 15.1" 12.6" 16.2" 13.0" 11.7" 12.6" 67. 1) Ed. Richter, Seenstudien, Wien 1897, S. 2) Petermanns Mitt. 1895, S. 112. ') Kgl. Svenska Vetenskabs-Akad. Handlingar, Bd. 25, Stockholm 1893, p. 134. 396 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Der auf beiden Stationen sehr starke Temperaturabfall in ] 10 bis 125 m (um 7") herrschte aucli wenig abgeschwächt noch nordwestlich davon außerhalb der Mentawieinseln : die Sprungschicht beruht auch nicht bloß auf der täglichen Periode der Temperatur. Unter den die Fortpflanzung der Wärme nach der Tiefe hin störenden Vorgängen sind die vertikalen Strombewegungen am wichtigsten : eine ab- steigende Bewegung schwächt die senkrechten Temperaturgradienten ab, verwischt also alles, was einer Sprungschicht ähnhch sehen könnte, während aufsteigende Bewegungen das kalte Wasser der Tiefen gegen die von der Sonne erwärmte Oberschicht drängen und so ausgeprägte Sprungschichten auftreten lassen, die dann aber verhältnismäßig nahe an der Oberfläche liegen. Der erste Fall tritt in den zentralen Teilen der großen Stromkreise zwischen 10° und 40** B. auf. So in der nordatlantischen Sargassosee, wo die Challengerexpedition (in 32° 18' N., 65° 38' W. un- weit von Bermudas) eine außerordentlich gleichmäßige Abnahme der Temperatur von 20.0° an der Oberfläche auf 16.8° in 600 m, d. h. auf je 100 m nur 0.5°, feststellte, worauf für die nächsten 100 m der dreifach so hohe Gradient von 1.8° (in 700 m 15.0°) folgte. Ein solches Verhalten ist nur durch Mitwirkung eines langsamen mechanischen Transports er- wärmter Wasserteilchen nach der Tiefe hin verständlich. An einer späteren Stelle, wo von den großen Vertikalzirkulationen im Ozean gesprochen wird, muß auf diese Prozesse näher eingegangen werden. Das gilt zwar auch für den zweiten Fall des aufsteigenden Wassers mit seiner der Oberfläche nahen schärfer erkennbaren Sprungschicht. Doch mag schon in diesem Zusammenhange hervorgehoben sein, daß hierbei zwei Formen der auf- steigenden Bewegung in Betracht kommen : das Auftriebwasser unter Land im Rücken starker Triftströmungen, und die ebenfalls als Zerrungseffekte im freien Ozean zu erklärenden Auftriebbewegungen entweder unter starken Kompensationsströmen (wie in den äquatorialen Gegenströmen) oder an Stellen, von denen Ströme nach verschiedenen entgegengesetzten Richtungen das Wasser hinwegziehen. Die nachstehende Tabelle enthält für den ersten Fall ein Beispiel aus dem Perustrom westlich von Payta nach AI. Agassiz (11. November 1904); für den zweiten aus dem Guinea- strom, für den dritten aus dem atlantischen Südäquatorialstrom, beide nach der Challengerexpedition, und zwar sind die Temperaturen aus Kurven entnommen. Stat. B. L. 1 0 10 T 20 emperatur in i 30 40 n 50 60 70 4651 349 346 5° 42' S. 50 28'N. 2° 42' S. 83*^0' W. 14« 38',, 14H1'„ 19.40 28.6 28.2 19.4» 28.5 28.1 16.3« 28.3 27:7 16.0« 23.3 26.9 15.8« 20.0 24.6 15.6« 17.8 19.7 15.4« 16.5 15.4 15.2« 15.8 14.3 Im Perustrom (Station 4651) fällt die Temperatur zwischen 11 und 16 m um 2.7° (von 19.4 auf 16.7°), also 0.54° p. m. und alsdann nur ganz langsam weiter (0.02° p. m.). Im Guineastrom (Station 349) liegt der starke Abfall abwärts von 22 m bis 55 m mit 0.31° p. m., erst tiefer als 70 m nimmt der Gradient auf 0.04° p. m. ab. Im Südäquatorialstrom (Station 346) ist der Wirkung vertikaler Ströme. 397 Abfall am stärksten zwischen 35 und 55 m mit 0.46^ p. m., und von 70 m ab- wärts ermäßigt er sich auf 0.04^. In allen 3 Fällen ist das Gegendrängen des kalten Wassers aus der Tiefe nach oben hin sehr deutlich. Die Zunahme der Temperatur nach oben hin erfolgt dabei wohl ausschließlich durch Strahlung. Schließlich mag auch noch eine sicherlich nicht starke, aber immerhin in gewissen Jahreszeiten nicht ganz gleichgültige, vertikale Verpflanzung der Wasserteilchen nach der Tiefe hin erwähnt sein, die mit den Wuche- rungen und dem Absterben des Planktons zusammenhängen dürfte. Nach den genaueren Untersuchungen der Kieler Planktologen ist in der west- lichen Ostsee und auch im Mittelmeer zweimal im Jahr die Produktion des Meeres an Plankton erheblich gesteigert: im Frühling, wo gewöhnlich von Ende März ab bis zum Anfang Mai hin das Planktonvolum (durch Massenwucherung von Chaetoceras) mächtig ansteigt, um dann rasch ab- zufallen, sodann wieder im Herbst, wo Ende September bis Anfang Oktober ein zweites Maximum (dann aber durch Sceletonema und Rhizosohnia) auftritt, was ebenfalls mit einem raschen Absterben dieser Ideinen Organis- men endet. Bei diesem Massentod so gleichmäßig durch das Wasser ver- teilter vegetabilischer Lebewesen, deren Leichen und sperrige Skelette dann in die Tiefe sinken, dürften auch Wasserteilchen den tieferen Schich- ten zugeführt werden und eine Ausgleichung der Temperaturen, die im wesentlichen auf eine Erhöhung derselben in den Tiefen herauskommt, einleiten. Welcher Größenordnung im Vergleich zu den sonstigen ver- tikalen Fortpflanzungsvorgängen diesem (dem herbstlichen Laubfall ähn- lichen) Transport von winzigen Leichen und Skeletten nach der Tiefe hin zukommt, ist allerdings zur Zeit unklar, ebenso auch, wieweit etwa für Ostsee und Mittelmeer nachweisbare Wirkungen auch auf den Ozean anzuwenden sind, von dessen Plankton Verhältnissen wir noch allzu wenig wissen. Daß aber auch im Ozean ein dauerndes Absterben des Oberflächen- planktons erfolgt, geht aus den Bodenablagerungen hervor, in denen wir seine Keste finden. An Stellen, wo warme und kalte Ströme zusammen- treffen, kommt es zu einem Massensterben, das in einer gewissen örtlichen Beschränkung ebenfalls vertikale Wassertransporte veranlaßt. 6. Die mittlere Temperatur der Meeresoberfläche. Um die Verteilung der Temperaturen kartographisch übersichtlich zu machen, hat AI. von Humboldt 1817 das Hilfsmittel der Isothermen eingeführt, zunächst zur Darstellung der Lufttemperaturen. Ehe solche Linien gleicher Temperatur auch für die Meeresoberfläche entworfen werden konnten, mußte erst ein reichliches Material von Beobachtungen angehäuft und bearbeitet worden sein. Soweit ich sehe, hat derartige Karten erst Maury als Zugaben zu seinen Wind- und Stromkarten für den Atlantischen Ozean 1852 veröffentlicht'). Doch ist schon Heinrich Berg- haus im Jahre 1840 sow^ohl mit einer Zeichnung des thermischen Äquators, ') Eine verkleinerte Kopie dieser Isothermen hat E. E. Schmid, Lehrbuch d. Meteorol., Leipzig 1860, Atlas Taf. 2 bis 5 gegeben. Schmid klagt mit Recht über die Unübersichtlichkeit der mit vielfarbigen Ziffern und Linien vollgedruckten Blätter. 398 I^^® räumliche Verteilung der Temperaturen. d. h. der Linie höchster Temperatur der Meeresoberfläche hervorgetreten, wie zugleich zur Berechnung von Mitteltemperaturen für jeden fünften Parallel im Atlantischen Ozean vorgeschritten i). August Petermann ist das Verdienst zuzuschreiben, außer dem thermischen Äquator in allen Ozeanen auch noch die charakteristische Isotherme von 70° Fahr, (oder 21. P C.) auf der ersten Karte seines in London 1850 erschienenen Physi- kalischen Atlas eingetragen zu haben, da diese Isotherme nach einer da- mahgen Ansicht die Zone der rißbauenden Korallen polwärts begrenzen sollte. Petermann hat auch später diesem Gegenstande ein besonderes Interesse bewahrt. Im Jahre 1857 heß er eine Karte des Pazifischen (oder, wie er wollte: Großen) Ozeans erscheinen, worin er den Ideen James D. Danas von der Bedeutung der niedrigsten Temperaturen für das Gedeihen der Rifikorallen einen kartographischen Ausdruck gab und die Isokrymen, d. h. die Linien gleicher Wassertemperatur des kältesten Monats, nicht nur konstruierte, sondern auch sehr eingehend mit Hinweis auf die aus- schlaggebenden Strömungen erläuterte'^). Als klassisch sind dann später^) seine Karten vom Golfstrom gefeiert worden, die zugleich den Standpunkt der thermometrischen Kenntnis des Nordatlantischen Ozeans und des an- schheßenden Landgebiets im Jahre 1870 veranschauhchen sollten, indem für die Meeresoberfläche die Isothermen des Juli und Januar (von 2° zu 2° R.) eingetragen waren. Für unser heutiges Studium haben wir ein vor- zügliches Hilfsmittel in den Atlanten der Deutschen See warte zu ihren Segelhandbüchern für die drei Ozeane; es ist darin alles vorhandene Material, namentlich auch das in zahlreichen amtlichen Veröflenthchungen der britischen und niederländischen Behörden niedergelegte, neben den im Archiv der Seewarte selbst angesammelten, vorzüglichen deutschen Be- obachtungen verwendet, um Karten für die Monate Februar, Mai, August und November (mit Isothermen für jeden Zentigrad) in sehr übersieh thcher Form herzustellen. Eine Karte des Jahresmittels der OberÜächentempera- turen hat G. Schott im Valdi via werk wenigstens für den Atlantischen und Indischen Ozean veröffentUcIit ; sie beruht auf den genannten Atlanten der Seewarte. Eine Karte :1er Jahresisothermen für den Pazifischen Ozean mußte infolgedessen von mir selbst entworfen werden, da die sonst vor- handenen Darstellungen der ganzen Meeresoberfläche von A. Buchan'*) und Ilerm. Bergbaus^) nicht ausreichten. Das Bild der Jahresisothermen der Mee^'esoberfläche zeigt einige sehr wichtige Merkmale. In den höheren Südbreiten verlaufen die Isothermen sehr nahe parallel mit den Breitengraden, doch schiebt sich die 0° -Linie in den Längen südlich vom Kapland von 40 '^ W. bis 60° 0. L. über den 60. Parallel nordwärts vor, wodurch diese Teile des Südatlantischen und Indischen Ozeans merklich kühler werden, als die Pazifischen unter gleicher Breite. Anscheinend handelt es sich um eine, in dieser sogenannten Bouvet- ^) Physikal. Handatlas, Gotha 1840, Hydrogr. Nr. 6. 2). Petermanns Mitt. 1857, S. 37—41 und Taf. 1. ') Petermanns Mitt. 1870, S. 201 ff., Taf. 12 u. 13. '') Chall. Reports. Summary of Results. Bd. II, Anhang, Taf. 2. Die Iso- thermen von 80» F. (26.67" C.) abwärts in Stufen von 5° F. ») Physikal. Atlas Nr. 21 a889). Es sind die Isothermen 0«, 4^ 10^ 10« 20®, 27° auf einer kleinen Nebenkarte gegeben. Die Oberflächentemperaturen im Jahresmittel. 399 gegend stärker als sonst nordwärts drängende, Zuführung eisreichen Wassers. In den Tropengürteln kommt die allgemein herrschende Richtung der Meeresströmungen nicht minder deutlich zum Vorschein. Die großen Äquatorialströme drängen ihre warmen Gewässer gegen die Ostküsten der sich ihnen vorlegenden Kontinente und lassen sie auf beiden Hemi- sphären polwärts ausweichen, während im Rücken der Äquatorialströme kühleres Wasser aus höheren Breiten herangeführt wird. So geschieht es, daß die Isothermen des Atlantischen und Pazifischen Ozeans im allge- meinen das Bestreben zeigen, an der Westseite der Ozeane in beträchtlich höhere Breiten vorzudringen, als im Osten. So reicht im Pazifischen Ozean die 25 "-Isotherme an der ostaustraHschen Küste bis zum Wendekreise, an der südamerikanischen aber bis 3" S. B. und berührt beinahe die Galä- pagos, um dann erst westlich von 120" W. L. energisch von 5" nach 20" S. abzubiegen. Die nordpazifische Isotherme von 25" geht von der Süd- spitze Kaliforniens bei 140" W. L. bis auf 12° N. B. an den Äquator heran, erreicht hingegen östlich von den Liukiuinseln etwa 28" N. B. Im Süd- atlantischen Ozean geht dieselbe Isotherme von der Loangoküste (4" S.) nach Brasilien hinüber auf rund 20" S. B., während sie im Nordatlantischen Ozean in der Kapverdensee 13" N., östlich von Florida aber 31 "N. erreicht. Auch im Indischen Ozean liegt sie im Meridian der Cocosinseln (97" 0. L.) in 16" S. B., dagegen südwestUch von Madagaskar in 27" S. B. Als wärmstes Gebiet des tropischen Ozeans erscheint zwischen 28* und 29" erwärmt ein zusammenhängender Streifen, der sich aus dem zentralen Indischen Ozean von 60" 0. L. über die australasiatischen Ge- wässer hinweg zu beiden Seiten des Äquators in den westlichen Pazifischen Ozean bis 175" 0. L. erstreckt, wo er eine Breitenzone von fast 20" be- herrscht: er umfaßt ein Areal von 21 MilHonen qkm; dazu kommt dann, noch ein isoliertes kleines Gebiet von der Südwestküste Zentralamerikas und ein Teil des Roten Meeres, wodurch sich das Gesamtareal der über 28" erwärmten Meeresoberfläche auf 21.6. Millionen qkm erhöht, d. i. 6 Prozent der irdischen Wasserfläche. Im Atlantischen Ozean fehlen Gebiete von mehr als 28" Jahrestemperatur gänzlich, was einen wichtigen Unterschied gegen die anderen beiden Ozeane ausdrückt. Sehr viel größer ist natürlich die Fläche von mehr als 25" im Jahres- mittel: sie erreicht im Atlantischen 18.3, im Indischen 27.9, im Pazifischen aber 66.4 MiUionen, also mehr als in den beiden anderen zusammen. Die großen tropischen Mittelmeere, das Andamanische und Rote Meer fügen noch 13.4 MilHonen qkm hinzu, so daß die höher als 25" erwärmte Meeres- oberfläche 126 Millionen qkm um,faßt oder 35 Prozent des Ganzen. Auch hierbei ist der Atlantische Ozean verhältnismäßig weniger beteiligt als- der Indische oder Pazifische : von den Gesamtflächen sind über 25" erwärmt im Atlantischen nur 22.4, im Indischen 38.0, im Pazifischen aber 40.1 Pro- zent. Messen wir nun auch noch die Flächen von mehr als 20", so erhalten, wir im Atlantischen Ozean 40.9, im Indischen 38.0, im Pazifischen 96.8, in den tropischen und subtropischen Nebenmeeren noch 15.9, also zusammen 191.6 Milhonen qkm, was 53.1 Prozent, mehr als die Hälfte der ganzen Meeresoberfläche bedeutet. Im Atlantischen Ozean allein sind 50.1 Pro- 400 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. zent seiner Fläche, im Indischen 51.7 und im Pazifischen 58.4 auf mehr als 20° erwärmt, so daß auch hierin der Atlantische verhältnismäßig zu- rückbleibt, der Pazifische relativ voransteht. ^ Eine Karte der mittleren Jahrestemperaturen an der Oberfläche gestattet uns auch, die Mitteltemperaturen der einzelnen Zonen zu be- rechnen. Ich habe das zunächst für Streifen von 10° Breite durchgeführt und aus den erhaltenen Zonenmitteln auf graphischem Wege die jedem fünften Parallel zukommenden Mitteltemperaturen abgeleitet. Die folgen- Fig. 53. ,90° 80"! 70 70" 80" S. A Oberßächeritemperatar alk. Meeresßachen PaziTischer Ozean 90" N. SO" 70" Atlantischer « Jüdischen - 1 Müllßit Zonentempemtur des Meeresbhcks ■ ■ I I I I I I M I I I I I 1 I 3or 25 20 30' 30" 20' 20" 30" W" SO" 60" 70' 80" S. Verteilung dei- Temperaturen nach Breitenzonen. den Tabellen und die graphische Darstellung Fig. 53 enthalten das Ergeb- nis. Die Zahlen sind unter Beachtung unserer Zonenareale (S. 143) ge- wonnen. Die Genauigkeit der erlangten Mittelzahlen ist nicht nur abhängig von der Reichhaltigkeit des vorliegenden Materials, das wohl mit Ausnahme der hohen Südbreiten genügen dürfte, sondern vor allem von der Voraussetzung, daß das Mittel aus den 4 Monaten Februar, Mai, August und November das richtige Jahresmittel zu ersetzen vermöge. Da Schott diese Annahme nicht geprüft zu haben scheint (wenigstens spricht er sich darüber nicht aus), hielt ich einige Stichproben für unabweisbar, die mir denn auch die Überzeugung brachten, daß jenes Viermonatsmittel dem Jahresmittel genügend nahe komme, um es einstweilen zu ersetzen. Nicht zu gebrauchen sind dagegen Mittel aus August und Februar. Die bekamiten Quadrathefte der deutschen Seewarte Verteilung der Oberflächentemperaturen nach Breitenzonen. 401 Mittlere Temperatur der Oberfläche nach 10°-Zonen. 1 Zonen Atlantischer Ozean Indischer Ozean Pazifischer Ozean Ganzes Weltmeer 1 Breiten - temperatur 1 N. 90°— 80° - _ __ -1.70° N.90O:— 1.70 80°— 70° \ — - — — 1.00 80°:— 1.7 700—60° 1 60°— 50° 4.26° 8.94 5.74° 3.14 1 6.12 75°:- 1.2 70°: + 0.7 65°: 3.1 500—40° 400—300 12.94 20.30 — 9.99 18.62 10.99 1 18.40 1 60O. 4.8 55°: 6.1 50°: 7.9 300—200 200—10° 23.90 25.60 26.14° 27.23 23.38 26.42 23.74 ; 26.49 45°: 10.8 40°: 14. 1 35°: 18.3 N. 10°— 0° 26.83 27.88 27.20 27.33 30°: 21.3 25°: 23.7 N. 900—0° 20.10 27.50 22.20 19.20 15°: 26.6 10°: 27.2 N. 50: 27.4 25.70 27.41 26.01 26.45 S. 0°— 10° S. 0°: 27.1 100—20° 23.23 25.85 25.11 25.07 5°: 26.4 1 10°: 25.8 20°— 30° 21.17 22.53 21.53 21.73 15°: 25.1 300—400 17.09 17.00 16.98 17.00 ! 20°: 24.0 ! 25°: 22.0 400—50° ' 9.46 8.67 11.16 9.84 30°: 19.5 500—600 ! 1.93 1.63 5.00 3.05 35°: 17.0 j 40°: 13.3 60°— 70° 70°— 80° — 1.30 — 1.70 11 — 1.50 — 1.70 — 1.30 — 1.70 — 1.36 — 1.70 45°: 9.9 50°: 6.4 ! 55°: 3.1 ; 60°: 0.0 S 00—80° 14.13 15.25 16.79 15.97 65°: — 1.2 ; 70°:— 1.3 ! 75°:-i.7 S. 80°:— 1.7 900 N— 800 s II 16.91° 1 17.03° 19.10° 17.37° N.B. Die zweiten Dezimalen haben nur rechnerische Bedeutung ^). und des Meteorologischen Amts in London für den Atlantischen Ozean geben schon eine ausreichende Unterlage für eine genauere Prüfung. Ich finde für die vier Fünfgradfelder des Quadrats 147, in 40«^ bis 50'' J. B., 20^ bis 30^ W. L. folgende zusammengehörige Mittelwerte. ') Auf Grund von Arealmessungen, die Sir John Murray auf Buchans Karte der Oberflächentemperaturen ausgeführt, hatte ich im Jahre 1899 eine hypso- graphische Kurve entworfen, die als Mitteltemperatur der ganzen Meeresoberfläche 17.7° lieferte. Petermanns Mitt. 1899, Lit. Ber. 851. Krümmel, Ozeanographie. I. 26 402 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. 147^' 147* 147^ 147'^ 400_450 N. ! 40"— 450 N. 450_5oo N. 45«— 50« N. 20°— 25° W. 25"— 30« W. 20«— 25« W. 25«— 30« W. Jahresmittel .... 16.23« 16.81« 14.11« 14.22« Vierinonatsmittel . . . 1 16.120 16.90« 14.15« 14.25« Augus -Februarmittel . 16.70« 17.60« 14.70« 14.80« Das Viermonatsmittel ^^4 (Februar -f Mai + August + November) ent- fernt sich für den untersuchten nordatlantischen Meeresteil nur um 4: 0.1^ vom richtigen Mittel; dagegen ist das Zweimonatsmittel ^/o (Februar -j- August) durchweg um mehr als 0.5^ zu hoch. — Für das Quadrat 3, 0^ bis 10° N., 20'^ bis SO*^ W., insgesamt ist das wahre Jahresmittel 26.40°, das Viermonats- mittel 26.35°, das Zweimonatsmittel 26.00°. Das letztere ist also auch hier wieder uiibrauchbar, das Viermonatsmittel viel besser. Ähnlich ist der Stand für die von Y. Wada^) veröffentlichten Beobachtungen in den japanischen Gewässern, wo für das Zweigradfeld südlich von der Bucht von Jokohama (34° bis 36° N., 138° bis 140° 0.), das Mittel aus den 12 Monaten 17.90°, aus den 4 Monaten 18.05°, dagegen aus Februar bis August 19.05° liefert. Die Zonen- und Hemisphärenmittel der Oberflächentemperaturen ge- statten nun eine ganze Reihe von Folgerungen, die für die allgemeine Physik der Erdoberfläche bedeutsam sind. Als mittlere Temperatur der untersten Luftschicht im Jahresmittel für die ganze Erdoberfläche wurden gewöhnlich nach R. Spitaler (1886) 15.1° angenommen; J. Hann'-) hat kürzlich, neuere Untersuchungen von H. Mohn benutzend, diesen Wert auf 14.35° erniedrigt. Darnach wäre die Meeresoberfläche im ganzen um 3° wärmer. Der Unterschied steigt, wenn wir nicht, wie die Meteorologen pflegen, die Unebenheiten des Landes eliminieren durch Reduktion der Temperaturen auf den Meeresspiegel, sondern mit der sogenannten physischen Erdoberfläche rechnen. Diese erhält man in erster Annäherung, nachdem das Volum des Festlands, soweit es über den Meeresspiegel ragt, über die ganze Erdoberfläche gleich- mäßig verteilt ist, nach H. Wagner in + 200 m Höhe über dem Meeres- niveau. Eine Erhebung um 200- m erniedrigt aber die mittlere Jahres- temperatur um 2X0.5H° = 1.12°. Hieraus wäre zu schließen, daß auf der physischen Erdoberfläche die Temperatur der untersten Luftschicht an- genähert um 4° kälter ist, als die Temperatur der Meeresoberfläche. Wie das Maximum der Lufttemperatur nicht mit dem Äquator zu- sammenfällt, sondern auf 10° N. B. (nach Spitaler sind die betreffenden Temperaturwerte 26.4° in 10° N. B. und 25.9° am Äquator, oder nach F. H.opfner"^) 26.8° und 26.3°), so sehen wir auch auf der Meeresober- fläche die höchste Zonentemperatur in Nordbreite und das Maximum in etwa 7° N. B. (27.4°, gegen 27.1° am Äquator). Die Mitteltemperatur der Oberfläche der nord hemisphärischen Meere ') Bull. Centr. Met. Obs. Tokio 1904, II, p. 11. Die Tabelle gibt als Jahres- mittel 17.5! ■') Met. Zeitschr. 1906, S, 48. ') Petermanns Mitt. 1906, S. 33. Verteilung der Temperaturen nach Breitenzonen, 403 (19.20^) ist beträchtlich höher (um 2^4°), als die der südhemisphärischen (15.97*^), was sich ebenfalls, obwohl abgeschwächt, im Gegensatz der Luft- temperaturen nördlich und südUch von der Linie widerspiegelt, denn nach Hann kommen auf die nördliche Hemisphäre 15. P, auf die süd- Hche nur 13.6°, also auf die letztere 1^2^ weniger. Um die Ursachen dieser Bevorzugung der Nordhalbkugel zu finden, betrachten wir die Zahlen der Tabelle S. 401 näher. Die Jahrestemperatur für alle Meeres- flächen ist in den nördlichen Breiten ausnahmslos höher, als in den gleichen südlichen. Wenn wir von den hohen Breiten absehen, für die wir nur wenig sichere Werte besitzen, so erhalten wir folgende Differenzen der lO^-Zonen (Nord minus Süd): Zone .... . 0—10° 10—20« 20—30« 30^0« 40—50« 50—60« 60—70« Differenz . 0.88« 1.42« 2.01« 1.40« 1.15« 3.07« 4.50« Aus der Kurve ergibt sich, daß diese Differenz vom Äquator an- steigt bis etwa 30« B. (mit 1.8°), dann abnimmt bis etwa 40« B. (0.8«), und dann um so stärker polwärts anwächst auf 4.8« in 60« B., endlich aber \vieder abnimmt; in den höchsten Breiten folgt wieder ein Minimum (0.7« für 70^ — 80« B.). Hierbei ist der Nordpazifische Ozean stets, wenn auch wenig, unter dem Breitenmittel erwärmt ; der Überschuß ist also pol- wärts von 30° Breite wesentlich dem Nordatlantischen zuzuschreiben und das Maximum bei 60° B. entschieden der sogen. Golfstromtrift mit ihrer An- häufung tropisch warmen Wassers. Sehr hoch temperiert ist der Indische Ozean zwischen 25« N. und 25« S. B., während der Pazifische und noch mehr der Atlantische in diesen Breiten unter Mittel bleiben: auch hierbei aber sind noch durchweg die Nordbreiten höher temperiert. Nur ein Blick auf die herrschenden Meeresströmungen kann die Erklärung bieten: der Indische Ozean hat zwischen 10« S. und 25« N. B. eine in sich geschlossene Zirku- lation ohne jede Zufuhr von kaltem Wasser aus hohen Nordbreiten. Auch der Nordpazifische Ozean empfängt nur aus seinen winterlich abgekühlten Pandmeeren von Alaska bis Nippon hin spärliche Zufuhr von kaltem Wasser; wie das nordatlantische Stromsystem ist auch das nordpazifische zwischen 40« und 15« N. B. in sich geschlossen, und eine ergiebige Ab- kühlung wird ihm nur durch aufsteigendes Wasser (im Rücken der herr- schenden Triften) zu teil, was aber örtlich beschränkt bleibt. Der Indische Ozean kennt innerhalb der Tropen diese Art von Abkühlung noch weniger ; sie kommt nur für wenige Monate an den Küsten des Somalilands und Südarabiens in Betracht. Für den Atlantischen Ozean tritt dann noch die so folgenreiche Abspaltung erheblicher Teile des Südäquatorialstroms durch das in 7« S. vorspringende südamerikanische Festland dazu, wodurch dieses südh emisphärische Tropenwasser den Nordbreiten zugeführt, also den Südbreiten entzogen wird. Wenn man früher zu sagen pflegte, die Nordhemisphäre sei in Luft- und Wassertemperaturen wärmer, weil sie landreicher ist, als die südliche, so trifft das nicht ganz den wesentlichen Punkt: es ist die Konfiguration der Küstenumrisse, die den Umlauf der ozeanischen Gewässer auf der Nordhemisphäre besser zusammenhält als auf den weiten Flächen der Südbreiten, wo die Wasserteilchen doppelt bis dreifach so große Wege in höheren Breiten zu durchmessen haben, ehe sie wieder der tropischen Sonnenstrahlung zugeführt werden. In den hohen 404 I^i^ räumliche Verteilung der Temperaturen. Süd breiten macht sich dann die Fern Wirkung antarktischer Vereisung mit ihren kühlen Schmelzwässern geltend. Wie die Kurven (Fig. 53) zeigen, trifft das mehr den Indischen und Südatlantischen, weniger den Pazifischen Ozean. Wichtig und neu sind die Mitteltemperaturen für jeden der drei großen Ozeane: der Pazifische ist hiernach der wärmste (19. P), der Atlantische d^'v kälteste (16.9^). Es kommt hierin die grundverschiedene, aber durch (! e üblichen Merkatorkarten unterdrückte, Konfiguration der drei Ozean- becken zum Ausdruck. Denn der Pazifische ist der recht eigentliche Tropen- ozean, von seiner Gesamtfläche liegen ^/ö zwischen 30*^ N. und 30° S. B. (genauer 59.5 Prozent), der Atlantische aber ist gerade in der Tropen- zone eingeengt und besitzt darum innerhalb der genannten Breiten noch niclit die Hälfte (46.0 Prozent) seines Areals, so daß dann die außertropi- schen Flächen, insbesondere die der südhemisphärischen Breiten, die Mittel- temperatur verhältnismäßig herunterdrücken müssen. Übrigens hatte sclioii Oeneral von Tillo darauf hingewiesen, daß auch in den Lufttempera- turen über den drei Ozeanen ein ganz ähnlicher Unterschied besteht: die Lufttemperatur ist über dem Atlantischen Ozean ganze 2.6'^ niedriger, als über dem Pazifischen'). Endlich haben wir in den Zonenmitteln noch die Unterlage für einen Versuch, die (Jrtüchen Abweichungen je nach ihrem Vorzeichen zahlen- mäßig festzustellen, also zur Konstruktion von thermischen Isanomalen zu schreiten. Mein Versuch nach dieser Richtung ist in der beistehenden Übersichtskarte (Fig. 54) niedergelegt. Zwar hat auch schon W. Koppen 2) eine solche Karte entworfen, aber leider das Jahresmittel aus den Tem- peraturen für Februar und August berechnet, was wir als unzulässig er- kannt haben, und sodann als Normal temperaturen der Breitengrade nicht die aus seiner Karte der Jahrestemperaturen abzuleitenden eingeführt, sondern die infolge theoretischer Erwägungen von W. Zencker berechneten vorgezogen, die sich naturwidrig symmetrisch zum Äquator in beiden Hemisphären anordnen. So muß sein Bild denn auch vielfach von dem unserigen ganz Abweichendes bieten. Am bemerkenswertesten ist wohl das große Gebiet positiver Wärme- störung, das die Westhälfte des Pazifischen Ozeans einnimmt und sich über das Australasiatische Mittelmeer hinweg westwärts über den halben Indi- schen Ozean in geschlossenem Zusammenhange bis in die Gegend des Agul- hasstromes erstreckt. Gerade um die volle Größe dieses Areals zur An- schauung zu bringen, ist eine flächentreue Entwurfsart (Eckerts Onkoidpro- jektion) für unsere Karte gewählt worden; eine Merkatorkarte läßt die Tropenräume immer zu klein erscheinen. Anderseits wiederum ist die Osthälfte des Pazifischen Ozeans zu kalt, ausgenommen die Gewässer vor Britisch-Columbia und vor Zentralamerika. Die negative Anomalie erreicht im kalten Auftriebwasser vor der Atacamaküste volle 7°. Der Atlantische Ozean ist schroffen Gegensätzen unterworfen. Ein sich aus dem süd- lichen Indischen Ozean von Australien nach Südwesten und über die Kerguelen- und Bouvetgegend nach Westen hinziehender Streifen zu >) Comptes Rendus Ac. Paris 1887, Bd. 105, p. 863. 2) Ann. d. Hydr. 1898, S. 356, Taf. 9 und Petermanns Mitt. 1898, S. 258 u. Tai. 19. Die Isanomalen sind von 2 zu 2^ entworfen. 406 I^iß räumliche Verteilung der Temperaturen. kalten Wassers dringt in der Osthälfte des Südatlantischen Ozeans nord- wärts vor, beherrscht noch die beiden Äquatorialströme (die nach Koppen zu warm sein sollen!) und reicht bis zur Straße von Gibraltar: vor der Küste von Südwestafrika geht die negative Anomalie bis etwas über 8^, an der nordafrikanischen etwas über 6^. Nur das Gebiet des Guineastromes erscheint schwach, das des Brasilienstromes mäßig positiv gestört. Dafür aber ist im .Nordatlantischen Ozean ein großes Gebiet angeordnet, das die höchsten Stufen des Wärmeüberschusses an der Meeresoberfläche vorstellt. Das sogenannte Golfstromgebiet ist bis zu den Azoren hin um 4 ^, westlich von Irland bis 5.6^ und im warmen Nordmeergebiet bis 5.3*^ wärmer, als den betreffenden Breiten zukommt. Dafür ist wieder das Gebiet des Labradorstromes bis zu 6° zu kalt, ähnlich sein südatlantisches Gegen- stück, der Falklandstrom um 3.3^ verkürzt. Wieweit eines der Haupt- merkmale der Karte, der Gegensatz zwischen dem zu kalten Südatlantischen und Südindischen Ozean im Streifen von 50^ bis 60^ S. B. gegen die gleichen Lagen des Südpazifischen, in der dargestellten Intensität ( — 3.4° gegen -j- 2.7 ®) künftig bestehen bleiben wird, ist abzuwarten: der Gegen- satz selbst erscheint auch schon bei Koppen. Von den Nebenmeeren sind die Europa bespülenden sämtlich zu warm, ebenso das Amerikanische Mittelmeer und die indischen Nebenmeere, dagegen sind die pazifischen negativ gestört, das Kalifornische Randmeer unbedeutend, um so stärker die ostasiatischen, das nördliche Japanische bis — 4.5*^. Alle diese Charakterzüge sind aus den herrschenden Wasserbewegungen leicht ver- ständlich. 7. Die jährliche Periode der Temperaturen. Die vorige Darstellung bezog sich auf die mittleren Jahrestemperaturen der Oberfläche, also auf ein ganz abstraktes Merkmal. Wenn auch wochen- lang die für eine bestimmte Gegend angesetzte Mitteltemperatur dort gefunden werden kann, so wird doch das angenommene Bild niemals gleichzeitig auch nur für kurze Zeit auf der ganzen Erdoberfläche herrschen : zur Veranschaulichung der wirklichen und gleichzeitigen Temperaturen muß man auf kürzere Zeiteinheiten zurückgehen und pflegt als solche die 12 Monate zu nehmen. Wenigstens geschieht das in den ausführlicheren Tabellenwerken der nautischen Behörden ; für praktische Zwecke begnügt man sich meistens mit den vier Monaten Februar, Mai, August, November, wie wir bereits gesehen haben. Die oft erwähnten Atlanten der Deutschen See warte für die drei Ozeane beweisen, daß dies mit Erfolg geschehen kann. Dagegen war man früher zu bescheiden, wenn man sich allein mit den für die subtropischen und höheren Breiten extreme Zustände liefern- den Bildern für August und Februar begnügte. Denn für den größten Teil der tropischen Wasserflächen sind Februar und August keineswegs bezeichnende Monate. Es kann rrun unmöglich unsere Aufgabe sein, für die verschiedenen Monate im Jahr die Anordnung der Oberflächentemperaturen im einzelnen und vollständig zu schildern ; wir werden uns vielmehr darauf beschränken müssen, die charakteristischen Merkmale des Ganges dieser Temperaturen und ihrer örtlichen Unterschiede hervorzuheben. Wir untersuchen zu Periodische Schwankung der Oberflächenteraperaturen. 407 diesem Zwecke zunächst die Termine für den Eintritt der höchsten und tiefsten Temperaturen, sodann die Größe der Spannung zwischen beiden, ausgedrückt durch die Amplitude der absoluten Extreme, wie auch die des wärmsten und kältesten Monats, und gehen dann endlich den l'rsachen dieser jährlichen Temperaturschwankungen nach. Wir haben für diese Probleme recht gute Vorarbeiten, unter denen eine Abhandlung von G. Schott und eine zweite von Sir John Murray hervorrafjen^). Da die Sonnenstrahlung für die Wärmezufuhr in die Meeresoberfläche maßgebend ist, wird im allgemeinen die Temperatur der Deklination der Sonne folgen müssen: in jeder Hemisphäre wird die höchste Temperatur zur Zeit des höchsten Sonnenstandes zu erwarten sein. Wenn nun schon für die Atmosphäre ein deutlicher Phasenverzug vorliegt, der für die höheren außertropischen Breiten die Temperaturextreme um zwei bis vier Wochen später als den höchsten oder tiefsten Sonnenstand eintreten läßt, so ist das in noch höherem Grade für die Meeresflächen der Fall. Im Xordatlantischen Ozean zwischen 30^ und 50^ N. B. ist nach den umfassenden Tabellen- werken der Deutschen Seewarte der August der wärmste Monat. Von den 48 bearbeiteten Fünfgradfeldern dieser Zone ist dies für 31 der Fall; aber auch der September wird in 8, sogar der Oktober in 2 Feldern zum w^ärmsten Monat, und in 4 Feldern sind August und September von der- selben höchsten Temperatur, in einzelnen Feldern sogar September und Oktober, ja August und Oktober zugleich. Einmal wird aber auch der Juli zum wärmsten Monat. Im Durchschnitt pflegt trotz abnehmender Sonnenhöhe vom Juli zum August die Temperatur um 1^ bis 1\l'°, ja stellenweise noch bis zum September um 2*^ zu steigen. Das wirkt natür- lich auch auf die Lufttemperaturen in gleichem Sinne ein; wie J. Hann bemerkt, ist in Madeira die Luft im September noch ebenso warm wie im August, und wärmer als im Juli. Ähnlich wird Februar oder März, nicht aber Januar zum kältesten Monat. Für das Fünfgradfeld, das Ma- deira einschließt und besonders zahlreiche deutsche Schiffsbeobachtungen enthält, sind die einzelnen Monatsmittel, wie folgt: Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Xov. Dez. 18.0" 17.2'^ 17. r 17.9" 18.7^ 20.3" 21.8*' 22.9" 23.2" 22.P 20.6" 19.0" Hier ist also der Oktober wärmer als der Juli, der November wärmer als der Juni, der Januar wärmer als der April. Begeben wir uns in größere Landnähe, so ist der Phasenverzug geringer. Das ist schon der Fall im Mittelländischen Meer, wo das Maximum allgemein in den August, das Minimum in den Februar fällt; nur in den ägyptischen (bewässern ist der März um 0.1 ^ kühler als der Februar-). Nach H. X. Dickson liegt das Maximum in den britischen Küstengewässern gewöhnlich im August, niemals später, vereinzelt im Juli (Dinglebai. Westirland): das Minimum meist im Februar, jedoch nördlich von Schottland im März, ebenso bei ') Schott, Die jährhche Temperaturschwankung des Ozeanwassers, in Peter- manns Mitt. 1895, S. 153 — 159, Taf. 10 (mit guten Literaturangaben); Murray, On the annual ränge of temperature in the surface Avaters of the Ocean and its relation to other oceanographical phenomena, im Geographica} Journal, London 1898, Bd. 12, p. 113—137, mit Karte. 2) Hann in Met. Zeitschr. 1906, S. 316. 408 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. den Scillyinseln; an der Ostküste Englands stellenweise im Januar (so auch wieder in der Dinglebai). In der südlichen Ostsee liefern nach den älteren Beobachtungen der Kieler Kommission Juli und Februar die extremen Temperaturen. Aus den von Wada publizierten, eine starke Schwankung verdeutlichenden Daten für das Zweigradfeld südlich von Yokohama ist der Januar der kälteste, der August der wärmste Monat, dabei der Oktober noch fast ebenso warm wie der Juni : Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 10.9° 12.3« 12.8» 15.0" 17.8« 20.7" 22.8" 25.8" 24.4" 20.6" 16.3" 15.4" Auf südhemiöphärischen Meeresflächen sind die Verhältnisse nicht anders. Als eine Stichprobe gebe ich aus einem (allerdings älteren) briti- schen Kartenwerk ^) folgende Mittel temperaturen aus einem Fünf- gradfelde des Südatlantischen Ozeans südwestlich vom Kapland (30 ** bis 35° S., 50 bis 10° 0.) mit großem Phasenverzug. Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 15.3« 15.7" 15.9" 15.2" 14.7" 13.5" 12.4" 12.2" 11.4" 11.6" 12.9" 14.9" Hier erreicht die Verspätung der Extreme 2 ^2 Monate nach dem höchsten und niedrigsten Sonnenstande. Begeben wir uns in die Tropenzone, so müßten wir, falls die Strahlungs- größe allein den Ausschlag gäbe, nur in der Nähe der Wendekreise eine einfache Periode gemäß der einmaligen Kulmination der Sonne wahr- nehmen, dagegen am Äquator zwei Maxima und Minima. Daß dem Wärmster Monat: 30" W. 20" 10" 20^ W 0« Okt. Okt. Sept. — Sept. Sept. Sept. — Sept. Sept. = Okt. Sept. = Okt. — Okt. = Nov. Nov. Nov. (Mai) April = Mai April April März — April März = April 30^ 20" Kältester Monat: 30" 20" 10" W. Febr. Febr. Febr. — Febr. = März März März — März März März — Febr. März Aug. Aug. Sept. Aug. Aug. Juli 10" 30" 20" 20 "N. W 0" 10" Für jedes Fünfgradfeld ist der wärmste oder kälteste Monat eingetragen; wo zwei Monate gleiche Temperatur haben, sind beide genannt, und falls ein sekundäres Maximum auftritt, ist es in Klammern beigefügt. ') Charts showing the surface temperatures of the South Atlantic 0. in each month of the year. London 1869. Periodische Schwankung der Oberflächentemperaturen. 409 nicht so ist, mag beistehende Tabelle erweisen, die auf den sehr reich- haltigen niederländischen Beobachtungen für das Gebiet des Guinea- stroines beruht i); sie bedarf einer genauem Erläuterunor. Für den Kanarien- und Nordäquatorialstrom bis 10^ N. B. ergibt sich ein starker Phasenverzug (März — September). Der westliche Teil des Guinea, ^roms (westlich von 20° W.) hat das Minimum wie das nördliche Nachbar- gebiet, das Maximum verspätet sich noch weiter bis zum November. Dagegen ist die ganze Zone von 0° bis 5° N. B. und der Guineastrom ostwärts von 20° W. L. davon total verschieden: es sind südhemisphä- rische Sonnenstände, die für das entsprechend verspätete Maximum im März — April und das Minimum im August (auch September und Juli) entscheiden, wobei der wärmste und kälteste Monat nicht ein halbes Jahr auseinander liegen, sondern nur durch zwei bis drei Monate geschieden sind. Wie wenig einfach sich der ganze jährliche Gang der Temperatur gestaltet, mögen zwei Beispiele im einzelnen erweisen. Das erste bezieht sich auf das Gebiet des Guineastromes zwischen 5° bis 10° N., 20° bis 25° W., das zweite auf ein östlicheres Gebiet zwischen 0° bis 5° N., 5° bis 0° W. In beiden finden sich sekundäre Maxima und Minima. Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. I 26.6^ 26.7° 25.9« 26.5« 26.6« 27.1« 26.6« 26.4« 27.0« 27.6« 27,7« 27.0« II. 27.9 27.4 28.2 27.9 28.0 25.9 24.3 24.4 24.3 24.9 26.3 27.3 Will man diese merkwürdigen Temperaturgänge erklären, so darf man nicht, was leider öfter geschieht, übersehen, daß es sich um strömendes Wasser handelt. Dies bedeutet zum ersten, daß es nicht dieselben Wasser- teilchen sind, an denen die Temperatur in den verschiedenen Zeiten in derselben Position gemessen wird, sondern die späteren Messungen er- folgen immer an von fernher zugeführten und unterwegs in besonderer Weise beeinflußten Teilchen. Hieraus, wie aus der bekannten großen Wärmekapazität des Wassers wird man zum guten Teil die Verspätung der extremen Temperaturen erklären dürfen. Zweitens aber schwanken die Strömungen in ihrer Stromstärke, und kommt es in Zeiten des schnellsten Fließens zu vertikalen, aus der Tiefe aufsteigenden Zufuhren kalten Wassers, ja es können die bereits erwähnten seitlichen Zerrungen auftreten und eine sehr intensive Abkühlung der Oberfläche hervorrufen, wofür dann irgend- welche aus der Sonnenhöhe abzuleitende Ursachen abzuweisen sind. Ge- rade die großen Triftströme nahe am Äquator liefern im Atlantischen wie im Pazifischen Ozean vortreffliche Beispiele hierfür. Die Stromstärke des Südäquatorialstroms ist am größten im Juli und August. Es kommt dann zu überaus starker Abkühlung der Oberfläche in nächster Nähe des Äquators; nach englischen Quellen hat das Zweigradfeld von 0° bis 2° N., 18° bis 20° W. sogar nur 21.7° als Mitteltemperatur für August, und bleibt dabei um 1° bis 3° unter den benachbarten Feldern. Im Pazifischen Ozean wird ebenfalls der Südäquatorialstrom durch eine Verstärkung des Passats in der ganzen Breite des Ozeans zu sehr lebhaftem FUeßen entfacht *) Observ. oceanogr. et m^t.-dans la region du Courant de Guin6e 1855 — 1890 (Kgl. Nederl. Met. Inst. Nr. 95). Utrecht 1904, p. 100—105. 410 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Fig. 55 und 56. Ißü'^^V. 100° 80'^v: Oberflächentemperatnren im Pazifischen Ozean (nach der Deutschen Seewarte). Periodische Schwankung der Oberflächentemperaturen. 411 und dann sinkt die Temperatur westlich von den Galäpagosinseln bis nach 130° W. L. hin ganz auffallend: in 125° W. hat sie im Mai noch 25.5°, im August aber 23° bis 23.5° und bei den genaimten Inseln selbst noch nicht 20°, was den ganzen Herbst hin andauert. „Die mittlere Temperatur", sagt darüber Charles Darwin in seinem berühmten Buch über die Korallenriffe, „die unter der Leitung des Kapitäns Fitz Roy dort vom 16. September bis 20. Ok- tober 1835 beobachtet wurde, betrug nur 20.0°, die niedrigste an der Südwest- ecke von Albemarleinsel war nur 14.7°, und an der Westküste betrug sie mehrere Male 16.6° bis 17.2°" — in 1° S. B. ! Die hier vorliegenden Zerrungs- erscheinungen mögen durch die beigegebenen Kartenskizzen (nach dem Atlas der Seewarte) im einzelnen veranschaulicht werden (Fig. 55 u. 56). Die Karten dienen auch dazu, die charakteristischen Temperaturände- rungen südwestlich von den zentralamerikanischen Küsten erkennbar zu machen: vor allem das Temperaturmaximum im Mai mit seiner großen Fläche von mehr als 29°, das G. Schott zutreffend mit den um diese Zeit herrschenden Fig. 57. Gebiet fler tujchsten Oberflädientem-peraturon ira Meü. meteorologischen Zuständen erklärt hat: nicht nur daß die Sonne für die Breiten von 15° bis 22° N. dann im Zenith steht, sondern es herrscht auch große Ruhe in der Atmosphäre, so daß sich die obersten Wasserschichten ungestört durchwärmen können. Setzen dann im nördlichen Teil des Gebietes die starken Ostwinde ein, so gibt es Zerrungen, die zum Aufquellen kalten Wassers führen, wie im August und Februar deutlich hervortritt. Ähnlich ist der Zustand der von den Monsunen betroffenen nordäqua- torialen Gebiete des Indischen Ozeans und Australasiatischen Mittelmeers. Im Mai wirkt die kulminierende Sonne, mit unbehinderter Strahlung und ge- fördert durch Windstillen, auf die Meeresoberfläche ein, so daß der größte Teil des Arabischen Meers und Bengalischen Golfs über 29° bis 29.8°, der Golf von Siam und das Gebiet westlich von Borneo sogar etwas über 30° er- wärmt wird (Fig. 57). Der Ausbruch des Südwestmonsuns erniedrigt die Tem- peraturen des Arabischen Meers um 2° bis 4° (hier nicht ohne litorale Auf- trieberscheinungen), im Bengalischen Golf und in der Chinasee um 1° bis 2^, trotzdem die Sonne noch immer in höchster nördlicher Deklination verweilt: hier sind es die heftigen Niederschläge, die die Meeresoberfläche abkühlen. Im Winter geht dann die Temperatur im nördlichen Teil der Chinasee stark herunter, bei Haman im Januar auf 20° und bei den Pescadoresinseln, weiter nordöstlich in der Formosastraße auch unter 15°, da der herrschende Nord- ostmonsun kaltes Winterwasser an der Festlandsküste nach Siiden treibt. Selbst am Eingange zum Golf von Siam südlich vom Kap Cambodja sind noch weniger als 25° angetroffen, während der genannte Golf selbst in seinem Innern 412 E>ie räumliche Verteilung der Temperaturen. über 28^ behält. Auch das Gebiet westlich von Palawan und Mindoro wird durch warme, von Süden kommende Gegenströme auf 26° bis 27*^ gehalten^). Um die Größe dieser jährlichen Tempera turscbwänkung auszudrücken, kann man entweder den Unterschied zwischen dem wärmsten und kältesten Monat aufsuchen, oder die höchste und die niedrigste in einem gegebenen kleinen Gebiet je beobachtete Temperatur vergleichen. Das erste Ver- fahren hat G. Schott, das zweite Sir John Murray eingeschlagen. Die Differenz des höchsten und niedrigsten Monatsmittels bewegt sich von weniger als P bis hinauf zu etwa 15°. Doch fällt weitaus der größte Teil der Meeresflächen in den Bereich der geringen Amplituden. Indem ich die von Schott bearbeitete Karte zu Grunde lege, finde ich, daß 267.5 Mill. qkm, d. i. rund 2/4 (oder 74 Prozent) der Meeresflächen weniger als 5° Differenz zwischen dem wärmsten und kältesten Monat aufweisen. Auch die noch geringeren Amplituden sind mit ansehnlichen Zahlen vertreten: weniger als 2° haben 85 bis 90 Mill. qkm, weniger als P noch 16 Mill. Diese Gebiete geringster Amplitude (unter 1°) liegen alle in der Tropenzone zwischen 10° N. und S. B., und zwar im Pazifischen Ozean eines im Nordäquatorialstrom südlich von den Hawaiischen Inseln, ein größeres von den Phönixinseln (175° W. L.) bis nach Neuguinea hin (zusammen 9.3 Mill. qkm). Es findet seine Fortsetzung durch das Austral- asiatische Mittelmeer bis nach Celebes und Timor hin. Im Indischen Ozean ordnet sich eine Fläche von 4.8 Mill. qkm westlich von Sumatra bis über die Chagosbänke hinaus an; der Atlantische hat nur einen kleinen Fleck im Westteil des Guineastromes (0.3 Mill. qkm). Wenn diese Flächen von weniger als 1° Schwankung nur 4 bis 5 Prozent der ganzen Meeresfläche einnehmen, erheben sich die Gebiete von weniger als 2° Jahresamplitude auf fast ^/4 derselben. Sie ordnen sich vorzugsweise in der Tropenzone an, scheinen aber auch in den hohen Südbreiten wiederzukehren, wo ihre nähere Umgrenzung noch zweifelhaft bleibt. Nach Schotts Karte würde wesentlich der Indische und Atlantische Ozean südlich von 50° hier ein- zureihen sein. Abgesehen von diesem unsicheren Gebiet, das allein auf 15 bis 20 Mill. qkm zu schätzen ist, haben die drei großen Ozeane noch 66 Mill. qkm solcher Flächen (der Pazifische 47.4, der Indische 12.7, der Atlantische 6.0), wozu dann noch 3 Mill. im Australasiatischen Mittelmeer treten; insgesamt würden sich 87 Mill. qkm oder 24 Prozent der ganzen Meeresfläche ergeben. Die Areale mit mehr als 5° Schwankung belaufen sich auf fast 94 Mill. qkm, davon entfallen auf den Pazifischen 38, den Atlantischen 34, den Indischen nur 7, auf die großen Mittelmeere 4^2, die kleinen und die Randmeere noch 10^2 Mill. qkm. Bezeichnend ist die Lage dieser Gebiete mit großer Amphtude : in den niederen Breiten gehören nur die Küstenmeere mit dem Bereich des aufquellenden kalten Wassers an der Ostseite der Ozeane dazu, die Haupt flächen ordnen sich in den Zonen zwischen 30° und 40° B. in beiden Hemisphären an, so daß dann in den höheren Breiten jenseits von 50° B. wieder geringe Amplituden Platz greifen. Hier macht nur der Nordatlantische Ozean mit dem an- stoßenden europäischen Nordmeer eine Ausnahme, wo bis nach Grönland und Spitzbergen hinauf Amplituden von mehr als 5° vorkommen. Be- ^) Schott im Archiv der Seewarte 1891, Nr. 3, Taf. 3. Periodische Schwankung der Oberflächentemperaturen^ 413 sonders wichtig aber ist, daß die kleinen Mittelmeere und alle Randmeere (außer dem kleinsten, dem Tasmanischen) die größten Amplituden von mehr als 10^ aufweisen. Die Abgeschlossenheit dieser Meere, die Land- umgebung mit ihren starken Strahlungsunterschieden vom Sommer zum Winter, ihre oft stark ausgeprägte anohaline Schichtung, wodurch Er- wärmimg wie Abkühlung auf dünne oberflächliche Deckschichten be- schränkt bleiben, rufen auch große Unterschiede in den Sommer- und Wintertemperaturen hervor. Diese Amplituden überschreiten schon im Britischen Kanal 10° bis 12*^, in der südlichen Nordsee 13 und 14°, in der südlichen Ostsee 14° bis 17°, im Bottnischen Golf 12°. Das ganze Mittel- ländische Meer erleidet eine Amplitude von mehr als 10°, die Adria im Nordteil bis 14°, das Schwarze Meer bis zu 24° im flachen Grebiet vor Odessa. Auch das Rote Meer kennt mittlere Amplituden von 11° bis 13°, der Persische Golf von sicherlich über 10°. In den ost- asiatischen Randmeeren steigt die Amplitude von den Inselbögen land- wärts außerordentlich rasch. Überall beträgt sie mehr als 10°, in den inneren Buchten des Gelben Meeres sogar an 27° nach den neuen Zusammenstel- lungen von Wada : der Golf von Petschili hat im Juli und August etwas über 26°, und bedeckt sich im Winter mit Eis, das bei — 1° entsteht. Im Ochotskischen Meer beginnt sich die Schwankung zu mildern, im Bering- meer übersteigt sie nur an den Küsten noch 11°. Auch für das Kalifornische Randmeer sind mehr als 12° Amplitude verzeichnet. Allein das von den Wogen des Südmeers frei durchspülte Tasmanische Randmeer hat die kleine Amplitude von 4°. — In den eigentlichen Ozeanen kommt es auch noch örtlich zu auffallend hohen Amplituden, wo durch jahreszeitliche Verschiebung kalter und warmer Meeresströme dieselbe Stelle abwechselnd von tropisch warmem und polar kaltem Wasser eingenommen wird. Be- zeichnenderweise sind es zwei auch sonst viel Analogien bietende Meeres- striche: das Gebiet südlich und südwestlich von den Neufundlandbänken und südöstlich von Yezo. Im amerikanischen Gebiet kämpfen Labrador- und Cabotstrom mit dem Floridastrom, im japanischen der Kuro- mit dem Oyaschio, und beidemal verschieben sich die Grenzen des warmen Stromes vorübergehend im Spätsommer in höhere Breiten. Im übrigen erleiden die den offenen Ozean durchziehenden Gürtel hoher Amplitude in den Südbreiten selten größere Temperaturschwankungen als 7° bis 7 V2 °, in Nordbreiten kommt es bei den Azoren auf 8°, im Nordpazifischen Ozean zwischen den Aleuten und Hawaiischen Inseln noch etwas über 10°, wofür ebenfalls die Verschiebung der Westwindtrift in ihrer Lage ver- antwortlirh ist. Indem Schott nur die eigentlichen Ozeane betrachtet, die landnahen Gewässer ausschaltet, berechnet er für die Breitengrade zwischen 50° N. und S. folgende mittlere Amplituden: Nordbreiten: 50" 40° 30^ 20" 8.40 10.2" 6.7" 3.6" In diesen Mittelwerten kommt die zonenförmige Anordnung und zugleich der Unterschied der höheren Nord- gegen die gleichen Südbreiten genügend zum Ausdruck. Die Gegenden größter Amplitude fallen hiernach Südbreiten; 10" 0" 10" 20" 30" 40" 50" 2.2" 2.3" 2.6" 3.6" 5.1" 4.8" 2.9" 414 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. deutlich in die Zone der Roßbreiten, und Schott sagt zutreffend, daß man die starke jährliche Änderung der Sonnenhöhe (40^ bis 50°), dazu die durchschnittlich geringe Windstärke und vorherrschende Klarheit des Himmels als genügende Ursachen für starke Strahlungsdifferenzen an- nehmen könne. Nach den Polen hin nimmt dann die Wolkenbedeckung und der von der Windstärke abhängige Seegang wieder zu und mildert zunächst die jährliche Schwankung, bis dann in den eigentlichen Polar- räumen die sommerliche Sonnenstrahlung durch die Eisschmelze auf- gebraucht und damit die absoluten Temperaturen stets niedrig und wenig in den Jahreszeiten verändert bleiben. Umgekehrt ist in den Tropen der Wechsel in der Höhe des Sonnenstandes gering und hält sich die absolute Temperatur in allen Jahreszeiten ungefähr auf derselben beträchtlichen Höhe. Die Striche minimaler Amplitude von weniger als P liegen teils im Bereiche der äquatorialen Kalmengürtel, teils in dem halbjährlich alternierender Monsuntriften mit meist starker Bewölkung, vielfachen Stillen und damit gleichmäßig hoher Temperatur. Von dieser, einer bestimmten geographischen Position zukommenden Amplitude der Jahresschwankung muß unterschieden werden die bisher kaum untersuchte Temperaturänderung, die ein und dasselbe Wasser- teilchen während seines Weges in den großen horizontalen Stromsystemen zu erleiden hat. Bei einigen Stromgebieten wird man ohne weiteres sagen können , daß diese individuelle T em f er atur Schwankung , wie ich sie zum Unterschied von der vorher behandelten örtlichen nennen möchte, die ganze Spanne von tropischer Wärme bis zum Gefrierpunkte umfaßt. Aus den Trifterscheinungen beim sogenannten Golfstrom wissen wir genau, daß tropisches Wasser aus dem Karibischen Meer (zugleich mit einem Zedernstamm oder einer Riesenschote der Entada gigalohium) bis nach Westgrönland oder Spitzbergen verpflanzt wird, wo es gefriert und freilich erst nach einer Metamorphose durch Scholleneis und Schmelz- wasser wieder in niedere Breiten zurückkehren kann. Die individuelle Schwankung der Temperatur erreicht hier vielleicht 30°. Andere Teilchen werden, eingefangen in die halbjährlich alternietenden Monsunströme des melanesischen Gebiets oder in eine verkürzte Zirkulation, wie sie sich im nördlichen Indischen Ozean bewegt, wesentlich eintönigerem Schicksal unterworfen sein, und ihre individuelle Temperaturschwankung wird un- gefähr mit der Jahresamplitude der örtlich periodischen zusammenfallen, d. h. kaum 2° übersteigen. Zwischen diesen Werten bewegen sich die der umfassenderen Zirkulationen zwischen Passat- und Westwindtriften. Verfolgen wir auf Grund der vorhandenen Isothermen- und Strömungs- karten die thermischen Schicksale eines Wasserteilchens in einem in sich geschlossenen Kreislaufe, wie dem nordatlantischen. Bei der Kapverden- insel S. Anton im Mai liegend, wird es 23.0° zeigen. Drei Monate später, im August, ist es in die Mitte des Nordäquatorialstromes gelangt (etwa 12° N., 43° W.) und hat sich unter den ungefähr senkrechten Sonnenstrahlen auf 27.0° erwärmt. ]m November befindet es sich südlich von Jamaica mit derselben Temperatur, durchläuft dann in raschem Flusse den Florida- strom, so daß es im Februar südwestlich von der Neufundlandbank liegt (etwa 37° N., 55° W.): hier besitzt es aber nur 17.5°, 9.5° sind in der Nähe des winterlichen amerikanisch on Festlandes verloren gegangen. Die individuelle Temperaturschwankung. 415 Bis zum Mai hat es dann, südlich von den Azoren stehend (34° N., 28" W.), wieder 1 ^2 ^gewonnen, und vermehrt unter der günstigen Insolation bis zum August seine Temperatur noch weiter von ly* auf 26°, womit es seinen Kreislauf bei S. Anton nach I V* Jahr beendet hat. Die von ihm unter- wegs erlittene Temperaturänderung beträgt 9 ^2 ^ und vollzog sich wesentlich im winterlichen Lauf durch den Florida- Golfstrom. Die Salzgehaltsmeta- morphose auf diesem Wege ist unbeträchtUch. Handelt es sich, wie hier, um eine geschlossene Zirkulation, so kann sich auch die individuelle Tem- peraturschwankung innerhalb einer bestimmten Zeit wiederholen, also einer Periode unterworfen sein. Überdies bleiben aber keineswegs alle Teilchen an der Oberfläche, sondern viele werden auch in vertikale Zirkulationen hineingezogen. Diese Vorgänge sind, wie bereits bemerkt, noch wenig untersucht; wir werden ihnen am Schlüsse dieses Kapitels in einem anderen Zusammenhange noch einmal begegnen. Auf eine wichtige Folgerung muß aber schon hier hingewiesen werden. Wir haben die Temperatur als eines der bezeichnendsten Merkmale der Meeres- strömungen erkannt und man hat sie ja schon sehr früh allein, später mit dem Salzgehalt zusammen dazu benutzt, um die Grenzen und Ausbreitung aus- geprägter Strömungen zu bestimmen. Denn die Änderungen der Temperatur vollziehen sich verhältnismäßig langsam, außer wo der schon oft erwähnte Fall eintritt, daß aufquellendes Wasser eine intensive Abkühlung veranlaßt. Plötzliche Erwärmungen aber sind ausgeschlossen, dem widerstrebt die große Wärmekapazität des Wassers. Zeichnungen von Meeresströmen, die sich auf ganz kurzen Strecken in schroffem übergange um viele Zentigrade er- wärmen sollen, sind darum sicherlich falsch. Wenn G. Schott auf seinen Strom- karten für Februar den Kanarienstrom dicht an der Westküste des afrikani- schen Festlands nach Süden und Südosten unmittelbar in den Guineastrom einführt und auch diesen von 10° N. B. an nach SO fließen läßt, so verlangt er bei dieser Südostbewegung eine plötzliche Temperatursteigerung des Ober- flächenwassers um 5° auf 200 Seemeilen Weg oder innerhalb 2 bis 3 Wochen, was einfach unmöglich ist. Wir sahen an dem. ausgeführten Beispiel, daß ein im Mai von den Kapverden ausgegangenes Wasserteilchen ein Vierteljahr brauchte und 1100 Seemeilen zurücklegte, um unter den günstigsten Strah- lungsbedingungen (bis August) doch nur 4° zu gewinnen. Der Guineastrom fließt deshalb im Februar bei 8° N. B. an der Küste nach NW, wobei er rasch durch aufquellendes Wasser ausgekühlt wird. Die analogen Strombilder, die Schott für die Gegend ostwärts von den Galäpagos entwirft, sind aus demselben Grunde zu korrigieren, wie in Fig. 55 auch geschehen. Die Frage nach den höchsten und den niedrigsten in einer bestimmten geographischen Position beobachteten Temperaturen hat Sir John Murray i) behandelt. Er hat sie jedoch nur angenähert gelöst, denn seine Angaben beziehen sich nur auf die beiden Monate Februar und August, von denen er annahm, daß sie auch die extremen Einzeltemperaturen, die sogenannten absoluten Minima und Maxima liefern würden. Wie vorher gezeigt, wird das nicht immer zutreffen (S. 401), aber sehr starke Fehler dürften dabei nicht gemacht sein. Auch räumlich ist das von ihm untersuchte Gebiet nicht gleichmäßig behandelt, da für den Pazifischen Ozean seine Quellen, die Schiffstagebücher des Meteorologischen Amts in London, nicht er- giebig genug waren und für das Gebiet zwischen 60° N. und 50° S. B. ') The Geogr. Journal London 1898, Bd. 12, p. 113. 41Ö Die räumliche Verteilung der Temperaturen. kaum für die Hälfte, seiner Zweigradfelder für beide Monate Angaben lieferten. Die von ihm entworfene Übersichtskarte mit Ijinien gleicher absoluter Temperaturschwankung ist in den typischen Grundzügen nicht erheblich von der Karte Schotts verschieden. Die niedrigste in englischen Schiffsjournalen vermerkte Temperatur ist — 3.3*^ östlich von Neuschott- land; die höchst 3 des offenen Ozeans = 32.2^ wird mehrfach aus den tropischen Teilen des westlichen Pazifischen Ozeans gemeldet, während das absolute Maximum der Nebenmeere für das Nordende des Persischen Golfs mit 35.6*^ (nur 2^ unter Blutwärme!) angegeben wird. Hiernach ist also nicht, wie gewöhnlich angenommen, das Rote Meer im Besitz der höchsten Wassertemperaturen, wo nur 34.4^ beobachtet sind. Dem Persischen Golf kommt daneben auch die hohe absolute Temperatur- schwankung von 21.4^ zu, da das absolute Minimum 14.4^ beträgt; beim Roten Meer ist es = 15.0", also die Amplitude nur 19.4". Nur im Bereiche der schon vorher erwähnten Küstengebiete bei Neuschottland und Yezo kommen in demselben Zweigradfeld Differenzen der Extreme von 28" vor: östlich von Neuschottland sind — 2.2" und + 26.7", also eine Schwan- kung von 28.9", und in den nord japanischen Gewässern — 2.8" und + 28.3", also eine Amplitude von 31.1" festgestellt!). Später hat Murray noch Karten für die Maximal- und Minimaltem- peraturen der Meeresoberfläche veröffentlicht 2), von denen die erste eine gewisse biologische Bedeutung hat. Leider sind die Isothermen von 10 zu 10" Fahr, entworfen, was kein scharfes Bild liefert. Indem er die zwischen jeder Isotherme liegenden Areale planimetrisch bestimmte, er- hielt er folgende prozentualen Werte für die Minima: inter — 1.1" 4.4" 100" 15.6" 21.1" über -1.1° bis 4.40 bis 10.0" bis 15.60 bis 21.1" bis 26.7" 26.7" 14.43 10.13 11.08 12.03 16.03 30.10 6.20 Die kalten Meere, in denen Minimaltemperaturen unter 4.4" vorkommen, nehmen also V* (24.5 Prozent) der ganzen Ozeanfläche ein. Minima von weniger als 10" .und solche von mehr als 21.1" beherrschen jedes ungefähr dieselbe Fläche von 36 Prozent. Im Gegensatz dazu zeigt die Karte der Maximaltemperaturen die Flächen, wo die höchste Temperatur noch unter 4.4" bleibt, zu 12.6 Prozent; für Maxima unter 10" ist das Areal 17.7 Prozent, für solche über 21.1" aber 65.5 Prozent, über 26.7" noch 45.5 Prozent, über 32.2" noch 0.4 Prozent oder 1.3 Mill. qkm (in seinem absoluten Maß, wo alle Meeresflächen nur 355.3 Mill. qkm umfassen). Ebenfalls auf Grund von Temperaturkarten für Februar und August, die aber die mittleren Temperaturen dieser Monate darstellen, habe ich vor längerer Zeit ähnliche Rechnungen ausgeführt, indem ich die von wichtigen Isothermen eingeschlossenen Areale ermittelte^). Ich fand dabei, daß ^/s der irdischen Meeresflächen fortwährend über 24", mehr als die Hälfte über 20" erwärmt sind. Die relativen Areale in Prozenten der gesamten Meeresfläche enthält folgende Tabelle: ^) Zu den Maximaltemperaturen der Schiffstagebücher vergl. die kritische Bemerkung S. 373, unten. -) Geogr. Journal Bd. 15, 1899, S. 1-17, 2 Karten. 3) Zeitschr. f. wiss. Geogr. 1887, Bd. 6, S. 1. Eindringen der jährlichen Temperaturschwankung in die Tiefe. 417 über 240 über 20" Februar August Februar August Vo 7o 7o Vo Nordhemisphäre 36.0 55.0 47.6 65.2 Südhemisphäre 42.6 23.2 59.2 39.1 Ganze Meeresfläche .... 39.3 39.6 ! 1 53.7 51.3 Von den Flächen über 24°, die im Februar 146, im August 142 Millionen qkm umfassen, liegen im Februar auf Nordbreiten 42, auf Südbreiten 58 Pro- zent, im August aber auf Nordbreiten 68, auf Südbreiten nur 32 Prozent, woraus die größere Erwärmung der nordhemisphärischen Meere deutlich hervorgeht. Indem ich dann Temperaturen der im Winter stehenden Hemi- sphären im Februar und August verglich, kam ich zum Schlüsse, daß sich beinahe ^/s (29 Prozent) der Meeresflächen niemals unter 24° abkühlen, und, wenn die Sommerwerte zusammengenommen werden, daß sich fast die Hälfte der ganzen Meeresfläche (49 Prozent) einmal im Jahr über 24° erwärmt. Die Tiefe, bis zu der die jahreszeitliche Schwankung der Temperatur vordringen kann, wird gewöhnlich in der englischen Literatur zu 1 50 Faden oder 275 m angegeben; auf welchen Messungen sie beruht, ist nicht klar, vermutlich ist sie lediglich aus dem Anblick der Temperaturkurven ab- geleitet^). Das wäre natürlich immer nur ein indirekter Weg, um einem solchen Problem beizukommen ; der direkte freilich, nämlich der unmittel- barer Beobachtung wird wahrscheinlich nie im offenen Ozean betreten werden. Wollte man nämlich das Fortschreiten der Temperaturen ab- wärts in die Tiefen von den Zeiten schwächster Strahlung zu denen der stärksten im offenen Ozean verfolgen, so müßte man eine schwimmende Beobachtungsstation ein Jahr lang passiv vom Strom dahin treiben lassen, damit man nach Möglichkeit den individuellen Temperaturschwankungen der Wassersäule folgen kann, von der das Schiff fortgetragen wird. Selbst hierbei ergäbe sich der wohlbegründete Einwand, daß die obersten Schich- ten rascher strömen als die tieferen, so daß die Beobachter doch schließ- lich die Spur der mit den Jahreszeiten verschieden stark eindringenden Wärmestrahlen verlieren müßten. Außerdem wird es schwer sein, Gebiete zu finden, die gänzlich frei von vertikalen Strömen sind. Hieraus ergibt sich, daß besser, als der offene Ozean, kleinere, zugleich tiefe, möglichst stromlose und für sich abgeschlossene, dabei aber auch von möglichst homogenen Wassermassen erfüllte ui^d überdies von starker Jahresampli- tude beeinflußte Meeresbecken für solche Beobachtungen aufzusuchen wären. Diese finden wir in den subtropischen Mittelmeeren, vor allem im Mittelländischen, auch noch im Roten Meer. In der Tat sind auch hier schon von Aime ^) entsprechende Untersuchungen ausgeführt worden. Auf der Außenreede von Algier und nördlich davon durch 5 Jahre beob- ^) Auch die erste Quelle kenne ich nicht. Alex. Agassi z, Three Cruises etc. I, 247 gibt 150 Faden, G. v. Boguslawski, Die Tiefsee (Virchow und Holtzen- dorfifs Sammlung Nr. 310/11), Berlin 1879, S. 39, nur 80 bis 100 Faden an. 2) A. a. 0. S. 117. Krümmel, Ozeanographie. I. 27 418 I^i® räumliche Verteilung der Temperaturen. achtend fand er als Betrag jahreszeitlicher Temperaturschwankung folgende Werte: Tiefe (m) 0 25 50 100 200 350 Mittlere Temperatur . . 18.2« 16.3« 14.4« 13.7« 13.0« 12.6« Größte Schwankung . ' 10.2« 6.3« 2.8« 2.0« 1.0« 0.0« Indem er die gefundenen Schwankungen wesentlich dem verschiedenen, vom Sonnenstande geregelten Betrage der Einstrahlung zuschreibt, kommt Aime zu de> Ergebnis, die Tiefe dieser jährlichen Schwankung auf nicht weniger als 300 bis 400 m anzusetzen ; eine genauere Angabe hielt er nicht für angebracht, weil in den Tiefen von mehr als 300 m die Temperaturen sich nur ganz wenig noch ändern. Er macht dann weiter die wichtige Be- merkung, daß im Winter die ganze Wassermasse von der Oberfläche bis zum Boden dieselbe Temperatur annehmen könne, nämlich 12.6^, was der Ober- flächentemperatur im landfernen westlichen Mittelmeer zwischen Toulon und Algier um Ende Januar genau entspräche. Durch Anhäufung der Sonnen- wärme an der Oberfläche und Transport derselben in die Tiefe bis zum Hochsommer hin wird also nach Aime nur eine Schicht von bestimmter Mächtigkeit beeinflußt, unterhalb davon aber liegt im westlichen Mittel- meer die bis zum Boden hin gleichmäßig 12.6^ messende, von der Sonnen- wirkung nicht mehr erreichte homotherme Grundschicht. Indem wir zunächst offen lassen, ob nicht in dem von Aime untersuchten Teil des westlichen Mittelmeeres doch noch Störungen durch Meeresströme auf- treten können, dürfen wir uns doch seinem Gedankengang im allgemeinen anschließen. Die Tiefe also, in der wir, unter der Voraussetzung einer vollkommenen oder sehr angenäherten Homohalinität der Wassersäule, im Mittelmeer im Hochsommer die homotherme Grundschicht antreffen, gibt uns einen Anhalt dafür, wie weit die Sonnenwirkung in die Tiefen reicht, wobei unter dem Begriff der Sonnenwirkung alle Strahlungs- und Konvektionsvorgänge, die wir früher untersucht haben, einbegriffen sind. Hiernach müssen wir annehmen, daß im Golf von Neapel nach den Messungen von Semmpla i) in 180 m diese gesuchte Tiefe noch nicht erreicht ist ; mitten im Golf beobachtend fand er vom Februar zum August in 100 m Tiefe noch eine Erwärmung um l.P (von 13.2^ auf 14.3«), in 120 m um 0.9^ in 180 m um 0.8« (von 13.2« auf 14.0«). Im östlichen Mittelmeer haben wir die zahlreichen Beobachtungen der österreichischen Expeditionen auf der Pola: dort ist die Temperatur der homothermen Grundschicht etwa 13.6« mit kleinen örtlichen Schwankungen von 13.5« bis 13.7«. Glücklicherweise im Hochsommer arbeitend fanden nun Luksch und Wolf diese Temperatur in keiner geringeren Tiefe als 400 m, wo meistens noch 14.1« bis 14.2« verzeichnet wurden, dagegen öfter in 600, immer in 800 m. Eine gute Bestätigung ist aus einigen von Makaroff im März 1889 ausgeführten Messungen zu entnehmen. Er fajud nördlich von Barka in den obersten 100 m etwa 16.2«, in 200 m: 15.2«, in 400 m: 14.2«, in 800 m: 13.7«. Wenn dies für das große und tiefe Ostbecken gelten darf, so sind im Ägäischen Meer die Verhältnisse etwas anders. In einer isolierten kleinen Mulde westlich von den Cvkladen beobachtete Luksch mehrfach schon ') Zeitschr. der österr. Ges. für Met. Wien 1882, S. 252. Typen der Temperaturschichtung. 419 in niedrigeren Tiefen die dort auf 13.5^ bis 13.6 "^ temperierte Grund- schicht, einmaP) in 477 m. Auch MakarofT traf dort am Mikonikanal in 400 m schon 13.7° (im März). Für das Rote Meer darf man ebenfalls nach den österreichischen Messungen etwa 500 m als untere Grenze der sommerlichen Durchwärmung ansetzen, im isoliert liegenden, aber tiefen Golf von Akaba in 400 m. In allen diesen Fällen bietet die vorhandene Schichtung des Salzgehaltes einer freien vertikalen Konvektion kein wesentliches Hindernis. Ein solches aber stellt sich in den Nebenmeeren der höheren Breiten ein, wo eine schwach salzige Deckschicht sich mehr oder weniger scharf gegen schwerere Tiefenschichten absetzt, wie im Schwarzen Meer oder unserer Ostsee, und dann die Konvektion an der unteren Grenze dieser Deckschicht haltmachen muß. Im Schwarzen Meer beeinflußt also die jahreszeitliche Sonnen Wirkung die Wasserschichten bis etwa 65, in der Ostsee auf 50 bis 70 m; sie reicht damit bisweilen nur wenig tiefer, als die kleinen unperiodischen Temperaturschwankungen, wie sie sich in der Sprungschicht verraten (vgl. S. 395). Wie weit sich aber die jahreszeitliche Schwankung der Temperaturen in den Schichten des offenen Ozeans von der Oberfläche nach der Tiefe hin fortpflanzt, vermögen wir zur Zeit nicht zu sagen. Es scheint mir aber viel dafür zu sprechen, daß die erreichte Tiefe dort kleiner sein wird, als in den Mittel- meerbecken. 8. Die senkrechte Verteilung der Temperaturen. Um eine bequeme und kurze Ausdrucksweise für die verschiedenen Hauptarten der Temperaturschichtung in den irdischen Meeren zu schaffen, habe ich vor längerer Zeit folgende Terminologie vorgeschlagen, von der auch schon im vorigen hin und wieder Gebrauch gemacht wurde, und die der früher beschriebenen Bezeichnungsweise der Salzgehaltsschichtung (S. 334) genau parallel geht. Wenn die Temperatur von der Oberfläche bis zum Boden in allen Tiefen gleich ist, ist das Wasser homotherm. Man spricht aber auch von homo- thermen Deckschichten oder Grundschichten, wenn die Temperatur- gleichheit von der Oberfläche bis zu irgend einer bestimmten Tiefe oder vom Boden aufwärts durch mehr oder weniger mächtige Wassersäulen auftritt. — Sind im Gegenteil Unterschiede in den Temperaturen der verschiedenen übereinander gelagerten Schichten vorhanden, so hat man es mit einer heterothermen Anordnung zu tun. Beide Ausdrücke sind schon seit langer Zeit in der Literatur üblich gewesen. Die heterotherme Anordnung zerfällt in folgende einfache Typen 2). Ist das Wasser oben warm, nach unten hin aber stetig kälter, so herrscht anotherme Schichtung ; sie ist der normale Zustand im offenen Ozean und in den Nebenmeeren niederer Breiten. — Ist umgekehrt das Wasser oben kälter, als in der Tiefe, so ist die Schichtung katotherm, was zur Voraus- setzung hat, daß die oberste Schicht aus salzärmerem Wasser besteht, während die Tiefen von schwererem erfüllt sind. Dieser gleichzeitig katohaline Zustand ist eine Wintererscheinung in Nebenmeeren höherer 1) Station 165, am 8. Sept. 1891 in 37'^ 8' N. 24« 13.5' 0. 2) Von mir vorgeschlagen in Petermanna Mitt. 1895, S. 112. 420 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Breiten. — Eine Anordnung, wo die obere Schicht eine höhere Temperatur hat, als eine darunterliegende tiefere, während in noch größerer Tiefe die Temperatur wieder steigt, heißt dichoiherm (von Si^^dCco, trennen); sie kennzeichnet viele Nebenmeere der höheren Breiten im Sommer. Um- gekehrt heißt die Schichtung mesotherm, wenn die Deckschicht und Grund- schicht kälter sind, als eine zwischengeschaltete Schicht, so daß die Tem- peratur von oben nach unten erst zunimmt und dann wieder abnimmt — eine Anordnung, wie sie im Bereiche polarer Schmelzwasser häufig ist, also auch bis in die offenen Ozeane hinein reichen kann. Man könnte dann Fig. 58. ! f i J L^ ! 1 1 ! 1 1 i t^ \ 1 **' \ t 1 -., \ . \ f ~- J \ "i \ 1 \ \ '" l\J . ( '" \ \ . \ . 1 V - f *■ j - V 1 ' \ v^ ■ \ \ ■ '^ , .... _ \ — 1 - — - ^1 1 1 1 1 . - _ 0 500 1000 1500 2000 2400 Fad 0 915 1830 2745 3660 4390 m Temperaturkurve der Gazelleexpedition am 26. Juni 1875 in 0» 5' S. B. und 1320 29' 0. L. noch der Vollständigkeit halber eine unregelmäßige Abwechslung wärmerer und kälterer Schichten als letzten Typus aufstellen und poikilotherm nennen; doch wird sich empfehlen, so verwickelte Schichtungen lieber zu zerlegen in Schichtengruppen, die sich alsdann einzeln den eben beschriebe- nen Typen unterordnen. Die anotherme Schichtung kann nun wieder eine Reihe von Unterarten aufweisen, je nachdem der Temperaturabfall mit der Tiefe stetig oder un- gleichmäßig erfolgt. Auf einer Station der Gazelleexpedition unter dem Äquator im Pazifischen Ozean (s. Fig. 58) ist die Abnahme der Temperatur zuerst sehr gleichmäßig um 17° bis 500 m hin, von 29.3° auf 12.2°, dann beginnt ein lang- samerer Abfall, der schUeßlich in den Tiefen über 2000 m und noch mehr über 3000 m hinaus ganz gering wird. Die graphische Darstellung macht dann bei- nahe den Eindruck einer hyperbelähnlichen Kurve, deren Hauptwendepunkt Typen der Temperaturschichtung. 421 Fig. 59. 14 C etwa bei 1400 m liegt. Immer noch eine stetige Abnahme, aber mit deutlich hervortretender gut durchwärmter Deckschicht, zeigt eine Challengerstation im Südatlantischen Ozean westwärts vom Kapland (Fig. 59), wo in den ersten 200 m die Temperatur nur um 0.3^ (von 13.4<^ auf 13. l*^) und erst von 275 m an rascher abnimmt, um dann ebenfalls einen Wendepunkt, diesmal aber schon bei 800 m, zu finden. Noch stärker ausgeprägt ist die obere gut durchwärmte Schicht bei einer Station an der inneren, östlichen Seite des sogenannten Golfstroms (Fig. 60, Kurve A): in den ersten 200 m nimmt die Temperatur noch nicht um V2^ (18.3° bis 17.9^) ab, erst in 650 m ist sie um 3° niedriger, worauf dann ein rascherer Abfall beginnt und mit 1400 m ein Wende- punkt eintritt. Eine benachbarte, mitten im Golfstrom gelegene Station hat eine viel höhere Oberflächentemperatur, 23.9^), dann nach kurzem Abfall eine homotherme Schicht zwi- schen 40 und 110 m (mit 21.7^) und erst von 150 m entschiedene Abnahme mit dem Wende- punkt bereits in 550 m, während eine dritte Station (C), am westlichen itande zum kalten 1500 Fad. 2745 m. Temperaturkurve der Challengerexpedition am 23. Oktober 1873 in 350 59' S., 10 34'0. Küstenwasser hin, durchweg kühler ist und den Wendepunkt schon in 400 m zeigt. Die erste Kurve (Fig. 58) hat nur einen Wende- punkt, die zweite, dritte und fünfte der be- schriebenen haben deren zwei, und die Kurve mitten aus dem. Golfstrom hat sogar drei Wendepunkte, trotz des gemeinsamen allge- meinen Merkmals der Anothermie. — Nach der Zahl der Wen- depunkte Hes- sen sich auch noch die an- deren Typen weiter eintei- len; doch ha- ben sie nicht unter zwei. isöoFad. 2745 m. Temperaturkurven der Challengerexpedition, April und Mai 1876. .4 in 360 6' N.,690 54' W. — J5in360 23' N., 710 46' W. — Cin370 25' N., 710 70' W. a) Die Temperaturschichtung der offenen Ozeane. Wenden wir uns den offenen Ozeanen zu und lassen wir zunächst die polaren Randgebiete außer acht, so zeigt sich, am besten in Tem- 422 I^i® räumliche Verteilung der Temperaturen. peraturkurven, wie den beistehenden, stets ein Gegensatz zwischen einer oberen warmen und einer unteren kalten Wassermasse. Der Übergang von der einen zur anderen, durch einen Wendepunkt der Kurve bezeichnet, liegt aber nicht überall in derselben Tiefe. Es ist dieser Wendepunkt nämlich von zwei entgegengesetzten Vorgängen abhängig, von dem kli- matischen Unterschied in der Wärmezufuhr von oben her, und sodann von der Größe der vertikalen Bewegungskomponenten innerhalb der Wasser- massen selber, wobei absteigende Tendenzen den Wendepunkt in die Tiefe drängen, aufsteigende ihn der Oberfläche näher bringen. Im allgemeinen aber sieht man die erste Gruppe der Wirkungen, die klimatische, immer geringer werden, in je größere Tiefen man hinabkommt, und in Tiefen von mehr als 1000 m beginnt schon eine gewisse örtliche Gleichmäßigkeit der absoluten Temperaturen. Klimatische Unterschiede werden also, da die mittlere Tiefe der offenen Ozeane rund 4000 m beträgt, nur im obersten Viertel der Wassersäule bedeutsam werden. Die große Masse des Welt- meeres, ^/4 seiner Wassersäule ist wenig differenziert, meist unter 3*^ tem- periert und am Boden vorherrschend nur wenig über 0^, also kalt. Die örtlichen Unterschiede in der senkrechten Verteilung der Tem- peraturen untersucht man zweckmäßig auf Karten, die die Isothermen für bestimmte Niveaus enthalten, welches Hilfsmittel schon G. Schott i) in umfassender Weise zur Darstellung des Atlantischen und Indischen Ozeans benutzt hat. Er legte dabei die Tiefen von 50, 100, 150, 200, 400, 600, 800, 1000, 1500, 2000 und 3000 m zu Grunde und hat alles damals zugängliche Material verarbeitet. Für den bei Schott noch fehlenden Pazifischen Ozean habe ich solche Isothermenkarten selbst handschriftlich entworfen, wofür nicht nur die großen Expeditionen des Challenger, der Gazelle, Tuscarora, sondern auch älteres und neueres Material, wie es sich bei Prestwich, Makaroff, in den zahlreichen Berichten von Alex. Agassiz und in den Veröffentlichungen der britischen Admiralität über die Arbeiten der Vermessungsschiffe und Kabeldampfer bis 1904 vorfand. Da die Tiefe von 50 m noch allzusehr unter dem Einfluß jahreszeitlicher Ein- wirkungen steht, ist besser von ihr ganz abzusehen. In 100 m Tiefe sind die regionalen Unterschiede noch sehr beträchtlich. Der in den Oberflächentemperaturen erkennbare starke Kontrast des ganzen Indischen und westlichen Pazifischen Ozeans gegen den Atlantischen besteht sehr ausgeprägt auch in 100 m Tiefe. Die Zone von mehr als 25^^ umfaßt das westpazifische Gebiet westlich von 125*^ W. L. zwischen 18" N. und S. B., setzt sich durch die Banda- und Floressee in den Indischen Ozean fort, wo sie von der Weihnachtsinsei nordwestlich bis Ceylon und westwärts über die Malediven (bis 65° 0. L.) vordringt. Im Atlantischen Ozean hat nur ein ganz kleiner Fleck im Brasilienstrom auf der Höhe von Bahia über 25^*. Die Erwärmung des bei den Oberflächentemperaturen erwähnten, stark erwärmten Tropenwassergebietes im Indisch-Pazifischen Ozean (S. 411) überschreitet noch sogar 26° auf einem großen Bruchteil der genannten Fläche, ja 27° östlich von i^euguinea und nordwärts von Samoa bei den Tokelau- und Phönixinseln. Entlang der ganzen Westküste ^) Wiss. Ergebnisse der deutschen Tiefseeexped. Bd. 1, Ozeanographie und marit. Meteorologie, Jena 1902, Atlas. Ozeanische Temperaturen in 100 und 200 m Tiefe. 423 des tropischen Amerika, wie des tropischen Afrika, erheben sich die Tem- peraturen dagegen nirgends über 20° ; im Bereiche der aufquellenden Küsten- wasser liegen sie bei 13° und 14°, nur im östlichen Teile des Guineastromes, wie im Panamagolf, bei 15° und 16°, vereinzelt auch über 18"\ — In den gemäßigten Breiten der Südhalbkugel verlaufen die Isothermen nahezu mit den Parallelgraden, und die Differenz gegen die Oberfläche ist nicht groß (s. Fig. 59). In der kalten Bouvetregion schiebt sich die 0 "-Isotherme von Süden her bis 50° S. B. herauf, und von 55° S. südwärts sind Tem- peraturen von — 1.0° bis — 1.7° verzeichnet. In den höheren Nord- breiten machen sich die warmen Meeresströme, wie Kuroschio- und Golfstromtrift namentlich an der Ostseite ihrer Ozeane bemerkbar, so daß sich die 10°-Isotherme sogar bis Rockall (57° N. B.) hinaufgeschoben findet. Weder im Nordatlantischen, noch im Nordpazifischen Ozean sind in 100 m Tiefe Temperaturen von 0° verzeichnet; nur dicht an der Südost- küste von Kamtschatka scheinen sie aus der Beringsee herüber zu treten. In 200 m Tiefe wird das Bild schon wesentlich anders. Nicht nur, daß die Temperaturen allgemein niedriger geworden sind, sondern die ganze Anordnung ist umgeworfen insofern, als sich die Gebiete intensivster Erwärmung in allen drei Ozeanen nicht mehr in der Nähe des Äquators, sondern an die Ränder der Tropenzone, ja stellenweise über die Wende- kreise hinaus verschoben finden. Das Gebiet der nach Westen gehenden Äquatorialströme, aber noch mehr das der östlichen Gegenströme zeigt Temperaturen von fast überall weniger als 15°, vielfach noch nicht 13°. Auch das sonst so gut durchwärmte Monsungebiet des nördlichen Indischen und des westlichen Pazifischen Ozeans macht keine Ausnahme: südlich von Ceylon sind nur 12.6°, im Bereiche der Karolinen 12.9° verzeichnet. Britische Vermessungsdampfer fanden entlang der neuen Kabellinie nordwärts von Fanninginsel verschiedentlich nur 10° bis 11°, wie das schon 1875 im August die Challengerexpedition bei 150° W. L. zwischen 11° und 5° N. B. festgestellt hatte. Die relativ niedrigsten Temperaturen des Atlantischen Ozeans in der Tropenzone liegen in einem Streifen, der östlich von Ascension unter dem Greenwichmeridian beginnt und sich westwärts auf Fernando Noronha und dann nordwestlich über den Äquator hinaus erstreckt, überall mit weniger als 12°, vielfach noch nicht 11°. Im Gegensatz dazu zieht sich eine große Zone mit über 15°, auf beträcht- lichen Strecken 20° Temperatur, im Südpazifischen Ozean von 110° W. L. über den Paumotuarchipel westwärts nach dem Korallenmeer hin, mit der Hauptachse bei 17° S. B. und den höchsten Temperaturen von 22.8*^ im Paumotuarchipel und 23°, ja 24° bei den Fidschiinseln und Salomonen. Die entsprechende nordpazifische Zone ist weniger intensiv ausgebildet, sie hat ihre Hauptachse am Wendekreise mit knapp 20° bei 180° L. ; das sind 6° bis 7° mehr, als am Äquator. Im Indischen Ozean ist der nörd- liche Teil des Bengalischen und Arabischen Golfs über 16° bis 18° erwärmt, dagegen der warme südhemisphärische Gürtel zwischen Australien, Ma- dagaskar und der Agulhasbank viel breiter an Fläche und höher an Tem- peratur, indem diese östlich von den Maskarenen 19° und 20° überschreitet. Der Atlantische Ozean ist besonders an der Westseite mit ebenfalls zwei solchen relativ warmen Gebieten ausgestattet. Unter dem Brasihenstrom zwischen Trinidad und Rio geht dabei die Temperatur über 20°, weiter 424 ^^i© räumliche Verteilung der Temperaturen. im Osten in 30^ S. B., 0^ Grw. knapp über 15°. Dagegen ist der Nord- atlantische Ozean in seiner ganzen Breite zwischen 15° und 35° N. B. außerhalb des aufquellenden Küstenwassers der westafrikanischen und ostamerikanischen Küste über 16° erwärmt, wobei die Temperatur nach Westen hin stetig zunimmt, so daß unter dem Antillen- und Golfstrom nicht nur über 20°, sondern sogar über 22° erreicht werden, fast wie im Südpazifischen Ozean. Polwärts geht die 10°-Isotherme unter der Golf- stromtrift noch immer bis 55° N. B. am Rande des irischen Schelfs. Dafür sinken die Temperaturen bei der Neufundlandbank auf 2° und bei West- grönland auf 1°. — In den hohen Südbreiten ist die Temperatur südwärts- von 50° S. B., soweit sie bisher untersucht ist, anscheinend um 1^ bis 2° höher in 200 m als in 100 m, also über Null. Es ist darauf später noch zurückzukommen. In 400 m Tiefe ist derselbe Typus der Anordnung, nur noch ausgeprägter, vertreten; ich gebe anbei eine kartographische Übersicht mit Isothermen von 2° zu 2° (Fig. 61; zum richtigen Vergleich der Areale ebenfalls in flächentreuer Onkoidprojektion). Die relativ kalte äquatoriale Zone ist im Indischen Ozean nicht unter 10° (nur südlich von Java 8.2°), dagegen im Pazifischen bei den Karolinen nur 8° bis 9°, weiter östlich um 10° herum temperiert, gelangt aber im zentralen Atlantischen Ozean stellen- weise noch nicht auf 8°, bei Fernando Noronha nur auf 7.1°. Die beiden Zonen maximaler Temperatur haben sich noch weiter polwärts verschoben. Auf der Südhalbkugel ist wieder die südpazifische breiter und intensiver als die anderen ; Temperaturen von über 15° sind hier mehrfach, eine solche von 16.0° aber nur einmal bei den Fidschiinseln gemessen. Unter den nordhemisphärischen aber ist jetzt die nordatlantische Zone von ungleich größerer Intensität; auf der Fahrt von St. Thomas über Bermudas nach Halifax hinauf fand die Challengerexpedition zwischen 22° und 40° N. B. überall über 17°, unter dem eigentlichen Floridastrom bei 30° N.B. wurden sogar etwas über 18° gemessen. Unter der Golfstromtrift erreicht die 10°-Isotherme am irischen Schelfrande immer noch 52° N. B. Der Anblick dieser Isothermenkarte läßt den entscheidenden Einfluß der Meeresströmungen deutlich erkennen, und zwar sind es nicht nur die horizontalen, sondern die damit eng verbundenen vertikalen Be- wegungen, die sich hier unmittelbar aufdrängen. Die großen Passattriften beider Hemisphären tragen das erwärmte Tropenwasser westwärts und lassen es in der Nähe der sich entgegenstellenden Küsten nach Norden und Nordosten ^abbiegen, wie denn auch im Nordpazifischen, und noch mehr im Nordatlantischen Ozean die Stromrichtungen der Oberfläche aus dem Verlauf der Isothermen vielfach noch in 400 m abzulesen sind. Aber die Äquatorialgegenströme, die doch erst recht und ausschließlich von tropiscii warmem Wasser aus denselben Passattriften her versorgt werden, sind im Gegenteil um mehrere Zentigrade zu kalt. Also nicht nur, daß bei ihnen derselbe Wärmetransport nach der Tiefe, den wir an und pol- wärts von den Wendekreisen an der Westseite der Ozeane wirksam sehen, ausbleibt, es tritt sogar ein Defizit an Wärme ein. Sicherlich kann das nur durch ein Aufsteigen von kaltem Wasser aus der Tiefe geschehen; aber wir sind auch genötigt, den starken Wärmeüberschuß in den relativ warmen Zonen auf eine vertikal absteigende Komponente in der Bewegung zurück- 426 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. zuführen. Das hieraus zu erschließende System der vertikalen Zirkulatio- nen, dessen Kompliziertheit aus unserer Karte fast unmittelbar abzu- lesen ist, kann uns erst bei späterer Gelegenheit beschäftigen. Hier sei noch kurz zur Erläuterung des Vorigen eine kleine kalorische Eechnung eingeschaltet. In dem schon mehrfach von uns erwähnten nord- atlantischen Kreislaufe liegen 3 Stationen des Challenger, die erste (Nr. 11) mitten im Nordäquatorialstrom, die zweite (Nr. 61) in der Sargassosee östlich von Bermudas, und die dritte (Nr. 85) im Kanarienstrom. Berechnen wir die mittlere Temperatur der Wassersäulen von der Oberfläche bis 200, und von 200 bis 400 m, so erhalten wir folgende Werte. Datum N. B. W. L. 0 bis 200 m 200 bis 400 m 1. März 1874 .... 27. Juni „ .... 19. Juli „ .... 22*45' 340 54' 280 42' 400 37/ 180 6' 21.490 19.06 16.57 15.980 17.41 13.23 Man bemerkt zunächst die auffallend starke Abnahme der Mitteltemperatur auf der ersten Station, wo die untere Hälfte der Wassersäule volle 5.51° kälter ist, als die obere. Bei der Station der Sargassosee beträgt dieser Unterschied nur 1.65°, doppelt so groß (3.34°) ist er bei den Kanarischen Inseln. Schon hieraus läßt sich auf eine Zufuhr von Wärme auf der mittleren Station nach der Tiefe hin, dagegen auf eine Auskühlung von unten her bei den anderen beiden Stationen schließen. Gehen wir nun aber von der Vorstellung eines geschlossenen Kreislaufs wagrechter Strömungen aus und vergleichen wir die Säulenstücke gleicher Tiefe, so zeigt sich vom Nordäquatorialstrom zur Sargasso- see und von dieser zum Kanarienstrom im oberen Stück (0 bis 200 m) eine stetige Abnahme um beide Male rund 2^/2°; dagegen im unteren Stück (200 bis 400 m) vom Nordäquatorialstrom zunächst zur Sargassosee eine Zunahme um 1.4°, sodann aber von da nach dem Kanarienstrom die sehr starke Ab- nahme um 4.2°. Nehmen wir Säulen von 1 qm Querschnitt, so hat demnach das Stück bis 200 m Tiefe von der ersten zur zweiten Station 486 000, von da zur dritten wieder 498 000 große Kalorien abgegeben; die untere Hälfte aber (von 200 bis 400 m) hat im Gegenteil in der Sargassosee gegen den Nord- äquatorialstrom 286 000 Kalorien gewonnen, von der Sargassosee zum Kanarien- strom aber 238 000 Kalorien verloren. Der Gewinn ist durch Zufuhr von oben her leicht verständlich. Der Verlust in den anderen Fällen dürfte auf dem Eindringen kalter Wasserteile aus der Tiefe her beruhen. Die der Eechnung zu Grunde gelegten Annahmen sind aber nur angenähert zutreffend. In 600 m Tiefe herrscht noch immer dieselbe allgemeine Anordnung, wie in 400 m : der gleiche Gegensatz einer Zone mit äquatorialem Minimum gegenüber Gebieten höchster Temperatur im Westteil der Ozeane bei 30° N. und S. B., nur sind überall die Temperaturgradienten erheblich schwächer. Erreichten sie bei 400 m im allgemeinen noch 7° bis 9°, so jetzt nur 4° bis 5°, außer im Nordatlantischen Ozean, wo nordwestlich von den Bermudasinseln Temperaturen von 16.8°, unter dem Äquator nur 5° bis 5.5° vorkommen. Das Gebiet von mehr als 10° schließt den ganzen Nordatlantischen Ozean zwischen 20° und 40° N. B. ein, die 10°-Isotherme berührt dabei im Osten die Gründe vor dem Kanal in der Breite von Brest. Dagegen sind im Südatlantischen und Nordpazifischen Ozeanische Temperaturen in 600 und 800 m Tiefe. 427 Ozean auch in der Maximalzone Temperaturen über 10*^ nicht zu finden, im ersteren gehen sie nur etwas über 8°, im zweiten über 9^. Das süd- pazifische Maximum, umschrieben von der 9°-Isotherme, erfüllt das Gebiet von den Neuen Hebriden und Fidschiinseln im Norden bis nach Tasmanien im Süden; an mehreren Stellen erhebt sich die Temperatur darin auf 10° bis 11°. Der Indische Ozean übertrifft die beiden anderen: im Norden ist zwar der Bengalische Golf nicht über 9.3° erwärmt, dafür aber das Arabische Meer nördlich von 8° N. B. durchweg über 10°, näher der arabi- schen Küste über 13°, während sich das südhemisphärische Maximum zwischen 20° und 40° S. B. auf 11° bis 12° erhebt. In der Gegend der Weihnachtsinsel hat der Indische Ozean dafür die außerordentlich niedrige Temperatur von nur 4.4° (nach Schott) aufzuweisen, was für das äqua- toriale Minimum überhaupt den geringsten Wert bedeutet. Polwärts von den Maximalgebieten nimmt auf der Südhemisphäre die Temperatur auffallend rasch ab, so daß bei Neuamsterdam 10.7°, sechs Breiten- grade südlicher nur noch 5° gefunden werden. Bemerkt sei, daß im ganzen Pazifischen Gebiet östlich von 160° W. L., von 50° N. bis 50° S. keine größeren Temperaturunterschiede überhaupt vorkommen, als von 4°, auf dem w^taus größten Teile der Fläche sogar nur solche von 3° (zwischen 4.5° und 7.5°); wie ebenso im Atlantischen Ozean zwischen 20° N. und 40° S. die extremen Werte nur 9.1° und 4.1° sind, die vorherrschenden Temperaturen aber zwischen 5.0° und 8.0° liegen. In 800 m Tiefe nehmen diese Unterschiede noch weiter ab. Zwar sind die Maximalgebiete noch in allen Ozeanen erkennbar, doch schon recht stark gemildert im Vergleich zu denen der höheren Niveaus. Im Pazifischen Ozean liegt das nordhemisphärische Maximum mit 6.0° noch weiter nördlich nahe an den japanischen Inseln unter dem Kuroschio, ein äquatoriales Minimum ist kaum zu erkennen, denn die großen Flächen des Pazifischen Ozeans haben zwischen den Wendekreisen überall 5.0° bis 6.0°; doch hebt sich ein südhemisphärisches Maximum von mehr als 6° im südöstlichen Gebiet zwischen den Neuen Hebriden, den Fidschiinseln, Neuseeland und Tasmanien heraus, das näher an 40° S. B. über 7°, östlich von Tasmanien sogar 8.3° erreicht. In den Breiten polwärts von 40° N. und S. B. sind Temperaturen von 31/2 ° bis 5° die Regel, allerdings liegen südlich von 50° S. B. keine Beobachtungen mehr vor. Im Indischen Ozean ist das tropische Minimum auf 10° bis 20° S. B. verschoben; östlich von Madagaskar hat es wahrscheinlich 6° bis 7°, bei der Weihnachtsinsel 5° bis 6°. Das zwischen Mauritius und Neuamsterdam erkennbare Maxi- mum geht etwas über 9°, das schon bei 600 m stark hervortretende nord- hemisphärische Maximum erreicht im Bengalischen Golf etwas über 8°, im Arabischen Meer und Golf von Aden über 11° bis 13°;, diese kräftige Durchwärmung bedeutet eine positive Anomalie von mindestens 4° und ist auf den submarinen Ausfluß des hoch temperierten Wassers aus dem Roten Meer zurückzuführen. Ein analoger Vorgang wird im Nordatlanti- schen Ozean, wenn auch längst nicht so stark ausgeprägt, erkennbar: das nordatlantische Maximum zeigt nämlich drei Kulminationen mit Temperaturen von mehr als 10° und 11°, von denen eine östliche sich von Madeira nach Nordosten in den südlichen Biskayagolf, und nach Osten an die afrikanische Küste erstreckt, die mittlere zwischen den Azoren 428 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. und Bermudasinseln, die westliclie unter dem Golfstrom (hier mit 13.3°) liegt, während in den Zwischenräumen bei den Azoren 8.6°, östlich von Bermudas 9.4° in den sehr vereinzelten Temperaturreihen nicht über- schritten werden. Die 5°-Isotherme verläuft in ausgeprägt nordöstlicher Richtung und umfaßt noch den Islandschelf im Westen. In der atlantischen Äquatorialregion sind Temperaturen von weniger als 5° die Regel, über dem brasilianischen Becken sogar von etwas unter 4°. Das südatlantische Maximum erhebt sich über 5°, seine Kulmination liegt gerade über dem Walfischrücken mit 6° bis 7°. In 1000 m Tiefe ist die Ausgleichung so weit vorgeschritten, daß im ganzen Pazifischen Ozean, abgesehen von den Gebieten entlang den Aleuten und Kurilen, sowie südlich von 55° S. B., nirgends Temperaturen unter 3° und über 7° verzeichnet sind, wobei die Isotherme von 6° aber nur ganz kleine Flächen in den australischen Gewässern umschreibt. Tem- peraturen zwischen 4° und 5° beherrschen den weitaus größten Teil der Flächen. Das gilt auch für die größere Hälfte des Indischen Ozeans nörd- lich von 45° S. bis 5° N. B. Ein schwaches südhemisphärisches Maximum liegt noch zwischen Madagaskar und Neuamsterdam (mit höchstens 7.3°). Nordwärts vom Äquator nehmen die Temperaturen aber ständig zu, in 5° N. B. wird 7°, in 10° B. 8° überschritten, im Golf von Aden bis 10.0° erreicht, von der arabischen Küste nach Bombay hinüber sind sogar von Shortland^) als Durchschnittswert 11.9° verzeichnet. Man hat auch hier wieder nichts anderes vor sich, als die Erwärmung durch den warmen Unterstrom aus der Straße Bab-el-Mandeb ; diese örtliche Anomalie beträgt jetzt 5° gegenüber dem Bengalischen Golf unter gleicher Breite oder im Vergleich zur Äquatorialzone. — Kühler als der Indische und nur dem Nordpazifischen Ozean vergleichbar, ist der Südatlantische. Temperaturen von mehr als 5° treten nur in der Nähe des sogenannten Walfischrückens auf, mit einer Kulmination von 6.0° als letzter Spur eines südhemisphäri- schen Maximums, das aber nach Süden, Westen und Osten von Tem- peraturen unter 4° umgeben ist. Auch im Innern des Guineagolfs kommen noch einmal 5.3° nördlich vom Äquator vor, sonst herrschen nördlich von 40° S. B. Temperaturen von 3.0° bis 4.5°, und erst nördlich von 15 ° N. B. tritt eine weitere Steigerung ein. Dieses nordatlantische Maximal- gebiet ist auf beistehender Karte (Fig. 62) besonders dargestellt; ältere Lotungen von W. Carpenter und neuere des Fürsten von Monaco in der Spanischen und Biskayasee forderten zu einer Revision des von Schott gegebenen Bildes auf. Wir sehen Temperaturen von über 7 ° in einer nach Osten hin stetig breiter werdenden Fläche herrschen, solche über 8° im westlichen Gebiet nur an zwei getrennten Stellen, dagegen ist die ganze Spanische See von den Azoren imd Kanarischen Inseln an nach Osten und Nordosten über 8°, näher am Lande über 9° erwärmt. Der Fürst von Monaco fand am Nordrande der Biskayabai mehrfach Temperaturen von fast oder genau 10°, und nördlich von Madeira (35° 43' N., 17° 50' W.) sind sogar 10.4° von der Gazelleexpedition gemessen. Wie sich die Tem- peraturen weiter östlich auf die Straße von Gibraltar zu verhalten, können wir aus einigen Beobachtungen von W. Carpenter auf der Porcupine Bei Prestwich, Phil. Trane. R. S. London 1875, S. 642. Ozeanische Temperaturen in 1000 m Tiefe. 429 (Sommer 1870) ungefähr schließen^). Die 1000 m-Linie geht nicht über 7°W.L. nach Osten, die trennende Schwelle, zwischen den Vorgebirgen von Spartel und Trafalgar gelegen, hat, soviel man weiß, kaum mehr als 350 m Satteltiefe: das ausströmende Bodenwasser hat hier nach Carpenter 12.8°. Ein wenig westlich von dieser Schwelle (in 35° 50' N., 5° 57' W.) ist nun die Temperatur von 12.1 ° am Boden in 362 m gemessen, kaum 3 Seemeilen weiter westwärts in 348 m waren nur 11.8° und näher an der 1000 m- Grenze 10.1°, nördlich von 36° N. B. in 706 m wieder 11.6°. Hieraus ist zu ent- Fig. 62. 90 80 70 60 50 40 30 20 10 O 10 NördaÜanüsdior Tempcjraturon. ia lOOOiu Tiefe nehmen, daß die Temperaturen in 1000 m vor der Bucht von Cadiz nirgends 11° überschreiten werden. Da normalerweise diesem Niveau etwa 8° zukommen dürften, beträgt die Erhöhung durch den warmen Unterstrom des Mittelmeeres rund 3° — eine sehr viel geringere Wirkung, als wir sie bei den Salzgehalten nachweisen konnten (S. 389). Auch gegenüber dem Ausfluß aus dem Roten Meer in den Golf von Aden und in das Arabische Meer tritt der Unterstrom des Mittelmeeres an Bedeutung zurück: das ausströmende Mittelmeerwasser hat aber ursprünglich auch nur 12.8°, das des Roten Meeres aber 21.5°. Dennoch wird die Fernwirkung des ^)Wyv. Thomson, Depths of the Sea, London 1873, p. 203 f. Vergl. Proceed. R. Soc. London 1872, Bd. 20, p. 105 f., auch 1871, Bd. 19, p. 163 u. 194 und Berghaus, Phys. Atlas Taf. 24, Nebenkarte: Straße von Gibraltar. 430 I^ie räumliche Verteilung der Temperaturen. Mittelmeer Wassers, namentlich nach Norden hin, verstärkt durch eine auf dem Windstau der Westwinde beruhende, nach der Tiefe gerichtete Bewegungskomponente der Gewässer an der Nordostseite des Nordatlanti- schen Ozeans, die sich aus der gleichartigen Anordnung der Isothermen und damit zusammenhängenden positiven Anomalie in allen Schichten von der Oberfläche an bis 2000 m hinab entnehmen läßt. Das tritt auch in den größeren Tiefen, immer schwächer werdend, noch hervor. In 1500 m Tiefe sind die soeben beschriebenen Fernwirkungen des Mittelmeeres noch im Verlaufe der 5 ^-Isotherme erkennbar, die von der afrikanischen Küste in 22° N. B. zwischen den Kapverdischen und Kanari- schen Inseln nach Westen, sodann über die Azoren nach der Rockallbank hinauf geht, während zwischen Madeira und dem Nordrande der Biskayabai nicht nur Temperaturen über 6°, sondern einmal sogar (auf der schon vorher genannten Station der Gazelle) von 7.2'^ vorkommen. Sonst finden sich Temperaturen von 5° und etwas darüber nur in der Sargassosee südöstlich von Bermudas verzeichnet, während im übrigen Atlantischen Ozean außerhalb der Polarströme eine gleichmäßige Temperatur von 3° bis 4° herrscht. Etwas unter 3° bleiben dabei die Südbreiten jenseits des Wendekreises, etwas über 4*^ gehen die Gewässer unter dem Guineastrom. — Der Indische Ozean ist etwas wärmer, insofern südlich vom Äquator die Flächen von weniger als 3° erst jenseits 40" S. B. einsetzen. Im nördlichen Teil hat der Golf von Bengalen 4*^ bis 5*^, das Arabische Meer aber über 5°, Shortland gibt zwischen Bombay und den Khuria Muriainseln sogar 9 ° und im Golf von Aden 7.4" ; diese Temperaturen sind jedoch im Hinblick auf eine Messung G. Schotts auf der Valdivia von 5.7" unweit von Aden wohl sicher zu hoch ausgefallen. Im Pazifischen Ozean haben wir wieder nur Temperaturen zwischen 2.5" und 4.0", die letzteren nur an der ost- australischen Küste vereinzelt; westlich von der amerikanischen Tropen- küste bis zu den Galäpagos hin, im inselreichen Südwestteil und merk- würdigerweise auch südlich von 40" S. B. sind über 3^, im ganzen übrigen Ozean 2.5" bis 3" vorherrschend. In 2000 m Tiefe sehen wir die thermische Gleichmäßigkeit so weit vorgeschritten, daß im ganzen Pazifischen Ozean, im südhemisphärischen Teil des Indischen und an der Südwestseite des Südatlantischen die Tem- peraturen allgemein nur noch zwischen 2" und 3" liegen. Mehr als 3" werden bei der Cocosinsel und im Golf von Bengalen verzeichnet, noch höhere Temperaturen im Arabischen Meer (5" bis 6"). Der Atlantische Ozean hat sonst meist über 3", in dem Südwestteil der Sargassosee und in der Spanischen See vom Wendekreise nordwärts bis zum Kap Finisterre östlich von 20" W. L. etwas über 4". In 3000 m Tiefe sind die örtlichen Unterschiede noch geringer. Im Pazifischen Ozean herrschen Temperaturen von 1.6" bis 2.2", und nur wo sich rings abgeschlossene Becken mit einer Schwellentiefe von weniger als 3000 m Tiefe im Inselmeer nördlich von Neuseeland finden, begegnen wir schon einigen Anzeichen von homothermen Grundschichten mit höherer Temperatur. So sind im Fidschibecken von den britischen Ver- messungsdampfern häufig Temperatüren von 2" bis 2.7", aber auch ver- einzelt 1.8" und 1.9" beobachtet, so daß der volle seitliche Abschluß des Beckens hier noch ungewiß ist. Das Hebridenbecken mit 2.0" scheint Oeeanische Temperaturen in 1500, 3000 und 4000 m Tiefe. 431 nach Norden hin noch geöffnet, das Korallenbecken aber mit 2.2° bis 2.7^ rings abgeschlossen. Hier kommen die Einstellungs- und Ablesungsfehler der Tiefseethermometer schon so weit zur Geltung, daß man mit Schluß- folgerungen vorsichtig sein muß. Da, wo der Kurs der Challengerexpedition südlich von den Hawaiischen Inseln von den zahlreichen Lotungslinien der britischen Kabeldampfer geschnitten wird, zeigen die Thermometer der letzteren durchweg um 0.3° bis 0.5° höhere Werte, als die des Challenger. Auch im Indischen Ozean herrscht große Gleichmäßigkeit,' nördUch von 40° S. B. bis hinauf zum Äquator 1.3° bis 1.9° ; nur östlich von der Cocos- insel vereinzelt 2.0° bis 2.7° und ebenso im Arabischen und Bengalischen Meer 2.5 bis 2.9° als höchste Temperaturen. Etwas höher als im Indischen und Pazifischen Ozean sind im Atlantischen die Temperaturen: nördlich von 40° S. B. nirgends unter 2° und Werte zwischen 2.2° und 2.9° bilden durchaus die Mehrheit unter allen Beobachtungen. Nur unter dem Ostteil des Guineastromes und in der Sargassosee sind mehr als 3°, als Maximum 3.7° verzeichnet, so daß wir insgesamt die örtlichen unterschiede sich innerhalb eines Grades bewegen .sehen. In 4000 m und mehr Tiefe machen sich die Bodenschwellen in ihrer Funktion als unterseeische Wasserscheiden schon sehr entschieden bemerk- bar, so daß die Anordnung nicht mehr so einfach bleibt und es* sich emp- fiehlt, die größeren Tiefen mit den eigentlichen Bodentemperaturen zu- sammen zu behandeln. Auch müssen wir nunmehr die bisher zurück- gestellten hohen und höchsten Südbreiten zum Teil mit heranziehen. Im Nordpazifischen Becken, das sich nach der Annahme der Karto- graphen (S. 123) nördlich vom Wendekreise mit dem weitaus größten Teil seiner Fläche tiefer als 5000 m einsenkt, wurden von der Challenger- expedition schon von 4000 m abwärts nahezu gleichbleibende Temperaturen auch bis 6000 m und mehr in der Höhe von 1.6° bis 1.7° gemessen und später von Alex. Agassiz auf dem Albatroß, wie kürzlich vom Dampfer Nero^) aus bestätigt; die Angaben der Tuscarora sind anscheinend wegen zu hoher Druckkorrektion der Tiefseethermometer durchweg um 0.7° zu niedrig, die der britischen Kabeldanvpfer auf der Strecke von Fanning- insel nach Vancouver bei 4000 m noch um 0.3° höher, bei 5000 m aber den anderen gleich. Dieselbe Temperatur von 1.7° herrscht in der Philip- pinenbucht und in den tiefen Senken, die sich südlich von den Hawaiischen Inseln und südöstlich davon auf den Äquator zu anordnen. In Südbreiten sind über den nur wenig mehr als 4000 m messenden Gebieten nördlich und westlich von der Osterschwelle 1.3° bis 1.9° beobachtet, zwischen den Paumotu- Atollen 1.5°, in den Tonga- und Kermadecgräben 1.1° bis 1.9°, weiter nach Süden hin 1.3° bis 1.4°, während die Bodentemperaturen im Chilenisch-Peruanischen Becken wechselnd zwischen 0.6° und 1.9°, meist aber zu 1.8° angegeben werden. Das Pazifisch- Antarktische Becken hat 0.9° bis 1.3°, nach dem antarktischen Südrande hin nach Messungen der Belgica^) etwa 0.6°. Überall hat man es offenbar noch mit Ab- weichungen innerhalb der Instrumentalfehler zu tun, die sich für so große Tiefen auch nicht leicht werden vermindern lassen. ^) Vergl. einige Einzelheiten schon oben S. 379. ^) Dies, wie manches im folgenden, ist nach der sehr klaren Darstellung G. Schotts in Petermanns Mitt. 1905, S. 241 f. aufgenommen. 432 I^ie räumliche Verteilung der Temperaturen. Die Ostaus tralische Bucht mit 1.0^ bis 1.2^ in den wenigen über 5000 m hinabreichenden Tiefen gibt den Übergang zum Indischen Ozean, wo alsbald in der Südaustralischen Mulde und in den ebenfalls über 5000 m tiefen Räumen westlich vom australischen Festland bis zur Weihnachts- insel hinauf die Bodentemperaturen etwas unter 1° hinabgehen (0.8^ bis 0.9^). Ebenso hf t die an die Kerguelenmulde nordwärts sich anschließende und bis nahe an Mauritius heranreichende Einsenkung am Boden unter 1^, im übrigen, großen tropischen Teil aber zwischen 1 ^ und 2 ^ ; so hat auch der deutsche Vermessungsdampfer Planet im Sundagraben nur zwischen 1.0° und 1.2° beobachtet. Bis hier hinauf reichen also die um ^2 ° kälteren Gewässer der hohen Südbreiten nicht. In der bereits erwähnten Ker- guelenmulde selbst werden die Bodentemperaturen nach Süden hin niedriger, 0.2° bis 0.4° ; und in dem von der Valdivia enthüllten über 5000 m tiefen Atlantisch-Indischen Südpolarbecken sinken sie weiter unter 0° bis — 0.5°. Dieses eiskalte Wasser erfüllt dann weiter nordwärts nicht mehr die ganze Kapmulde, in deren südlichen Teilen der deutsche Vermessungsdampfer Planet^) imMail906 in 5000. bis 5700 m 0.0° bis 0.7°, je weiter nach Süden desto weniger, die Valdivia ebenso 0.4° bis 0.7° fand, während im Nord- westen, jenseits 40° S. B. die Bodentemperaturen mindestens 0.9°, meistens 1.1° bis 1.4° in mehr als 4500 bis 5200 m messen: hier scheint sich eine Wasserscheide von etwa 4000 m Satteltiefe als Schranke vom Südende der Südatlantischen Schwelle nach Nordosten zum Kaplande hin quer vorzu- legen, also die Kapmulde unserer Karten zu teilen. Um so freier vermag das kalte Bodenwasser nach Nordwesten in das Argentinische Becken vorzudringen, wo Bodentemperaturen von 0.1° bis 0.4° schon seit der Challengerexpedition bekannt sind; ja, nur wenig erhöht setzen sie sich auch um den Riogranderücken herum noch in das Brasilianische Becken weit nordwärts fort, bis ihm endlich die Atlantische Schwelle am Äquator eine Schranke setzt: bei Fernando Noronha hat der Kabeldampfer Silver- town (1891) in 4650 m sogar nur noch 0.1 ° gemessen (wohl etwas zu niedrig). Im auffallenden Gegensatze hierzu enthält die Südafrikanische Mulde nordwärts vom Walfischrücken und östlich von der großen Mittelschwelle auch in den größten über 5000 m messenden Tiefen kein kälteres Wasser als von 4-2.2° bis 2.6°. Wie schon einmal- bei Darstellung der Tiefen- verhältnisse (S. 119) erwähnt wurde, ist diese Absperrung des Ostteils des Atlantischen Beckens schon während der Challengerexpedition von deren Leiter Sir Wyville Thomson erkannt worden; die Temperatur- lotungen der Gazelle ließen diesen merkwürdigen Gegensatz aufs deut- lichste hervortreten. Da der Nordatlantische Ozean auch nach Norden hin gegen das Eindringen von arktischem Bodenwasser durch die höchstens 550 bis 580 m tiefen Schwellen zwischen den Shetlandinseln und Island, in der Dänemarkstraße und Baffinbai geschützt ist (S. 129) , bleiben auch an seinen tiefsten Stellen die Bodentemperaturen stets bei 2.0° bis 2.6°. Ein deutlicher Unterschied zwischen der Nordafrikanischen Mulde und dem Nordamerikanischen Becken tritt nach unserer gegenwärtigen Kenntnis nicht hervor; einzelne Bodentemperaturen in der Austiefung südwestlich von Bermudas mit 1.5° werden durch nahe benachbarte mit 1) Ann. d. Hydr. 1906, p. 461 t Die ozeanischen Bodentemperaturen. 433 2.2° bis 2.5° in Zweifel gestellt. Es ist jedenfalls eine Verbindung zwischen den beiden nordatlantischen Seitenbecken durch die zentrale Schwelle von 3900 bis 4000 m Tiefe vorlianden, während eine solche vom Nord- amerikanischen zum Brasilianischen Becken fehlt. Wenn J. Y . Buchanan ^) auf Grimd seiner zahlreichen Thermometerbeobachtungen an Bord des Kabeldampfers Buccaneer (im Jahre 1886) zu dem Schlüsse kam, daß sich die Südafrikanische Mulde durch zwei Rücken weiter gliedere, deren einer von St. Helena nach den Guineainseln auf Kamerun zu führe, während der zweite Ascension über den Äquatorialrücken (in etwa 13° W. L.) mit der afrikanischen Pfefferküste (zwischen Monrovia und Kap Palmas) verbände, so glaube ich nicht, daß seine Thermometer fein und zuverlässig genug waren, ihm unter allen Umständen die Temperaturen innerhalb von 0.1° Fahr, oder 0.055° C. richtig zu liefern. Die Liberiaschwelle sollte- etwa 3500 m Tiefe und östlich von si^h im Guineagolf Bodentemperaturen von 2.42° bis 2.49° besitzen, während nach der Nordafrikanischen Mulde hin nur 2.28° zu finden wären. Das Vermessungsschiff Planet fand im Gegensatz dazu im Januar 1906 östlich vom hypothetischen Liberiarücken (in 2° 2' N., 5° 44' W., 5138 m) nur 2.2°, dagegen in der Nordafrikanischen Mulde (in 11° 8' N., 22° 4' W., 5129 m) 2.6° als Bodentemperatur 2). Alle diese atlantischen Binnen- und Randschwellen schaffen natürlich nur dann einen absoluten Abschluß der Gewässer zu ihren beiden Seiten, wenn sie keine Eintief ungen besitzen, über welche das kältere und schwerere Wasser in die Nachbarmulde einströmen kann. Aber auch wenn solche Tore vorhanden, dabei nur schmal als Rinnen ausgebildet sind, bleibt ihre Wirkung nur gering und verliert sie sich rasch schon in einem ge- ringen Abstände von der Einströmungsstelle . Derartige Fälle sind mehrfach bekannt geworden. Wir werden, soweit der Wyville-Tliomsonrücken und die Färöerbank in Betracht kommen, bei Darstellung der Strom- bewegungen , insbesondere der Vertikalzirkulationen , darauf eingehen müssen 3). Ein drittes Beispiel liegt in der Atlantischen Schwelle unmittel- bar am Äquator westlich von dem großen Romanchetief (0° 11' S., 18° 15' W.) vor: Hier berichtet E. v. Drygalski*) von einer völligen Durch- brechung des Äquatorialrückens mit großen Tiefen von rund 5000 m, so daß durch diese Pforte die niedrigen Temperaturen des Brasilianischen Beckens und damit indirekt die des südlichen Eismeeres Eintritt in das Nordafrikanische Becken finden können. Jedenfalls aber macht sich dieser Zufluß nicht mehr in 2° bis 3° N. B. bemerkbar, denn hier hat die Challengerexpedition auf 6 Stationen zwischen 14° und 25° W. L. überall die normale Bodentemperatur des J^ordafrikanischen Beckens (2.2° bis 2.6°) gemessen, was durch die modernen Thermometer an Bord des Planet nur bestätigt worden ist, wie wir eben sahen. — Blicken wir zurück auf die schichtweise Verteilung der Temperaturen, so zeigt sich, daß die in geringeren Tiefen noch deutlichen, auf unmittel- baren klimatischen oder Insolationswirkungen beruhenden Unterschiede schon in 100 m wesentlich verschoben und in 400 m durch ein ganz ab- ^) Scottish Geogr. Magazine 1888, p. 196. 2) Ann. d. Hydr. 1906, S. 356. ') Vergl. Ozeanographie IIS S. 292. *) Zum Kontinent des eisigen Südens S, 637. Krümmel, Ozeanographie. I. 28 434 ^ie räumliche Verteilung der Temperaturen. weichendes Bild ersetzt sind, das rein äußerlich betrachtet an die Luft- druckzonen im Meeresniveau erinnert, mit ihren hohen Barometerständen in den beiden Zonen der Roßbreiten, ihren niedrigeren in der Äquatorialzone und ganz niedrigen polwärts. Nur besteht im Ozean die sehr wesentliche Abweichung, daß die Kerne dieser höher temperierten submarinen Roß- breiten nicht wie im Luftmeer nach Osten, sondern nach Westen verschoben sind. Des w^eiteren sahen wir die überhaupt vorhandenen Unterschiede in den Wassertemperaturen außerhalb der schon polar beeinflußten hohen Breiten rasch abnehmen, je größer die Tiefen, so daß von 2000 m abwärts, wo es sich fast überall um Temperaturen bei 2^ bis 3° handelt, die Fehler der Instrumente beinahe schon von gleicher Größenordnung wurden. Im ganzen aber ist die große Masse der ozeanischen Gewässer sehr kalt; wir werden daher eine recht niedrige Mitteltemperatur erwarten müssen. Die thermische Schichtung läßt sich auch noch in anderer Weise darstellen, ohne daß natürlich das Ergebnis ein anderes würde, indem man für eine ge- gebene Temperatur die Lage unter dem Meeresspiegel 'an möglichst vielen Punkten feststellt und dann die Gestalt dieser Isotherm fläche mit ihren örtlichen Annäherungen an die Oberfläche oder ihrem Zurückweichen nach unten durch Linien gleicher Isothermtiefen kartographisch ausdrückt, also für jede Isothermfläche eine Tiefenkarte schafft. Auch dieses Hilfsmittel der Isothermobathen, wie eres nannte, hat G. Schott^) zuerst für den Indischen und Atlantischen Ozean angewandt, wobei er die Isothermflächen von 20 '^^ 15°, 10°, 5° und 3° konstruierte. Solche ausgeprägten Züge in der Temperatur- anordnung, wie sie sich als Gegensatz des Atlantischen gegen den Indischen Ozean im ganzen darboten, oder wie sie unter der nordatlantischen Sargasso- see, in der Spanischen See, und im Arabischen Meer im besonderen, zu erwähnen waren, treten natürlich hierbei auch sehr auffällig hervor. Bei- spielsweise erhebt sich die Isothermfläche von 5° im südatlantischen Äquatorial- strom bis 620 m, im Indischen aber nirgends höher als 900; dafür liegt sie in der nordatlantischeii Sargassosee bei 1450, in der Spanischen See in mehr als 1700 m, im Arabischen Meer in mehr als 1800 m Tiefe; im südatlantischen Roßbreitenmaximum senkt sie sich fast 400 m tiefer als im Äquatorialstrom, nämlich auf 1010 m, im Indischen bis 1290 m. Indem wir uns nunmehr der bisher beiseite gelassenen Anordnung der Temperaturen in den höheren Breiten der Ozeane zuwenden, fassen wir zunächst die Verhältnisse im Süden von 50° S. B. ins Auge. Wir haben es hier mit Meeresräumen zu tun, die, je südlicher, desto stärker treibendes Eis führen, das bei 63° bis 65° S. B. schon große Flächen einnimmt, in Gestalt von Schollen und stellenweise von Packeis, dabei immer von ge- waltigen Eisbergen, ja wahren Eisinseln durchsetzt wird. Südwinde, vom antarktischen Festland her wehend, tragen niedrige Lufttemperaturen herbei, die weit unter den Gefrierpunkt des die Oberfläche bedeckenden Seewassers hinuntergehen. Der Druck der Stürme und der oft sehr heftige Seegang halten dieses Eis außer in nächster Nähe des Festlandes in lockerem Gefüge. Das Schmelzwasser erniedrigt den Salzgehalt und lagert so eine Deckschicht von dünnem, seinem Gefrierpunkt nahen Wasser im Bereiche dieses Treibeises ab. Diese Deckschicht wird schützend auf die unteren salzreicheren Schichten insofern wirken, als sie niedrige Temperaturen ') Im Atlas zum S. 422, Anm. 1, zitierten Valdiviawerk Taf. 23 bis 27. Antarktische Temperaturschichtung. 435 nicht durch Versinken der bei Abkühlung schwerer werdenden Wasser- teilchen nach unten transportiert, denn das Dichtemaximum des dünnen Oberflächenwassers erreicht das örtliche spezifische Gewicht der tieferen, wenn auch etwas wärmeren Schichten nicht. Wo sich eine geschlossene Eisdecke bildet, wirkt diese als unmittelbarer Schutz, da Eis ein schlechter Wärmeleiter ist. Aber beim Gefrierprozeß wird, wie wir bereits bemerkt haben (S. 367), das Salz ausgeschieden. Dieses muß nun seinerseits in die Tiefe sinken, wobei es nicht nur die nächstfolgenden Schichten an- reichert, sondern zugleich auch als Träger der Gefriertemperatur nach der Tiefe hin auftritt. Die Folge ist eine sehr starke Auskühlung der oberen Schichten dieses eisführenden Südmeeres mit Temperaturen unterO*^ bis ge- legentlich nahe an ^- 2^. Wie in den warmen Meeren die Quelle der Er- wärmung an der Oberfläche liegt, so hier die der Auskühlung : dort war die Verdunstung der entscheidende Vorgang, hier ist es das Ausfrieren der Salze. Welche verwickelte Wärmeschichtung zu stände kommt, indem diese Vorgänge von oben her und Ausgleichungsströme von der Seite und Tiefe her wirken, ist aus nachstehender tabellarischer Übersicht erkennbar, die ich G. Schott entnehme und durch eine Station E. v. Drygalskis im Packeise nahe bei Kaiser Wilhelm II. -Land vervollständige i). Die Mes- Antarktische Temperaturschichtung. 1 2 3 4 5 6 Tiefe Valdivia Valdivia Challenger Gauß Belgica Belgica (m) 56" S 62« S 61« S 65V2°§ 70V2°S 61«^ S 15° 0 56^0 80^0 85 "2 »0 94° W 63° W 0 -1.5» — 1.0» + 1.4» — 1.80° — 1.8» 3.2» 25 -1.6 — 1.2 13 — 1.78 — 1.7 26 50 — 1.5 — 1.4 1.1 — .1.76 -1.5 1.3 75 — 1.3 — 1.6 — 0.6 — 1.75 — 1.6 -1.0 100 — 1.5 — 11 — 1.0 — 1.77 — 1.7 — 0.9 125 — 0.6 + 0.1 — 0.1 — 1.83 -1.1 -1.4 150 — 0.5 0.8 + 0.1 — 1.87 — 0.5 — 0.9 175 + 0.2 1.1 0.4 — 1.90 + 0.3 + 0.4 200 0.5 1.4 0.3 -1.90 1.0 1.0 300 0.6 1.7 0.0 — 1.70 1.5 1.3 400 0.6 1.6 0.2 — 1.05 1.7 18 500 0.6 1.4 1.9 — 0.30 1.5 1.9 1000 0.8 1.6 1.8 + 0.35 1.2 1.9 1500 + 0.1 1.6 1.8 0.00 0.8 1.6 2000 — 0.2 + 0.6 ? 0.00 — 1.2 3000 — 0.3 — 0.3 ? — 0.20 0.6 Boden — 0.3 -0.4 — 0.4 _ 0.6 Tiefe 4090 4636 3612 2821 1750 3690 ') Valdiviawerk S. 190; Veröfif. Inst. f. Meereskunde Heft 5, Berlin 1903, S. 142 nach graphischer Darstellung interpoliert, wobei die erhaltenen Zahlen nur mit einem Fehler von ;^ 0.02° genau sein können. 436 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. sungen des Challenger, die mit Indexthermometer, obschon vorsichtig, ausgeführt sind, können im Vergleich zu den nahe benachbarten des Gauß nicht als einwandfrei gelten und sind nur der Vollständigkeit wegen mit aufgenojnmen. Die Tabelle zeigt in der ersten Spalte die Temperaturen der Bouvet- region, in der zweiten die nördlich von Enderbyland, in der driicen und vierten vor Kaiser Wilhelm II. -Land, in der fünften vor Alexander I.-Land und in der letzten die der Drakestraße. Die Bouvetregion (Spalte 1) ist durchweg niedriger temperiert, als die Enderbystation, am kältesten er- scheint die Packeisstation des Gauß ; die pazifische der Belgica ist ebenfalls merklich kälter, als die der Drakestraße, die noch wärmer ist, als die des Challenger. Dabei zeigt sich bei allen doch ein paralleler Gung insofern, als unter einer stark ausgekühlten Schmelzwasserschicht von 120 bis 175 m, beim Gauß erst in mehr als 580 m, die Temperatur über 0^ kommt, dann weiter noch mehr oder weniger rasch ansteigt, um von 1500 m ab wieder zu fallen und am Boden mit — 0.3^ bis —0.4^ ein zweites Minimum zu erreichen. Die hohe Bodentemperatur der Belgica in der Drakestraße erscheint der Bestätigung bedürftig. Wir haben also im großen und ganzen eine mesotherme Anordnung in drei Hauptschichten vor uns. Um die thermischen Unterschiede dieser hochsüdlichen Meere besser zu veranschaulichen, hat W. Meinardus den glücklichen Gedanken gehabt, nicht die Mittel temperaturen der Wassersäulen, sondern ihre Wärme- inhalte, ausgedrückt in Kalorien, einander gegenüberzustellen, wobei er die Wärmemenge einer Wassersäule von der Temperatur 0° gleich Null setzte, sodann weiter den Wärmeüberschuß über die Bouvetregion (Kol. 1) berechnete. Ich gebe seine Relativzahlen, ausgedrückt nach der Einheit von 100 000 großen Kalorien nachstehend wieder und füge sowohl die Werte der neuen Gaußstation (Kol. 4) hinzu, wie auch einer Station im nördlichen Eismeer nach den Beobachtungen Nansens an Bord der Fram im Zentralbecken (8P N., 12P 0.) Wärmeüberschuß über die Bouvetre'gion (in 100000 Kg-Kal.) Wassersäulen 1 2 Valdivia 3 Challenger 4 Gauß 5 Belgica 6 Belgica 7 Fram 0 bis 500 m 500 „ 1000 1000 „ 2000 4-3.9 + 4.0 + 11.6 + 3.2 + 5.5 -7.0 -3.4 — 1.1 + 2.3 + 3.2 + 5.0 + 6.0 + 13.8 — 1.4 -3.0 — 6.7 0 bis 2000 + 19.5 (+8.7) — 11.5 (+ 5.5) + 24.8 — 11.1 Hiernach hat die Gaußstation im Treibeis vor Kaiser Wilhelm II. -Land den gleichen geringen Wärmeinhalt, wie die Framstation im nördlichen Eismeer ; die anderen Stationen sind alle wärmer, als die der Bouvetregion, am meisten die Station der Drakestraße. Wollen wir eine Erklärung dieser großen Gegensätze versuchen, so müssen wir noch auf die Salzgehalte und auf die Stromvorgänge einen Blick werfen. Leider liegen ganz einwandfreie Bestimmungen des Salz- Antarktische Temperaturschichtung. 437 gehaltes nur vom Gauß vor, aus denen zu entnehmen ist, daß von 750 m abwärts bis zum Boden volle Homohalinität mit 34.65 Promille herrscht, während an der Oberfläche nur 33.03, in 90 m aber schon 34.23 Promille waren, und von da weitere Zunahme bis zum genannten Maximum folgte. Schott gibt nach Aräometerbeobachtungen für das mit Sigsbeeschöpfer aufgeholte kalte Bodenwasser nur 34.4 bis 34.5 Promille, und hat ein Maximum von 34.6 bei 1600 m. Die Salzgehalte des Challenger stimmen nicht untereinander, zeigen aber schon in 90 m 34.45, in löO m 34.70 und lassen von 370 m abwärts 34.75 bis 34.64 als Andeutung einer homohalinen Schicht vom gleichen Salzgehalt, wie beim Gauß, erkennen. Eine völlig genügende Aufklärung für die antarktische Temperaturschichtung und ihre örtlichen Unterschiede ist deshalb zur Zeit kaum möglich. Man wird Fig. 63. Ticfe_ Treibeis f 2" 3° 4** ^ 6° T 8° 10" 12" Tiefe Schema der Temperaturschichtung und der vertikalen Stromkomponenten in den hohen Südbreiten. aber nicht umhin können, hier ausgeprägte horizontale und auch vertikale Bewegungen im Wasser anzunehmen. Für die Oberschicht kommt in Betracht eine allgemeine Abströmung des Schmelzwassers nach niederen Breiten, wobei das kalte Wasser durch Insolation und Wellenwirkung von oben her erwärmt wird; dieser Oberstrom ist durch die nach Nordwesten gerichteten Triften des Gauß als erwiesen zu betrachten. — Die wärmere Mittelschicht dürfte auf einen Kompensationsstrom zurückzuführen sein, der das in der Oberschicht abfließende Wa'sser ersetzt; er wird langsamer sein, als der Oberstrom, da er mindestens eine doppelt sa hohe, meist die vierfache Wassersäule beherrscht. In der Tiefe Hegt dann homohalines, nach unten hin kälteres, zuletzt auf — 0.4^ abgekühltes Wasser, das an der Eiskante selbsl» entstehen dürfte in der Art, wie das bei den später zu beschreibenden Eisschmelzströmen nach Otto Petterssons Theorie zu geschehen pflegt und auf beistehender Figur 63 schematisch dargestellt ist. Die allgemein stärkere Auskühlung der Bouvetregion beruht wohl auf einem hier langsameren Abfluß des Oberstroms, also einer Anstauung reichlicher Massen der Oberschicht, womit dann eine Verlangsamung des wärmeren Unterstromes, d. h. eine Abschwächung seiner Wärmezufuhr 438 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Hand in Hand geht : die niedrigen Temperaturen der Oberschiclit wirken dann auskühlend in die Mittelschicht hinein, vielleicht durch Strahlungs- ausgleich, aber auch durch mechanischen Transport. Die Anstauung selbst steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der eigentümlichen Lage der Bouvetregion im südhemisphärischen Stromsystem. Westlich hievon scheint mir die Stelle zu liegen, wo die entlang dem antarktischen Festlande von den Süd- und Ostwinden nach Westen gedrängten Eis- massen in breiter Front nach Norden umschwenken, um in die Westwind- trift überzugehen. Die eigenartige Gliederung des Südatlantischen Ozeans, insbesondere seine Verengung nach der Drakestraße hin, lassen diese Wendung mechanisch verständlich erscheinen, wie später bei Darstellung der Meeresströme noch auszuführen ist. Jedenfalls bin ich geneigt, gerade für die Bouvetregion eine Art von Drehpunkt der Zirkulation anzunehmen, also ein Gebiet, das nur geringe horizontale Wasserverschiebungen erfährt, dafür aber, in analoger Wirkung wie in der Sargassosee, einen merklichen vertikalen Transport nun aber ausgekühlter Wasserteilchen nach der Tiefe hin unterhält. — Die Station des Gauß liegt im Packeise und nahe an der Eisküste, so daß sich die Mittelschicht nur wenig mächtig entwickeln kann, während die Oberschicht durch Frostwirkung mit ihren kalten Mutterlaugen stark in die Tiefe zu greifen vermag. Anderseits wäre bei örtlichen Änderungen in Richtung und Stärke des Oberstromes durch Stürme eine Verstärkung der aufsteigenden Komponente in der Mittel- schicht denkbar, was dann zu einer so starken örtlichen (und vielleiclit zeitlich vorübergehenden) Entfaltung der Wärmezufuhr führen könnte, wie sie aus den Messungen der Valdivia vor Enderbyland zu entnehmen ist. Alles das sind Ideengänge, die weiterer Prüfung, namentlich auch an Ort und Stelle durch planmäßige Salzgehaltsmessungen, bedürftig sind. Wenn wir uns den nordhemisphärischen höheren Breiten der offenen Ozeane zuwenden, so treffen wir nur an ganz beschränkten Stellen ähn- liche Wirkungen der Nähe des Scholleneises oder massenhaft auftretender Eisberge, und überdies entbehren die dabei eintretenden Temperatur- schichtungen völlig jenes Zuges imposanter Großartigkeit, wie er den südhemisphärischen Phänomenen jenseits von 55° S. B. unleugbar eigen ist. Im Nordatlantischen Ozean ist es der Winkel westlich von Island in der Dänemarkstraße, das Gebiet des Ostgrönland- und Labradorstromes, im Nordpazifischen nur das noch kleinere Stück östlich von Kamtschatka bis zu den Kommandeurinseln, was wir überhaupt ins Auge zu fassen hätten. In allen diesen Fällen bemerken wir aber eine der südhemisphäri- schen nicht ganz entsprechende Art der Temperaturschichtung, indem eine obere Deckschicht von dünnem und im Sommer oft ganz eisfreiem und dann recht warmem Wasser unterlagert wird von einer kalten Schicht, unter der dann wieder eine wärmere liegt. Die Untersuchungen der däni- schen Kriegsschiffe Fylla (1877—791)), Ingolf (1879, 1895—96), von Axel Hamberg2) an Bord der Sophia (1883), und vereinzelte Beobachtungen des Polarschiffes Gulnare (1880^) haben diese charakteristische Schichtung ür den Ostgrönlandstrom außer Zweifel gestellt; im Labradorstrom, ') Ann. d. Hydr. 1880, S. 173 ff. 2) Bihang K. Svenska Vet. Ak. Handl. Bd. 9, Nr. 16, Stockholm 1884. «) Ann. d. Hydr. 1881, S. 235. Temperaturschichtung in den hohen Nordbreiten der Ozeane. 439 wo sie noch nicht untersucht ist, wird sie ebenso vorhanden sein. Im Gebiete östlich von Kamtschatka verdanken wir Makaroff (aus dem Sommer 1888) drei gute Beobachtungsstationen. Ich stelle in der nachfolgenden Tabelle wiederum die betreffenden Daten zusammen, wobei ich mich auf die von A. Hamberg, Martin Knudsen^) und Makaroff^) herrührenden Veröffentlichungen stütze. Temperaturschichtung in hohen Nordbreite ii der Ozeane. Nordatlantischer Ozean ^ Nordpazifischer Ozean 1 2 3 4 5 6 7 8 9 N.B. 66.3° 60.3» 58.2° 59.7° 65.2° 66.6° , 53.0° 53.7° 54.3° M 37.8« 45.7° 48.4° 43.6° 55.7° 56.6» ; 160.3° 103.5° 160.0" W w w W w W i ^ 0 9.9° 0 0 — 0.7« — 0.3° 5 35° 0.1° 115° 2.6° ' 9.2° 9.1° 25 — (-0.5*) 5.2 — 0.2 + 0.3 0.6 2.0 7.1 50 — 1.5 4.8 0.0 -1.0 — 0.5 ; — 0.6 0.9 4.3 75 — — 0.6 4.2 — -0.9 — 0.5 — 2.9 100 — 0.7 — 0.6 3.3 0.0 + 1.3 — 0.9 ^-0.7 0.4 2.0 125 — 1.0 — 2.1 — 1.0 ' — 2.8 150 + 1.5 — 0.8 1.0 2.7 — 0.9 1 0.6 3.9 175 — 0.9 — 3.1 — 0.7 i — 2.6 — 200 + 3.1 — 1.0 3.0. 3.4 -0.1 0.0 3.7 3.9 250 — 3.0 — 3.8 + 2.7 — — — 300 — 3.3 — 4.1 3.4 ; — — 400 — — — — — 3.5 3.7 — 500 ! — 3.4 — 4.2 3.9 — — 1000 i — 3.1 — — — — — 1500 — 2.3 — — — ^~~ — — 2000 — 1.9 — — ' — — Boden _ 1 1.4 _ 3.5 3.9 1 in 10: (in 10: Tiefe — i 3474 — 791 599 1 2.3° j 95° • — *) in 35 m. Die erste Temperaturreihe (nach A. Hamberg) aus dem Ostgrönland- strom zeigt uns über dem Schelf eine Scheidung in den oben abfließenden Eis- und Flußwasserstrom, in der Tiefe aber das relativ warme atlantische Wasser, das, dem Irmingerstrom entstammend, die gleiche horizontale Richtung einhält, aber doch auch vertikale Komponenten besitzt, die denen der vorher beschriebenen antarktischen Zirkulation entsprechen. Die zweite Reihe südlich von K. Farvel enthält auf der seichten Küstenbank nur das Eiswasser. Dagegen ist die dritte in der Oberschicht vom Irminger- strom allein beherrscht, der dann in einer Mittelschicht durch von der Grön- landseite her ausgekühltes Wasser unterlagert wird, während darunter wieder das wärmere und salzreichere atlantische Wasser allein auftritt. Je weiter nach dem Norden in die Baffinbai und je näher der eisführenden Küsten- bank Westgrönlands, um so mächtiger ist die ausgekühlte Mittelschicht, wie die dann folgenden Reihen erweisen. Die Bodentemperaturen dieser ') The Danish Ingolf Expedition, Bd. 1, Teil 1, Kopenhagen 1899. 2) Le Vitiaz etc. Bd. 2, p. 80 f. 44Ö Die räumliche Verteilung der Temperaturen. grönländischen Bucht sind nirgends unter 0*^ abgekühlt, wie in ähnlicher Nähe am antarktischen Eise unzweifelhaft geschehen würde. Im Norden des Atlantischen Ozeans ist das Eis eben zu wenig massig. Aber die vom Grönlandschelf her in die Tiefe sinkende Schicht atlantischen Wassers wird doch um ^/2 ^ bis ^/4 ^ kälter, als die keiner Eiskühlung von oben her unterworfene südlich von Island. Wie früher schon bemerkt (S. 340), schafft der Keykjanäsrücken hier eine submarine Schranke, denn das- nordwestlich davon gelagerte Bodenwasser in der Ostgrönlandbucht ist nicht nur weniger salzig (34.6 bis 35.0 Promille), sondern auch kühler (1.3° bis 1.5°, vgl. Reihe 3 der Tabelle), als das südlich von Island befind- liche (35.0 bis 35.15 Promille mit 2.5° bis 2.8°). Trotzdem ist aber die örtliche Dichtigkeit der beiden Wasser gar nicht oder nur unwesentlich, verschieden: das kühlere Wasser hat (von der Zusammendrückung in den Tiefen abgesehen) 1,027-75 bis 1,028-05, das wärmere 1,027-93 bis 1,028-08. So kommt es, daß dies kühlere, aber salzärmere Wasser nicht in die südlicher gelegenen großen Tiefen des Nordatlantischen Ozeans abfließt; finden wir doch bei den Azoren das Bodenwasser von ähnlicher Dichte (1,027*8 bis 1,028-0) mit Bodentemperaturen von 2.3° bis 2.5°. — Im arktischen Zipfel des Nordpazifischen Ozeans ist die Schichtung von der Kamtschatka- küste hinüber zu den Kommandeurinseln ganz ein Miniaturbild der grön- ländischen. Zwar erfahren wir von Makaroff selbst nichts über die örtlichen Bodentemperaturen, und die älteren Lotungen der Tuscarora (1874) berichten von 0.7° bis 1.0° in Tiefen von mehr als 5000 m etwas weiter südlich. Aber wie bereits bemerkt (S. 431), wissen wir aus Vergleichen mit gleichzeitigen Temperaturmessungen der Challengerexpedition, daß für so große Tiefen die Messungen der Tuscarora um 0.7 ° zu niedrig sind. Bringen wir diese Korrektion an, so erhalten wir 1.4° bis 1.7° als Boden- temperaturen südöstlich von Kamtschatka, und das ist nur unbedeutend oder gar nicht niedriger, als sonst für die nordpazifischen Bodengewässer normal wäre. Die Frage, wieweit die untersten Bodenschichten auch nur in dem schwachen Grade, wie in der Ostgrönlandbucht, geschweige denn wie im antarktischen Gebiet, hier am Nordrande des Nordpazifi- schen Beckens her ausgekühlt werden, mag aber doch besser der Zukunft zur Lösung vorbehalten bleiben. b) Die Temperaturschichtung in den Nebenmeeren. Es gehört, wie wir wissen, zu den wesentlichen Merkmalen der Neben- meere, daß sie in den Temperaturen wie im Salzgehalt starke Abweichungen von den ozeanischen Eigenschaften aufweisen, und zwar sind die Tem- peraturen in den unteren Schichten geregelt teils durch die Satteltiefen der vor- oder eingelagerten Torschwellen oder Schelfbänke, teils auch durch abweichende Strahlungsbedingungen im Bereiche der einschließenden Landflächen. Die großen vielgliedrigen Mittelmeere haben denn auch eine verwickelte Anordnung der Temperaturen; einfacher ist diese bei den kleinen Mittel- und den Randmeeren. Das ArktischeMittelmeer hält denselben Grundtypus seiner Temperaturschichtung fest, der uns von den antarktischen Enden der Die Temperaturschichtung im europäischen Nordmeer. 441 Ozeane bekannt ist, aber doch mit sehr bezeichnender und durch die modernen Expeditionen mehr und mehr verständlich gewordener örtlicher Umgestaltung in den einzelnen Teilbecken. Das europäische Nordmeer hat, wie das in den wesentlichen Grundzügen von H. Mohn^) bereits richtig dargestellt ist, durch den Eintritt warmen nordatlantischen Wassers über die Färöer-Shetlandschwelle noch deutlich ausgeprägte ozeanische Merkmale in seinem östlichen Teil. Dieses, gewöhnlich als Golfstromwasser bezeichnet, bedeckt die Oberfläche des von Süden her einragenden Nordseeschelfs mit einer Temperatur von 6° bis 7^ im Sommer, etwas über 7*^ im Winter. Weiter nach Nordosten treten dann Stromteilungen auf. Der eine Ast wendet sich nordwärts und beginnt, auf der Höhe von Spitzbergen angelangt, abgekühlt unter das sehr viel kältere, aber dünnere Wasser des eisführenden Ostgrönland- stromes unterzutauchen, um mit diesem zugleich in der Richtung nach Südwesten umzuschwenken 2) : es tritt dann eine ausgeprägt mesotherme Schichtung ein. Diese herrscht auch nordwestlich von Island bis in die Dänemarkstraße hinein, wo die Schelfschwelle in 550 m den warmen Teil der Wassersäule noch großenteils nach Südwest passieren und sich mit den ähnlich temperierten Gewässern des Irmingerstromes vereinigen läßt (vgl. Tabelle S. 439). Bemerkenswert, aber ganz natürlich bei der ver- schiedenen Herkunft der Wasserschichten, ist das örtlich oft sehr aus- geprägte Zusammenfallen von Isothermen und Isohalinen. Schon an der norwegischen Küste deckten sich 4° und 35.0 Promille, 6^ und 35.1 Promille (vgl. Fig. 46 S. 346), und im ganzen liegen die I&othermflächen an der norwegischen Seite stets tiefer, als in der Mitte des Nordmeeres. Die Oberflächenschichten werden an der norwegischen Seite von dem im Sommer warmen, im Winter kälteren, stets salzärmeren Küstenstrom, der Fort- setzung des baltischen Stromes aus dem Skagerrak, eingenommen ; an der Ostgrönlandseite herrscht das eisführende Polarwasser von niedriger, dem Gefrierpunkt naher Temperatur. Ähnlich, wie bereits für den nörd- lichsten Teil der Nordseebank bemerkt, ist auch auf dem norwegischen Schelf rand die jahreszeitliche Änderung der Tiefentemperatur dadurch gekennzeichnet, daß die Maxima, z. B. in 150 oder 200 m Tiefe, spät im Jahr, zumeist im November angetroffen werden. Dieses Merkmal der jährlichen Periode bleibt bis zum hohen Norden hinauf bestehen und ist durch neuere russische Untersuchungen noch östlich vom Nordkap nachgewiesen worden. Ich setze als Stichprobe aus den Angaben von Knipowitsch^) für eine Station in 7P N. B. 33 V2 ° 0. L. eine Auswahl hieher, die erkennen läßt, wie die für die warme Jahreszeit normale Anothermie im November durch ^ ) Neuere Hauptquelle ist Fridtjof Nansen, the Oceanography of the North Polar ßasin. Kristiania 1902, wo auch die ältere Literatur zusammengefaßt ist. Vergl. noch Bihang til Kgl. Svenska Vet. Ak. Handl. 1898, Bd. 23, II, Nr. 4, Beob- achtungen von Sv. Arrhenius; Meddelelser om Grönland 1895, Bd. 17, p. 201, Beobachtungen von C. Ryder; Kgl. Svenska Ak. Handl. Bd. 41, Nr. 1, 1906, Beobachtungen von Axel Hamberg; Nyt Magazin f. Naturv. 1901, Bd. 39, Heft 2, solche von Hjort und Nansen. ^) Auf die Strömungen selbst und ihre verschiedene Auffassung ist in einem späteren Kapitel ausführlich zurückzukommen. ') Grundzüge der Hydrologie des europ. Eismeeres (russ.), St. Petersburg 1906, S. 869. 442 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Tag 0 10 25 50 100 150 220 m 22. Mai 1900 .... 3.2 2.2 2.1 2.1 2.1 2.0 1.8 15. Juli ,. .... 4.6 4.4 3.8 3.8 2.3 2.3 2.3 11. Sept. „ .... 5.2 5.1 4.8 3.5 3.0 2.6 2.0 15. Nov 4.5 4.5 4.7 4.7 4.7 4.0 2.45 6. Febr. 1901 . . . 2.0 3.1 3.1 32 3.4 3.5 :16 18. April „ . . . . 2.3 2.2 2.2 2.2 2.2 2.2 1.8 eine mesotherme und im Februar durch eine katotherme Anordnung ersetzt wird (vgl, S. 447). Will man die Erscheinung richtig verstehen, so darf man nicht vergessen, daß es nicht dieselben Wasserteilchen sind, deren Tem- peratur man in 150 m Tiefe im Mai oder im November mißt, sondern daß es sich um strömendes Wasser handelt. Dann ist der Phasenverzug nicht schwer zu erklären. Da das Oberflächenwasser einen geringeren Salzgehalt besitzt, kann es auch bei Abkühlung im Herbst nicht seinen Platz mit dem darunter liegenden salzigeren, aber wärmeren Wasser vertauschen. Für eine genauere Feststellung der individuellen Temperaturschwankung eines vom Wyville Thomsonrücken nach dem Nordkap hinauf strömenden Wasserteilchens fehlt es uns an ausreichenden Strommessungen. Schätzungsweise aber ließe sich wohl annehmen, daß 6 Seemeilen täglich für die Tiefenschicht in 150 m ein nicht unwahrscheinliches Maß wären. Dann könnte ein am 1. August von der genannten Schwelle ausgegangenes Teilchen Ende November auf der Höhe der Lofoten und um .Neujahr vor dem Varanger Fjord anlangen; unter der Decke des leichten Oberflächen- wassers würde es die anfangs erworbene Sommertemperatur nur langsam erniedrigen. Im Winter ausgegangene Teilchen werden ebenso auf der langen Strecke im Frühjahr und Sommer ihre niedrige Temperatur bewahren, wobei jedoch in Betracht kommt, daß im Winter und ersten Frühling die Oberschicht einen höheren Salzgehalt besitzt, wodurch dann vertikale Konvektion, wenigstens zeitweilig, nicht ausbleiben wird. — In den größeren Tiefen des Nordmeerbeckens von 600 m abwärts ist allgemein die Temperatur bis auf 0° gesunken, und von 800 und 1000 m bis 3800 m hinab lagert sich die homotherme Grundschicht mit der niedri- gen Temperatur von — 1.2 <* bis — 1.3^; wir haben sie bereits als homo- halin kennen gelernt und von ihrer Bildung in der Gegend nördlich und nordöstlich von Jan Mayen nach Nansens Annahme erfahren (S. 346). In der nachstehenden Tabelle sind einige bezeichnende Temperaturserien aus dem Nordmeerbecken vereinigt. Die erste ist nördlich von den Färöer, aber noch im Bereiche des warmen atlantischen Wassers (vulgo Golfstroms) während der norwegischen Nordmeerexpedition durch H. Mohn am 18. Juli 1876 an Bord von Vöringen gemessen. Die zweite ist von Axel Hamberg am 29. Juli 1898 westlich von Spitzbergen unweit von Prinz Karls Vorland erhalten und zeigt den nördlichsten Ausläufer des atlantischen Wassers, das bis zu ähnlichen Tiefen herrscht (600 m), wie am breiten Südtor (Reihe 1) des Beckens. Andere Ver- hältnisse sind in der dritten Serie östlich von Jan Mayen, wiederum nach Mohn (27. Juli 1877) dargestellt: nur eine obere seichte Schicht führt Reste von wärmerem atlantischen Wasser, darunter liegt sehr kaltes Polarwasser aus dem Ostgrönlandstrom mit Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt. Verwandt damit Die Temperaturschichtung im europäischen Nordmeer. 443 Temperaturschichtung im europäischen Nordmeer. 1 2 3 4 5 6 7 N. B. 63° 22' 78° 13' 71" 0' 69'^ 9' 67° 40' 66° 25' 74° 38' W. L. 5° 29' 2° 58' 5° 9' 12° 0' 15° 40' 25° 50' 15° 3' Um 10.0« 3.1» 4.6° 5.7° 3.6° + 1.7° — 0.95° 25 9.6 2.9 2.0 2.0 — 0.5 — 1.4 — 1.36 50 8.7 2.1 -1.6 -1.5 — 0.8 + 5.3 — 1.53 75 — 2.0 — 1.9 — 1.4 + 0.5 6.3 — 100 8.0 1.9 -1.8 — 1.0 0.8 * 6.3 - 1.48 200 7.2 — -1.1 + 0.7 1.0 5.0 + 0.71 300 3.0 — 0.8 — — 600 + 0.3 1.0 — 1.2 + 0.3 0.0 — 0.5 — 1000 — 0.5 -0.4 — 1.2 — 0.9 — 0.8 — — Boden — 1.2 -1.3 — 1.3 — 1.2 — 0.8 -1.1 + 0.70 in Meter 2222 2690 1516 1830 1373 650 277 ist die vierte Reihe, nach den Messungen von Nansen an Bord des Michael Sars am 6. August 1900, südwestwärts von Jan Mayen, wo aber eine wärmere Zwischenschicht (200 bis 600 m) die letzten Ausläufer atlantischen Wassers, das unter und mit dem Ostgrönlandstrom nach Südosten fließt, erkennen läßt. Weiter auf Island zu wird, wie Serie 5 nach M. Knudsen (Ingolfexpedition am 28. Juli 1896) erweist, das Polarwasser zu Gunsten des warmen Unter- stroms eingeschränkt, und noch mehr ist das an der Ostseite der Dänemark- straße der Fall (Reihe 6 nach Messungen an Bord der Fylla, 21. Juni 1877), wo einige, nicht in die Tabelle mit aufgenommene zwischenliegende Messungen (in 20 m: —1.2^ 30 m: — 1.6^ 40 m: —0.8^) eine weitere keilförmige Zu- spitzung des Polarwassers erkennen lassen, während der warme Unterstrom seine hohen Temperaturen unmittelbar aus einem Ausläufer des Irrainger- stroms entlehnt, der Island im Sinne des Uhrzeigers umkreist. Die letzte Reihe (7) zeigt den Ostgrönlandstrom nahe der Küste bei Penduluminsel nach den Beobachtungen^) auf der Nathorstschen Expedition am 1. Juli 1899: hier ist der warme Unterstrom von etwa 180 m ab deutlich nachgewiesen; der Salz- gehalt, der von 32.5 Promille an der Oberfläche langsam auf 34.7 in 150 m (mit — 1.0°) zunahm, hatte in der warmen Unterschicht selbst 34.97 bis 34.99 Promille. In Reihe 1 — 4 wird die kalte homotherme Bodenschicht mit mehr oder weniger hohen Wassersäulen unterhalb von 1000 m erkennbar. Die mitgeteilten Beobachtungen beziehen sich alle auf den Sommer; die winter- lichen Zustände in der Westhälfte des Nordmeerbeckens sind uns noch un- bekannt. Nur vereinzelte Tatsachen werden von Fangschiffen wenigstens aus den Frühlingsmonaten gemeldet, worüber schon H. Mohn berichtet hat: Tiefe (m) 0 37 55 73 91 110 146 183 219 6. April . . 17. Juli . . . — 2.0 + 4.0 — 1.7 + 2.3 -2.0 -0.1 -2.0 — 0.8 — 1.3 — 1.2 — o.e — 1.1 — 0.4 — 0.4 — 0.2 0.0 — 0.1 0.0 diese Beobachtungen des Kapitäns C. Bruun sind an zwei sehr nalie bei 72° 54' N. B., V 30' 0. L. gelegenen Stellen 1878 erhalten worden und be- ^) Nach F. Akerblom, Uppsala Universitets Arsskrift 1903, 11, S. 26. 444 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. weisen die außerordentlich starke Auskühlung der Oberschichten im April gegenüber dem Juli. Die in das Nordmeerbecken mündenden Fjorde bieten in ihren oft beträchtlichen Tiefen eine Temperaturschichtung dar, die sich in charakte- ristischer Weise mit den Jahreszeiten ändert'). Im Winter ist sie nämlich katotherm, im Frühling dichotherm, im Hochsommer anotherm, im Herbst mesotherm. Dabei pflegt jedoch eine mehr oder weniger mäcTitige Säule unter- halb von einer gewissen Tiefe eine angenäherte Homothermie zu bewahren, und zwar reicht diese, je weiter ins Innere der Fjorde man kommt, in um so höhere Niveaus hinauf. So liegt in den Bergenschen Gewässern im inneren Mofjord (60M5.5' N., 5M7.5' 0.) diese Tiefe bei 80 m, im Byfjord vor Bergen selbst bei 150 m, im äußeren Hjeltefjord erst bei 250 m. Diese größere Unempfindlichkeit gegen eindringende Temperaturänderungen hängt mit der Verteilung des Salzgehalts zusammen, da im Innern der Fjorde die Ober- schicht stark ausgesüßt ist, die Tiefe dagegen über 32 bis an 35 Promille führt. Eine so starke und beständige katohaline Anordnung hält natürlich jede vertikale Konvektion der Wärme von der Oberfläche nach der Tiefe hin ab, während in den äußeren Fjordstraßen nur eine dünne Deckschicht von 2 bis 10 m mit wenig vermindertem Salzgehalt (um 4 Promille) die Konvektion schon eher ermöglicht. Wiederum als eine Stichprobe setze ich hier folgende Reihen aus dem Byfjord vor Bergen (nach Nordgaard) ein, wobei die einge- klammerten Werte durch Interpolation gewonnen sind. Datum 0 20 5i) 80 100 150 200 450 m 30. Jan. 1901 . . 3.8« 7.2« 7.65° 7.8« 7.6« 7.25« 7.2« 6.85« 25. April „ . . 10.8 5.8 6.0 7.35 7.4 7.3 7.3 6.95 27. Aug. „ . . 16.0 12.4 7.45 7.4 7.35 7.3 7.15 7.0 25. Nov. 1902 . 4,5 8.7 8.65 (7.5) 7.35 (7.3) 6.9 6.75 Betrachtet man die Vorgänge in den obersten Schichten bis 100 m, so hat m-an den Eindruck, als wenn im Januar und April eine Kältewelle, im August und November eine Wärmewelle nach unten vordringe. Man wird aber nicht an Leitung oder Strahlung denken, vielmehr scheint mir eine Stromzirkulation unabweisbar. Das vom Land her ausgesüßte Oberflächenwasser wird aus dem Fjord hinaus, salzigeres Wasser in der Tiefe hineinfließen. Irgendwo vor der Fjordmündung muß dann eine Stelle liegen, wo Salzgehalt und Temperatur in einer der Jahreszeit entsprechenden Mischung (durch Seegang und Gezeiten- strom) dem vertikal absteigenden Teil dieser Zirkulation zugeführt werden. Das obere Niveau der fast homothermen Tiefenschicht schneidet mit dem Niveau der Zugangsschwelle ab. Die Zirkulation wird mit geringerer Geschwin- digkeit verlaufen, sobald die Zufuhr von Landwasser im Hintergrund der Fjorde geringer und das für den einlaufenden Unterstrom verfügbare Durchfluß- profil größer ist. Da die so herangeführten unteren Schichten vor den Fjorden im Herbst noch relativ warm sind, wird auch im Innern der Fjorde ihr thermi- scher Effekt mit verstärktem Phasenverzug erkennbar. Nicht zu vergessen ist, daß über dem ganzen norwegischen Schelf ein Küstenstrom nordwärts und um das Nordkap herum fließt, also in- gleichem Sinne wie im tiefen Wasser ^) Mohn, Nordhavets Dybder u. s. w. S. 91 ff. für den West- und Alten- fjord; Gran im Report on Nor weg. Fishery and marine Investigations, Kristiania 1901, Nr. 5 für Nordlandsfjorde; 0. Nordgaard, Bergens Museums Aarbog 1903, Nr. 8 für die Fjorde um Bergen. Vgl. auch Pouchet in Compt. Rendus Acad. Paris 1882, Bd. 94, p. 39 für den Varangerfjord Temperaturschichtung in Fjorden des Nordmeeres. 445 außerhalb des Schelfs der sogenannte Golfstrom: die von der erwähnten Ver- tikalzirkulation erfaßten Wasserteilchen werden also spiralige Bahnen be- schreiben. Im allgemeinen wird diese Zirkulation weiter nach dem Norden hin schwächer werden, da im Nordland der Regenfall viel geringer ist. Überall aber tritt die Erscheinung hervor, daß in den Fjorden die winterlichen Tiefen- temperäturen um ein paar Grad höher sein können, als die zu gleicher Zeit in gleicher Tiefe im sogenannten Golfstromwasser außerhalb des Schelfgebiets vorhandenen. Daß die sogenannte homotherme Grundschicht oft aus stag- nierendem und njcht ventiliertem Wasser besteht, ergeben die Gasanalysen und das Auftreten von Schwefelwasserstofi (S. 300). Wenn die hier gegebene Erklärung richtig ist, so muß in den gegenüber- liegenden Fjorden von Ostgrönland die Zirkulation im Winter 2um Stillstand kommen, da dann alles Landwasser gefroren ist, der Oberstrom also fehlt, während im Sommer alles so verläuft, wie in den norwegischen Fjorden. Das ist in der Tat der Fall. Im Heklahafen im Innern des Scoresby- fjords (70<^ 25' N., 26° 20' W.) überwinternd hat C. Ryder öfter Temperatur- serien unter dem Eise genommen, aus denen ich vier sehr bezeichnende folgen lasse : Datum 0 25 50 75 100 150 200 300 450 m 2. Okt. 1891 . . — 1.2° -0.4° — 1.3° -1.7° -1.9° — 1.5° — 0.9° 0.0° -1-0.4° 18. Febr. 1892 . . — 1.4 — 1.3 — 1.4 — 1.4 — 1.4 — 1.4 — 1.3 — 1.3 — 1.1 17. Mai „ . . — 1.9 — 1.4 -1.6 — 1.6 -1.5 — 1.4 — 1.3 — 0.7 — 0.2 18. Juni „ . . — 0.4 — 1.5 — 1.6 -1.6 — 1.6 — 1.3 — 1.2 — 0.6 0.0 Man bemerkt, wie, im Mai beginnend, ein wärmerer Unterstrom die Tiefen- Bchichten beeinflußt und im Oktober die Grundschicht bis -f- 0.4 '^ erwärmt. Im Februar aber ist alles fast gleich kalt von oben bis unten ; die Zirkulation ruht. Leider sind die Salzgehaltsmessungen auf Ryders Expedition, wie schon Nansen beklagt hat, recht unsicher und gerade im vorliegenden Falle so lücken- haft und widerspruchsvoll, daß man sie außer acht lassen muß. Für den sommerlichen Zustand im Innern dieser Ostgrönlandfjorde haben wir aber einige gute Beobachtungen von Filip Äkerblom. Er fand im Röhssfjord, dem seefernsten Zipfel des König Oskar-Fjords (72° 43' N., 26« 50' W.): Tiefe (m) 0 10 25 50 80 120 160 m Temperatur Salzgehalt . 7.63° 24.3 1.84° 29.5 — 1.17° 33.1 — 1.52° — 1.43° 33.5 — 1.32° 33.8 — 1.10° 34.3 f Dieses in 160 m Tiefe vorhandene sehr kaltt und verhältnismäßig salz- reiche Wasser drängt wahrscheinlich im Winter aus dem Innern seewärts hinaus und füllt die tiefen Fjordbecken in der Weise, wie es aus Ryders Reihe für Februar hervorgeht. Die Zirkulation in der Tiefe erhält dadurch einen quasi monsunartigen Charakter. — Auf die zwar häufig, aber doch nicht systematisch untersuchten Fjorde Spitzbergens näher einzugehen, muß ich mir versagen; die Temperaturschichtung erscheint örtlich sehr verschieden. Das sehr zerstreute und ungleichwertige Material hat Knipowitsch ^) gesammelt. ^) A. a. O. S. 1082 bis 1096; einzelne neuere Beobachtungen des Fürsten von Monaco in Resultats des camp, scientif. etc. fasc. 29, Monaco 1905, p. 77 f. 446 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Über die sehr verwickelte Anordnung der Temperaturen in der B a- r e n t s - und Murmansee sind wir durch neuere russisclie Unter- suchungen, die sich auch auf die Winterzeit erstrecken, belehrt worden; ihr anfänglicher Leiter, N. M. Knipowitsch^) hat kürzlich eine umfassende Darstellung davon gegeben, worin auch alles ältere Material seit Mohn, Weyprecht, Nordenskiöld u. s. w. verarbeitet ist. Da auch hier die von Knipowitsch zuerst erkannten Stromvorgänge maßgebend sind, wird auf vieles später zurückzukommen sein. Bedeutsam ist für uns zweierlei. Zunächst die lange für die Polarmeere bekannte Erscheinung, daß das Wasser der in die kalten Breiten eindringenden wärmeren Meeresströme wegen seines hohen Salzgehaltes, trotz der gleichzeitig zwar abgekühlten, aber relativ noch hohen Temperatur, eine größere Dichte annimmt, als das salzarme, wenn auch sehr kalte und seinem Gefrierpunkt nahe Polar- wasser. Die Folge ist eine sozusagen fingerförmige Gabelung, verbunden mit einem Untertauchen des schwereren Wassers, das schließlich die tieferen Einsenkungen von mehr als 200 m erfüllt, und über geringeren Tiefen und in mittleren Schichten durch stürmischen Seegang starken Vermischungen unterliegt: kurz eine große örtliche Mannigfaltigkeit der Anordnung, wie das auch vom Salzgehalt zu sagen war (S. 346). Die Hauptgabelung liegt bei der Bäreninsel. Am_ längsten hält sich der südliche Arm der Nordkap- strömung in etwa 7P N. B. bis nahe an Nowaja Semlja heran in 50^ 0. L. an der Oberfläche, die anderen Zweige werden schon in 36^ 0. L. submarin. Zweitens wird wichtig die Zufuhr des Landwassers von den im Süden und Osten das Gebiet umgebenden Küsten und Inseln her. Ich gebe nach russischen Beobachtungen und zwar aus den Sommermonaten einige Temperaturreihen, die die Änderungen der Temperaturschichtung im noch unberührten Hauptast des Nordkapstromes (Station Nr. 101) und in den bereits vom Polarwasser beeinflußten südlicheren (66) und nördlicheren (64) Abzweigungen veranschaulichen; bei der letzteren ist nur in 100 m noch eine Spur der wärmeren Zwischenschicht erkennbar. Holländische Stat. N. B. 0. L. 0 25 50 100 150 200 250 300 350 101 66 64 75° 0' 71° 58' 75" 34' r 31'' 10' 370 24'! 45" 28' 5.5« 5.7 2.32 5.2° 2.2 -0.75 3.05° 0.9 — 1.4 2.85° 0.9 — 0.95 250° 0.5 — 1.19 2.15° — 0.2 — 1.4 2.05° — 12 — 1.5 2.05° — 1.9 — 1.4 1.1° Beobachtungen von dem Vorstoß des Willem Barents im Sommer 1878 (Station 30) zeigen uns eine noch weiter nach Nordosten vorgedrungene relativ warme Restschicht zwischen 140 und 220 m (Maximaltemperatur + 0.5^ in 183 m); dagegen enthalten drei Stationen Makaroffs auf seinem Eisbrecher Jermak im August 1901 zwischen Nowaja Semlja und Franz Josephsland (Station 61, 78, 83) schon Hinweise auf abweichende Zustände, ') Außer dem bereits erwähnten Werke in russischer Sprache vergl. den deut- schen Auszug in den Ann. d. Hydr. 1905, ^. 193, 227, 241, 289, 337. — Im Augen- blicke, wo diese Zeilen zum Drucker gehcü, erscheint die wichtige Darlegung von Fr. Nansen in Videnskabs-Selkabets Skrifter Christiania 1906, I, Nr. 3 mit den zahlreichen Beobachtungen von Roald Amundsen. Die im obigen Text vertretenen Auffassungen bleiben jedoch in allen wesentlichen Zügen bestehen. Temperaturschichtung der Barentssee. 447 die denen des später zu behandelnden arktischen Zentralbeckens ver- wandt sind: Stat. N. B. 0. L. |0 1 25 50 100 150 200 250 300 350 30 76« 21' 45»36'|| 2.8« 1.8« 0.7« — 0.6« +o.a« + 0.2« — 0.9« — — 61 78» 0' 520 57' —0.7 + 0.6 — 1.5 — 1.9 — 1.8 — 0.6 — 0.6 — 0.6« — 78 79° 4' 610 17' -+0.8 + 0.7 — 1.7 -1.5 — 0.9 — — — — 83 79° 45' 650 9' , — 1.3 - 1.2 — 1.9 — 1.8 — 1.6 -1.4 + 0.6 + 0.9 4-0.5'^ Näher nach der russischen Eismeerküste hin werden die Beobachtungen zahlreicher, und für das Murmangebiet sind sie seit 1899 fast ununterbrochen für alle Jahreszeiten vorhanden. Knipowitsch hat danach die periodischen Fig 64. m f 1898 1899 1900 1901 f IT) vjvnvnMxjx XI XII ' u 111 IV v;«.|».iv. DC X XI XII 1 u III IV V t^ VII VUi n X XI XU 1 II III IV V VI VII o 10 8 e 4 ~~ ^ — 1 , ' ' — ' ^ — "7 O Ui X \ K . / / 1 !^ / K / V / i 1 "^ 1 J s J y i ■^ i / / s. y 1 0 i "" " — 1— U^ •^ 1, X •««. ^ _ ^ o 12 10 8 6 2 0 ^"T- ■ I — — i 1 - -" — — — - — — ~" ~~ — — ° o 1 y *»^ / y' ■^ y "^ / /i "S / Vh > ■^ / v> ^ ^ = y ■*>. y _ , , c^ 1 , ^— 1 " , _ ^ — — 12 10 8 6 2 0 — 1 — — ' 1 — n — ' — ' — — ' \ — — ' — — — ' — — 1 — — — 12 irt ,^ •«-* / l'V y ' '*s. ...^ / ,/ ^ y V y v^ / "<^ ^ "«^ . y k ^ ==» ^ ~ , . _ ^ !— - , _ g 10 8 6 0 — — ' 10 o Kl ' 1 ^^ •*" -»N ^ 1 V / s 1 y ^ -«- y j <-. ,^ X k^ > - —^ ! _J 1 , _ , , _ -P --A r— 1 —. _ _ ^ -^ 1 8 6 4 i 0 — — — pH — — 1 — -n 1 — :^ . — ' — H — 1 — ^ — \ 1 X ^ "' " , ' «^ X y '* •^ ;^ = ^ """ ai^ "i s 8 e 4 2 0 ? ^ ^ U* x.» ^«> — ^ s ^ ^ ^ ^ •>. 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In mehr als 200 m liegt die relativ wärmste Zeit im November (mit 5*^ bis 6"), die kälteste im Mai oder Juni (mit etwa P); die in den untersten Schichten lebenden Organismen haben also Wasserwinter, wenn die Bewohner der Oberfläche ihren Sommer genießen, und umgekehrt. Auch hier sind die Tiefentemperaturen über dem Schelf höher, als im Wassersommer draußen im Nordkapstrom, wo gleichzeitig kaum 3° gemessen werden (s. Tab. S. 442). Dies , wie die aus den Kurven ersichtliche allmähliche Verspätung der Extreme nach der Tiefe hin, schließt eine Erklärung aus, wonach der sogenannte Golfstrom im Winter stärker gegen die Küste dränge und so das Temperaturmaximum im November bewirke, wie das 0. Pettersson be- hauptet hat. Aus den Kurven ist auch zu entnehmen, daß die Wasser- schichtung über dem Murmanschelf im August anotherm, im Februar und März katotherm ist, während im Herbst und Frühling zeitweilig Homothermie bestehen kann, was dann im Frühling auch mit Homohalinität verbunden ist : so fand Knipowitsch am 31. März 1901 in der ganzen Wasser- säule bis zum Boden in 250 m 1.1° zugleich mit 34.56 Promille, wie das -einer Zeit mit minimaler Zufuhr von Landwasser und starker Wellenbewe- gung, also auch ergiebiger Vertikalkonvektion entspricht. — Nach dem Innern der sich breit zur See öffnenden und landeinwärts vertiefenden Fjorde wird die winterliche Auskühlung intensiver und können die Tem- peraturen in rund 300 m im Frühling bis nahe an 0° (Mai 1900: 0.4°, im Urafjord O.P) sinken, während die Maxima die gleichen sind, wie auf dem Schelf, so daß die Amplitude am Boden rund 5^2° und mehr beträgt. Umgekehrt werden die Amplituden am äußeren Schelfrande um so kleiner. Im Weißen Meer haben wir eine sehr starke winterliche Ab- kühlung, die ganz nahe an den Gefrierpunkt auch der Tiefenwasser heran- geht, so daß im Eingange (dem Schlund, gorlo) im Winter und Frühjahr die ganze Säule bis — 1.9° (mit 34.85 Promille), im Innern des Weißen Meeres selbst — 1.6° (mit 30.08 Promille) hat. Im Sommer erwärmt sich die Oberfläche recht erheblich, bis über 13° auch in der Mitte des Beckens, während abwärts von 30 m alles unter 0°, abwärts von 120 m wie im Winter — 1.6° zeigt. In den seichteren Buchten, wie in der Onegabai süd- lich von den Solowietzkischen Inseln, geht die Erwärmung im Sommer bis zum Boden, wo in 30 bis 35 m noch 8°, ja über 9° beobachtet worden sind. Dagegen ist der über 200 m tiefe Kandalakhtibusen (der Nordwestzipfel) ganz so kalt, wie die Mitte. — Sommerwarme Gebiete sind dann wieder die östlich vom „Schlund" gelegene flachere Mesenbucht und die Tschesch- skajabucht östlich von Kanin ; in der letzteren fand Knipowitsch im August 1900 Bodentemperaturen von 6.8°, gegen 7.0° an der Oberfläche. Zu beiden Seiten der Insel Kolgujew aber beginnt das Gebiet kalter Tiefen- temperaturen, die sich gegen die im Sommer auch stark erwärmte Deck- Stat. N. B. 0. L. 0 10 25 50 100 Boden in Meter 573 580 68° 12' 69° 3' 40° 7' 45° 42' 7.23° 6.47 7.20° 6.64 6.95° 4.45 6.16° 0.11 5.93° 5.83° 120 0.02 65 Die Temperaturschichtung der Barentssee. 449 Schicht scharf absetzen. Ich gebe hierneben für je eine typische Station aus dem warmen und dem kalten Gebiet Temperaturreihen von Mitte August 1901 nach Knipowitsch. Näher nach Nowaja Semlja hin nehmen die Tiefenschichten einen arktischeren Charakter an und die Temperaturen werden sehr niedrig, wie nachstehende zwei weitere Stationen aus demselben Jahre erweisen. Stat. N. B. 1 0. L. : 0 1 l\ 10 25 50 100 Boden in Meter 587 590 70» 17' 51»16'|l 3.95» 70» 42' 1 52» 32', 2.71 4.05» 2.15 3.85» 1.06 0.15» -1.39 — 1.00» — 1.70 — 1.48» 95 — 1.73 185 i Auf der mannigfaltig gegliederten Küstenbank an der Westseite von Nowaja Semlja, deren Gewässer an der Oberfläche von dem nach Nord- osten gerichteten Lütkestrom beherrscht werden, haben sich sehr niedrige Bodentemperaturen, bis — 1.9°, ja — 2.0°, gefunden, die zu den niedrig- sten des ganzen arktischen Mittelmeeres gehören und um so bemerkens- werter sind, als auch der Salzgehalt dieser kältesten Tiefenschichten mit etwas über 35.0 Promille höher ist, als sonst in der westlich davon ge- legenen Barentssee. Der Lütkestrom selbst kann sich sommerlich stellen- weise anwärmen, aber nur in einer dünnen Decke liegt dann die Temperatur über 0°. Ich gebe nach Knipowitsch^) von Süden nach Norden geordnet vier Stationen in diesem Lütkestrom aus dem August 1901, drei davon sind von Makaroff auf seinem Eisbrecher Jermak erhalten, eine vierte, die südlichste, von Knipowitsch. Stat. NB. O.L.,; 0 10 25 50 100 Boden in Meter 525 72» 31' 50»21' ! — 0.1» — 0.4» -1.1» -1.1» - 0.35» -1.80» 155 Ma.48 74» 31' 53» 20' I + J.0 -17 — 1.8 — 1.8 — 1.8 — 1.90 211 ., 57 75» 2' 54»57' ' — 1.8 — 1.8 -1.8- — 18 — 1.8 — 1.8 165 „ 74 76» 50' 62» 6' -^1.8 — 1.9 — 1.9 -1.9 — 1.6 — LG 175 Dieses eisige Wasser scheint sich gemäß seinem örtlich beschränkten Vorkommen auch örtlich zu bilden, doch ist eine befriedigende Erklärung zur Zeit noch nioht zu geben. Bemerkenswert ist, wie schon Nanser hervorhebt, eine gewisse Verwandtschaft mit dem Tiefenwasser des Kari- schen Meeres. Fast bin ich geneigt, die Winterfröste und das Abscheiden der Salze beim Gefrieren dafür verantwortlich zu machen. Im Karischen Meer sind noch etwas tiefere Temperaturen vom Leutnant G.^Bove w^ährend Nordenskiölds Vegaexpedition (1878) gemessen worden 2), obwohl ernste Zweifel rege bleiben, ob die Ablesungen richtig waren. Leutnant Bove fand: ') A. a. O. S. 1068. ^) Pettersson in Vega Expeditionens Vetenskapliga lakttagelser , Bd. 2, Stockhohn 1883, p. 353 f. Krümmel, Ozeanographie. I. 2Ö 450 Die räumliche Verteilung der Temperatiiren. N. B. 0. L. 0 10 25 50 122 150 m 7P23' 72° 6' 64« 32' 660 10' ! 1 + 3.6° + 3.Ö -f-2.P — 0.2« — 2.2 — 2.40 — 2.4 - 2.0« — 2.3 Auch hierbei war in den untersten Schichten der (aräometrisch be- stimmte) Salzgehalt nahe an 35.0 Promille. Die hohen Oberflächentempe- raturen kommen auch hier nur den landnäheren Gewässern zu, und nach den Obj- und Jenisseimündungen hin steigen sie auf 9^ bis 11 ^ (im August) ; aber in der Mitte des Karischen Meeres sinken sie bis auf und unter 0°, und dort hält sich das Eis in den meisten Sommern, ohne zu schmelzen, was schon A. Petermann zu dem Vergleiche mit dem Schmelzprozeß des Wintereises unserer Teiche anregte, „auf denen zuletzt nur noch in der Mitte eine Eisscheibe übrig bleibt ". Auf Nordenskiölds erster Fahrt im Sommer 1875 hat Kjellman einzelne Tiefentemperaturen gemessen, die weiter im Norden (75« 14' N. B., 68^ 10^ 0. L.) in 222 m — 1.4« gegen 5.2° an der Oberfläche, und nordwestlich davon (in 75° 40' N. B., 65° 0' 0. L.) in 107 m — 1.8° gegen -f 1.4° an der Oberfläche ergaben. Nahe an der Yugorstraße fand er an der Oberfläche -f 3.9°, in 20 m 0°, in 50 m — 1.5°, von 100 bis 178 m — 1.9°, was also an die Tempera turs'chichtung unter dem Lütkestrom erinnert. Diese niedrigen Temperaturen zusammen mit dem hohen Salzgehalt geben den Tiefenwassern des Karischen Meeres eine sehr hohe Dichte (1,0281), und Nansen^) leitet daraus ab, daß das karische Becken nicht im freien Verkehr mit dem großen polaren Zentral- becken stehen kann, wo in gleichen Tiefen erheblich leichteres Wasser (von einer Dichte = 1,0276) liegt, und daß sich eine seichte Schwelle von der westlichen Taimyrhalbinsel über die Nordenskiöldgruppe und Einsamkeitsinsel nach Franz Josephsland als submarine Wasserscheide hinüberzieht. — Das tiefe Zentralbecken oder, wie Nansen es nennt, das Nord- polbecken besitzt eine eigenartige Temperaturschichtung , die aber einige echt mittelmeerische Züge trägt. Will man die allgemeinen Merk- male kurz kennzeichnen, so kann man drei Schichten unterscheiden, von denen die oberste für dichotherm, die mittelste für mesotherm, die unterste beinahe, aber nicht streng für homotherm gelten darf. Nach den thermometrischen Merkmalen ist die oberste am kältesten mit meist weniger als — 1°, die mittelste am wärmsten mit -)- 0.5° bis -|- 1.2°; die homotherme Säule der Tiefen hat — ^0.7° bis — 0.8°. — Die obere Schicht reicht im östlichen Teil der Framtrift in größere Tiefen (200 m) als im Westen nördlich von Spitzbergen (160 m). iVuch die Lage des Minimums ist ähnlich: im Gebiet nördlich von den Neusibirischen Inseln liegt es mit — 1.6° bfei 100 m, im Westen mit — 1.9° bei 40 m. Nur die oberste Deckschicht bis 3 m Tiefe hin läßt jahreszeitliche Schwankungen erkennen, an der Oberfläche selbst von — 1.8° im Winter und Frühjahr bis -f 0.8° im Hochsommer. Wenn sich in der kalten Jahreszeit das Treibeis dichter schließt, wird die Temperatur der ganzen oberen Schicht beinahe gleich, ') Oceanography of the North Polar Basin p. 281, 289. Die Temperaturschichtung im Nordpolbecken. 451 bleibt aber noch über dem Gefrierpunkt des Wassers, dessen Salzgehalt nach der Tiefe hin in dieser Schicht stetig zunimmt (S. 'Ml). Die Minima selbst entstehen nicht an Ort und Stelle, sondern näher dem Pol nördlich von der Framtrift. denn nach Norden hin sahen Nansen und Scott-Hansen den Salzgehalt gleicher Tiefen langsam anwachsen. Während die obere Schicht wesentlich durch Vermischung des sibirischen Landwassers mit Eisschmelzwasser entsteht, also ein eigenes Erzeugnis des arktischen Mittel- meeres vorstellt, ist die zweite oder mittlere Schicht mit ihren um 1 \2 "^ bis 2° höheren Temperaturen in letzter Instanz atlantischen Ursprungs ; Xriu.sen führt sie auf den spitzbergischen Zweig des sogenannten Golfstromes zurück, der zum großen Teil i)i die Tiefe sinkt und am Randsockel von Spitzbergen nach Norden und Nordosten, sodann nördlich von Franz Josephsland nach Osten fließt. Obwohl im Seewasser die Temperatur von 0^ sonst keine besonders bevorzugte Bedeutung in Anspruch nehmen kann, eignet sich doch in diesem Falle die Lage der beiden Isotherm- flächen von 0° recht wohl dazu, urii die senkrechte Entwicklung dieses warmen Unterstromes zu verdeutlichen. Nansen findet entlang der Fram- trift die obere Isothermfläche im Osten bei 220 bis 250 m, im Westen bei 160 bis 195 m ; die untere 0^ -Isotherme liegt im Osten bei 800, im Westen bei 900 m. Der Unterstrom hat also die Tendenz, nach Osten hin von seiner Wassermasse an Volum einzubüßen, d. h. er wird stetig Wärme verlieren. So ist in der Tat die höchste Temperatur entlang der Framtrift im Westen bei -LP und in 325 m, im Osten nur noch bei 0.35" und in 450 m Tiefe. Die dritte, unterste Schicht hat wieder Temperaturen unter 0° und kann, wie die nachstehende 3 vollständige Reihen wiedergebende Temperaturschichtung im (zentralen) Nordpolarbecken. Station N.B. O.L. 0 10 20 1 40 60 80 100 120 140 .160 14 801I20 132 0 -1.550 — 1.570 — 1.59« — 1.700 -,..0 -1.74«' -1.61" -1.500 — 1.250 - 0.87O 18 810 128 0 -1-0.80 — 1 55 -1.55 — 1.72 -1.72 — 1.72 -1 62 -1.47 -119 — 0.80 22 841|.20 85 0 — 1.70 — 1.79 -1.77 — 1.90 — 1 89 — 1.87 -'■"> — 1..Ö0 — 0.84 — 0.10 Station — 0.300 — 0.52 -1-0.33 — 0.220 - 0.23 + 0.78 260 -1-0.23'^ 4-0.08 -f-1.09 -I-O.27O -f 0 22 -f-1.04 -f 0.250 -f 0.28 -f-1.08 -1-0.360 + 0.32 + 0.S7 + 0.36': + 0.32 + 0.74 + 0.360 +0.150! + 0.30 :+0.16 +0 10 + 0 64 1+0 58 1+0.28 - 0.0301— 0.030 + 0.02 —0.09 + 0.08 —0.08 Station 1000 1200 1400 1600 — 0.580 -0.50 (-0.64, 1800 — 0.670 J-0.65 2000 - 0.750 — 0.71 2200 2400 i 2600 2800 3000 j 3200 14 -0.120 — 0.14 — 0.23 -0.320 — 0.32 — 0.40 — 0.440 — 0.38 (-0.73) — 0.790 -0.74 - O.820' —0.790 —O.gOOj— 0.780 —0.760 18 1 22 1 1 - ö 77 3400 3600 — —0.740— 0.710 3800 ! — - o.r.9o| — Bemerkung. Die zu Station U gehörigen Messungen verteilen sich auf April 1894, die der Station 18 auf August 1894, die der Station 22 auf Mai 1895. Die Messungen in 2600 bis 3800 m erfolgten allein in Station 18. Die eingeklam- merten Werte zu Station 22 gehören der -westlicheren Nachbarstation 23 an. 452 I^i® räumliche Verteilung der Temperaturen. Tabelle zeigt, als sehr gleichmäßig temperiert gelten. Doch sind in den meisten Tiefen die kleinen übrig bleibenden örtlichen Unterschiede so angeordnet, daß nunmehr im Westen die relativ niedrigeren, im Osten die höheren Temperaturen auftreten, also umgekehrt wie in der warmen Mittelschicht. Auch die untere Schicht ist zu einem wesentlichen Teil als atlantisches Wasser aufzufassen und wird von Nansen auf den die mittlere Schicht beherrschenden warmen Strom zurückgeführt: dieser, bei Spitzbergen 3^ bis 4^ warm, breitet sich nach seinem Übertritt ins zentrale Becken nicht aus, sondern wird durch die ablenkende Kraft der Erdrotation zusammengehalten und so am Schelfsockel entlang nach Osten geführt. Hierbei ist er der erwähnten stetigen Abkühlung unter- worfen, die seine Temperatur in 85^ 0. L. bis auf +1^, in 132'^ 0. L. auf 4-0.36° erniedrigt. Indem er seine Bahn weiter nach Osten hin entlang dem amerikanisch-grönländischen Schelfrande fortsetzt, dabei ständig Wärme nach oben wie nach unten hin abgibt und in tiefere Schichten hinabsinkt, gelangt er schließlich mit Temperaturen von — 0.7° bis — 0.8° wieder nördlich von Spitzbergen an. Hoffentlich haben wir nicht allzu- lange auf die Prüfung dieser Hypothese durch ozeanographisch vorbereitete Nordpolfahrer in den Gewässern nördlich vom Parryarchipel zu warten. Die in den Tiefen von mehr als 2800 m in Station 22 erkennbare Zunahme der Temperatur von — 0.80° auf — 0.69° in 3800 m hat uns schon früher beschäftigt: Nansen erblickt darin eine Wirkung der aus der Erdrinde und dem Erdinnern ausstrahlenden Wärme (S. 378). Trotz der etwas größeren Tiefe ist also am Boden des zentralen Nordpolbeckens die Temperatur um 0.6° höher, als in den Tiefen des Nordmeerbeckens, so daß eine sub- marine Wasserscheide von etwa 800 m Tiefe zwischen Spitzbergen und Nordgrönland beide Hauptbecken des arktischen Mittelmeeres trennen muß. — Für die Temperaturen über dem breiten sibirischen Schelf haben wir wesentlich nur dieselben Beobachtungen auf Nordenskiölds Vegafahrt im August 1878 und für den westlichen Teil noch auf Nansens Expedition im August 1893, die wir für die Darstellung des Salzgehaltes benutzten (S. 347). Wie dort bemerkt, macht sich, je näher zur Küste, desto stärker die Land Wirkung bemerkbar nicht nur in der Verdünnung, sondern auch in der sommerlich höheren Temperatur der Gewässer, die den Abfluß der sibirischen Ströme empfangen. Infolge des offenbar kälteren Frühlings und regenärmeren Sommers 1893 war diese Landwirkung der 15 Jahre vorher beobachteten bei weitem nicht gleich: Nansen fand an der Ober- fläche überall nur 0° bis 2°, also um 6° bis 7° niedrigere Temperaturen und entsprechend auch höheren Salzgehalt und mehr Treibeis, als Norden- skiöld. Westlich von der Lenamündung maß dieser zumeist 3° bis 5° an der Oberfläche, östlich davon bei allerdings inzwischen vorgerückter Jahreszeit nur 0° bis 2°. Diese noch immer relativ warme Schicht dehnte sich aber nur an wenigen Stellen bis zum Boden (in 20 m) aus ; im allgemeinen N. B. 0. L. 0 4 8 12 16 20 m 68° 12' 176° 43' +0.1° —0.4° -0.7° —1.4° —1.6° —1.2° fand sich schon in geringer Tiefe kaltes Wasser von — 1° bis — 1.4°, loh setze hier eine Reihe vom 20. September 1878 ein, die geeignet ist, Die Temperaturschichtung im amerikanisch-arktischen Meer. 453 die nahe Verwandtschaft mit der Oberschicht des zentralen Nordpol- beckens zu veranschaulichen. Während des Winteraufenthaltes in Pitlekaj sind an dem Ankerplatz der Vega (in 10 m) die Beobachtungen fort- gesetzt worden, haben aber so auffallend niedrige Wassertemperaturen trotz niedrigen Salzgehalts geliefert, daß irgendwelche Störungen an den benutzten Apparaten oder Thermometern oder durch die im Freien herr- schende niedrige Lufttemperatur zu vermuten sind. Wasser von 27 Pro- mille hat seinen Gefrierpunkt bei — 1.46*^ (S. 241), während — 3.0*^ als beobachtet vermerkt sind; eine so starke Unterkühlung unter einer schon gebildeten Eisdecke ist aber unwahrscheinlich. — Nahe verwandt mit der Oberschicht des Nordpolbeckens ist auch die nordwärts von Grönland und Grantland ausgebreitete Flachsee, unter deren Eisdecke Kapitän Markham an seinem nördlichsten Punkte in 83*^ 20' N., 63^ 5' W. am 11. Mai 1878 eine, Temperaturschichtung der Art fand, daß bis 55 m — 1.9° und darunter bis zum Boden in 132 m — 1.8° herrschte; dies erinnert sehr an die von Nansen entlang der Framtrift nachgewiesene Lage der Minimaltemperatur zwischen 50 und 60 m. Ebenso ist es noch in der Beaufortsee: Nicht weit von Point Barrow fand Kapitän Kellet am 28. Juli 1849 in 72° 51' N., 163° W. an der Oberfläche + 2.2°, in 18 m 0°, sodann die kalte Schicht von — 1.7° zwischen 27 und 55 m, und am Boden in 64 m — 1.4°. Die älteren und wenig zuverlässigen Beobachtungen in den Fjordstraßen des Parryarchipels und seiner Nachbarschaft hat G. V. Boguslawski zusammengestellt i). Hier macht sich schon eine gewisse Einwirkung der in der Baffinbai herrschenden Schichtung erkennbar, über die wir durch A. Hamberg und M. Knudsen durch einige gute Tem- peraturreihen wenigstens an der Grönlandseite unterrichtet sind. Hambergs im Juli 1883 ausgeführte drei Stationen sind in der nachstehenden Tabelle wiedergegeben. Station 15 17 19 N. B. 75° 75" 26' 74° 0' W. L. 60° 67° 27' 64° 30' 0 m: 4- 1.9« 0 m: + 0.4° 0 m: -f 1.5° 200 m: — 0.3 40 m: — 1.1 45 m: — 1.0 300 m: + 0.4 75 m: — 1.5 90 m: — 1.7 400 m: — 0.5 100 m: — 1.2 300 m: — 1.5 500 m: — 0.9 200 m: 0.0 500 m: — 0.9 700 m- + 0.7 300 m: + 0.7 700 m: 4- 0.4 820 m: + 1.2 400 m: + 0.9 1000 m: — 0.1 — — 500 mf + 0.9 1450 m: — 0.3 Die beiden ersten Stationen liegen der Küste näher, als die dritte. Abgesehen von der obersten, sommerlich angewärmten Schicht, bemerkt man eine mesotherme Dreiteilung, wobei sich die kalte Schicht nach der Küste hin auskeilt, denn im Süden beherrscht sie die Wassersäule von 30 bis 600 m, im Norden (St. 17) von 20 bis 200 m. In der östlicheren Station (15) der Melvillebai scheint die kalte Schicht, soweit die nicht ') Ann. d. Hydr. 1881, S. 113 f. 454 " öi^ räumliche Verteilung der Temperaturen. eng genug gestellten Beobachtungen zur Zeit ein Urteil gestatten, gespalten von der Küste her, indem von der darunter liegenden wärmeren Schicht ein Teil in die kalte eindringt. Diese wärmere Schicht ist näher dem Land in größerer Tiefe, ihr Wärmevorrat größer, als weiter seewärts : sie gehört einem in die Tiefe gesunkenen Unterstrom an, der von der Erdrotation rechts an das Land gedrängt wird, und man hat in ihm die Fortsetzung des uns von der Davisstraße her bekannten Unterstroms aus atlantischem Wasser zu verstehen. Er wird weiter nordwärts von großer Bedeutung. An der Grenzschweiie, die unterm Polarkreise die Davisstraße von der Baffinbai scheidet, ist er nach den Beobachtungen von M. Knudsen mit der hohen Temperatur von 3.5° bis 3.9° ausgestattet (S. 439, Tabelle Reihe G); 9 Breitengrade nördlicher aber ist sein Wärmevorrat soweit ausgegeben, daß er kaum noch + P zeigt (Hamberg, St. 17). Dennoch dürfte er nach der ansprechenden Hypothese Ludwig Meckings^) am Süd- eingange des Smithsundes, wo sich das Tiefenbecken der Baffinbai rasch verschmälert und abflacht, durch den kräftig nach Süden setzenden Ober- flächenstrom großenteils in die Höhe gesogen werden und so durch Ver- mischung und Erwärmung der Gewässer an dieser Stelle das berühmte Nordwasser hervorrufen, das durch seine Eisfreiheit im Sommer und Eis- armut im Winter so merkwürdig gegen seine eisreiche Umgebung absticht. Dadurch, daß der warme Unterstrom in dieser Weise in die Oberflächen- zirkulation hineingezogen wird, macht er seinen erwärmenden Einfluß noch weiter südwärts geltend, indem er, wie eine Rauchfahne südwärts mitgeschleppt, den Eisstrom scheinbar in zwei parallele Äste trennt, das Westeis und das Mitteleis. Wie sich in diesem westlichen Teil der Baffinbai die Temperaturschichtung gestaltet, vermögen wir nicht mit Gewißheit anzugeben, da die vorhandenen einzigen Beobachtungen von Barry, Ross und Sabine aus den Jahren 1818 — 23 herrühren-'), wo man noch nicht über hinreichend zuverlässige Thermometer und Schöpfmethoden ver- fügte. Wahrscheinlich reicht hier, da der warme Unterstrom fehlt, die kalte Säule von der Oberfläche ziemlich geschlossen bis zum Boden hinab. In der Tat geben die vorhandenen Beobachtungen von 100 bis 1200 m fast stets — P bis — 1.6°, am Boden in 72° N. B. in 1830 m zweimal — 1.8° an. Die eiast vom älteren Ross gemessene, überaus niedrige Temperatur von — 3.5° (in 66° 50' N. B., 61° W. L. in 1244 m) hat bereits an früherer Stelle Anlaß zu ernsten Bedenken gegeben (S. 371); an derselben Stelle wurden in 183 m: — 1.1°, in 366 und 732 m: — 1.7° gemessen, was mit unsere L' Vermutung in Einklang wäre. — Daß der warme Unterstrom im Nordwasser vor dem Smithsund aber wohl nicht ganz in die Oberflächen- ströinung hinaufgezogen werde, könnte man aus Beobachtungen schließen, die Emil Bessels im Kennedykanal ausgeführt hat und die wohl hinreichend zuverlässig sind, um aus ihnen sogar in so hohen Breiten noch Reste des warmen Unterstromes vermuten zu lassen. Er fand in 80° 48' N. B., 66° 8' W.L. folgende Reihe: ') Veröff. a. d. Inst. f. Meeresk. Heft 7, 1906: die Eistrift aus d. Bereich der Bafrinbai, S. 42 f. ■^) Prestwich. Philos. Trans. 1875, p. 645 und v. Boguslawski, Ann. d üydr. 1881, S. 123 f. geben sie vollständig, L. Mecking a. a. 0. in Auswahl wieder. Die Temperaturschichtung im Grönlandgebiet. 455 Meter: 0 11 33 Temp.: —1.0« —0.4" —0.2« 55 0.0° 91 + 0.1« 126 + 0.6° 371 + 0.4« Die Beobachtungen auf der von Sir G. Nares geleiteten britischen Nordpolarexpedition in den Jahren 1875 — 76 ergaben allerdings nicht so hohe Temperaturen 1) ; doch lagen die Beobachtungsorte mehr auf der westlichen Seite des Kennedy- und Robesonkanals, wo auch eine nach Süden setzende kalte Meeresströmung als herrschend erkannt wurde. Das Minimum der Temperatur lag meist bei 40 bis 50 m, und zwischen — 1.6^ und — 1.7^; abwärts nahm die Temperatur wieder zu, blieb aber stets unter 0°. Folgende Reihe, an Bord des Alert unweit von der Washington Irvinginsel in 79« 34' N., 73« 15' W. am 31. August 1875 gemessen, sei als Probe eingesetzt. Tiefe 0 18 37 56 73 110 146 183 210 229 Terap. - - 1.10 - 1.60 - 1.60 - 1.40 - 1.40 — l.io — 0.80 — 1.00 - 0.70 — 0. Auch in dem Winterhafen der Discovery (8P 44' N., 65« 3' W.) wurden im Frühling 1876 mehrfach Temperaturreihen gemessen, die eine stetige Zunahme nach der Tiefe ergaben; so war am 29. März unter der Oberfläche — 1.9«, am Boden in 119 m — 1.0«. Vielleicht liegt in dieser gelinden Temperaturerhöhung die letzte Spur des von Süden her vorge- drungenen atlantischen Wassers verborgen ; eine solche fehlt an der Winter- station des anderen Schiffs, des Alert, in der Floebergbai (82« 27' N., 61« 20' W.), wo die Temperaturen von 3 m bis zum Boden in 84 m niemals höher als — 1.7«, oft niedriger waren, also bereits die Merkmale des arkti- schen Zentralbeckens zum Vorschein kamen. In den westgrönländischen Fjorden hat Axel Hamberg einige Temperatur- reihen im Sommer 1883 gemessen, die eine ausgesprochen dichotherme Schich- tung ergebe.n bei katohalinen Salzgehalten. Ich setze einige aus seiner graphi- schen Darstellung entnommene Reihen hier ein; die erste bezieht sich auf den Arsukfjord am 22. August bei Ivigtut (61^/4« N. B.), die zweite auf den Fjord von Julianehaab am 21. Juni (60« 42' N. B.), die dritte auf den Vaigat- fjord in 69« 51' N. B. am 17. Juli 1883. N°. 0 10 25 50 75 100 150 200 300 400 Boden in m 1 7.3" 2 9.2 3 5.0 2.5*^ 3.3 3.0 1.0»! -0.15- 1.1 0.2« -0.4 0.1 — 0.1" — 0.5 -03 — 0.3« — 0.5 — 0.5 — 0.4« — 0,1 — 0.8 0.0« 0.35 — 0.7 1.4« 1.5« 0.6 1.0 1.8« 560 0.6 225 1.5 630 Bemerkenswert sind die hohen Temperaturen der obersten Schicht, was auch bei den osigrönländischen Fjorden vorkommt (S. 445), und die Aus- fülhirig der Tiefen mit wärmerem und zugleich salzreicherem Wasser. Wie die Verhältnisse in diesen Fjordeii im Winter liegen, ist noch nicht beobachtet. E. V. Drj'-galskis Grönlandexpedition war auf Tiefseearbeit nicht eingerichtet, H. Stade berichtet aber von der Station im Kleinen Karajakfjord (70« 27' N. B.), daß an der Oberfläche im Sommer ebenfalls Temperaturen bis 6« ^) Dr. Mo SS in Proc. R. Society London 1878, Bd. 27, p. 553; auch Bo- guslavv^ski in Ann. d. Hydr. 1881, S. 71 — 74. Die mit Indexthermometern gemessenen Reihen sind nicht ganz einwandfrei. 456 I^iß räumliche Verteilung der Temperaturen. vorkamen, daß sie im September 1897 aber auf 0^, im November unter — 1^ sanken, und Anfang Dezember mit — 1.7^ bis — 1.9° der Fjord zufror (bei 32 bis 33 Promille Salzgehalt^). Das zweitgrößte der Mittelmeere, das Australasiatische, ist, soweit die vorliegenden Beobachtungen ein Urteil gestatten, mit einer verhältnismäßig einfachen Temperaturschichtung ausgestattet. Im seichten Schelf gebiet des Westens, das auf weiten Strecken noch nicht 100 m tief ist, fehlen Beobachtungen, doch wird im Mai und August die Abnahme der Temperaturen bis zum Boden wohl größer sein, als im Januar und Februar, wo sie kaum 1 ° erreichen dürfte ; Schott setzt als mittlere Tem- peratur für 100 m 26*^ bis 27*^ ein. Die Tiefenbecken der östlichen Seite sind uns durch einige Temperaturreihen der Challenger- und Gazelle- expedition besser bekannt; ob die neueren Messungen mit feineren In- strumenten auf der Siboga (1899) und dem Planet (1906) das Bild wesent- lich verändern werden, läßt sich erst entscheiden, wenn die Ergebnisse veröffentlicht vorliegen. Im Becken der C h i n a s e e haben wir eine gute und eine weniger gelungene Reihe der Challengerexpedition und einige neuere von den Vermessungsdampfern Rambler, Waterwitch und Penguin. Am 8. Januar 1875 (in 17 ^ 54' N., 117 <^ 14' 0.) war die Abnahme in den obersten 200 m, wie folgt: Tiefe 0 10 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 Temp. 24.0« 24.00 24.00 23.90 23.30 21.50 19.60 18.40 17.10 15.90 14.6) 13.40 Zwischen 50 und 200 m sinkt also die Temperatur stetig um rund 10°, alsdann folgt etwas langsamere Abnahme bis 1000 m, wo 3.9°, und 1500 m, wo 2.6° erreicht sind, sodann aber herrscht von 16(X) m ab zum Boden in 3840 m volle Homothermie^) mit 2.5°. Wir müssen hieraus schließen, daß die Chinasee durch eine submarine Schwelle von Luzon nach Formosa hin abwärts von 1600 m gegen den benachbarten Pazifischen Ozean abgesperrt ist. In den inneren Gewässern zwischen den Philippinen beginnt die Homothermie schon in 500 m mit 10.9° bis zum Boden in 1280 m (unter 12° 21' N., 122° 15' 0.). Noch wärmer ist die benachbarte S u 1 u s e e, wo die Challengerexpedition zweimal (27. Oktober 1874, 28. Januar 1875) gemessen hat: im ersten Falle nahm die Tenaperatur anfangs rasch ab von 28.3° auf 15.6° in 200 m, sodann langsamer, bis in 730 m 10.3° erreicht waren ; diese hohe Temperatur blieb so bis zum Boden in 4663 m ; auch im zweiten Falle wurde die homotherme Säule von 730 bis 4070 m nach- gewiesen. Die submarinen Schwellen, die von Nordborneo nach Palawan und über die Suluinseln zu den Philippinen führen, haben also nirgends eine tiefere Einsattelung als 730 m. Denn wie die Chinasee, so ist auch die nächst benachbarte Celebessee wieder besser für die Gewässer des Pazifischen Ozeans zugänglich. Auch hier haben wir drei Reihen der Challengerexpedition (20. und 22. Oktober 1874 und 8. Februar 1875); sie gleichen sich darin, daß eine sehr rasche Abnahme in den oberen Schich- ten hervortritt (von 80 m mit 26.6° bis 200 m auf 16.0° und 500 m auf 7.6°) ') A. Hamberg, Bihang tili. K. Sv. Vet. Ak. Handl. 1884, Bd. 9, Nr. 16; E. V. Drygalski, Grönlandexpedition 1897, Bd. 2, S. 534 f. 2) Die Messungen des Penguin aus dem Jahre 1891 ergaben sogar nur 2.3*^ bis 2.5"; List of Oceanic Depths for 1891, p. 10; Waterwitch maß 2.3° bis 2.6^ (List for 1902). Die Temperaturschichtung im Australasiatischen Mittelmeer. 457 und die Homothermie in zwei Fällen bei rund 1500 m mit 3.67° begann und bis zum Boden in 4755 m Tiefe hin, in einem Falle aber schon von 1280. m ab mit 3.9° bis 3932 m hinab herrschte. Die niedrigere Temperatur ist wohl die richtige i). Die großen Tiefen der Molukkensee von 4700 m nordwestlich von Obi hat die Challengerexpedition nicht an- gelötet, ebensowenig das kleine Becken der Halmaherasee (2039 m), die beide höchst wahrscheinlich auch homotherme Säulen in ihren Tiefen bergen, über die wir durch Siboga oder Planet hoffentlich Genaueres erfahren. Von der bis 6500 m tiefen Bandasee aber wissen wir sowohl seit den Arbeiten des Challenger wie der Gazelle'-^), daß von 1650 abwärts alles homotherm ist mit 3.3°. In den oberen Schichten sind die Tem- peraturen etwas höher als in den nördlicheren Becken. In -5° 24' S., 130° 37' 0. maß die Challengerexpedition am 28. September 1874: Tiefe 0 25 50 100 150 200 300 400 500 m Temp. 28.6° 27.6° 26.8<> 25.5° 20.8° 17.3° 11.7° 9.0° 8.5° Die Temperaturen der Gazelleexpedition an zwei Stationen (30. und 31. Mai 1 875) stimmen sehr gut hiermit überein . Ihre Messungen ergeben außerdem , daß auch die nördlich von Buru und Ceram gelegene Pittstraße dem Banda- becken mit einer homothermen Schicht von 3.3° angeschlossen ist. Dieser deutschen Expedition verdanken w4r aber auch die Enthüllung der Tat- sache, daß das kleine zwischen Timor und Sumba gelegene Becken der Sawusee^^) genau wie die Bandasee von 1650 abwärts bis zu 3758 m hin mit 3.3° homotherm ist, so daß die Ombaypassage bis zu 1650 m einen freien Austausch der Gewässer nach der Bandasee hin gestattet, aber nicht bei Sawu vorüber südwärts zum Indischen Ozean hin ; nach den Lotungen der Siboga ist hier die größte Satteltiefe nur 1480 m. Es ist das bedeutsam, denn die Sawusee schließt sich damit dem Bereiche der pazifischen Gewässer an, nicht denen des benachbarten Indischen Ozeans. Dieser scheint nach den Lotungen der Gazelleexpedition übrigens in den gleichen Niveaus etwas wärmer zu sein, als die Bandasee; in 11° 18' S., 120° 9' 0. fand die Gazelle die Temperatur von 11.7° erst in 365 m, die von 9° in 500 m. — Auch das schmale Floresbecken hat nach zwei Messungen der Egeria in 2437 und 5121 m eine homotherme Schicht von 3.7°, ist also gegen die Bandasee nur bis 1370 m aufgeschlossen^). — Es sind das alles für die Thermik der Mittelmeere sehr bezeichnende Anordnungen. Auch das Amerikanische Mittelmeer^) ist deraelben Homothermie unterworfen, und zwar ist es im ganzen und einheitlich für ^) Der britische Vermessungsdampfer Rambler fand in 1830 m sogar 4.1°; List of Oceanic Depths for 1890, p. 10, vergl. auch 1891, p. 10, wo vom Penguin in 4590 m 4.2° angegeben werden. 2) Die Messungen des Vermessungsdampfers Myrmidon reichten nur bis 1280 m. List of Oc. Depths for 1888, p. 4. 3) Vergl. meine Ausführungen in Zeitschr. für wiss. Geogr. 1882, S. 4 und Taf. 2. Begriff und Namen der Sawusee habe ich damals zuerst aufgestellt. G. V. Boguslawski und der Herausgeber des Werkes über die Gazelleexpedition haben ihn daraus übernommen. *) List Oc. Depths for 1890, p. 4. ^) Hauptquelle ist AL Agassi z, Three Cruises of the Blake, Cambridge 1888, Bd. l,p.217— 239. Lindenkohl in Petermanns Mi tt. 1896, S 25, bietet viel weniger. 458 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. seine drei Tiefenbecken, das Karibische, Yukatan- und Mexikanische Becken, ausgestattet mit einer Temperatur von 4.2° von 1700 m abwärts bis zu den größten Tiefen von 6289 m südlich von Gr. Cayman. Al.Agassiz, der mit Commodore J. R. Bartlett zusammen die Randschwellen zwischen den Kleinen und Großen Antillen untersucht hat, konnte feststellen, daß die Anegadastraße zwischen den Jungferninseln und Sombrero, oder noch genauer die von Portorico über St. Croix nach Saba verlaufende Schwelle das Haupttor für die eintretenden atlantischen Tiefengewässer vorstellt, während die Monapassage zwischen Portorico und Haiti nur 583 rn und der Windwärtskanal zwischen Haiti und Kuba nur 1284 m größte Satteltiefe darbieten und die Floridastraße an ihrem nördlichsten Ausgange zwischen Jupiter Inlet und Memory Rock (26^/4° N. B.) nicht über 803 m tief ist. Die Anordnung der Temperaturen zu beiden Seiten des die Kleinen Antillen tragenden Rückens in den darin eingesenkten Straßen scheint manches Unregelmäßige zu bieten, was erst bei künftiger genauerer Nachprüfung der amerikanischen Messungen aufzuklären sein wird. Im ganzen aber scheint hervorzutreten, daß sich im Südosten die dem Äquatorialstrom, bei den Großen Antillen aber die der warmen Sargassosee eigene Tem- peraturschichtung bemerkbar macht. Folgende zwei von AI. Agassiz entlehnte und durch graphische Interpolation umgeformte Reihen mögen diesen Unterschied verdeutlichen; die erste ist am 21. März 1879 nördlich von St. Vincent, die zweite am 11. Februar 1880 in der Windwärtspassage nahe an der Ostspitze von Kuba ausgeführt. Tiefe (m) 0 50 100 150 200 300 400 500 1000 1500 1950 St. Vincent . . Windwärtspass. 27.2« 24.7 22.4« 23.1 18.8° 22.7 15.9« 22.0 12.9« 18.8 10.6« 17.8 9.1" 14.8 8.0« 12.6 4.6« 5.6 4.3« 4.3 4.2« 4.2 Aus der breiten Ausdehnung der Schelfbänke von Jamaika nach Honduras hinüber folgt, daß mit dem herrschenden Meeresstrom wesent- lich die wärmeren Gewässer der nördlicheren Passagen in das Yukatan- becken eintreten und zwar durch den nördlich von Jamaika liegenden Jamaikakanal. Doch können auch Wassermassen aus den südöstlicheren Passagen von den Kleinen Antillen her durch das fast 1300 m tiefe Tor zwischen der Rosalinde- und Pedrobank bei 17« N. B., 79° W. L. in das Yukatanbecken gelangen. Von hier liegen jedoch keine Messungen vor, wohl aber aus dem Jamaikakanal, wo am 11. Mai 1879 die Schichtung war, wie folgt: Tiefe (m) 0 50 100 150 200 300 400 500 1000 1850 Temp. 27.8'^ 24.4« 25.2« 21.0« 18.9« 16.3« 13.9« 11.6« 5.2« 4.2« Wenn wir von den obersten hundert Metern absehen, wo sich die im Mai höher stehende Sonne bemerkbar macht, ist der Jamaikakanal etwas kühler als die Windwärtspassage. Weiterhin werden dann in der Yukatan- straße zwischen Kap Antonio und Catoche diese warmen Gewässer seitlich eingeengt und nach der Tiefe zusammengedrängt. Daher ist die Yukatan- straße im allgemeinen noch höher temperiert, als die Windwärtsstraße. Die Temperaturschichtung im Amerikanischen Mittebneer. 459 An einer der tiefsten Stellen der ersteren am 22. Mai 1878 fand Agassiz folgende Temperaturen: Tiefe (m) 0 50 100 150 200 300 400 500 1000 2203 Temp. 28.3° 26.5° 25.0° 23.0° 20.9° 14.8° 14.1° 9.2° 6.0° 4.2° Der Überschuß der Temperatur zwischen 50 und 200 m Tiefe ist deutlich; in den größeren Tiefen aber macht sich doch eine Zufuhr von Wasser aus dem Äquatorialstrom fühlbar. Im Golf von Mexiko zeigt sich ein beträchtlicher Unterschied der Temperaturen aus gleichen Tiefen, wenn wir den Nord- und Westteil mit dem Osten bei Kuba vergleichen: das letztere Gebiet ist erheblich intensiver durchwärmt^). Ich gebe im folgenden drei Temperaturreihen aus dem über 3400 m tiefen Teil des Mexikanischen Beckens, nahe bei 25° N. B., von denen die östlichste am 16., die mittlere am 11. Mai 1876, die westlichste am 10. Juni 1877 genommen sind. Tiefen (m) 0 j 50 100 150 200 300 400 500 1000 3400 85° W. 89° W. 95° W. 26.7° 24.2 1 26.1 1 25.5° 22.2 22.7 24.3° 20.5 19.1 23.0° 17.9 16.3 21.6° 16.1 14.2 19.5° 13.0 10.8 17.3° 10.2 8.6 14.8° 8.0 7.3 6.0° 4.4 4.5 4.4° 4.2 4.3 Hieraus ist ohne weiteres zu entnehmen, daß die Hauptmasse des warmen Wassers aus der Yukatanstraße gleich nach Osten umbiegt und nicht erst den Mexikanischen Golf umkreist. In diesem selbst machen sich örtliche Einwirkungen stark bemerkbar, die wegen der niedrigen Luft- temperaturen entlang den Küsten von Texas im Winter zu einer merk- lichen Auskühlung aller Schichten in mehr als 50 m führen. Daß der Floridastrom in dieser Weise bereits in seiner Wurzel stark einseitig er- wärmt auftritt, ist zu einem guten Teil wohl auch der Einwirkung der Erd- rotation zuzuschreiben, die seine Gewässer rechts gegen die Gestade Cubas und der Bahamabänke drängt. Es bleibt das so auch an der schmälsten Stelle der Floridastraße, in den Engen von Bemini, durch die Agassiz und Bartlett am 30. und 31. Mai 1878 das nachstehende, ebenfalls aus Fahrenheit und Faden in Zentigrade und Meter umgewandelte Profil gelegt haben (Fig. 65). Es erweist zugleich deutlich, daß hier von einer entgegengesetzt (nach Süden) gerichteten Einströmung kalten Wassers an der linken (Florida-) Seite kaum gesprochen werden darf, zumal auch in den größeren Tiefen die Temperaturen ebenso hoch sind wie in der Wurzel des Floridastroms nördlich von Cuba in 85 « W. L. und höher als im Mexikanischen Golf. Im Romanischen Mittelmeer sind die Strombewegungen für die Temperaturschichtung von untergeordneter Bedeutung, auch ist, wie wir früher bereits mehrfach betonen mußten, der einzige ozeanische Zugang zu seicht und zu eng, um Einwirkungen vom Atlantischen Ozean 0 Vergl. die Karte von Lindenkohl, Petermanns Mitt. 1896, Taf. 3 für das Niveau von 460 m. 460 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. her maßgebend werden zu lassen. Wir sahen überdies, daß entlang dem Boden der Schwelle vor der Gibraltarstraße der Strom nach außen zum Atlantischen Ozean hin gerichtet ist, was mit dem hohen Salzgehalt des die Tiefen des Mittelmeeres füllenden Wassers zusammenhängt (S. 339 und 429). Wir können demnach überhaupt keinen Zufluß atlantischen Wassers in der Tiefe erwarten und haben im Mittelmeer, wie das schon Aime richtig erkannt hat, im wesentlichen nur die örtlich gegebenen Wärmequellen zur Deutung der Temperaturschichtung heranzuziehen. Es war uns dies bei früherer Gelegenheit schon besonders wertvoll, als wir KapFbrlddL '^^//////////////y' Temperaturschichtung in der Floridastraße (nach AI. Agassiz). vom Eindringen der Wärme in der täglichen und jährlichen Periode zu handeln hatten (S. 389 und 417). Das damals gegebene Material muß nun hier nach anderen Gesichtspunkten vervollständigt werden. — Die Wärme- schichtung im westlichsten Teil des Balearenbeckens zeigt noch Einwir- kungen von der Gibraltarstraße her. Durch diese strömt an der Ober- fläche das leichtere atlantische Wasser ostwärts ein; es wird durch die vorherrschenden Nordwestwinde sowohl wie durch die Erdrotation nach rechts, also an die afrikanische Küste gedrängt und ist überdies von relativ niedriger Temperatur, da an der marokkanischen Küste bei Tanger und Kap Spartel aufquellendes Tiefenwasser kältere Schichten an die Ober- fläche führt. Da hiervon bei späterer Gelegenheit ausführlicher zu han- deln sein wird, mag der Hinweis genügen, daß es sich auch hier um di- vergente Zerrungen handelt, die durch den Kanarienstrom und die Passat- trift einerseits nach SW, den Oberflächenstrom ins Mittelmeer anderseits nach 0. hervorgebracht werden. Die Schichtung im einzelnen hat W. B. Car- penter auf zwei Fahrten im August 1870 und 1871 untersucht i) und auf die mächtige homotherme Schicht bereits aufmerksam gemacht, offenbar ohne von Aimes früheren Beobachtungen Kenntnis zu besitzen. Im westlichsten Teil zwischen Gibraltar und Alboran fand er sie mit 12.8® ') Proc. R. Soc. London 1870/71, Bd. 19, p. 170 f., 1871/72, Bd. 20, p. 579 f. Die Temperaturschichtung im Romanischen Mittelmeer. 461 etwa von 200 m abwärts bis 1072 m, weiter östlich dicht an der algeriner Küste (der Kleinen Kabylie) mit ebenfalls 12.8° von etwa 250 m an bis 2663 m; dagegen war an der gegenüberliegenden spanischen Küste süd- westlich von Cartagena diese Schicht mit nur 12.6° bereits in 120 m Tiefe erreicht, wie aus folgender Übersicht hervorgeht. N. B. Länge 0 20 40 60 80 100 120 140 180 Bod. in m 36° 0' 4°40'W. 35° 59' 5° 55' 0. 37° 25' 1°10'W. 23.6° 25.0 i20.8 20.4° 21.1 14.9 18.2° 16.0 14.0 16.9° 15.3 13.5 15.9° 14.0 13.1 15.1° 13.6 12.8 14.6° 13.4 12.6 13.9° 13.3 12.6 12.9° 13.1 12.6 12.8° 1072 12.8 2663 12.6 1545 Hieraus ist nicht nur zu entnehmen, daß das algeriner Küstenwasser (Reihe 2) in allen Tiefen etwas kühler ist, als das mehr offen gelegene Gebiet östlich von Gibraltar (Reihe 1), sondern daß an der spanischen Küste die Auskühlung allgemein größer ist als an der algeriner. Man wird nicht fehlgehen, wenn man hierin wiederum Folgen einer vertikalen Zirkulation erblickt, indem die von der spanischen Küste wehenden nörd- lichen Winde in ihrem Rücken ein Aufquellen des Tiefenwassers hervor- bringen. Für die jahreszeitlichen Änderungen der Schichtung sind neben den bereits erwähnten Beobachtungen Aimes zwei Stationen Makaroffs von einiger Bedeutung, da er sie im Anfang Mai 1889 ausführte; leider fehlen eigentliche Winterbeobachtungen noch ganz. Makaroff erhielt an der algeriner Küste und beim Kap de Gata : N. B. Länge 0 25 50 100 150 200 400 m 36° 54' 1° 28' 0. 36° 23' 2° 29' W. 1 15.7° 1 15.9 14.7° 14.0 14.5° 13.2 13.9° 12.9 13.4° 12.9 12.9° 12.9 13.0° 12.9 Hier ist die beginnende sommerliche Erwärmung auf der spanischen Seite kaum bis 100 m, an der algeriner aber bis zur doppelten Tiefe vorgedrungen, worin ebenfalls Windstauwirkung erkennbar wird. — Gleichfalls aus dem Frühling (15. April 1902) rührt eine Temperaturreihe südlich von Monaco her, die Thoulet^) kürzlich veröffentlicht hat: N. B. 0. L. 0 285 485 685 885 1085 1285 1485 43° 36' 7°39' 14.8° 13.2° 13^^1° 13.1° 12.8° 13.0° 13.0° 12.9° Reichhaltiger sind die Beobachtungen aus dem Golf von Neapel, die E. Semmola mit Kippthermometer im Juni und August* 1879, sowie im Januar und Februar 1880 ausgeführt hat 2), wenn auch die meisten in nächster Nähe des Landes. Mehr in der Mitte des Golfs erhielt er nach- stehende Reihen. *) Resultats des Camp, scientif. du Prince de Monaco fasc. 29, Monaco 1905, p. 82. ') Zeitschr. österr. Ges. für Metcorol. Bd. 17, Wien 1882, S. 251 f. 462 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Datum 0 10 20 30 40 50 60 70 80 100 120 180 11. Juni 23.2« 18.4« 16.7« 15.8« 16.0« 15.4« 15.3« 15.2« 14.8« 14.2« 14.0« 14.0« 28. Aug. 26.7 23.6 21.4 19.1 18.6 17.6 16.4 15.9 15.1 14.3 14.1 14.0 3. Feb. 13.3 13.2 13.2 — — 13.2 — — — 13.2 . — 13.2 Die im Winter gebildete Homothermie tritt hier sehr deutlich hervor; sie ist mit 13.2° im Tyrrhenischen Becken um 0.4° höher, als gewöhnlich im Balearischen ; doch ist nicht zu bezweifeln, daß die homo thermische Temperatur nicht in allen Jahren gleich, sondern von den kältesten Ober- flächentemperaturen des Winters bestimmt werden wird, und zwar kommen dabei die landfernsten Teile der Becken in Betracht, wo die Wassersäule auch angenähert homohalin ist. So ist denn auch im Orientalischen Becken diese Temperatur im Westen niedriger, als im Osten. Nach den hierin gut übereinstimmenden Messungen Carpenters und der Polaexpedi- tion ist sie für das Ionische Meer auf 13.5°, für das Syrtenmeer auf 13.3°, das Gebiet zwischen Kreta und der Marmarika auf 13.6° bis 13.7°, südwärts von Cypern aber auf 13.7° anzunehmen. Die homotherme Säule beginnt im Hochsommer zwischen 600 und 700 m, doch sind nicht alle Stationen ge- nauer daraufhin untersucht, einige zeigen noch bei 1000 m 13.8° bis 13.9°. Im einzelnen zeigen die oberen Schichten einige regionale Keik:.'ale, die wiederum auf gewisse Stau- und Auf trieb Wirkungen durch die im Soir.mer vorherrschenden und oft sehr starken nördlichen Winde (Etesien) hinzuweisen scheinen^). Faßt man die Beobachtungen der Polaexpedition zu Gruppen 1. Ionisches Meer g egen das Meer nördlich von B< arka. Mittl. Breite Länge 0 30 50 70 100 m 37«— 37'/2« N. 32V2«— 34« N. 17«>_.20« 0. 20«— 22« 0. i 25.0« 26.2 21.9« 24.4 18.3« 19.4 16.2« 17.1 15.4« 15.9 2. Südlich vom Pelop onnes g egen Marmarica und Ni Idelta. Mittl. Breite Länge 0 30 50 70 100 m 35«— 36« N. 32« N. 32« N. 22« 0. 26—29« 0. 29—32« 0. 25.7« 26.1 26.8 20.1« 24.8 25.4 16.6« 21.0 21.5 15.6« 18.7 19.5 15.2« 16.6 17.8 3. Südlich von K reta ge gen die Syrisc tie Bucht. Mittl. Breite Länge 0 30 50 70 100 m 34« N. 33—34« N. 32—33« N. 25—31« 0. 32-34V2« 0 33—37« 0. 24.6« 27.8 28.1 20.7« 25.5 26.4 17.4« 20.4 22.3 16.3« 18.6 20.2 15.3« 17.5 17.8 Für die Winde vergl, Beilage zu Heft 9 der Ann. der Hydrogr. 1905. Die Temperaturschichtung im Romanischen Mittehneer. 463 zusammen, so zeigt sich jedesmal nach Süden hin eine merkliche Zunahme der Temperatur in gleichen Niveaus, und zwar ist sie in den Tiefen von 30 und 50 m größer als an der Oberfläche, so daß also nicht bloß die ab- nehmende geographische Breite dafür verantwortlich ist, sondern der Wind- stau. Die beiden von Carpenter im Orientalisehen Becken ausgeführten Stationen (August 1871) lassen diese Stauwirkung ebenfalls erkennen; doch erwecken die reichlich hohen Temperaturen der östlicheren Station einiges Mißtrauen, da die zahlreichen Beobachtungen der Österreicher in derselben Gegend und Jahreszeit doch merklich niedriger ausfallen: N. B. 0. L. 0 30 1 50 70 100 200 m 35« 54' 32« 17' 16« 23' 1 26« 44' 26.7« 26.1 23.0« ! 24.4 ' 20.0« 24.3 17.5« 21.0 15.8« 19.0 14.2« 15.1 Die Syrische Bucht südlich von Cypern nach dem Nordrande der Sinai- halbinsel hin besitzt die intensivste sommerliche Durchwärmuug im ganzen Mittelmeerbecken (Tabelle 3, Zeile 3), da die Nordwestwinde alles warme Oberflächenwasser in diesen Winkel hineinfegen und aufstauen. Gegen das offene Meer südlich vom Peloponnes gehalten ist hier der Überschuß der Tem- peraturen in allen Tiefen größer als an der Oberfläche : an der Oberfl. in 30 m in 50 m in 70 m in 100 m 2.4« 6.3^ 5.7^ 4.6« 2.6« Eine besondere Betrachtung erfordern die drei nordwärts gerichteten Abgliederungen des Mittelmeeres, das Adriatische, Ägäische und Schwarze Meer. Das Adriatische Meer ist vornehmlich durch ältere Beob- achtungen (1874 — 77 und 1880) von Jos. Luksch und Jul. Wolf wenigstens für den Sommerzustand erforscht worden i). Hier sind die vorherrschenden, an der Ostseite nach N, an der italienischen nach S gerichteten Strö- mungen wieder maßgebend für die Erwärmung der oberen Schichten, aber auch lokale aufsteigende Bewegungen, die, veranlaßt durch unter- seeische, aber kühle Süßwasserquellen, im Bereiche der dalmatinischen Inseln recht häufig zu sein scheinen. So ist im allgemeinen die Tem- peratur in derselben Tiefe an der italienischen Seite etwas höher, als an der dalmatinischen, außerdem aber, wie nicht anders zu erwarten, nach Süden hin höher, als im Norden. Die (auf der folgenden Seite stehende) Tabelle gibt für fünf Stationen die zugehörigen Temperaturen; die erste liegt westwärts von der Insel Scarda, die zweite auf der Linie Ragusa- Gargano, die dritte über der großen Tiefe zwischen Cattaro und Brindisi, die vierte etwas südlich von der Straße von Otrantx), die vierte bereits im Ionischen Meer westlich von Zante (zum Vergleich). Die sommerliche Erwärmung erfaßt hiernach wesentlich nur die Schichten bis 60 m Tiefe in kräftiger Weise. Die Auskühlung der dalmatinischen Küstengewässer kommt wesentlich in der ersten Station zur Geltung; ') Mitt. a. d. Gebiete des Seewesens, Wien 1881, Heft 8 und 9; 1887 (hier übersichtl. Zusammenfassimg auch älterer Beobachtungen von Ritter v. Lorentz und V. Hopfgartner). 464 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. N.B. O.L. 10 20 30 40 50 60 70 100 120 140 160 m 44« 12' 14° 29' 23.4° 19.7° 15.9° • 14.5° 13.6° 13.1° 42° 15' 17° 1' 24.4 — 16.2 15.4 15.0 14.7 14.6° 14.4° 14 2° 14.1° 14.0° 41° 8' 18° 17' 25.2 20.2 16.7 15.6 15.2 — 14.7 14.4 14.2 14.1 13.9 39» 51' 19° 0' 25.8 25.1 — 19.2 16.4 15.5 15.1 14.4 14.1 14.1 14.1 37° 27' 19° 56' 24.5 24.0 — 21.6 18.7 17.5 16.7 15.6 15.3 14.9 14.7 im Jahre 1875 beobachteten aber Luksch und Wolf in verschiedenen Fällen noch kältere Bodenschichten; so 2 Seemeilen von Zengg entfernt am 28. August: Tiefen (m) 0 9,5 19 38 57 66,5 74 Temp. 22.2° 18.1° 16.0° 12.3° 10.2° 9.8° 9.7° Die winterliche Abkühlung wird in den nördlichen Randgebieten durch die geringen Salzgehalte der obersten Schicht nicht im vollen Betrage in die Tiefen weitergegeben, so daß dann eine katotherme Anordnung auftreten kann. So beispielsweise am 30. Januar 1877 im Quarnero: Tiefen (m) 0 1.9 9.5 19 28.5 40 47.5 Temp. 10.7° 10.7° 11.0° 11.1° 11.1° 11.7« 12.3° Nach den (nicht sehr ausgedehnten) Beobachtungen auf der Reede von Fiume tritt dort das Maximum der Temperatur an der Oberfläche in der ersten Hälfte des August, in 23 m Tiefe in der zweiten Hälfte des August, am Boden in 44 m erst im Oktober ein. Die Minima fallen für die Oberfläche und 23 m auf Monat März, am Boden auf April; also auch hier ein ausgeprägter Phasenverzug. Für mehrere Stationen im Quarnero haben Luksch und Wolf durch sorgfältige Messungen und graphische Interpolation auch die mittlere Temperatur der ganzen Wassersäule be- rechnet ; für eine Station zwischen Cherso und Fiume ergaben sich danach folgende Werte (von der Oberfläche bis 66.5 m Tiefe): 15. Aug. 1875 15.1° 27. Jan. 1876 9.5° 18. Febr. 1876 9.5° 24. Mai 1876 12.5° 14. Okt. 1876 16.4° Hiernach war daselbst die Wassersäule im Oktober wärmer als im August. Die Bodentemperaturen sind im nördlichen seichten Teil allgemein in der Mitte niedriger, als näher an den Küsten auch in gleichen Meeres tiefen. Südwestlich von Istrien liegen sie (im Sommer) zwischen 14^ und 17^, sinken aber zwischen 14° und 15° 0. L. auf dem Streifen Fiume- Vasto etwas unter 13°, erheben sich auf der Schwelle von Cazza nach Pelagosa und Pianosa auf 13.5° bis 14.0°, sinken dann aber in dem tiefen Becken (bis 1645 m) zwischen Brindisi und Cattaro auf 12.8°; Hopfgartner fand im Winter 1878 näher nach Ragusa hia sogar eine katotherme Anordnung: Tiefen (m) 500 550 650 700 775 850 930 1075 1230 Temp. (C°) 11.7 11.6 117 12.0 12.1 12.0 12.1 12.2 12.3 Wahrscheinlich bestand hier ein Zusammenhang mit der gleichzeitig vor- handenen, nicht näher angegebenen Salzgehaltsschichtung. Die Temperaturschichtung im Romanischen Mittehueer. 465 Das Ägäische Meer mit seiner reichen Gliederung in melirere kleine Becken und Mulden, die durch zum Teil noch nicht 200 m tiefe Schelfe und Rücken geschieden sind, wird in seinen homothermen Schichten örtliche Unterschiede aufweisen müssen. Auch hier haben wir, abgesehen von ein paar Stationen Makaroffs aus dem März 1889 (vergl. schon oben S. 418) wieder sehr zahlreiche Beobachtungen der österreichischen Gelehrten an Bord der Pola aus dem Hochsommer 1893, einige im Südgebiet auch aus dem September 1891. Leider sind die Messungen nicht häufig genug in der Absicht ausgeführt, den Beginn der homothermen Säule festzustellen : im allgemeinen haben wir es aber auch hier mit dem Niveau von 500 bis 600 m zu tun. In der Kretensischen Doppelmulde ist die Temperatur dann 13.9°, westlich von den Cykkden war sie 1891 bei 13.5'^ und 13.6° abwärts von 540 m, 1893 aber 14.2 ^ in 580 m, und bei Kap Malia 13.8^ In der Mulde nördlich von Euböa aber sind schon von 300 m abwärts 13.6°, ebenso im Samosbecken, doch kömmt hier einmal in 762 m nur 13.4° zur Aufzeichnung. Während südlich von Mytilini bei 350 m 14.1° erwähnt werden, sind nördlich davon in 371 m nur 13.8° gemessen. In der langgestreckten Nordsporadenmulde sind südlich von der Chalkidike 12.8°, bei Samothraki nur 12.7° in Tiefen von mehr als 800 m vermerkt, bei 600 m zweimal noch 12.9°. Diese Differenzen beruhen ersichtlich in der Hauptsache auf örtlicher Winterauskühlung, die hier durch die verhältnismäßig salzarme Deckschicht jedoch erschwert wird. In den höheren Schichten sind ebenfalls örtliche Verschiedenheiten er- kennbar, für die eine Aufklärung zur Zeit nur in wenigen Fällen ausfindig zu machen sein dürfte: ein so reich gegliedertes Meer verlangt viel häufigere Be- obachtungen auch in den anderen Jahreszeiten, als im August und September. Ich habe wieder einige Mittelwerte aus 3 oder 4 benachbarten Stationen der Pola gebildet, die jene örtliche Differenzierung verdeutüchen. örtlichkeiten Ö 20 30 50 100 1. Zwischen K. MaKa und ^eriphos 2. Über der Kretensischen Mulde . . 3. Zwischen Rhodos und Amorgos , . 4. Zwischen Nisyros und Symi . . . 23.5° 25.6 23.3 24.0 22.7'^ 23.4 21.8 21.6 22.0» 20.2 19.4 20.8 19.8° 17.6 17.5 18.4 15.6« 15.4 15.8 16.9 Von dieser südlichen Gruppe ist die zweite Anfang August 1891, die andere Ende August 1893, die erste sogar Ende September 1893 beobachtet, woraus sich die Oberflächentemperaturen erklären. Die vierte, vor dem Golf von Doris, am meisten land umschlossen, zeigt eine intensivere Durchwärmung bis 100 m hin, als in der Kretensischen Mulde und bei Rhodos der Fall war. örtUchkeiten " 20 30 50 100 5. NordöstUch von Euböa 6. Im Samosbecken , 7. Südlich von Mytilini 8. Zwischen Mytilini und Lemnos . . Erümmel, Ozeanographie. I. 21.3° 22.7 24.2 23.0 21.1° 21.6 18.3 18.2 20.1» 18.7 17.3 17.2 16.4° 17.4 16.5 16.3 30 14.9<' 16.3 15.8 15.7 466 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. In der mittleren Gruppe (Nr. 5 bis 8) ist das Samosbecken am besten durchwärmt, das euböische am wenigsten. örtlichkeiten 0 20 30 50 100 9. Südlich von Chalkidike 10. Zwischen Samothraki und Lemnos . 24.7<> 22.0 20.6° 21.6 17.8° 20.9 15.5« 16.9 13.8» 14.8 Daß in den Schichten zwischen 20 und 100 m der südwestliche Teil dieser Nordsporadenmulde kühler ist als der nordöstliche, darf gewiß auffallen, und eine Erklärung ist schwierig. Der Träger dieser niedrigen Temperaturen ist Wasser mit einem Salzgehalt von 38.5 Promille, und dieses kommt an der kleinasiatischen Küste bei Lemnos und Mytilini an der Oberfläche vor; dort wird es wohl im Winter auf 14^ und weniger abgekühlt. Die herrschende Meeresströmung führt es nach Norden, wo alsbald das leichte, aus den Dar- danellen abströmende Wasser es überdeckt. Dieses Dardanellenwasser ist in allen Jahreszeiten kälter, als das ägäische und wird daher bei der Durchmischung mit dem von der kleinasiatischen Küste gekommenen Wasser dessen Temperatur zunächst erniedrigen. Daß nun der Hauptabfluß des Dardanellenstroms süd- wärts von Lemnos vorüber nach Westen und Südwesten führt, wird diese ver- mutete Abkühlung gerade vor der Halbinsel Chalkidike ziemlich stark wirk- sam werden lassen. Wenn wir Beobachtungen aus dem Winter und Frühling besäßen, brauchten wir uns nicht mit derartigen, immerhin gewagten Hypo- thesen zu behelfen. Das Gebiet vor den Dardanellen und in diesen selbst hatte nach den Arbeiten der österreichischen Expedition folgende Temperaturen. Örtlichkeiten 0 20 30 50 m Bemerkung 11. Vor den Dardanellen 12. In denselben (Sara Siglar-Bai) . . 22. P 22.0 19.9« 16.5 17.2" (16.4) 16.40 Boden in 50 m Boden in 29 m Auch hier ist nicht zu vergessen, daß an der erst genannten Stelle dicht am Boden, an der zweiten ebenfalls von 25 m abwärts das starksalzige ägäische Wasser (mit 38 ^/s bis 39 Promille) dem Oberflächenstrom entgegengesetzt in das Marmormeer hineinströmt. Im Marmormeer selbst berichtet Spindler i) von einer homo- thermen (und zugleich homohalinen) Tiefenschicht, die in einer wechselnden Tiefe von 220 bis 350 m beginnend mit 14.2 Vbis zum Boden auch der tief- sten Stelle (1403 m) herrscht: also Winterwasser aus dem Ägäischen Meer. Die Oberschicht zerfällt in drei Stufen. An der Oberfläche bis etwa lim liegt eine homotherme (und homohaline) Deckschicht, die im September 1894 19.6 "^ hatte; darunter nahm die Temperatur rasch ab auf IS'^ in 18 m, 17*^ in 27 m, 16° in 50 m, und von da an wieder langsamer auf 14.2° in 220 bis 350 m ab. Natterer 2), der im Mai 1894 einige nicht überall gelungene Untersuchungen ausführte, fand über der östlichen großen Tiefe von der *) MateriaUen zur Hydrologie des Marmormeers, St. Petersburg 1896. 2) Denkschr. k. k. Akad. d. Wiss. Wien 1895, Bd. 62, S. 103. Die Temperaturschichtung im Schwarzen Meer. 457 Oberfläche mit 12.6^ zunächst eine Zunahme auf 13.4^ in 10 m, sodann sciion von 30 m abwärts 14.1^ bis 14.2*^. In der Nähe der Küsten waren die Oberflächentemperaturen schon auf 20 1/2 ^ bis 21 ^ gestiegen. Am Südausgange des Bosporus dicht bei Konstantinopel maß Spindler am 2. Oktober 1894: Tiefen (m) 0 5 10 15 20 25 30 33 Temp. (C«) 19.7 19.4 19.4 19.0 17.5 17.3 16.7 16.6 Die Tiefe des starken Temperatursprungs (18 bis 20 m) gab auch die Grenze für die obere Strömung des schwachsalzigen pontischen Wassers gegen die entgegengesetzte 35 bis 37 Promille Salz führende untere Strömung in das Schwarze Meer hinein. Das Schwarze Meer ist durch J. W. Spindler und F. v. Wrangell ^) auf drei Fahrten im Juli 1890, Mai und Juni 1891 und August 1891 genauer erforscht worden; einzelne Ergänzungen von anderer Seite sind noch im Jahre 1899 dazu gekommen 2). Wir ersehen daraus, daß in der warmen Jahreszeit eine ausgesprochen dichotherme Schichtung obwaltet. Die Lage der Minimalteniperatur und deren thermometrische Höhe sind nicht überall gleich. Es scheint jedoch, als wenn im Mittel die Tiefeniage auf etwa 65 m, die Temperatur auf 6.5° anzunehmen, und dabei die senkrechte Entwicklung (die Mächtigkeit) der Minimalschicht über der Mitte des Tiefenbeckens geringer wäre, als näher nach den Randgebieten hin. Nach- stehende Temperaturreihen sind hierfür typisch; sie beziehen sich auf die Stationen 65 in 44« 37' N., 32« 59' 0., 44 in 43« 6' N., 32« 51' 0., 114 in 42« 7' N., 33« ir 0. (südwärts von der Krimhalbinsel). Station 0 10 20 30 40 50 60 70 80 100 Boden in m 65 16.6<> 16.P 11. 8*^ 10.7'^ 9.7^ 8.4^ 7.30 6.5» 6.4° 6.7'' 8.3° 131 44 17.2 13.9 11.5 9.5 7.8 7.4 7.8 8.1 8.3 8.5 9.1 2012 114 22.8 20.4 12.9 9.7 8.5 7.3 6.5 6.5 6.8 6.9 8.9 366 Die Unterschiede in der Öberflächentemperatur sind leicht verständUch, da die dritte Station Ende August, die anderen beiden Anfang Juni aus- geführt wurden. Wir finden die Minimaltemperaturen (bei genauerer graphischer Darstellung) bei der mittelsten Station schon in 45 m mit 7.3«, bei der nördlichsten aber erst in 75 m mit 6.3«, bei der südlichen in 65 m mit 6.2«. Die Mächtigkeit der Minimalschicht zwischen den beiden Isothermflächen von 8« umfaßt bei der mittleren Station die Tiefen zwischen 40 und 65 m, bei der nördlichen aber von 52 bis 120, bei der südlichen von 45 bis 1 50 m . So ist auch im Osten des Pontischen Beckens die Mächtig- keit dieser Schicht besonders groß, zwischen 45 und 170 m, im Westen aber liegt sie nur zwischen 40 und 110 m: eine Gesamtanordnung, die mit dem später zu beschreibenden zyklonalen Stromsystem in Zusammenhang gebracht werden wird. Im Jahre 1899 sind aus den oberen Schichten bis 100 m hinab für vier verschiedene Stellen des Schwarzen Meeres an 7 Tagen ^) Materialien zur Hydrologie des Schwarzen und Äsowschen Meeres. Beilage zu den Sapiski po Hidrografii Bd. 20, St. Petersburg 1899. 2) Sapiski etc. Bd. 21. 1899, p. 225. 468 I^iß räumliche Verteilung der Temperaturen, Beobaclitungen in den Monaten April, September, November und Dezember beigebracht. Ich ordne sie nacb den zusammengehörigen Positionen, soweit sie einen Einblick in die jahreszeitliche Änderung der Temperaturen gestatten, und unterlasse absichtlich jede graphische Interpolation der Beobachtungen, An einem Orte südlich von der Krim in 44^ 9' N., 34° 9' 0. erhielt man folgende Temperaturen, Datum 0 9 18 27 37 46 55 64 91 183 366 m 16. April 9,20 8.70 8.8'' 8.30 8.30 8.30 8.0» 7.80 8.30 8.60 9.00 17, Sept. 21.5 21.2 21.0 15.0 9.2 8.2 8.2 7.5 8.8 8.8 $.8 Die Durchwärmung vom Frühüng bis zum Herbst von der Oberfläche bis 46 m Tiefe ist deutlich, die Veränderung der unteren Schichten gering. — Westlich von der Krim sind drei Serien ausgeführt in 44*^ 50' N., 33° 0' 0. (nur bis 91 m Tiefe). Datum 0 9 18 27 37 46 55 64 91m 16. April 9.00 9.00 9.60 . 8.20 8.80 8.00 7,90 7.80 7.80 20. Sept. 20.4 20.2 20.2 20.2 10.2 8.5 8.0 7.5 7.8 13. Dez. 9.5 9.5 9.5 9.5 9.5 9,5 9.5 9.5 9.3 Die gemeldete völlige Homothermie für den Dezember erscheint sehr auffallend und sogar mit den Befunden in den anderen Monaten in ge- wissem Widerspruch, da die Schicht minimaler Temperatur ganz ver- schwunden ist; diese Beobachtungsreihe ist daher bis auf weiteres zu beanstanden. Auch das Verhalten der Schichten in 64 m (im April höhere Temperatur als im Herbst, auch im Sommer) ist bemerkenswert und nicht recht verständlich, zumal gleichzeitige Angaben für den Salzgehalt ganz fehlen. Endlich ist noch eine Reihe aus dem November für einen Punkt nordöstlich von Sinope (42° 25' N., 35° 34' 0.) bemerkenswert: Datum 0 9 18 27 37 46 55 64 91 183 366 m 22. Nov. 13.60 13.60 13.00 8.00 7.7° 7.30 7.30 7.50 8.00 8.70 9.00 Hier finden wir typische Dichothermie mit einem Minimum bei 50 m, wodurch um so unwahrscheinlicher wird, daß ein solches vier Wochen später westlich von der Krim ganz geschwunden sein soll. — Abwärts von 70. m beginnen die stärker salzhaltigen Schichten mit einer Temperatur von über 8° bis zuletzt 9.0° unterhalb von 400 m bis zum Boden in 2200 m. — Das Asowsche Meer war, als Spindler und Wrangeil es im Juni 1890 untersuchten, recht warm, indem an der Oberfläche Temperaturen von 24.2° bis 28.0°, am Boden in 8—13 m von 20.1° bis 25.4° beobachtet wurden. Unter den kleineren Mittelmeeren steht durch die Fülle der vorliegenden Beobachtungen die 0 s t s e e voran ; für ihre Erforschung ist insbesondere die letzte Zeit mit ihren international organisierten Arbeiten bedeutsam geworden. Wir haben aus diesem Grunde bereits mehrfach schon im vorigen besonders typische Vorgänge und Zustände, wie das Vordringen der periodischen und unperiodischen Temperaturschwankungen, die Sprung- schicht, und auch die unregelmäßige, schubweise erfolgende Erneuerung Die Temperaturschichtung der Ostsee. 409 der Tiefenschichten aus dem Kattegat und der Nordsee her zu erwähnen gehabt. Indem wir uns vorbehalten, bei Darstellung der Strömungen oder Wasserumsetzungen auf einiges zurückzukommen, sei hier nur ver- sucht, ein allgemeines Bild von der Thermik der Ostsee in den vier Monaten der Terminfahrten in Kürze zu entwerfen^). Im F e b r u a r ist das Grebiet der offenen Ostsee zwischen Bornholm und den Finnischen Schären in seinen nördlichen Teilen oft von Treibeis bedeckt. Im Süden, insbesondere in der Danziger Mulde erstreckt sich die charakteristi- sche hom-ohaline Deckschicht in einer Mächtigkeit von 40 bis 60 m ziemlich gleichmäßig ausgekühlt unter der Oberfläche, mit Temperaturen, die je nach der Strenge des Winters zwischen 1.6° und 2.8° liegen. Zu beachten ist hierbei das Verhalten des Diclitigkeitsmaximums des schwachsalzigen Ostseewassers. Wie die Tabelle auf S. 235 ergibt, liegt für 7\/2 Promille das Dichtigkeits- maximum bei 2.4°; niedrigere Temperaturen bleiben also an der Oberfläche, da bei weiterer Abkühlung eine Konvektion nach der Tiefe hin aufhört. Der Grefrierpunkt für solches Wasser liegt bei — 0.4°. Normal wäre also in solchem Falle eine katotherme Lagerung der Wasserschichten; wenn angenäherte oder vollständige Homothermie in der Deckschicht auftritt, so beruht sie auf einer mechanischen Durchmengung infolge des Seegangs. Nach größeren Tiefen hin nimmt die Temperatur zu auf 4° und mehr; am Boden der Danziger Mulde scheinen sogar im Februar höhere Temperaturen nicht selten zu sein, als in den übrigen Jahreszeiten, wie aus den letzten allein vollständigen Beobachtungsreihen der deutschen Terminfahrten zu entnehmen, die folgende kleine Tabelle enthält: Bodentemperaturen in Stat, 12, Danziger Bucht, 105 m. Februar Mai August Noveml 1904 . . 4.02° 4.28° 3.82° 5.59° 1905 . . . . 5.68° 4.80° 4.90° 4.88° 1906 . . . . 5.42° 4.72° 4.39° 4.32° 1907 . , . . 5.88° ^~ — — Freilich sind die Verschiebungen des Bodenwassers sehr unregelmäßig, wie bereits früher dargelegt (s. S. 301), so daß von einem Phasenverzug hier besser nicht gesprochen wird. — Im Finnischen Golf, dessen östlicher Haupt- teil unter einer Eisdecke verhüllt liegt, haben wir südlich von Helsingfors einige Beobachtungen (März 1904), die mit ihrer Anordnung von 0.18° an der Ober- fläche, — 0.28° in 30 m und 0.0° am Boden in 37.5 m schwach dichotherm heißen könnte. Im tieferen Wasser aber herrschte Katothermie mit -f 1.35° an der Oberfläche und 4.76° in 91 m am Boden. Nach dem im Februar eben- falls zugefrorenen Bottnischen Golf hin liegen, der Aufopferung finnischer Gelehrten zu dankende Beobachtungen aus dem Älandstief vor: hier war unter anderem im Februar 1903 eine oberste Schicht mit— 0.2° bis 20 m angeordnet, darunter erfolgte Zunahme bis 3.07° in 273 m. — Winterliche Katothermie ist auch westwärts maßgebend, wenn auch bisweilen nur schwach ausgeprägt im ilügenschen Becken, dafür meist sehr entschieden in der Beltsee; hier aber auch gelegentlich durch Winterstürme der Homothermie angenähert (so im Fehmarnbelt am 1. Februar 1905, wo sich an der Oberfläche 1.14°, aber ^) Die Einzelheiten sind in den Bulletins des Resultats acquis pendant las courses periodiques des Zentralbureaus in Kopenhagen (seit 1902 erscheinend) nachzusehen. 470 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. von 5 bis 30 m 1,06° fanden). Im Großen Belt ist der Tiefenstrom meist um einige Grad (2^ — 5°) wärmer, als die Oberschicht (1 — 3°). Dasselbe gilt von dem seichteren Westen wie vom tieferen Osten und Norden des Kattegats. Im M a i beginnt eine allgemeine Anwärmung der Oberfläche, und ent- steht als allgemeiner Typus im tiefen Wasser eine mäßige Dichothermie. So waren im Gotlandtief im Mai 1905 von der Oberfläche bis 25 m 5.4°, in 60 m 2.3°, am Boden in 235 m 4.5°. Nach der Danziger Bucht hin war gleich- zeitig an der Oberfläche die Temperatur 5.79°, nahm ziemlich stetig ab bis 40 m, wo die winterlich homotherme Schicht mit 2.66° erreicht war und bis 65 m hin herrschte; in den größeren Tiefen nahmen Temperatur (und Salz- gehalt) entschieden zu. Am Eingange zum Finnischen Golf war in demselben typischen Jahr bei ungefähr gleicher Oberflächentempera tür (5.44°) ständige Abnahme bis 60 m auf 1.77°, dann wieder langsame Zunahme auf 4.22° in 155 m. Im seichteren östlichen Ende des Finnischen Golfs ist eine anotherme Schich- tung die Regel, wobei die niedrig temperierten Winterwasser den Boden mit 0.1° bis L8° bedecken; vereinzelt ist auch Dichothermie (Mai 1905) beobachtet. Diese herrscht auch im größten Teil des Bottnischen Golfs, wobei die Tem- peraturen nach Norden hin im tiefen Wasser allgemein niedriger werden, während sich die seichteren Straßen und Küsten schon anwärmen. So fand sich im Mai 1904 über dem Älandstief an der Oberfläche 3.16°, in 75 m das Minimum mit 1.47°, dann wieder Zunahme zum Boden bis 2.76° in 250 m. Über der tiefsten Stelle der Bottensee (62° 47' N., 19° 1' 0.) war in der Nähe eines großen Eisfelds am 19. Mai 1904 die Oberfläche auf 0.37° abgekühlt, zeigte sich eine Minimalschicht mit — 0.1° in 35 m und weiterhin Zunahme auf 2.84° am Boden in 175 m. In Nordquarken aber (6.3° 30.5' N., 20° 55' 0.) waren an der Oberfläche schon 2.70°, in 10 m sogar 3.38°, am Boden in 28 m 1.63°; dagegen in der Bottnischen Wik,(64° 58' N., 22° 55' 0.) von der Oberfläche bis 40 m hinab nur 0.25°, in 50 m eine Minimaltemperatur von — 0.04°, am Boden in 87 m wieder -f-0.88°, und der oberen homothermen Schicht entsprach Homohalinität mit 3.37 Promille, während das Bodenwasser 3.66 Promille hatte ^). Schwache Dichothermie findet sich auch in der Rügen- schen Mulde, dagegen sind die Beltsee und das Kattegat schon sommerlich anotherm, freilich mit geringem Temperaturgradienten (oben 6° bis 7°, unten 4° bis 5°). Im August ist in der mittleren Ostsee die homohaline Deckschicht oberflächlich stark angewärmt und kann sich eine oft sehr scharfe Sprung- schicht entwickeln (S. 395). Die Durch wärniung ist aber in den einzelnen Jahren verschieden, wie folgende Übersicht für die schon öfter erwähnte deutsche Station (12) in der Danziger Bucht erweisen mag. Jahr 1902 1903 1904 1905 1906 Oberflächentemperatur 15.4<> 15.20 15.40 18.4" I6.40 Die sommerwarme Schicht i mit . 14.80 15.0« 14.0» 15.70 15.90 endet [ inm . 20 40 45 30 30 Die Minimaltemperatur der dichothermen Anordnung ist im südlichen Teil der Ostsee stets höher, als die winterliche der Deckschicht (in der Danziger Bucht 3.3° bis 3.5°, im Gotlandtief 2.0° bis 2.4°), nähert sich aber nach dem ') Eine ausführliche Darstellung der Thermik des Bottnischen Golfs gibt R Witting in Ann. d. Hydr. 1906 (August- und Septemberheft). Die Temperaturschichtung der Ostsee. 471 Pinnischen und Bottnischen Golf hin ihrem winterlichen Werte schon niehr, so daß man annehmen muß, daß entweder die Sommerwärme auf irgend einem mechanischen Wege, wenn auch stark verkürzt, noch diesen Tiefen zwischen 55 und 85 m zugeführt werden mag, oder Wärmezufuhr von unten her erfolgt, oder beides zugleich wirksam wird. — Der Finnische Golf ist in seinem öst- lichen Teil intensiv durchwärmt, im August 1903 war westwärts von Kronstadt an der Oberfläche die Temperatur 17.1°, in 15 m 11.3°, aber dann in 20 m nur 5.8°, am Boden in 36.5 m gar nur 1.9°, also Winterwasser. Im Bottnischen Golf zeigen sich die Tiefen im nördlichen Teil (der Wik) ebenfalls mit kaltem Winterwasser gefüllt (0.6° bis 1.0° am Boden), während die Oberfläche an den Küsten über 15° haben kann.. Schon in Nordquarken bildet sich jedoch die normale Dichothermie aus, die dann in der Bottensee ganz typisch vor- herrscht. So war an der tiefsten Stelle (Station 24 in 62° 51' N., 18° 55' 0.) am 12. August 1903 an der Oberfläche 13.7°, in 15 m 11.55°, in 40 m 1.80°. in 75 m 1.46°, dann langsame Zunahme auf 2.44° in 202 m. Die Minimal- temperatur ist von Jahr zu Jahr etwas verschieden. — In der westlichen Ostsee herrscht, je mehr wir in die Beltsee kommen, um so stärker ausgeprägte Anothermie, wobei an der Oberfläche 17° bis 20°, am Boden 7° bis 9° gefunden werden. Ebenso ist es im Kattegat. Im November enthält die offene Ostsee durch die stetige Abkühlung und dadurch wirksame Konvektion eine oft sehr mächtige homotherme Deck- schicht, die in der Danziger Bucht 60 m erreichen kann, wobei die Tempera- turen nach der schwedischen Seite hin etwas abnehmen. So war in der Danziger Bucht 1903 die Temperatur 8.4°, über dem Landsorter Tief nur 5.8°, beidemal bis rund 40 m; im November 1902 in der Danziger Bucht bis 60 m 9.0°, in der Gotlandstiefe bis 50 m 6.3°. Im ganzen bleibt aber der dichotherme Typus bestehen, mit Minimaltemperaturen von gleichem oder etwas höherem Betrage als im August. Auch der Finnische Golf ist an seinem Westeingange dicho- therm, wird dagegen nach der Mitte hin mesotherm, am Ostende schon winterlich katotherm, wenn auch nur schwach. So nahm am 20. November 1905 im Osten auf der Station F 41 (60° 7' N , 28° 4' 0 ) die Temperatur von der Oberfläche mit 3.17° stetig zu bis 4.09° am Boden in 39 m; dagegen stieg sie am 11. Novem- ber südlich von Hangö auf Station F 61 (59° 26' N., 23° 9' 0 ) von 7.-65° an der Oberfläche zunächst auf 9.34° in 50 m und fiel dann etwas unter 4° in der Tiefenschicht von 75 bis 94 m. Im Bottnischen' Golf sind die Verhältnisse in den seichteren Teilen anders, als in den tieferen, die noch Dichothermie behalten, während näher den Küsten bald noch anotherme Schichtung besteht, bald schon eine katotherme eintritt. Die Tiefentemperaturen sind dann allge- mein etwas höher, als im August. R. Witting') berechnet für die vier Terminmonate von 1900 bis 1904 unter anderem für das Alandstief folgende Durchschnittswerte. bruar Mai August November O.l'^ 4.20 12.30 6.1« 2.4« 1.8» 2.50 5.30 3.90 2.0'' 3.5" 4.0° Oberfläche . . . . . In 100 m Tiefe . . . In 250 m Tiefe . . . Der November ist also wahrscheinlich die Zeit für das Temperatur- maximum, der Mai für das Minimum der Tiefenschichten, mit deutlichem Phasenverzug, der hier auf das Eindringen des Unterstroms von Süden her, wo sein Wasser die Oberfläche bildete, zurückzuführen ist. Auch in der Rügenschen Mulde ist der Unterstrom mit etwas höherer Temperatur ausgestattet, so daß eine leicht katotherme Schichtung, nicht selten aber ') Ann. d. Sydr. 1906, S. 395. 472 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. auch volle Homothermie eintreten kann, wie öfter an der schwedischen Seite im Bereiche des ausfließenden Stroms. In der Beltsee ist meistens schon winterliche Katothermie eingeleitet; es kommt aber auch wohl mesotherme Schichtung vor, ^vie 1902 im Alsenbelt, wo an der Oberfläche 9.5°, in 10 m 10.25°, am Boden in 32 m 9.18° beobachtet wurden, während gleichzeitig der Fehmarnbelt an der Oberfläche 8.9°, am Boden in 29 m 10.02° hatte. Eben- so ist auch der Große Belt in der Regel schon kathotherm, dagegen das Katte- gat meistens mesotherm geschichtet. Hier sind auch die Tiefenwasser im November wärmer, als im August, während der Februar an der Oberfläche und in der Tiefe zugleich das Minimum der Temperaturen bringt. Das ist nicht nur der Fall im nördlichen Kattegat zwischen Skagen und Marstrand (dänische Station Da 7), sondern auch noch im Großen Belt bei Korsör (Station Da 26), aber nicht mehr in der Kadetrinne (Station D 5) und den Rügenschen Ge- wässern (Station D 8), wie folgende Mittelwerte für Oberfläche und Boden aus den Beobachtungen der dänischen und deutschen Terminfahrten zeigen mögen ^). S tati on Kattegat Da 7 . . . . . . | Großer Belt Da 26 . . . . | Kadetrinne D 5 < Rügensche Mulde D 8 . . . Tiefe (m) 0 100 0 60 0 26 0 45 Februar 2.75« 4.72 1.81 3.73 1.49 1.89 2.08 2.30 Mai 6.43° 4.98 6.92 4.67 6.03 4.17 5.76 4.01 August 16.020 7.31 16.88 8.20 15.97 11.88 15.94 12.30 November 8.660 8.91 8.86 11.01 9.95 9.87 9.35 9.50 Martin Knudsen, der sich eingehender mit den Temperaturen des Katte^ gat beschäftigt hat^), konnte den hierfür maßgebenden innigen Zusammen^ hang namentlich zwischen Tiefentemperaturen und Unterstrom genauer ver- folgen. Indem er die Beobachtungen der dänischen Leuchtschiffe heranzog und die Temperatur in 23 m Tiefe verglich, führte er den Nachweis, daß im Herbst und Winter diese Tiefenschicht am Schultzgrund (im südlichen Katte- gat) wärmer ist, als das Wasser gleicher Tiefe bei Skagen, während im Früh- ling und Sommer Skagen entschieden wärmer ist und jene Tiefenschichten des südlichen Kattegat wesentlich durch Berührung mit relativ kälteren Wassern der sie überdeckenden Oberschicht ausgekühlt werden. In nach- stehender Tabelle sind Mittelwerte für die Jahre 1881 bis 1897 gegeben. 1 Jahreszeiten i 1 Jan. — März April— Juni Juli— Sept. Okt.— Dez. Jahr Skagensriff in 23 m Schultzgrund in 23 m 4.2» 4.30 7.5« 5.0° 14.30 10.0° 8.9» 9.6° 8.7" 7.20 ') Aus den Bulletins vom August 1902 bis 1906 berechnet. Da 7 liegt in 67° 52' N. B., IV 18' O. L.; Da 26 in 55° 20.4' N. B., 11° 2.3' O. L.; Ds in 54° 28' N. B., 12» 15' 0. L, Ds in 54° 54' N. B., 13° 12' 0. L. «) Ann. d. Hydr. 1901, S. 83 f. Die Temperaturschichtung in der Ostsee und im Roten Meer. 473 In der deutschen Beltsee mit ihren geringen Wassertiefen ist die Durch- mischung der Grewässer noch sehr viel gründlicher, was auch aus den geringen Unterschieden zwischen Boden- und Oberflächentemperatur aus der ersten Tabelle unmittelbar abzulesen ist. Im ganzen Gebiet der Ostsee erweist sich das Verhältnis der aus- oder eingehenden Ströme für die Thermik der tieferen Schichten in allen Jahres- zeiten maßgebend und ein selbständiges System kann man allein den oberen Schichten bis 50 oder 60 m in der offenen Ostsee von Bornholm bis zu den Finnischen Schären hin zusprechen. Die Föhrden der Beltsee sind nicht tief genug, um zu ähnlich komplizierten Erscheinungen den Anlaß zu bieten, wie sie in norwegischen Fjorden auftreten. Immerhin kann man in den kleinen örtlichen Bodenver- tiefungen der Kieler Föhrde, insbesondere in der fast 29 m, also doppelt so tief wie sonst, eingesenkten Wittlingskule doch Vorgänge wahrnehmen, die durch einen charakteristischen Phasen Verzug an Nordlandfjorde erinnern. Nach den ersten Beobachtungen, die H. A. Meyer und Karl Möbius^) darüber veröffent- licht haben, war im Juli 1863 die Temperaturschichtung anotherm, sie wurde in den letzten Tagen des September vorübergehend homotherm, im Winter anfänglich mesotherm, von Ende Dezember an katotherm, im März 1864 vorübergehend dichotherm, dann homotherm und mit Ende März anotherm. Nachfolgende Zusammenstellung ausgewählter Beobachtungen erläutert den mit der Tiefe fortschreitenden Phasenverzug : das Maximum liegt an der Ober* fläche um Anfang August, in 8 m Tiefe Anfang September, in 28 m Tiefe Ende September bis Anfang Oktober; das Minimum an der Oberfläche im Januar und Februar, in 8 m Tiefe Anfang März, in 28 m erst Mitte April. Gang der Temperat uren im K ieler Hafen 1863—1864. Tiefen m 31. JuU 1. Sept. 22. Sept. 29. Sept. 17. Nov. 26. Jan. 5. März 10. März 17. April 15. Mai 0 17.60 17.50 13.8« 13.8» 7.50 0.0« 1.30 1.30 6.30 15.00 8 16.3 17,5 13.1 13.8 8.8 31 0.0 1.3 3.8 8.8 28 9.1 14.1 14.4 13.8 7.5 5.0 2.2 1.3 0.0 2.5 Die Hudsonbai ist uns nach ihrer Temperaturschichtung noch, unbekannt, obwohl gerade sie manches besonders Interessante darbieten dürfte. Prestwich*) hat neun Reihen von Beobachtungen, die Ed. Parry im September 1823 auf seiner Eistrift im Foxkanal und Lyons Inlet aus- führte, und die, wenn man sich auf seine Thermometer verlassen könnte, auf eine dort vollständige Homothermie bis 365 m hinab mit Tempe- raturen zwischen — 0.3° und — 1.7° hinweisen würden. Besser sind wir wieder über das Rote Meer unterrichtet, das durch die Arbeiten von J. Luksch an Bord der Pola sehr gründlich unter- sucht ist, nachdem schon vorher 1858 Kapitän Pullen einige Temperaturen in der erstaunlichen Höhe von 21.4° bis 21.7 ° aus Tiefen von 500 bis 1240 m gemeldet, und später auch Makaroff im April 1889 an drei Stationen ^) Die Fauna der Kieler Bucht. Leipzig 1865, Einleitung S. V f. Die Beob- achtungen wurden mit trägen Thermometern in 5 und 16 Faden (hamburgischen) ausgeführt. 2) A. a. 0. S. 648. 474 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Temperaturen gemessen hatte ^). Das Kote Meer gehört zu den typischen Mittelmeeren, die in ihren Tiefenmulden homotherme Wassermassen bergen, und zwar besitzt es unter allen die höchste Temperatur: nach Jos. Luksch sind überall in Tiefen von mehr als 700 m bis zum Boden, in 2200 m ständig 21.5° zu finden. Da diese Tiefenschichten von besonders hohem Salz- gehalt sind (S. 357), müssen wir annehmen, daß dieses Wasser seinen Ursprung und seine gelegentliche Ergänzung an der Oberfläche in einer Gegend findet, wo in der kalten Jahreszeit (im März und April) sich eine Temperatur von 21.5° mit einem durch die Verdunstung auf 40.5 bis 40.7 Promille konzentrierten Salzgehalt zusammen ausbilden kann, was wesentlich nur in der Nordhälfte des Roten Meeres wahrscheinlich sein wird. An eine Zufuhr niedriger Temperaturen aus dem Indischen Ozean ist nicht zu denken, da die Zugangstiefen der Straße von Bab-el-Mandeb zn gering öind (S. 136) und die Gewässer des Golfs von Aden viel zu wenig^ Salzgehalt besitzen, ja sogar umgekehrt in der Tiefe ein warmer und salziger Unterstrom aus dem Koten Meer hinaus strömt (S. 342). Die homotherme und homohaline Unrerschicht ist also ein eigenes Erzeugnis des Koten Meeres. — W^ie bei der Darstellung des Salzgehaltes bereits zu bemerken war, fehlen uns noch Beobachtungen der Temperaturen aus den Sommermonaten; unsere Kenntnisse beschränken sich bisli3r nur auf die Zeit von Oktober bis April. Die in sich homogenen Temperatur- reihen der österreichischen Expeditionen gestatten uns einen Überblick über die Zustände im Spätherbst. Wie die nachstehende Tabelle ergibt, die dieselben Stationen enthält, wie sie für die Darstellung des Salzgehaltes (S. 357) benutzt wurden und zu denen hier nur noch eine südlichste nahe bei Perim hinzugefügt ist, nehmen die Temperaturen im allgemeinen von Norden nach Süden hin zu, aber so, daß ein Maximum in etwa 18° N. B. erreicht wird, also in der Gegend zwischen der Farsanbank im Norden und Tem] Deraturen in der Längen achse des Roten M e e r e s. Station: 18 33 85 314 321 339 Datum: 26. 10. 95 1. 11. 95 6. 12. 95 26. 10. 97 29. 10. 97 2. 12. 97 N. B. 27*> 24.5' 230 2V 220 4' 180 3' 150 51.5' 120 41 3. 0. L. 34« 2' 37« 37' 380 0' 400 14^7/ 410 43' 430 15.9' ■ 1 1 0 27.3« 28.60 28.10 30.50 29.30 26.20 10 27.1 28.2 28.3 30.4 29.4 26.8 20 27.0 28.1 28.3 30.2 29.2 26.6 30 26.9 28.0 28.2 (30.0) (28.9) (26.5) 40 .26.8 (27.9) 28.2 29.7 28.6 26.3 50 (26.6) 27.8 (28.0) (29.3) (28.0) (26.2) 70 (26.3) (27.2) 27.6 273 26.2 26.0 100 25.4 25.6 26.1 25.4 24.3 25.1 Boden 21.6 21.5 21.5 21.5 21.5 23.4 in m 547 791 2160 1308 1120 180 ^) Jos. Luksch in Denkschr. k. k. Akad. d. Wiss. Bd. 66, Wien 1898 und Bd. 69, Wien 1900. Pullen bei Prest wich a.a.O. S. 670. Makaroff, Le Vitiaz etc. II, p. 138. Die Temperaturschichtung im Roten Meer. 475 dem Dahlakarchipel im Süden, und daß dann wieder eine ziemlich rasche Abnahme in der Richtung auf die Straße Bab-el-Mandeb hin erfolgt. Diese Anordnung herrscht von der Oberfläche bis in 50 m Tiefe ausnahmslos, in 70 und 100 m ist das Maximum vielleicht etwas nach Norden verschoben, "Wir müssen dabei beachten, daß im Winterhalbjahr der Nordostmonsun den Oberflächen Strom in die Straße von Perim hineindrängt und dieser dann an der arabischen Küste nordwärts fließt und dabei an der afrikani- schen einen Gegenstrom nach Süden hervorruft. Es wird dadurch das warme Oberflächenwasser im allgemeinen aus dem Südt^eil nordwärts verschoben. Im Sommerhalbjahr düjfte die Lage des Maximums wohl südlicher sein; doch wissen wir nichts darüber. Die Beobachtungen der österreichischen Expedition lassen erkennen, daß im Winterhalbjahr der Strom an der arabischen Seite wärmer ist, als der entgegengesetzte an der nubischen, wie nicht anders zu erwarten. Ich stelle auch hier wieder die Stationen 73 und 76 (am 30. November und 1. Dezember 1895 beob- achtet) einander gegenüber. N.B. 0. L. 0 10 20 30 40 70 1 100 m i 1 220 59/ 23° 12' 36« 28' 38° 19' 26,4« 27.9 26.3« 27.8 26.2« 27.6 26.1° 27.5 26,1° 27.4 26.0° 26.7 25.4» 25.6 An der allgemeinen Zunahme der Temperaturen von Norden nach Süden hin im Winterhalbjahr nehmen auch die beiden nördlichsten Teile des Roten Meeres, die Golfe von Suez und Akaba teil; beide werden dann der Länge nach, der eine von NW-, der andere von NO- Wanden bestrichen. Im Anfang März 1896 war im Nordteil des Suezgolfs die Temperatur in 20 m = 16.8^ im Südteil = 20.6^ im April bei Akaba 21. 2^ bei Ras Fartak 22.0°. Der Golf von Akaba ist gegen das Tiefenbecken des eigent- lichen Roten Meeres durch eine geringe Zugangstiefe von 150 m abgesperrt : daher bildet er seine eigene homothermische Schicht in den Tiefen aus, die bei 500 m beginnt und mit 21.2° bis zum Boden hin anhält. Die Tem- peraturschichtung an der tiefsten Stelle (28° 39.2' N. B., 34° 42.8' 0. L.) fand Luksch am 7. April 1896 sehr bemerkenswert: schon die obersten Tiefen . . 0 10 20 30 40 70 100 500 1287 m Temp. °C. . 21.8 21.9 21.8 21.8 21.8 21.7 21.5 21.2 21.2 40 m waren ungefähr homotherm, und ähnlich verhielten sich auch die Nachbars tationen. — Über die Temperaturschichtung im Persischen Golf sind wir zur Zeit noch nicht unterrichtet. Für die Randmeere der ostasiatischen Reihe haben wir Makaroflf neben eigenen Beobachtungen auch eine Zusammenstellung der älteren zu verdanken^). •) Makaroff, Le Vitiaz II, 479 f. 476 I^iß räumliche Verteilung, der Temperaturen. Im Bering meer ergeben die Beobachtungen der Vega auf ihrem Heimwege vom Anfang August 1879 ein Bild von der Temperaturschich- tung entlang der asiatischen Küste, Es handelt sich hier um dichotherme Zustände, die um so ausgeprägter sind, je näher der genannten Küste die Stationen liegen,^ indem das kalte Winter wasser nur ganz oberflächlicb von der Sommersonne erwärmt wird, so daß dann, bei 6^ bis 8^ an der Oberfläche, schon in 25 m unter 0°, in 50 m stellenweise — 1.2^, oder doch — 0.8° zu finden sind, während dann wieder in 100 m +0.9° bis -|-1.5° auftreten. Diese Dichothermie herrscht dann auch, wie bereits (S. 440) bemerkt, am westlichen Ausgange der Beringsee bei den Komman- deurinseln. Aus dem westlichen Tiefenbecken fehlen Beobachtungen, und erst nördlich von der Inselreihe der Aleuten treffen wir auf eine größere An- zahl von Stationen der Tuscarora vom Ende Juli 1874. Bildet man aus den 18 parallel mit diesen Inseln östlich von 180° L. sich hinziehenden Sta- tionen für die verschiedenen Tiefenstufen Mittelwerte und stellt sie graphisch dar, so ergeben sie folgende durchaus ozeanische Temperaturschichtung für diesen südwestlichen Teil des Beringschen Randmeeres, woraus hervor- 0 25 50 75 100 200 300 500 1000 150O 2000 3000 m 8.4« 6.5« 5.2° 4.6° 4.2° 3.6° 3.4° 3.0° 2.5° 2.0° 1.6° 1.2° geht, daß hier westlich von den Aleuten hindurch ein lebhafter Aus- tausch mit den benachbarten nordpazifischen Gewässern stattfinden muß. Die Stromkarten nehmen auch zwischen den Inseln eine Einströmung nach Norden hin an. Für den östlichen Teil des Tiefenbeokens haben nach A. LindenkohP) die Messungen des V. S. Fischereidampfers Albatroß ergeben, daß auch hier noch eine Dichothermie besteht. Bei einer Tem- peratur von 7.8° an der Oberfläche und 5.4° in 45 m stellt sich ein Minimum in 146 m mit 2.8° ein, worauf ein zweites Maximum in 410 m mit 3.5° folgt, in den größeren Tiefen aber die Temperatur wieder stetig abnimmt, so daß in 1830 m 1.7 ° und in 3654 m 1.6 ° gefunden sind. Wenn Lindenkohl daraus schließen will, daß die Wirkung der Winterkälte bis 410 m hinab- reiche, so ist das ein Mißverständnis ; wir werden diese untere Grenze höchstens in der Minimalschicht von 2.8°, also 146 m, suchen dürfen. Das Ochotskische Meer gehört zu den Meeresteilen, in denen eine der frühesten Reihentemperaturen ausgeführt ist. Im August 1805 fand Homer auf der Nadeschda in 53° N. B., 152° 0. L., also in der Mitte dieses Randmeeres etwas näher nach der Kamtschatkaseite hin, folgende Temperaturen. Tiefe .... 0 25 29 33 37 55 110 200 210 m Temperatur 8.0° 7.0° 2.5° — 0.2° -1.5° — 2.1° — 2.1° — 2.1° — 2.1° Da Homers Indexthermometer nicht imstande waren, eine warme Schicht unter einer kälteren aufzuzeichnen, erscheinen die größeren Tiefen unter 55 m sämtlich mit dieser Minimaltemperatur, die übrigens wohl um 0.5° bis 0.8° zu niedrig geraten ist. Makaroff hat an mehr als 20 Stationen im Sommer und Herbst 1888 beobachtet, aber diese verteilen sich so ungünstig, daß die Mitte, der Osten und Nordosten leer ausgehen, während der Westen Mitt. 1897, S. 274. Die Temperaturschichtung im Bering- und Ochotskischen Meer. 477 und Nordwesten bevorzugt sind. Für dieses Gebiet, also westlich von 145^ 0. L., ergab sich eine typisch dichothernie Schichtung, mit Anzeichen für ein Auskeilen der kalten Schicht nach der Mitte des Beckens hin. Nahe an Sachalin sind noch in 50^ N. B. Temperaturen unter 0^ zwischen 50 m und 250 m Tiefe gefunden. In der Schantarbucht ist, entsprechend den 200 m nicht überschreitenden Tiefen, alles Wasser abwärts von 25 m sehr kalt, doch immer noch schwach dichotherm mit einer Minimal - temperatur (in etwa 50 m) von — 1.6^, gegen — 1.0^ am Boden an der tiefsten Stelle in 200 m. In der am freiesten gelegenen Station in 50** 7' N. B., U9^ 40' 0. L. (Stat. 116) ergab sich folgende, von Homers Messung sehr stark abweichende Schichtung: Tiefe .... 0 25 50 100 200 400 600 800 m Temperatur 9.4<^ 5.V 1.9° l.S'^ 2.0^ 2.0" 2.4" 2.4'' Makaroff ist danach der Meinung, daß auch die größeren Tiefen homotherm mit 2.4° sein dürften und ist geneigt, die Herkunft dieses Wassers (von 34.2 Promille) von der Laperousestraße, also vom Japanischen Handmeer her zu suchen. Die Gewässer zwischen den Kurilen sind nach Temperatur und Salzgehalt so abweichend, da,ß man Makaroffs Hypothese in der Tat ernstlich erwägen muß. Nach den von ihm gesammelten zahl- reichen Beobachtungen russischer Fahrzeuge scheinen in allen Jahreszeiten die Straßen zwischen den Kurilen eine erheblich niedrigere Temperatur aufzuweisen, als sowohl das benachbarte pazifische, wie das ochotskische Gebiet darbieten: im August ist der Unterschied der Oberflächentem- peratur meistens 3°, oft mehr, und in einzelnen Fällen ist ein Absinken von 11° auf 3.7° verzeichnet, was dann von ständigen dichten Nebeln begleitet ist , die die Straßen zeitweilig unpassierbar machen. In der sogenannten Vierten Straße zwischen Onekotan und Paramuschir beob- achtete Makaroff selbst am 5. August 1888 eine anotherme Schichtung: Tiefe (m) ! ^ 25 50 100 200 300 Temperatur (C") . . Salzgehalt (Prüm.) 5.6<> 32.8 3.1° 32.9 2.20 33-0 2.0° 33-3 1.8° 33 3 1.8° 33.4 Es war dabei in der obersten Schicht nicht nur die Temperatur erniedrigt, sondern auch der Salzgehalt erhöht, da er außerhalb der Straße im pa- zifischen, wie im ochotskischen Gebiet 30.70 Promille betrug. Makaroff erblickt deshalb hierin Beweise für eine mechanische Durchmischung der oberen mit den tieferen Schichten des Wassers durch den starken, häufig 4 Knoten übersteigenden Gezeitenstrom. Durch diesen „aufgepflügt" fand Makaroff auch kaltes Tiefenwasser an der Oberfläche beim Kap Aniwa und beim Kap Crillion an der Nordseite der Laperousestraße. — Für das Japanische Randmeer liefern ebenfalls die zahl- i3ichen Beobachtungen Makaroffs die wesentliche Grundlage für unsere derzeitige Kenntnis, soweit die oberen Schichten bis 400 m Tiefe in Be- tracht kommen. Hier gibt das herrschende Stromsystem den Ausschlag. 478 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. An der japanischen Seite geht eine warme Strömung von ursprünglich tropisch warmem Wasser nach Norden, wobei sie in der Tsugaru- und Laperousestraße Zweige nach rechts hin abgibt; an der festländischen Seite aber geht ein entgegengesetzter kälterer Strom nach Süden. Wie sich im Winter die Nordwesthälfte des Randmeeres mit Eis bedeckt, so werden auch durch die von den Nordwestwinden herbeigeführte sehr niedrige Lufttemperatur die nicht gefrierenden Oberflächenschichten sehr stark abgekühlt, sinken hinunter und erfüllen das garlze die Mitte des Randmeeres einnehmende Tiefenbecken mit der niedrigen Temperatur von 0.3° bis 0.7*^. Nachstehende vier Schnitte mit je zwei Stationen Makaroffs verdeutlichen diese Gregensätze. Das erste Paar bezieht sich auf den Nordausgang der Koreastraße vom Ende Mai 1888: Nr. N. B. 0. L. 0 25 50 75- 100 150 200 78 82 35" 54' 36" 22' i ' 129" 42' 132" 48' 15.8" 15.8 14.3" 12.8" 15.2 8.2" 3.9" 14.0 2.0" 10.7 1.9" Hier ist der Unterschied in 100 und 150 m Tiefe sehr groß; das warme Wasser reicht aber nicht wesentlich über 150 m Tiefe hinab. — Der zweite Schnitt ist in meridionaler Richtung in der Länge von Wladiwostok eben- falls Ende Mai 1888 gezogen. An der japanischen Seite reicht das warme Wasser nicht ganz bis 100 m. Nr. N.B. O.L. j 0 12.5 25 50 100 200 400 800 86 84 42" 1' 38" 15' 1 132" 25' 133" 3' ' 9.1" 14.5 6.0" 2.9" 11.6 1.7" 9.5 0.8" 5.0 0.6" 1.7 0.4" 0.7 0 7° Der dritte Schnitt ist von Wladiwostok ostwärts zur Tsugarustraße hin genommen; er bezieht sich aber auf Ende Oktober 1888. Nr. N. B. 0. L. 0 25 50 75 100 200 400 166 169 42^ 30' 41" 21' 1 132" 57'! 139" 20'^ : 7.4" 14.9 5.0" 15.1 2.0" 14.9 14.6" 1.9" 5.9 1.1" 1.9 0.6" 0.3 Daß auch nördlich von der LaperoüSBstraße derselbe Gegensatz weiter besteht, erweist der vierte Schnitt, dessen Stationen Mitte August 1888 gemessen sind. Das warme Wasser reicht im August nicht oder noch nicht weit in die Tiefe, wie ein Vergleich der Temperaturen in 75 m mit dem vorigen Schnitt ergibt. Das Japanische Randmeer würde eine sehr viel eingehendere Durchforschung nach modernen Methoden verdienen, als ihm bisher zu teil geworden; kennen wir doch leider nicht einmal eine Die Temperaturschichtung im Japanischen, Ostchines. u. Andaman. Randmeer. 479 Nr. N. B. O.L. 0 10 25 50 75 100 200 300 134 125 46° 55' 46° 57' 139° 0' 141° 35' 16.5° 17.0 13.1° 5.6° 10.5 3.3° 6.9 6.1° 2.6° 5.9 3.2° 1.9° Bodentemperatur, so daß die meist angenommene Homothermie der Tiefen- gewässer in mehr als 400 m Tiefe zwar selir wahrscheinlich, aber keines- wegs zweifelsfrei festgestellt ist. Im Ostchinesischen Randmeer weist der seichtere Teil nach Makaroffs hier leider sehr spärlichen Beobachtungen südlich von Korea eine im Winter katotherme Schichtung auf, indem sich u. a. am 24. Dezember 1888 südlich von Quelpart an der Oberfläche 16.4^, mit gleichmäßiger Zunahme zum Boden mit 16.8° vorfand. Dagegen hatte Makarofi ein Jahr vorher (7. Dez. 1887) in der Vandiemenstraße (südlich von Kiushiu) die für den Kuro Schio normale anotherme Schichtung beobachtet mit 19.7° an der Oberfläche und 17.6° am Boden in 92 m Tiefe. Südwestlich von Kiushiu (am 18. Januar 1888 in 31° 44' N. B., 128° 36' 0. L. bei 567 m Tiefe) fand er ebenfalls gut durchwärmtes Wasser : Tiefe .... 0 25 50 100 200 300 400 m Temperatur 18.3° 17.9° 17.9° 17.2° 13.7° 10.0° 8.7° Regeres Interesse wandte er der Formosastraße zu, deren an der Ober- fläche scharf ausgeprägten Gegensatz zwischen einer kalten Strömung an der festländischen und einer warmen an der formosaner Seite er auch in die Tiefen verfolgte. Der kalte nach Süden setzende Strom hatte Ende März eine katotherme Schichtung (Oberfläche 15.8°, Boden in 50 m 16.0°), der warme Nordstrom eine anotherme (Oberfläche 21.6° mit 20.5° in 50 m). Auch das Ostchinesische Meer würde eine genauere ozeanographische Untersuchung lohnen, besonders wenn sie sich auf die vier Jahreszeiten erstreckte imd räumlich auch auf das tiefe schmale Einbruchsbecken innerhalb der Liukiuinseln ausgedebnt würde, wo sich vermutlich eine homothermische Schicht (aber mit weniger als 8.7°) einlagert. Das Andamanische Randmeeristin seiner Temperatur- schichtung dem benachbarten Bengalischen Golf sehr ähnlich, von diesem aber dadurch verschieden, daß seine Zugangstiefen zum Indischen Ozean hin nirgends 1450 m übersteigen. Da seine größten Tiefen aber mehr als 3000 m betragen, besitzt es eine Miesem Schwellenniveau entsprechend temperierte homotherme Schicht von wahrscheinlich 4.75°, wie aus den zahlreichen Messungen des indischen Forschungsdampfers Investigator hervorgeht. G. Schott hat zuerst auf diese Homothermie die Auf- merksamkeit gelenkt 1), aber nach zwei älteren Messungen die Tem- peratur auf 5.2°, die Schwellen tiefe auf 1500 m angegeben. ^) Im Valdiviatverk I, S. 176. Die Messungen des Investigator, von denen 21 in Tiefen von 1454 bis 3113 m ausgeführt sind, stehen in List of oceanic Depths etc. 1889, 1890, 1897, 1898, 1902, 1903. Die älteren gehen meist über 5° bis 5.28°, die neueren sehr zahlreichen (seit 1902) nie über 5.00°, 430 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Die Nordsee ist uns nach ihren Temperaturverhältnissen um so genauer bekannt, denn ihre Untersuchung bildet eine wesentliche Aufgabe der modernen, international organisierten Meeresforschung. Während die älteren Untersuchungen i) sich nur auf die sommerlichen Zustände (Mai bis August) erstreckten oder in den übrigen Jahreszeiten sich auf die Küstengewässer beschränkten, haben wir jetzt bereits für die vier Terminmonate einen brauchbaren Einblick in die Zustände imd Veränderungen auch der tieferen Schichten im ganzen Bereiche der Nordsee. Im Februar 2) sind die seichteren Teile der Nordsee entlang den Süd- und Ostküsten, überhaupt südlich von der Doggerbank, entsprechend der starken Wellenbewegung und Gezeitenströmung meist homotherm, wobei sich im südwestlichen Teil die Temperaturen bei 5^ oder 6^ halten, nach Osten imd Nordosten hin aber erniedrigen auf 4*^ oder 3^ (auf der Jütlandbank). Nach einer Reihe ruhiger Tage stellt sich eine schwach katotherme Schichtung ein, namentlich wo eine solche durch Zuführmig von leichtem Landwasser be- günstigt wird^) und dieses dann die Oberfläche auch bei niedrigerer Tempera- tur behaupten kann. So war unter anderem auf der deutschen Station 15 (westwärts von Sylt, in 55« 2' N. B., 7« 30' 0. L.) die Schichtung am 24. Februar 1906 wie folgt: Tiefe (m): 0 5 10 15 24 Temperatur (C») . . , Salzgehalt (Prom.). . 2.89 32.50 2.88 32.51 3.12 32.59 3.16 32.72 3.20 32.81 Im südwestlichen Teil, in den Hoofden, pflegt nicht selten wärmeres Wasser aus dem Ärmelkanal nach Nordosten herüber zu triften und dann eine Deckschicht zu bilden, die sich auf die sonst homotherme Masse auf- lagert. Das war unter anderem Anfang Februar 1905 der Fall, wo sich auf der belgischen Station 4 (51« 43' N. B., 2« 18' 0. L.) folgende Anord- nung vorfand: Tiefe (m) . . 0 5 10 15 20 25 30 35 Temperatur . . 7.00» 5AV 5AV 541° 5.41« 5.40° 5.40« 5.40° Das Wasser war dabei vom gleichen Salzgehalt in allen Schichten. Auch in den tieferen Gebieten nördlich von der Doggerbank kann ein ähnlicher Gegensatz zwischen einer seichten Deckschicht und einer tiefen homothermen Masse auftreten. So war es auf der Kleinen Fischerbank (deutsche Station 13, 56« 45' N. B., 6« 6' 0. L.) zweimal: 1) Jahresber. der Kieler Komm, zur Unters, d. deutschen Meere für 1872/73 (Pommeraniaexped. 1872); Ergebnisse der üntersuchungsfahrten S. M. Knbt. Drache in den Sommern 1881, 1882 und 1884. Berlin 1886. ^) Das Folgende ist aus den Bulletins des Resultats acquis pendant les courses periodiques, publies par le Bureau du Conseü permanent international pour l'ex- ploration de la mer, Kopenhagen seit 1902, zusammengestellt. ^) So auf den holländischen Feuerschiffen Noord Kinder-, Schouwen- und Ter- schellingbank. Vergl. De Stroomen op de Nederlandsche Kust , Utrecht 1890 (Auszug Petermanns Mitt. 1891, Lit. B«r. Nr. 1900). Die Temperaturschichtung der Nordsee. 481 Tiefen (m) 1 ' 5 15 30 40 _ 441' 50 Temp. 21. Febr. 1905 . „ 22. „ 1906 . 5.69» 4.49 5.79» 4.40 5.79» 5.79» 4.40 5.79» 4.41 Ähnlich verhielt sich auch die Große Fischerbank, während deren Abfall nach Westen hin bald ano- bald katotherm sein kann. Auf der deutschen Station 4 (56^41' N. B., 2M5' 0. L.) fand sich bei voller Homohalinität : Tiefen (m) |j 0 5 20 6.16» 30 50 75 83 Temp. 14. Febr. 1905 . „ 15. „ 1906 . 6.29» 6.24 6.15» 6.26 6.26» 614» 6.26 6.08» ' 6.05» 6.28» Wie die zweite Eeihe erkennen läßt, entsteht diese Temperatur durch winterliche Strahlung und Konvektion an Ort und Stelle; sie hält sich dann das ganze Jah"r hindurch am Boden. Die eigentliche Nordseebank nördlich von 57*^ N. B. bis zu ihrem Abfall gegen das Nordmeer hin ist im Februar in der Regel, wie es scheint, katotherm. Typisch ist hierfür das Verhalten der schottischen Station 25 (in 58« 11' N. B., 0*^ 32' W. L.), wie es am 18. Februar 1904 mit folgender Schichtung beobachtet wurde: Tiefen (m) 0 10 20 40 60 80 110 Temperatur (C») . . Salzgehalt (Prom.) 6.63 35.10 664 35.10 6.67 35.12 6.69 35.12 6.72 35.12 6.76 35.12 6.77 35.14 Daß auch noch nördlicher in größerer Wassertiefe unter Umständen volle Homothermie verbunden mit Homohalinität auftreten kann, ist bereits früher für die schottische Station 2 im Februar 1905 gezeigt worden (S. 349). Auch auf der oben erwähnten Station (25) war im Februar 1905 die Schichtung insofern etwas abweichend, als damals einer Oberschicht von 6.55« eine homo- therme Masse zwischen 10 und 130 m mit 6.7« gegenüberstand; ähnlich im Februar 1906, wo die Deckschicht 6.65«, die Tiefe in 50 m 7.03«, in 100 m 7.04« hatte. Die tiefe norwegische Rinne und ihr östlicher tiefster Ausläufer, das Skagerrak, bieten kompliziertere Anordnungen dar'), indem der ausfließende baltische Strom mit seinem leichten, aber im Winter kalten Wasser an der bohuslänschen mid ganzen norwegischen Küste die Oberschicht beherrscht, während in der Tiefe eine Gegenströmung von der Nordseebank her die inter- mediären Schichten bildet, und die mehr als 350 m tiefen Einsenkungen des ^) Ältere Arbeiten für den östlichen Teil: O. Pettersson und G. Ekman» Grunddragen af Skageracks och Kattegats Hydrografi (Kgl. Svenska Vetensk. Akad. Handl. Stockholm 1891, Bd. 24, Nr. 11). De hydrografiska Förändringarne inom Nordsjöns och östersjöns Omrade under tiden 1893 — 1897 (Kgl. Svenska Vet. Akad. Handl. Stockholm 1897, Bd. 29, Nr. 5). Auszug in Scott. Geogr. Magaz. 1898, Bd. 14, p. 416 und 465. — Ferner Johan Hjort, Hydrografisk biologiske Studier over Norske Fiskerier. Christiania 1895. Krümmel, Ozeanographie. T. 31 482 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. östlicheji Teils von iiur schubweise aus einer westlichen Richtung her ergänztem Wasser erfüllt werden, das zwar selbst nicht strotnlos, aber doch längere Zeit außer Berührung mit der Atmosphäre geblieben ist, wie sich aus dem Verhalten der absorbierten Luft schließen läßt (s. S. 302). Im allgemeinen wird so die Anordnung im Februar mesotherm (und katohalin), nur im seichteren Wasser vor der bohuslänschen Küste ist die Tiefenschicht wärmer als die obere: die hier gelegene schwedisvli.' Station 15 (58« 15.8' N. B., 11^ 26.8' 0. L.) hatte so unter anderem im Februar 1903 an der Oberfläche 2.95°, am Boden in 53 m 1.98°. Die nahe an der tiefsten Stelle des Skagerrak gelegenen schwedischen Srationen 7 und 8 wiesen in den 4 Jahren von 1903 bis 1906 eine typisch meso- therme Schichtung auf, wobei die wärmste Schicht nur 1906 schon in 50 m, sonst in 100 bis 125 m angeordnet war. Ich gebe die Temperaturen für Station 8 (58° 10' N. B., 9° 18' 0. L.) für den 16. Februar 1905 und 13. März 1906 (in einer die wesentlichen Punkte treffenden Auswahl): Tiefen (m) 0 20 50 60 100 125 200 400 500 650 Temp. 1905 ! 5.10« „ 1906 ! 3.50 5.16« 5.72 5.19« 7.60 5.26« 7.51 7.35« 7.04 7.34« 0.84 6.60« 6.33 5.66« 5.95 5.54« 5.82 5.39" 5.70 Die Randgebiete des Skagerrak an der jütischen und norwegischen Seite erscheinen dabei tiefer hinab ausgekühlt, als seine Mitte, indem die Wirkung sowohl der Erdrotation auf den Oberflächenstrom, wie auch der Windstau und die Wellentätigkeit einer besseren Durchmischung dieser oberen Schich- ten günstiger zu sein scheinen, abgesehen davon, daß die Mitte an sich häufig das Zentrum eines zyklonalen Stromwirbels bildet. So kamen im März 1906 auf der Linie Arendal — Skagen folgende für den Winterzustand typische Anordnungen zu stände, wobei die mitten im tiefen Wasser gelegene Station (7) Stat. N. B. 0. L. 0 10 50 100 150 200 13 58« 36' 9« 20' ' 1.90« 3.04" 3.75« 4.20« 4.35« 4.41« 7 58« 26' 9« 44' i 3.20 3.33 6.20 6.77 6.45 6.49 2 57« 53' 10« 42' 2.90 3.04 4.51 4.61 — — durchweg die höheren Temperaturen darbietet. Auch weiter im Westen herrscht Mesothermie, wie die deutschen Beobachtungen ergeben, obwohl bisweilen eine doppelte, wie am 21. Februar 1906 auf Station 9 (in 57° 52' N. B., 7° 20' 0. L.), beobachtet wurde : Tiefe (m) 0 50 100 200 300 440 Temperatur (C«) . . Salzgehalt (Prom.) 2.79 32.05 4.12 33.73 6.38 34.69 6.13 34.96 6.49 35.05 6.35 35.23 Noch weiter nördlich hatte Dr. Hjort am 25. Februar 1895 westlich von Udsire folgende Schichtung gefunden, die durch den niedrigen Salzgehalt auch der tieferen Schichten besonders bemerkenswert war: Die Temperaturschichtung der Nordsee. 483 Tiefe (m) , 1 0 10 20 40 60 100 150 260 Temperatur (C") . . Salzgehalt (Prom.) 3.0 33.0 3.5 33.5 4.0 33 5 4.8 34.0 5.5 34.0 6.2 34.3 74 34.8 6.8 34.8 Auch am nördlichen Ausgang der Rinne zum Nordmeerbecken ist die Schichtung mesotherm: am 22. März 1906 fanden die Norweger in 61° 45' N. B., 2° 42' 0. L. an der Oberfläche 4.6^ in 150 m 7.0°, in 370 m 6.6°. Im Mai wird die Sonnenwirkung im südlichen und östlichen Seichtwasser- gebiet schon merklich und daher die Oberfläche überall etwas wärmer, als die Tiefe. Westlich von Sylt war der Unterschied im Mai 1903 größer als sonst (Oberfläche 7.3°, Boden 6.4^), und nach ruhigen Tagen entwickelt sich auch südlich von der Doggerbank schon etwas der sommerlichen Schichtung Ähn- liches. So war am Mai 1906 auf der deutschen Station 1 (54° 41' N. B., 6° 12' 0. L., 70 Seemeilen nordwestlich von Helgoland) die Temperaturanordnung Tiefe (m) 0 5 10 15 20 30 40 Temperatur (C") . . Salzgehalt (Prom ) . 9.38 33.51 9.40 33.64 9.00 33.73 8.47 33.73 4.96 34 13 4.92 34.13 4.92 34.18 anotherm mit einer Schichtgrenze in etwa 18 m. Sonst wird durch Wellen- wirkmig alles mehr ausgeglichen. — Nördlich von der Doggerbank ist das Wasser in der Regel auch schon anotherm. So auf der Kleinen Fischerbank (deutsche Station 13) im Mai 1903 von der Oberfläche bis 20 m 6.6°, von 30 bis 52 m 6.0° in homohalinem Wasser; im Mai 1905 war die Oberfläche fast um 2° wärmer (8.44°), 1906 die Bodenschicht mit 5.30° erheblich kälter (Ober- fläche 8.09°), was von der Strenge der vorangegangenen Winter abhängig sein wird. Am Westrande der Großen Fischerbank (deutsche Station 4) ist die sommerliche Schichtung ebenfalls meist schon erkennbar; so 1905, wo von 40 bis 85 m 5.98°, dagegen in 30 m 6.14° und an der Oberfläche 7.44° verzeichnet wurden. Auf der hiervon w^eiter nach Nordwesten gelegenen, auch schon vor- her erwähnten schottischen Station 25, wie östlich von den Shetlandinseln (Station 7) ist ebenfalls schon Anothermie erkennbar, indem die Oberfläche etwas über 8°, die Bodenschicht in 100 und 200 m 6 bis 7° zeigt, w^obei die Temperaturen in der Tiefe nach Norden hin höher sein können. Im Skagerrak und der tiefen Rinne ist bei einer allgemeinen Neigung zum anothermen Typus dennoch eine von Jahr zu Jahr verschiedene Anordnung, bei übrigens geringfügigen Unterschieden der einzelnen Schichten, zu fuiden. So \var an der tiefsten Stelle des Skagerrak (schwedische Station 8) im Mai 1904 folgende Schichtung, die fast als doppelt dichotherm bezeichnet werden Tiefe (m) 0 Temperatur (C°) . . 7.1 könnte. An der bohuslänschen Küste ist in der Regel anotherme Schichtung herrschend, w^obei der schon w^arme baltische Strom die Oberfläche einnimmt: im Mai 1905 hatte er 9.8°, in 10 m aber war die Temperatur nur 5.98°, in 50 m 4.43°. Ein typischer Unterschied zwischen den Randgewässern und der Mitte des Skagerrak, wie er im Februar zu beschreiben war, tritt im Mai nicht 10 30 125 200 300 630 5.25 5.00 5.80 5.21 5.68 5.25 484 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. hervor. Im westlichen Teil der Rinne ist ebenfalls die Schichtung sehr kompli- ziert; ich gebe nie wiederum vom Mai 1904 für die deutsche Station 9 (südlich von Mandal) nach den charakteristischen Punkten der Temperaturkurve. Tiefe (m) . . . . 0 5 10 15 40 200 250 430 Temperatur (C"j 5.79 5.96 5.13 3.96 3.43 3.97 5.31 5.50 In anderen Jahren waren die Tiefen merklich wärmer; so waren im Mai 1903 in 250 m 6.0^ am Boden 5.7«; im Mai 1906 in 200 m 5.64^ dagegen in 15 m 5.83« zu vermerken. Im August ist das südliche und östliche Randgebiet bei hoher Erwär- mung sch\vach anotherm; so in den Hoofden im August 1905 an der Ober- fläche 18.0«, am Boden in 35 m 17.6« in homohalinem Wasser; in der deutschen Bucht kann, wie früher schon bemerkt, nach stürmischem Wetter auch alles homotherm sein, wie 1903 auf der Station 1 nordwestlich von Helgoland mit 14.9«, oder 1905 mit 16.7«. Doch tritt auch südöstlich von der Doggerbank eine oft stark ausgeprägte Schichtung hervor, wie auf der deutschen Station 2 (in 55« 22' N. B., 4« 18' 0. L.), wo am 12. August 1905 eine scharfe Grenze bei 25 m beobachtet wurde* Tiefe (m) . . . . 0 5 15 20 25 30 43 Temperatur {C") 15.74 15.71 15.69 15.67 11.38 8.26 8.25 Im August 1902 lag diese Schichtgrenze etwas tiefer als 30 m. Nördlich von der Doggerbank ist diese Scheidung überall gut ausgeprägt und bereits aus den Messmigen der Pommerania (1872) bekannt. Ich gebe für das Jahr 1903 die Temperaturen für die 3 Stationen der Kleinen Fischerbank (D 13), die Westseite der Großen Fischerbank (D 4) und östlich von Schottland (Sc. 25) in folgender Übersicht. Tiefen 0 10 20 30 40 50 Temp. D 13 . 14.45" 14.28» 13.57'^ 10.82» 10.20» 9.99» „ P 4 . . 12.15 12.26 12 24 12.24 652 6.40 „ Sc 25 . . 12.25 — 12.13 - 10.C9 — 60 6.40» i 873 ! 80 6.40» 8.33 100 m 8.31» In anderen Jahren ist auch auf der Kleinen Fischerbank der Gegensatz ungleich besser ausgeprägt; so 1905, wo von der Oberfläche bis 20 m 15.9«, in 30 m 15.23«, in 40 und 50 m aber nur 8.5« zu finden waren, östlich von den Shetlandinseln herrscht der gleiche, wenn auch gemilderte Typus; was für die schottische Station 7 in 61» 9' N., 2»0' 0. (am 12. August 1903 und 7. September 1905) in 2 Fällen hier noch belegt sein mag. Tiefen 0 10 12.88» 20 11.66» 30 10.06» 40 9 69" 60 8.77» 80 8.46» 100 150 m Temp. 1903 . . . !' 12.98» 8.08» 7.62» „ 1905 . . . 12.55 12.61 12.51 12.45 10.76 9.11 8.86 8.64 6.72 Im Skagerrak ist ebenfalls die Anoidnung im großen und ganzen anotherm, doch in den tieferen Schichten nicht ganz regelmäßig. Es pflegt der warme baltische Strom selten tiefer als ]0 m hinabzureichen und darunter Wasser von ähnlicher Temperatur wie im Mai zu lagern. Ich gebe eine gute Reihe vom Die Temperaturschichtung der Nordsee, 485 3. August 1905 für die schwedische Station 8 (58*^ 10' N. B., 9"^ 18' 0. L.), nur mit den charakteristischen Punkten: Tiefen (m) Temperatur (C°) . . 15.39 Salzgehalt (Prom.) 30.25 8 I 9 I 30 100 I 500 670 15.40 15.19 30.30 ' 30.52 12.83 31.60 8.24 33.87 6.40 1 5.26 6.09! 5.43 5.59 34.18'34.58|35.(;r3ö.l2!3ö.l4 Im August besteht wieder ein ausgeprägter Unterschied zwischen den Randgebieten und der Mitte des Skagerrak, nur ist jetzt die Mitte kälter, als die Ränder. Ich gebe auf dem Schnitt Arendal — Skagen vom Anfang August 1905 die Temperaturen für dieselben 3 schwedischen Stationen, wie im Februar: Tiefen 0 i7 ■ 50 100 6.86*> 150 6.71" 200 m Station 13 16.08« 15.8Q« 10.21» 6.72'' „ 7 15.28 7.92 5.78 6.13 5.98 5.87 2 16.28 16.19 9.73 7.02 6.84 — Weiter westlich ist die Schichtung in der tiefen Rinne ganz der im Skager- rak ähnlich, wie schon aus den Untersuchungen H. Mohns im Juni 1877 und des Kanonenboots Drache Ende Juni und Anfang Juli 1882 hervorging und durch die modernen deutschen Terminfahrten bestätigt wurde. Überall findet sich eine salzarme, aber warme Oberflächenschicht, deren Temperatur stets 12°, nicht selten auch 15*^ übersteigt und 15 bis 30 m mächtig ist, je nach der Ergiebigkeit des baltischen Stroms und je nachdem er durch auflandige Winde gegen die Küste gedrängt oder durch ablandige seewärts ausgebreitet wird. Nach der Tiefe nimmt dann die Temperatur erst rasch ab, so daß sie bei 100 m zwischen 6° und 7°, bei 200 m um 6°, bei 300 m meist, aber nicht immer etwas unter 6° ist. Die folgenden ersten beiden Reihen, vom 18. August 1906 und 15. August 1905 auf der deutschen Station 8 (vor Ekersund in dS^ 22' N. B., 5° 31' 0. L.), geben ein gutes Bild für diesen Teil der Rinne und die daselbst von Jahr zu Jahr möglichen Veränderungen ; die dritte Reihe der schottischen Station Sc. 8, in 61 ^ 30' N. B., 3° 3' 0. L., vom 7. September 1905 mag die damaligen Zustände am nördlichsten Ende der Rinne verdeutlichen (die ein- geklammerten Werte beziehen sich auf 60 und 80 m). Stat. i i 0 10 20 30 40 50 75 100 150 200 250 5.80° 5.85 8.22 300 D 8 D 8 Sc 8 15.17» 15.09 12.05 15.16« 15.11 12.07 11.44« 1399 12.05 7.96° 11.99 11.76 7.26° 10.54 9.63 6.56° 8.08 (9.23) 6.20° 7.02 (9.01) 6.13° 6.51 8.87 6.04° 6.23 8.62 5.95° 6.18 8.43 5.90° 6.20 7.79 Der nördliche Teil erscheint von 50 m abwärts nicht unerheblich wärmer, was übrigens auch schon aus den Beobachtungen Mohns und des Kanonen- boots Drache ebenso hervorgeht; mit der höheren Temperatur geht auch ein hgher Salzgehalt Hand in Hand, und zwar fanden die Schotten ihn zwischen 60 und 200 m = 35.30 Promille und nach unten wieder abnehmend bis zum Boden in 394 m mit 35.19 bei der niedrigen Temperatur von 6.73°. Die stark 486 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. salzigen Schichten sind atlantischen Ursprungs, die tiefsten weisen schon auf Nordmeereinwirkung. Im November tritt durch herbstliche Wärmeabgabe von der Ober- fläche wieder eine gewisse allgemeine Ausgleichung ein, so daß der Charakter der Schichtung an den Mai erinnert, nur sind die Temperaturen allgemein höher. Im Süden und in der deutschen Bucht ist das Wasser entweder homo- therm oder auch schwach katotherm. So war auf der deutschen Station 2 südöstlich von der Doggerbank im November 1906 die Temperatur an der Oberfläche 11.20°, in 5 m 11.41° und so weiter bis 11.42° in 44 m. Ähnliche Temperaturen herrschten auch westwärts von der holländischen und belgischen Küste im November 1905; auf der Jütlandbank sind sie dabei um 1° bis 1^/2^ niedriger. Im Herbst tritt wieder die bereits für den Februar erwähnte, im Sommer fehlende, zungenförmige Einströmung von relativ warmem Wasser aus dem Britischen Kanal nach Nordosten hin auf, wo sie die ganze Wasser- säule mitten in den Hoofden homotherm mit einer gegen die Küstengewässer um 1 V2 bis 2 ^/2 ° erhöhten Temperatur erfüllt. — Nördlich von der Dogger- bank ist in dem Gebiet von weniger als 80 m Tiefe noch die sommerliche Schich- tung meist erkennbar, obwohl die obere warme Schicht nur um höchstens 2° bis 2^/2^ höher temperiert ist, als die von 50 oder 60 m abwärts liegende, auch im Sommer kalt gebliebene Unterschicht. Nur im November 1905 war auf der deutschen Station 4 am Westrande der Großen Fischerbank schon die Ausstrahlung so weit vorgeschritten, daß sogar eine schwache Katothermie herrschte. Zum Belege setze ich hier die Beobachtungen vom November 1904, 1905 und 1906 ein. Tiefen 0 5 30 50 60 80 m 15. Novbr. 1904 g.eg^» 9.43<> 9.430 9.43° 7.550 7.02° 18. Novbr. 1905 7.74 7.83 7.85 7.86 7.86 14. Novbr. 1906 9.25 1 9.34 — 9.04 — 6.37 Nach der schottischen Küste und dem über 100 m tiefen Nordteil der Nordseebank hin sind die Temperaturen der Oberschicht etwas höher, als im seichteren mittleren Teil; doch kann sich schon winterlich kato- oder auch mesotherme Schichtung einstellen. So war am 17. November 1905 die schot- tische Station 25 (58° 11' N. B., 0° 32' W. L.) mesotherm mit 9.15° an der Oberfläche, 9.39° in 10 m, 9.36° in 20 und 30 m, 9.09° am Boden in 110 m, dagegen am 18. November 1903 die östlich von den Shetlandinseln gelegene Station 7 schwach katotherm mit 9.04° von der Oberfläche bis 60 m und 9.14° am Boden in 135 m. Im Skagerrak ist ebenfalls mesotherme Schichtung recht häufig. An der bohuslänschen Küste (schwedische Station 15) war sie 1904 recht ausgeprägt (Oberfläche 7.3°, 20 m 11.15°, 50 m 10.91°). Über der größten Tiefe (Station 7) fand sich am 13. November 1903 folgende charakteristische Schichtung: Tiefe (m) Temp. (C") 0 8.70 30 10.97 60 7.47 700 5.40 Im November 1905 lag die wärmste Schicht auffallend tief, nämlich mit 9.01° in 60 m bei nur 3.97° an der Oberfläche und 5.63° am Boden. Der im Februar und August erwähnte Unterschied der Ränder gegen die Mitte fehlt wieder im November, wie auch im Mai. Derselbe mesotherme Typus herrscht Die Temperaturschichtung der Nordsee. 487 weiter westlich in der Rinne, und auch hier liegt die Schicht mit der Maxiraal- temperatur, sc"hwankend der Tiefe nach in den verschiedenen Jahren zwischen 30 und 75 m (auf der deutschen Station 8 vor Ekersund), und auch nach der Höhe der Temperatur zwischen 8.8° im. November 1905 und 11. 6*^ im November 1906 und 1903. Es hängt das zusammen mit der mehr oder \vt.higer reichlichen Zuführung des Tiefenwassers von der Nordseebank, insbesondere vom .Nord- rande der. Großen Fischerba;-^ ^ er, iü die Rinne hinab, wie das bei Darstellung des Salzgehalts zu erwähn. :i \.ar (S. 350 und Fig. 47). Weiter nach Norden hin, wo Johan Hjort oi^^ige Messungen vor dem Hardangerfjord ausgeführt hat, halten sich die niediigen Temperaturen der Bodi-nschicht, wie es scheint, mehr an der östlichen Seite der Rinne, während die westliche wärmer ist. Hjort fand am 24. November 1893: Stat. N. B. 0. L. , 0 38 56 94 132 188 Boden in m 26 28 59« 25' 59« 27.7' 3« 39.5'. ! 8.1° 4» 55.5' i 9.0 1 8.2« 9.0 8.2« 8.9 10.1« 8.9« (7.9) 8.9« ' 8.7« 216 66« 179 Auch am Nordausgange der Rinne vor dem Sognefjord fand Hjort damals noch die niedrige Temperatur von 6.0° in 358 m, gegen 7.8° in 282 m. Anhangsweise sei auch noch ein kurzer Blick auf die thermischen Ab- wandlungen in den gegen das Skagerrak hin sich öffnenden tieferen Fjorde geworfen, von denen der Chrfetiania- und Gullmarfjord am besten bekannt geworden sind. Der tief eingreifende C h r i s t i a n i a f j o r d ^) ist im südlichen und mittleren Teil bis Dröbak hin mit seiner mehrfach über 200 m tiefen Furcjie den Einwirkungen des benachbarten Skagerraks voll ausgesetzt, während der innerste Teil sich etwaö selbständiger verhält und namentlich die Land- wasserwirkung sich dort in größere Tiefen erstreckt. Da aber die Eingangs- schwelle gegen das Skagerrak nicht tiefer als 80 m ist, können auch die tieferen Einmuldungen der Furche nur unregelmäßige, schubweise erfolgende Füllungen mit stärker salzigem und kaltem Wasser empfangen, das sich dann oft längere Zeit fast unverändert erhält. Im Sommer ist das abfließende Landwasser reichlich vorhanden, der Salzgehalt sinkt an der Oberfläche unter 20 Promille, die Temperatur erhebt sich dafür über 20°, aber da wegen des nach der Tiefe hin rasch zunehmenden Salzgehalts jede Konvektion nach unten ausgeschlossen ist, nimmt die Temperatur sehr rasch ab. So fand sich unter anderem bei Hvitsteen (südlich von Dröbak) im Juli 1897: Tiefen (m) 1 r 10 20 30 40 50 60 100 200 Temp. (C«) . . Salzgeh. (Prom.) ! 18.0 1 21.8 11.9 30.2 10.2 ^ 31.6 7.25 31.8 5.78 32.7 5.60 32.9 4.91 34.0 5.70 34.8 5.15 34.8 Am Eingang des Fjords macht sich die oben erwähnte Randerwärmung des Skagerraks geltend und kann daher die sommerliche Erwärmung in größere Tiefen reichen, so daß dort noch in 60 m 12° beobachtet werden. — Im Herbst wird zwar die Oberfläche längsam abgekühlt, aber dafür ist die sommeiliche Durchwärmung nach der Tiefe hin vorgerückt, so daß im südlichen Teil des Fjords schon Ende September die Temperatur in 30 m um 2° höher sein kann, ') J. Hjort und H. H. Gran, in Report on Norwegian Fishery and Marine Investigations, Christiania 1900, vol 1, Nr. 2. 488 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. als an der Oberfläche: je weiter landeinwärts, desto geringer ist diese Nach- wirkung, und nördlich von Dröbak bleibt alles kühl. Folgende Zusammen- stellung nach Hjort und Gran bezieht sich auf Ende September 1897. Tempera tur Salzgeh< x\t (Prom.) Oberfl. 30 m Oberfl. 30 m Vallö . . 13.5« 15.7'' 18.65 32.48 Horten . . 13.8 13.0 20.94 31.67 Dröbak. . 13.5 11.1 20.34 32.43 Dyna . . 13.4 6.3 17.01 31.78 Das warme Wasser bei Vallö ist dem sogenannten Bankwasser (mit 3S bis 34 Promille) des Skagerraks zuzuzählen ; es dringt bei fortschreitender Ab- nahme der dünnen Deckschicht, diese von unten her ersetzend, iin Spätherbst tiefer und mächtiger in den Fjord hinein und kann dann im ersten Teil des Fjords in größere Tiefen hinab herrschen, als näher dem Ausgang. So fand sich am 14. Dezember 1896 bei Dröbak: Tiefen (m) 10 20 30 Temp. (C^) . . Salzgeh. (Prom.) 5.4 31.1 6.4 31.4 8.9 32.9 9.2 34.1 40 50 70 100 7.6 34.2 6.7 34.4 6.2 34.4 6.0 34.6 150 5.75 34.7 Im nördlichsten Becken (bei Steilene) war gleichzeitig in 100 m die Tem- peratur 7,6^ mit einem Salzgehalt von 33.1 Promille, also Bankwasser. In Jahren, wo das Bankwasser im Skagerrak schwach entwickelt und ozeanisches (von 35 Promille) an seine Stelle tritt, gelangt letzteres durch den Tiefenstrom selbst bis nach Dröbak hin, wo es sich in der dortigen Bodenmulde ansammelt» Das war am 20. März 1897 der Fall: Tiefen (m) 0 10 20 30 50 60 80 120 200 Temp. (C°) . . Salzgeh. (Prom.) 0.8 29.7 0.3 30.3 1.1 31.7 1.8 32.3 2.2 32.7 4.8 34.7 6.2 34.2 6.5 35.0 6.6 35.04 Im übrigen gestalten die wechselnden Windrichtungen durch Anstau und Auftrieb die Schichtung in allen Jahreszeiten sehr veränderlich. Unter den an der Ostseite des Skagerraks gelegenen bohuslänschen Fjorden ist der Gullmarfjord (landeinwärts von Lysekil) seit längerer Zeit (1869) genauerer Beobachtung unterworfen; F. L. Ekman der Ältere, A. Stuxberg,. vor allem Otto Pettersson und Gustav Ekman haben sich in dieser Hinsicht verdient gemacht^), indem sie namentlich die Beziehungen zwischen der Heringsfischerei und den physikalischen Zuständen des Wassers aufzuklären bemüht waren. Es ergab sich auch für diesen Fjord eine starke Abhängigkeit vom benachbarten Skagerrak, gegen das er sich mit einer Zugangstiefe von 46 m öffnet, während eine zentrale Furche in seinem Inneren bis 130 m hinab - ') Kgl. Svenska Vet. Akad. Handl, Stockholm 1870, Bd. 9, Nr. 4; 1891, Bd. 24, S'r. 11; öfversigt af K. Sv. Vet. Akad. Förhandl. Stockholm 1891, Nr. 1. — •Svenska Hydrografisk Biologiska Kommissionens Skrifter (seit 1902). Die Temperaturschichtung in den Fjorden am Skagerrak. 489 reicht. Aber die vorhandenen Einwirkungen sind unregelmäßiger Art, und namentlich erwies sich die Einwanderung von Bankwasser über die Zugangs- schwelle hinüber wesentlich abhängig von einem Seichterwerden des baltischen Stroms, der sich bei östlichen Winden weit ins Skagerrak hinein oberflächlich ausbreitet, während er bei westlichen Winden gegen die bohuslänsche Küste drängt und so die ganze Fjordmündung bis zum Boden beherrscht. Infolge dieser vom Wetter beherrschten Verschiebungen ist die Schichtfolge im Fjord auch in denselben Jahreszeiten von Jahr zu Jahr verschieden und erfolgt eine Erneuerung der tiefsten Bodenschichten oft erst nach längeren Pausen; wir haben solche Fälle bei der Untersuchung der im Tiefenwasser gelösten Gase bei früherer Grelegenheit erwähnt (S. 313). Hier seien folgende Beobachtungs- reihen, je zwei für den Sommer und für den Winter zusammengestellt. 1. Wasserschichtung im G u 1 1 m a r f j ö r d am 26. Ai 11 g. 1890: Tiefen (m) 0 10 20 30 40 50 70 100 120 Temp. (CO) . . Salzgeh. (Prom.) 16.0 22.3 15.2 26.3 13.9 31.8 13.0 32.2 12.0 32.3 9.5 33.0 5.8 34.6 5.8 34.77 5.8 34.74 2. am 12. Augus t 1901 : Tiefen (m) 0 20 30 40 50 60 70 80 100 Temp. (CO) . . Salzgeh. (Prom.) 20.78 21.60 16.81 29.88 14.26 31.29 7.40 32.99 6.27 34.00 4.66 34.40 4.58 34.51 4.55 34.54 4.66 34.54 3. am 17. F ebruar 1890: Tiefen (m) 0 10 20 30 40 50 70 100 ]30 Temp. (C°) . . Sa-lzgeh. (Prom.) 0.0 2.0 1.6 26.5 2.0 27.2 3.1 29.0 5.2 32.9 4.9 33.0 5.0 33.9 4.4 34.1 4.2 33.9 4. am 24. F ebruar 1891: ! Tiefen (m) 5 10 1 20 1 30 40 50 60 80 130 Temp. (CO) . . Salzgeh. (Prom.) 1.7 26.0 1.8 2.0 27.8 28.7 2.15 28.8 3.9 32.4 5.8 33.3 6.7 34.4 6.8 34.4 6.7 34.7 Wenn auch in allen Fällen im Niveau der Zugangsschwelle, unterhalb von 50 m, eine scharfe Grenze hervortritt, so sind doch Temperatur und Salz- gehalt in der abgeschlossenen Mulde jedesmal anders. Das Britische Randmeer ist nicht weniger als die Nordsee der alles stark durchmischenden Einwirkung der Gezeitenströme und des 400 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. Seeganges unterworfen. Im östlichen Ärmelmeer sind ebenso, wie das ähnlich für die Verteilung des Salzgehaltes zu bemerken war, wesentlich homotherme Säulen, senkrecht nebeneinander gestellt, in alternierender ostwestlicher Verschiebung angetroffen worden. Hier pflegt die Mitte des Kanals die stärker ausgeprägten ozeanischen Zustände zu bewahren, indem diese Wassersäule im Sommer etwas kühler, im Winter etwas wärmer sein kann, als die Küstengewässer i). Westwärts gegen die Mündung des Ärmelmeeres hin, bei zunehmender Wassertiefe, bildet sich in der warmen Jahreszeit wieder eine deutliche Temperaturschichtung heraus, wobei der Gegensatz zwischen einer kälteren Tiefenschicht gegen eine warme Deck- schicht hervortritt. Die südlich von Lizard gelegene Station E 2 der britischen Terminfahrten mag in ihren Zuständen an den vier Termin- monaten 1904 — 05 das Nähere veranschaulichen ; die Station liegt in 49*^ Datum 0 10 20 30 40 50 95 m 12. August 1904. . 1. November 1904 . 2. Februar 1905. . 13. Mai 1905 . . . 17.61 13.49 10.38 10.70 17.16 13.61 10.42 10.70 13.11 13.60 10.43 10.56 13.08 13.60 10.43 10.29 13.05 13.60 10.43 10.27 13.04 13.62 10.43 10.27 13.03 13.62 10.43 10.27 27' N. B., 4^ 42' W. L. Man bemerkt im Februar die fasl7.volle Homo- thermie, im November eine leichte Katothermie, Mai und August haben eine wärmere Deckschicht. Die gesamte Wärmeschwankung ist ozeanisch gemäßigt, zeigt aber den Phasenverzug in der Bodenschicht sehr deutlich, wo das Minimum im Mai, das Maximum im November auftritt. — Die Irische See ist erst nachträglich seit dem Frühjahr 1905 in das System der internationalen Meeresforschung einbezogen worden. Auch hier scheint im allgemeinen der homotherme Zustand in allen Jahreszeiten die Regel, abweichende Anordnung eine Ausnahme zu bilden. Im St. Georgskanal unter 52« V N. B., 5« 50' W. L. war so im Februar 1906 bei 97 m Wasser- tiefe die Temperatur von oben bis unten 8.6^, der Salzgehalt 34.8 Pro- mille, näher der irischen Küste geht die Temperatur unter 8« bis 7^2^ hinunter bei sonst gleichartiger Schichtung, und erst südHch von Queens- town (5P 25' N. B., 8*^ 14' W. L.) machte sich eine ozeanisch-anotherme Lagerung bemerkbar, indem an der Oberfläche 9.4*^, in 84 m 9.2° (bei 34.97 und 35.05 Promille) gefunden wurden. Im Mai war die Temperatur nur wenig höher, im August aber verschwindet strecken- und zeitweise die Homothermie zu Gunsten einer schwach ausgeprägten Anothermie, die am südlichen Eingang zum St. Georgskanal an der Oberfläche 14.65 ^'j in 64 m Tiefe 12.50° bringt und sich v^reiter westwärts steigert, so daß süd- lich von Queenstown (50° 45' N. B., 8° 4' W. L.) an der Oberfläche 16.05°, in 106 m 10.2° (mit 35.16 und 35.30 Promille) vermerkt werden. Im No- vember ist wieder alles homotherm (mit 11.8° bis 12.6°, je nach der Lage). — Im Nord k anal, der durch seinen starken Gezeitenstrom bekannt ist (2^/4 bis 3 Knoten sind die Regel, am Mull of Cantyre 5 Knoten häufig), ') H. N. Dickson, Scott. Geogr. Mag. 1893, Bd. 9, p. 27. Die Temperaturschichtung im Britischen Randmeer. 491 also die günstigsten Bedingungen für eine ergiebige Durchmischung dar- bietet, ist doch bei der großen (bis 238 m reichenden) Wassertiefe die unterste Schicht nicht ständig mehr mit beeinflußt: im Februar 1905 hatte die Oberfläche 7.1^, die Bodenschicht in 128 m 7.9^, während etwas östlich davon im Februar 1906 näher am Mull of Galloway die ganze 238 m mäch- tige Wassersäule homotherm mit 7.2^ und homohalin mit 34.5 Promille befunden wurde. Im Mai und August ist die Oberschicht wärmer; an der eben genannten tiefsten Stelle im Mai 8.8° gegen 7.9*^ in 238 m. Näher an Land gehen im August die Temperaturen der obersten Schicht über 13 bis 15 0, die Tiefen in mehr als 70 m bleiben unter 10 o, wo der Gezeiten- strom nicht örtlich verstärkt ist. Im November ist alles wieder homotherm, an der tiefsten Stelle aber eine Andeutung von Katothermie vermerkt bei 10.9« an der Oberfläche, 11. P in 238 m, mit 34.2 und 34.3 Promille. — Den gegen den Nordkanal sich öffnenden Firth of Clyde hat H. R. Mill auch in Bezug auf die Thermik genauer erforscht i). In dem noch vom starken Gezeitenstrom und Seegang aufgewirbelten südlichen Teil findet in der Eegel Homothermie statt, dagegen sind die binnenwärts von Arran sich mannigfach verzweigenden Fjordbuchten bei größerer Tiefe abweichend geschichtet, indem das oberflächlich aufgelagerte Landwasser der vollen Durchmischung meist mit Erfolg Widerstand leistet. So ist der Loch Fyne an seiner tiefsten Stelle (110 m) im April schwach und im Sep- tember stark anotherm, im Juni und Juli dichotherm, im November mesotherm, im Februar und Mär^ katotherm: Aus Mills graphischen Darstellungen entnehme ich folgende Werte für die Jahre 1886 — 87: Februar April Juni September November Oberfläche 37 m 110 m 5.5» 7.0 8.1 5.8» 5.6 5.3 9.4« 5.6 6.9 11.4» 10.8 6.4 .7.2« 10.2 7.1 Der schon hieraus erkennbare Phasenverzug in den tieferen Schichten ist von Mill näher geprüft worden ; er fand in der Bodenschicht das Minimum in den Jahren 1886 (mit 4.9«) und 1887 (mit 6.7 «) im April, 1888 im Juni (mit 5.8«); das Maximum im Februar 1887 (mit 7.9«) und Januar 1888 (mit 8.0«). Im allgemeinen betrug in diesen beiden Jahren der Phasen- verziig ziemlich gleichmäßig mit der Tiefe zunehmend in 50 m 35 Tage, in 100 m 100 Tage. — Über die Thermik des dritten Glieds dieses Briti- schen Randmeeres, des Minch, sind wir nur durch eine Sommerfahrt von Mill (1887) unterrichtet 2) : damals war die Schichtung typisch anotherm mit 12« an der Oberfläche, IO1/2 « in 40 m, 8.8« in 150 m. — Das Laurentische Randmeer ist nach seiner Lage zwischen sommerwarmen und winterkalten Landflächen und als Mündungsbecken ') Trans. R. Sog. Edinburgh Bd. 36, 1892, Nr. 23 und Bd. 38, 1894, Nr. 1; Auszug Geogr. Journal 1894, Bd. 4, S. 344. Nachträge in 15tli Ann. Report Scott. Fish. Board 1896, III, p. 262 f. 2) 6th Ann. Report Scott. Fish. Board 1887, App. p. 361 t 492 Die räumliche Verteilung der Temperaturen. für den wasserreichen St. Lorenzstrom sehr extremen Einwirkungen aus- gesetzt. Während die Oberfläche im Winter größtenteils mit Eis bedeckt und der Schifffahrt verschlossen ist, erwärmt sie sich nach W. Bell Daw- son^) im Sommer über 10° bis 18.3°. In der tiefen Mittelrinne und auch in den daran sich anschließenden drei Gliedern (Belle-Islestraße, St. Lorenz- Ästuar, Prinz Eduardsbucht) wird dann eine dichotherme Lagerung maßgebend, indem von der Oberfläche die Temperatur zunächst rasch abnimmt bis auf eine zwischen 55 und 90 m angeordnete Schicht mini- maler Temperatur im Betrage von — 0.6° bis -)- 1.1°. Nach der Analogie der in der Ostsee und sonst beobachteten Dichothermien haben wir hierin die Wirkung winterlicher Abkühlung von der Oberfläche her vor uns. Dawson bemerkt, daß diese Minimaltemperatur im Laufe des Sommers (von Juni bis Ende September) um 1 ° steigen kann, was nur durch Wärme- zufuhr von unten her zu erklären ist. Denn unter 90 m erhebt sich die Temperatur rasch auf 3° und in mehr als 300 m Tiefe auf 4.5° bis 5.0°; dieses tiefste Wasser hat 35.3 Promille Salzgehalt, ist also atlantischen Ursprungs. In den seichteren Randteilen ist natürlich im Sommer ano- therme Schichtung zu finden. Das ist auch in der Belle-Islestraße der Fall, die, gegen die kalte Labradorströmung geöffnet und den Flutstrom von dort empfangend, namentlich an ihrer Nordseite kalt ist, während der an der Südseite nach Osten hinausgehende Ebbestrom wärmeres Wasser mit sich führt. Noch in der tiefen Mitte der Straße ankernd, beobachtete Dawson so am 26. Juli 1894 folgende Schichtung: Tiefen (m) 18 37 55 Temperatur bei Flutstrom Temperatur bei Ebbestrom 7.8» 10.6 7.2» 10.6 4.4» 7.2 1.7» 2.8 Als niedrigste Temperatur fand er bei Belle-Isle in 73 m Tiefe — 1.1°, also echt arktisch kaltes Wasser, das aber nicht in den St. Lorenzgolf selbst hinüber gelangt. — Die Temperaturschichtung des Kalifornischen Rand- meeres ist von Alex. Agassiz ^) bei einem kurzen Besuch Ende April 4891 wenigstens im südlichen Teil slidwärts von Guaymas untersucht worden: sie trägt die Merkmale normal tropisch- ozeanischer Anordnung, wie sie den benachbarten pazifischen Gewässern eigen ist. Zum Beweise dessen seien im folgenden zwei Reihen zusammengestellt, von denen die erste von einer Station etwa 50 Seemeilen nordwestlich vom Kap Corrientes die ozeanischen Verhältnisse, die zweite aus 26° 48' N. B., 110° 45.3' W.L. Tiefen (m) 0 25 50 100 200 400 600 1000 1500 Boden in m 1. Temp.: 2. Temp.: 23.3» 21.1 20.0» 19.6 18.2» 18.0 14.7° 14.7 12.3» 12.0 9.3» 9.3 6.5» 6.5 4.7» 4.4 3.3» 3.1 2.2» 3698 2.9 1571 ') Vergl. oben S. 357, Anm. 1. ^) Bull. Mus. Compar. Zool. Harvard Coli. vol. 23, 1892/93, p. 17. Die Teraperaturschichtung im Laurentischen, Kaliforn. u. Tasman, Randmeer. 493 die des Süden des Randmeeres wiedergibt. Da dieses im allgemeinen seewärts gut aufgeschlossen ist und keine von Schwellen umgebenen, isolierten Eintiefungen von erheblicher Ausdehnung besitzt, dürfte die zweite Temperaturreihe als typisch gelten. Der nördliche seichtere Teil (29*^ bis 31 ^/2 " N. B.), der hinter einer Schwelle von 49 m eine Mulde von fast 400 m Tiefe birgt, dürfte in dieser eine homotherme Anordnung aufweisen; Agassiz hat ihn nicht besucht. Auch die Thermik des Tasman ischen Randmeeres ist noch nicht besonders erforscht worden; es dürfte auch wohl nicht gerade Bemerkenswertes darbieten, da seine Gewässer im W und 0 mit denen des benachbarten Ozeans wenig behindert zusammenfließen und der Boden von ziemlich gleichmäßiger Tiefe, also ohne isolierte Mulden ist. Die Schichtung wird daher im ganzen anotherm sein ; wollte man nach den At- lanten der Seewarte und einer benachbarten Station des Challenger (42^ 42' S. B., 134^ 10' 0. L.) schließen, so dürfte man die mittlere Jahres- temperatur der Oberfläche auf 15*^, am Boden in 90 m Tiefe auf rund 11 '^ schätzen. — 9. Die mittlere Temperatur der Meeresräume. Die im vorigen gegebene Übersicht über die senkrechte Verteilung der Temperaturen regt zu einem Versuch an, eine wenigstens in erster Annäherung zutreffende mittlere Temperatur der einzelnen Meeresräume, wie des gesamten Meeresblocks, zu berechnen. Die vorhandenen Lücken in unserer Kenntnis sind nicht mehr so beträchtlich, daß ein solcher Ver- such von vornherein als überflüssig und die aufgewandte Mühe nicht als lohnend bezeichnet werden könnte. Das einzuschlagende Verfahren ergab sich als eine Vereinfachung der bei Berechnung der mittleren Meerestiefe empfohlenen Feldermethode (S. 140); das Material wurde in folgender Weise hergerichtet. Die von G. Schott veröffentlichten Karten der Temperaturen im Atlantischen und Indischen Ozean sind, wie bereits bemerkt, von mir für den Pazifischen und die Nebenmeere ergänzt worden (S. 422), so daß mehr oder weniger vollständige Übersichten über die Temperaturverteilung an der Ober- fläche, in 100, 200, 400, 600, 800, 1000, 2000, 3000, 4000 m vorlagen. Der Nordatlantische Ozean wurde nun nach Zehngradfeldern, die übrigen Ozeane nach Zehngradzonen, die Nebenmeere nach wechselnden Zonen- streifen nach der Feldermethode bearbeitet und so für jeden Meeresraum (10^-Feld, Zonenstreifen) eine mittlere Temperatur im betreffenden Tiefen- niveau berechnet. Hieraus ließ sich dann eine Kurve der senkrechten Temperaturverteilung in den Zonenstreifen entwerfen, aus der durch eine Art graphischer Integration die zugehörige Mitteltemperatur gewonnen wurde. Da nämlich der Flächeninhalt der betreffenden Tiefenstufen ungleich, aber aus der Tiefenkarte bekannt ist, mußte bei dieser Inte- gration das Areal der verschiedenen Tiefenstufen mit einem entsprechen- den Gewicht für jeden Kurventeil in die Rechnung mit eingeführt werden. Der Rauminhalt der Zehngradzonen war aus früherer Ermittlung be- kannt (S. 143) und gestattete dann leicht, die mittlere Temperatur der einzelnen Ozeane und Nebenmeere zu finden. 494 I^i© räumliche Verteilung der Temperaturen. Das Ergebnis ist in der beistehenden Tabelle (S. 495) zusammengefaßt, wo für die drei großen Ozeane und den gesamten Meeresblock die Mittel- temperaturen nach Zehngradzonen und für die Nebenmeere im ganzen aufgeführt sind. Ein Blick auf Fig. 53 (S. 400), wo sich diese Werte ein- getragen finden, ermöglicht einen Vergleich mit den Oberflächentem- peraturen. Es zeigt sich zunächst die mittlere Temperatur der irdischen ]\leeres- masse mit etwa 3.8*^ sehr niedrig, namentlich auch im Vergleich zur Meeres- oberfläche mit 17.4°. Wie die Übersicht nach Zehngradzonen erweist, sind es besonders die kalten Gewässer der großen pazifischen Masse, die hierfür ausschlaggebend werden, während die Nebenmeere schon durch ihr geringes Volum zurücktreten, wenn sie auch durch die vorherrschend kleinen Tiefen mit den wärmeren Oberschichten im allgemeinen erhöhend wirken. Immerhin ist die zwischen dem Äquator und 10° N. B. gelegene Zone des Meeresblocks mit 4.9° ebenso die wärmste, wie das für die Ober- fläche, galt. Aber die Unterschiede zwischen 40° N. und 30° S. B. sind überhaupt gering, indem die Zonenwerte hier nicht unter 4.5° hinabgehen. Nach den höheren Nordbreiten ist der Abfall besonders stark, wo die großen Ozeane ein Ende nehmen und das Arktische Mittelmeer einsetzt. In den hohen Südbreiten liegt ein paradoxer Fall vor, indem die Temperatur der Ozeane in' 70° bis 80° S. B. etwas höher erscheint, als in der nächst niedri- geren Breitenzone zwischen 60° und 70° S. Es hängt das damit zusammen, daß der Pazifische Ozean nach den vorliegenden, wenn auch spärlichen Beobachtungen in diesen hohen Breiten allgemein wärmer erscheint, als der Atlantische und Indische: der letztere aber reicht nicht wesentlich mehr über 70° S. B. (nach unseren Annahmen über die Ausdehnung des antarktischen Kontinents) polwärts, und die kalte atlantische Masse kommt dann in der Zone von 70° bis 80° S. nicht gegen die wärmere und größere pazifische auf. Im allgemeinen sind in den großen Ozeanen die nordhemisphärischen Zonentemperaturen höher, als in den gleichen Südbreiten; nur der süd- pazifische Ozean ist zwischen 20° und 50° B. wärmer, als der nordpazifische, so daß bei dem großen in Nordbreiten dort aufgehäuften Wasservolum die Mitteltemperatur des nordpazifischen Blocks etwas (um etwa ^2 °) kleiner zu werden scheint. Besonders groß ist der Gegensatz der gleichen Breiten im Indischen Ozean, wo die Zone in 20° bis 30° N. mit 10 ^i ° eine mehr als doppelt so hohe Temperaturzahl aufweist als die entsprechende südliche Breitenzone (4^/4 °) ; doch ist die Wassermasse nördlich von20° N, B. nur gering an Volum. Wirksamer wird für die gesamten Zonentemperaturen der hochtemperierte Nordatlantische Ozean: im Vergleich zum Nord- pazifischen ist seine Durchschnittstemperatur um rund 1.7° höher. Unter den südhemisphärischen Meeren ist der Südpazifische überall wärmer als der Südatlantische, also nicht bloß in den hohen Breiten, wo er auch dem Indischen überlegen ist. Es scheint das auf Fernwirkungen des antarktischen Landes und des von diesem ausgehenden kalten Wassers zu beruhen, indem sich jenes in indischen und atlantischen Längen in niedrigere Breiten vorschiebt, als in pazifischen; es kam das schon in dem großen durch die Isanomalen der Oberfläche ausgedrückten Gegensatz dieser Gebiete zu Tage (S. 405). Die mittlere Temperatur des Ozeans. 495 Die mittlere Temperatur der Meeresräume. Breiten Atlant. Ozean Ind. Ozean Pazif. Ozean Ganzes Welt- meer Nebenmeere allein N. 90°— 80° 80"— 70° 70°— 60° 4.39 — — 0.89 -0.63 2.17 1. 2, Arktisches Mittelm. Australasiat. „ — 0.66 6.90 60°— 50° 50"— 40° 40"— 30° : 3.83 5.06 6.06 — 2.26 2.44 3.10 2.80 3.27 4.53 3. 4, 5. Amerikan. „ Romanisches Baltisches 6.60 13.35 3.91 30"— 20" : 20°— 10° i 10°— 0° : 5.76 5.09 5.03 10.27 7.43 5.85 3.83 412 4.53 4.70 4.77 4.92 6. 7. 8. 9. Hudsonsches Rotes Persisches „ Beringsches Randmeer 1.0? 22.69 24.0? N. 90°— 0° 5.35 6 57 3.66 4.34 2.0 r S. 0°-10° 100—20° 20°— 30° 30"— 40° 40°— 50" 50"— 60° 4.38 4 24 4.67 3.67 2.07 0.58 5.16 4.84 4.75 4.18 2.59 0.78 4.64 4.72 4.49 4.07 3.05 ^41 4.74 4.68 4.62 4.02 2.80 1.00 10. 11. 12. 13. 14. Ochotskisch. „ Japanisches Ostchines. Andaman. Kalif orn. 1.50 0.90 9.29 10.09 9.12 60°— 70° 70"— 80° — 0 22 — 0.22 — 0.22 — 0.22 0.40 0.30 0.02 0 09 15. 16. 17. 18. Deutsches Britisches Laurentisch. Tasman. 7.72 9.77 2 18 S. 0«^80° 2.99 3.44 3.72 3.47 12.50 Total 4.02 3.82 3.73 3.83 Bemerkung: Die zweite Dezimale hat überall nur rechnerischen Wert. Im ganzen genommen ist der Ozean mit seiner Mitteltemperatur von 3,8° für die Organismen also ein kalter Lebensraum; und doch ist das organische Leben dieser niederen Wassertemperatur anscheinend besser angepaßt wie der höheren, tropisch warmen, deren Besiedlung mit den die Hauptmasse der organischen Substanz repräsentierenden Planktonwesen erheblich zurück- steht gegen die kühleren und subpolaren Meere, worauf bei früherer Grelegefi- heit schon hinzuweisen war (S. 318). Es sind Probleme einer fernen Zukunft, zu untersuchen, ob das in früheren Zeitaltern der Erde ebenso gewesen ist, wie im jetzigen. Heute ist jedenfalls der Gegensatz von Klimazonen im obersten halben Kilometer der ozeanischen Wasserdecke entscheidend für eine feinere örtliche Differenzierung der Lebensformen, deren qualitativer Reichtum also damit steigt. Es ist eben außer der Wärme auch das Sonnenlicht von gleich- bedeutendem Einfluß auf die Entfaltung der organischen Welt, und so ge- winnt die durchleuchtete obere Schicht der Meere ein höheres Interesse, als die ganze übrige Wassermasse mit ihren hervorstechend abyssischen Zuständen. Die obersten Schichten des Ozeans' sind es auch, denen im Wärme- haushalt der Erdoberfläche eine besondere Bedeutung zukommt. In tropischen und subtropischen Breiten findet eine ergiebige Aufspeiche- 496 I^i® räumliche Verteilung der Temperaturen. rung der Sonnenwärme statt, die dann, durch die Meeresströmungen vom Golfstromtypus polwärts verfrachtet, auch höheren Breiten zu gute kommt. Unperiodische oder gar sekulare Schwankungen in der Sonnen- strahlung werden sich durch Variationen in dem so transportierten Wärmevorrat geltend machen. Hierbei ist jedoch eine Art Selbstregulierung im Ozean nicht zu vergessen. Wird durch gesteigerte Sonnenstrahlung in den niederen Breiten die Luftzirkulation beschleunigt, so steigert sich auch die Stärke der Oberflächentriften : dann aber treten in ihrem Bereich jene bedeutsamen Zerrungserscheinungen auf, die kaltes Tiefenwasser aufsteigen und sich dem Oberflächen wasser beimischen lassen. So kann also eine zu intensive Sonnenstrahlung auf den Festlandflächen durch Verstärkung der Passate und Monsune die Meeresoberfläche kühler werden lassen, als in Zeiten geringerer Sonnenwirkung der Fall ist. Immerhin könnte durch einen Vergleich der Temperatufschwankungen innerhalb einer Wassersäule, etwa der Sargassosee oder indischer Meeresstriche, durch viele Jahrzehnte hindurch ein gewisser Anhalt gewonnen werden über diese periodischen oder sekularen Schwankungen der Wärmezufuhr in die Meere hinein i). Zur Zeit ist man außer stände, die kurze Periode der Sonnenflecken oder die längere, an Ed. Brückners Namen geknüpfte 35jährige, in der Thermik der offenen Ozeane zu verfolgen. Für die Meere der gemäßigten Breiten, insbesondere die nordeuropäischen haben Otto Pettersson und nach ihm W. Meinardus durch eine Beihe verdienstvoller Untersuchungen 2) gewisse Abhängigkeiten zwischen den thermischen Zuständen im sogenannten Golfstromgebiet und dem Witterungscharakter des angrenzenden Nordeuropa zu enthüllen versucht. Unser Wissen von den Zuständen und Veränderungen der atlantischen Wassermassen aber ist bedauerlicherweise zur Zeit noch viel zu gering, um die offenbar vor- handenen Verkettungen in ihrem vollen Umfange genauer verfolgen zu können; das wird eine Aufgabe künftiger, hoffentlich nicht zu ferner Zeiten sein. Nur für das Auftreten kalter oder warmer Winter darf eine ursächliche Beziehung zum Golfstrom bereits als erwiesen gelten. Die an den Nordatlantischen Ozean angeschlossenen Nebenmeere, wie die Nordsee und in abgeschwächtem Maße auch die Ostsee, werden vom Ozean her also auch in wechselndem Maße beeinflußt und damit die vorher er- wähnten von Jahr zu Jahr verschiedenen Temperaturen namentlich auch der tieferen Schichten erklärt werden können. Jedoch darf man auch die örtlichen Witterungsverhältnisse hierbei nicht vernachlässigen: die sie beherrschenden zyklonalen oder antizyklonalen Luftwirbel sind nicht bloß und ausschließlich von dem schwächeren oder stärkeren Gegensatz in der Erwärmung des Wassers gegen die des benachbarten Landes ab- hängig, sondern folgen noch anderen, den Meteorologen noch keineswegs genau bekannten Vorbedingungen; Deshalb dürfen auch die in der letzten Zeit mehrfach unternommenen kalorischen Kechnungen nicht überschätzt werden, wenn sie auch einen sehr bedeutsamen und notwendigen Einblick in den Wärmeumsatz zwischen Meer und Atmosphäre enthalten. Es soll darum zum Schluß auf diesen Punkt noch kurz eingegangen werden. *) So schon sehr früh von Arago gefordert: Comptes Rendus Aoad. Paris 1840, Bd. 11, 2, p. 309. 2) Zuerst Met. Zeitschr. 1896, S. 285. Der Wärmeumsatz zwischen Meer und Atmosphäre. 497 Die für solche Betrachtungen geeigneten Meeresteüe sind nicht im offenen Ozean zu suchen, wenigstens zur Zeit noch nicht, da uns die dort vor sich gehenden Wärmeänderungen der oberen Wasserschichten allzu wenig bekannt sind, wie sie überdies stets durch Strom Vorgänge gestört sein werden. Die abgeschlosseneren Mittelmeere empfehlen sich auch in dieser Hinsicht durch ihre einfacheren Verhältnisse. Deshalb haben sich auch Meteorologen, wie W. v. Bezold, Joh. Schubert und Jos. Hann bereits mit der Berechnung der von Wasserflächen und so auch vom Mittel- meer und der Ostsee in der jährlichen Periode umgesetzten Wärmemengen befaßt, und namentlich Schubert^) hat daraus sehr lehrreiche Beziehungen abzuleiten verstanden. Seine Folgerungen bleiben auch im wesentlichen bestehen, w^enn wir die von ihm vorzugsweise benutzten Leuchtschiff- stationen im Kattegat ausschalten, da die hier eingreifenden Strömungen das Bild notwendig verschieben müssen, zumal die oberen und die unteren Schichten sich in anderer Richtung bewegen. Stromfreie oder do( h von Strömungen sehr wenig gestörte Meeresteile sind immer vorzuziehen Anderseits aber haben Schubert und Hann die tmtere Grenze, bis zu der die jährliche Periode in die Tiefen hinabreicht und Wärmeumsätze zur Folge hat, nicht ganz richtig bemessen; sie haben diese Tiefen unter- schätzt, insbesondere für das Mittelmeer. Nach unseren früheren Dar- legungen (S. 418) ist im westlichen Mittelmeer dieses untere Niveau auf mindestens 300 m, im östlichen auf 500 m anzusetzen, wo die winterlich von der Oberfläche aus entstehende homotherme Grundschicht im Hoch- sommer einsetzt. Aimes Daten ergeben unter der Voraussetzung, daß die von ihm gemessenen Temperaturschwankungen in den verschiedenen Niveaus als normal und durch vertikale Ströme nicht gestört gelten dürfen, einen Wärmeumsatz zwischen der wärmsten und kältesten Zeit von 676 000 Kilogramm-Kalorien pro qm; nach Semmolas Messungen erhalten wir, wenn als unteres Niveau nur 300 m gesetzt werden^ 614 000 Kai.; für die österreichische Station 37 südlich von Kreta (34 ^ 44.6' N. B., 22 ^ 32. 7' 0. L. am 29. August 1890) bis 500 m 763 000 Kai, für das Schwarze Meer bis 65 m aber nur 301 000 Kai. Zwischen dem letzteren und den ersteren Werten steht dem Range nach anscheinend die Ostsee. Legen wir die Veränderungen in der Danziger Bucht zu Grunde (Station 12 der deutschen Terminfahrten), so ergibt sich vom 6. August zum 9. Novem- ber 1905 bis 70 m Tiefe ein Umsatz von 246 500, und vom August bis zum 7. Februar 1906 von 514 000 Kai. Schwächer ist der Umsatz in der Nordsee, in deren fast stromloser Mitte am Westrande der Großen Fischer- bank die deutsche Station 4 (56*^ 41' N. B., 2° 15' 0. L.) noch am besten für solche Untersuchung liegt; der Umsatz vom 13. August 1905 bis zum 15. Februar 1906 war 295 000 Kai. 2). Nach Hann ist der jährliche Umsatz im Genfer See auf 370 000, im Bodensee auf 250 000 Kai. pro qm Ober- fläche zu veranschlagen. Da 1 cbm trockene Luft zu seiner Erwärmung ^) Insbesondere in seiner kleinen Schrift: Der Wärmeaustausch im festen Erd- boden, in Gewässern und in der Atmosphäre. Berlin 1904, wo auch die ältere Literatur erwähnt ist. Neueres in Met. Zeitschr. 1906, S .377. 5ü9 u. 512. 2) Die Berechnung erfolgt nach der Formel K — C {t — 1^) h , worin C die Wärmekapazität für die Volumeneinheit (s. S. 279), t die mittlere Temperatur der Wassersäule im August, ^j im Februar bedeutet und li die Wassertiefe in m. Krümmel, Ozeanographie. I. 32 498 I^as Eis im Meer. um 1 ^ eine Wärmemenge von 0.3077 Kai. verbraucht, vermag also eine von der oberen Wasserschicht vom Sommermaximum bis zum Winter- minimum in etwa 180 Tagen an die Atmosphäre abgegebene Wärme- menge von 500 000 Kai. täglich eine Luftsäule von 9000 m Höhe um P zu erwärmen. Diese sich täglich wiederholende Zufuhr muß sich auf die Küstengebiete und Inseln unserer Ostsee sehr fühlbar geltend machen; sie erklärt die in den Herbst hinein sehr günstig verlängerte Vegetations- periode schon auf der Insel Rügen, noch mehr auf Bornhöim, am meisten auf Gotland, wo der lange milde Herbst viele, sonst in diesen Breiten schlecht gedeihende Obstbäume, wie die Walnuß, ihre Früchte reifen läßt und sogar den Zuckerrübenbau ermöglicht. Im Mittelmeer wird eine Luftsäule von 9 km Höhe in der genannten Zeit nicht um 1°, sondern um l.S*^ täglich erwärmt und damit die große Begünstigung seines Litorals im Winter vollkommen verständlich. — Anderseits wird aber auch in der Zeit von Februarminimum bis zum Sommermaximum ein Binnengewässer die zugeführte Sonnenwärme in seinen oberen Schichten bis zu stetig steigenden Tiefen hin aufspeichern, so daß sich die eigentliche Oberfläche nicht in gleicher Geschwindigkeit erwärmt, wie das Festland, wo das Eindringen der Sonnenwärme sehr gering bleibt. So wirken die im Winter stark aus- gekühlten Wasserflächen der Ostsee im Frühjahr verzögernd auf die Er- wärmung der Küsten- und Inselgebiete, eine Erscheinung, die aus phäno- logischen Beobachtungen lange bekannt ist. Verspätet sich doch das erste Buchengrün und die Obstbaumblüte an der deutschen Ostseeküste um einen vollen Monat gegen das mittelrheinische Gebiet. Noch stärker retardierend müssen regelmäßige Eisdecken, wie auf den großen kanadischen Seen oder in der Hudsonbai und dem Ochotskischen Meere wirken, wo dann die Küsten sogar dem Baumwuchs keine genügend lange Vege- tationsperiode darbieten und, wie in Sachalin, in mitteleuropäischen Breiten eine arktische Tundra das Litoral beherrschen kann. In den niederen Breiten aber, wo der Temperaturgradient vom Meer zur Luft in allen Jahreszeiten gleich gering ist, wird auch der direkte Wärmeumsatz zwischen beiden stets schwach bleiben. IV. Das Eis im Meer. In den höheren Breiten bewirken die niedrigen Wintertemperaturen, besonders in den Nebenmeeren und in der Nähe der kontinentalen Kälte- pole, eine so starke Abkühlung, daß große Flächen der Meere an ihrer Oberfläche gefrieren. Zu diesen eigenen Eisbildungen des Meeres treten dann auch solche des benachbarten Landes in Gestalt von Trümmern der winterlichen Eisdecke der Flüsse und von abgelösten mehr oder weniger umfangreichen Teilen der das Meer erreichenden Gletscher. Alle drei Arten von Eis, das Meereis, Flußeis und Gletschereis, werden von den herrschenden Meeresströmungen erfaßt und in der Regel nach dem offenen Ozean oder doch in der Richtung auf diesen hin weggeführt, so daß neben einer winterlichen Eissperre noch eine längere oder kürzere Zeit oft über Frühling und Sommer hinaus fortgesetzte Eistrift die höheren Breiten beider Hemisphären kennzeichnet. So gewinnen diese Eisbildungen auch für Das Flußeis und das Meereis. 499 niedere Breiten eine große, wenn auch nach Ort und Zeit verschiedene Bedeutung, und sie erfördern deshalb eine systematische Darstellung. Von den genannten drei Arten des Eises ist über das Flußeis rasch hinwegzugehen: es ist eine seltene und auch im Bereiche der groBen Fluß- wasserergüsse, die das arktische Mittelmeer von den nordrussischen, sibirischen und nordamerikanischen Strömen empfängt, untergeordnete Erscheinung. Den südhemisphärischen Eistriften mangelt das Flußeis gänzlich, da von dem dortigen Lande fließende Süßwasserströme unbekannt sind und auch schwerlich aufgefunden werden dürften. Das F'lußeis des Karischen Meeres und der Barentssee ist nach Weyprecht schon durch seine glasgrüne Farbe von dem Meereis leicht zu unterscheiden ; die Trantier- jäger gehen auch kleineren Stücken gern aus dem Wege, da es erheblich härter ist als das Meereis. Dieses letztere und das die Eisberge liefernde Gletschereis spielen in dem Meeren eine ungleich wichtigere Rolle. Das M e e r e i s ist gefrorenes Seewasser. Wir haben bei früherer Gelegenheit die eigentümliche, allen Salzlösungen zukommende Erniedri- gung des Gefrierpunkts kennen gelernt (S. 240), so daß Seewasser nicht nach Abkühlung auf 0^ gefriert, sondern merklich niedrigere Temperaturen hierfür erforderlich sind. Die Temperaturschichtung wird noch dadurch verwickelter, daß auch das Dichtigkeitsmaximum bei den verschiedenen Salzgehalten an eine verschiedene Temperatur gebunden ist (S. 235). Ehe eine gegebene Wassersäule der Ostsee Eis bildet, pflegt darum eine lebhafte vertikale Konvektion die Schichten so angeordnet zu haben, daß die dichtesten von den leichteren überlagert werden, wobei dann die oberste Schicht allmählich die niedrigste Temperatur annimmt. Wasser von 7.5 Promille, wie es die offene Ostsee in einer Mächtigkeit von 50 bis 70 m beherrscht, hat sein Dichtemaximum bei -f 2.35'', seinen Gefrierpunkt aber bei — 0.40'^; die größte Dichte, die es annehmen kann, ist =1,006-18, beim Gefrierpunkt aber ist die Dichte nur = 1,00597. Bei ozeanischem Wasser aber von 35 Promille liegt das Dichtemaximum mit 1,028-22 bei — 3.52^ der Gefrierpunkt bei —1.91'^ mit einer Dichte von 1,028-21, was so gut wie gar nicht von der des Maximums verschieden ist : in diesem ozeanischen Wasser wird also die ganze gegebene Wassersäule bis auf den Gefrierpunkt abgekühlt werden können. In der Ostsee wird aber auch tatsächlich nicht bloß die oberste Schicht auf den Gefrierpunkt gebracht, sondern durch mechanische Vermengung bei Stürmen auch den tieferen Schichten eine niedrige Temperatur zugeführt, wofür wir bei früherer Gelegenheit eine Reihe von Beispielen aufführen konnten. Bei ruhiger Witterung, wie sie bei strengem Frost in hohen Breiten sehr häufig ist, aber auch bei lebhafterem Seegang kommt es nun keines- wegs zur Eisbildung in dem Augenblicke, wo der Gefrierpunkt an der Oberfläche erreicht ist. Vielmehr scheint eine erhebliche Unterkühlung nicht bloß möglich, sondern in der Tat überaus häufig zu sein. E. Edlund ') hat vor längerer Zeit schon darauf hingewiesen, wie die Tatsache der Unterkühlung gerade des Seewassers schon früh aufgefallen ist (Nairne 177(5), und daß Seewasser dann sogar beim Schütteln noch keine Kristalle ') Poggendorffs Annalen 1864, Bd. 121, S. 516 1 500 I^^s Eis im Meer. bildet Die von ihm, auch mit A. E. Nordenskiölds Hilfe, aus dem Bereiche der Ostsee und des Skagerraks gesammelten zahlreichen Beobachtungen der Seefischer, die dann auch von Karl Möbius und H. A. Meyer') für die Kieler Bucht bestätigt wurden, lassen keinen Zweifel daran übrig, daß die hier in strengen Wintern so häufige Bildung des sogenannten Grundeises damit in Zusammenhang steht. Leider fehlt es noch häufig an gleichzeitigen Bestimmungen der Wassertemperatur, so daß dieses auch für die praktische Seefischerei wichtige Phänomen nicht in allen Fällen völlig aufgeklärt werden kann. Offenbar genügt die innere Reibung der Wasserteilchen aneinander beim Seegang durchaus noch nicht, um den Kristallisations- prozeß einzuleiten. Wo das so bewegte unterkühlte Wasser aber an festen Gegenständen vorbeistreicht, scheint der erforderliche Anreiz gegeben. Das ist bei seichtem Wasser der Fall am Meeresboden, an den darauf wach- senden Seegräsern und Tangen, aber auch an Maul und Kiemen der Fische, gleichviel ob diese sich in Freiheit bewegen oder in Fischkästen für den Verkauf aufbewahrt werden; dann gehen viele Fische durch Erfrieren zu Grunde-). Nach Aussagen der norwegischen Fischer am Kristianiafjord fliehen die Fische dann seewärts hinweg aus diesem „flüssigen Eis" in wärmere Wasserschichten, oft aber doch ohne Erfolg, denn gerade durcJti ihre heftigen Bewegungen wird leicht die Eisbildung eingeleitet. — So beobachtet man auch in strengen Wintern an der bohuslänschen Küste im salzarmen Wasser des baltischen Stroms aus der Tiefe heraufkommendes Eis, das sich an der Grenze gegen noch starker abgekühltes Kattegatwasser, welches darunter liegt, plötzlich bildet. In einem von 0. Pettersson^) ge- nauer beschriebenen Falle vom Januar 1879 hatte die Unterschicht des Kattegatwassers — 1.4", der baltische Strom nur — 0.8". Das aus einer solchen Zwischenschicht aufsteigende Eis kann nicht gut mehr als Grund- eis bezeichnet werden; vielleicht empfiehlt sich für die ganze Erscheinung daher die an der Unterelbe übliche Benennung als Siggeis. Das so gebildete Eis erscheint dann, dem Auftriebe folgend, gewöhnlich in Stücken von der Größe eines Tellers, seltener in der eines Tonnenbodens (nach Norden- skiöld) an der Oberfläche, ui i bringt öfter als Kennzeichen der Grundeis- bildung eingefrorene Steine und erdige Einschlüsse mit sich herauf. Das Aufsteigen des „Tellereises" erfolgt ganz plötzlich und dann sehr rasch zugleich auf v^eiten Flächen, so daß Fischer mit ihren Booten in kurzer Zeit unbeweglich werden und nicht selten schon nach 1 — 1 ' '2 Stunden auf der tragenden Eisdecke das Land gewinnen konnten. Wie alle unterkühlten Flüssigkeiten durch Einsäen eines Kristalls zum raschen Gefrieren gebracht werden, so begünstigt nach der häufig ') Fauna der Kieler Bucht, Leipzig 1865, Einleitung S. VIII. 2) Meyer und JV^öbius a. a. 0. berichten: „Etwas außerhalb Laböe gräbt man feinen weißen Sand zum Scheuern und Bauen aus 4 bis 5 Fuß Wassertiefe. Dieser ist im Winter, ehe noch die Eisdecke auf der Oberfläche erscheint, häufig mit einer fingerdicken Eiskruste überzogen, welche die Sandgräber mit Mühe ab- kratzen müssen, ehe sie den Sand schöpfen können. . . . Bei klarem ruhigen Frost- wetter, wenn kein Schnee fällt, sieht man oft unter dem Wasser am Seegras und an Tangen Eis hängen. Sehr oft ziehen die Fischer ihre Netze, nachdem die- selben von einem Tage bis zum andern im Wasser gestanden haben, mit erfrorenen Fischen und mit Eisüberzügen an die Oberfläche, und zwar aus Tiefen bis zu 30 Fuß (tiefer werden im Winter keine Netze gestellt)." «) Ann. d. Hydr. 1897, S. 73. Struktur des Meereises. .01 Fig. Gt). wiederholten Erfahrung der Polarfahrer ein Schneefall die Eisbildung ganz ersichtlich. Auch zwischen Treibeis und in Spalten der festen Packeisdecke erfolgt bei hinreichender Temperaturerniedrigung das (Jefrieren ohne wesentlichen Verzug. Der Vorgang beim Gefrieren selbst ist oft geschildert worden: die Beobachter sehen zuerst einzelne Nadeln an den Rändern der Eisschollen anschießen, oder richtiger lang gestreckte, prismatisch oder platt ausgezogene Kristalle des hexagonalen Systems, die anfangs wenig Zusammenhang haben, dann sich wie die Blättchen eines Farnkrauts verzweigen, oft auch einem Tannen- zweig oder riesigen Schneeflocken ähn- lich^), zuletzt aber einen Brei bil- den und immer dicht<3r aneinander schließen. Hierbei' stellen sich die Kristallplättchen senkrecht gegen die Gefrierfläche, wodurch das See wasser- eis eine ganz charakteristische Struk- tur erhält, an der es vom Gletschereis leicht zu unterscheiden ist. Beim Gefrieren aber wird Salz abgeschieden, und ich bin geneigt, in dem Diffusions- strom, der sich hierbei bildet, die Kraft zu sehen, die diese Einstellung der Eiskristalle senkrecht zur Oberfläche, also in der Richtung dieses moleku- laren Stroms bewirkt (vgl. oben S. 239). Die Tatsache, daß sich beim Gefrieren von Süßwasser in Flüssen und Seen die Eisplättchen ganz anders und vornehmlich parallel zur Gefrierfläche einstellen, spricht ebenfalls für diese Deutung, denn in diesem Falle muß ein Diffusionsstrom fehlen, und die Plättchen drängen sich im Auftrieb wegen ihres kleineren spezifischen Gewichts möglichst gegen die untere Fläche der zuerst gebildeten Eisdecke. Aber nicht nur, daß sich im Seewasser die Plättchen senkrecht stellen, sie ver-einigen sich auch, wie wir seit den verdienstlichen Untersuchungen E. V. Drygalskis^) an grönländfschem Fjordeise wissen, zu Körnern. Schleift man ein Stück Meereis parallel zur Gefrierfläche auf einer wannen Metallplatte, so wird die Kornstruktur sichtbar: jedes Korn, von Pflaumen- ') Die bei G. Hellmann, Schneekristalle, Berlin 1893, als Nr. 1 und 5 dar- gestellten Formen habe ich in gefrierendem Nordseewasser beobachtet. 2) E. V. Drygalski, Ostgrönlandexpedition, Berlin 1897, Bd. 1, S. 423 und 476 (hier die Kristallographie der verschiedenen Eisarten) ; schon vorher Verh. des 11. D. Geogr.-Tages in Bremen 1895, S. 18 f. Auch Ar9towski und Ferrar, sowie A. Bamberg haben wichtige Beobachtimgen beigebracht. — Wie der obige Text zeigt, habe ich mich der von Drygalski gegebenen Erklärung der Strukturverhält- nisae des Süßwassereises nicht angeschlossen. Faserstruktur des Meereises bei einem Schnitt senkrecht gegen die Oberfläche. Bei L Luftblasen. Die Korustruktur ist aus dem helleren und dunkleren Schatten erkennlnir. (Nach A. Bamberg.) Natiirl. Größe. 502 Das Eis im Meer. ^■^fi^^M- m^m^ oder Nußgröße und abgestumpft eckigem Umrisse, besteht aus einem Bündel im Querschnitt getroffener Plättchen; in jedem Bündel sind die Plättchen alle unter sich parallel, aber anders als im Nachbarbündel orientiert. Korn schließt sich senkrecht an Korn, so daß eine solche Scholle eine von oben nach, unten faserige Struktur empfängt: deshalb läßt sich das Eis oft noch leicht mit einem Stabe von oben her durchstoßen, und sind die Bruchflächen der Schollen stets senkrecht zur Oberfläche. Durch dieses stengelige Gefüge unterscheidet sich das Meereis leicht von jedem anderen, namentlich auch vom Gletschereise , wo jedes Korn seine Platten in einer anderen Richtung angeordnet zeigt (vergl. die Fig. 66, 67, 68). Erfolgt das Gefrieren sehr rascji , wie es in der Polarnacht die Regel bildet, namentlich, wo das Seewasser in frisch gebildeten Spalten und Waken zwischen Packeisschol- -^^S- "'• len plötzlich dem schärfsten Froste ausgesetzt wird; so kann das abgeschiedene Salz nicht sogleich entweichen, son- dern friert mit ein; es bildet dann zwischen den Kristall - fasern eingeschaltete Flüssig - keits- und Gaseinschlüsse. Mehr oder weniger reichlich finden wir so in allem neuen Meereis einen gewissen Salz- gehalt, der beim Schmelzen leicht nachzuweisen ist, und zwar nicht nur in den oberen zuerst gebildeten Schichten, sondern durchweg. Zuerst an den sibirischen Küsten, dann auch sonst überall in den hohen Nord- und Südbreiten hat man im Winter dieses so eingefrorene Salz an die Ober- fläche ausblühen sehen. Arctowski^) hat diesen Sublimationsvorgang im Eise vor Alexander I.-Land genauer beobachtet; ebenso Weyprecht^), der diese Ausblühung schon wenige Stunden nach dem Gefrieren be- ginnen sah: die Kristalle schießen büschelweise beisammen stehend an einzelnen Stellen hervor, wachsen mehrere Zentimeter lang und werden rasch häufiger, so daß die glatte Oberfläche des jungen Eises bald einer überreiften Wiese gleicht. Indem die feinen Eisnadeln, die an ihrer Spitze die Salzkristalle tragen, immer dichter aneinander rücken, bilden sie nach 24 Stunden eine mattweiße Schicht, die der Uneingeweihte für frischen Schnee halten könnte. Die sibirischen Elfenbeinsammler, die im Frühjahr vom Festland nach den Neusibirischen Inseln hinüberfahren, verwenden das ausgeblühte Salz zu Speisezwecken und nennen es Rassol ') Petermanns Mitt., Ergh. 144, 1903, S. 76; Abbildung auch in Geogr. Jour- nal 1901. Bd. 18, 8. 383. 2) Metamorphosen des .Polareises, Wien 1879. S. 57. Schnitt senkrecht gegen die Eisplättchen des Meereises zur Verdeutlichung der Kornstruktur. Stanniolabdruck in natilrl. Größe. (Nach E. V. Drygalski.) Die Salzeinschi iisse im Meereis. 503 OS. (Lake oder Sole), daher dann die ganze Erscheinung ihren Xanien empfangen hat. Das Verhalten der im Seewasser gelösten Salze beim Vorgange des Gefrierens ist sehr merkwürdig, und da sich daran gewisse ozeanographisch bedeutsame Folgerungen knüpfen lassen, muß hier näher darauf eingegangen werden. Wenn eine einfache verdünnte Salzlösung unter ihren Gefrierpunkt ab- gekühlt wird und zu gefrieren beginnt, so haben wir nebeneinander fest«'s Eis, festes Salz und die Lösung. Bei weiterer Temperaturabnahme gibt die Lösung immer mehr Eis und Salz her, bis bei einer sehr niedrigen Temperatur nur noch ein Konglomerat von Eis- und Salz- kristallen vorhanden ist. Das ist das sogenannte Kr-yohydrat, und die zuge- hörige Temperatur heißt die eutektische. Nun stellt sich heraus, daß, ebenso wie beim Abdampfen des Seewassers, auch beim Gefrieren die verschiedenen Salz- komponenten, wegen ihrer verschiedenen eutektischen Temperatur, sich in einer bestimmten Reihenfolge abscheiden, die allerdings hierbei eine andereist, als beim Abdampfen (S. 223). Auf diesen selek- tiven Vorgang hat zuerst Otto Petters- son (1883) aufmerksam gemacht. Die eutektische Temperatur ist am höchsten beim Natriumsulfat mit — 0.7^, dann folgt Kaliumchlorid mit — 11.1^, Na- triumchlorid mit — 21.9^, sodann Mag- nesiumchlorid mit — 33.6° und Calcium- chlorid mit — 55*^. Beim Gefrieren fällt also nicht Gips (Calciumsulfat), sondern Natriumsulfat zuerst aus. Die Versuche W. E. Ringers^) ergeben, daß schon vor diesem eine Abscheidung des kohlensauren Kalkes beginnt, worin ein Hinweis darauf liegt, daß das Seewasser an diesem un- gefähr gesättigt ist (S 319). Jedoch zeigt sich auch bei diesem Gemisch verdünnter Salzlösungen, als die wir das Seewasser aufzufassen haben, die nicht gerade überraschende Tatsache, daß infolge der Anwesenheit der anderen Salze die Abscheidung des Natriumsulfats nicht bei der eutektischen Temperatur — 0.7° der einfachen Lösung eintritt, sondern im Seewasser erst bei — 8.2°; bei weiter erniedrigter Temperatur ist die Abschei- dung zuerst sehr rasch, dann langsamer. Analytisch läßt sich der Prozeß am leichtesten und sichersten durch Bestimmung der Schwefelsäure {SO^) in der Mutterlauge bei fortgesetzter Temperaturerniedrigung verfolgen. Indem Ringer das Verhältnis der Schwefelsäure zum Chlorgehalt feststellte, erhielt er folgende Reihe : Kornstruktuv des (iletscheroises von einem Eisberge. Natiirl. Größe. (Nach A. Hamberg.i Temperatur SO3 : Cl = —8.20 0.118 -90 0.080 — lO'^ 0.053 22*^ 0.036 -15« 0.024 —20" 0.012 0.007 ^) Verhandelingen uit et Rijksinstituut voor het onderzoek der zee. 1. Deel, 1906. Die ältere Literatur ist gut bei O. Pettersson, On the properties of water and ice, in Vega Exped. Vetenskapl. lakttagelser, Bd. II, Stockholm 1883, p. 301. 504 I^as Eis im Meer. Wenn neues Seewasser durch Poren und Höhlen des Eises hinzukommt, so wird ihm immer mehr Sulfat entzogen ; die übrigbleibende Mutterlauge ist dann relativ um so reicher an Chlor. Tritt jedoch eine Erhöhung der Temperatur über — 8^ ein, so wird das Natriumsulfat wieder in Lösung gehen, was also regelmäßig der Fall ist, wenn das Eis schmilzt. Dies geschieht nun selten an derselben Stelle, wo es entstanden ist; in der Regel wird es durch die Meeres- strömungen weithin verfrachtet und außerhalb der Polarräume schmelzen. Hierbei gibt es dann die eingeschlosseueri Sulfatkristalle an das umgebende Seewasser in Lösung, und stellt man in diesem den Gehalt an Schwefelsäure fest, so erweist er sich als stark über dem normalen. Auch diese Tatsache ist zuerst von Otto Pettersson erkannt worden, der dann auch darauf hinwies, daß eine Anreicherung an Schwefelsäure ein ozeanographisches Kennzeichen für Zumengung von Eisschmelzwasser bedeutet, wie umgekehrt ein unternormaler Gehalt an SO^ beweist, daß das Meerwasser Eis hergegeben haben muß, worin ihm das Sulfat entführt ist. — Ringers Experimente ergaben, daß die Schwefelsäure in der Tat als Natrium- sulfat herausfällt, und zwar mit der fortschreitenden Abnahme der Temperatur in steigender Menge. So fand er, daß in 1000 g eines Seewassers von 35.05 Pro- mille Salzgehalt bei fortgesetzter Abkühlung das Verhältnis des flüssigen zum festen Teil, und im letzteren das NaiSO^, in Gramm betrug: Bei Temperatur . . . . = 1.50 429.5 570.5 0.0 —8.2° -10° -15« —23» Flüssig . . . . . . . — Fest 1 . = Darin Na,SO, . . . . = 281.5 718.5 0.0 234.0 766.0 X84 186.1 813.9 3-09 134.9 865.1 3.68 Aus Meereis erhaltenes Schmelzwasser zeigte die entsprechende Erhöhung des Schwefelsäuregehaltes sehr deutlich : Das normale Verhältnis von SO^ : Gl in See Wasser ist = 0. 11 5 (vergl. S. 219). Li Meereis, das bei — 15° gefroren war, erhob es sich auf 0.161, in bei — 20.4 <^ gefrorenem zu 0.277. Entsprechend wuchs auch der Natriumgehalt {NaoOiCl) von 0.78 auf 0.84, während er in normalem Seewasser = 0.74 ist. Die Versuche zeigten weiter, daß der Gehalt an Magnesia (MgO) und Kalk {CaO) bis — 23^ hinab normal bleibt. Sei — 23^ beginnt das Chlornatrium auszufällen, kann aber im Eise licht bei einer höheren Temperatur als — 21.8*^ (der eutektischen) in festem Zustande verbleiben, indem es dann wieder in Lösung geht, örtliche Unter- schiede werden bei einem so kleinen Temperaturintervall also keinen Be- itand haben. Wohl aber konnte Ringer darauf hinweisen, daß der Calcium- i;ehalt der Mutterlaugen ein gutes Merkzeichen für hochpolares Wasser abgibt : ias Verhältnis des Kalks zum Chlor erhebt sich in einer Mutterlauge von — 30^ auf das Doppelte des normalen Werts, da dann schon reichliche Mengen 7on Natriumchlorid auskristallisiert sind. In normalem Seewasser ist das /Verhältnis CaO : CT = 0.030 ; in Mutterlaugen von —30^ fand Ringer es - 0.064, bei solcher von — 40*^ = 0.106; das geschmolzene Eis ergibt dann einen ,m so kleineren Calciumgehalt. Bei diesen niedrigen Temperaturen ist nicht iel Mutterlauge mehr übrig: bei —30*^ lieferten 1000 g Seewasser von 5.05 Promille schon 956.05 g feste Masse und nur 43.95 g flüssigen Rest; von er festen Masse waren 931.9 g Eis, 20.23 g Chlornatrium und 3.95 g Natrium- ilfat, dazu etwas kohlensaurer Kalk. Von der Mutterlauge aber waren in romille: Magnesiumchlorid 117.0, Natriumchlorid 81.9, Calciumchlorid 24.8, aliumchlorid 14.8, Kaliumbromid 2.2, Natriumsulfat 0.9. — So niedrige ^mperaturen, daß das Meerwasser ohne Rest erstarrt, dürften kaum oder nur hr selten vorkommen. Ringers Versuche gingen bis — 53^, wo das Eis noch Die Salzeinschlüsse im Meereis. 505 breiig war, und die Mutterlauge in Promille enthielt: Calciumchlorid 257. Magnesiumchlorid 25, Natriumchlorid 12, Kaliumbromid 20, Natriumbromid 3; die eutektische Temperatur des hier vorherrschenden Calciumchlorid s ( — 55**) war noch nicht erreicht. Will man diese experimentell gewonnenen Vorstellungen an der Hand der vorliegenden Seewasseranalysen prüfen, so trifit man auf große Schwierig- keiten. Es finden sich zwar Angaben für die relativen Anteile der Schwefel- säure am Salzgehalt (oben S. 219 f.), aber die älteren Bestimmungen von Forchhammer sind nach der benutzten Methode nicht einwandfrei, die neueren von Dittmar, Schmelck, Pettersson, Hamberg ihrer Zahl nach viel zu be- schränkt, um aus ihren Einzelbestimmungen deutliche Hinweise auf Schmelz- wasserwirkung zu entnehmen; das muß zukünftigen Massenbeobachtungen vorbehalten bleiben. Dabei wird übrigens noch die richtige Ordnung des Materials wohl zu überlegen sein. Inmitten der Treibeis führenden Ströme bei Spitzbergen oder Grönland ist teils Schwefelsäure dem Seewasser entzogen und im Eise aufgespeichert, teils ist Eis wieder geschmolzen und hat die Schwefel- säure an das umgebende Wasser abgegeben. Deshalb hat schon Pettersson empfohlen, solche Meeresteile aufzusuchen, wo alles Treibeis geschmolzen ist und kein Gefrierprozeß mehr störend eingreift. Das w^ürde östlich von der Neufundlandbank und im europäischen Golfstromgebiet der Fall sein. Schmelck ordnete seine Wasserproben aus dem europäischen Nordmeer nach der geo- graphischen Breite und wollte eine besondere Anreicherung südlich vom Polarkreise wahrnehmen. Er fand nämlich'): Breiten 80«--71< Mittlerer Chlorgehalt (Prom.) . 19.29 „ Schwefelsäuregeh. „ . 2.208 71"— 660 660—620 19.37 ! (19.585) 2.210 j 2.223 Verhältnis 100 (SO3 : CD . . 11.45 j 11.41 11.35 Die absoluten Gehalte in Promille zeigen in der Tat eine deutliche . Zunahme mit der abnehmenden Breite, da aber der mittlere Salzgehalt- gleichfalls nach Süden hin wächst, werden die Relativzahlen (im Vergleich zum Chlorgehalt) gerade umgekehrt in niederen Breiten kleiner. Schmelck hat hier alle analysier- ten Proben zusammengeworfen ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Oberfläche oder Zwischentiefen oder Boden wasser handelt; im Nordmeerwasser ist aber sicherlich in allen Tiefen Wasser aus geschmolzenem Eis enthalten. Auch aus Hambergs wenigen Analysen ist kein deutlicher Unterschied zu erkennen^). 6 Proben von der Oberfläche im Treibeise ergaben ihm einen Schwefelsäure - gehalt von 1,8997 Promille; 5 andere aus dem atlantischen Unterstrom 2,2077; die Relativzahlen 100 (SO-^: Cl) waren also für das Treibeiswasser 11.499, für das Tiefenwasser 11.482, so daß der Zuwachs für das erstere unbedeutend wird. Eine sehr geringe Steigerung ergibt sich auch aus Analysen^ die Ma- karofE durch Rob. Irvine in Edinburgh an Wasser von geschmolzeiien Treibeis- stücken und aus Schmelzwasserlachen vom Packeis nordwestliq}i von Spitz- bergen hatte ausführen lassen^): drei Eisstücke ergaben 10.84, 11.97 und 11,93; die Schmelzwasserlachen im einen Falle nur 10.88, im anderen aber 12.80. Dagegen lieferte ein Eisstück, das Hamberg schmolz, ihm nur 0.05 Promille ') Norske Nordhavs Exp. Qiemi, Kristiania 1882, p. 13, Der eingeklammerte Chlorwert ist aus dem allein angegebenen spezifischen Gewicht von mir interpoliert, 2) Bih, K, Sv. Akad. Vet. Handl. Stockhulm 1885, Bd. 10, Nr, 13, p. 14. 3) Makaroff, Jermak wa Ijedach, p, 459 (die auf p. 452 gegebenen Chlor- werte enthalten irgend einen Fehler). 506 ^^^ -^is ^^^ Meer. Chlor, aber 0.0287 SO^, d. i. eine Relativzahl von 57.4, also 5mal mehr als für Seewasser normal ist. Nansen, der einige Proben Seewasser aus dem Nord- polarbecken analysieren ließ, erhielt^) als Relativzahl 11.50. Das allgemeine Mittel ist nach Forchhammer 11.88, Schmelck 11.46, Dittmar 11.576, Hamberg 11.485, Pettersson 11,70. Hieraus läßt sich zunächst noch nichts Entscheidendes entnehmen. Bsi dem Gefrieren von lufthaltigen Flüssigkeiten findet den eben ge- schilderten Vorgängen analog auch eine Abscheidung der gelösten Gase statt. Eis aus Wasser, das vor as Eis im Meer. der Eisberge an der Südostspitze Neufundlands nach Süden, wenige kleine Berge vermögen die Mitte der Bank zu betreten, der Hauptzug führt zwischen dem Ostrande der Großen Bank und der Flämischen Kappe nach Süden, wo dann Strömungen und Stürme die zählebigsten Berge sowohl nach Westen, wie namentlich nach Osten, seltener weit nach Süden vertreiben^). Bis in die Längen von Sable Island (60*^ W. L.) sind sie im Juli 1836 und Mai 1810, südlich von 40*^ N. B. häufiger vorgedrungen, aber dies geschah bisher stets ostwärts von 50^ W. L, Manche dieser äußersten südlichen und westlichen Lagen erscheinen nicht immer ein- wandfrei, da sich in den Meldungen oder Veröffentlichungen Schreib- oder Druckfehler eingeschlichen haben können; zu diesen gehören so extreme Lagen, wie die vom 28. April 1895 in 39« 22' K, 66"" 3' W. (Eis- bergtrümmer 180 Seemeilen OSO von Nantucketinsel) oder, noch unwahr- scheinlicher, vom 4. September 1890 in 36° 49' N., 42« 18' W. Nur in eis- reichen Jahren kommen Eisberge östlich von 40« W. L. vor, so 1841, 1842, 1844 und sodann 1890 (im Juni in 48« 28' N., 28« 34' W. ein Eis- berg). Damals traf am 10. Juli in 48« 53' N., 24« 34' W. der Hamburger Dampfer Slavonia auf eine Eisscherbe von 2 m Länge und 20 cm Dicke als letzten Rest eines Berges nur 550 Seemeilen westlich von Irland. Noch östlicher soll nach Findlay einmal ein Berg in 48« 40' N., 15« 22' W. gelangt sein 2). Vom Ostgrönlandstrom gelangen mit dem Scholleneis auch Eisberge an die Ostküste Islands, im Mai 1826, 1859 und 1902 sogar bis zu den Westmannainseln an der Südküste. Im Mai 1840 und ApTÜ 1822 sind einzelne nördlich von den Färöer erschienen, ja es wird in der Literatur 3) als unerhörter und seitdem nicht wiedergekehrter Fall verzeichnet, daß Kapitän James Ross mit dem Schiffe Cove im Jahre 1836 zwei große Eis- berge südlich von den Färöer am Wyville Thomsonrücken in 61« N., 6« W. gesichtet habe. Südöstlich vom Kap Farvel drängen sich Eisberge selten außerhalb des Scholleneises seewärts hinaus ; ihre bisher bekannte südlichste ') Für das Folgende vergl. Zeitschr. Ges. f. Erdk. zu Berlin, Bd. 3, 1854; Bd. 6, 1859, Taf. 2 mit der Karte von W. C. Redfield; Bd. 11, 1862. Neuere An- gaben in den Annalen der Hydrographie und den Hydrographie Bulletins des Hydro- graphischen Amts in Washington (wonach meine Referate im Geographischen Jahr- buch). Für das Studium der wechselnden Dichtigkeit des Auftretens der Berge lagen vor einigen Jahrzehnten die Dinge in mancher Hinsicht günstiger, als heute. Denn jetzt erfährt man außerhalb der international festgelegten Schnelldampfer- kurse Eisnachrichten nur von den wenigen Frachtdampfern, die außerhalb dieser Routen fahren, während früher die über weitere Flächen hin zerstreuten Segel- schiffe einen bessern Überblick ermöglichten. Heute erscheint auf den für die Schiffahrtskreise bestimmten Eiskarten das Gebiet der eigentlichen Bank fast ganz leer. Anders ist das schon auf den Karten der Jahre 1880 — 85, noch mehr bei Redfield. ^) Hier liegt auch der Verdacht nahe, daß statt der Länge 15° 22' wohl 45° 22' gelesen werden soll, da weitere Einzelheiten fehlen. 3) Zeitschr. f. allgem. Erdkunde Berlin 1854, Bd. 3, S. 44; Petermanns Mitt. 1867, S. 33. Mein Verdacht, daß hier ein Irrtum in der Ortsangabe vorliege, wird dadurch gestützt, daß James 0. Ross in den Berichten über seine Winterfahrt nach der Baffinbai an das Nautical Magazine (1836) von dieser Tatsache nichts erwähnt, sie auch dem Verfasser einer Abhandlung On Icebergs and Currents in the North Atlantic (Nautical Magazine 1837, S. 137) unbekannt ist (nach einer freundlichen Mitteilung von Dr. L. Meoking). Die antarktischen Eisberge. 523 und östlichste Lage verzeichnete der Kämpfer Devona am 26. September 1900 in 570 17' N., 36« 55' W. An der norwegischen Küste, auch jenseits des Nordkaps und in den nordrussischen sibirischen Gewässern fehlen Eisberge gänzlich. Ebenso ist das der Fall im ganzen Bereiche des Nordpazifischen Ozeans. Um so reichlicher und großartiger ist ihre Entwicklung auf der süd- lichen Hemisphäre, wo das gänzlich unter einer Decke von Inlandeis begrabene antarktische Festland an dem längsten Teil seiner Abgrenzung gegen das Meer stetig solche Eisberge und zwar gelegentlich von riesigen Dimensionen bildet. Schon Forster, Wilkes und Ross, darauf besonders die Challengerfexpedition und zuletzt die Reihe der modernen Südpolar- fahrten haben uns mit diesen tafelförmig gebildeten, zumeist 400 bis 1000 m, nicht selten aber auch viele Kilometer langen und 20 bis 70 m über den Meeresspiegel aufragenden Eisinseln bekannt gemacht. Ihre Entstehung am Inlandeisrande ist insbesondere von E. v. Drygalski beschrieben worden, der vom Gaußberge aus die fortschreitenden Stadien ihrer Ablösung deutlich nebeneinander beobachten konnte. Namentlich solche Fälle waren unmittelbar überzeugend, wo sich noch teilweise Brücken vom Eisberg zum mütterlichen Inlandeise fanden: dort vollzieht sich der Ab- strom dieses antarktischen Inlandeises in einer gewissen Langsamkeit, nach Drygalskis Messungen den größten unserer Alpengletscher ähnlich mit 50 m in 5 Monaten, also nur 0,3 m täglich, während sich die grönländi- schen Eisströme täglich 18 m vorwärts bewegen. Man wird diesen Unter- schied immer auffallend finden, auch wenn man bedenkt, daß im hohen Süden das Inlandeis in freier Front auf das Meer hinaustritt, während es in Grönland mehr oder weniger beengte Fjorde vorfindet, die wie Trichter die vom Binnenlande her konvergierenden Eisströme zusammenfassen und so die Geschwindigkeit des Abflusses beschleunigen. Jedoch wird da, wo sich das Inlandeis, wie zwischen der Rossinsel und Eduard VII. -Land, aus einem riesigen, tief im Süden gelegenen Sammelbecken seewärts ergießt, auch die Abströmung mit größerer Geschwindigkeit erfolgen, und ist anzunehmen, daß die Erzeugung besonders großer Eisberge leichter und auch häufiger vor sich gehen wird, als in der Umgebung des Gaußberges. Die Abbruche erfolgen durch Auftrieb entlang Spalten parallel dem Saum und senkrecht dagegen, daher die kastenartige Gestalt der Eisberge. Die frische Bruchfläche ist muschelartig. Nach einiger Zeit wird an Eiswänden, die dem Seegang mit seiner Klippenbrandung ausgesetzt sind, eine Hohl- kehle, mit tieferen Nischen darin, ausgewaschen, so daß alte Eisränder durch tiefe Höhlungen ausgezeichnet sind^). An abgelösten Eisbergen wird sich also immer die alte Front erkennen lassen, sie bildet auch weiter den Hauptangriifspunkt der zerstörenden Kräfte, die hier nicht andere sind, wie in den grönländischen Meeren. Durch Abschmelz'en wird diese alte Seite zuerst leichter, und der Berg beginnt sich mit ihr zu heben; ebenso erfolgen diese Verschiebungen zuerst an der Luvseite, wo Brandung und Regenschlag kräftiger wirken. Im ganzen scheint im hohen Süden das gewaltsame Wälzen in völlig neue Gleichgewichtslagen weniger häufig ; ^) Vortreffliche Abbildungen bei R. Scott, The Voyage of the Discovery, Lon- don 1905, Bd. 2, p. 408. 524 ^^^ ^^s ^^ Meer. wo es aber vorkommt, wird es um so interessanter, indem es dann die reichen Einsotlüsse von Glazialgeschieben an der ursprünglichen Uuterfläche erkennen läßt. Im übrigen tragen diese Eismassen ihren Ursprung aus verfirntem Schnee besonders deutlich zur Schau; doch sind die Gletscher- körner (nach Drygalski) bei ihnen durchweg kleiner, als bei den grön- ländischen Eisbergen^). Das Eis ungewälzter Berge ist stets deutlich horizontal geschichtet, indem luftreichere weißliche Lagen mit dichteren blauen wechseln. Deshalb kann auch der aus dem Wasser ragende Teil der Masse sich zum eingetauchten kaum wie 1 zu 7 verhalten, wie Sir John Murray wollte; ein Verhältnis wie 1: 5 ist nach Kapitän Rob. Scott viel- mehr den Befunden an gewälzten Bergen gemäß. — Anders als im Norden ist in den hohen Südbreiten die Wirkung auf die Wassertemperatur. Da die Eisberge dort in einem an der Oberfläche sehr kalten, in der Tiefe aber warmen Meer schwimmen, ist ihr aufsteigendes Schmelzwasser verhältnis- mäßig warm: so sah C. Chun in der Nähe großer Eistafeln die Oberflächen- temperatur von —0.6« auf 0« steigen (in 56« S., 32« 0.). —Die Lebens- dauer dieser antarktischen Eisinsein ist allem Anscheine nach erheblich größer, als die der grönländischen Berge, die doch selten älter als zwei Jahre werden dürften; hier sprechen die Entdecker von zehn Jahren als keineswegs unwahrscheinlichem Alter für die am weitesten in niedere Breiten vorgedrungenen. Unterstützt wird die Lebensdauer durch das große Vo- lum, indem Eisinseln von der Grundfläche der Insel Fehmarn keineswegs etwas Unerhörtes, solche wie Helgoland aber ganz gewöhnlich sind. Im Dezember des Jahres 1854 wurde eine ungeheure Eisinsel im Südatlan- tischen Ozean unter 44« S., 28« W. erblickt, die in hakenförmigem Grund- riß 60 zu 40 Seemeilen maß, nirgends aber 90 m Höhe überstieg; sie würde mit der Langseite von Helgoland über Sylt hinaus gereicht haben und ihr Volum kann auf 500 cbkm geschätzt werden. 21 Schiffe meldeten nacheinander das weitere Fortschreiten dieses Kolosses bis April 1855, wo er in 40« S., 20« W. zuletzt gesichtet wurde. Im Dezember 1892 wurde östlich von den Falklandinseln (in 49« 34' S., 45« 53' W.) ein Eisberg bemerkt, der ebenfalls 90 m hoch und 25 zu 30 Seemeilen breit war. Im Bereiche arktischer Eistrift erreichen nur ganz vereinzelt einmal .Packeisschollen im Ostgrönlandstrom mit ihren Grundflächen Dimensionen von ähnlicher Größenordnung, wie denn Clavering meldet, daß er 1823 nördlich von der Dänemarkstraße an einer Packeisscholle von 60 Seemeilen Seitenlänge entlang gesegelt sei. Diese großen antarktischen Eisberge treten in gewissen längeren oder kürzeren Perioden in großen Massen in die wärmeren Meere hinüber, wo sie dann dem Schiffsverkehr, insbesondere der großen Segelschiffahrt sehr hinderlich werden können. Solche Vorstöße fanden 1834, 1840, 1844, 1850, 1855/56, 1867/69, 1878^79, 1892/93, 1902,3 und 1905/7 statt^). Für die Ur- ') Drygalski, Zum Kontinent etc. S. 462; vergl. jedoch C. Chun, Aus den Tiefen d. Weltmeers S. 191. ^) Die älteren Meldungen sind in Maurys Sailing Directions vol. II, 1858 verzeichnet, die meisten neueren immer vollständiger in den Annalen der Hydro- graphie. Auch K. Fricker, Die Entstehung und Verbreitung des Antarkt. Treib- eises, Leipzig 1893, die britische Admiralitätskarte 1241 (Ice chart of the Southern Hemisphere, danach Stielers Handatlas Taf. 6) und Pilot Chart des U. S. Hydro- graphie Office für November 1896, geben vortreffliche Übersichten. Die antarktischen Eisberge. 525 Sachen derselben müssen die Zustände im antarktischen Packeisraum in Erwägung gezogen werden. Soweit sie uns bekannt geworden sind, lassen sie erkennen, daß auf großen Strecken oft für Jahre alles stabil mrd, indem Eisberge zwischen stetig von Schnee stärker belasteten Schollen einfrieren und samt diesen auf seichten Stellen festkommen. Die meisten Berge scheinen dann nach mehrjähriger Ruhe mit dem neuen Nachschub vom Inlandeis zugleich in Bewegung zu kommen, wenn dafür günstige meteorologische Verhältnisse (stürmische südliche Winde nach wärmerem Wetter) eintreten. Alsdann geht das wenig widerstandsfähige Packeis mit den frei gewordenen Gesellschaften von Eisbergen verschiedener Jahr- gänge auf einem Wege, den Winde und Meeresströme vorschreiben und der bis 60° S. B. wohl mehr nach NW. als nachW., nachher mehr nördlich und zuletzt östlicher als Nord wird, in die niederen Breiten, wobei zuletzt nur die ganz großen Berge übrigbleiben. Vulkanische Ereignisse oder große Seebebenfluten, an die man früher zu denken pflegte, scheinen mir für die Erklärung dieser großartigen Phänomene nach den jetzt vor- liegenden Beobachtungen aus dem eigentlichen Packeisgürtel der höchsten Südbreiten mehr oder weniger entbehrlich geworden. Viele der Berge erreichen aber anscheinend niemals den Tag der Befreiung aus den Banden des Packeises. E. v. Drygalski^) hat zuerst für die Antarktis jene Abart von alten Eisbergen beschrieben, die unter den zerstörenden Eingriffen der Atmosphärilien, namentlich der Schneestürme, einer fortgesetzten äolischen Abtragung unterliegen, so daß ihre Oberfläche abgeschliffen und zugerundet wird, und die auch nach gelegentlichem Wälzen dieser Gefangen- schaft und langsamen Zerstörung nicht entrinnen; er nannte sie Blaueis- berge. Es besteht für den Kenner der arktischen Literatur wohl kaum ein Zweifel, daß sie mit jenen um Grantland und im Parryarchipel nicht seltenen, aber viel kleineren Gebilden identisch sind, die Sir George Nares als Ureis (palaeocrystic ice) und sein Gefährte Dr. Mcss als Glas- oder Blaudome bezeichneten 2) und die ein Begleiter Sverdrups, G. Isächsen^), vor kurzem noch ausdrücklich als solche festgelegten, alten, aber schon von Anfang an nur kleinen, den benachbarten Inlandeisflächen entsprossenen Eisberge erkannt hat. Wo jähre-, ja vielleicht jahrzehntelang abgewittertes Blaueis die antarktische Landschaft beherrscht, empfängt nach Drygalskis Schilderung die Natur den Stempel der völligen Ruhe, ja des Todes. Die niedrigsten Breiten, bis zu denen die antarktischen Eisberge vorgedrungen sind, sind wiederum von der Richtung der Meeresströmungen abhängig, und wir werden uns deshalb bei Darstellung der letzteren mit mehreren sehr bezeichnenden Einzelfällen noch ausführlich zu beschäf- tigen haben. Man kann sagen, daß die nördlichste Grenze im allgemeinen bei 45° S. B. liegt, wobei um die Südspitze Südamerikas, sowohl auf der pazifischen wie auf der atlantischen Seite, diese Linie seewärts zurück- weicht. Es sind erst unweit von Kap Hörn wieder Eisberge mehrfach gesichtet und zwar in allen Jahreszeiten, östlich von 55° W. L. bis in den Indischen Ozean hinein in 70° 0. L. reichen die äußersten nördlichen Meldungen über 40° S. B., nahe beim Kaplande bis 35° S. B.: in diesen ^) Nach dem Kontinent des eis. Südens S. 412. 2) Proc. R. Soc. London 1878, Bd. 27 ; p. 549 (glassy blue tops, blue domes). ') Petermanns Mitt. 1906, S. 13. 526 ^^^ ^^^ ^^ Meer. Längen macht sich die Nähe der stark ausgekühlten Boiivetregion also noch weithin nordwärts fühlbar. So sind nicht nur im Jahre 1840 von Januar bis Oktober Eisberge in Sicht vom Nadelkap vorgedrungen, sondern, als bisher ganz einzig dastehender Fall, sogar aus 26 « 30' S., 25« 40' W. am 30. April 1894 vom Schiffe Dochra noch als letzter Rest eines Eis- berges eine Eisscherbe von 3 1/2 m Länge, 1 V^ m Breite und Höhe an das Hydrographische Amt in Washington gemeldet worden: das Stück war sehr weiß und schien durchlöchert. — Im östlichen Indischen Ozean scheint die Breite von 45° und im ganzen Pazifischen Ozean die von 50« S. nur sehr selten überschritten zu werden: vom Januar 1855 wird ein Vorkommen östlich von Neuseeland aus 40« S., 170« W., und ein zweites aus 43« S., 125« W. verzeichnet. Anhang. Reduktionstabellen, I. Verwandlung von englischen Faden in Meter. 1 Faden = 1.828768 m (Log. 0.2621584). Faden 00 10 20 30 40 ' 50 60 70 80 90 P. P. m m m m m m m m m m II 100 183 201 220 238 256 274 457 293 311 329 348 ii 200 366 384 402 421 439 476 494 512 530 300 549 567 585 604 622 640 658 677 695 713 400 732 750 768 786 805 823 841 860 878 896 500 914 933 951 969 988 1006 1024 1042 1061 1079 600 i 1097 1116 1134 1152 1170 1189 1207 1225 1244 1262 700 1 1280 1298 1317 1335 1353 1372 1390 1408 1426 1445 800 ! 1463 1481 1500 1518 1536 1554 1573 1591 1609 1628 900 , 1646 1664 1683 1701 1719 1737 1756 1774 1792 1810 1000 1 1829 1847 1865 1884 1902 1920 1939 1957 1975 1993 1100 2012 2030 2048 2067 2085 2103 2121 2140 2158 2176 18 1200 2195 2213 2231 2249 2268 2286 2304 2323 2341 2359 F. M. 1300 ! 2377 2396 2414 2432 2451 ! 2469 2487 2505 2524 2542 1 2 3 2 4 5 1400 2560 2579 2597 2615 2633 ! 2652 2670 2688 2707 2725 1500 2743 2761 2780 2798 2816 2835 2853 2871 2889 2908 1600 2926 2944 2963 2981 2999 3017 3036 3054 3072 3091 4 7 1700 3109 3127 3145 3164 3182 1 3200 3219 3237 3255 3274 5 9 1800 3292 3310 3328 3347 3365 i 3383 3402 3420 3438 3456 6 11 1900 3475 3493 3511 3530 3548 ' 3566 3584 3603 3621 3639 7 13 2000 3658 3676 3694 3712 3731 1 3749 3767 3786 3804 3822 8 15 2100 3840 3859 3877 3895 3914 3932 3950 3968 3987 4005 9 16 2200 4023 4042 4060 4078 4096 ; 4115 4133 4151 4170 4188 2300 4206 4224 4243 4261 4279 ' 4298 4316 4334 4352 4371 2400 4389 4407 4425 4444 4462 4480 4499 4517 4535 4553 2500 4572 4590 4609 4627 4645 4663 4682 4700 4718 4737 2600 4755 4773 4791 4810 4828 ^ 4846 4865 4883 4901 4919 2700 4938 4956 4974 4993 5011 5029 5047 5066 5084 5102 2800 5121 5139 5157 5175 5194 5212 5230 5249 5267 5285 19 2900 5303 5322 5340 5358 5377 5395 5413 5431 5450 5468 F. M. 3000 5486 5505 5523 5541 5559 5578 5596 5614 5633 5651 "1 o 3100 5669 5687 5706 5724 5742 5761 5779 5797 5815 5834 2 4 3200 5852 5870 5889 5907 5925 5944 5962 5980 5998 6017 3 6 3300 6035 6053 6072 6090 6108 6126 6145 6163 6181 6200 1 4 8 "3400 6218 6236 6254 6273 6291 6309 6328 6346 6364 6382 5 10 3500 6401 6419 6437 6456 6474 6492 6510 6529 6547 6565 6 11 3600 6584 6602 6620 6638 6657 6675 6693 6712 6730 6748 7 13 3700 6766 6785 6803 6821 6840 6858 6876 6894 6913 6931 8 15 3800 6949 6968 6986 7004 7022 7041 7059 7077 7096 7114 9 17 3900 7132 7150 7169 7187 7205 i 7224 7242 7260 7279 7297 4000 7315 7333 7352 7370 7388 1 7407 7425 7443 7461 7480 4100 7498 7516 7335 7553 7571 7589 7608 7626 7644 7663 4200 7681 7699 7717 7736 7754 1 7772 7791 7809 7827 7845 4300 7864 7882 7900 7919 7937 I 7955 7973 7992 8010 8028 4400 8047 8065 8083 8101 8120 1 8138 8156 8175 8193 8211 4500 8229 8248 8266 8284 8303 8321 8339 8357 8376 8394 4600 8412 8431 8449 8467 8485 i 8504 8522 8540 8559 8577 4700 8595 8614 8632 8650 8668 8687 8705 8723 8742 8760 4800 8778 8796 8315 8833 8851 8870 8888 8906 8924 8943 4900 8961 8979 8998 9016 9034 9052 9071 9089 9107 9126 5000 9144 9162 9180 9199 9217 j 9235 9254 9272 9290 9308 5100 9327 9345 9363 9382 9400 9418 9436 9455 9473 9491 5200 9510 ■ 9528 9546 9564 9583 1, 9601 9619 9638 9656 9674 5300 9692 9711 9729 9747 9766 ! 9784 9802 9820 9839 9857 5400 9875 9894 9912 9930 9949 il 9967 9985 10003 10022 10040 II. Verwandlung von Meter in engl. Faden. Hunderter Meter 1 0 100 200 300 400 i, 500 600 700 800 900 Tausender | Faden Faden Faden Faden Faden : Faden Faden Faden Faden Faden 0 0.00 54.68 109.36 164.04 218.73 273.41 328 09 382 77 437 45 492.13 1000 i 546 82 601.50 656.18 710.86 765 54 M 820 22 874.91 929.59 984 27 1 038 95 2000 1 093.63 1 148.32 1 203 00 1 257.68 1 312 36 ll 1 367 04 1 421.72 1 476.41 1 531.09 1 585.77 3000 1 640.45 1 695.13 1 749.81 1 804 50 1 859 18 '1 1 913.86 1 968.54 2 023 22 2 077.90 2 132.59 4000 2 187.27 2 241.95 2 296 63 2 351.31 2 405 99 2 460.68 2 515.36 2 570.04 2 624.72 2 679 40 5000 2 734 08 2 788.77 2 843.45 2 898 13 2 952.81 3 007.49 3 062.17 3 116.86 3 171.54 3 226.22 6000 3 280.90 3 335.58 3 390.26 3 444 95 3 499.63 ; 3 554.31 3 608.99 3 663 67 3 718.35 3 773.04 7000 3 827.72 3 882.40 3 937.08 3 991.76 4 046.44 4 101 IC 4 155 81 4 210 49 4 265.17 4 319.85 8000 4 374.53 4 429.22 4 483.90 4 538.58 4 593.26 4 647.94 4 702.62 5 757.31 4 811.99 4 866.67 9000 4 921 36 4 976.03 5 030.71 5 085.40 5 140.08 5 194.76 6 249.44 5 304.12 5 358.80 5 413 49 Meter i Einer 0 1 2 3 4 ^ 6 7 8 ' Zehner Faden Faden Faden Faden Faden Faden Faden Faden Faden Faden 0 0.00 0.55 1.09 1.64 2.19 2.73 3.28 3.83 4.37 492 10 5 47 6.02 6 56 7.11 7.66 8.20 13.67 8.75 9.30 9.84 10.39 20 10.94 11.48 1203 12.58 13.12 14 22 14.76 15.31 15 86 30 16.40 16.95 1750 18.04 18.59 19.14 19.69 20.23 20 78 21.33 40 21.87 22.42 22.97 23.51 24.06 24.61 25.15 25.70 26.25 26.79 50 27.34 27.89 28.43 28.98 29.53 1 30.07 30.62 31.17 31.72 32.26 60 32.81 33.36 33.90 34.45 35.00 35.54 36.09 36 64 37.18 37.73 70 38.28 38.82 39.37 39.92 40.46 41.01 41.56 42.10 42.65 43.20 80 43.75 44.29 44.84 45.39 45.93 46.48 47.03 47.57 48.12 48.67 90 49.21 49.76 50 31 50.85 51.40 51.95 52.49 53.04 53 59 54.13 III. Verwandlung von Seemeilen in Kilometer. 1 Seemeile = 1.852016 km (Log. 0.2676448). Einer Seemeüen 0 1 2 3 4 1 5 6 7 8 9 km km km km km km km km km km 0 0.0 1.9 3.7 5.6 7.4 ! 9.3 11.1 13.0 14.8 16.7 10 18.5 20.4 22.2 24.1 25.9 1 27.8 29.6 31.5 33.3 35.2 20 37.0 38.9 40.7 42.6 44.4 ; 46.3 48.2 50.0 51.9 53.7 30 55.6 57.4 593 61.1 63.0 i 64.8 66.7 68.5 70.4 72.2 40 74.1 75.9 77.8 79.6 81.5 83.3 85.2 87.0 88.9 90.7 50 92.6 94.5 96,3 98.2 100.0 i 101.9 103.7 105.6 107.4 109.3 60 i 111.1 113.0 114.8 116.7 118.5 120.4 122.2 124.1 125.9 127.8 70 129.6 131.5 133.3 135.1 137.1 , 138.9 140.8 142.6 144.5 146.3 80 148.2 150.0 151.9 153.7 155.6 157.4 159.3 161.1 163.0 164.8 90 166.7 168.5 170.4 172.2 174.1 175.9 177.8 179.6 181.5 183.3 100 185.2 187.1 188.9 190.8 192.6 194.5 196.3 198.2 200.0 201.8 \ STECHERTdCo LFREDHAPNER) ^ rW' -iM:.